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Lesen in Antike und frühem Christentum

2021
978-3-7720-5729-8
A. Francke Verlag 
Jan Heilmann

Die Studie zeichnet ein überraschend neues Bild der griechisch-römischen Lesekultur. Sie untersucht anhand der Leseterminologie, wie Menschen in der Antike ihr eigenes "Lesen" verstanden haben, und bezieht diese Ergebnisse auf die materiellen und sozialgeschichtlichen Zeugnisse über Leseverhalten und -bedingungen. Es werden verbreitete Annahmen widerlegt, z. B. über das grundsätzlich "laute" Lesen, über die Verbreitung einer performativen Vorlesekultur oder über den Gottesdienst als Ort der Erstrezeption neutestamentlicher Schriften. Ein differenziertes Modell zur Beschreibung von Lesepraktiken eröffnet neue Wege für die (historische) Leseforschung auch in anderen Bereichen. Vor allem wird deutlich, dass sich die neutestamentlichen Schriften im Rahmen dieser Lesekultur verstehen lassen und z. T. für die individuell-direkte Lektüre konzipiert wurden. Damit werden auch elaborierte Lektürekonzepte plausibel, wie sie etwa das Markusevangelium voraussetzt.

ISBN 978-3-7720-8729-5 www.narr.de T A N Z T A N Z T A N Z TEXTE UND ARBEITEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN ZEITALTER Die Studie zeichnet ein überraschend neues Bild der griechischrömischen Lesekultur. Sie untersucht anhand der Leseterminologie, wie Menschen in der Antike ihr eigenes „Lesen“ verstanden haben, und bezieht diese Ergebnisse auf die materiellen und sozialgeschichtlichen Zeugnisse über Leseverhalten und -bedingungen. Es werden verbreitete Annahmen widerlegt, z. B. über das grundsätzlich „laute“ Lesen, über die Verbreitung einer performativen Vorlesekultur oder über den Gottesdienst als Ort der Erstrezeption neutestamentlicher Schriften. Ein differenziertes Modell zur Beschreibung von Lesepraktiken eröffnet neue Wege für die (historische) Leseforschung auch in anderen Bereichen. Vor allem wird deutlich, dass sich die neutestamentlichen Schriften im Rahmen dieser Lesekultur verstehen lassen und z. T. für die individuell-direkte Lektüre konzipiert wurden. Damit werden auch elaborierte Lektürekonzepte plausibel, wie sie etwa das Markusevangelium voraussetzt. Jan Heilmann Lesen in Antike und frühem Christentum Jan Heilmann Lesen in Antike und frühem Christentum Kulturgeschichtliche, philologische sowie kognitionswissenschaftliche Perspektiven und deren Bedeutung für die neutestamentliche Exegese Lesen in Antike und frühem Christentum T A N Z TEXTE UND ARBEITEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN ZEITALTER 66 herausgegeben von Matthias Klinghardt, Günter Röhser, Stefan Schreiber und Manuel Vogel Jan Heilmann Lesen in Antike und frühem Christentum Kulturgeschichtliche, philologische sowie kognitionswissenschaftliche Perspektiven und deren Bedeutung für die neutestamentliche Exegese © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0939-5199 ISBN 978-3-7720-8729-5 (Print) ISBN 978-3-7720-5729-8 (ePDF) ISBN 978-3-7720-0149-9 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. ORCID iD Jan Heilmann: 0000-0003-2815-6827 Die Studie wurde gefördert durch: www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 15 17 1 19 1.1 22 1.1.1 23 1.1.2 32 1.1.3 38 1.2 41 1.3 56 1.3.1 59 1.3.2 60 1.3.3 61 1.3.4 70 1.3.5 71 1.3.6 72 1.4 78 1.5 86 95 2 97 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präliminarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand . . . . . Lesen im „Gottesdienst“ bzw. in der „Gemeindeversammlung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biblical Performance Criticism . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Public Reading/ Communal Reading . . . . . . . . . . . . . . . Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschriebenes als Abbild des Gesprochenen? . . . . . . . . Die Frage nach dem Zusammenhang von Schriftsystem und Lesepraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage nach der Literalität antiker Gesellschaften . Die Frage nach der Alterität antiker und zeitgenössischer Lesekultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage nach der „Oralität“ antiker Gesellschaften . . Engführung der Forschung auf die Fragen nach einem vermeintlichen „Normalmodus“ des Lesens in der Antike und auf reading communities . . . . . . . . . . . . . . . . Fragestellung, methodischer Ansatz und Vorgehen . . . . . . . . Beschreibungssprache und weitere terminologische Klärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil I Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die Vielfalt der Lesemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 105 3.1 105 3.1.1 105 3.1.2 117 3.1.3 120 3.1.4 121 3.1.5 127 3.1.6 128 3.2 134 3.3 144 3.4 159 3.5 168 3.6 180 3.7 186 3.8 198 3.9 209 4 215 4.1 216 4.2 226 4.3 239 4.4 268 5 271 6 291 6.1 292 6.2 300 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen als (Wieder)Erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ἀναγιγνώσκω . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ἀναγιγνώσκω mit zusätzlichen Präfixen . . . . . . . . . . . . Ἀναγνωστικός . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ἀνάγνωσις . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ἀνάγνωσμα . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ἀναγνώστης . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen als Hören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen als Begegnung und Kontakt mit dem Text . . . . . . . . . . . Lesen als haptischer Umgang mit dem Medium . . . . . . . . . . . Lesen als Suchen bzw. Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen als Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen als Sehen des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen als Essen und Trinken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P. Saengers These zum Lesen von scriptio continua vor dem Hintergrund der modernen kognitions- und neurowissenschaftlichen Leseforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Lesen von scriptio continua im Spiegel antiker Quellen . . Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften und die Frage nach „Lesehilfen“ . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit und die Frage nach der Repräsentation von Klang in der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur . . . . . . . . Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte . Kollektive Rezeption und Lesen beim Gemeinschaftsmahl . . . Individuelle Lektüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt 311 7 313 7.1 313 7.1.1 313 7.1.2 323 7.1.3 328 7.1.4 332 7.1.5 342 7.2 346 7.2.1 349 7.2.2 352 7.2.3 355 7.2.4 358 7.3 359 7.4 364 7.5 376 8 381 8.1 381 8.2 383 8.2.1 383 8.2.2 396 8.3 411 8.3.1 412 8.3.2 418 8.3.3 441 8.3.4 446 8.4 447 8.4.1 447 8.4.2 464 Teil II Anwendung der erarbeiteten Grundlagen zur Analyse spezifischer Textcorpora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien . . . . . . . . . Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften . . . . . ארק als hebräisches Hauptleseverb . . . . . . . . . . . . . . . . . הגה und individuell-direkte Lektüre im AT . . . . . . . . . . Lesepraktiken in der Henochliteratur . . . . . . . . . . . . . . . Das Lektürekonzept im Buch Jesus Sirach . . . . . . . . . . . Antizipation unterschiedlicher Rezeptionsgewohnheiten im 2Makk . . . . . . . . . . . . . . . . Philon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesesozialisation bei Philon am Beispiel von agr. 18 . . Die Lektüre des Königs - Philons Interpretation von Dtn 17,18 f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Individuell-direkte Lektüre der Therapeuten vs. communal reading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qumran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen in der Synagoge bzw. am Sabbat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über kleinere Leseszenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament . . . . . . . . . . Lesen des Alten Testaments im Corpus Paulinum . . . . Lesen der Hebräischen Bibel/ des Alten Testaments in den Erzähltexten des Neuen Testaments . . . . . . . . . . . . Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre . . . . . Die Brieflektüre des historischen Paulus . . . . . . . . . . . . Die anvisierte Rezeptionsform der Paulusbriefe in den paulinischen Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen in den Deuteropaulinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mk 13,14 und das Lesekonzept des MkEv . . . . . . . . . . . Zur anvisierten Rezeptionsweise der Apokalypse . . . . 7 Inhalt 9 483 9.1 483 9.2 490 9.3 496 9.4 503 9.5 511 9.5.1 511 9.5.2 522 9.6 533 9.7 538 10 541 10.1 541 10.2 542 10.3 543 10.4 544 11 549 11.1 549 11.2 550 11.3 551 11.4 552 11.5 553 11.5.1 553 11.5.2 555 11.5.3 581 11.5.4 582 11.5.5 583 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum . . . . . . . . . . . Zusammenfassender Rückblick und methodologische Implikationen für die Exegese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Stellenwert des Lesens im frühen Christentum: Mündlichkeit und Skeptizismus gegenüber dem geschriebenen Wort? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lesen im Kontext der Komposition sowie der Abschreibepraxis neutestamentlicher Texte . . . . . . . . . . . . . . . Ein Vorleser/ Lektor in den frühchristlichen Schriften als Evidenz für gottesdienstliche Lesungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis: Zum Charakter kollektiv-indirekter Leseanlässe im frühen Christentum und individuell-direkte Lektüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kollektiv-indirekte Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Individuell-direkte Lektüre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen für die Frage nach der Entstehung des neutestamentlichen Kanons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liste mit Belegen für nicht-vokalisierendes Lesen . . . . . . . . . . Quellensprachliche Bezeichnungen antiker „Leseobjekte“ (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exemplarische Übersicht über griechische (und lateinische) Lesetermini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wörterbücher, Lexika und weitere Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . Philologische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkordanzen und elektronische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . Epigraphische und papyrologische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Biblische Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literarische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Papyri, Ostraka u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Münzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt 11.5.6 583 11.5.7 584 12 585 13 673 673 674 678 679 686 687 692 705 Ikonographische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen aus der Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Altes Testament, LXX, Pseudepigraphen des Alten Testaments Qumran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neues Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außerkanonische Pseudepigraphen des Neuen Testaments . . Antike Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl an lateinischen und griechischen Lexemen . . . . . . . . . . . . . 9 Inhalt CLAVDIAE·VXORI·CARISSIMAE· ET·ANTONIO·ERASMO·FILIO·N OSTRO·ANNO·DOMINI·MMXX ICHHALTEJEDOCHDASVORANGESCHRIEBENEFÜREINENÜTZLICHESACH EDAESDIEJENIGENDIEESINTENDIERTLESENWOLLENORIENTIERTDIEJENI GENDIEZUFÄLLIGAUFDASBUCHSTOSSENZUMLESENERMUNTERTUNDEN DLICHDENJENIGENDIENURETWASNACHSCHLAGENWOLLENBEIMSCHNE LLENAUFFINDENHILFT ἐγὼ δὲ κρίνω χρήσιμον μὲν εἶναι καὶ τὸ τῶν προγραφῶν γένος καὶ γὰρ εἰς ἐπίστασιν ἄγει τοὺς ἀναγινώσκειν θέλοντας καὶ συνεκκαλεῖται καὶ παρορμᾷ πρὸς τὴν ἀνάγνωσιν τοὺς ἐντυγχάνοντας, πρὸς δὲ τούτοις πᾶν τὸ ζητούμενον ἑτοίμως ἔνεστιν εὑρεῖν διὰ τούτου. Polybios 11 prooem. 2 Vorwort Die vorliegende Studie entstand im Wesentlichen in den Jahren 2014-2018 und wurde im Wintersemester 2019/ 2020 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Habilitationsschrift angenommen. Das Manuskript wurde für die Publikation geringfügig überarbeitet sowie um Quellen und Literatur ergänzt. Danken möchte ich zunächst Prof. Dr. Matthias Klinghardt nicht nur für seinen kollegialen Rat und seine vielfältige Unterstützung, sondern auch dafür, dass er mir großartige Entfaltungsmöglichkeiten am Institut für Evangelische Theologie in Dresden eröffnet hat. Außerdem danke ich Prof. Dr. Reinhard von Bendemann und Prof. Dr. Peter Wick für die Übernahme der Gutachten, die auf sorgfältiger Lektüre basierenden, unverzichtbaren Hinweise für die Überarbeitung und die Begleitung des Verfahrens. Danken möchte ich außerdem den übrigen TANZ-Herausgebern, Prof. Dr. Günter Röhser, Prof. Dr. Stefan Schreiber und Prof. Dr. Manuel Vogel für die Aufnahme in die Reihe. Dr. Valeska Lembke, Corina Popp und Elena Gastring danke ich für die gute Betreuung von Seiten des Verlags. Große Teile dieses Buches sind im Rahmen eines Forschungsprojektes entstanden, das vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus durch die Sächsische Aufbaubank gefördert wurde. Für die großzügige finanzielle Unterstützung sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Daneben ist zahlreichen weiteren Personen vielfältiger Dank abzustatten: Prof. Dr. Christina Hoegen-Rohls, für den fortdauernden diskursiven Austausch über meine Forschungsthemen, und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihres Oberseminars im SoSe 2019; Prof. Dr. Hermut Löhr stellvertretend für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ökumenischen Neutestamentlichen So‐ zietät in Bonn, in deren Rahmen ich mein Projekt im April 2018 vorstellen durfte; Prof. Dr. Jörg Frey stellvertretend für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des VIII. Colloquium Iohanneum im Februar 2019 in Zürich; Dr. David Trobisch, Prof. Dr. Andrew McGowan und Prof. Dr. Susan Marks für die zahlreichen inspirierenden Gespräche und Diskussionen über das Thema; Prof. Dr. Dennis Pausch, Prof. Dr. Martin Jehne, Prof. Dr. Maria Häusl und Ute Meyer für die konstruktive Begleitung des Projekts von Seiten der Dresdner Altertumswis‐ senschaften; nicht zuletzt allen Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Evangelische Theologie in Dresden und insbesondere der Institutssekretärin, Eva-Maria Kaminski, die mit ihrer liebenswürdigen Art stets den Überblick über die Finanzmittel meiner Projekte behalten und mich im administrativen Dickicht der Universität vielfältig unterstützt hat. Auch viele Freunde und Kolleginnen/ Kollegen haben Anteil am Gelingen des Projektes, die Teile der Habilitationsschrift z. B. im Dresdner Oberseminar und darüber hinaus kritisch diskutiert, mir wertvolle Hinweise gegeben, mich in Bezug auf Methoden der Digital Humanities beraten und/ oder sich durch die Übernahme des Korrekturlesens hervorgetan haben: Adriana Zimmermann, Christine Hoffmann, Dr. Nathanael Lüke, Dr. Daniel Pauling, Dr. Tobias Flem‐ ming, Dr. Alexander Goldmann, Dr. Juan Garcés, Dr. Eric Pilz, Stefan Zorn, Dr. Benedikt Eckhardt, Dr. Johannes F. Diehl, PD Dr. Thomas Wagner und Dr. Mat‐ thias Braun. Besonders hervorzuheben ist der Beitrag von Kevin Künzl, der mit seinem altphilologischen Sachverstand als SHK/ WHK und später als Doktorand an der kritischen Sichtung und Übersetzung zahlreicher Quellen mitgewirkt hat. Neben den vielen Studierenden in meinen Dresdner Lehrveranstaltungen ist namentlich weiteren Studentischen Hilfskräften für ihren unermüdlichen Arbeitseinsatz herzlich zu danken: Lea Herrfurth, Fridolin Wegscheider, Johann Meyer, Frank Wagner, Jakob Brügemann, Ulrike Meinhold und Tobias Reintzsch. Danken möchte ich außerdem meinen Eltern, Doris und Pfr. Bernd Schäfer, für die vielfältige Unterstützung meiner wissenschaftlichen Tätigkeit, sowie meiner Schwester und ihrem Mann, Lena und Stefan Schäfer, für ihre Unter‐ stützung und die Übernahme von Korrekturarbeiten. Dieses Buch ist meiner Frau Claudia, meiner kritischsten Leserin und lieben Partnerin, und meinem Sohn Anton, der stets für eine lebendige Arbeitsatmosphäre sorgt, gewidmet. Dresden, im Juli 2020 Jan Heilmann 16 Vorwort 1 Ähnlich verfährt man auf dem Portal Trismegistos: www.trismegistos.org/ . Einführend zu diesem Portal D E P A U W / G H E L D O F , Trismegistos. 2 Bzw. Sammlungspublikation. 3 Dem Vf. ist bewusst, dass Perseus aus lizenzrechtlichen Gründen z. T. auf nicht ganz aktuellen Editionen basiert. Präliminarien - Entgegen älteren Konventionen wird u. a. wegen der besseren elektronischen Verarbeitbarkeit 1 bei der Angabe von Quellen weitgehend auf die Verwendung von Römischen Zahlen verzichtet. - Papyri werden wie folgt zitiert: • [Edition 2 ][ggf. Band][Textnummer], [ggf. Fragment/ Kolumne], [Zeile] P.Oxy. 3 405, col. 2,19 P.Oxy. 9 1175, fr. 7,8 • Wenn nur ein Fragment mit einer Kolumne vorhanden ist, wird die Zeilenangabe direkt hinter der Textnummer angeführt. P. Mich. 2 130,10 … - Kodizes werden wie folgt zitiert: • [Edition][Folium recto/ verso],[Zeile] P.Oxy. 4 657, f. 47v o ,21 - Soweit die zitierten Quellen online zur Verfügung stehen, sind sie im E-Book mit einem Hyperlink versehen, damit sie von den Leserinnen und Lesern schneller eingesehen werden können. Generell werden Papyri mit der Datenbank „Trismegistos“ verlinkt, literarische Quellen aus lizenz‐ rechtlichen Gründen und der allgemeinen Zugänglichkeit willen mit der Perseus Digital Library bzw. - für Texte, die dort nicht enthalten sind - mit dem neuen Scaife Viewer von Perseus. Diese Links enthalten jeweils stabile CTS-URNs (vgl. dazu http: / / cite-architecture.org/ ). Inschriften werden mit diversen digital verfügbaren Korpora verlinkt. - Die Verlinkungen implizieren jedoch keine Aussage über die zitierten Editionen. 3 Die Quellen sind i. d. R. in den gängigen historisch-kritischen Editionen kontrolliert worden (v. a. BSGRT usw.). - Übersetzungen stammen, wenn nicht anders angegeben, vom Verfasser. - Griechische und lateinische Verben werden aus pragmatischen Gründen in der Wörterbuchform angegeben, auch wenn dies wegen der Gewohn‐ heit im Deutschen, Verben mit dem Infinitiv zu benennen, für einige Leserinnen und Leser ungewöhnlich erscheinen mag. - Römische Zahlen werden in Tabellen und Klammern z. T. zur verein‐ fachten Datierung nach Jahrhunderten verwendet, wobei Römische Zahlen ohne die Angabe „v. Chr.“ eine Datierung „n. Chr.“ implizieren. - Um den Fußnotenapparat zu entlasten, werden Wörterbuchartikel z. T. unter Verwendung eines Kürzels im Haupttext ohne Seitenangabe zitiert. - Die Abkürzung „Lit.“ steht im Fußnotenapparat für „mit weiterführenden Hinweisen auf die Forschungsliteratur“. 18 Präliminarien 1 Vgl. zum terminologischen Befund v. a. K I N Z I G , Καινὴ διαθήκη. 2 Und zwar sowohl im Hinblick auf die Erzähltexte als auch auf die Briefliteratur. Vgl. exempl. für viele M A L B O N , Echoes, passim; K L U M B I E S , Rede, 166; F R E N S C H K O W S K I , Epiphanie II, 150; M Ü L L E R , Schluß, 129; S C H M I T T , Paroikie, passim; W E I D E M A N N , Tod, 194; Z I M M E R M A N N , Christologie, 106; R O S E , Theologie, 59; F R I T Z E N , Gott, 100; L U Z , Hermeneutik, 188; K L U M B I E S , Markusevangelium, 67.110.213; R Ü G G E M E I E R , Poetik, 64. Zu finden auch in der altertumswissenschaftlichen Literatur für andere antike Texte. Vgl. z. B. O ’ S U L L I V A N , Xenophon, 125.128. 3 Vgl. exempl. für viele E B N E R , Philemon, 167; L U Z , Hermeneutik, 185; H E I L M A N N , Wein, passim; J A N T S C H , Jesus, 34. 1 Einleitung In dieser Studie wird die Frage gestellt, wie die Texte des späteren Neuen Testaments 1 (im Folgenden: neutestamentliche Texte) in ihrem unmittelbaren Entstehungskontext und im Rahmen der frühen Rezeptionsgeschichte gelesen wurden. Es klingt zunächst banal, wenn man die selbstverständliche Annahme formuliert, dass die neutestamentlichen Texte geschrieben wurden, um gelesen zu werden. Kategorien wie die (Erst-)Leser, die historische Rezeptionssituation, die gottesdienstliche Verlesung (Wortgottesdienst/ liturgische Lesung usw.) u. ä., aber auch das Verb „lesen“ und das Substantiv „Lesen“ gehören zum Standard‐ repertoire der exegetischen Beschreibungssprache. Demgegenüber bleibt die Reflexion darüber, was „Lesen“ im frühen Christentum konkret bezeichnet, aber zumeist unbestimmt. Auf der einen Seite umgehen viele Exegetinnen und Exegeten durch geläufige Formulierungen wie „Leser bzw. Hörer“ 2 und „Erstrezipienten“ 3 die Herausforderung, die historischen Lesesituationen neu‐ testamentlicher Texte präzise zu beschreiben. Auf der anderen Seite steht die weit verbreitete monosituative Verortung der Lesepraxis als eine gottesdienst‐ liche Verlesung der neutestamentlichen Schriften im frühen Christentum, die meist mit der Annahme einer Kontinuität zur Praxis des Vorlesens in der Synagoge verbunden wird. Die Rede von der gottesdienstlichen Lesung läuft jedoch Gefahr, kirchengeschichtlich identifizierbare, liturgische Lesepraktiken in die neutestamentliche Zeit hineinzuprojizieren. Denn liturgische Lektionen neutestamentlicher Texte sind, so der Stand in der liturgiewissenschaftlichen Forschung, frühestens ab dem 3. Jh. bezeugt. In den ostsyrischen Kirchen wird 4 Vgl. dazu B U C H I N G E R , Origenes; R O U W H O R S T , Liturgical Reading; L E O N H A R D , Liturgical Need, insb. 90-94.103 f, mit Verweis u. a. auf M E S S N E R , Synode; R O U W H O R S T , Reading. Bezüglich Messners These, der sich entwickelnde Wortgottesdienst sei von der rabbi‐ nischen Sabbatliturgie beeinflusst worden, kommt C. Leonhard zum Fazit: „Rabbinic services of Torah reading neither provide a structural model for the Christian sequence of a Liturgy of the Word followed by the Eucharist (or the other way round) nor for the internal staging of a hierarchy of importance between different corpora of texts. There is no reason to assume any interdependence between the development of the typically Christian and rabbinic ritualization of the reading of sacred texts. Serious studies cannot reach firmer conclusions than ‘It is not unreasonable to assume some historical relationship …’ between the rabbinic Sabbath morning liturgy and analogous performances in Christianity“ (L E O N H A R D , Liturgical Need, 104; Zitat im Zitat R O U W H O R S T , Reading, 323). 5 Vgl. B U L T M A N N , Art. ἀναγινώσκω. S. dazu Anm. 7, S. 106. 6 Vgl. F R I E D R I C H , Art. κῆρυξ, κηρύσσω, 695-714. 7 Im Übrigen findet sich auch in Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswis‐ senschaft kein Lemma „Lesen“ oder „Lektüre“. die Praxis liturgischer Lesungen vor der Feier der Eucharistie sogar erst im frühen 5. Jh. übernommen. 4 Die frühchristliche Lesepraxis und der Leseakt selbst stehen nur selten im Zentrum des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses in der neutesta‐ mentlichen Forschung. Es ist bezeichnend, dass im ThWNT der Artikel zu ἀναγιγνώσκω (32mal im NT belegt; 65mal in der LXX)/ ἀνάγνωσις (dreimal im NT/ viermal in der LXX) nicht einmal eine Seite lang ist (und den Befund unzulässig verkürzt darstellt), 5 dagegen aber z. B. der Artikel zum Verb κηρύσσω (61mal im NT belegt; 32mal in der LXX) 19 Seiten umfasst. 6 Hinzu kommt, dass sich weder im Reallexikon für Antike und Christentum (RAC), noch im Hand‐ wörterbuch RGG 4 , noch in der TRE ein Artikel zum Stichwort „lesen“ o. ä. findet. 7 Dies lässt mutmaßen, dass Lesen eine Selbstverständlichkeit ist, die wegen der eigenen Leseerfahrung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unmit‐ telbar evident zu sein scheint; ein notwendiger, aber sonst wenig interessanter Prozess, um die Botschaft des Textes zu Gehör zu bringen. Doch die Frage nach dem Lesen im frühen Christentum ist eben nicht nur eine technische Frage. Ein genaueres Wissen über das Lesen im frühen Christentum hat Implikationen für wichtige Forschungsfelder der neutestamentlichen Wissenschaft, wie etwa: - die Kommunikationsbeziehungen zwischen Paulus und seinen Ge‐ meinden und zwischen den Gemeinden untereinander; - die frühchristliche Ritualgeschichte (also die Frage nach der Entstehung und Vorgeschichte des christlichen Gottesdienstes und von Liturgien); - die rezeptive Arbeitsweise der Autoren der neutestamentlichen Texte und damit z. B. auch für das Synoptische Problem; 20 1 Einleitung 8 Vgl. dazu weiterführend und einschlägig in systematischer Perspektive H U I Z I N G , Homo legens; H U I Z I N G , Mensch; B A D E R , Lesekunst. 9 S C H N E L L E , Bildung, 114, mit Verweis auf Nietzsches Antichrist und das vor allem von A. Deissmann und Overbeck geprägte Paradigma des unliterarischen Charakters neutes‐ tamentlicher Texte als Kleinliteratur (vgl. D E I S S M A N N , Licht; O V E R B E C K , Anfänge, 16-37), das bis über das 20. Jh. hinaus in der Forschung gewirkt hat. Vgl. z. B. T H E I S S E N , Literatur‐ geschichte, 129; T H E I S S E N , Entstehung, passim. Vgl. weiterführend zur Diskussion C A N C I K , Gattung, 91 f; B E R G E R , Art. Form- und Gattungsgeschichte, 439-441; und ausführlich S C O R N A I E N C H I , Jesus, 66 ff; ferner zur sozialgeschichtlichen Diskussion auch M E E K S , First; S T I L L / H O R R E L L , First Urban Christians; W E I S S , Elite; Ö H L E R , Elend. - in methodischer Hinsicht für die Diskussion um formgeschichtliche Einordnungen der neutestamentlichen Texte sowie v. a. für die Diskussion um die Anwendbarkeit moderner literaturwissenschaftlicher Methoden und Theorien auf die neutestamentlichen Texte usw.; - Modelle zur Konzeptualisierung der Entstehung des neutestamentlichen Kanons. Die Frage nach dem Lesen im frühen Christentum ist zuletzt aber gerade auch von hermeneutischer und theologischer Bedeutung, da Heilige Schriften bzw. als offenbarte und schriftgewordene Worte Gottes interpretierte Texte schlicht und einfach zuallererst gelesen werden müssen. 8 Das Ziel dieser Studie liegt darin, Lesen im frühen Christentum im Horizont der antiken Lesekultur zu untersuchen und damit ein neues Forschungsfeld für die neutestamentliche Exegese zu erschließen. Dabei ist im Folgenden zunächst herauszuarbeiten, inwiefern die existierenden Ansätze in der neutestamentli‐ chen Forschung, die das Phänomen Lesen im frühen Christentum beschreiben, von einer Debatte in den Altertumswissenschaften beeinflusst und von einem problematischen Grundnarrativ geprägt sind. Dieses Grundnarrativ lässt sich komplexitätsreduziert wie folgt reformulieren: a) Da Bücher in der Antike teuer waren, konnten sich nur wenige Menschen Bücher leisten und damit lesen. b) Texte wurden grundsätzlich „laut“ vorgelesen. Und zwar weil man c) Texte in scriptio continua nicht „leise“ lesen konnte und d) die Literalitätsrate in der Antike insgesamt, und im frühen Christentum insbeson‐ dere, äußerst gering war. Daraus wird geschlussfolgert: Die neutestamentlichen Schriften seien für das Vorlesen bestimmt gewesen. Dieses Narrativ setzt nicht nur ein problematisch gewordenes, auf das 19. Jh. zurückführbares Modell des frühen Christentums „als überwiegend ökonomischer, literarischer und bildungsmäßiger Unterschicht“ 9 voraus. Vielmehr unterstellt das Narrativ auch, dass Lesen in Antike und frühem Christentum ein rein auditives Phänomen war, gegenüber dem gesprochenen Wort nur eine sekundäre Rolle spielte bzw. eine Hilfsfunktion 21 1 Einleitung 10 Vgl. T H A T C H E R / K E I T H / P E R S O N , JR./ S T E R N , Dictionary. hatte und von der heutigen Lesekultur fundamental zu unterscheiden ist. Im Sinne eines umfassenderen Verständnisses, das insb. auch den direkten Zugang zum Schriftmedium einschließt, habe Lesen nur eine marginale Rolle gespielt. Ein gutes Beispiel für die aus diesem Narrativ folgende Marginalisierung und funktionale Unterordnung des Phänomens „Lesen“ ist das 2017 erschienene Dictionary of the Bible and Ancient Media. 10 Es enthält zwei lange Artikel zu den Stichworten „Performance Criticism (Biblical)“ und „Performance of the Gospel (in antiquity)“ (insg. zehn Seiten), aber nur eine halbe Seite zum Stichwort „Reading culture“ und keinen Eintrag zum Stichwort „Reading“. Demgegenüber wird in dieser Studie anhand einer umfassenden Auswertung der Quellen herauszuarbeiten sein, dass Lesen in der Antike deutlich differen‐ zierter zu beschreiben ist und auch als ein elaboriertes und eigenständiges Phänomen wahrgenommen wurde. Für die Schriften des antiken Judentums und des antiken Christentums wird zu zeigen sein, dass die anvisierte Rezeptionssi‐ tuation nicht generell auf den Modus des Vorlesens in einer Gruppe reduziert werden kann, sondern sich auch andere Formen der anvisierten Rezeptionsweise eindeutig nachweisen lassen. Im ersten Kapitel ist zunächst der Forschungsstand zu diskutieren. Dabei wird in einem ersten Schritt der Forschungsstand zum Lesen im frühen Christentum behandelt, in einem zweiten Schritt ist die alter‐ tumswissenschaftliche Debatte um das „laute“ und „leise“ Lesen in der Antike zu problematisieren, und in einem dritten Schritt werden die methodischen Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung systematisiert. Davon ausgehend werden unter 1.4 und 1.5 die Fragestellung und der Forschungsansatz sowie das methodische Vorgehen der vorliegenden Studie erläutert. 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand Eine Forschungsgeschichte zum Lesen im frühen Christentum zu schreiben, ist nicht möglich, da wir mit der paradoxen Situation konfrontiert sind, dass es keine umfassenden Spezialuntersuchungen zum hier zu erschließenden Forschungsfeld gibt und ein relativ geringes Interesse am Leseakt als solchem festzustellen ist, wie oben bereits ausgeführt wurde. Allerdings ist das Thema mit zahlreichen etablierten Forschungsfeldern und -diskursen verwoben und berührt unzählige exegetische Einzelfragen. Zu den etablierten Forschungsfel‐ dern und -diskursen gehören z. B.: 22 1 Einleitung 11 Vgl. D E I S S M A N N , Licht; O V E R B E C K , Anfänge. Vgl. dazu G A M B L E , Books, 11-20. 12 Es ist bezeichnend und weist auf die Dringlichkeit des Desiderats hin, dass in neueren rezeptionsästhetischen Arbeiten etwa zu den Evangelien Reflexionen über antike Lesepraktiken weitgehend fehlen. Vgl. exempl. die Arbeit von M. B. Dinkler zur Repräsentation von Rede und Stille im LkEv (D I N K L E R , Silent Statements), für die eine solche Reflexion m. E. essentiell gewesen wäre, um die Auslegung historisch zu fundieren. - liturgiegeschichtliche Fragen nach der Genese des christlichen Gottes‐ dienstes; - die alte Frage über den literarischen Charakter der neutestamentlichen Texte, der z. B. einflussreich von Overbeck und Deissmann vehement in Frage gestellt wurde, 11 bzw. die Frage nach der literaturgeschichtlichen Einordnung und den intendierten Adressaten neutestamentlicher Texte; - die Frage nach Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie der Lesefähigkeit in Antike und frühem Christentum; - die Frage nach der Angemessenheit von methodischen Zugängen zum NT aus den Literaturwissenschaften, insbs. die Rezeptionsästhetik (reader response criticism). 12 Die Situation wird zusätzlich dadurch verkompliziert, dass einige dieser For‐ schungsdiskurse in einem besonderen Maße interdisziplinär mit anderen alter‐ tumswissenschaftlichen Disziplinen vernetzt sind. Diese Diskurse und ihr Bezug zum Thema „Lesen“ können hier im Einzelnen nicht dargestellt werden. Im Folgenden werden wichtige Forschungsbeiträge zum Thema entlang von drei Kontextualisierungsparadigmen diskutiert, in denen unterschiedliche Zugänge gewählt werden, um Lesen im frühen Christentum zu beschreiben. Weil diese Kontextualisierungsparadigmen von der in den Altertumswissenschaften umfang‐ reich diskutierten Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen abhängig sind, ist darauffolgend diese Debatte ausführlicher darzustellen, bevor dann systematisch die methodischen Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung darzulegen sind. Abschließend wird die Fragestellung und der Forschungsansatz der vorlie‐ genden Studie entfaltet und die Beschreibungssprache eingeführt. 1.1.1 Lesen im „Gottesdienst“ bzw. in der „Gemeindeversammlung“ Das Thema „Lesen im frühen Christentum“ ist forschungsgeschichtlich eng ver‐ bunden mit der liturgiegeschichtlichen Frage nach Entstehung und Entwicklung des christlichen Gottesdienstes und insbesondere mit der Frage nach einem „Wortgottesdienst“, der als Gegenüber zum „eucharistischen Gottesdienst“ kon‐ struiert wird. Es ist hier weder zielführend noch möglich, diese umfangreiche 23 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand 13 Vgl. dazu S A L Z M A N N , Lehren, 3-22, u. W I C K , Gottesdienste, 27-36, neben den einführenden Darstellungen M E T Z G E R , Geschichte; W A I N W R I G H T / W E S T E R F I E L D T U C K E R , Worship. 14 Vgl. T H E I S S E N , Texte, 424, der den Begriff hier jedoch nicht näher definiert. 15 S. zur Forschungsgeschichte des unscharfen und zu wenig reflektierten Gebrauchs der Kategorie „Wortgottesdienst“ und zu notwendigen Differenzierungen aus liturgiewissen‐ schaftlicher Perspektive weiterführend M E S S N E R , Wortgottesdienst, der in Weiterführung von Z E R F A S S , Schriftlesung, und Anknüpfung an B R A D S H A W , Use, als Grundtypen den „anamnetischen“, den „katechetischen“ und den „latreutischen“ Wortgottesdienst einführt, die später zu Hybriden verschmelzen. Diese Kategorien sind freilich für die nachkonstan‐ tinische Zeit entwickelt worden und verdeutlichen, dass auch in der späteren Kirchenge‐ schichte die Schriftlesung verschiedene Funktionen hatte. Für den Hinweis auf diesen Beitrag danke ich H. Buchinger. 16 Vgl. z. B. S A L Z M A N N , Lehren, passim; K O L L M A N N , Ursprung, 151. S. dazu J O N A S , Mikroli‐ turgie, 5. 17 Vgl. dazu u. a. K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl; S M I T H , Symposium; W I C K , Gottesdienste; H E I L M A N N , Wein, 9-20. 18 Vgl. zur Terminologie W I C K , Gottesdienste, 21-26 [Zitat 21]. 19 S. neben G L A U E , Vorlesung, 1-30; B A U M S T A R K , Werden, 15-21, z. B. L I E T Z M A N N , Messe, 258: „Daß dieser [Gottesdienst bestehend aus Bibellesung, Predigt und Gebet] einfach aus der Synagoge übernommen ist, darf als feststehend angenommen werden. Schriftlesung und Auslegung folgt dort der Rezitation des Morgengebets am Sabbath.“ S. außerdem exempl. H E C K E L , Schrift, 42. Eine Gegenposition zu diesem Ableitungsparadigma nimmt W. Bauer ein, der bezweifelt, dass es Schriftlesungen von alttestamentlichen Texten in „heidenchristlichen“ Gemeinden gegeben hätte und entsprechend seines Paradigmas Forschungsgeschichte ausführlich darzustellen. 13 Im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Studie ist jedoch relevant, dass der Gebrauch von Termini wie „gottesdienstliche Lektüre“, „liturgische Lesung“, „Wortgottesdienst“ etc. (G. Theißen spricht diesbezüglich sogar vom „kultischen Gebrauch“) 14 in vielen Publikationen durch eine deutliche definitorische Unschärfe gekennzeichnet ist. 15 Was Schriftlesung bedeutet und in welche sozialen und kulturgeschichtlichen Kontexte sie einzubetten ist, wird im Grunde als selbstverständlich gegeben voraus‐ gesetzt. Vielfach bekommt man den Eindruck, spätere liturgische Lesepraxis werde in die Zeit des frühen Christentums zurückprojiziert. Dies zeigt sich z. B. schon an der fragestellungsleitenden Unterscheidung zwischen einem Wortgottesdienst auf der einen Seite und einem „eucharistischen“ Gottesdienst auf der anderen Seite, 16 die angesichts neuerer Forschungen zum Mahl im frühen Christentum und zur Ent‐ stehung des Gottesdienstes im frühen Christentum hochproblematisch geworden ist. 17 Eine grundsätzliche Schwierigkeit besteht z. B. schon in der Verwendung des deutschen Gottesdienst-Begriffs, der für viele quellensprachliche Lexeme „zu unspezifisch und zu weit ist“ bzw. deren Bedeutungsfülle nicht abdeckt 18 und daher als metasprachlicher Terminus klar definiert werden müsste. Außerdem zeichnen sich viele Arbeiten durch ein genealogisches Ableitungsmodell der frühchristlichen Lesepraxis aus dem „jüdischen Synagogengottesdienst“ aus. 19 Dies 24 1 Einleitung von der Entstehung des Christentums aus einer Vielfalt heraus (vgl. dazu B A U E R , Recht‐ gläubigkeit) die Vielfältigkeit frühchristlicher „Wortgottesdienste“ betont. Vgl. B A U E R , Wortgottesdienst, 42-47.63 f. Gegen das Ableitungsparadigma wird auch in der modernen Liturgiewissenschaft argumentiert. Vgl. R O U W H O R S T , Liturgical Reading, 159. 20 S. u. 8.3.2. 21 S. u. 8.4.2. 22 So formulierte schon Herder 1796: „[D]as Evangelium Markus ist ein kirchliches Evangelium aus lebendiger Erzählung zur öffentlichen Verlesung in der Gemeinde geschrieben“ (H E R D E R , Erlöser, 210). S. dazu weiterführend F R E Y , Herder. 23 H E N G E L , Probleme, 256 [Herv. im Original], mit Verweis u. a. auf K L E I S T , Gospel, 91-127; T R O C M E , Passion. S. auch H A R T M A N , Markusevangelium, der angesichts seiner Überlegungen zur Gattung des MkEv zu der Schlussfolgerung kommt, es sei „für eine gottesdienstliche Verlesung abgefaßt worden, die auch mit Unterricht verbunden war“ (168). S. außerdem G I L F I L L A N U P T O N , Hearing, insb. 65-78, die auf der Grundlage von Beobachtungen stilistischer, rhetorischer und struktureller Merkmale eine intendierte Verlesung annimmt. Vgl. ferner B A U E R , Wortgottesdienst, 54; M Ü L L E R , Beginning, 112- 114. wird unter 7.4 weiter zu thematisieren sein. Wenn im Rahmen dieser Studie Begriffe wie „Gottesdienst“, „Liturgie“, „Ritual“ (resp. die zugehörigen Adjektive) dennoch verwendet werden, dann beziehen sie sich auf die unspezifischen und weitgehend definitorisch unterbestimmten Kontextualisierungsmodelle, die sich in der Forschungsliteratur finden. Die definitorische Unschärfe der Begriffe „gottesdienstliche Lektüre“, „litur‐ gische Lesung“, „Wortgottesdienst“ etc. ist forschungsgeschichtlich besonders deswegen relevant, da das vorausgesetzte Konzept eines frühen christlichen „Gottesdienstes“ und der darin implizierten Lesepraxis vielfach als Kontext für die Erstrezeption neutestamentlicher Schriften vorausgesetzt wird. Dieses Kontextualisierungsmodell wird z. B. für die Erstrezeption der Paulusbriefe 20 und der Apc 21 verwendet und ist insbesondere für die Markusforschung von Relevanz. In Bezug auf Markus findet es sich schon Ende des 18. Jh. bei J. G. Herder. 22 Der Rezeptionskontext des MkEv wird maßgeblich aus dem sprachlichen Stil abgeleitet, wie exemplarisch bei M. Hengel deutlich wird, der aus dem sprachlichen Stil sogar Rückschlüsse auf den Produktionskontext zieht: „Wahrscheinlich ist das Evangelium aus dem lebendigen mündlichen Vortrag heraus‐ gewachsen und für die lectio sollemnis im Gottesdienst abgefaßt worden. Die kurzen, oft rhythmisch geformten Kola weisen auf die mündliche Rezitation in der Gemeinde‐ versammlung hin. Das Evangelium ist für das Ohr des Hörers geschrieben, und darum alles andere als ein künstliches literarisches Schreibtischprodukt, das aus obskuren schriftlichen Quellen, aus zahlreichen Zetteln und Flugblättern zusammengestückelt wurde.“ 23 25 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand 24 S. z. B. die Kritik an dem Kontextualisierungsmodell bei G U T T E N B E R G E R , Gottesvorstel‐ lung, 42, Anm. 212; W I S C H M E Y E R , Forming, insb. 365.377; W I S C H M E Y E R , Kanon, 641, Anm. 87; B E C K E R , Evangelist, 46, Anm. 41; L E O N H A R D , Liturgical Need. S. auch insgesamt Vorbehalte in der Liturgiewissenschaft, Rückschlüsse auf die liturgische Praxis der ersten zwei Jahrhunderte zu ziehen. 25 B U C H A N A N , Questions, 159. S. auch schon A. Schweitzers Verdikt: „Jeder Versuch, für die Urgemeinde ein Nebeneinander von Mahlfeier und Wortgottesdienste anzunehmen, führt zu einem Gefasel, bei dem zur Erklärung der der uns erhaltenen Nachrichten über den ältesten christlichen Kult die unsinnigsten Behauptungen gewagt werden müssen.“ (zit. n. K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 334, Anm. 4.). 26 Vgl. dazu die Verortung Zahns in der Forschungsgeschichte zum neutestamentlichen Kanon bei M A R K S C H I E S , Epochen, 587 f. 27 Vgl. Z A H N , Geschichte I, insb. 85-150.463 ff.; Z A H N , Grundriss, 11 ff. Zum Begriff „kirchliche Vorlesebücher“ s. z. B. Z A H N , Geschichte II, 110. 28 Vgl. H A R N A C K , Neue; S. weiterführend zur sog. Zahn-Harnack-Kontroverse M A R K ‐ S C H I E S , Epochen, 588-591. Insbesondere die Verwendung der Kategorie lectio sollemnis zeigt hier deutlich, dass das spätere Konzept einer festlichen liturgischen Verlesung biblischer Texte im Gottesdienst anachronistisch in den Befund hineinprojiziert wird. Es handelt sich eindeutig um einen späteren liturgiegeschichtlichen Terminus. Aus den frühen Quellen lässt sich dessen Gebrauch weder in quellensprachlicher noch in metasprachlicher Hinsicht rechtfertigen. So ist das Kontextualisierungsmodell „Gottesdienst“/ „liturgische Lesung“ für die Frühzeit insgesamt mehrfach zu Recht kritisiert worden. 24 Anschaulich formuliert C. Buchanan: „To inspect the liturgical evidence of the first and second centuries is like flying from Cairo to the Cape in order to get a picture of Africa, only to find that there is thick cloud cover all the way, with but half a dozen gaps in it.“ 25 Andererseits spielt die Kategorie „Verlesung im Gottesdienst“ eine entschei‐ dende Rolle bei vielen Rekonstruktionen der Entstehung des neutestamentli‐ chen Kanons. Am wirkmächtigsten war in dieser Hinsicht wohl die monumen‐ tale Arbeit T. Zahns, der zwar nicht als erster, aber doch prominent - und in Frontstellung gegen die dogmengeschichtlichen Zugänge Baurs und Semlers 26 - die Interdependenz zwischen der Verlesung im Gottesdienst auf der einen Seite und der Sammlung von Schriften sowie der prozesshaft konzeptualisierten Entstehung des Kanons auf der anderen Seite postuliert. Im neutestamentlichen Kanon sieht er also von Beginn an eine Sammlung „kirchlicher Vorlesebücher“. 27 Diese These ist zwar schon früh kritisiert worden - insbesondere die Spannung zwischen dem Postulat eines ideell bereits vorhandenen Kanons auf der einen Seite und dem postulierten Prozesscharakter bzw. der nicht physischen Einheit dieses Kanons auf der anderen Seite 28 - aber hat doch die weitere Forschung 26 1 Einleitung 29 Vgl. z. B. C A M P E N H A U S E N , Entstehung, 197, der bezüglich Iust. mart. apol. 1,67,3 von „einer Art Vorstufe für die kommende Kanonisierung“ spricht. H. v. Lips sieht in der „Verwendung zur gottesdienstlichen Lesung“ ein wichtiges Kriterium der Bestimmung von Kanonizität, das aber allein nicht ausreiche. Vgl. L I P S , Kanon, passim [Zitat 111]. Für G. Theißen umfasst der Kanon „die Bücher, die im Gottesdienst gelesen werden“ (T H E I S S E N , Religion, 367; s. auch T H E I S S E N , Texte). Auch Hengel sieht in der „liturgischen Lesung im Gottesdienst“ das entscheidende Movens der Sammlung und Kanonisierung der neutestamentlichen Schriften. Vgl. H E N G E L , Evangelien, 97, Anm. 282 [Zitat ebd.]. Vgl. programmatisch auch S T U H L M A C H E R , Paulusschule, 289: „Das Neue Testament ist eine zur Verlesung in den christlichen Gemeinden bestimmte normative Auswahlsammlung aus dem urchristlichen Schrifttum der Zeit zwischen 30 und 120 n. Chr.“, [Herv. im Original]. 30 Die gängigerweise angeführten Quellen (1Thess 5,27; Kol 4,16; Iust. Mart. apol. 1,67), sind aus vielerlei Gründen ungeeignet, die Institution einer liturgischen Lesung im frühen Christentum zu belegen, wie im Rahmen dieser Studie noch ausführlich zu zeigen sein wird. 31 So deutet C. Markschies zu Recht an, dass Zahns Kirche der frühen Zeit „aus einer gottesdienstlichen Gemeinde und ihrer liturgischen Ordnung“ bestehe, wobei „hier spezifische Elemente eines Erlangener Luthertums sichtbar werden“ (M A R K S C H I E S , Epochen, 591). 32 S. z. B. B A U E R , Wortgottesdienst, 42  f, der hier T. Birts Arbeit zum antiken Buchwesen sehr selektiv rezipiert. 33 So finden sich z. B. bei L I P S , Kanon, 28 f die Kategorien „Lesung außerhalb des Gottesdienstes“ (Unterrichtskontexte, private Verwendung) und „Literarische Verwendung durch theologische Schriftsteller.“ 34 Vgl. H A R N A C K , Gebrauch; W A L C H , Untersuchung. Vgl. dazu M A R K S C H I E S , Septuaginta, 139. zum neutestamentlichen Kanon maßgeblich geprägt. 29 Dies ist insofern proble‐ matisch, als das Konzept der Verlesung im Gottesdienst in der Diskussion um die Entstehung des Kanons vielfach definitorisch unterbestimmt bleibt, 30 mit der Gefahr einer anachronistischen Rückprojektion moderner Vorstellungen vom Gottesdienst verbunden ist 31 und als gleichsam feste Konstante ohne weitere Begründung vorausgesetzt wird. Insgesamt ist der Großteil der Forschung des 20. Jh. davon geprägt, dass Lesen im frühen Christentum weitgehend monosituativ im „Gottesdienst“/ der „Gemeinde‐ versammlung“ verortet wird - zum Teil mit der Begründung der vermeintlich hohen Kosten von Handschriften (Hss.), der unterstellten leseunfreundlichen Gestaltung derselben und der angenommenen geringen Lesefähigkeit. 32 Zum Teil wird aber auch die Möglichkeit anderer Rezeptionsweisen, insb. der Kontext der Katechese angedeutet; 33 systematische Untersuchungen fehlen jedoch. Eine Ausnahme einer solchen monosituativen Verortung des Lesens im frühen Christentum bildet allerdings Harnacks 1912 erschienene Studie „Über den privaten Gebrauch der heiligen Schriften in der Alten Kirche“, die maß‐ geblich auf einer noch älteren Arbeit von C. W. F. Walch aufbaut. 34 Harnack 27 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand 35 H A R N A C K , Gebrauch, 101. 36 H A R N A C K , Gebrauch, 23. 37 Vgl. H A R N A C K , Gebrauch, 101 f 38 H A R N A C K , Gebrauch, 25. 39 Nicht überzeugend ist der Versuch von C. Markschies, die Evidenzen, die Harnack vorbringt, zu relativieren. Markschies spricht davon, Harnack befördere die Illusion, „jedes halbwegs wohlhabende christliche Haus habe eine Bibel besessen und auch darin gelesen“ (80 f). Markschies warnt hier zwar zu Recht vor der Gefahr, moderne Vorstellungen von christlichen Haushalten des beginnenden 20. Jh. anachronistisch für die Antike vorauszusetzen. Als Gegenargument formuliert er allerdings auch rein thetisch in Bezug auf einen der Belege, die Harnack anführt und den er exempl. diskutiert (und zwar Orig. hom. 2 in Num. 1, wo Origenes empfiehlt, den Predigttext zuhause erneut ausführlich, d. h. für mehrere Stunden, zu lesen): „Man muß sich freilich klarmachen, daß dieses Ideal für einen durchschnittlichen Einwohner der Hafenstadt Caesarea überhaupt nicht zu erfüllen war; man hätte - wie Origenes selbst - in einer wissenschaftlichen Schule leben müssen oder in einem Kloster, um so viel Zeit des Tages für die Lektüre der Bibel aufzuwenden“ (M A R K S C H I E S , Lesen, 81). Markschies’ Argument impliziert, dass der „durchschnittliche Einwohner“ seines Erachtens weder Zugang zu Schriften noch Zeit zum Lesen gehabt hätte. Beides wird im Rahmen dieser Studie zu thematisieren sein. 40 H A R N A C K , Gebrauch, 23. wendet sich in dieser Studie gegen die maßgeblich von Lessing vertretene These, dass in der Alten Kirche das Lesen der Bibel Laien vorenthalten worden wäre. Dazu untersucht Harnack die Zeugnisse bis Theodoret, die Rückschlüsse auf „privaten Gebrauch“ biblischer Texte zulassen. Harnack kommt zu dem Ergebnis, dass die biblischen Texte (zuerst die alttestamentlichen und dann auch die neutestamentlichen) in der Alten Kirche prinzipiell „jedermann zugänglich und in den Händen vieler Christen“ 35 waren. Für die Zeit der paulinischen Briefe, vermutet er jedoch, „wird - einfach infolge eines Mangels an Exemplaren - anfangs und eine geraume Zeit hindurch der private Gebrauch seltener gewesen sein.“ 36 Schon für Lukas nimmt er aber an, dass dieser auch außerhalb der „gottesdienstlichen Verlesung“ biblische Texte privat studiert habe. 37 Aus der Literatur des 2. Jh. schlussfolgert er sodann, „daß das Alte Testament, die Evangelien und die Paulusbriefe eine sehr große Publicität besessen haben müssen und von zahlreichen Christen studiert worden sind.“ 38 Schon wegen der zusammengetragenen Quellen bildet die Studie einen wichtigen Ausgangspunkt für die Frage nach der Lesepraxis im frühen Christentum. 39 Allerdings stellt sich die Frage, ob die Kategorie „privater Gebrauch“, die eine dichotome Unterschei‐ dung von einem offiziellen (öffentlichen) kirchlichen Gebrauch (also eine feste Institution der „gottesdienstlichen Vorlesung“ 40 ) voraussetzt, in heuristischer Hinsicht nicht zu allgemein ist, um die Lesepraxis im frühen Christentum angemessen und differenziert genug beschreiben zu können. 28 1 Einleitung 41 G A M B L E , Books, 39 f [Herv. im Original]. S. z. B. auch im weitgehend rezeptiven Beitrag M I T C H E L L , Papyri: „Early Christians overcame this cultural barrier [ JH: of mass illiteracy] by publicly reading their texts during worship gatherings.“ 42 Das gilt, obwohl er die entsprechenden Studien zur Sozialstruktur rezipiert (vgl. G A M B L E , Books, 248), und zwar insofern, als er auf der Grundlage der These des grundsätzlich „oralen“ Charakters der antiken und frühchristlichen Literatur sowie der problematischen Thesen zum geringen Literalitätsgrad in der Antike insgesamt (vgl. G A M B L E , Books, 4-10.28-39; s. dazu 1.3.3) ohne weitere Evidenzen in den Quellen im Hinblick auf die gesamte Antike - und damit auch für das frühe Christentum geltend - formuliert: „Certainly, the capacity to read, the interest and leisure to do so, and the financial means to procure texts, belonged to few“ (G A M B L E , Books, 39). 43 S. o. Anm. 9, S. 21. Zwei Arbeiten aus den 1990er Jahren, die sich dezidiert mit dem Lesen im frühen Christentum bzw. im NT beschäftigen, sind hier etwas ausführlicher zu besprechen. Bis heute einflussreich, besonders in der anglophonen Exegese, ist H. Y. Gambles 1995 erschienene Monographie „Books and Readers in the Early Church: A History of Early Christian Texts“. Wie schon der Titel sagt, handelt es sich bei Gambles Buch weniger um eine Studie zum Lesen selbst. Er formuliert jedoch gleich zu Beginn dem oben skizzierten Grundnarrativ entsprechend die These: „Remember, however, that all ancient reading was reading aloud and that much of it occurred in public, quasi-public, and domestic settings where those listening might include the semiliterate and illiterate as well as the literate. […] Most early Christian texts were meant to speak to the whole body of the faithful to whom they were read. These writings envisioned not individual readers but gathered communities, and through public, liturgical reading they were heard by the whole membership of the churches.“ 41 Gamble wählt einen vierfachen Zugang, um die frühchristliche Lesekultur zu kontextualisieren, und zwar über die Frage nach dem Literalitätsgrad (Kapitel 1), nach der Materialität (Kapitel 2), nach der Publikation und Zirkulation von Texten (Kapitel 3) sowie nach „christlichen“ Bibliotheken (Kapitel 4). Dies kann hier nicht im Einzelnen detailliert besprochen werden, im Laufe der Untersuchung werde ich aber auf einzelne problematische Thesen Gambles bezüglich der genannten Fragen zurückkommen. Seine Schlussfolgerungen zum Lesen basieren z. T. auf dem alten, sozialromantisch verzerrten und v. a. aus dem 1Kor und Thesen zum historischen Jesus abgeleiteten Bild des frühen Christen‐ tums als Gruppe, die sich vor allem aus den illiteraten und unterprivilegierten Schichten zusammensetzte. 42 Ein solches Bild des frühen Christentums ist in der jüngeren Forschung mit Recht in Frage gestellt worden. 43 29 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand 44 Vgl. G A M B L E , Books, 151. 45 Vgl. G A M B L E , Books, 211. 46 G A M B L E , Books, 212 [Herv. JH]. 47 G A M B L E , Books, 213. 48 Vgl. neben den schon genannten Ausführungen zu christlichen Gemeindebibliotheken G A M B L E , Books, insb. 208-211.214-231. 49 Vgl. G A M B L E , Books, 231-237. Angesichts fehlender früherer Zeugnisse umfasst Gambles Kapitel zu früh‐ christlichen Bibliotheken eine Epoche, die üblicherweise als patristische Zeit bezeichnet wird, sodass keine Schlussfolgerungen bezüglich liturgischer Le‐ sepraxis für die Zeit des 1./ 2. Jh. möglich sind. Seine Argumentation hat dahingehend etwas Zirkuläres, als er auf der einen Seite liturgische Lesepraxis neutestamentlicher Texte, die er faktisch aus der Praxis des synagogalen Wort‐ gottesdienstes ableitet, von Beginn an voraussetzt und auf der anderen Seite die frühe Existenz gemeindlicher Bibliotheken auf Basis dieser liturgischen Le‐ sepraxis postuliert. 44 Er leitet die Praxis des liturgischen Lesens faktisch aus dem synagogalen Wortgottesdienst ab, insofern er zwar die Limitationen der Quellen für die Rekonstruktion synagogaler Lesepraxis in vorrabbinischer Zeit genauso wie die Schwierigkeiten der Rekonstruktion frühchristlicher Lesepraxis in den Gemeinden (auch angesichts der Diversität des frühen Christentums) konzediert, 45 aber dann daraus, dass Paulus bei den Rezipienten seiner Briefe umfangreiche Kenntnisse der Tora voraussetzt, ableitet, „that the scriptures of Judaism were publicly read in the Pauline churches.“ 46 Freilich kann dies nur ein Indiz dafür sein, dass die Tora in den paulinischen Gemeinden rezipiert worden ist, aber nicht in welcher genauen Form. Zusätzlich formuliert er: „The fact that Paul expected his own letters to be read in the liturgical assembly shows that he envisioned the Christian gathering for worship as an appropriate setting for public reading.” 47 An dieser Stelle mag der Hinweis genügen, dass Gamble diesen fact nicht am Text belegt, sondern rein thetisch postuliert. Zudem bleiben Termini wie liturgical assembly, liturgical readings in der gesamten Arbeit unterbestimmt bzw. speisen sich implizit durch Rückprojektionen aus späterer Zeit, die in der Gefahr stehen, anachronistisch zu sein. 48 Zuletzt konzediert Gamble zwar, dass „christliche Bücher“ auch „privat“ gelesen worden wären, führt dazu relevante Quellen an und macht wichtige Beobachtungen. 49 In der Gesamtausrichtung des Buches bleiben diese Ausfüh‐ rungen jedoch ein Appendix, deren Implikationen nicht weiter bedacht werden. Insgesamt bleiben in Gambles Buch Quellenstellen, an denen Lesepraktiken sowohl in der griechisch-römischen Literatur im Allgemeinen als auch in der frühjüdischen sowie frühchristlichen Literatur im Speziellen (bis auf die 30 1 Einleitung 50 M Ü L L E R , Lesen, 7 [Herv. im Original]. 51 M Ü L L E R , Lesen, 6. 52 M Ü L L E R , Lesen, 158 [Herv. im Original]. traditionell als Beleg für einen „Wortgottesdienst“ im frühen Christentum zi‐ tierten Quellen), weitestgehend unbeachtet. Nicht zuletzt wegen des besonderen Einflusses von Gambles Buch in der anglophonen Exegese, der weitgehenden Übernahme der Logik seines Zugangs und der scheinbar selbstverständlichen Richtigkeit der These liturgischer Lesungen als Kontext der Rezeption neutes‐ tamentlicher Schriften, ist die systematische Auswertung dieser Quellen bisher ein schwerwiegendes Desiderat geblieben. Die einzige deutschsprachige Monographie, die das Lesen im frühen Chris‐ tentum in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stellt, ist P. Müllers Monographie „‚Verstehst du auch, was du liest? ‘. Lesen und Verstehen im Neuen Testament“, die 1994 erschienen ist. Müllers Untersuchung fragt da‐ nach, „ob es vom Lesen im Neuen Testament etwas zu lernen gibt für das Lesen des Neuen Testaments“, 50 womit sein Erkenntnisinteresse im Hinblick auf literaturwissenschaftlich-rezeptionsästhetische Perspektiven und Impulse für den gegenwärtigen Bibelgebrauch (Kapitel 5) schon angedeutet ist. Sein Untersuchungskorpus besteht aus den Stellen im NT, an denen Lesen explizit thematisiert wird und an denen er „Erkenntnisse über den Lesevorgang und seine Bedeutung“ 51 zu gewinnen sucht. Ausgehend von Act 8,26 ff spitzt er die Leitfrage der Arbeit noch einmal zu auf den Aspekt des aus dem Lesen erwachsenden Verstehens der Texte (Kapitel 2), womit der Schwerpunkt der Arbeit eher als lesehermeneutisch charakterisiert werden kann. So kommt Müller dann auch zu dem Ergebnis, dass Verstehen biblischer Texte an Lese- und Interpretationsgemeinschaften gebunden ist und es die „eine Lese- und Verstehensweise der biblischen Schriften nicht gibt.“ 52 Die Untersuchung der einzelnen Lesestellen selbst, deren wichtige Ergebnisse unten im Einzelnen aufzunehmen sein werden, wird geleitet durch ein Modell des Lesens „in der griechisch-römischen Antike und im antiken Judentum“ (Kapitel 3), in dem Müller verschiedene kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte vornehmlich zusammenfassend aus der Forschungsliteratur aufarbeitet. Genau dieser Ansatz steht aber wegen des unten zu problematisierenden Forschungsstandes zum Lesen in der Antike insgesamt in der Gefahr, einzelne Stellen in den falschen Kontext zu stellen. Der Ansätze von Gamble und Müller unterscheiden sich grundsätzlich im Hinblick darauf, wie sie die Relation der frühchristlichen Lesepraxis zur griechisch-römischen Welt bestimmen. So hebt Gamble die weitgehenden Dif‐ ferenzen zwischen dem Lesen in der griechisch-römischen Welt und dem frühen 31 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand 53 Vgl. G A M B L E , Books, passim. 54 Vgl. M Ü L L E R , Lesen, 52 f. 55 z. B.: „Reading was therefore oral performance whenever it occurred and in whatever circumstances. Late antiquity knew nothing of the ‚silent, solitary reader‘“ (A C H T E M E I E R , Verbum, 17 [Herv. im Original]; Zitat im Zitat H A V E L O C K , Literate, 203); „The most important thing to be said is that in the Greco-Roman world virtually all reading was reading aloud; even when reading privately the reader gave audible voice to the text“ (G A M B L E , Books; s. auch G A M B L E , Literacy, 31); „Reading was always aloud“ (R I C H A R D S , Paul); „Reading in antiquity was not experienced as a silent scanning, mainly mental activity. It was a performative, vocal, oral-aural event. Reading aloud while others listened is a practice that cements sociability, adding distinct elements to the social functions of writing and publishing“ (B O T H A , Orality, 127). 56 K A R R E R , Instrument, 404. Vgl. exempl. für viele auch B E A V I S , Mark, 19 f.80; M Ü L L E R , Beobachtungen, 169 f; A U N E , Revelation 1-5, 20 f; C L A R K , Christianity, 81. Diese Position ist freilich nicht neu. Vgl. z. B. B A H N , Reading, 433. Ferner für das alte Israel prominent Christentum hervor. Das vorherrschende Medium der griechisch-römischen Buchkultur sei die Rolle gewesen, das frühe Christentum habe dagegen Kodizes verwendet; die griechisch-römische Lesekultur sei die von literaten Eliten, im frühen Christentum sei den illiteraten Unterschichten vorgelesen worden; Bü‐ cher seien in der griechisch-römischen Welt publiziert und über den Buchmarkt vertrieben worden, im frühen Christentum zirkulierten Bücher dagegen in privaten Netzwerkstrukturen u. ä. 53 Müller geht hingegen von grundsätzlichen Übereinstimmungen in Bezug auf die Lese- und Rezeptionsbedingungen der hellenistisch-römischen Antike sowie dem Judentum aus, die vor allem im „lauten“ Lesen, der Öffentlichkeit des Lesens und dessen Bindung an eine Lesegemeinschaft bestehe. Es seien nur unterschiedliche Akzentuierungen feststellbar, die vor allem durch die schulische und „gottesdienstliche“ Verortung des Lesens im Judentum bedingt und auf griechisch-römischer Seite durch den öffentlichen Aufführungscharakter im Kontext der privilegierten Schichten gekennzeichnet sei. 54 Diese Perspektive der Verortung der frühjüdischen und frühchristlichen Lesepraxis in der Lesekultur der griechisch-römischen Welt ist auch ein prägnantes Kennzeichen der sogenannten Performanzkritik (Biblical Performance Criticism). 1.1.2 Biblical Performance Criticism Weit verbreitet in der neutestamentlichen Wissenschaft ist das Postulat, dass in der Antike grundsätzlich „laut“ gelesen wurde. Teilweise wird es sogar in der extremen Form der Ausschließlichkeit vorgetragen 55 und a) dahingehend erweitert, dass Texte in der Antike (u. a. wegen des geringen Literalitätsgr‐ ades) „normalerweise durch Vorleser und in Gruppen“ 56 rezipiert wurden, 32 1 Einleitung vertreten durch B O Y A R I N , Placing. Vgl. in Bezug auf die Rollen vom Toten Meer z. B. M I L L E R , Media, 19 f, passim. 57 Vgl. M C G U I R E , Letters, 150; G E R H A R D S S O N , Memory, passim; B E A V I S , Mark, passim; K E L B E R , Gospel, 13; A C H T E M E I E R , Verbum, passim; M O U R N E T , Oral, 133-141; M I T C H E L L , Emergence, 4 f; H E A R O N , Implications, 4 f; B R I C K L E , Aural Design, passim; O E F E L E , Evangelienexegese, 5-10. 58 Vgl. „Equally dominated by the oral environment was the practice of reading. It is apparent that the general […] practice was to read aloud“ (A C H T E M E I E R , Verbum, 15). 59 „The normal mode of composition of any writing was to dictate it to a scribe“ (A C H T E M E I E R , Verbum, 12). 60 „It was from this kind of environment, then, that the NT documents emerged and within which they were intended to communicate. That means that […] they are oral to the core, both in their creation and in their performance“ (A C H T E M E I E R , Verbum, 19). Vgl. auch J A F F E E , Torah, insb. 25 f; B E C K E R , Schreiben, 45.53-56; G I L F I L L A N U P T O N , Hearing, passim. 61 „It is doubtless superfluous to say that in the beginning the written word or book merely preserved a record of that which had once been spoken. For the words and sentences of this record to recover life and meaning, it was necessary that they be reanimated by the voice of someone who understood the significance of the written characters“ (H E N D R I C K S O N , Reading, 184). 62 Vgl. z. B. H E N D R I C K S O N , Reading, 184; C A R R , Schrift, 13. Diese Annahme bildet außerdem die Grundlage der Studie O E F E L E , Evangelienexegese. 63 J A F F E E , Torah, 26. 64 Besonders einflussreich in der neutestamentlichen Forschung war diesbezüglich die ur‐ sprünglich Anfang der 1980er Jahre erschienene Monographie K E L B E R , Gospel, die vom Paradigma der mündlichen Überlieferung in der Homerforschung beeinflusst wurde (vgl. P A R R Y , Oral Verse-Making I; P A R R Y , Oral Verse-Making I; L O R D , Singer) und die abhängig ist von der Kultur- und Medientheorie W. Ongs und dessen Unterscheidung mündlicher und schriftlicher Kulturen. Vgl. O N G , Orality. Forschungsliteratur, die sich an der paradigmatischen Unterscheidung Oralität/ Literalität orientiert, ist Legion. Vgl. sowie häufig b) mit der These einer primär durch Oralität geprägten Kultur verbunden, in der die neutestamentlichen Schriften entstanden seien. 57 Sowohl das Lesen 58 als auch der Prozess der Textproduktion 59 seien primär mündlich konzeptualisiert gewesen. 60 Dies wiederum führt zu der verbreiteten Sicht, dass antike Texte, insbesondere die neutestamentlichen, nichts anderes seien als das gesprochene Wort transformiert in ein anderes Medium. 61 In Analogie zu modernen Aufnahmemedien wird daher die Schrift gerne als Speichermedium für das Wort verstanden bzw. werden antike Schriftsysteme in Analogie zu Notationssystemen in der Musik beschrieben und analysiert. 62 Die Rezeptions‐ situation sei daher umgekehrt zu verstehen als „restoration of the book to its pristine moment of oral origin.” 63 Aufbauend auf diesem Theoriegebäude, das ich hier nur in wenigen Pinsel‐ strichen angedeutet habe und das beeinflusst ist durch das Paradigma, die antike Welt und Literatur primär unter der Kategorie „Oralität“ zu beobachten, 64 sowie 33 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand nur A L K I E R / C O R N I L S , Bibliographie; für die Evangelienforschung I V E R S O N , Orality. Zu den Problemen der Metasprache vgl. R O D R Í G U E Z , Reading (Lit.). 65 Dazu einführend B A C H M A N N -M E D I C K , Cultural Turns, 104 ff. 66 Vgl. zur Übersetzung den Buchtitel von O E S T R E I C H , Performanzkritik. 67 R H O A D S , Performance Criticism I; R H O A D S , Performance Criticism II; R H O A D S , Research; R H O A D S , Performance. Vgl. auch T R O B I S C H , Performance. 68 Vgl. R H O A D S / D E W E Y , Paradigm Shift. 69 Vgl. z. B. M I L L E R , Performances; M I L L E R , Media (Lit.). 70 Vgl. R H O A D S , Art. Performance Criticism, 282. im größeren wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhang des sog. performa‐ tive turns in den Kulturwissenschaften zu sehen ist, 65 hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten v. a. in der anglophonen Forschung eine zunehmend mehr Anhänger findende Sichtweise auf die neutestamentlichen Texte im frühen Christentum entwickelt. Diese Sichtweise geht vom Folgenden aus: Die neutes‐ tamentlichen Texte wurden im Rahmen ihrer Erst- und frühen Folgerezeption nicht einfach gelesen bzw. vorgelesen, sondern performed. Darunter verstehen die Vertreterinnen und Vertreter dieser Sichtweise eine Vortragspraxis, die in Analogie zu antiken Dramenaufführungen und zur Vortragsweise von Reden aufzufassen sei. Der Fokus liegt dabei auf dem Versuch, z. B. die genaue Vortrags‐ weise und Stimmführung im Hinblick auf den Klang der Rede/ die Rhetorik, die stimmliche Realisierung von einzelnen Rollen, die Mimik und Gestik und v. a. die möglichen Reaktionen des Publikums zu untersuchen. In mehreren program‐ matischen Artikeln wurde dieser Ansatz von D. M. Rhoads als neue Methode der Biblischen Performanzkritik 66 (Biblical Performance Criticism) vorgeschlagen. 67 Mittlerweile verkündet er den Ansatz sogar als Paradigmenwechsel, mit dem ein aus dem Druckzeitalter stammendes Paradigma (Autor - geschriebener Text - individueller „leiser“ Leser) abgelöst würde. 68 Der Ansatz wurde ferner auch in der judaistischen Forschung adaptiert. 69 Seit 2008 existiert auch eine eigene Reihe (BPCS), in der das Ziel des Ansatzes programmatisch folgendermaßen zusammengefasst wird: „to reframe the biblical materials in the context of traditional oral cultures, construct [imaginative] 70 scenarios of ancient performances, learn from contemporary perform‐ ances of these materials, and reinterpret biblical writings accordingly.“ Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Biblischen Performanzkritik nehmen an, die neutestamentlichen Texte seien nicht auf der Grundlage eines Schriftmediums vorgelesen, sondern auswendig vorgetragen worden. Damit wird die Existenz von Lesen im frühen Christentum im eigentlichen Sinne negiert - abgesehen von der Nutzung von Manuskripten zum Auswendiglernen durch das „laute“ Sich-selbst-Vorlesen. P. J. J. Botha geht sogar so weit, nicht nur 34 1 Einleitung 71 Vgl. B O T H A , Orality, 90-104. 72 Vgl. z. B. explizit ausgeführt bei B O T H A , Reading; B O T H A , Book, 17; B O T H A , Orality, 104-109. 73 Vgl. D E W E Y , Gospel; W I R E , Case; D E W E Y , Oral Ethos; H O R S L E Y , Text, 246 ff. Vgl. in Bezug auf das Verhältnis von Q und Mt ferner K I R K , Q. Sehr viel vorsichtiger zu Spuren mündlicher Performanz im MkEv B R E Y T E N B A C H , Verschlüsselte Performanz? 74 „Incidentally, these practices remind us forcibly of the fluidity of all manuscript traditions in antiquity. What we would call an edition simply did not exist in antiquity: ἔκδοσις (usually translated with ‘publish’) merely indicated the stage at which the author let a version out of his own hands.“ B O T H A , Publishing, 347 [Herv.en im Original]. Redaktionelle Textvarianten auf das Phänomen einer ungeordneten Praxis der Zirkulation von Hss. zurückzuführen ist angesichts der doch recht stabilen hss. Überlieferung methodisch fragwürdig. Vgl. weiterführend zur Frage nach der Entste‐ hung von Varianten H E I L M A N N / W I C K , Varianten; G O L D M A N N , Textgeschichte. 75 Vgl. u. a. B O T H A , Publishing; B O T H A , Orality, 113-131. S. dazu u. 5. das „leise“ Lesen für die gesamte Antike in Frage zu stellen, sondern auch alle Formen von lesenden Zugriffen auf Schriftmedien, die einen Text nicht linear „oral“ re-realisieren 71 - also z. B. einen nachschlagenden, selektiven Zugriff, das Überspringen von Passagen usw. Die vielfältigen denkbaren Möglichkeiten werden im Rahmen dieser Studie v. a. unter 3 und 6 thematisiert und an den Quellen untersucht werden. Das Memorieren hätte die Funktion gehabt, einen Text entweder vor einer Gruppe zu „performen“ oder für eine nachfolgende durch rein mentale Verarbeitung entstehende Komposition zu nutzen, die dann wiederum „oral“ (d. h. in Form eines Diktats) zu Papyrus gebracht worden wäre. 72 Hier zeigt sich der Einfluss aus der Oralitätsforschung (s. o.): In überlie‐ ferungskritischer Hinsicht (und bei faktischer Negierung der Literarkritik, da Komposition auf der Grundlage schriftlicher Quellen mit diesem extremen An‐ satz faktisch ausgeschlossen wird) wird postuliert, dass etwa das MkEv (in einem zeitlich ausgedehnten Prozess) in performance komponiert und geschrieben worden sei. 73 Überhaupt wird vielfach negiert, dass es in der Antike so etwas wie vom Autor verbindlich herausgegebene Editionen gegeben habe und Botha sieht darin den entscheidenden Grund für die Entstehung von Textvarianten in der hss. Überlieferung antiker Texte. 74 Publikation sei in der Antike und im frühen Christentum nichts anderes gewesen als der Akt des performativen Vortrags in einer Gruppe. Schriftliche Kopien seien lediglich mehr oder weniger zufällig durch Mitschriften oder das Herausgeben von Kopien an Freunde in Umlauf gekommen. 75 Die Grundannahmen und die historische Rekonstruktion antiker und früh‐ christlicher Lesepraxis im Rahmen der sog. Performanzkritik und die zuweilen zu findende Überbetonung von orality/ aurality in Bezug auf die Produktion und Rezeption frühchristlicher Literatur hat L. Hurtado in einem wegweisenden 35 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand 76 Vgl. H U R T A D O , Oral Fixation. Vgl. weiterführend I V E R S O N , Oral Fixation, und Hurtados Reaktion H U R T A D O , Correcting. S. jetzt auch die ausführliche Kritik bei K E I T H , Manusc‐ ript, passim. 77 Vgl. B I N G , Scroll, insb. 106-115, gegen C A M E R O N , Callimachus. 78 H U R T A D O , Correcting, 327. 79 Vgl. H U R T A D O , Correcting, 325, mit Verweis auf Quint. inst. or. 10,3,19; 10,7,21 f. 80 Vgl. H U R T A D O , Correcting, 335 f. 81 S. z. B. S H I E L L , Delivering, 11-38; S H I N E R , Proclaiming, passim; S H I E L L , Reading, insb. 34-101; W A R D / T R O B I S C H , Bringing, passim. 82 Vgl. H U R T A D O , Correcting, 335. Artikel zu Recht und mit überzeugenden - zuweilen allerdings angesichts des begrenzten Raumes nur angerissenen - Argumenten kritisch diskutiert und weitestgehend als crucial claims, highly dubious inferences und historical over‐ simplifications zurückgewiesen. 76 (Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ähnliche Thesen in Bezug auf die hellenistische Poesie in der klassischen Philologie kritisch gesehen werden.) 77 Wissenschaftstheoretisch ist dies als not‐ wendige Gegenbewegung zu verstehen, die auf die durch das neue Paradigma des sog. performative turns entstandenen blinden Flecken aufmerksam macht, die maßgeblich durch ein weitgehendes Zurückdrängen von philologischen De‐ tailfragestellungen und eine, dem Durchsetzen von Paradigmenwechseln häufig inhärenten, zunächst einseitige Heuristik bedingt sind. Prägnant formuliert Hurtado bezüglich des weit verbreiteten Grundnarrativs (und die nachfolgende Untersuchung wird dies auf einer viel breiteren Quellenbasis bestätigen): „[I]t is simply misinformed to assert that texts [in the Roman era] were only (or even dominantly) read aloud and in groups, and were, thus, merely appendages to ‚orality‘.“ 78 Er verweist zudem u. a. darauf, dass die Rolle des Diktierens im Prozess der Entstehung insb. literarischer Texte nicht überschätzt werden darf 79 und weist entschieden die These zurück, das MkEv oder irgendein anderer Text sei in performance komponiert worden. 80 Der entscheidende Einwand gegen die sozialgeschichtliche Rekonstruktion der Performanzkritik ist aber ein methodologischer, den auch Hurtado an‐ deutet: Die Quellen, die der Rekonstruktion performativer Präsentationen der neutestamentlichen Texte sowie der Reaktionen des Publikums zugrunde liegen, stammen fast ausnahmslos aus dem Bereich der (meist narrativen, z. T. theoretischen) Reflexion antiker Dramenaufführungen und der Rhetorik bzw. sind ikonographische Darstellung von Dramenaufführungen oder Rednern. 81 Schauspieler und Redner sollten aber nicht mit den Vorlesenden von Texten verwechselt werden, wie Hurtado es formuliert. 82 Oder anders gesagt: Es fehlt eine historische Begründung, die m. E. auch nur schwer möglich ist, inwiefern die Quellen, die sich auf das Theater und die Rede beziehen, für die Rekon‐ 36 1 Einleitung 83 Dabei ist es symptomatisch, dass Quellen- und Metasprache nicht sauber getrennt werden, letztere nicht differenziert genug definiert und z. B. das englische Wort recitation in einem sehr breiten, heuristisch nicht zielführenden Sinn gebraucht wird. S. z. B. S H I E L L , Reading, insb. 102-136; W A R D / T R O B I S C H , Bringing, 17-23; L O U B S E R , Oral, passim. 84 S. dazu ausführlich u. Anm. 21, 22, 24, S. 275. 85 Auch nicht für das Verlesen von Briefen beim Zielpublikum, wie B E C K E R , Activity, 94, es im Hinblick auf die Paulusbriefe formuliert. Becker distanziert sich allerdings von einigen Engführungen und Verkürzungen der Performanzkritik (vgl. ebd. 89). Das Verlesen eines Briefes ist zwar eine Form der „Öffentlichmachung“, sollte aber nicht mit dem in der Antike durchaus spezifisch zu fassenden Akt der Publikation verwechselt werden. Gegen B E C K E R , Activity, 94. 86 P A R K E R , Books, 213. S. zum antiken Konzept von Publikation sowie zur Institution der recitatio die Ausführungen unter 5. 87 So auch H U R T A D O , Oral Fixation, 205: „I reiterate that it is right to emphasise that literary texts were typically composed with a view to their oral effect (whether read silently or in groups).“ Aus meiner Sicht ist in diesem Kontext der Begriff oral bzw. mündlich unpräzise und könnte in die Irre führen. Stattdessen sollte man formulieren, dass sowohl die neutestamentlichen Erzähltexte als auch die Briefe nach Regeln der antiken Rhetorik gestaltet worden sind. S. dazu u. 8.3.2. 88 H U R T A D O , Oral Fixation, 338. 89 Vgl. H U R T A D O , Oral Fixation, 336-340 (s. u. auch Anm. 96, S. 240). Er verweist zwar in diesem Kontext auch auf rein visuell wahrnehmbare Elemente in den Hss. (z. B. die struktion von diversen Vorlesesituationen herangezogen werden könnten. Es kommt hinzu, dass es sich bei der vielfach belegten recitatio, auf die sich nicht nur die Vertreterinnen und Vertreter der Performanzkritik beziehen, 83 um eine Institution handelt, die fest mit der Präsenz des Autors verknüpft ist und zeitlich vor der eigentlichen Publikation eines Werkes angesiedelt ist. 84 Die recitatio ist daher kein beliebig verallgemeinerbarer Rahmen für die Rezeption literarischer und poetischer Werke. 85 „Going to a recitation was not a substitute for reading. It was a (sometimes tedious and socially obligatory) prelude to reading.“ 86 Insgesamt ist zu kritisieren, dass durch die extreme Fokussierung auf den Aspekt der Mündlichkeit der Quellenbefund nur selektiv wahrgenommen wird und viele, in dieser Studie zu besprechende, Facetten antiker Lesepraxis unbe‐ obachtet bleiben. Bei aller Kritik insbesondere an der sozialgeschichtlichen Rekonstruktion antiker Lesepraxis im Rahmen der Performanzkritik ist schon hier zu betonen, dass damit nicht in Frage gestellt wird, die Rhetorik neutesta‐ mentlicher Texte zu untersuchen. 87 Zuletzt schlussfolgert aber auch Hurtado aus dem handschriftlichen Befund (v. a. aus den sog. readers’ oder reading aids) wie aus dem NT (insb. Mk 13,14 par; Lk 4,16-21; Act 13,15; 15,21; 17,10 f; 1Thess 5,27; Kol 4,16; Apc 1,3), dass im frühen Christentum Texte „most often in group-settings“ 88 gelesen, d. h. vorgelesen worden wären. 89 Damit setzt er gegen die These besonderer perfor‐ 37 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand Nomina sacra), darauf, dass der Leser etwa in Mk 13,14 par. direkt angesprochen wird, und auf den Beleg einer Sammlung von Paulusbriefen in 2Petr 3,15 f, verortet diese jedoch weitestgehend in den Rahmen eines public reading im frühen Christentum. Er betont jedoch in H U R T A D O , Correcting, 205, deutlich expliziter: „in the earliest extant Christian manuscripts, we have physical evidence that the texts they contain were studied carefully, probably in sustained close attention by individual readers. But this is not at all to deny that the reading aloud of texts was a frequent (or even typical) feature in earliest Christian circles. I simply note that this was not the only way in which texts were read in the Roman period, by Christians or others.“ 90 Vgl. N Ä S S E L Q V I S T , Reading, insb. 2-12; s. auch N Ä S S E L Q V I S T , Conventions. 91 Vgl. N Ä S S E L Q V I S T , Reading, insb. 12 f.54.322. 92 Vgl. W R I G H T , Reading, 4-10 [Zitat 8]. mativer Lesungen, die ohne Textmedium ausgekommen wären, eine andere (allerdings nicht mehr weiter entfaltete) monosituative Verortung frühchristli‐ cher Lesekultur, an denen sich auch die Monographien von D. Nässeqvists (2016 erschienen) und B. J. Wrights (2017 erschienen) orientieren. 1.1.3 Public Reading/ Communal Reading D. Nässelqvists Studie setzt sich zwar insofern von der Biblischen Performanz‐ kritik ab, als er die Kritik Hurtados aufnimmt, die einseitige These der Perfor‐ manz auswendiggelernter Texte problematisiert und die Materialgebundenheit frühchristlicher Lesepraxis betont. 90 Sein Erkenntnisinteresse liegt aber zuletzt auch darin, oral delivery im Rahmen von public reading events zu rekonstru‐ ieren. 91 Dazu untersucht er zunächst die materiellen Überreste antiker und frühchristlicher Lesepraxis in Relation zur Pragmatik des Lesens (Kap. 2), betont die Wichtigkeit von auf das Lesen spezialisierter Lektoren im Rahmen der antiken und frühchristlichen Lesepraxis (Kap. 3) und führt im Anschluss an M. E. Lees und B. B. Scotts Sound Mapping und zusätzlich gestützt auf Aussagen der antiken Rhetoriktheorie eine Methode zur Analyse des Klangs griechischer Texte ein (Kap. 4), die er dann exemplarisch an Joh 1-4 vorführt (Kap. 5-8). Ganz ins Zentrum des Forschungsinteresses rückt B. J. Wright das Thema Lesen im frühen Christentum in seiner 2017 erschienenen Studie „Communal Reading in the Time of Jesus“. Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist die m. E. sehr richtige Feststellung, dass Lesen insbesondere durch den starken Fokus der Forschung auf Oralitätsfragen weitestgehend vernachlässigt worden ist. Dem‐ gegenüber fordert er mit communal reading events eine neue control category und schreibt sich damit in einen Diskurs bezüglich bestimmter „‚quality controls‘ that must have been in place […] in order to account for the transmission of the earliest Jesus movement“ ein. 92 Sein Erkenntnisinteresse liegt also vor allem 38 1 Einleitung 93 Vgl. W R I G H T , Reading, 10. 94 Vgl. W R I G H T , Reading, 10. 95 So verweist er z. B. auf den Fehler, die ökonomischen Bedingungen des Schreibens und Erwerbens von Büchern zu hoch zu schätzen und vor der Gefahr der Anwendung der einfachen dichotomen Kategorie arm/ reich (W R I G H T , Reading, 29-31), auf die hohe Mobilität, welche den Austausch von Literatur beförderte (W R I G H T , Reading, 34-38), auf die vielen Hinweise der weiten Verbreitung von Büchern (vgl. W R I G H T , Reading, 43 f) und auf Evidenzen, dass römische Literatur des 1. Jh. nicht nur ein Elitenphänomen war und durchaus auch von Plebejern gelesen werden konnte (die Quelle, die er hier zitiert, ist Ov. trist. 3,1,81 f, nicht 1,1,82! ). Vgl. W R I G H T , Reading, 45-47 (s. u. weiterführend Anm. 108, S. 133). 96 W R I G H T , Reading, 208. 97 Vgl. N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 77-96. darin, communal reading events als einen wichtigen Faktor in der Formierung und (textlichen) Überlieferung der Jesus-Tradition zu plausibilisieren, wobei er jedoch betont, dass das Ziel seiner Studie zunächst darin liegt, zu belegen, dass communal reading events ein weit verbreitetes Phänomen im ersten Jh. n. Chr. gewesen seien. 93 Weiterführende (und die eigentlich spannenden) Fragen, wie genau communal reading events die Transmission christlicher Traditionen im 1. Jh. steuerten u. ä., könnten dann erst auf der Grundlage der Beantwortung dieser Frage bearbeitet werden. 94 Die Untersuchung selbst besteht dann aus einem Teil (Kap. 3 f), in dem er die politischen, wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Bedingungen von communal reading events auswertet und auf einige sehr wichtige Punkte hinweist, die, insbesondere in der anglophonen neutestamentlichen Forschung, ein primär an „Oralität“ ausgerichtetes Paradigma verfolgt, zuweilen nicht beachtet werden. 95 Darauf folgt ein umfangreicher Teil, in dem er Quellen zu communal reading events in der paganen, jüdischen und christlichen Literatur, die er in das erste Jh. datiert, zusammenträgt (Kap. 5 f). Am Ende resümiert er: „Overall, the findings show that communal reading events were more common and widespread geographically in the first century CE than the current academic consensus assumes.“ 96 Das zentrale methodische Problem der beiden Studien besteht darin, dass sie durch ihren Fokus auf communal reading events ihre Heuristik enorm einschränken und ihre Thesen weitestgehend nur auf solchen Quellen basieren, die auf Vorleseszenen verweisen. Evidenzen für Lesepraktiken jenseits von communal reading events bleiben hingegen völlig (bei Nässelqvist größtenteils) ausgeblendet. Schwierig ist außerdem, wie im Laufe der Untersuchung deutlich werden wird, Nässelqvists These einer ubiquitären Verbreitung (und gleich‐ samen Notwendigkeit) sog. Lektoren, die für das Lesen bzw. die performativen Lesungen zuständig gewesen wären. 97 Auch seine Thesen zum Zusammenhang 39 1.1 Lesen im frühen Christentum - Zum Forschungsstand 98 Vgl. W R I G H T , Reading, 43. 99 Mit P A R K E R , Books, 221 f, gegen W R I G H T , Reading, 227. 100 Gegen W R I G H T , Reading, 215. 101 Gegen W R I G H T , Reading, 216. 102 Gegen W R I G H T , Reading, 230. 103 Vgl. W R I G H T , Reading, 217. zwischen dem hss. Befund und der Lesepraxis werden im Rahmen dieser Arbeit zu problematisieren sein. Zudem wird zu fragen sein, ob die von ihm unter‐ suchten „phonologischen“ Strukturen eines Textes zwingend in ausschließlicher Relation zu public reading events stehen müssen. Bei der Arbeit von Wright kommt hinzu, dass er sämtliche Quellen, auch solche, in denen sehr unspezi‐ fisch von Lesen die Rede ist, konsequent seiner Kontrollkategorie zuordnet. Dabei missachtet er z. T. argumentative oder literarische Kontexte; zudem fehlt eine methodologische Reflexion der Schwierigkeiten, von literarischen Darstellungen von Lesepraktiken auf die sozial-historische Wirklichkeit zu schließen. So belegen einige Quellen, die er anführt, wahrscheinlich bzw. sicher keine communal reading events: P. Oxy. 31 2592 ist keine Einladung zu einem communal reading event, wie Wright suggeriert, 98 sondern zu einem Gemeinschaftsmahl im Serapeion. Ob dort gelesen wurde, geht aus dem Papyrus nicht hervor. Wenn in Prop. 2,24,1 f geschrieben steht, Properz’ Schrift Cynthia werde überall auf dem Forum gelesen (toto Cynthia lecta foro), ist hier kein communal reading event und keine Rezitation gemeint, sondern viele individuell Lesende, wie u. a. Prop. 3,3,19 f zeigt. 99 Diog. 12,1 ist nicht nur wegen der Diskussion um den sekundären Charakter der letzten beiden Kapitel des Diognetbriefes (communis opinio), schwierig; auch geht aus der Formulierung (selbst wenn man die literarische Einheit annehmen würde) keinesfalls hervor (s. u. Anm. 392, S. 468), dass ein communal reading event vorauszusetzen wäre. 100 Inwiefern Pap 2[! ],3 (Eus. h. e. 3,39,8) ein communal reading event belegen sollte, bleibt mir völlig schlei‐ erhaft. 101 Der dort in ungenauer englischer Übersetzung angegebene Text, der allem Anschein nach nicht im Griechischen geprüft wurde, gehört zudem zum einleitenden Rahmen Eusebs und nicht zum Wortlaut von Papias, sodass eine Datierung ins 1./ 2. Jh. falsch ist. Diese Kritik gilt auch für das als Fragment 7 aus dem Ebionäerevangelium angegebene Zitat, das aus dem einleitenden Rahmen bei Epiphanius stammt (Epiph. panar. 30,22,4) und das definitiv nicht auf gemeinschaftliches Lesen verweist. 102 Auch seine Interpretation von Ps.-Apollod. bibl. 3,5,8 (52) als Beleg für ein communal reading event  103 basiert auf der ungenauen englischen Übersetzung durch J. G. F R A Z E R . Die auf S. 215 zitierte Stelle aus den Oracula Sibyllina belegt definitiv kein communal reading event (s. u. Anm. 75, S. 126) und ist auch nicht ins 2 Jh. v.-1. Jh. n. Chr. zu datieren. Der zitierte Satz stammt aus dem (eindeutig christlichen) redaktionellen Prolog (Sib. prol.), 40 1 Einleitung 104 Vgl. G A U G E R , ed., Sibyllinische Weissagungen, Einführung, 333. 105 Gegen W R I G H T , Reading, 208.219. 106 Vgl. W R I G H T , Reading, 18-21 [Zitat 18]. der nicht vor dem 6. Jh. n. Chr. entstanden ist. 104 Wenn Fronto in einem seiner Briefe an Antoninus Pius schreibt, dieser würde im Theater oder beim Bankett (convivium) wiederholt lesen (lectito; Front. ep. 4,12), so ist hier vermutlich eher gemeint, dass er für sich selbst liest. 105 Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. Konkret wird seine enge Heuristik etwa daran deutlich, dass er einerseits sowohl ἀναγιγνώσκω als auch ἐντυγχάνω als „common markers of communal reading events“ versteht. 106 Hier zeigt sich als Desiderat das Fehlen einer eingängigen lexikologischen und semantischen Analyse der griechischen und lateinischen Leseterminologie. Zahlreiche andere Termini, die Lesen bzw. die Rezeption von Texten anzeigen, werden andererseits überhaupt nicht berücksichtigt. Wie schon bei den zuvor diskutierten Ansätzen handelt es sich daher bei Nässelqvists und Wrights Ansatz ebenfalls um eine monosituative Verortung des Lesens im frühen Christentum, wobei die Kategorie Wortgottesdienst/ liturgische Lesung o. ä. durch das public/ communal reading event ersetzt, dabei aber freilich breiter in der griechisch-römischen Welt kontextualisiert wird. Den meisten der skizzierten Forschungsbeiträge, die das Lesen im frühen Christentum monosituativ verorten, ist gemein, dass sie im Rahmen eines breiteren Diskurses in den altertumswissenschaftlichen Fächern stehen und davon beeinflusst sind. Dieser Diskurs und dessen problematische Implikationen sind im Folgenden zu beleuchten. 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike Die Erforschung des Phänomens „Lesen“ ist in der altertumswissenschaftlichen Forschung v. a. im 20. Jh. maßgeblich von der Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen dominiert worden. Da hier wichtige methodische Implikationen und hermeneutische Grundfragen des Zugangs zum Thema deutlich werden, sind an dieser Stelle einige Bemerkungen zu dieser Debatte notwendig. Den locus classicus, von dessen Interpretation die Diskussion maßgeblich geprägt ist, bildet ein Bericht von Augustinus über die Lesepraxis von Ambrosius in seinen Confessiones. Ein Auszug daraus sei zur besseren Verständlichkeit der Debatte vorweg abgedruckt: 41 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike 107 B A L O G H , Voces Paginarum, 220. 108 Vgl. B A L O G H , Voces Paginarum, 85 f. S. auch S T O C K , Augustin, 61 f. „Ich [scil. Augustinus] seufzte noch nicht im Gebet, dass du mir zur Hilfe kommst, sondern mein Geist strengte sich an zu forschen und sehnte sich nach Disputation. […] Auch wußte er [scil. Ambrosius] nichts von meinen Unruhen noch von dem Abgrunde meiner Gefahr, weil ich ihn nicht nach Wunsch fragen konnte. Denn von seinem Ohr und Munde war ich abgesperrt durch ganze Haufen geschäftiger Leute […]. Und war er einmal von diesen Leuten nicht umgeben, was immer nur sehr kurze Zeit der Fall war, so stärkte er seinen Leib […] oder erquickte durch Lektüre [lectio] seine Seele. Wenn er aber las, ziehen seine Augen über die Seiten hin, und das Herz drang in ihr Verständnis, Stimme und Zunge jedoch ruhten. (sed cum legebat, oculi ducebantur per paginas et cor intellectum rimabatur, uox autem et lingua quiescebant.) Oft, wenn ich zugegen war - denn niemandem war verboten, einzutreten, und es war nicht Brauch, ihm die Besuchenden zu melden -, hab ich ihn so gesehen, und nie anders, als schweigend lesend (sic eum legentem uidimus tacite). Dann saß ich lange schweigend bei ihm - denn wer hätte es gewagt, dem so in sich Versunkenen zur Last zu werden? - und ging wieder weg und dachte mir, in jener kurzen Spanne Zeit, die er […] für sich und zur Erholung seiner Seele gewinnen könne, wolle er nicht zu anderen Dingen hingezogen werden. Und leise las er, wohl deshalb, daß nicht ein wißbegieriger und aufmerksamer Hörer ihn zwingen könne, eine dunkle Stelle, die er eben las, ihm aufzuklären und ihm in irgendwelcher schwierigen Frage Rede zu stehen. Darüber wäre so viel Zeit verloren gegangen, dass er das Buch nicht so weit hätte auseinanderrollen [also lesen] können (voluminum evolveret), wie er gewollt hätte. Auch wenn er durch das schweigende Lesen nur seine Stimme, die leicht heiser wurde, hätte schonen wollen, so wäre dies ein billiger Grund gewesen. In welcher Absicht er es auch getan, sicher tat er immer gut.“ (Aug. Conf. 6,3; Üb. angelehnt an H E F E L E ). Die bis heute vorherrschende, maßgeblich auf der Grundlage dieser Quelle gebildeten communis opinio lässt sich mit dem folgenden Satz aus dem Aufsatz von J. Balogh, der die Grundlage für die Debatte legte, zusammenfassen: „Der Mensch des Altertums las und schrieb in der Regel laut; das Gegenteil war zwar nicht unerhört, doch immer eine Ausnahme.“ 107 „Leises“ Lesen sei sogar als etwas Ungewöhnliches wahrgenommen worden. 108 Diese These ist in den altertumswissenschaftlichen Fächern in vielfältigen Varianten wiederholt und zur Bildung verschiedenster Hypothesen (insb. im Hinblick auf die Orality-Li‐ teracy-Debatte) herangezogen worden, wie im Rahmen dieser Arbeit noch an 42 1 Einleitung 109 Vgl. die direkte Weiterarbeit an der These von Balogh bei H E N D R I C K S O N , Reading; W O H L E B , Beitrag; M C C A R T N E Y , Notes; D I C A P U A , Osservazioni; S T A N F O R D , Sound; vgl. exempl. für die Übernahme dieser These auch R O H D E , Lesen, 294: „Der antike Mensch hat bis in die späteste Zeit […] laut gelesen, auch wenn er allein las.“; L A K M A N N , Platoniker, 36, Anm. 43: „Entweder hat er [scil. ein Sklave Plutarchs] es selbst gelesen, oder er hatte, da man in der Antike gewöhnlich laut las, beim Lesen mitgehört“; einflussreich auch K E N N E Y , Books, 12: „In general it may be taken for granted that throughout antiquity books were written to be read aloud and that even private reading often took on some of the characteristics of a modulated declamation.“; vgl. außerdem zur Verknüpfung des Paradigmas der generell „lauten“ Lektüre mit der primären Oralität griechischer Literatur T H O M A S , Literacy, insb. 91-93; s. ferner zur Übernahme der These in der altorientalischen Forschung G R A Y S O N , Murmuring. 110 So auch der Hinweis bei B U S C H , Lesen, 42. Vgl. ausführlich zur Abhängigkeit der Aussagen zum „lauten“ und „leisen“ Lesen von den geistesgeschichtlichen Diskursen des 18. und 19. Jh.s B I C K E N B A C H , Möglichkeiten, insb. 21-54.174-247. 111 S. dazu u. S. 230. 112 Sämtliche Werke, Sechster Teil, 35, Anm. 3: Vgl. auch N I E T Z S C H E , Jenseits, 207: „Der Deutsche liest nicht laut, nicht für’s Ohr, sondern bloss mit den Augen: er hat seine Ohren dabei in’s Schubfach gelegt. Der antike Mensch las, wenn er las - es geschah selten genug - sich selbst etwas vor, und zwar mit lauter Stimme.“ N I E T Z S C H E , Werke, 382: „man kann sich so das Bild des griech. Lesers aus Isocr. Zeit [bilden] vorstellen; einen langsamen Leser, der Satz für Satz einschlürft, mit verweilendem Auge und Ohre, der eine Schrift wie einen köstlichen Wein zu sich nimmt, alle Kunst des Autors nachfühlt.“ N O R D E N , Kunstprosa, 6: „Eine vielleicht wenig bekannte Thatsache ist es, dass man im Altertum laut zu lesen pflegte.“ Vgl. forschungsgeschichtlich weiterführend R O H D E , Lesen; B I C K E N B A C H , Möglichkeiten. Vgl. zum Hintergrund der medialen Veränderungsprozesse im 19. Jh. und deren Auswirkungen auf die Lesepraxis K I T T L E R , Aufschreibesysteme. unterschiedlicher Stelle deutlich wird. 109 Und auch in der neutestamentlichen Wissenschaft ist diese Sicht weit verbreitet, wie oben gezeigt wurde. Vor dogmatischen Vorfestlegungen, es habe in der Antike kein „leises“ Lesen gegeben, warnt jedoch der geistesgeschichtliche Kontext der Forschungstradi‐ tion, aus der diese These stammt: Baloghs Forschungsfrage, die ihn zu oben zitiertem Urteil führt, ist nämlich von einer kulturkritischen und z. T. modern‐ itätskritischen Tradition des 18. und 19. Jh. beeinflusst, die normativ am Vorbild der Antike ausgerichtet ist. 110 Beispielhaft formuliert C. M. Wieland in seiner Übersetzung zu Lukian. adv. ind. 2: 111 „Diese Stelle beweiset […], daß die Alten (wenigstens die Griechen) alle Bücher, die einen Werth hatten, laut zu lesen pflegten, und daß es bey ihnen Regel war, ein gutes Buch müsse laut gelesen werden. Diese Regel ist so sehr in der Natur der Sache gegründet, und daher so indispensabel, daß sich mit diesem Grunde behaupten lässt, alle Dichter […] von Talent und Geschmack müssen laut gelesen werden, wenn nicht die Hälfte ihrer Schönheit für den Leser verlohren gehen sollen.“ 112 43 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike 113 H E N D R I C K S O N , Reading, 183. 114 Seine Thesen zum Lesen im antiken Griechenland hat er in zahlreichen Publikationen dargelegt und weiterentwickelt. Vgl u. a. S V E N B R O , Interior; S V E N B R O , Greece; S V E N B R O , Griechenland; S V E N B R O , Ameisenwege; S V E N B R O , Stilles Lesen; S V E N B R O , Phrasikleia. 115 S V E N B R O , Phrasikleia, 49. Vgl. dazu ausführlich mit Bezug auf die jeweiligen Inschriften, die er häufig auch übersetzt, S V E N B R O , Phrasikleia, 49-63. 116 Vgl. S V E N B R O , Phrasikleia, 158-162. Die Fortschreibung dieser kulturkritischen, an die Kulturkritik der Antike anknüpfenden Sicht im Zeitalter des industriellen Buchdruckes wird auch in einem ebenfalls in den 20er Jahren des 20. Jh. erschienenen, englischsprachigen Artikel deutlich: „… from Homer - a world without books and written records - down to Plato, where books are still new, though plentiful, is but a step, and so to our own day which groans beneath their burden. Almost within the memory of men now living the printed page has brought about the decline, if not the death, of oratory, whether of the parliament, the bar, or the pulpit; the newspaper and the review, anticipating every subject of comment, have killed conversation and debate; the learned archive or scientific journal renders the gatherings of scholars insignificant for purposes other than convivial; and books have in large degree displaced the living voice of the teacher. Books have created, as Plato prophesied, an art of forgetfulness, in that no one longer gives his mind to remembrance of that which can be consulted at leisure. The art of writing was to be sure in Plato’s time nothing new; but the Greek book, the accessible and convenient repository of other men’s thought, was scarcely yet a century old.“ 113 Stutzig macht zudem, schaut man Disziplinen übergreifend auf die Forschungs‐ literatur zur Geschichte des Lesens, die in aller Regel als Fortschrittsgeschichte geschrieben wird, dass das „leise“ Lesen in der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte mindestens fünfmal „erfunden“ wird. (1) So vertritt der klassische Philologe J. Svenbro 114 die These, das „leise“ Lesen sei im 5. Jh. v. Chr. entstanden. Die Entwicklung vom „lauten“ zum „stillen“ Lesen kann Svenbro in diachroner Hinsicht an Veränderungen im Selbstverständnis von Inschriften zeigen. Während die früheren Inschriften, insbesondere aus der archaischen Zeit, darauf angewiesen waren, dass der Leser „seine Stimme der stummen Inschrift leiht“ 115 , findet man seit dem 5. Jh. das Phänomen von sprechenden Objekten oder Gegenständen sowohl in Bezug auf Inschriften als auch in der Reflexion dieses Phänomens in den Quellen: 116 Insbesondere die Korrelation dieses Wandlungsprozesses mit der Entwicklung in der Theorie der visuellen Wahrnehmung im 5. Jh. v. Chr., die bei Empedokles, Leukipp und Demokrit deutlich wird, ist ein sehr starkes Argument. So wird hier 44 1 Einleitung 117 S V E N B R O , Phrasikleia, 158. 118 Vgl. S V E N B R O , Phrasikleia, 147 f; S V E N B R O , Griechenland, 78 f, mit Bezug auf Plat. Krit. 54d; soph. 263e-264a; Tht. 189e-190a; Phaid. 241b-c; apol. 31d. Es ist unvollständig die innere Lesestimme bloß als „mental repetition of the voice perceived in the text“ (E D M U N D S , Intertextuality, 66) zu beschreiben, da aus kognitionspsychologischer Sicht auch die Wahrnehmung der eigenen Stimme des jeweiligen Lesers eine Rolle für die innere Lesestimme spielt. Vgl. weiterführend z. B. F I L I K / B A R B E R / A L E M A N , Inner Speech; V I L H A U E R , Characteristics (Lit.). 119 Vgl. K N O X , Reading. 120 S V E N B R O , Griechenland, 79. 121 Dieses Argument wird aufgenommen von R Ö S L E R , Lesen. 122 Vgl. S V E N B R O , Phrasikleia, 153-156.161-168. Vgl. dazu aber die kritischen Bemerkungen R Ö S L E R , Rez. Svenbro, Phrasikleia, 3. die Vorstellung, dass das Sehen durch einen Strahl aus dem Auge möglich wird, durch die atomistische Theorie ersetzt, in der die Möglichkeit des Sehens auf die Emission von kleinsten Teilchen durch den gesehenen Gegenstand zurückge‐ führt wird - in Bezug auf die Frage nach dem Lesen also „das Geschriebene seine Bedeutung zum Auge hin aussendet.“ 117 Zudem findet Svenbro im kulturellen Kontext des 5. Jh. die Vorstellung einer inneren Stimme, einer Stimme im Kopf; 118 also eine Vorstellung die eine notwendige Voraussetzung für das „stille“ Lesen darstellt. Auf diese innere Stimme, die in der neueren Leseforschunginner reading voice genannt wird, wird später zurückzukommen sein. Svenbro zeigt damit, dass sowohl die Inschriften als auch die direkten Zeugnisse für das „leise“ Lesen im 5. Jh. v. Chr., die schon B. Knox gegen die maßgeblich von J. Balogh geprägte communis opinio in Stellung gebracht hatte, 119 „ein und dieselbe Interiorisierungsbewegung [belegen], die im Verlauf des 5. Jahrhunderts vollzogen wurde […] [-] die Interiorisierung der Stimme des Lesers, der nunmehr in der Lage ist, ‚in seinem Kopf zu lesen‘.“ 120 Die Grundlage für die Entwicklung hin zum „stillen“ Lesen sei in pragmatischer Hinsicht die Notwendigkeit größere Textmengen zu bewältigen; 121 stärker wiege aber noch eine qualitative Veränderung in der Haltung gegenüber Geschriebenen, die maßgeblich durch die Erfahrungen im Theater induziert gewesen sei. Denn durch die Transformation des dramatischen Textes auf der Bühne entsteht eine größere Differenz zwischen dem dramatischen Text, der „vokalen Kopie“ auf der Bühne und dem hörenden und sehenden (! ) Publikum als zwischen dem selbst oder anderen vorgelesenen Text in der lautlichen Realisierung beim „lauten“ Lesen. Durch diese Trennungserfahrung zwischen Geschriebenem und Leser sei die neue Haltung gegenüber Texten und damit das „leise“ Lesen ermöglicht worden. 122 45 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike 123 S V E N B R O , Griechenland, 84. 124 S T R O U M S A , Reading, 187. „Der traditionelle Leser, der seine Stimme braucht, um die graphische Sequenz ‚wie‐ derzuerkennen‘ [=ἀναγιγνώσκω], unterhält mit dem Geschriebenen auf der Ebene der Verlautlichung eine spürbar aktive Beziehung (obwohl er gegenüber dem Schreiber, dessen Programm er ausführt, die Rolle des ‚passiven Partners‘ einnehmen kann). Um seine instrumentelle Funktion auszuüben, muß er eine geistige und physische Anstrengung vollziehen, sonst blieben die Buchstaben ohne Bedeutung. […] Die Aktivität des still Lesenden wird nicht als eine Anstrengung zur Dechiffrierung erlebt, es ist eine Aktivität, die als solche nicht bewußt ist (so wie die interpretative Aktivität des ‚Ohrs‘, das eine bedeutungstragende Lautsequenz hört, eine sich als solche igno‐ rierende Aktivität ist […]). Ihre ‚Wiedererkennung‘ des Sinns ist unmittelbar; ihr geht kein opaker Moment voraus. Der in seinem Kopf Lesende braucht das Geschriebene nicht durch seine Stimme zu aktivieren oder zu reaktivieren. Die Schrift scheint ganz einfach zu ihm zu sprechen. Er hört seine Schrift - so wie der Zuschauer im Theater die Vokalschrift der Schauspieler hört. Das visuell ‚(wieder)erkannte‘ Geschriebene scheint die gleiche Autonomie zu besitzen wie die Theateraufführung. Die Buchstaben lesen sich - oder vielmehr: sagen sich - von selbst. […] Die Buchstaben, fähig zu ‚sprechen‘, können auf das Eingreifen einer Stimme verzichten. Sie besitzen bereits eine. Es ist am Leser, bloß ‚zuzuhören‘ - im Inneren seiner selbst.“ 123 (2) Laut G. A. G. Stroumsa liegt der Ursprung des „leisen“ Lesens, dessen Durchsetzung allerdings einen langen Zeitraum in Anspruch genommen habe, in der Bibellektüre christlicher Mönche in der Spätantike, stehe auch im Zusammenhang mit dem Medienwechsel von der Rolle zum Kodex und habe erstmals zu einer Internalisierung der heiligen Schrift geführt und ein neues religiöses System etabliert: „Side by side with the passage from roll to Codex, our period saw the development of silent reading, a development (rather than a discovery) for which Augustin offers our best testimony […; ] the development of silent reading, which would take a very long time, as it is not before the thirteenth century that it is well established […] seems to be directly linked to private reading of the Bible in the monastic milieus (in particular of the Psalms […]), in meditation and oration. The ability to read the holy text in silence and to memorize it brought to its internalization. […] In other words, the development of silent reading among early Christian elites reflect the transformed status of the individual in the new religious system, and it must have been as closely related to it as was the use of the codex.“ 124 46 1 Einleitung 125 Vgl. S A E N G E R , Silent Reading, 370-373; S A E N G E R , Space, 4-13. 126 Vgl. M C L U H A N , Gutenberg. 127 Hergestellt wird der Zusammenhang zwischen der Erfindung des Buchdrucks und der Entwicklung des „leisen“ Lesens aber schon von H E N D R I C K S O N , Reading, 193; C H A Y T O R , Medieval Reader; C H A Y T O R , From, 5-21. Vgl. zur Übernahme dieser These z. B. G I E S E C K E , Buchdruck; G Ö T T E R T , Problemgeschichte, 104. 128 Vgl. S C H Ö N , Verlust. 129 Vgl. K N O X , Reading. 130 Vgl. Athen. deipn. 4,16 f (139c); Sen. ep. 88,37. (3) P. Saenger führt in seinem viel zitierten Buch „Space between Words“ die Möglichkeit der Entwicklung des „leisen“ Lesens auf die Innovation von Worttrennung und Wortzwischenräumen in den Texten zurück, die erstmals in den Handschriften von iroschottischen Mönchen im 7./ 8. Jh. belegt sind. Saenger entwickelt seine Entwicklungstheorie vor dem Hintergrund der unhinterfragten Interdependenz von scriptio continua und der generellen Praxis in der Antike, laut bzw. vokalisierend oder subvokalisierend zu lesen, wobei er die Argumente und Quellenbelege aus dem hier skizzierten altertumswissenschaftlichen For‐ schungsdiskurs übernimmt. 125 Die Annahme eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Verwendung von scriptio continua in den antiken Manuskripten und der Praxis des „lauten“ bzw. vokalisierenden Lesens wird unten unter 4 ausführlich zu problematisieren sein. (4) Sodann findet sich nicht nur in der Frühneuzeitforschung noch immer die maßgeblich durch M. McLuhans These einer primär oral geprägten mittelalter‐ lichen Kultur 126 forcierte Sicht, dass der Übergang vom „lauten“ zum „leisen“ Lesen mit der Erfindung des Buchdrucks zusammenhänge. 127 (5) V. a. in der germanistischen Forschung wird der Übergang ins 18. Jh. da‐ tiert, wie z. B. in der Kapitelüberschrift „Das Ende des lauten Lesens“ in E. Schöns „Verlust der Sinnlichkeit oder Die Verwandlungen des Lesers“ anschaulich zum Ausdruck kommt. 128 Diese Übersicht verdeutlicht, dass die Quellen einer linearen Fortschrittsge‐ schichte des Lesens entgegenstehen. So ist dann die maßgeblich von J. Balogh geprägten Sichtweise, in der Antike habe man generell laut gelesen, das „leise“ Lesen sei eine Abnormität gewesen, im altertumswissenschaftlichen Diskurs des 20. Jh. dann auch nicht unwidersprochen geblieben. Wie schon oben angedeutet, hat B. M. Knox 1968 in einem profilierten Aufsatz die allgemeine Gültigkeit der Schlussfolgerungen Baloghs angezweifelt. 129 Seine Gegenargumente lassen sich wie folgt zusammenfassen: a) Die Menge an Werken und Büchern/ Rollen, die z. B. Aristarchos, Kallimachos oder der produktive griechische Gramma‐ tiker Didymos Chalkenteros, dessen Gesamtwerk 3000-4000 Rollen umfasst haben soll, 130 für die Abfassung ihrer Werke gelesen haben müssen, macht es 47 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike 131 Vgl. K N O X , Reading, 421 f. 132 Vgl. K N O X , Reading, passim. 133 Vgl. C L A R K , Reading, 699 f. Clark verweist außerdem noch auf Plin. ep. 5,5,5 - eine Stelle, auf die Knox nicht eingeht, die aber in mehrfacher Hinsicht und nicht nur in Bezug auf die Implikation, dass man sich Nero hier als „leisen“ Leser vorstellen kann, interessant ist. 134 Die Quellenstellen nennt er nicht. 135 Vgl. zum Folgenden K N O X , Reading, 428-435. 136 Vgl. dazu meine Ausführungen in Anm. 180, S. 151. unwahrscheinlich, dass diese nicht das effizientere nicht-vokalisierende Lesen praktiziert hätten. 131 Die Liste der antiken Autoren, die eine Vielzahl von Büchern für die Abfassung ihrer Werke gelesen haben, ließe sich noch um eine große Anzahl vermehren. b) Die Quellen, die Balogh als positive Evidenz für seine These anführe, seien vor allem römisch bzw. aus der Spätantike; aus dem griechisch-sprachigen Bereich bringe er hingegen wenig Evidenz vor. Zudem reichte c) die Evidenz der angeführten Quellen nicht aus, eine generalisierende Schlussfolgerung im Sinne Baloghs abzuleiten, wie er anhand einer Einzelbesprechung der einzelnen Quelle deutlich macht. 132 Knox führt dann d) zahlreiche Belege an, die zeigen, dass man in der Antike nicht nur literarische Texte „leise“ lesen konnte, sondern dass vor allem nicht-literarische Texte „leise“ gelesen wurden. Der Übersicht halber seien die bisher diskutierten Quellen an dieser Stelle kurz aufgeführt: Knox verweist zunächst auf eine Szene in den Tusculanae disputationes, auf die 1931 schon W. P. Clark in einem kurzen Artikel aufmerksam gemacht hat: 133 Im Zusammenhang eines Diskurses über Taubheit wird hier festgestellt, dass das Lesen von Liedtexten (cantus) mit größerer Lust verbunden ist als das Hören derselben (deinde multo maiorem percipi posse legendis his quam audiendis voluptatem; Cic. Tusc. 5,116); „leises“ Lesen sei hier eindeutig vorauszusetzen. Knox betont, dass Caesar definitiv „leise“ lesen konnte und insb. Briefe „leise“ gelesen hat; 134 zudem dekonstruiert er den Versuch von Balogh, einzelne Stellen, an denen „leises“ Lesen explizit in den Quellen erwähnt wird, „wegzudiskutieren“ und sieht in ihnen umgekehrt Belege dafür, dass „leises“ Lesen durchaus praktiziert wurde: 135 Aus Suet. Aug. 39, wo dokumentiert ist, dass Augustus als Ehrmahnung Schreibtafeln in der Öffentlichkeit „leise“ lesen lies (quos taciti et ibidem statim legerent), lasse sich nicht schlussfolgern, dass es sich hier um eine Ausnahme des „leisen“ Lesens handle. 136 Bezüglich Hor. sat. 2,5,51-55; 66-69 wirft Knox Balogh zu Recht vor, dass er hier zwei Leseszenen in unzulässiger Weise vermische - an der ersten Stelle ginge es darum, dass ein Testament „leise“ mit den Augen gelesen wird, weil es unbemerkt geschehen muss; tacitus legere (2,5,68) an der zweiten Stelle meine nicht wörtlich das „leise“ 48 1 Einleitung 137 S. dazu u. Anm. 62, S. 230. 138 Vgl. zu diesen Quellen auch B U R F E I N D , Philippus, 139-141. 139 Vgl. S L U S S E R , Reading. Lesen, sondern sei zu verstehen im Sinne von by himself, in peace. Auch die Inschrift auf dem Apfel in der Geschichte von der Liebe des Akontios zu Kydippe (vgl. Aristain. 1,10,35-42), die Kydippe (bis auf das letzte Wort! ) „laut“ liest und damit schwört, Akontios zu heiraten, sei gerade kein Beleg dafür, dass man generell „laut“ gelesen habe - das „laute“ Lesen ist hier der Inszenierung geschuldet, also eine narrative Notwendigkeit, zudem wird Kydippe explizit zum Vorlesen aufgefordert (λέγε μοι, φιλτάτη, τί τὸ περίγραμμα τοῦτο Aristain. 1,10,35 f); dass sie dann das letzte Wort nicht vollständig stimmlich realisiert, belegt die Fähigkeit, Texte auch ohne stimmliche Realisierung verstehen zu können. 137 Vielmehr zeige gerade die Verarbeitung dieser Erzähltradition bei Ovid (vgl. insb. epist. 20,1-5; 21,1-5.109-114.145-155), dass die Kompetenz, Briefe „leise“ zu lesen (sine murmure legi, Ov. epist. 21,3), durchaus nicht ungewöhnlich war. Für methodisch höchst problematisch hält Knox zu Recht die Schlussfolgerung Baloghs, Plut. Brut. 5 belege, dass Briefe selbst in Versammlungen laut vorgelesen worden seien. Nichts in der Geschichte deutet darauf hin, dass es das „leise“ Lesen des kleinen Briefes (… τὸν μὲν ἀναγινώσκειν σιωπῇ) ist, den Caesar zugesteckt bekommt, was Cato in Aufruhr bringt. Plut. Cat. min. 24, wo die gleiche Szene ohne die Information des „leisen“ Lesens geschildert wird, zeige zudem, dass es sich um ein narrativ nicht entscheidendes Detail handle. Sodann führt Knox noch einige Beispiele aus attischen Dramen aus dem 5. u. 4. Jh. v. Chr. an, die eindeutig „leises“ Lesen implizieren: Eur. Hipp.856-890; Aristoph. Eq. 117-128 (s. u. S. 202); Antipanes, Sappho (fr. 194): Athen. deipn. 10,73 (451a/ b). 138 Daneben hat M. Slusser die Diskussion um eine weitere Quelle bereichert: Kyrill von Jerusalem spricht in seinen Katechesen von einer Gruppe Frauen, die bei ihrem Treffen (σύλλογος) „still“ lesen (ἢ ἀναγινώσκων ἡσυχῇ), weil sie ἐν ἐκκλησίᾳ nicht reden dürfen, wenn sich hingegen Männer treffen, liest der eine ein nützliches Buch (βιβλίον χρήσιμον) vor, während ein anderer zuhört (καὶ ὁ μέν τις ἀναγινωσκέτω, ὁ δέ τις ἀκουέτω; Kyr. Hier. Procatechesis 14). 139 Hier ist eindeutig belegt, dass „leises“ Lesen möglich war. Da es sich um eine normative Aussage handelt, ist es schwierig zu entscheiden, ob die Ausführungen zu den Männern die Regel darstellte oder ob die Normativität nicht dafür spricht, dass auch Gegenteiliges vorauszusetzen ist. Wie im Folgenden zu besprechen sein wird, gab es allerdings durchaus die soziale Erwartung, dass Texte in Gemeinschaft nicht „leise“ gelesen werden sollten, um die Partizipation aller zu gewährleisten. Insofern kann man vorsichtig vermuten, dass „leise“ Lektüre in Gemeinschaft mit einem spezifischen Bedürfnis, in diesem Fall spezifischen 49 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike 140 K N O X , Reading, 435. 141 R Ö S L E R , Entdeckung, 316, Anm. 92: „Nun wirkte zwar in der Antike die originäre Mündlichkeit pragmatischer wie poetischer Kommunikation insofern dauerhaft nach, als lautes Lesen immer gebräuchlich blieb […]; doch ist damit kaum, wie oft unterstellt wird, die alltägliche Praxis der Textaufnahme zumal bei einem geübten Leser erfaßt. […] [Es] scheint […] auch aufgrund sachlicher Erwägungen unvorstellbar, daß sich bei einiger Leseroutine nicht von selbst eine Tendenz hin zu stillem Lesen ergab: zunächst die Zwischenstufe der sogenannten Subvokalisation […], schließlich Lesen als rein visuell-mentaler Vorgang. Die natürlichen Vorzüge waren ja evident genug: variables, freilich auch absolut schnelleres Lesetempo […] bis hin zu selektivem Überfliegen […], lange zusammenhängende Lesedauer (die Vorstellung eines stundenlangen, sich gar über den ganzen Tag erstreckenden lauten Lesens mutet nahezu absurd an). Insofern ist es dann wohl kaum anachronistisch, sich zumal jenen kreativen, die Impulse der Fiktionalität produktiv nutzenden Leseakt, wie er im folgenden umrissen wird, auch in der Antike vornehmlich in stiller Lektüre realisiert zu denken“, [Herv.en JH]. 142 Vgl. G I L L I A R D , More. Gilliard, der den Forschungsstand seiner Zeit zusammenfasst und von der grundsätzlichen Fähigkeit antiker Leser, „leise“ lesen zu können auch unab‐ hängig von ihrer sozialen Herkunft, ausgeht, warnt angesichts des Quellenbefundes davor, „that the predominance of orality does not mean exclusivity, either in writing or in reading“ (G I L L I A R D , More, 690). 143 Vgl. G A V R I L O V , Techniques, 58, mit Verweis u. a. auf G R A Y , Teaching. Vorgaben, verknüpft war; das „laute“ Lesen hingegen den Zweck erfüllte, andere partizipieren zu lassen. Aber auch Knox bleibt am Ende seines Aufsatzes bei der quantifizierenden Feststellung: „Ancient books were normally read aloud, but there is nothing to show that silent reading of books was anything extraordinary exept the famous passage from Augustine’s Confessions“ 140 - eine Stelle, die im Forschungsdiskurs auch nach dem Aufsatz von Knox einen zentralen Kristallisationspunkt gebildet hat. Gegen den Forschungskonsens haben sich dann W. Rösler 141 und F. D. Gilliard mit Bezug auf das frühe Christentum, 142 aber vor allem A. K. Gavrilov gestellt. Letzterer hat eine bedenkenswerte Neuinterpretation der Leseszene in Augustins Confessiones vorgeschlagen. Diese Neuinterpretation stellt die Beweiskraft dieser Hauptbelegstelle für die communis opinio einer generellen „lauten“ Lesepraxis in der Antike infrage. Ausgehend von den Ergebnissen der psychologischen Leseforschung der 2. Hälfte des 20. Jh. stellt Gavrilov zunächst fest, dass das „leise“ Lesen in transkultureller Perspektive ein anthropologisches Phänomen ist, das durch die Kompetenz des jeweiligen Lesers und weniger durch das jeweilige Schriftsystem determiniert wird. 143 Gavrilov übernimmt aus der modernen Leseforschung für die Beschreibung antiker Lesetechniken die Unterscheidung von a) lautem (=vokalisierendem) Lesen, b) subvokalisierendem Lesen (Lippen-, Zungen- und Kehlkopfbewegung ohne Lauterzeugung und „leisem“ (nicht-vokalisierendem) Lesen, wobei nur letzteres als visuell-mentaler 50 1 Einleitung 144 Vgl. G A V R I L O V , Techniques, 58. S. zu den Unterscheidungen 1.5. 145 G A V R I L O V , Techniques, 59, mit Verweis auf L E V I N / A D D I S , Eye-Voice Span. Die Kategorie selbst ist schon viel länger in der Lesepsychologie etabliert. Vgl. z. B. B U S W E L L , Experi‐ mental. 146 S. zu den beiden genannten Quellen u. 4.2. 147 Vgl. G A V R I L O V , Techniques, 60 f, mit Verweis u. a. auf S O K O L O V , Speech, 211.263; G I B S O N / L E V I N , Psychology, 304 ff.389 f. 148 Vgl. G A V R I L O V , Techniques, 70-73. S. die Weiterführung dieser Liste unter 10.1. Prozess den Vorteil der schnelleren und diskontinuierlichen Lektüre habe. 144 Es sei falsch, diese Lesetypen als sich einander ausschließende Alternativen zu verstehen, vielmehr sei ein geübter Leser in der Lage, diese unterschiedlichen Typen je nach Bedarf zu variieren. Diesbezüglich rekurriert Gavrilov auf die in der experimentellen Lesepsychologie etablierten Kategorie der sog. eye-voice span (EVS), mit der die Lesekompetenz von Individuen in Bezug auf zusammen‐ hängende Texte beschrieben werden kann. Die EVS bestimmt den Abstand zwischen dem gerade lautlich realisierten Wort und der vorausliegenden Fixa‐ tion des Auges im Text. Sehr kompetente Leser können mit einer deutlich größeren eye-voice span lesen als weniger geübte Leser. 145 Lukian. adv. ind. 2 und Quint. inst. or. 1,1,33 f 146 zeigen, dass in der Antike das Phänomen ante nomen zumindest punktuell reflektiert wurde. Die EVS sei auch für das „leise“ Lesen relevant, da ein Zusammenhang zwischen einer Art inneren Stimme und den Fixationspunkten der Augen bestünde. Für das „leise“, schnellere Lesen (insb. von Texten geschrieben in scriptio continua) sei lediglich ein geübterer Leser mit einer größeren eye-voice span notwendig. 147 Statt einer ausführlichen Beweisführung seiner vor allem durch die moderne Leseforschung gewonnenen Sicht, nutzt er diese in heuristischer Sicht exem‐ plarisch zur Analyse des locus classicus bei Augustin - eine offene Flanke, die ihm im weiteren Forschungsdiskurs freilich angekreidet worden ist (s. u.), aber dem Format eines Aufsatzes geschuldet ist. Hingewiesen sei auf die sehr nützliche und entsprechend seiner Typologie von Lesepraktiken sortierte Zusammenstellung von Quellenverweisen, die Gavrilov als Appendix beifügt. 148 Gavrilov zeigt bei seiner ausführlichen Analyse der berühmten Beobach‐ tungen Augustins zur Lesepraxis des Ambrosius (Aug. Conf. 6,3; s. o.), dass der Text nicht als Beschreibung eines singulären Phänomens zu deuten sei und dass die gängige Schlussfolgerung, Augustin habe zum ersten Mal jemanden bei der „leisen“ Lektüre gesehen, methodisch problematisch ist. Der Bericht lasse sich kohärenter lesen und passe besser in den Kontext, wenn man annimmt, dass Augustinus weniger durch Ambrosius’ Lesetechnik irritiert worden wäre als vielmehr durch das Faktum, dass Ambrosius in seiner Anwesenheit daran festhalte und Augustinus sich als derjenige, der Belehrung sucht, exkludiert 51 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike 149 Vgl. zu dieser Interpretation von Aug. Conf. auch B U R F E I N D , Philippus, 139. 150 Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 218-220. 151 Vgl. G A V R I L O V , Techniques, 61-66. Vgl. ausführlich z. den St., zum weiteren Kontext und zur Bedeutung des Lesens für Augustinus insgesamt, insb. für seine Spiritualität und Theologie, die unübertroffene Studie S T O C K , Augustin. fühlt. 149 Unabhängig von Gavrilov bestätigt H. Krasser 150 diese Interpretation vor dem Hintergrund seiner Analyse der antiken Physiologie des Lesens und kommt zu dem Fazit, dass die Stelle im Kontext „intellektualer Rezeptionsformen“ in der Antike zu verstehen ist. Besonders deutlich wird die soziale Erwartung, dass ein Gelehrter bei Anwesenheit anderer diese in seine Lektüre einzubeziehen habe, an einer Stelle in den Noctes Atticae von Aulus Gellius. Dort nimmt der Ich-Erzähler das Buch eines Freundes in die Hand, zieht sich in die Verborgen‐ heit zurück, um es ohne (störende) Zeugen zu lesen: et recondo me penitus, ut sine arbitris legam (Gell. 14,6,2). Es wäre ein methodischer Fehlschluss, aus der Verwendung des Lexems arbiter abzuleiten, dass der Ich-Erzähler auch alleine laut gelesen hätte. Schon an dieser Stelle ist zu ergänzen, dass die Erwartung schon bei dem Komödiendichter Platon reflektiert wird (vgl. Athen. deipn. 1,8 [5b; Plato Comicus]; s. u. 3.7) und sich auch in rabbinischen Quellen findet (s. u. S. 378 f). Die Deutung Gavrilovs und Krassers passt insofern besser in den Kontext, als es Augustin in dem gesamten Abschnitt darum geht, zu erklären, warum er mit seinem Anliegen (u. a. zu forschen und zu disputieren) nicht zu Ambrosius vor‐ dringen könne, und als sie sich mit Augustinus Rechtfertigungsversuchen von Ambrosius’ Verhalten deckten: Ambrosius will Rückfragen von Anwesenden vermeiden, die ihn durch eine Diskussion von der Lektüre abhalten; er wolle sein Lesepensum schaffen; er will seine Stimme schonen. Die vermeintliche Singularität der „leisen“ Lektürepraxis wird sodann sogar im Rahmen des Gesamtwerkes der Confessiones relativiert, wozu Gavrilov auf zwei Stellen verweist: 151 1) Aug. Conf. 8,13-15 enthält eine Erzählung des Ponticianus über das Leben des ägyptischen Mönchs Antonius. Im Rahmen dieser Erzählung berichtet Ponticius exkursartig von einem Gartenspaziergang mit drei Freunden in Trier, bei dem sie in einer Hütte einen Kodex mit der Vita des Antonius gefunden haben. Einer der Begleiter von Ponticius habe darin zu lesen begonnen, wodurch ein Bekehrungser‐ lebnis ausgelöst worden sei; sein Lesen ist eindeutig als „leises“ Lesen markiert: „er heftete die Augen wieder auf die Seiten (reddidit oculos paginis); und er las und ward innerlich umgewandelt, da Du es sahst …“ (Aug. Conf. 8,15). Bevor Ponticius dies erzählt, hat er auf dem Spieltisch vor Alypius und Augustinus einen Kodex gefunden, 52 1 Einleitung 152 Vgl. Balogh, Konfessionen, 266, der allerdings hier - entsprechend seiner Vorannahmen - in diachroner Hinsicht das plötzliche Auftreten des „stummen“ Lesens konstatiert. 153 Zu den Lexemen, die den haptischen Umgang mit dem Medium bezeichnen, vgl. H O L T Z , mots, 110 f. 154 S. u. Anm. 37, S. 302. 155 G A V R I L O V , Techniques, 68. 156 G A V R I L O V , Techniques, 69. 157 Vgl. B U R N Y E A T , Letter; B U R N Y E A T , Postscript. den er geöffnet und darin den Apostel Paulus gefunden hat (tulit, aperuit, invenit apostolum Paulum [Aug. Conf. 8,14]). Die Formulierung quod eas et solas prae oculis meis litteras repente comperisset (Aug. Conf. 8,14) deutet auf „leises“ Lesen hin. 2) In der berühmten Gartenszene in Conf. 8,29 sagt Augustinus explizit, dass er den Kodex des Apostels öffnete und das Kapitel „leise“ las, 152 auf das seine Augen zuerst fielen (ibi enim posueram codicem apostoli, cum inde surrexeram. arripui, aperui, et legi in silentio capitulum, quo primum coniecti sunt oculi mei). 153 3) Neben diesen beiden Stellen kann man auch noch weitere aus den Confessiones anführen, die „leises“ Lesen implizieren. Vgl. Aug. Conf. 6,6 und das Motiv des „inneren Ohres“ (auris interior). 154 Anders als Knox geht Gavrilov in seiner Beurteilung des Befundes noch weiter und konstatiert in Opposition zur communis opinio: „[S]ilent reading was a quite ordinary practice for wide circles of the free population of classical Athens, and possibly for earlier periods too.“ 155 Die von Knox angeführten Quellen, seine Analyse des locus classicus bei Augustinus und die in seinem Appendix genannten Quellen zeigten: „first, the ordinariness of reading to oneself from the classical Greek to the late Roman periods, and second, the idea that such reading is more concentrated and quicker.“ 156 Diese Sicht wurde dann auch von F. M. Burnyeat übernommen, 157 der die Diskussion um einige weitere Quellen bereichert - u. a. mit dem Hinweis auf eine Stelle aus dem Werk des Mathematikers Ptolemaios (2. Jh. n. Chr.), der in Ptol. krit. 5,1 f eine generelle Aussage über die Praxis des „leisen“ Lesens (zumindest in Bezug auf ein Lesen mit Forschungsinteresse) macht. Die entscheidenden Sätze in der englischen Übersetzung von H U B Y und N E A L lauten: „… it tends to be in states of peace and quiet that we discover the objects of our inquiry, and why we keep quiet when engaged in the readings themselves [… ἔν τε ταῖς ἠρεμίαις καὶ ταῖς ἡσυχίαις μᾶλλον εὑρίσκομεν τὰ ζητούμενα καὶ κατὰ τὰς ἀναγνώσεις αὐτάς; scil. die Lektüren als Gegenstand der Forschungen] if we are concentrating hard on the texts before us. What talk is useful for, by contrast, is passing on the results of our inquiries to other people.“ 53 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike 158 Vgl. B A T T E Z Z A T O , Techniques, 10 f. 159 B U R F E I N D , Philippus, 144. 160 „Die dichtende Statue klagt, dass sie gezwungen wird, ihrem Herrn zuzuhören, wenn der bei ihr im Garten den Homer liest (rudis hic dominum totiens audire legentem cogor, Carm.Priap. 68,3 f), so dass sie nun die Vokabeln aus Homer auswendig kennt.“ (B U R F E I N D , Philippus, 144). 161 Verba leges digitis, verba notata mero (Ov. am. 1,14,20). 162 Vgl. B E N E D I K T S O N , Reader, mit zus. Verweis auf Ov. ars 1,571 f: „Leichte Schmeicheleien schreibe dünn mit Wein, dass auf dem Tische sie liest, deine Liebhaberin zu werden (blanditiasque leves tenui perscribere vino ut dominam in mensa se legat ilia tuam)“; s. auch Tib. elegiae 1,6,19 f. Außerdem weist er darauf hin, dass auch Stellen, an denen auf ein unbewusstes Lesen rekurriert wird, implizieren, dass diese Leser „leise“ gelesen haben müssen. Vgl. insb. Plot. enn. 1,4,10: „So braucht der Lesende kein Bewusstsein davon zu haben, dass er liest, namentlich dann, wenn er angespannt liest.“ (Üb. M ÜL L E R ; Οὐ γὰρ τὸν ἀναγινώσκοντα ἀνάγκη παρακολουθεῖν ὅτι ἀναγινώσκει καὶ τότε μάλιστα, ὅτε μετὰ τοῦ συντόνου ἀναγινώσκοι·); diese Stelle ist insofern aufschlussreich, als Plotinos hier ausgerechnet das Lesen als Beispiel für eine unbewusste Handlung heranzieht, zudem impliziert die Formulierung μετὰ τοῦ συντόνου eine hohe Intensität der ko‐ gnitiven Aufmerksamkeit, semantisch kann es auch den Aspekt von Geschwindigkeit enthalten; 158 vgl. außerdem Plut. soll. an. 3 (mor. 961a; s. u. S. 196 f); Aug. trin. 11,8,15 (s. u. Anm. 356, S. 197). Daneben vertritt auch C. Burfeind in einer Miszelle in der ZNW die These, dass einsame Leser in der Antike „für gewöhnlich leise und nicht gewohnheitsmäßig laut“ 159 lasen. Er führt zusätzlich zu den schon von Knox und Burnyeat diskutierten Quellen ins Feld, dass die Stellen, die vom „lauten“ Vorlesen handeln, keine Lesekultur des einsamen Lautlesers zeigten, sondern von einer Kultur des Vorlesens. Dies versucht er exemplarisch v. a. an Carm. Priap. 68,3 f 160 und Act 8,28-30 zu belegen. Beide Stellen seien so zu verstehen, dass sowohl der Kämmerer als auch der Herr der Priapenstatue nicht selbst laut lasen, sondern dass ihnen laut vorgelesen worden sei. Schon hier sei darauf hingewiesen, dass Burfeinds Interpretation von Act 8,28-30 unten kritisch zu diskutieren sein wird (s. u. 8.2.2). Darüber hinaus hat D. T. Benediktson auf einige Mahlszenen hingewiesen, bei der mit Liebesbotschaften „mit den Fingern, mit Wein notiert“ (vgl. Ov. am. 1,4,19 f) 161 ohne stimmliche Realisierung gelesen werden, 162 und damit die Quellenbasis der Diskussion etwas verbreitert. Trotz bedenkenswerter Argumente und einer breiten Quellenevidenz sind die Po‐ sitionen von Knox (es wurde nicht grundsätzlich nur „laut“ gelesen), aber vor allem von Rösler, Gavrilov, Burnyeat und Burfeind (der einsame Leser hat in der Regel 54 1 Einleitung 163 Paradigmatisch erscheint mir die Kritik der Arbeit von Knox durch Vertreter des SFB 321 „Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“. Statt sachlicher Auseinandersetzung ist deren Kritik durch pauschalisierende und polemische Zurückweisung gekennzeichnet, die wiederum zu erkennen gibt, dass man die Infragestel‐ lung der communis opinio als eine Gefahr für das eigene Forschungsprogramm verstanden hat. G. Vogt-Spira weist Knox’ Kritik an Balogh lediglich in einer Fußnote mit dem Hinweis zurück, dass sie „überzogen“ (V O G T -S P I R A , Vox, 295, Anm. 2) sei, und verweist auf die Ausführungen von E. Lefèvre in einem von ihm herausgegebenen Sammelband. Lefèvre wiederum, der Knox’ Artikel als polemischen Feldzug gegen Balogh versteht, versucht die Position von Knox allein dadurch zu entkräften, dass er in Form eines sehr selektiven Zugriffs die Stichhaltigkeit von Knox’ Interpretation von Cic. Tusc. 5,116 hinterfragt, über die man sicherlich diskutieren kann. Vgl. L E F È V R E , Literatur, 14  f. Der von ihm im direkten Kontext angeführte Quellenbeleg - die Metapher im Erechtheus von Euripides, „ich möchte die Stimme der Schreibtafel aufschlagen (δέλτων τ’ ἀναπτύσσοιμι γῆρυν)“ (TrGF, Fr. 363,6), sei „erst auf dem Hintergrund des lauten Lesens […] voll verständlich“ (L E F È V R E , Literatur, 14) - kann gerade nicht als Evidenz für die generelle Praxis des „lauten“ Lesens herangezogen werden, da sie keinesfalls impliziert, dass der Leser der Schreibtafel die Stimme der Schreibtafel mit der eigenen Stimme vokalisieren muss. Mit der gleichen Logik könnte man z. B. aus dem Namen der 1890 gegründeten sozialdemokratischen Tageszeitung „Volksstimme“ eine ähnliche Schlussfolgerung für das ausgehende 19. Jh. ziehen. 164 Vgl. schon R A I B L E , Raible, Entwicklung, 8: „Es ist klar, daß man vor allem solche Texte in Scriptio continua, die man schon gut kennt, auch leise lesen kann.“; vgl. aber v. a. D O R A N D I , Autographie, 80-82; J O H N S O N , Sociology, 618 f; J O H N S O N , Constructing, 328; J O H N S O N , Readers, passim. Im Vergleich zu seinen älteren Publikationen (vgl. z. B. J O H N S O N , Performance; J O H N S O N , Function) ist eine ausdifferenzierende Distanzierung zur communis opinio zu erkennen. Vgl. auch die hilfreiche Übersicht bei D I M A Z A , Silentium, und gegen die These, dass „in nicht-typographischen Gesellschaften grundsätzlich laut gelesen wurde“, B E R T I / H Aẞ / K R Ü G E R / O T T , Entziffern, 644. Sie konstatieren allerdings ebd. zu Recht: „Eine räumlich wie zeitlich weit ausgreifende Untersuchung der Modi lauten und leisen Lesens steht indes noch aus.“ 165 B U S C H , Lesen, 34. 166 B U S C H , Lesen, 34. „leise“ gelesen) Außenseiterposition geblieben. 163 Zwar zeichnet sich mittlerweile ab, dass die Extremposition, in der Antike habe man grundsätzlich „laut“ gelesen, von der sich Knox und die anderen distanziert haben, in einigen Publikationen ebenfalls kritisch gesehen wird. 164 Aber vor allem die Pendelbewegung in das andere Extrem, in der Antike habe der einsame Leser prinzipiell „leise“ gelesen, hat großen Widerstand ausgelöst. So hat S. Busch in einem 2002 veröffentlichen Artikel auf einer Durchsicht der bekannten und einiger, der Diskussion neu hinzugefügten Quellen ausführlich zu zeigen versucht, dass „[d]as laute Lesen […] der Antike als Normalfall gegolten“ 165 hat, wobei „in der Antike jeder Leser grundsätzlich in der Lage [war], beim Lesen das Sprechen zu unterdrücken.“ 166 Szenen des „leisen“ Lesens seien aber immer eine situationsgebundene und aus einer spezifischen Notwendigkeit 55 1.2 Die lange Debatte um die Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen in der Antike 167 Vgl. B U S C H , Lesen, 34-40. Ähnlich auch die Argumentation bei V A L E T T E -C A G N A C , lecture, 29-71. 168 So zitiert auch B U S C H , Lesen, 34, im Schlussteil seines Artikels die wesentlichen Schluss‐ folgerungen aus Baloghs berühmtem Artikel (s. o.). Vgl. ferner exempl. P A R K E S , Pause, 1.9; B L A N C K , Buch, 71 f; U S E N E R , Isokrates, 74 (mit Verweis auf den Unterschied zwischen Vorlesen und subvokalisierendem individuellen Lesen). 169 Dies erfolgt aber dann meist ohne konkreten statistischen Beleg. So behauptet z. B. B U S C H , Lesen, 13, dass die Fälle, in denen das griechische „Normalwort für ‚lesen‘ ἀναγιγνώσκειν […] durch Adverbien wie ἡσυχῇ und σιωπῇ […] [spezifiziert würden,] freilich abermals rar“ seien. Das mag zwar stimmen - eine kurze Suche in der TLG bringt allerdings schon ein paar Treffer (vgl. eindrücklich v. a. Lukian. philops. 31) - angesichts der großen Anzahl griechischer Lesetermini, -metonymien und -metaphern (s. u. 3) erscheint die statistische Ausgangsbasis allerdings wenig valide. Zudem basiert die Argumentation zuletzt auf einem Zirkelschluss, da Busch a priori davon ausgeht, dass alle anderen Stellen, an denen ἀναγιγνώσκω vorkommt, die „laute“ Lektüre meint, da man es ja sonst nicht markieren müsste. Zu seiner Argumentation bezüglich des Verbes legere s. unten mehr (s. u. 3.3). 170 Vgl. z. B. R A I B L E , Raible, Entwicklung, 8 f; B U S C H , Lesen, passim. erwachsene Abweichung vom Regelfall. 167 Es bleibt festzuhalten, dass sich an der communis opinio, das „laute“ Lesen wäre in der Antike der Normalfall, das „leise“ Lesen die markierte Ausnahme gewesen, eigentlich nichts geändert hat. 168 An der Argumentation von Busch lassen sich im Folgenden anschaulich die methodischen Grundprobleme der Debatte um das „laute“ und „leise“ Lesen aufzeigen. 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung Das Hauptproblem der skizzierten Debatte um das „laute“ und „leise“ Lesen ist das dahinterliegende Erkenntnisinteresse, den Normalmodus der antiken Lesepraxis zu rekonstruieren. Methodisch ist die Debatte maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass diejenigen, die für den „Normalmodus“ der „lauten“, voka‐ lisierenden Lektüre plädieren, die Quellen, in denen „leise“ Lektüre bezeugt ist, als quantitativ nicht relevante Ausnahme 169 bzw. als bewusst markierte Sonder‐ fälle 170 interpretieren und die „Vielzahl“ der Belege für das „laute“, vokalisierende lesen demgegenüber quantifizierend gegenüberstellen, um ihre Position zu bekräftigen. Die Minderheitenposition versucht hingegen, die Belege für das vokalisierende Lesen kontextuell zu erklären und ihrerseits quantifizierend zu zeigen, dass insbesondere nicht-literarische Texte im Normalfall „leise“, nicht-vokalisierend gelesen wurden. Von Seiten der Mehrheitsposition wird diesem Verfahren dann wiederum vorgeworfen, Einzelfälle in unzulässiger 56 1 Einleitung 171 Vgl. z. B. B U S C H , Lesen, 6.22. 172 Vgl. M C C U T C H E O N , Silent, 14, der darauf hinweist, dass nicht nur „leises“ Lesen selten bezeugt sei, sondern auch „lautes“ Lesen in den Quellen nicht häufig explizit vorkommt. 173 Vgl. dazu die klugen Beobachtungen zu den methodischen Absurditäten der Debatte bei M C C U T C H E O N , Silent, 13 f. 174 B U S C H , Lesen, 9, Anm. 19. 175 B U S C H , Lesen, 9. Weise zu verallgemeinern. 171 Diesen Vorwurf kann man der Mehrheitsposition hingegen auch machen. 172 Aus methodologischer Sicht ist der zugrundeliegende Ansatz zu hinterfragen, auf der Basis quantifizierender Quellenauswertungen (Welcher Lesemodus ist häufiger belegt? ) eine Antwort auf die Frage zu erhalten. 173 Auch wenn mehr Leseszenen der vokalisierenden Lektüre überliefert sind - was m. E. überhaupt nicht sicher ist -, so kann daraus noch lange kein „Normalfall“ rekonstruiert werden, da z. B. ein Übergewicht von Quellen, die das soziale Phänomen „Vorlesen“ thematisieren, aus Gründen des Darstellungsinteresses erwartbar ist. Hinzu kommt, dass zahlreiche der von der Mehrheitsposition angeführten, vermeintlich sicheren Belege für den Normalmodus des „lauten“ Lesens im Hinblick auf ihren Quellenwert für die gestellte Forschungsfrage kritisch diskutiert werden können, wie nicht zuletzt die Diskussion um den locus classicus bei Augustinus und die Diskussion der von J. Balogh angeführten Quellen durch B. M. Knox (s. o.) schon gezeigt haben. Aber auch aus Quint. inst. or. 10,3,28 kann nicht geschlossen werden, dass die „nächtliche einsame Lektüre laut gedacht“ 174 wird. Zunächst erscheint es mir unsicher, ob sich Quintilians Ausführungen in 10,3,28 überhaupt noch auf das das Thema Nachtarbeit (lucubrationes; vgl. Quint. inst. or. 10,3,25-27) oder nicht viel eher auf das Thema Ablenkung beim Arbeiten allgemein beziehen. Gegen ersteres spricht die Formulierung deplorandus dies, für letzteres sprechen Quintilians Ausführungen in 10,3,29 f, die sich nahtlos anschließen und das Arbeiten bei Tag thematisieren. Zudem ist in 10,3,28 von Lektüre überhaupt nicht die Rede: Die Formulierung „was uns vor die Augen und Ohren kommt“ ist nicht auf eine vermeintliche Lektüretätigkeit bezogen, bei der das „laut“ Gelesene mit den Augen und Ohren rezipiert würde, wie Busch die Stelle missversteht. Vielmehr meint es im Satzzusammenhang das, was einen potentiell ablenken könnte, bei konzentrierter Arbeit jedoch gerade nicht ins Innere gelangt und bei der Arbeit stört: „wenn man sich mit voller geistiger Kraft nur auf die Aufgabe konzentriert, wird nichts von dem, was uns vor die Augen oder Ohren kommt (quae oculis vel auribus incursant), in unser Inneres gelangen“ (10,3,28; Üb. R A H N ). Auch ergibt es sich m. E. keinesfalls „zwingend aus dem Zusammenhang“, 175 dass Cicero in Cic. fam. 9,20,3 bei seinen Lese- 57 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 176 Freilich kann man den Beleg auch nicht für „leises“ Lesen anführen. Gegen G A V R I L O V , Techniques, 70. 177 Vgl. B U S C H , Lesen, 28; auch S E I B E R T , Exilwelt, 20, Anm. 38. 178 Eindeutig vokalisierende Lektüre ist in Ov. ars 3,340-346 vorausgesetzt, wobei hier aller‐ dings an das Rezititieren vor der Geliebten gedacht sein dürfte. 179 Vgl. B U S C H , Lesen, 28.30 f. 180 B U S C H , Lesen, 28. 181 B U S C H , Lesen, 28. und Schreibstudien nach der Morgensalutatio generell „laut“ lese und schreibe. 176 So ist es hier weder syntaktisch noch inhaltlich eindeutig, ob diejenigen, die zum Zuhören kommen (ueniunt etiam qui me audiunt quasi doctum hominem quia paulo sum quam ipsi doctior), ihm bei seinen Morgenstudien „zuhören“ oder ob sich dieser Satz vielleicht auch auf ein leicht modifiziertes Programm nach der Morgensalutatio bezieht, bei dem Cicero sich als Intellektueller inszeniert, falls Leute anwesend sind. Aus dem Hinweis Ovids (Pont. 3,5,7-14), er habe eine Rede seines Freundes Cotta „viele Stunden hindurch mit eilender Zunge gelesen (lingua mihi sunt properante per hora lecta satis multas)“, geht gerade nicht hervor, dass er eindeutig „laut“ gelesen habe, wie Busch schlussfolgert. 177 Vielmehr kann diese Stelle ebenso gut, wegen des Hinweises auf die Schnelligkeit sogar wahrscheinlicher, auf subvokalisierendes Lesen hindeuten. Theoretisch kann auch die Formulierung „ich werde im Mund des Volkes gelesen“ (ore legar populi, Ov. met. 15,878) subvokalisierende Lektüre meinen, wobei allerdings das „laute“ Lesen aus ästhetischen Gründen ebenso denkar wäre. 178 Auch wenn Horaz von Gedichten spricht, „die die Augen und Ohren (oculos aurisque) des Kaisers fesseln könnten“ (Hor. ep. 1,13,17 f), können damit ebenso zwei Rezeptionsmodi - das selbständige Lesen und das Hören der Lektüre durch einen Vorleser - gemeint sein; auch ein Verweis auf das innere Ohr ist denkbar, aber weniger wahrscheinlich (s. dazu u. mehr). Gleiches gilt für Ov. Pont. 4,5,1 f. Interessant sind Buschs Verweise auf die fingierten Gespräche zwischen dem Toten und dem antizipierten Leser der Inschrift sowie das Motiv des Leihens der Stimme, das sich zuweilen auf Grabinschriften findet. 179 Dass diese Grabsprüche nur ‚funktionierten‘, „wenn laut gelesen wird“ 180 bzw. dass sie „geradezu mit dem Brauch des lauten Lesens“ 181 spielten, ist jedoch aus dem Befund nicht zwingend zu schließen. Vielmehr scheint mir dieses Gestaltungscharakteristikum von antiken Grabinschriften ein Topos zu sein, der mehr über den Verstorbenen als über die antike Kultur des Lesens sagt. Die Vorstellung, dass die Menschen angesichts der Vielzahl der Inschriften, mit denen sie alltäglich konfrontiert waren, diese laut gelesen haben, mutet schon ein wenig absurd an und steht in einer Spannung zur weiten Verbreitung der Rezeption von Inschriften mit dem Lesekonzept der visuellen Wahrnehmung (s. u. 3.8). Moderne Werbeplakate sind im Übrigen auch häufig als Dialog mit der antizipierten Zielgruppe gestaltet; und aus dem Topos des Stimme-Leihens spricht die Hoffnung des Verstorbenen auf eine aktive Erinnerung bzw. auf eine posthume Bedeutung im Diesseits. 58 1 Einleitung 182 Vgl. B U S C H , Lesen, 15-19. Dieses Paradigma findet sich auch in exegetischer Fachlite‐ ratur. Vgl. z. B. H E A R O N , Mapping, 58. 183 Intensiv untersucht z. B. im Freiburger SFB 321 „Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“. 184 Auch gegen V O G T -S P I R A , Vox, 295, der in Quint. inst. or. 1,1,34 eine allgemeine Definition des „lauten“ Lesens sieht, m. E. aber geleitet durch die communis opinio die Frage nach einer Differenzierung zwischen Vorlesen und dem individuellem Lesen, die zumindest in analytischer Hinsicht zunächst geboten wäre, unterlässt. Auch gegen C H R I S T E S , Elemente, der einen Zusammenhang von konzeptioneller Mündlichkeit bei Tacitus und dem „lauten“ Vorlesen herstellt; sowie gegen die unzulässigen Pauschalur‐ teile bei E R R E N , Lesen. Vgl. zu dem hier besprochenen Problem meine Ausführung unten zu den Lesetermini unter 3.3. Zudem sind einige weitere Vorannahmen zu nennen, die der Mehrheitsposition zugrunde liegen und zum Teil thetisch gegen die Minderheitenposition in Stellung gebracht werden, aber aus meiner Sicht eben keine sichere methodische Grundlage dafür liefern, um die Frage nach einem „Normalmodus“ des Lesens in der Antike zu beantworten. Dies ist im Folgenden exemplarisch für viele am Beitrag von Busch in gebotener Kürze zu verdeutlichen, um auf dieser Grundlage dann den neuen Ansatz und die Fragestellung der vorliegenden Studie herauszuarbeiten. 1.3.1 Geschriebenes als Abbild des Gesprochenen? In der Antike sei das Geschriebene generell als Abbild des Gesprochenen verstanden worden. Schreiben sei der Prozess, bei dem das Gesprochene festgehalten, also aufgezeichnet würde, beim Lesen würde das gespeicherte Gesprochene wieder hörbar gemacht. 182 So richtig es ist, dass man aus der Antike zahlreiche Quellen findet, in der Geschriebenes in verschiedensten Formen mit einer engen Relation zur Stimme, zum Gesprochenen gestellt wird, 183 eine generalisierende Schlussfolgerung zum „lauten“ oder „leisen“ Lektüremodus lässt sich daraus aber gerade nicht sicher ziehen. Die Quellen, die Busch heranzieht, um zu zeigen, dass legere generell das Wieder-Hör‐ barmachen des Gesprochenen, also die Re-realisierung von Klang meint, bzw. die Verknüpfung von Lesen und der richtigen Aussprache, stammen aus rhetorischen Lehrbüchern (Quint. inst. or. 1,7,24-35 u. ö.; Cic. orat. 44,150) und beziehen sich auf das Vorlesen, das freilich mit der vokalen Re-Oralisierung des Textes verknüpft ist. Eine allgemeine Lesedefinition wird damit jedoch nicht gegeben. 184 Denn prinzipiell erscheint auch bei einer individuellen, „leisen“ Lektüre ein solches „Wieder-Hörbarmachen“ der durch die Schrift repräsentierte mensch‐ 59 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 185 Vgl. dazu M A A S , Schrift; H E N N I G F E L D , Geschichte; S C H L I E B E N -L A N G E , Geschichte, 104- 107; ausführlich zu Arist. int. 1 [16a3-18] N O R I E G A -O L M O S , Psychology. 186 S. dazu weiterführend W I L L E , Akroasis, 1101-1111. Zum Vorrang des Sehens gegenüber dem Hören s. außerdem die Quellen bei M A Y R , Art. Hören, passim. 187 Vgl. B U S C H , Lesen, 19-21. liche Stimme (Quint. inst. or. 1,7,30 f als locus classicus) denkbar - dann aber im Kopf des Lesers. Dass diese Möglichkeit überhaupt nicht bedacht wird, führt dazu, dass man auch nicht nach den entsprechenden Quellenbelegen sucht. Eine feste Interdependenz zwischen dem, was Schrift aus der Sicht antiker Sprachphilosophie repräsentierte, und einem Normalmodus des Lesens sollte man in jedem Fall nicht a priori postulieren. Zudem müsste man weiter fragen, ob Schrift (insbesondere in Texten) in der Vorstellung der antiken Menschen ausschließlich Gesprochenes repräsentierte oder ob das Repräsentationsver‐ ständnis nicht doch mehrdimensionaler war. Hinzuweisen ist diesbezüglich auf die differenzierte und durchaus kontrovers diskutierte Schriftauffassung in der Antike. Kristallisationspunkt der Debatte ist die Frage, ob das Schriftverständnis von Aristoteles (vgl. insb. Aristot. int. 1 [16a3-18]) phonographisch zu verstehen oder semiotisch konzeptualisiert ist bzw. ob er die Schrift der Stimme hierar‐ chisch unterordnet oder gleichwertig zugeordnet. 185 Zudem ist Folgendes zu bedenken: Der Seh- und Hörsinn war für die griechische Kultur gleichermaßen wichtig, wobei jedoch dem Sehen in der philosophischen Diskussion grosso modo ein leichter (erkenntnistheoretischer) Vorzug zugebilligt wird. 186 Daher sollte gerade die Frage nach dem Zusammen‐ hang zwischen Lesen und Sehen unbedingt bei der Erforschung des Lesens in der Antike berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich als erste Teilfrage für die vorliegende Studie, welche Rolle Verben der visuellen Wahrnehmung für die Beschreibung von Lesen in den Quellen hatte. 1.3.2 Die Frage nach dem Zusammenhang von Schriftsystem und Lesepraxis Eng verbunden mit der These, dass Geschriebenes in der Antike Gesprochenes repräsentiere, wird sodann postuliert, dass die ohne Worttrennungen und Satz‐ zeichen geschriebenen antiken Texte (scriptio continua) wegen der erschwerten visuellen Dekodierung für die „laute“ Lektüre vorgesehen waren; also auch das Schriftsystem den „Normalmodus“ des lauten Lesens belegte. 187 Hier besteht die methodische Gefahr, die Schwierigkeiten bzw. visuellen Dekodierungsherausforderungen, die ein moderner Leser mit dem Lesen von lateinischen und griechischen Texten (also nicht seiner Muttersprache) in scriptio continua 60 1 Einleitung 188 Davor warnt auch T H O M A S , Literacy, 93. 189 Ein besonders eindrückliches Beispiel bietet H. Y. Gamble, der in einem englischen Text zu Anschauungszwecken die Wortzwischenräume entfernt hat und dies folgen‐ dermaßen kommentiert: „If a familiar text is surprisingly difficult, an unfamiliar one would present a far greater challenge. The relentless march of characters across the lines and down the columns required the reader to deconstruct the text into its discrete verbal and syntactical components. The best way to decipher a text written in this way was phonetic: sounding the syllables as they were seen and organizing them as much by hearing as by sight into a pattern of meaning.“ (G A M B L E , Books, 203 f). Diese Form von Scheinevidenzerzeugung und rein thetischer Argumentation, die ohne Anhaltspunkte in den Quellen auskommt, ist methodisch fragwürdig. Ähnlich argumentieren E R R E N , Lesen, 117 f; S M A L L , Wax Tablets, 17 f; S H I N E R , Proclaiming, 12 f. 190 Vgl. dazu die Kritik an P. Saengers Sicht auf die Antike bei B A T T E Z Z A T O , Techniques, 5 f. 191 Vgl. B U S C H , Lesen, 22-28. 192 Diese Schlussfolgerung findet sich zwar nicht bei Busch, der von einer weit verbreiteten basalen Lesefähigkeit ausgeht, gerade in Forschungsbeiträgen, die sich der sog. Performanz‐ kritik zuordnen, ist dieser Begründungszusammenhang jedoch häufig zu finden (s. o. 1.1.2; s. außerdem Anm. 41, S. 29). hat, in die antiken Leser hineinzuprojizieren, 188 wie es in der Forschungsli‐ teratur zum Teil sogar explizit getan wird. 189 So sind die modernen Leser kulturell mit Worttrennungen aufgewachsen und haben die Leseweise mit Worttrennungen habitualisiert; für einen modernen Leser ist es nicht möglich, den Lesesozialisationsprozess eines antiken Lesers, der von Beginn an mit in scriptio continua geschriebenen Texten aufgewachsen ist, nachzuempfinden, geschweige denn aufzuholen. Zudem basiert die These - insbesondere in der Ausformulierung P. Saengers - auf zahlreichen unzulässigen Generalisierungen und übergeht sowohl wichtige handschriftliche Evidenz als auch den Charakter vieler Publikationen aus der Antike - insbesondere großer wissenschaftlicher Nachschlagewerke oder anderer sehr umfangreicher Werke, die einen anderen Rezeptionsmodus voraussetzten. 190 Diese forschungsgeschichtliche Ausgangs‐ lage macht es notwendig, im Rahmen dieser Studie den Zusammenhang zwi‐ schen Schriftsystem und Lesepraktiken erneut zu untersuchen (s. u. 4). 1.3.3 Die Frage nach der Literalität antiker Gesellschaften Der Normalmodus der lauten Lektüre wird damit in Verbindung gebracht, dass in der Antike von einem eher geringen Grad an Literalität auszugehen sei. Einerseits seien viele Leser auf einer nur relativ vokalisierenden Lektüre anzusiedeln, für die das Lesen von scriptio continua erst recht erschwert gewesen sein müsse; 191 vor allem aber hätten viele Menschen in der Antike überhaupt nicht lesen können und waren darauf angewiesen, dass jemand ihnen vorliest. 192 Daraus leitet sich dann auch die oben besprochene These ab, dass Texte im frühen Christentum 61 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 193 So auch zu Recht K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 7. 194 So auch das Urteil von H U R T A D O , Oral Fixation, 331. 195 Vgl. dazu K E I T H , Literacy; und den Überblick H E I L , Analphabet, insb. 276-282. 196 Vgl. H E I L , Analphabet, 286-289 (Lit.). 197 Diesbezüglich ist anzumerken, dass sowohl im LkEv als auch im JohEv der Hinweis auf den handwerklichen Beruf Jesu bzw. seines Vaters (τέκτων; vgl. Mk 6,3; Mt 13,55) fehlt. 198 Vgl. S C H N E L L E , Bildung, 117, Anm. 16, mit Verweis auf H A T C H , Griechentum, 25-35; M A R R O U , History. An den interessanten Studien von E. Best (B E S T , Attitudes; B E S T , Soldier; B E S T , Readers; B E S T , Cicero), wird deutlich, dass die Diskussion um einen sehr geringen Literalitätsgrad in der Antike schon älter ist. 199 So K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 7, Anm. 11. in der „gottesdienstlichen“ Versammlung vorgelesen werden mussten. Die Frage nach dem Grad der Literalität in antiken Gesellschaften für die Frage nach einem Normalmodus des Lesens ins Feld zu führen, ist m. E. in methodischer Hinsicht mit Schwierigkeiten verbunden, die insbesondere in der Diskussion um zahlenmäßige Quantifizierungen der Lesefähigkeit in der antiken Welt deutlich wird, die zuletzt in eine Aporie führt. 193 Die mit Sicherheit einflussreichste Studie ist in dieser Hinsicht die 1989 erschienene Monographie „Ancient Literacy“ von W. V. Harris, dessen Ergebnis v. a. in weiten Teilen der anglophonen Forschung zu Oralität und der Frage nach dem Lesen usw. als sicheres Wissen (häufig deutlich weniger differenziert als Harris das Ergebnis selbst darstellt) rezipiert wird. 194 Die Studie von Harris spielt auch eine wichtige Rolle im Rahmen der immer noch breit geführten Diskussion um die Frage nach der Lese- und Schreibfähigkeit des historischen Jesus; und zwar bildet die von Harris geprägte Sicht das entscheidende Argument für die Vertreterinnen und Vertreter, die die Lese- und Schreibfähigkeit des historischen Jesus anzweifeln. 195 Als weitere Argumente wird auf den redaktionellen Charakter des lesenden Jesus in Lk 4,16 und des schreibenden Jesus in Joh 8,6.8 verwiesen. 196 Diese beiden Stellen haben tatsächlich keinen Quellenwert für die Frage nach dem historischen Jesus, zeigen aber, dass das Bild eines lesenden und schreibenden Juden aus Galiläa zumindest für die intendierten Rezipienten des Lukasevangeliums bzw. der pericope adulterae eine gewissen Plausibilität gehabt haben muss. 197 Während einige ältere Studien noch zuversichtlicher bezüglich der Lesefähig‐ keit der Menschen in der griechisch-römischen Welt waren, 198 zeichnet Harris ein pessimistisches Bild. Er kommt auf der Grundlage einer materialreichen Untersuchung, die aber als ausgesprochen restriktiv zu charakterisieren ist, 199 zu der abschließenden Schätzung, dass in klassischer Zeit (d. h. für den Unter‐ suchungszeitraum irrelevant) in Athen 15 % der männlichen Bevölkerung und 5 % der Bevölkerung insgesamt lesen konnten. Für Städte wie Teos kommt er 62 1 Einleitung 200 Vgl. H A R R I S , Literacy, 327-330. 201 Insgesamt geht er für die Prinzipatszeit von einer Illiteralitätsrate von über 90 % aus. Bezüglich der Stadt Rom und Italien formuliert er: „All this evidence might lead us to conclude that the level of male literacy was well below the 20-30% range which prevailed in, say, England of the period 1580-1700. And the evidence we have so far encountered about Roman women suggests that their literacy was below, perhaps far below, 10%“ (H A R R I S , Literacy, 259). Bezüglich der westlichen Provinzen konstatiert er eine Literalitätsrate von 5-10%. Vgl. H A R R I S , Literacy, 272. 202 H A R R I S , Literacy, 330. 203 H A R R I S , Literacy, 330. 204 H A R R I S , Literacy, passim. 205 So auch das Urteil bei S E E L I G E R , Litteratulus, 298; H I L T O N , Illiterate Apostles, 15-17, der trotz seiner Vorbehalte an Harris’ Methodologie dessen grundsätzlich pessimistischen Einschätzung des Literalitätsgrades in der griechisch-römischen Welt zustimmt. Harris selbst ist dies freilich bewusst: „it is it is only with the aid of comparative statistics drawn from other better-known cultures that it is possible to reason quantitatively about ancient literacy. They can start with nineteenth-century Italy and Russia.“ (H A R R I S , Muddles, 728). Das hiermit verbundene methodische Problem der Übertragbarkeit von Daten aus dem 19. Jh. und 20. Jh. in die antike Mittelmeerwelt (vgl. H A R R I S , Literarcy, 22-24) ist allerdings nicht zu unterschätzen. jedoch in hellenistischer Zeit zu einer Schätzung von 30-40% Lesefähigen unter den freien Männern, deren Fundament im Bildungssystem allerdings s. E. im 1. Jh. v. Chr. durch die Ägäische Krise weggebrochen und auch in römischer Zeit nicht wieder aufgebaut worden wäre. 200 Hier wird deutlich, dass seine Kartierung der antiken Literalität zuweilen von einen Geschichtsverständnis geleitet ist, das sich an einem Verfallsmodell orientiert. Für das Römische Reich selbst nennt Harris ebenfalls einige Schätzzahlen 201 und fasst zusammen, dass in Städten eine höhere Lesefähigkeit vorauszusetzen und von einer regionalen Variation auszugehen sei. Für die griechische Welt des Römischen Reiches müsse man davon ausgehen, dass außer „a man of property […] or a man with any claim to distinction in city life“ 202 , die sicher Lese- und Schreibfähigkeiten besessen haben, die Masse der Bevölkerung illiterat gewesen sei oder lediglich eine Grundschulausbildung gehabt hätten. „There are hints in the evidence that literacy was limited, at best, among artisans. Small farmers and the poor will generally have been illiterate.“ 203 Es ist hervorzuheben, alle quantitativen Schätzungen bleiben hochgradig hypothetisch; aus der Quellenlage (insbesondere bezüglich der „Bildungsinsti‐ tutionen“) lassen sich m. E. keine großflächigen quantitativen und statistisch validen Daten ableiten. So gibt es zwar zahlreiche Quellen, die Illiteralität für spezifische Personen belegen. 204 Angesichts der Verstreutheit des Befundes, lassen diese aber keine quantifizierbaren Schlussfolgerungen zu, 205 sondern sie zeigen, dass es Illiteralität in der Antike gab und dass diese sich über 63 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 206 Vgl. dazu weiterführend die Beiträge in B E A R D / B O W M A N / C O R B I E R / C O R N E L L / et. al, Lite‐ racy; aber v. a. T H O M A S , Writing; W O O L F , Literacy; v. a. auch W O O L F , Illiteracy? . 207 Vgl. Y O U T I E , ΑΓΡΑΜΜΑΤΟΣ, 161-163, mit sehr aussagekräftigen Belegen; C L A R K , Lector. Dazu weiterführend K R A U S , (Il)literacy, 330-332. Dies trifft vielleicht auch für Bischof Theodorus aus Gadara zu, der in einer Unterschriftenliste des Konzils von Ephesus im Jahr 431 n. Chr. als ἀγράμματος bezeichnet wird (vgl. M A R K S C H I E S , Manusc‐ ripts, 199 f). Er war womöglich nur in seiner semitischen Muttersprache literarisiert und daher auf Hilfe eines Erzdiakons bei der Unterschrift angewiesen. Möglichweise meint das Wort auch in manchen Fällen, dass jemand ein bestimmtes Schwierigkeitsniveau von Texten nicht verstehen kann (also nicht auf dem Niveau eines γραμματεύς liest bzw. aus der Perspektive kultureller Eliten ungebildet ist). Dies müsste freilich im Einzelnen im jeweiligen Kontext begründet werden. S. z. B. die Charakterisierung einer Stadt als ἀγράμματος in Plut. Adv. col. 31 (mor. 1125e); auch die Formulierung in Plut. Adv. Col. 26 (mor. 1121 f) könnte in diese Richtung deuten. Wenn man Ps.-Lukian. Halcyon 7 so versteht, dass „es ist für die Illiteraten unmöglich, in gelehrter Weise vorzulesen“ (ἀναγνῶναι ἢ γράψαι τοῖς ἀγραμμάτοις γραμματικὸν τρόπον ἀδυνατώτερόν ἐστιν), dann ist impliziert, dass sie trotzdem lesen können, nur eben nicht γραμματικὸν τρόπον. S. dazu u. Anm. 234, S. 69. 208 Vgl. weiterführend K R A U S , Uneducated, der auf S. 440-442 u. a. genau darauf hinweist. In diesem Zusammenhang ist außerdem erwähnenswert, dass ein ἰδιώτης durchaus als Leser angesprochen werden konnte. Vgl. Gal. san. tuend. ed. K Ü H N 6, p. 449. 209 G E M E I N H A R D T , Christentum, 7. Zum „Ideal des litteratus als soziales Regulativ“ vgl. ebd., 57-61. verschiedene Bevölkerungsgruppen erstreckte. Zudem muss man auch in der Antike verschiedene Level von Lesefähigkeit differenzieren und in Rechnung stellen, dass Lesekompetenz immer in Relation zum Schwierigkeitsgrad von Texten zu bestimmen ist. 206 Dies muss auch für die quellensprachliche Ebene in Rechnung gestellt werden. z. B. muss die Charakterisierung ἀγράμματος nicht immer eine vollständige Illiteralität meinen. So ist es sicher bezeugt, dass das Adjektiv in dokumentarischen Papyri aus Ägypten meint, dass jemand des Griechischen nicht mächtig ist, aber sehr wohl der ägyptischen Sprache. 207 Dies bedeutet im Hinblick auf Act 4,13, dass hier vermutlich auch nur die fehlende griechische Bildung der erzählten Figuren Petrus und Johannes im Blick ist, sich die Leserinnen und Leser aber vorstellen konnten, dass diese ihre Muttersprache auch in der Schrift beherrschten. 208 Laut P. Gemeinhardt liegt gerade darin die Pointe: „Wenn in Apg 4,13 Petrus und Johannes mit ihrer freimütigen Rede (παρρησία) deshalb Eindruck machen, gerade weil sie als ἄνθρωποι ἀγράμματοί εἰσιν καὶ ἰδιῶται gelten, bedeutet das nach antikem Verständnis nicht, dass sie Analphabeten waren […], sondern dass sie nach den Maßstäben […] keine Inhaber von παιδεία waren - und deshalb gar nicht zu kunstgerechter und wirkmächtiger öffentlicher Rede befähigt sein dürften! “ 209 64 1 Einleitung 210 Vgl. z. B. die Ausführungen bei M I L L A R D , Reading, 154 ff; M A R C O N E , Forme. Vgl. au‐ ßerdem weiterführend die Außeinandersetzung mit der neueren Literatur in H A R R I S , Epigraphy II; H A R R I S , Ancient Life. 211 Vgl. B O W M A N , Roman. Vgl. zur Provinz Britannia außerdem H A N S O N / C O N O L L Y , Language, mit dem wichtigen methodischen Einwand gegen Harris: „absence of evidence is not evidence of absence.“ (153) 212 Vgl. T O M L I N , Voices; T O M L I N , Literacy. 213 Vgl. S P E I D E L , Soldiers (s. dort auch die weiteren Verweise auf die Forschung). 214 Vgl. S C H M I D T H H E I D E N R E I C H , Soldats. 215 Vgl. F R A N K L I N , Literacy; C O U R R I E R / D E D I E U , Écrire; M I L N O R , Literary; ausführlich zu den Implikationen der Graffiti bezüglich der literary landscape in Pompeji M I L N O R , Graffiti; weiterführend zu den kommunikativen Implikationen L O H M A N N , Graffiti. 216 Vgl. Epp, Codex. 217 Beide Zitate K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 7; s. u. insb. Anm. 245 u. 246, S. 73f. 218 Vgl. H A R R I S , Literacy, 284, Vgl. dazu auch M O R G A N , Literate, 63 f; ferner zur weiten Verbreitung von Schreibfähigkeiten, die implizieren, dass das Geschriebene auch gelesen werden musste, B A G N A L L , Writing. An Harris’ Bild einer weitgehend illiteraten Gesellschaft über die gesamte Antike hinweg ist in unterschiedlicher Form Kritik geübt worden. 210 A. K. Bowmanns Auswertung der Funde von Vindolanda bezüglich der Literalität in der römischen Armee in der nördlichsten Peripherie des Reiches verdeutlichen, dass Literalität für Offiziere und Unteroffiziere anzunehmen, aber selbst für niedrigere Ränge belegt ist, und dass die Größe des Befundes ein breites Netzwerk lesefähiger Menschen über die Schichtengrenzen hinaus voraussetzt. 211 Auch die in den 2010er Jahren in London gefundenen „Bloomberg-Tablets“ lassen eine etwas optimistischer Sicht auf die Literalität in der Provinz Britannien zu. 212 Die große Bedeutung von Lesen und Schreiben in der römischen Armee wird durch weitere Quellen bestätig, u. a. durch Funden aus Nubien 213 und Ägypten. 214 Zu verweisen ist außerdem auf die mehr als 11.000 in Pompeji gefundenen Graffiti, die eine höhere Literalitätsrate vermuten lassen und auch Lese- und Schreibfä‐ higkeit in unteren Schichten belegen. 215 E. G. Epp fragt angesichts des Papyrusbefundes von Oxyrhynchos, ob für diese Stadt die Schätzungen von 10-20% Literalitätsrate wirklich ausreiche. 216 Die Untersuchungsergebnisse von H. Krasser, der auf „die immense Zunahme der Informationen zu Büchern und Lesern“ in der Kaiserzeit hinweist, dass in dieser Zeit „eine Bewußtseinsveränderung im Umgang mit Bildungsgütern nahe[liegt], die mit einiger Wahrscheinlichkeit über den engen Kreis der kulturellen Eliten hinausgreift“. 217 In Harris’ Studie findet sich dazu nur der Hinweis, es sei wahrscheinlich, dass angesichts des epigraphischen Befundes seit der augusteischen Zeit im Römischen Reich der Anteil an der Gesamtbevölkerung derjenigen, die lesen und schreiben konnten, leicht gestiegen wäre. 218 Selbst die pessimistische Einschätzung der Schreib- und Lesefähigkeit auf dem Land ist aus der Perspektive von unzähligen Kleininschriften und der Bedeutung von schriftlicher Kommunikation für die Wirtschaft im ländlichen Raum (insb. in den Grenzprovinzen) zu 65 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 219 Vgl. S C H O L Z , Bauern [Zitat: 83], der eine beeindruckende Übersicht über die germanischen Provinzen und Raetien zusammengestellt hat. Freilich besteht hier noch viel Forschungsbe‐ darf - auch im Hinblick auf die Übertragbarkeit auf andere Provinzen. Die systematische Erforschung der Kleininschriften und deren Berücksichtigung für statistische Fragen nach der Literalität steht, wie Scholz ausführt (ebd. 69), noch am Anfang. Vgl. zur Literalität in ländlichen Regionen z. B. außerdem Todisco, alfabetismo (und die Reaktion H A R R I S , Muddles, 724 f). 220 Vgl. die Zusammenstellung der Belege bei S T E R N , Jewish Books, 178, Anm. 44. 221 Vgl. exempl. Plat. leg. 7,810b (Fähigkeit zu lesen und schreiben wird als Lernziel benannt); Xen. oik. 15,7; Chrysipp. SVF 2, Fr. 99; Philo agr. 18 (s. u. 7.2.1); Philo somn. 1,205; Philo congr. 148; Dion. Dem. 52; Dion. Hal. comp. 25 (s. dazu S. 227); Dion Chrys. or. 10,28; Gal. AA ed. K Ü H N 2, p. 280,5; Apollon. Dysk. synt. 3,57 (ed. U H L I G p. 323,7 f); 3,67 (ed. U H L I G p. 333,7 f); 3,70 (ed. U H L I G p. 335,3 f); Artem. on. 1,53; M. Aur. 11,29; P.Oxy. 4 724 (Vertrag zur Ausbildung); P.Oxy. 41 2989 (Vertrag zur Ausbildung). Vgl. dazu weiterführend V Ö S S I N G , Schreiben, der m. E. zu Recht gegen C R I B I O R E , Writing, 129-152 ausführt, dass im antiken Elementarunterricht Lesen und Schreiben parallel in mehreren Schritten erlernt wurde. hinterfragen. „Es deutet sich […] an, dass die Schriftlichkeit auf dem Lande nicht weniger verbreitet war als in Städten, Vici und Militärlagern.“ 219 Auch der statistische Befund mahnt zur Vorsicht, das Phänomen Illiteralität nicht überzubewerten: So stehen im Corpus des TLG (bis zum 4. Jh. n. Chr.) knapp 100 Belegstellen für das Adjektiv ἀγράμματος mehr als 4200 Belegstellen allein für das griechische Hauptleseverb ἀναγιγνώσκω gegenüber. Zusätzlich sei auf eine Stelle bei Lukian hingewiesen, der die Lese- und Schreibfähigkeit als das Allgemeinste (τὸ κοινότατον) bezeichnet und damit die vollständige Illiteralität als Ausnahme markiert (vgl. Lukian. rh. pr. 14). Auch die These, in der griechisch-römischen Antike stellten Lesen und Schreiben zwei unterschiedliche Lernziele und Spezialisierungen dar und das Können der einen Kulturpraxis impliziere noch nicht die Fähigkeit auch der anderen, 220 ist insbesondere angesichts der häufigen gemeinsamen Nennung der beiden Praktiken kritisch zu hinterfragen. 221 Da das Verhältnis zwischen Lesen und Schreiben jedoch nicht in den Untersuchungsbereich dieser Studie fällt, kann dies hier nicht weiter ausgeführt werden. Für das frühe Christentum hat sich U. Schnelle in einem 2015 erschienenen Aufsatz ausführlich mit der Frage nach der Literalität des frühen Christentums befasst. Er weist u. a. auf folgende Aspekte hin, die es wahrscheinlich machen, dass man für die griechisch-römische Welt des 1./ 2. Jh. n. Chr. insgesamt, aber auch für das frühe Christentum, einen höheren Grad an Literalität annehmen müsse: 1) Die Allgegenwart von Schriftlichkeit in den Städten des Römischen Reiches in der Kaiserzeit setzt zumindest eine elementare Schreib- und Lesefä‐ 66 1 Einleitung 222 Vgl. S C H N E L L E , Bildung, 118. S. dazu exempl. weiterführend zum Beispiel Ephesos B U R R E L L , Reading. 223 Zur großen Bedeutung und alltäglichen Omnipräsenz von schriftlichen Dokumenten im antiken Wirtschaftsleben vgl. R U F F I N G , Schriftlichkeit 224 Vgl. S C H N E L L E , Bildung, 113.119, mit Verweis auf Epikt. diatr. 1,9,19 und einen unveröf‐ fentlichten Beitrag von A. Weiß. Vgl. dazu ausführlich W E I S S , Elite, passim. S. außerdem auch das Fazit von Y O U T I E , ΑΓΡΑΜΜΑΤΟΣ, 173, der deutlich macht, dass in den dokumentarischen Papyri sowohl die ἀγράμματοι als auch diejenigen, die Dokumente in deren Namen (unter)schreiben aus derselben unteren Mittelschicht stammen. Vgl. auch K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 164 f, der u. a. auf Gell.15,30 verweist, wo belegt ist, dass ein Spätberufener nach seinem Berufsleben mit dem Studium anfängt. 225 Exemplarisch gegen H A R R I S , Literacy, passim; K R A U S , (Il)literacy, 333 f; K R A U S , Slow Writers, 116 f; K E I T H , Urbanization. Insbesondere sollte dem Fall des weitgehend illiteraten Dorfschreiber Petaus (und auch seinem Kollegen Ischyrion) nicht eine zu große Beweislast zugemutet und v. a. nicht übergeneralisiert werden, wie dies allerdings von den genannten Autoren tun. Wir wissen nicht, ob dieser nicht des Ägyptischen mächtig war, wie auch K R A U S , (Il)literacy, 336, der sich der fehlenden Repräsentativität der Befunde sehr bewusst ist (ebd. passim), konzediert. Auch wissen wir nicht, ob sich das Problem mit Ischyrion (vgl. K R A U S , (Il)literacy, 329 f [Lit.]), nicht auch nur auf die griechische Literalität bezieht und er im Amt bleiben konnte, weil er eben seine Muttersprache beherrschte. 226 Vgl. S C H N E L L E , Bildung, 123-125.136-138. 227 Vgl. S C H N E L L E , Bildung, 119 f. Vgl. auch H U R T A D O , Oral Fixation, 334, der mit Verweis auf die Analyse der Sozialstruktur der paulinischen Gemeinden von M E E K S , First, 51-73, ebenfalls vermutet, dass die Literalitätsrate in den christlichen Stadtgemeinden höher war, als zuweilen angenommen wird. higkeit bei einem Großteil der Bevölkerung voraus. 222 Hier wäre zu ergänzen, dass insbesondere die Beteiligung der Menschen an Wirtschaft und Handel, ausweislich der zahlreichen, damit in Zusammenhang stehenden schriftlichen Überreste, Lese- und vielfach auch Schreibkenntnisse notwendig machte. 223 2) Der Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Stellung war nicht so groß, wie vielfach angenommen wird, 224 sodass man keine Rückschlüsse von der sozialen Stellung auf den Grad an Literalität ziehen kann. 225 3) Speziell in Bezug auf das Christentum verweist Schnelle auf den städtischen Kontext der meisten bekannten Gemeinden der Abfassungszeit, auf die expliziten Belege in den paulinischen Briefen über Lese- und Schreibfähigkeit (Rezeption des AT, Sekretär [Röm, 16,22], Lesen mit eigenen Augen [Gal 6,11: 1Kor 16,21; Phlm 19]; Tätigkeit von Lehrern [1Kor 12,28; Gal 6,6; Röm 12,7b; Act 13,1]; argu‐ mentativer Anspruch der Briefe, der aus ihrer literarisch-rhetorischen Qualität und philosophischer Denkfiguren erwächst 226 ) und auf die Mehrsprachigkeit vieler Gemeindemitglieder. 227 Zudem betont er, dass die Evangelien von einer schnellen Literarisierung von Jesus berichten, und er hebt den hohen Grad an Literaturproduktion und die innovative sprachschöpferische Kraft hervor, 67 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 228 Vgl. S C H N E L L E , Bildung, 125-130. 229 Beide Zitate S C H N E L L E , Bildung, 141. 230 S C H N E L L E , Bildung, 119. 231 S. die Zusammenstellung des Forschungsstandes bei H E Z S E R , Jewish Literacy, 27-36. Vgl. ferner die Ergebnisse des sehr interessanten Ansatzes der algorithmengestützen Analyse von Inschriften bei F A I G E N B A U M -G O L O V I N / S H A U S / S O B E R / L E V I N / N A ’ A M A N / S A S S / T U R K E L / P I A S E T Z K Y / F I N K E L S T E I N , Handwriting Analysis, die für die Zeit um 600 v. Chr. einen recht hohen Literalitätsgrad zu belegen versuchen; außerdem B L U M , Wandin‐ schriften, der von altaramäischen Inschriften auf ein recht hohes Literalitätsniveau um 800 v. Chr. im geographischen Raum Israel schließt. Vgl. ferner weiterführend die neueren optimistischer ausgerichteten Studien in der Assyrologie, die eine deutlich weitere Verbreitung von Literalität vermuten als die ältere Forschung. S. dazu die Verweise auf die Literatur bei G R U N D -W I T T E N B E R G , Literalität, 233. 232 So hat z. B. S T E M B E R G E R , Judaica, 27-37, zwar Recht, dass eine für alle Juden zugänglicher „Wortgottesdienst“ in der Synagoge für die vorrabbinsche Zeit nicht belegbar ist, in der „das Volk“ in Kontakt mit der Tora hätte kommen können. Seine Aussage, die Tora sei nur im Elitenbesitz gewesen, bleibt aber rein thetisch und wird in Form eines Suggestivarguments präsentiert. Er unterstellt zudem, ohne weitere Belege dafür anzuführen, eine vollständige Sammlung heiliger Schriften habe es nur am Jerusalemer Tempel gegeben. Es ist zwar richtig, dass Jesus sich mit der Formel „habt ihr nicht gelesen“ ausschließlich an mutmaßlich literarisch Gebildete richtet (s. dazu u. 8.2.2), draus weiterführende Schlussfolgerungen über den Literalitätsgrad und den Buchbesitz zu ziehen, ist jedoch methodisch nicht gestattet (argumentum e silentio; zudem ist der Anteil der genannten Gruppen an der Gesamtbevölkerung schwer zu quantifizieren). die überall in den Texten des NT zu finden sind. 228 Dies zeige, dass neue Mitglieder „schon relativ früh in eine bereits ausgebildete Lehr- und Sprachwelt“ eintraten und daher in den Gemeinden „ein relativ hohes intellektuelles Niveau vorauszusetzen“ 229 ist. Schnelle argumentiert außerdem, dass ein großer Teil der frühen Christen „aus dem Einflussbereich des Judentums [kam], das eine höhere Alphabetisie‐ rungsrate als der Durchschnitt des Römischen Reiches aufwies.“ 230 Die mit Schnelles Argument verbundene, weit verbreitete These eines besonders hohen Literalitätsgrades im antiken Judentum ist in den vergangenen Jahren in der Forschung allerdings in Frage gestellt worden. 231 Diese neue pessimistische Sicht auf den Literalitätsgrad im antiken Judentum korrespondiert mit der These, dass weite Teile der jüdischen Bevölkerung keinen direkten Zugang zu Torarollen hatten bzw. diese nur für die Priester und Eliten zugänglich waren. Diese These basiert nicht nur weitgehend auf argumenta e silentio. Auch dass die Textfunde vom Toten Meer als abseitige Ausnahme interpretiert werden müssen, ist aus methodischer Sicht problematisch. 232 Insbesondere die Argumentation von C. Hezser (ferner auch von anderen in dieser neueren Forschungstradition stehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern) bezüglich einer niedrigen Literalitätsrate im antiken Judentum ist durch das 68 1 Einleitung 233 Vgl. H E Z S E R , Jewish Literacy; H E Z S E R , Use. Ähnlich auch S A T L O W , Bible, passim. Hezsers Argumentation bezüglich des geringen Literalitätsgrades basiert in weiten Teilen auf dem Schweigen der Quellen. Zudem richtet sie ihren Fokus lediglich auf den geogra‐ phischen Raum „Palästina“ und nicht auf die v. a. für das frühe Christentum wichtige Diaspora. Zu hinterfragen ist außerdem ihre These, dass der Befund von Qumran nicht auf andere Bereiche des frühen Judentums übertragbar ist. Diese These ist abhängig von umstrittenen Thesen zu Qumran. Es fehlen überzeugende Argumente, warum die Funde vom Toten Meer nicht auf andere Gruppen übertragen werden könnte, von denen wir aus klimatischen Bedingungen keine schriftlichen Zeugnisse überliefert haben. Vgl. ferner W O L L E N B E R G , People, passim, deren Ausführungen und einzelnen Analysen, die zuweilen den Anschein erwecken, eine spezifische Oralitäts-Agenda gegen eine alte Sichtweise zu verfolgen und ausführlicher diskutiert werden müssten, was hier nicht geleistet werden kann (s. u. aber die knappen Hinweise in Anm. 24, S. 318 u. auf S. 378 f). Allerdings bezieht sich ihre Untersuchung auf rabbinische Texte aus der Spätantike und ihre Ergebnisse dürfen nicht zurückprojiziert werden. 234 Freilich ist der Satz ambigue und lässt sich theoretisch auch so verstehen, als die Illiteraten selbst Subjekt des Lesens sind: „es ist für die Illiteraten unmöglich, in gelehrter Weise vorzulesen“ (s. die Übersetzung von M. D. M A C L E O D in der LCL). Die hier gebotene erste Deutung hat allerdings mehr Wahrscheinlichkeit für sich, da die Adressaten von etwas Vorgelesenem gängigerweise im Dativ angegeben werden (s. u.) und die Deutung der Illiteraten als Subjekte des Lesens durch einen Akkusativ hätte eindeutig ausgedrückt werden können. restriktive Auswertungsverfahren der Befunde durch Harris (s. o.) sowie durch Thesen zum „oralen“ Charakter der antiken Kultur insgesamt beeinflusst. 233 Abgesehen davon wird die Relevanz des Literalitätsgrades für die Frage nach Lesepraktiken und -modalitäten m. E. in weiten Teilen der Forschung überschätzt. Zunächst müsste ja der Nachweis erbracht werden, dass die zur Dis‐ kussion stehende Literatur sich tatsächlich vorrangig an illiterate Rezipienten richtete bzw. dass Vorlesen von Texten in Gruppen als notwendig angesehen worden wäre, um illiterate Schichten mit den Texten zu erreichen. Schon hier sei darauf hingewiesen, dass bei den Darstellungen in den Quellen aus der griechisch-römischen Welt, in der Vorlesen in Gruppen thematisiert wird, das Publikum mit Sicherheit zu einem großen Teil selbst aus literarisch Gebildeten bestand. Zudem wäre doch zu vermuten, dass das Verstehen der in Betracht kommenden antiken Texte eine gewisse literarische Vorbildung voraussetzt. So formuliert etwa Pseudo-Lukianos, dass es aussichtslos sei, den Illiteraten bzw. Ungebildeten etwas in gelehrter Weise vorzulesen, solange sie ohne Wissen sind (ἀναγνῶναι ἢ γράψαι τοῖς ἀγραμμάτοις γραμματικὸν τρόπον ἀδυνατώτερόν ἐστιν τέως ἂν ὦσιν ἀνεπιστήμονες; Ps.-Lukian. Halcyon 7). 234 Die Beweislast liegt m. E. bei denjenigen, die einen Zusammenhang zwischen Illiteralität und Vorlesen in Gruppen postulieren, ein solches Setting (also einem Kreis von Menschen, die nicht lesen können, wird Literatur vorgelesen) 69 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 235 Darauf verweist auch C L A R K , Reading, die im Anschluss an H O P K I N S , Conquest, 134 f, eine Zahl von minimal 2 Millionen Lesern im Römischen Reich nennt, wenn die berühmten 10 % stimmten. Nur zur Illustration seien einige Schätzwerte aufgeführt: M. H. Hansen kommt mit seiner Shotgun Method auf 7, vermutlich 8-10 Millionen Einwohner in den griechischen Poleis in frühhellenistischer Zeit. Vgl. H A N S E N , Shotgun; H A N S E N , Update. Die Zahlen für das gesamte Römische Reich in augusteischer Zeit schwanken zwischen 50 und 80 Millionen Einwohnern. Vgl. D U R A N D , Estimates, 269. Für die Stadt Rom liegen die meisten Schätzzahlen zwischen einer halben und etwas mehr als einer Million Einwohner in augusteischer Zeit. Vgl. S T O R E Y , Population (Lit.); S C H E I D E L , Roman Population (Lit.). Die Schätzungen für Jerusalem vor der Zeit der Tempelzerstörung liegen zwischen 60.000 und 100.000 Einwohner, Extremschätzungen gehen von 250.000 Einwohnern aus. Vgl. dazu R O C C A , Herod, 332 f. auch in den Quellen nachzuweisen. Die Arbeitshypothese, die mit weniger Vorannahmen auskommt, ist dagegen zunächst diejenige, dass man davon aus‐ zugehen hat, dass literarische Texte zunächst an Rezipienten gerichtet waren, die lesen konnten. D. h. ganz unabhängig von der exakten zahlenmäßigen Quantifizierung von potentiellen Leserinnen und Lesern in der Antike, ist die Forschung nicht davon dispensiert, die Lesepraktiken der lesekundigen Menschen in der Antike insgesamt und frühem Christentum im Speziellen näher zu untersuchen. Und selbst wenn man die pessimistischen Schätzungen der Literalitätsrate in antiken Gesellschaften zugrunde legte, handelte es sich bei niedrigen zweistelligen Prozentzahlen in absoluten Zahlen ja immer noch um eine beträchtliche Menge von Menschen, die lesen und Literatur rezipieren konnten. 235 Die behauptete Interdependenz des Vorlesens in Gruppen und der geringen Literalitätsrate in der Antike führt in Bezug auf vorliegende Studie zu der Frage, inwieweit sich nachweisen lässt, dass nicht-literalisierte Personen in der Antike überhaupt als Adressaten in den Blick genommen worden sind oder umgekehrt eindeutig literalisierte Rezipienten als intendierte Adressaten plausibel zu machen sind. 1.3.4 Die Frage nach der Alterität antiker und zeitgenössischer Lesekultur Die genannten Punkte gehen sodann in hermeneutischer Hinsicht mit der emphatischen Aufforderung einher, dass die grundsätzlichen Unterschiede zwi‐ schen der modernen und der antiken Lesepraxis in Rechnung zu stellen seien. Damit eng verbunden sind die Vorwürfe gegenüber der Minderheitenposition, sie würden die moderne Art zu Lesen in die Verhältnisse der Antike projizieren bzw. sie nutzten Erkenntnisse und Modelle des Lesens, die an eben der modernen Lesepraxis gewonnen seien und ihre Passfähigkeit für die antike Situation 70 1 Einleitung 236 Vgl. exempl. die Kritik von B U S C H , Lesen, 6, an Gavrilovs Ansatz, den ich oben skizziert habe. S. auch A L L E N / D U N N E , Reading, 245. 237 Vgl. exempl. R O B E R T S , Books, 49; Q U I N N , Poet, insb. 83, Anm. 23; H A V E L O C K , Muse, 47; A L E X A N D E R , Production, 86; B O T H A , Publishing, passim. 238 Vgl. exempl. G A M B L E , Books, 83-93. 239 B U S C H , Lesen, 3, der freilich selbst dazu beiträgt, das Netz fester zu knüpfen, wie oben deutlich geworden ist. nicht nachgewiesen worden bzw. fraglich seien. 236 Es ist natürlich nicht zu bestreiten, dass die Suche nach Alteritäten eine zentrale Aufgabe der altertums‐ wissenschaftlichen Forschung ist. Das bloße Postulat von Alterität darf jedoch nicht zum Beleg für eine bestimmte Sicht der antiken Gegebenheiten werden. So ist zunächst vor allem in analytischer Hinsicht auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass durchaus auch Parallelen bzw. Kontinuitäten zwischen der Lesepraxis in der Moderne und in der Antike festzustellen sein könnten, seien sie anthropologisch oder auch kulturell bedingt. 1.3.5 Die Frage nach der „Oralität“ antiker Gesellschaften Verknüpft ist dieses Alteritätspostulat sodann in produktionsorientierter Perspek‐ tive sehr häufig mit der Betonung der großen Bedeutung von „Oralität“ für die antike Textkultur und insbesondere mit der Emphase, dass Publikation in der Antike in erster Linie bedeute, dass ein Text erstmals „laut“ vorgelesen und damit in den Umlauf gebracht worden sei (entweder über Abschrift des Vortrages oder über das Manuskript, das der Autor aus seinen Händen gibt). 237 Es ist erstaunlich, dass vor allem letzteres Postulat zumeist mit nur sehr selektiven Belegen aus den Quellen untersetzt wird und die Forschungen zum antiken Buchmarkt gänzlich ignoriert bzw. die Evidenzen in den Quellen marginalisiert 238 werden. Die genannten Einzelaspekte haben dazu geführt, dass „ein Netz einander stützender und ergänzender Informationen geknüpft [worden ist], das [nicht nur] die Vorstellung vom lauten Lesen als vermeintlich sicheres Wissen von den Zuständen in der Antike verbuchen läßt“ 239 , sondern auch bezüglich der anderen Punkte dieses Netzes: - die antike Schrift als Abbild des Gesprochenen; - die Schwierigkeiten der visuellen Dekodierung von scriptio continua; - ein relativ geringer Grad an Literalität; die grundsätzliche Alterität der antiken Lesepraxis; die große Bedeutung von Oralität für die Produktion und Publikation von antiken Texten; - und in Bezug auf die neutestamentlichen Texte: die mündliche Tradie‐ rung, welche den „mündlichen“ Charakter der Texte geprägt habe. 71 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 240 Vgl. P A R K E R , Books. 241 Vgl. z. B. C H A N T R A I N E , verbes; A L L A N , ΑΝΑΓΙΓΝΩΣΚΩ; aber auch V A L E T T E -C A G N A C , lecture, 19-71, die in ihren Kapiteln „Le vocabulaire latin de la lecture” und „Les ambiguïtés de la lectio tacita“ lediglich die Verben lego und recito bespricht. Ferner verweist sie auf das Verb audio, das sie allerdings (m. Ε. fälschlicherweise) lediglich auf das passive Zuhören vorgelesener Texte bezieht (s. u. Anm. 114, S. 134). Weitere Lexeme Das in diesem Netz erkennbare Grundnarrativ ist variantenreich auch in den Forschungsdiskurs über die Produktion und Rezeption von Literatur im frühen Christentum eingeflossen und fungiert in Form von scheinbar gesichertem und nicht mehr zu hinterfragendem Wissen für eine Vielzahl von Forschungs‐ fragen als hermeneutischer Rahmen. Exemplarisch war dieses Grundnarrativ in den Publikationen der Vertreterinnen und Vertreter des sog. Biblical Perfor‐ mance Criticism zu sehen (s. o. 1.1.2). An dieser Stelle sei auf Stimmen in der klassisch-philologischen Forschung verwiesen, welche die Betonung der Bedeutung von Oralität für die antike Literatur bzw. die generalisierende These einer oral culture und die These mündlicher Tradierung von Literatur in der klassisch-philologischen Forschung mit guten Argumenten in Frage gestellt haben und eine klarere Differenzierung verschiedener Phänomene fordern, die gängiger Weise unter dem Label „oral“ subsumiert werden. 240 Da das antike Konzept von Publikation für die vorliegende Studie von einiger Relevanz ist, wird das antike Publikationswesen und seine Relation zum mündlichen Vortrag und zur Frage nach dem Lesepublikum unter 5 zu besprechen sein. 1.3.6 Engführung der Forschung auf die Fragen nach einem vermeintlichen „Normalmodus“ des Lesens in der Antike und auf reading communities Blickt man nun noch einmal zurück auf die lang und umfassend diskutierte Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen, das die Debatte im 20. Jh. um das Lesen in der Antike maßgeblich geprägt und dadurch eine sehr eigenwil‐ lige Dynamik des Forschungsdiskurses befördert hat, so ergibt sich aus den bisherigen Ausführungen, dass man eigentlich eine viel zu eng geführte Frage nach einem vermeintlichen „Normalmodus“ diskutiert hat. Deshalb bekommt man nach über 100 Jahren den Eindruck, dass sich die Diskutanten im Kreis gedreht haben. Die einseitige Fokussierung auf diese eine Unterscheidung hat dazu geführt, dass man viele andere Facetten der komplexen Kulturtechnik des Lesens weitgehend unberücksichtigt gelassen oder nur am Rande erforscht hat. Insbesondere die lexikologische Konzentration auf einige Hauptbegriffe des Lesens, 241 die noch dazu nur im Hinblick auf die zu eng geführte Forschungsfrage 72 1 Einleitung im Lateinischen, die Lesen konzeptualisieren, werden lediglich in einer Klammerbe‐ merkung genannt (vgl. V A L E T T E -C A G N A C , lecture, 25), im Laufe der Untersuchung aber nicht tiefer greifend ausgewertet. Auch A. K. Garvrilov nennt zwar am Ende seines Beitrages einige wichtige Lesetermini, die Auswahl erscheint aber recht zufällig, scheint nicht das Ergebnis eines systematischen Forschungsansatzes zu sein und ist v. a. durch die Frage nach dem Stimmeinsatz geleitet. Vgl. G A V R I L O V , Techniques. 242 Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 169-221; J O H N S O N , Sociology, 593-600; J O H N S O N , Constructing, 328; J O H N S O N , Readers, 3-9.104. S. außerdem auch W E R N E R , Literacy, 337. 243 K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 96.169-221. 244 Diesbezüglich wäre weiterführend zu überlegen, welche Bedeutung die Entstehung bzw. die Existenz eines anonymen Lesepublikums für den Autorenbegriff auf der einen Seite und für die Selbstwahrnehmung von Schriftstellern auf der anderen Seite hat. 245 Bei dieser Kennzeichnung der spätrepublikanischen Lesewelt als Umbruchssituation „geht es nicht so sehr um Fragen des Paradigmenwechsels von Mündlichkeit zur Schriftlichkeit, als vielmehr um Aspekte der graduellen Ausbreitung literarischer Kommunikation in einer existierenden Schriftkultur. Ciceros Beobachtungen zur Ver‐ breitung historischer Schriften läßt bereits erahnen, daß ein Leserpotential existiert, das sich nicht mehr ohne weiteres auf eine kulturelle Elite eingrenzen läßt“ (K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 42). ausgewertet wurden, und das Fehlen einer systematischen Erfassung antiker Leseterminologie wiegt schwer. Dies wiederum hat gewichtige Implikationen für die weiterführenden Oralitätshypothesen, die maßgeblich auch auf der vermeintlich eindeutigen Antwort des Normalmodus der „lauten“ Lektüre basieren. Auf die Defizite der Fragestellung weisen auch schon die klassischen Philo‐ logen H. Krasser und W. A. Johnson hin; beide beurteilen die Debatte sehr kritisch. 242 Allerdings kommen sie bezüglich des ähnlichen Untersuchungsge‐ genstandes zu divergenten Ergebnissen. Krasser untersucht in seiner unpubli‐ zierten Habilitationsschrift die Darstellungen von Leseszenen, die literarische Reflexion von Lesern, Lesepraktiken und -techniken sowie literarische Wahr‐ nehmungsgewohnheiten in Rom zwischen dem ausgehenden 1. Jh. v. Chr. und dem 2. Jh. n. Chr. Dabei kann er zeigen, dass sich in der Kaiserzeit (erstmals fassbar bei Ovid) ein größer werdender literarischer Markt etablierte, der mit veränderten Distributionsformen, mit einem Bedeutungsgewinn des Buchhan‐ dels sowie mit einer großen Steigerung des Angebots und der Verfügbarkeit von Lesestoffen einherging. Krasser stellt u. a. „eine Entfremdung zwischen Autor und Leser“ 243 fest, die sich z. B. darin zeigt, dass Autoren über unterschied‐ liche Leseerwartungen reflektierten und sich an ein anonymes und breites Lesepublikum richten. 244 Dabei ist zu erkennen, dass sich publizierte Literatur - anders als noch im Rom in der Zeit der späten Republik, die er allerdings auch schon als Umbruchssituation beschreibt 245 - an einen breiteren Leserkreis 73 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 246 Vgl. zum letztgenannten Aspekt K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 7.98-103.136.161-169. Vgl. außerdem auch K R A S S E R , Lesekultur. Auch C A V A L L O , Volume, 76-83 verweist auf die Entstehung eines durchschnittlichen von den Autoren als vulgus, plebs, media plebs oder plebeiae manus bezeichneten, sozial inhomogenen und anonymen Lesepublikums in der Kaiserzeit, „[that] was made up of a middle social stratum of people of some schooling (some might even be very well educated) that included technicians, government functionaries, high-ranking military men, merchants, relatively cultivated craftspeople and agriculturists, wealthy parvenus, well-off women and faciles puellae“ (C A V A L L O , Volume, 77). 247 K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 206. 248 Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 177-206. Krasser weist darauf hin, dass Lesen seit hellenistischer Zeit in der diätetischen Literatur beachtet wird, „wobei die ersten ein‐ schlägigen Zeugnisse in die beginnende Kaiserzeit fallen“ (Ebd., 226). Er schlussfolgert außerdem richtig, dass die Zusätze clare lectio, clare legere (Celsus), clare et intente legere (Plinius) zeigten, dass nicht markierter Gebrauch von lectio und lego nicht automatisch „lautes“ Lesen implizieren. Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 204 f. 249 K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 220. 250 Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 220 f. 251 Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 222-270. 252 Vgl. z. B. J Ä G E R , Lese(r)forschung. richtete, der weit über den Kreis der Eliten hinausreichte. 246 Krasser zweifelt darüber hinaus überzeugend die „ausschließliche Dominanz des Ohrs bei der Rezeption von Literatur“ 247 an und zeigt einerseits differenziert die Leseanlässe auf, die im kaiserzeitlichen Rom mit stimmlicher Realisierung einhergegangen sind (v. a. die recitatio durch Autoren als Bestandteil des Redaktionsprozesses; Unterhaltung beim Mahl; die Nutzung eines Vorlesers im privaten Kontext; das kunstvolle Vorlesen vor Publikum; die Realisierung des Textes als ästhetisches Klangerlebnis bei der individuellen Lektüre; als gesundheitsförderliche Tätig‐ keit im Rahmen der antiken Diätetik). 248 Andererseits stellt er heraus, dass „vor allem im Bereich der vornehmlich intellektuell orientierten Leseakte die leise Lektüre aller Wahrscheinlichkeit nach sogar die Regel war.“ 249 Zuletzt präsen‐ tiert er erste Ansätze zur Systematisierung unterschiedlicher Lektüreformen, 250 die unten wieder aufgenommen wird, und untersucht, welche Tageszeiten im kaiserzeitlichen Rom (im Ideal und in der Wirklichkeit) zum Lesen genutzt wurden und inwiefern das Alter eines Menschen nach seinem Berufsleben als Lesezeit galt. Dabei kann er eine enge Verbindung der intellektuellen Lektüre mit der Nachtarbeit (lucubratio) aufzeigen. 251 Johnsons Arbeiten hingegen prägen einen neuen, kultur- und sozialge‐ schichtlichen Ansatz in der Erforschung des Lesens in der Antike, der analog zu ähnlichen Paradigmenwechseln in der historischen Leseforschung 252 primär an der Kultur der Leser bzw. in differenzierender Perspektive an unterschiedlichen Leserkulturen und weniger an Fragen der Lesetechnik und der Wahrnehmung 74 1 Einleitung 253 Vgl. programmatisch J O H N S O N , Sociology, 602 f: „Reading is not, in my view, exclusively or even mostly a neurophysiological, cognitive act - not in fact an individual pheno‐ menon, but a sociocultural system in which the individual participates.” (602) 254 Vgl. J O H N S O N , Sociology, 600-606.624 f; J O H N S O N , Readers, 9-16. Johnsons Ansatz ist in einen Trend der soziologisch und kulturwissenschaftlich orientierten Leseforschung einzuordnen, der auch die historische Leseforschung beeinflusst. Vgl. exempl. P H I L L I P S / P A T T E , Reading; C O L C L O U G H , Consuming; S C A S E , Reading Communities; R E H B E R G S E D O , Reading Communities; H E A D Y , Victorian; S A N D W I T H , World. 255 Diese Anfragen und der enge Fokus auf römische Eliten stellen sehr wohl auch ein Problem der Adaptierbarkeit von Johnson’s Ansatz für das antike Judentum und frühe Christentum dar, der in der neueren Forschung sehr beliebt ist. Vgl. exempl. für viele F E W S T E R , Ancient; P O P O V IĆ , Reading; K E I T H , Manuscript. 256 Johnson geht sogar ausführlich auf individuelle Lese- und Exzerptpraktiken ein. Vgl. dazu J O H N S O N , Readers, passim Diesbezüglich ist ihm auch recht zu geben, dass die literarische Reflexion der nächtlichen Studien (lucubratio) genauso wie mit den Aus‐ führungen zum otium auf bestimmte soziale Erwartungen reagiert und sich die Autoren damit im Rahmen eines kulturellen Konstrukts bewegen. Vgl. J O H N S O N , Constructing, mit Verweis auf K E R , Nocturnal Writers. 257 Dadurch kommt es in der Rezeption von Johnsons Thesen zu stark verkürzenden Zusammenfassungen, die eigentlich Johnsons eigenem Ansatz, generalisierende Aus‐ sagen zu vermeiden, zuwiderlaufen. So formuliert z. B. M. D. Larsen die von Johnson selbst thematisierte individuelle Lektüre und das Faktum, dass auch nicht-vokalisierend gelesen wurde, übergehend: „[F]ollowing William Johnson’s research on reading des Lese- und Verstehensprozesses interessiert ist. 253 Johnson fokussiert dem‐ gegenüber vor allem auf die Kultur des Lesens als „Elitenphänomen“ in der Römischen Kaiserzeit. So richtig sein Ausgangspunkt ist, dass einzelne Lese‐ szenen immer in Relation zu einem spezifischen soziokulturellen Kontext stehen und generalisierende Aussagen über „das“ Lesen in der Antike dies zu berück‐ sichtigen haben, und so hilfreich sein Modell der Konstruktion einzelner reading communities für soziologische Fragen bezüglich des Lesens auch sein mögen, 254 einige Schlussfolgerungen Johnsons sind zu hinterfragen. 255 Insbesondere die Fokussierung auf performative Vorleseszenen und der weitgehende Verzicht auf Fragen nach der physiologischen Dimension des Lesens bzw. auf Fragen nach der Reflexion kognitiver Prozesse beim Lesen sind m. E. problematisch. Es ist hier nicht möglich, die theoretischen Überlegungen Johnsons, seine Quellenauswertungen und seine vielfältigen Schlussfolgerungen im Einzelnen zu diskutieren und die vielen wichtigen Einzeleinsichten sowie sein Paradigma sozialer und ideologischer Konstruiertheit des Phänomens Lesen zu würdigen, möglich sind nur einige generelle Beobachtungen: Auch wenn Johnson weder die Möglichkeit stiller Lektüre noch die individuell-direkte Lektüre im kai‐ serzeitlichen Rom negiert, 256 so spricht er dennoch von einer quantitativen Dominanz des performativen Vorlesens in Zirkeln der elitären römischen Oberschicht, 257 was er als grundsätzlichen qualitativen Unterschied zur eigenen 75 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung culture in the Roman Empire, it seems clear that reading was almost always a social event. Reading a book was not the privatized experience of the modern world. Instances of silent reading were certainly outliers and worthy of note to the ancient mind. One read aloud, even to oneself. Most often, reading occurred around others and with the social in mind“ (L A R S E N , Listening, 450). Ähnlich auch die Rezeption bei F E W S T E R , Ancient. 258 z. B.: „I have already remarked that in Gellius, reading and other text-centered events commonly occur within deeply social contexts, much more so than in our own culture“ (J O H N S O N , Readers, 120; s. auch J O H N S O N , Constructing, 324). 259 Es ist bezeichnend, dass er die von Krasser beschriebenen Veränderungs- und Ent‐ wicklungsprozesse bezüglich der literarischen Öffentlichkeit (s. o.) nicht in den Blick bekommt. 260 S. o. 1.3.3. 261 Vgl. J O H N S O N , Readers, 53.204, mit Verweis und nicht näher begründeter Übernahme der Positionen von S T A R R , Circulation. S. dazu unten 5. 262 Über die ästhetische Beschaffenheit der Rollen hinaus führt er keine weiteren Belege dafür an, dass Rollen sehr teure, elitäre Produkte gewesen wären. Vgl. J O H N S O N , Readers, 21. modernen Kultur markiert. 258 Es ist allerdings - und das gilt gleichermaßen für die unter 1.1.2 und 1.1.3 skizzierten Ansätze - vor dem methodischen Fehlschluss zu warnen, dies aus einer (im Übrigen noch zu beweisenden) quantitativen Übermacht von literarischen Darstellungen von Vorleseszenen in Gruppen bei bestimmten kaiserzeitlichen Autoren bzw. in der antiken Literatur zu schließen. Denn performative oder gemeinschaftliche Leseszenen in der Li‐ teratur sind z. B. institutionell verankert (Gericht, politische Versammlung o. ä.) oder im Zusammenhang mit dem Darstellungsinteresse der jeweiligen Autoren zu sehen: Soziale Konflikte, Diskussionen usw. im Kontext gemeinschaftlicher Lektüre sind mutmaßlich deutlich interessanter darzustellen und zu lesen als individuell-direkte Lektüren. Individuell-direkte Lektüre ist für den Beobachter von außen zumeist gar nicht zugänglich oder muss, wenn sie doch beobachtet werden kann, z. B., wenn jemand individuell in der Öffentlichkeit liest, relativ gleichförmig unspektakulär erscheinen. Neben dem undefinierten Gebrauch des Elitenbegriffs basieren Johnsons Schlussfolgerungen zum Lesen in der Kaiserzeit als Elitenphänomen 259 a) auf den zu hinterfragenden quantitativen Schätzungen von Harris zur geringen Literalität in antiken Gesellschaften, 260 b) auf einer Skepsis in der neueren Forschung gegenüber der älteren Forschung zum antiken Buchhandels- und Publikationswesens, die demgegenüber private Zirkulationsmechanismen pos‐ tuliert, 261 c) auf nicht näher belegter Schätzung des hohen Preises für antike Bücher 262 und d) auf einem Cognitive Model for Ancient Reading, das nicht aus den Quellen (d. h. aus Leseprozessen beschreibenden oder reflektierenden Texten) deduziert wurde, sondern allein aus hypothetischen Annahmen bezüglich der 76 1 Einleitung 263 Vgl. J O H N S O N , Sociology, 610-612; außerdem J O H N S O N , Readers, 17-25. S. dazu meine problematisierenden Ausführungen unter 4.3. 264 S. auch Johnson: „There is, in short, much that remains to be done on the topic of reading, both in the high empire and in antiquity more generally, and it is with considerable humility before the largeness of the task that I offer here what I have been able to pull together“ (J O H N S O N , Readers, 207). 265 Z E D E L M A I E R , Lesegeschichte, 84 [Herv. getilgt]. 266 Vgl. Z E D E L M A I E R , Lesegeschichte, 93, gegen B I C K E N B A C H , Möglichkeiten, passim. 267 Z E D E L M A I E R , Lesegeschichte, 84. physischen Gestalt antiker Manuskripte (insb. Rollenform, scriptio continua und Zeilenbreite) gewonnen wurde. 263 Nicht zuletzt die relativ konträren Ergebnisse von Krasser und Johnson zeigen, dass die Forschungsdiskussion zum Lesen in der Antike jenseits der alten Frage nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen gerade erst angefangen hat und wichtige Grundlagen noch aufzuarbeiten sind. 264 Auf einer Metaebene zeigt sich an der Diskussion um das „laute“ und „leise“ Lesen - besonders an der mehrfachen „Erfindung“ des „leisen“ Lesens in der Geschichte - eine Einsicht, die in der historischen Leseforschung schon von anderen gemacht worden ist - nämlich, „[d]aß die Geschichte des Lesens im Blick auf die Modalitäten der Lektüre nicht eine lineare Geschichte ergibt.“ 265 Dies gilt nicht nur für das Paradigma der Entwicklung vom „lauten“ zum „leisen“ Lesen, sondern z. B. auch für ein anders klassisches Paradigma, nämlich der Entwicklung von statarischer zu kursorischer Lektüre im 18. Jh. 266 Gegen ein sol‐ ches idealisiertes Entwicklungsparadigma sprechen frühneuzeitliche Quellen, „in denen Lesetechniken zur schnellen und effektiven Wissensaneignung pro‐ pagiert werden.“ 267 Im Rahmen dieser Arbeit wird zu zeigen sein, dass auch in der Antike schon Lektüretechniken angewandt worden sind, die traditionell (und m. E. zu undifferenziert; vgl. dazu 1.5) als „kursorisch“ bezeichnet werden. Anhand der Modalitäten des Lesens lässt sich also definitiv keine globale, vermutlich aber auch nur schwer eine auf einen bestimmten kulturellen Raum wie der griechisch-römischen Welt beschränkte, lineare Geschichte schreiben. Die Modalitäten des Lesens sind im Wesentlichen zunächst als prinzipiell anzusehen, müssen also für jedes Schriftsystem und jede Schrift- und Lesekultur als analytische Möglichkeit zunächst in Betracht gezogen werden. Ob sie jeweils im vollen Umgang realisiert werden, hängt von ganz verschiedenen Faktoren ab; d. h. die Modalitäten des Lesens in spezifischen kulturhistorischen Räumen sind jeweils einzeln anhand der Quellen zu untersuchen. 77 1.3 Methodische Engführungen und Defizite der bisherigen Forschung 268 B L U M B E N E R G , Lesbarkeit, 2. 269 Häufig findet sich die Beschreibung des Lesens (als Komplement des Schreibens) als zentrale Kulturtechnik. (Zum Terminus Kulturtechnik vgl. z. B. die Publikationen im Rahmen der Reihe Kulturtechnik.) Dabei handelt es sich allerdings offensichtlich nicht um eine Definition, sondern um die Wertung der kulturellen Bedeutung des Phänomens. Es stellt sich die Frage, ob „Lesen“ (selbst eine lexikalisierte Metapher) überhaupt anders als metaphorisch und metonymisch beschrieben werden kann. Sicher ist, metaphorische oder metonymische Beschreibungen des Phänomens Lesen sind immer nur Annäherungen, die bestimmte Aspekte des komplexen Phänomens beschreiben. 270 Vgl. dazu R A U T E N B E R G / S C H N E I D E R , Lesen, VII. 271 K Ö R F E R , Kaiser Konstantin, 23-25, betont bei ihrer Diskussion der Definition des Lese‐ begriffs im Anschluss an die moderne Literatur- und Kulturwissenschaft, dass Lesen „ein produktiver verkörperter Akt verstanden werden kann, der einem hierarchisch ge‐ gliederten Prozess unterliegt und selbst Ausgangs- und Zielpunkt von Kommunikation ist“ (25). Allerdings ist zu fragen, ob ein Leser in den Kommunikationsakt tatsächlich immer „aktiv und bewusst“ (24) einsteigt. Gerade das Lesen von Alltagstexten, wichtig im Hinblick auf Inschriften (insb. Kleininschriften) in der Antike, geschieht zumeist nicht aktiv und ist ein unbewusster Vorgang. 1.4 Fragestellung, methodischer Ansatz und Vorgehen „Erforschung der Metaphern hält inne im Vorfeld der Einsichten, um den Ansichten ihr Recht widerfahren zu lassen.“ 268 Das Ziel dieser Studie ist es, genauer als bisher zu konturieren, wie die neu‐ testamentlichen Texte in ihrem unmittelbaren Entstehungskontext und im Rahmen der frühen Rezeptionsgeschichte gelesen bzw. für welche Leseanlässe sie konzipiert worden sind. Dabei wird die skizzierte, weitgehend monosi‐ tuative Verortung frühchristlicher Lesepraxis in gottesdienstlichen Versamm‐ lungskontexten (oder performativen Lesungen in Gruppen) zur Diskussion gestellt. Es wird dabei angesichts der notorischen und der Sache inhärenten Schwierigkeiten, den Lesebegriff exakt und eng zu definieren, 269 und, um das heuristische Raster nicht unnötig einzuengen, bewusst auf einen solchen der Untersuchung vorausgehenden Definitionsversuch verzichtet. Die Komplexität des Phänomens Lesen und seine Multidimensionalität (physiologisch, kogniti‐ onspsychologisch, neurologisch, semiotisch, kulturell, [kultur]historisch, sozial, politisch, medien- und kommunikationstheoretisch, usw.) kommt treffend bei U. Saxer zum Ausdruck, der Lesen, anknüpfend an M. Mauss, als Totalphänomen beschreibt. 270 Unter dem Stichwort „Lesen“ werden in dieser Studie im Rahmen eines breiten Verständnisses in den Quellen sichtbare Formen der Interaktion mit (geschriebenen) Texten untersucht, 271 wobei nicht der Anspruch erhoben 78 1 Einleitung 272 R. S. Wollenberg hat ein solches Konzept von Lesen als „ritual reading practice“ für das rabbinische Judentum als ausschließlich gültiges zu beweisen versucht. Vgl. W O L L E N B E R G , People; W O L L E N B E R G , Dangers. Schon hier sei darauf verwiesen, dass ihre dreistellige Typologie von Lesepraktiken a) „informational reading practices“, b) „ritual reading practices“ und c) „practical literacy“ (vgl. W O L L E N B E R G , Dangers, 712 f) zu grob ist und verschiedene Kategorien mischt, die bei der Beschreibung antiker Lesepraktiken differenziert werden sollten. S. meine Ausführungen unter 1.5. Vgl. außerdem meine freilich vorläufigen kritischen Bemerkungen zu Wollenbergs Analysen in Anm. 24, S. 318 u. auf S. 378 f. 273 D A R N T O N , Schritte, 102. Unter der „externen Geschichte des Lesens“ hat man z. B. die Entwicklung der Buchproduktion und des Verlagswesens, des Buchbesitzes, der institutionellen Bedingungen des Lesens und andere Daten, die mit Hilfe quantitativer Verfahren erschlossen werden, zu verstehen. Vgl. Z E D E L M A I E R , Lesegeschichte, 79. Da der Gegenbegriff „interne Geschichte“ des Lesens für das „Warum“ und „Wie“ m. E. heuristisch nicht zielführend ist (vgl. den argumentativen Aufwand, den B I C K E N B A C H , Möglichkeiten, 1 f, betreiben muss, weil er die Kategorie des „Inneren“ verwendet, um die Historizität des Leseaktes gegenüber einem universellen Verständnis von Lesen zu betonen), wäre über eine präzisere Beschreibung dessen nachzudenken, was Darnton als „interne und externe Geschichte des Lesens“ bezeichnet. wird, die Multidimensionalität im historischen Kontext der Antike auch nur annähernd vollständig zu beschreiben. Um der analytischen Genauigkeit willen wird jedoch, wenn Texte in Gruppen oder von Individuen nicht direkt über das Auge, sondern über das Ohr rezipiert werden, von indirekter Rezeption gespro‐ chen (s. u. 1.5). Zudem ist bei der Analyse antiker Quellen auch in Betracht zu ziehen, dass Lexeme, die an anderer Stelle das Phänomen „Lesen“ referenzieren, theoretisch auch bezeichnen kann, dass jemand etwas Auswendiggelerntes „vorliest“, ohne dabei ein Schriftmedium zu konsultieren. Um eine solche Praxis zu belegen, müssten allerdings klare Textsignale vorliegen. Und - so viel ist vorwegzunehmen - der Beleg einer weiten Verbreitung eines solchen Konzepts fällt für die griechisch-römische Antike schwer. 272 Doch wie kann man Lesen in historischer Dimension beobachten, um die skizzierten Verkürzungen der bisherigen Forschung zu überwinden? Während die moderne Leseforschung empirisch arbeiten kann, ist die Untersuchung vergangener Lesekulturen auf die geschichtswissenschaftliche Auswertung von Quellen angewiesen. R. Darnton hat in einem programmatischen Aufsatz (erstmals 1986 erschienen) als Ordnung für eine historische Untersuchung des Lesens die Fragen nach dem Wer, Was, Wo, Wann, Warum und Wie vorgeschlagen, wobei er konstatiert, dass es für die ersten vier Fragen, die sich auf die „externe Geschichte des Lesens“ 273 bezögen, schon zahlreiche Antworten gäbe, das „Warum“ und „Wie“ des Lesens, also der Leseakt selbst und seine Wahrnehmung und Reflexion durch antike Leser, aber noch weitgehend 79 1.4 Fragestellung, methodischer Ansatz und Vorgehen 274 Vgl. D A R N T O N , Schritte, 99-116. 275 Vgl. D A R N T O N , Schritte, 116-134. 276 Die Funde von Oxyrhynchos, die regional begrenzte statistische Untersuchungen und damit einen Beitrag im Sinne einer „externen Geschichte des Lesens“ zulassen, sind die absolute Ausnahme für die antike Welt. Die Oxyrhynchos-Funde waren in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher, v. a. sozialgeschichtlicher Untersuchungen, die vielfach auch Fragen in Bezug auf frühchristliche Lesepraxis adressierten. Vgl. z. B. J O H N S O N , Literary; E P P , Literacy; E P P , Oxyrhynchus; J O H N S O N , Bookrolls; O B B I N K , Readers; B O W M A N / C O L E S / G O N I S , Oxyrhynchus; L U I J E N D I J K , Scriptures; B L U M E L L , Chris‐ tians. Ferner zeigen die kontroverse Forschungsdiskussion um die Funde vom Toten Meer, wie schwierig es ist, aus den materiellen Überresten eine „externe Geschichte“ des Lesens in der Antike und im frühen Judentum und im frühen Christentum zu schreiben. unerforscht sei. 274 Darnton schlägt daraufhin fünf Wege vor, um das „Wie“ des Lesens zu untersuchen: 1) Die Analyse von zeitgenössischen Darstellungen des Lesens in Fiktion, Autobiographien, Bildern etc.; 2) Die Untersuchung der „Art und Weise, wie das Lesen erlernt wurde“ bzw. die Untersuchung von Literalität (auch unabhängig von der Schreibfähigkeit); 3) historische Zeugnisse des Leseaktes in Form von Marginalnotizen; 4) rezeptionsästhetische Ansätze; 5) Die Untersuchung von physischen Büchern und deren Typographie. 275 Dieser programmatische Ansatz weist eine Lücke auf. Und zwar besteht ein großes, bisher von der historischen Leseforschung ungenutztes Potential darin, die Sprache selbst, mit der über das Lesen kommuniziert und reflektiert wird, zu untersuchen. An dieser Stelle setzt die vorliegende Studie an. Für die antike griechisch-römische Welt ist dieser Ansatz nicht zuletzt deshalb vielversprechend, weil die Quellensituation insbesondere auf die von Darnton genannten Aspekte 2, 3 und 5 sowie für die Rekonstruktion einer „externen Geschichte des Lesen“ sehr viel schlechter ist als für die Zeit seit der frühen Neuzeit, 276 auf welche sich die historische Leseforschung maßgeblich bezieht. Der Ansatz der Studie besteht darin, zunächst die Leseterminologie im Griechischen zu untersuchen, mit Seitenblicken auf das Lateinische und später auf das Hebräische. Es werden also Lexeme, die Lesen entweder direkt benennen oder indirekt charakterisieren, lexikologisch und semantisch zu untersuchen sein. Dabei wird deutlich werden, dass die Leseterminologie im Wesentlichen metaphorisch und metonymisch konzeptualisiert ist. Entsprechend neuerer metapherntheoretischer Ansätze, die trotz ihrer Unterschiede in der Beschrei‐ bungssprache gemeinsame Linien aufweisen, wird die Metapher hier nicht einfach als rhetorisches Stilmittel bzw. ein Mittel poetischer Sprache aufgefasst. Vielmehr ist die Metapher als das sprachliche Zusammenwirken von zwei Größen zu verstehen, die unterschiedlichen Ordnungssystemen angehören. Die wichtige Einsicht neuerer metapherntheoretischer Ansichten besteht darin, 80 1 Einleitung 277 Vgl. dazu ausführlich mit den entsprechenden Verweisen auf die Literatur H E I L M A N N , Wein, 184-186. 278 Vgl. weiterführend z. B. die Beiträge in B A R C E L O N A , Metaphor and Metonymy; D I R V E N / P Ö R I N G S , Metaphor and Metonymy. 279 Vgl. B I C K E N B A C H , Möglichkeiten, 12. Zumindest einige physiologische Komponenten des Lesens, also die Haltung beim Lesen, die Bewegung der Augen, Pausen, Schnellig‐ dass durch das dynamische Zusammenwirken der beiden Größen in der Metapher diese etwas beschreiben, das mehr ist als die Summe der beiden Einzelgrößen. Damit nimmt die Metapher eine ganz eigene Perspektive auf das zu Beschreibende ein. Dies wiederum bedeutet im Umkehrschluss, dass sich aus der Analyse von konkreten Metaphern in Relation zum von diesen beschriebenen Referenten Erkenntnisse über diesen generieren lassen (s. u.). Diese beiden Größen, für die in der Forschung sehr unterschiedliche Bezeich‐ nungen zu finden sind, werden in dieser Studie Bildspende- und Bildempfangs‐ bereich genannt. Zudem wird berücksichtigt, dass Metaphern in vielfältigen grammatisch-syntaktischen Formen auftreten können, in einem jeweils spezi‐ fischen Verhältnis zu vorgegebenen sprachlichen Konventionen stehen, in ihrer Bedeutung situations- und kontextabhängig sind und in diachroner Hinsicht Wandlungsprozessen unterliegen (beschrieben z. B. als innovative, usuelle, konventionalisierte, lexikalisierte Metaphern). 277 Der Unterschied zwischen Metapher und Metonymie wird in dieser Studie folgendermaßen bestimmt: Im Gegensatz zur Metapher ist der Bildspende- und der Bildempfangsbereich im Falle einer Metonymie durch eine Beziehung der Kontiguität charakterisiert, wobei dem Verfasser die Abgrenzungsprobleme von Metapher und Metonymie wohl bewusst sind. 278 Im Hinblick auf die Lesemetaphern und -metonymien lässt sich das Kriterium jedoch in analytischer Hinsicht pragmatisch recht gut anwenden, da sich die Kontiguitätsbeziehung zwischen Lesemetonymie und Lesevorgang in den meisten Fällen recht genau beschreiben lässt (z. B.: „ein Buch durchblättern“ ist eine Lesemetonymie, „ein Buch verschlingen“ ist eine Metapher). Eine systematische Aufarbeitung der Sprache, der Metaphern und Metony‐ mien, die in der antiken Welt das Lesen konzeptualisiert, ist bisher nicht geleistet worden. Die Erschließung der Lese-Metaphern und -Metonymien in der antiken Literatur (aber auch in Inschriften und dokumentarischen Papyri) bietet daher einen bisher nicht genutzten Zugang zur antiken Lesekultur. Durch die Untersuchung der Leseterminologie wird eine große Fülle bisher nicht berücksichtigter Daten erschlossen, die als Selbstzeugnisse für den Lesevorgang gelten können. Insofern ist etwa auch das Diktum Bickenbachs nur teilweise richtig, dass Lesen prinzipiell unbeobachtbar sei. 279 Lesen ist zwar ein flüchtiger 81 1.4 Fragestellung, methodischer Ansatz und Vorgehen keit, die Realisierung oder Nicht-Realisierung des Gelesenen mit der Stimme usw. lässt sich von außen sehr wohl beobachten. (Die genaue Beobachtung der Augenbewegung ist auf technische Hilfsmittel angewiesen: das sog. Eye-Tracking-Verfahren.) Nicht direkt zugänglich sind freilich die kognitiven Verarbeitungsprozesse, die zwar bei modernen Lesern mit Verfahren der neurowissenschaftlichen Forschung zum Teil vi‐ sualisiert werden können, bei antiken Lesern aber tatsächlich von außen unbeobachtbar sind. Es ist zwar richtig, dass diese Prozesse, wie Bickenbach ausführt, auch für den Leser selbst zum Teil unbewusst ablaufen, und daher nicht beobachtet werden; es ist aber davon auszugehen, und es wird im Rahmen der Untersuchung deutlich werden, dass die individuelle Metareflexion antiker Leserinnen und Leser sich auch in der Le‐ seterminologie und in den Texten, in denen Lesen thematisiert wird, niedergeschlagen hat. 280 Der Ansatz der Studie basiert hier maßgeblich auf den Einsichten aus der kognitiven Linguistik und der Theorie von konzeptuellen Metaphern. Vgl. dazu L A K O F F / J O H N S O N , Metaphors; F A U C O N N I E R , Mental Spaces; L A K O F F / T U R N E R , More; F A U C O N N I E R / S W E E T S E R , Spaces; F A U C O N N I E R / T U R N E R , Blending; F A U C O N N I E R , Mappings; G R A D Y , Foundations; L A K O F F / J O H N S O N , Philosophy; F A U C O N N I E R / T U R N E R , Way. Vgl. auch die semiotische Reformulierung bei B R A N D T , Spaces; B R A N D T / B R A N D T , Making Sense. Vgl. aber auch die kritische Evaluation bei H A S E R , Metaphor, die allerdings das heuristische Potential der kognitionslinguistischen Metapherntheorien nicht dekonstruiert. Vgl. P A N T H E R / T H O R N ‐ B U R G , Metonymy, u. M A T Z N E R , Rethinking Metonymy, für eine kognitiv-linguistische Perspektive auf Metonymien. 281 Vgl. z. B. C A I R N S , Vêtu; C A I R N S , Mind; C A I R N S , Clothed; C A I R N S , Metaphors; C A I R N S , Zorn; C A I R N S / N E L I S , Emotions; C A I R N S , Tripartite. 282 C A I R N S , Mind, 1. und momentaner Akt, hat aber in der Dokumentation der Selbstwahrnehmung und der Selbstreflexion Spuren in der Sprache hinterlassen. Dem methodischen Ansatz liegt die Einsicht zugrunde, dass Metaphern und Metonymien aus kog‐ nitionswissenschaftlicher Sicht eine besondere Bedeutung für die menschliche Wahrnehmung haben. 280 Diese Einsichten aus der kognitiven Linguistik sind in den Altertumswissenschaften schon für die Erforschung von Emotionen fruchtbar gemacht worden, wie die Arbeiten von D. Cairns zeigen. 281 Seine Ana‐ lysen antiker Emotionskonzepte basieren auf der folgenden Grundannahme: “[P]roperties of emotions […] depend not just on objective processes in the body, the brain, and the world, but on the representation of the phenomenology of such processes in the intersubjective system that is language. […] Though they [i. e. the properties of emotions] exist in the shared and intersubjective system of language.” 282 Daher können antike Emotionskonzepte durch die Erschließung und Analyse von Metaphern, die Emotionen konzeptualisieren, rekonstruiert werden. Um dementsprechend der Selbstwahrnehmung des eigenen Leseprozesses auf die Spur zu kommen, ist also die metaphorisch und metonymisch konzeptuali‐ sierte Leseterminologie zu untersuchen. Die zu erwartende Heterogenität der 82 1 Einleitung 283 Eine systematische und auf Vollständigkeit abzielende Anwendung dieser Verfahren waren aus Gründen der Bearbeitbarkeit im Rahmen dieser Studie nicht möglich. antiken Beschreibungssprache, in der sich die Selbstwahrnehmung antiker Leser kondensiert hat, reflektiert dabei die Vielfalt antiker Lesepraxis, von Lese- und Verstehensgewohnheiten bis hin zu Lesetechniken. In methodischer Hinsicht ist zwischen lexikalisierten Metaphern, bei deren Verwendung die Metaphorizität in den meisten Fällen nicht mehr im Bewusstsein ist, und innovativen Meta‐ phern zu unterscheiden. Das größte Erkenntnispotential im Hinblick auf die Selbstwahrnehmung des Lesens haben freilich innovative Metaphern, da diese mutmaßlich einen spezifischen Aspekt des Lesens betonen wollen. Aber auch die lexikalisierten Metaphern (insbesondere, wenn sie nicht das Hauptleseverb einer Sprache bilden) lassen Rückschlüsse auf die Selbstwahrnehmung antiker Lesepraxis zu, und zwar dann, wenn sie in Relation zu direkten Beschreibungen und Reflexionen antiker Lesepraxis und in Relation zur materiellen Dimension antiker Lesepraxis gesetzt werden. Die Sprache, mit der über das Lesen kommuniziert wird, kann also auch nicht ohne den Bezug zur materiellen Dimension antiker Lesepraxis untersucht werden. Daher beginnt der erste Hauptteil der Studie (II) mit einem Überblick über die Vielfalt von Lesemedien in der Antike (2), zu denen die Lesetermini in Relation zu setzen sind. Darauf folgt die Darstellung der Ergebnisse der lexikologischen und semantischen Untersuchung der antiken Beschreibungs‐ sprache des Lesens, die entlang der Bildspendebereiche der metaphorischen und metonymischen Konzepte strukturiert ist. Für die Untersuchung der antiken Leseterminologie selbst, deren Ergebnisse in der vorliegenden Studie dargelegt werden, wurde eine semi-automatisierte Heuristik angewandt. Und zwar bestand die Erschließung der Lexeme, Wen‐ dungen und Konzepte aus einem Wechselspiel unsystematisch explorierender Zugänge zu den Quellen und der systematischen Anwendung von Methoden der digitalen Korpusanalyse. Das bedeutet, es wurden erstens zunächst zahlreiche Quellen gelesen und Lesetermini identifiziert, sowie zweitens Übersetzungen nach modernen Lesetermini digital durchsucht, um die übersetzten griechischen (und lateinischen) Lexeme und Wendungen zu finden, die „Lesen“ konzeptu‐ alisieren. Diese Form der Heuristik wurde ergänzt durch digitale Verfahren der Kookkurrenzanalyse und der Nutzung von Vektorisierungsverfahren zur Suche von Synonymen. 283 Kombiniert mit den Lexemen für Lesemedien konnten mit Hilfe dieser erschlossenen Lesetermini und Wendungen dann durch die proximity search im Thesaurus Linguae Graecae (TLG) und in der Library Latin 83 1.4 Fragestellung, methodischer Ansatz und Vorgehen 284 S. o. Anm. 241, S. 72. Für das Lateinische sind die entsprechenden lexikographischen Daten freilich im Thesaurus linguae Latinae (TLL) leichter verfügbar als für das Altgriechische. 285 Vgl. die berechtigte Kritik an der gängigen Vorgehensweise bei der Erstellung von Wörterbüchern von L E E , Brill Dictionary (weiterführend L E E , History). Das größte Problem der altgriechischen Lexikographie liegt in der überwältigenden Menge der zu analysierenden Daten. Vgl. A U B R E Y , Issues, 163 f. Der TLL ist von dieser Kritik freilich ausgenommen. Texts (LLT) eine große Anzahl von Quellen neu erschlossen werden, in denen Lesen in der Antike thematisiert wird. Der skizzierte Ansatz hat daher gegenüber Forschungsansätzen, die entweder die Lautstärke des Lesens, die materiellen Zeugnisse oder Fragen der Litera‐ litätsrate als „äußere Bedingungen“ des Lesens in der Antike ins Zentrum gerückt haben, den Vorteil, dass das Phänomen Lesen in einer breiteren Per‐ spektive in den Blick kommen kann. Die oben skizzierte Ausgangslage der Forschung hängt mit einem drängenden Desiderat zusammen, nämlich der grundlegenden Erschließung der überhaupt in Betracht kommenden Quellen. Denn die bisherigen Engführungen der Forschung haben dazu geführt, dass die zur Diskussion stehende Quellenbasis viel zu klein ist. Dies zeigt sich symptomatisch daran, dass das Vokabular des Lesens im Griechischen (und Lateinischen) bei weitem nicht vollständig erschlossen ist, 284 geschweige denn sämtliche Quellen, die in der antiken Literatur auf Leseszenen oder Lesen als Kulturtechnik im Allgemeinen verweisen, und die Einträge in den gängigen Lexika (aus nachvollziehbaren Gründen) defizitär sind. 285 Vorab ist allerdings schon darauf hinzuweisen: Angesichts der Fülle von Daten ist eine vollständige Erschließung aller Stellen, an der Lesen in den Quellen thematisiert wird, im Rahmen dieser Studie nicht zu leisten. Die Erschließung der Lesetermini zeigt, dass es sich um ein historisches Thema handelt, bei dem einmal nicht über das Fehlen von Quellen geklagt werden muss - vielleicht ein Grund, warum die systematische Untersuchung über die Disziplinengrenzen hinweg bisher nicht realisiert worden ist. Zur Veranschauli‐ chung: Allein für die am weitesten verbreiteten Lexeme, die das Phänomen Lesen im Griechischen beschreiben, ἀναγιγνώσκω und ἐντυγχάνω (hier aller‐ dings nur als eine Bedeutung des Verbes unter vielen), finden sich im TLG für die Zeit vom 8. Jh. v. Chr. bis zum 5. Jh. n. Chr. rund 8800 bzw. 6400 Einträge. Um der Materialfülle zu begegnen, musste daher ein pragmatischer Weg gewählt werden. Bei der Analyse habe ich mich darauf beschränkt, so viele Stellen für die jeweiligen Verben zu begutachten, bis sich ein quantitativ relativ valides Bild ergeben hat. Das bedeutet, dass die Suche dann abgebrochen werden konnte, wenn die gefundenen Belegstellen lediglich schon Bekanntes wieder und wieder 84 1 Einleitung bestätigten. Für das Verb ἀναγιγνώσκω wurden dazu z. B. weit mehr als 3500 Belegstellen geprüft (die Belegstellen zu den Derivaten von ἀναγιγνώσκω konnten angesichts der deutlich geringeren Anzahl größtenteils vollständig durchgesehen werden). Auch bei der Interpretation der Quellen im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit musste eine exemplarische Auswahl der aussagekräftigsten Stellen getroffen werden. Als aussagekräftige Stellen gelten solche, die differenzierte Aussagen über Lesepraktiken im Hinblick auf die unter 1.5 zu entwickelnden Kategorien ermöglichen. Methodisch ist bezüglich der Interpretation der Quellen Folgendes anzu‐ merken: Es wird davon ausgegangen, dass literarische Texte, in denen Lese‐ szenen vorkommen, Weltwissen reflektieren und im Hinblick auf die antike Lesekultur ausgewertet werden können, selbst wenn es fiktionale Gehalte sind, die erzählt werden. Diese Voraussetzung gilt auch für die weiteren Hauptkapitel (s. u.) und wird bei der Analyse der jeweiligen Texte nicht mehr im Einzelnen erwähnt. Trotz dieser Beschränkungen bietet der im Rahmen dieser Studie gewählte methodische Ansatz ein großes Potential nicht nur zur Erforschung der an‐ tiken Lesekultur, der mit dem Anspruch auf Vollständigkeit allerdings nur im Rahmen eines großen Forschungsprojektes realisiert werden könnte. Diese Studie versteht sich daher als Ansatz, der gleichsam ein neues Forschungsfeld für die altertumswissenschaftlichen Fächer sowie für die neutestamentliche und patristische Forschung aufzeigt, umreißt und zu etablieren versucht. Im Anschluss an die lexikologische und semantische Analyse wechselt der Fokus wieder zur materiellen Dimension antiker Lesekultur. Auf der Grundlage der Untersuchung der Lesetermini und der dadurch gewonnenen Erkenntnisse widmet sich die Studie dann unter Punkt 4 dem Zusammenhang zwischen dem griechischen Schriftsystem, das durch die scriptio continua gekennzeichnet ist, und anderen „typographischen“ Merkmalen der griechischen Schriftkultur auf der einen Seite und dem Lesen auf der anderen Seite. Um das Bild bezüglich der antiken Lesekultur weiter zu vervollständigen, folgen darauf kurze Hinweise zum Thema Publikation und Verfügbarkeit von Literatur und der Frage nach dem Lesepublikum (5). Unter Punk 6 wird dann der Ertrag der Untersuchung des ersten Hauptteils festzuhalten und einen systematischen und zusammen‐ fassenden Überblick über die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte zu geben sein. Die im ersten Hauptteil (2-6) gewonnenen Ergebnisse werden sodann in zwei Schritten für die Untersuchung von Texten aus dem antiken Judentum (7) und dem NT (8) fruchtbar gemacht, in denen Lesen thematisiert, oder Lesepraktiken (implizit oder explizit) reflektiert werden. Ein besonderer Fokus 85 1.4 Fragestellung, methodischer Ansatz und Vorgehen 286 So jüngst formuliert von A L L E N / D U N N E , Reading, 244. wird auf solche Stellen gelegt, an denen selbstreferenziell die Rezeption the‐ matisiert wird. Leitend bei der Analyse ist die Frage, inwiefern die Texte Aufschluss geben können über Lesepraktiken im Hintergrund der Texte bzw. auf die intendierte Rezeptionsweise des jeweils vorliegenden Textes. In exege‐ tisch-methodischer Hinsicht bedeutet dies, dass der Hauptschwerpunkt der Analyse, unter vereinzelter Berücksichtigung diachroner und v. a. traditions‐ geschichtlicher Fragen und textkritischer Perspektiven, im Hinblick auf die biblischen Texte synchron orientiert ist, wobei die konkreten linguistischen (und narratologischen) Zugänge zu den Texten durch das vorher entwickelte Modell (sozial- und medien-)geschichtlich kontextualisiert werden. Den Abschluss der Arbeit bildet ein Ausblick auf die Lesekultur in der Alten Kirche. Hier sind die Implikationen der Ergebnisse der Studie für die Frage nach dem Stellenwert des Lesens im frühen Christentum und der Frage nach dem Lesen im Kontext der Abschreibepraxis neutestamentlicher Texte knapp zu skizzieren. Weiterführend werden die Hinweise auf Vorleser bzw. für das „Lek‐ torenamt“ als Evidenz für „gottesdienstliche“ Lektüre kritisch zu diskutieren sein. Sodann ist ein Überblick über die Vielfalt früchristlicher Lesepraktiken anhand exemplarisch ausgewählter und aussagekräftiger Quellen aus der Zeit der frühen Kirche zu geben. Zuletzt sind die Implikationen der Ergebnisse der Studie für die Frage nach der Entstehung des neutestamentlichen Kanons anzudeuten. 1.5 Beschreibungssprache und weitere terminologische Klärungen „The conceptual basis of reading as a diverse and omnipresent operation in [Greco-Roman,] Jewish and Christian antiquity is in need of a more robust theoretical underpinnings.“ 286 Um Lesen entsprechend des skizzierten Ansatzes in historischer Dimension beschreiben zu können, bedarf es einer differenzierten Beschreibungssprache, die nicht schon durch die Verwendung geprägter Termini bestimmte, diachron orientierte Hypothesen zur historischen Entwicklung des Lesens in den Befund hineinprojizieren. Hier ist angesichts der skizzierten Desiderate und der Eng‐ 86 1 Einleitung 287 Vgl. zum Folgenden K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 220 f; B I C K E N B A C H , Möglichkeiten, passim; R A U T E N B E R G / S C H N E I D E R , Historisch, 96 f. 288 Verglichen mit dem Modell, das J. A. Howley seiner Untersuchung von „Lesen“ in Gellius’ Noctes Atticae zugrunde legt, entsprechen die Kategorie 1 (ferner auch die Kategorie 2) der Frage nach dem „how“, die Kategorie 3 dem „why“ und dem „what then“ (vgl. H O W L E Y , Aulus Gellius, 70 f). Dem Modell fehlt allerdings eine Ausdifferen‐ zierung der einzelnen Fragen. Dadurch und durch den Verzicht auf die Unterscheidung zwischen Leseweise und Lesesituation ist die Beschreibungsgenauigkeit zu gering. führung der Forschung auf die Fragen nach dem „lauten“ und „leisen“ Lesen, nach Oralität und communal reading bzw. performativen Lesepraktiken ein Neuansatz notwendig, der sich freilich an der Metasprache der Leseforschung zu orientieren hat. Die moderne Leseforschung und insbesondere die jüngere historische Leseforschung nutzt ein breites Spektrum von z. T. aus der Didaktik stammenden Beschreibungskategorien, die hier selektiert, systematisierend zusammengefasst und zusammengeführt, sowie um zahlreiche Aspekte ergänzt werden. 287 Es ist zu betonen, dass die folgenden Kategorien zunächst aus Gründen der Heuristik eingeführt werden, also um das Phänomen Lesen in den antiken Quellen multiperspektivisch beobachten zu können. Die Verwendung der Kategorien steht allerdings unter dem methodischen Vorbehalt, dass sie vor allem an der Beobachtung und Selbstbeobachtung von Leserinnen und Lesern in der Neuzeit gewonnen wurden und nicht einfach auf die antiken Verhältnisse projiziert werden dürfen. Die Anwendungsmöglichkeit der Kategorien auf das Phänomen Lesen in der Antike ist daher im Rahmen dieser Studie im Einzelnen am Quellenmaterial zu erweisen. In dieser Studie werden zu analytischen Zwecken drei Dimensionen der Praxis des Lesens unterschieden; oder anders formuliert. Der von Zedelmaier verwendete Terminus der Modalität des Lesens (s. o.) wird dreistellig bestimmt: 1) die Leseweise, 2) die Lesesituation, 3) das Ziel bzw. der Zweck eines Lese‐ aktes/ einer Lesepraxis. 288 87 1.5 Beschreibungssprache und weitere terminologische Klärungen Dimensionen der Praxis des Lesens Ziel/ Zweck Vortrag ... Autorenlesung Selbstdarstellung Wettbewerb Offizieller Akt (z.B. vor Gericht, in einer politischen Versammlung) Informationsweitergabe Meditation/ geistliche Übung Unterhaltung ästhetischer Genuss Evaluation/ Korrektur vollständiges Erfassen Konsultation/ Suche Studium/ Lernen ... rhetorische Bildung Inspiration Aneignung für eigene Textproduktion Wissenserwerb Lesesituation Zeit nachts abends nachmittags morgens Ort ... öffentlicher Platz Wagen Villa Natur Gericht Speiseraum/ Triklinium Versammlungsraum- Bett Privatraum Bibliothek Intentionalität intentional zufällig Grad der Inszenierung inszeniert < alltäglich Diskursivität ohne Unterbrechung unterbrechend - Denk-/ Exzerpt-/ Schreibpausen unterbrechend - Gesprächspausen- Öffentlichkeit nicht-öffentlich öffentlich Haltung laufend stehend liegend sitzend Verhältnis des/ der Rezipienten zum Lesemedium kollektiv-direkt kollektiv-indirekt individuell-direkt individuell-indirekt Lesemedium ... Stein Kodex Holztafel Rolle Leseweise Umfang selektiv vollständig Kontinuität diskontinuierlich sequentiell Frequenz singulär iterativ Grad der Aufmerksamkeit vertieft/ intensiv > oberflächlich Geschwindigkeit langsam < schnell Stimmeinsatz nicht-vokalisierend (aber: innere Stimme) subvokalisierend vokalisierend Lautstärke/ akustische Wahrnehmbarkeit still/ nicht-hörbar laut > leise Abb. 1: Dimensionen der Praxis des Lesens 88 1 Einleitung 289 G A V R I L O V , Techniques, 58. 290 Vgl. G A V R I L O V , Techniques, 58, im Anschluss an G I B S O N / L E V I N , Psychology, Kapitel 10. 291 Zu unpräzise ist m. E. die Unterscheidung von oralisiertem und nicht-oralisiertem Lesen (vgl. z. B. S V E N B R O , Griechenland, passim; D R O N S C H , Bedeutung, 359), da hier der Mund verkürzend für den gesamten Stimmerzeugungsapparat steht und insbesondere die Differenzierung zwischen verschiedenen Arten des Stimmeinsatzes unberücksichtigt bleiben. 292 Diese Verwendungsweise findet sich insbesondere in der unüberblickbaren Ratgeberli‐ teratur zur Beschleunigung und Optimierung der eigenen Lesepraxis. Die gängige These (die sich schon bei S T E V E N S / O R E M , Characteristic, findet) lautet, dass das Ausschalten der „Subvokalisation“, gemeint ist das innere Mitsprechen, zu einer quantitativen Effizienzsteigerung des Lesens führe. Vgl. z. B. K O C H , Speed, 51-54. Vgl. dazu in kritischer Perspektive z. B. M I C H E L M A N N / M I C H E L M A N N , Effizient, 183 ff, ferner auch B U Z A N , Speed, 168 f, leider ohne Belege. Vgl. außerdem Anm. 295, S. 90. 293 Vgl. dazu V I L H A U E R , Inner Reading Voices. 294 Vgl. dazu etwa mit weiterführenden Hinweisen auf die Forschung K U R B Y / M A G L I A N O / R A P P , Voices; Y A O / B E L I N / S C H E E P E R S , Silent Reading; P E R R O N E -B E R T O L O T T I / K U J A L A / V I D A L / H A M A M E u. a., How Silent Is Silent Reading? ; M O B E R G E T / H I L L A N D / A N D E R S S O N / L U N D A R / Ad 1) Die Leseweise lässt sich anhand mehrerer Parameter differenziert be‐ schreiben: Die Parameter Stimmeinsatz, Lautstärke, Geschwindigkeit stehen zwar in einem engen Relationsgefüge, sollten aber aus Gründen der Präzision differenziert werden. Im Forschungsdiskurs werden die Aspekte häufig ver‐ mischt. A. K. Gavrilov führt, wie oben angedeutet, die Kategorien a) reading aloud, b) subvocalization („movement of the lips, tongue, and throat without the production of audible sounds“ 289 ) und c) silent reading in die Diskussion um das Lesen in der Antike ein. 290 Die Kategorien a) und c) beschreiben dabei die Parameter Lautstärke/ Hörbarkeit, die Kategorie c) gemäß Gavrilovs Definition den Einsatz des Stimmerzeugungsapparates. Demgegenüber sollte der Einsatz der Stimme in a) vokalisierendes, b) subvokalisierendes und c) nicht-vokalisierendes 291 Lesen differenziert werden. Dabei wird die Definition des subvokalisierenden Lesens von der weit verbreiteten Praxis abgegrenzt, das innere Mitlesen damit zu bezeichnen, 292 und dahingehend erweitert, dass auch Fälle eingeschlossen sind, bei denen durchaus hörbare, aber für den Außenstehenden nicht vollständig erkennbare Laute durch den Stimmapparat (Murmeln) erzeugt werden. Nicht-vokalisierend beschreibt - in Anknüpfung an Gavrilov - Lesen als rein visuell-mentalen Prozess ohne Einsatz der Stimm‐ erzeugungsorgane. Damit ist allerdings noch keine Aussage über die mentale Repräsentation der inneren Lesestimme gesagt. 293 Ob es nämlich überhaupt ein Lesen ohne die Aktivierung der inneren Lesestimme bzw. ohne die Aktivierung des phonologischen Verarbeitungssystems im Gehirn (auditory cortex) gibt, ist vor dem Hintergrund der neurowissenschaftlichen Leseforschung fraglich. 294 89 1.5 Beschreibungssprache und weitere terminologische Klärungen D U E -T O N N E S S E N u. a., Silent Reading; K E L L / D A R Q U E A / B E H R E N S / C O R D A N I / K E L L E R / F U C H S , Phonetic; sowie die Angaben in Anm. 20, S. 219). 295 Vgl. dazu die kritische Metastudie M U S C H / R Ö S L E R , Schnell-Lesen. Das Problem der Studien ist insbesondere die Möglichkeit einer validen Messbarkeit des Leseverständ‐ nisgrades. Nichtsdestoweniger können auch Musch und Rösler nicht ausschließen, dass es durchaus vereinzelt außergewöhnliche Schnell-Leser (mehr als 1500 Worte/ Min.) mit einem hohen Grad an Leseverständnis gibt, worauf einzelne Studien hindeuten. Fraglich sei allerdings, ob es eine Möglichkeit des Trainings zum außergewöhnlichen Schnell-Lesen bei Beibehaltung der Verstehensleistung gebe. 296 Vgl. dazu mit den entsprechenden Verweisen die Ausführungen unter 4.1. 297 Vgl. stellvertretend den Titel des Aufsatzes B U S C H , Lesen. Und die Studien zu den Grenzen des Schnell-Lesens, auf denen basierend vor allem die Ratgeberliteratur zur Technik des extremen speed-reading propagiert, man müsse seine innere Lesestimme abschalten, um schneller zu lesen, genügen jedoch grosso modo nicht den wissenschaftlichen Standards der empirischen Forschung. 295 Die empirisch-psychologische Leseforschung ist zudem mit dem Problem konfrontiert, dass sich nicht alle Leserinnen und Leser der inneren Lesestimme bewusst sind. Denn auch beim schnellen, überfliegenden Lesen kann die innere Lesestimme den Text vor dem inneren Ohr realisieren, da sie a) nicht zwingend jedes Wort (vollständig) ausartikulieren muss und b) schneller sein kann, da sie nicht an die physiologische Begrenztheit des menschlichen Artikulationsapparates gebunden ist. 296 Während in der anglophonen Forschung bezüglich der Lautstärke und Hörarbeit vom silent reading als Gegensatz zum reading aloud gesprochen wird, findet sich im deutschsprachigen Forschungsdiskurs die unpräzise Gegenüber‐ stellung von „lautem“ und „leisem“ Lesen. 297 Das Adjektiv „leise“ ist im Deut‐ schen semantisch mit „immer noch hörbar“ konnotiert und eignet sich daher nicht dazu, das nicht-vokalisierende Lesen zu beschreiben. In dieser Studie wird bezüglich der Lautstärke eine dreistellige Unterscheidung eingeführt, die impli‐ ziert, dass es sich wie bei der Geschwindigkeit um Pole einer Skala handelt. Denn sowohl beim vokalisierenden als auch beim subvokalisierenden Lesen kann die Lautstärke variieren. Die Geschwindigkeit kann bei allen drei Formen des Stimmeinsatzes variieren, wobei subvokalisierendes Lesen potentiell schneller sein kann, als ausartikulierendes, vokalisierendes Lesen. Nicht-vokalisierendes Lesen hat dann noch einmal einen potentiellen Geschwindigkeitsvorteil gegen‐ über dem subvokalisierenden Lesen. In Abgrenzung von Teilen der historischen Leseforschung, die bezüglich der Leseweisen intensive von extensiver Lektüre unterscheidet, und damit in diachroner Perspektive einen Veränderungsprozess im 18. Jh. beschreibt - vom wiederholten, andächtigen (langsamen und auf Wiedererkennung sowie 90 1 Einleitung 298 Hauptvertreter dieser klassischen These einer Leserevolution im 18. Jh. ist R. Engelsing, der die Unterscheidung von Intensivlektüre und Extensivlektüre in den Diskurs einge‐ führt hat. Vgl. E N G E L S I N G , Analphabetentum; E N G E L S I N G , Bürger; E N G E L S I N G , Sozialge‐ schichte. Die These (und damit auch die Unterscheidungskategorien) wurde vielfach übernommen (vgl. z. B. M A R T I N O , Leihbibliothek, 9 ff), aber auch kritisch diskutiert und differenziert (vgl. z. B. Z E D E L M A I E R , Lesetechniken, 12; S C H Ö N , Geschichte; W I T T M A N N , Leserevolution; C A V A L L O / C H A R T I E R , Einleitung, 42-44, weisen darauf hin, dass es vor und nach der von Engelsing postulierten „Leserevolution“ beide Lektüreformen gab). 299 Vgl. weiterführend die kritische Auseinandersetzung insbesondere mit den impliziten Wertungen, die der beschreibungssprachlichen Unterscheidung von Intensivlektüre und Extensivlektüre zugrunde liegen bei K Ö N I G , Geschichte, 136 f; W I T T M A N N , Leserevolution, 423; S C H Ö N , Geschichte, 23. 300 Die Kategorien „diskontinuierlich“ und „selektiv“ sind von B A U M A N N , Bilder, 126 f, übernommen. Memoration zielenden) Lesen einer geringen Anzahl (v. a. religiöser) Texte hin zu einem Leseverhalten, das durch die singuläre (kursorische und schnellere) Lektüre einer großen, abwechslungsreichen Vielfalt von Lesestoffen gekenn‐ zeichnet ist 298 - muss m. E. zwischen dem Aspekt Grad der Aufmerksamkeit und der Lesefrequenz präziser unterschieden werden. 299 Der Grad der Aufmerk‐ samkeit, mit denen sich Leserinnen und Leser dem Text widmen, kann mit den raummetaphorischen Adjektiven vertieft vs. oberflächlich beschrieben werden. Sprachlich wird damit durchaus an die von außen erkennbare habituelle Form unterschiedlicher Grade von Aufmerksamkeit bei Leserinnen und Lesern angeschlossen. Dies gilt auch für den synonym verwendeten Terminus der intensiven Lektüre, womit in dieser Studie eine Form von besonders gründlichem, aufmerksamem Lesen bezeichnet wird. Diese Form von Lektüre zielt auf einen besonders hohen Grad an Textverstehen. In Bezug auf antike Leser ist der Grad an Aufmerksamkeit freilich nur an der in Texten kondensierten Beobachtung von Leserinnen und Lesern oder an bildlichen Darstellungen zu erheben. Als Lesefrequenz wird hier die Unterscheidung zwischen iterativer Lektüre, dem mehrfachen Lesen eines Textes oder Textabschnittes, und der sin‐ gulären Lektüre eines Textes (bzw. mehrerer Texte hintereinander) bezeichnet. Zudem sind vom Grad der Aufmerksamkeit und von der Lesefrequenz die Kontinuität und der Umfang des gelesenen Textes in Bezug auf den Gesamttext zu unterscheiden. Ein Text kann sequentiell (linear entlang des Textes) oder diskontinuierlich gelesen werden; zudem kann ein Text vollständig oder selektiv rezipiert werden. 300 Diese zusätzliche vierfache Unterscheidung ist notwendig, da eine diskontinuierliche Lektüre z. B. durchaus auf Vollständigkeit hin ausge‐ richtet sein kann, die Lektüre sich aber nicht an die Linearität des Textes hält. Diese Form der Lektüre ist z. B. in der Gegenwart typisch für wissenschaftliche Texte. 91 1.5 Beschreibungssprache und weitere terminologische Klärungen 301 So spricht z. B. H Ö S C H E L E , Muse, 111-122, im Hinblick auf die Rezeption von Inschriften von einem accidental reader, der die Inschrift nur liest, weil er zufällig auf seinem Weg daran vorbeikommt. Ad 2) Mit der Lesesituation soll die Verortung eines Leseaktes in Zeit und Raum beschrieben werden, wobei der konkrete Ort, die konkrete Tageszeit, die Länge des Leseaktes, die Haltung, die beim Lesen eingenommen wird, und das Lesemedium sehr unterschiedlich determiniert sein können. Eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten findet sich in Abb. 1. Die in der Forschung gängige Unterscheidung privat vs. öffentlich wird hier zugunsten einer differen‐ zierteren Terminologie erweitert. Unter privater Lektüre wird in der Forschung zumeist verstanden, dass eine Person ein Lesemedium direkt liest; das Adjektiv „öffentlich“ beschreibt dagegen Vorlesesituationen (communal/ public reading), in der ein Vorleser einem Hörpublikum vorliest. Dieser Begriffsgebrauch ist insofern unpräzise, als so verstandene „private“ Leseakte je nach Ort auch in der Öffentlichkeit stattfinden bzw. so verstandene Situationen gemeinschaftlicher Lektüre in einer Gruppe durchaus einen privaten Rahmen haben können. Daher ist zu unterscheiden zwischen öffentlicher und nicht-öffentlicher Lesepraxis auf der einen Seite und dem Verhältnis des/ der Rezipienten zum Lesemedium auf der anderen Seite. Letzteres kann direkt oder indirekt sein. Individuell-direkte Lektüre beschreibt Lesesituationen eines einzelnen Rezipienten, der ein Lese‐ medium direkt mit seinen Augen liest, dies kann im privaten oder öffentlichen Rahmen stattfinden. Individuell-indirekte Lektüre ist z. B. dann gegeben, wenn ein Vorleser jemandem individuell einen Text vorliest. Kollektiv-direkte Lektüre bezeichnet Situationen, in denen mehrere Rezipienten in einem Raum ein oder mehrere Lesemedien rezipieren. Kollektiv-indirekte Rezeption beschreibt die Vorlesesituation, die in der anglophonen Forschung als communal reading oder public reading bezeichnet wird. Während kollektiv-indirekte Rezeption auf den Akt der Rezeption durch Hörer verweist, soll der Terminus Vortragslesen den komplementären Akt des Vorlesens bezeichnen. Darüber erscheinen zwei weitere Kategorien sinnvoll: Der Grad der Inszenierung kann zwischen alltäg‐ lich und inszeniert skaliert werden, um gängige, aber unscharfe Kategorien wie performative Leseakte oder liturgische Lesungen zu präzisieren. Unter der Kategorie Diskursivität wird angegeben, ob ein Text ohne Unterbrechung gelesen wird oder ob das Lesen durch Gesprächspausen (bei kollektiver Lektüre) oder durch Denk-, Exzerpt-, oder Schreibpausen unterbrochen wird. Hilfreich erscheint es sodann zwischen zufälligen und intendierten Leseakten zu unter‐ scheiden. 301 Ad 3) Das Ziel bzw. der Zweck eines Leseaktes können sehr vielfältig sein. Unterschieden werden in dieser Studie: a) Studium und Lernen, das jeweils 92 1 Einleitung 302 Zum PISA-Kompetenzmodell vgl. N A U M A N N / A R T E L T / S C H N E I D E R / S T A N A T , Lesekompe‐ tenz. Vgl. exempl. aus der unüberblickbaren Vielfalt der Literatur S C H I E F E L E / A R T E L T / S C H N E I D E R / S T A N A T , Struktur; G R O E B E N / H U R R E L M A N N , Lesekompetenz; G A R B E / H O L L E / J E S C H , Texte; L E N H A R D , Leseverständnis. wieder mit anderen Zielen verbunden sein kann (Wissenserwerb, Aneignung für die eigene Textproduktion, Inspiration, rhetorische Bildung usw.), b) die Konsultation eines schriftlichen Textes, um gezielt nach einer Information zu suchen oder eine Frage zu beantworten, c) das vollständige Erfassen eines schriftlich verfassten Textes, d) die sprachliche und/ oder inhaltliche Korrektur eines Textes bzw. evaluatives Lesen, das dazu dient, einen Text zu bewerten; Lesen als e) rein ästhetischer Genuss oder f) zu Unterhaltungszwecken oder g) zur Meditation bzw. als geistliche Übung. Zuletzt h) das Lesen zu Vor‐ tragszwecken, das wiederum mit unterschiedlichen Zielsetzungen, wie der Informationsweitergabe oder der Selbstdarstellung verbunden sein bzw. einen offiziellen Akt (z. B. vor Gericht) darstellen kann. Als eine besondere Form des Vortragslesens muss außerdem die Autorenlesung unterschieden werden, bei der ein Text entweder im Rahmen des Redaktionsprozesses oder nach Abschluss eines Werkes vorgelesen werden kann. Zum Beobachtungsbereich Ziel/ Zweck von Leseakten gehört zuletzt auch das Verhältnis von Lesen und Verstehen, also der kognitiven Verarbeitung und Wei‐ terverarbeitung des Gelesenen. Das Leseverstehen spielt in der modernen Lese- und Lernforschung spätestens seit den PISA-Ergebnissen zu Beginn der 2000er und der darauffolgenden Kompetenzdebatte eine zentrale Rolle. Wegen feh‐ lender empirischer Untersuchungsmöglichkeiten tragen jedoch die modernen, stark ausdifferenzierten Modelle zur Beschreibung von Lesekompetenzen 302 nur wenig zur Untersuchung der antiken Lesekultur bei. Zu berücksichtigen gilt jedoch einerseits die banale Einsicht, dass der Grad des Leseverstehens vom Schwierigkeitsniveau des gelesenen Textes abhängt. Andererseits muss man sich im Hinblick auf die Quellensprache des Verstehens bewusst machen, dass Leseverstehen skaliert werden muss. Wenn jemandem die Buchstaben eines Schriftsystems nicht bekannt sind, kann er diese Schrift nicht lesen, also auch nicht verstehen. Aber auch, wenn jemand die Buchstaben lesen und die Phonem-Graphem-Korrespondenzregeln einer Sprache beherrscht, aber etwa die Vokabeln und Grammatik nicht, kann er einen Text in dieser Sprache zwar lesen, aber nicht verstehen. Auf der anderen Seite des völligen Nicht-Verstehens liegt auf der Skala, mit welcher der Grad des Verstehens zumindest theoretisch beschrieben werden könnte, des Verstehen der eigentlichen, tieferen, allego‐ rischen, übertragenen o. ä. Bedeutungsdimension eines Textes, das hier als interpretatorisches Verstehen bezeichnet werden soll. 93 1.5 Beschreibungssprache und weitere terminologische Klärungen 303 H O W L E Y , Aulus Gellius, 70, nennt dies die Frage nach dem „what then“. Ferner können im Rahmen dieser Kategorie auch nicht-intendierte „Folgen“, die „Effekte“ von Leseerfahrungen bzw. die Reaktionen von Lesern auf Texte, beschrieben werden. 303 Dies systematisch zu untersuchen, würde aber in dieser Studie zu weit führen. Eine vierte Dimension der Praxis des Lesens ist darüber hinaus die Beschaf‐ fenheit des gelesenen Textes, worunter z. B. die Frage nach der Gattung, text‐ linguistische Fragen nach Syntax, Textkohärenz und -kohäsion, Intratextualität und Intertextualität usw., aber auch narratologische Fragen gehören. Diese Aspekte stehen jeweils in einem komplexen interrelationalen Verhältnis zu den anderen Kategorien. Auf Grund der daraus resultierenden Komplexität, können diese Fragen im Rahmen dieser Studie ebenfalls nicht systematisch untersucht werden und nur als Problemanzeige für zukünftige Studien zur antiken Lesepraxis markiert werden. 94 1 Einleitung Teil I Grundlagen 1 Zum Thema „Schreiben in der Antike“ s. z. B. B L A N C K , Buch, 64-71. 2 Vgl. dazu und zum Folgenden G A R D T H A U S E N , Griechische, 24-182; B I R T , Kritik, 247-283; B L A N C K , Buch, 40-63; B Ü L O W -J A C O B S E N , Materials; die Beiträge in S C H O L Z / H O R S T E R , Lesen; die Beiträge mit altertumswissenschaftlichem Bezug in M E I E R / O T T / S A U E R , Textkulturen (Lit.); mit Bezug auf die rabbinische Literatur H E Z S E R , Jewish Literacy, 126-144. 3 Vgl. z. B. Polyain. strat. 4,20. Eine brutale Form findet sich bei Polyain. strat. 1,24, der davon berichtet, dass Histaios einem Sklaven mit punktförmigen Wunden eine Nachricht auf die geschorene Kopfhaut einritzt, damit diese, nachdem die Haare wieder gewachsen waren, unentdeckt transportiert werden konnte. 2 Überblick über die Vielfalt der Lesemedien Schon die Vielfalt an schrifttragenden Medien bzw. Lesemedien in der antiken griechisch-römischen Welt warnt vor einer einseitigen, allgemeingültigen Kon‐ zeptualisierung antiker Lesepraxis und damit auch monosituativen Verortung frühchristlicher Lesepraxis. Da schrifttragende Medien a) in der Antike sehr gut erforscht sind, es in dieser Studie b) primär um die Praxis des Lesens selbst gehen soll und es c) methodologische Gründe gibt, die direkte Evidenz schrifttragender Medien für Lesepraktiken nicht zu überschätzen (s. u.), mögen hier einige allgemeine Bemerkungen ausreichen. Geschrieben wurde in der griechisch-römischen Antike 1 auf ganz unter‐ schiedlichen Materialien in verschiedenen Größen und Formaten. Dies zeigen nicht nur die materiellen Überreste aus der Antike, sondern wird auch vielfältig in literarischen Quellen reflektiert. Eine Liste mit einer Auswahl quellensprach‐ licher Lexeme für antike Lesemedien, die im Rahmen meiner Quellenrecherche die wichtige heuristische Funktion hatten, die jeweiligen Lesetermini zu finden (s. o. 1.4), kann im Anhang eingesehen werden. Neben der Ubiquität von Inschriften insbesondere auf Stein in der griechisch-römischen Welt, haben die Menschen der Antike auf Papyrus, Pergament, Leder, Metall, Holz, Leinen, Flachs, Ton und in holzgefassten Wachstäfelchen sowie in Stein/ Putz (Graffiti) geschrieben bzw. geritzt, eingeschlagen, eingebrannt, punziert. 2 Auch Schrift auf der Haut konnte als Kommunikationsmittel verwendet werden. 3 Als konkretes Beispiel sei auf die bezeugte weite Verbreitung von Holztafeln (πίναξ, δέλτος, δελτίον, tabula, tabella, pugillaris) als Schreib- und Leseme‐ dium verwiesen, die schon im klassischen Griechenland verwendet wurden. Diese Tafeln bestanden aus dünnen, mittig leicht vertieften Holzbrettchen, in die Wachs hineingefüllt war. Daher wurden sie auch einfach nur als cera be‐ 4 Vgl. z. B. Plaut. Pers. 4,3,59; Mart.14,4 f und die Belege im LSJ. 5 Mart. 14,4 verweist auf fünflagige Tafeln (quinquiplices). 6 S. u. 6.2. 7 Vgl. insb. die Hinweise zur schriftlichen Vorarbeit der Komposition des ersten Satzes von Plat. pol. 1,327a bei Dion. Hal. comp. 25; Quint. inst. or. 8,6,64; Diog. Laert. 3,37. Bei Ovid findet sich reflektiert, dass er seine Texte auf Tafeln schriftlich konzipierte (vgl. Ov. Pont. 4,2,24-33). 8 S. zu antiken Schreibgeräten G A R D T H A U S E N , Griechische, 182-202; B L A N C K , Buch, 65 f. 9 Eur. I. Aul. 35-40: „Schreibst einen Brief, denselben, den du in Händen hältst. Dann verwischst du wieder die Zeichen, siegelst das Schreiben, entsiegelst das Schreiben, wirfst zu Boden die Tafel“ (Üb. B U S C H O R ). 10 Ed. B O W M A N / T H O M A S . 11 Vgl. dazu insgesamt J Ö R D E N S / O T T / A S T , Wachs; S A R R I , Letter Writing, 79-84. 12 Vgl. Mart. 16,5; in Nimrud auch archäologisch bezeugt vgl. W I S E M A N , Writing-Boards; H O W A R D , Description. 13 Vgl. H U R S C H M A N N / R Ö L L I G , Art. Schreibmaterial. 14 Vgl. dazu einschlägig S C H E N D A , Volk. zeichnet. 4 Als zweilagige (δίπτυχον), dreilagige (τρίπτυχον/ triplex) oder mehr‐ lagige (πολύπτυχον), 5 mit einem Faden zusammengeheftete Medien wurden diese „Bücher“ für verschiedenste ephemere Alltagstexte (auch für Briefe [s. u.], für Exzerpte 6 und im Rahmen von Kompositionsprozessen 7 ) verwendet. Durch die Verwendung von Wachs waren die Tafeln wiederverwendbar, da die hineingeritzten Texte leicht durch Glättung des Wachses mit der Rückseite des Griffels 8 wieder getilgt werden konnten. Dies ist in Bezug auf einen Brief eindrück‐ lich in einem Euripides-Drama literarisch bezeugt. 9 Durch die Vindolanda-Tafeln, 10 von denen die meisten keine Wachstafeln waren, ist aber auch bezeugt, dass mit Tinte direkt auf das Holz geschrieben wurde. 11 Daneben gab es auch Tafeln aus geweißtem Holz (λεύκωμα/ album) - insb. für öffentliche Bekanntmachungen -, und aus Elfenbein, 12 die mit dunkler Tinte beschrieben wurden. 13 Man sollte - zumindest solange es für den Einzelfall keine gegenteilige Evi‐ denz gibt - zunächst davon ausgehen, dass die meisten dieser Schriftzeugnisse in irgendeiner Form einem kommunikativen Zweck gedient haben, also zum Lesen verfasst worden sind. Das bedeutet freilich nicht, dass jeder Text tatsächlich gelesen wurde, schon gar nicht ist bekannt, wie oft verschiedene Texte gelesen worden sind. Es ist eine zentrale Einsicht der historischen Leseforschung des 20. Jh., dass die reine Existenz von Büchern/ Schriftmedien keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die tatsächliche Lesepraxis zulässt. 14 Das Hauptmedium für literarische Texte waren bis in die Spätantike hinein Rollen, vorrangig aus aneinandergeklebten Papyrusblättern, aber auch aus Pergament. Nach dem Beschreiben (generell in Kolumnen) wurden diese um einen Stab (ὀμφαλός/ umbilicus) gewickelt. Da der Titel innerhalb des 98 2 Überblick über die Vielfalt der Lesemedien 15 Vgl. dazu Cic. Att. 4,4a,1; 4,8,2; Ov. trist. 1,1,105-111 (das Lesen der Titel ist eindeutig visuell konzeptualisiert). 16 Vgl. zur Aufbewahrung von Buchrollen in privaten und öffentlichen Bibliotheken die Beiträge in H O E P F N E R , Bibliotheken, die auch zahlreiche Abbildungen enthalten. Wie man aus Augenzeugenberichten von J. J. Winckelmann und C. Paderni weiß, waren Mitte des 18. Jh. bei der Ausgrabung der Villa dei Papiri die Schränke/ Regale aus Holz noch erhalten. Wegen austretender Grubengase musste die Villa aber wieder zugeschüttet werden, bei der Wiederergrabung im 20. Jh. waren die Möbel nicht mehr erhalten. Vgl. dazu K N Ü V E N E R , Private Bibliotheken, 81. Umstritten ist hingegen, was auf dem berühmten verschollenen Neumagner Relief zu sehen ist. Vgl. die (z. T. nicht mehr berücksichtigte) Kritik an der gängigen Deutung als Buchrollen bei B R I N K M A N N , Relief, der angesichts der Größenverhältnisse, der Struktur und des Durchbiegens beim Herausnehmen annimmt, es handle sich um Tuchrollen. B I N S F E L D , Lesepulte, 203-206, plädiert wiederum für die Interpretation als Bibliothek. 17 Vgl. neben den Belegen im LSJ v. a. B I R T , Buchwesen, 89-93, der ausführt, inwiefern τεῦχος in Analogie zum vollen Rollenbehälter später als Bezeichnung für den Kodex werden konnte. Eine analoge semantische Verschiebung kann auch im administrativen Sprachgebrauch in dokumentarischen Texten nachgewiesen werden. Vgl. S Ä N G E R , Überlegungen. 18 Vgl. Mart. 1,2; 14,37; Ov. trist. 1,1,106 f. 19 Vgl. Iuv. 3,206. 20 Vgl. dazu insgesamt B I R T , Buchwesen, 33 f.93; B I R T , Buchrolle, 244-268; B L A N C K , Buch, 179-214; vgl. weiterführend zu den Buchtiteln S C H I R O N I , ΒΙΒΛΙΟΝ. Vgl. zu Abbildung von Rollen in der attischen Vasenmalerei, die freilich für die hellenistisch-römische Zeit wenig Aussagewert haben, weiterführend I M M E R W A H R , Book Rolls; I M M E R W A H R , More Book Rolls; G L A Z E B R O O K , Reading. 21 Vgl. dazu weiterführend E L L I O T T , Manuscripts; S T A N T O N , Preference; H U R T A D O , Ar‐ tifacts, 43-93; N I C K L A S , Christentum; B A G N A L L , Books, 70-90; S E E L I G E R , Buchrolle; W A L L R A F F , Kodex, 13-15; L A R S E N / L E T T E N E Y , Christians. 22 Vgl. die statistische Re-Evaluation des Befundes bei H A R N E T T , Diffusion. Buches (meist als subscriptio) von außen nicht erkennbar ist, wurde dieser auf einem kleinen Schildchen (σίλλυβος) angebracht 15 oder z. T. auch außen auf die Rolle geschrieben. Gelagert wurden Bücher entweder liegend in Re‐ galen/ Schränken (armarium) 16 in dafür vorgesehenen Behältnissen (κιβωτός, κιβώτιον, τεῦχος, 17 scrinium,  18 cista,  19 capsa), in denen sie auch transportiert werden konnten, oder in zusammengebundenen Bündeln. 20 Hinlänglich be‐ kannt ist die Präferenz für den Kodex im frühen Christentum, 21 die aus dem statistischen Befund der gefundenen Hss. abgeleitet wird. 22 Bei den statistischen Daten ist allerdings eine gewisse methodologische Vorsicht angezeigt, da der Befund nur die Situation in der ägyptischen Provinz widerspiegelt. Freilich ist eine Bibliothek mit Rollen in Herculaneum (Villa dei Papiri) bekannt, die allerdings wegen der dort gefundenen Texte als (vermutlich nicht repräsenta‐ 99 2 Überblick über die Vielfalt der Lesemedien 23 Vgl. dazu D O R A N D I , Report; K N Ü V E N E R , Private Bibliotheken, 81-83; G I G A N T E , Philo‐ demus; und die Beiträge in Z A R M A K O U P I , Villa. 24 Vgl. allerdings die skeptische Einschätzung des Quellenwerts der im Folgenden ge‐ nannten Stellen in Bezug auf deren Existenz als reale Objekte bei B L A K E , Text, 88-91. Dass Martial hier ein literarisches Spiel betreibt, sollte tatsächlich zur Vorsicht bei der Interpretation mahnen, allerdings ist das Argument, dass die Sammlung von Apopho‐ reta einige phantastische Dinge enthält, nicht stichhaltig, da unter den Apophoreta eben auch zahlreiche real existierende Objekte genannt sind. 25 „Ilias und Odysseus […] auf vielfach geschichteter Haut sind hier gemeinsam verwahrt (multiplici pariter condita pelle latent)“ (Mart. 14,184, Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ). Gemessen an der Anzahl der Worte der Epen Homers (200.000 Wörter; zum Vergleich: das gesamte NT hat knapp 140.000 Wörter [TLG Statistik]) handelt es sich um einen umfangreichen Kodex. Da aber Martial betont, dass sich diese Pergamentkodizes für die Reise eignen (s. Mart. 14,188, s. u.), kann davon ausgegangen werden, dass sie noch handhabbar waren, also recht eng und klein beschrieben sein mussten. Es ist davor zu warnen, Schriftgröße und Zeilenabstand der großen neutestamentlichen Kodizes in den Befund zu projizieren. 26 „Welch kleines Pergament fasst den gewaltigen Maro (quam brevis inmensum cepit membrana Maronem)! “ (Mart. 14,186; Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ). 27 „Zusammengedrängt auf winzigen Häuten ist der gewaltige Livius (pellibus exiguis artatur Livius ingens), den vollständig kann meine Bibliothek nicht fassen“ (Mart. 14,190; Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ). 28 „Hier das Riesenpaket, für dich aus zahlreichen Blättern geschichtet (haec tibi multiplici quae structa est massa tabella), enthält fünfzehn Gesänge Nasos“ (Mart. 14,192; Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ). Dass es sich um jeweils einen Kodex mit Homers Epen, mit dem Werk Vergils und mit Ovids Metamorphosen handelt und nicht um gekürzte Ausgaben, haben bereits R O B E R T S / S K E A T , Birth, 25, betont. Gegen B I R T , Kritik, 373-375; K E N Y O N , Books, 94. Zweifel wurden insbesondere angemeldet, ob Mart. 14,190 tatsächlich meinte, dass sich alle 142 Bücher von Livius’s monumentalem Werk in einem Kodex befunden hätten. Die Verwendung des Verbs artare könnte hier meinen, dass es sich um eine gekürzte Fassung handelt (s. Cic. de orat. 1,163; Sen. ep. 94,27; s. dagegen aber Hier. ep. 53,8, wo das Zusammenstellen von zwei Büchern in einem Buch gemeint ist). Vgl. die Diskussion bei R O B E R T S / S K E A T , Birth, 26 f, die zuletzt in Anknüpfung an O L I V E R , Titulature, 248 f, und J O H N S O N , Role, 77 f, mit Hinweis auf den narrativen Zusammenhang zu dem Fazit kommen: „In short, there are no good reasons for thinking that the Livy was anything other than a complete unabridged text“ (27). 29 Vgl. Mart. 14,188: „Wenn dies Pergament dein Begleiter ist, dann stelle dir vor, daß du eine weite Reise mit Cicero unternimmst“ (Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ). Hier ist nicht klar, welchen Umfang von Ciceroschriften Martial voraussetzt. Vgl. R O B E R T S / S K E A T , Birth, 25 f. tive) Spezialbibliothek/ Studienbibliothek zu interpretieren ist. 23 Daneben belegt Martial aber Pergamentkodizes, die jeweils große Mengen Text umfassten: 24 Homers gesamte Ilias und Odyssee zusammen in pugillaribus membraneis, in einem[! ] Kodex, 25 das Werk Vergils, 26 der gesamte Livius 27 und Ovids Metamor‐ phosen jeweils in einem Kodex, 28 daneben Texte von Cicero in Kodexform als Reisebegleiter. 29 Zudem gibt es, wenn auch wenige, Hinweise auf weitere 100 2 Überblick über die Vielfalt der Lesemedien 30 Vgl. die in P.Petaus 30 (P.Köln inv. 376) belegten Pergamentkodizes im 2. Jh. n. Chr., auf die W A L L R A F F , Kodex, 12, hinweist, und das Fragment des Werkes de bellis Macedonis, das aus einem paläographisch in das 2. Jh. datierbaren Pergamentkodex (P.Oxy. 1 30) stammt. S. zur Datierung R O B E R T S / S K E A T , Birth, 28, Anm. 2. 31 So z. B. W A L L R A F F , Kodex, 17 f; s. jetzt auch L A R S E N / L E T T E N E Y , Christians. 32 Vgl. z. B. B E C K E R , Schreiben, 82-89; W A L L R A F F , Kodex, 16-18. 33 Vgl. Mart.1,2,3 f. Vgl. dazu W A L L R A F F , Kodex, 10. 34 Die Kodexform als Buchform für die Reise wird auch im schon zitierten Brief von Kaiser Iulian an seinen Onkel belegt. Darin versichert Iulian ihm, dass er, abgesehen von Homer und Platon, keine weiteren Kodizes (πύκτια) mitnehme, und zwar weder philosophische noch rhetorische noch grammatische, noch historische Literatur. Vgl. Iul. ep. 29. 35 S. schon die kritisch abwägende Zusammenfassung bei R O B E R T S / S K E A T , Birth, 45-52; vgl. außerdem z. B. M C C O R M I C K , Birth, 157; E P P , Perspectives, 526-530; G L A S E R , Paulus, 316 f; zur Preisberechnung s. S K E A T , Length, 173-175. Die Preisberechnungen stehen allerdings unter dem methodischen Vorbehalt, die für die meisten wirtschaftsgeschicht‐ lichen Berechnungen antiker Preise gelten - die Quellengrundlage ist dürftig, selektiv, und da Faktoren wie v. a. Inflation und regionale wie saisonale Preisunterschiede eine Rolle spielen, für eine konkrete Berechnung aber die Forschungsdaten fehlen, sind die Berechnungen hoch spekulativ. Vgl. dazu z. B. B E Y E R , Geldpolitik, insb. 16-20, sowie die entsprechenden Beiträge in H A H L B O H M / W E B E R / Z S C H A L E R , Fluch. Es kommt bei dieser konkreten Berechnung hinzu, dass unterschiedliche Qualitäten der Beschreibmateria‐ lien in Betracht zu ziehen sind und sich Skeats Berechnungen auf Papyruskodizes und Pergamentkodizes ab dem 2. Jh. 30 Homer (und Platon) in einem Kodex für die Reise ist auch in einem Brief Iulians an seinen Onkel belegt (vgl. Iul. ep. 29). Es existieren keine sicheren Forschungsdaten, um den Anteil der Kodizes für literarische Texte im Vergleich zu Rollen z. B. im kaiserzeitlichen Rom (aber auch in anderen Städten des Römischen Reiches) zu bestimmen. Die Frage nach dem Grund für die Kodexpräferenz der frühen Christen wird kontrovers diskutiert und eine eindeutige Antwort wohl schwer zu finden sein. Vermutlich spielten verschiedene Faktoren eine Rolle. 31 Es ist nicht notwendig, die Diskussion hier vollständig zu rekapitulieren, da es zahlreiche, gut aufgearbeitete Überblicke über den Forschungsstand gibt. 32 Aufschlussreich für das hier verhandelte Thema der Lesepraxis sind allerdings diejenigen Antworten, die auf die Prakti‐ kabilität des Kodex als Lesemedium rekurrieren. Im Anschluss an die Form antiker Notiz- und Gebrauchsbücher in Tafelform (s. o.), die vor allem von Berufsgruppen wie Medizinern, Architekten, Lehrern usw. verwendet wurden, und an Martial, der auf einige praktische Vorzüge der Kodexform in Bezug auf seine Epigrammata explizit hinweist, 33 wird in der Forschung angenommen, dass der Kodex im Vergleich zur Rolle einfacher zu handhaben sei, nämlich mit einer Hand, wegen des geringeren Platzbedarfs besser zum Transport und für die Reise geeignet ist, 34 und mit geringeren Kosten verbunden sei, da beide Seiten beschrieben werden. 35 Zudem hat die 101 2 Überblick über die Vielfalt der Lesemedien nicht auf Pergamentkodizes beziehen, die laut Martial ja durchaus günstiger gewesen sind (s. o.). 36 Angedeutet bei R O B E R T S / S K E A T , Birth, 50 f; G L A S E R , Paulus, 316 f. 37 Vgl. z. B. G A M B L E , Corpus, 276; F A N T H A M / H E I N Z E , Leben, 202. 38 Vgl. J O H N S O N , Sociology, 620; J O H N S O N , Education, 15. 39 Vgl. H O L Z B E R G , Horaz. 40 Vgl. G R A D L , Offenbarung, 450-452 [Zitat 450], mit Verweis auf F A U L S T I C H , Medium, 245 f, der seine Position rein thetisch postuliert. 41 Zu Vorteilen der Rolle s. B I R T , Buchwesen, 324. S K E A T , Notes, 62 f, arbeitet heraus, dass das Zurückrollen einer Buchrolle, genauso wie das Lesen einer Buchrolle, für antike Leser wahrscheinlich ohne großen Schwierigkeiten möglich war. Vgl. auch S K E A T , Origin, 265. S. dazu, dass die Buchrolle gerade nicht das eindimensionale, sequentielle Lesen determiniert, L U Z , Buchrolle, 269. Kodexform zumindest das Potential, eine Form der Lektüre zu beschleunigen, die diskontinuierliche und selektive Zugriffe auf Texte im Vergleich zur Rolle erleichtert - vor allem solche, bei denen häufiger größere Textmengen in Leserichtung oder auch gegen die Leserichtung übersprungen werden. 36 Umgekehrt bedeuten diese positiven Seiten des Kodex aber nicht automatisch ein gravierendes Defizit der Buchrolle. So wird zuweilen angenommen, dass Buchrollen unpraktisch waren und nur eine sequentielle, kontinuierliche Lek‐ türe zugelassen hätten. 37 W. A. Johnson versteht antike Buchrollen daher als performance scripts und negiert explizit, dass antike Bücher nur auszugsweise konsultiert bzw. etwas darin nachgeschlagen wurde. 38 Die Vorannahme der durch die Buchrolle determinierten sequentiellen Lektüre wird dann z. B. von N. Holzberg zum leitenden Kriterium der Interpretation erhoben. 39 Auch in der neutestamentlichen Forschungsliteratur findet sich die These der Determi‐ nation einer einzig möglichen Rezeptionsweise durch die Rollenform, und zwar z. B. bei H.-G. Gradl in Bezug auf die Apc: Die Buchrolle erzwinge eine bestimmte Nutzung, Johannes setze voraus, wenn er sein Werk als idealtypische Buchrolle konzeptualisiere, dass der Inhalt „nur als fließende Abfolge und organisches Nacheinander“ und zwar in Form oraler Performanz zu rezipieren wäre. Auch Gradl schließt ein Um- oder Vorausblättern und damit konsultierende und nachschlagende Zugriffe kategorisch aus. 40 Sowohl Johnson als auch Gradl verifizieren die These eines Zusammenhangs zwischen der Buchrolle und se‐ quentieller, kontinuierlicher Lektüre in performativen Kontexten nicht anhand von literarischen Quellen, sondern leiten sie lediglich aus der materiellen und „typographischen“ Beschaffenheit der überlieferten Papyrusfragmente bzw. einzelnen Abbildungen von Schriftrollen ab. Zudem übersehen sie Positionen in der Forschung, die ganz im Gegenteil die einfache Handhabung und die Vorzüge des Rollenformats hervorheben. 41 Etwas anderes ist die These von Skeat, der darauf hinweist, dass beim Lesen der Rolle das kein Umblättern der 102 2 Überblick über die Vielfalt der Lesemedien 42 Vgl. S K E A T , Roll. 43 So auch die Warnung bei H A R N E T T , Diffusion, 228 f. 44 Vgl. dazu M R O C Z E K , Thinkink, die die Verknüpfung von Rollenformat und einem linearen Textverständnis problematisiert und auf die Gefahren eines materiellen De‐ terminismus hinweist („the dangers of naturalizing certain modes of text production and reading as inherent to particular materialities“ [244, Herv. i. Orig.]). Seiten den Leseprozess unterbricht. 42 Freilich bleibt eine Unterbrechung durch den Kolumnenwechsel bestehen, sodass die These eines panoramic aspect beim Lesen einer Rolle als Unterschied zum Lesen eines Kodex nicht überbewertet werden sollte. Die folgende Analyse der Leseterminologie wird zeigen, dass die Buchrolle vielfältige Lesepraktiken zuließ. Es ist unbedingt zu vermeiden, unsere Ge‐ wohnheiten im Umgang mit Lesemedien bzw. unsere Schwierigkeiten mit den Überresten antiker Schriftkultur in den Befund zurückzuprojizieren. 43 In methodischer Hinsicht ist daraus zu schlussfolgern, dass allein auf der Grundlage der Materialität antiker Schriftmedien keine sicheren Schlussfolge‐ rungen im Hinblick auf die (intendierten und historisch tatsächlich realisierten) Rezeptionsweisen möglich sind. 44 Vielmehr unterstehen alle am Material ge‐ wonnenen Hypothesen dem Vetorecht der literarischen und dokumentarischen Textquellen. 103 2 Überblick über die Vielfalt der Lesemedien 1 Vgl. zum Folgenden C H A N T R A I N E , verbes, 115-121; A L L A N , ΑΝΑΓΙΓΝΩΣΚΩ. 2 S. dazu weiterführend (auch zur Etymologie) den aufschlussreichen Eintrag im korpus‐ linguistisch fundierten Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, der auf weitere wichtige Wörterbücher, wie etwa das Grimm’sche, verlinkt: www.dwds.de/ wb/ lesen (zuletzt eingesehen am 24.10.2018). 3 Vgl. den Eintrag im LSJ. In diesem Sinne wird ἀναγιγνώσκω in jedem Fall bei Artem. on. 1,53 verwendet; als Objekt des Wiedererkennens/ Lesens werden hier Buchstaben (γράμματα) genannt. Allerdings lässt sich dies nicht verallgemeinern, da es sich hier um eine sehr spezifische Lexemverwendung handelt, wie im Folgenden deutlich wird. Vgl. auch C H A N T R A I N E , verbes, 115. 4 So L U Z , Buchrolle, 265, die sagt, dass der durch die Buchstaben verschlüsselte Sinn „wiedererkannt“ werde. Vgl. ferner auch S V E N B R O , Griechenland, 69 f. 5 Angedeutet bei S V E N B R O , Ameisenwege, 15 f. 6 Vgl. K A R R E R , Instrument, 404. 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 3.1.1 Ἀναγιγνώσκω Ἀναγιγνώσκω gilt als das gängigste Verb, das im Griechischen das Phänomen „Lesen“ bezeichnet. 1 Im Vergleich etwa zum Deutschen ist dies interessant, da die Grundbedeutung dieses präfigierten Verbes, „wiedererkennen“, sich in se‐ mantischer und etymologischer Hinsicht deutlich vom deutschen Verb „lesen“ 2 und von den äquivalenten Lexemen in den semitischen Sprachen (z. B. die Wurzel ארק [rufen] im Hebräischen; s. u. 7.1.1) und in den romanischen Sprachen (leggere, lire, leer, ler) unterscheidet, die etymologisch auf das lateinische legere zurückzuführen sind. Allerdings ist sich die Forschung keineswegs einig, worauf sich das „Wiedererkennen“ im Lesevorgang bezieht: Werden die Buchstaben 3 oder die einzelnen Silben wiedererkannt? Geht es um den Moment des Verste‐ hens („Wiedererkennens“) des aus den Buchstaben, Wörtern und Sätzen, also aus dem Text zu erhebenden Sinnes? 4 Oder womöglich sogar der in den Text „eingeschriebenen“ Stimme? 5 M. Karrer rekonstruiert in Bezug auf Apc 1,3 aus der Semantik des Präfixes ἀνά- und des Verbes γιγνώσκω die Bedeutung die Erkenntnis (γιγνώσκω) des Textes hinaufheben (ἀνά) vor die Ohren. 6 Eine vor‐ schnelle Entscheidung dieser Fragen, die ein bestimmtes Verständnis der durch 7 Gegen B U L T M A N N , Art. ἀναγινώσκω: ἀ. „wird meist in der Bedeutung von lesen bzw. vorlesen (beides fällt im Altertum zusammen) gebraucht“ [Herv. im Original]. Entsprechend der Kritik an der Konzeption des THWNT von B A R R , Semantics, insb. 206-219, ist zu konstatieren, dass es sich bei dem Artikel nicht um eine primär linguistisch orientierten Beschreibung eines griechischen Lexems handelt, sondern ein vorausgesetztes Konzept ‚Vorlesen im antiken Christentum‘ knapp skizziert wird. Ferner auch gegen S V E N B R O , Griechenland, 70, der das Verb mit der mündlichen Realisation der scriptio continua durch die Stimme verknüpft: „Der entscheidende Moment, der Moment der (Wieder-)Erkennung ist jener, wo sich die auf den ersten Blick hinsichtlich ihres Sinns undurchsichtigen und folglich immer zufällig ausgewählten Buchstaben dank der lesenden Stimme als Buchstaben mit Sinn erweisen“ (S V E N B R O , Griechenland, 69). Vgl. dazu meine Ausführungen unter 4. 8 Auch wenn der Gebrauch von ἀναγιγνώσκω im Sinne von „lesen“ in Relation zur Grund‐ bedeutung des Verbes nicht im eigentlichen Sinne ein metaphorisch konzeptualisiertes Phänomen ist, bietet es sich hier doch aus analytischen Gründen an, auf metaphorologische Metasprache zurückzugreifen. 9 Es handelt sich wohl um die meroitische Schrift. Vgl. BGrL 34, 320. das Paradigma der primär durch Mündlichkeit geprägten antiken (Lese-)Kultur voraussetzt, sollte aus methodologischen Gründen vermieden werden. 7 Denn es ist unklar, inwiefern der etymologische und semantische Gehalt des Lexems in der Kommunikation über und Reflexion des Lesens in der Antike im Bewusstsein war oder - was m. E. nach der Durchsicht des Quellenbefundes am wahrscheinlichsten ist - schon vollkommen verblasst war und das Verb als terminus technicus verwendet wurde. 8 Diesbezüglich sei an dieser Stelle exemplarisch auf die Ausführungen Diodors zu einer Hieroglyphen-Schrift 9 verwiesen. „Damit wir nichts von den Altertümern auslassen, müssen wir von den äthiopischen Buchstaben noch einmal sprechen, die die Ägypter Hieroglyphen nennen. Die Schrift‐ zeichen gleichen Lebewesen, menschlichen Gliederung und Werkzeugen, und zwar besonders denen von Zimmerleuten. Ihre Bedeutung aber beruht nicht darin, daß etwa die Aneinanderreihung von Silben ein Wort ergibt, sondern dies geschieht aus dem Bilde selbst und dessen übertragenem Sinne, den man sich durch Übung ins Gedächtnis eingeprägt hat. So zeichnet man Habichte, Krokodile, dazu Schlangen, von den menschlichen Körperteilen Auge, Gesicht, Hand und ähnliches. […] Man geht vom Symbolgehalt aus, der jedem der Zeichen zugrunde liegt, und trainiert durch langjährige Übung und Auswendiglernen die Geistesfähigkeiten, dass man das Geschriebene leicht bzw. schnell zu lesen vermag (καὶ μελέτῃ πολυχρονίῳ καὶ μνήμῃ γυμνάζοντες τὰς ψυχάς, ἑκτικῶς ἕκαστα τῶν γεγραμμένων ἀναγινώσκουσι)“ (Diod. 3,4; Üb. W I R T H ; modifiziert JH). Diodor verwendet ἀναγιγνώσκω hier eindeutig als terminus technicus, mit dem er in kognitionspsychologischer Perspektive das geübte und schnelle Lesen 106 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 10 Das Motiv des „Trainierens“ der ψυχή ist z. B. auch bei Philo sacr. 85 bezeugt. 11 Die Verwendung von ἀναγιγνώσκω bei Isokrates ist von S. Usener untersucht worden (vgl. insb. U S E N E R , Isokrates, 74-97). Sie kommt zu dem Ergebnis: Der größte Teil der Belegstellen für das Verb ἀναγιγνώσκειν hat „die Bedeutung ‚vorlesen‘. Ἀναγιγνώσκειν in dieser Bedeutung ist in der Hälfte der Fälle Gerichtsredeterminus und bezieht sich auf das Verlesen unterschiedlicher Textzeugnisse (Gesetze, Eide, Briefe). […] Die andere Hälfte ist auf das Vorlesen von Isokrates’ Schriften vor einem Publikum bzw. auf das Vorlesen von Texten allgemein bezogen“ (U S E N E R , Isokrates, 75). Dabei ist zu beachten, dass die Beurteilung der Stellen, die sie für letzteres heranführt, von ihrem Ergebnis im vorhergehenden Kapitel abhängig ist, dass die Schriften von Isokrates „für die Rezeption vor einem Hörerpublikum konzipiert sind“ (U S E N E R , Isokrates, 75, Anm. 7) und sich ihre Schlussfolgerungen aus einer vereindeutigenden Interpretation der verba audiendi im Hinblick auf die Rezeption eines in einer Gruppe vorgelesenen Textes der fremden Schriftzeichen aus der Außenperspektive bezeichnet. Die hier gemeinte Form des Lesens setzt die kognitive Internalisierung der Bedeutungen der Schriftzeichen und langjähriger Übung der ψυχή voraus. 10 Die Stelle ist insofern aufschlussreich, als es hier nicht um das Wiedererkennen von Buch‐ staben und Wörtern geht, auch nicht um die einzelnen Zeichen, sondern um das Geschriebene (Partizip von γράφω) insgesamt, womit Diodor mutmaßlich auf einen zusammenhängenden Hieroglyphen-Text rekurriert. Diodor hat also einen kompetenten Leser vor Augen, der Hieroglyphen-Texte flüssig lesen kann. Der Unterschied zu den Hauptleseverben in den semitischen und romani‐ schen Sprachen ist insofern bedeutsam, als es sich bei dem Verb eindeutig um einen Kognitionsbegriff handelt und damit anders als beim metaphorischen Hin‐ tergrund des lateinischen Hauptleseverbs lego ein ganz anderer Schwerpunkt gelegt wird. Im Deutschen kann man m. E. am ehesten die durchaus geläufige Umschreibung des Lesevorgangs „einen Text o. ä zur Kenntnis nehmen“ äqui‐ valent zu ἀναγιγνώσκω verstehen. Zum konkreten Verwendung des Verbes im Sinne von „lesen“ lässt sich aus dem breiten Quellenbefund das Folgende sicher sagen: ἀναγιγνώσκω bezeichnet sowohl a) das Vorlesen vor einer anderen Person oder b) vor einer Gruppe (häufig einer politischen Versammlung), wobei der Adressat/ die Adressaten des Vorlesens meist im Dativ angegeben werden, aber auch häufig c) die individuell-direkte Lektüre. Ad a) vgl. z. B. Xen. Kyr. 4,5,26; Aristoph. Eq. 1011; Plut. Alex. 46; Dion 14; Dion Chrys. or. 18,21: καὶ εἰ ἀναγιγνώσκειν με δέοι σοῦ ἀκροωμένου …; 30,7 f); Epikt. diatr. 2,1,30; 3,23,6; Est 6,1 LXX; äthHen 13,4; Herm. vis. 1,2,1-1,3,2; Mak. apokr. 3,5,5; Ios. bell. Iud. 1,25,2 (502); Athen. deipn. 13,1 (555a); SB 14 12139,3,14 f. Ad b) vgl. z. B. Thuk. 7,10; Xen. hell. 5,1,30; 7,1,37.39; Plat. Tht. 143b; Plat. Parm.127c/ d; Isokr. passim; 11 Diod. 14,3,6; 18,8,3 f (Subjekt des Vorlesens ist hier ein κῆρυξ); Dion 107 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen ergeben (s. dazu die Ausführungen unter 3.2). Zudem stellt sie nicht in Rechnung, dass auch eine publizierte Rede, die in der Realität niemals als solche gehalten wurde, die Fiktion der Kommunikationssituation einer prototypischen Rede enthalten sollte, um von den Rezipienten als Rede wahrgenommen zu werden. Es ist zwar richtig, dass einige Belegstellen nahelegen, dass Isokrates auch mit dem Vorlesen seiner Reden rechnete, die Rezeptionsweise in der Form individuell-direkter Lektüre setzt er mindestens gleichwertig voraus (s. die Diskussion weiterer Belege im Rahmen dieser Studie). Daraus erklärt sich dann auch die scheinbar widersprüchliche Bezeugung, die Usener mehrfach konstatiert (vgl. v. a. U S E N E R , Isokrates, 81 f). Chrys. or. 44,12; 45,15; Plut. symp. 1,4,3 (mor. 621c/ d); Pomp. 59; Ant. 78; Cato min. 51; conv. sept. sap. 8 (mor. 152 f); Ios. bell. Iud. 1,33,8 (667 f); Polyain. strat. 8,17; Athen. deipn. 4,65 (168b); Charit. Cal. 4,6,5; App. civ. 2,19,142; Cass. Dio 54,25,5 (Augustus spricht im Senat aufgrund von Heiserkeit nicht selbst, sondern lässt einen Quästor sein Manuskript vorlesen); Chaniotis, Verträge, Nr. 32,1 f.5; Nr. 50,12 f; Nr. 59,30-35; IG II 3 1 292,48; IG II 3 1 306,10; IG II 3 1 1273,14; P.Oxy. 1,59, Z. 8. Erwartbarerweise findet sich diese Lexemverwendung sehr häufig in Reden: vgl. exemplarisch Demosth. or. 12,2; 20,94 u. v. ö.; Lys. or. 1,28 ff u. ö.; Isa. or. 3,43; App. civ. 2,20,144; als Vorleser tritt hier häufig ein Gerichtsredner (γραμματεύς) auf. Vgl. exemplarisch Aischin. Tim. 2.11.34 u. ö.; Isa. or. 3,53; 5,3; Men. Rhet. epideikt. 2,391; 2,400. Vgl. außerdem in der LXX exempl. Ex 24,7; 1Makk 14,19; 1Bar 1,3.14; Ps.-Hek 6.8. Ad c) Vgl. aus der Vielzahl der potentiell aufzuzählenden Quellen z. B. die eindrück‐ lichen Belegstellen Isokr. or. 2,55; 12,216.231.268; Ps.-Aristot. probl. 18,1.7; Plut. de Alex. fort. 2,7 (mor. 340a); Alex. 19; 23 u. ö.; Cato min. 16.70; Brut. 36; Caes. 65; symp. 1,5,2 (mor. 623a); 3,7,2 (mor. 656a); Pomp. 79; reg. et imp. 92,5 (mor. 207b); de garr. 5 (mor. 504c); resp. ger. 12 (mor. 790d) Epikt. diatr. 4,6,11-15; impliziert auch bei Plat. Tht. 152a (vgl. A L L A N , 1980, hier 244.); Epikt. diatr. 1,25,6 u. ö.; Demosth. or. 28,14; Ios. c. Ap. 2,37; Epikt. diatr. 1,4; Lukian. Herm. 82; Ael. var. hist. 14,12 (hier zeigt der Kontext eindeutig, dass ἀναγιγνώσκω auf individuell-direkte Lektüre referenziert, da der Perserkönig, wenn er unterwegs war, in seinen Händen kein Buch, sondern ein Lindenholzbrettchen und ein Messer hatte, um jenes zu glätten). Vgl. ferner Gal. PHP 7,8,13; 8,5,39; Dion. Hal. comp. 4; Hld. 4,9,1; Orig. Cels. 1,16; 1,62; 3,33 u. ö.; Ps.-Ign. Maria 3,2; Iohan. Ant., fr. 212. Eindeutige Belegstellen finden sich auch in den dokumentarischen Papyri. Vgl. z. B. den Brief (41 n. Chr.), in dem Serapion schreibt: „Schließlich erhielt ich nun von dem Araber den Brief, las ihn und wurde betrübt (… καὶ ἀνέγνων καὶ ἐλυπήθην)“ (BGU 4 1079,6-9). Vgl. auch BGU 2 531,4. Bezüglich der individuell-direkten Lektüre kann aus dem Lexemgebrauch ohne sichere Markierungen im Kontext nicht geschlossen werden, ob mit stimmlicher Realisierung oder ohne stimmliche Realisierung gelesen wurde. Ein eindeutiger und früher Beleg (4. Jh. v. Chr.) dafür, dass ἀναγιγνώσκω nicht-vokalisierende, 108 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 12 Das Adjektiv φανερός (s. dazu ferner auch das Verb φαίνω in Aen. Tact. 31,16) gehört eindeutig in den Bereich der visuellen Wahrnehmung. Würde die These stimmen, dass in der Antike auch „laut geschrieben“ (s. Anm. 107, S. 42) worden wäre, hätte man hier eigentlich einen Begriff der auditiven Wahrnehmung (etwa „vor seinem Ohr“) erwartet. Die gewählte Formulierung hier deutet allerdings darauf hin, dass der Brief ohne Vokalisierung geschrieben worden ist. Diesbezüglich ist ferner auf das sog. Schweigegedicht Greg. Naz. carm. 2,1,34A 1 f (vgl. K U H N , Schweigen), in dem Schreiben als Alternative zum Sprechen konzeptualisiert ist. 13 Nicht-vokalisierend muss man sich auch das Lesen des Briefes des Königs in Alki. 4,19 vorstellen, da Glykera, die Briefempfängerin, ihn beim Beten im Tempel las: „Den Brief des Königs, den Du mir mitgeschickt hast, habe ich auf der Stelle gelesen (εύθύς άνέγνων). Bei Kalligeneia, in deren Tempel ich jetzt bete, Menander, ich war außer mir vor Freude und konnte sie den Anwesenden nicht verbergen“ (Üb. P L A N K L ). Erstens hätte Glykera die anderen Personen im Tempel mit vokalisierender Lektüre gestört, zweitens ist die Informa‐ tion, dass sie ihre Freude nicht zurückhalten konnte ein deutliches Indiz dafür, dass die Umstehenden den Inhalt des Briefes gerade nicht gehört haben. Auch wenn Ps-Aristoteles darüber reflektiert, dass Menschen beim individuell-direkten Lesen einschlafen, und er in seiner Begründung vor allem auf kognitive Prozesse der Verarbeitung des Gelesenen individuell-direkte Lektüre bezeichnen kann, findet sich in Antiphanes’ Sappho (fr. 194: Athen. deipn. 10,73 [451a/ b]): ἕτερος δ᾽ ἂν τύχῃ τις πλησίον ἑστὼς ἀναγιγνώσκοντος οὐκ ἀκούσεται. Ebenfalls im 4. Jh. v. Chr. findet sich bei dem Militärschriftsteller Aineias Taktikos die Behandlung der Nutzung von Geheimbriefen und Verschlüsselungs- und Verbergungsmöglichkeiten (Aen. Tact. 31,1-23). Eine Möglichkeit bestehe darin, einen kleinen Brief im Leder einer Sandale unbemerkt vom Träger der Sandale zu verstecken und wenn dieser am Zielort schläft, den Brief zu lesen (καὶ ἀναπαυομένου ἐν τῇ νυκτί, ἀναλυέτω τὰς ῥαφὰς τῶν ὑποδημάτων, καὶ ἐξελὼν καὶ ἀναγνούς; Aen. Tact. 31,4). Damit dies unbemerkt vom Boten geschieht, muss der Leser diesen nicht-vokalisierend lesen. Ein weiterer, thematisch verwandter und eindrücklicher Beleg findet sich bei Plutarch in seiner Lysandros-Biographie: Der spartanische Feldherr Lysandros überbringt den Ephoren einen Brief des persischen Feldherren Pharnabazos, von dem Lysandros meint, es handle sich um den Brief, den Pharnabazos vor seinen Augen (φανερός) 12 geschrieben habe. In Wahrheit überbringt er allerdings einen anderen Brief, den Pharnabazos beim Versiegeln heimlich ausgetauscht hat. Die Ephoren lesen den Brief in seiner Anwesenheit (ἐπεὶ δὲ ἀναγνόντες οἱ ἔφοροι τὴν ἐπιστολὴν), aber erst als sie ihm den Brief gezeigt haben (ἔδειξαν αὐτῷ) - hier wird eine optische Wahrnehmung des Schriftstücks vorausgesetzt -, erkennt er, dass Pharnabazos ihn betrogen hat (vgl. Plut. Lys. 20,1-4; s. auch Polyain. strat. 7,19). Sie müssen den Brief also zuvor (ob nacheinander oder gleichzeitig auf das Schriftstück schauend, kann nicht erschlossen werden) ohne Vokalisierung gelesen haben. 13 109 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen rekurriert (vgl. Ps.-Aristot. probl. 18,1 [916b]), ist dies einfacher vor dem Hintergrund einer nicht-vokalisierender Form nachvollziehbar. 14 Vgl. exempl. Plut. Cato min. 19, der berichtet, dass Cato im Senat, während die anderen Senatoren sich langsam auf ihre Plätze begaben, nicht-vokalisierend las und dabei seine Toga vor dem Buch hielt (ἀνεγίνωσκεν ἡσυχῇ, τὸ ἱμάτιον τοῦ βιβλίου προϊσχόμενος); ähnlich soll Antonius erotische Briefe von Kleopatra bei Gerichtsversammlungen gelesen haben (vgl. Plut. Ant. 58); vgl. außerdem Plut. poet. aud. 3 (mor. 18c); 14 (mor. 36e); de fortuna 6 (mor. 100a); Alex. 23; Epikt. diatr. 2,18,2; 3,5,11. 15 Häufig in Verbindung mit der Fähigkeit zu schreiben. Vgl. exempl. Xen. mem. 4,2,20; oec. 15,7; Plat. leg. 7,810b; Jes 29,11 f LXX; Philo agr. 18 (s. u. 7.2.1); congr. 148; Clem. Al. paid. 3,78,2 (ohne Verbindung zum Schreiben); Muson. diatr. 16; Dion Chrys. or. 10,28; M. Aur. 11,29. 16 Vgl. z. B. Aristoxenos fr. 132; Plut. Alex. 4 (Angabe eines Quellenverweises); Non. Dion. 12,69 (Zitateinleitung); v. a. im griechischen AT und NT: Dtn 17,19 LXX; Neh 8,3.8.18 LXX u. ö.; Jer 43,6 LXX; 43,8.10 u. ö.; Mt 12,5; 21,42; vgl. auch TestJud 18,1; TestDan 5,6; TestNaph 4,1; TestAss 7,5. 17 Vgl. z. B. Xen. oik. 15,7; Plat. polit. 2,368d; Demosth. or. 20,78; γράμμα (Plut. Pyrrh. 2,6; 1Esr 3,14 LXX); σύγγραμμα; (Plut. symp. 1,4,3 [mor. 621c/ d]) γραμματεῖον (Demosth. or. 28,14; Aristoph. Nub. 19); ἀπογραφή (Lys. or. 17,9; 19,27); ἀντίγραφος (Aischin. Tim. 1,115); γραμματείδιον μικρόν (Plut. Brut. 5); Jer 43,21 ff LXX erzählt, dass Jehudi einzelne Spalten (σελίς) eines Textes liest und danach von dem Schriftstück in Rollenform abschneidet und nacheinander verbrennt. Galen berichtet von einer Szene in einem Buchladen, in der jemand die ersten beiden Zeilen eines fälschlicherweise als eine Schrift Galens ausgegebenen Buches liest: καὶ δύο τοὺς πρώτους στίχους ἀναγνοὺς … (Gal. lib. prop. ed. K Ü H N 19, p. 9). Zusätzlich zu den in der Einleitung beschriebenen methodischen Problemen, zeigen die individuell-direkten Lektüreszenen, die potentiell mit nicht-vokali‐ sierendem Lesen verbunden sein können, dass eine generelle Übersetzung des Verbes mit „vorlesen“ unzulässig ist. Dies lässt sich zusätzlich an einer Szene in Lukians Symposion (Lukian. symp. 21), in der ein Brief vorgelesen wird, verdeutlichen. Und zwar hat hier ein Haussklave (οἰκέτης) die Aufgabe, einen Brief ἐν τῷ κοινῷ zu lesen, und zwar „zum Hören für alle“ (εἰς ἐπήκοον ἅπασιν). Die letzte Bestimmung wäre redundant, wenn das Verb generell „vorlesen“ bedeuten würde. Eine Vorleseszene muss also (zumeist durch die Angabe der Adressaten, s. o.) ebenfalls kontextuell eindeutig markiert sein. Das Verb kann absolut den Akt des Lesens 14 an sich oder die Lesefähigkeit 15 bezeichnen. Einen Bedeutungswandel des Verbs in diachroner Hinsicht festzu‐ stellen, erscheint mir nach der Durchsicht der Quellen angesichts der breiten Bezeugung der meisten Bedeutungsnuancen nicht möglich. In den meisten Fällen ist das Objekt des Lesens in Form einer Akkusativ-Ergänzung (sporadisch ἐν mit Dativ 16 ) eindeutig etwas Geschriebenes  17 - z. B.: 110 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 18 Aus dem Zusammenhang kann nicht geschlossen werden, dass jemand Alexander die Inschrift „laut“ vorgelesen hat. Gegen S T R O B A C H , Sprachen, 158; R I C H A R D S , Secre‐ tary, 10, Anm. 57; R I C H A R D S , Paul, 184 f. Dass Alexander nach der Erstlektüre der fremdsprachlichen Inschrift auf dem Grabmal Kyros’ II. befahl, den Text der Inschrift in „griechischen Buchstaben“ (also vermutlich als Übersetzung) darunter zu meißeln, und Plutarch erst dann beschreibt, welche Reaktion der Inhalt bei Alexander auslöste, könnte lediglich darauf hindeuten, dass er den Text vorher zwar lesen - möglicherweise ist an ein rein visuelles Erfassen gedacht (s. zum engen Verknüpfung der visuellen Wahrnehmung und der Rezeption von Inschriften die Ausführungen unter 3.8) -, aber nicht verstehen konnte. Zudem ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Alexander d. Gr. im Rahmen seiner Akkulturationsbemühungen die persische Sprache (zumindest Grundkenntnisse) angeeignet hat; immerhin ist überliefert, dass der „Leibwächter“ Alexander d. Gr., Peukestas, eine persische Lebensweise angenommen und auch die Sprache erlernt hat, wofür ihn, wie Arrian bezeugt, Alexander d. Gr. lobte. Vgl. Arr. an. 6,30,2 f (vgl. z. St. L I O T S A K I S , Alexander, 147 f) außerdem Diod. 19,14,4-19,15,2. Eine weitere Lesezsene einer Inschrift mit einer Reihe von Lebensmitteln im Palast von Kyros findet sich bei Polyain. strat. 4,3,32. Hier ist eindeutig, dass die Inschrift zunächst von Alexander selbst (Ἀλέξανδρος ἐν τοῖς Περσῶν βασιλείοις ἀνέγνω τὸ βασιλέως ἄριστον καὶ δεῖπνον ἐν κίονι χαλκῷ γεγραμμένο …) und dann erst von den übrigen Makedonen gelesen wird (ταύτην τοῦ δείπνου τὴν παρασκευὴν οἱ μὲν ἄλλοι Μακεδόνες ἀναγνόντες ἐθαύμασαν ὡς εὐδαίμονα). Briefe: überrepräsentiert in den Quellen: vgl. z. B. Thuk. 4,50; 7,10; Xen. Kyr. 4,5,26; Xen. an. 1,6,4; 3,1,5; (Ps.)-Plat. epist. 2,314c (Aufruf zur iterativen Lektüre eines Briefes, bevor er verbrannt werden soll); Demosth. or. 12,2; 18,21; 19,35 f.187; 23,115 u. ö.; Aischin. Leg. 50; Polyb. 8,18,2; Diod. 2,18,2; 5,28,6 (Hier ist ein interessantes Ritual bezeugt, bei der Feuerbestattung einen Brief ins Feuer zu werfen, damit der Verstorbene diesen lesen kann.); Plut. Pomp. 59; Plut. Alex. 39; Plut. Ant. 10 u. ö.; Plut. Caes. 30,2; Plut. Cic. 15; Plut. curios. 15 (mor. 522d); Plut. resp. ger. 11 (mor. 790a); Epikt. diatr. 1,9,28; P.Eleph. 9,4 f; SB 18 13867,1 [=P.Mich. 14 679]; P.Oxy. 16 1837, 2; IG 14 830,22; 1Esr 2,26 LXX; 1Makk 10,7; ParJer 7,21.36; TestSal A 22,6; Ios. ant. 8,2,7 (53); bell. Iud. 1,32,6 (643); Iul. ep. 5 [425c/ c]. Vgl. im NT 1Thess 5,27; Kol 4,16 (in Act 15,31 u. 23,34 elliptisch). Inschriften: Vgl. z. B. Demosth. or. 19,270; 20,112; Aischin. Ctes. 119; Plut. Pomp. 27; Lyk. 20,5 (deutet auf die Selbstverständlichkeit hin, Inschriften wahrzunehmen und zu kommentieren); Alex. 69; 18 de tranq. anim. 6 (mor. 467e); de Pyth. or. 15 (mor. 401c); de mul. vir. 17 (mor. 254d), hier auf einem Metallplättchen; Plut. de tranq. anim. 6 (mor. 467e); curios. 11 (mor. 520d/ e); Lukian. Alex. 34 (Wandinschrift in einem Haus in goldenen Buchstaben); Lukian. rh. pr. 18; dial. meretr. 4,2; dips. 6; Anarch. 22 (Größe der Buchstaben wird hervorgehoben); Ael. var. hist. 13,3; bei Diod. 1,27,6 geht es um die Lesbarkeit des auf zwei Grabstelen Geschriebenen: „So viel, so sagen sie, könne man von den Inschriften noch lesen, das übrige sei bei der Länge der Zeit 111 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 19 Vgl. zur schlechten Lesbarkeit einer verwitterten Grabinschrift ferner Lukian. Scyth. 2. verdorben“ (Üb. W I R T H , modifiziert JH). 19 Hier meint αναγιγνωσκω eindeutig das visuelle Wahrnehmen des Geschriebenen. Gesetze, Beschlüsse, Verträge, Petitionen, Dokumente in Gerichtskontexten u. ä.: Vgl. z. B. Thuk. 3,49; ψήφισμα (Demosth. or. 13,32; 18,28.118 u. ö.; Lys. or. 13,33.35 u. ö. Ai‐ schin. Leg. 2,50; Lykurg. 1,36.114 u. ö.; Plut. Phoc. 35); πρόκλησις (Demosth. or. 29,50; 30,36); προβούλευμα (Demosth. or. 19,35); νόμος (Demosth. or. 20,27.88.94.102 f.153; 21,8.10 u. ö.; Lys. or. 1,28.30 f; 10,14 f u. ö.; Aischin. Tim. 1,11.34 u. ö.; Isa. or. 10,10; 11,1 u. ö.; Plut. Cato min. 16; Plut. apophth. lac. 34,1 (mor. 221b), hier ist ein didaktischer Zweck des Lesens im Blick; App. civ. 1,1,11; vgl. in der LXX Dtn 31,11); δόγμα (Demosth. or. 25,62; Aischin. Ctes. 69); eine Auflistung [ἀριθμός] als Anhang eines Dekrets (Demosth. or. 18,305); ἐντευξίδιον (Epikt. diatr. 1,10,10); μαρτυρία (Demosth. or. 18,267; 27,8.17.22.26.28 u. ö.; Aischin. Tim. 1,65.69.100 u. ö.; Isa. or. 2,16; 11,46 u. ö.; Lykurg. 1,19.23 u. ö.; Plut. Cato min. 48; ἐκμαρτυρία (Aischin. Leg. 2,19); δοκιμασία (Polyb. 3,9); διαθήκη (Plut. Brut. 20); ἐπίλεγμα (P.Grenf. 1 37,15); κεκριμ]ένα (P.Oxy. 41 2955,10); ἐπίσταλμα (P.Oxy. 1 59,8); βιβλίδιον (SB 5 7558,13 f); τὰ κεκελευσμένα (BGU 1 15 col 1,14 f). Berichte oder Befehle: Vgl. z. B. Ios. bell. Iud. 2,2,4 (25); 2,16,1 (333 f). Verschiedenste Alltagstexte: Vgl. z. B. ein Schuldbuch in Plut. mor. 829e; die Auf‐ schriften auf einer Wasseruhr für die Fernkommunikation (vgl. Polyain. strat. 6, 16,2); Aufschrift auf den Seitenwänden von Schiffen (vgl. Polyain. strat. 1,30,7); handschriftliche Notizen (χειρόγραφος) z. B. in TestHiob 11,11 (hier ein Schuldschein); ein pittacium in IG 14 830,38; ein Testament in P.Cair.Goodsp. 29,3,1. Memoiren/ Aufzeichnungen: ὑπομνήματα (Demosth. or. 21,130; Diod. 17,4,5; App. Mac. 1,6; Athen. deipn. 3,25 (83a/ b) Gal. Thras. 4 [ed. K ÜH N 5, p. 810]). Bücher: Dies kann ganz unterschiedlich angegeben werden. Vgl. z. B. σύνταξις (Werk, Komposition) bei Epikt. diatr. 1,4,6; 2,19,10; aber συγγράμματα (vgl. z. B. Polyain. strat. 5 praef.; Gal. PHP 6,3,30). Häufig findet sich die (allerdings mehrdeutige) Bezeichnung βιβλίον. Vgl. z. B. Plut. Cato min. 70; Artem. on. 3,66 [ed. Pack, p. 235,7]; Gal. san. tuend. ed. KÜHN 6, p. 347. Aus dem Kontext wird deutlich, dass es sich um Platons Phaidon handelt, den Cato vor seinem Tod zweimal liest: ἔλαβεν εἰς χεῖρας τῶν Πλάτωνος διαλόγων τόν περὶ ψυχῆς (Plato. Cato min. 68,2; vgl. dagegen die Varianten dieser Geschichte bei App. civ. 2,14,98 f; Plut. non posse suav. 10 (mor. 1093a). Gelesen werden aber z. B. auch τὰ Ὁμήρου ποιήματα (Lukian. Gall. 2; s. auch Iupp. conf. 1). 112 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 20 Vgl. z. B. Dio Chrys. or. 66,20; Plut. symp. 3,6,1 (mor. 653c); Plut. de Alex. fort. 1,5 (mor. 328e); Plut. de garr. 21 (mor. 513b); 22 (mor. 514c); Plut. Adv. col. 19 (mor. 1118a); Epikt. diatr. 2,12,15; Gal. meth. med. ed. K Ü H N 10, p. 26,8 f; Athen. deipn. 1,10 (6d); 9,65 (402a). Vgl. ferner 4Makk 18,11, wo die Kurzzusammenfassung des Inhalts, die einer Perikopenüberschrift gleicht, für den gelesenen Text steht. Zum Lesen eines Titels s. auch Lukian. hist. congr. 32. 21 Vgl. exempl. Plat. Tht. 143b; Epikt. diatr. 1,4,9; 1,20,14; 3,2,12 f; 4,9,6; Clem. Al. strom. 5,48,1. 22 Vgl. S C H E N K E V E L D , Prose, 134 mit Verweis u. a. auf Apollon. Dysk. synt. 3,182 (ed. U H L I G , p. 425,5; Epikt. diatr. 1,4,9; 3,2,13-15; Dion. Hal. Lys.11 (ed. U S E N E R / R A D E M A C H E R 5, p. 19,6 f); imit. 6,4 (ed. U S E N E R / R A D E M A C H E R 6, p. 210,11 f). 23 Vgl. z. B. Gal. foet. form. 1 [ed. K Ü H N , p. 653]: „wobei er nicht einmal die von Hippokrates gemachten Ausführungen, […] gelesen hatte (μηδὲ τὰ πρὸς Ἱπποκράτους εἰρημένα […] ἀνεγνωκώς)“ (Üb. N I C K E L ). 24 Protagoras und Prodikos von Keos sollen Geld mit dem Vorlesen von Reden verdient haben. Vgl. Diog. Laert. 9,8,50. Vgl. die eindrückliche Formulierung „viele tausend Zeilen herplärren“ (deblateratis versuum [= στίχος] multis milibus) bei Gell. 9,15,10. Aufschlussreich ist zudem, dass die antiken Rhetoriker die Länge einer Rede nicht mit einem Zeitmaß angeben, sondern mit der Länge der Stichen. Vgl. dazu weiterführend mit Verweise auf die Quellen L A N G , Schreiben, 51-53. 25 Vgl. dazu den Kommentar R O T H , Panathenaikos, 252. Bücher werden außerdem häufig durch ihren Titel angegeben. 20 Weniger häufig steht der Name des Autors metonymisch für den gelesenen Text. 21 In dieser spe‐ zifischen Verwendungsweise schwingt sehr häufig die Bedeutung von „(genau) studieren“ (LSJ: to study, to pore over) mit. 22 Aber auch nicht primär schriftlich konzipierte Kommunikationsakte, die durch den Kontext eindeutig als schrift‐ gebunden markiert sind, werden gelesen, 23 wobei gerade Reden durchaus als schriftlich konzipiert gedacht worden sind: 24 Orakelsprüche oder Eide: vgl. z. B. μαντεία (Demosth. or. 19,297; 21,25; Aischin. Ctes. 112.119); ὅρκος (Demosth. or. 24,148; Lykurg. 1,80; App. civ. 2,20,145); ἀντωμοσία (Isa. or. 5,4); χρησμός (Aristoph. Eq. 115-120; Plut. Phoc. 8,3 [Z I E G L E R , p. 7,14]). Reden: vgl. einschlägig Isokr. 12,231 f, der berichtet, dass er eine diktierte Rede mit kritischer Distanz nach einigen Tagen noch einmal gründlich durchliest (τριῶν γὰρ ἢ τεττάρων ἡμερῶν διαλειφθεισῶν ἀναγιγνώσκων αὐτὰ καὶ διεξιών …); Isokr. 12,216 über einen Schüler, der eine Rede von Isokrates liest. In Isokr. 12,246 wird auf die zukünftigen Rezipienten der Panathenaikos vorausgeblickt und angemerkt, dass sie bei oberflächlicher Lektüre leicht und verständlich erscheine (ἀλλὰ τοῖς μὲν ῥᾳθύμως ἀναγιγνώσκουσιν ἁπλοῦν εἶναι δόξοντα καὶ ῥᾴδιον καταμαθεῖν), sich bei genauem Hindurchgehen (s. dazu 3.7) aber als schwierig und schwer verständlich herausstelle (τοῖς δ᾽ ἀκριβῶς διεξιοῦσιν αὐτόν […] χαλεπὸν φανούμενον καὶ δυσκαταμάθητον). 25 Bei Plut. Dem. 11,4 findet sich die Gegenüberstellung des Hörens und des Lesens von Reden. Plut. Pomp. 79 erzählt, wie Pompeius auf einem Schiff in seinem Manuskript 113 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 26 Iterative Lektüre eines noch unpublizierten Manuskripts, das den Teil einer unfertigen Rede enthält, ist belegt bei Isokr. or. 12,268. 27 Vgl. Polyb. 3,31,11. 28 Vgl. z. B. Polyb. 23,11,1 f; Ios. ant. 11,1,2 [5]; Act 8,30 f; Ael. var. hist. 13,3; Theoph. Autol. 2,1; Orig. Cels. 4,28; s. außerdem insb. die Belege u. in Anm. 313, S. 452, u. in Anm. 314, S. 452. einer Rede liest, die an Ptolemaios adressiert ist: ὁ Πομπήϊος ἔχων ἐν βιβλίῳ μικρῷ γεγραμμένον ὑπ᾽ αὐτοῦ λόγον Ἑλληνικόν, ᾧ παρεσκεύαστο χρῆσθαι πρὸς τὸν Πτολεμαῖον, ἀνεγίνωσκεν; Plut. de garr. 5 (mor. 504c) erzählt von einem Klienten von Lysias, der das Manuskript einer für ihn geschriebenen Rede mehrfach liest; 26 Agesilaos liest ein Redemanuskript von Kleon von Halikarnassos aus dem Nachlass von Lysander individuell-direkt und möchte die Rede daraufhin veröffentlichen (vgl. Plut. Ages. 20,3); vgl. zur Lektüre eines Redemanuskriptes auch Iul. ep. 53 [382d]; Plut. apophth. lac. 54,14 (mor. 229e/ f), bezeichnet ein βιβλίον γεγραμμένον τῷ Λυσάνδρῳ als ὁ λόγος, der vorgelesen würde; Ps.-Plut. X orat. 3 (mor. 836d): ἀνέγνω δὲ καὶ ἐν τῇ Ὀλυμπιακῇ πανηγύρει λόγον μέγιστον; Ps.-Plut. X orat. 6 (mor. 840d): ἀνέγνω τε τοῖς Ῥοδίοις τὸν κατὰ Κτησιφῶντος λόγον [vgl. Aischin. Ctes.] ἐπιδεικνύμενος. Bei Diodor findet sich dagegen eine Stelle, an der das Vorlesen einer Rede vor Publikum gemeint ist: „Zugleich las er [Lysias] eine Rede mit dem Titel Olympiakos vor“ (Diod. 14,109,3). Daneben können auch Abstrakta wie „Geschichte“ (ἱστορία) 27 metonymisch für den zu lesenden Text stehen. Es lässt sich aus dem Quellenbefund nicht ableiten, dass ἀναγιγνώσκω bloß in einem technisch physiologischen Sinne Lesen als Transformation von Buchstaben in realisierten oder mental wahrgenommenen Klang/ Sprache, die kognitiv nicht weiterverarbeitet würde, konzeptualisierte. Es gibt zwar Quel‐ lenstellen, an denen von einem Lesen ohne Verstehen gesprochen wird bzw. der Akt der kognitiven Verarbeitung explizit erwähnt wird. 28 An Stellen, wo ἀναγιγνώσκω mit einem Nicht-Verstehen verbunden ist, kann es theoretisch einen bloß technisch-physiologischen Vorgang bezeichnen. Allerdings ist an allen Stellen, an denen die kognitive Verarbeitung oder Nicht-Verarbeitung explizit thematisiert wird, jeweils in Rechnung zu stellen, dass der jeweilige Verstehens-Begriff unterschiedliche Bedeutung haben kann. Man kann Ver‐ stehen nämlich von einem völligen Unverständnis (wenn man altgriechische Buchstaben zwar lesen kann, aber die Vokabeln und die Grammatik nicht kennt, kann man einen griechischen Text zwar lesen, aber nicht verstehen) bis hin zu einem interpretatorischen Verstehen, also eines Verstehens der eigentlichen, tieferen, allegorischen, übertragenen o. ä. Bedeutungsdimension eines Textes, 114 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 29 Eine aufschlussreiche Stelle für ein Verstehen im letzteren Sinne bietet Plat. ep. 2,312d: „So muß ich es dir in Rätselrede (αἰνιγμός) ausdrücken, damit, falls dem Schreiben in des Meeres oder Landes Schluchten etwas zustoßen sollte, der Leser es nicht versteht (ὁ ἀναγνοὺς μὴ γνῷ).“ Ebenfalls ein Verstehen auf einer höheren Ebene ist z. B. in Demosth. or. 20,103 im Blick. 30 Vgl. z. B. Polyb. 16,14,10; Dion. Hal. Dem. 53; Gal. meth. med. ed. K Ü H N 10, p. 86,8; san. tuend. ed. K Ü H N 6, p. 397; diff. feb. ed. K Ü H N 7, p. 370 u. ö.; Artem. on. 3,66; Orig. hom. in Jer. 1,15; u. ö.; Diog. Laert. 4,9,62. 31 Vgl. z. B. Gal. ars medica, ed. K Ü H N 9, p. 620 u. ö.; M. Aur. 1,7; Cass. Dio 66,26,3. 32 Vgl. exempl. für viele Diod. 15,8,5; 17,101,6 u. ö.; Philo legat. 254; Plut. Alex. 19; Cic. 15; Ios. ant. 16,10,9 (355); 18,6,4 (164); Ios. bell. Iud. 2,16,1 (333 f); Iust. Mart. dial. 10,3; Orig. Cels. prooem. 6; 2,37; 4,49 (Motiv des unvoreingenommenen Lesens); 4,50.72. 33 Vgl. dazu weiterführend R E I T Z , Mündlichkeit. skalieren. 29 Auch dass die besondere Aufmerksamkeit beim Lesen durch Lexeme wie ἐπιμελής 30 oder ἀκριβής 31 hervorgehoben werden kann, macht deutlich, dass das Verb nicht nur die Transformation von Buchstaben in realisierten oder mental wahrgenommenen Klang meint. Zudem finden sich zahlreiche Stellen, an denen der Vorgang der kognitiven Weiterverarbeitung, also das Verstehen des Gelesenen eindeutig impliziert ist, ohne dass dies eigens hervorgehoben wird. 32 Eine aufschlussreiche Stelle im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Lesetech‐ niken und kognitiver Verarbeitung findet sich in Platons Phaidon. Der Sokratesschüler Kebes berichtet hier von seiner Lektüreerfahrung der Schriften von Anaxagoras: „Vielmehr nahm ich mit Feuereifer seine Schriften und las sie durch, so schnell es ging, um möglichst schnell das Zweckentsprechendste und auch das Minderwertigere zu erkennen (ἀλλὰ πάνυ σπουδῇ λαβὼν τὰς βίβλους ὡς τάχιστα οἷός τ᾽ ἦ ἀνεγίγνωσκον, ἵν᾽ ὡς τάχιστα εἰδείην τὸ βέλτιστον καὶ τὸ χεῖρον). Da war es mir, mein Freund, ein Sturz aus hochgesteigerter Erwartung, als ich beim fortschreitenden Lesen sehen mußte (ἐπειδὴ προϊὼν καὶ ἀναγιγνώσκων ὁρῶ) …“ (Plat. Phaid. 98b; Üb. D I R L M E I E R , leicht mod. JH). In dieser Leseszene ist eindeutig individuell-direkte Lektüre voraus‐ zusetzen, die mit dem Ziel verbunden ist, in möglichst kurzer Zeit einen Überblick über mehrere Bücher zu bekommen. Dabei wird explizit hervorgehoben, dass das Ziel darin liegt, die Inhalte kritisch zu evaluieren. Die kognitive Verarbeitung bei diesem überfliegenden Lesen zu Evaluationszwecken wird mit dem Verb ὁράω angezeigt. Eine weitere Stelle aus dem Werk Platons, an der die kognitive Verarbeitung bei der individuell-direkten Lektüre impliziert ist, findet sich in der Gegenüberstellung des Rechnens durch den Arithmetikers und des Lesens durch den literarisch Gebildeten in Plat. Tht. 198e-199a. 33 Exemplarisch für viele ähnliche Leseszenen sei auf Xen. Eph. 2,5,3 hingewiesen. Hier erhält Habrocomes einen Brief, „nahm ihn, las ihn und wurde betrübt durch das Geschriebene (ὁ δὲ ἔλαβε καὶ ἀνέγνω καὶ πᾶσι μὲν ἤχθετο 115 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 34 Vgl. B L U M E N B E R G , Lesbarkeit, 35. 35 Vgl. aus der Vielzahl der Quellen exempl. Polyb. 3,32,4 (aus Polyb. 3,32,1 f geht eindeutig hervor, dass individuell-direkte Leser gemeint sind); 30,6,1; Diod. 1,3,2; 1,3,5; 4,1,1; u. ö.; Plut. symp. 2, praef. [mor. 629d]; Alex. 1; Ios. bell. Iud. 7,11,5 (455); Artem. on. 3,66 [ed. Pack, p. 235,9 f]; Gal. PHP 6,3,30; Sib. prol.; Charit. Cal. 8,1,4; vgl. auch das Partizip im Singular bei Aen. Tact. 31,19, mit dem der Leser einer Geheimbotschaft bezeichnet wird; im Sg. spricht auch Origenes seine intendierten Leser an (vgl. Orig. Cels. prooem. 6; s. auch 6,46); vgl. ferner Polyb. 3,31,11; Demetr. eloc. 3,152. Philo Abr. 177 spricht von den Lesern der Heiligen Bücher; vgl. dazu z. B. auch Orig. Cels. 8,48. 36 Vgl. exempl. IGR I,5 1345,13 (85 n. Chr.); IGR I,5 1370,11 f; MAMA 9 115,1 (viell. 2. Jh. n. Chr.); SEG 31 1096 (=ICG 2325); SEG 43 908, 17 f; MAMA 4 33 (=ICG 1094); MAMA 8 204,2 (=ICG 645); MAMA 7 565 (=ICG 73); ICG 109; MAMA 9 557,4 (=ICG 1307). 37 Vgl. U S E N E R , Isokrates, 78 f. Useners Überlegungen, dass durch das Pluralpartizip hier eine Gruppe von Rezipienten gebraucht werde, die den Text gemeinsam läsen (d. h. einer läse den anderen vor), ist reine Spekulation. Das Futur Passiv von ἐρῶ verweist in Isokr. 15,55 nicht eindeutig darauf, dass das Folgende vorgetragen wird (gegen U S E N E R , Isokrates, 79), sondern erklärt sich sehr gut vor dem Hintergrund, dass verba dicendi häufig zur Anzeige von Voraus-, Rück- oder Querverweisen verwendet werden (s. u. 3.2). Der Verweis auf diejenigen, die Isokrates’ Schriften schon oft gelesen haben (τῶν πολλάκις ἀνεγνωκότων; ebd.), legt hier die Annahme einer individuell-direkten Lektüre der publizierten Reden nahe. τοῖς ἐγγεγραμμένοις).“ Vgl. außerdem die Gegenüberstellung von Lesen und Hören als zwei unterschiedliche Kanäle der kognitiven Aneignung von Wissen bei Clem. Al. paid. 3,78,2, der hervorhebt, dass das Lesen gelehrt wird, das Hören aber nicht gelehrt wird. Aus dem Kontext geht eindeutig hervor, dass die individuell-direkte Lektüre zur Wissensaneignung gemeint ist (s. u. 9.5). Aufschlussreich ist ferner eine Stelle im Roman Joseph und Aseneth, an der mit ἀναγιγνώσκω bezeichnetes Lesen gleichsam im Sinne einer Metapher zweiten Grades 34 verwendet wird: „Levi aber sah die Regung seines Herzens, denn Levi war ein Prophet und sah genau mit seinen Gedanken und seinen Augen und las das im Herzen des Menschen Geschriebene (<ἀν>εγίνωσκε <τὰ γεγραμμένα> ἐν τῇ καρδίᾳ <τοῦ> ἀνθρώπο<υ>)“ ( JosAs 23,8; Üb. R E I N M U T H ). Das durch hinzutretenden Artikel substantivierte Partizip wird häufig zur Reflexion über bzw. zur direkten Ansprache der Leser verwendet; 35 dies ist auch inschriftlich belegt (v. a., aber nicht nur, in spätantiken, christlichen Inschriften). 36 Es ist bemerkenswert, dass selbst Isokrates in seinem Brief an Alexander, eine Einzelperson, gleich zu Beginn die Leser im Plural (ὃ ποιήσει τοὺς ἀναγνόντας μὴ νομίζειν ἤδη με παραφρονεῖν διὰ τὸ γῆρας μηδὲ παντάπασι ληρεῖν …; Isokr. ep. 5,1) in den Blick nimmt, was impliziert, dass der Brief (zumindest in der überlieferten Form) zur Publikation bestimmt war. 37 Aufschlussreich ist auch das papyrologisch bezeugte „Edikt über das aurum coronarium“ (P.Fay. 20) von Alexander Severus, in dem am Ende bestimmt wird, dass in jeder Stadt Abschriften zu veröffentlichen seien, und zwar dort, wo 116 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 38 Vgl. weiterführend S C H U B A R T , Edikt. 39 Vgl. exempl. Vitr. 1,1,18; 2,2,9; 5 praef. 1-3.5 u. ö.; Plin. nat. passim; Tac. ann. 4,33,3; 6,8,5 (im Futur); Lact. epit. praef. 1; Ov. trist. 1,1,21; 1,7,25. 40 S. unten Anm. 135, S. 139. Vgl. außerdem Plut. Luc. 39. 41 Vgl. zu einer vermeintlichen Ausnahme in der LXX Anm. 12, S. 315. 42 Vgl. z. B. Lukian. ind. 7, wo die Formulierung „er soll dir vorlesen“ (ἀναγνώτω σοί) verwendet wird, also das Subjekt des Vorlesens eigens genannt wird; oder auch die Passivkonstruktion in Lukian. sat. 2,14; vgl. auch Lukian. pr. im. 28, wo das Vorlesen-Lassen in Form einer Wendung mit ἀκρόασις zum Ausdruck gebracht wird, oder die Verwendung von ἀκροάομαι bei Ps.-Lukian. 25. Zur Verwendung dieser Lexeme in Lesekontexten besteht noch Forschungsbedarf. 43 Vgl. G E O R G E S , Handwörterbuch, 964. 44 Vgl. z. B. Cic. de orat. 1,34,158; 2,12,52 (hier eindeutig visuell konnotiert); Plin. ep. 9,11,2; Aulus Gellius verwendet cognosco, um ein intensiveres, studierendes Lesen zum Ausdruck zu bringen, wie Gell. praef. 14 und insb. 11,17,1 f zeigen. sie den Lesern am besten sichtbar seien (… μάλιστα ἔστα̣[ι] | σύνοπτα τοῖς ἀναγινώσκουσ<ιν>. P.Fay. 20 col. 2, Z. 23 = SB 14 11648). 38 Analog dazu wird in lateinischen Quellen das Partizip von legere verwendet, um den Leser direkt anzusprechen bzw. über ihn zu reflektieren. 39 Seltener, aber dennoch vorkommend, wird das Verb im Griechischen dazu verwendet, Verweise auf andere Schriften oder Zitate anzugeben bzw. eine Lesefrucht wiederzugeben (s. u.). 40 Dagegen konnten keine eindeutigen Belege gefunden werden, dass das Verb regelmäßig (und jenseits konzeptioneller Über‐ tragungen individuell-direkter Leseakte auf indirekte Rezeption) auch direkt die hörende Rezeption eines Textes beschreibt, der vorgelesen wird. 41 Diese negative Beobachtung wiegt umso schwerer, als sich in den Quellen eindeutige Formulierungen auch mit anderen Lexemen finden lassen, welche eine solche Rezeptionssituation des Vorlesen-Lassens eindeutig markieren. 42 Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass das lateinische Äqivalent cognosco, 43 auch wenn im Lateinischen mit lego ein anderes Hauptleseverb verwendet wird (s. u. 3.3), ebenfalls sporadisch im Sinne von „lesen“ zu finden ist. 44 3.1.2 Ἀναγιγνώσκω mit zusätzlichen Präfixen Durch Präfigierung kann die Wortsemantik des Verbes spezifiziert werden: διαναγιγνώσκω (durchlesen) wird verwendet, um anzuzeigen, dass ein Text, ein Brief bzw. ein Buch oder Werk vollständig gelesen wird. Vgl. Cass. Dio. 58,10,7: καὶ τέλος διαναγνωσθείσης τῆς ἐπιστολῆς πάντες …; Isokr. or. 12,201.241, u. Diog. Laert. 2,5,40 verwenden dieses Wort zur Beschreibung des individuellen und evaluierenden Durchlesens eines Redemanuskripts; Polyb. 3,32,1 f 117 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 45 Vgl. Plut. Cic. 19.27. Auch wenn an beiden Stellen eine Vorlesesituation vorausgesetzt ist, wird dies dort nicht durch die Verbsemantik angezeigt. 46 Vgl. Plut. Cato min. 68; Athen. deipn. 3,25 (83b): … δι᾽ αὐτὸ τοῦτ᾽ ἐξαναγνοὺς αὐτοῦ πάντα τὰ ὑπομνήματα … Die im Benseler und Gemoll angegebene Bedeutung „heraus‐ lesen“ kann m. E. an den Quellen nicht verifiziert werden. S. auch P A S S O W , 756. 47 Isokr. or. 4,20 verweist auf die Möglichkeit des Vergleichs von Verträgen aus verschie‐ denen Zeiten (εἰ παραναγνοίη τὰς συνθήκας τάς τ᾽ ἐφ᾽ ἡμῶν γενομένας καὶ τὰς νῦν ἀναγεγραμμένας). εἰ παραναγνοίη τὰς συνθήκας τάς τ᾽ ἐφ᾽ ἡμῶν γενομένας καὶ τὰς νῦν ἀναγεγραμμένας; vgl. außerdem 12,17: „Solange sie bloß meine Reden (τοὺς λόγους μου) misshandelten, indem sie sie so schlecht wie möglich parallel zu dem eigenen lasen [παραναγιγνώσκοντες ὡς δυνατὸν κάκιστα τοῖς ἑαυτῶν]“ (Üb. R O T H ; modifiziert JH); vgl. außerdem Aischin. Ctes. 250; Ios. vita 260; I.Magnesia 93c, 26 f (= Syll 3 679.IV). 48 Vgl. exempl. Aischin. Leg. 2,61; Aischin. Ctes. 188.201. An einigen Stellen wird kein zweites Schriftstück genannt bzw. wird das Vergleichsmoment nicht durch den Kontext markiert. Vgl. z. B. Polyb. 2,12,4; 3,21,5; 15,25,5; 2Makk 8,23; 3Makk 1,12; Ios. bell. Ind. 4,10,6 (617); ferner die beiden Szenen, bei denen dem König heilige Schriften vorgelesen werden, bei Diod. 1,73,4 u. Ios. ant. 10,4,2 (58), woraus LSJ u. a. ableiten, das Verb würde auch bloß im Sinne von read publicly gebraucht. Diese Schlussfolgerung ist aber m. E. angesichts des dünnen Quellenbefundes und des semantischen Gehalts des Präfixes nicht sicher. Vielmehr kann auch für diese Stellen vermutet werden, dass die Bedeutung „neben“, „hinzu“ oder ein anderes Vergleichsmoment mitschwingen soll. Dies wird etwa bei Basil. Caes. ep. 160,4 deutlich, wo das Verb gebraucht wird, um das Einbringen eines Schriftzitats in eine Diskussion zu bezeichnen: ἐὰν δέ μοι παραναγινώσκῃ (wörtl. „wenn mir jemand hinzuliest …“). hebt die Länge und Anzahl seines Werkes verteidigend hervor. Es sei leichter, seine 40 Bücherdurchzulesen (πόσῳ γὰρ ῥᾷόν ἐστι καὶ κτήσασθαι καὶ διαναγνῶναι βύβλους τετταράκοντα …), in denen Geschichte in einem Stück und komprimiert präsentiert sei, als sich die Informationen aus den verschiedensten Quellen episodischer Ge‐ schichtsschreibung selbständig zusammenzutragen. Bei Polyb. 21,11,3 scheint zudem die Sorgfalt beim Durchlesen hervorgehoben zu sein. Vgl. ferner Polyb. 31,14,1; Ael. var. hist. 14,43; Athen. deipn. 3,60 (102b). Bei Diog. Laert. 3,1,66 hat das Verb eher die Konnotation „einsehen, konsultieren“ von spezifischen Handschriften mit kritischen Randbemerkungen. Die Vergleichsbasis für ἐξαναγιγνώσκω (LSJ: read through) ist vergleichsweise gering. Zwei Stellen bei Plutarch, an denen keine spezifische Bedeutung ein‐ deutig gesichert werden kann, 45 stehen zwei Stellen ebenfalls bei Plutarch und Athenaios gegenüber, an denen es offensichtlich zur Betonung der Vollständig‐ keit des Lesens einer Schrift bzw. im Sinne von „ausgelesen“ gebraucht wird. 46 Das Verb παραναγιγνώσκω wird allgemein dazu genutzt, den Vergleich bzw. das vergleichende/ parallele Lesen von zwei Schriftmedien 47 oder - häufig in Reden - das kontrastierende Vorlesen eines zweiten Textes 48 anzuzeigen; oder es wird 118 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 49 Als Kontext ist vermutlich Plutarchs Philosophenschule in Chaironeia anzunehmen. Vgl. T E O D O R S S O N , Commentary III, 34. In einer textkritisch feststellbaren Variante zu dieser Stelle fehlt das Präfix συν-, was auf die im Folgenden zu thematisierende Ambiguität des Sub‐ stantives ἀνάγνωσις hindeutet. Nikomachos von Gerasa verwendet das Verbalabstraktum interessanterweise zweimal in Kombination mit dem Präfix συν- und verweist damit auf das Studium von klassischen Werken. Vgl. Nikom. Ar. 2,21,1; 2,24,11. 50 M O N T A N A R I , BDAG, 736. Vgl. z. B. Plut. resp. ger. 12 (mor. 790e), Cass. Dio 38,2,1; Arist. 308 (hier die Übersetzung [ἑρμηνεία] der Tora). passend zur allgemeinen Bedeutung im Sinne von „überprüfend konsultieren“ verwendet. So nutzt Ps.-Plut. X orat. 7 (mor. 841 f) das Verb im Kontext eines Gesetzes, das vorsah, (autorisierte) Abschriften der Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides aufzubewahren, damit die Stadtschreiber diese konsultieren können, um eine Abwei‐ chung der Aufführung vom Original zu verhindern (… καὶ τὰς τραγῳδίας αὐτῶν ἐν κοινῷ γραψαμένους φυλάττειν καὶ τὸν τῆς πόλεως γραμματέα παραναγινώσκειν τοῖς ὑποκρινομένοις: οὐκ ἐξεῖναι γὰρ παρ᾽ αὐτὰς ὑποκρίνεσθαι). Das v. a. von Plutarch verwendete Verb συναναγιγνώσκω (mitlesen) kenn‐ zeichnet das gemeinsame Lesen (aus) einer Schrift. Vgl. v. a. die aufschlussreiche Szene, die eindeutig kollektiv-direkte Rezeption belegt, bei Plut. de Alex. fort. 1,11 (mor. 332e-333a), in der Alexander nicht-vokalisierend einen Brief seiner Mutter liest und dabei merkt, dass Hephaistos über seiner Schulter mitliest. Vgl. auch Plut. de Alex. fort. 2,7 (mor. 340a); reg. et. imp. 27,14 (mor. 180d); ferner de Amic. 11 (mor. 97a) sowie den Verweis auf die Gemeinschaftslektüre von Schriften Platons (ἐν ταῖς Πλατωνικαῖς συναναγνώσεσιν …) in symp. 7,2 (mor. 700c). 49 Vgl. außerdem den Verweis auf das gemeinsame Lesen eines Werkes von Hippokrates bei Gal. Hipp. fract., ed. K ÜH N , 18b, p. 321. P A S S O W , 1668, führt noch weitere, allerdings sehr späte Belege an. Interessant ist ferner ein Fragment aus dem Werk von Johannes von Antiochia, der das Partizip im Sinne von „Mitstudenten“, d. h. Kommilitonen verwendet. Vgl. Iohan. Ant., fr. 218. Dazu passt, dass Marinus von Neapolis sich im 5. Jh. beklagt, er habe es innerhalb von zwei Jahren nicht geschafft, Aristotelesschriften gemeinsam zu lesen: Ἐν ἔτεσι γοῦν οὔτε δύο ὅλοις πάσας αὐτῷ τὰς Ἀριστοτέλους συνανέγνω πραγματείας, λογικάς, ἠθικάς, πολιτικάς, φυσικάς, καὶ τὴν ὑπὲρ ταύτας θεολογικὴν ἐπιστήμην. (Marin. v. Proc. 13) Dies klingt nach einer Art Philosophenkolloquium, bei dem gemeinsam Aristotelesschriften gelesen und diskutiert wurden. Προαναγιγνώσκω bedeutet einerseits vorlesen (to read [ahead] in a loud voice), 50 wird aber andererseits auch häufig im temporalen Sinne verwendet, um anzu‐ 119 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 51 Vgl. exempl. Plut. poet. aud. 14 (mor. 36e); Ios. vita 224; bell. Iud. 2,2,4 (25); Gal. HVA, ed. K Ü H N 15, p. 745. 52 Vgl. z. B. die Aufforderung bei Epikt. ench. 49,1: „Lies mir aus Chrysippos vor! (ἐπανάγνωθί μοι Χρύσιππον)”; vgl. auch Demosth. or. 7,19; Cass. Dio 59,16,3; Arist. 26; Philostr. soph. 2,549; Mak. apokr. 3,5,5. 53 Vgl. etwa Polyb. 31,13,10. Vgl. M O N T A N A R I , BDAG, 736: read in full. Vgl außerdem Colloquia Monacensia-Einsidlensia 2u (ed. Dickey), wo das Verb als Äquivalent zu perlego angegeben wird und zeigt hier offensichtlich an, dass der Lehrer in der Mittagspause etwas individuell-direkt durchgelesen hat. 54 Epiktet betont hier die Notwendigkeit der dauerhaften Übung. 55 So aber etwa die Übersetzung von C. Rapp. 56 Vgl. A L L A N , ΑΝΑΓΙΓΝΩΣΚΩ, 244-246, insb. auch Anm. 17. 57 LSJ: easy to make intelligible. Die Übersetzung C. R A P P S „gut aussprechbar“ ist misslich und trifft nicht die Semantik des Adjektivs, das von φράζω (LSJ: u. a. perceive, observe, watch) abgeleitet sein dürfte. zeigen, dass jemand zuvor/ zuerst ein Schriftstück/ ein Werk etc. (individuell[! ]) gelesen hat. 51 Ἐπαναγιγνώσκω wird genutzt, um das Verlesen, das Lesen aus etwas zu benennen. 52 Daneben kann das Verb anzeigen, dass jemand einen Text in voller Länge gelesen hat. 53 3.1.3 Ἀναγνωστικός Das selten bezeugte Adjektiv ἀναγνωστικός hat nach LSJ die folgenden Bedeu‐ tungsnuancen: a) capable of reading, a good reader (Epikt. diatr. 2,18,2: lesefähig, gut im Lesen); 54 b) fond of reading (Plut. de garr. 22 [mor. 514a]: das substantivisch gebrauchte Adjektiv verweist bei Plutarch auf jemanden, der viel und gerne liest, also eine Leseratte, der in diesem Fall Geschichten, narrative Texte [ἱστορίαι] liest); c) suitable for reading (Aristot. rhet. 3,12,2 [1413b12]: zum Lesen geeignet). Während die ersten beiden Belege recht eindeutig sind, hat D. J. Allan gezeigt, dass die Interpretation der ἀναγνωστικοί bei Aristoteles im Sinne von „Dichter, die zum Lesen geeignet sind“ 55 , also deren Texte gut aussprechbar wären (λεκτικός), aus philologischer Sicht falsch ist. Vielmehr spreche Aristoteles ganz im Sinne der beiden anderen Stellen davon, dass Autoren, die selbst gute Leser oder Vielleser sind, populär seien, weil sie leserorientiert schreiben, wobei an dieser Stelle offen bleibe, ob Aristoteles auf kollektive oder individuelle Formen der Rezeption abzielt. 56 Einen gut lesbaren Text beschreibt Aristoteles hingegen mit dem Adjektiv εὐανάγνωστος (Aristot. rhet. 3,5,6 [1407b12]). Ein gut lesbarer Text ist nach der weiteren Spezifikation an dieser Stelle ein solcher, der gut erfassbar (εὔφραστος) 57 ist, Konjunktionen (σύνδεσμοι) sparsam verwendet, der leicht 120 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 58 Vgl. Aristot. rhet. 3,5,6 [1407b12-18]. Als Negativbeispiel führt er die Schriften Heraklits an. 59 Vgl. B O R N E M A N N / R I S C H , Grammatik, § 302,2; vgl. aber zur Mehrdeutigkeit der Suffixe K Ü H N E R / B L A S S , Grammatik, § 328,11. 60 Ἡ μὲν οὖν ἐπιδεικτικὴ λέξις γραφικωτάτη: τὸ γὰρ ἔργον αὐτῆς ἀνάγνωσις. 61 A L L A N , ΑΝΑΓΙΓΝΩΣΚΩ, 247. Ebenfalls ambigue z. B. Plat. Euthyd. 279e; Dion. Hal. Dem. 7 (? ); Diog. Laert. 9,7,41. punktiert (διαστίζω) werden kann und wenig Ambiguität in den Bezügen aufweist. 58 Es geht ihm hier also stärker um das kognitive Erfassen als um die lautliche Realisierung. Das Adjektiv εὐανάγνωστος kommt außerdem bei Demetr. eloc. 4,193 vor. Hier legt der Kontext - die Gegenüberstellung von Stilen (λέξεις), die sich entweder besser zum Aufführen (ὑποκρίνομαι) oder zum Lesen (ἀναγιγνώσκω) eignen - eine der Aristotelesstelle analoge Verwendung des Lexems nahe. Als Beispiele führt Demetrios an, Menander sei besser für die Aufführung geeignet, Philemon besser für die Lektüre. Die Ausführungen von Demetrios gleichen im Übrigen denjenigen von Aristoteles (Aristot. poet. 1462a10-1462b5), die unten noch zu diskutieren sind. Ferner wird dieses Lexem von Konstantin in seinem Brief an Euseb verwendet, in dem er den Auftrag zur Beschaffung von Bibelausgaben gibt, um die Beschaffenheit der Schrift der Pergamentkodizes zu beschreiben (vgl. Eus. vita Const. 4,36,2). 3.1.4 Ἀνάγνωσις Das entsprechende Verbalabstraktum ἀνάγνωσις verweist aus morpholo‐ gisch-semantischer Sicht (Suffix -σις) auf den Prozess bzw. den Vorgang des Lesens. 59 Die genaue Bedeutung dieses Lexems ist jedoch nicht in jedem Fall klar. So fragt D. J. Allan im Hinblick auf Aristot. rhet. 3,12,5 (1414a17 f) 60 : „Which type of reading is meant - public or private? Or is the point intentionally left undetermined? This is hard to decide“ 61 Einen Hinweis darauf, dass ἀνάγνωσις auch die individuell-direkte Lektüre bezeichnen kann, findet sich in Aristot. poet. 1462a10-17. Hier stellt er Lektüre und Aufführung der Tragödie als zwei unterschiedliche Rezeptionsmodi gegenüber; bei beiden hätte man die gesamte Tragödie vor Augen: „Außerdem erfüllt die Tragödie genauso wie die epische Dichtung auch ohne (kör‐ perliche) Aktion ihre Wirkung. Denn schon durch das Lesen (ἀναγιγνώσκω) wird offenbar, wie (gut oder schlecht) sie ist. […] Ein weiterer Grund für ihren höheren Rang [der Tragödie gegenüber dem Epos] […] ist ein musikalisches und visuelles Element. Dass dieses ästhetisches Vergnügen bereitet, ist völlig evident. Außerdem hat man (die ganze Tragödie) klar vor Augen - sowohl bei der Lektüre als auch, wenn 121 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 62 Der Versuch, diese Evidenz dieser Quelle rein thetisch wegzudiskutieren, um die eigene These nicht zu gefährden (K I V Y , Performance, 12), ist m. E. ideologieverdächtig. Vgl. weiterführend zu „vor Augen haben“ bei Aristoteles S C H M I T T , Poetik, Kommentar, 546 f.550-553. 63 Plut. poet. aud. 1 (mor. 14 f): ἄν γε δι᾽ ἀκοῆς λάθῃ προέμενος αὑτόν. 64 G U G G E N B E R G E R , Primat, spricht sogar unter Verweis auf Arist. poet. 1453b1-6 vom „Primat des Hörens“. Dort formuliert Aristoteles, dass der Mythos so konstruiert sein müsse, dass er auch ohne das Sehen einer Inszenierung auf der Bühne nur durch das Hören (ἀκούω) die gewünschten Affekte hervorrufen müsse. Diese Stelle kann m. W. nicht als einziger hermeneutischer Schlüssel für Aristot. poet. 1462a10-17 dienen. Genau dies tut jedoch Guggenberger, wenn er schlussfolgert, dass ἀναγιγνώσκω vor‐ lesen bedeute, ἀνάγνωσις die Vorlesung/ Rezitation meine, Aristoteles als Rezeptions‐ form (gegen den theaterwissenschaftlichen Konsens) also eine öffentliche Rezitation, vielleicht sogar mit verteilten Rollen voraussetzte (G U G G E N B E R G E R , Primat, 228-232). An dieser und an anderen entscheidenden Stellen des Gangs seiner Untersuchung bleiben die Argumente Guggenbergers jedoch rein thetisch bzw. bloße Vermutungen. So formuliert er selbst „Ob Aristoteles ein (Vor)lesen von Tragödien so verstanden haben könnte, dass mehrere Stimmen zu hören waren,[…] ist nicht belegt“ (G U G G E N ‐ B E R G E R , Primat, 229, Anm. 20). Zudem basiert seine Argumentation auf der in der Einleitung problematisierten communis opinio zum „lauten“ Lesen in der Antike. Folgende Argumente sind gegen Guggenbergers Sicht in Stellung zu bringen: 1) Warum verwendet Aristoteles in poet. 1462a12 anstatt des Verbes ἀναγιγνώσκω nicht das Verb ἀκούω, wenn er hier die rein akustische Rezeption des Zuhörers einer Vorlesung meinte? 2) Auch in poet. 1453b5 f muss sich ἀκούω nicht zwingend auf den Zuhörer einer Vorlesung beziehen. Bei der vokalisierenden individuell-direkten Lektüre „hört“ ein Leser den Text auch (G U G G E N B E R G E R , Primat, 231, selbst hält diese Option ohne Argumente für „unwahrscheinlich“), ja sogar beim nicht-vokalisierenden Lesen eines Textes wird der Text mit der inneren Lesestimme akustisch realisiert und mit dem inneren Ohr wahrgenommen (s. dazu die Ausführungen unter 3.2). Y U N I S , Writing, 192, bezieht die Stelle auf individuell-direkte Lektüre. 3) Die oben besprochene Dimension der visuellen Wahrnehmung in Aristot. poet. 1462a10-17 lässt Guggenberger außen vor. Wenn auch deutlich später, spricht Dion Chrys. or. 52,1-4 - er thematisiert eindeutig die innere Aufführung von Tragödien beim individuell-direkten Lesen (s. u.) - gegen Guggenbergers Position. sie zur Aufführung kommt [… εἶτα καὶ τὸ ἐναργὲς ἔχει καὶ ἐν τῇ ἀναγνώσει καὶ ἐπὶ τῶν ἔργων].“ (Üb. S C H M I T T , leicht modif. JH) 62 Mit dieser Aussage - das Adjektiv ἐναργής bedeutet laut LSJ visible, palpable, in bodily shape, aber auch manifest to the mind’s eye - ist impliziert, dass man die Tragödie bei einer (Vor)Lesung dagegen allenfalls „im/ vor dem Ohr“ hätte. 63 Bei der Aufführung (ἔργον) hat man die Tragödie auf der Bühne sichtbar, bei der Lektüre der Rolle im Kopf des Lesers, wobei freilich die akustische Dimension hier nicht ausgeklammert werden darf. 64 Auch Diod. 20,1,4 f, der betont, es sei gerade eine reizvolle Lektüre (ἀνάγνωσις), wenn man die gesamte Komposition lese, rekurriert eher auf die individuell-direkte Lektüre als auf das Vorlesen 122 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 65 H U N T E R / R U S S E L , Plutarch, 73, weisen darauf hin: „ἀκροατής is a standard term in Homeric scholia for ‚the audience‘ (through whatever mode of reception“. 66 Individuell-direkte Lektüre ist ebenfalls vorauszusetzen bei: Polyb. 3,57,9; Epikt. diatr. 4,4,40; Lukian. ver. hist. 1,1f (weiterführend zur Interaktion zwischen Autor und Leser in diesem Text P I N H E I R O , Dialogues); Alex. 21; vgl. ferner Syb 1.9 (Prolog); Iohan. Ant., fr. 237,6. 67 Vgl. B I R T , Buchwesen, 141. 68 Vgl. zum antizipierten Leser von Polybios M I L T S I O S , Shaping, 140-146 (Lit. Anm. 43). - wieso sollte jemand beim Vorlesen die doch gerade für die Aufführung wichtigen τὰς ῥητορείας überspringen (ὑπερβαίνω)? Wenn Plut. poet. aud. 1 (mor. 14e) differenzierend vom Maßhalten beim Hören und Lesen spricht (… ἐν ταῖς ἀκροάσεσιν καὶ ἀναγνώσεσιν …), verweist dies auch eher auf die individuell-direkte Lektüre. 65 Auch innerhalb der Aufzählung individueller Tä‐ tigkeiten wie Ruhe (σχολή), Spazierengehen (περίπατος) und Schlafen (ὕπνος) in Plut. de exil. 12 (mor. 604c/ d) ist wohl individuell-direkte Lektüre im Blick. 66 Wenn Artemidor von Daldis ἀποδημίαι δὲ καὶ ἀναγνώσεις als beste Möglichkeit nennt, um Wissen über Orte und die Eigenheiten von Orten zu erlangen, meint er damit Reisen und die Lektüre von Büchern (vgl. Artem. on. 4,4 [ed. Pack, p. 247,1-5]). Polybios antizipiert im ganz zu Beginn dieser Studie zitierten Prooe‐ mium des elften Buches seiner Historien verschiedene Leseinteressen (Polyb. 11 prooem. 2): a) diejenigen, die es intendiert lesen wollen (τοὺς ἀναγινώσκειν θέλοντας); b) diejenigen, die zufällig darauf stoßen; c) diejenigen, die nur etwas nachschlagen (ζητέω; s. u.) wollen. 67 Dabei soll das Prooemium diejenigen, die (zufällig) auf sein Buch treffen, zur Lektüre auffordern (καὶ παρορμᾷ πρὸς τὴν ἀνάγνωσιν τοὺς ἐντυγχάνοντας). Die Motive, mit denen Polybios hier rechnet, sind allesamt Motive von Indivi‐ duen. Er setzt also individuell-direkte Lektüre des Buches voraus und nicht das Hören oder Veranstalten einer Vorlesung. 68 Einen ähnlich tiefen Einblick in die antizipierte Rezeptionsweise antiker His‐ toriographie bietet Diodor am Beginn seiner Universalgeschichte (Βιβλιοθήκη ἱστορική). In Kapitel 3 des ersten Buches legt er die Vorzüge seiner umfassenden Aufbereitung des historischen Stoffes dar, den man sich sonst mühsam aus einer großen Masse von historiographischen Schriften zusammensuchen müsste, und formuliert: „Doch die Darstellung in einem einzigen Werke, die alle Ereignisse miteinander verknüpft, macht die Lektüre (ἀνάγνωσις) leicht und das Begreifen mühelos“ (Diod. 1,3,8, Üb. W I R T H ). 123 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 69 Vgl. P A R K E R , Books, 198, Anm. 39. 70 Vgl. außerdem die Lektürehaltung, die Dion Chrys. or. 18,9 f beschreibt. Aus dem Kontext ist eindeutig ersichtlich, dass Diodor eine Rezeptions‐ situation individuell-direkter Lektüre voraussetzt. Die Leser müssen nicht selbständig durch die gesamten historiographischen Schriften hindurchgehen (διέξειμι; Diod. 1,3,8). Diese schwere Arbeit hat Diodor den Lesern abgenommen und alles in seinem Gesamtwerk aufgearbeitet, „das bei einem Höchstmaß an Nutzen den Lesern ein Mindestmaß an Belastung versprach“ (Diod. 1,3,5; Üb. G. W I R TH ). Der Nutzen besteht aber nicht darin, dass die Leser das Werk zwingend sequentiell und vollständig zu lesen hätten. Vielmehr formuliert Diodor explizit: „Aus ihm steht es jedem frei, nach Belieben wie aus einer gewaltigen Quelle zu schöpfen (ὥσπερ ἐκ μεγάλης ἀρυόμενον πηγῆς), was ihm für seine Zwecke von Nutzen scheint“ (Diod. 1,3,7, Üb. W I R T H ). Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass Diodor es den Lesern überlässt, wie sie das Werk gemäß ihrer Bedürfnisse nutzen. Insbesondere die Metapher des Schöpfens (ἀρύω) aus einer gewaltigen Quelle (i. e. sein gesamtes Werk) besagt eindeutig, dass er durchaus eine selektive und diskontinuierliche Lektüre seines Werkes antizipiert. An anderer Stelle setzt ἀνάγνωσις bei Diodor eindeutig individuell-direkte Lektüre voraus (vgl. Diod. 20,4,4 f). Darauf deutet einerseits das Motiv des Überspringens (ὑπερβαίνω), andererseits die Reflexion der Erfahrung, dass Leser die Lektüre abbrechen, wenn die Länge des zu lesenden Textes sie ermüdet. Hier ist also das Phänomen selektiver Zugriffe auf historiographische Texte eindeutig bezeugt. Zudem ist die Lektüre eines historiographischen Werkes für Diodor dann mit Vergnügen (ἐπιτερπής) und Klarheit (σαφής) verknüpft, wenn sie den notwendigen Zusammenhang der historischen Ereignisse bewahrt und die Darstellung der historischen Ereignisse nicht zum Beiwerk der Rhetorik verkommt (vgl. Diod. 20,4,1-3). Das Ziel der Lektüre historiographischer Werke besteht also für Diodor sowohl in der Unterhaltung als auch in der Aneignung von historischem Wissen. Ein empirischer Beleg für eine solche Lektürehaltung bietet Plut. Caes. 11, der historiographische Literatur über Alexander den Großen in einer Mußestunde individuell-direkt, nicht-vokalisierend 69 und in Anwesenheit von Freunden in Spanien liest. 70 Aufschlussreich ist sodann auch der Hinweis im sog. Aristeasbrief (Arist. 127), dass eine gute Lebensführung bzw. Einhaltung der Gesetze viel eher durch Hören als durch Lesen (… διὰ τῆς ἀκροάσεως πολλῷ μᾶλλον ἢ διὰ τῆς ἀναγνώσεως) erreicht werde. Ἀνάγνωσις bezieht sich mit größter Wahrschein‐ 124 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 71 Vgl. z. St. C R O M , Letter, 152-154, der die Bedeutungsdimension „direct access to the text“ (152 [Herv. im Orig.) hervorhebt. 72 Vgl. dazu B E R D O Z Z O , Götter, 11-20. 73 Vgl. B U T T , Progymnasmata, 105; B E R D O Z Z O , Götter, 11-20. Vgl. außerdem Theon. prog. p. 65,23 f: τῇ δὲ ἀναγνώσει καὶ τῇ ἀκροάσει καὶ τῇ παραφράσει χρησόμεθα ἀπ’ ἀρχῆς. 74 Vgl. exempl. Theons Auführungen zur Bedeutung des Übens von προσωποποιία (LSJ: the putting of speeches into the mouths of characters) u. a. für die Geschichtsschreibung im unmittelbaren Kontext. Vgl. Theon. prog. p. 60,22 ff. lichkeit auf eine individuelle Lektüre. 71 Ἀνάγνωσις als individuell-direktes Lesen ist ebenfalls in der Antwort eines der 72 Gelehrten auf die Frage des ägyptischen Königs Ptolemaios impliziert, womit sich die Könige die meiste Zeit beschäftigten: „Mit dem Lesen (ἐν ταῖς ἀναγνώσεσι) und der Beschäftigung mit Reiseberichten …“ (Arist. 283). Vor diesem Hintergrund erscheint es dann auch sicher, dass ἀνάγνωσις in der folgenden Passage in Theons Progymnasmata nicht das Vorlesen meint, sondern vielmehr die Wichtigkeit von individueller Lektüre von mythischen Erzählungen im Rahmen der rhetorischen Vorbildung hervorhebt. 72 „‚Die Lektüre aber‘, wie einer der Älteren sagt - Apollonius von Rhodos meine ich - ‚ist die Nahrung des Stils/ der Ausdrucksweise (τροφὴ λέξεώς ἐστι)‘. Denn wir formen die Geistesfähigkeit von den schönen Beispielen her (τυπούμενοι γὰρ τὴν ψυχὴν ἀπὸ καλῶν παραδειγμάτων) und die schönsten werden wir auch imitieren.“ (Theon prog. p. 61,28-31 [Ed. S P E N G E L ]) Diese Stelle ist mindestens in zweifacher Hinsicht aufschlussreich: a) Theon grenzt die ἀνάγνωσις analog zu den oben diskutierten Quellen von der ἀκρόασις ab, wobei letztere hier aber nicht ein akustisches Aufnehmen, sondern den mündlichen Vortrag im Unterrichtskontext meint. 73 b) Die Perzeption des Gelesenen wird nicht mit dem Gehör, sondern mit der Seele, also mit einer Instanz, die man eher dem Inneren des Menschen zuordnen würde, in Verbindung gebracht, aus der sich wiederum das Ausdrucksvermögen (vor allem auch in schriftlich produktionsorientierter Form 74 ) speist. Ferner ist wohl auch der bei Diogenes Laertios überlieferte Titel einer Schrift von Thrasylos (Τὰ πρὸ τῆς ἀναγνώσεως τῶν Δημοκρίτου βιβλίων; Diog. Laert. 9,41) nicht auf eine Vorlesung bezogen. Kaiser Iulian schreibt in einem Brief an Libanios (Iul. ep. 53 [382d]), er habe dessen Rede vor dem Mittagessen fast ganz gelesen (individuell-direkt! ), konnte seine Lektüre (ἀνάγνωσις) aber erst danach, aber noch vor dem Mittagsschlaf, beenden. Darüber hinaus verweist häufig auch 125 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 75 Vgl. z. B. Sir Prol 17 (s. u. 7.1.4); Ios. c. Ap. 2,147 ( Josephus fordert seine Leser (τοὺς ἐντευξομένους) dazu auf, „die Lektüre ohne Vorurteil zu betreiben [μὴ μετὰ φθόνου ποιεῖσθαι τὴν ἀνάγνωσιν]); S. Emp. adv. math. 1,298; Ioh. Chrys. in Gen. hom. 1-67, PG 53, p. 323,42 (Aufforderung der individuell-direkten Lektüre der heiligen Schriften). Vgl. auch die Formulierung „das Praktizieren der Lektüre der griechischen Schriften“ (τὸ περὶ τὴν ἀνάγνωσιν τῶν Ἑλληνικῶν γραφῶν ἐκπονεῖν; Sib. prol.). Interessant ist ferner, dass hier im Prolog der Oracula Sibyllina ἀνάγνωσις mit dem Partizip von συγχέω attribuiert wird: Vor der Redaktion und Herausgabe hielten die nur zerstreut zu findenden Sibyllinischen Weissagungen eine „verwirrende Lektüre“ bereit. 76 Vgl. z. B. Plut. adv. Col. 2 [mor 1107 f]; Lukian. Lex. 16; vermutlich Diog. Laert. 5,2,37; P.Lond. 6 1912 1,2; Athen. deipn. 10,40 (432b, hier im Sinne der lateinischen recitatio). 77 Vgl. D I B E N E D E T T O , Dionysius, 395 f, mit Verweis u. a. auf Dion. Thrax fr. 4-9; S. Emp. adv. math. 1,59. Vgl. auch den Vergleich des Nacheinander-Zuhörens und -Redens mit der Verbindung von Silben bei der ἀνάγνωσις bei Ptol. krit. 10,11-16 und die polemisch wertende Wiedergabe der Teilgebietssystematik der griechischen Grammatik (im umfassenden Sinne als Sprachwissenschaft verstanden) bei S. Emp. adv. math. 1,43 u. 1,250 (hier mit direktem Bezug auf Dionysios Thrax), im Vergleich zum allgemeineren Gebrauch des Verbes ἀναγινώσκειν bei S. Emp. adv. math. 1,49. 78 Gegen R A I B L E , Raible, Entwicklung, 6 f; B U S C H , Lesen, 16. 79 D I B E N E D E T T O , Dionysius, 396. 80 D I B E N E D E T T O , Dionysius, 396. Vgl. außerdem K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 194-198. die Formulierung τὴν ἀνάγνωσιν ποιέω („ich betreibe die Lektüre“) auf indivi‐ duell-direkte Lektüre. 75 Daneben existieren aber auch Kontexte, in denen ἀνάγνωσις eindeutig im Sinne von „(Vor-)Lesung“ verwendet wird. 76 Ἀνάγνωσις wird sodann bei den antiken Grammatikern spezifisch als gleichsam phonologischer Fachter‐ minus betreffs der Prosodie verwendet. 77 Daher und vor allem angesichts des gerade besprochenen, eindeutigen Befundes sollte man auch die dionysische Erläuterung des ersten von sechs Teilen der Grammatik - ἀνάγνωσίς ἐστι ποιημάτων ἢ συγγραμμάτων ἀδιάπωτος προφορά (Dion. Thrax 2) - nicht als allgemeingültige Definition des Lexems bzw. als Beschreibung des Leseaktes generalisieren. 78 „In conclusion we may say that the usual interpretation of Dionysian ἀνάγινωσις, according to which this notion meant for Dionysius the act of reading by the use of one’s own voice (thus also Pfeiffer 1968: 268 f), is mistaken.“ 79 Die als ἀνάγνωσις bezeichnete Domäne der alexandrini‐ schen Grammatik beschäftigt sich mit der fehlerfreien Aussprache (ἀδιάπωτος προφορά) bzw. dem den verschiedenen Gattungen angemessenen Ton (vgl. Dion. Thrax 2); „ἀνάγνωσις ἐντριβὴς κατὰ προςῳδίαν [Dion. Thrax 1] refers to the determination of the correct accent of a word.“ 80 126 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 81 Vgl. Bornemann-Risch § 302,3; BDR § 109,2. 82 Vgl. z. B. Siebenthal § 362,2 f. 83 Vgl. z. B. Epikt. diatr. 2,14,1; Eus. h. e. 10,4,5. Ferner vermutlich auch in einem pseude‐ pigraphen Brief, der Justin zugeschrieben wird, wo im Kontext von der Beurteilung desjenigen die Rede ist, der liest: „Zu bedenken sind noch die Ordnungen (διαθέσεις) einiger bei der Beschäftigung mit den Lektüren/ Lesungen (ἐπὶ τῆς τῶν ἀναγνωσμάτων ἐπιτηδεύσεως): Denn in dem Moment wenn jemand liest (ἅμα γάρ τις ἀναγινώσκει), wird auch die Art und Weise seiner Einstellung (αὐτοῦ τῆς φρονήσεως) offenkundig für eifrige Beurteiler (τοῖς ἐῤῥωμένοις κριτικοῖς)“ (Ps.-Iust., ep. ad Zenam et Serenum 510d [CorpAp 4]). Die individuell-direkte Lektüre ist hingegen bei Iul. ep. 50 [446b] gemeint. 84 Vgl. auch Lukian. ver. hist. 1,2. 85 Ἀλλ᾽ Ἀλεξάνδρου τὴν Ἀσίαν ἐξημεροῦντος Ὅμηρος ἦν ἀνάγνωσμα … Plut. de Alex. fort. 1,5 (mor. 328d). Vgl. ferner Dion. Hal. ant. 1,8,3, der im Hinblick auf sein Werk von der ungestörten Beschäftigung mit historischen Lektüren (εἴ τισιν ἀοχλήτου δεήσει διαγωγῆς ἐν ἱστορικοῖς ἀναγνώσμασιν) spricht. 86 Vgl. z. St. E G E L H A A F -G A I S E R , Tischgespräche, 309. Dass Plutarch eine individuell-direkte Lektüre dieses Werkes voraussetzt, zeigt der direkte Kontext. S. u. S. 163. Vgl. außerdem Plut. Dem. 2,1, wo eindeutig materiell vorhandene Lektüren gemeint sind, auf deren Grundlage Geschichte geschrieben werden kann. 3.1.5 Ἀνάγνωσμα Das viel seltener vorkommende Lexem ἀνάγνωσμα müsste aus morpholo‐ gisch-semantischer Sicht demgegenüber eigentlich das Ergebnis oder Resultat einer Handlung bezeichnen, 81 wobei die Grenzen zwischen diesen nomina rei actae und den o. g. Verbalabstrakta (nomina actionis) in den Grammatiken jedoch als fließend bezeichnet werden. 82 Neben wenigen Belegen, die eine gleichsam synonyme Verwendung mit ἀνάγνωσις im Sinne einer Vorlesung aufweisen, 83 zeigt sich in den Quellen, dass das Lexem, ganz ähnlich wie der Lektüre-Begriff im Deutschen, in seiner Bedeutung changiert. Dies zeigt sich ganz deutlich in Plutarchs Schrift Quomodo adolescens poetas audire debeat (poet. aud. 14 [mor. 35 f]), in der er u. a. die Lehren Platons und Pythagoras’ Jugendlektüren (παιδικά ἀναγνώσματα) gegenüberstellt. Die παιδικά ἀναγνώσματα sind hier sowohl ein Sammelbezeichnung für die schulische Lektürepraxis als auch eine Bezeichnung für die Lesestoffe selbst. 84 Ähnlich ambigue gebraucht wird ἀνάγνωσμα, wenn Plutarch die Kultivierung Asiens u. a. daran festmacht, dass Homer zur Lektüre wurde. 85 Das Lexem ἀνάγνωσμα kann aber ebenso eindeutig in einem potentiellen Sinne, also zur Bezeichnung einer Lektüre gebraucht werden, die sich konkret materiell in einem Buch manifestiert. So wird z. B. bei Plutarch Akesanders Schrift Περὶ Λιβύης als eher ungewöhnliche, nicht gebräuchliche Lektüre charakterisiert: καὶ τοῦτο μέν’ ἔφην ‘τὸ ἀνάγνωσμα τῶν οὐκ ἐν μέσῳ ἐστί (Plut. symp. 5,2 [mor. 675b]). 86 Die Wendung ἀναγνώσμασιν 127 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 87 Eine sehr ähnliche Verwendung von ἀνάγνωσμα findet sich bei Plut. Phil. 4,4. 88 Das gilt auch für die in Cic. Sest. 51 genannten attischen anagnostes. 89 Freilich haben diese anagnostes auch vorgelesen. Vgl. Corn. Nep. Att. 14,1. Aber schon aus wirtschaftlichen Gründen erscheint es abwegig anzunehmen, dass diese nur zum Vorlesen eingesetzt worden wären. ἐντυγχάνειν (begegnen, d. h. lesen von Lektüren [s. u.]) an einer anderen Stelle (Plut. symp. 5,3,2 [mor. 676c]) hat dagegen eher eine resultative Bedeutung, da dadurch im Kontext die herausragende Belesenheit eines Redners hervorge‐ hoben wird. 87 Analog formuliert Nikomachos von Gerasa in seiner Einführung in die Arithmetik: „Dies also über die drei Proportionen, die bei den Alten ständig behandelt werden (θρυλλουμένων), die wir auch ausreichend klar und breit ausgeführt haben, weil man ihnen oft und vielfältig in den Lektüren (ἐν τοῖς ἀναγνώσμασι) begegnet (ἐντυγχάνειν)“ (Nikom. Ar. 2,28,1). 3.1.6 Ἀναγνώστης Zuletzt muss auch noch das ebenfalls zur gleichen Wortfamilie wie ἀναγιγνώσκω gehörende Lexem ἀναγνώστης untersucht werden. Der LSJ gibt als Hauptbedeutungen reader und slave trained to read mit Verweis auf vier Quellen und als Nebenbedeutung secretary mit Verweis auf einige Inschriften an. Das englische Lexem reader lässt freilich offen, ob ein Vorleser oder allgemein der Rezipient von Texten im Blick ist. Die erste Quelle, die im LSJ für die Hauptbedeutung angeführt wird, ist eine Notiz in einem Brief von Cicero an Atticus, dem er berichtet, dass ihn der Tod eines Sklaven mit dem Namen Sositheus emotional belaste, dessen Funktion er mit dem griechischen Lehn‐ wort anagnostes bezeichnet (Cic. Att. 12,4). Was der genaue Aufgabenbereich dieses Sklaven war, geht aus der Stelle selbst nicht hervor. 88 Cornelius Nepos hebt hervor, dass unter den Sklaven des Atticus literarisch sehr gebildete Sklaven gewesen seien - und zwar anagnostae optimi et plurimi librarii (Corn. Nep. Att. 13,3). Diese Differenzierung könnte dahin gehend gedeutet werden, dass erstere eher für die Textrezeption, 89 letztere für Produktion bzw. das Abschreiben von Texten zuständig gewesen sind. Eine ähnliche Differenzierung findet sich bei Plutarch: Dieser (Crass. 2,6) führt unter den Haushaltssklaven (οἰκέτης) von Crassus neben Edelmetallprüfern für Silber (ἀργυρογνώμων), Schatzmeistern/ Verwaltern (διοικητής) und Tischbediensteten (τραπεζοκόμος) auch ἀναγνῶσται und ὑπογραφαί auf. Mit ὑπογραφεύς ist hier aber vermutlich nicht nur ein Schreiber gemeint, vielmehr verweist die Vorsilbe auf eine spezielle 128 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 90 Vgl. den entsprechenden Eintrag im LSJ. 91 So aber exempl. für viele S T A R R , Reading. 92 Vgl. S E Y L A Z / K E I L , Ehreninschrift, 123 f. 93 H U P F L O H E R , Kulte, 117, identifiziert fünf öffentliche Ämter in der Liste. Die schon zitierten Inschriften lassen es möglich erscheinen, dass es sich bei dem ἀναγνώστης auch um eine Art Sekretärsamt handeln könnte, das im Gegensatz zum kurz zuvor genannten Sekretär (γραματεύς; IG V/ I, 209,26) eher Rezeptionsaufgaben innehatte. Zumindest spricht sich B O R I N G , Literacy, 88, dagegen aus, dass es sich hier um einen Sklaven handelt. Funktion - entweder auf jemanden der unter der Leitung eines anderen schreibt oder jemand der zur Unterschrift autorisiert ist. 90 Keine dieser Stellen zwingt jedoch zu der Annahme, dass es sich bei den genannten Personen um nur für das Vorlesen ausgebildete Spezialisten handelt. 91 Vielmehr deutet der Quellenbefund des Lexems insgesamt darauf hin, dass literarisch gebildete Spezialisten im Blick sind, in deren Aufgabenbereich auch das Vorlesen von Texten lag. Dafür spricht a) der Inschriftenbefund, der schon LSJ zur Formulierung der Nebenbedeutung secretary bewogen hat. Ein Epitaph von der Insel Cos bezeugt für das 2. Jh. die Funktion eines ἀναγνώστης γερουσίας (I.Cos 238) also ein spezifisches Sekretärsamt im Ältestenrat. Eine Ehreninschrift, die in der Nähe von Smyrna bei Bel Kave gefunden wurde und vermutlich auf die zweite Hälfte des 2. Jh. v. Chr. zu datieren ist, belegt die Ehrung eines Strategen und seiner Familie durch Umhängen goldener Kränze - unter den Bekränzten befindet sich auch ein ἀναγνώστης τοῦ δήμου (eine Art Stadtsekretär; I.Smyrn. 609,13 f). 92 Ein Ehrenbeschluss für einen Krates in Priene aus dem 1. Jh. listet unter den in sein Haus eingeladenen Amtsträgern auch einen ἀναγνώστης auf (I.Priene 56,190-194 [= I.Priene 111, ed. Hiller]). Ob sich das Attribut τῆς πόλεως, das eigentlich zum nachfolgend genannten κῆρυξ gehört, jedoch auch auf ἀναγνώστης zurückbezieht, wie LSJ meinen, muss offen bleiben. Interessant vor allem im Hinblick auf die Frage nach einem Lektorenamt in den späteren christlichen Gemeinden (s. u. 9.4) ist sodann die Nennung eines ἀναγνώστης in einer Vereinsinschrift aus Sparta aus dem 1. Jh. v. Chr. (IG V/ I, 209,28). Darüber, ob es sich hierbei um eine Berufsbezeichnung, um ein öffentliches Amt oder um einen Verweis auf die Funktion innerhalb des Vereins oder sogar beim Vereinsmahl handelt, gibt die Inschrift allerdings keine Auskunft. 93 In mindestens den ersten drei genannten Inschriften handelt es sich nicht um zum Vorlesen ausgebildete Sklaven, sondern um öffentliche Ämter, die mit Lese- und vielleicht auch mit Schreibaufgaben sowie einem gewissen sozialen Ansehen verbunden waren. Im Rahmen der antiken Buchproduktion und -vervielfältigung wird ihnen zudem, wie K. Dziatzko im Hinblick auf die für Atticus und Crassus belegten ἀναγνῶσται (s. o.) ausführt, die Funktion 129 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 94 Vgl. D Z I A T Z K O , Beiträge, 13; D Z I A T Z K O , Art. Buch, 961 f. 95 Für diesen Hinweis bedanke ich mich bei Prof. Dr. Maria Häusl. 96 Vgl. T A L S H I R , Esdras, 394 f.405.485.488.495; B ÖH L E R , 1 Esdras, 170-173. 97 So auch das Urteil von B Ö H L E R , 1 Esdras, 172 f. 98 Vgl. außerdem die Charakterisierung von Baruch als ⲉⲉ ϥ ⲉ ϣ (reader) im koptischen Jeremia-Apokryphon (8,5.7), worauf A L L I S O N , 4Bar, 240, hinweist. Vgl. zur Diskussion des Verhältnisses zu den ParJer H E R Z E R , Paralipomena, 87 f. 99 Im hebräischen Text wird er in Jer 36,32 als ר ֵ פֹ ס bezeichnet. Der Text der LXX weicht hier vom MT ab und verzichtet auf jedwede Erläuterung des Namens. des Korrekturlesens (ἀκριβόω, διορθόω, emendo, relgo etc.) und Vergleichens der geschriebenen Texte mit der Vorlage und mit älteren Textfassungen zuge‐ kommen sein. 94 Aufschlussreich ist zudem b) die Übersetzung des hebräischen Lexems ר ֵ פֹ ס (Schreiber, Sekretär [auch in hoher Stellung; vgl. z. B. 1Kön 2,11]) in 1Esdr 8,8 f.19; 9,39.42.49 mit ἀναγνώστης als exklusive Bezeichnung für die Rolle von Esdras - dabei handelt es sich um die Übersetzung des Esrabuches, aus der Josephus eben diese Informationen über Esdras rezipiert (vgl. Ios. ant. 11,123.12 7). Diese Übersetzung ist singulär in der LXX; hebr. ר ֵ פֹ ס/ aram. ר ַ פ ָ ס wird übli‐ cherweise mit γραμματεύς übersetzt (vgl. z. B. 2Kön 18,37; 19,2; Jer 8,8; 52,25). An anderen ר ֵ פֹ ס / ר ַ פ ָ ס -Stellen in 1Esdr wählt der Übersetzer eben dieses Lexem (Esr 4,8 f.17.13 || 1Esdr 2,15 f.21.25); 95 interessanterweise wird auch Esdras in 1Esdr 8,3 (ר ֵ פֹ ס in Esr 7,6) als γραμματεύς bezeichnet. In der Schwesterüberset‐ zung des hebräischen Esrabuches findet sich die Bezeichnung ἀναγνώστης für Esdras überhaupt nicht, vielmehr wird ר ֵ פֹ ס als Bezeichnung von Esdras durch‐ gehend mit γραμματεύς übersetzt (vgl. u. a. 2 Esdr 7,11 f.21). Da es unstrittig ist, dass dem Übersetzer an dieser Stelle der bekannte hebräische Text vorlag, 96 handelt es sich also hierbei um eine bewusste Übersetzerentscheidung, die da‐ durch motiviert gewesen sein könnte, die Rolle von Esdras kontextuell bedingt besonders hervorzuheben, die u. a. in 1Esdr 8,3 (γραμματεὺς εὐφυὴς ὢν ἐν τῷ Μωυσέως νόμῳ) pointiert zusammengefasst und durch die Lehr- und Vorlese‐ tätigkeit Esdras in 1Esdr 9,37b-54 narrativ entfaltet wird, und ihn damit insge‐ samt als politisch wirkmächtigen, literarisch gebildeten und torakundigen Mann mit Auftrag zur Lehre zu präsentieren. 97 Eine analoge Verwendung findet sich in ParJer (4Bar) 5,17, wo Baruch als ἀναγνώστης bezeichnet wird, 98 dessen Auf‐ gabenumfang im AT eher demjenigen eines Sekretärs gleicht (vgl. v. a. Jer 36,4.17 f.32 99 = 43,4.17 f.32 LXX; 51,1 = 51,31 LXX; vgl. ferner Bar 1,1), den Jose‐ phus γραμματεύς (Ios. ant. 10,6,2 [94 f]) und Schüler (μαθητής) von Jeremia (Ios. ant. 10,9,1 [158]; 10,9.6 [178]) nennt und der sich in ParJer (4Bar) 6,16 ff vor allem als Briefschreiber hervortut. Es ist ganz offensichtlich, dass seine Vorlesetätig‐ keit in Jer 36,6-11.13-15. (= 43,6-11.13-15 LXX) nur einen Teil von Baruchs 130 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 100 Vgl. zur überzeugenden Rekonstruktion der Lücken im Manuskript G I G O N , Vita, 44. Für den Hinweis auf diese Quelle und für die Unterstützung bei der Auswertung bedanke ich mich sehr herzlich bei K. Künzl. 101 Vgl. dazu G I G O N , Vita, 45, der zeigt, dass es sich hier um einen terminus technicus handelt. 102 Es ist aufschlussreich, dass in Suet. Claud. 42 - eine dauerhaft institutionalisierte Verlesung von spezifischen Texten wird referenziert (s. u. Anm. 11, S. 295) - das Wort gerade nicht verwendet wird, sondern unspezifisch von a singulis gesprochen wird. Diese Stelle kann daher auch nicht als Belegstelle für Lektoren als Vorlesespezialisten angeführt werden. Gegen N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 109. Das gilt auch für Gell. 3,1, wo ungenannt bleibt, wer den Catilina des Sallust vorliest. Gegen N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 83, Anm. 90. Da Favorinus das Buchin manu amici erblickt (Gell. 3,3,1), kann vermutet werden, dass einer dieser Freund das Buch für alle während eines Spaziergangs vorlesen soll. Interessant ist diese Stelle ferner, weil nicht das ganze Buch vorgelesen wird, sondern nur die ersten elf Kapitel (Gell. 3,1,2), woran sich eine philosophische Diskussion anschließt, wobei die zur Diskussion stehende Stelle iterativ gelesen wird (Gell. 3,1,11). 103 Vgl. dazu K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 52-60; P A U S C H , Livius, 65. 104 Vgl. dazu weiterführend P A U S C H , Livius, 59 ff. Aufgabenspektrum abdeckt und hier zu einer Erzählsequenz gehört, welche die Entstehung des Jeremiabuches selbstreferenziell kommentiert. c) Es gibt außerdem eindeutige Belege dafür, dass ἀναγνώστης auch den individuellen Leser meinen kann, der gerade nicht anderen vorliest. So wird Aristoteles in der Vita Aristotelis Marciana als ἀναγνώστης bezeichnet. „Häufig [sagte] Platon nämlich: ‚Lasst uns 〈weggehen〉 zum Haus des Lesers! (εἱς τὴν τοῦ ἀναγνώστου οἰκίαν)‘, und wenn er [d. h. der Leser] bei der Vorlesung abwesend war (ἀπόντος τῆς ἀκροάσεως), rief er [d. h. Platon] laut auf: ‚Der Verstand ist ab〈wesend〉 und 〈stumpf ist die Hörer〉s〈chaft〉! ‘“ (Vit. Arist. Marc. 42-44). 100 Vor allem durch die Gegenüberstellung zur Vorlesung (ἀκρόασις) 101 wird deutlich, dass mit der Bezeichnung ἀναγνώστης, die man umgangssprachlich vielleicht mit „Leseratte“ wiedergeben könnte, seine kommende Gelehrsamkeit hervorge‐ hoben werden soll, die vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass er tugendhaft viel liest. Es ist aufschlussreich, dass sich das Bedeutungsspektrum des lateinischen Le‐ xems lector von der Verwendung von ἀναγνώστης in den Quellen unterscheidet. An der Mehrzahl der Belegstellen ist der lector gerade nicht ein Vorleser, 102 sondern der Leser bzw. Rezipient, der in der lateinischen Literatur im 1 Jh. zum anonymen Gegenüber des Autors wird: 103 Cicero schreibt in einem Brief an L. Lucceius, es gäbe nichts Besseres zur Unterhaltung des Lesers (ad delectationem lectoris), als in Ereignissen und Schicksalen zu variieren (vgl. Cic. fam. 5,12,4). 104 In den Tusculanae disputationes polemisiert Cicero gegen unbedacht geschriebene, lateinische Bücher der Epikureer, deren Rezipientenkreis aus 131 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 105 K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 52-60.99 106 Vgl. dazu K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 52-60.98-103. diesem Grund begrenzt seien: „daß aber einer seine Gedanken niederschreibt und sie weder zu ordnen noch gut auszudrücken, noch den Leser durch irgendeine gefällige Form anzuziehen vermag (nec delectatione aliqua allicere lectorem), das beweist einen unerlaubten Mißbrauch der eigenen Freizeit und der Sprache. So werden denn auch ihre Bücher nur von ihnen selbst und ihren Anhängern gelesen, und keiner rührt sie an außer denen, die sich dieselbe Zügellosigkeit im Schreiben gestatten möchten“ (Tusc. 1,6; Üb. G I G O N ). Auch wenn Cicero die rhetorische Frage stellt, welchen Leser er fürchten bräuchte (ego autem quem timeam lectorem …? fin. 1,8), hat er hier die Rezipienten seines philosophischen Werkes De finibus bonorum et malorum im Blick. Cornelius Nepos nutzt das Lexem zur Ansprache seiner Rezipienten. Explizit als Vorbemerkung an den Leser markiert (de hoc priusquam scribimus), schreibt er z. B. am Anfang der Kurzbiographie über Epaminondas: „Bevor wir über ihn schreiben, scheint es ratsam, die Leser davor zu warnen (haec praecipienda videntur lectoribus), fremde Sitten nach ihren eigenen Maßstäben zu beurteilen“ (Corn. Nep. Epamin. 1,1; Üb. F Ä R B E R ); die Auswahl nur eines Beispiels, das die Grausamkeit Lysanders zum Ausdruck bringen soll, begründet er damit, dass er den Leser nicht langweilen möchte: ne de eodem plura enumerando defatigemus lectores (Corn. Nep. Lys. 2,1). Vgl. außerdem Corn. Nep. Pelop. 1,1; Attic. 19,1. Interessant ist, wie Phaedrus gegen Cato polemisiert: Quid ergo possum facere tibi, lector Cato, Si nec fabellae te iuvant nec fabulae? Noli molestus esse omnino litteris, Maiorem exhibeant ne tibi molestiam (Phaidr. 4,7). Wenn Columella am Ende von Buch 8 seines Hauptwerkes das Ende der Ausführungen damit begründet, er wolle den Leser (lector) nicht durch die Länge des Buches erschöpfen (Colum. 8,17,16), hat er hier nicht einen Vorleser, sondern den individuellen Leser im Blick. Diesen hat auch eindeutig Horaz im Blick, wenn er Maecenas in einem Brief die Frage stellt: „Möchtest du wissen, warum mein Werkchen vom Leser zwar zu Hause geschätzt, auch gelobt (mea cur ingratus opuscula lector laudet ametque domi), doch draußen geschmäht wird? “ (Hor. ep. 1,19,34 f; Üb. angelehnt an H E R M A N N ). Vgl. außerdem die Gegenüberstellung von Lesern und Publikum in einem Brief an Augustus: Hor. ep. 2,1,214 f; Martial führt das Gespräch mit seinen Lesern in vielen Fällen ebenfalls unter Verwendung des Lexems lector (vgl. Mart.1,1; 1,113; 2,8; 5,15f; 7,12; 9 praef.; 9,49; 10,1 f u. ö.), wobei er verschiedene Lesertypen, angezeigt durch verschiedene qualifizierende Attribute, imaginiert: z. B. lector studiosus als Bezeichnung eines Lesers mit „eifriger Gespanntheit und literarischer Begeisterung“ 105 ; delicate lector (Mart. 4,55); lectore guloso (Mart. 10,59); lector amicus (Mart. 5,16). 106 Besonders seine Unterscheidung zwischen Lesern und Hörern in Mart. 9,81 macht deutlich, dass Martial unterschiedliche Rezeptionsmodi seiner Epigramme antizipiert und der lector für den Rezeptionsmodus der individuellen Lektüre steht. 132 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 107 K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 80. 108 Vgl. zu den Stellen bei Ovid weiterführend K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 54-58, der zeigt, dass Ovid sich an ein breites, anonymes Lesepublikum, an die plebs urbana richtet, woraus zu schließen ist, dass sowohl eine entsprechende Lesekultur als auch ein funktionierender Buchhandel in der Stadt Rom zu dieser Zeit existiert. 109 Dagegen gibt es auch wenige Stellen, an denen in lateinischen Texten der lector eindeutig einen Vorleser/ Rezitator referenziert. Dazu S T A R R , Reading, der, wie N Ä S S E L Q V I S T , Re‐ ading, u. S H I E L L , Reading, dessen Bedeutung für die römische Lesekultur aber m. E. überschätzt und die Unterschiede im Gebrauch zwischen dem griechischen und lateini‐ schen Lexem unzulässigerweise nivelliert. Vgl. z. B. Plin. ep. 1,15,2; 3,5,12; 9,17,3 (jeweils beim Mahl); ferner 9,34; Quint. inst. or. 6,3,44 (im Gerichtsprozess). Plinius schreibt in einem Brief an Septicius (Plin. ep. 8,1), dass sich sein lector Encolpius eine Halsentzündung zugezogen und Blut ausgeworfen habe, sodass er die Studien von Plinius nicht länger vortragen könne. (Vgl. aber auch den scriptor und lector von Crassus in Cic. de orat. 1,30,136, der offenbar mehr Augfgaben hatte als nur vorzulesen.) Sueton erzählt von Augustus, dieser habe zuweilen nachts einen lector kommen lassen, um ihm vorzulesen, damit er wieder einschlafen kann. Vgl. Suet. Aug.78. Vgl. ferner Suet. Claud. 41. 110 Bei Gell. 18,4,2 ist hingegen der faktische Rezipient (lector) von Sallusts Werken im Blick. Valerius Maximus, der seine Leser ebenfalls unter der Verwendung des Lexems lector anspricht (vgl. Val. Max. 8,2), kündigt seinen Lesern an, ihnen einige Bilder vor Augen zu stellen (… quasdam imagines non sine maxima ueneratione contemplandas lectoris oculis subiciam … Val. Max. 4,6), womit entweder die visuelle Dimension des Lesens oder das innere Auge des Lesers im Blick ist. Plin. ep. 3,13,2 reflektiert über den Leser (lector) von Redemanuskripten, der diese wegen der besonderen Qualität des Textes genau liest. Aus dem Kontext geht hervor, dass deutlich „zwischen Erstrezeption und eingehender Weiterbeschäftigung unterschieden“ 107 wird. Vgl. außerdem Plin. ep. 4,14,7; 4,26,3 (… tu lector …); 5,4,4. Vitruv reflektiert im Vorwort seines fünften Buches in rezeptionsorientierter Perspektive über die Unterschiede des Schreibens über Architektur im Vergleich zur Geschichtsschreibung oder zur Poesie: historiae per se tenent lectores; habent enim novarum rerum varias expectationes. poematorum vero carminum metra et pedes ac verborum elegans dispositio et sententiarum inter personas distinctas versuum pronuntiatio prolectando sensus legentium perducit sine offensa ad summam scriptorum terminationem. (Vitr. 5 praef. 1). Apuleius stimmt seine Leser in seinem Roman Metamorphoseon programmatisch am Beginn ein: lector intende: laetaberis (Apul. met. 1,1,6). Vgl. ferner Apul. met. 10,2,4; 11,23,5. Diese Liste ließe sich fortführen: Vgl. z. B. Phaedr. 2 prol.; Sen. de ira 2,2; Hor. ars. 344; Hor. sat. 1,10,74; Catull. 14b; Ov. trist. 1,7,32; 1,11,35; 3,1,2.19; 4,1,1 f (! ); 4,10,132 u. ö.; 108 Pont. 3,4,43 u. ö. 109 Die aufgeführten Stellen belegen eindeutig, dass der (intendierte) Rezipient eines Textes im Blick ist, 110 da z. B. sein emotionales Empfinden oder sein Urteil adressiert bzw. er direkt als Rezipient angesprochen wird - und es sich dabei nicht um Vorlese- oder Regieanweisungen handelt. Diese Verwendungsweise von lector in 133 3.1 Lesen als (Wieder)Erkennen 111 Vgl. dazu einschlägig S C H E N K E V E L D , Prose. Nicht systematisch untersucht wurden in dieser Studie vom Stamm ἀκροαabgeleitete Lexeme wie ἀκροάομαι, ἀκροατής, ἀκρόασις, ἀκροατικός, welche meinem ersten Eindruck nach durchaus auch dafür verwendet werden, das Hören eines vorgelesenen Textes zu beschreiben (s. z. B. Ps.-Lukian. Dem. enc. 25 f), allerdings - anders als ἀκούω - nicht zur Bezeichnung für das innere Hören bzw. Verstehen verwendet werden. Dies müsste allerdings eine ausführliche komparatistische Untersuchung zeigen, die hier nicht geleistet werden kann. 112 Vgl. z. B. Plat. Phaid. 97b/ c (der Kontext gibt leider eine genauere Einordnung nicht her; es wäre möglich, dass der Sokratesschüler Kebes hier jemandem zuhört, der intendiert für andere vorliest, z. B. in einem philosophischen Lernkontext, oder dass er eher beiläufig etwas von jemandem aufschnappt, der ein Buch individuell-direkt und vokalisierend liest.); Isa. or. 3,42; Andokides de myst. 47; Plat. Phaidr. 230e; Demosth. or. 20,94; 45,32; u. ö.; Aischin. Ctes. 34 u. ö.; Ios. ant. 10,6,2 (94 f); 11,5,5 (155); Lukian. apol. 3; Athen. deipn. 1,8 [5b]; Kyr. Hier. Procatechesis 14. Vgl. ferner die Wendung ἀναγινώσκειν εἰς κοινὴν ἀκοὴν bei Synes. Dio 18,2. Vgl. zum lateinischen audio exempl. Plin. ep, 1,13 (Autorenlesung). Zum lateinischen Äquivalent audio als Bezeichnung zu Rezeption eines vorgelesenen Textes vgl. exempl. Gell. 3,18,3. 113 Vgl. z. B. Plut. de fac. 26 (mor. 942c). Vermutlich auch vorausgesetzt bei der expliziten Abgrenzung des Zuhörens vom Lesen (ἐντυγχάνω s. u. 3.4) stoischer Schriften in Plut. adc. Stoic. 36 (mor. 1077c). 114 Gegen M O R G A N , Literate, 27 f: „L’essential est l’oralisation du texte, et sa transmission à l’auditoire. De lá, sans doute, l’utilisation épisiodique d’un autre verbe significant lire: audire, l’équivalent exact du verbe ἀκούειν utilisé par Plutarque pour désigner les destinataires de ses œuvres. À proprement parler, ces étranges lecteures ne lisent rien: lateinischen Quellen ist für das Lexem ἀναγνώστης im Griechischen gerade nicht belegt; für analoge pragmatische Zwecke werden in den griechischen Texten v. a. substantivierte Partizipien von ἀναγιγνώσκω (s. o.) und ἐντυγχάνω (s. u.) genutzt. Am nächsten an die besprochene Verwendungsweise des Lexems lector kommt noch die diskutierte Stelle (Vit. Arist. Marc. 42-44), an der Aristoteles als Vielleser charakterisiert wird - hier unterscheidet sich jedoch der Kommunikationszusam‐ menhang, da hier die Außenwahrnehmung auf Aristoteles dokumentiert ist, und nicht die Kommunikation zwischen Autor/ Text und Leser. 3.2 Lesen als Hören Auf das Phänomen „Lesen“ wird im Griechischen jedoch vielfach auch mit dem Lexem ἀκούω (Grundbedeutung: hören) verwiesen. 111 Als Terminus zur Rezeption von Geschriebenem wird das Verb zur Kennzeichnung der hörenden Rezeption eines vorgelesenen Textes 112 oder einer Rede/ eines Vortrages 113 ver‐ wendet. Aber für zahlreiche Belegstellen kann die Rezeptionssituation (jemand liest jemandem vor) nicht a priori vorausgesetzt werden; 114 genauso wenig kann 134 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische ils se contenent d’écouter une lecture. Mais par rapport au texte qui est ecrit pour eux, se sont de lecteurs.“ 115 Gegen M E Y E R , Inszeniertes Lesevergnügen, 6 f; B O T H A , Orality, 92 f, die genau dies aus dem Vorkommen von verba dicendi und verba audiendi schlussfolgern. 116 So etwa die Übersetzung von H. N. Fowler: „he had read something in a book“. 117 H E N D R I C K S O N , Reading, 188 f, geht von letzterem aus. 118 Vgl. exempl. Quint. inst. or. 3,3,4: Nec audiendi quidam, quorum est Albutius … 119 Gegen K A R R E R , Instrument, 405. 120 S. zu dieser Quelle die Ausführungen auf S. 148 f. Vgl. zum Motiv des Sprechens von Texten z. B. auch Plat. Lys. 214b. daraus geschlossen werden, dass in der Antike grundsätzlich vokalisierend gelesen wurde, 115 wie zu zeigen sein wird. So lässt Platon den Phaidros in seinem Dialog mit Sokrates abfällig über einen Menschen sprechen, der sich für einen Arzt hielte, „weil er aus irgendeinem Buch hörte/ in einem Buch las  116 (ἐκ βιβλίου ποθὲν ἀκούσας)“ (Plat. Phaidr. 268c). Hier ist es nicht eindeutig zu entscheiden, ob an eine Vorlesesituation oder an individuell-direkte Lektüre gedacht ist. 117 Letzteres ist zumindest sehr gut vorstellbar angesichts der Quellenevidenz im Folgenden. Das gilt im Übrigen auch für die analoge Verwendung von audire im Lateinischen. 118 Eine eindrückliche Belegstelle findet sich bei Herodot, an der eindeutig eine Szene individualisierten Lesens voraussetzt wird (Hdt. 1,48). Ob vokalisierend oder nicht-vokalisierend kann aus dem Text heraus nicht eindeutig entschieden werden: 119 Im Kontext einer Probe der griechischen Orakel durch den Lyder‐ könig Kroisos erhält dieser die schriftlich fixierten Orakelsprüche in Form von Rollen (ἀναπτύσσω), die er einzeln inspiziert (ἐποράω), wobei ihm bis auf einen keiner der Sprüche gefällt. „Aber als er die Antwort aus Delphi hörte (ὡς τὸ ἐκ Δελφῶν ἤκουσε), verehrte er sie unverzüglich und akzeptierte sie“ (Hdt. 1,48,1). Analog wird ἀκούω auch in Hdt. 1,125,1 als Leseterminus verwendet. An dieser Stelle ist aus dem Kontext eindeutig zu erschließen, dass die Buchstaben zum Leser sprechen (τὰ δὲ γράμματα ἔλεγε; Hdt. 1,124,1). 120 Eine ebenfalls eindeutige individuell-direkte Leseszene, im Rahmen derer ἀκούω als Leseterminus gebraucht wird, findet sich in Heliodors Aithiopika: Der Ich-Erzähler Theagenes liest den äthiopischen Text auf einem Band (ταινία; vgl. Hld. 4,8,1), das der ausgesetzten Chariklea beigegeben worden war (vgl. Hld. 4,7), und hört den Namen ihrer Mutter Persina: Ἐπάγην, ὦ Κνήμων, ὡς τοῦ Περσίννης ὀνόματος ἤκουσα (Hld. 4,8,2). Aus dem Kontext kann man erschließen, dass der Ich-Erzähler die Stimme des Textes hört; als Lesetermini werden Lexeme (ἐπέρχομαι, εὑρίσκω) verwendet, die eher darauf hindeuten, dass nicht-vokalisierende Lektüre zu imaginieren ist: „Beim Begehen fand ich die Schrift Folgendes erzählend … (καὶ ἐπερχόμενος τοιάδε ηὕρισκον τὸ γράμμα 135 3.2 Lesen als Hören 121 Vgl. zu dieser Interpretation U S E N E R , Isokrates, 81. 122 Vgl. dazu M E T T E , Sphairopoiia, 60 f (dort zur „Quelle“ der Emendation); R O M M , Edges, 180; J A N K O , Iliad IV, 190; N A G Y , Comments, 51. 123 Zu unpräzise ist die Formulierung von N A G Y , Comments, 51, der meint ἀναγιγνώσκω würde hier „laut lesen“ im Sinne eines editorischen Sprechaktes bedeuten. διηγούμενον … Hld. 4,8,1). Bei Isokrates (or. 12,252) findet sich die Aussage, dass viele die von ihm aufgeschriebenen Taten und Schlachten lesen und durchgehen wollten (πολλοὺς ποθεῖν ἀναγνῶναι καὶ διελθεῖν αὐτάς), nicht weil sie die Taten an sich hören wollen (ἀκοῦσαι πράξεις), sondern weil sie lernen (μανθάνω) wollten, wie Isokrates diese bewertet bzw. darstellt. 121 Die Kombina‐ tion aus ἀναγιγνώσκω und διέρχομαι zeigt, dass hier keine Vortragssituation, sondern eine Form individuell-direkter und intensiver Lektüre im Blick ist. Es ist daher m. E. auch wahrscheinlicher, dass ἀκούω hier nicht das tatsächliche Hören des mit der eigenen Stimme vorgelesenen Textes meint, sondern die kognitive Verarbeitung des Gelesenen benennt. In Plutarchs Schrift De facie in orbe lunae formuliert Lamprias gerichtet an einen der Gesprächsteilnehmer, Theon: „Weil du aber nun den Aristarch schätzt und bewunderst, gibst du dem Krates kein Gehör, wenn er liest (οὐκ ἀκούεις Κράτητος ἀναγινώσκοντος): ‚Vater Okeanos, welcher den Ursprung Allem gegeben [Hom. Il. 14,246], Menschen und Göttern, der weit sich ausstreckt über die Erde,‘“ (Plut. de fac. 25 [mor. 938d]; Üb. O S I A N D E R / S C H W A B ). Es handelt sich bei dieser Schrift um ein Gespräch, das aus der Perspektive von Plutarchs Großvater, Lamprias, geschildert wird und dessen erzählte Zeit in die zweite Hälfte des 1. Jh. n. Chr. fällt. Die Formulierung von Lamprias verweist auf die konkurrierende Homer-Interpretation des stoischen Grammatikers Krates von Pergamon und dem Alexandriner Aristarch im 2. Jh. v. Chr. Daraus wird unmittelbar ersichtlich, dass Krates hier nicht selbst liest, sondern Lamprias sich auf den Homertext von Krates bezieht. Denn die erste Hälfte des Zitats ist ein Zitat aus der Ilias, die zweite Hälfte stellt eine Emendation im Ilias-Text von Krates dar, die bei Aristarch fehlt. 122 Das Verb ἀναγιγνώσκω wird hier also im Sinne des modernen textkritischen Lesebegriffes gebraucht, 123 das Verb ἀκούω bezieht sich darauf, dass Theon sich nicht mit der Interpretation bzw. dem Ilias-Text des Krates beschäftigt, also dessen Ilias-Text bzw. dessen Schriften nicht liest. 136 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 124 Zum Gebrauch des durch hinzutretenden Artikel substantivierten Partizips von ἐντυγχάνω als feststehende Formel für den/ die Leser s. u. 3.4. 125 Vgl. die Zusammenfassung der Datierungsdebatte bei K Ö H N K E N , Licht, 569, Anm. 1. 126 S. dazu die Ausführungen unter 3.5 u. 3.6. 127 Für dieses Weiterverarbeiten verwendet der Autor ferner die Wendung εὖ τὸ συνεχὲς ἐπισκοπῇς (Ps.-Long. 7,3), die mit einer visuellen Semantik konnotiert ist. Exemplarisch sei auch noch auf Origenes verwiesen, der ἀκούω in seiner Apologie gegen Celsus im Sinne von „lesen“/ „rezipieren“ verwendet: „Dennoch wünschte ich mir, dass jeder, der die dreiste Behauptung des Celsus gehört hat (ἀκούσαντα δεινολογοῦντος Κέλσου), ‚die Schrift über Christus mit dem Titel ‚Streitgespräch zwischen Papiskos und Jason‘ verdiene nicht Gelächter, sondern Ab‐ scheu,‘ diese kleine Schrift zur Hand nimmt und die Geduld und Ausdauer aufbringt, ihren Inhalten Aufmerksamkeit zu schenken (λαβεῖν εἰς χεῖρας τὸ συγγραμμάτιον καὶ ὑπομεῖναι καὶ ἀνασχέσθαι ἀκοῦσαι τῶν ἐν αὐτῷ), um mit ihr Celsus zu verurteilen, weil er nichts in dem Buch findet, was ‚Abscheu‘ verdient“ (Orig. Cels. 4,52; Üb. B A R T H O L D ). Wenig später fordert Origenes den Leser (… τὸν ἐντυγχάνοντα 124 τῇ ἀπολογίᾳ ταύτῃ πρὸς τὴν Κέλσου …) unter Verwendung eines Derivats von ἀκούω auf, er möge „unserer Schrift Aufmerksamkeit schenken“ (καὶ ἐπακοῦσαι τῶν συγγραμμάτων ἡμῶν; Orig. Cels. 4,53). Einen außergewöhnlichen Einblick in die antike Selbstwahrnehmung der kognitiven Verarbeitung von Gelesenem, der die oben stehenden Quellenzeug‐ nisse einzuordnen hilft, gewährt uns der Autor der Schrift Περὶ ὕψους („Über das Erhabene“), die vermutlich ins 1. Jh. n. Chr. zu datieren ist. 125 Im Kontext der Diskussion um die Qualität von Literatur (Ps.-Long. 7,1-3) verwendet er ἀκούω als Leseterminus, und zwar für die Benennung von Mehrfachlektüre (Ps.-Long. 7,3). Bei der beschriebenen Lektüre handelt es sich um eine prüfende, die mit dem Adjektiv visueller Wahrnehmung ἐπισκεπτέος sowie mit den Verben ἀναπτύσσω und εὑρίσκω im Kontext (Ps.-Long 7,1) näher spezifiziert wird. 126 Aufschlussreich ist nun, dass der an dieser Stelle vorgestellte Leser nicht mit dem Ohr hört, sondern vielmehr die ψυχή explizit als Subjekt des Hörens gekennzeichnet wird (Ps.-Long. 7,2; impliziert auch in 7,3). Das Gelesene wird mit der διάνοια weiterverarbeitet, 127 wobei Literatur minderer Qualität dieser „nicht mehr zum Betrachten (ἀναθεωρέω) zurücklässt als den bloßen Wortlaut“ (Ps.-Long. 7,3; Üb. angelehnt an S C HÖN B E R G E R ), qualitätsvolle Lite‐ ratur demgegenüber zu ausgiebiger Reflexion (οὗ πολλὴ μὲν ἡ ἀναθεώρησις; Ps.-Long. 7,3) und damit auch zu erneuter analysierender und reflektierender 137 3.2 Lesen als Hören 128 Vgl. dazu K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 213-220, der mit guten Gründen vermutet, dass die hier vorausgesetzte analysierende und reflektierende Lektüre (mit den Augen) auf vokale Realisierung verzichten konnte. Die im Kontext vorkommenden, visuell konnotierten Lexeme (ἐπισκεπτέος; ἐπισκοπή; ἀναθεωρέω; ἀναθεώρησις) beziehen sich zwar nicht direkt auf das Lesen mit den Augen, der Lektürevorgang wird aber auch nicht streng von der mentalen Weiterverarbeitung getrennt. Die Stelle impliziert, dass Lesen und Reflexion über das Gelesene als zeitgleich ablaufende Vorgänge vorzustellen sind. Zur visuellen Dimension des Lesens in der Antike s. 3.8. 129 Vgl. das Fazit bei S C H E N K E V E L D , Prose, 136, der die Lexemverwendung als Katachrese beschreibt. 130 Dies entspricht dem in der Antike verbreiteten mentalen Konstrukt der Präsenz der Autorstimme in den Figuren seines Textes. Vgl. dazu T I L G , Autor, 69-73. 131 Vgl. auch Demetr. eloc. 4,216. Vom Kontext ist es ferner auch nicht ausgeschlossen, dass Galen mit τοῖς ἀκούσιν (Gal. alyp. 27) weniger das Publikum im Blick hat, sondern vielmehr allgemein auf die Leserschaft der Alten Komödie verweist - in Gal. alyp. 24 verweist er explizit auf Redner und Grammatiker als Adressaten -, für die er ein Lexikon verfasst hat. Eine sichere Schlussfolgerung lässt sich aus dieser Stelle allerdings nicht ziehen. Lektüre anregt, die durchaus auch mit Unterbrechungen für die kognitiven Weiterverarbeitungsprozesse zu denken ist. 128 Das bisher Gesagte lässt vermuten, ἀκούω werde in Lesezusammenhängen häufig nur noch usuell gebraucht. 129 Diese Schlussfolgerung lässt sich weiter er‐ härten: Ein eindrückliches Indiz für einen solchen usuellen Gebrauch findet sich bei Diog. Laert. 2,5,18, der mit einem verbum dicendi (im Sinne von „schriftlich mitteilen“) auf Plat. Tht. 149a verweist: „Sokrates war der Sohn des Steinmetzes Sophroniskos und von der Hebamme Phaenarete, wie auch Platon [in Form der Dialogfigur Sokrates! ] im Theaitetos sagt (ὡς καὶ Πλάτων ἐν Θεαιτήτῳ φησίν).“ Es ist hier völlig eindeutig, dass Platon eben nicht selber gesprochen hat, sondern Sokrates hat sprechen lassen. 130 Auch wenn Demetrios von Phaleron schreibt, Thukydides erlaube durch die Form der Komposition weder sich noch dem Rezipienten eine Pause (καὶ ἐκ τοῦ μόγις ἀναπαῦσαι αὐτόν τε καὶ τὸν ἀκούοντα; Demetr. eloc. 2,45), könnte hier gut der individuelle Leser im Blick sein - ein Urteil, das auch der Übersetzter W. R. Roberts gefällt hat, der das Partizip mit reader wiedergibt. 131 Galen zitiert in seiner 2005 wiederentdeckten Schrift „Über die Unverdrossenheit“ Euripides und leitet das Zitat für seinen Leser folgendermaßen ein: „Was Euripides irgendwo dem Theseus in den Mund legt, ist vor allem wahr, wie du erkennen wirst, wenn Du die Worte hörst (ἀκούσας δὲ τῶν ἐπῶν εἴσει)… [Es folgt das Zitat: Eur. fr. 964 Nauck]“ (Gal. alyp. 52; Üb. angelehnt an B R O D E R S E N ). Als stärkste Evidenz für einen usuellen Gebrauch von ἀκούω als Leseterminus ist auf die bei den antiken Schriftstellern verbreitete Praxis zu verweisen, ihre Quellen mit der Phrase ἤκουσα xy(Gen.) λέγοντος anzugeben bzw. Zitate 138 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 132 Vgl. S C H E N K E V E L D , Prose, 133 ff, mit zahlreichen Verweisen u. a. auf Ael. nat. 7,7 (Ἀριστοτέλους ἀκούω λέγοντος ὅτι …) u. ö.; Strab. 1,2,3 (! ); Dion. Hal. Dem. 26: ἀκούσωμεν δὲ αὐτοῦ (scil. Platon), πῶς λέγει … (s. ferner auch Ach. Tat. 2,36,3: ἄκουσον Ὁμήρου λέγοντος …; und ohne verbum dicendi Cass. Dio 58,11,7.) Schenkeveld weist darauf hin, dass die Verwendung der 1. Pers. Pl. hier nicht auf eine Vortragssituation hindeutet, also implizierte, dass die Zuhörer angesprochen würden. Vielmehr ist das Traktat Dion. Hal. Dem. „composed for a private reader“ (S C H E N K E V E L D , Prose, 134 [Herv. JH). Dies sollte man auch für den Gebrauch dieser Wendung zum Anzeigen eines Zitats bei anderen Schriftstellern voraussetzen. Vgl. z. B. die Einführung zweier Zitate bei Clem. Al. strom. 5,110,1 (ἀκούσωμεν οὖν πάλιω Βακχυλίδου τοῦ μελοποιοῦ περὶ θείου λέγοντος …) und 5,110,2 (… γεγραφόντος). In beiden Fällen bezieht sich Clemens auf schriftliche Vorlagen oder die Einführung eines Zitats. Vgl. das analoge Phänomen bei Eus. h. e. 4,22,1. Vgl. außerdem die synonyme Verwendung von „hast du nicht gelesen“ und „hast du nicht gehört“ bei Plut. de tranq. anim. 6 (mor. 467e/ f). 133 Vgl. z. B. Thuk. 1,20,1; Lukian. Bacch. 4. 134 Vgl. z. B. Quint. inst. or. 2,4,8; Apul. met. 7,16,5; apol. 25. Vgl. exempl. auch sicuti inquit legimus (mit der Lesart sicuti scribendum est legimus) in Fort. Aquil. com. 1397 oder legimus in evangelio ipsum dominum dixisse in Fort. Aquil. com. 1579. Umgekehrt ist der Befund für die Phrase audivi xy dicentem weitgehend negativ für das Lateinische. S C H E N K E V E L D , Prose, 134, Anm. 29, kennt lediglich eine eindeutige Belegstelle: Cic. fin. 2,90. 135 Vgl. S C H E N K E V E L D , Prose, 134-137. einzuleiten. 132 Dabei sei am Rande auf das analoge Phänomen verwiesen, dass das Substantiv ἀκοή nicht nur das Ohr, sondern auch abstrakt die Information oder Tradition bezeichnen kann. 133 D. M. Schenkeveld hat eindrücklich gezeigt, dass die Wiedergabe einer Lesefrucht mit „gehört haben, dass xy gesagt hat …“ ausgedrückt wird, während im Lateinischen die Phrase legere apud xy aliquid gängig ist. 134 Für die auch im Griechischen erwartbare Phrase „in xy gelesen haben, dass …“, die mit dem Verb ἀναγιγνώσκω gebildet wird, sei der Befund hin‐ gegen weitgehend, jedoch nicht gänzlich negativ. 135 Seine Liste von Ausnahmen kann allerdings noch ergänzt werden: Diod. 14,47,2: „darin [in einem Schreiben von Dionysios, Tyrann von Syrakus] war zu lesen, … (ἧς ἀναγνωσθείσης ἔν …)“; Plut. symp. 3,7,2 [mor. 656a]; Plut. symp. 8,4,3 [mor. 724a]: „Und doch habe ich, wie ich mich zu erinnern glaube, neulich in der attischen Geschichte gelesen [ἐν τοῖς Ἀττικοῖς ἀνεγνωκὼς], daß …“ (Üb. O S I A N D E R / S C H W A B ); Plut. Alex. 4: … ἀνέγνωμεν ἐν ὑπομνήμασιν Ἀριστοξενείοις; Plut. Adv. col. 14 (mor. 1115d): ἡμεῖς γὰρ ἐν πᾶσιν ἀναγινώσκομεν …; Iust. Mart. dial. 11,2: Νυνὶ δὲ ἀνέγνων γάρ, ὦ Τρύφων, ὅτι … (Zitatmarkierung); 11,3: Ἢ σὺ ταῦτα οὐκ ἀνέγνως ἅ φησιν Ἠσαίας … (Zitatmarkierung); 10,3: Ἢ οὐκ ἀνέγνως ὅτι … (Zitatmarkierung); TestDan 5,6: ἀνέγνων γὰρ ἐν βίβλῳ Ἑνώχ τοῦ δικαίου ὅτι …; TestNaph 4,1: … ἀνέγνων ἐν γραφῇ ἁγίᾳ Ἑνὼχ ὅτι …; TestAss 7,5: ἀνέγνων γὰρ ἐν ταῖς πλαξὶ τῶν οὐρανῶν ὅτι …; Gebet des Joseph Fr. B: ‘Ἀνέγνων γὰρ ἐν ταῖς πλαξὶ τοῦ οὐρανοῦ … (Eus. pr. 139 3.2 Lesen als Hören 136 Eine sehr aussagekräftige Belegstelle findet sich bei Gal. fac. nat. 2,9, der sich direkt an seinen Leser (τοὺς ἐντυγχάνοντας; s. dazu unten mehr) wendet und λέγω und γράφω gleichsam synonym nebeneinander verwendet: τοσοῦτον δὲ μόνον ὑπὲρ ἑκάστου εἶπον, ὅσον ἐξορμήσει τε τοὺς ἐντυγχάνοντας, εἰ μὴ παντάπασιν εἶεν σκαιοί, τοῖς τῶν παλαιῶν ὁμιλῆσαι γράμμασι καὶ τὴν εἰς τὸ ‘Ρᾷον αὐτοῖς συνεῖναι βοήθειαν παρέξει. γέγραπται δέ που καὶ δι᾽ ἑτέρου λόγου περὶ τῶν κατὰ Πραξαγόραν τὸν Νικάρχου χυμῶν. Die Nutzung von λέγω im Sinne von „schreiben” findet sich z. B.auch bei Plut. Phok. 34, vielfach bei Philo (z. B. Abr. 13), Euseb (exempl. h. e. 4,23,11) u. a. Vgl. für die lateinische Literatur z. B. Quint. inst. or. 2,21,24; 3,6,59; 3,11,28; 8,5,35. 137 Vgl. z. St. T E O D O R S S O N . Commentary I, 152 f. ev. 6,11,64); siehe zu diesem Text weiterführend (S I E G E R T , 2016, hier 291-293.); Porph. vit. Plot. 15: … ἀνέγνω ὑπὲρ Ἀλκιβιάδου τοῦ ἐν τῷ «Συμποσίῳ» τοῦ Πλάτωνος …; Basil. Caes. ep. 150,2: ἀνέγνων γάρ που ἐν Ψαλμοῖς, ὅτι …; Iul. Afr. D 18: ἀνέγνων ἐν τοῖς Νεπτουνιανοῦ ‚Φυσικοῖς‘ ὅτι …; vgl. im NT auch Mt 19,4; 21,16; vgl. ferner auch die Formulierung τὴν δὲ Ἀφροδίτην ἀνέγνωμεν mit anschließender Paraphrase von Hom. Il. 3,424 f bei Clem. Al. prot. 2,35,2 sowie die häufige Kennzeichnung von Zitaten mit in seinem Werk mit ἀναγιγνώσκω (z. B. aus der Ilias in Clem. Al. paid. 2,121,5 und eines Platonzitats in Clem. Al. paid. 2,89,2); zur Kennzeichnung von Zitaten oder Paraphrasen mit ἀναγιγνώσκω vgl. z. B. auch Orig. Cels. 1,26; 1,59; 4,28 f; 4,72; 5,38; comm. in Ioh. 1,21,130; 1,29,203; 1,35,257 u. ö. In diesen Befund passt auch die gängige Praxis antiker Autoren, verba dicendi (also z. B. Formen von λέγω bzw. φημί im Griechischen bzw. dico im Lateini‐ schen) zu verwenden, um in ihren Texten Querverweise im Sinne von „wie ich geschrieben habe/ schreiben werde“ o. ä. einzufügen 136 oder Querverweise auf andere Werke bzw. Zitate mit verba dicendi zu markieren. Vgl. exempl. Strab. 1,2,3 mit Verweis auf Erathostenes’ Geographika: „Er sagt (ἔφη), dass die Poeten …“; Quint. inst. or. 2,21,5 mit Verweis auf Cic. de orat.: „Auch Cicero nennt an einer Stelle als Stoff der Rhetorik die Gegenstände (Cicero quodam loco … vocat), die sich ihr darbieten …“ (Üb. R A H N ); in Plut. symp. 1,9,4 [mor. 627d], verweist Theon auf die ps.-aristot. Schrift Problemata Physica, in der Aristoteles sagte, nach dem Seebad werde man in der Sonne schneller trocken als nach einem Flussbad (Ἀριστοτέλης γὰρ ἐν ταὐτῷ βιβλίῳ φησὶ …), worauf der Ich-Erzähler versucht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, wovon Homer sagt: ’ἀλλ᾽ ᾤμην σε μᾶλλον Ὁμήρῳ τἀναντία λέγοντι πιστεύσειν. Als Beleg folgen im Text zwei Zitate aus der Odyssee; Plutarch zitiert Hermippos von Smyrna (3. Jh. v. Chr.), der sagt (d. h. schreibt), er habe in anonymen Memoiren gelesen, Demosthenes sei ein Schüler von Platon gewesen und habe von diesem Hilfe bei seinen rhetorischen Studien erhalten ( Ἕρμιππος δέ φησιν ἀδεσπότοις ὑπομνήμασιν ἐντυχεῖν ἐν οἷς ἐγέγραπτο τὸν Δημοσθένην συνεσχολακέναι Πλάτωνι καί πλεῖστον εἰς τοὺς λόγους ὠφελῆσθαι …). 137 Arrian 140 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 138 Vgl. exempl. die Verweise aus der „Qumran-Literatur“ bei S TÖ K L B E N E Z R A , Bücher‐ lesen, 77, Anm. 4; seine These, hier werde auf „mündliche Worte“ verwiesen, ist unpräzise, da es sich bei den Prophetenworten zwar um konzeptionelle Mündlichkeit handelt, aber doch analog zu Zitationsformeln, die verba scribendi enthalten, auf Bücher verwiesen wird. 139 Vgl. zur Ansprache seiner Leser mit dem Partizip von ἐντυγχάνω die Quellenbelege in Anm. 246, S. 166. Besonders deutlich wird das „Gespräch“ mit seinen Lesern z. B. in Polyb. 3,34,3: Hier legitimiert er die Auswahl der Themen im vorhergehenden Buch damit, dass „die Leser mitgenommen werden, was nun im Begriff ist, gesagt zu werden“ (… χάριν τοῦ συμπεριφέρεσθαι τοὺς ἐντυγχάνοντας τοῖς νῦν μέλλουσι λέγεσθαι.). Am Anfang von Buch 4 (4,1,4) möchte er seine Leser erinnern (ἀναμιμνήσκω), die er am Beginn von Buch 9 (9,1,6) mit einem Präsenspartizip von ἀκούω als Zuhörer anspricht. beginnt seine Geschichte über Alexander mit dem passivischen λέγεται (Wie ge‐ sagt/ berichtet wird … [Arr. an. 1,1]), nachdem er im Vorwort seine schriftlichen Quellen erläutert hat. Unzählige Belegstellen könnten aus den Deipnosophistai von Athenaios angeführt werden. Besonders aufschlussreich im Hinblick auf die Frage‐ stellung dieser Studie sind vor allem diejenigen Stellen, an denen der Autor, der etwas „sagt“, eindeutig nicht mit den sprechenden Personen auf der Ebene der erzählten Welt übereinstimmt. Athen. deipn. 16,62 (650a): καὶ Εὐριπίδης ἐν Κύκλωπί φησι … (es folgt ein Zitat aus Eur. Cycl. 394, auf der Ebene des Satyrspiels spricht Odysseus); Athen. deipn. 12,16 (518 f) sogar mit exakter Angabe der Rolle des Werkes, aus dem zitiert wird: … ὥς φησι Πτολεμαῖος ἐν ὀγδόῳ ῾Υπομνημάτων … (es folgt ein Spruch des mauretanischen Königs Massanassa). Bei Cicero findet sich hingegen der Beleg, dass durchaus zwischen Autor und Sprecher auf der Ebene der erzählten Welt unterschieden werden konnte. Vgl. die Phrase ut ait apud Xenophontem Socrates (Cic. nat. 2,18) zur Angabe eines Zitats aus Xen. mem. 1,4,8. In lateinischen Texten verbreitet ist die Zitatmarkierung ut ait + Autorname. Vgl. exemplarisch Plin. ep. 4,7,6; 4,18,1 (weitere Stellen bei Plinius verzeichnet S C H W E R D T N E R , 2015, 36, Anm. 41.); Cic. Att. 1,20,3; 2,7,4; 7,1,6; 9,17,4; 10,8,7; nat. 3,27.41; div. 1,24.74; 2,57.128; rep. 1,49 u. ö. Tert. Apol. 48,1. Vgl. außerdem Strab. 2,1,5; Plut. de stoic. rep. 10 (mor. 1036 f-1037b); Plut. adv. Col. 30 [mor. 124d]; Plut. Art. 13,3; u. ö.; Diog. Laert. 2,5,18 (s. o.); 3,1,66; Mak. apokr. 3,3,1; 3,18,1 u. ö. Pomponius Mela verweist rückblickend auf das bereits Geschriebene mit dem Partizip Perfekt Passiv dictum est … (Mel. de chorogr. 1,25). Zitationsformeln mit verba dicendi finden sich ferner auch in hebräischen Texten. 138 Einen eindrücklichen Beleg für die dadurch erzeugte Fiktion eines Dialogs mit seinen Lesern, der Teil einer durchdachten Leserlenkungsstrategie ist, findet sich z. B. beim Werk von Polybios. 139 Aufschlussreich ist es ferner, wenn Clemens von Alexandria seinen Leser im Singular(! ) auffordert, den folgenden Bericht über den Apostel Johannes zu hören: ἄκουσον μῦθον οὐ μῦθον, ἀλλὰ ὄντα λόγον περὶ Ἰωάννου τοῦ ἀποστόλου … (Clem. Al. Quis div. salv. 42). Euseb als 141 3.2 Lesen als Hören 140 Vgl. insgesamt S C H E N K E V E L D , Prose, 139 f. 141 Vgl. Lib. epist. 978,2: δι’ ἐπιστολων ἀκούσας. In Lib. epist. 1518,5 bezieht sich ἤκουον γὰρ ἄλλα τε οἷάπερ ἐβουλόμην eindeutig auf den Inhalt des Briefes von Ausonios (1518,1), den Libanios gelesen hat (1518,4: ἀναγιγνώσκω), seine Fragen (vermutlich aus einem vorherigen Brief) beantwortet fand und nun wiederum ein Antwortschreiben verfasst. S. außerdem Lib. epist. 344,3 (ἐπεὶ οὖν ἐξεῦρες ἴασιν ἀκοῦσαι διὰ γραμμάτων ἃ διὰ φωνἠς οὐκ ἦν …). Vgl. ferner die Art, wie Euseb mit dem abgeleiteten Verb ἐπακούω die wörtliche Wiedergabe von Briefen, in diesem Fall einer griechischen Übersetzung der Abschrift (ΑΝΤΙΓΡΑΦΟΝ) eines Briefwechsels zwischen Abgar und Jesus aus dem Syrischen (wörtlich: „aus der syrischen Stimme“), einleitet: „Es gibt keinen besseren Weg, als die Briefe selbst zu Gehör [d. h. zur Kenntnis] zu nehmen (ἐπακοῦσαι τῶν ἐπιστολῶν), die wir aus den Archiven erhalten haben und dann was gesagt ist aus der syrischen Stimme (ῥήμασιν ἐκ τῆς Σύρων φωνῆς) in folgender Weise übersetzt haben.“ (Eus. h. e. 1,13,5). Vgl. weiterführend zur Überlieferung des Briefwechsels, der weit verbreitet war, D O B S C H Ü T Z , Briefwechsel. Dass das Verb ἐπακούω im übertragenen Sinne von „zur Kenntnis nehmen“ von Gelesenem verwendet werden kann und nicht zwingend eine stimmliche Realisierung impliziert, zeigt die folgende Formulierung in den Pseudo-Klementinen: Ἐπακούσας δὲ ὁ Ἀππίων τῆς ὑποκρίτου ἀντιγραφῆς ἔφη („als Appion den fingierten Antwortbrief zur Kenntis genommen hatte, sagte er …“ Ps.-Clem. Hom. 5,27 [GCS 42, p. 103,13; Üb. W E H N E R T ]). 142 Vgl. z. B. EpSenPl 4 mit Rekurs auf den Anwesenheitstopos: „Jedesmal, wenn ich deine Briefe lese, denke ich an deine Anwesenheit (Quotienscumque litteras tuas audio, praesentiam tui cogito)“. Vgl. außerdem exempl. aus der Vielzahl von möglichen Belegen Cic. Att. 6,1,21; 11,8,1; 12,11. Cicero nutzt das Verb außerdem im Imperativ für „lies“, wie die folgenden Einleitungsphrasen zeigen sed extremum audi … (Cic. Att. 6,1,24); nunc audi reliqua … (Cic. Att. 7,1,2). 143 Vgl. z. B. die Einstiege in die Briefe in Lib. epist. 414,1: Ἀκούω σου κεκρατηκέναι τὴν λύπην …; vgl. außerdem Lib. epist. 501,2: τὸν δὲ Ἄλκιμον ἀκοὺω …; 731,5; 879,1; 904,1; 1320,1; 1533,1; 1543,2.7 (analog verwendet Libanios hier das Verb πυνθάνομαι, um seine Kenntnisnahme der Bischofsweihe von Amphilochios auszudrücken) u. ö. S C H E N K E V E L D , Prose, 130, ist zu Recht der Auffassung, dass die meisten dieser Stellen im empirischer Leser dieser Schrift von Clemens fordert seine Leser wiederum dazu auf, diese Schrift zur Hand zu nehmen und den Bericht zu lesen, den er dann jedoch zitiert: λαβὼν δὲ ἀνάγνωθι ὧδέ πως ἔχουσαν καὶ αὐτοῦ τὴν γραφήν … (Eus. h. e. 3,23,5). Auch in antiken Briefen findet sich (zumeist am Anfang) das Verb ἀκούω, um auf das Schriftstück zu verweisen, auf das man antwortet. 140 In vielen Fällen ist eindeutig, dass ἀκούω sich auf Gelesenes bezieht 141 (gleiches gilt für das lateinische audio), 142 nur selten ist es nicht eindeutig entscheidbar, ob auf etwas Schriftliches Bezug genommen wird; ein Bezug auf eine mündlich konzeptualisierte Kommunikation ohne Schriftbezug ist bei der Verwendung von ἀκούω am Briefanfang zwar möglich (z. B. bei Bericht durch einen Brief‐ boten) allerdings wegen des brieflichen Kommunikationskontextes nur durch kontextuelle Marker festzustellen. 143 Denn die Belege fügen sich ein in das 142 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische Sinne von „lesen“ zu verstehen sind. Eindeutig ohne einen Bezug auf eine schriftliche Grundlage hingegen z. B. Lib. epist. 947,2; 1224,9; bezüglich der lateinischen Verwen‐ dung z. B. Cic. fam. 3,5,1 (eindeutiger Bezug auf den Bericht des Briefboten). 144 Vgl. zu dieser Kategorie F Ö L L I N G E R , Mündlichkeit, 279 f. 145 Vgl. ausführlich und mit zahlreichen Quellenbelegen zum Anwesenheitstopos und zur Konzeptualisierung des antiken Briefes als Gespräch T H R A E D E , Grundzüge, passim [Zitat 148 f.182]. Vgl. weiterführend B A U E R , Paulus, passim (vgl. die Registereinträge „Briefthe‐ orie/ -topik: -Anwesenheit; -Gesprächscharakter“); K L A U C K , Briefliteratur, 149-156 (Klauck spricht von der „Fiktion einer Gesprächssituation im Brief und durch den Brief“ [153]); H O E G E N -R O H L S , Augenblickskorrespondenz, insb. 19-39; K O S K E N N I E M I , Studien, insb. 172- 186; L I E U , Letters, 170-174; G U T T E N B E R G E R , Medienwandel, 264 f. Bild, dass briefliche Kommunikation in der Antike mehrheitlich als durch ein Schriftmedium vermitteltes Gespräch konzeptualisiert ist, also die Anwesenheit der Kommunikationspartner suggeriert und treffend mit der Kategorie der „imaginierten Mündlichkeit“ 144 charakterisiert werden kann. Cicero bezeichnet die private Briefkommunikation in einem Kontext (Cic. Phil. 2,7), in dem er M. Crassus vorwirft, er habe gegen die Konvention einen Privatbrief von ihm öffentlich vorgelesen (recito), ein „Gespräch unter Freunden in Abwesenheit (amicorum conloquia absentium)“, das durch die öffentliche Rezitation zerstört worden sei. An anderer Stelle formuliert er: „Aber weil ich meine, Dich reden zu hören, wenn ich Deine Briefe lese (lego), und mit Dir zu sprechen, wenn ich Dir schreibe, deshalb habe ich so unbändige Freude gerade an Deinen längsten Briefen und werde selbst häufig ein wenig zu langstielig beim Schreiben“ (Cic. ad Brut. 1,1,45; Üb. K A S T E N ); Basilius von Caesarea schreibt in seinem Brief an den Philosophen Eustathius (Basil. ep. 1,1) angesichts des verhinderten Wiedersehens, er sei durch seinen Brief „überhaupt wundervoll erquickt und getröstet worden (θαυμαστῶς πως ἀνεκαλέσω καὶ παρεμυθήσω τοῖς γράμμασι).“ Ps.-Liban. ep. char. 2 beschreibt einen Brief als schriftliche Unterhaltung: Ἐιστιλῆ μὲν οὖν ἐστιν ὁμιλία τις ἐγγράμματος ἀπόντος πρὸς ἀπόντα γινομένη … ἐρεῖ δέ τις ἐν αὐτῇ ὥσπερ παρών τις πρὸς παρόντα. In dokumentarischen Briefen findet sich die Wendung γράφεις μοι λέγων, vgl. P.Mil.Vogl. 1 24,6; O.Did. 323,2. K. Thraede spricht daher von der „Illusion des Beisammenseins“ und bezeichnet das briefliche Anwesenheitstopos in Anknüpfung an Symmachus (ep. 1,84), Ambrosius (ep. 46,1; 47,4; 66,1) und Hieronymus (ep. 3,1) als imago praesentiae. 145 Ein weiteres relevantes Indiz für diese Konzeptualisierung der schriftbasierten brieflichen Kommunikation besteht in der Verwendung des Verbes σιγάω (still bleiben, schweigen) im Sinne von nicht-schreiben. Vgl. z. B. die Einleitungsphrase im Brief von Libanios an Akakios, mit der er begründet, warum er so lange nicht geantwortet hat: Πολὺν ἐσίγησα χρόνον ὑπ’ αἰσχύνης, ὅτι … (Lib. epist. 1514,1). Es sei zuletzt auch an dieser Stelle noch einmal betont, dass aus dem Vorkommen des Lexems ἀκούω nicht geschlussfolgert werden darf, dass Privatbriefe in 143 3.2 Lesen als Hören 146 So aber z. B. F Ü R S T / F U H R E R / S I E G E R T / W A L T E R , 43. 147 Vgl. aus der Vielzahl von möglichen Belegen zur Veranschaulichung K. Twardowski an A. Meinong, Lemberg, 1. V. 1898: „Ich wäre nun sehr begierig zu hören, ob Sie mit der von mir gelieferten Lösung sich einverstanden erklären würden“ (Ed. R A S P A , 101); K. Twardowski an A. Meinong, Lemberg, 25. I. 1903: „Gegenwärtig muss ich ganz unerwartet mich mit - hören und staunen Sie - Didaktik befassen“ (Ed. R A S P A , 117 f); Karl Barth an Carl Zuckermayer, Basel, 16. März 1968: „Seit dem 1. November [Rückbezug auf einen Brief] haben Sie nichts Direktes von mir gehört.“ 148 Vgl. zur Bedeutungsdimension von ἀκούω im Sinne von „verstehen“ die Belege im LSJ unter II.3 u. IV. 149 Vgl. dazu K A K L A M A N O U / E L E N I / P A V L O U , Reading. der individuell-direkten Rezeption vokalisierend gelesen wurden. 146 Unter den gleichen methodischen Voraussetzungen, könnte man ja sonst aus modernen Briefwechseln, die ebenfalls als Gespräch unter Abwesenden konzipiert sind und in denen konventionell verba dicendi sowie verba audiendi im Sinne von „schreiben“ und „lesen“ verwendet werden, 147 ableiten, dass Briefe noch im 19./ 20. Jh. vokalisierend gelesen worden wären. Es bleibt festzuhalten, dass die Verben ἀκούω und audio in der brieflichen Kommunikation der Antike und an zahlreichen der oben diskutierten Stellen in der Literatur vor allem im Sinne von „zur Kenntnis nehmen“ verwendet werden, also nicht das physische Hören, sondern die kognitive Verarbeitung im Blick ist. 148 Ohne kontextuelle Markierungen darf also beim Vorkommen des Verbes im Kontext der Rezeption von Texten nicht auf die mediale Form bzw. Art der sinnlichen Wahrnehmung rückgeschlossen werden. 3.3 Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate Während lego im Lateinischen als Standardverb für lesen zu gelten hat (s. u.), gibt es für das auf den gleichen Stamm zurückgehende griechische Verb λέγω nur relativ wenige Belege für die Verwendung als Leseterminus, die vor allem aus dem 5./ 4. Jh. v. Chr. stammen. Bei Aineias Taktikos findet sich die Formulierung „aus dem Buch sagen“, d. h. vorlesen: ῥηθήσονται δὲ ἑξῆς αἱ ἐπιβουλαὶ ἐκ τῆς βίβλου παραδείγματος ἕνεκεν (Aen. Tact. 11,2). Platon lässt Eukleides in der Rahmenhandlung seines Theaitetos 149 sagen: „Junge, nimm das Buch und lies (παῖ, λαβὲ τὸ βιβλίον καὶ λέγε)! “ (Plat. Tht. 143c). Er verwendet hier λέγω synonym mit ἀναγιγνώσκω, wie eine Stelle kurz zuvor zeigt, an der Eukleides vorschlägt: „Und während wir ruhen, soll der Junge vorlesen (… ὁ παῖς ἀναγνώσεται)“ (Plat. Tht. 143b). Die gleiche Synonymität findet sich bei Demosth. or. 21,8: ἀναγνώσεται δὲ πρῶτον μὲν ὑμῖν τὸν νόμον … λέγε τὸν νόμον. Diese Formel „lies 144 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 150 Vgl. zur Etymologie B E E K S , EDG, 842. 151 S V E N B R O , Griechenland, 67, fragt ähnlich in Bezug auf die Übernahme des Verbes ins Lateinische. 152 Vgl. exempl. Cic. Att. 4,3,3; fam. 10,9(13),1; Planc. 74; Fort. rhet. 11. 153 Vgl. exempl. Suet. Claud. 15. 154 S. der Hinweis bei V A L E T T E -C A G N A C , lecture, 25. 155 Vgl. S V E N B R O , Phrasikleia, 146, Anm. 2. 156 Vgl. dazu die Belege bei S V E N B R O , Griechenland, 64, Anm. 3-6. 157 S V E N B R O , Griechenland, 64. 158 S V E N B R O , Griechenland, 64. das Gesetz“ ist häufig belegt. Vgl. neben zahlreichen Stellen bei Demosthenes (z. B. or. 21,10; 38,4; 43,62) Aischin. Tim. 11.15 u. ö.; Ctes. 32. Philon nutzt diese Wendung zur Einleitung von zwei Zitaten aus der Tora, vgl. Philo Fug. 53; somn. 1,92. Zumindest in der publizierten Form von Philons Texten gilt diese Aufforderung den Rezipienten, das im Folgenden geschriebene Zitat zu lesen. Anders als das griechische Standardleseverb ἀναγιγνώσκω (s. o.) scheint λέγω zumindest in klassischer Zeit exklusiv die vokalisierende Realisierung von Text (vor‐ lesen, rezitieren) zu bezeichnen. Schwer zu entscheiden ist nicht zuletzt deshalb, ob die etymologische Grundbedeutung des in vielen Sprachen zu findenden Stammes „sammeln“, „(auf)lesen“ 150 bei der Verwendung bewusst war bzw. eine Vorstellung des Auflesens von Buchstaben, Bedeutung oder Klang mit dem Verb konnotiert werden konnte 151 oder ob die Verwendung als Leseterminus nicht vielmehr durch die Bedeutung „sagen“, „sprechen“ initiiert worden ist. Im Lateinischen können analog die Verben enuntio, dico und pronuntio mit entspre‐ chenden adverbialen Bestimmungen, die Lesemedien anzeigen, z. B. de scripto, 152 ex tabella  153 u. ä. verwendet werden, um Vorlesen zu markieren. 154 Deutlich häufiger und in der Semantik differenzierter werden präfigierte Formen von λέγω als Leseterminus verwendet. Dabei findet man ἀναλέγω in frühen Quellen noch im Aktiv als Leseterminus, später ist es vor allem die mediale Form ἀναλέγομαι, die lesen bedeutet. J. Svenbro verweist bezüglich der aktivischen Form auf eine Inschrift aus der ersten Hälfte des 5. Jh. v. Chr. aus Teos und versteht es als Synonym zum Leseverb ἀνανέμω (verteilen), 155 das ebenfalls in aktivischer Form im dorischen Dialekt lesen bedeutet hat, 156 wobei das Aktiv „den Leser zum Instrument im Dienst des Geschriebenen“ 157 macht. Demgegenüber habe die mediale Form ἀνανέμομαι, die im ionischen Dialekt lesen bedeutet, „eine viel subtilere Bedeutung als ‚verteilen‘. Tatsächlich bedeutet sie ‚verteilen, indem man sich der Verteilung mit einschließt‘.“ 158 Svenbro verweist in diesem Zusammenhang auf die Mnesitheos-Stele aus Eretria auf Euböa aus dem 5. Jh., auf der geschrieben steht: 145 3.3 Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate 159 CEG 108,1-8 [Üb. G E B L E ]. Vgl. zu dieser Inschrift die ausführliche Auswertung bei S V E N B R O , Phrasikleia, 50-63. Vgl. zum Thema „sprechende Steine“ weiterführend M E Y E R , Inszeniertes Lesevergnügen, 25-95 und C H R I S T I A N , Steine, für die Inschriften seit hellenistischer Zeit. 160 S V E N B R O , Griechenland, 65. 161 Dies ist nicht zuletzt aus Svenbros eigenen Überlegungen zur „inneren“ Stimme ableitbar. Vgl. S V E N B R O , Interior; S V E N B R O , Stilles Lesen; S V E N B R O , Phrasikleia, 146-168. 162 Vgl. C H R I S T I A N , Steine, 85-87. 163 C H R I S T I A N , Steine, 86. 164 Πλάτωνος ἓν τὸ περὶ ψυχῆς γράμμ’ ἀναλεξάμενος (Kall. epigr. 23; zit. bei S. Emp. adv. math. 1,48). F. Jürß übersetzt es in seiner Übersetzung sogar mit „studieren“. Der LSJ gibt als Übersetzung read through an. 165 Vgl. Dion. Hal. ant. 1,89,1. „Seid gegrüßt, ihr, die ihr vorübergeht; ich aber liege tot in der Erde. Tritt hierher und lies (ἀνάνεμαι), wer hier begraben ist: ein Fremdling aus Aigina, mit Namen Mnesitheos.“ 159 Es ist m. E. nicht nur ein Grenzfall, dass „ein solcher Leser den Inhalt des Geschriebenen ‚verteilen‘ kann, ohne daß er [andere] Hörer hat“ 160 ; vielmehr ist der Leser selbst sein eigener Zuhörer (lesen im Sinne von „auf sich selbst verteilen“), wobei ohne sichere Textsignale im Kontext schwer eindeutig zu entscheiden ist, ob beim Gebrauch des Verbes jeweils an das Hören der eigenen Stimme oder aber der internalisierten Stimme, der inneren Lesestimme, gedacht ist. 161 Dies zeigen nicht zuletzt einige Inschriften aus hellenistischer Zeit, in denen ein nicht-vokalisierendes Lesen wahrscheinlich ist oder sogar explizit vorausgesetzt wird. T. Christian 162 nennt instruktive Beispiele von Inschriften, in denen verba vivendi als Leseverben verwendet werden (s. dazu 3.8) und verweist auf Inschriften, die den Leser auffordern, „etwas zu lernen oder zu erfahren, was keinen mündlichen Dialog voraussetzt.“ 163 Außerdem nennt er eine Inschrift aus Kallatis (2./ 3. Jh.), die mit dem Motiv der Stille spielt und dieses in Verbindung mit der visuellen Wahrnehmung setzt: „Schau mich an, den stummen ([δ]έρκεο τὴν ἀγέγωνον ἐμέ), Fremder, schau den Stein an, wie ich bejammert auf dem Felsbrocken liege“ (GVI 1279,1 f). Ganz explizit ist nicht-vokalisierende Lektüre vorausgesetzt in einer Inschrift aus Kaisareia Hardrianopolis aus der Mitte des 3. Jh. n. Chr.: „lies, während Du in Stille atmest (σιγῇ πνεύσας ἀνάγνωθι)“ (SEG 33 1110); außerdem in IGUR III 1336, Cl. 1,7 und GVI 1342. Diese Überlegungen gelten analog für die mediale Form ἀναλέγομαι (wörtlich für sich selbst sagen bzw. für sich selbst [auf]sammeln), die als Leseterminus eine facettenreiche Semantik aufweist. Schon in den Epigrammata des Kallima‐ chos wird ἀναλέγομαι im 3. Jh. v. Chr. verwendet, um die individuell-direkte Lektüre einer Schrift Platons zu bezeichnen. 164 Dionysios von Halikarnassos verwendet das Partizip Medium im Sinne von Leser/ Rezipient; 165 an anderer Stelle bezeichnet er damit die Rezeption seiner Quellen (Historien namenhafter 146 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 166 Τὰ δ’ ἐκ τῶν ἱστοριῶν ἀναλεξάμενος, ἃς οἱ πρὸς αὐτῶν ἐπαινούμενοι Ῥωμαίων συνέγραψαν Πόρκιός τε Κάτων καὶ Φάβιος Μάξιμος … (Dion. Hal. ant. 1,7,3). Vgl. zur Bezeichnung des Lesens historiographischer Texte mit dem Verb auch Plut. De Genio 12 (hier ist vermutlich vokalisierende Lektüre vorauszusetzen). 167 Vgl. z. B. Plut. de prof. virt. 7 (mor. 78 f); Gal. AA 2,220.223 (s. auch Gal. meth. med ed. K Ü H N , p. 26,6 f); Ptol. fr. 3,5; Philostr. v. Apoll. 2,30; Orig. Cels. 3,43. Eindrücklich aber auch Clem. Al. Paid. 2,91,1 mit anschließendem Zitat aus Lev 18,20: „Ebenso gab auch der treffliche Platon, der aus der göttlichen Schrift schöpfte (ἐκ τῶν θείων ἀναλεγόμενος γραφῶν), den Rat, man solle sich von dem Mutterschoß jeder Frau außer dem der eigenen fernhalten …“ (Üb. S T Ä H L I N ). 168 Vgl. z. St. S T R O B A C H , Sprachen, 167-169. 169 So auch nicht die Verwendung von ἀναλέγομαι als Leseverb bei Plut. de gen. 12 (mor. 582a), wo die Semantik eindeutig durch den Aspekt des Verstehens geprägt ist, wie O S I A N D E R / S C H W A B mit ihrer Übersetzung „herauslesen“ deutlich machen. römischer Geschichtsschreiber), aus denen er „aufgesammelt“ habe. 166 Die Bedeutungsnuance „rezipieren“ im Sinne von „aufnehmen“ (das Lesen der jeweiligen Schrift[en] ist damit impliziert) und „in eigenen Schriften weiterver‐ arbeiten“ ist häufig belegt. 167 Aufschlussreich ist zudem eine Stelle bei Plutarch. Im Kontext eines Gesprächs über die Bedeutung von alten Schriftzeichen (γράμματα) einer Inschrift aus dem Grab der Alkmene, das von Agesilaos geöffnet worden sei (vgl. Plut. de gen. 5 [mor. 577e/ f]), gibt Pheidolaos den Bericht von Simmias wieder: „der Spartaner Agetoridas brachte von Agesilaos eine Menge Schriften nach Memphis zu dem Propheten Chonuphis […]. Er war vom König (von Ägypten) hergeschickt, der dem Chonuphis befahl, wenn er etwas von der Schrift verstehe, solle er schleu‐ nigst in Übersetzung zurückschicken. Nachdem dieser dann drei Tage lang für sich allein Schriftzeichen aller Art in alten Büchern durchgesehen [wörtl. für sich selbst aufgesammelt] hatte (πρὸς ἑαυτὸν δὲ τρεῖς ἡμέρας ἀναλεξάμενος βιβλίων τῶν παλαιῶν παντοδαποὺς χαρακτῆρας), schrieb er dem König zurück […], dass diese Schrift den Befehl enthalte, die Hellenen sollen zu Ehren der Musen einen Wettkampf veranstalten; die Schriftzeichen aber gehören zu dem Alphabet, das unter der Regierung von König Proteus im Gebrauch gewesen, und welches auch Herakles, des Amphitryon Sohn, gelernt habe“ (Plut. de gen. 5 [mor. 578 f-579a; Üb. O S I A N D E R / S C H W A B ; leicht modifiziert JH]). 168 Die Angabe πρὸς ἑαυτόν zeigt zusammen mit der Zeitangabe eindeutig, dass eine Form intensiver individuell-direkter Lektüre zu philologischen For‐ schungszwecken vorauszusetzten ist, die mit ἀναλέγομαι bezeichnet wird. Eine mündliche Realisierung der Schriftzeichen zu imaginieren, liegt vom Kontext her nicht nahe. 169 Und obwohl Plutarch eine fiktive Begebenheit beschreibt, so ist doch anzunehmen, dass hier an sozialgeschichtlich reale Lesepraktiken 147 3.3 Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate 170 Vgl. z. B. Clem. Al. Paid. 1,103,2: „Alle Gebote […], die für das vollkommene Leben geeignet sind […], können wir wie in einem Grundriß sehen, wenn wir sie aus den Schriften selbst aufsammeln (ἐξ αὐτῶν ἀναλεγομένοις τῶν γραφῶν)“ (Üb. S T Ä H L I N ; leicht modifiziert JH). Vgl. außerdem Orig. hom. in Jer. 18,6. 171 Vgl. S V E N B R O , Griechenland, 68. angeknüpft wird. Analog definiert Galen die mit ἀναλέγομαι bezeichnete Lese‐ praxis von Fachtexten weitergehend mit dem Verb ἐντυγχάνω als „gründliches Lesen“, indem er sie durch das Adverb σαφῶς spezifiziert (vgl. Gal. comp. med. loc. 6 praef., K ÜHN 12,894). Ferner findet sich das Verb als Leseterminus auch bei den Kirchenvätern. 170 Ebenfalls nur im Medium als Leseterminus gebraucht wird das Verb ἐπιλέγομαι. Für J. Svenbro impliziert das Medium zusammen mit der Vorsilbe, dass der Leser für sich selbst oder ggf. für andere laut liest, und präzisiert die Semantik des Verbs als Leseterminus mit der wörtlichen Übersetzung „ein Sagen hinzufügen zu“. Daraus leitet er ab, dass die Schrift bzw. das Geschriebene ohne die Hinzufügung der Stimme durch den Leser unvollständig bliebe, das Lesen folglich das Geschriebene als „Epi-log“ ergänze. 171 Dies mag möglicherweise für den nicht mehr rekonstruierbaren Ursprung der Verwendung des Verbs als Leseterminus zutreffen, ob diese Bedeutungsdimension für die Verwendung von ἐπιλέγομαι in den erhaltenen Quellen seit der klassischen Zeit noch eine Rolle spielt, wäre jedoch erst zu belegen. Hingegen erschweren schon bei Herodot, bei dem ἐπιλέγομαι als Leseter‐ minus erstmals belegt ist, einige Details die Interpretation Svenbros. Im ersten Buch seiner Historien schildert Herodot zwei aufschlussreiche Leseszenen: Der Meder Harpagos will dem späteren Perserkönig Kyros II. im Geheimen einen Brief zukommen lassen, mit dem er ihn zu einer Verschwörung gegen den medischen König Astyages überreden will. Damit der Brief unentdeckt bleibt, näht er ihn in einen Hasen ein und trägt einem ihm vertrauten Boten auf, den Hasen dem Kyros zu bringen und betont, dass Kyros ihn eigenhändig und ohne Anwesenheit anderer zerlege (ἐντειλάμενὸς οἱ ἀπὸ γλώσσης διδόντα τὸν λαγὸν Κύρῳ ἐπειπεῖν αὐτοχειρίῃ μιν διελεῖν καὶ μηδένα οἱ ταῦτα ποιεῦντι παρεῖναι; Hdt. 1,123,4). Die eigentlichen Leseszenen beschreibt Herodot folgendermaßen: „Tatsächlich kam dieser Plan zur Ausführung; Kyros erhielt den Hasen und schnitt ihn auf. Er fand den Brief darin, nahm und las ihn (εὑρὼν δὲ ἐν αὐτῷ τὸ βυβλίον ἐνεὸν λαβὼν ἐπελέγετο). Dieses sagte das Schriftstück (τὰ δὲ γράμματα ἔλεγε τάδε): … Als Kyros dies gehört [d. h. gelesen] hatte (ἀκούσας ταῦτα ὁ Κῦρος), überlegte er, wie er die Perser am geschicktesten zum Abfall überreden konnte. Schließlich fand er folgenden Weg am passendsten und ging ihn: In einem Brief schrieb er seine Absicht 148 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 172 Hdt. 1,124,1.1,125,1 f (Üb. F E I X , modifiziert JH). 173 Vgl. Hdt. 2,125,6. 174 So auch G A V R I L O V , Techniques, 70. 175 S. z. B. die Verwendungsweise des Verbes im Mithridates-Brief (H E R C H E R , Epistolographi Graeci, p. 177,1), der Einleitung zur Edition der griechischen Brutus-Briefe. S. dazu C A L H O U N , Letter. Diese Bedeutungsdimension des Verbes in Bezug auf die Rezeption von etwas Schriftlichem ist z. B. auch bei Clem. Al. strom. 3,71,2 zu finden: „Der Verständige wird die jeder einzelnen der Irrlehren in besonderer Weise widerspre‐ chende Schriftstelle herausfinden (ἐνισταμένην γραφὴν ὁ συνίων ἐπιλεγόμενος) und zur rechten Zeit zur Widerlegung derer verwenden, die den Geboten widersprechende Lehrsätze aufstellen“ (Üb. S T Ä H L I N ). 176 Vgl. K A M P T Z , Art. lego. nieder. Dann berief er eine Versammlung der Perser. Nach dem Entfalten des Briefes sagte er also lesend (μετὰ δὲ ἀναπτύξας τὸ βυβλίον καὶ ἐπιλεγόμενος ἔφη): … “. 172 Es ist bezeichnend, dass sich die Verwendungsweise von ἐπιλέγομαι in der individuell-direkten Leseszene (Hdt. 1,124,1), bei der eindeutig keine Zuhörer vorauszusetzen sind (1,123,4), deutlich von der Vorleseszene unterscheidet (1,12 5,1 f). Bei der Vorleseszene sah sich Herodot - wie bei einer anderen, eindeutigen Vorleseszene 173 - genötigt, mit φημί ein zusätzliches verbum dicendi zu ergänzen, was angesichts Svenbros Interpretation der Semantik von ἐπιλέγομαι als „ein Sagen hinzufügen zu“ redundant erschiene. M. E. zeigt die Stelle jedoch eher, dass sich Herodot einer solchen semantischen Dimension des Verbes hier nicht bewusst gewesen ist und ἐπιλέγομαι stattdessen als konventionalisierten Leseterminus verwendet hat. Bei der individuellen Leseszene verzichtet Herodot dann auch auf ein weiteres verbum dicendi. Außerdem nutzt er das Bild vom sprechenden Schriftstück, das der Leser Kyros (möglicherweise nur in seinem Kopf) hört (1,125,1). 174 Diese Bildlichkeit konterkariert Svenbros These einer Unvollständigkeit des Geschriebenen ohne die Stimme des Lesers. Gegen Svenbro kann man festhalten, dass möglicherweise für die Verwendung von ἐπιλέγομαι als Leseterminus eher die Bedeutungsdimension des Verbes „für sich auslesen“/ to pick out leitend ist. 175 Da lego im Lateinischen im Gegensatz zum Griechischen λέγω, das etymolo‐ gisch auf die gleiche Wurzel zurückgeht, als Standardverb für lesen fungiert, sind abschließend einige ausblickende Bemerkungen zu diesem Verb notwendig. Eine ausführliche Analyse der Lexemverwendung kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden. Allerdings ist mit dem Eintrag im TLL 176 das Material insgesamt deutlich besser aufgearbeitet als bei den griechischen Hauptleseverben ἀναγιγνώσκω und ἐντυγχάνω. Zudem kann an Buschs Ana‐ lyse der Semantik und der Lexemverwendung von lego angeknüpft werden, die 149 3.3 Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate 177 Vgl. B U S C H , Lesen, 8-14. 178 Vgl. B U S C H , Lesen, 8. 179 Vgl. S V E N B R O , Griechenland, 67. er im Kontext der Diskussion um das „laute“ und „stille“ Lesen in der Antike vorgelegt hat. 177 Zunächst verweist Busch darauf, dass die Verwendung als Leseterminus etymologisch auf die Grundbedeutung „sammeln“, also über die Vorstellung des „Auflesens“ einzelner Buchstaben und dem anschließenden Zusammensetzen zu Worten und Sinneinheiten zurückzuführen sein könnte. 178 Diesbezüglich hat J. Svenbro angemerkt, dass es aber auch durchaus vorstellbar wäre, dass es sich um eine Übernahme eines schon geprägten terminus technicus aus dem Griechischen handele und die Erklärungen der antiken Etymologie eine Konstruktion der Entwicklungsgeschichte aus der Retrospektive darstelle. 179 M. E. kann diese Frage nicht sicher entschieden werden. Immerhin zeigen aber die Ausführungen Varros, dass im 1. Jh. v. Chr. durchaus ein Zusammenhang zwischen der Semantik von lego und dem Leseprozess hergestellt werden konnte. So formuliert Varro in seinem Werk De lingua Latina: „‚Sammeln‘ wird gesagt, weil die Buchstaben von den Augen ‚gesammelt‘ werden“ (legere dictum quod leguntur ab oculis litterae; Varro ling. 6,66). Buschs Hinweis ist zwar richtig, dass auf der Grundlage der Etymologie und Semantik von lego nicht entschieden werden kann, ob generell vokalisierend oder nicht-vokalisierend gelesen wurde. Allerdings ist es doch bezeichnend, dass Varro auf den Aspekt der visuellen Wahrnehmung der Buchstaben beim Lesen rekurriert, aber die vermeintlich vokalisierende Weiterverarbeitung außen vor lässt. Dies stellt zwar ein argumentum e silentio dar, die Beweislast, dass lego per se vokalisierende Lektüre impliziere, liegt jedoch angesichts dieses Befundes bei den Vertretern dieser These. Aus meiner Sicht ist die Stichhaltigkeit der Argumente für die These zu hinterfragen, dass diese Verwendungsweise von lego in den Quellen eindeutig zeige, unmarkiertes lego bezeichne den normalen Modus „lauter“ Lektüre. Buschs Hauptargumente für diese These sind a) Belege, die aus seiner Sicht eindeutig Fälle von vokalisierender, individueller Lektüre zeigten. Dass diese Belegstellen (Busch selbst verweist exemplarisch nur auf Cic. fam. 9,20,3 und sonst auf die in der bisherigen Forschungsdiskussion herangezogenen Belegstellen) aber eben nicht eindeutig sind, habe ich oben schon ausgeführt (1.3). Die dort ausführlich diskutierten methodischen Probleme, welche den Diskurs um die These des generell vokalisierenden Lesens in der Antike prägen, brauchen hier nicht noch einmal wiederholt zu werden. Es sei schon hier betont, dass damit freilich nicht in Frage gestellt wird, dass es zahllose Belege gibt, an denen lego im Sinne von „vorlesen vor anderen“ gebraucht wird. Busch zeigt b) am 150 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 180 B U S C H , Lesen, 11, führt a) Belege an, die nach dem Muster tacitum legere gebildet werden und nicht-vokalisierendes Lesen markierten (vgl. Hor. sat. 2,5,68; Suet. Aug. 39; Suet. Nero 15,1; Aug. Conf. 6,3; ferner in silentio legere in Aug. Conf. 8,29 und sine murmure legere [Ov. epist. 21,3]. Bei der genannten Stelle bei Horaz hat die explizite Markierung des nicht-vokalisierenden Lesens eine leserpragmatische Bewandtnis. Es geht darum, beson‐ ders deutlich zu machen, dass die Lektüre für andere unbemerkt geschieht. Das Motiv des Schweigens ist hier nicht nur mit der Abwesenheit von Klang konnotiert, sondern auch mit dem Aspekt der Unauffälligkeit. Nicht überzeugend ist Buschs Interpretation des Befehls in Suet. Aug. 39, den Inhalt der pugillares nicht-vokalisierend zu lesen, um ein Ausplaudern durch reflexhaftes Vorlesen zu verhindern. Es ist nicht das vermeintliche Faktum, dass in der Antike generell „laut“ gelesen worden wäre, das den expliziten Hinweis auf das nicht-vokalisierende Lesen erfordert, sondern vielmehr der soziale Kontext (jemand reicht jemandem einen Text unter Anwesenheit der Öffentlichkeit), der provozieren würde, dass man einen Text laut vorliest. Überzeugender ist daher Knox’ Deutung, die davon ausgeht, dass dem Getadelten erspart bleiben sollte, den Tadel auch noch öffentlich zu verkünden - darin liegt ja gerade die milde Form der Strafe. Diese Deutung setzt entgegen der Annahme von Busch keine Institution eines öffentlichen „Sündenbekenntnisses“ voraus. Vgl. dazu K N O X , Reading, 428; gegen B U S C H , Lesen, 36 f. Die explizite Nennung eines Aktes nicht-vokalisierender Lektüre bei Suet. Nero 15,1 wäre nicht redundant, nähme man an, dass nicht-vokalisierendes Lesen zum Standardrepertoire antiker Leser gehörte, sondern hebt in besonderer Weise Neros Willkür hervor - es geht eben nicht nur um die Lautstärke, sondern darum, dass er andere bei seiner Lektüre explizit ausschließe (tacitus ac secreto legens). Die von Busch angeführten Stellen weisen ein explizites Darstellungsinteresse auf und sind kein Reflex auf eine generelle Praxis des vokalisierenden Lesens in der Antike. b) Zudem verweist er auf eine Bandbreite von Bestimmungen, die lautes Lesen markieren, wobei nach seiner Auslegung nur besonders lautes Lesen hervorgehoben würde. Dazu verweist er auf Cic. de orat. 3,56,213; Petr. sat. 59,3 Plin. ep. 9,36,3. An der genannten Stelle bei Petronius geht es jedoch nicht um die Lautstärke, vielmehr verweist das verwendete Lexem canorus in einem satirischen Kontext (Trimalchio liest homerische Verse in lateinischer Übersetzung) auf den Klang der Stimme bzw. die Vortragsweise. Auch bei Cicero geht es nicht nur um die Lautstärke, sondern auch um den Klang der Stimme (cum suavissima et maxima voce legisset). Desgleichen liegt auch bei der Pliniusstelle der Fokus der Darstellung weniger auf der Lautstärke der Stimme. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine besondere Lesesituation, nämlich bei dem von Plinius beschriebenen klaren und deutlichen Lesen von Reden um eine Art Stimm- und Lesetraining für den Bauch (clare et intente non tam vocis causa quam stomachi lego). Die Stelle impliziert ein Bewusstsein der Stützfunktion des Körpers für das Sprechen. Für die Fragestellung Buschs nach dem Normalmodus des Lesens haben die Stellen daher wenig Relevanz. Gleiches gilt z. B. auch für App. civ. 3,10,73, wo die besondere Lautstärke des vokalisierenden Lesens eine wichtige narrative Funktion hat. Befund, dass die adverbialen Bestimmungen von lego entweder „stummes“ oder „besonders“ lautes Lesen markierten 180 und leitet daraus ab, dass der adverbial unmarkierte Gebrauch generell lesen in Normallautstärke impliziere. Dies ist ein methodischer Fehlschluss, da aus einem negativen Befund eine positive Schlussfolgerung gezogen wird, und dabei narrative und leserpragmatische Gründe im Kontext der jeweiligen Stellen missachtet werden, die eine adverbiale 151 3.3 Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate 181 S. meine Bemerkungen in Anm. 180, S. 151. 182 Vgl. dazu und weiterführend zu Inschriften in antiken Romanen S L A T E R , Reading. 183 B U S C H , Lesen, 12. 184 So auch das Urteil bei P A R K E R , Books, 196, Anm. 29. Vgl. die eindrückliche Belegstelle Tac. dial. 1,2-3,4, wo eindeutig zwischen dem Vorlesen (recitare) von Curiatius Ma‐ ternus’ „Cato“ in einer Autorenlesung und dem Lesen (legere) des durch den Autor überarbeiteten Werkes unterschieden wird (s. u. Anm. 24, S. 275). Vgl. aus der Vielzahl der Belege außerdem exempl. Sall. Iug. 24,1; Caes. civ. 1,1,1; Ov. Pont. 3,5,37‒42; Tac. ann. 1,11,3; 3,58,2; 3,68,1 u. ö.; Corn. Nep. fr. 11 (= Gell. 4,18,10); Gell. 4,18,10; Orig. hom. in Ex. 12,1: lectio nobis Exodi recitata est. 185 Vgl. dazu mit den entsprechenden Belegen B U S E T T O , legere, 305 f. 186 Vgl. Quint. inst. or. 2,5,4: „Und tatsächlich muß man das Vorlesen (praelectio), das des‐ halb stattfindet, damit die Knaben mit ihren Augen leicht und deutlich dem Geschrieben folgen können (ut facile atque distincte pueri scripta oculis sequantur), und auch noch die Stufe, die jede weniger geläufige Wortbedeutung, auf die man beim Lesen stößt, erklärt, für weit unter der Würde des Rhetorikunterrichts halten“ (Üb. R A H N ). Vgl. außerdem Quint. inst. or. 1,2,15; 1,5,11; 1,8,8.13. Insbesondere die zuerst zitierte Belegstelle spricht gegen die generalisierende Aussage bei V Ö S S I N G , Schule, 373, der davon ausgeht, dass Bücher im Unterricht nur in den Händen der Lehrer waren. Bestimmung begründen. 181 c) Es ließen sich laut Busch keine Belege anführen, an denen unmarkiertes lego definitiv „stilles“ Lesen meint. Dies ist nicht nur ein argumentum e silentio, sondern stimmt m. E. auch nicht. So lässt z. B. Petronius Trimalchio in seinem Roma Satyricon verfügen, dass in der Mitte seines Grabsteins eine Sonnenuhr angebracht werden solle, „damit jeder, der nach der Stunde sieht - ob er will oder nicht - meinen Namen liest (ut quisquis horas inspiciet, velit nolit, nomen meum legat)“ (Petron. sat. 71,12). 182 In diesem Kontext kann mit lego eigentlich nur die visuelle Wahrnehmung des Namens in der Grabinschrift gemeint sein. Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung Buschs, dass die Grund‐ bedeutung von lego „die lautliche Realisation des Gelesenen im Begriff “ 183 einschließt, zu hinterfragen - nicht zuletzt auch deshalb, weil im Lateinischen mit recito ein präziseres Verb zur Verfügung steht, um die lautliche Realisation, das Vorlesen, eindeutig zu kennzeichnen. 184 Daneben wird - allerdings selten belegt - auch das Derivat praelego für das Vorlesen verwendet. Und zwar bezeichnet es einmal allgemein das Vorlesen vor Publikum, 185 kann aber auch eine ganz spezifische Vorlesesituation in Bildungskontexten meinen, in welcher der Lehrer den Schülern einen Text vorliest, während sie ihn selbst vor den Augen haben und mitlesen können, wie bei Quintilian deutlich wird. Der Zweck dieses Vorlesens ist bei Quintilian jedoch nicht die Ausbildung einer guten Vorlesepraxis - die Schüler lesen nur mit den Augen mit(! ) -, sondern eine basale Lese- und Verstehensfähigkeit, was vor allem dadurch deutlich wird, dass auf einer zweiten Stufe unbekannte Wortbedeutungen erläutert werden. 186 152 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 187 Gegen V A L E T T E -C A G N A C , lecture, 25, die - vermutlich rückführbar auf das Lexikon von E. Forcellini - als Bedeutung angibt: „lire à la hâte“, „parcourir“. 188 B U S E T T O , legere, 299. 189 Vgl. exemplarisch Gell. 19,10,12 f. 190 Vgl. Quint. inst. or. 1,7,17. 191 Vgl. z. B. Gell. 17,2,27. 192 Sehr eindrücklich ist diesbezüglich eine Passage in einem Brief Ciceros an Lucceius (fam. 5,12), der die Freuden bei der Lektüre eines individuellen Lesers (lector; s. o. 2.2.3) thematisiert: expletur animus iucundissima lectionis voluptate (fam. 5,12,5). S. dazu auch Gell. 18,4,1 und den Antitypos bei Gell. 11,7,7. 193 Vgl. z. B. Cic. de orat. 3,13,48; Brut. 17,69; Plin. nat. praef. 17; Petron. sat. 4; Plin. ep. 7,21,1 (Plinius unterscheidet hier eindeutig die individuelle Studienlektüre vom Vorlesenlassen); Quint. inst. or. 10,1,16-23 (vergleichende Diskussion der zwei Rezeptionsmodi einer Rede: live hören oder selbst lesen; s. dazu unten mehr); Gell. 12,2,12 Nur einmal in einer Komödie von Plautus findet sich das Derivat translego als Leseverb (vgl. Plaut. Asin. 4,1,5). Im Kontext scheint es dort - als zweite Aufforderung, einen Vertrag (syngraphus) durchzulesen - einen besonderen Nachdruck mit der Leseaufforderung zu verbinden - etwa: „lies darüber“. Wegen der geringen Anzahl von Belegen sind weitergehende Schlussfolgerungen zur Semantik des Verbes jedoch nicht möglich. 187 Bei lego handelt es sich demgegenüber um einen polyvalenten Leseterminus, der gleichsam als allgemeiner und neutraler Oberbegriff das Phänomen „Lesen“ in seiner ganzen Breite bezeichnen kann, wie A. Busetto treffend zusammen‐ fasst: „Lego è anche il verbo più ‚neutro‘ per indicare l’atto del leggere. Esso può essere riferito non solo a qualsiasi tipologia di documento, ma anche a qualunque modalità e finalità della lettura: da quella privata di una lettera a quella pubblica di un testo letterario o giuridico, da quella scolastica del maestro a quella critica ed ecdotica dei grammatici; tali letture contemplano una nutrita varietà di fruitori (lo stesso lettore, una singolo uditore, un pubblico più o meno vasto), sedi, ‚gradi di oralizzazione‘.“ 188 Und als ein solcher Oberbegriff kann lego auch sporadisch kollektiv-indirekte Formen der Rezeption benennen, wobei es sich in diesen Fällen dann um eine konzeptionelle Übertragung individuell-direkter Lektüre handelt, 189 die uns aus dem deutschen Gebrauch von „Lektüre“ und „lesen“ ebenfalls bekannt ist. Ähnlich polyvalent (vgl. den Eintrag im TLL) ist das von lego abgeleitete Verbalsubstantiv lectio, das gleichsam als Oberbegriff „das Lesen“ das gleich‐ namige Phänomen umfassend bezeichnet und durch die jeweiligen Verwen‐ dungskontexte ganz unterschiedliche spezifische Bedeutungen (das Lesen als Fähigkeit, 190 das Durchlesen eines Schriftstücks, 191 das Lesen zu Unterhaltungs‐ zwecken 192 oder zur Bildung bzw. zur Vorbereitung eigener Textproduktion, 193 153 3.3 Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate (die Formulierung lectio ac studium könnte hier tautologisch gemeint sein). Vgl. auch die Bestimmung eines Freundes als homo lectione multa exercitus bei Gell. 1,7,4, der sich dadurch qualifiziert hat, dass er in Nachstudien annähernd die ganze alte Literatur erforscht (quaerere) hat. 194 Vgl. z. B. Quint. inst. or. 10,1,44 f; Gell. 14,16,1; Amm. Res gestae 30,4,2. Vgl. ferner den Diminutiv lectiuncula in Cic. fam. 7,1,1. 195 Vgl. z. B. Gell. 2,23,5-8. 196 Vgl. z. B. Gell. 4,17,1; 9,6,2. 197 Vgl. Plaut. Pseud. 25. 198 Vgl. z. B. Gell. 2,23,3. 199 Vgl. dazu G E O R G E S , Handwörterbuch, 2845. Vgl. v. a. den Verweis bei Gell. 1,6,2 auf den Titel Lectionum Antiquarum eines Buches von Caesellius Vindex (s. auch Gell. 2,16,4; 3,16,11; 6,2,1 u. ö.), und den Verweis auf den Titel De Usu Antiquae Lectionis von Velius Longus. 200 Vgl. Colum. 2,2,12; Arnob. 5,24. 201 Vgl. z. B. Cic. Phil. 5,16,6. Eine Auswahl steckt auch hinter dem, was Hieronymus in seinen Excerpta de psalterion kommentiert: Im Prolog reflektiert er für seine Leser, er referiere in diesem kleinen Kommentar das, was er für lesenswert hielte (vel ergo digna arbitror lectione; Hier. com. in Psal. prol.). Es ist an dieser Stelle ausgeschlossen, dass er mit dem Lexem lectio eine gottesdienstliche Lesung im Blick hätte. die Lektüre als metonymische Bezeichnung des Lesestoffes, 194 das Vorlesen 195 , die Aussprache eines Buchstabens/ Wortes 196 , aber auch nur das visuelle Er‐ kennen/ Entziffern von Buchstaben 197 usw.) annehmen kann. Das Verbalsub‐ stantiv bezeichnet aber gleichsam auch das Resultat eines Leseprozesses (das Gelesene oder die Lesart 198 ), der Plural lectiones wird daher als Buchtitel für Sammlungen von Lesefrüchten sowie für Kommentare verwendet. 199 Es lässt sich anhand der in den Fußnoten genannten Quellen nicht belegen, dass eine stimmliche oder lautliche Realisierung generell impliziert wäre. Die Stellen, an denen das Substantiv im Sinne von „Lesung“ gebraucht wird, um das Vorlesen vor anderen zu bezeichnen, sind kontextuell determiniert und zeigen eine besondere Verwendungsweise des Wortes. Als Bildspendebereich der Metapher wird man analog zu lego annehmen können, dass dieser durch die Tätigkeit des Sammelns, Zusammenlesens, 200 bzw. Auslesens, Auswählens 201 geprägt ist, auch wenn es freilich schwierig ist zu erheben, ob diese Bedeutungsdimension bewusst wahrgenommen wurde. Einige Stellen zeigen im Übrigen eindeutig, dass eine individuelle, vermutlich auch nicht-vokalisierende Lektüre mit lectio bezeichnet werden konnte: So verweist z. B. Cicero in einem Brief an Rufus (fam. 5,20,2) auf das Durchlesen bzw. Durchsehen eines in seiner Abwesenheit erstellten Schriftstücks (liber) mit einer Abrechnung (ratio), das er von seinem Sklaven in die Hand bekommen hat. Ammianus Marcellinus (res gestae 15,8,16) verwendet lectio zur Beschreibung einer in‐ 154 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 202 Zu scrutor als Leseterminus s. u. Anm. 334, S. 186. 203 Vgl. dazu K Ü H N E R , Grammatik, § 17,4; B U R K A R D / S C H A U E R , Lehrbuch, § 129,2. 204 In Plin. ep. 7,17,3 f ist es nicht eindeutig zu entscheiden, ob lectitio sich auf die im Kontext thematisierten recitationes bezieht (so die Deutung im TLL) oder sich (m. E. wahrscheinlicher) auf das Lesen publizierter Reden bezieht, das ebenfalls im Kontext diskutiert wird (Plin ep. 7,17,5-7). Freilich kann das Verb auch das wiederholte Vorlesen bezeichnen, wobei dies jeweils durch den Kontext angezeigt wird. Vgl. z. B. Gell. 11,13,5. dividuell-direkten Lesepraxis, die er mit dem Verb scrutor (durchsuchen, durchwühlen, durchforschen, untersuchen) spezifiziert. Vgl. auch Quint. inst. or. 10,1,20: per partes modo scrutanda omnia (s. u. bzgl. perlego). 202 Hieronymus hat vermittelt durch einen gewissen Paulus Kunde von Cyprians Sekretär (notarius) über dessen Lektürepraxis erhalten: und zwar, „dass Cyprian gewöhnlich keinen Tag ausließ ohne die Lektüre Tertullians und er häufig zu ihm sagt ‚gib mir den Meister‘, was selbstverständlich Tertullian bezeichnet“ (solitum numquam Cyprianum absque Tertulliani lectione unum diem praeterisse, ac sibi crebro dicere, Da magistrum, Tertullianum videlicet significans; Hier. vir. ill. 53). Diese Stelle ist insofern aufschlussreich, als Cyprian seinen Sekretär auffordert, ihm den Meister zu geben (dare magistrum). Dies impliziert, dass er anscheinend für die Verwaltung der Bücher zuständig ist, also eine Art Hilfskrafttä‐ tigkeit übernimmt und gerade nicht die Funktion hat, ihm aus Tertullians Schriften vorzulesen. Das Derivat lectito, das zu den wenigen sog. verba frequentativa bzw. iterativa gehört, hebt entsprechend des erstarrten Iterativ/ Intensiv-Morphems ita  203 die Häufigkeit oder die Intensität von individuellen Leseprozessen hervor, impliziert jedoch nicht zwingend stimmliche Realisierung beim Lesen. 204 Plinius hat in seiner Bibliothek in seiner Villa Laurentinum bei Ostia ein armarium, „das keine Bücher zum Lesen, sondern zum intensiven Studium enthält“ (quod non legendos libros sed lectitandos capit; Plin. ep. 2,17,8). In einem Brief an Pomponius Bassus unterscheidet er als Aktivitäten der Muße (otium), Bassus diskutiere viel, höre viel und lese viel intensiv, wodurch er trotz seines reichen Wissens täglich etwas Neues hinzulerne (multum disputare, multum audire, multum lectitare, cumque plurimum scias, cotidie tamen aliquid addiscere; Plin. ep. 4,23,1). Vgl. außerdem Plin. ep. 3,5,1. Ganz eindeutig ist auch Sidon. epist. 2,10,5: opus est, ut sine dissimulatione lectites, sine fine lecturias. Vgl. außerdem exemplarisch Cic. Brut. 31,121; Plin. ep. 3,5,1; 4,19,2; Gell. 2,23,1 f; Arnob. 2,9. Interessant ist ferner die Verwendung bei Tacitus (ann. 14,50), der bezeugt, dass die Bücher des durch Nero verbannten Senators Fabricius Veiento, solange sie verboten und nur unter Gefahr beschafft werden konnten, gesucht und viel gelesen waren (conquisitos lectitatosque), durch die spätere Besitzerlaubnis dann allerdings an Attraktivität verloren hätten. 155 3.3 Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate 205 Für diesen Hinweis danke ich K. Künzl. Ferner kann die Sorgfalt beim Lesen oder das wiederholte Lesen eines Textes auch durch eine adverbiale Bestimmung angezeigt werden. Vgl. z. B. Cic. Brut. 43,161: … quam te saepe legisse certo scio (bezieht sich hier auf eine publizierte Rede von Crassus, die individuell-direkt gelesen wird); Tac. ann. 14,22,3: … curatius leguntur; Hor. sat. 1,10,72 f: … iterum quae digna legi sint scripturus. 206 Die folgenden Ausführungen zu Derivaten des Verbes lego führen die Überlegungen von B U S E T T O , legere, fort. Auf die weiteren Quellenverweise dort sei ausdrücklich hingewiesen. 207 Vgl. z. B. Mart. 2,29,9; 11,52,9 (hier eindeutig „wieder vorlesen“); Ov. Pont. 3,5,11; Arnob. 6,13. Vgl. aber Ov. Pont. 1,5,15, wo Ovid in einer Metareflexion das Lesen des vorher mit eigener Hand geschriebenen Briefes benennt. Vgl. ferner die Reflexion über den Zusatz des Präfixes rebei Gell. 2,19. 208 Der Neue G E O R G E S (Sp. 3602) gibt als Grundbedeutung „durchmustern“, „genau be‐ trachten“ an. Diese Lexemverwendung findet sich z. B. in Verg. Aen. 6,34; Ov. fast. 1,591. Vgl. aber Ov. Pont. 2,2,6 f, wo eher eine temporale Dimension (trotz der Verbannung) „weiterhin lesen“ im Blick ist. 209 Vgl. etwa Sall. Cat. 47,3; Suet. Aug. 85,1. Auch bei Plaut. Bacch. 4,9,986 ff wird es im Kontext einer Vorleseszene benutzt, wobei das Vorlesen jedoch nicht direkt durch das Verb markiert wird, sondern es um ein individuelles Durchlesen eines Briefes geht, bei dem der Leser Nicobulus wünscht, dass Chrysalus bei ihm bleibt und mithört (988). Nach einer Diskussion um den Wunsch von Nicobulus (989-993) fordert Chrysalus ihn dann mit einem anderen Verb, nämlich mit recito (994), auf, mit dem Vorlesen zu beginnen. Die Stelle kann nicht dahingehend ausgewertet werden, dass auch individuell-direkte Brieflektüre ohne die Anwesenheit von Zuhörern ein vokalisierendes Lesen implizierte. Analoges gilt für Plaut. Pers. 495b-528 (aufschlussreich ist insb. die explizite Auffor‐ derung zum vokalisierenden Lesen at clare recitato [500b]). Bei den Leseszenen in dramatischen Texten ist zudem in Rechnung zu stellen, dass die vokalisierende Lektüre aus dramaturgischen Gründen notwendig ist, und diese Stellen daher nur begrenzten Quellenwert für die sozial-historische Realität haben. 210 Vgl. z. B. Cic. div. 1,8; Lact. inst. 3,18,8 (jeweils individuell-direkte Studienlektüre); Quint. inst. or. 12,8,12 (Gerichtsakten vollständig lesen anstatt nur hineinzuschauen); Aug. c. acad. 2,2,5 (Lektüre der gesamten Paulusbriefsammlung; vgl. z. St. W Y R W A , Zugänge, 59-62). Die erstarrte Stammmodifikation in lectito deutet darauf hin, dass wiederho‐ lendes und intensives Lesen als grundlegendes kulturelles Konzept in der römischen Welt zu verstehen ist, das sich lexikologisch in der Sprache nieder‐ geschlagen hat. 205 So hat in ähnlicher Weise auch das Derivat 206 relego einen iterativen Sinn und kann dadurch die Intensität eines Leseprozesses betonen. 207 Die Lexemverwendung des Derivats perlego zeigt deutliche Konnotationen zur (genauen) visuellen Wahrnehmung, 208 eine Implikation eines vermeintlichen Normalmodus vokalisierender Lektüre legt die Lexemverwendung jedoch nicht nahe. Zwar wird das Verb zuweilen auch in einem Kontext verwendet, in dem vorgelesen wird, 209 hauptsächlich betont das Verb aber die Vollständigkeit des Lesens in Bezug auf den Gesamtumfang des gelesenen Textes, 210 wird häufig im 156 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 211 So weist B U S E T T O , legere, 301, unter Angabe der entsprechenden Belege, darauf hin, dass das Verb v. a. in republikanischer Zeit überwiegend das Durchlesen von Briefen (privat, z. T. aber auch öffentlich) bezeichnet. 212 Vgl. zu dieser Stelle weiterführend M Ä N N L E I N -R O B E R T , Longin, 286 (Lit.). Zusammenhang der Lektüre von Briefen verwendet, 211 bezeichnet vielfach eine individuelle Lektüreform (z. T. eindeutig ohne stimmliche Realisierung), und ist meistens sinnvoll mit dem deutschen Wort „durchlesen“ zu übersetzen: Bei Apuleius findet sich z. B. die folgende Formulierung: totam sodes epistulam cedo: sine omnia inspiciam, a principio ad finem perlegam (Apul. apol. 82). Diese Stelle ist insofern aufschlussreich, als das Durchlesen „vom Anfang bis zum Ende“ im Kontext dadurch spezifiziert wird, dass jemand den gesamten Brief, dessen kompletter Inhalt ihm vorher vorenthalten wurde, inspizieren, d. h. (mit eigenen Augen) einsehen möchte. Bestätigt vor dem Hintergrund der antiken Leserealien findet sich diese Be‐ deutungsdimension bei Martial in polemischer Zuspitzung: „Aufgerollt bis zu seinen Hörnern (ad sua cornua) und so, als ob es durchgelesen wäre (et quasi perlectum), bringst du mir das Buch zurück, Septicianus“ (Mart. 11,107; Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ). In der praefatio von Vitruvs siebtem Buch seines Werkes über die Architektur findet sich ein aussagekräftiges Beispiel für den Lexemgebrauch von perlego: Im Kontext seiner Überlegungen zur Praxis andere Autoren zu plagiieren (Vitr. 7 praef. 3) erzählt Vitruv eine (freilich legendarisch ausgeschmückte) Geschichte, die sich in Alexandria zugetragen haben soll (Vitr. 7 praef. 4-7). Ptolemaois (Philopator) hat im Zusammen‐ hang mit Spielen zu Ehren der Musen und Apollons einen Literaturwettbewerb eingerichtet, für dessen Jury noch eine Person fehlt. Man empfiehlt ihm Aristophanes (von Byzanz), „der mit größtem Eifer und höchster Gründlichkeit Tag für Tag, ohne Pause alle Bücher durchlas“ (qui summo studio summaque diligentia cotidie omnes libros ex ordine perlegeret; Vitr. 7 praef. 5). Diese Stelle ist nun in Bezug auf die Semantik von perlego insofern aufschlussreich, als hier a) nicht der Vortrag, sondern die inhaltliche Qualität der Wettbewerbsbeiträge begutachtet werden soll, und b) die inhaltliche Tiefe der Auseinandersetzung der Bücher seitens Aristophanes betont wird. So ermöglicht es ihm nämlich seine genaue Kenntnis der Bibliotheksbestände, den Publikumsliebling des Plagiats zu überführen, was ihm laut Vitruv die Leitung der Bibliothek eingebracht habe. 212 Perlego meint also hier eine besonders gründliche, individuelle Studienlektüre - vollständig sowohl im Hinblick auf den Umfang der einzelnen Werke als auch im Hinblick auf den Buchbestand einer Bibliothek. So betont auch Quintilian bezüglich der von ihm empfohlenen Lektüren, dass diese „nicht nur Teil für Teil zu durchforschen sind (per partes modo scrutanda omnia), sondern, ist ein Buch durchgelesen, so ist es unbedingt von neuem vorzunehmen (sed perlectus liber utique ex integroresumendus)“ (Quint. inst. or. 10,1,20; Üb. R A H N ), wobei er im 157 3.3 Lesen als Sammeln: λέγω und Derivate 213 Analog liest auch Alexander einen Brief von Dareios erst individuell-direkt und beruft dann eine Versammlung der Truppen ein. Vgl. Ps.-Kall. 2,17. An anderer Stelle im Alexanderroman ist nicht klar, ob Alexander die Briefe, die auch den Truppen vorgelesen werden, zunächst individuell-direkt gelesen hat. Vgl. z. B. Ps.-Kall. 3,2. S. zur individuell-direkten Lektüre eines Feldherren und dem anschließenden Teilen der Botschaft mit anderen z. B. auch Polyain. strat. 4,11,2; Liv. 45,12,5. 214 So auch B U S E T T O , legere, 301 f, mit Verweis auf V A L E T T E -C A G N A C , lecture, 214, Anm. 168. 215 Vgl. dazu B U S E T T O , legere, 304 f, die außerdem auf Curt. 3,6 verweist. 216 Ov. am. 1,11,17-19 (Üb. H O L Z B E R G ). Kontext außerdem betont, dass das Lesen hier der Sorgfalt (sollicitudo) beim Schreiben entsprechen soll. Als Begründung für Mehrfachlektüre führt er an, dass viele Texte sich wegen ihres rhetorischen Aufbaus erst vollständig erschließen, wenn man sie einmal komplett gelesen hat (vgl. Quint. inst. or. 10,1,21). Bei Petronius (sat. 34,6) wird das Durchlesen des titulus auf dem Etikett (pittacium) eines Weingefäßes mit perlego beschrieben. Plinius verwendet das Verb als Gegenbegriff zum Hören (Plin. ep. 8,20,2). Eine Szene, in der ein Brief eindeutig nicht-vokalisierend durchgelesen wird, findet sich bei Sall. Iug. 71: Der curator des numidischen Generals Nabdalsas findet auf dem Lager seines schlafenden Dienstherren einen achtlos liegengelassenen Brief mit einem Plan für ein Attentat auf König Jugurtha. Die Szene impliziert, dass der curator den Brief nicht-vokalisierend durchliest, da eine vokalisierende Lektüre den schlafenden Nabdalsa geweckt hätte. Eine weitere aufschlussreiche Brieflektüreszene findet sich in Caesars comentarii zum Gallischen Krieg (Caes. gall. 5,48,8): Und zwar wird Cicero hier ein Brief gebracht, den Caesar ihm in griechischer Sprache geschrieben hat. Diesen liest er erst für sich durch, wie das Partizip Perfekt Passiv zeigt (ille perlectam), und gibt den Inhalt dann rezitierend in conventu militum bekannt. 213 Der hier beschriebene zweistufige Rezeptionsprozess deutet darauf hin, dass das zunächst individuelle Durchlesen des Briefes ohne lautliche Realisierung vorzustellen ist. Denn Cicero ging es wohl zunächst darum, den Inhalt des Briefes wahrzunehmen, um dann zu entscheiden, ob er auch für eine weitere Öffentlichkeit bestimmt war. 214 Besonders hervorgehoben werden müssen drei weitere Belegstellen für defi‐ nitiv nicht-vokalisierende Lektüre, die mit dem Verb perlego zusammengefasst werden; 215 und zwar findet sich a) in einem Liebesgedicht von Ovid (am. 1,11) die Aufforderung des lyrischen Ichs an Nape, eine Sklavin der geliebten Corinna, dieser von ihm beschriebene Täfelchen (tabellae) zu geben und ihr bei der Lektüre des Textes zuzusehen: Während sie liest, betrachte - das sag ich dir! - Augen und Stirne: Auch aus der Miene, die schweigt, lässt sich ersehn, was dann kommt. Las sie’s (perlectis), lasse sofort eine lange Antwort sie schreiben. 216 158 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 217 Vgl. zum Verb τυγχάνω (treffen, erlangen, erreichen, eintreffen u. ä.) B A U E R N F E I N D , Art. τυγχάνω, 238-243. 218 Vgl. z. B. Philostr. v. Apoll. 2,43 (in diesem Fall Ältäre mit Inschriften; vgl. B Ä B L E R / N E S S E L R A T H , Apollonios, 36 f). 219 Vgl. z. B. Xen. an. 6,1,4: ein Becher; 6,6,38; Plut. de mul. vir. 17 (mor. 254d): ein Bleiplättchen; Plut. Pomp. 37: Hier ist tatsächlich zunächst das „Auffinden“ von schriftlichen Dokumenten gemeint, die Pompeius im Folgenden durchgeht, also liest (s. u. zu διέρχομαι 3.7); vgl. ferner Paus. 4,21,1. 220 Vgl. z. B. Thuk. 4,40,2; Plut. Marcellus 16,1; Plut. Ant. 45. 221 Vgl. Xen. mem. 4,3,14. 222 Vgl. z. B. Hdt. 1,134,1 (Aufeinandertreffen auf dem Weg mit Begrüßungskuss); Thuk. Bei Petronius findet sich b) eine motivisch verwandte Szene. Chrysis gibt dem Ich-Erzähler einen Brief von seiner Herrin zur Lektüre, der auf Tafeln (codicilli) geschrieben ist. Chrysis, der ja als Adressat des Briefes den Inhalt kennt, spricht zu dem Ich-Erzähler, nachdem er wahrgenommen(! ) hat, dass jener den Brief komplett durchgelesen hat (ut intellexit Chrysis perlegisse me totum convicium … inquit …; Petron. sat. 129). c) Seneca bezeichnet mit dem Verb das Lesen/ Wahrnehmen von Buchtiteln, die außen an den im Bücherregal lagernden Rollen angebracht waren. Er kritisiert die Praxis, Bücher nur als Ausdruck kulturellen Kapitals im Speisezimmer oder an anderer exponierter Stelle und in Bücherwänden bis zur Decke zur Schau zu stellen und mit den Buchtiteln und gesammelten Gesamtausgaben Gelehrsamkeit vorzugaukeln und zu prahlen (vgl. Sen. tranq. 9). Diese Belegstellen sind nicht nur für die Verwendung des Verbes perlego aufschlussreich, sondern zeigen auch, dass nicht-vokalisierendes Lesen gerade nicht die große Ausnahme darstellte, wie in der Forschung gemeinhin ange‐ nommen wird. Vielmehr setzen die drei Stellen voraus, dass in einer alltäglichen Lesesituation die Lektüre eines Textes ohne stimmliche Realisierung auskam. 3.4 Lesen als Begegnung und Kontakt mit dem Text Die Semantik des Kompositums ἐντυγχάνω ist noch stärker von der Dimension des physischen Aufeinandertreffens/ -stoßens geprägt als die Semantik des Verbes τυγχάνω selbst. 217 Es bedeutet auf etwas stoßen, 218 auch im Sinne von „in die Hände fallen“ von Gegenständen 219 , es kann verwendet werden, um das „Aufeinandertreffen“ mit Steinen oder Wurfgeschossen, 220 mit einem Blitz 221 o. ä. zu bezeichnen, was letale Folgen nach sich zieht. Außerdem bezeichnet es häufig das physische Aufeinandertreffen, die Begegnung von Menschen in den unterschiedlichsten Kontexten. 222 Besonders deutlich ist die Dimension des 159 3.4 Lesen als Begegnung und Kontakt mit dem Text 5,5,2; Xen. Kyr. 3,367; an. 1,2,27 u. ö.; Xen. hell. 5,4,21; mem. 2,2,12 u. ö.; Eur. Hel. 1217; Plat. polit. 1,329b u. ö.; symp. 174a; Parm. 126a; Polyb. 21,16,5; 23,5,11; Strab. 14,5,4; Plut. de gen. 25 (mor. 594c); Plut. de Pyth. or. 24 (mor. 406 f); App. Ib. 12,74; Paus. 8,42,13.; Philo Jos. 164; häufig in Inschriften: z. B. IG II 945; IG XI/ 4 542,8 f; FD III/ 3 157,2. 223 Vgl. exempl. Hdt. 4,110,2 u. ö.; Aristoph. Av. 1490; Thuk. 4,127,2; 7,29,4; 7,43,5; Xen. Kyr. 2,4,23 u. ö.; an. 2, 5,32; hell. 7,2,19; Diod. 11,9,4; 11,61,3 u. ö.; Paus. 9,33,4. 224 Vgl. Plat. symp. 191c; Plut. Sol. 20,3; Plut. qu. R. 65 (mor. 280e). Satirisch gespielt wird mit der Doppeldeutigkeit Lesen/ Geschlechtsverkehr in Alki. 4,16: „Du bist ein so großer König und gestattest auch einer Hetäre, Dir zu schreiben, und findest es nicht unter Deiner Würde, Briefe von mir zu lesen, da Du mich ja ganz nimmst (ἐντυγχάνειν τοῖς ἐμοῖς γράμμασιν ὅλῃ μοι ἐντυγχάνων)“ (Üb. P L A N K L , leicht mod. JH). 225 Vgl. ferner: den Kontakt eines Krokodils, das gefangen werden soll, mit einem Köder bei Hdt. 2,70,2; die Tiere, die Menschen wegen ihrer Freiheit auf der Straße anrempeln, wenn sie auf diese Treffen bei Plat. pol. 5,463c usw. 226 Vgl. z. B. Hdt. 7,50,4; Soph. Aj. 433; Plut. Demetr. 19,2. 227 Zahlreiche Belegstellen für die Bedeutung „studieren“ finden sich schon bei S C H M I D , Atticismus I, 141 f.300; S C H M I D , Atticismus IV, 651, mit Verweis auf weitere Stellen‐ sammlungen. physischen Kontakts im kriegerischen Kontext 223 oder wenn das Verb gebraucht wird, um sexuellen Kontakt 224 zu beschreiben. 225 Sodann wird ἐντυγχάνω im übertragenen Sinne gebraucht, dass einer Person oder einer Personengruppe Unheil u. ä. droht oder sie auf Schwierigkeiten trifft. 226 Als Leseterminus 227 verwendet ist das Objekt des Lesens zumeist im Dativ angegeben, wobei zumeist aus der Semantik des Leseobjekts oder dem Kontext deutlich hervorgeht, dass es um etwas geht, das auf einem Medium schriftlich fixiert ist. Als Lesemedien werden etwa genannt: ἀρχαιολογίαι: Vgl. z. B. Ios. c. Ap. 2,136. βιβλίον: Vgl. z. B. Plat. symp. 177b; Dion Chrys. or. 4,30; Plut. de mul. vir. prooem. (mor. 243e); Plut. Art. 13,4; Athen. deipn. 14,62 (650b); Philo virt. 17 (Querverweis auf das Lesen früherer Bücher); Ios. c. Ap. 1,205; 1,216 f; 2,45 (… καὶ ταῖς τῶν ἱερῶν γραφῶν βίβλοις ἐντυχεῖν); mit Verweis auf den Titel Athen deipn. 15,18: ἐνέτυχον ὀψέ ποτε Πολυχάρμου Ναυκρατίτου ἐπιγραφομένῳ βιβλίῳ Περὶ Ἀφροδίτης, ἐν ᾧ ταυτὶ γέγραπται …; Philostr. v. Apoll. 1,3: ἐνέτυχον δὲ καὶ Μαξίμου τοῦ Αἰγιέως βιβλίῳ ξυνειληφότι …; Cass. Dio 58,11,7. γράμματα: Vgl. Ios. c. Ap. 2,37; Philo sacr. 79; legat. 253; Ach. Tat. 5,19,5; Charit. Cal. 4,5,8; Orig. comm. in Ioh. 1,2,9; Iul. ep. 29 (396c); Basil. Caes. Ep. 194 u. ö. γραφή: Vgl. z. B. Philo Mos. 2,40; Tat. orat. 29. Vgl auch Eus. h. e. 7,32,2, der von Kyrillos von Antiochia berichtet, er habe die hebräische Sprache gelernt, um die hebräischen Schriften lesen zu können: … ὡς καὶ αὐταῖς ταῖς Ἑβραϊκαῖς γραφαῖς ἐπιστημόνως ἐντυγχάνειν; bzw. ὑπογραφή: Vgl. z. B. App. Lib. 20,136. 160 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 228 Vgl. z. B. Plut. symp. 8,10,1 (mor. 734c): προβλήμασιν Ἀριστοτέλους φυσικοῖς ἐντυγχάνων …; Theon Smyrn. exp. rer. math. 1; Albin. 5,4; 5,20.23 u. ö. 229 Vgl. z. B. Iul. or. 6 [200b]: ἐντυχὼν δὲ τῷ Χαιρωνεῖ Πλουτάρχῳ …; Dion Chrys. or. 18,6.11 f; vgl. ferner die Wendung ταῖς προφητείαις ἐντυγχάνειν bei Iust. Mart. apol. 1,50,12; Porph. adv. Christ. Fr. 38 (= Theod. Graec. affect. cur. 7). ἱστορίαι: Vgl. z. B. Polyb. 12,25,2; Ios. c. Ap. 1,220; vita 345; Dion. Hal. ant. 4,6,1; Orig. Cels. 1,42; Ps.-Iust. Mart. cohort. 12b u. ö.; (Ps.? )-Basil. Caes. enarr. 3,113. λόγος: Vgl. Plut. symp. 3,5,1 (mor. 652a): Ἀριστοτέλους ἐντυχὼν οὐ νεωστὶ λόγῳ περὶ ….; Plut. de Pyth. or. 23 (mor. 406a), führt als Gegenargument an, die Akademie, Sokrates und Platon seien ἀνέραστος gewesen: … ὧν λόγοις μὲν ἐρωτικοῖς ἐντυχεῖν ἔστι … Eindeutig in hss. Form fixierte und vermutlich publizierte Reden sind bei Men. Rhet. epideikt. 2,386,29 ff im Blick, der im 3./ 4. Jh. dazu auffordert, Reden u. a. von Aristides (2. Jh.) und Hadrian (1./ 2. Jh.) als Vorlage zur Konzeption eigener Reden zu lesen. Vgl. ferner Dion Chrys. or. 18,16-18 (hier ist v. a. aufschlussreich, dass emotionale Reaktionen im Blick sind, die durch das Lesen ausgelöst werden); Plut. de animae 29 (mor. 1027b); Plut. Phil. 4,3. πραγματεία: Vgl. z. B. Dion Chrys. or. 18,15, der damit Xenophons Anabasis be‐ zeichnet. Vgl. außerdem Polyb. 4,1,4; 6,2,3. στιχίδια: Plut. de E 1 (mor. 384d). συγγράμματα: Vgl. z. B. Plat. min. 316c (συγγράμματι περὶ ὑγιείας τῶν καμνόντων); Plat. Lys. 214b (τοῖς τῶν σοφωτάτων συγγράμμασιν); Plut. Phil. 4,3 (συγγράμμασι φιλοσόφων); mit Verweis auf den Titel Athen. deipn. 15,12 (672a): ἐγὼ δ᾽ ἐντυχὼν τῷ Μηνοδότου τοῦ Σαμίου συγγράμματι, ὅπερ ἐπιγράφεται Τῶν κατὰ τὴν Σάμον ἐνδόξων ἀναγραφή …; Philo Aet. 12; Diog. Laert. 9,1,11; Men. Rhet. epideikt. 2,393; Theon exp. rer. math. 1. συντάγματα: Vgl. Plut. adv. Col. 14 (mor. 1115a); der (fehlende) physische Kontakt von Kolotes mit den genannten Büchern wichtiger Philosophen wird im nachfolgenden Satz deutlich hervorgehoben: μηδ᾽ ἀναλάβῃς εἰς χεῖρας Ἀριστοτέλους τὰ περὶ Οὐρανοῦ καὶ … τραγῳδίαις: Dion Chrys. or. 52,1. ὑπομνήματα: Vgl. z. B. Strab. 2,1,5; Plut. Dem. 5,5; M. Aur. 1,7; Ios. c. Ap. 1,56; Plut. Marcellus 5,1, verwendet zusammen mit ἐντυγχάνω außerdem εὑρίσκω (finden) als Leseterminus, der in einem weiten Sinne ebenfalls dem Bildbereich des physischen Kontakts zugeordnet werden kann: ἱερατικοῖς ὑπομνήμασιν ἐντυχὼν εὗρεν …; vgl. dazu z. B. ferner auch Cass. Dio 39,15,2; Iren. adv. Haer. 1, prooem., 1; Eus. h. e. 2,25,4 (s. u.); 7,25,21 (dort in einem Brief von Dionysius von Korinth; s. u.). Als Objekt des Lesens steht aber auch der Titel eines Werkes 228 bzw. der Name des Autors 229 . Der schriftliche Charakter des Leseobjektes wird z. B. sehr 161 3.4 Lesen als Begegnung und Kontakt mit dem Text 230 Vgl. dazu z. B. auch Iul. ep. 12 [389c]. S. ferner zum Syntagma ἀναγνώσμασιν ἐντυγχάνειν (Plut. symp. 5,3,2 [mor. 676c]) die Ausführungen zu ἀνάγνωσμα unter 3.1.5. Vgl. ferner Plut. de def. or. 3 (mor. 410d). 231 Vgl. z. B. die Aufforderung bei Plut. adv. Stoic. 25 (mor. 1070e), ein Buch von Chrysippos zu lesen: ἔντυχε δὲ τῷ πρώτῳ τῶν πρὸς Πλάτωνα γεγραμμένων περὶ Δικαιοσύνης. 232 Eindeutig individuell-direkte Lektüre eines Briefes ist auch bei Alki. 4,18 vorausgesetzt (vgl. Alki. 4,19). 233 So verweist z. B. Plut. Pomp. 49, auf so etwas wie Flugblätter, bei denen Auffinden und Lesen in eins fallen: ἦν δὲ γράμμασιν ἐντυχεῖν διερριμμένοις κατ᾽ ἀγορὰν καί παρὰ τὸ βουλευτήριον ὡς δὴ Πτολεμαίου δεομένου Πομπήϊον αὐτῷ στρατηγὸν ἀντὶ τοῦ Σπινθῆρος δοθῆναι. Vgl. außerdem Plut. Ant. 26; Plut. Lyk. 4,4, schildert, dass Lykurg die Schriften Homers materialiter findet und liest (τοῖς Ὁμήρου ποιήμασιν ἐντυχὼν), bevor er sie abschreibt und zusammenstellt (συνάγω). S. dazu ferner auch das Zitat von Timon bei Diog. Laert. 9,12,113, der auf die Qualität älterer, noch nicht überarbeiteter Hss. von Homers Werken hinweist. gut deutlich bei der Formulierung ε. οἷς xy γέγραφε περὶ … bei Plut. Agis 15,2. 230 Sehr selten steht das Objekt des Lesens hingegen im Genitiv. 231 An dieser Stelle ist ferner darauf hinzuweisen, dass Athenaios semantisch analog zur Lesemetapher ἐντυγχάνω, aber vermutlich innovativ, das Verb ἀπαντάω (treffen) als Lesemetapher im Sinne von „auf ein Buch stoßen“ verwendet (vgl. Athen. deipn. 4,54 [162e]: s. auch 8,15 [336d]). Bei Plutarch kommt das Verb ἐντυγχάνω an der berühmten Stelle vor, an der er schildert, wie Octavian von Kleopatras Selbstmord erfährt, indem er auf einer Wachstafel ihre Bitte liest, neben Antonius begraben zu werden: Καῖσαρ δὲ λύσας τὴν δέλτον, ὡς ἐνέτυχε λιταῖς καὶ ὀλοφυρμοῖς δεομένης αὐτὴν σὺν Ἀντωνίῳ θάψαι, ταχὺ συνῆκε τὸ πεπραγμένον (Plut. Ant. 85). 232 Bei manchen Belegstellen kann zwischen dem Auffinden eines Textes o. ä. und dem Akt des Lesens nicht unterschieden werden; in der jeweiligen Darstellung wird beides mit dem Verb ἐντυγχάνω zusammengefasst. 233 Vielfach, auch bei den schon oben genannten Belegstellen, kann jedoch deutlich zwischen dem Akt des Lesens (ausgedrückt durch ἐντυγχάνω) und dem Auffinden unterschieden werden. Besonders eindrücklich ist in dieser Hinsicht eine Visionsstimme in einem bei Euseb (h. e. 7,7,3) überlieferten Brief von Dionysius an den römischen Priester Philemon, die ihm, Dionysius, mit klaren Worten befohlen habe, er solle alles lesen, was er in die Hände nähme, da er in der Lage sei, alles zu prüfen und zu beurteilen: πᾶσιν ἐντύγχανε οἷς ἂν εἰς χεῖρας λάβοις· διευθύνειν γὰρ ἕκαστα καὶ δοκιμάζειν ἱκανὸς εἶ … Kaiser Iulian teilt dem Philosophen Maximus in einem Brief (Iul. ep 12 [383a/ b]) mit, dass er analog zu Alexander d. Gr., der mit Homer unter dem Kopfkissen geschlafen haben soll, mit den Briefen von Maximus schlafe und diese immer wieder so lese, als hätte er sie zum ersten 162 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 234 Vgl. Plat. pol. 7,529e. S. auch Diod. 1,49,2 (hier ein Relief mit Inschrift). 235 Vgl. Plut. adv. Col. 5 (mor. 1109d). Vgl. ferner Plut. Demetr. 1,2. 236 T E O D O R S S O N , Commentary II, 158, vermutet, dass es sich um vielgelesene Bücher handelt. 237 Vgl. auch Artem. on. 2,70 [ed. Pack, p. 202,12 f], der diejenigen Leser zur eingehenden Lektüre seines Prooemiums auffordert, die ihm vorwerfen könnten, er habe plagiiert. Vgl. aber z. B. auch Dion Chrys. 18,15; Orig. princ. 4,1,6 mit Bezug auf das AT; Greg. Naz. or. 31,26 (De spiritu sancto) mit Bezug auf die Evangelien. 238 S. o. Anm. 30, S. 115. 239 Dionysius in einem Brief bei Eus. h. e. 7,25,21: ὁ δὲ προσεχῶς ἐντυγχάνων εὑρήσει ἐν ἑκατέρῳ πολλὴν τὴν ζωήν … Die Dimension des überprüfenden Lesens von etwas Geschriebenem steckt auch in der gleichsam tautologischen Verwendung von ἐντυγχάνω und ἀναγιγνώσκω in Philp spec. 4,161. Mal in die Hand bekommen: … καὶ οὐ διαλείπομεν ἐντυγχάνοντες ἀεὶ καθάπερ νεαραῖς ἔτι καὶ πρῶτον εἰς χεῖρας ἡκούσαις. Bei Platon wird das Verb auch verwendet, um das Betrachten von Bildern anzuzeigen. 234 Plutarch verwendet das Verb ebenfalls im Sinne von „wahr‐ nehmen“, wenn er die individuellen Voraussetzungen und die Selektivität der Sinneswahrnehmung diskutiert. 235 Dass ἐντυγχάνω tatsächlich als lexikalisierte Lesemetapher gebraucht wurde, also die ursprüngliche Bedeutung des Verbes im kommunikativen Akt nicht zwingend bewusst wahrgenommen werden musste, wird deutlich, wenn die bei Plutarch (symp. 5,2 [mor. 675b]) mit ἐντυγχάνω gekennzeichnete Lektüre von Polemons Beschreibung der Schatzhäuser in Delphi 236 durch das Lexem ἐπιμελής (sorgsam, sorgfältig, intensiv) spezifiziert wird, 237 das auch im Zusammenhang mit ἀναγιγνώσκω eine sorgfältige, auf‐ merksame, intensive, individuell-direkte Lektüre bezeichnen kann. 238 Dionysius von Korinth verwendet analog προσέχης (aufmerksam, sorgfältig, achtsam), wie Euseb bezeugt. 239 Das damit verbundene raummetaphorische Konzept - προσέχης bedeutet eigentlich daran stoßend, nah, closely connected u. ä. - könnte dadurch entstanden sein und seinen sozialgeschichtlichen Ausdruck darin haben, dass jemand, der aufmerksam liest, auch in der Antike beim Lesen den Abstand zwischen Augen und Text verringert, indem er sich dem Text durch Vorbeugen des Kopfes nähert, d. h. sich in ihn vertieft. Auch der entgegengesetzte Lesemodus kann durch Spezifizierung von ἐντυγχάνω mit einem Adverb beschrieben werden. Dies bezeugt Dion Chrysostomos (or. 18,6), der rät, Menander und Euripides nicht nebenbei bzw. oberflächlich zu lesen (… μὴ παρέργως ἐντυγχάνειν …). Die Gründlichkeit der Lektüre wird sodann häufig unter Verwendung des Lexems ἀκριβής hervorgehoben. So sagt z. B. Plutarch über die Peripatetiker, sie hätten die Schriften von Aristoteles und Theophrast weder viel noch genau gelesen (… οὔτε πολλοῖς οὔτε ἀκριβῶς ἐντετυχηκότες … Plut. Sull. 26). Theodoret bescheinigt ferner Porphyrios, er 163 3.4 Lesen als Begegnung und Kontakt mit dem Text 240 Vgl. außerdem exempl. Athenag. suppl. 9,3; Albin. 6,9; Theoph. Autol. 3,30; Orig. princ. 4,3,5; Orig. comm. in Ioh. 6,8,53; Epiph. Ancor. 74,2. habe „die Propheten genau gelesen“ (Τοῖς προφήταις ἀκριβῶς ἐντυχὼν … [Theod. Gr. aff. cur. 7,36]). 240 Justin bietet den postulierten Lesern seiner Apologie aus dem römischen Kaiserhaus (vgl. Iust. Mart. Apol. 1,1) an, ihnen eine Schrift gegen alle bisher entstandenen Häresien zu geben (σύνταγμα κατὰ πασῶν τῶν γεγενημένων αἱρέσεων …), wenn sie diese lesen wollten (… ᾧ εἰ βούλεσθε ἐντυχεῖν … Iust. Mart. Apol. 1,26,8). Auch bei Origenes ist es eindeutig, dass individuell-di‐ rekte Lektüre bei der Verwendung des Verbes als Leseterminus vorausgesetzt ist (vgl. z. B. Orig. Cels. 4,52, wo er im Kontext die Lese-Metonymie des „in-die-Hand-Nehmens“ verwendet). Das metaphorische Konzept der physischen Begegnung steht im Hinter‐ grund, wenn bei Plutarch περιπίπτω im Sinne von Lesen gebraucht wird; hier scheint er allerdings das Verb bewusst als Metapher zu verwenden. Plutarch verweist nämlich explizit auf die bei Epikur niedergeschriebenen Äußerungen (wörtl. Stimmen) von Sokrates: εἰ δὲ τοιαύταις, ὦ Κωλῶτα, Σωκράτους φωναῖς περιέπεσες, οἵας Ἐπίκουρος γράφει πρὸς Ἰδομενέα … (adv. Col. 18 [mor. 1117d]). Diese metaphorische Verwendung von περιπίπτω ist auch schon im 2. Jh. beim alexandrinischen Astronomen und Mathematiker Hypsikles belegt, der mitteilt, er sei in ein anderes Buch von Apollonios gefallen, also darauf gestoßen: ἐγὼ δὲ ὕστερον περιέπεσον ἑτέρῳ βιβλίῳ ὑπὸ Ἀπολλωνίου … (Hyps. dodek. eikos. prooem. [=Eukl. elem. 14]). Euseb übersetzt die Aufforderung Tertullians, die Aufzeichnungen zu befragen (consulite commentarious vestros …), in denen man finden (reperio), also lesen könne, dass Nero der erste Verfolger der Christen in Rom gewesen sei (Tert. Apol. 5), folgenermaßen: ἐντύχετε τοῖς ὑπομνήμασιν ὑμῶν, ἐκεῖ εὑρήσετε … (Eus. h. e. 2,25,4). Das lateinische Verb consulo (befragen) ist als Leseterminus erst bei spätantiken christlichen Autoren bezeugt. Bei Augustinus findet man das Konsultieren von Bü‐ chern (ego consulens libros; Aug. mus. 6,52) oder der apostolischen Schriften (scripturas apostolicas consulamus; Aug. ep. ad cath. 7,16). Orosius spricht von der Konsultation der sibyllinischen Bücher (vgl. Oros. hist. 3,22,5). Das dahinterliegende metaphorische Konzept, Lesen als Dialog mit dem Text zu verstehen, findet sich allerdings schon bei den klassischen Autoren: Cicero schreibt in einem Brief an Atticus, dass in der von ihm sehr geschätzten Einsamkeit (solitudo) sein einziges Gespräch mit Geschriebenem sei (in ea mihi omnis sermo est cum litteris; Cic. Att. 12,15). Ähnlich unterhält sich Plinius in seiner Villa Laurentinum nur mit sich selbst und mit seinen Büchern (mecum tantum et cum libellis loquor; Plin. ep. 1,9,5). Aus diesen Stellen zu schließen, Cicero und Plinius 164 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 241 Vgl. aus der Vielzahl der Quellen exempl. Polyb. 11 prooem. 2 (dazu S. 123); 3,34,3; 12,23,2; Diod. 1,2,8; Plut. de stoic. rep. 10 (mor. 1037a); Ps.-Plut. de Hom. 113; 218; Vett. Val. 3,9; 4,11; Artem. on. 1, prooem. [ed. Pack, p. 2,9 f]; 1,75 [ed. Pack, p. 81,11-14]; 2,70 [ed. Pack, p. 202,10.25]; 3,66 [ed. Pack, p. 235,7 f]; Lukian. Alex. 21; Orig. Cels. 6,23; Ps.-Long. 1; Iul. ep. 61.; Iul. or 1 [4a]; Basil. Caes. ep. 160; Sib. prol. 242 Philon spricht z. B. davon, dass den Lesern der Heiligen Schriften etwas klar sei: … σαφές ἐστι τοῖς ἐντυγχάνουσι ταῖς ἱεραῖς γραφαῖς … (Philo her. 286). Das Perfektpartizip in Philo sobr. 17 ist resultativ zu verstehen und meint die „in den Heiligen Büchern Belesenen (… τῶν ἐντετυχηκότων ταῖς ἱερωτάταις βίβλοις …)“ (vgl. eine ähnliche Formulierung zum Topos der Belesenheit in Dion Chrys. or. 4,30). Vgl. ferner auch Philo Mos. 2,11; decal. 37; spec. 1,28; 1,214; 2,104; legat. 195; somn. 2,301; migr. 177; Abr. 4; u. ö. Zum Leser der biblischen Schriften vgl. z. B. auch Orig. princ. 4,3,5; com. in Ioh. 6,8,53. Clemens Alexandrinus bezeichnet die von ihm antizipierten Leser seine Schriften ebenfalls mit dem Partizip von ἐντυγχάνω. Vgl. z. B. Clem. Al. strom. 1,9,2; 1,14,3; 4,4,1. 243 ἀλλὰ τῆς τῶν ἀναλαμβανόντων τὰς ἐκείνου βύβλους ὑπομνήσεως, ἵνα μὴ πρὸς τὴν ἐπιγραφὴν ἀλλὰ πρὸς τὰ πράγματα βλέπωσιν. Polyb. 3,9,3. 244 Diese Bezeichnung seiner Leser findet sich z. B. auch in Polyb. 1,2,8: 3,1,6 u. ö. 245 Vgl. Polyb. 5,56,10 f. Dass Polybios an anderer Stelle, an der argumentativ gerade kein Gegensatz vorliegt (Polyb. 2,57,11; 2,59,5; 2,61,11; 3,36,5 u. ö.), die Leser eines Historikers auch in Variation als Publikum/ Zuhörer (τοὺς ἀκούοντας) bezeichnet, stellt angesichts der Verwendung des Verbes ἀκούω als Leseterminus, wie unter 3.2 herausgearbeitet worden ist, keine argumentative Grundlage dafür bereit, dass er sein Werk für das Vorlesen konzipiert hat, wie vor allem die direkte Anrede seiner Leserschaft als „In-Kontakt-Kommende“ deutlich macht (vgl. Anm. 246, S. 166). Dementsprechend übersetzt H. Drexler das Partizip auch mit „Leser“. hätten vokalisierend gelesen, wäre methodisch verfehlt, da es sich eindeutig um eine metaphorisch konzeptualisierte Beschreibung ihrer Lesepraxis handelt. Zudem betont Plinius im Kontext gerade die Ruhe in seiner Villa, wo er nichts hören (nihil audio; Plin. ep. 1,9,5) muss. Das Gespräch mit sich selbst muss ebenfalls nicht zwingend als Selbstgespräch unter Einsatz der Stimme verstanden werden, sondern kann im Kontext durchaus allein auf das Denken bezogen sein. Das durch hinzutretenden Artikel substantivierte Partizip von ἐντυγχάνω dient als Sammelbezeichnung für Leser/ Rezipienten 241 und findet sich in dieser Bedeutung auch vielfach in den Schriften Philons und bei den Kirchenvätern. 242 Dass ein physischer Kontakt mit Büchern in vielen Fällen vorausgesetzt werden kann, zeigt eine Stelle bei Polybios (3,9,1-3), der von den Lesern (Partizip von ἐντυγχάνω) der Annalen von Fabius spricht und diejenigen, die seine Bücher in die Hand nehmen, davor warnt, nur auf den Titel zu achten statt die Fakten zu beurteilen. 243 Auffällig ist außerdem seine Konstruktion eines Gegensatzes zwischen den Lesern (τοὺς ἐντυγχάνοντας) bzw. Lernbegierigen (τοὺς φιλομαθοῦντας) 244 eines Historikers (συγγραφεύς) und dem Publikum bzw. den Zuhörern (τοὺς ἀκούοντας) eines Tragödienschreibers (τραγῳδιογράφος). 245 An einer bekannten Stelle bei Dion 165 3.4 Lesen als Begegnung und Kontakt mit dem Text 246 Vgl. z. B. Polyb. 1,3,10; 1,4,1; 1,15,13; 1,35,6; 1,41,7; 2,40,5 (! ); 2,61,3; 3,5,9, 3,34,3; 10,32,8; 14 prooem.; Strab. 13,1,1; Plut. Rom. 12,6; Plut. Demetr. 1,5; Epikt. diatr. proem.; Gal. nat. fac. 2,9; Eus. h. e. 2,5,6; 3,5,7; 5,3,1; 6,43,4; 8,6,1; 8,13,8; im Sg.: Strab. 1,1,21; z. T. sogar mit Possessivpronomen: Plut. Nic. 1,1: … παρακαλεῖν ὑπὲρ ἐμοῦ τοὺς ἐντυγχάνοντας τοῖς συγγράμμασι τούτοις … Vgl. ferner Arr. an. proem 3. 247 Vgl. außerdem Vett. Val. 2,36.38; 3,9 f; 6,8[! ]; 7,3[! ] u. ö. 248 Vgl. insb. die listenartigen Ausführungen in Vett. Val. 4,10, die er mit einem Hinweis an seine Leser einleitet. Chrysostomos wird deutlich, dass zumindest beim Infinitiv ἐντυγχάνειν nicht aus‐ geschlossen werden kann, dass auch die indirekte Rezeption durch Vorlesenlassen mit dem Verb bezeichnet werden kann. „Bezüglich der Dichter würde ich dir raten, dass du auf Menander von den Komödi‐ endichtern und Euripides von den Tragikern nicht nebenher triffst, und auf diese diese solltest du nicht so [treffen], sie selbst zu lesen, sondern durch einen Geübten, gut und angenehm, zumindest aber ohne Schmerzen, vorzutragen.“ (Dion Chrys. or. 18,6) Die indirekte Form der Rezeption erscheint mir bei dem Verb aber nicht vor‐ rangig zu sein. Denn hier bei Dion Chrysostomos steht das „Aufeinandertreffen“ mit dem Inhalt und der Schönheit der Sprache im Fokus. Der ästhetische Genuss sei bei Dramen groß, wenn der Rezipient von der Belastung der individuell-di‐ rekten Lektüre entlastet sei: πλείων γὰρ ἡ αἴσθησιςἀπαλλαγέντι τῆς περὶ τὸ ἀναγιγνώσκειν (Dion Chrys. or. 18,6). Für die Einschätzung des Quellenwertes für die Fragen der Lesesituation ist zudem entscheidend, dass es sich um eine normative Quelle handelt. Gerade dass Dion hier Regelungsbedarf sieht, zeigt, dass er das individuell-direkte Studium als Normalform der intensiven Studien‐ lektüre vor Augen hat. Dies wird auch in den folgenden Ausführungen zur Beschäftigung mit nicht-dramatischer Texte deutlich (vgl. Dion Chrys. or. 18,9- 17), bezüglich derer er individuell-direkte Lektüre voraussetzt, wie insbesondere aus der retrospektiven Reflexion in Dion Chrys. or. 18,20 f hervorgeht. Das Partizip wird im Speziellen (häufig im Plural) auch dazu verwendet, den bzw. die Leser direkt als solche anzusprechen. Von den vielen Belegstellen, die dies zeigen, 246 ist eine Formulierung bei Vettius Valens besonders erhellend. Und zwar erklärt er leserlenkend, dass die Beispiele, die er im Folgenden anführt, dem Verständnis des Lesers dienen: Ἔστω δὲ πάλιν ἐπὶ ὑποδείγματος, ἵνα σαφέστερον οἱ ἐντυγχάνοντες τὴν ἐπίγνωσιν λαμβάνωσιν … (Vett. Val. 1,21). 247 Der technische und Zahlen lästige Inhalt 248 dieses neunbändigen astrologischen Werkes Anthologiae aus dem 2. Jh. n. Chr. deutet darauf hin, dass es sich nicht um ein Buch für das Vorlesen handelt, οἱ ἐντυγχάνοντες hier also individuell-direkt lesende Adressaten sind. 166 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 249 Vgl. Ios. c. Ap. 1,1; 2,296; ant. Iud. 1,8; 9,242; 15,379; vita 430. S. zur Schwierigkeit der historischen Identifikation B A R C L A Y , Against Apion, 3 f. 250 Vgl. Ios. c. Ap. 1,10; 2,147; ant. Iud. 1,15.129; 3,81.198; 4,196; 8,26.56, 12,59. Das gleiche Phänomen findet sich z. B. auch bei Artemidor von Daldis, der seine Bücher einem gewissen Cassius Maximus widmet, dabei aber wechselweise sowohl ihn als auch seine Leser anspricht. Vgl. z. B. Artem. on. 1 prooem.; 2,70; 4 prooem. 251 Vgl. B A R C L A Y , Against Apion, 128 mit Verweis auf Ios. c. Ap. 1,16. 252 Gegen die (zugegebenermaßen vorsichtigen) Vermutungen bei F E L D M A N , Antiquities, XVII; B A R C L A Y , Against Apion, XLV, Anm. 100. 253 S. o. Anm. 75, S. 126. S. außerdem die Hinweise darauf, dass Josephus seine Werke verkauft hat. S. u. S. 278 zu Ios. c. Ap. 1,50-55. 254 Vgl. z. B. Theoph. Autol. 1,14. 255 Vgl. außerdem G E O R G E S , Handwörterbuch, 2709. Interessant ist außerdem nicht zuletzt im Hinblick auf Lk 1,3 f und Act 1,1 f, dass z. B. Josephus in seinen Schriften Contra Apionem und Antiquitates samt der Vita, obwohl sie einem gewissen Epaphroditos gewidmet sind, 249 die Leser im Plural anspricht. 250 An einer anderen Stelle verweist Josephus mit der Formulierung τοὺς πλέον ταῖς ἱστορίαις ἐντυγχάνοντας (Ios. c. Ap. 1,220) darüber hinaus auf einen gut gebildeten 251 Rezipientenkreis, der schon viele historiographische Werke gelesen hat; mehrfach spricht er mit dem Partizip explizit solche Leser an, die auch seine Antiquitates gelesen haben: οἱ ταῖς ἡμετέραις ἀρχαιολογίαις ἐντυγχάνοντες (Ios. c. Ap. 2,136; siehe auch 1,1). Dass Josephus unter den mit dem Partizip von ἐντυγχάνω bezeichneten Rezipienten nicht ein Hörpublikum im Blick hat, 252 sondern ein Lesepublikum, zeigt die Formulierung in Ios. c. Ap. 2,147 - die Leser sind hier eindeutig das aktiv handelnde Subjekt des Betreibens der Lektüre und nicht die passiven Zuhörer. 253 Ferner findet man auch in Origenes’ Contra Celsum eindeutig die Leser im Plural angesprochen, obwohl die Bücher an den reichen Hofbeamten Ambrosius von Alexandrien, der Mäzen und Freund von Origenes, an ein Individuum, adressiert sind (vgl. Orig. Cels. 8,76); z. B. wenn er am Ende des vierten Buches um Gnade bittet, das fünfte Buch zum Nutzen der Leser (ἐπ’ ὠφελείᾳ τῶν ἐντευξομένων) zu finalisieren (vgl. Orig. Cels. 4,99); aber auch im Schlusskapitel ist Ambrosius deutlich von „dem Leser“ unterschieden (vgl. Orig. Cels. 8,76). Das Derivat ἐπιτυγχάνω in seiner Verwendung als Leseterminus 254 wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht eingehender untersucht. Ferner sei auch darauf hingewiesen, dass im Lateinischen das Verb invenio (auf etwas kommen/ stoßen, etwas finden, antreffen, entdecken) als Lesemetapher des Kontakts verwendet wird (vgl. z. B. Plin. nat. praef. 26, wo individuell-direkte Lektüre vorausgesetzt wird). 255 167 3.4 Lesen als Begegnung und Kontakt mit dem Text 256 Vgl. z. B. Xen. equ. mag. 4,2; Plat. Polit. 298d; Ios. bell. Iud. 7,4,2 [69]. 257 Vgl. z. B. Polyb. 1,78,2; 5,103,1; Philo sacr. 35; Plut. Pomp 1; Ael. var. hist. 4,20. 258 Vgl. z. B. Isokr. or. 1,20; Aristot. Rhet. 1,1,12 [1355a]; Plut. Alex. 59. 259 Vgl. z. B. Polyb. 2,8,6; 3,15,4; Plut. Demetr. 42,2. 260 Vgl. z. B. Diod. 11,54,4; 16,55,3 u. ö. 261 Vgl. z. B. Plut. Caes. 9,2. 262 Vgl. außerdem Eus. h. e. 6,2,9. 263 Iust. Mart. apol. 1,1,1; vgl. auch Eus. h. e. 4,12,1. 264 Vgl. B I R T , Buchrolle; vgl. außerdem P F U H L , Buchrollen. Das stammverwandte Substantiv ἔντευξις, das sowohl allgemein das Zusam‐ mentreffen 256 , die Zusammenkunft 257 , aber auch die Unterredung 258 sowie im Speziellen die Audienz 259 oder die Bitte/ Anfrage 260 bezeichnet, findet sich analog zum Befund von ἐντυγχάνω in den Quellen ebenfalls als Bezeichnung für Geschlechtsverkehr 261 und als Metapher für die Lektüre oder das Studium von Texten. So wirbt etwa Polybios (1,1,4) am Beginn seiner Historien für sein Werk, indem er die Außerordentlichkeit der von ihm vorzustellenden Begebenheiten hervorhebt, die Jung und Alt zur Lektüre bzw. zum Studium der Abhandlung (πρὸς τὴν ἔντευξιν τῆς πραγματείας) anspornen. Eindeutig in diesem Sinne wird das Lexem auch von Clemens von Alexandria benutzt, wenn er die Praxis der Schriftlektüre der Gnostiker beschreibt (vgl. Clem. strom. 7,49,3 f). Euseb verwendet das Substantiv, um auf die Konsultation von Hss. zu verweisen (vgl. Eus. mart. pal. 11,4). 262 Es wird in den Quellen aber nicht nur dazu verwendet, den Leseakt zu be‐ zeichnen, sondern kann auch auf etwas Geschriebenes verweisen. So wirft Cato Caesar während einer Senatssitzung fälschlicherweise vor, Caesar erhalte ἐντεύξεις καὶ γράμματα παρὰ τῶν πολεμίων (Plut. Brut. 5), als dieser ein kleines Schriftstück, einen Brief von Catos Schwester Servilia, zugesteckt bekommt. Justin bezeichnet seine Apologie als Anrede (προσφώνησις) und Bittschrift (ἔντευξις). 263 3.5 Lesen als haptischer Umgang mit dem Medium Die im Folgenden zu besprechenden Lesetermini stehen im Wesentlichen in Zusammenhang mit der ursprünglichen Rollenform antiker Bücher und bilden die breit bezeugte ikonographische Repräsentation von Lesenden in der Antike sprachlich ab. Zur Illustration sei diesbezüglich auf die instruktive Aufarbeitung des ikonographischen Quellenmaterials durch T. Birt hingewiesen. 264 Das Verb ἀνελίσσω hat vermutlich weniger den punktuellen Akt des „Auf‐ schlagens“ als stärker den beim Lesen eines Schriftstücks notwendigen Pro‐ zess im Blick, die Schriftrolle stetig zu entrollen und gleichzeitigen wieder 168 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 265 Vgl. exempl. auch Arist. 177, wo erzählt wird, dass der König vor den Pergamentrollen, auf denen die Tora in goldener Schrift geschrieben steht (Arist. 176) und die aus ihrem Umschlag geholt und entrollt worden sind (ὡς δὲ ἀπεκάλυψαν τὰ τῶν ἐνειλημάτων καὶ τοὺς ὑμένας ἀνείλιξαν), eine lange Zeit verharrt. Diese Stelle belegt im Übrigen, dass ἀνελίσσω tatsächlich das Entrollen des aufgerollten Schriftmediums meint und nicht das Herausnehmen aus dem Umschlag (ἐνείλημα). 266 Vgl. auch Greg. Naz. or. 5,31 (PG 35, p. 704,16 f), der fordert, dass nur noch die Propheten und Apostel „aufgeschlagen“ (αἱ προφητικαὶ δὲ καὶ ἀποστολικαὶ μόναι ἀνελιττέσθωσαν), d. h. gelesen werden sollen. Laut der Übersetzung von P. Haeser aufzurollen - eine alltägliche kulturelle Praxis in der Antike, die von den Quellen eher selten als Vorgang an sich thematisiert wird. Diese eigentliche Verwendungsweise von ἀνελίσσω im Kontext von Schriftmedien findet sich z. B. in einer Gerichtsszene in Philostrats Vita Apollonii, im Rahmen derer Tigellinus eine Schrift mit einer Anklage gegen Apollonios entrollt, dem Asebie gegen Nero vorgeworfen wird, aber auf wundersame Weise statt der Anklageschrift nur eine unbeschriebene Rolle vorfindet (vgl. Philostr. v. Apoll. 4,44). 265 Im übertragenen Sinne beschreibt das Verb unterschiedliche Facetten des Lesens und Umgangs mit Texten, wobei diese übertragene Verwendung des Verbs nicht als Metapher, sondern als Metonymie zu kategorisieren ist, da eine Kontiguitätsbeziehung zwischen dem Prozess des Auseinanderrollens oder Ent- und gleichzeitigen Aufrollens und dem eigentlich Bezeichneten (lesen, interpretieren, auslegen) vorliegt. So wird ἀνελίσσω zuweilen in polemisch-abgrenzender Weise ge‐ braucht, um z. B. die Lektüre eines anderen als reines Statussymbol zu entlarven (vgl. Lukian. adv. ind. 27), oder um jemanden dadurch zu diskreditieren, dass seine Lektüre als bloßes „Durchblättern“ abgewertet wird, das allein noch nicht bildet (vgl. z. B. Iul. or. 6,187d). Im Werk von Josephus ist das Lexem nicht zu finden, Philon verwendet es nur einmal in Mos. 1,48. Dort schreibt er über Mose, dieser habe kontinuierlich die „Dogmata der Philosophie ‚entrollt‘“ (… ἐπονεῖτο φιλοσοφίας ἀνελίττων ἀεὶ δόγματα …), d. h. er ist sie immer wieder durchgegangen, er hat sie studiert. Eindeutig als Metonymie für das individuelle Lesen verwendet auch Kaiser Iulian das Verb in seiner satirischen Schrift Misopogon aus der zweiten Hälfte des 4. Jh., um die große Anzahl der Bücher hervorzuheben, die er schon gelesen habe: … ὡς ἐμαυτὸν πείθω, βιβλία ἀνελίξας οὐδενὸς ἀριθμὸν ἐλάττω (Iul. mis. 347a; vgl. auch Iul. or. 6,203b). Auch wenn es nicht ganz sicher ist, ob Basilius von Caesarea die alttestamentlichen Geschichten in Rollen- oder Ko‐ dexform rezipiert hat, könnte ep. 2,3 (… τὴν περὶ τοῦ Ἰωσὴφ ἱστορίαν συνεχῶς ἀνελίσσει …) darauf hindeuten, dass ἀνελίσσω in der Spätantike als gleichsam usuelle Metonymie auf die Lektüre von Texten in Kodizes übertragen wurde. 266 169 3.5 Lesen als haptischer Umgang mit dem Medium verwendet Greg. Naz. or. 4,155 (PG 35, p. 653) ἀνελίσσω hier vermutlich im Sinne von „nachschlagen”. 267 Der erzählte Sokrates teilt Antiphon hier mit, dass er mit Freunden zusammen liest und über interessante Stellen spricht. Der Kontext (Xen. mem. 1,6,11-14) - die Dialogsitu‐ ation entzündet sich an der Beobachtung von Antiphon, dass Sokrates kein Geld für den Umgang mit sich selbst verlangt, andere Dinge seines Besitzes aber wohl nicht ohne Bezahlung teilen würde - legt nahe, dass es sich um Schriften handelt, die Sokrates besitzt (also mutmaßlich auch individuell-direkt liest) und mit seinen Freunden teilt, ohne eine monetäre Gegenleistung dafür zu verlangen. 268 Vgl. exempl. Ps.-Plut. cons. ad Apoll. 14 (mor. 109d) = FPG 3 Crantor, Fr. 10; Phryn. 21; Poll. on. 8,143; Hld. 10,31,1 f; Phot. lex. 1539. Eher in den Hintergrund tritt die Kontiguitätsbeziehung zwischen Entrollen und Lesen an Stellen, an denen ἀνελίσσω gleichsam in raummetaphorischem Sinne das Interpretieren bzw. Auslegen meint - das Öffnen (im Deutschen würde man die Raummetapher „Heben“ verwenden) eines Schatzes (θησαυρός), der in einem Text verborgen wurde, wie es der erzählte Sokrates bei Xenophon im Hinblick auf eine kollektiv-indirekte Rezeptionssituation ausdrückt (vgl. Xen. mem. 1,6,14, 267 vgl. ferner Plat. Phil. 15e; Prokl. theol. plat. 1, p. 16; parm. p. 1080,22 u. ö.). Das etymologisch verwandte Lexem ἀνειλέω (entrollen), das u. a. in der LXX in Ez 2,10 vorkommt, muss hier nicht ausführlich besprochen werden, da es, vergleichbar mit ἀνελίσσω in Bezug auf Schriftmedien, das der Lektüre vorausgehende Entrollen derselben bezeichnet. 268 Ohne Präfix findet sich das Verb in einem bei Diogenes Laertios überlieferten Epigramm: „Sei nicht eilig, das ephesische Buch des Heraklitos zum Stab zu rollen (μὴ ταχὺς Ἡρακλείτου ἐπ’ ὀμφαλὸν εἴλεε βίβλον τοὐφεσίου). Denn der Weg ist schwierig zu gehen“ (Diog. Laert. 9,1,16). Das Epigramm verknüpft hier die Lesemetonymie „bis zum Stab rollen“ mit der Metapher des Lesens als Reise, die als Unterkategorie der konzeptuellen Metapher B E W E G U N G I S T L E S E N analysiert werden kann (s. u. 3.7), und warnt damit vor einer oberflächlichen individuell-direkten Lektüre von Heraklit. Und zwar - wie im Folgenden deutlich wird - weil der Weg dunkel (ὀρφνὴ καὶ σκότος ἐστὶν ἀλάμπετον), also der Inhalt schwer verständlich ist und daher die Führung durch einen Eingeweihten notwendig erscheint (… μύστης εἰσαγάγῃ), man beim Lesen also angeleitet werden sollte. Wegen der geringen Vergleichsbasis kann man über das bei Sextus Empiricus belegte, verwandte Lexem διατυλίσσω (durchrollen) nicht viel mehr sagen, als dass er es in adversus mathematicos verwendet, um auszudrücken, dass Pyrrhon Homers Dichtung aus Interesse an poetischen Figuren und Charakteren durch‐ gelesen hat (vgl. S. Emp. adv. math. 1,281). 170 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 269 Vgl. exempl. neben den im LSJ aufgeführten Quellen: Arr. an. 2,7,3; 2,8,2; Cass. Dio 49,29,4. 270 Neben den im LSJ aufgeführten Quellen besonders häufig bei Galen: z. B. Gal. AA 2,521.581.622 (K Ü H N ). 271 Vgl. dazu S A R R I , Letter Writing, 79-84. A. Sarri weist aber auch darauf hin, dass großformatige Papyrusblätter vor dem Rollen auch gefaltet wurden. Vgl. S A R R I , Letter Writing, 122. 272 Vgl. z. B. Hdt. 1,48,1; 1,125,2; TestAbr B 10,11; KerPetr Fr. 9,10 (Clem. Al. strom. 6,15,128); Theod. com. in Jes. 19,611. Vgl. ferner auch Polyain. strat. 8,36; Theod. hist. eccl. 2,33 (P A R M E N T I E R / S C H E I D W E I L E R p. 174). 273 Eindeutig auf einen Vierevangelienkodex bezieht sich z. B. Ioh. Chrys. in Ioh. hom. 53,3 (PG 59, p. 296,1-9), der im Kontext seiner Aufforderung, den Evangelien große Sorgfalt entgegenzubringen und sie in der Hand zu halten (μεταχειρίζω), darauf hinweist, dass, wenn man das Buch öffnet, man den Namen Jesu Christi findet und jemanden sagen hört … (Εὐθέως γὰρ, ἀναπτύξας τὸ βιβλίον, τοῦ Χριστοῦ τὸ ὄνομα ὄψει ἐγκείμενον, καὶ ἀκούσῃ εὐθέως λέγοντος). Es folgt ein Zitat aus Mt 1,8. Dadurch, und da im vorhergehenden Satz τὰ εὐαγγέλια im Plural genannt werden, wird deutlich, dass es sich um einen Vierevangelienkodex handeln muss, an dessen Beginn, wie auch die Hss. zeigen, das MtEv stand. Vgl. außerdem Marc. Diac. vit. Porph. 45. 274 Vgl. die ausführliche Besprechung der Quellen bei B A G N A L L , Jesus, 578-586. 275 Vgl. z. B. TestSal A 22,6, wo Salomo sagt, er habe einen Brief individuell-direkt gelesen, zusammengefaltet und einem Sklaven gegeben. Vgl. neben Lk 4,10 außerdem Ios. ant. 10,1,4 [16]; 15,6,2 [171]. Nur bei Clemens Alexandrinus, soweit ich den Befund richtig überblicke, ist das Verb κυλί(νδ)ω (rollen) als Lesemetonymie gebraucht (vgl. Clem. Al. 1,14,4). Dies korrespondiert mit der (selten bezeugten) Bezeichnung einer Buchrolle als κύλινδρος (vgl. z. B. Diog. Laert. 10,26). Im Kontext von Lesemedien benennt das Verb ἀναπτύσσω (auf- oder ent‐ falten), das etwa auch als militärischer Fachterminus gebraucht wird 269 oder das Aufschneiden von menschlichen oder tierischen Körpern oder Körperteilen bezeichnet 270 , den notwendigen Schritt, Schriftstücke (vermutlich v. a. gefaltete Papyrusblätter oder Holzbzw Wachstafeln, die z. B. auch für Briefe verwendet wurden 271 ) vor der Lektüre zu öffnen 272 oder einen Codex aufzuschlagen. 273 Es gibt keine sicheren Hinweise darauf, dass es im Hinblick auf die Rollenform gebraucht wurde. 274 (Ohne Vorsilbe meint πτύσσω in jüdischen und christlichen Texten mit einem Lesemedium als Objekt das Zusammenfalten o. ä. des Schrift‐ mediums.) 275 Es finden sich auch Belegstellen, an denen das Verb nicht (nur) das Auffalten, sondern als Metonymie auch das Lesen eines Textes selbst bezeichnet. In VitProph 2,11 bezeichnet das Verb zugleich Lesen und Verstehen der Tafeln (πλάξ), das nur Mose vergönnt ist. In Ios. vita 223 werden Öffnen und Lesen eines Briefes mit diesem Verb zusammengefasst, der Akt des schnellen Verstehens (συνίημι) aber noch einmal davon abgehoben. Der Kontext (Ios. vita 219-223) zeigt eindeutig, dass Josephus den Brief im Rahmen des Symposions ohne stimmliche Realisierung gelesen 171 3.5 Lesen als haptischer Umgang mit dem Medium 276 Vgl. z. B. Eur. Herc. 1256; Aischyl. Pers. 254; Philo gig. 36; LA 1,99; congr. 20; Orig. princ. 3,1,1; Mak. apokr. 3,6,1; vgl. auch das Motiv des Entfaltens der göttlichen Schrift bei Sokr. hist. eccl. 1,6. 277 Vgl. außerdem Polyain. strat. 5,2,8: τοῦ δὲ γραμματέως τὴν ἐπιγραφὴν ἀναγνόντος καὶ τὴν ἐπιστολὴν ἀνοίξαντο … Das Verb ἀνοίγω ist hier ebenfalls als Lesemetonymie zu verstehen, wobei allerdings nicht eindeutig erschlossen werden kann, ob der Grammateus den Brief zunächst individuell-direkt rezipiert und dann vorliest oder von nur einem Vorlesevorgang auszugehen ist. Für ersteres spricht, dass das Verlesen des Briefes im Folgenden noch einmal extra erwähnt wird: τούτων ἀναγνωσθέντων … 278 Vgl. dazu z. B. Lukian. Alex. 21, wo beschrieben steht, wie man Sigel unbemerkt aufbrechen und wieder verschließen kann, um den Inhalt des versiegelten Textes heimlich zu lesen. haben muss, weil die verbliebenen engsten Freunde es nicht mitbekommen sollten. Ps.-Long. 7,1 adressiert mit dem Verb die genaue Prüfung von Stellen in der Dichtung und Prosa, die vorher mit dem Adjektiv ἐπισκεπτέος (zu betrachten) spezifiziert wird und die den Schein und den Prunk der vermeintlichen Erhabenheit finden (εὑρίσκω) lässt. Vgl. außerdem die Formulierung „die Bücher der alten Weltweisen entfaltend hindurchgehen (… καὶ τὰ βιβλία τῶν πάλαι παρ’ αὐτοῖς φιλοσοφησάντων ἀναπτύξας ἐπέλθῃς …)“ bei Ioh. Chrys. ad populum Antioch. hom. 19,1 (PG 49, p. 189,49 f). Daneben wird das Verb auch als lexikalisierte Metonymie im Sinne von „erklären, explizieren, ausführen“, also analog zu „entfalten“ im Deutschen gebraucht. 276 Bei Diodor findet sich eine Belegstelle, an welcher der Befehl, ein Schriftstück zu öffnen (ἀνοίγω), zugleich „lesen“ bedeutet (vgl. Diod. 14,55,1). Auch Plutarch verwendet ἀνοίγω als Lese-Metonymie, wenn er schreibt: „der Statthalter […] zeigte, nachdem er die Tafel geöffnet [d. h. auch gelesen] hatte, die darin geschriebene Frage (τὴν δέλτον ἀνοίξας ἐπεδείκνυεν ἐρώτημα τοιοῦτον γεγραμμένον)“ (Plut. de def. or. 45 [mor. 434e]; Üb. O S IAN D E R / S C HWA B , leicht mod. JH). Die Stelle impliziert durch die Konnotation mit der visuellen Wahrneh‐ mung (s. dazu 3.8) eindeutig individuell-direkte, nicht-vokalisierende Lektüre des auf der Tafel enthaltenen Textes. 277 Bei Plutarch findet sich im Kontext der Neugier, die jemanden dazu treibt, Briefe von Freunden unerlaubt zu lesen, die Formulierung „ein Briefchen entbinden“: ἐπιστόλια παραλύουσιν οὗτοι φίλων (Plut. curios. 15 [mor. 522e]). Das Verb παραλύω, das sich wohl auf den Faden bezieht, mit dem das Briefchen zusammengeschnürt ist und das typischerweise gesiegelt wird, 278 benennt hier metonymisch das Lesen des Briefes. Im Lateinischen findet sich das Verb revolvo (zurückrollen), das spezifisch den haptischen Umgang mit dem Rollenmedium benennt und als Lesemetonymie verwendet werden kann. 172 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 279 Vgl. zur Übersetzung Hieronymus’ aus dem Hebräischen B R O W N T K A C Z , Labor, 49-52. 280 Vgl. ferner auch die Formulierung iam pervenimus usque ad umbilicos (schon sind wir bis zum Stab gelangt) bei Mart. 4,89. 281 Vgl. dazu ausführlich S C H I R O N I , ΒΙΒΛΙΟΝ. Möglicherweise lässt sich so auch der folgende Satz im Schlusswort von Origenes’ Schrift De oratione erklären (so sie in Rollenform veröf‐ fentlicht wurde), der ganz am Ende formuliert: „Jedoch für jetzt mögt ihr die vorliegenden Ausführungen mit Nachsicht lesen (πλὴν ἐπὶ τοῦ παρόντος μετὰ συγγνώμης τούτοις ἐντεύξεσθε)“ (Orig. de orat. 34; Üb. K O E T S C H A U ). Origenes rechnete vielleicht damit, dass die intendierten Rezipienten das Schlusswort zuerst lasen. Revolvo steht etymologisch und semantisch den griechischen Verben ἀνελίσσω und ἀνειλέω näher, die ebenfalls den Vorgang des Rollens im Blick haben, als dem Verb ἀναπτύσσω (auffalten). In der Vulgata wird auch das Verb ἀναπτύσσω in Bezug auf das Öffnen von Schriftmedien in Lk 4,17 mit revolvo übersetzt, obwohl mit expando auch ein analoges Lexem zur Verfügung gestanden hätte. Vgl. z. B. 2Kön 19,14; aber vor allem Ez 2,10, wo eindeutig nicht das „Auslegen“, sondern das physische „Ausbreiten“/ „Auseinan‐ derrollen“ gemeint ist. Hier übersetzt die LXX das hebräische Verb פ ר שׂ mit ἀνειλέω, die Vulgata mit expando. Diese Unterschiede rühren möglicherweise daher, dass Hier‐ onymus hier iuxta Hebraeos übersetzt hat. 279 Plinius verwendet revolvo ganz eindeutig metonymisch für die individuelle Lektüre von Büchern, wobei er bei der Wiedergabe einer Vision von C. Fannius die Vollständigkeit im Sinne von „ganz durchlesen“/ „bis zum Ende durchlesen“ betont: mox imaginatus est venisse Neronem, in toro resedisse, prompsisse primum librum, quem de sceleribus eius ediderat, eumque ad extremum revolvisse, idem in secundo ac tertio fecisse, tunc abisse. (Plin. ep. 5,5,5) Die Metonymie ist insofern eindeutig, als Plinius librum … ad extremum revolvisse eindeutig als Lesen (… qui fuisse illi legendi) kennzeichnet. Eine sehr enge Parallele findet sich bei Seneca d. Ä., bei dem das vollstän‐ dige Durchlesen durch das physische Ende der Buchrolle gekennzeichnet ist. So findet sich in seinen Suasorien die Formulierung librum … usque ad umbilicium revolvere (ein Buch bis zum Stab zurückrollen; Sen. Rhet. suas. 6,27). 280 Möglicherweise spricht dieser Beleg in Kombination mit dem Präfix reaußerdem dafür, dass Buchrollen üblicherweise im aus‐ gelesenen Zustand gelagert und erst bei erneuter Lektüre „vom Stab weg“ bis zum An‐ fang gerollt wurden, um dann wieder zum Ende zurückgerollt zu werden. Dies würde im Übrigen damit korrespondieren, dass Titelangaben häufig als subscriptio in den Hss. an‐ gebracht wurden. 281 In einer Rede von L. Valerius in der Römischen Geschichte von Livius steht das Verb metonymisch für das Zitieren aus Catos Werk Origenes: tuas adversus te Origines revolvam (Liv. 34,5,8). Vgl. ferner die metonymische Verwendung bei Quint. inst. or. 11,2,41. Allerdings kann von dem Vorkommen des Verbes nicht auf die Form des Mediums geschlossen werden (Kodex oder Rolle), auf dem ein Text geschrieben ist. Denn schon mit dem Aufkommen des Kodex wird das Verb dazu verwendet, den Kodex „aufzuschlagen“, wie in Martials Epigrammen deutlich wird. Vgl. Mart. 6,64; 173 3.5 Lesen als haptischer Umgang mit dem Medium 282 Vgl. zur Bezeichnung volumen, die ebenfalls auf Kodizes übertragen wurde, bei B I R T , Buchwesen, 14 f. Es sei z. B. auf den digitalen Ordner verwiesen, der als wichtiges Strukturmerkmal der Benutzeroberflächen der gängigen Betriebssysteme fungiert. Dieser Ordner wird (wie ein traditioneller Ordner) „geöffnet“. 283 Vgl. weiterführend zum Zusammenhang zwischen Kodexform, Origenes Hexapla und der Rezeptionsform des selektiven Nachschlagens W A L L R A F F , Kodex, 30-34. Vgl. außerdem Aug. cons. evang. 2,42. 284 Vgl. Cic. Att. 5,12,2 (hier Lektüre mit einer anderen Person). 285 Vgl. Cic. de orat. 1,34,158, wo Crassus als Teil seines Bildungsideals formuliert: „Lesen muss man auch Dichter, kennenlernen Episoden aus der Geschichte, die Lehrer und Schriftsteller in allen edlen Wissenschaften auswählen (omnium bonarum artium doctores atque scriptores eligendi et pervolutandi), immer wieder durchlesen, zur Übung loben, auslegen, verbessern, tadeln, widerlegen“ (Üb. N Üẞ L E I N ). Im Kontext geht es zuvor eindeutig um das häusliche Studium. Vgl. Cic. de orat. 1,33,149 ff. 11,1. Das Verb wurde vermutlich als feststehender Terminus auf das neue Medium übertragen, ein Phänomen, das bei Medienwechseln häufig zu finden ist. 282 Auch in der patristischen Literatur wird das Verb verwendet, um das Öffnen bzw. das Lesen eines Kodex zu bezeichnen. Vgl. exemplarisch Hier. com. in Psal. 4,8, der eine Textvariante in den Hss. beschreibt: „‚Und ihres Öles‘, was in den meisten Kodizes zu finden ist (id quod in plurimis codicibus invenitur), habe ich, als ich das alte Psalterium der Hexapla des Origenes aufschlug (cum vetustum origenis hexaplum psalterium revolverem), das von seiner eigenen Hand verbessert war, weder im Hebräischen noch in den übrigen Editionen und auch nicht bei den Siebzig Übersetzern gefunden“ (Üb. R I S S E ). 283 Catull verwendet das Verb pervolvo (herumwälzen, -rollen) als Leseterminus und prophezeit, die Zmyrna des Cinna, die nach neun Jahren erschienen ist, werde sehr weit verbreitet werden, und man werde sie „durch Jahrhunderte herumwälzen (diu saecula pervolvent)“; die Annalen des Volusius hingegen würden „oft Makrelen als reichlich bemessenes Einpackpapier dienen“ (Cat. 95; Üb. H O L Z B E R G ), womit Catull sicher nicht nur metaphorisch die prophezeite Nicht-Rezeption eines anderen Werkes zum Ausdruck bringt. Möglicherweise meint Catull hier, dass die Zmyrna nicht nur eine lange Zeit von mehreren Generationen rezipiert, sondern auch iterativ gelesen wird - ob individuell oder kollektiv kann nicht erschlossen werden. Deutlicher wird diese Bedeu‐ tungsnuance bei dem abgeleiteten verbum intensivum/ iterativum pervoluto, das die mehrfache, intensive Beschäftigung mit Texten ausdrücken kann, 284 wobei der Kontext einer Belegstelle bei Cicero eindeutig individuell-direkte Lektüre impliziert. 285 Als weitere Lexeme für die Beschreibung des haptischen Umgangs mit dem Medium Rolle finden sich im Lateinischen noch die Verben evolvo (auseinan‐ derrollen), verto (drehen, wenden), explicio (entfalten) und contrecto (betasten, 174 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 286 Dass es sich um eine wiederholte Lektüre schon beantworteter Briefe handelt, wird nicht nur durch den Hinweis Ciceros am Beginn desselben Briefes deutlich, er habe schon alle Briefe von Atticus beantwortet (vgl. Cic. Att. 9,10,1). Vielmehr zeigen dies auch die Datierung und der zeitliche Umfang der von ihm zitierten Atticusbriefe. Er geht fast zwei Monate zurück (vgl. Cic. Att. 9,10,4-10), woraus zu schlussfolgern ist, dass die hier genannte Rolle, in der die Briefe wohl hintereinander geklebt worden sind, einen größeren Umfang gehabt haben muss. 287 Vgl außerdem Sen. ep. 2,4 (s. u. S. 194 f); Plin. ep. 1,13,2 (ex magna parte evolverit librum als Metonymie für ein zu einem großen Teil schon vorgelesenes Manuskript); ferner Suet. Galba 21. 288 Vos exemplaria Graeca / nocturna versate manu, versate diurna, Hor. ars. 268 f. Vgl. dazu auch die Formulierung, dass Vergil täglich durchgeblättert, durchsucht o. ä. (cotidie excutitur) wird, bei Sen. ep. 58,5. befühlen). Auch für diese Lexeme lässt sich nachweisen, dass sie als Lesemeto‐ nymien verwendet worden sind. Wenn Cicero an Atticus schreibt, „an diesem Punkt [scil. des Briefes] angekommen, rolle ich die Rolle mit deinen Briefen auseinander“ (Cic. Att. 9,10,4), und anschließend aus diesen Briefen zitiert, steht das Auseinanderrollen metonymisch für eine erneute Lektüre dieser Briefe. 286 Cicero verwendet das Verb auch in der Leseszene, mit der er sein Werk Topica beginnen lässt: Gaius Trebatius, dem das Werk gewidmet ist, und er sind gemeinsam auf seinem tusculanischen Landgut und „in der Bibliothek rollte jeder von uns separat, für sein eigenes Studium, Bücher, die er wollte, auseinander (et in bibliotheca separatim uterque nostrum ad suum studium libellos, quos vellet, evolveret)“ (Cic. top. 1,1). Diese Szene ist insofern aufschlussreich, als hier die Möglichkeit einer kollektiv-direkten Studienlektüre belegt ist, bei der die beiden Anwesenden je für sich in unterschiedlichen Büchern, mutmaßlich nicht-vokalisierend lesen. Sowohl die Betonung der separaten Lektüre (separatim) als auch die verwendete Lesemetonymie könnten darauf hindeuten, dass beide ohne Vokalisierung gelesen haben. Quintilian führt gegen solche an, die eine falsche Auffassung vom Wesen der Rhetorik hätten, dass sie sich mit dem Wenigen begnügt hätten, das „schon andere vor ihnen voll Unverstand aus Platons ‚Gorgias‘ herausgepickt hatten, ohne diesen selbst ganz oder andere Schriften Platons auseinandergerollt zu haben (neque hoc totum neque alia eius volumina evolvunt)“ (Quint. inst. 2,15,34; Üb. angelehnt an R A H N ); d. h., ohne die Schriften selbst gelesen zu haben, hätten die hier Kritisierten aus zweiter Hand Platons Rhetorikverständnis referiert oder zitiert. Auch an der berühmten Stelle in den Confessiones von Augustin (conf. 6,3) wird das Verb als Lesemetonymie verwendet (s. o. 1.2). 287 Das Verb verto (drehen, wenden) findet sich bei Horaz als metonymische Beschreibung der individuell-direkten Lektüre der Klassiker aus der griechischen Literatur: „Die griechischen Vorbilder dreht sie mit der Hand bei Nacht, dreht sie bei Tag.“ 288 Das 175 3.5 Lesen als haptischer Umgang mit dem Medium 289 Vgl. außerdem Gell. 14,6,1, ferner Mart. 11,107, wo allerdings keine Lesemetonymie vorliegt. 290 S. dazu oben schon einige der Belege unter 3.4. 291 Auch Origenes verwendet das Verb λαμβάνω als Leseterminus. Vgl. Orig. Cels. 8,24; 4,44 (hier ohne Nennung der Hände). 292 Vgl. auch Plut. Cic. 49; Vgl. Plut. Adv. Col. 14 (mor. 1115a). Verb explicio findet sich z. B. bei Cicero als Lesemetonymie. So formuliert er in seiner Rede für Sextus Roscius, ein gewisser Capito „solle nur kommen [und] jene Rolle entfalten (explicet suum volumen), von der ich beweisen kann, dass Erucius sie für ihn zusammengeschrieben hat“ (Cic. S. Rosc. 35). Der Kontext impliziert, dass an ein Vorlesen dieses Textes vor Gericht gedacht ist. 289 Das Verb contrecto wird bei Ammianus Marcellinus (res gestae 28,4) eindeutig synonym zu lego - spezifiziert als Lesen mit sorgfäliger Aufmerksamkeit (curatiore studio) - verwendet. Auch das Motiv „ein Buch in die Hand nehmen“ bzw. „in der Hand halten“ kann umschreiben, dass jemand etwas liest. 290 Ps.-Aristoteles verwendet das Syntagma λαμβάνω τὸ βιβλίον eindeutig synonym zu ἀναγιγνώσκω (vgl Ps.-Aristot. probl. 18,1 [916b1-5]). Polybios gibt seinen Lesern zu bedenken, um das zuvor über L. Aemilius Paullus Gesagte (Polyb. 31,22,1-7) zu bekräf‐ tigen, dass sein Werk insbesondere auch von Römern in die Hand genommen (… μάλιστα Ῥωμαίους ἀναληψομένους εἰς τὰς χεῖρας τὰ βυβλία ταῦτα … Polyb. 31,22,8), also gelesen werden würde. An anderer Stelle warnt Polybios potentielle Leser von Fabius’ Annalen davor, sie sollten sich nicht von dessen Namen blenden lassen. Dabei bezeichnet er sie zunächst mit dem Partizip von ἐντυγχάνω und dann metonymisch als diejenigen, die seine Bücher auf‐ nähmen (… τῶν ἀναλαμβανόντων ἐκείνου τὰς βύβλους, Polyb. 3,9,3), also in die Hand nähmen. Analog könnte auch das Verb ἀναλαμβάνω in 1Clem 47,1 als Lesemetonymie verstanden werden. Das Verb λαμβάνω impliziert auch bei Diod. 1,70,4 lesen: 291 ἕωθεν μὲν γὰρ ἐγερθέντα λαβεῖν αὐτὸν ἔδει πρῶτον τὰς πανταχόθεν ἀπεσταλμένας ἐπιστολάς. Dass der ägyptische König am Morgen, direkt nach dem Aufstehen, Briefe nimmt (und liest), zielt darauf ab, ihn als besonders arbeitsam darzustellen, wobei die Stelle am einfachsten dahingehend zu verstehen ist, dass er die Briefe individuell-direkt rezipiert. Plutarch schreibt über den älteren Cato, dass dieser erst in späten Jahren mit dem Lesen von griechischen Büchern begonnen hätte: ἄλλως δὲ παιδείας Ἑλληνικῆς ὀψιμαθὴς γενέσθαι λέγεται, καὶ πόρρω παντάπασιν ἡλικίας ἐληλακὼς Ἑλληνικὰ βιβλία λαβὼν εἰς χεῖρας … (Plut. Cato mai. 2). 292 Kaiser Iulian hält Platons Bücher auf der Reise bei der Rast im Schatten einer Pflanze in den Händen, liest sie also individuell-direkt in der Natur (vgl. Iul. ep. 83). Plinius bedauert in einem Brief an Ursus, dass er seit langem kein Buch mehr in die Hand genommen (olim 176 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 293 Vgl. Plin. ep. passim. Dass dies für Plinius eine mühsame Tätigkeit ist, teilt er in Plin ep. 9,14 mit. 294 Vgl. auch Plin. ep. 1,16,7, wo Plinius beschreibt, dass er ihn, also Manuskripte von Saturninus, den ganzen Tag bei sich hat, und außerhalb seiner Schreibarbeit liest. Vgl. außerdem die weitere Verwendung der Wendung in manus sumo bei Plin. ep. 8,3,3 (Redemanuskript); 9,22,2 (Elegien des Passennus Paulus). 295 Allerdings meint der Satz est in manibus laudatio in Cic. Cato 12 nicht das Lesen der Leichenrede des Fabius auf seinen Sohn, sondern verweist darauf, dass die Rede in publizierter Form für die potentielle Lektüre vorliegt (s. z. B. auch Cic. Lael. 96). Die Formulierung septimus mihi liber Originum est in manibus (Cic. Cato 38) meint dagegen, dass Cicero an diesem Buch arbeitet. 296 Vgl. dazu und zur Villa als Ort der Lektüre der Oberschicht K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 9-24 [Zitat: 22]. Analog dazu sei auf einen Besuch Ciceros in der Bibliothek des Lucullus verwiesen, in der er überraschenderweise Cato findet: „ich sah ihn in der Bibliothek sitzend, von stoischen Büchern rings umgeben (vidi in bibliotheca sedentem multis circumfusum Stoicorum libris)“ (Cic. fin. 3,7). An dieser Stelle verwendet er im Übrigen non librum in manus … Plin. ep. 8,9,1), also gelesen habe, wobei der Kontext des gesamten Briefes eindeutig zeigt, dass er auf die studierende Lektüre zu Unterhaltungszwecken verweist. Erucius schreibt von den Reden des Pompeius Saturninus, die sowohl beim ersten Hören Eindruck machten, aber auch wenn man sie wieder vornähme (… placent, si retractentur, Plin. ep. 1,16,2). Dass retracto (im Kontext von schriftlichen Medien eigentlich das Wiedervornehmen und schriftliche Überarbeiten, das freilich die wiederholte Lektüre impliziert) 293 hier die individuell-direkte Lektüre der (vermutlich publizierten) Redemanus‐ kripte meint, kann durch andere Stellen gestützt werden: „Du wirst dieselbe Empfindung haben wie ich, wenn Du seine Reden zur Hand nimmst (cum orationes eius in manus sumpseris), die Du ohne weiteres jedem beliebigen Klassiker, in denen er sein Vorbild sieht, an die Seite stellen wirst“ (Plin. ep. 1,16,3, Üb. K A S T E N ). 294 Ähnlich verwendet übrigens Quintilian (inst. or. 10,1,20) das Verb resumo, wenn er dazu auffordert, dass ein durchgelesenes Buch (perlectus liber) erneut vorzunehmen, also zu lesen sei. Cicero schreibt in einem Brief an Atticus, er habe die Verfassung Pel‐ lenes in der Hand (Πελληναίων in manibus tenebam) 295 und einen großen Haufen von Dicaearchs Büchern vor seinen Füßen aufgeschichtet (vgl. Cic. Att. 2,2,2). Diese selbstporträtierende und literarisch inszenierte Leseszene impliziert eindeutig das Konzept individuell-direkter Lektüre der genannten Schriften und suggeriert den (zumindest für die römische Oberschicht der Kaiserzeit und für antike Maßstäbe weitgehend zutreffenden) „Eindruck nahezu unbegrenzter Bücherressourcen“ 296 . Lukian berichtet von einem Besuch bei dem Platonischen 177 3.5 Lesen als haptischer Umgang mit dem Medium die Formulierung „Bücher benutzen“ (libris utor) metonymisch für „lesen“. S. ferner die Rückprojektion des Topos vieler Bücher in den Mythos bei Alexis, Linus fr. 140: Athen. deipn. 4,57 (164b/ c). 297 „Du hältst also ein Buch in der Hand und liest es beständig (καὶ σὺ τοίνυν βιβλίον μὲν ἔχεις ἐν τῇ χειρὶ καὶ ἀναγιγνώσκεις ἀεί), aber du verstehst nichts von dem, was du liest (τῶν δὲ ἀναγιγνωσκομένων οἶσθα οὐδέν), sondern du gleichst einem Esel, der die Ohren bewegend die Lyra hört“ (Lukian adv. ind. 4). Es ist zu betonen, dass der bildliche Vergleich (im Griechischen als erweiterte Metapher in der 2. Person Sg. formuliert) mit dem Esel, der einer Lyra zuhört, nicht impliziert, dass der Büchernarr, den Lukian vor Augen hat, seine Bücher vokalisierend liest. Denn verglichen wird ja die Rezeptionshaltung, die im bildlichen Vergleich gegenübergestellt wird, wobei die beiden Hälften des bildlichen Vergleichs klar voneinander getrennt bleiben müssen: Der Esel steht auf der einen Seite passiv vor dem/ der Lyraspieler/ in, kann die erzeugten Klänge mutmaßlich sinnlich wahrnehmen, aber versteht diese nicht als Musik; der ungebildete Büchernarr hat auf der anderen Seite (vielleicht sitzend vorzustellen) seine Rolle in der Hand (das Buch in der Hand entspricht im Vergleich der Lyraspieler/ in) und nimmt das Gelesene (zunächst in jedem Fall über das Auge) auf, versteht aber nichts von dem, was er liest (ἀναγιγνώσκω [! ]). Vgl. außerdem Lukian. adv. ind. 18. Philosophen Nigrinus, den er vor einem Tisch mit geometrischen Figuren und umgeben von Büsten weiser Männer mit einem Buch in der Hand, also lesend vorfindet: καὶ παρελθὼν εἴσω καταλαμβάνω τὸν μὲν ἐν χερσὶ βιβλίον ἔχοντα (Lukian. Nigr. 2). Sowohl diese Formulierung als auch die Tatsache, dass Lukian trotz der sehr detaillierten Beschreibung der Leseszene keine Angaben über eine vermeintliche stimmliche Realisierung des Gelesenen macht, lässt darauf schließen, dass Nigrinus nicht-vokalisierend gelesen hat. Diese Szene hat eine gewisse Ähnlichkeit zum eingangs zitierten locus classicus bei Augustinus (conf. 6,3), nur dass Nigrinus nicht wie Ambrosius (still) weiterliest, sondern ein Gespräch mit Lukian anfängt. Lukian verwendet das Motiv des „Buch-in-der-Hand-Haltens“ an anderer Stelle ähnlich wie ἀνελίσσω (s. o.), um die Lektüre des „ungebildeten Büchernarrens“ zu diskreditieren. 297 Tacitus berichtet, dass er von älteren Leuten gehört habe, diese hätten „öfters zwischen den Händen Pisos eine Sammlung von Briefen gesehen, die er selbst nicht habe bekannt werden lassen (inter manus Pisonis libellum quem ipse non vulgaverit); aber seine Freunde hätten wiederholt behauptet, ein Brief des Tiberius mit Aufträgen gegen Germanicus sei darin enthalten“ (Tac. ann. 3,16,1; Üb. angelehnt an H E L L E R ). Die Formulierung inter manus impliziert, dass Piso bei der individuellen Lektüre der Briefe beobachtet worden ist; die Negation von vulgo (nicht zum Gemeingut machen) deutet an, dass er dabei seine Stimme zumindest für die Zusehenden nicht wahrnehmbar eingesetzt hat. Dass die Freunde wissen, dass ein Brief des Tiberius in der Sammlung enthalten gewesen ist, kann darauf zurückzuführen 178 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 298 Vgl. zu diesem spezifischen Wortgebrauch Quint. inst. or. 1 prooem. 7; Mart. 10,93; Suet. vir. ill. 8,2. 299 S. aber auch Plin. ep. 7,30,4 f. S. zur Stelle N E G E R , Adressaten, 246. 300 Vgl. z. B. Athen. deipn. 4,57 (164b): CAF 3, Anaxippos Fr. 1; 9,68 (404b) u. ö.; 14,81 (662c): CAF 3, Bato Fr. 4; Diog. Laert. 7,7,180: SVF 2, Chrysippus Fr. 1; Orig. Cels. 4,52 f; Aug. c. Iulian. praef.; retract. 2,42; Conf. 4,16; Greg. Naz. or. 2,48 (PG 35, p. 456); Ioh. Chrys. in Mt. hom. 2,6 (PG 57, p. 30,51 f); Tac. dial. 3; bei Quint. inst. or. 10,4,3, auch als Metonymie für das Schreiben. sein, dass Piso dieses Wissen mit ihnen geteilt hat oder möglicherweise die Texte sogar zusammen mit ihnen gelesen hat. Letzteres würde aber zwingend bedeuten, dass vulgo an dieser Stelle tatsächlich im Sinne von einer Veröffent‐ lichung für eine breite politische Öffentlichkeit stünde. 298 Dies kann hier jedoch nicht weiter verfolgt werden. Besonders deutlich auch im Hinblick auf die Aneignung von Texten bezüglich der Produktion neuer Texte wird die metonymische Verwendung dieses Motivs z. B. in der praefatio der Attischen Nächte von Aulus Gellius, 299 der bei seiner Reflexion der Anordnung seiner Stoffe die lesende Rezeption vom Hören abgrenzt und seine Exzerptpraxis erläutert: „Wenn ich nun also gerade ein griechisches oder lateinisches Buch las (… ut liberum quemque in manus ceperam seu Graecum seu Latinum) oder irgendetwas Wissens‐ wertes hörte (uel quid memoratu dignum audieram), so zeichnete ich mir nach Gutdünken alles nur mögliche ohne Ordnung und Unterschied auf und speicherte mir zur Unterstützung des Gedächtnisses eine Art Wissensvorrat (litterarum penus) in der Absicht ab, damit, wenn ich irgend einmal einen Gegenstand oder ein Wort brauchen sollte, was meinem Gedächtnis nicht gleich gegenwärtig und die Bücher, aus denen ich schöpfte, nicht gleich zur Hand sein sollten, ich doch das Nötige sofort auffinden und hervorholen könnte.“ (Gell. praef. 2; Üb. W E I S S [leicht modifiziert JH]). Die Liste mit Belegstellen ließe sich weiter fortsetzen. 300 Zuletzt sei noch eine Stelle aus Plautus’ Pseudolus angeführt, die sehr eindrücklich den haptischen Umgang mit einem Schriftstück illustriert und verschiedene Rezeptionsmodi impliziert. Im Prolog stellt der Sklave Pseudolus seinem Herren Calidorus die folgende Frage, weil er wahrnimmt, dass Calidorus etwas bekümmert: quid est quod tu exanimatus iam hos multos dies gestas tabellas tecum, eas lacrumis lavis, neque tui participem consili quemquam facis? „Warum denn trägst die letzten Tage so verstört den Brief du bei dir stets und badst in Tränen ihn, gönnst Anteil niemandem an dem, was dich bewegt? “ (Plaut. Pseud. 9-11; Üb. K L O T Z ) 179 3.5 Lesen als haptischer Umgang mit dem Medium 301 Vgl. B E E K S , EDG, 500 f. Das Verb gesto (tragen) fungiert in Verbindung mit der hyperbolischen Metapher des „Badens in Tränen“ (V. 10) als Umschreibung einer individuell-direkten Leseszene, die Pseudolus beobachten konnte: Sein Herr hat einen Brief (auf Wachstafeln) in der Hand und liest ihn mehrfach mit Tränen in den Augen, wobei er seinen Kopf gebeugt über das Schriftstück hält. Die Negation bezüglich des Verbes participo in V. 11, aber auch die Tatsache, dass Pseudolus der Inhalt trotz des Leseaktes vor seinen Augen noch unbekannt ist (vgl. Plaut. Pseud. 13- 19), impliziert eindeutig, dass Calidorus den Brief ohne stimmliche Realisierung gelesen hat. Im Folgenden (Plaut. Pseud. 20) gibt Calidorus den Brief dann an seinen Sklaven. Bevor dieser ihn vokalisierend vorliest (Plaut. Pseud. 41), macht er sich zunächst über das schlechte und unleserliche Schriftbild lustig (Plaut. Pseud. 22-30) und diskutiert mit seinem Herrn (Plaut. Pseud. 31-39). Die Wortbeiträge von Pseudolus in dieser Diskussion zeigen, dass er zumindest Teile des Briefinhalts vor dem Verlesen schon rein visuell wahrgenommen hat (vgl. Plaut. Pseud. 35 f). Die vokalisierende Lektüre liegt nicht in der Notwendigkeit begründet, dass die stimmliche Realisierung für das Verstehen des Textes not‐ wendig gewesen wäre, sondern hat die dramaturgische Funktion, das Publikum vom Inhalt des Briefes nach dem Spannungsaufbau in den vorhergehenden Versen in Kenntnis zu setzen. 3.6 Lesen als Suchen bzw. Fragen Es existieren auch zahlreiche weitere Verben im Griechischen, mit denen die Rezeption von Texten bezeichnet wird und die - verstanden in einem weiten Sinne - in heuristischer Hinsicht einer Kategorie zugeordnet werden können, die sich grob mit dem Konzept Suchen und Finden bzw. Fragen und Antworten beschreiben lässt. So impliziert das erste hier zu betrachtende Lexem ζητέω, das durchaus ein breites Bedeutungsspektrum aufweist ([unter]suchen, [er]forschen, fragen, aufspüren, sich bemühen, verlangen), dass man dem zu Untersuchenden, also z. B. dem Sachverhalt oder eben dem Text, mit einem bestimmten Erkenntnisinteresse bzw. einer Frage entgegentritt. Aus Gründen der Komplexitätsreduktion wird im Folgenden nur die Verwendungsweise in Bezug auf Schriftmedien/ Texte untersucht. Das Verb ζητέω, dessen Etymologie nicht eindeutig ist, 301 gilt als altgrie‐ chischer terminus technicus für das/ die philosophische Untersuchen/ Untersu‐ 180 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 302 Vgl. G R E E V E N , Art. ζητέω, 894-989. Aristot. top. 1,100a zeigt exempl., dass es auch die schriftgebundene Untersuchung meinen kann. Unklar beibt dagegen z. B., ob die Formulierung ζ. τι τῶν ἐν τοῖς ἱεροῖς γράμμασιν (Philo cont. 75) voraussetzt, dass das Schriftmedium in der erzählten Welt des Textes vorauszusetzen ist. 303 Vgl. z. B. die Suche nach Buchtiteln bei Polyb. 12,11,8. 304 Vgl. neben den im Folgenden aufgeführten Beispielen exempl. P.Oxy. 2 237,6,40 f: „Der [scil. Stratege] aber war nicht nachlässig, sondern untersuchte die Sache sorgfältig in Übereinstimmung mit den Verantwortlichen für die Archive [der Land‐ verpachtung] und erstattete der politischen Führung über jede Sache durch einen Brief Bericht (… ἐ[ζ]ήτησεν ἀκρειβ[ῶ]ς [τὸ πρ]ᾶγμα ἐκ τῶν βιβλιοφ[υ]λάκ[ω]ν καὶ τῇ ἡγεμονίᾳ περὶ παντὸς διʼ ἐπιστολῆς ἀνήνεγκεν); “ Men. Rhet. epideikt. 1,336: „Investigation (ζητῶν) will confirm that this practice is maintained in the poets“ (Üb. R U S S E L L / W I L S O N ). Vgl. außerdem Ios. ant. 11,4,6 (98); Hippol. de Antichristo 1; adv. haer. 5,17,8. 305 Vgl. außerdem Clem. Al. strom. 1,29,182: „Suchet ihn [scil. den Bund] nicht in einer Schrift (μὴ ζητεῖν αὐτὴν ἐν γραφῇ).“ 306 Zu Polyb. 11 prooem. 2 s. o. S. 123. chung, das/ die auch schriftgebunden sein kann. 302 Philosophisches Untersuchen ist nicht zwingend mit Lesen verbunden und es finden sich Belegstellen, an denen das Verb eindeutig und ausschließlich die „Suche“ im Kopf meint. 303 Das Verb wird aber genauso eindeutig dazu verwendet, um die Suche oder das Forschen nach etwas zu bezeichnen, wofür etwas Schriftliches konsultiert werden muss. 304 In Demosthenes’ Rede gegen Timotheos ist formuliert, in einer Art Schuldenregister bei einer Bank, die Einträge von Timotheos’ Schulden zu suchen und abzuschreiben (… ζητεῖν τὰ γράμματα καὶ ἐκγράφεσθαι …; Demosth. or. 49,43). Bei Aristot. pol. 3,1287a beschreibt das Verb Phänomen, dass Patienten medizinische Behandlungen in Büchern konsultieren, wenn sie dem Arzt misstrauen. In 1Esdr 5,38 geht es darum, dass bestimmte Personen, die Anspruch auf das Priestertum erhoben haben, des‐ halb von der Ausübung desselben ausgeschlossen wurden, weil „deren Ab‐ stammungsschrift im Verzeichnis gesucht (ζητηθείσης τῆς γενικῆς γραφῆς ἐν τῷ καταλοχισμῷ) und nicht gefunden wurde“. 305 Im Prooemium des elften Buches von Polybios’ Historien meint das Verb das suchende „Nachschlagen“ in der Rolle, also ein informationsentnehmendes Leseinteresse. 306 Einer der Teilnehmer des Gelehrtengesprächs bei Athenaios formuliert, er habe nach Diskussionen über die menschliche Natur in den Werken Brysons von Herakleia gesucht (ζητέω), aber nur Beschreibungen von Symposien und unangemessene erotische Dialoge gefunden (εὑρίσκω), welche eine Gering‐ schätzung zukünftige Leser zum Ausdruck brächten (vgl. Athen. deipn. 11,118 [508d]). Aufschlussreich ist sodann eine Bemerkung im Vorwort von Kyrills Johanneskommentar, der im Vorwort direkt vor dem Kapitelverzeichnis des 181 3.6 Lesen als Suchen bzw. Fragen 307 G O L D M A N N , Textgeschichte (Lit.). 308 z. B. in Barn 11,1: „Lasst uns aber untersuchen (ζητήσωμεν …), ob dem Herrn daran gelegen war, über das Wasser und über das Kreuz im Voraus etwas zu offenbaren.“ Es folgen zahlreiche Schriftzitate, anhand derer diese Frage untersucht wird. Vgl. auch Barn 16,6. 309 Vgl. außerdem Orig. Cels. 6,7; princ. 4,2,5 u. ö. Eindeutig nicht im Sinne von „lesen“ verwendet Origenes das Verb in Cels. 8,76, wenn er Ambrosius dazu auffordert, er möge das von Celsus angekündigte zweite Buch suchen und ihm zuschicken (ζήτησον καὶ πέμψον τὸ σύγγραμμα), wenn dieses erschienen sei. 310 Vgl. Clem. Al. strom. 7,15,92. 311 Vgl. Eus. h. e. 2,18,1, der exegetische Schriften Philons unter Verwendung des Präsenspar‐ tizips von ζητέω als „schriftliche Untersuchungen“ - zugleich ein schriftlich fixiertes Leseergebnis als auch eine Leseanweisung - bezeichnet. Vgl. bei Philo exempl. schon cont. 75. ersten Buches deren Funktion erklärt: Sie seien dafür da, den Lesern zu ermöglichen, das Gesuchte sehr einfach zu finden (πρὸς τὸ καὶ λίαν ἑτοίμως ἀνευρίσκεσθαι τοῖς ἐντευξομένοις τὸ ζητούμενον; Kyr. Alex. com. in Ioh. prooem. [Ed. P U S E Y , p. 7,19 f]). Ein gutes Beispiel für Kapitellisten findet sich z. B. im Codex Amiatinus. 307 Dort sind die kurzen Kapitelzusammenfassungen (die sog. Capitula Amiatina) mit Zahlen versehen, die wiederum auf eine Sektionszahl verweist, die an derjenigen Stelle im Text angebracht ist, auf welche der jeweilige Eintrag verweist. Das Verb findet sich analog auch in leserlenkenden Anmerkungen. 308 Besonders hervorzuheben sind solche Querverweise innerhalb von Werken, die mehrere Rollen umfassen, und eine nicht sequentielle Lektüre erfordern. Beispielhaft zu verweisen ist auf eine leserlenkende Formulierung „wie im ersten Buch zu finden“ (ὡς … ἐν τῷ πρώτῳ βιβλίῳ ζητηθὲν; Gal. dig. puls. 3,74 [ed. K ÜHN 8, p. 903,7 f]) bei Galen. Ganz eindeutig wird das Verb ζητέω auch im Sinne von „einen Text/ ein Buch etc. intensiv studieren/ lesen“ verwendet. So findet man schon beim Athener Dichter der neuen Komödie, Anaxippos, den folgenden Satz: „Am frühen Morgen wirst du sehen, wie ich Bücher in den Händen halte, und das untersuche, was mein Handwerk betrifft“ (τὸν ὄρθρον ἐν ταῖς χερσὶν ὄψει βιβλία ἔχοντα καὶ ζητοῦντα <τὰ> κατὰ τὴν τέχνην; Athen. deipn. 9,68 (404b): CAF 3, Anaxippos Fr. 1). Wenn Origenes mit Verweis auf den griechischen Titel des Sprüchebuches (ἐπιγέγραπται γὰρ τὸ βιβλίον Παροιμίαι; Orig. Cels. 4,87), den er gleichsam als Leseanweisung versteht, sagt, er untersuche diese wie Rätsel (ζητῶ ταῦτα ὡς αἰνίγματα; Orig. Cels. 4,87) und damit Worte aus dem Sprüchebuch meint, dann liegt es nahe, ein intensives Studium des Textes vorauszusetzen. 309 Im Sinne eines exegetischen Untersuchens verwenden z. B. auch Clemens von Alexandria 310 , Euseb 311 und Chrysostomos das Verb. So schreibt letzterer bezüglich 2Tim 4,9-13: „Es lohnt sich, zu untersuchen, warum 182 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 312 Μετ’ ἐκείνην ἐν τῇ δευτέρᾳ ἡμέρᾳ ἐζητήσαμεν τίς ἦν ὁ τὸ βιβλίον γράψας·καὶ εὕρομεν τῇ τοῦ Θεοῦ χάριτι Λουκᾶν τὸν εὐαγγελιστὴν … (PG 51, p. 91,5-8). Wie genau Chrysostomos das gesamte NT nach Querverweisen auf Lukas durchsucht hat, zeigt z B. Ioh. Chrys. in Act. hom. 1 (PG 60, p. 1, 5). 313 Vgl. B E E K S , EDG, 455 f. 314 Vgl. dazu mit Verweisen auf die Quellen D E L L I N G , Art. ἐρευνάω. 315 An den meisten Belegstellen bedeutet das Verb bei Philon allgemein „untersuchen“, ohne dass ein konkreter Bezug zu Schriftmedien hergestellt wird. 316 Vgl. Philo det. 13: „Wenn du, oh mein Denkvermögen, in dieser Weise sowohl die als heilig geoffenbarten Worte Gottes als auch die Gesetze gottgeliebter Menschen untersuchst, …“ Vgl. auch Philo det. 141. 317 Vgl. z. B. Philo congr. 44: „Wenn wir die Namen [i. e. von Nachor und seinen Frauen] in unsere Sprache übersetzen, werden wir erkennen, daß sich die Verheißung bewahr‐ heitet. Laßt uns nun jeden einzelnen Namen untersuchen (φέρ᾽ οὖν ἕκαστον αὐτῶν ἐρευνήσωμεν).“; vgl. auch Philo Cher. 14; sacr. 52 u. ö. der Apostel den Timotheus zu sich ruft …“ (Ἄξιον ζητῆσαι πῶς καλεῖ τὸν Τιμόθεον πρὸς ἑαυτὸν …; Ioh. Chrys. in 2 Tim. hom. 10,1 [PG 62, p. 655]). Auch wenn er in Act. princ. hom. 3 sagt, er habe am zweiten Tag untersucht, wer das Buch (scil. Act) geschrieben habe, und er Lukas als Autor identifizieren konnte, 312 wird er dafür wohl mindestens die beiden Prologe des lukanischen Doppelwerkes gelesen haben. Das Verb ἐρευνάω ist etymologisch verwandt mit ἔιρομαι (fragen; *indoeuro‐ päisch: h 1 reu-) 313 und ist daher dem semantischen Feld „Frage-Antwort-Dialog“ mit dem Text zugeordnet worden. Für ἐρευνάω hat G. Delling im ThWNT vier Bedeutungsdimensionen herausgearbeitet: a) nachspüren, erschnüffeln; b) durchsuchen, durchstöbern; c) einem Sachverhalt nachspüren, durch Verhör untersuchen (besonders im gerichtlichen Kontext), ausforschen; d) genau prüfen, einer Frage bis ins Detail nachgehen (besonders in wissenschaftlichen Kontexten). 314 Im Rahmen der Bedeutungsdimension d) kann das Lexem auch ein durch ein bestimmtes Erkenntnisinteresse gesteuertes Lesen bezeichnen. Besonders eindrücklich ist eine Stelle bei Philon, 315 an der er mit dem Lexem ἐρευνάω die kognitive Verarbeitung des Lesens der Schrift mit dem Denkvermögen/ Verstand (διάνοια) präzise benennt. 316 Philon verwendet das Verb ferner auch zur Leser‐ lenkung. 317 In Joh 5,39 sagt Jesus über die Ioudaioi, sie erforschten die Schrift (ἐραυνᾶτε τὰς γραφάς), weil sie meinten, in ihnen das ewige Leben zu haben (s. auch Joh 7,52). In der patristischen Literatur wird ἐρευνάω schon im 2. Jh. als Leseterminus verwendet (s. u. S. 524 f). 183 3.6 Lesen als Suchen bzw. Fragen 318 Vgl. dazu B E E K S , EDG, 473. 319 Vgl. die Belege im LSJ und bei M O N T A N A R I , BDAG, 722. 320 Vgl. neben den im Folgenden genannten Stellen z. B. Orig. Cels. 7,30. 321 S. o. Anm. 240, S. 164. 322 Vgl. z. B. Dion. Hal. ant. 5,8,2 (s. dazu u. S. 205); Ps.-Long. 7,1 (s. dazu o. S. 137); Hld. 4,8,1 (s. dazu o. S. 135 f); 1Makk 12,21; Dan 12,1 LXX; Cass. Dio 55,25,6; Lukian. Alex. 32; Herm. 38 f; Athen. deipn. 11,118 [508d; s. o. S. 181]. Josephus schreibt am Ende des zehnten Buches seiner Antiquitates Judaicae, er habe alles so aufgeschrieben, wie er es in der Schrift gefunden und gelesen habe (ὡς εὗρον καὶ ἀνέγνων; Ios. ant. 10,11,7 Das Verb ἐξετάζω ist als Derivat von ἐτάζω, das wiederum eine denominale Ableitung von ἐτός darstellt, etymologisch verwandt mit ἀληθής und ἀγαθός und hat als Grundbedeutung „die Wahrheit herausfinden“. 318 In zwischen‐ menschlichen Relationen bezieht sich ἐξετάζω auf ein verbales Geschehen oder ein visuelles Mustern/ Inspizieren/ Untersuchen. 319 Aber auch als Leseterminus (einen Text untersuchen, erforschen, ausforschen) ist das Verb breit bezeugt. Einige Stellen können dies exemplarisch verdeutlichen. Schon in Platons Phaidros wird das Verb an einer Stelle als Leseterminus gebraucht, an der Sokrates vorschlägt: „Wie verhält es sich also mit dem Schön- und Un‐ schön-Schreiben? Phaidros, wir sollten einmal den Lysias in dieser Sache überprüfen, und wer immer sonst etwas geschrieben hat (… Λυσίαν τε περὶ τούτων ἐξετάσαι καὶ ἄλλον ὅστις πώποτέ τι γέγραφεν) …“ (Plat. Phaidr. 258d; Üb. B U C H W A L D ), worauf hin Phaidros antwortet: „Du fragst, ob wir sollten? Weswegen lebt man denn, sozusagen, wenn nicht um solcher Genüsse willen? “ (Plat. Phaidr. 258e; Üb. B U C H W A L D ). Der Kontext belegt eindeutig, dass der Name Lysias metonymisch für die durch Lektüre zu überprüfenden Reden steht, die schriftlich vorliegen. Als Leseterminus ist es auch in antiken christlichen Schriften gut bezeugt: 320 Athenagoras überlässt es seinem postulierten Adressaten, „diese Schriften [Propheten des AT] zu konsultieren und die Aussprüche jener Propheten genau zu überprüfen (… τῶν βιβλίων γενομένοις ἀκριβέστερον τὰς ἐκείνων ἐξετάσαι προφητείας)“ (Athenag. suppl. 9,3). Wie schon bei anderen Stellen 321 deutet die Verwendung des Adjektivs ἀκριβής auf eine vertiefte, intensive Lektüre zu Studienzwecken hin. Ähnlich argumentiert auch Origenes: „Für denjenigen, der den Geist unserer Schriften ganz untersucht (… ῷ ἐξετάζοντι ὅλον τὸ βούλημα τῶν ἡμετέρων γραμμάτων …), ist klar, dass Celsus … Pseudobehauptungen ohne Prüfung (ἀνεξέταστος) erhebt.“ (Orig. Cels. 3,53). Das Adverb ἀνεξέταστος meint in diesem Kontext ohne Lektüre der christlichen Schriften. In Iul. ep. 25 [428b] ist ein genaues, auf Fehler hin prüfendes Lesen gemeint. Ebenfalls zum Bereich „Lesen konzeptualisiert als Suchen“ zuzuordnen ist das Verb εὑρίσκω, das, als Leseterminus gebraucht, gleichsam das Ergebnis bzw. Resultat suchender Zugänge zu Texten beschreibt, 322 im Sinne von „verstehen“ 184 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische [281]). Die beiden Verben εὑρίσκω und ἀναγιγνώσκω werden hier zwar nicht synonym gebraucht, bezeichnen aber unterschiedliche Aspekte der Lektüre von Josephus, die er studierend als Grundlage für seine eigene Textproduktion durchgeführt hat. S. außerdem Ios. ant. 11,4,7 [104]. 323 Vgl. z. B. Arist. apol. 16,4 [SC 470] (s. u. S. 524); Orig. Cels. 2,20; 4,52. 324 Vgl. Diod. 6, fr. 9: „Dieser nahm den Brief entgegen und fand darin geschrieben (εὑρεῖν ἐν αὐτῇ γεγραμμένον), …“; s. außerdem: Acesander: FGrH 3b 469 F 7; Plut. Dem. 30,1; Ps.-Plut. X orat. 8 (mor. 847a); u. ö.; App. Mithr. 5,31 [123]; Esdr 2 17,5; 18,14; 21; Gal. alim. fac. ed. Kühn 6, p. 514,2; plen. ed. Kühn 7, p. 530,4 u. sehr viel öfter; Clem. Al. strom. 5,14,122; 6,6,5. 325 Vgl. z. B. Demosth. or. 18,218; Ios. ant. 11,4,7 [105]; BGU 2 615,21.; Polyain. strat. 5,2,12; s. außerdem die Verwendung von καταμανθάνω in Polyain. strat. 7 praef. 326 Vgl. z. B. Ios. ant. 12,2,12 [100]; Iust. Mart. apol. 1,28,1 (s. o. in diesem Abschnitt); Iul. ep. 50 [444b]; v. a. Lib. or. 1,148, der mit dem Verb beschreibt, wie er in einer schönen und leichten Ausgabe von Thukydides Historien mit kleiner Schrift immer wieder gelesen hat. 327 Vgl. TestAbr B 10,11 f (hier eindeutig in einem Buch; z. St. weiterführend A L L I S O N , Abraham, 254 ff). 328 Plutarch formuliert, dass „die zuerst Rezipierenden und Untersuchenden“ (οἱ πρώτως ἐντυγχάνοντες καὶ ἱστοροῦντες) den Historikern für die Schönheit ihrer Darstellung historischer Taten zu Dank verpflichtet sind. Vgl. Plut. de glor. Ath. 3 (mor. 347d/ e). (Es sei darauf hingewiesen, dass im nachfolgenden Text an dieser Stelle durch eine Kon‐ jektur, die von J. N. Madvig stammt, auch in den Übersetzungen von O S I A N D E R / S C H W A B und von G O O D W I N eine Vorlesesituation hineinprojiziert wird, die vom griechischen Text nicht gedeckt sind. Gerade die Verwendung des Verbes ἱστορέω deutet m. E. darauf hin, dass an individuell-direkt Rezipierende gedacht ist, bei der die Taten entweder durch vokalisierende Lektüre real mit dem Ohr [ἀκοή] wahrgenommen werden, oder Plutarch ἀκοή hier sogar im übertragenen Sinne für die Wahrnehmung bzw. die kognitive Verarbeitung des Gelesenen nutzt. Für eine sichere Entscheidung ist der griechische Text jedoch zu korrupt.) 329 Vgl. z. B. Ios. ant. 10,10,4 [210] (s. dazu u. S. 375). 330 Vgl. z. B. Philo spec. 1,214; Ios. ant. 11,2,2 (27). verwendet wird, 323 aber auch einfach dazu genutzt wird, eine Lesefrucht einzu‐ führen bzw. ein Zitat zu markieren. 324 Ähnlich kann im Übrigen auch μανθάνω das Ergebnis eines Rezeptionsaktes (z. B. aus einem Brief), 325 v. a. aber selektiver und intensiver Zugriffe auf Texte, 326 also die Inhaltsentnahme, das Verstehen, die kognitive Verarbeitung beim Lesen bezeichnen. Weitere Verben müssten im Hinblick auf das unter diesem Punkt be‐ sprochene Konzept weitergehend angeschaut werden: ἀναζητέω (aufsuchen, durchforschen), 327 ἐκζητέω (untersuchen), ἐπιζητέω (aufsuchen), ἱστορέω (er‐ forschen, erkunden, untersuchen), 328 πολυπραγμονέω (genau erforschen), 329 ἐπισκέπτομαι (etw. untersuchen, prüfen), 330 μαστεύω (suchen, aufspüren, for‐ 185 3.6 Lesen als Suchen bzw. Fragen 331 Xen. symp. 4,27: „Habe ich dich doch selbst dabei gesehen […], wie ihr beide beim Griechischlehrer im selben Buch etwas suchtet und du, Kopf an Kopf mir Kristobulos, mit deiner bloßen Schulter die seine berührtest“ (Üb. S T Ä R K ). 332 Vgl. z. B. Aug. de Gen. ad litt. 8,2; Conf. 6,11; in Joh. tract. 112,1 (hier formuliert er, man müsse „nicht in diesen Reden suchen, sondern in anderen viel mühsameren Schriften“ [non in his sermonibus, sed in aliis laboriosis litteris quaerat]; vermutlich spielt er auf den Schwierigkeitsgrad der Texte an). 333 Z. B. verwendet Aulus Gellius quaero und reperio als Lesetermini und bezeichnet damit das „Nachschlagen“ einer bestimmten Stelle in einem Buch, setzt also einen selektiven Zugriff darauf voraus. Vgl. Gell. 18,4,11. 334 Amm. res gestae 15,8,16; Quint. inst. or. 10,1,20 (s. zu diesen beiden Quellen 3.3); Columella rät, „die Fachliteratur der Alten eifrig zu studieren (commentarios antiquorum sedulo scrutetur) und genau zu erwägen, was jeder von ihnen denkt und vorschreibt“ (Colum. 1,1,3), verwendet hier also scrutor eindeutig als Leseverb und setzt intensive und mehrere Texte vergleichende individuell-direkte Studienlektüre voraus. 335 Vgl. dazu V A L E T T E -C A G N A C , lecture, 34 ff; H Ö S C H E L E , Traveling; H Ö S C H E L E , Muse, 100- 146. S. oben schon die Ausführungen zu Diog. Laert. 9,1,16, unter 3.5 (S. 170). 336 Vgl. z. B. H Ö S C H E L E , Muse, 100 f.104 u. ö. 337 Schon für Martial, auf den R. Höschele sich maßgeblich bezieht, ist ja belegt, dass er seine Epigrammata in Kodexform publiziert hat (s. o. Anm. 33, S. 101). Für die spätantike Verwendung im Hinblick auf Kodizes vgl. die entsprechenden Quellen in Anm. 338, S. 187. schen) 331 und die lateinischen Lexeme quaero, 332 reperio, 333 scrutor, 334 u. v. m. Dies kann aber im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden. 3.7 Lesen als Bewegung Lesen wird in der antiken Mittelmeerwelt sodann vielfach mit dem Konzept „Bewegung“ konzeptualisiert, wobei das in der Forschung bekannte Konzept des Lesens als Reise darunter zu subsumieren ist. 335 Im Folgenden ist die weite Verbreitung des Konzepts, seine Spezifika und seine Implikationen für antike Lesepraktiken anhand einiger wichtiger Verben und aussagekräftiger Quellen herauszuarbeiten. Vorab sei aber schon darauf hingewiesen, dass sich die These eines kausal-relationalen Verhältnisses der Bewegungsmetaphorik und dem Medium der Rolle 336 in den Quellen schwer nachweisen lässt. Diese These einer Korrelation ist außerdem v. a. deshalb zu hinterfragen, weil das Konzept (in der Spätantike) definitiv auch im Zusammenhang mit Kodizes verwendet wird 337 und auch in der heutigen Beschreibungssprache des Lesens noch zu finden ist (überspringen, überfliegen usw.). Ein gängiges Verb, das im Griechischen (vielfach auch für die Literatur der Alten Kirche bezeugt) Lesen als Bewegung konzeptualisiert, ist διέρχομαι 186 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 338 Vgl. neben den im Folgenden zu besprechenden Quellen exempl. Artem. on. 2,45; Pappos Synagoge 4,52 [ed. H U L T S C H , p. 298,5]; Eus. h. e. 5,24,7 (die ganze Heilige Schrift gelesen zu haben); Epiph. Panar. 30,11,5 (individuelle Lektüre der Evangelien, die zum Lesen vom Bischof ausgeliehen wurden [30,11,3] im Haus). In kollektiv-indirekten Rezeptionssituationen kann das Verb auch das gemeinsame Durcharbeiten/ Besprechen bezeichnen. Vgl. z. B. Xen. mem. 1,6,14; Plat. Tht. 143a-c. (hindurchkommen, durchgehen/ -laufen, bis ans Ende kommen). 338 Dionysios von Halikarnassos beschreibt in seiner äußerst aufschlussreichen Reflexion des Leselernprozesses in der Antike das geübte Lesen oder Vorlesen als stolperfreies Hindurchgehen durch einen Text mit Leichtigkeit und Schnelligkeit (vgl. Dion. Hal. comp. 25; diese Stelle wird unten unter 4.2 ausführlich zu besprechen sein). Eine sehr aufschlussreiche Stelle findet sich in einem bei Athenaios überlieferten Fragment des Komödiendichters Platon (Athen. deipn. 1,8 [5b]), der eine Szene bei einem Gemeinschaftsmahl darstellt, bei dem jemand in der Einsamkeit des Gemeinschaftsmahls ein Buch für sich selbst durchgehen will (ἐγὼ δ᾽ ἐνθάδ᾽ ἐν τῇ ἐρημίᾳ τουτὶ διελθεῖν βούλομαι τὸ βιβλίον πρὸς ἐμαυτόν). Dann wird er aber von einer anderen Person gefragt, um was für ein Buch es sich handle und liest daraufhin aus „einem neuen Kochbuch von Philoxenus“ exemplarische Passagen vor. Die Szene impliziert eindeutig das Konzept nicht-vokalisierender individuell-direkter Lektüre (freilich reflektiert ironisch gebrochen; in einem Kontext, in dem diese Form von Lektüre eigentlich nicht möglich ist), da der Fragende sonst zumindest erkannt hätte, um was für eine Art Buch es sich handelt, und da außerdem das folgende Vorlesen von Ausschnitten (sequentiell-selektiv; vgl. Athen. deipn. 1,8 [5b / c]) aus dem Buch sonst redundant wäre. Plutarch berichtet, dass Pompeius nach dem Sieg über Mithridates VI. im 3. Mithridatischen Krieg dessen private Geheimdokumente in einer Festung am Lykos fand und diese „nicht ohne Vergnügen durchging (διῆλθεν οὐκ ἀηδῶς), da sie vieles enthielten, das den Charakter des Königs offenbarte“ (Plut. Pomp. 37). Unter den Schriftstücken waren u. a. Aufzeichnungen von seinen Träumen und erotische Korrespondenz mit Monime, auch Kopien von den Briefen an sie. Pompeius hat diese Texte offenbar nicht nur aus dienstlichem Interesse gelesen, sondern sich damit auch unterhalten. Dass Plutarch mit dem Verb individuell-direkte Lektüre zum Ausdruck bringt, zeigt sich eindeutig in der Biographie des jüngeren Cato, der vor seinem Selbstmord nach dem Essen allein in seinem Schlafgemach Platons Phaidon „schon zum Großteil durchgegangen war“ (διελθὼν τοῦ βιβλίου τὸ πλεῖστον καὶ ἀναβλέψας; Plut. Cato min. 68), als 187 3.7 Lesen als Bewegung 339 Er wendet sich im Folgenden dem Buch wieder zu (πάλιν ἦν πρὸς τῷ βιβλίῳ; Plut. Cato min. 68) und liest es bis zum Ende (ἐξαναγιγνώσκω; ebd. S. o. Anm. 46, S. 118). Rezipiert bei Lact. inst. 3,18,8 unter der Verwendung des Verbes perlego. 340 Plutarch hat anscheinend einen Vortrag in der σχολή über die Schrift von Kolotes gehalten und darüber mit seinen Schülern eine philosophische Unterredung geführt. Plutarchs Schrift selbst stellt die Fortsetzung der Unterredung zwischen ihm und seinen Schülern beim Spaziergang im Gymnasion und später im Sitzen auf Bänken (Plut. non posse suav. 20 [mor. 1100e]) dar. 341 Vgl. Arist. 322, wo eindeutig individuell-direkte Lektüre vorausgesetzt ist, die man wohl auch auf die anvisierte Rezeptionsweise des Aristeasbriefes selbst beziehen darf: „Ich will aber versuchen, auch sonst noch Denkwürdigigkeiten aufzuschreiben, damit Du beim Hindurchgehen den schönsten Lohn für deinen Eifer erhälst“ (Üb. K. Brodersen). Vgl. weiterführend zur Diskussion der Frage nach den intendierten Adressaten des pseudepigraphen Aristeasbriefes W R I G H T III, Letter, 62-74 (Lit.). er bemerkte, dass sein Schwert nicht mehr an seinem Platz hing. 339 An anderer Stelle begründet Plutarch die Abfassung seiner Schrift Non posse suaviter vivi secundum Epicurum in Frontstellung gegen eine Schrift von Kolotes damit, dass er zeigen wolle, „dass man […] die Schriften derer, die man widerlegt, nicht bloß beiläufig durchgeht (τὰ γράμματα μὴ παρέργως διελθεῖν) und da oder dort Äußerungen herausreißen oder Aussprüche, die nicht in ihren Schriften stehen, angreifen darf, um den Unerfahrenen Sand in die Augen zu streuen“ (Plut. non posse suav. 1 [mor. 1086d]; Üb. angelehnt an O S I A N D E R / S C H W A B ). Plutarch unterstellt Kolotes hier mit polemischem Impetus eine oberflächliche und selektive Lektüre der von ihm zitierten Schriften. Dies bringt er mit der Metapher des beiläufigen Durchgehens zum Ausdruck. Im folgenden Dialog 340 sagt Aristodem, er sei kürzlich zufällig durch die Briefe Epikurs über den Tod des Hegesianax hindurchgegangen (ἔναγχος γὰρ κατὰ τύχην τὰς ἐπιστολὰς διῆλθον αὐτοῦ) - d. h. er hat sie individuell-direkt gelesen - und bereichert mit seinen Lesefrüchten die Diskussion (Plut. non posse suav. 20 [mor. 1101b]). Nicht das Lesen eines schriftlich in einem Medium fixierten Textes, sondern ein rein mentaler Prozess ist gemeint, wenn der Philosoph Athenodorus Au‐ gustus als Rat gibt, er solle, wenn er zürne, nichts sprechen und tun, als bis er die vierundzwanzig Buchstaben für sich durchgegangen sei (τέτταρα γράμματα διελθεῖν πρὸς ἑαυτόν)“ (Plut. mor. 207c). Der Kontext impliziert das Fehlen hörbarer stimmlicher Realisation. Vergleichbar zur Verwendung von διέρχομαι finden sich auch die Verb διαπορεύω, 341 διέξειμι (durchgehen, hindurchziehen) und ἔπειμι (durchgehen, 188 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 342 Plutarch benennt mit dem Verb ἔπειμι die Praxis eines individuell-direkten Lesers, der Stilblüten, Fehler und unzüchtige Passagen aus Homer, den Tragikern und Gedichten sammelt bzw. „herausnimmt“ (ἐκλαμβάνω), um diese selbst in einem Buch zusammenzustellen. Vgl. Plut. curios. 10 (mor. 520a/ b). 343 P. Roth weist bei seiner Übersetzung in einer Fußnote (S. 59, Anm. 46) darauf hin, dass αὐτά so zu lesen ist „als ob vorher nicht τὸν λόγον, sondern τὰ γεγραμμένα gesagt wäre“, also die schriftliche Verfasstheit hervorgehoben wird. 344 So R O T H , Panathenaikos, 172 f. durchwandern) 342 als Lesemetaphern in den Quellen. Isokrates bietet in seinem Panathenaikos (Isokr. or. 12,231) eine eindrucksvolle Beschreibung des Vorgehens bei der Ausarbeitung seiner Reden, in der ferner auch zum Ausdruck kommt, wie sich unterschiedliche Gemütszustände auf die Darstel‐ lungs- und Rezeptionsweise auswirken. Und zwar diktiert er eine Rede einem Sklaven, nachdem er durch diese mit Freude durchgegangen sei (ὃν ὀλίγῳ μὲν πρότερον μεθ᾽ ἡδονῆς διῆλθον). Vermutlich bezieht sich letzteres auf die Lektüre (und Überarbeitung) einer Vorfassung, die er womöglich auf Tafeln schriftlich vorkonzipiert hat. Beim diktierten Text handelt es sich um eine vermutlich auf Papyrusrolle ausgearbeitete Fassung der Rede, die er einige Tage später erneut liest und durchgeht (τριῶν γὰρ ἢ τεττάρων ἡμερῶν διαλειφθεισῶν ἀναγιγνώσκων αὐτὰ 343 καὶ διεξιών). Mit diesem zeitlichen Abstand fällt ihm einiges Negatives in der Darstellungsweise auf, was in ihm den Impuls auslöst, das Manuskript zu zerstören, woran ihn nur die viele Arbeit hindert, die er in die Ausarbeitung hineingesteckt hat (vgl. Isokr. or. 12,232). Die Verben ἀναγιγνώσκω und διέξειμι meinen hier denselben individuell-direkten Lesevorgang, wobei durch letzteres Verb eine gewisse evaluative und womöglich auf Korrekturen und Überarbeitung ausgerichtete Rezeptionshaltung zum Ausdruck gebracht wird. Dies wird im Folgenden dadurch bestätigt, dass Isokrates in or. 12,246 den oberflächlichen Lesern (τοῖς μὲν ῥᾳθύμως ἀναγιγνώσκουσιν) einer Rede die sorgfältig Hindurchgehenden (τοῖς δ᾽ ἀκριβῶς διεξιοῦσιν) gegenüberstellt. Und zwar sind dies solche, die nach „ihrem eigenen Ermessen, gerade so viel davon lesen und durchgehen (διέρχομαι), wie sie jeweils selber wollen“ (Isokr. 12,136; Üb. R O TH , leicht modifiziert JH), d. h. die den Text abschnittsweise durchgehen und mit zeit‐ licher Unterbrechung (z. B. zum Nachdenken) nur Portionen lesen. Dies ist wegen der von Beginn an von Isokrates angedachten besonderen Länge und planvoll gestalteten Gesamtkonzeption der Rede notwendig. 344 Diese drei Stellen zeigen im Übrigen, dass die von einigen Wissenschaftlerinnen und 189 3.7 Lesen als Bewegung 345 Vgl. H U D S O N -W I L L I A M S , Isocrates; U S E N E R , Isokrates, insb. 28 f. Denn an der Kardi‐ nalstelle in der Antidosis (Isokr. or. 15,12), die von ihnen angeführt, wird ebenfalls διέξειμι als Rezeptionsterminus verwendet: χρὴ δὲ τοὺς διεξιόντας αὐτὸν πρῶτον μὲν ὡς ὄντος μικτοῦ τοῦ λόγου καὶ πρὸς ἁπάσας τὰς ὑποθέσεις ταύτας γεγραμμένου ποιεῖσθαι τὴν ἀκρόασιν … Useners Interpretation, diese Stelle als Anweisung an einen vermeintlichen Vorleser zu verstehen, ist mit mehreren Schwierigkeiten verbunden. Die gravierendste Schwierigkeit besteht darin, dass in pragmatischer Hinsicht ein zweifacher Adressatenwechsel im Übergang von Isokr. or. 15,11 zu 15,12 und dann wiederum zu 15,13 anzunehmen wäre und, damit verbunden, zu fragen wäre, warum die Anweisung sich im Plural an „die Durchgehenden“ richtet, wo doch ein einzelner Vorleser im Blick sein müsste, und als Teil der (Vor)Rede mit vorzulesen wäre, die an dieser Stelle endet. (Angesichts der Formulierungen in 15,1.13 kann man auch nicht davon ausgehen, dass die eigentliche Vorlesung erst nach den Präliminarien zu beginnen wäre.) Die Formulierung ποιεῖσθαι τὴν ἀκρόασιν ist nicht so zu verstehen, dass „die Vorlesung abzustimmen“ sei auf die Mischform der Rede (so U S E N E R , Isokrates, insb. 28). Vielmehr soll derjenige, der den Text durchgeht, sein Hören, d. h. seine Aufmerksamkeit, darauf aufwenden. Die Elemente des Hörens bzw. diejenigen, die eine Situation des Vorlesens der Rede suggerieren, sind so zu verstehen, dass Isokrates seine lesenden Rezipienten in eine fiktive Vorlesebzw. Publikumssituation versetzt, wie dies schon G. Norelin in der Einleitung zu seiner Übersetzung für die LCL ausführt (191 ff) und auch von Teilen der Forschung vertreten wird. Vgl. K U R C Z Y K , Inszenierung, 45 (Lit.). Es kommt ferner hinzu, dass Belege dafür fehlen, Rezitationen, die auch in den Quellen aus dem klassischen Griechenland an die Präsenz des Autors gebunden sind (s. u. S. 276), als eigentliche und einzige Form der Publikation zu verstehen. Vgl. weiterführend F U N A I O L I , Art. Recitationes. Wissenschaftlern vertretene These, die publizierten Reden von Isokrates seien für die Rezitation vor Publikum bestimmt, kritisch zu diskutieren wäre. 345 Eine weitere aufschlussreiche Stelle findet sich in Eusebs Kirchengeschichte, der mit dem folgenden Satz ein längeres Zitat (Ios. bell. Iud. 5,12,3 f [512-519]) einleitet. „Hole das fünfte Buch der Geschichte des Josephus und nimm es wiederum zur Hand (μετὰ χεῖρας αὖθις ἀναλαβών), dann gehe die damaligen traurigen Ereignisse durch (δίελθε τὴν τραγῳδίαν)“ (Eus. h. e. 3,6,1). Auch wenn es sich hier um eine Zitateinleitung handelt und der Leser der Kirchengeschichte das Zitat im Folgenden aus dem ihm vorliegenden Text lesen kann, spiegelt sich in der Formulierung eine spezifische individuell-direkte Lesepraxis wieder, bei der (schon einmal gelesene) Bücher zu spezifischen Fragen in die Hand genommen und selektiv konsultiert werden. Da Euseb hier seine Leser mit imperativischen Formulierungen anspricht, kann man schlussfolgern, dass auch sein eigenes Werk für die individuell-direkte Lektüre konzipiert war. 190 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische Diodor nutzt das Verb διέξειμι an oben schon besprochener Stelle (Diod. 1,3,8; s. o. S. 124) zur Beschreibung individuell-direkter Lektüre von historiographischen Texten. Das Verb findet sich sodann als Leseterminus beim antiochenischen Astrologen Vettius Valens, der im 2. Jh. n. Chr. in seiner neunbändigen Schrift Anthologiae, im neunten Buch folgendermaßen über die anvisierte Rezeption reflektiert: „All of the preceding methods are effective and easily understandable to those who study them (χρηματιστικαὶ καὶ εὐκατάληπτοι τοῖς ἐντυγχάνουσίν) […]. I have set a table rich in learning and I have invited guests to the banquet (πλουσίαν οὖν μαθημάτων τράπεζαν αρασκευασάμενος συνεστιάτορας ἐπὶ τὸ σύνδειπνον ἀνακέκληκα.). Let those who wish to feast act with the physical assistance of the body, which helps them to use the nourishment not in a greedy or insatiable way, but only in so far as the victuals can provide reasonable pleasure. (What is consumed beyond the bounds of nature usually causes harm.) Now if any of the guests should wish to continue living unharmed, let him eat one or two courses, and he will be happy. […] if anyone spends some time on one or two of the preceding methods, he will find his goal to be easily grasped, and he will spend his time in pleasure and delight and will enjoy great repute. If, however, anyone is slow to understand what he reads, yet wishes in one day to run through two or three books, he will not discover the truth (εἰ δέ τις εἴη μὲν εἰς τὸ ἀναγινώσκειν δυσνόητος, θέλοι δὲ εἰς μίαν ἡμέραν δύο καὶ τρεῖς βίβλους διεξιέναι, τὴν μὲν ἀλήθειαν οὐκ ἐξιχνεύσει). Instead, he will be like a storm-fed river, rolling its burden along, worthless and profitless to the onlookers, and sinking back quickly to its useless state. Nor does a racehorse running in a desert place, outside of a stadium or a battle, win any prizes“ (Vett. Val. 9,9; Üb. M. R I L E Y ; Herv. JH). Vettius Valens führt hier zunächst aus, dass seine Methoden (ἀγωγή) für die Leser prinzipiell kognitiv gut zu verarbeiten (εὐκατάληπτος) sind. Mit einer eindrucksvollen Kombination aus verschiedenen Essens- und Bewegungsmeta‐ phern erläutert er dann die Bedingungen für das Verstehen. (Auch wenn die Lesemetaphern des Essens und Trinkens erst unter 3.9 besprochen werden, ist diese Stelle wegen der Metaphernkombination schon hier anzuführen.) Seine Darlegungen gleichen einem reichen „Tisch des Lernens“ und seine Leser sind Gäste, die sich beim Mahl (d. h. bei ihrem Rezeptionsprozess) daran bedienen können. In Analogie zu allgemeinen Ansichten antiker Diätetik spezifiziert er, dass beim Lesen maßzuhalten ist, damit die Speise für den Körper ohne Schaden verdaut, also das Gelesene gut kognitiv verarbeitet werden kann. Die hier verwendete Metaphorik spiegelt eindeutig eine individuell-direkte Lektüresituation, bei welcher der Leser sich selbstbestimmt für seine Leseweise entscheidet. Insbesondere legt Vettius Valens den Lesern mit der Metaphorik 191 3.7 Lesen als Bewegung 346 Das ergab eine Durchsicht der 17 Belegstellen des Verbes (TLG) vor dem 1. Jh. n. Chr. 347 Diese Semantik kommt explizit zum Ausdruck, wenn das Verb mit einem Lexem wie λάκκος (Zisterne/ Grube; vgl. exempl. BelDr 40) oder βάθος (Tiefe; vgl. exempl. 1Clem 40,1; Clem. Al. stom. 4,110,3) verwendet wird. des Essens eine intensive selektiv-diskontinuierliche Form der Mehrfachlektüre nahe. Diese Form der anvisierten Rezeption führt er sodann explizit aus: Derjenige, der einige Zeit investiert und sich eine oder zwei Methoden aus dem Vorhergehenden herausgreift, wird Freude und großen Nutzen davon haben. Mit Hilfe der Bewegungsmetaphorik bringt er sodann zum Ausdruck, wie seine Bücher nicht zu lesen seien - und zwar insbesondere von solchen, die langsam bei der kognitiven Verarbeitung beim Lesen sind (εἰς τὸ ἀναγινώσκειν δυσνόητος). Insbesondere solche Leser sollen nicht versuchen, in einem Tag durch zwei oder drei Bücher durchzugehen (διέξειμι). Die weitere Ausarbeitung der Bewegungsmetaphorik in den folgenden Sätzen zeigt, dass mit διέξειμι hier durchaus an ein relativ schnelles, oberflächliches Lesen gedacht ist. Diese Konnotation der Bewegungsmetaphorik war oben schon bei Plutarch (Plut. non posse suav. 1 [mor. 1086d], s. o. S. 188) zu sehen und wird uns im Folgenden insbesondere bei Seneca (Sen. ep. 2,2-6) wieder begegnen. Lesen wird in den Quellen sodann mit dem Verb ἐγκύπτω (wörtlich: „hinein‐ beugen“; den Kopf vorbeugen, vornüberbeugen, sich bücken) beschrieben. Als Leseterminus gebraucht, steht hier das Einnehmen der Haltung des Lesenden pars pro toto für den Gesamtprozess des Lesens. Deutlich wird dies z. B. bei Sextus Empiricus, der im Kontext von Ausführungen über die Farbwahrnehmung der Augen die Wahrnehmung von Geschriebenem, nachdem man in die Sonne geschaut hat, als Beispiel heranzieht: „Ferner, wenn wir uns über ein Buch beugen (ἐγκύψαντες βιβλίῳ), nachdem wir lange in die Sonne geschaut haben, scheint es so, als seien die Buchstaben golden und tanzten herum.“ (S. Emp. P. H. 1,45). Es ist nun interessant, dass das Verb vor dem 1. Jh. n. Chr. weder im Kontext von Leseszenen noch als Leseterminus im engeren Sinne gebraucht wird und die Belege bis auf einige Ausnahmen überwiegend christlich sind. 346 Inwiefern eine Interdependenz zur Kodexform besteht, lässt sich nur schwer sagen. In vielen Quellen, in denen ἐγκύπτω metonymisch für Lesen steht, ist es konnotiert mit einem intensiven Lesemodus bzw. einem Studienlesemodus. Die Semantik des Verbes kann zugleich die Haltung, den Grad der Aufmerksamkeit und die Intensität der Lektüre zum Ausdruck bringen. Ein gutes Äquivalent im Deutschen ist das Motiv des „In-ein-Buch-vertieft-Seins“, da es die vertikal nach unten gerichtete Dimension der Semantik von ἐγκύπτω 347 treffend zum Ausdruck bringt. 192 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 348 Vgl. B O W I E , Readers, 87. 349 Vgl. dazu weiterführend H Ä G G , Novel; B O W I E , Readers, 87; die Beiträge in P A S C H A L I S / P A N A Y O T A K I S / S C H M E L I N G , Readers. Zur Frage der Bedeutung des antiken Romans für das frühe Judentum und das frühe Christentum vgl. die Beiträge in P I N H E I R O / P E R K I N S / P E R V O , Ancient Novel; speziell für die Frage nach der Bedeutung für die apokryphen Apostelgeschichten vgl. B R E M M E R , Authors (Lit.). 350 Vgl. P O K O R N Y , IEW 2, 588-592. Aufschlussreich ist eine Episode (Ach. Tat. 1,6,6) im Roman Leukippe und Kleitophon von Achilleus Tatios: Der liebestrunkene Kleitphon nimmt, während er im Haus herumläuft, ein Buch in die Hand, beugt sich darüber und liest (βιβλίον ἅμα κρατῶν, καὶ ἐγκεκυφὼς ἀνεγίνωσκον); aber immer, wenn er an der Tür von Leukippe vorbei‐ geht, späht er zu ihr hinüber, indem er nur die Augen hebt (τὸν δὲ ὀφθαλμόν … ὑπείλιττον κάτωθεν). Dies impliziert, dass Kleitophon heimlich zu ihr hinüberspät, also der Leseprozess aus der Außenperspektive allein an seiner Haltung erkannbar sein muss. Damit ist deutlich, dass Kleitophon auf der Ebene der erzählten Welt des Romans nicht-vokalisierend liest, da die Konstellation sonst wenig Sinn machen würde: Beim Heben der Augen wäre es Kleitophon ja nicht möglich gewesen, den Text weiter lautlich zu realisieren, und ein abruptes Abbrechen der Vokalisation hätte Leukippes Aufmerksamkeit auf Kleitphon gezogen. Der in sein Buch/ seine Schriftrolle vertiefte Kleitophon ist unverdächtig und unauffällig. In der Forschungsliteratur findet sich die These, dass die hier bei Achilleus Ta‐ tios erzählte Rezeptionshaltung durchaus selbstreferenziell verstanden werden kann, 348 Romane also zur individuell-direkten Lektüre gedacht waren, die Frage nach der sozialen Stellung der intendierten und tatsächlichen Leserschaft antiker Romane ist hingegen umstritten. 349 Analog zu ἐγκύπτω kann im Lateinischen das wurzelverwandte 350 Verb incumbo verwendet werden, wie eine Stelle bei Tertullian zeigt, an der er im Kontext der Thematisierung der geistlichen Dimension einer keuschen Lebensführung das Lesen der Heiligen Schrift thematisiert: „Wenn er [scil. der Mensch] sich in die Schrift hineinbeugt, ist er ganz in jener“ (si scripturis incumbit, totus illic est, Tert. exhort. cast. 10,2). Es ist aufschlussreich, dass Tertullian hier allgemein vom Menschen redet, der in die Schrift vertieft ist. Damit setzt er eine generelle (allerdings nicht näher zu quantifizierende) Praxis der individuell-direkten Lektüre der Schrift voraus. Die konzeptuelle Metapher B E W E G U N G I S T L E S E N kommt aber z. B. auch in folgenden Formulierungen zum Ausdruck: „Einige junge Leute, die erst seit kurzem regelmäßig zu den alten Worten [scil. Schriften der alten Philosophen] gehen, tadelten Epikur …“ (Νεανίσκοι τινὲς οὐ πάλαι τοῖς παλαιοῖς λόγοις προσπεφοιτηκότες ἐσπάραττον τὸν Ἐπίκουρον … Plut. symp. 3,6,1 [mor. 193 3.7 Lesen als Bewegung 351 Dass προσφοιτάω hier als Äquivalent für „lesen“ verwendet wird, geht aus dem unmittelbaren Kontext hervor. So wirft der in den Schriften Epikurs bewanderte Arzt Zopryos den jungen Leuten vor, „sie müssen das Gastmahl des Epikurus nicht mit Aufmerksamkeit gelesen haben“ (οὐκ ἔφη προσέχοντας αὐτοὺς ἀνεγνωκέναι τὸ Ἐπικούρου Συμπόσιον; Plut. symp. 3,6,1 [mor. 653c; Üb. O S I A N D E R / S C H W A B ). 352 P A U S C H , Livius, 121. 353 H Ö S C H E L E , Muse, 128, mit Verweis auf Mart. 6,56,6; 10,59,1; 11,106,4 (transire); 1,25,4; 13,3,8 (praetire). 653b]); 351 „damit die Leser mitgenommen werden (συμπεριφέρεσθαι)“ (Polyb. 3 ,34,3). Äquivalent finden sich in den Quellen auch Formulierungen, die zeigen, dass das Konzept auch aus der Autorenperspektive verwendet werden konnte. So formuliert z. B. Josephus leserlenkend im Hinblick auf die Komposition seines Buches, er werde das „was aber vor meiner Zeit geschah, auf kurzem Wege durcheilen (ἐπιτρέχω)“ (Ios. bell. Iud. 1 prooem. 6 [18]). Das metaphorische Konzept B E W E G U N G I S T L E S E N findet sich auch in lateini‐ schen Quellen und ist z. B. impliziert in einer Aussage der praefatio des vierten Buches von Livius’ Geschichtswerk, dass er nicht daran zweifle, „daß den meisten Lesern (legentium) die ersten Anfänge […] weniger Freude machen wird, da sie es eilig haben (festinantibus), zu unserer Neuzeit zu kommen“ (Liv. 4 praef.; Üb. P A U S C H ). Diese Aussage ist deshalb interessant, da der Autor hier im Hinblick auf eine individuell-direkte Lesesituation antizipiert, dass seine Leser den Text nicht gleichbleibend sequentiell entlang des Textes lesen, wobei allerdings nicht sicher zu entscheiden ist, „ob mit festinare hier eine in höherer Geschwindigkeit erfolgende, aber vollständige Lektüre oder eine selektive Form der Rezeption, in der auch Teile vom Leser ausgelassen werden können, gemeint ist.“ 352 Eindeutiger mit selektiven Zugriffen verknüpft ist das Konzept B E W E G U N G I S T L E S E N dagegen bei Martial, der mehrfach „die Verben transire und praetire [verwendet], um damit zu beschreiben, wie Leser ein oder mehrere Gedichte nicht beachten bzw. ‚übergehen‘.“ 353 Diese beiden Verben müssten im Hinblick auf das Konzept B E W E G U N G I S T L E S E N weiterführend untersucht werden. Dies kann im Rahmen dieser Studie jedoch nicht geleistet werden. Weil er eine detaillierte Einsicht in Lesepraktiken in der Antike bietet, ist jedoch im Folgenden noch der ausführliche Rat Senecas zur Lektüretätigkeit und -auswahl zu besprechen, den er Lucilius in einem seiner Briefe gibt: „2 Gib aber darauf acht, daß Deine Lektüre vieler Autoren und aller möglichen Werke nicht eine gewisse Oberflächlichkeit und Unbeständigkeit mit sich bringt (ne ista lectio auctorum multorum et omnis generis voluminum habeat aliquid vagum et instabile)! Man muß sich an bestimmte große Geister halten und an ihnen wachsen, wenn man etwas gewinnen will, das tief im Herzen Wurzel schlägt. Nirgends ist, wer überall 194 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische ist. So ergeht es Leuten, die ihr Leben auf Reisen verbringen: Sie sind viel zu Gast, aber niemands Freund. Und dasselbe muß unweigerlich denen widerfahren, die sich nicht vertrauensvoll an einem der Großen orientieren, sondern durch alles hastig und schnell hindurcheilen (sed omnia cursim et properantes transmittunt). 3 Eine Speise (cibus) ist nutzlos und schlägt nicht an, die man, kaum daß man sie zu sich genommen hat, wieder von sich gibt. Nichts verhindert so sehr die Genesung, als häufiger Wechsel der Heilmittel. Keine Wunde vernarbt, an der man Medikamente ausprobiert. Keine Pflanze gedeiht, die man häufig versetzt - kurz: Nichts ist so nützlich, daß es schon bei flüchtiger Berührung nützen könnte (ut in transitu prosit). Nur Verwirrung kommt aus einer Überzahl von Büchern (distringit librorum multitudo.). Da Du nicht alles zu lesen vermagst, was Du hast, genügt es, soviel zu haben, wie du lesen kannst (itaque cum legere non possis, quantum habueris, satis est habere, quantum legas). 4 ‚Aber‘, wendest Du ein, ‚ich möchte bald dieses Buch auseinanderrollen (evolvo), bald jenes! ‘ Es verrät einen übersättigten Magen, wenn man von vielem nur kostet (fastidientis stomachi est multa degustare). Sobald es viele verschiedene Speisen sind, machen sie nur Beschwerden und sind nicht nahrhaft. Lies also stets anerkannte Autoren, und wenn es Dich einmal lockt, Dich anderen zuzuwenden, dann kehre zur früheren Lektüre zurück (ad priores redi). Verschaffe Dir täglich ein wenig von dem, was Dir in der Armut oder beim Sterben helfen kann, desgleichen bei den übrigen Übeln. Und wenn Du durch vieles hindurchgerannt bist, greife Dir einen Satz heraus (o. exzerpiere einen Satz), den Du an diesem Tag weichkochst (et cum multa percurrens, unum excerpe, quod illo die concoquas). 5 Ich halte es selbst ebenso: Aus recht vielem, das ich lese, suche ich mir etwas zu eigen zu machen (ex pluribus, quae legi, aliquid adprehendo). Heute ist’s der folgende Satz, den ich zufällig bei Epikur gefunden habe - ich gehe (transeo) nämlich gern auch einmal ins gegnerische Lager, nicht als Überläufer, sondern als Kundschafter. ‚Ehrenwert‘, sagt Epikur, ‚ist heitere Armut.‘ (6) Doch es ist gar keine Armut, wenn sie heiter ist: Nicht, wer zu wenig hat, sondern wer zu viel begehrt, ist arm“ (Sen. ep. 2,2-6; Üb. F I N K , mod. JH). Dieser Brief gehört wohl zu den bildreichsten Reflexionen antiker Lesepraxis, in denen verschiedene Bildfelder (u. a. Bewegung/ Reise, Kontakt/ Berührung, Krieg) interagieren, wobei aber die Bewegungs- und Speisemetaphorik do‐ minieren. Die Quelle belegt idealtypisch zwei verschiedene Konzepte indivi‐ duell-direkter Lektüre. Zum einen singulären, schnelle und oberflächliche Lektüre vieler Bücher, die hier vor allem durch Bewegungsmetaphern (vagum et instabile; sed omnia cursim et properantes transmittunt [Sen. ep. 2,2]; et cum multa percurrens [Sen. ep. 2,4]) konzeptualisiert ist. Insbesondere das Verb percurro (durchlaufen, durcheilen) scheint eine gängige Lesemetapher im Lateinischen 195 3.7 Lesen als Bewegung 354 Vgl. z. B. Liv. 9,8,12: „Es steht einem frei, in den Geschichtswerken und den Magist‐ ratslisten die Seiten mit den Konsuln und Diktatoren zu durcheilen (paginas in anna‐ libus magistratuumque fastis percurrere licet consulum dictatorumque).“ Da Livius hier durchaus einen umfangreichen Textbestand vor Augen hat, soll percurro hier durchaus das Lesen als „überfliegendes“ spezifizieren. Zu unterscheiden ist allerdings einerseits die hier belegte Metapher „ein Leser durcheilt einen Text“ und das eher metonymische Motiv „mit den Augen durch einen Text hindurcheilen“ (s. u. 3.7 zu diesem Abschnitt). 355 Das Verb redeo findet sich z. B. auch bei Gell. 16,8,4 als Lesemetapher, dessen Lesepraxis eindeutig durch die genannten Aspekte geprägt war. zu sein und ein eher oberflächliches, „überfliegendes“ Lesen zu bezeichnen. 354 Eine solche Lektürepraxis bewertet Seneca kritisch und begründet dies unter anderem speisemetaphorisch: Verschiedene Speisen, von denen man nur kostet, sind nicht nahrhaft (Sen. ep. 2,4). Damit bringt Seneca eine Erfahrung der Begrenztheit kognitiver Verarbeitbarkeit von Gelesenem bei einer solchen oberflächlichen Form von Lektüre zum Ausdruck. Entsprechend ist auch sein Rat zu früheren Lektüren zurückzukehren (redeo), also wiederholt zu lesen bzw. einzelne Lesefrüchte für sich selbst festzuhalten, möglicherweise durch ein schriftliches Exzerpt, und sich anzueignen, also das intensiv zu Verarbei‐ tende zu selektieren, wofür die Lektüre vermutlich auch unterbrochen werden muss. 355 Interessant ist ferner noch, dass Seneca die Auswahl seiner Lektüren ebenfalls durch eine innovative Bewegungsmetapher zum Ausdruck bringt: das Hinübergehen (transeo) ins feindliche Lager (Sen. ep. 2,5). In einem anderen Buch verwendet er für die von ihm kritisierte Leseweise das Verb erro, um das ziellose Umherirren in den Büchern vieler Autoren zum Ausdruck zu bringen (Sen. tranq. 9,4). Zuletzt und überleitend zum nächsten Punkt sei noch auf eine besondere Form der Bildlichkeit der Bewegung hingewiesen und zwar auf solche Fälle, wo sich nicht - wie in den meisten bisher besprochenen Quellen - der Leser durch den Text bewegt, sondern explizit die Augenbewegung thematisiert wird. Besonders aufschlussreich im Hinblick auf die vorliegende Studie ist in dieser Hinsicht ein Redebeitrag von Aristobulos in Plutarchs Dialog über den Verstand von Land- und Wassertieren: „Wir können oft Schriften mit den Augen durchlaufen, und es können Reden in das Ohr fallen, ohne daß wir etwas davon auffassen und behalten, weil wir unsere Aufmerksamkeit auf etwas Anderes gerichtet haben (καὶ γὰρ γράμματα πολλάκις ἐπιπορευομένους τῇ ὄψει καὶ λόγοι προσπίπτοντες τῇ ἀκοῇ διαλανθάνουσιν ἡμᾶς καὶ διαφεύγουσι πρὸς ἑτέροις τὸν νοῦν ἔχοντας). So wie aber diese zum Gegenstand zurückkehrt, gehen wir denkend alles Vorbeigelassene noch einmal durch. Daher heißt es auch: ‚Der Verstand sieht, der Verstand hört; alles andere ist taub und blind 196 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 356 „Auch beim Lesen (legentibus) kommt es ja vor - mir widerfährt es sehr oft - daß ich, wenn ich eine Seite oder einen Brief durchgelesen habe, nicht weiß, was ich gelesen habe, und es nochmals lesen muß (ut perlecta pagina uel epistula nesciam quid legerim et repetam). Wenn nämlich die Neigung des Willens sich auf etwas anderes hinwendet, dann ist das Gedächtnis nicht in der Weise auf den Leibessinn hingerichtet, wie der Sinn selbst auf die Buchstaben hingerichtet ist (quomodo ipse sensus adhibitus est litteris)“ (Aug. trin. 11,8,15; Üb. S C H M A U S ). 357 Dass in Aristain. 1,10,35-42 das Motiv der Augenbewegung und die Lesemetapher der Bewegung mit vokalisierender Lektüre verbunden wird, ist der Inszenierung, also einer narrativen Notwendigkeit geschuldet (s. o. S. 49; s. u. Anm. 62, S. 230). (νοῦς ὁρῇ καὶ νοῦς ἀκούει, τἄλλα κωφὰ καὶ τυφλά),‘ [Epicharmos, PCG 1 214]. Denn der Eindruck auf Augen und Ohren bringt, wenn nicht das Denken dabei ist, keine Empfindung hervor“ (Plut. soll. an. 3 [mor. 961a]; Üb. O S I A N D E R / S C H W A B ) Autobulos siniert hier eindrucksvoll über den Zusammenhang zwischen Lesen und kognitiver Verarbeitung. Seine Ausführungen beruhen allem Anschein nach nicht nur auf der Selbstwahrnehmung seiner eigenen Lesepraxis, son‐ dern spiegeln ein in der Antike weiter verbreitetes Bewusstsein wider. Zur Beschreibung des Lesens verwendet er das Motiv „Buchstaben mit den Augen durchmarschieren/ -reisen“ (ἐπιπορεύομαι τῇ ὄψει), womit eindeutig ein (un‐ bewusster) individuell-direkter Leseprozess gemeint ist. Und zwar verweist er damit spezifisch auf die physiologischen Prozesse des Lesens, die darauf angewiesen sind, dass auch der Verstand auf das Gelesene gerichtet wird. Denn wenn die Aufmerksamkeit des Lesers auf etwas anderes gerichtet ist, kann der Leser den Inhalt des Textes kognitiv nicht weiterverarbeiten, was etwa auch Augustinus reflektiert. 356 Allerdings scheint der zweite Satz „So wir aber …“ auf eine Erfahrung hinzudeuten, dass auch bei einem Leseprozess, bei dem der Leser gedanklich abschweift, unterbewusst doch etwas wahrgenommen werden kann, das einem im Nachhinein durch Zurücklenkung der Aufmerksamkeit auf den Gegenstand, bewusst gemacht werden kann. Dass hier außerdem zwischen dem Auge als primärem Rezeptionsorgan für das Lesen und dem Ohr als primärem Rezeptionsorgan für die Rede unterschieden wird, deutet in diesem Kontext außerdem eher darauf hin, dass er nicht-vokalisierendes Lesen voraussetzt. 357 Im Zitat von Epicharmos zeigt sich zudem ein Bewusstsein für das „innere Auge“ und das „innere Ohr“ als Beschreibungskategorien für die kognitiven Verarbeitungsprozess beim Lesen, die schon an anderer Stelle angesprochen wurden. Bei Horaz (sat. 2,5,51-55) findet sich eine eindrucksvolle Szene, in der es um das Lesen eines Testamentes geht. In einem Dialog mit Teiresias rät Odysseus diesem, er möge, wenn jemand ihm sein Testament zu lesen geben wolle, es 197 3.7 Lesen als Bewegung 358 Prominent an der schon mehrfach oben zitierten Stelle Lukian. adv. ind. 2: τοῖς ὀφθαλμοῖς ὁρᾷς τὰ βιβλία. 359 Vgl. z. B. CVA 16,2, Tafel 67,1 = BAPD 211550 (ein Jüngling liest in leicht gebückter Haltung mit dem Blick nach unten die Inschrift auf einer Stele; Kylix, attisch, 5. Jh. v. Chr., heute im Museum Schloss Fasanerie, Eichenzell/ Fulda, Inv. 134); BAPD 208981 ( Jüngling lehnt sich auf einen Stock und schaut in leicht gebückter Haltung nach unten auf eine Stele mit Inschrift; Lekythos, 5. Jh. v. Chr., Bologna, Museo Civico Archeologico, 1446). Vgl. außerdem das Votivrelief von der Akropolis in Athen, das Athena auf einen Stock lehnend und nach unten auf einen Stein schauend abbildet, das B I N G , Scroll, 124, Fig. 4, abbildet. 360 Vgl. weiterführend zur Diskussion um das Lesen von inschriftlichen Epigrammen B I N G , Scroll, 116-146. 361 Vgl. H Ö S C H E L E , Muse, 111-122. dankend zurückweisen. Dabei möge er sich jedoch bemühen, unbemerkt einen Seitenblick auf die zweite Zeile der ersten Seite (der tabulae) zu werfen (ut limis rapias, quid prima secundo cera velit versu; Hor. sat. 2,5,53 f), in der die Erben namentlich erwähnt werden. Mit schnellem Auge solle man dabei rennen (veloci percurre oculo), um zu schauen, ob er allein oder mit anderen erbt (Hor. sat. 2,5,54 f). Hier ist eindeutig eine beiläufige individuell-direkte Lektüre im Blick, die schnell und unbemerkt ablaufen muss und eindeutig rein visuell konzeptualisiert ist. Die weite Verbreitung der Wahrnehmung des Lesens als visuelles Phänomen wird nun im Folgenden zu thematisieren sein. 3.8 Lesen als Sehen des Textes Es finden sich zahlreiche Belege in den Quellen, die zeigen, dass Lesen in der Antike als visuell orientiertes Phänomen wahrgenommen und beschrieben wurde. 358 Dies spiegelt sich darin wider, dass zahlreiche Verben der visuellen Wahrnehmung (im Folgenden: verba vivendi) zur Beschreibung von Leseakten verwendet werden konnten. Im Folgenden wird eine Auswahl der aussagekräf‐ tigsten Quellenstellen exemplarisch besprochen. Die auffälligste Beobachtung am Quellenbefund besteht darin, dass das Lesen von Inschriften, das auch ikonographisch dargestellt wird, 359 eng mit der visu‐ ellen Wahrnehmung verknüpft ist. 360 Dies zeigen a) sowohl selbstreferenzielle Verweise in den Inschriften selbst als auch b) literarische Quellen, in denen in unterschiedlicher Form das Lesen von Inschriften reflektiert wird, das in den meisten Fällen wohl eine Form des zufälligen Lesens darstellt. 361 198 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 362 Üb. und Erläuterungen C H R I S T I A N , Steine, 85. 363 Vgl. weiterführend zum Motiv des vorbeigehenden Lesers T S A G A L I S , Sorrow, 219-224. 364 Weitere Beispiele für verba vivendi in Inschriften, die metonymisch den Lesevorgang bezeichnen, finden sich bei C H R I S T I A N , Steine, 86, Anm. 202. 365 S. o. Anm. 38, S. 102. ad a) Eine außerordentlich detailreiche Reflexion des Lesevorgangs von Inschriften findet sich in einer Inschrift aus Alexandria aus dem 3./ 2. Jh. v. Chr.: „… der Stein wird dir den Toten bezeichnen (σημανεῖ), als wer und wessen Sohn er in den Hades ging. Aber beuge mir, Freund, das totengeleitende Knie [d. h. das dich zu den Toten/ zur Inschrift führt? ] auf den Boden und beschaue mit beiden Pupillen die gravierte Inschrift (ἄθρει γράμμα διπτύχοις κόραις)“ (GVI 1620,1-5). 362 Die Haltung des Kniens, die Verwendung des Verbes ἀθρέω und der Hinweis auf die Pupillen zeigen eindeutig, dass der Leseakt visuell konzeptualisiert ist. Dies korrespondiert damit, dass der Stein selbst nicht spricht, sondern durch das Verb σημαίνω eher der visuelle Charakter des Geschriebenen hervorgehoben wird. Die eindeutig indivi‐ duell-direkte Rezeption des in der Inschrift enthaltenen Textes ist also mutmaßlich nicht-vokalisierend zu denken. Es finden sich zahlreiche weitere Grabinschriften, in denen der intendierte Leser der Inschrift direkt im ersten Satz aufgefordert wird, das Grabmal zu beschauen, wahrzunehmen bzw. darauf zu sehen (ἀθρέω). Aus dem Befund geht eindeutig hervor, dass nicht nur ein Sehen des materiellen Steins gemeint ist, sondern das Verb metonymisch zum Lesen der Inschrift selbst auffordert. Ein schönes Beispiel findet sich in einer Inschrift aus Telos, die ins 1. Jh. v. Chr. datiert wird: „Reisender, beschaue dieses Grabmal Philons aus Kallipolis …“ (σῆμα Φίλωνος ἄθρησον ὁδοιπόρε, Καλλιπο[λ]εί[ας] …; IG XII 3 48,1 f). 363 In einer christlichen Inschrift aus der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. aus Lykaonien findet sich analog: „Wenn du dieses Grabmal beschaust, wirst du wissen, wen das Grab festhält: den edlen Sohn des Photinos, den vortrefflichen Diomedes, der mit seinem Tod sein Vaterland betrübte.“ (σῆμα τόδ’ ἀθρήσας εἴσῃ τίνα τύνβος ἐρύκι· Φωτινοῦ τέκος ἐσθλὸν ἀρίζηλον Διομήδην …; MAMA 7 560,1-4 = ICG 349, Üb. H U T T N E R [leicht modifiziert JH]). Aus der syntaktischen Konstruktion geht eindeutig hervor, dass ἀθρέω hier bedeuten muss, dass der Betrachter die Inschrift liest, damit er wissen (οἶδα) kann, wer hier begraben liegt. S. die ganz ähnliche Formulierung in SEG 6 297,1 f = ICG 352. Vgl. außerdem exemplarisch SEG 40 1105,2 f; MAMA 7 553,1 f (=ICG 345); MAMA 7 558,1 (=ICG 347). 364 S. ferner außerdem die oben schon besprochene Bestimmung zur Veröffentlichung im Edikt über das Aurum Coronarium in P.Fay. 20 col. 2, Z. 23, in der mit σύνοπτος ein Adjektiv der visuellen Wahrnehmung verwendet wird. 365 199 3.8 Lesen als Sehen des Textes 366 Vgl. ferner Cic. Tusc. 5,64-66, wo Cicero das mühsame Auffinden einer Inschrift mit einem Epigramm beschreibt. Hier handelt es sich freilich nicht um einen zufälligen, sondern um einen intendierten Leseakt. 367 So C H R I S T I A N , Steine, 86, Anm. 202. 368 Vgl. auch Lukian. Alex. 36, der auf einen apotropäischen Spruch verweist, der über vielen Eingängen zu sehen, d. h. zu lesen war: τοῦτο ἦν ἰδεῖν τὸ ἔπος πανταχοῦ ἐπὶ τῶν πυλώνων γεγραμμένον. 369 Vgl. außerdem exempl. Lukian. ver. hist. 1,7. ad b) Schon bei Herodot findet sich ein verbum vivendi in Bezug auf eine Inschrift: „Ich selbst habe gesehen solche Buchstaben aus der Zeit des Kadmos [scil. phönizische Buchstaben] (εἶδον δὲ καὶ αὐτὸς Καδμήια γράμματα) im Tempel des Apollon Ismenios im boiotischen Theben“ (Hdt. 5,59). 366 Es ist zwar richtig, dass Herodot hier in erster Linie auf das archaische Aussehen der Schrift verweist. Wie das nachfolgende Zitat einer der auf einem Dreifuß eingeritzten Inschriften zeigt, impliziert das Sehen allerdings auch das Lesen derselben. 367 In Aristophanes’ Σφήκες sagt Xanthias über seinen Herren: „Wenn er irgendwo an einer Tür geschrieben sieht ‚Schön ist Demos, der Sohn Pyrilampes’ (ἢν ἴδῃ γέ που γεγραμμένον υἱὸν Πυριλάμπους ἐν θύρᾳ Δῆμον καλόν), wird er darunter schreiben ‚Schön ist Cemos,‘“ (Aristoph. Vesp. 97). Das Sehen impliziert hier eindeutig, dass das Graffito auch gelesen wird. 368 In den Mimiamben des Herodas aus dem 3. Jh. v. Chr. findet sich eine Szene, in der zwei Frauen ein Opfer in das Asklepieion von Kos bringen und während der Opferung über die Kunstwerke sprechen. Dabei fällt der Freundin Kynnos zunächst ein großes Marmorwerk ins Auge und sie fragt, wer es geschaffen und wer es aufgestellt habe. Darauf antwortet Kynno: „Die Söhne des Prexiteles; siehst Du nicht jene Inschrift auf dem Sockel? (οὐκ ὀρῆις κεῖνα ἐν τῆι βάσι τὰ γράμματ’) Euthies aber hat es aufgestellt, der Sohn des Prexon“ (Herodas 4,23-25; Üb. M E I S T E R ). Das Verb ὁράω meint hier so viel wie: „Hast Du noch nicht gelesen? “ Denn Kynno geht anscheinend selbstverständlich davon aus, dass ihre Freundin die Inschrift potentiell lesen kann, diese bisher aber offensichtlich nur noch nicht wahrgenommen hat. Dies ist insofern aufschlussreich, als es sich bei den Frauen - wie insgesamt in den Mimiamben - um Personen aus den mittleren und unteren Schichten handelt, wie in diesem Fall an der Opfergabe sichtbar wird (vgl. Herodas 4,10-19). 369 Auch die bemerkenswerte Kombination aus Bewegungsbildlichkeit und visueller Wahrnehmung (s. o. 3.7) findet sich in Bezug auf das Lesen von Inschriften in den Quellen. So finden sich die folgenden Ausführungen in Plutarchs Περὶ πολυπραγμοσύνης: „Ein Hauptmittel, sich von dieser Leidenschaft [der Neugier] zu befreien, liegt in der Gewöhnung, wenn wir schon von früh her anfangen, uns selbst zu dieser Enthaltsamkeit zu üben und anzuleiten; […] Wir wollen erst mit den geringsten und unbedeutendsten Dingen den Anfang machen. Ist es etwas Schweres, auf den Wegen die Inschriften an den Gräbern nicht zu lesen? (τί γὰρ χαλεπόν ἐστιν ἐν ταῖς ὁδοῖς τὰς ἐπὶ τῶν τάφων ἐπιγραφὰς μὴ ἀναγιγνώσκειν) 200 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 370 Vgl. dazu weiterführend die explizite Formulierung bei Theokr. eid. 18: „Und Buch‐ staben werden in der Rinde eingeritzt sein, daß einer sie beim Vorbeigehen auf Dorisch liest (ὡς παριών τις ἀννείμῃ Δωριστί): …“ 371 Vgl. außerdem Plin. ep. 8,8,7: „Insgesamt wird es nichts geben, woran Du nicht Vergnügen findest. Denn Du wirst auch Studien betreiben können; an allen Säulen, an allen Wänden wirst du zahlreiche Inschriften vieler Menschen lesen (leges multa multorum omnibus columnis omnibus parietibus inscripta), durch die jene Quelle und ihr Gott gepriesen werden. Mehrere wirst Du loben, über einige wirst Du lächeln“ (Üb. u. weiterführend E G E L H A A F -G A I S E R , Einer); Plin. nat. 34,9,17; Cic. Cato 21; Philostr. v. Apoll. 5,4 f (Philostrat bezieht sich mit einer Aussage auf Inhalt einer fremdsprachlichen Inschrift, deren Text er offensichtlich ohne Vokalisierung visuell erfasst hat und die sonst keiner lesen kann; s. z. St. B Ä B L E R / N E S S E L R A T H , Apollonios, 44); Xen. Eph. 5,10,7. Vgl. überdies die Diskussion bei P A L L A R E S , Reading of Monuments. 372 Vgl. H Ö S C H E L E , Muse, 113 f, die als „Ausnahme“ auf eine Szene im Äsop-Roman (78,1) verweist. Oder ist es schwierig, bei Spaziergängen mit dem Blick über die Schriften an den Mauern herüberzulaufen? (ἢ τί δυσχερὲς ἐν τοῖς περιπάτοις τὰ κατὰ τῶν τοίχων γράμματα 2 τῇ ὄψει παρατρέχειν) Wir brauchen nur daran zu denken, dass nichts Nützliches und Angenehmes darauf geschrieben steht“ (Plut. curios. 11 [mor. 520d/ e]; Üb. O S I A N D E R / S C H W A B , mod. JH). Gerade weil hier das Nicht-Lesen der Inschriften mit der Bewegung des Blickes konzeptualisiert ist, erscheint diese Stelle interessant und belegt indirekt das Konzept V I S U E L L E W A H R N E H M U N G V O N S C H R I F T I S T L E S E N . Die Stelle impliziert außerdem, dass es nicht selbstverständlich ist, Inschriften am Wegesrand zu ignorieren, sondern einer (wenn auch leichten) Übung bedarf. Dies deutet darauf hin, dass es durchaus gängig war, Inschriften im „Vorbeigehen“ 370 wahrzunehmen und zumindest mit einem flüchtigen Blick das Geschriebene (teilweise) zu lesen (ἀναγιγνώσκω). Vgl. ferner Plin. nat. 35,3,12. Die ikonographischen Darstellungen sowie die angegebene Auswahl an lite‐ rarischen Reflexionen der Wahrnehmung von Inschriften zeigt - zusammen mit den oben schon angegeben Belegen zum Lesen von Inschriften (vgl. 3.1.1, S. 111 f) 371 -, dass die Einschätzung von R. Höschele zu revidieren ist, die Rezeption von Inschriften würde in der antiken Literatur kaum thematisiert. Zusätzlich zu hinterfragen ist dann ihre daraus abgeleitete Schlussfolgerung, die Menschen in der Antike hätten Texte auf Inschriften nicht gelesen bzw. weitgehend ignoriert. 372 Die weitere exemplarische Durchsicht durch den Quellenbefund ist, soweit dies sinnvoll darstellbar ist, chronologisch orientiert, wobei auf später erneut zu findende, analoge Formulierungen vorgezogen verwiesen wird und zuletzt summarisch solche Quellen genannt werden, an denen zwar das Lesen selbst 201 3.8 Lesen als Sehen des Textes 373 So auch A N D E R S O N / D I X , Λάβε, 80 f; G R I E P , Geschichte, 73, der auf die Selbstverständ‐ lichkeit hinweist. nicht direkt metonymisch als Sehen konzeptualisiert ist, aber der enge Zusam‐ menhang zwischen Sehorgan und Lesen deutlich wird. Schon im 5. Jh. v. Chr. findet sich eine aufschlussreiche Szene in Aristophanes’ Ἱππῆς, in welcher der Sklave des Demos Demosthenes seinen Mitsklaven Nikias darum bittet, ihm das entwendete Schriftstück (vgl Aristoph. Eq. 110-115) mit einem Orakel (χρησμός) zu geben: „Gib’ es mir, damit ich es lese (φέρ᾽ αὐτὸν ἵν᾽ ἀναγνῶ)! Schenk mir fleißig ein inzwischen! Gib’, damit ich sehe, was darin steckt (φέρ᾽ ἴδω τί ἄρ᾽ ἔνεστιν αὐτόθι). [Anm. JH: Lesepause] Oh Prophezeiungen (ὦ λόγια)! Gib mir, gib den Becher schnell“ (Aristoph. Eq. 118-120). Das individuell-direkte Lesen (ἀναγιγνώσκω) - Demosthenes bekommt das Schriftstück in die Hand - ist hier eindeutig visuell konzeptualisiert, εἶδον wird gleichsam synonym zu ἀναγιγνώσκω verwendet. Der Ausruf ὦ λόγια bezieht sich auf das Gelesene. Es ist also eine Lesepause impliziert. Sodann geht aus dem Kontext eindeutig hervor, dass Demosthenes das Schriftstück nicht-vokalisierend liest. 373 Denn in der Fortsetzung des Dialogs fragt Nikias mehrfach nach dem Inhalt des Orakels (vgl. Aristoph. Eq. 121 ff). In einem andern Stück von Aristophanes, den Νεφέλαι, bittet Strepsiades nach dem Aufstehen einen Sklaven darum, Licht (es ist noch dunkel) und sein Geschäftsbuch (γραμματεῖον) zu holen. „[D]amit ich es nehme und lese (ἵν᾽ ἀναγνῶ λαβὼν), wem ich etwas schulde und die Zinsen berechne. Gib’, dass ich sehe, was ich schulde. (φέρ᾽ ἴδω τί ὀφείλω) [Anm. JH: liest] Zwölf Minen dem Pasias. [Anm. JH: blickt auf und spricht nicht mehr lesend: ] Zwölf Minen dem Pasias? …“ (Aristoph. Nub. 19-22). Wie schon bei der vorhergehenden Stelle, wird εἶδον hier gleichsam synonym zu ἀναγιγνώσκω verwendet, wobei Strepsiades das Geschäftsbuch aus dramaturgischen Gründen vokalisierend liest und seinen Leseprozess für kommentierende Anmerkungen jeweils unterbricht. Eine ähnliche Szene findet sich bei Demosthenes, der ebenfalls εἶδον ver‐ wendet, um die Einsicht in Geschäftsbücher zu beschreiben. Und zwar berichtet Demosthenes, dass Kallipos in einer Bank um Einsicht in die Geschäftsbücher bittet, um zu überprüfen, ob der gestorbene Phormion Geld hinterlassen habe (ἀξιῶ δή σε δεῖξαί μοι τὰ γράμματα, ἵν᾽ εἰδῶ εἴ τι καταλέλοιπεν ἀργύριον; Demosth. or. 52,5). Die Bücher werden ihm auf der Stelle gebracht. Als er sie gelesen und einen bestimmten (für ihn unangenehmen) Eintrag gesehen hat (ἀναγνοὺς αὐτὸς καὶ ἄλλος οὐδείς, καὶ ἰδὼν γεγραμμένον ἐν αὐτῷ …; Demosth. 202 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 374 Vgl. außerdem Demosth. or. 52,19. 375 S. o. in Bezug auf Inschriften. Vgl. außerdem exempl. (Ps.)-Plat. ep. 7,344c: „Wenn man jemandes schriftlich niedergelegte Gedanken zu sehen bekommt (ὅταν ἴδῃ τίς του συγγράμματα γεγραμμένα) …“ (Üb. N E U M A N N ), bedeutet hier eindeutig etwas Schriftliches individuell-direkt zu lesen; vgl. ferner Polyb. 8,8,5; Plut. adv. Col. 25 (mor. 1120 f); Paus. 10,38,13; JosAs 22,9; Gal. Hipp. aph., ed. K Ü H N 17b, p. 387,10; Hipp. off. med., ed. Kühn 18b, p. 654,7; Vett. Val. fr., CCAG 5,3, p. 117,32 f; Hippol. adv. haer. 13,1. 376 Vgl. Artem. on. 3,44 zum Lesen eines Briefes im Traum: „Wenn jemand einen Brief sieht und das, was darin geschrieben ist (Ἐπιστολὴν εἰ μέν τις ἴδοι καὶ τὰ ἐν αὐτῇ γεγραμμένα), so wird das Traumgesicht den Inhalt entsprechend sich erfüllen; wenn nicht, bringt er doch in jedem Fall Glück; jeder Brief enthält ja ein ‚Sei gegrüßt‘ und ein ‚Leb wohl! ‘“ (Üb. B R A C K E R T Z , leicht mod. JH). Da konkret auf das Geschriebene eingegangen wird, ist deutlich, dass es hier nicht nur um das Schauen des Inhalts im Traum, sondern tatsächlich auch um das Lesen des Textes geht. 377 S. u. u. a. Anm. 224, S. 434. 378 Gegen U S E N E R , Isokrates, 170; M A R I S S , Alkidamas, 273. or. 52,6), verlässt er die Bank ohne einen Ton zu sagen. 374 Die individuell-direkte Lektüre der Geschäftsbücher - Kallipos hat sie selbst in der Hand - ist hier eindeutig visuell konzeptualisiert. Nichts im Kontext deutet auf vokalisierende Lektüre hin. Die hier zu findende Wendung „etwas Geschriebenes sehen“ findet sich spätestens seit dem 5./ 4. Jh. v. Chr. vielfach als Metonymie für Lesen, 375 etwa auch im Hinblick auf das Lesen von Briefen 376 und ist für die Interpretation einiger Stellen im NT relevant (vgl. insb. den eigenhändigen Briefgruß von Paulus, der eindeutig für visuell wahrgenommen werden musste). 377 Schon im 4. Jh. v. Chr. findet sich auch eine Stelle, an der θεωρέω im Sinne von „lesen“ verwendet wird, und zwar bei Alkidamas, dem Gegner von Isokrates. Dieser gibt in seiner (schriftlich publizierten; s. u.) Rede „Über die Schreiber von geschriebenen Reden oder über die Sophisten“ zu bedenken, dass „die geschriebene Rede (ὁ γεγραμμένος λόγος), […] wenn sie aus einem Buch heraus betrachtet wird (ἐκ βιβλίου <μὲν> θεωρούμενος), Ehrfurcht hervorruft“ (Alkid. Soph. 28) aber sonst keinen wirklichen Nutzen habe. Die Formulierung „aus einem Buch heraus betrachten“ impliziert m. E. ganz eindeutig individuell-di‐ rekte Lektüre einer in einer Rolle aufgeschriebenen Rede, wie sie z. B. auch bei Isokr. 12,216.246, Plut. Pomp. 79 oder Plin. ep. 1,16,3 (s. o.) vorausgesetzt wird, und nicht eine vermeintliche Situation, in der die Rede vor einem Publikum vorgelesen wird. 378 Dies zeigt insbesondere der argumentative Kontext (vgl. Alkid. Soph. 27), in dem Alkidamas geschriebene Reden, die für ihn eher den Charakter eines Abbildes, eines Musters oder einer Imitation von Reden hätten, mit Bronzestatuen, Steinmonumenten und der Darstellung von Lebewesen vergleicht, die eben von Individuen visuell wahrgenommen werden und, wie er selbst betont, beim Betrachten Vergnügen bereiten (καὶ τέρψιν μὲν ἐπὶ τῆς 203 3.8 Lesen als Sehen des Textes 379 Vgl. V A H L E N , Alkidamas. 380 Dagegen spricht auch nicht, dass er die Defizite schriftlicher Reden zuvor (z. B. in Alkid. Soph. 12.18) daran festmacht, dass auswendiggelernte Vorträge auf der Grundlage von verschriftlichten Reden unflexibel seien. Dies richtet sich mutmaßlich gegen eine Praxis, die sich zu seiner Zeit finden lässt und die vielleicht auch durch publizierte Reden z. B. von Isokrates und durch die rhetorische Ausbildung in seiner Schule befördert wurde; dass schriftlich publizierte Reden allein für die Vortragssituation geschrieben worden sind, lässt sich daraus nicht ableiten. S. dagegen auch die ausführlichen Ausführungen von Crassus bei Cic. de orat. 1,33,149-34,159. 381 V A N H O O K , Alcidamas, 90. θεωρίας ἔχει). Dieser Vergleich zeigt, dass Alkidamas die von ihm kritisierten geschriebenen Reden in Rollenform in seiner Zeit - er hat die Reden von Isokrates im Blick 379 - nicht (primär) als Vorlagen für den performativen Vortrag versteht, 380 sondern als Werke für die fortlaufende, individuelle Rezeption. Dies entspricht im Übrigen dem, wie etwa L. van Hook die Intention von Isokrates’ Reden charakterisiert: „It was his aim in written discourse, which was to be read, to produce work of lasting value, to be thorough, and to be honest; not merely to educate youths as speakers and litigants, but to prepare them for actual life and as leaders of public opinion.” 381 Da Alkidamas in der vorliegenden Rede selbst auf das Format der schriftlichen Publikation einer Rede zurückgreift, muss er angesichts seiner Kritik an Iso‐ krates einigen argumentativen Aufwand zur Selbstrechtfertigung betreiben (vgl. Alkid. Soph. 29-32). Er selbst nutze das Format der schriftlichen Rede, damit seine Darlegungen zu den Massen herausgetragen werden kann (εἵνεκα τῶν εἰς τοὺς ὄχλους ἐκφερομένων; Alkid. Soph. 31), d. h. er hat einen breiten Rezipientenkreis im Blick, der über den eines Auditoriums weit hinausgeht und den er ebenfalls in Alkid. Soph. 31 nicht mit einem Partizip eines verbum dicendi, sondern mit dem Partizip von ἐντυγχάνω als „meine Rezipienten/ Leser“ (s. o. 3.4) anspricht. In diesem Kontext verwendet er mit der Formulierung „Hinabsehen in das Geschriebene“ (εἰς δὲ τὰ γεγραμμένα κατιδόντας; Alkid. Soph. 32) im Übrigen eine weitere, visuell konnotierte Umschreibung einer Form individuell-direkter Lektüre, bei welcher der Leser auf das in der Rolle Geschriebene hinabschaut. Eine weitere eindrückliche Szene findet sich im Hauptwerk von Dionysios von Halikarnassos, in der er die Geschichte Roms erzählt. In Buch 5 beschreibt Dionysios, wie die Konsuln aus der Frühzeit der Römischen Republik eine Verschwörung aufdecken und Briefe der Verschwörer finden (vgl. Dion. Hal. ant. 5,7,2-4). Nach der nächtlichen Aufdeckung der Konspiration setzt sich der Konsul Brutus am Morgen auf den Richterstuhl (καθίσας ἐπὶ τὸ βῆμα). 204 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 382 S. zur Verwendung dieses Verbes als Leseterminus ferner exempl. Gal. dig. puls. 3,79 [ed. K Ü H N 8, p. 931,6]; Cass. Dio 55,25,4. Das Verb σκοπέω wird auch ohne Präfix als Leseterminus verwendet. Vgl. z. B. Ps.-Aristot. de plantis 821b31 f: ἐὰν ἐπιμελῶς σκοπήσωμεν τὰς βίβλους αὐτῶν ἃς ἔγραψαν …; Athen. deipn. 9,29 (383b). 383 Vgl. zu diesem Brief weiterführend H E S S L E R , Korrespondenz, 40 f. 384 S. dazu und zur Verbreitung von Skytalen weiterführend D Z I A T Z K O , Beiträge, 5-8. „Und er sah die Briefe der Verschwörer durch (καὶ τὰς ἐπιστολὰς τῶν ἐν τῇ συνωμοσίᾳ διασκεπτόμενος), wobei er fand (εὑρίσκω), dass diese von seinen Söhnen geschrieben worden waren, was er jeweils an den Siegeln erkannte“ (Dion. Hal. ant. 5,8,2). Das Verb διασκοπέω (durchsehen, genau betrachten, untersuchen) 382 zeigt an, dass die individuell-direkte Lektüre im Sitzen eindeutig visuell konzeptualisiert ist. Zudem geht aus dem Kontext hervor, dass Brutus die Briefe nicht-vokali‐ sierend liest. So befiehlt er im Folgenden, dass die Briefe vorgelesen würden (ἀναγιγνώσκω), damit auch den anderen Anwesenden der Inhalt zu Gehör gebracht wird. Sehr ähnlich ist eine Szene in der in der ersten Hälfte des 3. Jh. geschriebenen Vita des Apollonios von Tyana von Philostrat. Der Ich-Erzähler vermutet hier, dass der König keine Nahrung zu sich genommen hätte, weil er Gerichtsakten durchgesehen habe (διοράω). „Er habe nämlich eine Schriftrolle in der Hand gehabt und bald mehr, bald weniger Zorn gezeigt“ (Philostr. v. Apoll. 8,1; Üb. M U M P R E C HT ). Auch hier erscheint es plausibler anzunehmen, dass der König die Gerichtsakten nicht-vokalisierend durchsieht. Das Verb wird außerdem in einem Fragment von Alexis Stück Linos eindeutig zur Kennzeichnung von nicht-vokalisierendem Lesen verwendet. In einer Szene fordert Linus Herakles dazu auf die an den Rollen außen angebrachten Titel der großen Menge seiner Bücher mit Ruhe und Muße durchzusehen (διασκοπῶν ἀπὸ τῶν ἐπιγραμμάτων ἀτρέμα τε καὶ σχολῇ. Alexis, Linus fr. 140: Athen. deipn. 4,57 [164c]). Epikur verwendet in seinem Brief an Herodot das Verb διαθρέω (durchsehen), um das individuelle Studium seiner umfangreichen Fachbücher zu bezeichnen, wenn er schreibt, er habe eine Epitome erstellt „für diejenigen […], die nicht alles genau erforschen (ἐξακριβόω) können, was ich über die Natur geschrieben habe, oder die längeren Bücher der Werke durchsehen zu können (μηδὲ τὰς μείζους τῶν συντεταγμένων βίβλους διαθρεῖν)“ (Diog. Laert. 10,35). 383 Plutarch kommt in seiner Biographie des spartanischen Feldherrn Lysandros auf ein Verschlüsselungssystem für schriftliche Botschaften in der Kommunika‐ tion mit Militärs zu sprechen - die sog. Skytale (vgl. Plut. Lys. 19; s. auch Polyain. strat. 7,19). 384 Dabei kommen auf der Sender- und Empfängerseite zwei identische Rundhölzer zum Einsatz, um die herum ein Papyrus- oder Lederstreifen gewickelt und mit einer Nachricht beschrieben wird. Die Nachricht auf dem Streifen wird ohne das Rundholz an den Empfänger geschickt. 205 3.8 Lesen als Sehen des Textes 385 Das Motiv des Lesens in der Natur und in der Stille findet sich auch im griechischen Alexanderroman. Dort liest Philipp in einem Garten des Palastes, dessen Idylle aus‐ giebig ausgeschmückt wird, πρὸς τὴν ἡσυχίαν ἐν φιλολόγοις βιβλίοις (Ps.-Kall. 1,11,1 [rec. α]). Eine Situation der absoluten Ruhe sieht z. B. auch Dion Chrysostomos für die genussvolle Lektüre von Herodot vor. Vgl. Dion Chrys. or. 18,10. 386 Vgl. z. B. auch Basil. ep. 138,1. „Er nimmt also die bei ihm befindliche Skytale und wickelt den Briefstreifen um sie, so dass, wenn nun die Wickelung in die gleiche Lage kommt, wie zuvor, das zweite an das erste schließt, das Auge im Kreise herumführt und es so den Zusammenhang auffinden lässt (κύκλῳ τὴν ὄψιν ἐπάγειν τὸ συνεχὲς ἀνευρίσκουσαν)“ (Plut. Lys. 19,7; Üb. Z I E G L E R ). Das Lesen der Botschaft ist hier eindeutig visuell konzeptualisiert, wie sprach‐ lich-syntaktisch vor allem daran deutlich wird, dass der Blick (ὄψις) Hauptbe‐ teiligter des Lesevorgangs ist, der wiederum als Auffinden des Zusammenhangs beschrieben wird (τὸ συνεχὲς ἀνευρίσκω). Interessant ist außerdem, dass der Herausgeber im Prolog der Oracula Sibyl‐ lina formuliert, er habe die vorher zusammenhangslosen Weissagungen als ein einheitliches und zusammenhängendes Ganzes herausgegeben, „damit sie für die Lesenden leicht einzusehen sind (ὡς ἂν εὐσύνοπτοι τοῖς ἀναγιγνώσκουσιν)“ (Sib. Prol.). Die Semantik des Adjektivs εὐσύνοπτος hat eine eindeutig visuelle Konnotation. In Kombination mit der zuvor zu findenden Metapher A R B E IT I S T L E S E N (ἐκπονέω/ πονέω) ist es eindeutig, dass der Herausgeber eine intensive individuell-direkte Lektüre seiner Sammlung antizipiert. Kaiser Iulian formuliert in einem Brief an den Rhetor Euagrios: „Tiefe Stille herrscht rings um den Ort, wenn du dich niederläßt, um in ein Buch zu sehen (ἡσυχία δὲ πολλὴ κατακλινομένῳ καὶ εἴς τι βιβλίον ἀφορῶντι). Willst du dazwischen einmal dein Auge ausruhen lassen, so ist es überaus wohltuend, auf die Schiffe und das Meer hinauszuschauen“ (Iul. ep. 25 [427b]; Üb. W E I S ). Diese Stelle bietet zahlreiche interessante Einsichten im Hinblick auf Leseweise und Lesesituation. Iulian imaginiert eine Lesesituation auf einem Stückchen Land, das er Euagrios zum Geschenk macht, in der Euagrios draußen in der Natur, im Liegen (κατακλίνω) und in großer Stille (ἡσυχία δὲ πολλὴ) liest. 385 Die Verwendung von ἀφοράω als Leseverb 386 konzeptualisiert die individuell-di‐ rekte Lektüre eindeutig visuell und zeigt in Verbindung mit der Betonung der Stille, dass diese nicht-vokalisierend vorzustellen ist. Der Verweis auf das Ausruhen der Augen zeigt sodann ferner, dass es sich um eine längere Lektüresequenz handeln muss, welche die Augen anstrengt, sodass Erholungs‐ unterbrechungen notwendig erscheinen. 206 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 387 Vgl. neben den Einträgen in den gängigen Lexika insb. die Ausführungen bei Aristot. Ath. pol. 54,3-5, welche den Tätigkeitsumfang von γραμματεῖς anschaulich zeigen. S. weiterführend Anm. 74, S. 504. 388 Vgl. z. B. Cic. de orat. 1,34,154: Das Verb propono meint hier, dass Cicero sich Reden in Form von Manuskripten vornimmt (vor die Augen); Cic. fam. 3,7; Hor. ep. 1,19,34-40 (ingenuis oculisque legi manibusque teneri); Plin. ep. 5,10,3; Ov. am. 1,11,21 f; Val. Max. 4,6; Quint. inst. or. 11,2,32; 12,8,12 (hier ist ein überfliegendes Hineinschauen in Gerichtsakten gemeint); Mart. 2,6,3 (spectas eschatocollion); Serv. Aen. 2,57 (ante oculos lectoris induco; s. die analoge griechische Formulierung bei Hipp. de Antichristo 1; Aug. de dial. 5,7 (s. dazu u. S. 238 f.); Aug. Conf. 8,6.14 f; Hier. ep. 125,11. 389 Vgl. dazu K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 206-211. Eine sehr wichtige Belegstelle stellt Gell. 19,1,13-15 dar (s. ebd., 208, Anm. 100): „Weil Du Verlangen trägst, den Grund zu hören, so lass’ Dir erklären, wie über einen […] Schrecken unsere alten Stifter der stoischen Sekte geurteilt haben, oder lies es lieber [selbst], denn wenn Du es liest, […] wirst Du es leichter glauben und eher behalten (lege; nam et facilius credideris, si legas, et memineris magis). Darauf holte er sofort aus seinem Bündelchen das fünfte Buch von Epiktets gelehrten Untersuchungen hervor […]. In diesem Buch las ich nun, in griechischer Sprache, wie sich von selbst versteht, folgende geschriebenen Gedanken …“ (Üb. W E I S S , leicht modernisiert JH). Ferner sei noch auf einen Eintrag im spätantiken, aber nicht eindeutig datierbaren Lexikon von Hesychios verwiesen, der einen γραμματεύς definiert als „der Leser; ein Buchstaben gut Sehender (ὁ ἀναγνώστης. γράμματα εἰδὼς καλῶς)“ (Hesych. 891). Angesichts des unter 3.1.6 besprochenen semantischen Befundes sollte man den Bedeutungsgehalt von ὁ ἀναγνώστης hier keinesfalls auf „der Vorleser“ einengen. Bei einem γραμματεύς handelt es sich in den Quellen ja eindeutig um jemanden der sowohl mit dem Schreiben als auch mit der individuell-direkten Rezeption als auch mit dem Vorlesen von Texten betraut ist. 387 Entsprechend erklärt er das Verb γραμματεύειν mit den Verben γράφειν und ἀναγινώσκειν (Hesych. 890). Auch in der lateinischsprachigen Literatur finden sich zahlreiche Stellen, an denen Lesen visuell konzeptualisiert ist, 388 sogar explizit die Reflexion, dass visuell orientiertes Lesen dem Zugang über das Ohr überlegen ist. 389 Im Folgenden soll aber nur noch eine dieser Stellen exemplarisch besprochen werden. Seneca thematisiert in einem seiner Briefe an Lucilius den Unterschied zwischen der Rezeption eines Textes beim mündlichen Vortrag auf der einen Seite und dem Lesen eines Textes in schriftlicher Form: „und fast immer bereitet das, was im mündlichen Vortrag aufgrund seiner Lebendig‐ keit gefällt, weniger Vergnügen, wenn es schriftlich vorliegt; aber auch das ist schon viel, wenn die Lektüre auf den ersten Blick fesselt, auch wenn man beim genauen Hinsehen etwas findet, woran man Anstoß nehmen kann (Sed illud quoque multum 207 3.8 Lesen als Sehen des Textes 390 „Du schreibst, Du hättest die Bücher des Fabianus Papirius, mit dem Titel Civilia mit größter Leidenschaft gelesen (legisse te cupidissime), aber sie hätten Deinen Erwar‐ tungen nicht entsprochen“ (Üb. F I N K ). 391 Vgl. G E O R G E S , Handwörterbuch, 1231 f. 392 Als Spezifizierung der individuell-direkten Lektüre z. B. auch bei Apul. apol. 64. 393 Vgl. außerdem Cic. ad Brut. 2,15,1; Philo congr. 20 (s. u. S. 346 f). est primo aspectu oculos occupasse, etiam si contemplatio diligens inventura est quod arguat)“ (Sen. ep. 100,3, Üb. F I N K ). Die Lexeme aspectus und oculus zeigen eindeutig, dass das Lesen hier visuell konzeptualisiert ist und damit auch das Lesen (lego) der Bücher des Fabianus Pa‐ pirius mit großer Begierde in Sen. ep. 100,1 390 rückblickend näher als ein solches bestimmt wird. Darüber hinaus meint in diesem Kontext das Verb contemplatio (das Hinrichten des Blickes auf etwas) 391 - v. a. in Zusammenhang mit diligens (aufmerksam, gründlich, gewissenhaft) 392 - eine intensive, individuell-direkte Auseinandersetzung mit einem Redemanuskript. Vorausgesetzt ist dabei auch, dass der Text iterativ gelesen wird. Zuletzt sei nun noch auf einige Quellen verwiesen, in denen Lesen zwar nicht mit einem verbum vivendi benannt wird, die aber eindeutig zeigen, dass das Auge als Leseorgan verstanden wurde. Bei Platon findet sich eine Stelle, an der Buchstaben wie beim Augenarzt als eine Art Sehtest gelesen werden (Plat. polit. 2,368d). Bei Plutarch findet sich ein ausführliches Gespräch darüber, warum ältere Menschen Texte weit von den Augen weghalten, um sie lesen zu können (Plut. symp. 1,8,1-4 [insb. mor. 625d/ e]). Plinius d. Ä. zitiert, „damit es überall [scil. in seiner Naturgeschichte] gelesen wird“ (Plin. nat. 31,3,7), ein Epigramm von Ciceros freigelassenem Sklaven Laurea Tullus. Darin finden sich die folgenden Zeilen: „Der Ort hat wahrlich zu Ciceros Ehre dies gespendet/ als er die kräftige Wirkung der Quelle erschloß/ damit, da er von der ganzen Welt ohne Ende gelesen wird (quoniam totum legitur sine fine per orbem),/ es an Wasser nicht mangelt, welche die Augen heilen“ (Plin. nat. 31,3,8; Üb. R. K ÖNI G ). Plinius d. J. gibt als Grund dafür an, dass er sich der Lektüre (lectio) enthalte und nur mit den Ohren studiere (solis auribus studeo, vermutlich mit Hilfe eines Vorlesers), weil er Rücksicht auf seine schwachen Augen nehme (Plin. ep. 7,21,1). Diese Stelle zeigt eindeutig, dass die Nutzung eines Vorlesers nicht der Normalfall beim Lesen war, sondern mit spezifischen Bedürfnissen zusammenhing. Martial thematisiert das Ermüden der Augen in Zusammenhang mit der Farbe des Schrifthintergrundes (Mart. 16,5). Bei Aulus Gellius findet sich das (hier freilich nur als Vorwand angeführte) Motiv, dass die Augen vom ununterbrochenen Studium in der Nacht (lucubratio) verderben, wobei aus dem Kontext deutlich wird, dass es ums Lesen geht (Gell. 13,31,10-12). 393 Porphyrios bezeugt, dass die 208 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 394 Er habe seine selbstgeschriebenen Texte nicht noch einmal gelesen διὰ τὸ τὴν ὅρασιν μὴ ὑπηρετεῖσθαι αὐτῷ πρὸς τὴν ἀνάγνωσιν (Porph. vit. Plot. 8). 395 S. dazu auch Ps.-Plut. de Hom. 113, wo mit der Wendung αἴσθησις τῶν ἐντυγχανόντων die sinnliche Wahrnehmung der Leser benannt wird. S. dazu H I L L G R U B E R , De Homero 2, 249 f. 396 Vgl. zur individuell-direkten Lektüre von einer großen Anzahl dramatischer Texten (800 Komödien) außerdem Athen. deipn. 8,15 (336d). 397 K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 79. Sehfähigkeit Plotins für die Lektüre seiner eigenen Texte zu stark eingeschränkt war. 394 Ferner ist im Rahmen dieses Unterkapitels noch darauf hinzuweisen, dass entsprechend des inneren Hörens auch das innere Sehen im Kontext von Leseprozessen in der Antike belegt ist. 395 Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht eine Leseszene bei Dion Chrysostomos, dem es nach seinen morgendlichen Verrichtungen nach dem Frühstück danach ist, Tragödien zu lesen (καὶ μικρὸν ἐμφαγὼν ἐνέτυχον τραγῳδίαις τισίν; Dion Chrys. or. 52,1), die er explizit benennt und vergleichend liest: 396 Philoktetes von Sophokles, Aischylos und Euripides (vgl. Dion Chrys. or. 52,2 f). Seine Leseerfahrung reflektiert er dabei wie folgt: “So I was feasting my eyes on the spectacle portrayed by these dramas (Οὐκοῦν εὐωχούμην τῆς θέας) and figuring to myself that, even if I had been in Athens in those days, I could not have witnessed such a contest as this of those distinguished poets. […] Accordingly, I played choregus for myself in very brilliant style and tried to pay close attention, as if I were a judge passing judgement on the premier tragic choruses“ (Dion Chrys. or. 52,3 f; Üb. C O H O O N ). Bei Dion läuft während der individuell-direkten Lektüre eine innere Aufführung der genannten Tragödien ab. Er lässt ein „Bewußtsein der ubiquitären und überzeitlichen Verfügbarkeit der Texte“ 397 erkennen, die er als großen Vorteil der Lektüre gegenüber der Rezeption im Theater hervorhebt. Als Verb verwendet er hier mit εὐωχέω (Akt.: gut bewirten; Med.-Pass.: sich sättigen, schmausen) eine innovative und ausdrucksstarke Speisemetapher. Damit ist ein weiteres, in der Antike variantenreich und breit bezeugtes metaphorisches Konzept benannt, das Lesen konzeptualisiert und nun im Folgenden zu besprechen ist. 3.9 Lesen als Essen und Trinken Verbreitet sind zuletzt Metaphern des Essens und Trinkens, auf die an der einen oder anderen Stelle schon hingewiesen wurde und mit denen das Lesen bzw. 209 3.9 Lesen als Essen und Trinken 398 Vgl. dazu H E I L M A N N , Wein, 189-200. 399 Vgl. exempl. Plat. Phaidr. 227b (ἑστιάω); 236e (θοίνη); Alk. 1,114a (γεύω); außerdem Quint. inst. or. 2,4,5; Plaut. As. 649; Aul. 537 f; Poen. 967 f (vgl. dazu S H O R T , Eating, mit weiteren Quellenbelegen). 400 Vgl. exempl. Jer 15,16; Jes 55,1-3.10 f; Ps 33,9 LXX; Spr 9 LXX; Sir 1,16; 15,3; 24 LXX; Mk 7; 1Kor 3,1 f; Kol 4,6; Hebr 5,1-14; 6,4 f; 1Petr 2,2 f; Apc 2,17; Philo post. 86; congr. 170-174 u. ö.; Barn 11,11; EvThom 28; ActPaul P.Bod. 41,3,14 f; ActPaul P.Hamb. 4,5; Iust. Mart. dial. 120,2; Clem. Al. strom. 1,1,8; bHag 3a, mAv 1,4.11; 2,8; BerR 70,5. 401 Vgl. exempl. IgnTrall 6,1. die Rezeption von Texten konzeptualisiert wird - metasprachlich lässt sich dieses weit verbreitete Konzept konventionalisiert als E S S E N / T R IN K E N I S T L E S E N beschreiben. 398 Speise- und Trankmetaphorik ist allerdings nicht dem Lesen von Texten exklusiv vorbehalten, sondern wurde schon seit klassischer Zeit, 399 aber vor allem in jüdischer (insbesondere rabbinischer) und christlicher Literatur auch für die Rezeption mündlicher Lehre verwendet; 400 z. T. ist die Abgrenzung schwierig, da der Kontext der jeweiligen Quelle keine Schlussfolgerungen zulässt. 401 Dies muss im Rahmen dieser Studie jedoch nicht weiter vertieft werden. Es ist im Rahmen dieser Studie auch nicht möglich, die Lesemetaphern des Essens und Trinkens in der griechisch- und lateinischsprachigen Literatur systematisch und vollständig zu erfassen und auszuwerten. Angesichts der Vielzahl von möglichen Lexem- und Motivkombinationen sowie der Vielfalt von grammatikalischen Konstruktionen, denen das Konzept E S S E N / T R IN K E N I S T L E S E N zugrunde liegt, wäre dies Aufgabe für eine eigene Studie. Im Folgenden werden daher lediglich ausgewählte, aussagekräftige Quellenbelege anzuführen sein, die exemplarisch im Hinblick auf die Frage hin auszuwerten sind, welche Rückschlüsse sie auf antike Lesepraktiken zulassen. Schon in Aristophanes’ Die Acharner (Ἀχαρνῆς) meint die Formulierung καταπιὼν Εὐριπίδην (Aristoph. Acharn. 484) wohl die Rezeption seiner Tragö‐ dien. Analog findet sich bei Lukian in seinem Stück Der tragische Jupiter (Ζεὺς Τραγῳδός) die Formulierung „den ganzen Euripides ausgetrunken/ herunterge‐ stürzt zu haben“ (τὸν Εὐριπίδην ὅλον καταπεπώκαμεν; Lukian. Iupp. trag. 1,20). Damit wird im Kontext ausgedrückt (resultativer Aspekt des Perfekts), dass man die Stücke des Euripides nicht vollständig ausgetrunken, d. h. „ausgelesen“ haben kann, weil er mutmaßlich zu gehaltvoll dazu ist. In der für unecht gehaltenen Platonschrift Hipparchos wird das Lesen der Sprüche des Hipparchos, die in inschriftlicher Form am Wegesrand stehen und von den Vorbeigehenden mutmaßlich individuell-direkt gelesen werden (παριόντες ἄνω καὶ κάτω), mit dem Kosten seiner Weisheit parallelisiert (καὶ ἀναγιγνώσκοντες καὶ γεῦμα λαμβάνοντες αὐτοῦ τῆς σοφίας; [Ps.]-Plat. Hip‐ parch. 228e). In einem bei Athenaios überlieferten Fragment einer Komödie des 210 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische attischen Dichters Baton (3. Jh. v. Chr.) wird mit der Metaphorik E S S E N / T R IN K E N I S T L E S E N ironisch gespielt: „Gut, Sibyne, schlafen wir die Nächte gewiss nicht, auch sind wir nicht gut ernährt/ ge‐ bildet (οὐδ’ ἀνατετράμμεθ’), sondern wir zünden eine Lampe an, und [halten] ein Buch in den Händen (καὶ βυβλίον ἐν ταῖς χερσί), und denken darüber nach (φροντίζω), was Sophon hinterlassen hat, oder was Simonaktides von Chios, oder Tyndarichos von Sikyon, oder Zopyrinos“ (Athen. deipn. 14,81 [662c]: CAF 3, Bato Fr. 4). Die Speisemetapher steckt in diesem Fragment im Verb ἀνατρέφω (auffüttern, aufziehen), was hier zunächst bedeutet, dass diejenigen, die in der 1. Pers. Pl. sprechen sich für nicht gebildet halten und daher des Nachts lesen. Lesen wird hier mit der weit verbreiteten Lesemetonymie „ein Buch in der Hand halten“ konzeptualisiert (s. o.); die kognitive Verarbeitung beim Lesen wird mit dem Verb φροντίζω angezeigt. Vorausgesetzt ist also das Konzept individuell-di‐ rekter Nachtstudien (s. o. zum Motiv der lucubrationes), bei denen die auditive Dimension des Textes keine Rolle zu spielen scheint. Die Stelle zeigt vielmehr, dass gefüttert, d. h. gebildet zu sein, an der Belesenheit eines Individuums hängt. Die Ironie der Stelle liegt nun aber darin, dass die genannten Personen allesamt Autoren von Kochbüchern sind, wodurch sowohl das Motiv der Nachtstudien ironisch gebrochen wird als auch das Verb ἀνατρέφω eine Doppeldeutung erhält. Polybios vergleicht das Kosten von vielen Speisen beim Mahl, das schlecht für den Genuss und später für die Verdauung und für die Ernährung ist mit der Lektüre (Polyb. 3,57,7-9). „Ebenso finden die, die beim Lesen (περὶ τὴν ἀνάγνωσιν) ähnlich verfahren, weder für den Augenblick wirkliche Unterhaltung, noch erzielen sie für die Zukunft den gebührenden Gewinn“ (Polyb. 3,57,9; Üb. D R E X L E R ). Aus dieser Stelle lassen sich folgende Einsichten gewinnen: 1) Polybios scheint eine verbreitete Praxis zu kritisieren. 2) Es ist eine selektive, oberflächliche und nicht-iterative Leseweise, also die Lektüre vieler Werke ohne eingehende Beschäftigung vorauszusetzen. 3) Daher kann ἀνάγνωσις hier auch nur die individuell-direkte Lektüre meinen, da bei einer kollektiv-indirekten Rezeption die durch den speisemetaphorischen Vergleich vorausgesetzten Zugriffsweisen nicht realisierbar wären. 211 3.9 Lesen als Essen und Trinken 402 Vgl. Ez 3,3; Apc 10,9 f (s. dazu u. 8.4.2.3). 403 S. dazu mit Verweis auf die Quellen B R A M B L E , Persius, 48-54. Bei Makarios Magnes, der hier zus. angeführt sei, bewertet der Grieche die Passionserzählungen in den Evangelien angesichts der Widersprüche als „ungenießbare (ἕωλος) und ungereimte Geschichten“, aus denen man keinen Sinn entnehmen könne. Das Adjektiv ἕωλος (abgestanden, fad, schal) wird häufig im Zusammenhang mit alten Lebensmitteln verwendet. Vgl. z. B. Aristot. probl. 927b; Hippokr. aff. 52. 404 Morgentliche individuell-direkte Lektüre (nicht-vokalisierend! ) zur Unterhaltung ist z. B. auch belegt bei Hor. sat. 1,6,122 f. 405 Faustus, der Sohn Sullas, war der Erbe dieser Bibliothek, die Sulla bei der Eroberung Athens im Mithridatischen Krieg erbeutete. Vgl. dazu weiterführend K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 10, Anm. 7; W I L K E R , Irrwege; ausführlich zur Geschichte der Bibliothek von Aristoteles B L U M , Kallimachos, 109-134. 406 Vgl. außerdem die Verwendung von satio und aviditas in Cic. fin. 3,7. Artemidor von Daldis verwendet in seinen Traumdeutungen die - freilich hier geträumte - Metapher des Essens von Büchern, die sich auch in den biblischen Schriften findet, 402 um das Lesen derselben auszudrücken: „Das Verzehren von Büchern (ἐσθίειν δὲ βιβλία) bringt Erziehern, Sophisten und allen, die durch Reden oder Bücher ihr tägliches Brot verdienen, Nutzen; allen anderen Menschen prophezeit es jähen Tod“ (Artem. on. 2,45; Üb. B R A C K E R T Z ). Artemidor unterscheidet hier zwei Rezipientengruppen: Solche, die berufs‐ mäßig Bücher lesen, und alle übrigen. Die Formulierung impliziert, dass das Lesen von Büchern auch bei nicht-berufsmäßigen Lesern durchaus verbreitet war. Daneben basiert auch die weite Verbreitung in griechischen und lateini‐ schen Quellen, das Urteil über Gelesenes als Geschmack zu konzeptualisieren, auf der hier diskutierten Metaphorik. 403 Entsprechend lässt sich die Metaphorik häufig auch bei lateinischen Autoren finden. Cicero antizipiert in einem Brief an M. Marius aus dem Jahr 55 v. Chr., dieser habe in den Morgenstunden in seinem Schlafzimmer mit schönem Ausblick auf das Meer „kleine Lektüren konsumiert“ (per eos dies matutina tempora lectiunculis consumpseris; Cic. fam. 7,1,1), was hier tatsächlich meint, er habe aus ästhetischem Genuss gelesen. 404 In einem seiner Briefe an Atticus berichtet er (Cic. Att. 4,10), dass er sich in seiner Villa am Lucriner See an „der Bibliothek des Faustus sättigt“ (ego hic pascor bibliotheca Fausti) - also an den Schriften aus der Bibliothek des Apellikon, die auch Aristotelesmanuskripte enthielt, 405 - und nicht nur an den Delikatessen aus dem See. Diese Lesetätigkeit, die er im Sitzen in einem kleinen Sitz (sedecula) ausführt, beschreibt er selbst als „Studien“ (litterae). 406 Bei Ovid findet sich Lesen dann metaphorisch als Trinken konzeptualisiert. 212 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 407 Vgl. auch Ov. ars 1,1 f. Vgl. weiterführend S E I B E R T , Exilwelt, 17. 408 So auch die Übersetzung von A. L. W H E E L E R gegen die Übersetzung v. W. W I L L I G E . Auch in Ov. ars 1,1 f ist individuell-direkte Lektüre vorausgesetzt. 409 Vgl. außerdem die Metaphorik des Nährens durch Bücher bei Ov. trist. 3,14,37 f. 410 Sen. ep. 46,1: accepi et tamquam lecturus ex commodo adaperui ac tantum degustare volui. „Dass andere Dichtungen vom großen Triumph um die Wette geschrieben schon längst vom Mund des Volkes gelesen, vermute ich (iam pridem populi suspicor ore legi). Jene trinkt der dürstende Leser (lector) und nur der satte [Leser] von meinem Becher; jenes Getränk ist frisch, mein Wasser wird schal sein, “ (Ov. Pont. 3,4,53-56) Aus dieser Stelle lassen sich mehrere wichtige Einsichten gewinnen: 1) Ovid geht davon aus, dass lyrische Texte sich nicht nur an die Oberschicht richteten, sondern von einer breiteren Bevölkerungsgruppe (populus) rezipiert wurden. 407 2) Die Texte werden dem Volk nicht vorgelesen, 408 sondern der „Mund des Volkes“ liest sie individuell-direkt. Dies zeigt auch die Ov. Pont. 3,4,55, wo der Leser (lector) im Singular als die Texte Trinkender dargestellt wird. 3) Dass Ovid hier den „Mund“ (os) als Leseinstanz benennt, impliziert vokalisierende (mögli‐ cherweise auch nur subvokalisierende) Lektüre. Dies ist angesichts lyrischer Texte erwartbar, die - wie auch die Ausgestaltung der Metaphorik verdeutlicht - vorrangig aus Gründen des ästhetischen Genusses rezipiert werden. 409 Seneca macht ebenfalls reichen Gebrauch der hier diskutierten Metaphorik. Neben der eindrücklichen, oben schon besprochenen Stelle (S. 194 f), formuliert er in einem anderen Brief, dass er ein Buch erhalten habe und es zunächst nur aufgeschlagen habe, so als würde er es später lesen wollen - und zwar um einen Vorgeschmack zu bekommen. 410 Diese Stelle belegt einen eher oberflächlichen, selektiven und diskontinuierlichen Zugriff auf die Buchrolle. Eine aufschlussreiche Stelle findet sich bei Quintilian. Dieser schreibt im Kontext einer ausführlichen Gegenüberstellung des Hörens von Reden und der eigenen Lektüre: „Die Lektüre ist unabhängig (lectio libera est) und läuft nicht mit dem Ungestüm der vorgetragenen Rede ab, sondern sie kann immer wieder zurückgreifen (sed repetere saepius licet), falls man Zweifel hat oder man es dem Gedächtnis fest einprägen möchte. Zurückgreifen aber wollen wir und grundsätzlich es immer wieder neu vornehmen (repetamus autem et tractemus), und wie wir die Speisen zerkaut und fast flüssig herunterschlucken, damit sie leichter verdaut werden, so soll unsere Lektüre nicht roh, sondern durch vieles Wiederholen mürbe und gleichsam zerkleinert unserem Gedächtnis und Vorrat an Mustern (zur Nachahmung) einverleibt werden“ (Quint. inst. or. 10,1,19; Üb. R A H N ). 213 3.9 Lesen als Essen und Trinken 411 Möglicherweise meint auch das Verb ἐπισιτίζομαι bei Lukian. rh. pr. 17 eine schriftliche Form des Festhaltens der Lesefrüchte aus dem im Kontext genannten Lektüren. Quintilian sieht einen Vorteil der Lektüre darin, dass man beim Lesen auf Vor‐ angegangenes zurückgreifen (repeto) kann. Die Gegenüberstellung von repeto und retracto deutet darauf hin, dass ersteres Regressionen beim Lesen reflektiert und letzteres eine erneute Lektüre meint. Quintilian reflektiert hier also, dass der selbstbestimmte Umgang mit dem Medium bei der individuell-direkten Lektüre es erlaubt, zurückzublicken oder auch (teilweise bzw. ganz) zurückzu‐ rollen. Die Vorteile diskontinuierlicher und mehrfacher Zugriffsweisen sind für Quintilian dabei mnemotechnischer Art - sowohl im Hinblick auf inhaltliches Auswendiglernen als auch im Hinblick auf das Lernen von stilistischen Mustern. Die kognitiven Verarbeitungsprozesse bei dieser Form von Lektüre konzeptua‐ lisiert Quintilian hier mit der Metaphorik des Essens und Verdauens. Einfach Gelesenes ist Rohkost, mehrfach Gelesenes ist mürbe und zerkleinert und kann daher besser mit dem Gedächtnis verdaut und einverleibt werden, d. h. steht dem Lesenden zukünftig für die eigene Produktion von Reden oder Texten zur Verfügung. Wenn Apuleius die Bediensteten in der Bibliothek als „Kellermeister der Bücher“ (promus librorum; Apul. apol. 53) bezeichnet, steht auch hier die zur Diskussion stehende konzeptuelle Metaphorik im Hintergrund. Etwas anders gelagert nennt Aulus Gellius (Gell. praef. 2) seinen Wissensspeicher, die Ex‐ zerpte und Notizen von Lektüren und Gehörtem, „Proviant an Buchstaben“ (litterarum penus). 411 Hier wird also mit der gleichen Metaphorik das auch in der Antike gebräuchliche mnemotechnische Hilfsmittel von schriftlichen Aufzeichnungen thematisiert, die bei der Weiterverarbeitung dann als Proviant verzehrt, also gelesen werden müssen. 214 3 Semantik des Lesens im Griechischen mit Seitenblicken auf das Lateinische 1 Die Verwendung dieses aus dem Druckzeitalter stammenden Terminus ist nicht im Sinne einer anachronistischen Rückprojektion zu verstehen. Vielmehr sollen damit im griechischen Wortsinne (τύπος u. γράφω: Form des Geschriebenen) die relative Einheitlichkeit bzw. die gemeinsamen Merkmale der Gestaltung insb. von Majuskelhandschriften (v. a. literarischer Texte) in der griechisch-römischen Welt zum Ausdruck gebracht werden, die auf eine starke Konventionalisierung hindeutet. Auf den hohen Grad an Standardisierung weist z. B. auch K N O X , Books, 20, hin. 2 Zur Diskussion um Worttrennungen im Hebräischen vgl. weiterführend G L E N N Y , Finding, 115-117. 4 Scriptio Continua und „typographische“ 1 Merkmale antiker Handschriften Griechische Texte sind in der antiken Mittelmeerwelt unabhängig vom Schrift‐ medium ohne Wortzwischenräume geschrieben (scriptio continua oder scriptura continua) worden. 2 Aus diesem allgemein bekannten „typographischen“ Gestal‐ tungsmerkmal antiker Texte ergibt sich die Frage, welche Bedeutung die scriptio continua für antike Lesegewohnheiten hatte. In methodischer Hinsicht stellen sich verschiedene weitere Fragen: Kann man von der „typographischen“ Textgestaltung Rückschlüsse auf die Lesepraxis ziehen? Inwiefern bestimmt das Leseverhalten/ die Lesepraxis die „typographische“ Gestaltung von Texten auf antiken Schriftmedien bzw. welche anderen Faktoren spielen diesbezüglich eine Rolle? Kompliziert werden diese Fragen sodann, weil die Frage des Zusammenhangs zwischen scriptio continua und Lesepraxis nicht losgelöst von anderen „typographischen“ Gestal‐ tungsmerkmalen der Texte behandelt werden können, da das visuelle Erfassen von Schrift - so viel darf aus der Grundlage der modernen Typographie postuliert werden - im Zusammenhang mit anderen „typographischen“ Gestaltungsmerk‐ malen untersucht werden muss: insbesondere die Zeilenbzw. Spaltenlänge, ferner aber auch die Zeilenabstände und die Schriftgröße. Die hier aufgeworfenen Fragen können aus Gründen der Komplexität des Problems im Rahmen dieser Studie nicht umfassend bearbeitet werden. Ausgehend von der gängigen Sicht des Zusammenhangs zwischen scriptio continua und der antiken Lesepraxis sind allerdings einige problematisierende Überlegungen notwendig: Wie schon in der Einleitung deutlich geworden ist, wird in den verschiedenen altertumswissenschaftlichen Fächern gemeinhin angenommen, dass ein festes Interdependenzverhältnis zwischen der Praxis des vokalisierenden Lesens und der Praxis, Texte in scriptio continua zu schreiben, besteht. 3 Vgl. z. B. die rein thetischen Überlegungen bei G A M B L E , Books, 203 f (s. o. Anm. 189, S. 61). 4 Vgl. B A L O G H , Voces Paginarum, 228 f. Vgl. ebenfalls rein thetisch S C H U B A R T , Buch, 80 f; S E D G W I C K , Reading, 93; M A R R O U , History, 134; M A V R O G E N E S , Reading, 693. 5 Vgl. z. B. R A I B L E , Raible, Entwicklung, der auf der Grundlage von Saengers Arbeit schlussfolgert, die Praxis der generell „lauten“ Lektüre in der Antike sei eine „Folge der Eigenschaften eines Schreibsystems“ (5). Quellenbelege für seine Hypothese, „solche Texte [i. e. in scriptio continua geschrieben] sind so schwer zu lesen, daß sie laut gelesen werden müssen“ (8), führt er jedoch nicht an. Vgl. außerdem exempl. M A Y R , Art. Hören, 1027 f; P A R K E S , Pause, 10 f; F R A N K , Textgestalt, 36-42; U S E N E R , Isokrates, 96; S T A N D H A R ‐ T I N G E R , Studien, 35; S M A L L , Wax Tablets, 21.53 u. ö.; C A V A L L O , Volume, 74 f; H E Z S E R , Jewish Literacy, 463 f; E H L E R S , Rezitator, passim; C A R R , Writing; H E L L M A N N , Scriptio continua, 153-156; C R I B I O R E , Gymnastics, 198 f; V E G G E , Paulus, 345; G I L F I L L A N U P T O N , Hearing, 47; M O S E R , Subjektivität, 129-131; H E L L H O L M , Universalität, 256 f; A L I K I N , History, 148; C H A R L E S W O R T H , Public, 148; O E S T R E I C H , Performanzkritik, 67.123.174; L U Z , Hermeneutik, 164; C A R R , Schrift, 12 f. Für die Übernahme der These in der altorientalischen Forschung vgl. G R A Y S O N , Murmuring, 304. Selbst in der Psychologie findet man die Rezeption dieses Paradigmas. Vgl. z. B. L A U B R O C K / K L I E G L , Eye, 2. So ist in der Forschungsliteratur häufig das Postulat zu finden, dass scriptio continua im Vergleich zur scriptio discontinua schwerer zu lesen wäre; antike Texte in scriptio continua daher vorrangig „laut“ vorgelesen werden mussten, um dekodiert und verstanden zu werden. 3 Die Verknüpfung des Paradigmas des „lauten“ Lesens mit der scriptio continua findet sich schon im eingangs zitierten Aufsatz von J. Balogh, 4 eine prominente Stellung nimmt es sodann in P. Saengers berühmten Buch „Space between Words“ ein und wird in der altertumswissen‐ schaftlichen und exegetischen Forschung als gesichertes Wissen rezipiert. 5 Die Argumente, die Saenger und andere für die These anführen, dass in scriptio continua geschriebene Manuskripte grundsätzlich für vokalisierende Lektüre vorgesehen gewesen seien, können jedoch die Beweislast der zu beweisenden Interdependenz nicht tragen. Vielmehr setzen sie das zu beweisende Junktim zwischen vokalisierender Lektüre und scriptio continua schon voraus. Dies wird im Folgenden anhand einer kurzen Diskussion der einzelnen Argumente herauszuarbeiten sein. 4.1 P. Saengers These zum Lesen von scriptio continua vor dem Hintergrund der modernen kognitions- und neurowissenschaftlichen Leseforschung Saengers These einer Verbreitung der nicht-vokalisierenden Lektüre im Mit‐ telalter basiert weniger auf Beobachtungen an repräsentativen Quellen als auf grundlegenden Beobachtungen zur Textorganisation in mittelalterlichen 216 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 6 Vgl. S A E N G E R , Space, 55.83-99. 7 Vgl. S A E N G E R , Silent Reading, 378. 8 Man vergleiche nur die durchschnittliche Zeilenlänge des Codex Alexandrinus’ (ca. 20-24 Buchstaben) und des Vaticanus’ (ca. 15 Buchstaben). 9 Vgl. dazu D I C K E Y , Divisions [Zitat 159]. 10 Vgl. S A E N G E R , Space, insb. 18-30.44-48.314, Anm. 93-95, mit Verweis u. a. auf R A Y N E R / M C C O N K I E , Guides; O ’ R E G A N , Moment; R A Y N E R , Eye; R A Y N E R / P O L L A T S E K , Psychology; T A Y L O R / T A Y L O R , Psychology. Ebenfalls auf älteren Arbeiten basieren die Ausführungen zur kognitiven Dimension des Lesens von scriptio continua bei S M A L L , Wax Tablets, 19-21. Manuskripten. So geht Saenger davon aus, dass maßgeblich die Einführung von Worttrennungen die Voraussetzung für die Verbreitung der nicht-vokali‐ sierenden Lektüre bildete. Diese Innovation findet sich laut Saenger erstmals belegt in den Manuskripten iroschottischer Mönche aus dem 7./ 8. Jh., die unter dem Einfluss syrischer Manuskripte, aber vor allem aus der Schwierigkeit heraus, lateinische (und griechische) Texte, also Texte in einer Fremdsprache, lesen zu müssen, die Worttrennungen in ihre Manuskripte einführten. 6 Zudem sei die Zeilenlänge etwa in Evangelienmanuskripten seit dem 9. Jh. auf 10-15 Buchstaben gesunken, was er als Zeichen des Wechsels von der Kopie durch Diktat zur „leisen“ visuellen Kopie deutet. 7 Die Innovationen in der Gestaltung von Manuskripten seit dem 7. Jh. seien die Voraussetzung dafür gewesen, dass Texte und deren Sinn nun rein visuell mit dem Auge erfasst worden sein könnten, ohne den „Umweg“ über die orale Realisation gehen zu müssen. Die Grundthese von Saenger ist in mehrfacher Hinsicht zu hinterfragen: a) So ist der handschriftliche Befund in einer breiteren diachronen Perspek‐ tive keinesfalls so eindeutig, als dass einem Sinken der durchschnittlichen Zeilenlänge im 9. Jh. eine Signifikanz zukommen könnte, wie Saenger sie postuliert. 8 b) Außerdem finden sich schon in antiken Hss. Worttrennungen, wie unten ausführlich zu zeigen sein wird. Schon jetzt ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere antike bilinguale Texte durchaus Worttrennungen kannten. Daher schlussfolgert Deckey, die diese Handschriften untersucht hat, m. E. vollkommen zu Recht: „The ancients were fully aware of the possibility of word divisions and, on the whole, chose not to use it.“ 9 b) Saengers Überle‐ gungen zur Signifikanz von Worttrennungen und Überlegenheit für die Öko‐ nomie des Leseprozesses basieren auf älteren, mittlerweile überholten kognitionspsychologischen Lesemodellen, in denen die unmittelbare Wahrnehmung von Wortgrenzen anhand der äußeren Umrisse (Bouma-shape) eine entscheidende Rolle für die Worterkennung gespielt hat („Wortüberlegenheitstheorien“). 10 Zudem geht Saenger d) im Anschluss an das sog. Zwei-Wege-Modell zur Konzeptualisierung der Worterkennung davon aus, dass verschiedene Schrift‐ 217 4.1 P. Saengers These zum Lesen von scriptio continua 11 Vgl. S A E N G E R , Space, insb. 1-6, der das Zwei-Wege-Modell vor allem indirekt über - z. T. vom Zwei-Wege-Modell beeinflussten - Studien zum Lesen verschiedener Schriftsysteme aus den 1980er Jahren (u. a. chinesische Schriftzeichen und die verschie‐ denen Schriftsysteme im Japanischen) rezipiert. Vgl. zum Zwei-Wege-Modell, seiner Vorgeschichte und Weiterentwicklung, das Ende der 1970er Jahre unter Aufnahme einer Idee von F. de Saussure u. a. maßgeblich von M. Coltheart entwickelt wurde, C O L T H E A R T , Lexical Access; C O L T H E A R T , Defence; C O L T H E A R T / C U R T I S / A T K I N S / H A L L E R , Models; C O L ‐ T H E A R T / R A S T L E / P E R R Y , Processing; C O L T H E A R T / R A S T L E / P E R R Y / L A N G D O N / Z I E G L E R , Mode‐ ling; C O L T H E A R T , Overview; C H R I S T M A N N , Ansätze, 26. 12 Vgl. dazu C O S T A R D , Störungen, insb. 38 ff. 13 Dieser Effekt beschreibt das Phänomen, dass inkonsistente Wörter langsamer erkannt werden als konsistente Wörter. 14 Vgl. C H R I S T M A N N , Ansätze, 27, mit Verweis auf J A R E D , Spelling; H A R L E Y , Psychology, 167 ff.; E Y S E N C K / K E A N E , Cognitive Psychology, 353-402 [Aufl. aktualisiert JH]. systeme mit unterschiedlichen kognitiven Verarbeitungsprozessen verbunden sind: Die Dekodierung von Schriftzeichen funktionierte über einen visuellen oder lexikalischen Weg, der einen direkten Zugang zu den im mentalen Lexikon gespeicherten Wörtern ermögliche. Bei Alphabet- und Silbenschriften hingegen müssten die Wörter zunächst unter Anwendung von Phonem-Graphem-Korres‐ pondenzregeln phonologisch realisiert werden, damit das Gehirn die Bedeutung eines Wortes erkennen könne. Der visuelle Weg gilt dabei als effizienterer Weg, während der nicht-lexikalische Weg über das phonologische System als Umweg interpretiert wird, den vor allem ungeübte Leserinnen und Leser bzw. Lernende einsetzten. 11 Zwei-Wege-Modelle sind zwar in der empirischen Lese-Lern-Forschung und vor allem in der Dyslexieforschung sehr einflussreich und vor allem für das Englische, an denen die Zwei-Wege-Modelle entwickelt worden, heuristisch hilfreich. 12 Allerdings enthalten die Zwei-Wege-Modelle auch gravierende Schwächen, die insbesondere ihre Übertragbarkeit auf andere Sprach- und Schriftsysteme - und damit auf die hier besprochene Problematik - in Frage stellen: Neben a) der fehlenden Generalisierbarkeit des an der englischen Sprache - einer Sprache mit vielen unregelmäßig ausgesprochenen Wörtern - entwickelten Modells, die wohl das größte methodische Problem für die Anwendung auf das Lesen antiker Sprachen darstellt, kann es b) den sog. Konsistenzeffekt 13 nicht erklären, arbeitet c) mit einer begrenzten Anzahl von Phonem-Graphem-Korrespondenzregeln und unterstellt d) eine zu langsame Geschwindigkeit der Arbeit des phonologischen Systems. 14 Für das Chinesische, das Saenger als Beispiel einer Nicht-Alphabet/ Silbenschrift für den lexikalischen Weg heranzieht, ist sogar experimentell ausführlich gezeigt worden, dass 218 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 15 Vgl. V A T R I , Physiology, 636, mit Verweisen auf die entsprechenden Studien (u. a. J O N G / B I T T E R / V A N S E T T E N / M A R I N U S , Recording). Entsprechend lernen chinesische Schü‐ lerinnen und Schüler ihre nicht-alphabetische Schrift unter Berücksichtigung der phonetischen Dimension. Vgl. dazu V A T R I , Physiology, 636. 16 Vgl. V A T R I , Physiology, 636, mit Verweis u. a. auf J O N G / B I T T E R / V A N S E T T E N / M A R I N U S , Recording. Vgl. auch J A R E D / L E V Y / R A Y N E R , Role, S P A R R O W / M I E L L E T , Activation. 17 Vgl. P A A P / N E W S O M E / N O E L , Word Shape’s. 18 Vgl. P O L L A T S E K / L E S C H , Perception, 961. Vgl. auch C H R I S T M A N N / G R O E B E N , Psychologie, 149. 19 P E R E A / R O S A , Whole-Word Shape: „To conclude, the present experiments provide evidence against models of visual word recognition that assume that word-level codes (via a word’s overall shape) are computed by the reading system. In this light, eye movement research has failed to obtain empirical evidence to suggest that visual information is combined across saccades during reading in an integrative visual buffer (see R A Y N E R , 20 Years).“ (792 [bibliogr. Angabe im Zitat angepasst]). 20 Vgl. dazu den Überblick bei B R E M / M A U R E R , Ansätze (Lit.); C H R I S T M A N N , Ansätze, 27-33 (Lit.); ferner auch B R E M / M A U R E R , Lesen. 21 Vgl. G L A U C H / G R E E N , Lesen, 384-386; R A U T E N B E R G / S C H N E I D E R , Historisch, 100. beide Wege zusammenarbeiten. 15 Für Alphabetschriften konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass auch beim nicht-vokalisierenden Lesen ein phonologischer Dekodierungsprozess ablaufe (s. u. die Überlegungen zur inner reading voice), obwohl laut des Zwei-Wege-Modells lediglich auf Phonem-Graphem-Korres‐ pondenzregeln zurückgegriffen werden dürfte. 16 Die „Wortüberlegenheitstheorien“ wurden sogar schon in den 1980er Jahren experimentell als insuffizient zur Erklärung der kognitiven Prozesse der Erken‐ nung von Wörtern im Leseprozess herausgestellt: 17 „These results [i.e., of the cited experimental studies] also point to the inadequacy of template theories in dealing with the written word recognition since they indicate that overall word shape plays no important role in visual word recognition“. 18 Auch in jüngeren Untersuchungen ist diese Sichtweise bestätigt worden. 19 An‐ stelle von „Wortüberlegenheitstheorien“ und „Zwei-Wege-Modellen“ sind in der modernen kognitionspsychologisch und neurowissenschaftlich ausgerichteten Leseforschung komplexere Modelle entwickelt worden, die die Identifikation von Buchstaben und den lexikalischen Zugriff im Leseprozess als ein Zusam‐ menspiel von phonologischem, morphologischem und semantischem Verarbei‐ tungssystem im Gehirn konzeptualisieren. 20 Daher wird in der Forschung zu Recht konstatiert, dass die Thesen Saengers zum Zusammengang zwischen Worttrennungen und der Entstehung des nicht-vokalisierenden Lesens aus kognitions- und neurowissenschaftlicher Sicht zu relativieren sind. 21 219 4.1 P. Saengers These zum Lesen von scriptio continua 22 V A T R I , Physiology, 636 (Lit.). 23 Die Fixationsdauer und Häufigkeit der Regressionen variiert u. a. in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad des Textes, der Lesekompetenz und dem Lesemodus: die Dauer der Sakkaden steht in einer Relation zur Entfernung, die das Auge durch einen Sprung überwindet. Vgl. dazu mit weiterführenden Hinweisen zu den verschiedenen Einflussfaktoren als auch zum Phänomen des skipping die Zusammenfassung bei G R O S S , Lesezeichen, 8-15; S C H O T T E R / A N G E L E / R A Y N E R , Parafoveal, 6.8 f. 24 G R O S S , Lesezeichen, 15. 25 Vgl. S T A R R / R A Y N E R , Controversies, 159. „In conclusion, in all graphic systems, both alphabetic and logographic, lexical (visual/ orthographic) and non-lexical (phonological) processes interact in word recognition, with the lexical route leading the way. Things are not as clear-cut as Saenger believes.” 22 Eine besonders profilierte und innovative Gegenposition nimmt A. Vatri in einem 2012 erschienenen Aufsatz ein, der auf der Grundlage aktueller und schriftsystemvergleichender Blickbewegungsmessungen überzeugend zeigen kann, dass die Worterkennung altgriechischer scriptio continua analog zum Thailändischen durch bestimmte Häufungen von Wortkombinationen funk‐ tioniert haben muss und gerade nicht auf die phonologische Realisierung angewiesen war. Wegen der besonderen Relevanz für die hier diskutierte Frage, beziehe ich mich im Folgenden ausführlich auf seine Argumentation. Zuvor sind allerdings noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu den physiologischen und kognitionspsychologischen Grundlagen des Lesens notwendig. Die Blickbewegung des Auges beim Lesen ist nicht kontinuierlich, sondern strukturiert sich aus einer abwechselnden Abfolge von schnellen Vorwärts‐ bewegungen (Sakkaden; Ø ca. 200-250 ms) und Momenten des Anhaltens (Fixationen; Ø ca. 20-40ms) an einem bestimmten Punkt, der preferred viewing location (PVL) genannt wird, wobei dieser Prozess durch schnelle Rückwärts‐ bewegungen (Regressionen; etwa 10-15 % der Sakkaden) unterbrochen wird und durchschnittlich etwa 30 % der Wörter überhaupt nicht fixiert werden (skipping). 23 Daher kann man den Leseprozess auf der visuell-kognitiven Ebene zwar als unstetig charakterisieren, „diese Unstetigkeiten des Leseprozesses werden zeitlich integriert und bleiben beim Lesen undbzw. vorbewußt.“ 24 Die hohe Frequenz der Sakkaden hängt u. a. mit den physiologischen Limitationen des Blickfeldes zusammen, 25 wobei das Konzept der perceptual span den Bereich beschreibt, aus dem ein Leser/ eine Leserin während der Fixation Informationen verarbeiten kann. Die Größe der perceptual span steht insbesondere in einem Zusammenhang mit der Lesekompetenz (so können etwa Leserinnen und Leser 220 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 26 Vgl. R A Y N E R / S L A T T E R Y / B E L A N G E R , Eye; R A Y N E R , Gaze. 27 Vgl. R A Y N E R , 20 Years. M I E L L E T / O'D O N N E L L / S E R E N O , Parafoveal, zeigen, dass die per‐ ceptual span auch 14-15 Buchstaben umfasst, wenn die Buchstaben in Relation zur Entfernung von der Fixation graduell vergrößert werden; die perceptual span kann also nicht nur mit physiologischen Limitationen des periphären Sehens zusammenhängen. Bei Leserinnen und Lesern in Schriftsystemen, die von rechts nach links gelesen werden (z. B. Hebräisch, Arabisch) ist die perceptual span gespiegelt nach links verschoben, wobei die durchschnittliche perceptual span bei Leserinnen und Lesern des Hebräischen wegen der größeren Informationsdichte der Konsonantenschrift nur etwa elf Buch‐ staben links der Fixation umfasst. Vgl. P O L L A T S E K / B O L O Z K Y / W E L L / R A Y N E R , Asymmet‐ ries; J O R D A N / A L M A B R U K / G A D A L L A / M C G O W A N / W H I T E / A B E D I P O U R / P A T E R S O N , Reading. 28 Vgl. V A T R I , Physiology, 638. Vgl. dazu und zum folgenden auch die instruktive Zusam‐ menfassung bei S T A R R / R A Y N E R , Controversies. 29 Vgl. zur großen Bedeutung des parafoveal processing insbesondere für das nicht-voka‐ lisierende Lesen A S H B Y / Y A N G / E V A N S / R A Y N E R , Eye Movements. 30 Vgl. die Zusammenfassung des Forschungsstandes zu Beginn des neuen Jahrtausends bei S T A R R / R A Y N E R , Controversies, 161 f. Während die Studienlage kontrovers blieb (für ein serielles Verarbeitungsmodell plädieren etwa D R I E G H E / R A Y N E R / P O L L A T S E K , Mislo‐ cated; für die parallele Verarbeitung K E N N E D Y / P Y N T E , Effects), deuten neuere Untersu‐ chungen, die Blickbewegungsmessungen mit elektrophysiologischen Untersuchungen (Elektroenzephalographie [EEG] und Elektromyographie [EMG]) kombinieren, darauf hin, dass Worte in der parafovealen Wahrnehmung parallel zu fixierten Worten (auch schon in semantischer Hinsicht) verarbeitet werden. Vgl. L Ó P E Z -P E R É Z / D A M P U R É / H E R N Á N D E Z -C A B R E R A / B A R B E R , Effects (Lit.). Hilfreich ist außerdem der instruktive und mit einer großen perceptual span schneller lesen); 26 für geübte Leserinnen und Leser des Englischen gelten 3-4 Buchstaben links und bis zu 14-15 Buchstaben rechts der Fixation als durchschnittliche Größe für die perceptual span. 27 Die PVL liegt üblicherweise links neben der Wortmitte. Die Blickbewegung wird durch Wortgrenzen geleitet, die parafoveal wahrgenommen werden. Parafoveal meint einen Bereich des visuellen Feldes, der bis zu 5° um das Zentrum der visuellen Wahrnehmung (foveale Wahrnehmung durch Lichtreize, die auf die fovea centralis treffen) liegt und von der peripheren Wahrnehmung zu unterscheiden ist. 28 Dabei beschreibt der sog. parafoveal preview das Phänomen, dass beim Lesen nicht nur das gerade fixierte Wort wahrgenommen und kognitiv verarbeitet wird, sondern auch Buchstaben und Wörter rechts der Fixation. Die aus der parafovealen Wahrnehmung erhaltenen Informationen steuern die Augenbewegung - insbesondere die Fixationspunkte. 29 Das bedeutet, beim Lesen wird nicht nur das gerade fixierte Wort wahrgenommen und verarbeitet, sondern auch schon die vorausliegenden Worte. Dabei wird in der Kognitions‐ forschung allerdings kontrovers diskutiert, wie viele Informationen ein Leser aus der parafovealen Wahrnehmung extrahieren kann und ob Worterkennung im Leseprozess seriell oder parallel funktioniert. 30 221 4.1 P. Saengers These zum Lesen von scriptio continua systematisierende Forschungsüberblick zum parafoveal processing S C H O T T E R / A N G E L E / R A Y N E R , Parafoveal. 31 Vgl. dazu S C H O T T E R / A N G E L E / R A Y N E R , Parafoveal, 12 f (Lit.). 32 So auch die Problematisierung der Studienlage bei S A I N I O / H Y O N A / B I N G U S H I / B E R T R A M , Spacing, 2576: „Most spacing studies conducted in Roman script suffer from the fact that readers are unaccustomed to reading unspaced text. Thus, the disruption effects in reading due to the removal of spaces may at least in part be ascribed to a non-familiar text format.“ 33 Vgl. E P E L B O I M / Booth, J. R., Steinman, R. M., Reading; E P E L B O I M / B O O T H / A S H K E N A Z Y / T A L E G H A N I / S T E I N M A N , Fillers. In diesen Studien konnte verglichen mit den in Anm. 31, S. 222 genannten Studien ein deutlich geringerer Effekt der Entfernung von Wort‐ trennungen auf die Effektivität des Leseprozesses festgestellt werden. Vgl. weiterfüh‐ rend die Debatte zwischen E P E L B O I M / R. B O O T H / S T E I N M A N , Much; R A Y N E R / P O L L A T S E K , Reading. Diese Debatte zeigt, dass man mit der Übertragung von empirischen Unter‐ suchungsergebnissen, die an spezifisch sozialisierten Leserinnen und Lesern gewonnen worden sind, auf andere Schriftsysteme und v. a. auf in der Antike sozialisierte Leserinnen und Leser, die das Lesen von scriptio continua gewöhnt sind, vorsichtig sein muss. Bei modernen „westlichen“ Schriftsystemen geht die gängige Schulmeinung davon aus, dass Leserinnen und Leser die Wortgrenzen anhand der Wortzwi‐ schenräume identifizieren: Dies wird daraus geschlossen, dass englische Texte in scriptio continua nicht nur langsamer gelesen werden, sondern sich die PVL auch von der Wortmitte auf den Anfang des Wortes verlagert. 31 Interessant ist nun aber die Frage, inwiefern sich dieses Phänomen durch ausgiebiges Lesen von deutschen oder englischen Texten in scriptio continua verändern würde, also ob man das Lesen von scriptio continua üben und zu welchen Lesegeschwindigkeiten man gelangen kann. Mit diesen Fragen ist das metho‐ dische Problem verbunden, dass empirische Vergleichsuntersuchungen von Texten in „westlichen“ Schriftsystemen (also z. B. dem Englischen) a) mit Probanden gearbeitet haben, die nicht geübt waren im Lesen von Texten ohne Wortzwischenräume, 32 und b) nur mit Probanden arbeiten können, deren Lesesozialisation von einem Schriftsystem mit Wortzwischenräumen bestimmt ist; die Simulation des Lesens dieser Schriftsysteme ohne Wortzwischenräume also notwendigerweise defizitär bleiben muss. Zu solchen Fragen liegen m. W. keine umfassenden Studien vor. Allerdings deuten Studien von J. Epelboim u. a. zumindest in die Richtung, dass das Lesen von Texten in scriptio continua möglicherweise „antrainiert“ werden kann. Sie haben schon in den 1990er Jahren die Mehrheitsmeinung hinterfragt und aus ihren experimentellen Daten geschlossen, dass Wortzwi‐ schenräume die Sakkaden gerade nicht steuern, sondern dass das Wiederer‐ kennen von Worten die entscheidende Rolle spiele. 33 Bezüglich der Frage, wie die Worterkennung dann aber genau funktioniert, bleiben die Studien jedoch 222 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 34 Vgl. P I T C H F O R D / L E D G E W A Y / M A S T E R S O N , Effect. 35 Vgl. dazu und zum Problem, dass die Ergebnisse der Leseforschung bisher vor allem auf der Untersuchung der englischen Sprache basieren, W I N S K E L , Writing. 36 Vgl. V A T R I , Physiology, 638 f, mit Verweis auf K A J I I / N A Z I R / O S A K A , Eye; S A I N I O / H Y O N A / B I N G U S H I / B E R T R A M , Spacing, B A I / Y A N / L I V E R S E D G E / Z A N G / R A Y N E R , Reading. Vgl. au‐ ßerdem zu Untersuchungsergebnissen von Studien, die nach der Veröffentlichung von Vatris Artikel erschienen sind, B A S S E T T I / L U , Effects. Bei deutschen Leserinnen und Lesern führt ferner das Hinzufügen von Worttrennungen bei langen Komposita dazu, dass die Erfassung der Wortbedeutung erschwert wird. Vgl. dazu I N H O F F / R A D A C H / H E L L E R , Complex. 37 V A T R I , Physiology, 639. 38 Vgl. S A E N G E R , Space, 4. vage. Neuere Studien deuten darauf hin, dass die unbewusste Sensibilität für die Frequenz bestimmter Buchstabenkombinationen am Anfang und am Ende von Worten eine entscheidende Funktion bei der Worterkennung habe 34 (s. dazu unten mehr), wobei entsprechend der oben skizzierten Modelldiskussion komplexe kognitive Prozesse vorauszusetzen sind. Aufschlussreich sind bezüglich der hier verhandelten Fragen Studien zu Schriftsystemen, die keine Wortzwischenräume aufweisen, die - wie vor allem die Sprachen Südostasiens - erst in der letzten Zeit verstärkt in den Fokus der Leseforschung gerückt worden sind. 35 Bei Schriftsystemen ohne Wortzwischen‐ räumen wirkt die Hinzufügung von Wortzwischenräumen redundant und hat keinen positiven Einfluss auf die Effizienz des Leseprozesses. Die Hinzufügung von Worttrennungen bei einem Schriftsystem ohne Wortzwischenräume kann sogar zu einer Unterbrechung des flüssigen Leseprozesses führen. 36 Es ist zu vermuten, dass durch die Einfügung von Wortzwischenräumen in einem Schriftsystem, das eigentlich keine Wortzwischenräume kennt, die gewohnte Sakkadenlänge gestört wird. So formuliert Vatri m. E. völlig zu Recht: „The readers’ deep-rooted habits play a major role, and this must also have applied to the ancient readers of scriptura continua.” 37 Als Vergleichsbasis für das klassische altgriechische Schriftsystem bezieht sich Vatri auf die Thailändische Schrift, die, als alphasyllabische Schrift ohne Wortzwischenräume geschrieben, den antiken Gegebenheiten viel näherkomme als die von Saenger 38 herangezogene westafrikanische Vai-Schrift (eine reine Silbenschrift). Aufschlussreich ist nun der empirisch anhand von Blickbewe‐ gungsuntersuchungen gewonnene Befund der Lesepraxis thailändischer Lese‐ rinnen und Leser, dass diese sich trotz fehlender Wortzwischenräume im nicht-vokalisierenden Lesemodus nicht von der Praxis englischer Leserinnen und Leser unterscheidet. Thailändische Leserinnen und Leser können genauso schnell lesen wie englisch-sprachig; die Blickbewegung ist deckungsgleich; die 223 4.1 P. Saengers These zum Lesen von scriptio continua 39 Vgl. V A T R I , Physiology, 639, mit Verweis auf W I N S K E L / R A D A C H / L U K S A N E E Y A N A W I N , Eye Movements. Diese Ergebnisse wurden auch in Untersuchungen, die nach der Publika‐ tion von Vatris Artikel enstanden sind, noch einmal eindrucksvoll bestätigt. Vgl. K A S I ‐ S O P A / G. R E I L L Y / L U K S A N E E Y A N A W I N / B U R N H A M , Eye Movements; W I N S K E L / P E R E A / P E A R T , Testing; K A S I S O P A / R E I L L Y / L U K S A N E E Y A N A W I N / B U R N H A M , Child. Vgl. außerdem den Über‐ blick bei W I N S K E L , Thai. Die älteren Studienergebnisse von K O H S O M / G O B E T , Adding, die eine geringfügige Beschleunigung des Lesens von thailändischen Muttersprachlern bei der Hinzufügung von Worttrennungen gemessen hatten, sind in mehrfacher Hinsicht methodologisch höchst problematisch. So handelte es sich bei den Probanden um in einem englischsprachigen Bildungssystem sozialisierte Studenten von der Universität in Pittsburgh, die es aus dem Englischen gewöhnt sind, scriptio discontinua zu lesen, und die Studie untersuchte weder das nicht-vokalisierende Lesen noch wurden eye-tra‐ cking-Verfahren eingesetzt. Auf der Grundlage der neueren Studienergebnisse müssen deren Schlussfolgerungen revidiert werden. 40 V A T R I , Physiology, 639. 41 V A T R I , Physiology, 640, mit Verweis auf W I N S K E L / R A D A C H / L U K S A N E E Y A N A W I N , Eye Mo‐ vements, 349 f. 42 Vgl. dazu ausführlich und mit den entsprechenden Zahlen V A T R I , Physiology, 340-346. Sakkaden landen analog zu englisch-sprachigen Leserinnen und Lesern auf den gängigen PVL (links von der Mitte des Wortzentrums). 39 Daraus schlussfolgert Vatri: „[T]here is no reason to assume that reading unspaced text is a particular demanding cognitive task in itself, and Saenger’s model must be rejected.” 40 Statt durch die Wortzwischenräume erkennen Leserinnen und Leser der Thailändischen Schrift die einzelnen Wörter wahrscheinlich anhand bestimmter Buchstabenkombinationen am Beginn und am Ende der Worte, wie eine statis‐ tische Erhebung der Häufigkeitsverteilung in einem Korpus von 2.300 Wörtern nahelegt: „10 out of 74 characters occur at 76,4% of word endings and at 54,2 of word beginnings.“ 41 Basierend auf diesem methodischen Ansatz untersucht Vatri anhand eines Korpus altgriechischer Texte aus dem TLG (Thuk.; Isokr.; Plat. apol.), ob sich hier ähnliche statistische Häufigkeitsphänomene finden lassen. Und tatsächlich zeigt seine quantitative Analyse von 278.000 altgriechischen Wörtern, dass sich eine Auswahl an Kombinationen extrapolieren lässt, welche bei der Worterkennung eine wichtige Rolle gespielt haben könnten. 42 Daraus lässt sich ableiten, dass gerade die übersichtliche Anzahl an relativ häufig vorkommenden, markanten Wortendungen im System der griechischen Grammatik bei der Worterkennung in der scriptio continua eine wichtige Rolle gespielt hat. Der relativ regelmäßige Gebrauch von Partikeln wie δέ, γάρ usw. könnte eine Markierungsfunktion von Satzanfängen gehabt haben. Insgesamt resümiert Vatri gerichtet gegen das vielfach zu findende Postulat, scriptio continua sei schwerer zu lesen und hätte daher phonologisch realisiert 224 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 43 V A T R I , Physiology, 646 f. 44 So paradigmatisch J U N A C K , Abschreibpraktiken, 283: scriptio continua „kann nicht gelesen werden, wie wir es tun, d. h. kann nicht durch ausschließlich optisches Erfassen der deutlich gegliederten Worteinheiten aufgenommen und verstanden werden.“ 45 Vgl. dazu B A D D E L E Y / L E W I S , Processes; V I L H A U E R , Inner Reading Voices (Lit.); V I L H A U E R , Characteristics (Lit.). 46 Vgl. dazu und zum Folgenden L A U B R O C K / K L I E G L , Eye. 47 Vgl. L A U B R O C K / K L I E G L , Eye, mit Verweis auf R A Y N E R / P O L L A T S E K / A S H B Y / C L I F T O N J R ., Psychology, 92; I N H O F F / R A D A C H , Parafoveal Preview. werden müssen, m. E. völlig zu Recht: „No physiological constraints prevent the Greeks from reading silently.“ 43 Die These, scriptio continua könne nur adäquat dekodiert werden, wenn sie vokalisierend realisiert würde, ist mit zwei weiteren Schwierigkeiten verbunden: a) mit einem reduktionistischen Verständnis der kognitiven Herausforderungen des lauten Vortragslesens, das in den antiken Quellen reflektiert wird (s. u.); b) mit einer falschen Vorstellung der kognitiven Prozesse beim nicht-vokalisierenden Lesen. 44 Und zwar wird insbesondere die in der neueren kognitionspsychologi‐ schen Leseforschung „wiederentdeckte“ inner reading voice  45 übersehen. Die Unterschiede zwischen vokalisierendem und nicht-vokalisierendem Lesen sollten also nicht zu grundsätzlich konstruiert werden. Auch wenn die aktuellen Studien, die die kognitiven Prozesse beim vokali‐ sierenden Vorlesen und nicht-vokalisierenden Lesen vergleichen, an modernen Schriftsystemen gewonnen worden sind und eine Übertragbarkeit auf die Antike unter einem methodologischen Vorbehalt steht, so sind die Ergebnisse trotzdem aufschlussreich: So zeigen diese Studien, dass die Muster beim voka‐ lisierenden und nicht-vokalisierenden Lesen generell sehr ähnlich aussehen, sich aber in Nuancen, die durchaus bedeutsam sind, unterscheiden. 46 So ist das nicht-vokalisierende Lesen etwa schneller und verbunden mit einem effek‐ tiveren parafoveal preprocessing des noch nicht fixierten, folgenden Wortes. Der Geschwindigkeitsvorteil des nicht-vokalisierenden Lesens resultiert vor allem daraus, dass beim vokalisierenden Vorlesen jedes Wort ausartikuliert werden muss, während die inner reading voice nicht durch die physiologischen Grenzen des menschlichen Artikulationsapparates beeinträchtigt wird und nicht zwingend jede Silbe eines Wortes vollständig artikulieren muss. Einige der empirisch festgestellten Unterschiede deuten darauf hin, dass die kognitiven Anforderungen der Verarbeitungsprozesse beim Vorlesen etwas größer sind: So ist a) die durchschnittliche Fixationsdauer beim vokalisierenden Lesen länger, b) die durchschnittliche Länge der Sakkaden kürzer, c) die Größe der perceptual span kleiner, außerdem sind d) häufigere Regressionen beim vokalisierenden Lesen feststellbar. 47 Letzteres könnte mit der Notwendigkeit zusammenhängen, 225 4.1 P. Saengers These zum Lesen von scriptio continua 48 Vgl. I N H O F F / R A D A C H , Parafoveal Preview; A S H B Y / Y A N G / E V A N S / R A Y N E R , Eye Move‐ ments. Vgl. jetzt außerdem P A N / L A U B R O C K / Y A N , Parafoveal, die zeigen, dass beim lauten Lesen des Chinesischen „readers more efficiently process parafoveal phonological information in oral reading“ (1257). 49 L A U B R O C K / K L I E G L , Eye. 50 Spannend wäre m. E. die Frage nach dem Verhältnis von inner reading voice und Lesestimme beim lauten Vorlesen. Hierzu konnte der Verfasser keine Angaben in der aktuellen Forschungsliteratur finden, wobei er keinen Anspruch darauf erhebt, das große Forschungsfeld komplett zu überblicken. beim vokalisierenden Lesen einzelne Phrasen, Satzteile und Sätze überblicken zu müssen, um diese verstehensfördernd und zusammenhängend lautlich zu realisieren. Zudem zeigt sich, e) dass die Informationen aus der parafovealen Wahrnehmung später verarbeitet werden, 48 so dass J. Laubrock und R. Kliegl resümieren: „Thus although more time is available due to the longer fixations in oral reading, apparently this time is not used in the same way for parafoveal pre‐ processing.” 49 Insbesondere beim Vorlesen in performativen Kontexten ergeben sich mutmaßlich zusätzliche kognitive Anforderungen, die aus der fortlaufend notwendigen Reflexion und der Notwendigkeit der Beobachtung von Raumwir‐ kung, Wirkung auf das Publikum etc. resultieren. Diese Parameter werden in den während der Forschungsarbeit konsultierten Studien nicht einbezogen, da die Versuche gleichsam unter „Laborbedingungen“ durchgeführt werden. In jedem Fall deutet aber nichts darauf hin, dass vokalisierende Lektüre einen generellen Verstehensvorteil bietet; so kann nicht zuletzt die Geschwindigkeit des nicht-vokalisierenden Lesens variabel angepasst werden, wenn ein Text oder Textteile kognitiv besonders herausfordernd sind. Es kann also festgehalten werden, dass aus kognitionspsychologischer und neurowissenschaftlicher Sicht das Lesen von antiker scriptio continua nicht auf die phonologische Realisierung durch die Lesestimme angewiesen war, sondern potentiell eine Realisation durch die inner reading voice völlig ausreichend gewesen sein muss. 50 Im Umkehrschluss könnte man sogar vermuten, dass die scriptio continua einen Effizienzvorteil gegenüber Schriftsystemen mit Spatien hat, insofern sie Lesern potentiell eine größere perceptual span ermöglicht, da mehr Buchstaben parafoveal wahrgenommen werden können. Diese Hypothese müsste freilich empirisch erst überprüft werden. 4.2 Das Lesen von scriptio continua im Spiegel antiker Quellen Dem Fazit Vatris, dass es für antike Leserinnen und Leser keine physiologi‐ schen Einschränkungen beim nicht-vokalisierenden Lesen von scriptio continua 226 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 51 Angeführt z. B. bei P A R K E S , Pause, 10 f; M U G R I D G E , Copying, 71, Anm. 4. Vgl. z. B auch O E S T R E I C H , Performanzkritik, 67; M I T C H E L L , Papyri, 187 f. 52 Athen. deipn. 1,18f (11b) reflektiert eine Ambiguität in Hom. Il. 24,476, die dadurch zustande kommt, dass der Bezug des Adverbs ἔτι syntaktisch nicht eindeutig ist. Seine Ausführungen zeigen aber auch, dass der Bezug mit kulturellem Wissen eigentlich sicher erschlossen werden kann. Der Grammatiker Maurus Servius Honoratius wirft Aelius Donatus (beide 4. Jh.) in seinem Vergilkommentar vor, er würde in Verg. Aen. 2,289 statt ‚collectam exsilio pubem‘ „gegen das Metrum verstehen, er [Vergil] sagt (contra metrum sensit, dicens)“ (Serv. Aen. 2,798) ‚collectam ex Ilio pubem‘. Vgl. auch Pomp. (Gram.) zu Verg. Aen. 8,83 (GL 5, ed. K E I L , p. 132). Insbesondere die Stelle bei Servius zeigt, dass der Text wegen des eindeutigen Metrums eigentlich nicht ambigue ist; eine grundsätzliche Schwierigkeit des Lesens von scriptio continua lässt sich aus diesen Stellen nicht ableiten. Vgl. außerdem schon die umfangreiche Besprechung von Beispielen, deren Ursprung aber häufig in der mittelalterlichen Schreiberpraxis zu suchen ist, bei B R I N K M A N N , Scriptio continua. Ähnliche Phänomene sind (freilich seltener) auch in modernen lateinischen Schriftsystemen mit Wortzwischenräumen möglich; z. B. die Ambiguität der Phrase „einen ‚Poller‘ umfahren oder umfahren“. 53 B A T T E Z Z A T O , Techniques, 9, hat diese Quelle in die Diskussion eingebracht. 54 Vgl. zum Lernen der Buchstaben schon Plat. Pol. 402a/ b. Vgl. für das antike Christentum außerdem die Schilderung in EvInfThom (13)14. Der Lehrer versucht Jesus hier zunächst die Buchstaben und deren Bedeutung beizubringen, scheitert aber an der Fortgeschritten‐ heit von Jesu Fähigkeiten und Weisheit (s. dazu auch EvInfThom 14[15]). gegeben habe, stehen scheinbar Quellenstellen gegenüber, die immer wieder herangezogen werden, um die Hypothese zu belegen, dass antiken Leserinnen und Lesern das Lesen von scriptio continua Schwierigkeiten bereitet hätte. 51 Sammelt man die Angaben aus den Ausführungen und Fußnoten zusammen, er‐ gibt sich - ohne die Belege, die zeigen, dass durch die fehlenden Wortzwischen‐ räume gelegentlich Ambiguitäten und insbesondere Fehler beim Abschreiben entstehen 52 - die folgende Liste: Dion. Hal. comp. 25; Gell. 13,31,5; Arist. Rhet. 3,5,6; Quint. inst. or. 1,1,34; Petron. sat. 75,4 und Iren. adv. haer. 3,7,1. Diese Quellen lassen jene Schlussfolgerung aber keinesfalls zu, sondern sind allgemein im Kontext des Lesenlernens zu interpretieren und legen sogar gegenteilige Schlussfolgerungen nahe. So handelt es sich bei Dion. Hal. comp. 25 53 um eine bemerkenswerte Reflexion des eigenen Lesesozialisationsprozesses aus der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr., die zudem eine interessante Einsicht in die Selbstwahrnehmung der kognitiven Prozesse beim Lesen bietet: „Wenn wir die Buchstaben [τὰ γράμματα, i. e. Lesen und Schreiben] beigebracht bekommen, lernen wir zuerst sorgfältig ihre Namen, danach die Formen und die Bedeutungen [von ihnen], 54 dann genauso die Silben und die Flexion in diesen und danach bereits die Wörter und das mit ihnen Zusammenhängende, ich meine sowohl Dehnungen [ἔκτασις] als auch Kontraktionen [συστολή], Akzentuationen und Quan‐ 227 4.2 Das Lesen von scriptio continua im Spiegel antiker Quellen 55 Vgl. außerdem die analogen Ausführungen Dion. Dem. 52. 56 Vgl. zur weiten Verbreitung dieser Didaktik des Schriftspracherwerbs (Buchstaben, Silben, Wörter) in der Antike, die auch in den patristischen Quellen reflektiert wird, B O N N E R , Education, 165-180; V Ö S S I N G , Schule, 367; G E M E I N H A R D T , Das lateinische Christentum, 36, Anm. 50, u. a. mit Verweis auf Orig. hom. in Numeros 27,13 (SC 461, 342,862-344,866); Hier. ep. 107,4,2 (CSEL 55, 294,4-6 H.) ep. 128,1,3 (CSEL 56, 156,1-3 H.); Aug. ord. 2,7,24. 57 So auch die Schlussfolgerung bei M C C U T C H E O N , Silent, 6 f. titäten [προσῳδία] und diesen ähnliche Dinge. Wenn wir das Wissen über diese Dinge erlangt haben, dann beginnen wir zu schreiben und zu lesen [γράφειν τε καὶ ἀναγινώσκειν], zuerst zwar nach Silben und langsam [κατὰ συλλαβὴν καὶ βραδέως]; wenn aber die rechte Zeit gekommen ist und sich die Formen der Wörter fest in unseren Geist (ἐν ταῖς ψυχαῖς ἡμῶν) implementiert haben, dann ist unser Umgang mit ihnen von Leichtigkeit gekennzeichnet, und wann immer uns irgendein Buch in die Hand gegeben wird, gehen wir ohne Stolpern hindurch - mit Leichtigkeit und [unglaublicher] Schnelligkeit [ἀπταίστῳ διερχόμεθα ἕξει τε καὶ τάχει {ἀπίστῳ}].“ 55 Neben den äußerst interessanten Einsichten in die antike Didaktik des Schrift‐ spracherwerbs, die hier nicht weiter thematisiert werden kann, 56 zeigen diese Ausführungen von Dionysios von Halikarnassos, dass die Dekodierung einzelner Silben über die phonologische Realisierung nur ein Schritt im Leselernprozess ist, auf die geübte Leser nicht mehr angewiesen sind. Diese haben vielmehr die Wörter so umfassend internalisiert, dass sie sie problemlos in der scriptio continua erkennen können, sodass ihr Leseprozess flüssig und schnell ist. 57 Zwar denkt Dionysios hier womöglich an das flüssige und schnelle vokalisierende Lesen; sicher zu schlussfolgern ist dies jedoch nicht und ein Bezug auf schnelle inhaltsbezogene individuell-direkte Lektüre ist ebenfalls möglich. Denn einerseits verwendet Dionysios das Verb an anderer Stelle eindeutig im Sinne von inhaltsbe‐ zogener individuell-direkter Lektüre, wenn er in seiner Schrift über Thukydides formuliert: „Beispiele anzuführen, ist im Hinblick auf diejenigen unnötig, die durch die Historien selbst hindurchgegangen sind (τοῖς διεληλυθόσιν)“ (Dion. Hal. Thuk. 8). Andererseits ist das Motiv des Stolperns kongruent zum Leseterminus διέρχομαι, der, wie oben gezeigt, eben auch metaphorisch individuell-direkte Lektüre konzeptualisieren oder sich metonymisch auf die Augenbewegung be‐ ziehen kann und nicht zwingend metaphorisch auf den Gang des Vorleseprozesses bezogen ist. Das Stolpern meinte dann weniger eine Pause im flüssigen Vorlesen als eine Unterbrechung der sakkadischen Augenbewegung durch eine längere Fixations- oder Regressionsdauer, die Dionysios reflektiert, aber freilich nicht mit der modernen Metasprache der Leseforschung beschreibt. Deutlich wird aus seinen Ausführungen in jedem Fall, dass die Worterkennung unabhängig von der Frage, ob er an das vokalisierende oder nicht-vokalisierende Lesen denkt, visuell und 228 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 58 So auch das Urteil von K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 193. 59 Vgl. dazu weiterführend K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 193 f. nicht über den Umweg der phonologischen Realisation über das Ohr abläuft; also das vokalisierende Lesen keineswegs die Voraussetzung darstellt, um einen Text in scriptio continua zu dekodieren. Auch die satirische Szene in den Noctes Atticae (Gell. 13,31), in der ein „aufgeblasener Mensch“ (Gell. 13,31,1), der in einem Buchladen sitzt, der Hoch‐ stapelei überführt wird, thematisiert nicht die angeblichen Schwierigkeiten, die antike Leser mit der scriptio continua hatten, sondern die Schwierigkeiten eines Menschen, der nahezu Analphabet ist (aber etwas anderes vorgibt), einen ihm unbekannten Text vorzulesen. Die schlechte Lesefähigkeit des Hochstaplers wird dadurch hervorgehoben, dass er noch schlechter lese als ein Junge, der neu in die Schule gekommen ist (vgl. Gell. 13,31,9). Darüber hinaus ist überhaupt nicht klar, ob der Autor dieser fiktiven Szene seinen Lesern einen lateinischen Text ohne Worttrennungen vor Augen stellen wollte. Schließlich ist es sehr wahrscheinlich, für das 2. Jh. einen Text der Satiren Varros (1. Jh. v. Chr.) anzunehmen, der noch Worttrennungen aufwies (siehe zu Worttren‐ nungen in lateinischen Hss. unten mehr), 58 wo Gellius doch das Alter und die Zuverlässigkeit der Hss. besonders betont: accipit a me librum veterem fidei spectatae, luculente scriptum (Gell. 13,31,6). Der Zusatz luculente scriptum (klar, prächtig geschrieben) hebt sodann die gute Lesbarkeit der Schrift hervor. 59 Damit kontrastiert Gellius erneut die schlechte Lesefähigkeit des Hochstaplers, der noch nicht einmal ein Prachtexemplar lesen kann. Das Lesen von scriptio continua thematisiert diese Quelle in jedem Fall nicht. „Denn nach rechts vorauszuschauen (prospicere in dextrum), was alle anraten, und im Voraus das Folgende zu überschauen (providere), ist nicht mit dem Verstand allein zu leisten, sondern auch eine Sache der praktischen Erfahrung; denn man muß ja schon auf das Folgende blicken, während man das Vorhergehende ausspricht und, was das Schwierigste ist, seinen Geist gleichzeitig auf zweierlei konzentrieren: die Betätigung der Stimme und die der Augen.“ (Quint. inst. or. 1,1,34; Üb. R A H N ). Auch für diese Stelle bei Quintilian gilt, dass er und seine anvisierten Adressaten im 1. Jh. n. Chr. überhaupt keine lateinischen Texte in scriptio continua vor sich liegen hatten, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach Texte, die Worttren‐ nungen durch Mittelpunkte aufwiesen. Der materielle Befund zeigt, dass es sich um einen methodischen Fehlschluss handelt, die scriptio continua der spätantiken und mittelalterlichen lateinischen Hss. in die Zeit vor dem 2. Jh. 229 4.2 Das Lesen von scriptio continua im Spiegel antiker Quellen 60 S. schon die Kritik bei M Ü L L E R , Interpunktion, 35, Anm. 3. Dieser Fehlschluss findet sich z. B. schon bei M A R R O U , History, 375, und K E N Y O N , Books, 67, und ist bis heute weit verbreitet, wie nicht zuletzt das Anführen der hier diskutierten frühen lateinischen Quellen für die vermeintlichen kognitiven Schwierigkeiten des Lesens von scriptio continua zeigt (z. B. in den in Anm. 51, S. 227, gen. Forschungsbeiträgen). 61 Grundlegend definiert und untersucht von B U S W E L L , Experimental, der für College-Stu‐ dierende eine eye-voice span von 10-15 Buchstaben bzw. 2-3 Wörter festgestellt hat; auch wenn er sie mit einer einfachen Methode, bei der das Licht beim Vorlesen ausgeschaltet wird und die Wörter gezählt, die noch oral realisiert werden, ermittelt hat, kommen moderne Untersuchungen, die die Blickbewegung einbeziehen, auf einen durchschnittlichen Normalwert von knapp 14 Buchstaben. Vgl. z. B. L U C A / P O N T I L L O / P R I M A T I V O / S P I N E L L I / Z O C C O L O T T I , Eye. 62 Vgl. Aristain. 1,10,35-42 [Zitat 40 f]. zurückzuprojizieren. 60 Sodann fokussiert Quintilian hier nicht auf das Lesen als Gesamtphänomen, sondern, wie der Makrokontext (Rhetorikausbildung), aber auch der Mikrokontext in inst. 1,1 (Grundlagen für die Rhetorikausbildung) eindeutig zeigt, auf die Schwierigkeiten, die mit der spezifischen Situation des Vorlesens vor anderen verbunden ist. Quintilians Curriculum des Lesenlernens steht ganz im Dienst der Ausbildung eines guten Redners. Die Augen müssen beim Vorlesen nach rechts vorausschauen (prospicere in dextrum) und den kommenden Text vorausschauend wahrnehmen (providere), damit die münd‐ liche Realisation des Textes zusammenhängend, flüssig und damit (für die Zuhörer) verständlich wird (vgl. Quint. inst. or. 1,1,31). Das, was Quintilian hier beschreibt, umfasst m. E. nicht nur das Phänomen beim vokalisierenden Lesen, das man in der Leseforschung als eye-voice span bezeichnet, 61 sondern könnte sehr gut auch den sog. parafoveal preview (s. o.) und Lesestrategien implizieren, die kurze Pausen nutzen, um im Text vorauszublicken und den Text dann erst stimmlich zu realisieren. Das Bewusstsein für diese Phänomen beim vokalisierenden Lesen findet sich auch in griechischen Quellen; kann also auch für das Lesen von scriptio continua vorausgesetzt werden. „Du liest einige [scil. Bücher] recht flüssig, während du deine Augen vor deiner Stimme hältst“ (ἀναγιγνώσκεις ἔνια πάνυ ἐπιτρέχων, φθάνοντος τοῦ ὀφθαλμοῦ τὸ στόμα; Lukian. adv. ind. 2). Auch dass Kydippe beim Lesen des Schwurs „Ja, bei Artemis, ich werde Akontios heiraten“, den letzterer auf einen Apfel geritzt hatte, das letzte Wort, das sich auf eine Hochzeit bezieht, nicht mehr stimmlich realisiert, es aber vorher erkannt haben muss (ἡμίφωνον καταλέλοιπε λέξιν τὴν ἐπ’ ἐσχάτῳ κειμένην ἅτε διαμνημονεύουσαν γάμον), 62 erklärt sich durch den parafovealen Vorausblick. 230 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 63 So auch H. Krasser, der betont, dass sich das „laute“ Lesen am Vergnügen des Zuhörers orientiert und im Hinblick auf die oben schon behandelte ἀνάγνωσις-Definition bei Dionysios Thrax formuliert: „Dies heißt nichts anderes, als daß man einen Text, um ihn im Sinne des Dionysius lesen zu können, bereits durchgearbeitet und verstanden haben muß“ (K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 196); und weiter in Bezug auf Gell. 13,31: „Vorlesen steht für Gellius, und dies und nichts anderes meint auch die Definition des Dionysius, nicht am Anfang, sondern am Ende des Reflexionsprozesses, dessen eigentliches Ziel die Vermittlung des maximalen Hörgenusses ist“ (K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 198). Ferner verweist Krasser bezüglich der besonderen Fähigkeiten, die mit dem professionellen Vorlesen von Texten verbunden sind, auf Plin. ep. 5,19,2 f; Auson. ep. 22,45-50; CIL VI 9447. 64 Vgl. C R I B I O R E , Writing, 8 f.47 f.148 f. Insbesondere Quintilians Ausführungen verdeutlichen: Qualitätsvolles Vor‐ tragslesen, dem vorbereitende individuell-direkte Lektüre vorausgeht, 63 impli‐ ziert die Fähigkeit, im Leseprozess eine größere Menge Text nur mit den Augen wahrnehmen zu können, da man ihn sonst nicht sinngemäß und flüssig vorlesen kann - und das gilt unabhängig von der Frage nach Wortzwischenräumen. Die höheren kognitiven und physiologischen Anforderungen, die das qualitätsvolle Vorlesen an die Leserinnen und Leser stellt, spiegelt sich in den Ergebnissen empirischer Untersuchungen in der kognitionspsychologischen Leseforschung zumindest für Leserinnen und Leser der zeitgenössischen Schriftsysteme (s. o.). Insgesamt führen die kognitiv und physiologisch höheren Anforderungen des qualitätsvollen Vorlesens die These ad absurdum, dass man scriptio continua nur vokalisierend lesen konnte; bzw. die dahinterliegende Annahme, dass die Silben in der scriptio continua mit der Stimme phonologisch realisiert werden mussten, damit die scriptio continua dekodiert werden konnte. Sowohl im Lateinischen als auch im Griechischen ist das Auge der Stimme voraus; die Verarbeitung des Geschriebenen beim Vorlesen läuft also vor der lautlichen Realisierung. Dies gilt dann genauso für Formen der individuell-direkten Lektüre und hier unabhängig davon, ob der Text mit der Lesestimme oder der inner reading voice realisiert wird. R. Cribiore schlussfolgert mit Bezug auf die genannten Quellen differen‐ zierter, dass scriptio continua besonders für Anfängerinnen und Anfänger des Lesens eine besondere Herausforderung dargestellt hätte. 64 Der diskutierte Quellenbefund reicht aber m. E. für eine solche Schlussfolgerung, dass das Lesenlernen in einem Schriftsystem mit scriptio continua schwerer sei als in einem Schriftsystem, das Wortzwischenräume aufweist (hier gelten die methodischen Vorbehalte, die sich aus den Ausführungen unter 4.1 ergeben), insgesamt nicht aus; die Quellen lassen m. E. höchstens die Schlussfolgerung zu, dass Unterschiede zwischen der antiken und modernen Didaktik des Schrift- 231 4.2 Das Lesen von scriptio continua im Spiegel antiker Quellen 65 Vgl. dazu R Ö B E R -S I E K M E Y E R , Leistungen. 66 Vgl. C R I B I O R E , Writing, 49. Zu Worttrennungen nach Silben vgl. z. B. das eindrückliche Beispiel P.Lond. Lit 255 (3./ 4. Jh.) mit einem Auszug aus einer Isokratesrede. 67 Vgl. dazu z. B. weiterführend auch L A M B E R T , alphabets, zusammengefasst bei S C H O L Z / H O R S T E R , Einleitung, XIIf. 68 Er kann von insgesamt gut 400 Texten nur 13 mit Wortzwischenräumen (zwei davon mit Trennungen der Silben) identifizieren. spracherwerbs bestehen. Allerdings weisen die in den Quellen durchschei‐ nenden Leselernmethoden (insb. Dion. Hal. comp. 25 [s. o.]: erst Buchstaben, dann Silben, dann Wörter) äußerst interessante Analogien zum Prinzip der „Silbenanalytischen Methode“ auf. Dieser Ansatz, der in der modernen Didaktik des Schriftspracherwerbs dezidiert linguistisch fundiert ist, versteht sich als Reaktion auf die Defizite der gängigen analytisch-synthetischen Ansätze, die entsprechend der Phonem-Graphem-Korrespondenz-Regeln den Leselernpro‐ zess zu strukturieren versuchen (Methoden, die mit Fibel und Anlauttabellen arbeiten). 65 Außerdem korrespondiert er mit den oben schon skizzierten kogni‐ tionspsychologischen Einsichten zur Schriftsprachenverarbeitung. Als zusätzliche Evidenz verweist er auf Papyri aus Schulkontexten, auf denen Worttrennungen oder Trennungen nach Silben zu finden sind. 66 Die von Cribiore angeführten Papyrusbeispiele mit Worttrennern oder mit Trennungen von Silben können allerdings auch nicht als Beleg für die These herhalten, dass das Lesen von scriptio continua eine größere Herausforderung für Lerner dargestellt hätte als ein hypothetisches altgriechisches Schriftsystem mit scriptio discontinua. Vielmehr lassen sich die Übungen präzise in das aus den Quellen herausscheinende Curriculum einordnen. 67 Zum anderen weist die überwälti‐ gende Mehrzahl der Papyri, die Cribiore als Schulmaterial aufführt, Texte in scriptio continua auf. 68 Auch die Aussagekraft der weiteren, angeführten Quellen, die als Evidenz für vermeintliche Schwierigkeiten des Lesens von scriptio continua, angeführt werden, hält einer genaueren Überprüfung ebenfalls nicht stand. Aristot. rhet. 3,5,6 [1407b12] wurde bereits oben bei der Besprechung des Lexems εὐανάγνωστος besprochen (s. o. insb. Anm. 57, 58, S. 120 f): Ob ein Text εὐανάγνωστος (gut lesbar) ist, steht bei Aristoteles nicht mit dem Schriftsystem in Zusammenhang; ihm geht es hier rein um syntaktische und lexikalische Aspekte. Die Charakterisierung des Sklaven des Trimalchio, der ein Buch ab oculo liest (Petron. sat. 75,4), kann die Beweislast nicht tragen, die ihr damit aufgebürdet wird, dass hier auf einen vermeintlichen Lesesklaven rekurriert werde, der die Kunst des „Vom-Blatt-Lesens“ 232 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 69 Gegen B A L O G H , Voces Paginarum, 229, Anm. 80; V O G T -S P I R A , Indizien, 183 f; C A V A L L O , Volume, 73; E H L E R S , Rezitator, 17, Anm. 16; B U S C H , Lesen, 26; H E L L H O L M , Universalität, 257 u. a. 70 K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 174. 71 Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 173 f. 72 Vgl. D I C K E Y (Hg.), Colloquia, passim; D I C K E Y , Learn Latin, passim. 73 Gegen B R I N K M A N N , Scriptio continua, 619 f. beherrschte. 69 Eine solche Interpretation setzt in zirkulärer Weise voraus, dass Lesen in der Antike kognitiv besonders herausfordernd gewesen wäre und dass die Literalität insgesamt nur schwach ausgeprägt war. Aus der Stelle selbst geht nicht hervor, ob die Lesetechnik, die mit ab oculo angedeutet wird, so herausragend war, wie üblicherweise unterstellt wird. Der satirische Kontext bei Petronius, der „dem Leser die Halbbildung des Trimalchio vor Augen“ 70 führen möchte, und die anderen Charakterzüge, mit denen Trimalchio seinen Sklaven beschreibt, lassen doch eher Zweifel an dieser Interpretation aufkommen: Dass der Sklave z. B. die recht einfache Rechenoperation beherrscht, durch zehn teilen zu können (decem partes dicit) - aber etwa nicht durch sieben -, spricht gerade nicht für eine besonders hohe kognitive Begabung, die für das Lesen ab oculo als notwendig vorauszusetzen wäre. Es handelt sich also bei der Fähigkeit ab oculo legere um eine Fähigkeit, die im schulischen Elementarunterricht gelehrt wird, wie auch H. Krasser betont. 71 Bestätigt wird diese Interpretation durch einen expliziten Verweis auf diese Lesefähigkeit in den Hermeneumata Pseudodosi‐ theana, anonyme, vermutlich irgendwann in der Kaiserzeit entstandene, 72 bilinguale Handreichungen für den Schulunterricht, die neben Glossaren und kurzen Übungs‐ texten sozialgeschichtlich in vielerlei Hinsicht aufschlussreiche Schilderungen des Tagesablaufs eines Schülers aus dessen Perspektive enthalten. In einem dieser sog. Colloquia, dem Colloquium Stephania, findet sich die Formulierung: „Dann [lese ich] ἀπὸ τοῦ ὀφθαλμοῦ/ ab oculo, schnell (ταχέως/ citatim), einen unbekannten Text und einen, der wenig gelesen wird“ (Colloqiua Stephania 17d, ed. D I C K E Y ). Aus dem Kontext geht dabei hervor, dass die Schüler dies im Unterricht jeweils individuell (καθ’ ἕνα/ per singulos) und mit binnendifferenziertem Schwierigkeitsgrad (καθ’ ἑνὸς ἑκάστου δυνάμεις καὶ προκοπήν/ iuxta unius cuiusque vires et profectum) zur gleichen Zeit tun (vgl. Colloqiua Stephania 18a/ b, ed. D I C K E Y ). Zusammen mit dem Verweis auf die Geschwindigkeit in 17d impliziert dies, dass hier sogar nicht-vokalisierende individuell-direkte Lektüre im Blick ist. Ferner adressiert auch Ptol. krit. 10,11-16 nicht das Lesen von scriptio continua; ἀνάγνωσις wird hier vielmehr als phonologischer Fachterminus verwendet (s. o. 3.1.4). 73 Irenäus diskutiert in haer. 3,7,1 f Ambivalenzen in den Paulusbriefen, die durch missliche syntaktische Konstruktionen (v. a. Hyperbata) entstehen und bei der lectio zu theologisch problematischen Verstehensmöglichkeiten führen können, wenn 233 4.2 Das Lesen von scriptio continua im Spiegel antiker Quellen 74 Vgl. Sen. de ira 2,2, der als Beispiel für den Zorn gegenüber unbelebten Dingen ein Buch anführt, das wegen seiner winzigen Schrift schon oft fortgeworfen wurde (liber, quem minutioribus litteris scriptum saepe proiecimus). 75 Vgl. Ps.-Aristot. de Mel. Xen. Gorg. 980b7-10: „For, to begin with, no one speaks a sound or a colour, but only a word; so that it is not possible to think a colour but only to see it, nor to think a sound, but only to hear it. Granting, then, that it is possible to know and read a word (εἰ δὲ καὶ ἐνδέχεται γιγνώσκειν τε καὶ ἀναγιγνώσκειν λόγον), how can the hearer be conscious of the same thing? “ (Üb. H E T T ) Es ist aufschlussreich, dass diese Überlegungen im Kontext einer umfangreicheren Gegenüberstellung von Sehen und Hören stehen, also Lesen hier dem Sehsinn zugeordnet wird. 76 Zum Vorteil des Geschriebenen als Gedächtnisstütze vgl. exempl. auch Gal. CAM praef. 2 (ed. K Ü H N . p. 226). Galen ist sich aber auch der Begrenztheit der Behaltensleistung von Gelesenem sehr wohl bewusst. Vgl. Gal. Thras. 4 (ed. K Ü H N 5, p. 810): οὔτε πάντων τῶν γεγραμμένων μνημονεύειν δυνάμενον. derjenige, der vorliest, nicht aufpasst und nicht genügend Atempausen macht (Si ergo non adtendat aliquis lectioni nec per interualla aspirationis manifestet in quo dicitur …). Dies hat zwar indirekt mit der scriptio continua - präziser: mit fehlender Interpunktion zur Markierung der syntaktischen Struktur - zu tun, sagt aber nichts über höhere kognitive Fähigkeiten aus, die vermeintlich notwendig wären, um scriptio continua zu lesen. Die zitierte Stelle deutet vielmehr darauf hin, dass derjenige, der vorliest, die Atempausen nutzen soll, um sich einen Überblick über das Folgende zu verschaffen, um dieses richtig vorzulesen. Nirgendwo in den Quellen lässt sich also fassen, dass antike Leser Probleme mit in scriptio continua geschriebenen Texten gehabt hätten, wohl lässt sich demgegenüber festhalten, dass zu kleine Buchstaben ein Ärgernis für die visu‐ elle Wahrnehmung des Textes darstellten. 74 Zudem sei darauf verwiesen, dass in der antiken Philosophie die grundlegenden Unterschieden der Perzeption und kognitiven Verarbeitung beim Lesen auf der einen und dem Hören auf der anderen Seite durchaus reflektiert wurden 75 - die Aufnahme von Gelesenem ist also im antiken Denken nicht einfach auf auditive Verarbeitung reduziert worden. Dies spiegelt auch eine Stelle bei Laktanz wider; und zwar verweist dieser im Kontext seiner Reflexion über das Verhältnis von Lernen und Zeit auf die perzeptuellen Vorteile des Lesens gegenüber dem Hören sowie der Begrenztheit des Gedächtnisses. „Diese allgemeine Bildung ist zu erwerben auf der Basis von Lesepraxis (discendae istae communes litterae propter usum legendi); denn bei einer so großen Vielfalt der Gegenstände kann sie weder dadurch erworben werden, dass man alles hört (nec disci audiendo possunt omnia), noch dadurch, dass man es im Gedächtnis behält“ (Lact. inst. 3,25,9). 76 234 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 77 Selbst wenn sich Laktanz mit seinen Ausführungen nur auf lateinische Texte beziehen sollte, wovon im Kontext allerdings eher nicht auszugehen ist, so werden diese im 3./ 4. Jh. n. Chr. schon in scriptio continua geschrieben worden sein. S. u. 78 Vgl. zu Worttrennungen in mykenischen und in archaisch-griechischen Inschriften W I N G O , Punctuation, 14; T U R N E R , Greek, 57. Auf kretischen Inschriften finden sich Worttrennungen bis ins 6. Jh. hinein. Vgl. G A G A R I N / P E R L M A N , Laws, 51. 79 Vgl. O L I V E R , Titulature. 80 Vgl. zur Echtheitsfrage S I M O N E , Fibula. 81 Allerdings sind aus dem 7.-5. Jh. v. Chr. auch Beispiele frühlateinischer Inschriften bekannt, die in scriptio continua geschrieben sind. Vgl. W A L L A C E , Latin, 22. Vgl. weiterführend zu den frühlateinischen Inschriften H A R T M A N N , Inschriften. Dies berührt aber nicht das hier besprochene Problem, da Worttrennungen seit der republikanischen Zeit Standard sind. So auch W A L L A C E , Latin, 23. 82 Ein bekanntes Beispiel ist die Inschrift auf dem Sarkophag von Scipio Barbatus aus dem 3. Jh. v. Chr. (CIL I 2 7). 83 Oliver verweist auf die folgenden Beispiele: P.Iand. 5 90 (CLA 8 1201; Cic. Verr. 2 2,3 f; 1. Jh. v./ 1. Jh. n. Chr.); P.Herc. 817 (CLA 3 385; Carmen de bello Actiaco; 1. Jh. v./ 1. Jh. n. Chr.); P.Oxy. 1 30 (CLA 2 207; fr. de bellis Macedonicis; 1./ 2,. Jh.). Vgl. insb. die Auflistung von Papyri und Inschriften bei W I N G O , Punctuation, 15: 134-163. Vgl. weiterführend zu den literarischen Papyri klassischer Autoren mit Worttrennungen S E I D E R , Paläographie II,1, 31-53. Man könnte diese Liste um zahlreiche weitere Beispiele ergänzen. Vgl. z. B. BGU II 611 (Rede von Claudius; 1. Jh. n. Chr.). Zu ergänzen sind außerdem die Fragmente der Elegien von Gallus (1. Jh. v. Chr.), die erst 1979 publiziert wurden und in denen die Wörter durch Mittelpunkte getrennt sind. Vgl. dazu A N D E R S O N / P A R S O N S / N I S B E T , Elegiacs. Vgl. exempl. außerdem die folgenden dokumentarischen Papyri/ Ostraka mit Worttrennern: SB 16 12609 [! ] (Schuldurkunde; 27. n. Chr.); ChLA 10 424 (privates Die Argumentation von Laktanz würde keinen Sinn ergeben, wenn die indi‐ viduell-direkte Lektüre (von Texten in scriptio continua) 77 nur bzw. primär auf den auditiven Kanal angewiesen gewesen wäre. Vielmehr lässt Laktanz durchblicken, dass er den auditiven Kanal für Bildungszwecke nicht zuverlässig genug hält. Gegen eine besondere kognitive Schwierigkeit, die mit dem Lesen von scriptio continua in der Antike verbunden gewesen sein sollte, spricht auch die Tatsache, dass es sowohl im griechisch- 78 als auch im lateinisch-sprachigen Bereich eine Entwicklung von der scriptio discontinua zur scriptio continua gab. Aufschlussreich ist vor allem die sehr späte Aufgabe von Worttrennungen im Lateinischen. Darauf aufmerksam gemacht hat schon R. P. Oliver 1951; 79 ausführlich ist die lateinische Worttrennung in den 1970er Jahren von E. O. Wingo untersucht worden: „The practice of word-division was standard in Etruscan and it was probably from this source that it entered into Latin, where it is found in the very earliest inscriptions such as the lapis niger [CIL I 2 .1] and the fibula Praenestina  80 [CIL I 2 .3]. 81 The word-divider is regularly found on all good inscriptions, 82 in papyri, 83 on wax tablets, and even in 235 4.2 Das Lesen von scriptio continua im Spiegel antiker Quellen Empfehlungsschreiben; 1. Jh.); P.Oxy. 44 3208 (Privatbrief; 1. Jh. v./ 1. Jh. n. Chr.); P.Berol. 7428 (Veteranenliste, 140 n. Chr.) oder auch die zahlreichen, 2012 von A. Bülow-Jacobsen publizierten Privatbriefe aus Didymoi aus der zweiten Hälfte des 1. Jh.: z. B. O.Did. 326; O.Did. 334; O.Did. 362; O.Did. 429. 84 W I N G O , Punctuation, 15. Der Übergang vom Schreiben mit regelmäßigen Worttrennungen zur scriptio continua ist eindrücklich dokumentiert im uneinheitlichen Befund der Vindo‐ landa-Tafeln (um die Jahrhundertwende vom 1. zum 2. Jh.). So auch A D A M S , Language, 95 f. Während z. B. in T. Vindol. II 297; 315; 323; 345 so gut wie alle Wörter durch einen Mittelpunkt getrennt werden, bei vielen die Wörter durch Spatien [! ] abgetrennt werden (z. B. in T.Vindol. II 296; 299; 301; 316; 343), sind wenige (z. B. T. Vindol. II 292) schon in scriptio continua geschrieben, wobei sich analoge Phänomene bezüglich der Abtrennung von Abkürzungen durch Spatien und Mittelpunkte (vgl. z. B. T.Vindol. 291, Z. 1) wie bei den Papyri aus Dura Europos finden lassen (s. u.). Vgl. zum Übergang weiterführend M Ü L L E R , Interpunktion. Vgl. ferner die zahlreichen, v. a. ins 1. Jh. n. Chr. zu datierenden „Bloomberg-Tablets“ mit Wortzwischenräumen (s. T O M L I N , Voices, passim). 85 Z. B. FrA, r, Z. 2: quidscribserimMinicioMartialiproc(uratori) · Aug(ustorum) n(ostrorum). 86 Vgl. etwa P.Dura 56 A-C (vgl. dort z. B. FrA,r, Z. 6.7). graffiti from the earliest Republican times through the Golden Age and well into the Second Century.” 84 Aus den zahlreichen Quellenbeispielen, die Oliver und Wingo aufführen, ist der Papyrus PSI 7 743 aus dem 1./ 2. Jh. besonders hervorzuheben, der einen griechi‐ schen Text in lateinischer Transkription mit Worttrennern bietet. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine griechische Inschrift mit Worttrennern in Kom Ombo in Ägypten: SB 5 8905 (88 n. Chr.). Es liegt nahe, eine Projektion der lateinischen Konvention zu vermuten, da die Weihinschrift durch eine Römerin gestiftet worden ist. Als Beispiele für den neuen Stil ohne Worttrennungen, der sich ab dem 2./ 3. Jh. in den Hss. findet, führen sie P.Ryl. Gr. 3 473, eine griechisch-lateinische Bilingue (Fragment von den Historiae von Sallust), und P. Mich. 7 429 (die Kopie eines grammatischen Traktats) an. Scriptio continua findet sich darüber hinaus auch in den lateinischen Papyri aus Dura Europos. Beispielhaft verwiesen sei auf P.Dura 54, eine kalendarische Liste (225-235 n. Chr.), und P.Dura 60, ein Brief, der auf den Beginn des 3. Jh. datiert wird. Die scriptio continua wird in P.Dura 60 allerdings an den Stellen durch einen Wortzwischenraum (mit oder ohne Mittelpunkt) unterbrochen, an denen Abkürzungen verwendet werden. 85 Dieses Phänomen ist auch noch in weiteren Papyri aus Dura Europos erkennbar. 86 Es spricht für die These, die Vatri für das klassische Griechisch formuliert hat (s. o.), dass Worterkennung in der scriptio continua durch signifikante Buchstabenkombinationen (in diesem Fall eben auch im Lateinischen) am Wortbeginn und -ende geleitet wird, was bei der Verwendung von Abkürzungen jedoch nicht möglich ist. 236 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 87 Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 175, Anm. 13. Interessant ist ferner, dass Augustus gerade diese Notizen ohne Worttrennungen als Hilfe für Reden und für Gespräche sogar mit seiner Frau Livia verwendete (vgl. Suet. Aug. 84), woraus zu schließen ist, dass diese von ihm in der jeweiligen Situation ohne Schwierigkeiten visuell erfasst werden konnten. 88 Dass interpungo bei Seneca die Wortinterpunktion meint, legt auch die Formulierung interpuncta verborum bei Cic. de orat. 3,181 sowie die Verwendung an den anderen Belegstellen in Ciceros Werk nahe. Er verwendet das Wort nämlich im übertragenen Sinne der Funktion des Punktes zu „unterbrechen“ als rhetorischen terminus technicus. Vgl. Cic. de orat. 2,177.328; 3,173; orat. 16,53. Vgl. auch Quint. inst. or. 9,4,108. 89 Vgl. dazu ausführlich M Ü L L E R , Interpunktion, 34-45: „Das Verschwinden des Worttren‐ nungspunktes ist die Voraussetzung für die Satzinterpunktion durch den Punkt [in mittlerer Höhe]; diese taucht vereinzelt schon neben der Wortinterpunktion auf und ist die wichtigste Interpunktionsweise in den Handschriften seit dem 4. Jahrhundert“ (M Ü L L E R , Interpunktion, 2). Die Unterschiede in den Konventionen des Schriftsystems vor dem 2. Jh. werden in der frühen Kaiserzeit auch in literarischen Quellen reflektiert. So ist es für Sueton (Aug. 87,3) eine Besonderheit, dass Augustus in seinen handschriftlichen Texten die Wörter nicht trennt (non dividit verba). 87 Seneca wiederum nimmt Überlegungen zum Stil einer bedächtigen philosophischen Rede (weder zu langsam noch zu schnell; vgl. auch Sen. ep. 40,8.13 f) zum Anlass, eine Analogie zum Schreiben bei Römern und Griechen zu ziehen: „Freilich, den Redestrom des Quintus Haterius […] möchte ich einem vernünftigen Menschen als völlig unpassend nicht wünschen: Nie zögerte er, nie hielt er ein; nur einmal hob er an, nur einmal schloß er. Mancherlei paßt, glaube ich, mehr oder weniger zu bestimmten Völkern. Bei Griechen mag man diese Schrankenlosigkeit [licentia] hinnehmen; wir Römer haben uns sogar beim Schreiben angewöhnt zu interpungieren. Selbst unser großer Cicero, mit dem die römische Beredsamkeit einen gewaltigen Sprung nach vorn tat, ging schrittweise (gradarius) vor. Die lateinische Sprache ist bedächtiger, wägt ab und stellt sich der Nachprüfung“ (Sen. ep. 40,10 f; Üb. F I N K ; modifiziert JH). Aus der Perspektive des skizzierten materiellen Befundes meint Seneca hier die Wortinterpunktion - also Punkte in den Wortzwischenräumen der latei‐ nischen Texte und keine syntaktische oder rhetorische Interpunktion. 88 Erst das Verschwinden der Wortinterpunktion im 2. Jh. schuf die Voraussetzung dafür, dass Punkte Sinnpausen o. ä. bezeichnen konnten oder zur syntaktischen Abgrenzung verwendet wurden. 89 Bemerkenswert an Senecas Analogie ist also, dass er das griechische Schrift‐ system nicht etwa mit Schwierigkeiten bei der Entzifferung der scriptio continua, sondern mit Schnelligkeit in Verbindung bringt und die Worttrenner im Latei‐ 237 4.2 Das Lesen von scriptio continua im Spiegel antiker Quellen 90 Das Argument von P. Saenger bezüglich der Worttrennungen im Lateinischen bis zum 2. Jh., der Abstand sei deutlich kleiner gewesen als in den Manuskripten im Mittelalter - damit sagt er implizit sie seien also noch nicht wirklich eine „Erfindung“ der scriptio discontinua, sondern stünden in Kontinuität zur griechischen scriptio continua (vgl. S A E N G E R , Space, 28 f) -, ist eine Verlegenheitslösung, die im Rahmen seines Entwicklungsmodells notwendig erscheint. Diese Verlegenheitslösung ist angesichts der neueren kognitionspsychologischen und neurowissenschaftlichen Einsichten als überholt anzusehen. 91 Vgl. O L I V E R , Titulature, 242: Seine Formulierung, die Römer hätten hier „even the worst characteristic of Greek book“ (242), übernommen, ist allerdings ein gutes Beispiel für die hier diskutierte unzulässige Projektion moderner Lesegewohnheiten auf die antiken Gegebenheiten. 92 Vgl. W I N G O , Punctuation, 15. Auch H U R T A D O , Oral Fixation, 328, verweist auf die Ästhetik von scriptio continua, zeigt aber keinerlei Kenntnis von der bis spät in die Kaiserzeit verbreitete Praxis, lateinische Texte in scriptio discontinua zu schreiben. Zu anderen, wenig befriedigenden Erklärungsversuchen vgl. F R A N K , Textgestalt, 38-40. nischen als Gegenteil von licentia, also als eine Art Zügel betrachtet, in dem sich nicht nur die Bedächtigkeit der Rede, sondern der Sprache und damit auch des Lesens von lateinischen Texten widerspiegelt. In jedem Fall ist es geboten, hier die Perspektive Senecas auf die Fremdsprache und deren Leser in Rechnung zu stellen; also womöglich die Tendenz, dass er vorgelesenes Griechisch als rasanter wahrnimmt als vorgelesenes Latein. Angesichts dieser Perspektive in der frühen Kaiserzeit ist die Einführung der scriptio continua umso erstaunlicher. Daraus folgt also: Wenn das Lesen von scriptio continua mit besonderen kognitiven Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, widerspräche die recht späte Aufgabe von Worttrennungen im Lateinischen im 2. Jh. auf eklatante Weise dem Ökonomieprinzip, das sich an zahlreichen anderen kulturellen Entwicklungen im römischen Reich zeigt (z. B. in der Landwirtschaft, im Militär usw.). 90 Eine Erklärung der Einführung der scriptio continua in das lateinische Schriftsystem sieht P. R. Oliver darin, dass man sich hier an der griechischen Buchkultur orientiert hat 91 - die Übernahme hatte also vorwiegend ästhetische und kulturelle Gründe und kann als Phänomen des Zeitgeschmacks verstanden werden. 92 Es kommt hinzu, dass bei Augustinus (wie in der Einleitung ausgeführt), das nicht-vokalisierende Lesen von lateinischen Texten in scriptio continua explizit belegt ist. Zudem reflektiert Augustinus die kognitionspsychologischen Vorgänge beim Lesen in seiner Schrift de Dialectica. „Jedes Wort tönt. Wenn es nämlich geschrieben steht, ist es nicht ein Wort, sondern das Zeichen eines Wortes (cum enim est in scripto, non verbum sed verbi signum est); denn nachdem die Buchstaben vom Lesenden angeschaut worden sind, begegnet dem Geist das, was sich im Laut äussern soll (quippe inspectis a legente litteris occurrit animo, 238 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 93 Vgl. dazu weiterführend L I N D E , Zeichen, 276 ff (Lit.). 94 Zur Verwendung des Terminus s. o. Anm. 1, S. 215. quid voce prorumpat). Was zeigen nämlich die geschriebenen Buchstaben anderes als sich selbst den Augen und ausser sich selbst dem Geist die Laute (quid enim aliud litterae scriptae quam se ipsas oculis et praeter se voces animo ostendunt, et paulo ante diximus signum esse quod se ipsum sensui et praeter se aliquid animo ostendit.)? Was wir lesen, sind daher nicht Worte, sondern die Zeichen der Worte (quae legimus igitur non verba sunt sed signa verborum). Aber wie wir, obschon der Buchstabe selbst das kleinste Element von artikuliertem Laut ist, dennoch diese Vokabeln im übertragenen Sinn brauchen, indem wir auch von ‚Buchstaben‘ sprechen, wenn wir ihn geschrieben sehen - obschon dieser ganz und gar stumm ist und nicht als ein Lautelement, sondern als Zeichen eines Lautelements erscheint - so wir auch ein geschriebenes Wort ‚Wort‘ genannt, obschon es als das Zeichen eines Wortes, das heisst, als das Zeichen eines bedeutenden Lautes, nicht als Wort, in Erscheinung tritt. Deshalb, wie ich zu sagen begonnen habe, tönt jedes Wort“ (Aug. de dial. 5,7, Üb. R U E F , 1981, hier 22). Es ist hier nicht möglich, die dichten semiotischen Ausführungen Augustins ausführlich zu analysieren. 93 Die entscheidende Einsicht, die sich aus dieser Stelle gewinnen lässt, ist, dass das geschriebene Wort, das nur Zeichen eines Wortes ist, gerade nicht tönt. Lesen wird hier von Augustin eindeutig visuell konzeptualisiert (inspicio), womit er in der Antike nicht allein ist (s. o. 3.8). Der Leser sieht nur die geschriebenen Buchstaben, hört sie also nicht, und sie, die geschriebenen Buchstaben, zeigen dem Geist die Laute. Die Artikulation der Laute (mit der inneren Lesestimme oder stimmlich ausartikuliert) ist dann ein zweiter Schritt nach der kognitiven Verarbeitung des Gelesenen. Dies impliziert eindeutig die Fähigkeit der kognitiven Worterkennung beim nicht-vokalisier‐ enden Lesen von Texten, die in scriptio continua geschrieben sind. 4.3 Weitere „typographische“ 94 Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften und die Frage nach „Lesehilfen“ Neben der scriptio continua weisen antike Hss. noch eine ganze Reihe weiterer Merkmale auf, die in Relation zur Lesepraxis zu interpretieren sind. Ein Großteil dieser Merkmale - z. B. Diakritika, Interpunktion, Dikola, Paragraphoi - werden üblicherweise als „Lesehilfen“ verstanden, wobei implizit an Hilfen für das Vorlesen gedacht wird. In diesem Zuge abzuhandeln ist auch die Frage nach der durchschnittlichen Zeilenlänge in literarischen Papyri mit Prosa aus der Kaiserzeit, die nach W. A. Johnson in einem Zusammenhang zu konkreten Lese‐ 239 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 95 J O H N S O N , Sociology, 616. 96 L. Hurtado hat die schon von C. H. Roberts aufgestellte These ausführlich vorgetragen, dass die (primären) scribal features in den neutestamentlichen Hss. zeigten, dass die Manuskripte, die diese Charakteristika aufwiesen, für die Lesung im „Gottesdienst“ bestimmt gewesen seien. Neben dem Hinweis auf Kolumnen und die durchschnitt‐ liche Zeilenlänge (vgl. H U R T A D O , Artifacts, 171-177) verweist er insbesondere auf „Lesehilfen“ in den frühen neutestamentlichen Papyri. Vgl. dazu H U R T A D O , Artifacts, 177-185. Beides wird unten zu diskutieren sein. Vgl. außerdem A L A N D , Rezeption, 29 f; A L A N D , Significance, 109; K R U G E R , Manuscripts, 27, Anm. 69. S. außerdem H U R T A D O , What; H U R T A D O , Sociology, wo er zus. als These formuliert, dass die readers’ aids es auch Lesern aus sub-elitären sozialen Schichten ermöglichten, diese Texte zu lesen. Angesichts der im Folgenden zu präsentierenden Evidenzen, ist diese These zurückzuweisen. 97 So explizit z. B. bei H U R T A D O , Artifacts, 179 f; H U R T A D O , Early, 78. 98 So richtig H U R T A D O , Early, 78. anlässen gestanden hätten: „Bookrolls were not, in gross terms, conceptualized as static repositories of information (or of pleasure), but rather as vehicles for performative reading in high social contexts.“ 95 Insbesondere in der Forschung zu den neutestamentlichen Papyri werden diese sog. „Lesehilfen“ in den frühen Papyri, die traditionellerweise auf das 2. Jh. datiert werden, als Evidenz dafür herangezogen, dass diese Hss. für die Lesung im „Gottesdienst“ geschrieben worden wären. 96 Interpretationen, die „typographischen“ Merkmale antiker und antik-christ‐ licher Hss. in der Summe als Hilfen für das Vorlesen interpretieren, stehen in der Gefahr eines Zirkelschlusses, da sie die schwierigere Lesbarkeit der scriptio continua a priori voraussetzen. 97 Dies ist allerdings angesichts der obigen Ausführungen nicht mehr zu rechtfertigen. Es kommt hinzu, dass zwischen primären und sekundären (daher auch schwer zu datierenden) „Lesehilfen“ zu unterscheiden ist 98 - also solchen „typographischen“ Gestaltungsmerkmalen, die in der ursprünglichen Anlage der Handschrift vorgesehen waren, und solchen Eintragungen, die Benutzer in die Texte eingetragen haben, die eine Hs. dann für einen Vortrag verwendet haben. In methodischer Hinsicht ist zu formulieren: Nur aus primären „typographischen“ Gestaltungsmerkmalen, die sich eindeutig nur dem Vortragslesen zuordnen ließen, könnte eine sichere Aussage über die primäre Verwendungsweise einer Hs. getroffen werden. Ein Problem, insbesondere der Debatte um die Merkmale neutestamentlicher Papyri, ist die einheitliche Kategorisierung von unterschiedlichen Phänomenen in den Hss. als „Lesehilfen“ oder lectional signs, die m. E. getrennt voneinander besprochen werden müssen. Und zwar: 240 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 99 Vgl. jetzt aber den sehr umfangreichen, aber nur mit Hindernissen nachnutzbaren, Datenbestand bei M U G R I D G E , Copying, 83-91. 100 So auch A S T , Signs, 153: “[E]ditors do not always record these marks, and even when they do, databases and interested readers do not always pick up on them.“ a. Markierungen auf der Buchstabenbzw. Wortebene; b. Markierungen, die eine Bedeutung für die Syntax haben bzw. größere Texteinheiten strukturieren; c. Paratextuelle Elemente, die insofern von a) und b) zu unterscheiden sind, als es um textliche Elemente (Überschriften, Verfasserangaben, Seitenzahlen etc.) und Verzierungen geht; d. die Breite der Kolumnen. Die paratextuellen Elemente c) werden zwar zumeist nicht unter „Lesehilfen“ gezählt, gehören aber in den Kontext der hier zu besprechenden Merkmale der Hss. In diesem Zuge müssen auch andere, primär für die visuelle Rezeption ge‐ dachte, Elemente wie Nomina sacra u. ä. kurz besprochen werden. Hinzu kommt das Problem, dass m. W. bisher keine umfassende, Handschriften übergreifende und systematische Untersuchung der als „Lesehilfen“ interpretierten Merkmale antiker Hss. existiert. Im Rahmen dieser Studie sind einige exemplarische Beobachtungen zu den frühen Papyri (bis zum 3. Jh.) angezeigt, die auch dazu dienen, den Befund der neutestamentlichen Papyri in den Kontext antiker Hss. insgesamt zu stellen. Vorab ist auf ein gravierendes Erschließungsproblem der Forschungsdaten hinzuweisen. 99 So werden insbesondere diakritische Zeichen und Wortzwischenräume in den Editionen von Handschriften nicht konsequent erfasst. 100 In analogen Transkripten werden sowohl Worttrennungen als auch diakritische Zeichen (gemäß den späteren grammatischen Regeln) hinzugefügt. Auch in digitalen Transkripten werden Informationen über diese Aspekte nicht konsequent in die Metadaten aufgenommen. Ein Beispiel dafür sind die digitalen Transkripte, die im Rahmen der Erstellung der Edito Critica maior hergestellt werden. Hier wird in den Richtlinien zur Transkription (von Matthias Piontek und Marie-Luise Lakmann, Version III, 1. November 2013) explizit ausgeschlossen, dass Akzente, Spiritus (außer sie seien „das einzige Unter‐ scheidungsmerkmal einer Wort- oder Formvariante“) und Tremata mittranskribiert werden. Der Verzicht ist mit dem Erkenntnisinteresse des Projektes, der Rekonstruk‐ tion des Ausgangstextes, zu erklären, der, so die Annahme, keine diakritischen Zeichen gehabt hätte. Darauf wird unten zurückzukommen sein. 241 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 101 Vgl. z. B. R O Y S E , Habits, 106.207. 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R O Y S E , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M U G R I D G E , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H U R T A D O , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H U R T A D O , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ̣); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 (vgl. E B O J O , Nonsense, 134); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 18 (v o 14); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 1 (f. r o 3-5); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 5 (f. 2r o 20 f u. ö.); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 20 (v o 4.7); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45 (2v o 7); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16;  f. 3,16); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46, f. 22v o 15). 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19 f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16 f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert.3,1,65 f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos ad a) Markierungen auf der Buchstabenbzw. Wortebene Hierunter fallen die sog. diakritischen Zeichen (das Trema, Akzente sowie Spiritus) und aus meiner Sicht auch der Apostroph. Diese Zeichen sind sowohl in christlichen als auch nicht-christlichen Hss. zu finde, aber kommen, so der Stand der Forschung, selten vor und deren Verwendung folget keiner festen Systematik. 101 Es gibt mittlerweile einige Studien zu den sogenannten scribal habits, in denen diese Phänomene z. T. berücksichtigt werden. Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota (ϊ; r o ,1 f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und 242 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P.Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44 f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T H R E A T T E , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T U R N E R , Manuscripts, 12 f. 111 Wobei in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75, 45r o 7 möglicherweise ein Hochpunkt steht, der aber im Digitalisat nicht eindeutig zu identifizieren ist und nur durch eine Autopsie sicher festgestellt werden könnte. 112 In diesen Befund passt ein Trema in einem Nomen Sacrum nach einem Mittelpunkt. Vgl. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, 78,6 ( Joh 11,33). 113 Gegen N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 25. 114 N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 25. Auch gegen J U N A C K , Abschreibpraktiken, 283. steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 im Vergleich zu Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75. In Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben ist (λε-γει·ϊδε), während in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75 an dieser Stelle kein Mittelpunkt steht und das Trema tatsächlich die Funktion hat, die Diärese anzuzeigen. Das gleiche Phänomen lässt sich in Joh 1,36 sehen (vgl. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, f. 4, Z. 18 111 ). Diese (auch noch an anderen Stellen zu findende) Redundanz in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 lässt sich vermutlich dadurch erklären, dass der Schreiber das Trema aus konventionellen Gründen gesetzt oder aus seiner Vorlage übernommen und den Mittelpunkt selbst eingefügt hat. 112 Außerdem stellt sich die Frage, inwiefern der Schreiber von Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 Tremata überhaupt als Lesehilfe aufgefasst haben kann, wenn er ein funktionslos gewordenes Trema stehen lässt. Insbesondere die weitgehende Beschränkung auf die Vokale ι und υ macht es zudem sehr unwahrscheinlich, dass das Trema die generelle Funktion hatte, ein neues Wort zu markieren. 113 Insgesamt erscheint es mir vor diesem Hintergrund fragwürdig, dass Trema als „lectional sign that guide pronunciation“ 114 zu kategorisieren und eine eindeutige Verknüpfung zum vokaliserenden Lesen bzw. Vortragslesen (neutestamentlicher Texte im Gottesdienst) herzustellen. Denn sollte das Trema 243 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 115 Vgl. M U G R I D G E , Copying, 88 f. 116 So auch H I L L / K R U G E R , Introduction, 16, Anm. 71. Dies deckt sich mit dem Befund in literarischen Papyri insgesamt. Vgl. T U R N E R , Manuscripts, 11 f. 117 Zu diesem Ergebnis kommt auch E B O J O , Nonsense, 134 (Lit.), in Bezug auf die zahlrei‐ chen Belegstellen in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46. 118 Vgl. exempl. P.Oxy. 15 1809 (I/ II; Plat. Phaid. 102e mit umfangreichen Marginalscholien): col. 2,6 f. Die diakritischen Zeichen stammen vielleicht sogar von derselben Hand wie der Kommentar (vgl. CPF I.1***, 223); P.Berol. inv. 9782 (II; Kommentarmanuskript; s. dazu unten mehr): z. B. Pl. C r o col. 1,1; Pl. O r o col. 3,35.38. Vgl. auch P.Berol. inv. 21245, fr. a r o (4. Jh.; Fragmente aus Isokratesreden, bilingual lat.-dt.; spiritus lenis und Akut unterscheiden das Partizip ὄντας (εἰμί), das man gerade am Ende der Zeile vielleicht mit dem Pronomen ὅν und dem Artikel τάς verwechseln könnte) und die spiritus auf den einsilbigen Wörtern ὁυ, ὁ und ὡς in P.Cairo.Masp. 3 67295 (6. Jh.). 119 Vgl. exempl. IG II 2 3662,9 (2. Jh. n.; Abb. unter: https: / / digital.library.cornell.edu/ catalog / ss: 456492): Vereindeutigung des Relativpronomens ὉΣ, das als Endung von ΘΥΓΑΤΗΡ verwechselt werden könnte. Vgl. außerdem IG II 2 12664,7 (1. Jh. n. Chr.); IG II 2 2270,6 (2. Jh. n. Chr.? ); IG II 2 3714,12 (3. Jh. n. Chr.); IG II 2 3811,10 (v. 250 n. Chr.). Vgl. dazu T H R E A T T E , Grammar, 97 f. L A R F E L D , Handbuch, 428, verweist außerdem auf IG XIV 645, eine sehr alte Inschrift aus dem ausgehenden 4. Jh. v. Chr., in der der spiritus asper verwendet wird. tatsächlich als Lesehilfe gedacht gewesen sein, so ist diese auch für einen indi‐ viduellen Leser hilfreich, und zwar unabhängig davon, ob er vokalisierend liest oder seine innere Lesestimme verwendet. Die griechischen Wörter werden im Folgenden bewusst ohne Berücksichtigung der konventionellen Akzentsetzung geschrieben, um den Befund in den Handschriften darstellbar zu machen. Akzente und spiritus sind im Vergleich zum Trema deutlich seltener in den frühen Papyri zu finden. 115 Es ist aufschlussreich, dass es sich bei den spiritus überwiegend um einen spiritus asper handelt 116 (ⱶ) - und zwar wird dieser in vielen Fällen nur dann gesetzt, wenn eine semantische Ambiguität bei einsilbigen Wörtern vermieden werden soll. 117 Dies hat eine stichprobenartige Durchsicht der frühen Papyri (2./ 3. Jh.) ergeben. In der unten stehenden Tabelle finden sich einige Beispiele zur Illustration. Das bedeutet, die Frage der richtigen phonologischen Realisierung kann nicht das primäre Interesse der Schreiber gewesen sein. Parallelphänomene lassen sich im Übrigen aus nicht-christlichen Papyri - auch in solchen, die definitiv nicht für den performativen Vortrag bestimmt waren 118 - und Inschriften, die ebenfalls schwerlich zur performativen Lesung bestimmt waren, 119 beibringen. 244 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 120 Vgl. zu den Datierungen O R S I N I / C L A R Y S S E , Manuscripts. 121 Der spiritus asper auf der Konjunktion η in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 49 (III/ IV; P.Yale 2 86, v o ,8; Eph 5,3) muss ein Fehler sein. Vgl. B I O N D I , accenti, 26. Es sind so wenige, dass M U G R I D G E , Copying, 89 f, sie nicht einmal statistisch auswerten kann. 122 Vgl. dazu E B O J O , Nonsense, 134, der darauf hinweist, dass er mehrere Dutzend Beleg‐ stellen in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 gefunden habe, die er allerdings nicht einzeln verzeichnet hat. 123 In der ersten Zeile von f. 102 ist möglicherweise ein spiritus lenis zu lesen, der die Präposition vereindeutigt. Gregory-Aland 120 Standardkürzel Stellenangabe Befund Gegenprobe (exemplarisch) Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 13 (III/ IV) P.Oxy. 4 657 f. 47v o ,21.27 (Hebr 3,6.8) ὁυ: Relativpronomen vs. Adverb f. 47v o ,11 (Hebr 3,1) αγιοι ohne spiritus asp. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 15 ([III]/ IV) P.Oxy. 7 1008 r o ,5 (1Kor 7,20) v o ,13 (1Kor 7,24) ἡ: Artikel vs. Partikel (disjunktiv/ kompa‐ rativ o. Adverb) ὡ: Vereindeutigung des Relativprono‐ mens z. B. v o 9 Relativpronomen ο ohne spiritus asp. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45 (III) P.Beatty 1 f. 10v o ,5 (Lk 9,48) f. 16r o ,15 ( Joh 10,16) ὁς: Vereindeutigung des Relativprono‐ mens (könnte im Kontext mit ενος ver‐ wechselt werden) εἱς: Numeral vs. Präposition εἰς f. 10v o ,6 Relativpronomen ος nach και ohne spiritus asp. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 121 (200-225) P.Beatty 2 z. B. f. 16r o ,17 (Röm 12,5) u. ö. 122 f. 50r o 18 (1Kor 10,17) ἑν: Numeral vs. Präposition εἱς: Numeral vs. Präposition εἰς f. 6r o 22-24 Relativpronomen ο ohne spiritus asp. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 123 (III) P.Bodm. II f. 101,10 ( Joh 13,29) ὡν: Relativpronomen vs. Partizip Präsens εἰμί f. 101,15 ( Joh 15,31) Relativpronomen ο ohne spiritus asp. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 77 (III) P.Oxy. 64 4405 f. v o ,2 (Mt 23,35) ὁν: Relativpronomen vs. Partizip Präsens von εἰμί Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 104 (II) P.Oxy. 64 4404 r o ,5 f. (Mt 21,35) ὁν: Relativpronomen vs. Partizip Präsens von εἰμί r o ,4 (Mt 21,35) Relativpronomen οι ohne spiritus asp. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 113 (III) P.Oxy. 66 4497 v o ,5 (Röm 2,29) ὁυ: Relativpronomen vs. Adverb 245 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 124 Vgl. zur Diskussion W A S S E R M A N , Papyrus 72; N I C K L A S / W A S S E R M A N , Linien; A L A N D , Rolle, insb. 308; J O N E S , New Proposal; N O N G B R I , Construction. 125 Vgl. z. B. f. 11,5 (Vereindeutigung des Relativpronomens am Zeilenende; möglicherweise auch markiert, um parafoveal nicht als Endung eines Wortes missinterpretiert zu werden); f. 12,15 (Relativpronomen, das parafoveal möglicherweise als Endung missin‐ terpretiert werden könnte) usw.; vgl. aber z. B. auch f. 3,16, wo der spiritus asper eher im Sinne eines trema genutzt wird. 126 Vgl. M U G R I D G E , Copying, 89. 127 Vgl. die Übersicht bei B I O N D I , accenti, 18. 128 Auch B I O N D I , accenti, 78, interpretiert das Zeichen als Akut und nicht als spiritus. 129 Vgl. zum Akut in f. 30v o , Z. 22 (Hebr 9,24), der auf eine Korrektur zurückgeht, E B O J O , Nonsense, 133, Anm. 20. 130 Vgl. T U R N E R , Manuscripts, 11. Zahlreiche spiritus asper finden sich auch in Kodex P.Bodm 7-8 (= Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 72).10-12.13, bei dem es angesichts der eigenartigen Zusammenstellung, die durchaus ein redaktionelles Interesse erkennen lässt, 124 sowie angesichts des im Vergleich zu anderen Hss. eigenwilligen Formats fraglich erscheint, ob es sich um ein Manuskript handelt, das die Vorlage für performative Lesungen gebildet hat. Es finden sich einige Stellen, an denen analog zu den schon angeführten Beispielen, einsilbige Wörter mit einem spiritus asper versehen worden sind. 125 Daneben findet sich aber z. B. auch mitten im Kompositum εισὁδος ein spiritus asper (f. 25,3; 2Petr 1,11), den A. Mugridge als Irregularität interpretiert. 126 M. E. erklärt sich der spiritus asper hier aber durch den Zeilenumbruch, der durch das Wort geht (εισὁ-δος) und der möglicherweise auch die Disambiguierung von Vorsilbe und Präposition notwendig erscheinen ließ. Auch die wenigen Akzente, 127 die sich in den frühen Hss. finden lassen, haben zumeist die Funktion, eine semantische Ambiguität auszuschließen. Auch hier scheint es nicht um die richtige phonologische Realisierung zu gehen. In Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 1 (P.Oxy. 1 1) findet sich vermutlich ein Akut auf einem ή (v o ,14 [Mt 1,18]) 128 und disambiguiert die Partikel vom Artikel oder Relativpronomen, möglicherweise auch vom folgenden Wort. In Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 (200-225; P.Beatty 2) zeigt der Akut auf πέρας (f. 26v o ,7 [Hebr 6,16]) möglicherweise den Unterschied des Nom. Sg. ntr. vom Dat. Pl. fem. von πέρα bzw. von Formen des Verbes περάω in der 2. Pers. Sg. an. 129 Der Akut in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 (P.Bodm. II) f. 101.8 ( Joh 13,29) hilft potentiell -δοκουν vom Partizip von δοκοω zu disambiguieren. Es könnte hier im speziellen Fall als notwendig erachtet worden sein, weil das Augment in der vorhergehenden Zeile geschrieben ist. Besonders aufschlussreich ist die Verwendung des Apostroph in den neutes‐ tamentlichen Hss. Der Apostroph wird dort analog zu antiken Hss. insgesamt 130 246 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 131 Vgl. z. B. IG II 2 13131,5 (1. Jh. n. Chr.); IG II 2 12664,8 (1. Jh. n. Chr.); IG II 2 11040,2 (2. Jh. n. Chr.); IG II 2 3714,12 (um 200 n. Chr.); IG II 2 12617,2 f.7. Vgl. dazu T H R E A T T E , Grammar, 97 f. 132 Vgl. z. B. Majuskel 0189/ P.Berol. inv. 11765, f. 2,3 (Clarysse/ Orsini: 150-250). 133 Vgl. M U G R I D G E , Copying, 86 f. 134 T U R N E R , Manuscripts, 8.11, und E B O J O , Nonsense, 133, weisen etwa auf dieses Phä‐ nomen hin, können es aber nicht erklären: „the function of which is not immediately ascertainable“ (E B O J O , Nonsense, 133). M U G R I D G E , Copying, 87, vermutet „usually because names from a Hebrew background ended with a consonant and did not change by declension […], and hence might have been strange to a Greek reader.” 135 Vgl. z. B. αβρααμ’: Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46, f. 83r o ,10 (Gal 3,8); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, f. 56,11.17.20 ( Joh 8,33.39.40) u. ö.; Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 7 5, f. 55r o ( Joh 8,37) [kein Apostroph erkennbar 55r o ,31]; 55v o ,4 ( Joh 8,40) | αδαμ’: Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75, f. 7v o ,9? (Lk 3,38) | καφαρναουμ’: Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45, f. 11r o (Lk 10,15; gegen das Transkript im NTVMR, das der Apostroph fälschlicherweise als Hochpunkt interpretiert); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, f. 9,9 ( Joh 2,12); f. 24,9 ( Joh 4,46) u. ö. | ϊακωβ’: Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, f. 18,1 ( Joh 4,6) u. ö.; Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75, 47v o ,15.17 ( Joh 4,5.6) | ισραηλ’: Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45, 24r o ,10 (Act 10,36); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 (P.Beatty 2), 14r o ,14 (Röm 10,19); 88v o ,17 (Phil 3,5); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, f. 4.3 ( Joh 1,31); f. 7,6 ( Joh 1,49); f. 13,10 ( Joh 3,10) [kein Apostroph f. 87,8; Joh 12,13]; Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75, f. 44v o ,35 möglicherweise Apostroph nach nomen sacrum. | ιωβηδ’: Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 1, r o ,14 (Mt 1,5) | ϊωσηφ’: Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45. f. 20r o ,5 f.13 (Act 7,13.18; gegen das Transkript im NTVMR, das der Apostroph fälschlicherweise als Hochpunkt interpretiert); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, f. 6,11 ( Joh 1,45); 17 21 ( Joh 4,5) | ναθαναηλ’: Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, f. 7,4 ( Joh 1,49); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75, f. 45v o , 2 ( Joh 1,49; gegen das Tran‐ skript im NTVMR, das den Strich fälschlicherweise als Hochpunkt interpretiert). Hier wäre eine weiterführende und systematische Analyse des Gebrauchs des Apostrophs in den frühen neutestamentlichen Hss. hilfreich, welche auch die großen Kodizes ein‐ bezieht, in denen dieses Phänomen ebenfalls zu finden ist. Vgl. exempl. א 01 247 v o col. 2,1: ϊωσηφ’ ( Joh 1,45). Das gleiche Phänomen findet sich, wie zu erwarten, auch in LXX-Hss. Vgl. z. B. Rahlfs 837/ P.Berol. inv. 17212 (III), fr. 2v o ,9: Αιγυπ’του (Jer 2,18); fr. 3v o , 5: Ισραηλ’ ( Jer 2,31). Bei dieser Hs. handelt es sich um ein Exemplar, das, wie Kurz‐ scholien am Rand belegen, eindeutig als Arbeitsexemplar verwendet wurde. Vgl. au‐ ßerdem die zahlreichen Apostrophe im Zwölfprophetenkodex Ralfs W/ Washington Manuscript V (III): z. B. S A N D E R S , Facsimile, 49,32: Ιερουσαλημ’ (Sach 2,16); 18,36 f: Νεβρωδ’, Ασσουρ’ (Mich 5,5). sowie zum inschriftlichen Befund 131 vor allem als Auslassungszeichen ver‐ wendet. 132 Die Funktion erschließt sich, berücksichtigt man, dass die parafoveale Worterkennung in der scriptio continua vor allem durch Buchstabenkombinati‐ onen am Anfang und vor allem am Ende der Worte geleitet wird (s. o. 4.1). Fällt nun ein Buchstabe aus lautlichen Gründen aus, wird dies markiert, um die gewohnte Worterkennung zu gewährleisten. Dadurch lässt sich auch die in ihrer Funktion für die Forschung z. T. nicht direkt erschließbare, in den frühen Hss. sehr regelmäßig zu findende 133 Apostrophierung von indeklinablen semitischen Namen in den neutestamentlichen Papyri erklären, 134 die wegen der fehlenden Passung in das griechische Endungssystem ebenfalls sehr häufig mit einem Apostroph markiert werden. 135 Die Praxis, fremdsprachliche Wörter mit einem Apostroph zu kennzeichnen, findet sich auch vielfach in dokumentarischen 247 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 136 Vgl. A S T , Signs, 151. 137 M E T Z G E R , Bodmer Papyrus, 201; C H A R L E S W O R T H , Public, 160. 138 In A. Mugridges Kategorie F (liturgical and hymnic texts) finden sich nur in 12,1% der Handschriften Tremata, wärend sie in 31,6% der neutestamentlichen Papyri, in 41,7% der Papyri mit apokryphen Texten und in 40 % der Papyri mit patristischen Texten zu finden sind. Vgl. M U G R I D G E , Copying, 86. 139 Gegen J U N A C K , Abschreibpraktiken, 283-285, der das Vorkommen dieser Phänomene mit der communis opinio des grundsätzlich „lauten“ Lesens in der Antike verknüpft. 140 Vgl. die Akzente in P.Berol. inv. 9917 (um 300). 141 Vgl. z. B. die Tremata in P.Berol. 9780 r o (2./ 3. Jh.; Kommentar von Didymos zu Demos‐ thenesreden). Zu weiteren visuell wahrzunehmenden Merkmalen dieses Papyrus vgl. C A N C I K , Text, 85-92. 142 Vgl. z. B. P.Berol. inv. 13236 (2. Jh./ 3. Jh.) - ein Fragment eines Kodex mit Thuk. Hist. (2, 65, 6-8; 65, 12; 67, 2; 68, 1-5; 79, 5-6; 80, 3-6; 81, 1-3; 81, 8-82), dessen Text u. a. Akut, Zirkumflex, Gravis, Spiritus und Scholien von derselben Hand enthält. Vgl. zu den Scholien M C N A M E E , Annotations, 444 f. In P.Oxy. 52 3680 (2. Jh.; Plat. Tht.) findet sich in einem Randkommentar zum Text von einer zweiten Hand ein Apostroph. Vgl. dazu M C N A M E E , Annotations, 351. Aufschlussreich ist außerdem der Befund in P.Oxy. 15 1808 (2. Jh.). Dabei handelt sich um ein Fragment mit Plat. rep., dessen Text diakritische Zeichen (erhalten ist z. B. ein Trema und ein Spiritus asper) aufweist und und das zahlreiche, schnell geschriebene Randmarkierungen (Kurzschrift und Abkürzungen) enthält. M C N A M E E , Annotations, 20 f.352, vermutet daher, dass die Randmarkierungen unter Zeitdruck bei einer Vorlesung/ einem Vortrag o. ä. entstanden sein könnten, wobei ein Zuhörer seine Notizen unter Zeitdruck in sein eigenes Arbeitsexemplar geschrieben hat, das also eindeutig nicht als Vorlesemanuskript genutzt wurde. In P.Berol. inv. 21355 (2. Jh.) findet sich ein Apostroph zur Anzeige einer Elision in einem Scholion. In P.Berol. inv. 5865 (3./ 4. Jh.), Reste eines Kodex mit Aratscholien, finden sich Tremata, Apostrophe, Spiritus asper sowie verschiedene Verweiszeichen (z. B. ein kleines Kreuzchen und ein Diple). Vgl. dazu mit Verweisen auf weitere Papyri M A E H L E R , Aratkodex. Vgl. außerdem P.Oxy. 47 3326 (2. Jh.; Plat. rep.; vgl. M C N A M E E , Annotations, 352); P.Oxy. 18 2176 (2. Jh.; Kommentar zu Hipponax mit Scholien; vgl. M C N A M E E , Papyri. 136 Auch beim Apostroph handelt es sich also nicht um eine Vorlesehilfe und auch nicht um ein Zeichen, das zu „clarity of pronunciation in the public reading“ 137 beitrüge - dagegen spricht auch der statistische Befund. 138 Der Apostroph ist vielmehr eine Worterkennungshilfe, welche die parafoveale Wahr‐ nehmung des Textes sowohl beim Vortragslesen, aber v. a. bei verschiedenen Modi des (nicht-vokalisierenden) individuellen Lesens unterstützen kann. Aus dem Vorkommen von Tremata, Akzenten, Spiritus und Apostrophen in einer Hs. kann also nicht auf ihren primären Verwendungskontext geschlossen werden. 139 Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, dass sich diese Merkmale auch in nicht-christlichen Hss. finden lassen, die eindeutig zu Studienzwecken verwendet worden sind - Grammatiklehrbücher, 140 Manuskripte mit Kommen‐ tartexten, 141 oder mit kommentierenden Annotationen (zumeist am Rand, aber z. T. auch interlinear). 142 Noch eindrücklicher sind Belege von diakritischen 248 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften Annotations, 265 f) und die Belege in Anm. 118, S. 244. Vgl. ferner das autographische Konzept eines Prosatextes aus dem 2. Jh. v. Chr. (P.Berol. 11632), das ebenfalls Akzente enthält. 143 Vgl. exempl. Apostroph und Trema im Fragment der Consularia Berolinensia (P.Berol. inv. 13296; 4./ 5. Jh.), einer Liste römischer Konsuln mit weiteren historischen Angaben und Illuminationen. Vgl. dazu weiterführend B U R G E S S / D I J K S T R A , Berlin. 144 Vgl. z. B. P.Oxy. 75 5054,13: Spiritus asper auf ὃν (2. Jh., Privatbrief); BGU 3 745/ P.Berol. inv. 1482 r o 9: spiritus asper auf οἷς (254-268 n. Chr.; Eingabe wegen Schulden); SB 24 15955/ P.Berol. inv. 21753: Tremata über υ und ι (6. Jh. Antrag auf Änderung eines Eintrages im Steuerregister). Vgl. außerdem die zahlreichen Fälle von spiritus asper in dokumentarischen Papyri, die A S T , Signs, 153, insb. Anm. 35, aufzählt, wobei er darauf hinweist, dass die Zahl von 100 Dokumenten, die er nennt, wegen der fehlenden Erschließung der Forschungsdaten sicher zu gering ist. Ast hat insgesamt plausibel gezeigt, dass die gleichsam zum Gemeinplatz gewordene Aussage, prosodische Zeichen seien in dokumentarischen Papyri sehr selten (vgl. dazu A S T , Signs, 146), einen falschen Eindruck erzeugt und „prosodic signs get used correctly over the entire period witnessed by documentary papyri“ (A S T , Signs, 147). 145 S. o. Anm. 109, S. 243; Anm. 119, S. 244; Anm. 131, S. 247. 146 N A G Y , Reading, 15, konstatiert m. E. zu Recht: „Laum’s work has not received the attention it deserves. References by later scholars tend to focus on details that need to be corrected.“ Zeichen in listenartigen 143 oder anderen dokumentarischen Papyri 144 sowie in Inschriften, 145 bei denen eine performative Lesung auch nicht anzunehmen ist. Ältere Studien deuten zudem darauf hin, dass die Zeichen in den nicht-christli‐ chen Hss. ebenfalls in der Mehrzahl semantische Ambiguität vereindeutigen. So kommt B. Laum in seiner einschlägigen Studie 146 zum alexandrinischen Akzentuati‐ onssytem, in der er neben den Homerscholien zahlreiche Papyri auswertet, zu dem Ergebnis: „Die Lesezeichen dienen dazu, bei Wörtern bzw. Buchstaben- und Wortver‐ bindungen, die verschieden gedeutet werden können, dem Leser die richtige Auffassung klar zu machen. Das Zeichen für den Hauchlaut bzw. Psilose ist vornehmlich auf Wörtern gesetzt, die je nach dem Spiritus eine andere Bedeutung hatten […]. Das Quantitätszeichen dient in gleicher Weise der Unterscheidung von Vokalen oder Vo‐ kalverbindungen, die gleichgeschrieben waren, aber je nach Quantität Verschiedenes bedeuteten […]. Der Charakter als Unterscheidungszeichen tritt besonders bei der Akzentsetzung deutlich hervor. Vor allem werden jene Wörter, die in der Buchstaben‐ zusammensetzung gleich sind, aber je nach der Bedeutung verschieden betont werden können, mit dem zukommenden Akzent versehen. […] Sodann hat der Gravis auch den Zweck gehabt, bei Textstellen, wo wegen der scriptio continua Trennungen bzw. Zusammenfassungen von einzelnen Buchstaben bzw. Buchstabengruppen umstritten waren, dem Leser die richtige Auffassung zu verdeutlichen. Die frühen Alexandriner scheinen in solchen Fällen mit Vorliebe Akzente als Mittel der Unterscheidung angewendet zu haben (man hat, um die Verdeutlichung zu erreichen, sich nicht 249 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 147 Vgl. L A U M , Akzentuationssystem, 327-452 [Zitat 451 f]. Die neuere Forschung ist etwas vorsichtiger in der Einschätzung: Vgl. z. B. P R O B E R T , Ancient, 46, der bezüglich der Akzente in den Papyri - allerdings ohne systematische Auswertung des Befundes, ohne Diskussion der zahlreichen Stellen, die Laum auswertet, und ohne Beleg für seine quantitative Einschätzung - formuliert: „one can sometimes see that the words marked with accents are those for which the accent can help to resolve a potential ambiguity. In other cases it is not clear why a particular word has been marked with an accent.” 148 Ein weiteres aufschlussreiches Beispiel aus einem Laum noch nicht bekannten Papyrus bildet die Randbemerkung ζ(ήτει) („prüfe“) zu einem Zirkumflex auf dem Wort τοσῷδε in P.Oxy. 57 3879 (2. Jh.; Thuk. Hist.), der wohl als Vereindeutigung gedacht war, aber eine Variante zu allen andere Hss. bildet, die hier τόσῳ δὲ lesen. Vgl. dazu M C N A M E E , Annotations, 443. Vgl. zur semantischen Differenz LSJ: „τόσος in all senses, but like τοσοῦτος with stronger demonstr. sense“. Der fehlerhafte Zirkumflex fand sich ver‐ mutlich schon in der Vorlage, da die Randbemerkung von der ersten Hand angebracht worden ist. Die Randbemerkung ζ(ήτει) findet sich aber auch noch in anderen Hss. - in P.Oxy. 57 3880 (1./ 2. Jh.; Thuk. Hist.) z. B. auch von einer anderen Hand, wobei hier wegen des fragmentarischen Zustandes der Hs. nicht mehr ersichtlich ist, worauf sich die Randbemerkung bezieht. In jedem Fall implizieren diese Randbemerkungen, das Phänomen des Vergleichs mehrer Hss. eines Textes. Vgl. außerdem P.Oxy. 2 229 (2. Jh.; Plat. Phaid.; s. dazu M C N A M E E , Annotations, 350) und die Belege in Anm. 118, S. 244. M O O R E -B L U N T , Problems, passim, führt zahlreiche weitere Beispiele von Akzenten in den Papyri an, die Ambiguitäten vermeiden sollen: z. B. P.Oxy. 9 1175, Fr. 7,8 (II): πλησιαίτατος vs. πλησίαι. C O L O M O , Quantity, 97, hält fest, dass die diakritischen Zeichen in epischen, lyrischen und dramatischen Texten der Worterkennung einzelner, schwieriger Worte dienen und Homographen vereindeutigen; sie hätten dagegen keine Funktion für die Metrik. Auch die von ihr untersuchten Längenzeichen in Prosatexten haben zumeist genau diese Funktion. Vgl. C O L O M O , Quantity, insb. 108 f. Ihre Arbeitshypothese, dass die (sehr wenigen) Längenzeichen, bei denen die Funktion der Vereindeutigung von Ambiguität nicht ersichtlich ist, vor dem Hintergrund der Praxis des generell lauten Lesens zu erklären seien (vgl. C O L O M O , Quantity, 109), ist aus meiner Sicht eine unnötige Zusatzannahme, die sich durch ihre eigene Auswertung des Befundes erübrigt. Vgl. insb. die Diskussion der Beispiele ebd., 113, die deutlich ein philologisches Interesse an grammatischer und orthographischer Korrektheit erkennen lassen. gescheut, gegen die Akzentregeln zu verstoßen, hat Doppelakzente gesetzt, Akzente vertauscht oder verrückt) […]. Alle Zeichen (Akzente, Spiritus, Quantitäten und Diastolai) dienen also dem Zwecke, an mehrdeutigen Stellen dem Leser die richtige Auffassung kenntlich zu machen. Diese Tatsache tritt sowohl aus der Interpretation der Homerscholien wie aus der prosodischen Praxis in den Papyri deutlich hervor.“ 147 Inwiefern dieser Befund auch den seit den 1920er Jahren erheblich gewachsenen Bestand an edierten Papyri halten lässt, müsste eingehender untersucht werden. Eine dafür notwendige, sehr umfangreiche, vergleichende Untersuchung, die außerdem auch noch den inschriftlichen Befund miteinbezieht, kann im Rahmen dieser Studie jedoch nicht geleistet werden. 148 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, 250 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 149 Vgl. Aristot. soph. el. 177b, der als Beispiel ὄρος und ὅρος anführt, das zwar im Geschriebenen gleich aussehe, aber in der Praxis seiner Zeit markiert werde: κἀκεῖ δ’ ἤδη παράσημα ποιοῦνται. 150 Vgl. dazu L A U M , Akzentuationssystem, 99-103. 151 Ed. S C H M I D T , 211. Die anschließende Satzeinleitung mit καὶ πρός macht deutlich, dass die weiteren Funktionsbestimmungen betreffs der Prosodie deutlich von der Unterscheidungsfunktion, die sich auf die visuelle Erfassung von Wörtern bezieht, abgegrenzt werden. 152 A S T , Signs, 150. Das Zitat bezieht sich auf einen spiritus in einem landwirtschaftlichen Rechnungsbuch und einem Kodex mit drei Isokratesreden, die lt. Ast im 4. Jh. vom gleichen Schreiber geschrieben worden sind. 153 A S T , Signs, 154. dass schon Aristoteles die Praxis reflektiert, dass im Schriftlichen diakritische Zeichen gesetzt werden, um Ambiguitäten zu vereindeutigen. 149 Bei Ps.-Arca‐ dios - es gibt gute Gründe, Theodosios von Alexandria als Verfasser zu ver‐ muten, 150 - findet sich im Kontext der Beschreibung der Funktionsbezeichnung der diakritischen Zeichen die Formulierung, dass „die Längen, Akzente und Hauche - von Aristophanes geformt - entstanden sind für die Unterscheidung zweideutiger Wörter (πρός τε διαστολὴν τῆς ἀμφιβόλου λέξεως)“ 151 . Dies entspricht exakt der hier diskutierten Funktionsbestimmung. Auch viele der Beispiele für einen spiritus asper in dokumentarischen Papyri, die R. Ast jüngst aufführt, „are clearly used in order to avoid ambiguity“. 152 So handelt es sich auch dort zumeist um die „kleinen Wörter“, die mit einem spiritus asper versehen werden, wie in seiner Zusammenfassung des Befundes deutlich wird. „While one might expect that spiritus asper would be used to alert the reader to cases of aspiration in rare or unusal words, quite the opposite is actually the case. By far the most common terms that are aspirated are relative pronouns (e.g. ὅς, οὗ, ὅν, ὧν, οἷς, οὕς, ἧς, ἥν, ἅ) […]. In addition, articles (ὁ, ἡ, οἱ), adverbs such as ὡς, and cardinal numbers, especially ἑν and on a couple of occasions ἕξ, can bear a rough breathing mark. [In Anm. 38 ergänzt er dann noch: ] As an aside, I note that in Attic Greek inscriptions, too, the same types of words tend to be marked with the spiritus asper.“ 153 Diese „kleinen Wörter“ wären ohne spiritus asper nicht nur in vielen Fällen ambigue, sondern viele von ihnen können auch leicht mit Endungen verwech‐ selt werden, was wiederum die Worterkennung erschwert. Denn, wie oben zu sehen war und worauf schon bezüglich des Gebrauchs des Apostrophs bei fremdsprachlichen Termini hingewiesen wurde, wird die parafoveale Worter‐ kennung in der scriptio continua vor allem durch Buchstabenkombinationen am Anfang und vor allem am Ende der Worte geleitet (s. o. 4.1). 251 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 154 Vgl. H U R T A D O , Sociology, 159. 155 Vgl. außerdem Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 5 (III), Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 15 (III), Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 72 (IV); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 100 (III/ IV). 156 Vgl. auch P O R T E R , Pericope, 161; E B O J O , Nonsense, 130 f. 157 Vgl. zum Folgenden E B O J O , Scribe, 166-168.182-203; E B O J O , Nonsense. ad b) Markierungen, die eine Bedeutung für die Syntax haben bzw. größere Texteinheiten strukturieren In den frühen neutestamentlichen Papyri finden sich verschiedene Merkmale, welche dazu dienen, die Texte zu strukturieren, wobei erstens kein einheitliches und durchgängiges System zu finden ist und zweitens der Textbestand bei zahlreichen Papyri zu fragmentarisch ist, um eine statistisch valide Aussage zu treffen. Wortzwischenräume (Spatien) und Interpunktion: Schon im mutmaßlich ältesten Pa‐ pyrus mit Texten aus dem NT, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 52, finden sich Wortzwischenräume (r o ., Z. 2: ουδενα|ινα; re., Z. 3 [ει]πεν|σημαινων; vs., Z. 2 [κοσ]μον|ινα), die L. Hurtado als „Lesehilfen“ interpretiert, die Sinneinheiten voneinander abtrennten. 154 Auch wenn er im Anschluss an R O B E R T S , 1936, 226 f, Parallelen anführt (P.Ryl. 3 458; P.Egerton 2), an denen Wortzwischenräume möglicherweise Sinnabschnitte markieren, so ist die Stichprobe in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 52 zu gering und zu disparat, um sichere Schlussfolgerungen zu ziehen. So ist etwa der Abstand zwischen ουδενα und ινα genauso groß wie der Abstand zwischen dem ι- und den beiden darauffolgenden Buchstaben -να innerhalb von ινα: ουδενα|ι|να. Zudem ist im Übergang von Joh 18,32 zu 33 gerade kein Wortzwischenraum zu erkennen, obwohl ein neuer Hauptsatz beginnt, der eine deutlichere Zäsur zum Ausdruck bringt als die von Hurtado angeführten Beispiele. Interessant sind sodann die markanten Wortzwischenräume vor Relativpronomina in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 104 (II, r o 3.5), die als Hilfe für die Worterkennung der „kleinen Worte“ gedacht gewesen sein könnten, die in der scriptio continua tendenziell etwas schwieriger zu identifizieren gewesen sein müssen, da sie leicht mit Endungen verwechselt werden können. 155 Dennoch bleibt das methodische Problem bestehen, das die Untersuchung aller Wortzwischenräume in den frühen Papyri betrifft - nämlich intentionale und versehentliche Wortzwischenräume v. a. angesichts der geringen Stichprobe sauber voneinander zu unterscheiden. 156 Einige neutestamentliche Papyri mit größerem Textbestand bieten mehr Material für die Analyse des Gebrauchs von Wortzwischen‐ räumen, wobei weder die Forschungsdaten vollständig digital erschlossen sind noch eine systematisch vergleichende Untersuchung vorliegt. Einzelne Texte sind aller‐ dings in letzter Zeit untersucht worden. So hat E. B. Ebojo die Wortzwischenräume im Hebräerbrief von Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 (P.Beatty 2/ P. Mich. inv. 6238) systematisch untersucht. 157 Er kommt zu dem Ergebnis, dass a) „space-intervals, enough for one or more letters, 252 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 158 E B O J O , Nonsense, 135. 159 Vgl. E B O J O , Nonsense, 136 f. 160 Vgl. E B O J O , Nonsense, 137-142. Die Unterscheidung zwischen punctuation signals und grammatical markers, die Ebojo vornimmt, ist aus meiner Sicht heuristisch wenig zielführend. Daneben erhebt Ebojo noch Fälle d) von Spatien innerhalb von Worten, die zumeist technisch bedingt seien, e) Spatien, die aus kalligraphischen Gründen gesetzt worden seien, f) die Korrekturen, die in scribendo entstanden seien, markierten, und g) von Spatien, die gleichsam als Worttrenner am Zeilenende fungierten, wenn dieses „umgebrochen“ werden muss. Vgl. E B O J O , Nonsense, 142-147. 161 Vgl. z. B. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 13 (III/ IV); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45 (III); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 (III); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75 (III); Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 102 (III/ IV), Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 115 (III/ IV); 0312 (III/ IV); vgl. zu letzterer Majuskel H E A D , Manuscript, 116 f. 162 Vgl. H U R T A D O , Sociology, 159, im Anschluss an R O B E R T S , Papyrus, 234. 163 Das von ihm genannte Phänomen, dass antike Schreiber die letzte Zeile eines Absatzes mit Diple auffüllen (>>>>>), unterscheidet sich doch deutlich von dieser Form der Strukturierung. Die Ektheseis an dieser Stelle in A und D, auf die H U R T A D O , Sociology, 159, hinweist, markieren den tatsächlichen Beginn der Sinneinheit und rücken das Tau von τοτε nach links heraus. 164 Vgl. P O R T E R , Pericope, 164, der den leicht nach links gerückten Buchstaben am Beginn der Zeile, beim zweiten Wort eines Verses bzw. eines Kapitels als Ekthesis interpretiert. 165 Vgl. P O R T E R , Pericope, 165-167. occur before (almost always) and after (always) a nomen sacrum“ 158 , dass b) die meisten Zitate aus dem AT durch Wortzwischenräume markiert werden, 159 und dass c) Wortzwischenräume die Funktion von Interpunktion übernehmen, um Sinneinheiten bzw. syntaktische Gefüge zu markieren. 160 Daneben finden sich dann auch schon in den Papyri Belege für die (gelegentliche) Interpunktion mit Doppelpunkten oder Punkten, die entweder oben, in der Mitte oder unten gesetzt werden. 161 Auch eine vergleichende Untersuchung, die versucht, Muster bzw. Funktion der Interpunktion in den frühen Papyri zu erschließen, ist m. W. ein Desiderat. Ekthesis und Paragraphos: Allein aus der einen Hs. ist der Befund eines nach links ausgerückten Alphas in Mt 26,31 in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 64 nicht eindeutig, den L. Hurtados als Ekthesis interpretiert. 162 So ist zunächst fraglich, ob aus den vier erhaltenen Zeilen eines linken Randes eine solche Schlussfolgerung gezogen werden kann. Zudem gehört das ausgerückte Alpha zum dritten Wort der Sinneinheit und steht mitten im Satz. Dies merkt auch Hurtado und argumentiert, dass der Schreiber die erste volle Zeile des neuen Abschnitts markiert. Er selbst führt hierfür keine exakten Parallelbeispiele an, 163 diese lassen sich aber beibringen. Ebenfalls zu fragmentarisch bleibt der Befund in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 90. 164 Eindeutig strukturierende Funktion haben mehrere Ektheseis aber in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 4, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 6 4/ 67 (ursprünglich vermutlich aus einem Kodex), wie S. Porter herausgearbeitet hat. 165 Die strukturierende Funktion der Ektheseis zeigt sich darin, dass sie in den meisten Fällen durch eine Paragraphos (ein horizontaler Strich) ergänzt werden und an Textstellen stehen, die sich auf Grund von Textsignalen als Einschnitte interpretieren lassen (vgl. v. a. Lk 1,76.80; 2,1; 3,18.21.23; 5,36; 6,1.6.12; Mt 5,21.27; 26,31). Besonders 253 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 166 Vgl. dazu R O B E R T S , Manuscript, 23; C O M F O R T / B A R R E T T , Text, 611; P O R T E R , Pericope, 164 f. Interessant ist sodann, dass die durch Imperativ und Vokativ geprägten (und damit vom Kontext abgesetzten) Verse Mt 23,32 f als eigene Sinneinheit mit Paragraphoi abgegrenzt werden (f. 1r., Z. 5 f/ 9 f). 167 Vgl. dazu P O R T E R , Pericope, 167 f; vgl. auch das Transkript C O M F O R T / B A R R E T T , Text, 388-468. 168 Vgl. dazu P O R T E R , Pericope, 168-170, der insgesamt 82 Strukturierungsmarker findet. 169 Vgl. N O N G B R I , Reconsidering (4. Jh.); weiterführend auch N O N G B R I , God’s Library, 157-215; vgl. aber die Bestätigung der Datierung im Nestle/ Aland (200-250) durch O R S I N I / C L A R Y S S E , Manuscripts, 471, die eine Datierung ins 2. Jh. kritisch sehen. 170 Vgl. R O B E R T S , Papyrus, 234. 171 Vgl. dazu weiterführend J O N G K I N D , Habits, 95-129; A D A M S , Mark, 65-78; P A R K E R , Codex, 31-34.71-96. 172 Für diesen Hinweis danke ich Prof. Wolter. 173 Vgl. dazu weiterführend H E A D / W A R R E N , Re-inking; M A L I K , P.Beatty III, 174-180. aufschlussreich sind die Ektheseis in Lk 1,76 (f. 1v o , col. 1,9 f: και|συ) und 6,12 (f. 4 v o , col. 2,9 f: ε̣[γ]ε̣-|ν̣ετ̣ο̣ ), da jeweils nicht der erste Buchstabe ausgerückt wird, sondern analog zum Befund in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 64 und Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 90 die erste volle Zeile des neuen Abschnitts, der zusätzlich durch eine Paragraphos markiert wird. Interessant ist zudem der Befund am Übergang von Mt 23,36 f in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 77, wo in der Zeile vor dem Beginn von V. 37, in modernen Bibelausgaben überschrieben mit „Klage über Jerusalem“, fast eine gesamte Leerzeile Platz gelassen wurde; ob die Zeile darunter mit einer Ekthesis beginnt, ist aufgrund des fragmentarischen Charakters nicht mehr festzustellen. 166 In Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 finden sich zahlreiche Abschnittsmarkierungen, wobei zumeist eine Ekthesis auf eine nicht voll ausgeschriebene Zeile folgt, die zumeist durch Interpunktionszeichen beendet wird (vgl. exemplarisch Joh 1,24; 2,11; 2,23; 3,22; 4,1). 167 Ein recht elaboriertes System der Textstrukturierung in thematisch zusammenhängenden Einheiten, angezeigt durch Ekthesis und/ oder einen kleinen Wortzwischenraum vor dem ersten Wort der Zeile und/ oder einer Paragraphos und mit erstaunlichen Übereinstimmungen zu späteren Kapitel- und Perikopeneinteilungen, findet sich in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75, 168 dessen Aussagekraft als Zeuge aber wegen der neuen Datierungsdiskussion unter einem kleinen Vorbehalt stehen muss. 169 Die Schlussfolgerung von C. H. Roberts, 170 dass die Anfänge des in den großen Majuskeln des 4./ 5. Jh. zu findenden Systems von Textstrukturierung, 171 in das späte zweite Jh. zurückgeführt werden können, ist daher unsicher. Zuletzt ist ferner noch darauf hinzuweisen, dass vermutlich durch das Wiederansetzen des Schreibrohrs visuelle Strukturierungsmerkmale in den Texten vorhanden waren, die möglichweise durch den Produktions- oder Reproduktionsprozess in gewisser Weise syntaktische Strukturen visuell darstellbar machten. 172 Sowohl beim Diktat als auch beim inneren Diktat ist es plausibel anzunehmen, dass das re-inking  173 tendenziell eher an syntaktischen Einschnitten vorgenommen worden ist. 254 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 174 So auch A D A M S , Mark, 64 f. 175 Vgl. zur Veranschaulichung P.Tebt. 2 267r o (Demosth. or. 19; 1./ 2. Jh.); P.Oxy. 2 226 (Xen. hell. Fragmente aus Buch 5/ 6; 1./ 2. Jh.); P. Lund 1 2 (col. 1, Z. 4 f: Thuk. 1,49,6; col. 2, Z. 13 f: 1,50,2; 2. Jh.); P.Lond. Lit. 5 (Hom. Il. 2,458-493; s. dazu T U R N E R , Manuscripts, Nr. 14); P.Oxy. 7 1016 (Plat. Phaidr. 227a-230e; vgl. dazu T U R N E R , Manuscripts, Nr. 84). Vgl. ferner auch P.Berol. inv. 21137 (2./ 3. Jh.; Ps.-Hippokr. ep.). 176 Vgl. T U R N E R , Manuscripts, Nr. 75. Turner verweist außerdem darauf, dass aus metri‐ schen Gründen Ektheseis verwendet werden. Vgl. Nr. 24; 27; 28; 31; 34. Ein analoges Phänomen findet sich auch in P.Berol. inv. 11749, in dem der kommentierte Text von Plat. Pol. 300c (col. 2,5-10) durch Paragraphoi und Ekteseis hervorgehoben ist, und häufig auch in P.Berol. inv. 9782 (s. dazu u. mehr). 177 A D A M S , Mark, 65. 178 Vgl. z. B. P. Col. 8 202 (Euripides; 2./ 1. Jh. v. Chr.); P.Oxy. 8 1083 (Sophokles; 2. Jh.; vgl. T U R N E R , Manuscripts, Nr. 28; C A R D E N , Fragments, 135-160); P.Oxy. 17 2078 (2. Jh.; vgl. T U R N E R , Manuscripts, Nr. 33). 179 Eine Form individuell-direkter Rezeption der Dramen von Menander und Euripides belegt Dion Chrys. or. 68,6 explizit, auch wenn er das Vorlesenlassen als geeignetere Form der Rezeption für überlegen hält. Würden Dramen nicht individuell-direkt gelesen, wären seine Ausführungen zum Vorlesenlassen von Dramen unnötig. Die Art und Weise der Markierungen, wie in den neutestamentlichen Papyri der Text (vorwiegend nach inhaltlichen Kriterien) strukturiert wird, unterscheidet sich eigentlich nicht von derjenigen, die in Papyri mit nicht-christlichen Texten aus derselben Zeit zu finden ist. 174 Auch hier werden Texte mit Leerzeilen und/ oder Paragraphoi und/ oder Ektheseis 175 nach inhaltlichen Kriterien (in der Forschung zumeist als „Sinneinheiten“ o. ä. bezeichnet) strukturiert. Ferner finden sich auch Eistheseis (eingerückte Zeilen) als Strukturmarker in den Hss.; so z. B. in einem Papyrus mit Fragmenten aus Kallimachos Aetia (P.Lille 76d; 3./ 2. Jh.), in dem ein Kommentar zum Text jeweils drei bis vier Buchstaben eingerückt wird. 176 Angesichts des Befundes insgesamt kommt S. A. Adams zu Recht zu der Schlussfolgerung: „Accordingly, the use of sense-unit divisions needs to be viewed as a scribal convention and part of a culturally conditioned writing practice.” 177 Wichtig sind zuletzt noch einige Beobachtungen zum Gebrauch die Paragra‐ phos. So wird diese bei Mss. mit dramatischen Texten üblicherweise dazu verwendet, um einen Figurenwechsel anzuzeigen, wobei der Name der Figur zuweilen am Rand notiert wird. 178 Aus meiner Sicht ist es wahrscheinlich, dass es sich bei den meisten Textexemplaren dramatischer Texte nicht um Vor‐ lesemanuskripte oder Gebrauchsmanuskripte für das Theater handelt, sondern um Texte für die individuelle Rezeption. 179 Dafür spricht etwa, dass Papyri mit Tragödientexten gefunden wurden, die musikalische Notation enthalten - 255 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 180 Die Aufführung von Musik auf der Grundlage von Papyrusrollen, die möglicherweise Noten enthielten, ist ikonographisch bezeugt. Vgl. die Verweise bei C O M O T T I / M U N S O N , Music, 9.154, Anm. 7. 181 So bietet etwa P.Vindob. G. 2315 (um 200 v. Chr.) eine Chorstelle aus dem Orestes von Euripides mit Notation. Vgl. dazu mit Hinweisen auf die weiterführende Literatur S O L O M O N , Orestes. Vgl. dagegen z. B. P. Mich. inv. 6035 (ed. H E N R I C H S , Aristophanes), der eine Chorpassage aus Aristoph. Equ. (1127-1141) ohne musikalische Notation bietet, wobei allerdings die Strophen durch eine ca. 6 Buchstaben breite Ekthesis visuell ab‐ gegrenzt werden. Vgl. weiterführend zu antiken Hss. und Inschriften mit musikalischer Notation P Ö H L M A N N , Denkmäler; W E S T , Musica; W E S T , Ancient; P Ö H L M A N N / W E S T , Documents; und die Angaben in Anm. 218, S. 263. 182 Vgl. z. B. P.Oxy. 6 852 (Euripides; 2./ 3. Jh.; vgl. T U R N E R , Manuscripts, Nr. 31). 183 Vgl. z. B. P.Berol. inv. 21355 (2. Jh.; Epicharmos). 184 Vgl. P.Oxy. 18 2181 (2./ 3. Jh.). Vgl. dazu J O H N S O N , Bookrolls, 7. Vgl. auch P.Oxy. 52 3680, r o 6 f (2. Jh.; Plat. Tht. 190e). 185 In den frühen Papyri wird die Paragraphos außerdem dazu verwendet, das Ende eines Buches anzuzeigen. Diese Funktion übernimmt dann ab den 1. Jh. v./ 1. Jh. n. Chr. das. sog. diple obelismene. Vgl. dazu S C H I R O N I , ΒΙΒΛΙΟΝ, 698. 186 Vgl. exempl. P.Berol. inv. 11749 (1/ 2. Hypomnema zu Plat.); P.Berol. 9780 r o (2./ 3. Jh.; Kommentar von Didymos zu Demosthenesreden); P.Heid. G inv. 28 (3. Jh.; Kom. zu Plat. Phaid.). Abenteuerlich ist die Argumentation von S N Y D E R , Naughts, der ohne nähere Begründung voraussetzt und unter Projektion eines rein thetisch postulierten Bildes antiker Lesepraxis auf den Befund hineinprojiziert, dass Manuskripte mit kommentierenden Anno‐ tationen und Kommentartexte aus dem Fund von Qumran (z. B. 1QpHab; 4QPIs a ; 4QpPs a ) - geschlussfolgert aus ihrem „Layout“ - für Performanzzwecke vorgesehen waren. 187 Vgl. z. B. P.Berol. inv. 9764 (1. Jh.; Fragment über die Didaktik der Chirurgie); P.Ant. 1 28 (3.-6. Jh.; Hippokr. Aph. 1,1-3; prog. 24 f). 188 Vgl. z. B. P.Berol. inv. 5855 r o 20/ 21, 23/ 24, 25/ 26 (=BGU 10 1971; Quittung, 2. Jh. v. Chr.); P.Berol. inv. 9765 r o Kol. 2, Z. 2/ 3 (Medizinische Rezepte, 2. Jh. n Chr.); P.Köln inv. 21107, Z. 20/ 21 (=P.Köln 11 448; Anweisung zur Getreideausgabe); P.Berol. inv. 1548 passim (=BGU 2 499; Einwohnerliste, 2. Jh. n. Chr.); P.Köln inv. 2331 r o (=P.Köln 11 437). Vgl. außerdem exempl. für eine Vielzahl von Ostraka O.Berol. inv. 12331 Z. 6/ 7 (=BGU 7 1519; Notizen über Geldzahlungen, 3/ 2. Jh. v. Chr.); O.Berol. inv. 513, Z. 4/ 5 (= O. Wilck. 2 701; Quittung, 114 v. Chr.); O.Berol. inv. 8616, Z. 5/ 6, 6/ 7 (Rechnung, 1. Jh. n. Chr.). also tatsächlich für performative Zwecke konzipiert worden sind 180 -, während andere in den Chor-Passagen den bloßen Text bieten. 181 Auch bei dramatischen Texten, die sekundär auf die Rückseite von (meist dokumentarischen) Papyri geschrieben worden sind, finden sich Paragraphoi; 182 genauso wie bei solchen, die Scholien enthalten. 183 Zudem werden auch in einem Manuskript mit Platons Phaidon, ein philosophisches Werk in Dialogform, Paragraphoi verwendet, um den Sprecherwechsel der erzählten Figuren zu kennzeichnen. 184 Dass die Paragraphos in antiken Hss. insgesamt eher als inhaltlich ausgerichteter Strukturmarker verwendet wurde, 185 denn als Vorlesehilfe diente, legt sodann die Verwendung in Kommentartexten, 186 in medizinischen Fachtexten, 187 in dokumenta‐ rischen, insbesondere listenartigen Papyri und Ostraka, 188 die wiederum eindeutig in 256 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 189 Vgl. die Beispiele die A D A M S , Mark, 64 f, bespricht. Vgl. außerdem O.Berol. inv. 4758. (= O.Wilck. 1147; 2. Jh. v. Chr.). 190 Vgl. weiterführend auch zu weiteren Strukturmarkern und Hilfsmitteln für die Lektüre in antiken Handschriften H U T C H I N S O N , Talking, 1-41. 191 J O H N S O N , Function, bezieht sich auf die Papyri, in denen die Paragraphos in sehr engen Abständen (auf der Ebene der Syntax) zu finden ist. Diese nah beieinander auftretenden Paragraphoi, die freilich keine Sektionsmarkierungen o. ä. sein können, müssten in den Prosatexten laut Johnson eine andere Bedeutung haben, als nur die Syntax zu markieren, da es einige Beispiele gibt, in denen Interpunktion und Paragraphoi zu finden und letzterer daher redundant wäre. J O H N S O N , Function, 65, Anm. 4, der aber auch darauf hinweist, dass es häufig nicht eindeutig zu entscheiden ist, ob beide Verzeichnungssysteme in der jeweiligen Hss. von derselben Hand stammen. Syntaktische Markierungen können auch für das subvokalisierende und nicht-vokalisierende Lesen gedacht gewesen sein. 192 Vgl. zum maßgeblich von Genette geprägten Terminus und der dahinterliegenden Texttheorie A L L E N , Paratexts, 602-607. 193 Lt. C O M F O R T / B A R R E T T , Text, 53, ist der Titel von einer anderen Hand geschrieben. 194 Die Annahme einer sekundären Hinzufügung des Titels in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, wie P A R K E R , C O D E X , 11, im Anschluss an T U R N E R , M A N U S C R I P T S , 16, vermuten, ist schwierig. Vgl. dazu H E I L M A N N , These, 23. einen nicht-performativen Verwendungszusammenhang gehören, sowie in Texten nahe, die aus schulischen Kontexten stammen. 189 Zudem existieren Quellenbelege, in denen exakt die Verwendung als Strukturmarker reflektiert wird. So hat die Paragraphos bei Isokr. or. 15,59 die Funktion, eine Stelle in einem Manuskript zu finden, von der an vorgelesen werden soll: ἀρξάμενος ἀπὸ τῆς παραγραφῆς ἀνάγνωθι τὰ περὶ τῆς ἡγεμονίας αὐτοῖς. Die These von W. A. Johnson, die Paragraphos habe in literarischen Prosatexten dazu gedient, das Vortragslesen zu unterstützen, indem er anzeigte, wo eine Pause zu machen sei, wäre hingegen neu zu diskutieren. 190 Einerseits ist die methodische Validität seines praktischen Selbst‐ versuchs hinterfragbar, andererseits kann er keine wirklichen Belege anführen und kommt zu seiner Schlussfolgerung durch die Vorannahme, dass man in der Antike generell laut gelesen hat. 191 ad c) Paratextuelle Elemente In den frühen Papyri finden sich sodann auch schon paratextuelle Elemente 192 und solche Elemente, die lediglich visuell wahrgenommen und nicht lautlich realisiert werden können. Auch hier besteht wiederum das Problem, dass die meisten Papyri zu fragmentarisch sind, um Aussagen über die paratextuellen Elemente zu machen. Immerhin sind in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 4, 193 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66 194 und Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75 Titelangaben erhalten. In zahlreichen neutestamentlichen Papyri haben sich Reste der Pa‐ ginierung erhalten (u. a. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 1, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 38, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 39, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 100, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 106; vgl. auch Majuskel 0189 [P.Berol. inv. 11765]. Titelangaben (als inscriptiones und 257 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 195 In Majuskel 0189 (P.Berol. inv. 11765; von Clarysse/ Orsini auf 150-250 datiert) ist sodann ein - in der editio princeps nicht beschriebenes (S A L O N I U S , Handschriftenfrag‐ mente, 116-119) - kleines (allerdings schwer zu deutendes) Piktogramm erhalten, das alt zu sein scheint und notwendigerweise nur visuell wahrgenommen werden konnte. Diese Einschätzung der Tinte gilt vorbehaltlich einer Autopsie der Hs. 196 Vgl. dazu H E I L M A N N , These, 25 f. 197 Dass der Zusatz unter 1Petr und 2Petr steht, nicht aber unter Jud, obwohl dort genügend Platz gewesen wäre, könnte dafür sprechen, dass der Zusatz schon aus der Vorlage stammt. Für diesen Hinweis danke ich K. Künzl. 198 S. o. 3.1.1. 199 Die Bezeichnung geht wohl auf T R A U B E , Nomina sacra, zurück. Ebd., 129-266, auch zu den lateinischen Nomina sacra. subscriptiones), Paginierung und sogar Verzierungen 195 finden sich sodann in Kodex P.Bodm 7-8 (= Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 72).10-12.13, der allerdings eine eigenwillige Neuzusam‐ menstellung nicht nur neutestamentlicher Schriften bietet. 196 Interessant ist der Kodex für das Thema dieser Studie aber wegen des verzierten Friedenswunsches für den Schreiber und den Leser, der jeweils unter der subscriptio mit dem Titel geschrieben wurde: ειρηνη τω γραψαντι και τω αναγινωσκοντι. Ob der Schreiber sich hier selbst Frieden wünscht, er den Wunsch aus seiner Vorlage abschreibt oder an einen zukünftigen Schreiber denkt, braucht hier nicht entschieden zu werden. 197 Aufschlussreich ist, dass der Friedenswunsch nicht etwa die auch in christlichen Quellen verbreitete Fachbezeichnung für einen Vorleser/ Sekretär ἀναγνώστης verwendet, sondern das Partizip von ἀναγιγνώσκω, das für gewöhnlich den (individuellen) Rezipienten meint 198 So gut wie alle neutestamentlichen griechischen Hss. (und von Beginn der Überlieferung an auch die lateinischen Hss.; ferner auch die anderen Versionalhandschriften) weisen die bekannten und vor allem bezüglich ihrer Herkunft und Funktion viel diskutierten Nomina sacra auf. 199 Bei den Nomina sacra handelt es sich um Kontraktionskürzungen einiger wichtiger Namen in den neutestamentlichen Schriften, die mit einem Strich über der Abkürzung graphisch markiert werden. Diese recht eigenwillige Form der Abkürzung kann weder aus dem Gebrauch des Tetragramms abgeleitet werden noch steht sie in einem Zusammenhang mit der Ersparnis von Platz oder von Zeit beim Schreiben. Die Form entspricht auch nicht den gängigen Abkürzungskonven‐ tionen in der Antike, die vorrangig durch Suspensionskürzungen geprägt waren, wobei unterschiedliche Formen der Markierung - selten auch ein Strich über der Abkürzung analog zu den Nomina sacra - verwendet wurden. Zudem ist ein höherer Standardisierungsgrad erkennbar, vergleicht man den 258 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 200 Vgl. dazu insgesamt die instruktive Zusammenfassung bei T R O B I S C H , Endredaktion, 17-28, mit Verweis auf die entsprechenden Einzelstudien, von denen vor allem auf die immer noch einschlägige Arbeit P A A P , Nomina Sacra, verwiesen sei. 201 Die Ableitung aus dem Tetragramm und der hebräischen Konsonantenschrift, die ursprünglich von T R A U B E , Nomina sacra, 31 f, vorgeschlagen worden war, wird heute eher kritisch gesehen. Vgl. zu den problematischen Implikationen dieser These T R O ‐ B I S C H , Endredaktion, 20-25. H U R T A D O , Origin, 671, schlägt z. B. vor: „it is easier to consider the possibility that the practice we know as the nomina sacra may have begun with scribal expressions of reverence for the name of Jesus, perhaps initially through the abbreviation of the name as ιη with the original intention of highlighting the numerical significance of the abbreviation.“ T R O B I S C H , Endredaktion, 30 f, sieht im standardisierten System der Nomina sacra ein editorielles Element der Erstedition des NT im 2. Jh. L E I P Z I G E R , Practices of Reading, 155-160, verweist jüngst auf Nomina sacra in spätantiken materiellen Zeugnissen jüdischer Provenienz (griechisch und hebräisch), die ausschließen, die Nomina sacra als exklusiv christliche scribal features zu beurteilen. 202 Vgl. dazu v. a. A L A N D , Bemerkungen; D I N K L E R - V O N S C H U B E R T , CTAYROC. 203 Vgl. dazu H U R T A D O , Evidence, 280-283; H U R T A D O , Staurogram, 219-221.225 f, der auf Quellen verweist (Barn 9,7-9; Iust. Mart. apol. 1,55,60; Tert. adv. Marc. 3,22), die eindrucksvoll zeigen, dass der griechische Buchstabe Tau schon im 2. Jh. als Symbol für das Kreuz verstanden wurde. Hurtado verweist in diesem Zusammenhang (H U R T A D O , Staurogram, 219, Anm. 39) auch auf die Zahl von 318 Sklaven in Gen 14,14, die in P.Beatty 4 (Ralfs 961) und wohl auch in P.Yale 1 1 (inv. 419) als TIH abgekürzt und nicht ausgeschrieben war. Dies kann in Analogie zu Barn 9,7-9 als symbolischer Verweis auf das Kreuz und die Anfangsbuchstaben von Ἰησοῦς verstanden werden, sodass mit guten Gründen geschlussfolgert werden kann, dass es sich bei P.Yale 1 1 um eine christliche Hs. handelt (so D I N K L E R , Papyrus), die für die visuelle Wahrnehmung konzipiert worden ist. Variantenreichtum der situationsbezogenen Abkürzungspraxis in der Antike. 200 Innerhalb der Uneinheitlichkeit der Anzahl und Stringenz der Abkürzungen in den Hss. kann ein gemeinsamer Bestand von vier Wörtern extrapoliert werden (Θεός, Κύριος, Ἰησοῦς, Χριστός), die wohl in allen neutestamentlichen Hss. relativ regelmäßig kontrahiert werden ( ΘΣ ΚΣ ΙΣ ΧΣ , jeweils im Genitiv ΘΥ usw.). Der Befund ist dahingehend klar, dass das System der Nomina sacra schon sehr früh aufgekommen sein muss, auch wenn die genaue Herkunft umstritten ist. 201 Eine besondere Stellung unter den symbolischen Zeichen in den neutestamentlichen Hss. nimmt das sog. Staurogramm ein ( ⳨ ), das ebenfalls früh bezeugt ist (in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, und Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75, also spätestens für die erste Hälfte des 2. Jh.) und zu Beginn innerhalb der Nomen-sacrum-analogen Abkürzung des Substantives σταυρός ( Ϲ ⳨ ΟΣ ), ferner z. T. auch des Verbes σταυρόω (z. B. Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75 42v o 25, Lk 24,7 Ϲ ⳨ ΩΘΗΝΑΙ ) verwendet wurde. 202 Gerade beim Staurogramm ist es sinnfällig, dass es sich dabei um ein ikono‐ graphisches Zeichen für die Kreuzigung handelt. 203 Aber auch die Nomina sacra insgesamt sind Phänomene die nur visuell wahrgenommen werden können und 259 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 204 T U C K E T T , Nomina Sacra, 455. Tuckett hat aber recht, dass die Kontraktionskürzung im Vergleich zur Suspensionskürzung eine Verstehenshilfe darstellt, da die Kasusendung erkennbar bleibt. Vgl. T U C K E T T , Nomina Sacra, 445 f. Richtig ist auch, dass der Ober‐ strich - nicht die Abkürzung an sich - dazu dient, die Nomina sacra als solches zu er‐ kennen. Ob die Verwendung des Oberstrichts mit der scriptio continua zusammenhängt, wie T R O B I S C H , Endredaktion, 30, im Anschluss an M. Hengel vermutet, ist schwierig zu belegen, da man genauso gut davon ausgehen kann, dass die Worterkennung von Kontraktionabkürzungen in einem Text, der in scriptio discontinua geschrieben ist, unterstützt werden müsste. Die Schwierigkeiten beim Lesen der Nomina sacra kommen ja überhaupt erst dadurch zustande, dass diese Wörter abgekürzt werden. Weder aus den Kontraktionskürzungen noch aus dem Oberstrich als Lesehilfe lässt sich eine sichere Schlussfolgerung über den Rezeptionsmodus ziehen. 205 T U C K E T T , Nomina Sacra, 456. es erschließt sich nicht, dass sie eine Funktion für ein vermeintliches „lautes“ Vorlesen der neutestamentlichen Texte gehabt haben sollten. Eine solche These findet sich z. B. bei C. M. Tuckett, der - einer bestimmten Vorstellung der Lesepraxis im frühen Christentum in den Befund projizierend - formuliert: Nomina sacra „may have functioned primarily as reading aids to assist some who were perhaps not as proficient as others to read the text more easily.” 204 Gerade angesichts der Schwierigkeiten des Lesens von scriptio continua würden die Nomina sacra „key“ words herausheben: „the intent may been simply to enable the reader to get his/ her bearings a little more easily when reading the text, to identify one or two key words in a passage and make the necessary mental adjustments (e.g. by fixing on at least one point where there was a word break) more easily.” 205 Diese These ist nicht zuletzt deshalb fragwürdig, da sie Schwierigkeiten moderner Leser mit der Entzifferung der scriptio continua ins frühe Christentum projiziert, die sich am Quellenbefund nicht belegen und sich aus Sicht der modernen Leseforschung nicht halten lassen (s. o.). Zudem würde die Auswahl der Wörter unter der Voraussetzung der These äußerst kontingent erschienen, da a) in unterschiedlichen Texten unterschiedliche „key“ words in Frage kämen und b) Namen, die Lesern, weil sie aus dem griechischen Endungssystem herausfallen, tatsächlich Schwierigkeiten bereiten haben, mit einem Apostroph markiert wurden, wie die Auswertung der hebräische Namen oben gezeigt hat. Hier wäre zu fragen, warum zwei unterschiedliche Markierungssysteme nebeneinander verwendet worden sind. Viel eher sind die Nomina sacra in einem weiteren Sinne einem Phänomen von Elementen in antiken Hss. und Inschriften zuzuordnen, die bewusst für die visuelle Wahrnehmung gestaltet worden sind und in der Forschung zum Lesen in der Antike als eigene Evidenz häufig unberücksichtigt bleibt. Hierzu gehören z. B. Akrosticha, Buchstaben- und 260 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 206 Vgl. dazu z. B. L U Z , Technopaignia; K W A P I S Z / P E T R A I N / S Z Y M AŃ S K I , The Muse at Play; A S T / L O U G O V A Y A , Isopsephism; M A I R S , Proclaiming. Für die römischen Zeugnisse H A ‐ B I N E K , Situating (Lit.); P A R K E R , Books, 192 (Lit.). Zu Akrosticha in der lateinischen Literatur s. insb. H E J D U K , Virgil (Lit.); R O B I N S O N , Looking Edgeways (Lit.). Vgl. außerdem die umfassende und lesetheoretisch und kulturwissenschaftlich elaborierte Studie K Ö R F E R , Kaiser Konstantin, zu Optatians technopaignia sowie panegyrischen Gitter- und Umrissgedichten, von denen die meisten Konstantin als Leser adressieren. Körfer kann zeigen, dass diese Texte ein elaboriertes Lese- und Leserkonzept voraussetzen. 207 Ein schönes Beispiel findet sich in P.Berol 9875 (Timotheos von Milet, Die Perser), einem sehr alten Papyrus aus dem 4. Jh. v. Chr., das zwischen Kol. 4 und 5 (Tim. Pers. 214) eine kleine Zeichnung aufweist, die als Koronis in Form eines Vogels interpretiert wird und als Gliederungselement fungiert. Vgl. dazu mit weiterführenden Hinweisen auf Papyri mit ornamentalen Gestaltungsmerkmalen F I S C H E R -B O S S E R T , Koronis. 208 Auf den primär visuellen Charakter verweisen auch H U R T A D O , Evidence; N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 56. 209 Vgl. J O H N S O N , Literary; J O H N S O N , Bookrolls. 210 Vgl. J O H N S O N , Sociology, 609-612. 211 J O H N S O N , Bookrolls, 611. Alphabetspiele, Palindrome, das Phänomen der Isopsephie, Figurengedichte, 206 ferner auch bildliche Darstellungen und kleinere Zeichnungen. 207 Daraus folgt insgesamt: Durch die Nomina sacra bekommen die neutestamentlichen, aber auch andere frühchristliche Schriften einen unverwechselbaren „typographi‐ schen“ Charakter, in dem die christliche Identität zu Ausdruck kommt und durch den sie bis heute sehr einfach zu identifizieren sind. 208 ad d) Die Breite der Kolumnen Zuletzt ist noch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Breite der Kolumnen in antiken Hss. und ihrer Verwendung zu besprechen. Diesbezüg‐ lich hat Johnson postuliert, die literarischen Papyri der Kaiserzeit seien für performative Lesungen im Kontext von Veranstaltungen der sozialen Eliten konzipiert gewesen. Dabei rekurriert er insbesondere auf seine systematische Untersuchung des Befundes literarischer Papyri in Oxyrhynchos, 209 den er auf der Grundlage kognitionspsychologischer Erwägungen, die er vor allem aus der oben besprochenen Untersuchung von P. Saenger übernimmt, 210 folgender‐ maßen auswertet: Die durchschnittliche Breite literarischer Texte auf Rollen war mit 15 bis 25 Buchstaben so schmal gestaltet, “that the whole line could be taken in by the parafoveal vision, and approximated the amount of text typically read by the eye ahead of the voice. The result was that the line beginnings themselves provided natural points for the ocular fixation, and the ‚decoding‘ of the letters could proceed regularly on a line-by-line basis.” 211 261 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 212 So auch B A T T E Z Z A T O , Techniques, 7, der den Vorteil kürzerer Zeilen vor allem darin sieht, dass der sog. return sweep, also der Sprung des Auges auf die nächste Zeile kürzer ausfalle und daher effizienter gelesen werden könne. Vgl. zur Untersuchung des return sweep in der modernen Leseforschung weiterführend H O F M E I S T E R / H E L L E R / R A D A C H , Re‐ turn. Battezzatos Aussage, „Parafoveal vision has a marginal importance in recognising words” (B A T T E Z Z A T O , Techniques, 7), die er Johnsons Auswertung entgegenhält, ist eine nur sehr ungenaue Darstellung des kontroversen Forschungsstandes bezüglich der Bedeutung der parafovealen Wahrnehmung im Leseprozess. (s. o. 4.1) Richtig ist allerdings, dass aus der Perspektive der modernen Leseforschung ein Lesen einer Zeile mit 15-25 Buchstaben mit nur einer Fixation - wie das Zitat von Johnson impliziert - vermutlich auch für die Antike nicht anzunehmen ist. 213 Vgl. B A T T E Z Z A T O , Techniques, 7 f. 214 Vgl. dazu die Quellen, die B A T T E Z Z A T O , Techniques, 11, anführt. Das Problem von Johnsons Argumentation ist hier weniger, dass die zugrunde liegenden Überlegungen P. Saengers auf überholten Forschungspositionen basieren (s. o.). Denn es geht ja hier weniger um die Frage der Worterkennung in der scriptio continua als um den Vorteil schmalerer Kolumnen für den Leseprozess, der - unabhängig von der Frage nach der lautlichen Realisierung - unbestritten ist. 212 Das eigentliche Problem besteht darin, dass er die kogniti‐ onspsychologischen Vorteile, die für den Leseprozess aus den relativ schmalen Kolumnen erwachsen, ohne weitere Nachweise und Argumentation mit dem performativen Vorlesen verknüpft. Eine solche Vereindeutigung ist aber auf der Grundlage des Befundes in den Hss. (s. o.) nicht möglich und projiziert eine postulierte Form der Lesepraxis in den Befund hinein. Noch viel schwerer wiegt allerdings, dass die kognitionspsychologischen Vorteile der kürzeren Kolumnen grundsätzlich für andere Modalitäten des Lesens genauso gelten. Dies hat L. Battezzato zuletzt überzeugend nachgewiesen - für die individuell-direkte Lek‐ türe vielleicht sogar umso stärker. Zunächst bestätigt Battezzato anhand einer Auswertung stichometrischer Daten den Befund Johnsons zu den durchschnitt‐ lichen Zeilenlängen und zeigt, dass ausgehend von einer älteren Praxis eine Entwicklung zu kürzeren Zeilen in der römischen Kaiserzeit feststellbar ist. 213 Anhand antiker Referenzierungspraxis 214 und von Papyri, die eindeutig nicht für performative Lesezwecke geschrieben worden sind, zeigt er dann aber, dass die relativ schmalen Kolumnen auch für eine Form des fast reading/ scanning, also für diskontinuierlich-selektive Zugriffe, also informationsentnehmendes, individuell-konsultierendes Lesen konzipiert sind. Battezzato verweist auf P.Berol. inv. 9782, einen Kommentar zu Platons Theaitetos aus dem 2. Jh., der in schmalen Kolumnen (Ø 15 Buchstaben) geschrieben ist, in dem die Zitate aus dem zu kommentierenden Text graphisch (Diple und Paragraphoi) klar gekennzeichnet sind und das sogar Zeichnungen enthält (P. H r o col. 2). Zudem 262 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 215 Vgl. B A T T E Z Z A T O , Techniques, 11. 216 Vgl. dazu mit Verweis auf Plin. nat. 13,24 M C C U T C H E O N , Silent. Vgl. weiterführend D O R A N D I , Miszellen, 41 f; J O H N S O N , Macrocollum. 217 S. o. Anm. 180, S. 256 u. Anm. 181, S. 256. 218 Vgl. J O H N S O N , Musical Evenings, 67, mit Verweisen u. a. auf P.Leid. inv. 510 (Eur. Iph. A.; 3. Jh. v. Chr.; Zeilenlänge: vermutlich ca. 21-27cm); P.Oxy. 25 2436 (2. Jh. n. Chr.; Zeichen/ Zeile: >38; Zeilenlänge: >12cm); P.Mich inv. 2958 (Drama; 2. Jh. n. Chr.; Zeilenlänge: >18cm; vgl. weiterführend S E A R S , Michigan, die zeigt, dass dieses Fragment nicht in den Kontext der städtischen Eliten Alexandrias gehört, sondern auf eine Verbreitung von professionalisierter Musik auch abseits der elitären Zirkel hindeutet); P.Berol. inv. 6870 (Instrumental- und Vokalstücken mit Noten; 2./ 3. Jh. n. Chr.; Zeilenlänge: >17cm); P.Oxy. 15 1786 (christlicher Hymnus; 3. Jh. n. Chr.; Zeichen/ Zeile: >58; Zeilenlänge: etwa 30 cm; weitgehend scriptio discontinua [! ]). Im verweist er auf P.Oxy. 47 3329, ein Fragment des Lexikons von Diogenianos, und auf P.Ant. 1 28, der Fragmente medizinischer Schriften von Hippokrates enthält. 215 Ergänzen könnte man z. B. noch P.Oxy. 15 1809 (Ø 19 Buchstaben), ein Fragment, das um 100 entstanden ist und umfangreiche Marginalscholien zu Plat. Phaid. 102e enthält, also definitiv als Arbeitsmanuskript verwendet wurde und vermutlich sogar ursprünglich als ein Arbeitsexemplar konzipiert worden ist, worauf die schmalen Kolumnen und der großzügige Platz um den Text herum sprechen. Dass relativ schmale Zeilen und die oben diskutierten sog. „Lesehilfen“ nicht in einem besonderen Interdependenzverhältnis zu performativen Lesepraktiken stehen, wird sodann deutlich, betrachtet man die distinkten Merkmale derje‐ nigen überlieferten Hss., die eindeutig performativen Zusammenhängen zuge‐ ordnet werden können. 1) Einen expliziten Gegenbeleg finden wir in einem Brief von Cicero an Atticus, der letzteren dazu auffordert, sein mit Überarbeitungen und Korrekturen ver‐ sehenen Entwurf (ἀρχέτυπον) für eine recitatio im Kontext eines Symposiums in macrocollum zu übertragen (vgl. Cic. Att. 16,5(3),1), wobei es sich um ein Papyrusblatt handelt, das sich durch eine besondere Breite auszeichnete. 216 Hier wird also eindeutig ein Manuskript beschrieben, das für das Vorlesen gedacht war und mutmaßlich breite Kolumnen aufwies. Schon oben habe ich auf eine Hss. mit einer Chorstelle aus dem Orestes von Euripides verwiesen, die Notationen für die musikalische Aufführung enthält. 217 Es ist nun aufschluss‐ reich, dass eben dieser berühmte Papyrus Vindob. G. 2315 (um 200 v. Chr.) deutlich mehr Zeichen pro Zeile enthielt (vermutlich zwischen 25-30) und die Kolumnen mit rekonstruierbaren 15,5 cm deutlich breiter angelegt sind als die Kolumnen in den vermeintlichen Vorlesemanuskripten. Auch andere Papyri mit musikalischer Notation weisen deutlich breitere Kolumnen auf als bloße Textmanuskripte. 218 Dieser Befund ist zwar nicht neu, aber nur wenn man a 263 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften Vergleich dazu weisen, so Johnson, die Kolumnen in Papyri mit Prosatexten 4,5-7cm auf und auch in Papyri mitpoetischen Texte übersteigen sie 12 cm (bei Hexametern: 15 cm) nicht. 219 „I will simply assert what to me seems self-evident: that the sort of interaction with the music notation required if the papyrus were used as a musical script would be much facilitated by a longer line of notation. That is, a musician trying to read the musical text in order to perform the music might feel a strong need to scan ahead extensively, more so than a lector trying to read aloud the words of a sentence“ (J O H N S O N , Musical Evenings, 68 [Herv. im Original]). 220 Vgl. B A T T E Z Z A T O , Techniques, 14. 221 Literarisch bezeugt ist das vorbereitende schriftliche Bearbeiten von Manuskripten bei der individuell-direkten Lektüre z. B. bei Plut. Ant. 58. Hier geht es allerdings nicht um die richtige lautliche Realisation, sondern um das Markieren bestimmter Passagen, die selektiv aus dem Medium vorgelesen werden sollen. 222 Gegen K A R R E R / D E V R I E S , Schriftzitate, 337. 223 K A R R E R / D E V R I E S , Schriftzitate, 337. priori davon ausgeht, dass die Textmanuskripte mit den kürzeren Kolumnen für performative Leseanlässe gestaltet waren, erscheint diese Diskrepanz beson‐ ders erklärungsbedürftig. So erübrigt sich insbesondere die widersprüchliche Interpretation von W. A. Johnson, der die schmalen Kolumnen in Hss. mit Prosatexten als kognitiv vorteilhaft für den Vorleser interpretiert (s. o.), zugleich aber auch die breiteren Kolumnen in den Papyri mit musikalischer Notation als kognitiv vorteilhaft für die Musiker erklären muss. 219 Demgegenüber vermutet etwa L. Battezzato, dass der Vorteil der breiteren Kolumnen insbesondere darin bestand, bei der Aufführung häufige Zeilen- und (noch entscheidender) Kolumnensprünge zu vermeiden. 220 2) Sekundäre Markierungen durch Benutzer von Hss. zeigen, dass Texte für den Vortrag präpariert wurden und die o. g. Merkmale als „Lesehilfen“ anscheinend nicht suffizient waren. 221 Eindeutig sekundär (andere Tinte) sind z. B. die Markierungen in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 (P.Beatty 2/ P. Mich. inv. 6238), die nicht als Akzente fungieren. 222 Vielmehr handelt es sich um relativ regelmäßig gesetzte, vergleichsweise dicke und recht kurze Striche, die in einem relativ flachen Winkel von etwa 30° von links unten nach rechts oben verlaufen und über den Buchstabenlücken zwischen zwei Worten positioniert worden sind. Es liegt nicht nahe, diese sekundären Eintragungen als von einem Schreiber obligato‐ risch gesetzte Leseakzente zu beschreiben, die Stellen markieren, „wo ein Leser bzw. ein Vorleser kurz innehalten könnte“. 223 Wahrscheinlicher ist m. E., dass es sich bei den Markierungen um die Eintragung eines Benutzers handelt, der das Manuskript für den Vortrag präpariert hat. Dafür spricht z. B., dass nur 264 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 224 Röm (nicht durchgängig); 1Kor (nur in den letzten Kapiteln); Hebr (sehr regelmäßig). Diese Schlussfolgerung zieht schon S A N D E R S , Papyrus Codex, 17-19, der allerdings nur auf die Markierungen in Röm und Hebr hinweist. 225 E B O J O , Nonsense, 137 f, stellt große statistische Übereinstimmung mit der Interpunktion in den kritischen Ausgaben (69 %), aber vor allem mit den oben schon angespro‐ chenen manuskripteigenen Wortzwischenräumen fest (94 % bei Berücksichtigung der Vorkommen am Zeilenende), woraus im Umkehrschluss abzuleiten ist, dass diese als Lesehilfen nicht ausreichend waren. Nicht nur die Ergebnisse von Ebojo hinterfragen die wenig begründete und anhand von Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 37 (s. u.) statistisch schwer zu belegende These von C H A R L E S W O R T H , Public, 162 f, und N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 52, die Striche seien von privaten Lesern im Rahmen von privaten Studien gemacht worden. Die Frage, welche Funktion sie in diesem Rahmen gehabt hätten, stellen die beiden nicht ernsthaft. Methodisch schwierig an ihrer Argumentation ist zudem, dass sie ihre Vorstellungen von „richtigen“ Sinnpausen voraussetzen, die aber nicht zwingend mit einem im Alltag (und damit möglicherweise auch fehlerbehaftet) für das Vorlesen präparierten Text übereinstimmen müssen. Vielmehr hängt ihre Einschätzung von einer klaren (wie hier gezeigt wurde: historisch schwer zu haltenden) Vorstellung ab, wie „offizielle“ Handschriften für den öffentlichen Gebrauch ausgesehen haben. Vgl. C H A R L E S W O R T H , Public, passim; C H A R L E S W O R T H , Indicators. 226 Vgl. S K E A T , Codicological, 31 f. Die zus. Evidenz, die Skeat aus seiner kodikologischen Analyse und Hochrechnung der Stichen gewinnt, kann hier nicht weiter diskutiert werden. 227 Skeat stellt sich gar nicht die Frage, warum der vermeintliche Schreiber mitten im Kodex anfängt, die Markierungen anzubringen. 228 Ähnlich auch T R O B I S C H , Markers, 188, der allerdings die Funktion aus der Sicht der oben stehenden Überlegungen zur scriptio continua missinterpretiert. Auch R O T H , P45, 128 f, weist im Anschluss an C O U C H O U D , Notes, 20 f, auf die Möglichkeit hin, dass die sekundären Markierungen eine bestimmte Art des Vortragens im Blick haben, wobei er aber eine Untersuchung der „Sinneinteilungen“ in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45 zu Recht als Desiderat benennt. Weniger überzeugend ist seine vorher geäußerte Vermutung, dass die Markierungen darauf schließen ließen, dass der Text von Markus weniger bekannt gewesen sei oder einzelne Briefe bzw. Briefpassagen markiert sind, 224 die Markierungen, wenn sie gesetzt sind, in relativ regelmäßigen Abständen auftreten und weitgehend syntaktischen und inhaltlichen Gesichtspunkten folgen, 225 also potentiell Stellen markieren, an denen verstehensfördernde Pausen gemacht werden können bzw. an denen Luft geholt werden kann. Sehr ähnliche Markierungen finden sich darüber hinaus in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45, und zwar nur in Mk und Act, nicht aber in Lk und Joh. Dieses Faktum als Beleg für die ursprünglich „westliche“ Reihenfolge der Evan‐ gelien (Mt, Joh, Lk, Mk) heranzuziehen, wie T. C. Skeat es tut, 226 ist fragwürdig und projiziert ein nicht weiter belegtes, lineares Bearbeitungsverfahren in den Befund hinein. 227 Wahrscheinlicher ist angesichts des analogen Befundes in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 die Annahme, dass ein Leser lediglich die Texte präpariert hat, die er vorlesen wollte. 228 Ebenfalls sekundäre Markierungen finden sich in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 37, die sich aber 265 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften wegen der Interpunktion der ersten Hand in den anderen Texten nicht notwendig gewesen sei. Gegen R O T H , P45, 128. 229 Vgl. S A N D E R S , Fragment, 217. Vgl. auch die Transkription ebd., 224-226. 230 S A N D E R S , Papyrus Codex, 18, weist darauf hin, dass die Markierungen in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 13 zu etwa 70 % mit denen in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 übereinstimmen. Die zwei Markierungen in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 17 stimmen mit denen in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 vollständig überein. 231 Gegen T R O B I S C H , Markers, 180. 232 Schwierig ist angesichts der oben diskutierten Befunde auch die These von E P P , Literacy, 33 f, der aus dem Fehlen von textkritischen Vergleichsmarkierungen oder Randnotizen schlussfolgert, die Papyri aus Oxyrhynchos seien keine scholar’s copies gewesen, sondern müssten wegen der „Vorlesehilfen“ Alltagstexte gewesen seien. Diese These basiert auf einem argumentum e silentio und setzt stillschweigend voraus, dass jede Hs., die zu Studienzwecken konsultiert wurde, textkritische Vergleichsmar‐ kierungen oder Randnotizen aufwies bzw. dass jede Lektüreform zu Studienzwecken zwingend mit Markieren im Text verbunden war. Gerade der Hinweis von Diog. Laert. 3,1,65 f, dass Leser zur Konsultation von Hss. mit solchen Markierungen Geld bezahlten (s. o. Anm. 107, S. 242), spricht eher gegen Epps These. wegen des fragmentarischen Zustands der Hs. nicht systematisch auswerten lassen, 229 aber häufig am Ende von Phrasen stehen oder im Kontext wörtlicher Rede auftreten, was zumindest auf Vorlesehilfen hindeutet. Ferner finden sich analoge sekundäre Markierungen lt. H. A. Sanders auch in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 13 (P.Oxy. 4 657), in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 17 (P.Oxy. 8 1078) und im LXX-Papyrus 967 (Rahlfs; P.Beatty 7 9-10; P.Köln Theol. 3 ff.). 230 Die durchschnittliche Buchstabenzahl von ca. 27-32 Buchstaben pro Zeile in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 und im Schnitt ca. 45-50 Buchstaben pro Zeile in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45 übersteigt im Übrigen deutlich die von Johnson angegebenen Werte von 15 bis 25 Buchstaben für literarische Texte, die s. E. auf das Vorlesen optimal zugeschnitten wäre (s. o.). Der Befund in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 und noch mehr in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 45, deren Kolumnenbreite eher den Papyri mit musikalischer Notation entspricht, spricht daher zusätzlich gegen diese Annahme. Aus dem Befund von sekundären Markierungen durch Leser in den bespro‐ chenen Hss. ist auch nicht zu schließen, dass die meisten performers keine Markierungen eingetragen hätten. 231 Dies setzt wiederum a priori voraus, dass die erhaltenen Manuskripte grundsätzlich für gottesdienstliche bzw. performa‐ tive Lesungen gedacht gewesen sind. Es ist festzuhalten: Nur wenige der erhaltenen Hss. gehören eindeutig in einen performativen Zusammenhang. Viele der diskutierten Indizien deuten sogar darauf hin, dass ein Großteil der frühen Hss. eher für die individuelle, primär visuell konzipierte Lektüre verwendet wurden. 232 Damit stehen insge‐ samt auch viele der Kriterien zur Disposition, nach denen S. D. Charlesworth 266 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 233 Vgl. C H A R L E S W O R T H , Standardization; C H A R L E S W O R T H , Public; C H A R L E S W O R T H , Indica‐ tors; C H A R L E S W O R T H , Early, passim. Ähnlich auch M I T C H E L L , Papyri. S. zu Charlesworth jetzt die kritischen Bemerkungen bei B A T O V I C I , Reading Aids. 234 Angedeutet z. B. bei S K E A T , Book-Production, 36. Paradigmatisch für eine solche Posi‐ tion ist das folgende Zitat von K. Dronsch, das einen Mangel an Kenntnis des genauen Aussehens des Handschriftenbefundes offenbart: „Doch der größte Unterschied zeigt sich im Layout, dessen wesentliche Funktion es ist, eine Lesehilfe zu sein. Während die Textausgabe des NT Graece ein mit Absatzmarken und Versen strukturierter Text ist, der Worttrennungen, Akzente und Satzzeichen enthält, ist für die ältesten handschriftlichen Zeugnisse festzuhalten, dass sie in scriptio continua geschrieben worden sind. In den antiken Handschriften fehlt häufig eine gelayoutete Gestaltung des Textes. D. h., dass es für antike Texte, die in scriptio continua verfasst worden sind, eine Trennung zwischen visuellen und auralen Aspekten des Textes nicht gab, welche es uns heutzutage ermöglicht, zwischen gedruckten und gesprochenen Erzeugnissen zu unterscheiden, da sich aufgrund des fehlenden Layouts diese nicht als gedruckte Erzeugnisse bestimmen lassen. Ken Morrison kommt deshalb für die Bestimmung der Texthaftigkeitsbedingungen in der griechisch-römischen Antike zu dem Schluss, dass Texte niemals mehr als ‚a variant of oral utterance … due to the lack of procedures for transforming writing into text‘ sind. Sofern Punktationen bei antiken Handschriften anzutreffen sind, haben sie nicht die Funktion einer syntaktischen Erfassung der Oberflächenstruktur, sondern dienen der Prosodik.“ D R O N S C H , Bedeutung, 244 f. Ins‐ besondere die hier gezogenen Schlussfolgerungen sind durch die oben stehenden Ausführungen kritisch zu hinterfragen; dass es bei antiken Texten keinen Unterschied zwischen visuellen und auralen Aspekten gegeben habe, ist schlicht falsch. die neutestamentlichen Papyri in private und offizielle unterteilt. 233 Offen bleibt jedoch, inwiefern der regional auf Ägypten beschränkte Befund, zeitlich auf das 1. Jh. und die erste Hälfte des 2. Jh. übertragen werden kann (also auf die Autographen bzw. auf frühe Sammlungen/ Editionen) und ob daraus Schlussfolgerungen über den Charakter und das Aussehen der Hss. gemacht werden können, die in den Zentren der östlichen und westlichen Mittelmeer‐ welt (insbesondere Rom und Ephesus) entstanden und gelesen worden sind. Immerhin stammen die Papyri ja aus den trockenen Gebieten des ägyptischen Hinterlandes und schon die Frage des Zusammenhangs zu Alexandria ist nicht einfach zu beantworten. In jedem Fall problematisch erscheint es mir allerdings, davon auszugehen, dass die Autographen bzw. die Hss. des „Ausgangstextes“ bzw. früher Samm‐ lungen oder Editionen in „reiner“ scriptio continua geschrieben waren. 234 Muss man nicht vor dem Hintergrund antiker Schreiberpraxis und dem Hss.-Befund in seiner ganzen Breite insgesamt davon ausgehen, dass auch diese Hss. ein gewisses Maß an Strukturmarkern, diakritischen Zeichen o. ä. aufwiesen? Allerdings ist die Form dieser Manuskripte mit großer Sicherheit nicht mehr rekonstruierbar, da die Schreibgewohnheiten von Paulus bzw. eines „Paulus‐ sekretärs“, der Verfasser der Evangelien, von den Verfassern der zahlreichen 267 4.3 Weitere „typographische“ Gestaltungsmerkmale antiker Handschriften 235 Die problematische These des grundsätzlich „lauten” Lesens in der Kirche einerseits und die Annahme besonderer kognitiver Schwierigkeiten des Lesens von scriptio continua, die zuletzt auf einer Projektion der modernen westlichen Lesegewohnheiten beruht, andererseits werden zur wechselseitigen Stützung herangezogen. 236 So schon T U R N E R , Greek, 57: „Regular reading of such continuous texts may make the reader quick at dividing words.“ Vgl. auch H U R T A D O , Oral Fixation, 328: „the Roman-era educational process was designed expressly to develop in pupils the ability to tackle texts written in scriptio continua and so (in due course) to read them with understanding.“ 237 Die Notenanalogie findet sich z. B. bei H E N D R I C K S O N , Reading, 184. S. außerdem die Ausführungen und Literaturverweise unter 1.1.2 u. 1.3.1. Pseudepigraphen, aber auch von mutmaßlichen Redaktoren usw. nicht mehr zu erheben sind und der Befund in den neutestamentlichen Hss. zu heterogen ist, um daraus sichere Schlussfolgerungen zu ziehen. 4.4 Zwischenfazit und die Frage nach der Repräsentation von Klang in der Schrift Für antike Leser war das Lesen von Texten in scriptio continua nicht mit besonderen kognitiven Schwierigkeiten verbunden. Eine vokalisierende oder subvokalisierende Realisierung des Geschriebenen war keine notwendige Verstehensvoraussetzung. Das forschungsgeschichtlich vielfach postulierte Junktim der vokalisierenden Lektüre mit dem Schriftsystem basiert auf einem Zirkelschluss 235 und lässt sich insbesondere nicht an den Quellen nachweisen. Scriptio continua ist kein Kennzeichen eines defizitären Schriftsystems, sondern eine kulturelle Konvention. Entscheidend ist, dass die Leser von Beginn an mit dem Schriftsystem sozialisiert worden sind. 236 Kognitive Schwierigkeiten ergeben sich für Leser, die in einem Schriftsystem mit Wortzwischenräumen sozialisiert wurden und daher die kognitiven Mechanismen des Lesens von Texten in scriptio continua nicht habitualisiert haben. Es verbietet sich daher methodisch, unsere Schwierigkeiten beim Lesen von antiken Artefakten zurück‐ zuprojizieren. Daraus ist weiterführend zu schlussfolgern, dass die These, antike scriptio continua sei lediglich die Repräsentation des gesprochenen Wortes, das im Leseprozess „re-oralisiert“ würde, bzw. die scriptio continua in Analogie zu notierter Musik verstanden werden könne, 237 äußerst problematisch ist und auf demselben Zirkelschluss basiert. Es ist methodisch verfehlt, eine solche genera‐ lisierende Sicht aus vereinzelten Metaphern (z. B. dass Seiten oder Inschriften 268 4 Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 238 Die entsprechenden Belege, auf die sich die Forschung immer wieder maßgeblich bezieht, finden sich bei B A L O G H , Voces Paginarum, 202-240. 239 Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen: Die Phrase „der Text sagt“ hat weit mehr als 20.000 Treffer bei google.de. sprechen oder die Buchstaben laut sind) 238 herzuleiten. Solche vereinzelten Metaphern sind, so lange man nicht ein umfassendes Konzept nachweisen kann, zunächst einmal als rhetorische und poetische Stilmittel zu verstehen. Und selbst bei einem metaphorischen Konzept wie z. B. dem von sprechenden Texten sind die methodischen Hürden für Rückschlüsse auf die Lesepraxis hoch, wie Existenz dieses Konzepts z. B. in der modernen deutschen Sprache belegt. 239 269 4.4 Zwischenfazit und die Frage nach der Repräsentation von Klang in der Schrift 1 Vgl. dazu exempl. aus der mannigfaltigen Forschungsliteratur und jeweils mit weiteren Verweisen auf die Forschung B O Y D , Public; G Ö T Z E , Bibliotheken; W E N D E L , Neues; W E N D E L , Bücherschrank; W E N D E L , Altertum; M A R S H A L L , Resources; B L U M , Kallima‐ chos; F E H R L E , Bibliothekswesen; D I X , Libraries; C A S S O N , Bibliotheken; H O E P F N E R , Bibliotheken; K N Ü V E N E R , Private Bibliotheken; H O U S T O N , Slave; H O U S T O N , Evidence; H O U S T O N , Libraries; V Ö S S I N G , Bibliotheken. 2 Vgl. zur Diskussion zu christlichen Bibliotheken in der Alten Kirche C A R R I K E R , Library; F R E N S C H K O W S K I , Studien; D E L O L M O L E T E , Bibliothèques; G R A F T O N / W I L L I A M S , Chris‐ tianity; K A N Y , Privatbibliotheken; B Ä B L E R , Christen; zu Klosterbibliotheken exempl. F R O S C H A U E R / R Ö M E R , Spätantike. 3 Vgl. auch Gell. 11,17,1 f zu den Texten, die Gellius in der Bibliothek des trajanischen Tempels findet und liest. 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die in der Forschung breit bearbeitete spezielle Frage nach der Verfügbarkeit von Büchern über antike (öffentliche) Bi‐ bliotheken sowie deren Benutzung und die Verbreitung von Privatbibliotheken hier ausgeblendet wird. 1 Ob und ab welchem Zeitpunkt christliche Schriften in öffentlichen Bibliotheken zur Verfügung standen wissen wir nicht. Die Frage nach christlichen Privatbibliotheken 2 lässt sich für die Frühzeit ebenfalls nicht anhand archäologischer Zeugnisse oder direkter Quellenevidenzen bearbeiten, sondern hängt maßgeblich an den im Folgenden zu diskutierenden Fragen. Es sei aber auf eine aufschlussreiche Stelle verwiesen, in der über die Beschaffung von Literatur über eine öffentliche Bibliothek berichtet wird. Und zwar sucht Aulus Gellius im 2. Jh. n. Chr. eine Schrift des Lehrers von Varro und Cicero, Lucius Aelius Stilo, der von der Mitte des 2. Jh. v. Chr. bis in die erste Hälfte des 1. Jh. v. Chr. gelebt hat. Diese Schrift, die zum Zeitpunkt der Suche grob um die 200 Jahre alt gewesen sein muss, macht Gellius in der Bibliothek des von Vespasian gebauten Friedenstempels ausfindig (Gell. 16,8,2). Hier ist die Bibliothek ganz klar Aufbewahrungs- und Zugangsort alter Bücher und nicht der aktuellsten Literatur. 3 Wie im Einleitungskapitel ausgeführt, findet sich insbesondere in der anglo‐ phonen Forschung zum NT und frühen Christentum - vor allem bei denjenigen, die sich dem Ansatz des Biblical Performance Criticism zuordnen, - die These, dass das Phänomen Publikation in der Antike nichts anderes gewesen wäre, als der erste Akt der Veröffentlichung eines Werkes durch mündlichen Vortrag, der dann entweder von Zuhörern aufgeschrieben, weitergegeben und über 4 So z. B. G A M B L E , Book Trade, 32. 5 F R E N S C H K O W S K I , Erkannte Pseudepigraphie, 223. 6 S. dazu o. schon Anm. 9, S. 21 sowie die Ausführungen unter 1.3.3. 7 Vgl. zu dem Kategorien modernist und primitivist I D D E N G , Publica, 63 f. 8 Vgl. zur sog. Primitivismus-Modernismus-Debatte F I N L E Y , Bücher; S C H N E I D E R , Bü‐ cher-Meyer-Kontroverse; überblicksartig einführend und mit Darstellung der Relevanz für die neutestamentliche Wissenschaft A L K I E R / K E S S L E R / R Y D R Y C K , Wirtschaft, 61 ff. In der modernen Forschung wird die primitivistische bzw. von Finley maßgeblich geprägte neo-primitivistische Sichtweise der sog. „Camebridger Schule“ (insb. für die Kaiserzeit) zunehmend kritisch gesehen. Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 20 f. S. weiterführend z. B. die eindrücklichen Daten bei W I L S O N , Approaches, die private Netzwerke zirkulierte oder durch das Manuskript des Erstvortrages in Umlauf kam. Diese Sicht steht jedoch in einer Spannung zu zahlreichen Quel‐ lenzeugnissen, die sehr wohl auf antike Konzepte von Publikation hinweisen und die nahelegen, dass es einen (sogar kommerziell orientierten) Buchmarkt und eine durchaus über die lokale Ebene hinausreichende Verbreitung von Literaturerzeugnissen gab (s. u.). Aber selbst wenn die deutlichen Hinweise auf die Publikations- und Veröffentlichungspraxis in der Antike sowie grundsätz‐ liche Möglichkeit der Distribution von Büchern über den antiken Buchmarkt wahrgenommen werden, ist es für diese Forscherinnen und Forscher ausge‐ schlossen, dass das frühe Christentum an diesen Mechanismen partizipierte und Bücher im frühen Christentum stattdessen ausschließlich privat distribuiert wurden. 4 Hinter dieser These steckt die Auffassung, das Christentum des 1./ 2. Jh. wäre vor allem ein „subkulturelles Phänomen“ 5 gewesen, das vor allem für Menschen aus unterprivilegierten Schichten attraktiv gewesen wäre. Dabei wird aber ein sozialromantisches Bild v. a. aus dem 1Kor und Thesen zum historischen Jesus abgeleitet und auf das des frühen Christentums als Gesamtphänomen übertragen. Dies ist methodisch problematisch. 6 Vielmehr muss, wie im Folgenden herauszuarbeiten ist, die grundsätzliche Möglichkeit, dass neutestamentliche Texte auch jenseits „privater“ Zirkulation über den antiken Buchhandel verfügbar waren, zumindest bedacht werden. Lässt sich letzteres nämlich plausibel machen, hätte dies gewichtige Implikationen für die Frage nach den anvisierten und auch den tatsächlichen Formen der Rezeption neutestamentlicher Texte. Forschungsgeschichtlich ist das skizzierte Problem der kontrovers disku‐ tierten Frage nach der Verbreitung und Distribution von Literaturerzeugnissen in der Antiken zuzuordnen. Ganz grob finden sich in der Forschung zwei Sichtweisen auf diese Frage, eine modernistische und eine (darauf reagierende) eher skeptische, primitivistische, 7 worin sich in einer weiteren Perspektive eine alte Debatte in der Forschung zur antiken Wirtschaftsgeschichte spiegelt. 8 272 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur zeigen, dass der Mittelmeerhandel im Römischen Reich signifikant größer war als im Mittelalter. 9 Vgl. B I R T , Buchwesen; vgl. außerdem B I R T , Kritik. 10 Vgl. exempl. H A E N N Y , Schriftsteller; D Z I A T Z K O , Art. Buchhandel; D Z I A T Z K O , Untersu‐ chungen (Bei Dziatzko sind die konzeptuellen Rückprojektionen deutlich geringer als bei Birt.); S C H U B A R T , Buch; K E N Y O N , Books; R E I C H M A N N , Trade; P I N N E R , World; K L E B E R G , Buchhandel; K L E B E R G , Auctions; B L A N C K , Buch, 120-129. 11 Vgl. exempl. V A N D E R V A L K , Editions; V A N G R O N I N G E N , ΕΚΔΟΣΙΣ; S T A R R , Circulation; P H I L L I P S , Publication; D O R T M U N D , Buchwesen; W I N S B U R Y , Book; S Á N C H E Z V E N D R A M I N I , Audience. 12 Einflussreich vertreten von S T A R R , Circulation, der zwar sieht, dass in der Kaiserzeit Bibliotheken und Buchhandel erstarkten. Er versteht diese aber - rein thetisch zum Aus‐ druck gebracht - nur als Supplement zum hauptsächlichen Verbreitungsmechanismus der „privaten“ Zirkulation. Vgl. S T A R R , Circulation, 215 f.221. S. dagegen K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 88. 13 So vertritt etwa H A I N E S -E I T Z E N , Guardians, die prononzierte These, dass biblische Texte ausschließlich über private Netzwerkstrukturen verbreitet wurden (vgl. auch H A I N E S -E I T Z E N , Social History). Vgl. dazu die kritische Rezension S C H M I D , Rez. Haines-Eitzen. 14 Vgl. dazu den Forschungsbericht bei D O R T M U N D , Buchwesen, 1-44. Die ältere, modernistisch ausgerichtete, Forschung zeichnet insbesondere in Anknüpfung an T. Birts monumentales Werk zum antiken Buchwesen 9 das Bild eines umfassenden antiken Publikationswesens und Buchmarktes, das u. a. mit Stichworten wie kommerziell orientierten Verlegern, Massenproduktion (durch Diktat) und Fernhandel zu charakterisieren ist. 10 Diese Sicht wurde insbesondere wegen der terminologischen (und damit auch konzeptuellen) Rückprojektion von Buchproduktions- und Distributionsmechanismen aus der Zeit des ausge‐ henden 19. und 20. Jhs. zurückgewiesen und stattdessen eine primitivistische Sichtweise etabliert, die verlegerische und ökonomisch orientierte Produktions- und Distributionsstrukturen für die Antike weitgehend negiert. 11 Thesen zur nahezu ausschließlichen Zirkulation von Büchern in privaten Netzwerken, 12 die auch für das frühe Christentum stark gemacht worden sind, 13 basieren maßgeblich auf dieser primitivistischen Sichtweise. Kristallisationspunkt der Debatte ist vor allem die Rolle von Atticus als „Verleger“ Ciceros. 14 An dieser Debatte lässt sich in Kürze zeigen, inwiefern beide Sichtweisen mit Problemen behaftet sind. Während der ältere modernis‐ tische Ansatz Atticus tatsächlich zu stark als industriellen Verleger des 19. Jh. zeichnete und insbesondere die vorgestellten Größendimensionen der Buch‐ produktion vermutlich deutlich überschätzt wurde, muss die primitivistische Sichtweise Evidenzen in den Quellen, die zu dem modernistischen Ansatz geführt haben, in unzulässiger Weise marginalisieren. Da beide Positionen wissenschaftlich nicht befriedigend sind, muss die Frage nach dem antiken 273 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 15 Vgl. I D D E N G , Publica. 16 Vgl. I D D E N G , Publica, 64; Mülke, Autor, 92-94, mit den entsprechenden Quellenver‐ weisen. S. aber z. B. auch H A R R I S O N , Books; R U S S O T T I , Strategies. 17 Vgl. M R O C Z E K , Imagination, 106 f.112. 18 Vgl. L A R S E N S , Gospels (s. dazu die Kritik bei D A V I S , Rez.); s. außerdem L A R S E N , Accidental Publication. In beiden zitierten Titeln fehlt eine ausführliche Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur zu nicht-primitivistischen Sichtweisen auf das antike Publikationswesen. Larsens These liegen außerdem einige Vorannahmen über antike Lesepraxis zugrunde, die aus der Sicht der vorliegenden Studie zu hinterfragen sind. 19 M Ü L K E , Autor, 92. 20 Vgl. z. B. Cic. Cato 22; Pers. sat. 1,13-24; Sen. Rhet. contr. 10 praef. 8 (hier ist der Unterschied zwischen recito und lego unbedigt zu beachten! ); Suet. Aug. 85,1. Plin. ep. 9,34 deutet auf die Erwartung hin, dass der Autor seinen Text eigentlich selbst vorträgt (Plinius lässt vorlesen, weil er eine schlechte Wahrnehmung seiner eigenen Vorlesekünste hat). Die prinzipielle Anwesenheit des Autors implizieren u. a. auch die Publikations- und Distributionswesen von literarischen Erzeugnissen unter Vermeidung zu starker Projektionen aus dem modernen Buchwesen des 19./ 20. Jh. m. E. grundlegend neu untersucht werden. Erste Ansätze finden sich in der neueren Forschung, die aber bei weitem nicht den gesamten Quellenbestand berücksichtigt. 15 Für eine grundlegende Neuuntersuchung müsste zunächst der gesamte Quellenbestand (nicht regional begrenzt auf Rom) hypothesenneutral gesammelt und systematisierend zusammengestellt werden. Dies kann hier freilich nicht geleistet werden. Im Folgenden sind lediglich wenige Grundzüge zu skizzieren. Dass die meisten antiken Autoren der hellenistischen Zeit und der Kaiserzeit ein Bewusstsein für die Herausgabe/ Publikation ihrer Werke hatten, ist den Quellen eindeutig zu entnehmen (und wird auch von vielen Vertretern der primitivistischen Sichtweise nicht bestritten). 16 Aus dem genannten Grund ist auch die These von E. Mroczek schwierig, Bücher wären in der Antike eher als Projekte denn als Produkte angesehen worden. 17 Im Rahmen dieser Studie kann weder ihre These noch die These Larsens, das Markusevangelium sei ein unfertiges und nich-finalisiertes Werk, diskutiert werden. 18 Dies wird der Vf. an anderer Stelle ausführlich nachholen. Das Konzept einer vom Verfasser autorisierten Fassung ist in der antiken Welt bekannt: „In der Antike jedoch endet die Phase des ‚work in progress‘ in dem Augenblick, in dem das Werk jenen vom Autor bestimmten, überschau- und beeinflußbaren Leser- und Hörerkreis verläßt und der breiten Öffentlichkeit übergeben wird - dem Augenblick der für die Allgemeinheit bestimmten editio, der ἔκδοσις.“ 19 Aufschlussreich ist insbesondere die Institution der recitatio. Diese war, wie die Quellen so gut wie ausnahmslos zeigen, an die Präsenz des Autors gebunden. 20 274 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur Vorwürfe Martials gegenüber Fidentius, der Martials „kleine Bücher“ als seine eigenen rezitierte. Vgl. Mart. 1,1,29.38, vgl. auch 1,1,66. Eine absolute, aber erklärbare Ausnahme bildet das besondere Verhältnis zwischen Cicero und Atticus. In einem Brief, den Cicero an Atticus im Juli 44 v. Chr. aus Pompei schickt, bittet Cicero um die Rezitation eines von ihm geschriebenen philosophischen Traktats bei einem Symposion, das sich aber eindeutig noch im Redaktionsprozess befindet. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass das Traktat arcano (d. h. hier so viel wie „im Vertrauen“/ „im Privaten“) vorgelesen werden soll, also noch nicht zur Veröffentlichung bestimmt ist, und dass Cicero eine „Rückmeldung“ von Atticus’ Gästen erwartet. Vgl. Cic. Att. 16,5(3),1. 21 Vgl. dazu K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 177-182; W H I T E , Bookshops, 82 f; weiterführend auch G U R D , Work, passim. 22 K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 180 f. So auch D U P O N T , Recitatio, 45: „the text that constitutes the object of a recitatio is always unpublished, so that each reading is unique.“ Etwas später auf S. 49 weist Dupont zudem darauf hin, dass der recitatio normalerweise die Publikation des Buches folge. Vgl. auch S Á N C H E Z V E N D R A M I N I , Eliten, 263; B I T T O , Leser, insb. 191-193.199. Exemplarisch gegen C A V A L L O , Volume, 75; F A N T H A M / H E I N Z E , Leben, 202-209. Weiterführend zur Institution der recitatio s. den immer noch unüber‐ troffenen Artikel F U N A I O L I , Art. Recitationes (so die berechtigte Bewertung bei W H I T E , Bookshops, 282, Anm. 44). Methodisch schwierig ist es daher auch, aus „mündlichen Strukturen“ in den nicht-dramatischen Schriften Senecas abzuleiten, diese seien primär für die Rezitation konzipiert gewesen. Gegen L E F È V R E , Schriften; L E F È V R E , Gedichte. 23 Vgl. D U P O N T , Recitatio, 45-47, dessen Verwendung der Kategorie „privat“ in diesem Zusammenhang allerdings auch zu diskutieren wäre. 24 Vgl. z. B. eindrücklich Plin. ep. 5,12 (recitaturus oratiunculam quam publicare cogito, advocavi aliquos …); Plin. ep. 7,17,6 f (… nec vero ego dum recito laudari, sed dum legor cupio). Wenn Plinius in ep. 6,17,2 davon spricht, es sei ein „vollständig vollendetes Buch“ vorgetragen worden, meint dies nicht die eigentliche Publikation, sondern nur, dass die recitatio in einem finalen Stadium des Buches durchgeführt wird, wobei eine kritische Rückmeldung des Publikums, wie der Kontext eindeutig zeigt, sozial erwünscht ist. Vgl. außerdem den Hinweise, dass man Autoren immer lesen, aber nicht immer hören könne, bei Plin. ep. 2,3,9-11, Bei Tacitus ist belegt, dass Curiatius Maternus seinen „Cato“ im Rahmen einer recitatio vorgetragen hat (Tac. dial. 2,1), bevor er ihn auf der Grundlage der Rückmeldungen aus dem Publikum eilig für die Publikation (emitto) überarbeitet, weil er ein weiteres Tragödienprojekt in Arbeit hat (Tac. dial. 3,1-4). Das Ziel einer Tragödienproduktion konnte also in der Buchpublikation für ein Die recitatio nahm im Rahmen des Redaktionsprozesses von Texten eine Kor‐ rektivfunktion ein und stellte eine Art Probelauf vor ausgewähltem Publikum dar, dessen Impulse für die redaktionelle Überarbeitung genutzt wurden. 21 Bei der recitatio handelt es sich allerdings, wie H. Krasser ausdrücklich betont, „nicht um das eigentliche Instrument der Publikation und [auch nicht um] die vom Autor letztlich intendierte Präsentationsform seines Werkes in der Öffentlichkeit.“ 22 Der soziale Rahmen einer recitatio ist gerade kein vollständig öffentlicher, sondern ein klar umgrenzter. 23 Deutlich wird dies vor allem an Stellen, an denen explizit zwischen der recitatio und der eigentlichen Publikation und Rezeption (insb. auch im Hinblick auf Dramentexte) unterschieden wird. 24 275 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur Lesepublikum liegen, wobei zu vermuten ist, dass eine Aufführung selbst überhaupt nicht intendiert war, so K U G E L M E I E R , Vergegenwärtigung, 207. Nicht überzeugend ist Kugelmeiers These, dass die Tragödien explizit für die recitatio verfasst worden seien und nicht für die individuell-direkte Lektüre. So K U G E L M E I E R , Vergegenwärtigung, 233-239. Es stellte sich dann die Frage, welches Ziel die eigentliche Publikation gehabt hätte? Zudem unterschätzt Kugelmeier m. E. die Möglichkeiten des ästhetischen Genusses der individuell-direkten Lektüre, die sowohl durch Vokalisierung als auch durch die innere Lesestimme zu einer „inneren Vergegenwärtigung“ (K U G E L M E I E R , Vergegenwärtigung, 235) des Stückes vor dem geistigen Auge führen kann. Auch Plin. ep. 7,17,1-4 belegt, dass Dramen im Rahmen einer recitatio vorgelesen wurden, aber eigentlich für die Veröffentlichung bestimmt gewesen seien. Vgl. dazu und insbesondere um die Frage nach den Dramen Senecas als „Lese-Dramen“ weiterführend Z W I E R L E I N , Rezitationsdramen; B R A U N , Bühnenstücke; Z I M M E R M A N N , Seneca; H A R R I S O N , Seneca. 25 So aber Z E L N I C K -A B R A M O V I T Z , Look, 176 f.180 f. 26 Auch Ps.-Lukian. Dem. enc. 25-27 setzt die Institution der recitatio (hier als ἀκρόασις bezeichnet) voraus (s. die lobende Rückmeldung in § 27). Die Besonderheit dieser recitatio liegt allergings darin, dass das erstellte Gedicht lediglich einer Einzelperson draußen im Sitzen vorgelesen wird, da sich andere dieser sozialen Verpflichtung anscheinend entzogen haben. S. außerdem Lukian. hist. conscr. 60, wo Lukian noch einmal zusammenfassend darauf hinweist, dass Geschichtsschreibung, wie vielfach in der Schrift thematisiert, der Wahrheit verpflichtet sei: „Ebenso soll nun auch Geschichte geschrieben werden, mit Wahrheitsliebe in Hoffnung auf die Zukunft, nicht aber mit Auch in den wenigen Quellen aus dem klassischen Griechenland (und auch bei späteren griechischen Autoren) sind Rezitationen an die Präsenz des Autors gebunden. Vgl. v. a. das Vorlesen der unpublizierten Werke von Zenon in einem Privathaus bei Plat. Parm. 127c; ferner Plat. Hipp. mai. 286a/ b; Xen. mem. 2,1,21; Cic. Brut. 51,191 über eine recitatio des Dichters Antimachos, bei der das gesamte Publikum während des Vorlesens bis auf Platon den Raum verlässt; u. Athen. deipn. 13,1 (555a). Vgl. außerdem zu Isokrates M ÜL K E , Autor, 85. Inwiefern es sich bei den von Lukian. Herod. 1-3 und in FD 3 3,124,2-7; SEG 28 534,4-9 (3. Jh. v. Chr.) beschriebenen Autorenlesungen um unpublizierte Texte handelt, ist unklar. Jedenfalls kann man aus den Quellen nicht schließen, dass die beschriebenen Lesungen die eigentliche Form der Publikation darstellten. 25 Die Formulierung ἀκροάσεις περὶ τούτων (SEG 28 534,6) kann m. E. sogar so verstanden werden, dass es sich um einen Vortrag über die genannten Schriften handelt und nicht um eine Verlesung der Schriften selbst. Lukian selbst hat seine Schriften wohl auch im Rahmen von recitationes vorgelesen (vgl. Lukian. apol. 3). Zudem findet sich bei Lukian eine aufschlussreiche Unterscheidung. Auf der einen Seite stehen die gegenwärtigen Erstrezipienten von Geschichtswerken, die er mit dem Partizip von ἀκροάομαι (Lukian. hist. conscr. 5) oder ἀκούω (Lukian. hist. conscr. 39), bezeichnet - mutmaßlich die Hörer von recitationes. Dafür spricht der Hinweis auf den Applaus (ἐπαινέω) in Lukian. hist. conscr. 5. 26 Auf der anderen Seite stehen 276 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur Schmeichelei um des Genusses willen, von Zeitgenossen [ JH: vermutlich im Kontext von recitationes] sich loben zu hören“ (Üb. P A U L Y ). 27 Vgl. direkt danach auch den Hinweis auf Alexander, der gerne wieder für einige Augenblicke auferstehen wollte, um die Reaktion der Leser der von Onesikritos geschriebenen Darstellungen über ihn zu hören (vgl. Lukian. hist. conscr. 40). 28 Vgl. zus. die Quellen bei P A R K E R , Books, 214, Anm. 120.215 f; außerdem die Quellen bei S M I T H , Relationship, 173-182. 29 Vgl. auch Gell. 20,5,7 f. 30 S. auch die Rückantwort bei Gell. 20,5,9. 31 Vgl. auch Hor. carm 2,20. die Sekundärrezipienten, die Lesern, die er z. B. mit dem Partizip von ἀναγιγνώσκω (Lukian. hist. concr. 9: τοῖς ὕστερον ἀναγνωσομένοις; Lukian. hist. concr. 17: Dass hier die Sekundärrezipienten gemeint sind, geht daraus hervor, dass sich Lukian auf ein Prooemium bezieht, das ja als Teil eines bereits publizierten Buches zu verstehen ist.) oder dem Partizip von σύνειμι (Lukian. hist. conscr. 39: τοὺς μετὰ ταῦτα συνεσομένους τοῖς συγγράμμασιν) 27 bezeichnet. Zahlreiche Quellen lassen erkennen, dass Publikation in der Antike durchaus ein wichtiger Weg war, schriftliche Erzeugnisse einem größeren, auch überre‐ gionalen Publikum zur Verfügung zu stellen. Eine repräsentative Auswahl an Quellen sei im Folgenden angeführt. 28 Als Alexander erfährt, dass einige der Lehren von Aristoteles, in die er durch diesen persönlich eingeführt wurde, „in Büchern an die Öffentlichkeit gegeben worden seien (ἐκδίδωμι)“ (Plut. Alex. 7, Üb. Z I E G L E R / W U R H M A N N ), tadelt er Aristoteles in einem bei Plutarch und Aulus Gellius überlieferten Brief: „Du hast nicht recht getan, daß du die fürs Hören bestimmten Lehren veröffentlicht hast (οὐκ ὀρθῶς ἐποίησας ἐκδοὺς τοὺς ἀκροατικοὺς τῶν λόγων·)“ (Plut. Alex. 7, Üb. Z I E G L E R / W U R H M A N N , leicht mod. JH). Dass Alexander stört, dass die Reden nun Allgemeingut wären und er nicht mehr zum exklusiven Kreis der erwählten Adressaten gehört, 29 zeigt genauso wie die verlegene Reaktion von Aristoteles, Alexander solle die Schriften als „veröffentlicht und auch wieder nicht veröffentlicht“ (Plut. Alex. 7, Üb. Z I E G L E R / W U R H M A N N ) 30 begreifen, da sie ja nur für Insider verständlich seien, dass ein durchaus großes Lesepublikum vorauszusetzen ist. Ein Mensch, der im Maßstab Alexanders denkt, hätte sich wohl sonst kaum über eine Veröffentlichung beschwert. Zudem impliziert die Stelle, dass veröffentlichte Schriften nicht für das Hören, sondern für das Lesen bestimmt sind. Horaz formuliert eindeutig: „Wer Unterhaltung dem Leser gewährt und mit ihr Belehrung./ Solch ein Buch trägt den Gebrüdern Sosius ein, über das Meer hin/ Zieht es und meldet der Welt noch lange den Namen des Autors“ (Hor. ars. 343-346; Üb. K A Y S E R , leicht mod. JH). 31 Plinius, der nicht für den kleinen Kreis der Rezitationszuhörer schreibt, sondern für alle (Plin. ep. 3,18,9), freut sich über die Nachricht, dass seine 277 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 32 Vgl. außerdem zur „Werbung“ für seine publizierten Reden S C H W E R D T N E R , Plinius, 91-96. 33 Vgl. zu Ovid die weiteren Belege bei P A R K E R , Books, 222-224. 34 Vgl. P A R K E R , Books, 222, mit Verweis auf CIL 4 1520; 4 4491. 35 L A B O W (ed.), Contra Apionem, 38, und S I E G E R T (ed.), Ursprünglichkeit, 106, missinter‐ pretiert m. E. die syntaktischen Bezüge in dem Satz. Die Verwendung von … μὲν … δὲ … sowie die syntaktische Parallelität πολλοῖς … πολλοῖς … zeigen, dass das Verb „verkaufen“ (πιπράσκομαι) mit zwei Objekten verwendet wird und sich auch auf „viele der Römer“ bezieht. 36 Vgl. L A Q U E U R , Historiker, 21. 37 Vgl. z. B. K A N Y , Privatbibliotheken, 370 f. Bücher in einer Buchhandlung in Lugdunum verkauft werden (Plin. ep. 9,11,2). In einem Brief an Tranquillus schreibt er, dass dessen Werk perfekt sei und durch Überarbeitung nicht weiter poliert werden könne. Und dann fordert er: „Laß mich Deinen Namen auf dem Titelblatt sehen, laß mich hören, daß die Bücher meines Tranquillus vervielfältigt, gelesen und verkauft werden“ (Plin. ep. 5,10,3; Üb. K A S T E N ). Zudem betont Plinius, dass er durch stilistische Vielfalt „verschiedene Leserkreise“ (diversa genera lectorum; Plin ep. 2,5,7) zu erreichen versuche. 32 Weite Verbreitung seines Romans antizipiert auch Ov. trist. 4,9,21; 4,10,128; 33 Longos Daph. prooem. 3 (ed. H E R C H E R ). Auch Martial beschreibt eine weite Verbreitung seiner Bücher (vgl. z. B. Mart.1,1; 7,88; 8,3; 11,3). Hinzuweisen ist ferner auch auf die Erwartung der Rezeption durch spätere Generationen bei Catull. 1,10; 68,5 f und Prop. 1,7,13 f, die sich im Falle von Properz nachweislich der Graffiti in Pompeji erfüllte. 34 Im antiken Judentum findet sich das Konzept der Publikation im Sirachprolog (s. u. 7.1.4). Josephus gibt in Ios. c. Ap. 1,50-52 an, er habe seine „Geschichte des jüdischen Krieges“ in Rom an einige Mitglieder der Aristokratie verschenkt; außerdem „verkaufte ich sie einerseits vielen der Römer, die mit in dem Krieg gewesen waren, andererseits vielen unserer Männer, welche die griechische Philosophie verstehen (πολλοῖς μὲν Ῥωμαίων τοῖς συμπεπολεμηκόσι, πολλοῖς δὲ τῶν ἡμετέρων ἐπίπρασκον, ἀνδράσι καὶ τῆς Ἑλληνικῆς σοφίας μετεσχηκόσιν)“, 35 unter denen Julius Archelaus, Herodes von Chalkis und König Agrippa waren. Ob er das Werk selbst vermarktet hat, 36 wie die Formulierung klingt, oder sich möglichweise die Strukturen des antiken Buchhandels zu Nutze gemacht hat, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Die Produktion der vielen Kopien des doch recht umfangreichen Werkes, welche diese Aussage impliziert, war in jedem Fall mit einem großen Kapitaleinsatz verbunden und benötigte Strukturen. Üblicherweise wird P.Oxy. 3 405 (um 200 datiert) angeführt, um die schnelle und v. a. überregionale Verbreitung von Irenäus’ Schrift adv. haer zu belegen, 37 angesichts der relativen Unsicherheiten paläographischer Datierung sollte man hier jedoch Vorsicht walten lassen. 278 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 38 Das im Kontext von Galen mehrfach angesprochene Vorlesen seiner unpublizierten und über Abschrift von Vorträgen oder durch die genannten Privatkopien in Umlauf gekommenen Bücher durch andere, durch das sie diese als ihre eigenen ausgaben (ἀναγιγνώσκω ὡς ἴδια), kann als Verweis auf recitationes verstanden werden oder sich möglicherweise auf die Nutzung der Bücher in Unterrichtskontexten beziehen. Vgl. Gal. lib. prop. ed. K Ü H N 19, p. 10 f.17. 39 Vgl. dazu mit den entsprechenden Belegen B R O C K M E Y E R , Buchhändler; I D D E N G , Publica, 72-76; für das antike Athen vgl. ferner S C H M I T Z , Schriftsteller. Ein wichtiger Beleg ist Strab. 13,1,54, wo Buchhändler bezeugt sind, die vermutlich aus Kostengründen auf einen Vergleich mit der Vorlage verzichten und Bücher mit Fehlern verkaufen. 40 Wegen der dürftigen Quellenlage notorisch schwierig zu beantworten ist die Frage, inwiefern Autoren ökonomischen Nutzen an der Publikation ihrer Bücher hatten. Vgl. dazu B L A N C K , Buch, 128 f, der, wie viele andere, vermutet, dass es keine Autorenhono‐ rare gegeben hat und die römische Literaten sich vor allem durch Mäzene finanzierten. D Z I A T Z K O , Verlagsrecht, 566, stellt zumindest die Möglichkeit von Autorenhonoraren in Rechnung. B I R T , Buchwesen, 355, vermutet dagegen, dass Autoren sich über den Verkauf des Autographen finanzierten. Vgl. außerdem die weiterführenden Überlegungen bei B I R T , Kritik, 315-322, der ebd., 321 f, darauf hinweist, dass auch in der Neuzeit Autoren dem Publikum keine Angaben über ihre Honorare machen. B I R T , Verlag, 312 f, verweist allerdings auf die Möglichkeiten, mit Schulbüchern Geld zu verdienen, sowie auf die expliziten Belege zu Autoreneinnahmen bei Firm. math. 3,7,25; Diog. Laert. 6,8,4 sowie auf Zusammen mit den, bei den Modernisten aufgearbeiteten, eindeutigen Zeug‐ nissen für einen kommerziell orientierten Buchhandel (einige davon werden unten noch angeführt), sprechen diese Quellen dagegen, dass Autoren nur auf zufällige Verbreitung in privaten Netzwerken gesetzt haben. Dazu sei außerdem noch auf den Beginn von Galens Schrift über seine Bücher hingewiesen. Hier wird ganz deutlich, dass weder das Vorlesen eines Textes noch das Herausgeben einer Kopie an Freunde als Publikation (ἔκδοσις) verstanden wurde. Viele von Galens Schriften „wurden ohne Titel an Freunde oder Studenten gegeben, weil sie überhaupt nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren (φίλοις γὰρ ἢ μαθηταῖς ἐδίδοτο χωρὶς ἐπιγραφῆς ὡς ἂν οὐδὲν πρὸς ἔκδοσιν), sondern ausschließlich für den Gebrauch derjenigen gemacht worden sind, um ihrer Bitte entsprechend Erinnerungen an das, was sie gehört hatten, zu haben“ (Gal. lib. prop. ed. K ÜH N 19, p. 10). 38 Besonders aufschlussreich ist darüber hinaus, dass der kommerziell orientierte Buchhandel nicht durch die Aristokratie selbst durchgeführt wurde, sondern in der Hand von handwerklich orientierten Schichten und Händlern war. 39 Vor diesem Hintergrund ist dann die Annahme plausibel, dass frühchristliche Autoren die antiken Vertriebsstrukturen für die Verbreitung ihrer Schriften nutzten. Möglicherweise muss man sich den antiken Buchhandel aber auch we‐ niger autorenzentriert vorstellen 40 und davon ausgehen, dass Buchproduzenten 279 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur ein Gedicht des spätantiken Dichters Palladas (Anthologia Palatina 11,291). Bei Clemens Alexandrinus findet sich zudem an einer Stelle ex negativo bezeugt, dass man neben der Erlangung von Ehre auch aus ökonomischem Profit in der Antike geschrieben hat. Vgl. Clem. Al. strom. 1,9,2. Inwiefern Josephus aus dem genannten Verkauf seiner „Geschichte des jüdischen Krieges“ (vgl. Ios. c. Ap. 1,50-52) ökonomischen Nutzen ziehen konnte, ist nicht eindeutig zu bestimmen. Weiterführend zur Frage nach einem „Urheberrecht“ in der Antike vgl. S C H I C K E R T , Schutz; R Ü L K E , Autor, passim. 41 Dies gilt aber genauso für das Gemeindezirkulationsmodell, das davon ausgeht, dass sowohl die Briefliteratur als auch die Erzählliteratur des frühen Christentums in Ge‐ meindekontexten entstanden ist und sich lediglich durch „private“ Netzwerkstrukturen verbreitete. 42 So rechnet etwa K A N Y , Privatbibliotheken, passim, damit, dass das antike Christentum substantiell am antiken Buchmarkt partizipierte. Vgl. außerdem die Überlegungen zu Lk 1,2 bei O ’ L O U G H L I N , Ὑπηρέται. 43 Vgl. exempl. S T A N L E Y , Quotations, 127; U R O , Interface, 74. Diese Sicht findet sich freilich auch allgemein für die antike Gesellschaft. Vgl. exempl. für viele S T A R R , Circulation, 221. 44 S. zu Buchpreisen in der Antike grundlegend B I R T , Buchwesen, 82-88.209; zum höheren Preis vergriffener Werke vgl. B I R T , Buchwesen, 356-358; vgl. außerdem P H I L L I P S , Book. und Händler orientiert an der Nachfrage (oder direkt auf Wunsch ihrer Kunden) Bücher beschafften oder herstellten. Für die Fragestellung dieser Studie ist eine detaillierte und genaue Rekon‐ struktion der Buchhandelsstrukturen allerdings weniger wichtig als die Ein‐ sicht, dass Autoren in der Antike mit der Publikation ihrer Schriften rechneten. Somit muss auch von der grundsätzlichen Möglichkeit ausgegangen werden, dass Bücher für Leserinnen und Leser verfügbar waren. Dies ist prinzipiell zunächst auch für das frühe Christentum in Rechnung zu stellen. Auch wenn die Quellen spärlich sind, 41 ist es nicht abwegig anzunehmen, dass christliche Schriften über den antiken Buchhandel beziehbar waren und das frühe Chris‐ tentum am antiken Buchmarkt, den man sich sicher nicht als staatlich kon‐ trollierten vorstellen sollte, partizipierte. 42 Möglicherweise - das bleibt jedoch weitgehend spekulativ - war das Christentum angesichts der literarischen Schaffenskraft, die in den erhaltenen Schriftzeugnissen sichtbar wird, auch für im Buchwesen Tätige attraktiv. In diesem Zusammenhang sei auch nochmals auf Belege hinzuweisen, welche die Attraktivität staatlich verbotener Bücher zeigen (s. o. zu Tat. ann. 14,50 S. 155). Ein weiteres Problem in Bezug auf die Verfügbarkeit ist jedoch die Frage nach dem Preis. Hier sind viele Forscherinnen und Forscher in Bezug auf das frühe Christentum pessimistisch und postulieren, dass Bücher zu teuer gewesen wären, als dass sie der Durchschnittschrist der ersten Jh. hätte kaufen und lesen können. 43 Diese Argumentation geht m. E. jedoch von sozialgeschichtlich schwer verifizierbaren Grundannahmen aus. Ganz im Gegenteil sprechen sogar einige Daten 44 dafür, dass Bücher nicht das Luxusprodukt waren, für das sie in 280 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 45 Diese Einschätzung findet sich schon bei B I R T , Kritik, 322, die allerdings nicht auf einer wirtschaftshistorisch gesicherten Grundlage basiert. 46 Vgl. z. B. Ios. vita 75. 47 Vgl. einführend D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, passim (stark inflationäre Ten‐ denzen sind für das 3. Jh. belegt); weiterführend z. B. D R E X H A G E , Preise; S Z A I V E R T / W O L T E R S , Löhne; sowie die entsprechenden Beiträge in B O W M A N / W I L S O N , Quantifying. 48 Vgl. B A G N A L L , Books, 50-69. Gleiches gilt für die Ausführungen von M R A T S C H E K , Codices zu spätantiken Buchpreisen. Problematisch sind die Berechnungen bei B L A U , Studien, 192-194, da sie nicht auf der Basis neuerer wirtschaftshistorischer Daten basieren und von der Annahme stabiler Preise abhängig sind. 49 Vgl. exempl. aus der unüberblickbaren Menge an Forschungsliteratur zum Thema D R E X ‐ H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 39.305 f; K Ö R N E R , Transformationsprozesse; S O M M E R , Vast. 50 Vgl. dazu B R A N D T , Überlegungen. 51 S. z. B. M A R R O U , History, 267; B O T H A , Writing, 117-119. 52 Bagnall selbst nutzt seine Kalkulationen und seine Schlussfolgerungen zur Uner‐ schwinglichkeit von Büchern zu problematischen Rückprojektionen auf das 2. und. 3. Jh. (vgl. B A G N A L L , Books, 64-69). der Forschung zum Teil gehalten werden. 45 Dazu sei zur Veranschaulichung auf das folgende Beispiel verwiesen, wobei zu betonen ist, dass die weiterführenden Berechnungen nur unter - für die althistorisch-wirtschaftsgeschichtlichen Preiskalkulationen typischen - Vorbehalten zu verstehen sind (insb. sind Preis‐ schwankungen, regionale Unterschiede, 46 Unterschiede zwischen Stadt und Land, Möglichkeit von Inflationsprozessen usw. in Rechnung zu stellen) 47 und allenfalls Annäherungen darstellen. Nicht übertragbar auf das 1./ 2. Jh. sind die Ausführungen von R. S. Bagnall zur Ökonomie der Buchproduktion in Ägypten. 48 Seine Kalkulationen, die im Einzelnen noch kritisch zu diskutieren wären, basieren sämtlich auf Daten ab dem frühen 4. Jh., also auf Daten, welche die wirtschaftliche Situation nach der Krise des 3. Jh. widerspiegeln. Diese Krise war vor allem auch eine wirtschaftliche Krise, von der sich die Wirtschaft des Römischen Reichs nicht mehr wirklich erholen konnte und die mit einer starken Inflation einherging, die sich am Feingehalt der Silbermünzen sowie v. a. an der Preisentwicklung ablesen lässt. 49 Vorsicht ist vor allem in der Hinsicht geboten, Angaben aus dem sog. Höchstpreisedikt Diokletians (301 n. Chr.; ed. L A U F F E R ), das auf die Krise des 3. Jh. reagiert und dessen Auswertbarkeit im Hinblick auf die tatsächliche Preisgestaltung höchst umstritten ist, 50 generalisierend auf die Antike oder auf die Situation in der frühen Kaiserzeit zu beziehen, wie es zuweilen in der Forschung zum Bildungssystem, zu Buchpreisen 51 oder eben auch zur Situation im frühen Christentum des 1.-3. Jh. getan wird. 52 Auf sichererem Grund bewegen wir uns, wenn die Kalkulationen auf tatsächlich für das 1./ 2. Jh. belegte Daten beruhen, wie im Folgenden auszuführen sein wird. Aber selbst wenn man Bagnalls Daten zugrunde 281 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 53 Vgl. die Daten bei B A G N A L L , Books, 57.62. Völlig abwegig ist sein lediglich auf Vermutungen basierender Vergleich („I suppose“), eine Vollbibel in hoher Qualität sei äquivalent zum Preis eines kleinen Hauses gewesen. Dagegen sprechen eindeutig die Daten, die wir zu Immobilienpreisen aus der Antike kennen. Vgl. S Z A I V E R T / W O L T E R S , Löhne, 339-341. 54 Vgl. Plin. nat. 33,56,164; Hor. sat. 1,6,111 f; Apul. met. 1,5,2-4; vgl. außerdem das aufschlussreiche Verkaufsgespräch in Corp. Gloss. Lat. 3 657 c. 1. Alles zitiert n. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 286 f. Vgl. weiterführend zur Preisbildung in der römischen Kaiserzeit G R Aẞ L , Marktorganisation. 55 Dem Vf. ist bewusst, dass die Abschrift antiker Bücher in Stichen berechnet wurde. Hier geht es aber um die Preise im Buchhandel, die noch durch andere Faktoren (Materialpreis, Neben‐ kosten eines Geschäfts etc.) beeinflusst wurden. Zur vereinfachten Berechnung erscheint es daher legitim, die Wortzahl und nicht die mutmaßlichen Stiche als Berechnungsmaßstab zu verwenden. Nichtsdestoweniger lassen sich die Berechnungen auch auf der Grundlage des aus P.Lond. inv. 2110 (SB 20 14599) bekannten Preises von 28 Drachmen für 10.000 Stichen plausibilisieren (vgl. S K E A T , Length). Setzt man die von F. G. Lang kalkulierte Anzahl von 1632 Stichen für das MkEv zugrunde (vgl. www.stichometrie.de/ gliederung/ markus.html; zuletzt eingesehen: 07.12.2018), kommt man auf einen Wert der Schreibdienstleistung von etwa 4,6 Drachmen (27,6 Obolen), was nicht weit von den ausgerechneten 2,75-4,4 Denaren (11-22 Sesterzen) entfernt liegt. legt, kann man in der Interpretation dieser Daten im Hinblick auf die Möglichkeit des Buchbesitzes auch zu anderen Schlussfolgerungen kommen. So gibt er an, dass eine Papyrus-Vollbibel(! ) in der schlechtesten Schriftqualität 4,3 Solidi und in tabellio 6,4 Solidi gekostet hätte. Selbst eine Person mit einem niedrigen Amt in der Kirche mit einem Jahreseinkommen von 10-15 Solidi hätte sich theoretisch wohl einmal im Leben ein solches Buch kaufen können, wäre es ihm wichtig gewesen, von einzelnen Teilsammlungen oder einzelnen Büchern einmal ganz abgesehen. Für einen Bischof wären es „nur“ 10 % des Jahreseinkommens gewesen. 53 Stellt man die Probleme der Angaben im Höchst(! )preisedikt Diokletians zugrunde, kann man zudem theoretisch noch mit niedrigeren Preisen rechnen. Bei Martial finden wir in den 80er Jahren des 1. Jh. die Angabe, dass man seine Xenien in Rom für vier Sesterzen erwerben könne bzw. dass der Buchhändler (bybliopola) Tryphon auch Gewinn machte, wenn er sie für zwei Sesterzen verkaufte (Mart. 13,3). Diese Angabe deckt sich mit Evidenzen in den Quellen für Preisschwankungen und der Möglichkeit, mit Händlern den Preis zu ver‐ handeln, 54 und belegt die Existenz deutlicher Handelsspannen im Buchhandel. Bei den Xenien handelt es sich um ein relativ kleines Buch mit knapp 2000 Wörtern. Überträgt man diese Angaben hypothetisch auf die Länge z. B. des Markusevangeliums, das etwa 11.000 Wörter umfasst, dann käme man für ein äquivalent gestaltetes Buch auf einen ungefähren Preis von 11-22 Sesterzen (4 Sesterzen entsprechen 1 Denar) für den Erwerb eines Markusevangeliums in Rom. 55 Für die Luxusversion des etwa 5100 Buchstaben umfassenden ersten 282 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 56 Unklar ist mir, wie manche Forscher behaupten können, das in Mart. 1,117 genannte Buch bezöge sich ebenfalls auf die Xenien (so z. B. D O R T M U N D , Buchwesen, 162; L E B E R L , Domitian, 104). Mit B I R T , Buchwesen, 83 ist diese Stelle als selbstreferenzieller Verweis auf das erste Buch der Epigrammata zu beziehen. 57 Statius (1. Jh. n. Chr.) gibt an, Grypus ein Buchgeschenk gemacht zu haben, und zwar ein Luxusbüchlein (libellum) im Wert von 10 As (2,5 Sesterzen) in Purpur, auf neuem Papyrus und schmuckvollen umbilici. Vgl. Stat. silv. 4,9,1-8. Vgl. z. St. R Ü H L , Literatur, 238-241. (Auf solche Luxusausgaben verweist auch Catull. 22.) Auch wenn der Umfang des Werkes - es wird recht kurz gewesen sein, vielleicht vergleichbar mit Martials Xenien, die ebenfalls als Saturnaliengeschenk konzipiert waren (vgl. dazu C O L E M A N , ed., Silvae IV, 220) - nicht mehr genau bestimmt werden kann. Es handelt sich hier nicht um einen außergewöhnlich luxuriösen Preis. Dass Buchgeschenke zu den Saturnalien im Buchhandel gekauft wurden, zeigt z. B. auch Catull. 14. Dass Bücher als Saturnaliengeschenke eher als günstige Geschenke galten, zeigt Lukian. sat. 2,16. 58 Statius vermutet, dass die ihm von Grypus geschenkte und gebrauchte Sammlung von langweiligen Brutusreden im Buchladen für lediglich 1 As (4 As = 1 Sesterze) zu haben wäre (vgl. Stat. silv. 4,9). Es ist zwar nicht klar, wie umfangreich die hier vorauszusetzende Redensammlung gewesen ist, im Vergleich zu den 2-4 Sesterzen für das kurze Martialbuch mit 2.000 Wörtern ist es aber ein wirklich niedriger Preis, geht man davon aus, dass mehrere Reden enthalten waren. Vom Erwerb von einer großen Anzahl antiquarischer griechischer Bücher in einem Buchladen in der Hafenstadt Brundisium zu einem unerwartet niedrigen Preis berichtet bekanntlich Gell. 9,4,1-5. Demgegenüber konnten seltene, stark nachgefragte oder schwer zu bekommende Bücher auch sehr teuer sein. Vgl. zum antiken antiquarischen Buchhandel weiterfüh‐ rend K L E B E R G , Antiquarischer Buchhandel; K L E B E R G , Auctions; S T A R R , Trade. Vgl. ferner das Motiv des Versetzens von gebrauchten Büchern für Wein bei Cic. Sest. 51. Nicht genau bezifferbar ist der Wert der Bücher, die Origenes zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes in einer Art Ratenkauf bzw. als Verrentung verkauft (vgl. Eus. h. e. 6,3,9), da der Umfang der verkauften Bücher nicht genau zu erschließen ist Buches seiner Epigrammata 56 (mit Bimsstein geglättet und mit Purpur einge‐ bunden) gibt Martial an, man bekäme es im Buchladen von Atrectus gegenüber vom Caesarforum zu einem Preis von fünf Denaren, den Martial selbst für hoch gegriffen hält (vgl. Mart. 1,117). 57 Dass Martials Angaben getraut werden kann und sich in seinen satirischen Ausführungen eine reale Situation des römischen Buchmarktes widerspiegeln, geht im Übrigen daraus hervor, dass Epiktet bezeugt, eine Schrift von Chrysippos könne man für 5 Denare kaufen (Epikt. diatr. 1,4,16). Ein zu Martials erstem Buch seiner Epigrammata äquivalent ausgestattetes MkEv hätte etwas mehr als 10 Denare (40 Sesterzen), also etwa das Doppelte gekostet. Dabei ist auch im Hinblick auf die Möglichkeit privater Abschriften hervorzuheben, dass die Material- und Fertigungskosten, um dem Händler einen Gewinn zu ermöglichen, unter den genannten Preisen gelegen haben müssen. Ferner ist zu betonen, dass Bücher durchaus einem Wertverlust unterlagen und Gebrauchtbücher recht günstig erworben werden konnten. 58 (Umgekehrt 283 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur noch bekannt ist, ob die Zahlungen tatsächlich bis zum Lebensende vereinbart waren. Quellenkritisch muss außerdem in Rechnung gestellt werden, dass es sich bei der Formulierung, Origenes habe davon „sehr viele Jahre“ als Philosoph leben können, um eine Übertreibung handeln könnte. 59 Vgl. B I R T , Buchwesen, 45.82-85.356. Vgl. auch Dion Chrys. or. 21,12, der auf die Praxis von Fälschungen alter Bücher verweist. 60 Vgl. dazu den Beleg, dass literarische Texte als Packpapier für Makrelen verwendet wurden. Vgl. Catull. 95,7 f. 61 Vgl. dazu L U I J E N D I J K , Scriptures. 62 Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 287 f. 63 Vgl. weiterführend zu den Daten zu Weizenpreisen, die auch deutlich höher sein konnten, mit einer hilfreichen Übersicht R A T H B O N E , Earnings, 303-310, der für Rom von einer Preisspanne von 6-12 Sesterzen in neronischer Zeit pro modius ausgeht. Dadurch würde die Vergleichszahl auf 9,2-18,5 kg schrumpfen. 64 Vgl. zu den Preisen von Olivenöl D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 179 f. 65 Bestätigt wird diese Angabe von Petron. sat. 30,8, der für einen Mantel aus Tyros einen Wert von 10 Sesterzen angibt. Zur Einordnung hilft der Hinweis, dass einem Gärtner in der Provinz Germania superior lt. CIL 13 5708 im 2. Jh. n. Chr. Kleidungsgeld in Höhe von 20-30 Denaren, also 80 bis 120 Sesterzen zustand (vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 180), wovon er sich in Pompeji einige Kleidungsstücke hätte kaufen können. Vgl. weiterführend die Daten bei S Z A I V E R T / W O L T E R S , Löhne, 343 f. sind aber Wertsteigerungen von seltenen alten Sammlerstücken belegt. 59 ) Lite‐ rarische Bücher konnten sogar einen völligen Wertverlust erleiden und wurden als „Altpapier“ zweitverwertet. 60 Die Tatsache, dass biblische und christliche Bücher insgesamt sogar nachweislich auf den Müll geworfen wurden, 61 lässt es plausibel erscheinen, dass sie potentiell auch als Gebrauchtbücher auch im antiken antiquarischen Buchhandel zu haben gewesen sein könnten. Zur Veranschaulichung seien diese Daten exemplarisch in Zusammenhang mit Wirtschaftsdaten zu Preisen und Löhnen im 1./ 2. Jh. gesetzt. Aus einem Edikt des Legaten Lucius Antistius Rusticus (92/ 93 n. Chr.) wissen wir, dass in Antiocheia in Pisidien ein modius (ca. 6,7 kg) Weizen maximal 1 Denar, also 4 Sesterzen kosten durfte, vor dem Winter aber vermutlich etwas mehr als die Hälfte kostete, 62 womit exakt die Preisspanne angegeben ist, die Martial für seine Xenien angibt. Nimmt man bei beiden Preisen einen Mittelwert (3 Sesterzen für einen Modius Weizen), hätte ein den Xenien vom Martial äquivalent gestaltetes Markusevangelium (16,5 Sesterzen) also in etwa so viel wie knapp 37 kg Weizen gekostet. 63 Oder so viel wie etwa 16 Gläser guter Wein in einer Taverne in Pompeji (CIL 4 1679); gut 5 kg mittelmäßiges Olivenöl (CIL 4 4000), 64 eine Tunica jeweils in Pompeji (15 Sesterzen; CIL 4 9108); 65 wie die Miete einer oberen Etage in einem Stadthaus in Rom für drei Tage (Plut. Sulla 1,4 gibt die Jahresmiete im Obergeschoss mit 2000 Sesterzen an) oder wie acht Dachziegel (Cato agr. 14,3). Im Hinblick auf das frühe Christentum sei ferner auch noch auf die hohen 284 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 66 S. u. Anm. 135, S. 411. 67 Vgl. weiterführend außerdem die Kalkulationen bei H E Z S E R , Travel, passim; s. ferner C O N C A N N O N , Aspects. Diese Belege relativieren die Einschätzung P.Lampes, der von relativ niedrigen Kosten für einfache Reisetätigkeiten in der griechisch-römischen Antike ausgeht. Vgl. L A M P E , Christen, 162-164, der aber immer noch 1000 Sesterzen als Kosten für die Reisen Aquilas kalkuliert. Lampe scheint die genannten Belege nicht zu kennen, seine eigenen Kalkulationen sind unsicherer, da sie sich weitgehend auf allgemeine Daten der Lebenserhaltung beziehen. Vor allem ist es methodisch schwer begründbar, Transporttarife für Waren auf See auf Schifffahrtstarife für Personen zu übertragen. Gegen L A M P E , Christen, 163. Kosten von Reisetätigkeiten verwiesen, die ja im NT und in der frühchristlichen Literatur vielfach bezeugt sind 66 und die ein Vielfaches von Büchern gekostet haben müssen. Ios. ant. 12,4,3 (168-170) gibt den Aufwand für eine Reise von Samaria nach Alexandria in einfacher Ausstattung (der Reisende wird von den ebenfalls diese Strecke Reisenden von den hohen Beamten aus den Städten Syriens und Phöniziens für seine Armut verspottet! ) mit 20.000 Drachmen an. Mit 10.000 Drachmen reist Hyrkanos zwar günstiger (Ios. ant. 12,4,7 [198]), es handelt sich aber immer noch um eine beträchtliche Summe, vergleicht man dies mit den 28 Drachmen, die Lond. inv. 2110 (SB 20 14599) als Preis für das Schreiben von 10.000 Stichen angibt. Was Reisen der Oberschicht kosten konnten, veranschaulicht Ios. ant. 17,5,3 (96) bzw. bell. Iud. 1,32,2 (625), der angibt, Antipas, der Sohn des Herodes hätte 300 Talente (die unvorstellbar große Summe von 1,8 Mio Drachmen) für seine Reise nach Rom angewiesen bekommen. 67 285 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 68 Aus überlieferten Arbeitsverträgen aus dem 2. Jh. wissen wir, dass Arbeiter in Gold‐ minen etwa 6 As (= 1,5 Sesterzen) zzgl. Lebensmittelzuwendungen (CIL 3 948 TC 10) oder 9 As (= 2,25 Sesterzen) ohne Lebensmittelzuwendungen (CIL 3 949 TC 11) verdienten, woraus vorsichtig zu schließen ist, dass mit 3 As ein Grundbedarf an Lebensmitteln gedeckt werden konnte. Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 282 f. Aus Pompeji sind Tageslöhne von bis zu 4 Sesterzen belegt (CIL 4 6877; 8566,11) - dies deckt sich mit den Angaben des einen Denars als Tageslohn im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (vgl. Mt 20,1-16) -, wobei 2 Sesterzen wohl dazu ausreichten, sich sogar abwechslungsreich zu ernähren. Für eine Kleinfamilie waren in Rom aber wohl 3-4 Sesterzen pro Tag notwendig, an anderen Stellen im Römischen Reich (man muss mit saisonal und regional großen Preisgefällen rechnen) konnte man sich mit diesem Geld aber durchaus besser ernähren (so bekam man um 100 n. Chr. in Nordbritannien für 32 Sesterzen etwa 33,5 kg Gerste, 15 Pfund Speck, 30 Eier, 60 Liter Bier und etwas Salz). Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 177 f.283, mit den entsprechenden Verweisen auf die Literatur. Tageslöhne von durchschnittlich 7 Obolen (für Mäharbeiten sogar deutlich mehr: 10-17 Obolen), d. h. etwas höher als die 4 Sesterzen, finden sich für das 2. Jh. in Ägypten in P.Mil. Vogl. 7 305. Dies deckt sich mit den Angaben bei Lukian. Gall. 22. Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 283-285, der den Tagesverdienst eines Schusters mit 7 Obolen angibt, wobei damit lt. seiner Einschätzung ein Leben ohne existenzielle Not möglich gewesen ist. Für höher spezialisierte Arbeiter sind sogar noch höhere Löhne bezeugt. P.Flor. 1 69 aus dem 3. Jh. n. Chr. belegt Löhne für Sägearbeiter in einer Werft von 7-8 Drachmen. Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 183. Diese Daten sollten freilich nicht so missverstanden werden, als hätte es im Römischen Reich keine Armut gegeben (ganz im Gegenteil; s. dazu D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 163-176.279-281; weiter‐ führend z. B. P R E L L , Sozialökonomische Untersuchungen; A T K I N S / O S B O R N E , Poverty), sondern deutlich machen, dass Pauschalurteile der Komplexität antiker Verdienste nicht angemessen sind. 69 Ein einfacher Legionssoldat bekam unter Domitian (83/ 84 n. Chr.) einen Jahressold von 1.200 Sesterzen, unter Severus (197 n. Chr.) von 2.400 Sesterzen, wovon nachweis‐ lich größere Summen zurückgelegt werden konnten. Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 49.179. In den stadtrömischen Kohorten verdiente man etwa das 1,5fache, die Prätorianer bekamen etwa das 3fache des Grundsolds. Vgl. weiterführend R A T H B O N E , Earnings, 310-312. Zur Lesefähigkeit von Soldaten vgl. B E S T , Soldier, und die Angaben o. in Anm. 211, S. 65. 70 Ein Legionscenturio, der nicht aus dem Ritterstand kam, sondern als normaler Bürger aus den unteren Dienstgraden aufstieg, bekam im 2. Jh. n. Chr. wohl ein Jahresgehalt von 18.000 Sesterzen, d. h. ein umgerechneter Tageslohn von ca. 50 Sesterzen. Centurionen in der cohortes vigilium und der Prätorianerkohorte bekamen mit bis zu 40.000 Sesterzen noch deutlich mehr. Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 181. Setzt man diese Preiskalkulation zugrunde, wäre ein solches MkEv sogar theo‐ retisch für einen Arbeiter, 68 aber z. B. auch für Soldaten 69 - für Offiziersränge ohne Frage 70 - potentiell erschwinglich gewesen (ob diesen Gruppen ein Buch eine solche Investition wert gewesen wäre, ist eine andere Frage! ), um so mehr für die gesellschaftliche Gruppen, die wahrscheinlicher als potentielle 286 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 71 So belegt P. Brem. 46 (110 n. Chr.) ein Honorar von 400 Drachmen für das Halten von Festreden in Hermupolis (Mittelägypten) durch den Rhetor Licinius. Vgl. D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 273. Vgl. außerdem die Daten bei S Z A I V E R T / W O L T E R S , Löhne, 328. 72 Zumindestens geben die Quellen Aufschluss über einige gut bis sehr gut entlohnte Lehrer. Der Maler Pamphilos nahm laut Plin. nat. 35,36,76 im 4. Jh. v. Chr. ein Honorar in Höhe von einem Talent von seinen Schülern; eine Inschrift aus der Provinz Spanien belegt ein Jahreseinkommen von 1.200 Denaren für einen grammaticus latinus (CIL 2 2892); der Grammatiker und freigelassene Sklave M. Verrius Flaccus, der sich durch eine besondere kompetitive Didaktik auszeichnete (ein Sieger im Wettberwerb der Schüler untereinander bekam ein schönes oder seltenes altes Buch), erhielt im Dienst von Augustus gar ein Jahresgehalt von 100.000 Sesterzen (vgl. Suet. gramm. 17), was nicht die oberste Grenze für Lehrtätigkeiten darstellte (vgl. zur Einordnung M R A T S C H E K , Divites, 36-40); der Grammatiker Quintus Remmius Palaemon, der als Sklave eine Weberausbildung erhielt und den Sohn seines Herren zur Schule begleitete, später dann freigelassen wurden, bekam in der Zeit des Tiberius und Claudius von seiner Schule in Rom ein Jahresgehalt von 400.000 Sesterzen (vgl. Suet. gramm. 23). Freilich finden sich auch Berichte über (relativ) arme oder verarmte Lehrer, so z. B. der syrische Grammatiker Marcus Pompilius Andronicus, den man wegen seiner Nähe zum Epikureismus in Rom als nicht qualifiziert ansah und der daher sein Leben viele Bücher schreibend (das konnte er sich leisten! ) in Cumae fristete. Durch den Verkauf eines seiner Bücher, das dann unter anderem Namen veröffentlich wurde, konnte er aber z. B. immerhin 16.000 Sesterzen einnehmen (vgl. Suet. gramm. 8). Selbst für Elementarlehrer, die weniger als Grammatiker verdienten, sind Angaben überliefert, dass sie es zu Sklavenbzw. Land- und Immobilienbesitz gebracht haben. Vgl. C R I B I O R E , Writing, 21 f. Weiterführend zur ökonomischen Dimension des antiken Schulwesens und zu Verdiensten sowie zur sozialen Stellung von Lehrern B O N N E R , Education, 146-162; M A U R I C E , Teacher, 143-178. 73 Vgl. dazu die Daten bei D R E X H A G E / K O N E N / R U F F I N G , Wirtschaft, 159 f; S Z A I V E R T / W O L ‐ T E R S , Löhne, 46 f.48. 74 Vgl. die Daten bei S Z A I V E R T / W O L T E R S , Löhne, 325. 75 Vgl. die Daten bei S Z A I V E R T / W O L T E R S , Löhne, 327-329. 76 So auch B A G N A L L , Books, 63. 77 z. B. eine Perlenkette (lt. Tert. de cultu fem. 1,9,3 1 Mio Sesterzen); ein Purpurmantel (lt. Mart. 8,10,1, 10.000 Sesterzen; eine Purpurtoga hat lt. Mart. 10,41,5 100.000 Sesterzen Leser in Frage kämen: z. B. für Berufsredner, 71 für Lehrer, 72 Ärzte und Juristen, 73 erfolgreiche Händler, 74 Künstler und Schauspieler. 75 Diese Daten zeigen, Bücher waren keine, für die meisten gesellschaftlichen Schichten unerschwingliche Luxusprodukte, sondern Handwerksprodukte, 76 die sich im Vergleich zu wirkli‐ chen Luxusprodukten 77 potentiell nicht nur Mitglieder der obersten Elite leisten konnten. Dies wird auch in den Quellen selbst bestätigt. So besitzt der mittellose 287 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur gekostet); ein Tisch aus Citrusholz (lt. Plin. nat. 13,29,91 0,5 Mio Sesterzen); ein Silberbecher (lt. Plin. nat. 33,53,147 50.000 Sesterzen); eine Marmorsäule (lt. Val. Max. 9 ,1,4 10.000 Sesterzen); ein Triclinium (lt. Plin. nat. 8,74,196 0,8 Mio Sesterzen). Vgl. S Z A I V E R T / W O L T E R S , Löhne, passim. 78 Vgl. z. St. S C H M I T Z , Satiren, 79.91 f.104 f.149. 79 Vgl. weiterführend und mit den entsprechenden Quellenbelegen und Verweisen auf die Forschung K R A U S , Bücherleihe, üb. u. wiederabgedruckt in K R A U S , Ad fontes, 206. 80 S. o. Anm. 9, S. 21. 81 Vgl. dazu z. B. H E N G E L , Evangelienüberschriften; T R O B I S C H , Endredation, passim; Pe‐ tersen, Evangelienüberschriften; G A T H E R C O L E , Titles; L A I R D , Titles; H E I L M A N N , These, 23-31. 82 Vgl. zum titulus als Merkmal von antiken Buchhandelsexemplaren D Z I A T Z K O , Untersu‐ chungen, 157 f.166, Anm. 4. Aussagekräftig ist v. a. sein Verweis auf Gal. lib. prop. ed. K Ü H N 19, p. 10,4-6, wo die Titellosigkeit von privaten Abschriften explizit thematisiert wird. Cordus bei Juvenal neben einem Bett und einigen Gefäßen immerhin eine Kiste mit griechischen Büchern (vgl. Iuv. 3,200-211). 78 Aus allgemeiner kulturgeschichtlicher Sicht bleibt also festzuhalten, dass Le‐ serinnen und Leser im frühen Christentum nicht prinzipiell darauf angewiesen waren, ihre Literatur durch Vorlesungen in Gemeinden zu rezipieren, sondern dass eine Verfügbarkeit christlicher Literatur durch den antiken Buchmarkt durchaus in den Bereich des Vorstellbaren gehört - neben der Möglichkeit der Beschaffung über „private“ Kanäle (sei es zur Abschrift oder zur einfachen Ausleihe 79 ), was wiederum „privaten“ Buchbesitz voraussetzt. Die Möglichkeit der Partizipation am antiken Buchmarkt gehört umso mehr in den Bereich des Wahrscheinlichen, als das Paradigma des frühen Christentums als Unterschich‐ tenphänomen nicht mehr aufrecht zu erhalten ist und man davon ausgehen kann, dass die frühchristlichen Gemeinden sich maßgeblich aus mittleren Gesellschaftsschichten zusammensetzte und z. T. auch mit Mitgliedern aus reicheren Gesellschaftsschichten zu rechnen ist. 80 Auch die Tatsache, dass der Kämmerer in Act 8 einen Text des Propheten Jesaja liest (s. dazu u. 4.2.2), deutet auf die Bekanntheit des Konzepts käuflichen Erwerbs biblischer Schriften hin. Auch die Titelangaben in den Handschriften 81 deuten darauf hin, dass neutesta‐ mentliche Texte nicht bloß in privaten Netzwerkstrukturen zirkulierten. 82 Diese Einsicht, dass literarische Schriften in der frühen Kaiserzeit keine absoluten Luxusprodukte darstellten, hat auch unmittelbare Relevanz für die oben schon erwähnte Debatte in der Judaistik um den „öffentlichen“ Zugang zur Tora und zur Frage nach der Tora im Privatbesitz - und zwar insofern, als es ein Indiz gegen die skeptische Position liefert, welche den „privaten“ Buchbesitz im antiken Judentum weitgehend negiert. 288 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 83 Vgl. z. B. B A U M G A R T E N , Torah; H I M M E L F A R B , Torah, S C H O R C H , Libraries: S C H O R C H , Com‐ munio lectorum. Die Debatte kann hier nicht ausführlich dargestellt werden. Im Hinblick auf die Frage nach Lesepraktiken sei aber auf die Gefahr einseitiger Generali‐ sierungen hingewiesen. Sowohl diejenigen, die eine eher positive Sicht auf den Zugang zur Tora im antiken Judentum vertreten, 83 als auch die Vertreterinnen und Vertreter einer eher skeptischen Sicht sehen richtige und wichtige Aspekte in den Quellen. Aber sowohl die Vorstellung, dass nahezu jeder jüdische Haus‐ halt in der Antike eine Tora besaß, als auch die These, der Zugang zur Tora wäre lediglich auf eine sehr kleine Elite beschränkt gewesen, sind vermutlich extreme Überzeichnungen. Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass die Diskus‐ sion zuletzt maßgeblich an der Frage nach dem Grad der Literalität hängt und die Position der Vertreterinnen und Vertreter der skeptischen Sichtweise von äußerst unsicheren Schätzungen eines sehr geringen Literalitätsgrad abhängig sind (s. dazu o. 1.3.3, insb. Anm. 232-233). Hier ist noch einmal zu betonen, dass der Zusammenhang zwischen Illiteralität/ fehlendem Buchbesitz und dem Vorlesen in Gruppen, also dass illiterate Bevölkerungsschichten als intendierte Adressaten und tatsächliche Rezipienten der überlieferten literarischen Texte des frühen Judentums und Christentums zu verstehen wären, zunächst einmal zu erweisen wäre. 289 5 Publikation in der Antike und Verfügbarkeit von Literatur 1 Der Seh- und Hörsinn war für die griechische Kultur gleichermaßen wichtig, wobei jedoch dem Sehen in der philosophischen Diskussion grosso modo ein leichter (erkennt‐ nistheoretischer) Vorzug zugebilligt wird. S. dazu weiterführend W I L L E , Akroasis, 1101-1111. S. o. Anm. 186, S. 60. 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte Die Erschließung der Lesetermini und der materiellen Dimension des Lesens in der Antike hat deutlich gemacht, dass die unter 1.5 vorgeschlagene differen‐ zierte Beschreibungssprache angesichts des mannigfaltigen Quellenbefundes in heuristischer Hinsicht notwendig ist, um die Vielfalt und Multifunktionalität an‐ tiker Lesepraktiken zu untersuchen. Zahlreiche der untersuchten Bildbereiche, aber insbesondere die weit verbreitete Konnotation des Lesens mit dem Sehsinn zeigen, dass die in der Einleitung angeführten Thesen zur primär auditiven Konnotation antiker Literatur und antiker Leseprozesse angesichts dieses Be‐ fundes eine grobe Verkürzung darstellt und die Wichtigkeit des Sehsinns für die griechische Kultur vernachlässigt. 1 Diese Verkürzung ist darauf zurückzu‐ führen, dass die Quellenauswahl der bisherigen Forschung durch Vorannahmen des oralen und gemeinschaftsbezogenen Charakters des Lesens in der Antike eingeengt ist. Die Vielfalt der Lexeme, Metaphern und Metonymien, die Lesen konzeptualisieren, entspricht der Heterogenität und Multifunktionalität antiker Lesepraktiken. Insbesondere die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den materiellen Grundlagen des Lesens und der physiologischen und kogniti‐ onspsychologischen Dimension des Lesevorgangs (4) hat aufschlussreiche Er‐ gebnisse hervorgebracht. Dabei haben die vielfältigen Reflexionen antiker Lese‐ praxis, die durch die Untersuchung antiker Leseterminologie gefunden werden konnten (3), deutlich gezeigt, dass es sich bei den Beschreibungskategorien zur Physiologie und Kognitionsphysiologie des Lesens nicht um anachronistische Konzepte handelt. Vielmehr korrespondieren diese Kategorien, wie die Befunde in den Quellen und insbesondere die herausgearbeitete Beschreibungssprache des Lesens zeigen, mit der antiken Selbstwahrnehmung des Lesens. Ein wichtiges Ergebnis der vorhergehenden Untersuchungsschritte besteht darin, dass es sich beim Lesen in der Antike nicht um einen bloßen Akt der Wiederhörbarmachung des im Text gespeicherten Klangs bzw. gesprochenen Wortes handelt, sondern dass Lesen auch in der Antike ein komplexer Vorgang semiotischer Dekodierungsprozesse in der physiologischen und kognitiven 2 Diese Einsicht findet sich auch schon - etwas anders formuliert und weniger ausführ‐ lich begründet - bei M C C U T C H E O N , Silent, 77. 3 S. dazu B I C K E N B A C H , Möglichkeiten, 1. Interaktion mit Texten war, die sich in konkreter, kulturspezifischer Weise materiell und darin vor allem visuell wahrnehmbar manifestiert haben. 2 Es ist deutlich geworden, dass die kognitive Verarbeitung des Geschriebenen sowohl beim Vorlesen (vermutlich die kognitiv herausforderndere Form des Lesens) als auch bei der individuell-direkten Lektüre vor der lautlichen Realisierung mit der Lesestimme oder der inner reading voice abläuft. Der Einsatz der Stimme ist sekundär und betrifft lediglich die Frage, ob die in unterschiedlichen Formen und komplexen Prozessabläufen von einem Individuum synthetisierten 3 und kognitiv verarbeiteten Buchstaben, Silben, Wörter, Sätze auch in Form von realiter gesprochenem Text weiterverarbeitet werden. Dies gilt im Übrigen auch, wenn jemand eine indirekte Rezeptionssituation mit einem Leseverb beschreibt - was in den Quellen selten vorkommt -, da hier von einer konzeptionellen Übertragung des Phänomens „Lesen“ auf die hörende Rezeption eines Textes auszugehen ist. Es wäre erst zu erweisen, dass jemand in der Antike, der des Lesens nicht mächtig war, eine indirekte Rezeption vorgelesener Texte z. B. mit dem Verb ἀναγιγνώσκω oder lego bezeichnete hätte. Im Folgenden wird der Befund entlang der wichtigsten oben vorgeschla‐ genen Kategorien in systematisierender Hinsicht zusammengestellt und anhand aufschlussreicher Quellen illustriert, um davon ausgehend die Lesepraxis im antiken Judentum und frühen Christentum untersuchen zu können. Für einen besseren Überblick sind die folgenden Ausführungen entlang der Unterschei‐ dung von kollektiver Rezeption und individueller Lektüre strukturiert. An dieser Stelle ist auch noch einmal auf das Schaubild auf S. 88 hinzuweisen, das die Lektüre der folgenden Ausführungen erleichtern kann. 6.1 Kollektive Rezeption und Lesen beim Gemeinschaftsmahl Kategorien wie public/ communal reading oder performative readings sind zu grob, um den differenzierten Quellenbefund gemeinschaftlicher Lektüreszenen sinnvoll zu erfassen. Es ist deutlich geworden, dass bezüglich des Verhältnisses der Lesenden/ Rezipienten zum Schriftmedium zwischen kollektiv-direkter Lektüre (aus einem oder mehreren Schriftmedien) und kollektiv-indirekter Rezeption zu unterscheiden ist. Aufschlussreich war diesbezüglich eine kollektiv-direkte Leseszene bei Plut. de Alex. fort. 1,11 (mor. 332e-333a; s. o. S. 119). Alexander liest hier einen Brief seiner Mutter nicht-vokalisierend, während Hephaistos über 292 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte 4 Vgl. z. B. Mart. 3,68.86; 5,2; 7,35 u. ö.; Ov. trist. 2,243-280; Lukian. im. 9; weiterführend G L A Z E B R O O K , Reading; B R E M M E R , Authors, mit weiterführenden Hinweisen auf die For‐ schungsliteratur und die Quellen. Eindrucksvoll ist die Darstellung auf einem Grabrelief aus Rom, auf dem eine sitzende Frau Schreibtafeln in der Hand hat und die Buchhaltung eines Metzgers macht. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, inv. Hm 415. Vgl. die Abb. in H A R R I S , Ancient Life, 145. Für eine Darstellung einer Frau mit Buchrolle in der christli‐ chen Ikonographie vgl. die aus dem 3./ 4. Jh. stammende Darstellung in der Katakombe „Santi Marcellino e Pietro“ RCLau 65,3 (D E C K E R S / S E E L I G E R / M I E T K E , Catacomba, 316 u. Taf. 44d). Vgl. außerdem weiterführend H A I N E S -E I T Z E N , Girls; H A I N E S -E I T Z E N , Gendered Palimpsest; E C K A R D T , Writing, 154-175; H Ü B N E R , Frauen, deren statistische Ergebnisse allerdings unter den methodischen Vorbehalten stehen, die unter 1.3.3 dargelegt worden sind. 5 Ein solcher Fall liegt z. B. in Lukian. dial. meretr. 10,4 vor, wo die kollektive Lektüre durch die Formulierung ἀναγιγνώσκω μετ᾽ αὐτοῦ zum Ausdruck gebracht wird. seiner Schulter ebenfalls nicht-vokalisierend mitliest (συναναγιγνώσκω). Schon bei Xenophon findet sich die Anekdote, dass Sokrates und Kristobulos beim Griechischunterricht Kopf an Kopf etwas in derselben Buchrolle suchen (vgl. Xen. symp. 4,27). Cicero beginnt sein Werk Topica mit einer Leseszene auf seinem tusculanischen Landgut, in der er und Gaius Trebatius in der Privatbibliothek gemeinsam, aber jeder für sich in einer eigenen Rolle lesen (s. o. Cic. top. 1,1). Kollektiv-direktes Lesen (hier in einer öffentlichen) Bibliothek ist darüber hinaus auch in den Noctes Atticae von Gellius bezeugt (vgl. Gell. 13,20,1). In Kyrills Katechesen ist belegt, dass Frauen bei ihren Treffen (σύλλογος) individuell-direkt und nicht-vokalisierend lesen sollen (vgl. Kyr. Hier. Procatechesis 14, s.o. S. 49). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass lesende Frauen in der griechisch-römischen Welt durchaus breit bezeugt sind. 4 Eine kollektiv-direkte Rezeptionssituation setzt wohl auch Eus. vita Const. 4,17 voraus. Euseb spricht von einer Versammlung im Palast - von Euseb als „Kirche Gottes“ interpretiert. Bei dieser geht Konstantin eifrig allen voran, und zwar „nahm er die heiligen Bücher in die Hand und widmet sich der Betrachtung der heiligen Aussprüche (μετὰ χεῖράς γέ τοι λαμβάνων τὰς βίβλους τῇ τῶν θεοπνεύστων λογίων θεωρίᾳ προσανεῖχε τὸν νοῦν)“ (Üb. P FÄTTI S C H / B I G E LMAI R ), bevor er mit den Anwesenden betet. Die Formulierung impliziert eine individuelle Auseinandersetzung mit den Texten. Dieser Befund kollektiv-direkter Leseszenen ist insofern von großer methodischer Relevanz, als er bedeutet, dass, wenn in den Quellen auf kollektive Rezeption verwiesen wird, ohne sichere Kontextmarkierungen nicht entschieden werden kann, ob kollektiv-direkte Lektüre oder kollektiv-indirekte Rezeption vorliegt. 5 Für die kollektiv-direkte Lektüre gelten ansonsten die meisten der untenstehenden Überlegungen zur individuell-direkten Lektüre. Deutlich häufiger als kollektiv-direkte Formen der Lektüre finden sich in den Quellen dagegen Szenen kollektiv-indirekter Rezeption. Dabei ist deutlich, dass 293 6.1 Kollektive Rezeption und Lesen beim Gemeinschaftsmahl 6 Plinius d. Ä. (nat. 7,24,89) berichtet von dem Griechen Charmadas, der die außerge‐ wöhnliche Begabung gehabt haben soll, alle Bücher in der Bibliothek „im Modus des Lesens (legentis) modo“ vorzutragen (repraesento). Die Spezifikation legentis modo, die in Sinne von „als ob er vorlesen würde“ zu verstehen ist, wäre redundant, wären Vorlesen und das Vortragen von Auswendiggelerntem in der Antike deckungsgleich. 7 Vgl. zu letzterem B O N N E R , Education, 212-246; außerdem einige der Quellen, die B U S C H , Lesen, passim, anführt. Vgl. für das antike Christentum z. B. EvInf Thom 14[15]. 8 Vgl. z. B. Demosth. or. 18,259; Hdt. 2,62,2. Vgl. weiterführend B R E M M E R , Books, 29-336. Zu einem ähnlichen Fazit in Bezug auf die römische Religion kommt auch Woolf, Reading, 200: „reading was widely accepted as a mode of individualization. Yet the reading was not ritualized, and the selves created by reading had no appreciable religious dimensions.” 9 Vgl. weiterführend z. B. G R A F / J O H N S T O N , Ritual; B R O D E R S E N / K R O P P , Fluchtafeln; B U S C H , Magie, 23-82; B O S C H U N G / B R E M M E R , Materiality; F R E N S C H K O W S K I , Magie. das Vortragen von etwas Auswendiggelerntem vom schriftmediengebundenen Vorlesen qualitativ unterschieden wurde 6 und man - gegen die Annahmen des sog. Biblical Performance Criticism (s. o. 1.1.2) - bei der Verwendung der gängigen Lesetermini ἀναγιγνώσκω und lego in Kontexten kollektiv-indirekter Rezeption auch von schriftmediengebundenem Vorlesen ausgehen sollte. Der Befund kollektiv-indirekter Formen der Rezeption von Texten ist allerdings so vielfältig, dass es sich verbietet, eine einheitliche griechisch-römische Vor‐ lesekultur zu postulieren. So ist das vor allem funktional orientierte und mit politischen Institutionen verbundene Verlesen eines Textes etwas anderes als Vorlesen im Kontext der literarischen Buchkultur. Kollektiv-indirekten Formen der Rezeption von Texten stehen in den Quellen - abgesehen von wenigen Ausnahmen - im Kontext politischer Versammlungen (auch Versammlungen von Militärs) und in Gerichtskontexten, ferner im Schul‐ kontext und der Rhetorikausbildung. 7 Dabei handelt es sich aber um funktionale und (wie auch im modernen politischen System) mit der jeweiligen Institution fest verbundene Formen des Verlesens von Dekreten, Beschlüssen, Gesetzen etc. bzw. Urteilen bzw. Texten aus dem Bildungskanon auf der einen Seite und um Briefkommunikation zwischen (politischen) Institutionen auf der anderen Seite. Die kollektiv-indirekte Rezeption literarischer Texte ist dagegen eindeutig unterrepräsentiert in den Quellen und beschränkt sich weitestgehend auf recitationes, auf die in Kürze zurückzukommen sein wird. Auch Leseakte im Rahmen von religiösen Ritualen (die wissenschaftliche Diskussion bezieht sich v. a. auf Initiationsrituale) sind in den Quellen unterrepräsentiert, 8 sollten aber der Vollständigkeit halber und angesichts archäologischer Zeugnisse (dabei handelt es sich freilich meist um recht kurze Texte) erwähnt werden. 9 Es ist allerdings äußerst fraglich, inwiefern Lesepraktiken, die mit diesen Zeugnissen in Verbindung stehen - die sicherlich einer eingehenderen Untersuchung 294 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte 10 Vgl. dazu B L U M E / P A U L S E N , Art. Wettbewerbe. Vgl. zum Wettbewerb poetischer Texte bei den kapitolinischen Spielen Mart. 4,54; Stat. silv. 5,3,231 f und den eindrücklichen epi‐ graphischen Befund: CIL 6 33976 (mit ikonographischer Darstellung des Vortragenden, der eine Buchrolle in der Hand hält); CIL 9 2860. Vgl. zum Vorlesen bei den Isthmischen Spielen in Korinth Dion Chrys. or. 8,9. 11 So P A R K E R , Books, 201 [Zitat ebd.]. Eine solche Ausnahme findet sich z. B. in Suetons Claudius-Biographie. Im Kontext seiner Darstellung der schriftstellerischen Tätigkeit von Claudius kommt er auf zwei griechische Geschichtswerke von diesem zu sprechen, bezüglich derer Claudius verfügte, sie sollten alljährlich in einem nach ihm benannten Gebäude des Museion in Alexandria von je einer Person komplett wie in einem Audi‐ torium rezitiert werden (… uelut in auditorio recitarentur toti a singulis …, Suet. Claud. 42). Sowohl das Verb recito als auch der Verweis uelut in auditorio (einem Ort, an dem recitationes durchgeführt wurden; s. u.) zeigen hier, dass es sich um eine uneigentliche Art der Rezeption, um eine Institutionalisierung ein und derselben recitatio handelt, die stellvertretend durchgeführt und damit für die Ewigkeit „konserviert“ wird. Man kann sogar so weit gehen, in der beschriebenen institutionalisierten Verlesung gleichsam ein Ritual der Herrschaftshuldigung zu sehen. lohnen - in Analogie zum Lesen biblischer Texte im frühen Christentum gesetzt werden könnten (damit ist nicht der Wert dieser kleinen schriftlichen Zeugnisse für die Rekonstruktion der antiken Lebenswelt gemeint! ). Bezüglich der literarischen Buchkultur ist zunächst noch einmal zu betonen, dass es sich bei der vielfach belegten recitatio nicht um die Normalform der Rezeption von Literatur handelt, sondern um eine untrennbar mit der Präsenz des Autors verknüpfte Institution, die im Rahmen des Redaktionsprozesses eine Korrektivfunktion einnahm, also eine Art Probelauf vor Publikum ermöglichte, bevor ein Text endgültig publiziert wurde (s. o. 5). Davon zu unterscheiden ist das Vorlesen weitgehend finalisierter und schon für ein größeres Publikum bestimmter (publizierter) Texte, bei dem es dann vor allem in Wettbewerbskontexten als auch in Unterhaltungssituationen auf eine besondere Performanz ankam. Dabei handelt es sich also um eine Form stark inszenierter Lesepraxis. Während künstlerische Wettbewerbe im klassischen Griechenland durch das Drama geprägt waren (also durch die Inszenierung auf der Bühne und nicht durch das Vorlesen) und auch sonst in der hellenistisch-römischen Welt der rhetorische Wettbewerb dominierte, finden sich im kaiserzeitlichen Rom insbesondere im Kontext der durch Domitian begründeten Kapitolinischen Spiele auch Vorlesewettbewerbe, die allerdings auf poetische Texte beschränkt waren. 10 „[S]taged public performance by professionals, people other than the author” war eine absolute Ausnahme. 11 Während es sich bei den bisher genannten Kontexten weitgehend um Lese‐ anlässe im öffentlichen Raum handelt, ist mit dem antiken Gemeinschaftsmahl ein weiterer Ort belegt, an dem (insb. literarische) Texte kollektiv-indirekt 295 6.1 Kollektive Rezeption und Lesen beim Gemeinschaftsmahl 12 Vgl. insb. Cic. Att. 16,5(3),1 (s. o. Anm. 20, S. 274); Suet. vit. Ter. 2: Terentius trägt aus seiner Komödie Andria bei einem Mahl von Caecilius vor. Nach wenigen Zeilen darf er seinen Platz auf einem Sessel (subsellium) durch einem Platz auf der Kline (lectus) ein‐ tauschen, was als „Ausdruck sozialer Anerkennung“ (K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 76) zu verstehen ist und von wo aus er den Rest seines Textes vorträgt. Bezüglich dieser Quelle ist anzumerken, dass es offen ist, inwiefern dieses frühe Zeugnis aus der Republik (2. Jh. v. Chr.) auf die Zeit der literarischen Kultur des frühen Principats übertragbar ist. Bei zahlreichen Quellenbelegen zu recitationes ist nicht eindeutig, in welchem Kontext sie stattfinden. Es ist aber durchaus plausibel, sich das Gemeinschaftsmahl als Kontext zahlreicher in den Quellen belegter recitationes vorzustellen. 13 So hebt er hervor, dass die Zuhörer einer zweitägigen recitatio auf Sitze gesetzt werden, die vor den Klinen aufgestellt wurden; also die recitatio in den Kontext des Gemeinschaftsmahles hineingeholt wurde. Vgl. Plin. ep. 8,21. 14 Vgl. z. B. Plin. ep. 6,17,1; 7,17,13 sowie Angaben G E O R G E S , Handwörterbuch, 556. 15 Eindrucksvoll bestätigt dies Lukian. symp. 21.28 f: Und zwar hat hier ein Haussklave (οἰκέτης) die Aufgabe, einen Brief ἐν τῷ κοινῷ zu lesen, und zwar „zum Hören für alle“ (εἰς ἐπήκοον ἅπασιν) beim Gemeinschaftsmahl. Die explizite Aufforderung liegt darin begründet, dass es sich um einen Privatbrief an Aristaenetos handelt, der im Kontext als Anklageschrift fungieren und den Gastgeber bloßstellen soll. Entscheidend ist nun aber das folgende Detail: Die retrospektiv formulierten Reaktionen von Philon und Lykinos, Teilnehmer des Mahls, machen deutlich, dass sie eigentlich nicht damit rechneten, dass ein Brief vorgelesen würde. Als sie sahen, dass der Sklave mit dem Schriftstück zur Lampe trat und damit sinnfällig deutlich machte, dass er etwas vorlesen wollte, hätten die beiden eine Rede oder einen lyrischen Text erwartet und waren stattdessen vom Vorlesen eines Briefes überrascht. 16 Charit. Cal. 4,5,8 f belegt eindeutig die nicht-vokalisierende, visuell konzeptualisierte Lektüre von Briefen inmitten eines Symposions (ταύτην τὴν ἐπιστολὴν ἐν μέσῳ τῷ συμποσίῳ Διονύσιος ἀνέγνω … ἐντεμεῖν δὲ τὰς σφραγῖδας κελεύσας ἐντυγχάνειν ἐπειρᾶτο τοῖς γράμμασιν. εἶδεν οὖν …). Dabei dürfen die anderen Symposiasten nicht mitbekommen, was in einem der Briefe steht: … φοβούμενος ἄλλον αὐτοῖς ἐντυχεῖν. S. zu dieser Stelle weiterführend N I M I S , Cite, 79-83. Aristoph. Equ. 110-115 (S. 202); rezipiert wurden und der grundsätzlich eher einen nicht-öffentlichen Charakter hatte. Vorab ist jedoch zu betonen, dass auch recitationes im Rahmen des Gemeinschaftsmahls stattfinden konnten 12 und auch einige der im Folgenden zu besprechenden Quellen als recitationes verstanden werden können. Allerdings geht aus einem Brief von Plinius an Arrianus hervor, dass recitationes eigentlich in einen anderen Kontext gehören und die Zuhörer für gewöhnlich sitzen. 13 So wird in den Quellen zuweilen ein auditorium als Austragungsort einer recitatio angegeben. 14 Die Quellen lassen weiterführende Schlussfolgerungen zur antiken sympo‐ sialen Lesepraxis zu. Während zunächst einige Stellen, an denen es um das Lesen von Briefen beim Symposion geht, warnen, dass die kollektiv-direkte Rezeption von Briefen als etwas Ungewöhnliches verstanden werden konnte 15 und nicht jede Leseszene im symposialen Kontext kollektiv-indirekte Rezeption meint, 16 296 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte Athen. deipn. 1,8 [5b] (S. 187); Ios. vita 219-223 (S. 271) sind oben schon besprochen worden. 17 Weiterführend zur Rolle literarischer Bildung in Plutarchs Symposiendialogen E G E L ‐ H A A F -G A I S E R , Tischgespräche. 18 Das Vorlesen nur von Portionen aus einem Buch, die dann gleich kommentiert werden, ist schon bei dem Komödiendichter Platon belegt. Vgl. Athen. deipn. 1,8 [5b-d] (s. o. 3.7). sind diejenigen Stellen aufschlussreich, an denen die Länge der vorgelesenen Texte thematisiert wird. Explizit hebt Martial die Kürze seines zweiten Buches der Epigrammata hervor und formuliert in diesem Kontext: „Lesen wird dich der Gast beim Wein, wenn man ihm fünf Schöpfkellen gemischt hat, und zwar noch bevor der Becher, den man ihm vorsetzte, lauwarm zu werden beginnt (te conviva leget mixto quincunce, sed ante incipiat positus quam tepuisse calix)“ (Mart. 2,1, Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ). An zwei weiteren Stellen klagt Martial über zwei Hörerfahrungen beim Gemein‐ schaftsmahl, weil der Gastgeber die Situation dazu ausnutzt, seinen Gästen beim Essen schlechte selbstgeschriebene Texte zu servieren (vgl. Mart. 3,45.50), wobei in 3,50 explizit die unzumutbare Länge hervorgehoben wird. Eine ähnliche Situation schildert Diodor, in welcher der sizilianische Tyrann Dionysios I. von Syrakus das Symposion dazu ausnutzt, seine eigenen, künstlerisch frag‐ würdigen literarischen Ergüsse vorlesen zu lassen (vgl. Diod. 15,6,2 f). Diese Stellen zeigen exemplarisch, dass Belästigung mit schlechten oder zu langen Texten beim Gemeinschaftsmahl eine sozial unerwünschte Praxis darstellte, was von Plutarch explizit reflektiert und dem Verantwortungsbereich des Symposiarchen zugewiesen wird (vgl. Plut. symp. 1,4,3 [mor. 621b - d]). 17 Ein guter Symposiarch dulde beim Symposion nur solche Beiträge, „welche dem Zwecke des Gelages entsprechen, und dieser besteht darin, unter den Gästen mittels des Vergnügens Freundschaften zu erzeugen und zu befördern. Denn das Gelage ist eine Unterhaltung beim Wein, welche durch die Gefälligkeit zur Freundschaft führt“ (Plut. symp. 1,4,3 [mor. 621c], Üb. O S I A N D E R / S C H W A B ). Diese Stellen belegen, dass beim Gemeinschaftsmahl eigentlich keine längeren Ganzschriften gelesen wurden. 18 Dass dies auch für das Gelehrtenmahl zutraf, wird sodann bei Aulus Gellius deutlich. „Im vertraulichen Zusammensein bei Favorin wurde über Tisch entweder ein altes Gedicht von einem lyrischen Dichter gelesen, oder ein Historien-Abschnitt, in grie‐ chischer, ein anderes Mal in lateinischer Sprache (apud mensam Favorini in convivio 297 6.1 Kollektive Rezeption und Lesen beim Gemeinschaftsmahl 19 Diesbezüglich ist ferner auf die Konsultation von Rollen bezüglich spezifischer Fragen bei den Konversationen im Hause Frontos zu verweisen (vermutlich kein Mahlkontext), die eine kollektiv-indirekte Form der Rezeption und eindeutig selektiven Zugriff auf den Text implizieren. Vgl. Gell. 19,8,6 f; 19,10,11-13. 20 Nicht klar ist, welchen Umfang das Buch des Stoikers Quintus Sextius hatte, von dessen Verlesung beim symposion/ convivium Seneca berichtet: Lectus est deinde liber Quinti Sextii patris (Sen. ep. 64,2). Ebensowenig wird klar, ob das Buch hier im gesamten vorgelesen wird. Das Vorlesen des Buches steht aber eindeutig im Kontext des Tischgesprächs. Aus dem Kontext lässt sich erschließen, dass das bis dahin sprunghafte Tischgespräch durch die Verlesung in geordnetere Bahnen über die aus dem Buch generierten Themen gelenkt werden sollte (Sen. ep. 64,2). 21 Auch Plin. ep. 9,36,4 belegt das Lesen während des Mahls, aber auch als Teil der Unterhal‐ tungsbeiträge beim convivium: Cenanti mihi, si cum uxore vel paucis, liber legitur, post cenam comoedia aut lyristes. Lesen zur Unterhaltung beim convivium auch bei Corn. Nep. Att. 14. Dass dies hier ein anagnostes vorliest, sollte nicht als Ausdruck einer allgemeinen Vor‐ lesekultur beim Gemeinschaftsmahl in der griechisch-römischen Welt verstanden werden (gegen S T A R R , Reading, 341; S H I E L L , Reading, 117), sondern als Spezifikum der Mähler bei Atticus, dessen Sklavenstab ein solches Potential bereithielt (s. o.). Dafür spricht nicht zuletzt, dass Cornelius Nepos das regelmäßige Vorlesen durch einen anagnosten bei den Gemeinschaftsmählern von Atticus an besagter Stelle in besonderem Maße hervorhebt. 22 Vgl. J O H N S O N , Readers, 59.127-129. 23 Vgl. P A R K E R , Books, 203-206. Die bei Plut. symp. 7,8 (mor. 711a - c) bezeugte Aufführung von Platondialogen durch Sklaven stehen nicht exemplarisch für performative Lesungen beim antiken Gemeinschaftsmahl. Gegen A L I K I N , History, 149 f. Es handelt sich dabei weder um die gewöhnliche Form der Rezeption von Platondialogen in Philosophenkreisen (vgl. P A R K E R , Books, 215, Anm. 119), noch kann man die Aufführungen als „Lesen“ charakteri‐ sieren (laut Athen. deipn. 9,28 [381 f] haben die Sklaven keine kompletten Dialoge rezitiert, sondern nur kurze, auswendiggelernte Passagen). Der Kontext und ein genannter Verweis familiari legi solitum erat aut vetus carmen melici poetae aut historia partim Graecae linguae, alias Latinae)“ (Gell. 2,22,1 [Üb. W E I S S , mod. JH]). Hier ist explizit belegt, dass aus den zumeist längeren Werken der antiken Ge‐ schichtsschreibung beim Gelehrtenmahl nur Abschnitte vorgelesen wurden. Dies erklärt sich freilich auch dadurch, dass das Vorlesen nur als Impuls für das eigentlich wichtige Tischgespräch fungierte, 19 wie nicht nur im Anschluss an die zitierte Stelle, sondern auch anderswo zu sehen ist. 20 Aus Gell. 3,19 geht hervor, dass ein Sklave (servus, d. h. nicht zwingend ein ausgebildeter Lesesklave! ) beim ersten Gang einen Abschnitt aus lateinischer oder griechischer Literatur vortrug, über den dann angeregt diskutiert wird. Diese Stelle ist insofern wichtig, als sie, wie schon die Stellen bei Martial, zeigt, dass nicht erst beim Symposion, 21 sondern schon beim Essen selbst gelesen werden konnte. 22 Diese Zusammenstellung von Quellen sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Lesen im Vergleich zu anderen Formen der Unterhaltung beim antiken Gemeinschaftsmahl nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. 23 Neben Musik, Tanz und Spielen ist vor allem die Bedeutung des 298 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte auf diese Praxis bei Athenaios zeigen eindeutig, dass die Aufführungen „never reached an acceptable level but was regarded as dilettantism and vulgarity already in Plutarch’s time. The latter is obviously true, as the reaction of Philip (711D) shows.” (T E O D O R S S O N , Commentary III, 110). 24 Vgl. zum Unterhaltungsprogramm beim Gemeinschaftsmahl z. B. Lukian. ver. hist. 2,15 (Das Singen von Homer beim δεῖπνον wird als μουσική charakterisiert und nicht als „Lesen“.); Xen. symp. 2 f; Plut. symp. 7,5 (mor. 704c-706e); 7,7 (mor. 710b-711a); Plin. ep. 9,36,4; 9,40,2 (Komödie/ Lautenspiel). Weiterführend zum Unterhaltungsprogramm und Tischgespräch K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 111-129. 25 Vgl. exempl. Plut. symp. 3,6 (mor. 653b-d); Athen. deipn. 1,22 (13a-d); 4,45 (157b); 4,54 (162e/ f); 8,15 (336d/ e); 9,65 (402d); 11,118 (508d); 15,46 (692c). Tischgesprächs nicht hoch genug einzuschätzen. 24 Die Symposienliteratur zeigt eindeutig, dass Bücher und Lesefrüchte häufig Gegenstand des Gespräches sind, aber dort selbst nicht gelesen wurden. 25 Für die neutestamentliche Wissenschaft bedeutet dies, dass ein Modell, das den frühchristlichen Gottesdienst als Gemeinschaftsmahl konzeptualisiert und annimmt, dass die Schriften, die zum NT geworden sind, in diesem Rahmen rezipiert worden seien, mit einigen Schwierigkeiten behaftet ist. Dass im frühen Christentum beim Gemeinschaftsmahl (auch) gelesen wurde, könnte aus Gründen der kulturellen Plausibilität sehr gut möglich sein. Auf der Grundlage unserer Quellen lässt sich aber konkret für das frühchristliche Gemeinschafts‐ mahl nicht sehr viel mehr sagen. Welche Texte und in welchem Umfang diese vorgelesen wurden und zu welchem Zweck, all dies lässt sich nur sehr schwer rekonstruieren. Und wenn man davon ausgeht, dass beim frühchristlichen Mahl etwas vorgelesen wurde, dann muss man angesichts der Analogien in den Quellen zum antiken Gemeinschaftsmahl davon ausgehen, dass die Initiative von einem der Mahlteilnehmer ausging; er es also für angebracht hielt, der Tischunterhaltung eine Vorlesung beizusteuern (vgl. 1Kor 14,26) - womöglich eine Lesefrucht, die er in einem anderen Kontext (vermutlich bei individuell-direkter Lektüre) geerntet hat. Dass dies etwas anderes ist als geordnetes liturgisches Lesen im Gottesdienst, erscheint evident. Die sozialen Konventionen, die in der Symposienliteratur reflektiert werden, verbieten es eigentlich, dass jemand bei einem solchen An‐ lass einen Text wie etwa den Römerbrief, die Evangelien, die Apostelgeschichte oder die Apokalypse im Ganzen vorgetragen haben könnte. Grob geschätzt hätte eine Verlesung dieser Schriften bei einer Vortragsgeschwindigkeit von 100 Wörtern/ Minute folgendermaßen lang gedauert: die Vorlesung des Römerbriefs (gut 7000 W.) hätte knapp 90 Minuten gedauert, die Vorlesung des MkEv (ca. 11.000 W.) hätte gut 2 Stunden gedauert, die Vorlesung des LkEv (fast 20.000 299 6.1 Kollektive Rezeption und Lesen beim Gemeinschaftsmahl 26 Für die Berechnungen danke ich Jakob Brügemann. 27 So aber z. B. S T E I N , Mahlfeiern, 125.242 f.313; T A U S S I G , Beginning, 36-40; A L I K I N , History, 147-182; K O B E L , Dining, 65-61; O ’ L O U G H L I N , Ὑπηρέται, 12 f, v. a. aber S H I E L L , Reading, 116-133, der allerdings auf S. 117 Plin. ep. 3,1,4 f fälschlicherweise als Beleg für Lesepraxis beim Symposion anführt. Spurinna lässt sich hier nach dem morgendlichen Spaziergang zur individuellen Lektüre nieder (s. dazu Anm. 28, S. 300). Auch aus Plin. ep. 9,34 (ebd. zitiert) kann man nicht sehen, in welchem Kontext die recitatio durchgeführt wird. 28 Vgl. v. a. Suet. Aug. 78; Claud. 41; Plin. ep. 7,4,3-5; vgl. auch Plin. ep. 3,5,7 über Plinius d. Ä. Die ausführliche Darstellung macht deutlich, dass die rastlose Tätigkeit von Plinius d. Ä., der jede freie Minute nutzt, um sich etwas vorlesen zu lassen, nicht die Norm, sondern die bewundernswerte und hervorhebenswerte Ausnahme darstellt. Die Ausführungen implizieren v. a. nicht, dass er sich ausschließlich hat vorlesen lassen, sondern v. a. in den Situationen, in denen er seine Hände für andere Dinge brauchte (z. B. für das Essen oder das effiziente Exzerpieren) oder sich ausruhte. Gleiches gilt für Spurinna, der sich, wenn keine Freunde dabei sind, beim morgendlichen Spazierengehen vorlesen lässt - wenn die Freunde dabei sind nur, wenn diese davon nicht gelangweilt werden (hora secunda calceos poscit, ambulat milia passuum tria … liber legitur, interdum etiam praesentibus amicis, si tamen illi non gravantur; Plin. ep. 3,1,4). Wenn Plinius direkt im Anschluss formuliert deinde considit, et liber rursus (Plin. ep. 3,1,5), ist nicht klar, ob eine individuell-indirekte oder individuell-direkte Form der Rezeption der Bücher gemeint ist. W.), des MtEv (gut 18.000 W.), der Apostelgeschichte (gut 18.000 W.) 26 hätte jeweils etwa 3 Stunden gedauert, wobei Unterbrechungen zur Erläuterung und Diskussion etc. hier noch nicht eingerechnet sind. Dies übersteigt bei weitem die Zeit, die ein einzelner Beitragender zugestanden bekommen hätte; und selbst wenn man sich gemeinsam zur Lektüre des Textes entschlossen hätte, würde ein Text solcher Länge die kognitiven Aufnahmekapazitäten der Zuhörer bei weitem überschreiten. Für die folgenden Überlegungen ist festzuhalten, dass das frühchristliche Mahl als sozialer Ort nicht monosituativ als Raum für die Rezeption aller schriftlichen Erzeugnisse im frühen Christentum modelliert werden kann. 27 6.2 Individuelle Lektüre Die Untersuchung der Leseterminologie hat nur wenige, eindeutig identifizier‐ bare individuell-indirekte Rezeptionssituationen, 28 dafür aber eine sehr große Belegfülle individuell-direkter Leseszenen hervorgebracht, vor deren Hinter‐ grund das Bild einer vor allem durch gemeinschaftliche Leseevents gekenn‐ zeichneten Buchkultur und einer Kultur, in der Menschen aus der Oberschicht sich grundsätzlich von Lektoren hätten vorlesen lassen, als Übergeneralisierung 300 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte 29 Darauf weist auch schon P A R K E R , Books, 195-198, mit zahlreichen Belegen v. a. aus der lateinischen Literatur hin. 30 Vgl. z. B. Quint. inst. or. 11,2,33, der an dieser Stelle auf alle drei Arten des Lesens verweist und das subvokalisierende Lesen als erste Wahl für das Auswendiglernen benennt: sed haec vox sit modica et magis murmur. 31 S. dazu die Ausführungen zum Problem in der Einleitung sowie die zahlreichen oben diskutierten Quellen. Im Anhang findet sich eine Liste der betreffenden Stellen. 32 Vgl. v. a. Dion. Hal. comp. 25 (s. o. S. 227 ); außerdem einige der Quellen, die Lesen als Bewegung (3.7) bzw. metonymisch als Umgang mit dem Medium (3.5) konzeptualisieren. 33 Vgl. v. a. Ps.-Long. 7,1-3 (s. o. S. 137); Plut. soll. an. 3 (mor. 961a; s. o. S. 196 ); Vett. Val. 9,9 (s. o. S. 191); Sen. ep. 2,2-6 (s. o. S. 195 f); aber z. B. auch die Belege in Anm. 22, S. 113; Anm. 208, S. 156; Anm. 240, S. 164; Anm. 316, S. 183; Anm. 382, S. 205; zahlreiche der unter 3.6 besprochenen Quellen; Isokr. 12,246 (s. o. S. 113). 34 Vgl. Ptol. krit. 5,1 f; Plot. enn. 1,4,10. S.o. 3.7 u. B A T T E Z Z A T O , Techniques, 10 f. 35 So auch Z E D E L M A I E R , Lesegeschichte, 92. 36 Vgl. z. B. Liv. 4 praef. (s. o. 3.7, Anm. 352, S. 194). zu werten ist. 29 Insbesondere für die individuell-direkten Formen der Lektüre haben sich die unter 1.5 entwickelten differenzierten Kategorien zur Beschrei‐ bung der Leseweise als fruchtbar und in den Quellen nachweisbar erwiesen. Die dichotome Unterscheidung zwischen vokalisierendem und nicht-vokalisie‐ rendem Lesen durch die dritte Kategorie des subvokalisierenden Lesens, das in den Quellen explizit bezeugt ist, 30 hat sich als sinnvoll herausgestellt und wird auch für die Interpretation der Quellen im nächsten Kapitel heuristisch wichtig werden. Die Untersuchung der Leseterminologie konnte in Ergänzung zu den zahlreichen Stellen, die nicht-vokalisierendes Lesen in der Antike belegen, noch zahlreiche wei‐ tere hinzufügen. 31 Zusätzliche Evidenz für nicht-vokalisierende individuell-direkte Lektüre ergibt sich aus den zahlreichen herausgearbeiteten Lesemetaphern und -metonymien - insbesondere aus denen, die z. B. auf die besondere Geschwindig‐ keit 32 oder den Grad der kognitiven Aufmerksamkeit rekurrieren. 33 So wird in den Quellen der Vorteil nicht-vokalisierender Lektüre im Hinblick auf die Intensität bzw. die bessere Konzentration thematisiert. 34 Der Geschwindigkeitsvorteil des subvokalisierenden und nicht-vokalisierenden Lesens bei der individuell-direkten Lektüre ist zunächst aus physiologischer Sicht evident. 35 Aber insbesondere einige der Bewegungsmetaphern legen nahe, dass Geschwindigkeitsaspekte beim Lesen in der Antike eine Rolle gespielt haben (s. o. 3.7), z. T. wird die Geschwindigkeit der Lektüre sogar explizit thematisiert. 36 Aber auch alle Stellen, die funktionale, also suchende, selektive und diskon‐ tinuierliche, intensiv-studierende, auf inhaltliche Aneignung oder Evaluation/ Korrektur bedachte Zugriffe auf Texte nahelegen, sind durchaus nicht-vokali‐ sierend zu denken. Freilich kann in vielen Fällen subvokalisierendes Lesen ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Allerdings sollte die Relevanz der 301 6.2 Individuelle Lektüre 37 Vgl. insb. die Belege zum auris interior: Aug. Conf. 11,8; 12,18; 13,44: „Dazu nimmst du das Wort, denn du bist mein Gott, und sprichst mit starker Stimme zum inneren Ohr deines Knechtes (dicis voce forti in aure interiore), meine Taubheit brechend, und rufst: O Mensch, was meine Schrift sagt, sage ich! “ Üb. B E R N H A R T ); Aug. ep. 92 (CSEL 34.2,6,443): sed si aliquando inruerint auribus tuis, haec eis interim lege et, quid respondeant, non te pigeat rescribere, ut potes; Hier. comm. in Jes. 9,30,9. Inneres Hören beim Lesen steht auch im Hintergrund der Ausführungen Mak. apokr. 2,17,1. 38 Vgl. Plut. soll. an. 3 (mor. 961a; s. o. S. 196 f); Cic. Lael. 4: „so werde ich auch selbst beim Lesen (legens) meiner Schrift manchmal derart gefesselt (sic afficior), dass ich meine, Cato rede da, nicht ich.“ (Üb. M. F A L T N E R ). Das Verb afficio beschreibt hier eindeutig einen Zustand der Immersion. Vgl. außerdem die Arbeiten von J. Svenbro (insb. S V E N B R O , Stilles Lesen; S V E N B R O , Stilles Lesen; S V E N B R O , Phrasikleia). Wichtige, von ihm angeführte Quellen sind o. in Anm. 118, S. 45 angeführt. 39 Vgl. dazu K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 190 f. 40 Vgl. z. B. Plut. mor. de tuend. san. 16 (mor. 130c/ d; Leibesübung); Hippokr. vict. 2,62 (ed. Littré p. 576); Cels. med. 1,1,8 (clare legere als Hilfe bei Verdauungsbeschwerden); Plut. mor. 130a-c; Plin. ep. 9,36,3 (vgl. z. St. L E F È V R E , Römertum, 243). S. weiterführend o. Anm. 248, S. 74. 41 Vgl. K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 205, mit Verweis auf Sen. de ira 3,9 (unterhaltendes Lektüreprogramm besänftigt); Sen. ep. 78,18 (anästhetische Funktion der Lektüre bei einer Operation); Sen. ep. 24,6; Plin. ep. 6,20,5. Frage, ob Leserinnen und Leser bei solchen funktionalen Zugriffen auf die Texte nicht-vokalisierend oder subvokalisierend gelesen haben, auch nicht überbewertet werden. In Bezug auf die Frage nach dem Stimmeinsatz ist zusammenfassend darauf hinzuweisen, dass bei unmarkiertem Gebrauch der Hauptleseverben (ἀναγιγνώσκω und ἐντυγχάνω sowie lego) ohne Signale im Kontext keine sicheren Rückschlüsse bezüglich der Vokalisierung bei individuell-direkter Lektüre möglich sind. Vokalisierung war bei der individuell-direkten Lektüre keine Notwendigkeit um Texte, geschrieben in scriptio continua, verstehen zu können (s. o. 4). Die Fähigkeit, nicht-vokalisierend lesen zu können, spiegelt sich im Bewusstsein für die innere Lesestimme und das innere Ohr, das prominent in spätantiken Quellen reflektiert wird, 37 aber auch schon vorher explizit belegt ist 38 und sich insbesondere in der usuellen Verwendung von ἀκούω als Leseterminus spiegelt (s. o. 3.2). Vokalisierung bei der individuell-direkten Lektüre - freilich in den Quellen bezeugt - ist dagegen mit spezifischen Funktionen verknüpft: v. a. Lesen als ästhetisches Klangerlebnis, 39 aber auch medizinische 40 und andere therapeutische bzw. psychagogisch-kathartische Funktionen. 41 Gerade die zuletzt genannten Aspekte erscheinen im Hinblick auf meditativ-geistliche religiöse Lesepraktiken, die in spätantiken christlichen (auch monastischen) Kontexten zu vermuten sind, interessant und einer vertiefenden Untersuchung wert zu sein. 302 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte 42 Vgl. aber weiterführend die Untersuchung von B A U M A N N , Bilder, in der Philostrats Eikones im Hinblick auf diese Kategorien untersucht werden. Als zusätzliche Beschreibungskategorien haben sich auch bewährt, - in Bezug auf die Linearität des Textes - auf die Lesefrequenz (iterativ/ singulär) sowie die Kontinuität (sequentiell/ diskontinuierlich) und den Umfang (voll‐ ständig/ selektiv) der Lektüre zu achten. Freilich lassen nicht alle Leseszenen in der antiken Literatur eine dezidierte Untersuchung im Hinblick auf all diese Ka‐ tegorien zu. 42 An zahlreichen der untersuchten Leseszenen, in denen Lesen me‐ taphorisch oder metonymisch konzeptualisiert ist, hat sich aber deutlich gezeigt, dass es sich bei den Kategorien nicht um moderne Konzepte handelt, die dem Quellenbefund „übergestülpt“ werden. Vielmehr lassen sich mit den Kategorien Aspekte der Vielfalt antiker Lesepraxis beschreiben, deren Wahrnehmung sich z. T. in der Leseterminologie kondensiert hat, z. T. explizit beschrieben wird, z.T. impliziert ist. Dies lässt sich noch einmal daran verdeutlichen, dass sich viele Lexeme bzw. Konzepte auf die Vollständigkeit eines Leseaktes beziehen (v. a. διαναγιγνώσκω, ἐξαναγιγνώσκω, perlego, ad extremum/ ad umblicium revolvo). Dies korrespondiert umgekehrt mit Klagen bzw. der Befürchtung von Autoren, dass auch in der Antike Bücher nicht vollständig gelesen wurden oder Passagen übersprungen wurden. Satirisch thematisiert bei Mart. 14,2: „Beenden kannst du dies Büchlein an jeder beliebigen Stelle: Das ganze Werk ist nur in jeweils zwei Versen verfaßt. Fragst du, weshalb ich die Überschriften dazuschrieb, dann will ich’s erklären: Damit du, wenn’s dir so lieber ist, nur die Überschriften zu lesen brauchst“ (Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ); Mart. 2,6,1-4: „Ach geh’ doch, dränge du mich, meine Büchlein herauszugeben! Kaum hast du zwei Seiten gelesen (lectis vix tibi paginis duabus), da schielst du schon, Severus, auf das letzte Blatt und verziehst den Mund zu anhaltendem Gähnen“ (Üb. D I E S .); Ov. met. 9,575: jemand liest einen Brief nur zur Hälfte (lecta sibi parte); Plin. ep. 7,9,9 verweist auf eine Lesestrategie, dass man etwas nur so weit zu lesen brauchte, bis man das Argument verstanden habe; Dion. Hal. comp. 4 klagt über den schlechten Stil von Büchern, die man nicht von vorne bis hinten lesen könne. Ähnlich Mart. 4,49, der den Schwulst von Flaccus aufs Korn nimmt und schreibt: „Meine Büchlein sind frei von jeglichem Schwulst, meine Muse plustert sich nicht in tragischer Robe auf. ‚Aber das andere loben, bewundern und beten alle an! ‘ Zugegeben, sie loben’s, doch meine Gedichte lesen sie“ (Üb. B A R I É / S C H I N D L E R ); Gellius bittet seine Leser darum, „das, was ihnen beim Lesen als längst nicht mehr fremd vorkommt, nicht gleich als Gewöhnliches und allgemein Bekanntes unbeachtet zu übergehen“ (Gell. praef. 14; Üb. W E Iẞ ). Auch wenn Galen darauf hinweist, dass ein Freund sein „ganzes Buch“ 303 6.2 Individuelle Lektüre 43 Vgl. ferner das Überspringen eines Teils des Werkes bei einer recitatio, die bei Sen. Rhet. contr. 10 praef. 8 beschrieben ist. 44 Vgl. z. B. die eindrückliche Leseanweisung bei Plin. nat. praef. 33; bzw. den Hinweis bei Mart. 3,86,1 f; aber z. B. auch Orig. Cels. 4,72; 5,47. Zahlreiche Querverweise, die sich in antiken Texten finden, könnten so verstanden werden, als stelle der Autor es dem Leser frei, an dieser Stelle die Lektüre zu unterbrechen und in einem anderen Text etwas nachzuschlagen. Vgl. z. B. den Hinweis bei Orig. Cels. 5,47 auf die Möglichkeit einer vertiefenden Auseinandersetzung mit einem bestimmten Aspekt durch das Lesen der entsprechenden Ausführungen darüber in seinem Römerbriefkommentar. Ähnlich auch Orig. Cels. 6,46; 8,46. Explizit benennt z. B. Gell. 18,4,11 einen selektiven Zugriff auf ein Buch (s. o. Anm. 333, S. 186); Diod. 1,3,7; 20,1,4 belegt das Konzept diskontinuierlich-selektiver Lektüre für die Rezeption historiographischer Literatur. Vgl. zu selektiver und diskontinuierlicher Lektüre römischer Gesetzesbücher W I B I E R , Topography; aufschlussreich sind auch seine Hinweise zum Lektüremodus, bei dem - z. T. unterstützt durch paratextuelle Hilfsmittel - zu einem Thema mehrere Texte vergleichend und parallel gelesen werden, wozu es auch Hinweise im papyrologischen Befund gibt. Vgl. W I B I E R , Topography, 69-72. Für diskontinuierlich-selektive Zugriffe auf antike Fachliteratur (Agrarschrifsteller) vgl. C H R I S T M A N N , Leser, 133-136; weiter‐ führend D I E D E R I C H , Agrarhandbücher. Vgl. außerdem H A W E S , Story, insb. 136. S. z. B. eindrücklich Pallad. agr. 11,16: „In diesem Monat wird man alle Obstweine herstellen, über die man in ihren jeweils eigenen Abschnitten lesen kann (quae locis suis leguntur)“ (Üb. B R O D E R S E N ). 45 Dies implizieren v. a. die eben genannten Verben, welche die Vollständigkeit eines Leseaktes hervorheben. 46 Vgl. neben den Belegen, die diskontinuierlich-selektive Zugriffe implizieren (s. Anm. 44, S. 304), z. B. Isokr. or. 12,136 (s. o. S. 189); Sen. ep. 2,5 (s. o. S. 196). Zur Exzerptpraxis s. u. 47 Eindrucksvoll dazu Lukian. im. 9: „Sie hielt eben ein halbaufgerolltes Buch in der Hand, und schien im Lesen der einen Hälfte noch begriffen zu sein, die andere aber schon (ὅλον τὸ βιβλίον) gelesen habe, geht er davon aus, dass seine Bücher nicht unbedingt vollständig gelesen worden sind (Gal. san. tuend. ed. K ÜH N 6, p. 450). 43 In diesem Zusammenhang sind außerdem die Hinweise zur expliziten Kon‐ zeption eines Buches für diskontinuierlich-selektive Zugriffe zu nennen. 44 Insgesamt zeigt dies wie auch die Vielfalt der in den Lesemetaphern und Lesemetonymien zum Ausdruck kommenden Zugriffsweisen, dass das Rollen‐ format keine sequentielle (und vollständige) Lektüre determinierte. Diese Belege zeigen eindrücklich, dass in der Antike so etwas wie „Schreibtischarbeit“, also das vergleichende und parallele Lesen mehrerer Schriften, nur vermutlich ohne Schreibtisch, möglich war und praktiziert wurde. Darauf wird unter 9.3 zurückzukommen sein. Im Hinblick auf die Lesesituation individueller Lektüre sind zusätzlich fol‐ gende Aspekte festzuhalten: Sowohl ununterbrochene 45 als auch für Denk-, Exzerpt- und Schreibpausen, 46 aber auch für Gespräche 47 unterbrochene indivi‐ 304 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte gelesen zu haben (βιβλίον ἐν ταῖν χεροῖν εἶχεν εἰς δύο συνειλημένον, καὶ ἐῴκει τὸ μέν τι ἀναγιγνώσκεσθαι αὐτοῦ). Im Vorübergehen sprach sie mit Einem von ihrer Begleitung“ 48 Vgl. K O E N E N , Lesezeichen. 49 Ein Digitalisat ist verfügbar unter: https: / / papyri.uni-koeln.de/ stueck/ tm35438. 50 Vgl. dazu mit zahlreichen Abbildungen B I R T , Buchrolle, 181-196. Besonders instruktiv ist eine Marmorstatue eines sitzenden attischen Dichters (vermutlich 3. Jh. v. Chr., Vatikan, Galerie der Statuen Nr. 271, Birt, Abb. 122) mit nachdenklichem Gesichtsaus‐ druck, der die beiden Konvolute der Rolle, die er zuvor zu lesen begonnen hatte (die Rolle ist erst zu einem kleinen Teil abgerollt), in der linken Hand hält. Exakt die Haltung, die bei Lukian. im. 9 beschrieben ist (s. o. Anm. 47, S. 304). S. außerdem die eindeutig nachdenkliche Haltung des sitzenden Lesers auf einem Bild im Codex Arcerianus (6. Jh.; Birt, Abb. 130). 51 Vgl. auch das Motiv des Unterbrechens der Lektüre bei Plin. ep. 5,6,41. 52 Vgl. B I N G , Scroll, 95 f. 53 Ausführlich zum „Ergänzungsspiel“ bei Kallimachos B I N G , Scroll, 85-105. Als weitere Stellen, an denen die Imagination der Leser zur Füllung von Leerstellen direkt adressiert wird, verweist B I N G , Scroll, 97, Anm. 33, auf Lukian. dial. deor. 19 (11), 2; Aristain. 1,16,33 ff; 2,13,15 f; Ps.-Long. 7,3 (s. o. S. 137). S C H M I D T , Σχῆμα, 90-94, nennt neben zahlreichen anderen Stellen außerdem Plut. poet. aud. 13 (mor. 34b), der hier das Wort duell-direkte Lektüre lässt sich in den Quellen nachweisen. Eine Kuriosität im Hinblick auf Schreibpausen bildet ein „Lesezeichen“ aus Pergament (5. Jh.), auf dem in drei Zeilen geschrieben steht: Lies und notiere die Hauptpunkte/ markiere die Kapitel (ἀγάγνωθι αὐτό, σημείωσον τὰ κεφάλαια; P.Köln 2 114; Üb. K O E N E N ). 48 Angesichts der dreieckigen Form 49 wäre es tatsächlich denkbar, dass es dafür vorgesehen war, in einen Kodex zwischen die Seiten gesteckt zu werden. Die unterbrochene Lektüre ist ein vielfach bezeugtes Motiv in der antiken Leseikonographie. 50 In dieser Hinsicht besonders instruktiv sind außerdem solche Stellen, an denen der Leser zur ergänzenden Imagination, also zur kognitiven Weiterverarbeitung, aufgerufen wird, der Autor also gleichsam zu einer Lesepause auffordert. Diese Stellen sind auch in solcher Hinsicht auf‐ schlussreich, als sie ein Nachweis sind für die Reflexion der aktiven Rolle antiker Leserinnen und Leser bei der Sinnkonstitution im Leseprozess. Exemplarisch sei hier auf folgenden Satz bei Kallimachos verwiesen, in dem er nicht nur auf die Möglichkeit zur Unterbrechung hinweist, 51 sondern auch die Möglichkeit des Abbruchs der Lektüre formuliert: „[The reader] can imagine [this] for himself, and thus cut down the length of the song (αὐτὸς ἐπιφράσσαιτο, τάμοι δ’ ἄπο μῆκος ἀοιδῇ·). But all that he answered to the questions, I will relate“ (fr. 57,1 f = SH 264,1 f; Üb. B IN G ). 52 Ein Bewusstsein für die aktive Beteiligung des Lesers bei der Sinnkonstitution im Leseprozess findet sich in zahlreichen Quellen, z. T. wird sie auch sehr explizit thematisiert, 53 wodurch die Anwendbarkeit 305 6.2 Individuelle Lektüre ὑπακουστέον (LSJ: one must understand something left out) verwendet; Cic. de orat. 2,93. Zus. verwiesen sei auf den Beginn von Lukians Schrift über den Gründer des Neos Asklepios-Kultes, Alexander von Abonuteichos. Dort formuliert Lukian angesichts der zahllosen Dinge, die man in negativer Hinsicht in einer Geschichte über Alexander schreiben müsste und eine kurze Darstellung schwierig machten: „Gleichwohl, wenn du mir versprechen willst, mit Nachsicht zu lesen (μετὰ συγγνώμης ἀναγνώσεσθαι), und das Mangelhafte meiner Erzählung in Gedanken zu ergänzen, so will ich mich der Arbeit unterziehen und versuchen, diesen Augiasstall wo nicht ganz, doch so weit ich’s vermag zu reinigen“ (Lukian. Alex. 1; Üb. P A U L Y , leicht mod. JH). Vgl. außerdem Lukian. Demon. 67; Dion Chrys. 61,8; Ioh. Chrys. in Act. hom. 55 (PG 60, p. 382,37-39; für diesen Hinweis danke ich J. Rüggemeier). 54 Vgl. aus der Vielzahl der Quellen Cic. Att. 4,10; Cic. 3,7; Dion. Hal. ant. 5,8,2; Plin. ep. 6,20,2-5; Lukian. philops. 31 (auf dem Boden in der Nacht bei künstlichem Licht; nicht-vokalisierend); äthHen 13,7; zum Sitzen in der Bibliothek Gell. 11,17,1 f; 13,20,1. Die sitzende Position beim Lesen ist häufig auch ikonographisch belegt. Vgl. B I R T , Buchrolle, Abb. 45-45.90.91-94.99.111.122.120.122.130 u. ö. S. außerdem die Darstellung eines sitzenden Affen, der liest, auf einem römischen Klappmesser, gefunden aus in Steinheim (Ldk. Dillingen), in das in griechischen Buchstaben ΛΕΓΩ („ich lese“) eingeritzt ist und das ikonographische Bezüge zu Ägypten aufweist. Vgl. dazu mit Abb. D I E T R I C H , Klappmesser; P O P P A , Klappmesser. 55 Vgl. z. B. Cic. fam. 7,1,1 (Morgenlektüre im Bett); Sen. ep. 82,3; Curt. 3,6; Plin. ep. 3,5,8-10; Ov. Tr. 1,1,3; Front. ep. 4,5,2. Vgl. zu den ikonographischen Belegen B I R T , Buchrolle, 91 f: M A R R O U , Μουσικὸς, 121-129. 56 Vgl. z. B. Ps.-Aristot. probl. 18,1.7; Plin. ep. 5,5,5 f; Plut. Cato min. 70; Alex. 19; Apul. flor. 16 (Philemon wird tot in seinem Bett mit der Schriftrolle in der Hand gefunden); Iul. ep. 12. 57 Diese v. a. ikonographisch, meist mit Anlehnung an eine Wand oder Säule. Vgl. B I R T , Buchrolle, insb. Abb. 97 f.100-102. Vgl. aber auch die literarische Bezeugung bei Lukian. merc. cond. 26, wobei hier deutlich wird, dass es gegenüber dem Sitzen die ungemütlichere Position ist. 58 Vgl. W E N D E L , Altertum, 142, mit den entsprechenden Quellenbelegen. 59 Vgl. z. B. Prop. 2,24,1 f (auf dem Forum); Suet. Aug. 39; Philostr. v. Apoll. 1,31 (an einem unbestimmten Ort in Tyana); 4,17 (auf dem Weg vom Hafen Piräus in die Stadt); 8,31 (an einem unbestimmten Ort in Tyana); Dion Chrys. or. 20,10 (im Hippodrom); Plut. Cato min. 19 (im Senat; s. dazu auch Cic. fin. 3,7; Val. Max. 8,72); Tac. ann. 3,16,1 (nicht näher spezifiziert); Mart. 2,6 (Theater). rezeptionsästhetischer Theorien auf antike Texte auch historisch legitimierbar erscheint. Als bevorzugte Haltungen beim Lesen ist sowohl die sitzende, 54 die liegende 55 (v. a. das Motiv der Abendlektüre vor dem Schlafen) 56 als auch die stehende 57 Position in den Quellen zu finden. Gelesen wurde zu verschiedenen Tageszeiten, wobei für Bibliotheken v. a. der Morgen als Lesezeit belegt ist, 58 die Nachtstudien (lucubratio) finden sich als Topos der gelehrten Existenz, die Quellen lassen keinerlei generalisierbare Aussagen zu. Die Orte, an denen in der Antike gelesen wurde, sind ebenfalls vielfältig. Neben der Bibliothek (s. o. passim), dem privaten (s. o. passim) und auch dem öffentlichen 59 Raum ist das Motiv des Lesens in der 306 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte 60 Vgl. z. B. Ps.-Kall. 1,11,1 (rec. α); Cic. Att. 12,15; äthHen 13,7; Iul. ep. 83. 61 Vgl. z. B. Aristoph. Ran. 52-54 (nicht-vokalisierende Lektüre des Euripidesdramas „Andromeda“ zum Zeitvertreib); Sen. ep. 15,6; Plut. Pomp. 79; Mart. 1,2; 8,3; 14,188; Iuv. 3,241; Gell. 9,4; Ael. var. hist. 4,12 (sehr aufschlussreiche Stelle, durch die die weite Verbreitung des Konzepts „Lesen auf der Reise“ ex negativo belegt wird); Iul. ep. 29; auch für das rabbinische Judentum belegt: mJev 16,7. 62 Vgl. zu Quintilians Bevorzugung des visuellen Zugangs beim Auswendiglernen gegen‐ über dem auditiven L A M P E , Psychologische Einsichten. Natur 60 und vor allem das Motiv des Lesens auf der Reise (z. B. auf dem Schiff oder auf dem Wagen) 61 in den Quellen zu finden. In Bezug auf Ziele und Funktionen individueller Lektüre ist - über das oben zu funktionalen Zugriffen Gesagte hinausgehend - besonders auf folgende Aspekte hinzuweisen. Lesen zu Studien- und Lernzwecken ist sehr häufig in den Quellen zu finden und kommt insbesondere in der Terminologie zum Ausdruck, die Lesen als Suchen konzeptualisiert (s. o. 3.6). Individuell-direkte Lektüre, aber noch vielmehr Schreiben/ Abschreiben von Texten, wurde in der Antike dem auditiven Kanal bezüglich des Auswendiglernens, z. B. für den Vortrag von Reden, aber auch allgemein für die rhetorische Bildung, vorgezogen. Die Tätigkeit eines Rhapsoden im klassischen Athen war mit dem Besitz großer Mengen an Schriftmedien verbunden (vgl. Xen. mem. 10). Rhapsoden waren also für den Vortrag von epischen Texten auf das schriftmediengebundene Auswendig‐ lernen angewiesen. Zum Zusammenhängen von Lesen und Auswendiglernen vgl. exempl. Plut. de glor. Ath. 3 (mor. 347e). S. außerdem Cic. de orat. 1,33,149-34,159, wo das Auswendiglernen mediengestützt im „stillen Kämmerlein“ passiert. S. dort v. a. weiterführend den Hinweis auf mnemotechnische Techniken in Cic. de orat. 1,34,1 57. Prägnant formuliert Quintilian: „Wer aber auswendiglernt durch das Vorlesen eines anderen, […] kommt langsamer voran, weil der Sinneseindruck der Augen stärker haftet als derjenige der Ohren (acrior est oculorum quam aurium sensus)“ (Quint. inst. or. 11,2,34); 62 bezeichnend ist auch sein Hinweis auf das Eintragen von Merkzeichen (notae) in dem auswendigzulernenden Text in inst. or. 11,2,28; in Quint. inst. or. 11,2,32 verweist er explizit darauf, dass man auf der Grundlage des selbstgeschriebenen Textes auswendiglernen sollte, denn dann stehe dem Sprecher der Text vor Augen (velut oculis intuetur intuetur non paginas modo, sed versus prope ipsos) und er spreche so, als läse er (cum dicit similis legenti). S. außerdem Quint. inst. or. 10,1,19 (s. o. 3.9); Lact. 307 6.2 Individuelle Lektüre 63 Vgl. zur Notwendigkeit der Konsultation von Büchern zum Auswendiglernen auch P A R K E R , Books, 212. 64 Vgl. mit zahlreichen Quellenverweisen weiterführend zur antiken Reflexion der Funk‐ tion von Schrift für das Gedächtnis E R L E R , Sinn, 46-52. Plin. nat. 7,24,88 f nennt einige Menschen mit außergewöhnlich gutem Gedächtnis, wobei es sich nicht um eine normale, sondern bewundernswerte Begabung handelte. 65 Vgl. z. B. Aischin. Tim. 72; Gell. 19,1,13 (s. o. Anm. 389, S. 207). 66 Vgl. Athan. vita Ant. 81,2. Zur Fraglichkeit der Historizität dieser Zuschreibung vgl. G E M E I N H A R D T , Das lateinische Christentum, 264 f. 67 Vgl. Aug. doctr. christ. prol. 4. Der Verweis darauf, dass Antonius nicht lesen konnte (sine ulla scientia litterarum) impliziert, dass die individuelle Konsultation der Bibel als eigentliche Voraussetzung und als Normalmodus der Rezeption zum Auswendiglernen galt. Im Hintergrund des Topos der fehlenden Lesefähigkeit von Antonius könnte ein von Joh 7,15 gebildetes Ideal vom Verständnis der Schrift trotz fehlender Bildung stehen. Vgl. dazu Z A N E T T I , Antoine. 68 Seneca schreibt, obwohl er das betreffende Buch schon einmal intensiv von vorne nach hinten gelesen hat (vgl. Sen. ep. 46,1 f): „Über das Buch will ich mehr schreiben, wenn ich es mir noch einmal vorgenommen habe (cum illum retractavero). Im Augenblick ist mein Urteil noch nicht ausgeprägt genug, als hätte ich das alles nur gehört, nicht gelesen (tamquam audierim illa, non legerim). Gestatte, daß ich es auch kritisch prüfe“ (Sen. ep. 46,3; Üb. F I N K ). Auch Quintilian hebt hervor, dass die eigene Lektüre für das kritische Urteilen dem Zuhören überlegen ist. Vgl. Quint. inst. or. 10,1,17. S. außerdem Ov. Pont. 3,5,11-14 (dazu S E I B E R T , Exilwelt, 133). 69 Vgl. Charit. Cal. 4,5,10: „Dionysios aber, allein für sich, las den Brief [ JH: von Chaireas an seine Geliebte] immer wieder von neuem (Διονύσιος δὲ καθ’ ἑαυτὸν γενόμενος πολλάκις ἀνεγίνωσκε τὰς ἐπιστολάς): Die vielfältigsten Gefühle schüttelten ihn: Zorn und Mutlosigkeit, Furcht und Misstrauen“ (Üb. W E R H A H N , leicht mod. JH). 70 Vgl. M C D O N N E L L , Writing, 477. Interessant in dieser Hinsicht z. B. auch Eus. h.e. 5,20,2: Hier wird auf das vergleichende Lesen der Vorlage und des abgeschriebenen Textes sowie dessen Korrektur referiert (s. dazu auch schon Strab. 13,1,54). inst. 3,25,9 (s. o. 4.2). 63 Zur kognitiven Herausforderung des Auswendiglernens vgl. Dion Chrys. or. 18,19. 64 Es überrascht in diesem Zusammenhang nicht, dass die Defizite bzw. die geringe Behaltensleistung beim reinen Hörverstehen in den Quellen reflektiert werden. 65 Entsprechend wurde die Fähigkeit des als illiterat geltenden Mönchs Antonius, 66 die Heilige Schrift nur durch das Hören auswendig behalten zu haben (memoriter audiendo tenuisse), als etwas Besonderes hervorgehoben. 67 Außerdem wird in den Quellen die Notwendigkeit der mehrfachen individuellen Lektüre für ein aussagekräftiges ästhetisches Urteil thematisiert. 68 Iterative Lektüre wird in den Quellen sodann auch mit dem Steigern starker emotionaler Regungen in Verbindung gebracht. 69 Eine besondere Form individueller Lektüre ist mit dem Ziel der Evaluation bzw. Korrektur eines Textes verknüpft. 70 Es finden sich in den Quellen z. B. Formen des prüfenden Lesens, die dazu 308 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte 71 Vgl. z. B. Gal. lib. prop. ed. K Ü H N 19, p. 8 f (ausreichend ist das Lesen der ersten zwei Zeilen). 72 Vgl. Cic. Att. 1,13,5; 2,16,4; 13,44,2; fam. 11,19,1. Plin. ep. 1,8; 2,5,1-8; 7,20,1-3. S. zur weiten Verbreitung dieser Praxis mit den entsprechenden Quellenbelegen M Ü L K E , Autor, 86-90. 73 Vgl. z. B. Isokr. or. 1,51 (dazu weiterführend und mit weiteren Verweisen auf die Quellen U S E N E R , Isokrates, 78). Vgl. ferner auch Suet. Aug. 89. Exzerptpraxis ist allerdings auch für individuell-indirekte Rezeptionssituationen bezeugt, wie die berühmten Aus‐ führungen von Plinius d. J. über die Geschäftigkeit von Plinius d. Ä. zeigen (vgl. Plin. ep. 3,5,7). Plinius d. J. selbst hat aber auch bei der individuell-direkten Lektüre exzerpiert, wie Plin. ep. 6,20,2-5 eindrücklich zeigt. Siehe außerdem das Exzerpieren von individuell-direkt Gelesenem bei Gell. praef. 2 und vermutlich auch Lukian. rh. pr. 17 (s. dazu o. S. 214). S. auch die mit dem Verb ἐκλαμβάνω bezeichnete Praxis bei Plut. curios. 10 (mor. 520a/ b). 74 Dieses Konzept ist belegt bei Cic. de orat. 2,86,354-88,360, der das Festhalten auf Wachstafeln hier dem mnemotechnischen Konzept des Verknüpfens von auswendig‐ gelernten Inhalten mit imaginierten Orten (sog. Loci-Methode) - ein eindeutig visuell orientiertes Konzept - gegenüberstellt. 75 Das Paradebeispiel ist hier sicherlich Aulus Gellius. Vgl. aus der Vielzahl der möglichen Belegstellen aus seinem Werk, das auf seiner Exzerptpraxis basiert, Gell. 17,2,1-2; 17,2, 27; 18,4,11 Vgl. zur Exzerptpraxis von Autoren in der Antike D O R A N D I , Autoren, passim; mit den entsprechenden Verweisen auf die eindrücklichen materiellen Überreste an‐ tiker Exzerpte sowie Konzeptpapiere, und ferner D O R A N D I , Autographie, passim (s. zu seinen Ausführungen zum Diktat aber meine kritischen Anfragen in Anm. 45, S. 499); vgl. auch die Beiträge von S. Morlet, C. Guérin, A. Guardasole, L. Ciccolini u. F. Jourdan in M O R L E T , Lire; zu Plutarch vgl. P E L L I N G , Method; P E L L I N G , Adaption; S C H U B E R T , Arbeitsweise. Eine umfassende monographische Untersuchung des Zusammenhangs antiker Lese- und Exzerptpraxis ist m. W. ein drängendes Desiderat. 76 Vgl. D O R A N D I , Autoren, passim. 77 Vgl. z. B. Aristoph. Ran. 52-54; Cic. Tusc. 2,7; Plut. Brut. 36; Plut. Caes.11; Plut. Pomp. 37: Hor. sat. 1,6,122 f; Plin. nat. praef. 12; Ael. var. hist. 4,12; Charit. Cal. 8,1,4; ferner auch S. Emp. adv. math. 1,298; vgl. auch das Motiv des Erfreuens an Büchern bei Cic. fin. 3,8; vgl. Arist. 322 explizit zum Unterhalten (s. das Verb τέρπω) durch intellektuelle-individuelle dienen, den pseudepigraphen Charakter einer Schrift festzustellen 71 oder das Konzept des gegenseitigen Lesens von Manuskripten mit Einfügung von hand‐ schriftlichen Kommentaren, Korrekturbemerkungen oder sogar redaktionellen Überarbeitungen. 72 Eine weitere Form des Zusammenhangs zwischen Lesen und Schreiben in Bezug auf Lektüre zu Aneignungszwecken findet sich in der ebenfalls in der Antike weit verbreiteten Praxis Lesefrüchte schriftlich festzuhalten also zu exzerpieren. 73 Die Exzerpte hatten entweder die Funktion der Gedächtnisunterstützung 74 oder wurden direkt mit dem Ziel angefertigt, Texte bzw. Zitate oder einzelne Gedanken für die eigene Textproduktion fest‐ zuhalten. 75 Ferner ist auch bezeugt, dass beim Lesen direkt in den Handschriften gearbeitet wurde. 76 Zudem finden sich Belege dafür, dass auch zu Unterhaltungs‐ zwecken und zum Zeitvertreib 77 gelesen wurde und dass auch in der Antike 309 6.2 Individuelle Lektüre Beschäftigung (s. ὠφελεῖν διάνοιαν) mit Büchern; vgl. außerdem die in Anm. 192, S. 153, angeführten Belege. 78 Vgl. z. B. eindrücklich Cic. Lael. 4 (s. o. Anm. 38, S. 302). Vgl. außerdem Cic. Att. 12,15; Plin. ep. 1,9,5. Zahlreiche weitere Leseszenen verweisen auf in die Lektüre vertiefte Leser. Vgl. z. B. Ps.-Kall. 1,11,1 (rec. α); Iul. ep. 83; u. die Belegstellen zum Verb ἐγκύπτω (3.7). 79 Vgl. Lukian. merc. cond. 26: … ὑπ’ ἀπορίας ἀναγιγνώσκεις τὸ βιβλίον προχειρισάμενος. Leser Leseerlebnisse haben konnten, welche die kognitionspsychologische Leseforschung Immersion nennt. 78 Diesbezüglich ist zuletzt auf eine bei Lukian beschriebene Szene hingewiesen, der das individuell-direkte Lesen in einem Buch als Möglichkeit betrachtet, sich einer sozialen Situation der Exklusion, insb. in emotionaler Hinsicht, zu entziehen. 79 310 6 Zwischenertrag: Die Vielfalt antiker Lesepraktiken und -kontexte Teil II Anwendung der erarbeiteten Grundlagen zur Analyse spezifischer Textcorpora 1 Vgl. M A L E S S A , Untersuchungen, 80, mit Verweis auf BDB 895. 2 L A B U S C H A N G E , Art. ארק, 668. 3 So aber impliziert bei M Ü L L E R , Lesen, 32 f. B O Y A R I N , Placing, 10-16, geht sogar so weit, aus der Semantik zu schlussfolgern, dass mit der Verbwurzel bezeichnetes Lesen immer ein öffentlicher, oraler und illokutionärer Sprechakt gewesen wäre. Vgl. außerdem die älteren Beiträge zum Thema, an welche die gleichen methodischen Anfragen zu richten sind, wie sie oben an die Diskussionsbeiträge zum „lauten“ und „stillen“ Lesen in der griechisch-römischen Welt gerichtet worden sind (s. o.), T A C K E , Jes 29,18; K Ö H L E R , Lesen. Insbesondere engt die Frage nach dem Stimmeinsatz die Perspektive auf das Gesamtphänomen stark ein, zudem besteht die Gefahr der Übergeneralisierung derjenigen Stellen, an denen stimmliche Realisierung beim Lesen impliziert ist. Tacke bezieht sich bei seinen Ausführungen auf Jes 29,18a: „Und die, die gehörlos sind, werden an jenem Tag hören die Worte eines Buches.“ (B E U K E N , Jesaja, 129, weist zu Recht darauf hin, dass trotz des offensichtlichen Rückbezugs auf Jes 29,11 das Fehlen des Artikels bei 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick und orientieren sich an der Leitfrage, ob bzw. inwiefern Reflexionen von Leseakten im AT (Hebräische Bibel und LXX) und in den außerkanonischen Schriften einen Aussagewert für Lesepraktiken im frühen Christentum haben. Die Auswahl aus der LXX betrifft die Stellen, an denen explizite selbstreferenzielle Verweise auf Lektürepraktiken zu finden sind - insgesamt eine Ausnahme in diesem Textkorpus. Die Reflexion der Lesepraktiken alttestamentlicher Texte im frühen Christentum selbst wird hingegen unten zu thematisieren sein (8.2). 7.1.1 ארק als hebräisches Hauptleseverb Als Hauptverb für „lesen“ im biblischen Hebräisch muss ארק gelten, das in dieser Bedeutung an mindestens 36 Stellen belegt ist. 1 Können aus der Semantik des Verbes Rückschlüsse auf die Lesepraxis im alten Israel gezogen werden? Allein aus der Grundbedeutung „rufen“ bzw. präziser „durch den Laut der Stimme die Aufmerksamkeit jemandes auf sich ziehen, um mit ihm in Kontakt zu kommen“, 2 abzuleiten, im nachexilischen Judentum wäre nur oder mehrheitlich vokalisierend gelesen worden, wäre methodisch verfehlt. 3 Hossfeld und Lam‐ der Übersetzung zu beachten ist.) Tacke geht in Anknüpfung an die Thesen E. Nordens zum Lesen in der griechisch-römischen Kultur (s. o.) davon aus, dass im Hintergrund der (durchaus metaphorisch zu verstehenden) Aussage die Auffassung stünde, dass der Gehörlose zukünftig nicht nur lesen (also die Buchstaben graphisch erkennen), sondern auch hören und (erst damit) verstehen könnte. Wie in der griechisch-römischen Kultur sei auch für das alte Israel vorauszusetzen, dass das Geschriebene über das Ohr aufgenommen werden müsste, um verstanden zu werden. Abgesehen von den oben skizzierten Vorbehalten gegenüber solchen Argumentationsmustern, ist an dieser Stelle überhaupt nicht klar, ob eine individuell-direkte Leseszene vom Text vorausgesetzt wird, was die von ihm zitierten Kommentare und er fraglos unterstellen. Die Stelle kann in Bezug auf die Frage nach der Lesepraxis im alten Israel nicht ausgewertet werden. Vgl. weiterführend zu einer Interpretation von Jes 29,18 vor dem Hintergrund von Jes 29,11 f, der die metaphorisch ausgedrückte Unfähigkeit des Verstehens, die in V. 18 zum Ausdruck kommt, erhellt, B L E N K I N S O P P , Isaiah, 409; B E U K E N , Jesaja, 141-143. Beide gehen davon aus, dass eine kollektive Vorleseszene vorauszusetzen ist und die Lesenden von den Hörenden zu unterscheiden sind. 4 H O S S F E L D , Art. ארק, 134. Das Verb ist in der Bedeutung „lesen“ auch inschriftlich bezeugt. Vgl. die Angaben bei M A L E S S A , Untersuchungen, 80, Anm. 32. Diese Belegstellen wurden im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht eingesehen. 5 Vgl. zum analogen Phänomen im Akkadischen und Sumerischen G R A Y S O N , Murmuring, 302. Seine Annahme, dass die Belege in Inschriften, die individuell-direkte Lektüre zeigen, vokalisierend oder subvokalisierend zu denken sind, ist angesichts des bisher in dieser Studie Erarbeiteten nicht zwingend. Aufschlussreich sind seine Hinweise zu Verben, die Lesen visuell konzeptualisieren. 6 Vgl. O T T O , Dtn 12-34. TB 1, 1488. Vgl. weiterführend zur Frage nach der Lesefähigkeit von altorientalischen Königen G R U N D -W I T T E N B E R G , Literalität, 333, Anm. 28, die zu einer optimistischen Einschätzung kommt. berty-Zielinski gehen davon aus, dass es sich bei der Entwicklung des Leseter‐ minus als Spezialbedeutung von ארק um eine zeitlich nachgeordnete Entwick‐ lung handelt, da ארק „in dieser Bedeutung ‚lesen‘ erst von der exil. Zeit an (vor allem dtr) belegt ist.“ 4 Dabei kann zwar vermutet werden, dass sich die Verwen‐ dung sprachgeschichtlich aus der Grundbedeutung abgeleitet hat. Es gibt aber mehrere Indizien, die dafür sprechen, dass die Semantik der Verbwurzel in der späteren Verwendung als Spezialterminus für das Lesen verblasst ist - ähnlich wie bei vielen, oben besprochenen Lesemetaphern und -metonymien im Grie‐ chischen und Lateinischen und insbesondere bei den Hauptleseverben ἀναγιγνώσκω und lego. So kann das Verb die individuell-direkte Lektüre von Schriftstücken bezeichnen. 5 Mehrfach wird beschrieben, wie der König einen Brief liest, der ihm direkt ausgehändigt wird (2Kön 5,7; 19,14 [= Jes 37,14]). In der Darstellung von Dtn 17,18 f wird der König als nachexilischer Schriftgelehrter stilisiert, 6 der eine Abschrift der Weisung „bei sich haben soll und darin lesen soll sein Leben lang ( ה ָ תְ י ָ הְ ו וֹמּ ִ ע א ָ ר ָ קְ ו וֹב י ֵ מְ י־ל ָ כּ ויָ יּ ַ ח ), damit er lernt, JHWH Elohim zu fürchten, und damit 314 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 7 Dass hier tatsächlich gemeint ist, der König solle eigenhändig schreiben, ist Mehr‐ heitsmeinung in der Forschung. Vgl. mit den entsprechenden Belegen F I N S T E R B U S C H , Weisung, 272. 8 Vgl. weiterführend zur recht diversen Interpretation von Dtn 17,14-20 in der Tempel‐ rolle sowie in der rabbinischen Literatur F R A A D E , Torah of the King. 9 So B O Y A R I N , Placing, 13 f. 10 Vgl. O T T O , Dtn 12-34. TB 1, 1487. 11 In 2Kön 23,2 ר ֶ פ ֵ ס תי ִ ר ְ בּ ַ ה und näher spezifiziert erst in 2Chr 34,14 als ר ֶ פ ֵ ס הָ והְ י־ת ַ רוֹתּ ה ֶ שֹׁ מ־דַ י ְ בּ vgl. dazu J A P H E T , 2 Chr, 468). 12 Die Formulierung ר ֶ שׁ ֲ א א ָ ר ָ ק ְך ֶ ל ֥ ֶ מ ה ָ דוּהְ י (LXX: … οὓς ἀνέγνω βασιλεὺς Ιουδα) in 2Kön 22,16 impliziert eigentlich, dass der König eben dieses Buch dann auch selbst gelesen habe. Wenn sich diese Formulierung in 2Kön 22,16 auf das Hören in 2Kön 22,11 zurückbe‐ ziehen sollte, handelt es sich hier m. E. um eine konzeptionelle Übertragung eines individuell-direkten Leseakts auf einen indirekten Rezeptionsakt. Es handelt sich hier nicht um einen Beleg dafür, dass eine indirekte Rezeptionssituation direkt als „Lesen“ beschrieben wird. Noch weniger kann man aus dieser Stelle ableiten, dass ארק (bzw. das griechische Äquivalent ἀναγιγνώσκω in der 3. Sg. Aktiv) hier „the public, oral procla‐ mation“ meine. So aber B O Y A R I N , Placing, 14. Zum einen ist es unlogisch, da der König ja in 2Kön 22,10 f nicht das Subjekt einer oralen Proklamation ist. Zum anderen spricht gegen Boyarins Auffassung, dass die Spannung von 2Kön 22,16 zu 22,10 f schon im alten Israel wahrgenommen wurde. So wird die Formulierung dann in 2Chr 34,24 kontextuell besser passend verändert zu ר ֣ ֶ שׁ ֲ א וּ ֔ א ְ ר ֽ ָ ק י ֖ ֵ נ ְ פ ִ ל ְך ֶ ל ֥ ֶ מ ה ֽ ָ דוּהְ י („das man dem König von Juda vorgelesen hat“), die im Griechischen passivisch mit τῷ ἀνεγνωσμένῳ ἐναντίον τοῦ βασιλέως Ιουδα wiedergegeben wird. Vgl. dazu R E I T E R E R , Umgang, 131. 13 J A P H E T , 2 Chr, 469. er alle Worte dieser Weisung und diese Satzungen hält und danach handelt.“ Dass er diese Abschrift der Weisung selbständig anfertigen soll (Dtn 17,18), 7 betont die Individualität des (freilich stilisierten) täglichen Leseaktes, den sich die Leser hier vorzustellen haben. Dtn 17,18 wird von Philon aufgegriffen, wes‐ halb unten noch einmal darauf zurückzukommen sein wird (s. u. 7.2.2). 8 Aus 2Kön 22,8-16 abzuleiten, Dtn 17,18 f meine, dass dem König der Text täglich vorgelesen werden solle, 9 steht in Spannung zur eigenhändigen Ab‐ schrift des zu lesenden Textes. Auch die Behauptung Ottos, hier sei ein Vorle‐ seakt mit stimmlicher Realisierung vorauszusetzen, 10 bleibt ohne Begründung. BDB 895,4b zählt die Stelle zur Kategorie „read, to oneself “. In 2Kön 22,8 wird erzählt, dass der Hohepriester Hilkija dem Schreiber Schafan das „Buch der Weisung“ ( ר ֶ פ ֵ ס ה ָ רוֹתּ ַ ה ) 11 aushändigt, das dieser dann für sich liest (וּה ֵ א ָ ר ְ קּיִ ַ ו/ LXX: καὶ ἀνέγνω αὐτό) und später dem König Joschija vorliest (2Kön 22,10 f). 12 Es ist interessant, dass der Chronist die Formulierung „er las es“ (2Kön 22,10) zu „er las darin“ (2Chr 34,18) verändert, also das Objektsuffix mit dem Präpositional‐ ausdruck vertauscht und damit „den Umfang des Vorgelesenen [hin zur selek‐ tiven Lektüre verändert]: Laut Chr las Schafan nicht das ganze Buch, sondern nur Stücke daraus.“ 13 315 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 14 Vgl. H O S S F E L D , Art. ארק, 134: „[D]as Lesen kann leise geschehen, ohne daß jemand das Gelesene vernimmt“. 15 Vgl. exempl. EIN: „damit man es mühelos lesen kann“; ZB2007: „damit wer liest, keine Zeit verliert“; noch näher an der Bewegungsbildlichkeit, aber immer noch philologisch zu unpräzise, da eine lexikalisierte Metapher verwendet wird, welche die sichtbare Metaphorik im hebräischen Text verdeckt, ELB: „Damit man es geläufig lesen kann“. Dies ist auch die Standardübersetzung in den Kommentaren, vgl. z. B. R U D O L P H , Mi, Nah, Hab, Zeph, 211; P E R L I T T , Nah, Hab, Zeph, 63. Am nächsten kommt aus meiner Sicht die NAS: „That the one who reads it may run.“ 16 Lu45, Lu1912, Lu1984 und Lu2017 („Schreib auf, was du schaust, deutlich auf eine Tafel, dass es lesen könne, wer vorüberläuft! “) interpretieren den Vers so, als verweise ָ י ר וּ ץ auf einen Vorbeigehenden, für den die Schrift deutlich geschrieben werden solle. Auch ָ י ר וּ ץ mit Verweis auf einen Eilboten in Est 8,10 als Referenz auf einen Boten zu ver‐ stehen (gegen H A L L , Paul, 179), oder als Referenz auf einen auf einen towncrier zu verstehen, der mit der Promulgation des Gesetzes beauftragt wäre (gegen S C H A P E R , Publication, 231 f), ist weder grammatikalisch noch kontextuell naheliegend; ähnlich auch die NRS. Die Schnelligkeit des Botens in Est 8,10 (s. dazu E G O , Ester, 151 f.349) hat nichts mit einem Leseakt zu tun, die klare Schrift auf der Tafel in Hab 2,2 steht nicht in Verbindung mit der Schnelligkeit des Überbringens einer Nachricht per Boten. S. gegen diese und weitere Verlegenheitsdeutungen auch R U D O L P H , Mi, Nah, Hab, Zeph, 212. Anders als Hossfeld und Lamberty-Zielinski postulieren, 14 kann man für 2Kön 22,8 nicht eindeutig feststellen, ob die individuelle Lektüre mit oder ohne Stimmeinsatz vorzustellen ist. Letzteres ist aber durchaus möglich - nicht zuletzt im Hinblick auf den Leseakt von Schafan in 2Kön 22,8, der auf Kenntnisnahme des Inhaltes hin ausgerichtet ist. Auch die Indizien an einer anderen Stelle weisen darauf hin, dass die Lesepraxis im Alten Israel bezüglich der individuell-direkten Lektürepraxis durchaus differenziert war. So fordert JHWH Habakuk in Hab 2,2 dazu auf, er solle das, was er geschaut hat, „deutlich auf die Tafeln schreiben, damit der, wer es liest, rennt ( ן ַ ע ַ מ ְ ל ץוּרָ י א ֵ רוֹק וֹב ).“ Viele moderne Übersetzungen geben die Bildlichkeit der Aussage nicht präzise genug wieder 15 oder greifen sogar in m. E. unzulässiger Weise interpretatorisch ein. 16 Diese Übersetzungen lassen die in der antiken Welt mit dem Lesen verknüpfte Bewe‐ gungsmetaphorik unberücksichtigte, wie aus einschlägigen Kommentare deut‐ lich wird. So formuliert L. Perlitt offenbar in Unkenntnis der Möglichkeit einer metaphorischen Bedeutung des Motivs des Rennens gegen die eigentlich nahe‐ liegende Übersetzung: „V. 2 b könnte übersetzt werden: „damit schnell läuft […], der sie liest.“ Aber das wäre albern, denn weder vor noch nach V. 2 gibt es jemanden, der rennt, wohin auch immer. Subj. des Verbes ist sonst der Mensch, hier müsste man indirekt die Augen als Subj. 316 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 17 P E R L I T T , Nah, Hab, Zeph, 63. Eine weitergehende philologische Begründung für die adverbielle Standardübersetzung („damit man sie geläufig lesen kann“, s. Anm. 15, S. 316) führt er nicht an. 18 LXX: ὅπως διώκῃ ὁ ἀναγινώσκων αὐτά; Vul: ut percurrat qui legerit eum. Zu percurro als Leseterminus s. o. Anm. 354, S. 196. 19 M A L E S S A , Untersuchungen, 83. 20 So auch R U D O L P H , Mi, Nah, Hab, Zeph, 212; W E I S E R , Buch, 40. 21 Vgl. D O N N E R , Forscht, 285-287. 22 Vgl. D O N N E R , Forscht, der davon ausgeht, dass es sich um einen redaktionellen Zusatz handelt; ferner exempl. auch T A N G H E , Schriftgelehrte; W H I T L O C K , Schrift, 63. 23 Es gibt einige Ausnahmen: Jes 37,14 LXX bietet z. B. einen kürzeren Text, in dem der Hinweis auf das Lesen des Briefes sowie der Gang zum Haus des Herrn fehlt. Der erweiterte MT entspricht an dieser Stelle 2Kön 19,14. nehmen (wie Jes 59,7; Spr 1,16; 6,18 die Füße). Aber weder bei ‚deutlich‘ noch bei ‚geläufig‘ kennen wir die konkrete Vorstellung, auf die angespielt sein könnte.“ 17 Nicht zuletzt die altsprachlichen Übersetzungen verdeutlichen, dass hier die in der Antike geläufige Metaphorik des Durchrennens im Blick ist, die auf eine auf Schnelligkeit hin ausgerichtete Lektüre hindeutet. 18 Diese schnelle Lektüre wäre wiederum durch den Einsatz der Stimme bzw. das vollständige Ausartikulieren in anderer Form (als durch unleserliche Schrift) behindert worden. Das heißt, vom Text wird vermutlich eine Lektürepraxis vorausgesetzt, die entweder durch subvokalisierendes Lesen oder durch gänzlichen Verzicht auf stimmliche Rea‐ lisierung die entsprechende Schnelligkeit ermöglichte. Im Bild müssen nicht zwingend die Augen gemeint sein, vielmehr steht der rennende Mensch hier totum pro parte für die am Leseprozess beteiligten Teile des Körpers. Es ist mit M. Malessa festzuhalten: „Der Schwerpunkt der Aussage liegt […] auf der Art und Weise des Vollzuges der Verbalhandlung von ארק und weniger auf dem Erreichen eines natürlichen Endpunktes der Handlung, was durch die durative Aktionsart der Konstruktion unterstrichen wird.“ 19 Hab 2,2 hat also eine „typo‐ graphische“ Gestaltung der Tafel im Blick, die für die schnelle visuelle Erfass‐ barkeit optimiert ist. 20 Vor diesem Hintergrund reflektiert vermutlich auch Jes 34,16 individuell-di‐ rekte Lektürepraxis. Dort findet sich die (in der LXX fehlende und in der exegetischen Fachliteratur häufig als sonderbar charakterisierte und in seiner Referenzialität und Ursprünglichkeit kontrovers diskutierte 21 ) Aufforderung „Forscht im Buch des Herrn und lest! “, die als Ausdruck schriftgelehrter Lektü‐ repraxis verstanden werden kann. 22 Wenn ארק in spezieller Weise als Leseterminus gebraucht wird, übersetzt ihn die LXX in den allermeisten Fällen mit dem griechischen Hauptleseverb ἀναγιγνώσκω, 23 das wie oben ausführlich besprochen, auf einen anderen Bild‐ 317 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 24 Dass W O L L E N B E R G , People; W O L L E N B E R G , Dangers, die Möglichkeit dieser Polyvalenz des Verbes ארק nicht in Rechnung stellt, ist ein methodisches Problem ihrer Untersu‐ chung der rabbinischen Zeugnisse und macht eine kritische Diskussion ihres Ergeb‐ nisses notwendig, im rabbinischen Judentum hätte es nur ein rezitierendes Lesen me‐ morierter Texte gegeben. 25 Dies gilt ferner auch für Bar 1,3.14. Bar 1,3 verweist explizit auf einen singulären Leseakt, der fiktiven Erstverlesung des Buches in Babylonien. Vgl. dazu S T E C K , Baruchbuch, 20-27. Die Aufforderung in Bar 1,14 impliziert zwar eine mehrfache, regelmäßige Verlesung des Baruchbuches im Tempelareal in Jerusalem (vgl. S T E C K , Baruchbuch, 50-55). Angesichts der pseudepigraphen Verfasserschaft (vgl. dazu S T E C K , Baruchbuch, 303-305) und als Teil der narrativen Authentifizierungsstrategie des Bar (eine regelmäßige Verlesung garantiert die schriftliche Transmission) sind die Angaben in Bar 1,14 jedoch historisch nicht für Lesepraktiken im antiken Judentum auswertbar. Es handelt sich bei den Angaben um eine zurückprojizierte Konstruktion. spendebereich zurückzuführen ist. Dabei ist anzumerken, dass im Griechischen mit dem ebenfalls sehr häufig vorkommenden Leseterminus ἐντυγχάνω (s. o. 3.4) ein anderes Lexem zur Verfügung gestanden hätte, das den semantischen Gehalt des Beziehungsaufbaus enthalten hätte, den ארק aufweist. Dies zeigt ins‐ gesamt, dass der ursprüngliche semantische Gehalt des Verbes ארק, wenn es als Leseterminus gebraucht wird, - ähnlich wie bei ἀναγιγνώσκω oder eben wie bei dem Lexem „lesen“ im Deutschen - verblasst ist. 24 Bei den meisten Leseszenen im AT, die mit ארק gekennzeichnet werden, han‐ delt es sich allerdings um Vorleseszenen (durch den Kontext als solche markiert), wobei die Adressaten des Vorlesens häufig mit der Formulierung יֵנְ זאָ ְ בּ („vor den Ohren“, Ex 24,7; 2Kön 23,2; 2Chr 34,30; Neh 13,1; Jer 29,29; 36,15.21), יֵנ ְ פ ִ ל („vor dem Angesicht“, 2Kön 22,10; 2Chr 34,18.24; Neh 8,3; Est 6,1) oder דֶגֶנ („in Ge‐ genwart von“, Dtn 31,11) markiert werden. Aus dem Vorkommen des Wortes „Ohr“ (ןֶ זֹ א) in der Zusammensetzung יֵנְ זאָ ְ בּ, die als konventionalisierte Präposi‐ tion verwendet wird, ist nicht ableitbar, dass auch die individuell-direkte Lektüre mit stimmlicher Realisierung vollzogen wurde. Auch wäre es ein methodischer Fehlschluss, aus dem quantitativen Übergewicht von Vorleseszenen zu schließen, man habe im nachexilischen Judentum lediglich vokalisierend und in Gruppen gelesen. Insgesamt muss man potentiell in Rechnung stellen, dass die geringe Anzahl an Szenen mit individuell-direkten Leseakten - sollten sie in bestimmten sozialen Kreisen ein alltäglicher Akt gewesen sein - dem Mangel an Relevanz für narrative Darstellungen geschuldet sein kann. Bei zahlreichen Vorleseszenen im AT handelt es sich um singuläre Lesebzw. Kommunikationsakte auf der Ebene der erzählten Welt(! ), die keine dauerhaft institutionalisierte und ritualisierte Lesepraxis reflektieren, 25 sondern in den 318 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 26 Daher ist auch die Schlussfolgerung unzulässig, dass „the whole law, or at least large portions of it, was read out loud in public“ (W A T T S , Public, 543). 27 Diskutiert werden könnte, ob „in die Ohren geben“ in Dtn 17,14 meint, dass Mose Josua den vorher verschriftlichten Text vorliest. Vgl. zur grammatischen Analyse, die eine solche Deutung zuließe, D O H M E N , Exodus I, 417 f, der allerdings selbst davon ausgeht, dass hier „mündliche Überlieferung“ neben die schriftliche gestellt würde. 28 Vgl. Ex 24,7 ( ר ֶ פ ֵ ס תי ִ ר ְ בּ ַ ה ); Jos 8,30-35 ist als Promulgationsakt mit dem singulären Akt der Verinschriftlichung der von Mose aufgeschriebenen Tora durch Josua verbunden; einen ebenfalls singulären Verlesungsakt stellt auch die Promulgation des wiederauf‐ gefundenen „Buches der Weisung“ (s. o.) in 2Kön 23,1-3 dar, das schon in 2Kön 22,10 dem König durch den Schreiber Schafan vorgelesen worden ist (vgl. auch 2Chr 34,18.24.29-32). 29 F I S C H E R , Jeremia II, 285. 30 Vgl. z. B. H O F F M A N , Aetiology, 183. S. dagegen auch W A H L , Entstehung. 31 Vgl. K N O B L O C H , Prophetentheorie, 83.178. 32 S. dazu W A H L , Entstehung, insb. 387. 33 W A H L , Entstehung, 377. meisten Fällen eine besondere narrative Relevanz für das jeweilige Erzählkon‐ zept haben: 26 Briefe oder andere Dokumente werden etwa in einem singulären Kommunikationsakt vorgelesen (vgl. z. B. Jer 29,29; ferner 1Esr 3,14 LXX); 27 ein singuläres Kommunikationsgeschehen stellen auch die Verlesungen des Bundesbuches/ der Tora als Promul‐ gationsakt dar; 28 das mehrfache Vorlesen der Buchrolle in Jer 36,6.10.15.21-23 gehört zu einer umfangreichen „konstruierten Erzählung […], die […] den König Jojakim als Gegenbild zu König Joschija zeichnet und verschiedene Weisen des Umgangs mit Gottes Wort aufzeigt.“ 29 Die Erzählung stellt also keinen historischen Bericht der Entstehung des Jeremia-Buches im 7. Jh. v. Chr. dar, wie in der Forschung von einigen angenommen wird, 30 fungiert aber möglicherweise als Ätiologie redaktioneller Pro‐ zesse (vgl. Jer 36,32). 31 Das Vorlesen ist also Teil einer fiktionalen Erzählwelt der zweiten Hälfte des 7. Jh., die exilisch und nachexilisch gestaltet wird, 32 wobei der Text keine Hinweise darauf gibt, dass eine zeitgenössische Vorlesepraxis prophetischer Texte in das 7. Jh. zurückprojiziert wird. Es handelt sich also um eine literarisch-fiktive Form des Vorlesens, die die narrative Funktion hat, die Kenntnis des Geschriebenen bei allen Akteuren auf der Ebene der erzählten Welt sicherzustellen, um vor diesem Hintergrund als besonderes „Paradigma für die Verfehlung des Südreiches“ 33 dienen zu können. Aufschlussreich ist demgegenüber, dass die wieder erstellte und überar‐ beitete Schriftrolle ( Jer 36,32), welche von den Lesern als vorliegendes Buch Jeremia identifiziert werden soll, gerade nicht mehr vorgelesen wird. Freilich lässt dies auch keine sicheren Schlussfolgerungen zu, welchen Rezeptionsmodus insbesondere die Redaktoren der prophetischen Literatur im Blick hatten. 319 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 34 G U N N E W E G , Nehemia, 112. 35 H I E K E , Bücher, 189. Vgl. zur These, dass es sich in Neh 8,1-12 um einen Synagogen‐ gottesdienst handle, außerdem P O H L M A N N , Studien, 136 f.151-154; H O S S F E L D , Art. ארק, 135. 36 V E N E M A , Reading, 167. Eine Vorleseszene (Neh 8) muss an dieser Stelle ein wenig genauer betrachtet werden, da in der Forschung zuweilen angenommen wird, dass es sich um eine „Ätiologie des späteren synagogalen Gottesdienstes“ 34 handelte bzw. sich in ihr der „ideale Wortgottesdienst“ 35 , also eine dauerhaft institutionalisierte rituelle Lesepraxis, widerspiegelte. Neh 8 bietet eine ausführlich und detailreich beschriebene Leseszene in Jerusalem, wo sich das ganze Volk nach der Rückkehr aus dem Exil im siebten Monat (Neh 7,72) auf dem Platz vor dem Wassertor versammelt (vgl. auch 1Esr 3,1) und Esra darum bittet, das Buch der Weisung des Mose zu holen (Neh 8,1). Bei der Darstellung der Leseszene werden folgende Elemente hervorgehoben: 1) Die Leseszene erstreckt sich zeitlich vom frühen Morgen bis zum Mittag (Neh 8,3). 2) Der Schriftgelehrte Esra steht zusammen mit 13 Personen, die namentlich aufgezählt werden, erhöht auf einem Holzgerüst (Neh 8,4), wodurch eine be‐ sondere, für alle visuell wahrnehmbare Inszenierung des Öffnens (חתפ/ ἀνοίγνυμι bzw. ἀνοίγω) der Buchrolle möglich wird (Neh 8,5a/ b). 3) Das Volk reagiert auf das Öffnen des Buches damit, dass es sich erhebt (Neh 8,5c/ d); nach einem Lobpreis durch Esra spricht das Volk mit erhobenen Armen „Amen, Amen“, woraufhin es sich verneigt und zu Boden wirft (Neh 8,6). Der Text ist dahingehend nicht ganz eindeutig, ob das Öffnen des Buches impliziert, dass Nehemia aus der Tora vorliest, was ja in Neh 8,3 vorweggenommen worden ist; dann wären sowohl der Lobpreis JHWHs als auch die Reaktion des Volkes als Abschlussritual zu verstehen, wie G. J. Venema mit Verweis auf das „Amen, Amen“ als typical closing formular vermutete. 36 Dass das Öffnen eines Schrift‐ mediums metonymisch einen Leseakt implizieren kann, haben die Ausfüh‐ rungen unter 3.5 gezeigt. Umgekehrt kann man die Formulierung וֹח ְ ת ִ פ ְ כוּ וּד ְ מ ָ ע ם ָ ע ָ ה־ל ָ כ (Neh 8,5) auch so verstehen, dass sich das Volk tatsächlich beim Öffnen des Buches erhebt - die Übersetzung in der LXX mit dem Aorist ἤνοιξεν zeigt eine solche punktuelle Interpretation des Textes - und die geschilderte rituelle Handlung vor der Verlesung geschieht. 320 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 37 K E L L E R M A N N , Nehemia, 25. 38 Und ist damit nicht einfach nur eine Inszenierung der Ausführung von Dtn 31,9-13, wie B R E I T M A I E R , Lehren, 16, formuliert. 39 Vgl. V E N E M A , Reading, 168 f; gegen H I E K E , Bücher, 199, der die in Neh 8,7 Genannten ohne weitere Begründung als Leviten identifiziert. 40 Dies korrespondiert damit, dass in Neh 8,1 die Initiative, das Buch der Tora zu holen, vom Volk ausgeht. 41 Vgl. dazu S T E I N S , Inszenierung, 97, der in kanonischer Perspektive formuliert: „Es geht um die Geburt des Gottesvolkes, die zusammenfällt mit der Geburt der Tora als Kanon - in der Praxis der immer neuen Lektüre. Das ist der eigentliche Sinn von ‚Kanon‘, die Wiederholungslektüre als situierte Kognition, die das Leben verwandelt.“ 4) Der Text betont mehrfach das Verstehen des Gelesenen (Neh 8,2 f.8.12); es handelt sich also nicht um ein bloßes Ritual, in dem der Text gleichsam als heiliges Objekt behandelt wird. In dieser Hinsicht ist auch die Gruppe von Beteiligten relevant. In Neh 8,7 f werden 13 Personen namentlich genannt, die sich von den in Neh 8,4 Genannten unterscheiden, und eine in ihrer Größe nicht näher spezifizierte Gruppe von Leviten. Die 13 Personen und die Leviten erklären dem Volk die Tora, und zwar indem sie sie abschnittsweise vorlesen und diese Abschnitte dann so erläutern, dass das Volk verstehen kann. Dabei ist festzustellen, dass Esra hier namentlich nicht noch einmal genannt wird. Dadurch entsteht, auch wenn man das Öffnen des Buches in Neh 8,5 nicht so versteht, als sei das Vorlesen impliziert, m. E. keine große Spannung im Text, da Esra durchaus als unter den Leviten subsummiert verstanden sein könnte bzw. die Leser ja schon aus der expositorischen, „zusammenfassende[n] Vorwegnahme von Neh 8: 4-12“ 37 in Neh 8,3 wissen, dass er selbst auch vorliest. Viel entscheidender für die Interpretation des Textes ist dagegen, dass es sich bei den namentlich Genannten gerade nicht um Funktionsträger handelt, sondern um „normale“ Menschen aus dem Volk, die hier nicht nur aus der Tora lesen, sondern selbst in die Rolle des Erklärers schlüpfen. Damit setzt sich der Text von Dtn 31,9-13 deutlich ab, 38 wo Mose die Anweisung gibt, dass die Priester und Leviten alle sieben Jahre beim Laubhüttenfest dem Volk aus der Tora vorlesen sollen. 39 Daraus folgt: Der Text stellt das Verstehen der Tora durch das Volk ins Zentrum und hat den Charakter einer gleichsam ätiologischen Begründung eines „demokratisierten“ Zugangs zur Tora 40 und deren immer neuer Lektüre. 41 Wie diese Form der Toralektüre und -auslegung jedoch genau aussah, muss sozialgeschichtlich offenbleiben (und das gilt analog für die Szene in Neh 321 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 42 In Neh 8,13 f findet sich der Hinweis, dass sich am Tag nach der Verlesung die Famili‐ enoberhäupter, die Priester und Leviten bei Esra versammeln, „um Einsicht zu be‐ kommen (לי ִ כּ ְ שׂ ַ ה ְ ל/ LXX: ἐπιστῆσαι) in die Worte der Tora“ (Neh 8,13). Dies kann so ver‐ standen werden, dass die genannten Gruppen bei dem Schriftgelehrten Esra mit einem bestimmten Erkenntnisinteresse (s. das Verb אצמ/ LXX: εὑρίσκω in Neh 8,14, mit dem das Ergebnis der Konsultation Esras/ der Tora beschrieben wird) eine Auslegung der Tora erhalten wollen; d. h. dass Esra für sie den materiellen Text konsultiert, zu dem er ja laut Neh 8,1 f Zugang hat. Da allerdings die genannten Gruppen Subjekt des Satzes in Neh 8,14 sind, ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie selbst oder jemand stellvertre‐ tend für die Gruppen selbst Einsicht in den Text nimmt und sie sich nur bei Esra ver‐ sammeln, weil dieser eben den Zugang zum materiellen Text gewährleisten kann. In welcher Form der Lesevorgang an dieser Stelle auf der Ebene der erzählten Welt aus‐ sieht, bleibt völlig offen. So auch V E N E M A , Reading, 177, Anm. 124, der zur Vorsicht mahnt, hier das spätere jüdische Lehrhaus in den Text einzutragen. 43 Zur Unsicherheit der Historizität der Leseszene vgl. Z E N G E R u. a., Einleitung, 142 f. 44 So auch das Urteil bei S T E M B E R G E R , Judaica, 28. 45 Vgl. H I E K E , Bücher, 188 f. 46 Vgl. insbesondere das Motiv des ganzen Volkes, das als ein Mann versammelt ist in Neh 8,1. Eine entfernte Analogie findet sich in 1QSa 1,1-6. Dort findet sich die Vorschrift, dass neuen Gruppenmitgliedern die ganze Tora vorzulesen ist und sie in den Gesetzen unterwiesen werden müssen, wobei davon ausgegangen werden kann, dass es sich um ein singuläres Verlesen als Aufnahmeritual handelt. Vgl. dazu S TÖ K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 84 f. 47 So auch S C H I F F M A N , Reading, 44 f: „But no historical connection can be proposed between the public reading described in Nehemiah and the reading of the Torah as a synagogue ritual“ (44). 48 Vgl. die ausführliche Argumentation gegen die These, dass Neh 8,1-12 einen Synago‐ gengottesdienst darstellen wolle, K Ö R T I N G , Schall, 250-255. 49 So mit Hinweis auf die hapax legomena und analogielosen Syntagma in Neh 8,4 f V E N E M A , Reading, 168, insb. Anm. 92. 50 S T E I N S , Inszenierung, 92. Steins erklärt die Reaktion des Volkes damit, dass es in der Leseszene „um die Begegnung des ‚ganzen Volkes‘ mit dem Sinaigott im Medium der Tora geht“ (S T E I N S , Inszenierung, 95) und verweist diesbezüglich auf Ex 19,16 und 20,18. 8,13 f 42 ). Denn erzählt ist ein retrospektiv konstruierter, 43 singulärer Leseakt, 44 der Teil einer umfassenderen „Bundeserneuerung“ nach der Rückkehr aus dem Exil darstellt (vgl. Neh 7,72b-10,40) 45 und identitätsstiftend wirkt. 46 Es ist nicht belegbar, dass die geschilderten rituellen Elemente eine zur Abfassungszeit exis‐ tente Form eines „Wortgottesdienst“ widerspiegelten, die in die erzählte Welt projiziert worden wäre. 47 Dafür fehlen einfach sichere Anhaltspunkte. 48 Zum einen sind die geschilderten Elemente in alttestamentlichen Texten analogielos 49 und können durchaus dahingehend gelesen werden, dass hier die „Lektüre der Tora als Medium der Gottesbegegnung, näherhin als Aktualisierung des Sinai‐ geschehens“ 50 konzeptualisiert wird; zum anderen wissen wir nichts über die Gestalt eines vermeintlichen „Wortgottesdienstes“ (s. u. 7.4) zum mutmaßlichen 322 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 51 H I E K E , Bücher, 39, datiert Neh ins 3. Jh. v. Chr. Vgl. auch Z E N G E R u. a., Einleitung, IX, 2.6. 52 Vgl. F R I T Z , Jos, 29 f; Z E N G E R u. a., Einleitung, 260. 53 Vgl. z. B. EIN, ELB. 54 Vgl. z. B. NRS, NAS. Vgl. aber NKJ: „you shall mediate in it“. 55 Vgl. N E G O I T Ă , Art. הגה, 343 f. 56 Gegen K ÖH L E R , Lesen, der Jos 1,8 als Beleg für die „Sitte des Lautlesens bei den Hebräern“ anführt, aber damit den stimmlichen Einsatz beim Lesen im alten Israel zu undifferenziert erfasst. Zeitpunkt der Abfassung in hellenistischer Zeit. 51 Die These, dass Neh 8 eine frühe Form des jüdischen „Wortgottesdienst“ zeige, basiert also auf einer petitio principii. 7.1.2 הגה und individuell-direkte Lektüre im AT Individuell-direkte Lektüre kann im biblischen Hebräisch auch durch die Ver‐ wendung des Verbes הגה angezeigt werden. Diesbezüglich ist zunächst die Ver‐ wendung in Jos 1,8 zu diskutieren; ein Vers, der üblicherweise als Teil eines Nachtrages durch die deuteronomistische Redaktion interpretiert wird. 52 JHWH fordert Josua hier zur täglichen Beschäftigung mit der Tora auf. a. Nicht weichen soll dieses Buch der Weisung aus Deinem Mund b. und Du sollst murmeln darin/ darüber ( ָ תיִג ָ הְ ו וֹבּ ; LXX: καὶ μελετήσεις ἐν αὐτῷ; Vul: sed meditaberis in eo) Tag und Nacht ( ם ָ מוֹי ה ָ לְ י ֔ ַ ל ָ ו ), c. damit Du beachtest und tust alles, was darin geschrieben steht. Zunächst ist zu diskutieren, ob es sich hier um eine Aufforderung zum Lesen handelt, also dass das von JHWH Geforderte die Einsicht von Schriftrollen er‐ fordert, oder ob es darum geht, schon bekannte und auswendiggelernte Verse zu meditieren, was einige moderne Übersetzungen voraussetzen, wenn sie die Formulierungen „(nach)sinnen über“ 53 oder to mediate on  54 wählen. Die Meta‐ pher, das Buch der Weisungen im Mund zu haben ( Jos 1,8a), besagt zunächst, dass Josua Worte der Tora mit dem Stimmerzeugungsapparat realisieren soll. Das Verb הגה ( Jos 1,8b) spezifiziert den Vorgang insofern, als seine Semantik vor allem mit nicht voll artikulierten Lauten konnotiert ist; 55 also ein hörbarer Stimmeinsatz impliziert ist, bei dem Außenstehende aber nicht unbedingt wahr‐ nehmen können, was genau stimmlich realisiert wird. Mit den eingangs einge‐ führten Kategorien kann dies treffend als Subvokalisierung beschrieben werden. 56 323 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 57 Vgl. L O H F I N K / F I S C H E R , Worte, 181-200. 58 Vgl. F I N S T E R B U S C H , Weisung, passim. 59 Vgl. F I N S T E R B U S C H , Weisung, 285-287 (Lit.). Gegenüber N. Lohfink und G. Fischer hebt sie hervor, dass es in Dtn 30,14 also gerade nicht um das in Jos 1,8 vermeintlich vorauszusetzende auswendiggelernte Rezitieren der Tora, sondern um den Lernprozess selbst geht. Den Unterschied u. a. zu Jos 1,8 markiert sie gegenüber N. Lohfink und G. Fischer ganz ausdrücklich. Vgl. F I N S T E R B U S C H , Weisung, 244, Anm. 492. 60 O T T O , Dtn 12-34. TB 1, 2036. N. Lohfink und G. Fischer leiten aus Dtn 6,6-9 und 11,18-21 ab, dass Jos 1,8 die Praxis der täglichen Rezitation und Meditation auswendiggelernter Toratexte in den Blick nimmt. 57 Diese Texte seien, wie K. Finsterbusch in ihrer Habilitati‐ onsschrift ausführlich ausführt, nicht durch eigene Lektüre angeeignet worden, sondern durch ein Lehr-/ Lernkonzept, das durch Vorlesen und Nachsprechen gekennzeichnet ist. 58 Dementsprechend deutet sie den Verweis auf den Mund in Dtn 30,14 als Verweis auf genau diesen Akt des Auswendiglernens durch Nachsprechen: 59 Die mosaische Promulgation und mündliche Lehre der Tora an die Wüstengeneration reflektiere eine solche Lernpraxis zur Abfassungszeit des Textes; Josua hätte in dieser Perspektive dann die Texte schon auswendig gekonnt und wäre nicht auf die Einsicht des Schriftmediums angewiesen gewesen, um die Tora täglich zu murmeln. Am Rand sei angemerkt, dass die LXX in Dtn 30,14 ἐν ταῖς χερσίν σου liest und damit, wie 4QDeut b zeigt, 60 eine schon in der Überlieferung des hebräischen Textes entstandene Lesart bezeugt, bei der gleichsam als proleptischer Verweis auf Dtn 31,9 schon hier die Vorstellung der schriftlichen Verfasstheit der Tora evoziert wird bzw. eine andere Lern- und Studiensituation in den Text eingetragen ist. Aus den folgenden Gründen ist es aber auch möglich, dass Jos 1,8 nicht die Rezitationspraxis auswendiggelernter Toratexte reflektiert, sondern in text‐ pragmatischer Perspektive zur Zeit der Textentstehung einen anderen Modus der Aneignung: die studierende Lektüre des Textes, die auf das Medium der Buchrolle gestützt ist. 1) Jos 1,8c weist explizit auf den schriftlichen Charakter dessen hin, was gemurmelt werden soll. 2) Auch im näheren Kontext wird in einer synchronen Perspektive auf den literarischen Zusammenhang zum Buch Deuteronomium der schriftliche Cha‐ rakter von ר ֶ פ ֵ ס ה ָ רוֹתּ ַ ה explizit hervorgehoben (vgl. Dtn 31,9.24.26), wobei Dtn 31,26 f m. E. zeigt, dass die verschriftliche Form der Tora nicht nur für die zu‐ künftigen Generationen, sondern auch schon für die Wüstengeneration eine Relevanz hat. Dabei ist es zudem in diachroner Perspektive durchaus möglich, dass die genannten Stellen in Dtn 31 und Jos 1,8 (und andere Verse in Jos 1) auf 324 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 61 Vgl. zur These einer „nomistischen“ Redaktion (DtrN), deren Charakteristikum u. a. Hinweise auf die in ein Buch geschriebene Tora sind, die Verweise auf die entsprechende Literatur bei K R A U S E , Exodus, 87, Anm. 100. 62 Vgl. zur Diskussion des Forschungsstandes zur Redaktionsgeschichte von Jos 1 K R A U S E , Exodus, 69-94; vgl. zur „Deuteronomismus“-Diskussion die Beiträge in W I T T E / S C H M I D / P R E C H E L / G E R T Z , Geschichtswerke; einen knappen und instruktiven Überblick über den Forschungsstand zum dtrG bietet R Ö M E R , Art. Deuteronomismus. 63 Vgl. L O H F I N K / F I S C H E R , Worte, 195-200 [Zitat: 200]. 64 Gegen L O H F I N K / F I S C H E R , Worte, 200. Der Merismus „Tag und Nacht“ hat m. E. in Jos 1,8 keine besondere leserlenkende Funktion, einen Zusammenhang zu Dtn 6,7 herzustellen; dafür fehlt eine genaue lexikalische Übereinstimmung und man könnte wegen des As‐ pekts der Führungsfigur genauso gut sagen, dass der Leser eine Verknüpfung zum Motiv des „ganzen Lebens“ in Dtn 17,19 herstellen solle. Auch das gemeinsame Vorkommen eines verbum dicendi mit der Präposition ְ בּ reicht dafür nicht aus; denn gerade in Dtn 17,18 bedeutet das verbum dicendi ארק + ְ בּ ja „darin lesen“ (s. o. u. u.). Man kann die lexikalische Differenz zwischen רבד + םי ִ ר ָ ב ְ דּ (Dtn 6,6 f; 11,18 f) und ר ֶ פ ֵ ס ה ָ רוֹתּ ַ ה + הגה ( Jos 1,8) nicht einfach so einebnen, wie Lohfink und Fischer dies tun. 65 Vgl. dazu J E N N I , Präpositionen Bd. 1, 178-195, insb. 192, der die 55 Belegstellen ְ בּ + Schriftmedium (2278 „Buch/ Brief/ Liste“) der Rubrik 22 „Ort = Gebiet/ Fläche“, genauer: 227 „Fläche an Gegenständen“ zuordnet. 66 J E N N I , Präpositionen Bd. 1, 273, ordnet diese Belege allerdings der Rubrik 26 „Kontakt“, genauer: 264 „Teilmengen-Kontakt“, genauer: 2649 „Aufnahme von Worten“ zu. Mir erschließt sich nicht, mit welcher Sicherheit er formulieren kann, die Teilhabe an einem Ganzen sei beim Lesen aus einem Buch als Textmenge, nicht als Ort zu verstehen (vgl. eine Ebene der deuteronomistischen Redaktion gehören, 61 wobei hier angesichts des kontroversen Forschungsstandes zu den redaktionskritischen Fragen in Bezug auf Jos 1 und um Modelle zur Beschreibung der Wachstumsgeschichte des deuteronomistischen Geschichtswerkes insgesamt im Rahmen der hier ver‐ handelten Frage kein abschließendes Urteil gebildet werden kann. 62 3) Jos 1,8 richtet sich explizit an Josua, also an eine Führungsfigur, sodass eine Parallelität zu den auf das gesamte Volk bezogenen Aussagen in Dtn 6,6-9 und 11,18-21 - wie von N. Lohfink und G. Fischer gesehen (s. o.) -, nur schwerlich postuliert werden kann. Wie von den beiden richtig gesehen, können Leser in synchroner Perspektive eine Verknüpfung zum Königsgesetz in Dtn 17,14-20 ziehen, da Josua „als Nachfolger Moses und im Vorblick auf Joschija […] zweifellos eine Art vorlaufende Königsgestalt“ ist. 63 Allerdings spricht doch gerade Dtn 17,18 f dafür, dass die Idee einer Beschäftigung der Führungsperson mit der Tora nicht eine Meditation auswendiggelernter Texte voraussetzt, sondern die Einsicht einer Buchrolle. 64 4) Auch die Verwendung der Präposition ְ בּ, der hier die Funktion der Lokali‐ sation zukommt, 65 fügt sich in eine solche Interpretation: So wird ְ בּ auch an anderer Stelle zur Anzeige des Lesemediums verwendet (vgl. Dtn 17,19[! ]; Neh 8,3[! ].8.14[! ]; 9,3; 13,1; 2Chr 34,18; Jer 36,6.8.14) 66 bzw. bezeichnet, dass etwas 325 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften J E N N I , Präpositionen Bd. 1, 270), bzw. warum er die Belege הגה + ְ בּ dann nicht ebenfalls dieser Rubrik zuordnet. 67 Vgl. auch die Übersetzung von Buber/ Rosenzweig. 68 Vgl. z. B. Lukian. pisc. 34. 69 Sisque oppido meminens quod olim Marcia Hortensio, Terentia Tullio, Calpurnia Plinio, Pu‐ dentilla Apuleio, Rusticiana Symmacho legentibus meditantibusque candelas et candelabra tenuerunt (Sidon. epist. 2,20,5). Vgl. zu meditor ferner Plin. ep. 6,29,2 (proinde multum lege, scribe, meditare, ut possis, cum voles, dicere) und stellvertretend für viele Belege in der patristischen Literatur, die das Motiv aus der lateinischen Bibel aufnehmen, Tert. adv. Marc. 2,19,2: meditantes die ac nocte in lege domini. 70 Vgl. auch S T E M B E R G E R , Judaica, 27, der darauf hinweist, dass Jos 1,8 in „rabbinischer Tradition [als] Basistext für die allgemeine Verpflichtung ständigen Torastudiums“ fungiert. in/ auf etwas geschrieben ist (vgl. aus der Vielzahl der Belege z. B. Ex 17,14; Num 5,23; 1Kön 2,3; 2Chr 13,22; Neh 6,6; 10,35; Ps 40,8; Dan 9,11.13; vgl. außerdem die Formulierung „es ist gesagt in dem Buch“ in Num 21,14). Entsprechend übersetzen in Jos 1,8 die ZB2007 die Präposition mit einem lokalen Sinn („du sollst sinnen über ihm“), die BigS macht ein Objekt daraus („murmle es [scil. das Buch]“), die verschiedenen Ausgaben der Lutherbibel verwenden ein Verb der visuellen Wahrnehmung („betrachte es“) und die Übersetzung von F. E. Schlachter übersetzt frei: „forsche darin“. Diese Übersetzungen setzen damit alle voraus, dass die hebräische Formulierung in Jos 1,8 eine Konsultation des Schriftmediums impliziert, wobei allerdings sowohl in der Lutherbibel als auch in der Übersetzung von Schlachter die Assoziation des Stimmeinsatzes verloren geht. Um diese Konnotation deutlich zu machen, ist hier in Anknüpfung an die Wendung „lesen in etwas“ die (im Deutschen zwar ungewöhnliche) Formulie‐ rung „darin murmeln“ gewählt worden. 67 Der Merismus ם ָ מוֹי ה ָ לְ י ֔ ל ָ ו und die Verben רמשׁ und השׂע verweisen sodann auf eine gewisse Parallelität zur Leseszene in Dtn 17,19, wo mit der Zeitangabe י ֵ מְ י־ל ָ כּ ויָ יּ ַ ח ein ähnlicher Zeithorizont im Blick ist, wo ebenfalls die beiden Verben vorkommen und wo es eindeutig um individuell-direktes Lesen mit dem Medium Rolle in der Hand geht. Diese In‐ terpretation wird ferner durch Belegstellen unterstützt, an denen μελετάω im Sinne eines mediengestützten Studierens verwendet wird, 68 sowie durch die la‐ teinische Übersetzung von הגה/ μελετάω, und zwar insofern, als wir aus einem Brief von Sidonius Apollinaris 69 wissen, dass der mit meditor beschriebene Vor‐ gang eine Beleuchtung mit Kerzen und Leuchtern erforderlich machte, also durchaus an ein Schriftmedium zurückgebunden sein konnte. Jos 1,8 kann also als Hinweis auf eine individuell-direkte, subvokalisierende Studienlektüre der Tora zum Zwecke des Lernens gelesen werden, die historisch zurückprojiziert wird. Josua wird damit redaktionell als normativer Modellleser figuriert, an dem sich die Leser des Textes orientieren sollen. 70 Jos 1,8 hat eine 326 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 71 Vgl. K N A U F , Josua, 43 [Zitat ebd.]. 72 Vgl. z. B. ZB2007: „sinnt über seiner Weisung“; LU84/ LU2017: „und sinnt über seinem Gesetz“; Schlachter: „in seinem Gesetz forscht“; BigS: „diese Weisung murmeln“. 73 Vgl. z. B. EIN, ELB. Dass die Präposition zusammen mit הגה in der übertragenen Bedeu‐ tung (nachsinnen über etwas) verwendet werden kann, zeigt Ps 143,5 (vgl. H O S S F E L D / Z E N G E R , Psalmen 101-150, 761.768), möglicherweise auch ְךבּ־הֶ גּ ְ ה ֶ א in Ps 63,7 (vgl. H O S S ‐ F E L D / Z E N G E R , Psalmen 51-100, 198), das aber, so zumindest die Übersetzung der LXX (ἐμελέτων εἰς σέ), auch direktional (mein Sinnen geht zu Dir) verstanden werden kann. 74 Vgl. z. B. NRS, NAS. 75 Vgl. aber schon K R A U S , Psalmen, 137: „הגה bedeutet das leise murmelnde Sich-selbst-Vor‐ lesen der Heiligen Schrift“. gewisse Ähnlichkeit zur Forderung Horaz, man solle die griechischen Vorbilder bei Tag und bei Nacht drehen (Hor. ars. 268 f; s. o. S. 175), also sich intensiv durch individuell-direkte Lektüre aneignen. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass das vorgesehene Studium der Tora eine iterative Lektüre eines eng umgrenzten Textumfangs voraussetzt (klassischerweise als intensive Lektüre bezeichnet) und die griechischen Vorbilder bei Horaz einen viel größeren Korpus an Texten voraussetzen, wobei nicht sicher gesagt werden kann, wie oft die jeweiligen Einzeltexte konsultiert werden sollen. Zudem ist das Ziel der Lektüre leicht anders gelagert, Horaz geht es um die Verbesserung der poetischen Ausdruckskraft - also um ein ästhetisches Studienziel -, während die Lektüre der Tora ein die Ethik betreffendes Studienziel adressiert. Dass es sich bei der Aufforderung im Hinblick auf „Josua als politischen Verantwortungsträger“ um einen normativ-utopischen Anspruch (des kontinuierlichen Tora-Studiums durch eine Leitungsperson) handelt, 71 ist im Hinblick auf die Fragestellung der Studie irrelevant, da das herausgearbeitete Lesekonzept, das eine - redaktionell eingetragene - Projektion darstellt, also vom Text für die Zeit der Redaktion historisch bezeugt wird. Es gibt noch weitere Belegstellen von הגה, an denen ein solches Lektürekon‐ zept noch eindeutiger vorauszusetzen ist. So wird das Verb in Ps 1,2 ebenfalls im Blick auf die Tora verwendet: Selig ist derjenige, der nicht …, sondern der Freude an der Tora hat und in der Tora murmelt ( וֹת ָ רוֹת ְ בוּ הֶ גּ ְ הֶ י ) am Tag und in der Nacht“ (Ps 1,1 f). Die Formulierung gleicht derjenigen in Jos 1,8 ( הגה + ְ בּ + Tora + Tag und Nacht) und viele moderne deutsche Übersetzungen interpretieren die Formulierung als individuell-direkten Leseakt. 72 Die ebenfalls zu findende Über‐ setzung mit „(nach)sinnen über“ 73 und mit to mediate on  74 verschleiert dagegen die mögliche Assoziation eines individuell-direkten Leseaktes, die der hebräi‐ sche Text erlaubt. 75 Die Deutung von Jos 1,8 als Verweis auf individuell-direkte Lektüre findet eine rezeptionsgeschichtliche Bestätigung. So formuliert Hier‐ onymus in seinen Excerpta de Psalterio, die „Meditation des Gesetz Gottes besteht 327 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 76 Vgl. B L A C K (ed.), Enoch, 4; N I C K E L S B U R G , 1Enoch, 15. 77 Vgl. S T U C K E N B R U C K , 1 Enoch 91-108, 8. 78 Vgl. weiterführend die Rückübersetzung bei N I C K E L S B U R G , 1Enoch, hier 237. nicht nur im Lesen der Schrift (in legendis scripturis), sondern auch im Ausüben dessen, was geschrieben ist“ (Hier. com. in Psal. 2,2). Auch TestLev 13,2 f, wo zum Unterrichten der Kinder aufgefordert wird, damit sie durch das beständige Lesen der Tora (ἀναγινώσκοντες ἀδιαλείπτως τὸν νόμον τοῦ θεοῦ) zu Ver‐ ständnis gelangen können, reflektiert das Ideal eines dauerhaften (individuell-direkten) Studiums der Tora im Sinne von Jos 1,8 und Ps 1,2. Re‐ gelmäßiges Lesen - allerdings ohne direkten Bezug auf die genannten Stellen und ausgedrückt mit der aus der griechisch-römischen Welt bekannten Konzept des haptischen Umgangs mit dem Lesemedium - ist ferner auch in 1Makk 12,9 im Blick: die heiligen Bücher in den Händen zu halten, d. h. zu lesen, spendet Trost (παράκλησις). 7.1.3 Lesepraktiken in der Henochliteratur Trotz der fragmentarischen Überlieferung finden sich im äthiopischen Henoch‐ buch einige, für die Fragestellung dieser Studie relevante Stellen. Da das Buch allerdings in kompletter Form nur in äthiopischer Übersetzung einer griechischen Übersetzung aus dem Hebräischen oder Aramäischen (ca. 500 n. Chr.) erhalten ist, 76 stehen einige der Überlegungen im Folgenden notwendigerweise unter dem methodischen Vorbehalt der Grenzen der Rückübersetzbarkeit. Im Buch der Wächter, das auf das 3. Jh. v. Chr. zurückgeht, 77 ist eine Passage im Griechischen erhalten, in der die gefallenen Wächter (vgl. äthHen 12,4-6) Henoch bitten, eine Bittschrift (ὑπόμνημα τῆς ἐρωτήσεως) für sie zu schreiben, die dieser vor (ἐνώπιον) Gott vorlesen (ἀναγινώσκω) 78 möge (äthHen 13,4). Henoch kommt dieser Bitte nach und verfasst die Bittschrift (äthHen 13,6). 13,7 a Und ich ging hin und setzte mich (καθίζω) an die Wasser Dan im [Lande] Dan, b welches rechts [südlich] von der Westseite des Hermon liegt, c und las ihre Bittschrift (ἀνεγίγνωσκον τὸ ὑπόμνημα τῶν δεήσεων αὐτῶν), bis ich einschlief. (Üb. F L E M M I N G / R A D E M A C H E R ) Henoch liest die Bittschrift nicht etwa im Himmel, sondern an einem Platz auf der Erde - an einem Fluss. Der Kontext impliziert, dass diese Leseszene, auch wenn der Adressat des Lesens nicht noch einmal explizit genannt wird, das in äthHen 13,4 gemeinte Vorlesen vor Gott meint, ἀναγινώσκω hier also im Sinne von einer anderen Person vorlesen verwendet wird. Allerdings wird das 328 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 79 Vgl. S T U C K E N B R U C K , 1 Enoch 91-108, 1. 80 S. für den aramäischen Text äthHen 107,1 in 4QEn c 5 ii (ed. M I L I K , 210). Bezüglich des griechischen Textes ist keine eindeutige Entscheidung möglich, da P. Beatty 8 12 (Gr CB ) in äthHen 103,2 ὁράω bezeugt, in äthHen 107,1 jedoch θεάομαι. 81 S. für den aramäischen Text äthHen 106,19 in 4QEn c 5 ii (ed. M I L I K , 209). Der griechische Text ist in äthHen 103,2 durch P. Beatty 8 12 (Gr CB ) bezeugt. 82 S. für den aramäischen Text äthHen 93,2 in 4QEn g 1 iii (ed. M I L I K , 264) und äthHen 106,19 in 4QEn c 5 ii (ed. M I L I K , 209). Der griechische Text ist in äthHen 103,2 und in äthHen 106,19 durch P. Beatty 8 12 (Gr CB ) bezeugt. Vorlesen vor Gott in einem Modus präsentiert, der nicht dem kulturell erwart‐ baren Kontext eines Vorlesens einer Petition vor einem Herrscher entspricht, sondern eher einem individuell-direkten Leseakt. Henoch sitzt (eine häufig bezeugte Lesehaltung; s. o. 6.2) draußen in der Natur an einem Fluss und liest die Bittschrift, wobei deutlich wird, dass die Kommunikation nicht direkt im Angesicht Gottes stattfindet, sondern dass er allein ist. Auch wenn es sich um eine fiktive Szene handelt, so kann man davon ausgehen, dass kulturell geprägte Lesererfahrungen in die Darstellung eingeflossen sind, möglicherweise sogar Formen individuell-religiöser Lektüreerfahrung, die als Kommunikation mit Gott verstanden wurden. Nur im Äthiopischen erhalten ist eine Leseszene in einer frühen Hinzufügung zum Astronomischen Buch, das ebenfalls auf das 3. Jh. zurückgeht, 79 in der Lesen eindeutig mit der visuellen Wahrnehmung verknüpft wird. 81,1 a Betrachte *(הזח/ ὁράω/ θεάομαι) 80 , o Henoch, diese himmlischen Tafeln *(חוּל/ πλάκας) 81 b und lies *(ארק/ ἀναγιγνώσκω) 82 , was darauf geschrieben ist, c und merke dir alles einzelne (Üb. F L E M M I N G / R A D E M A C H E R ). Der Engel Uriel fordert Henoch auf, Tafeln als Vorbereitung für das bevorste‐ hende Gericht (äthHen 79,8; 81,4) zu lesen und sich alles zu merken, was Henoch dann auch tut: 81,2 a Und ich betrachtete die himmlischen Tafeln, b und las alles, was darauf geschrieben war, c und merkte mir alles d und las das Buch aller Werke der Menschen und aller Fleischgeborenen auf Erden bis in die fernsten Geschlechter (Üb. F L E M M I N G / R A D E M A C H E R ). Bei den himmlischen Tafeln handelt es sich um ein traditionsgeschichtlich bekanntes weit verbreitetes literarisches Motiv, das schon für sumerische Texte 329 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 83 Vgl. P A U L , Tablets. 84 Vgl. z. B. das „Buch des Lebens“ ( ר ֶ פ ֵ ס םיּיִ ַ ח / βίβλος ζώντων) in Ps 69,29 (68,29 LXX), das „Buch der Erinnerung“ in Mal 3,16; das Motiv des Austilgens der guten Taten in Neh 13,14; vgl. auch Ex 32,32; 1Sam 25,29; Jes 4,2-6; Dan 7; 10,21; 12,1-3; 4Q417 1 1,14-16; 4QH 1(9),23-26. 85 Vgl. Lk 10,20; Phil 4,3; Hebr 12,23; Apc 3,5; 13,8; 17,8; 20,15; 21,7. Vgl. weiterführend K O E P , Buch. 86 Vgl. zu den „himmlischen Tafeln“ den Exkurs bei N I C K E L S B U R G , 1Enoch, hier 478-480. 87 S. o. Anm. 80-Anm. 82, S. 339. 88 Das griechische Lexem meint zunächst allgemein etwas, das flach oder breit ist (z. B. Felsenplatten, Bergplateaus, Ebenen). Vgl. Montanari, BDAG, 1673. Traditionsge‐ schichtlich ist das Lexem eng mit den steinernen Tafeln vom Sinai (vgl. Ex 32,19; 34,1.4.28 f; Dtn 4,13; 5,22; 9,9-17; 1Kön 8,9; 2Chr 5,10; 2Kor 3,3; Hebr 9,4; Ios. ant. 8,4,1 (104); Barn 4,7b; Clem. Al. Paid. 3,94,1 u. ö.) verknüpft. 89 Vgl. z. B. äthHen 21,3.7; 22,5; 23,2; 24,2; 26,2; 32,1. belegt ist 83 und sich variantenreich in der frühjüdischen Literatur 84 sowie im NT 85 findet. Eine Besonderheit des äthHen ist nun aber die große Rolle, die es in der Erzählung einnimmt und die Ausführlichkeit, mit der dessen Rezeption durch Henoch beschrieben wird. Vor dem Hintergrund des Konzepts, dass schriftlich Fixiertes fest steht (insbesondere in Form von Inschriften, s. u.), dokumentieren die Tafeln im äthHen die Unausweichlichkeit des Gerichts. Da die von himmlischen Wesen geschriebenen Tafeln die Taten der Menschen sowie die Namen von Rechtschaffenden und Sündern enthalten, mussten sich die antiken Rezipienten eine große Textmenge vorstellen, die Henoch hier zu lesen hatte. 86 Auch wenn es sich um fiktive Tafeln und um eine literarisch gestaltete Leseszene im Kontext eines apokalyptischen Textes handelt, so ist auch hier davon auszugehen, dass die Erfahrung realer Medialität und konkreter Lesepraxis in die Darstellung eingeflossen sind. Es handelt sich hier eindeutig um eine Szene individuell-direkter Lektüre der Tafeln mit dem Ziel der Informationsentnahme, auf die Henoch noch mehrfach im folgenden Erzählverlauf zu sprechen kommt (äthHen 93,1 f; 103,2 f; 106,19- 107,1). Da für diese Stellen der Text auch fragmentarisch im Griechischen und Aramäischen bezeugt ist, sind genauere Aussagen über die verwendete Termi‐ nologie möglich. 87 Als Lesemedium sind wohl Inschriften in Stein vorauszu‐ setzen, worauf die Verwendung des Lexems חוּל/ πλάξ hindeutet. 88 Das Motiv des Sehens der Tafeln (äthHen 81,1a/ 81,2a) zeigt, dass das Lesen hier primär mit der visuellen Wahrnehmung verknüpft wird, was für Inschriften vielfach in den Quellen bezeugt ist (s. o. 3.8). Freilich sind die Verben visueller Wahrnehmung in Visionserzählungen apokalyptischer Literatur semantisch reichhaltiger als in Bezug auf die Wahrnehmung von Inschriften, da sie der literarischen Darstel‐ lung der Visionsinhalte dienen. 89 Dennoch ist die Wahl in Bezug auf Texte auf‐ 330 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 90 Vgl. z. B. äthHen 14,24; 15,1; 106,8; ApkEsr 1,8; 4,14; ApkMos 22,1; 22,3. Zur auditiven Anschaulichkeit in der apokalyptischen Literatur vgl. N E U M A N N , Hören. 91 4QEn c 5 ii (ed. M A L I K , 210); P.Beatty 8 12 (Gr CB ). 92 Vgl. zu dieser Unterscheidung weiterführend und in Bezug auf die klassische griechi‐ sche Literatur, in der diese Unterscheidung explizit reflektiert wird, V A T R I , Writing, insb. 770 f. schlussreich. Denn im Lichte der traditionellen Annahme der engen Verbindung von antiken Texten mit dem gesprochenen Wort hätte man die Wahl eines Verbs der akustischen Wahrnehmung erwarten können - die auditive Anschaulichkeit ist in Visionserzählungen der apokalyptischen Literatur nicht minder wichtig. 90 In äthHen 106,19-107,1 wird die Verknüpfung des Lesens mit der visuellen Wahrnehmung dann noch deutlicher hervorgehoben, wenn Henoch (auf äthHen 81,2 rückverweisend) formuliert: 106,19 a denn ich kenne die Geheimnisse der Heiligen, b weil er, der Herr, sie mir gezeigt und kundgetan hat, c und ich (sie) auf den himmlischen Tafeln gelesen habe. 107,1 a Und ich sah darauf geschrieben ( תיזחו ביתכ ןהב / τεθέαμαι τὰ ἐγγεγραμμένα ἐπ᾽ αὐτῶν), 91 b dass Geschlecht für Geschlecht freveln wird, c bis ein gerechtes Geschlecht aufsteht d und der Frevel ausgetilgt wird, e und die Sünde von der Erde verschwindet f und alles Gute auf ihr (hervor)kommen wird. (Üb. F L E M M I N G / R A D E M A C H E R ) Als Einleitungsformel (äthHen 107,1a) für die Zusammenfassung des Inhalts des Gelesenen wird hier explizit formuliert, dass etwas Geschriebenes gesehen wurde, wodurch m. E. ausgeschlossen ist, dass sich das Sehen hier im äthHen lediglich auf die innere Repräsentation des Inhalts des Gelesenen bezieht. Zudem wird deutlich, dass das „Merken“ (an dieser Stelle lässt sich das Aramäische und Griechische nicht aus anderen Stellen erschließen) in äthHen 81,1c und 81,2c vermutlich nicht ein wortwörtliches Auswendiglernen meint, sondern sich auf ein inhaltsbezogenes Lernen bezieht. 92 Es bleibt festzuhalten: Das äthiopische Henochbuch reflektiert einerseits das Konzept individuell-direkter Lektüre im Sitzen draußen in der Natur und andererseits eine primär auf Rezeption, Verständnis und Merken des Inhalts ausgerichtete Form visuell orientierter Lektüre. 331 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 93 Üblicherweise wird Sir in das erste Viertel des 2. Jh. v. Chr. datiert. Vgl. U E B E R S C H A E R , Weisheit, 34-36; M A R B Ö C K , Jesus, 28 f. 94 Die Übersetzung wird durch die zeitliche Angabe im Prolog (Sir Prol 27) in die zweite Hälfte des 2. Jh. v. Chr. datiert. Vgl. dazu M A R B Ö C K , Jesus, 39; Z E N G E R u. a., Einleitung, 509. Vgl. aber die Kritik an einer Datierung ins 2. Jh. v. Chr. bei V E L T R I , Tora, 139 f. 95 S. neben den zwei wörtlichen Zitaten in Mk 10,19 u. 2Tim 2,19 die tabellarische Auflistung der Anspielungen in den Ausgaben des NA. 96 Vgl. neben der maßgeblichen Edition von B E E N T J E S weiterführend zur hebräischen Textüberlieferung, die gut zwei Drittel des griechischen Textes abdeckt, R E I T E R E R , Zählsynopse, 17 f; R E I T E R E R , Text; M A R B Ö C K , Jesus, 21-24. 97 Vgl. F I S C H E R , Skepsis, 22 f, mit weiterführenden Hinweisen zum als sekundären Zusatz gedeuteten hebräischen V. 29b. Vgl. weiterführend zu Kolophonen in alttestamentlichen Büchern G E V A R Y A H U , Biblical Colophons. 98 Vgl. dazu mit Verweisen auf die Literatur C O R L E Y , Searching, 31, Anm. 33. 7.1.4 Das Lektürekonzept im Buch Jesus Sirach Das deuterokanonische Buch Jesus Sirach (frühes 2. Jh. v. Chr. C) 93 weist nicht nur ein individuell-direktes Lesekonzept in Bezug auf die Tora auf, sondern setzt dieses auch selbstreferenziell voraus. Eine solche selbstreferenzielle Reflexion der anvisierten Form der Rezeption ist eine Seltenheit in der kanonischen und deuterokanonischen Literatur und sollte nicht zuletzt wegen der zeitlichen Nähe der Entstehungszeit des Buches Jesus Sirach (insbesondere der griechischen Übersetzung) 94 zur neutestamentlichen Zeit und angesichts der breit bezeugten Rezeption dieses Buches im NT 95 näher betrachtet werden. Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Buches Jesus Sirach liegt frei‐ lich darin, dass der hebräische Text nur fragmentarisch überliefert und die Tex‐ tüberlieferung nicht einheitlich ist. 96 Dennoch sind einige für diese Studie rele‐ vante Stellen erhalten geblieben und in Bezug auf das NT ist ohnehin der griechische Text des Buches Jesus Sirach von größerer Relevanz. Daher werden die hebräische und griechische Textfassung im Folgenden stets vergleichend besprochen. Im überlieferten hebräischen Text finden sich drei Belegstellen für das Verb הגה (jeweils mit ְ בּ), das sich oben in Kombination mit der Präposition als wichtiger Leseterminus herausgestellt hat (vgl. Sir 6,37; 14,20; 50,28). Wäh‐ rend in Sir 6,37 die Gebote (הָ ו ְ צ ִ מ/ ἐντολή) und in Sir 14,20 allgemein Weisheit (ה ָ מ ְ כ ָ ח/ σοφία) als Gegenstand des Murmelns genannt werden, bezieht sich Sir 50,28 im Rahmen des Buchschlusses (Sir 50,27 f), der in der Forschung mitunter als Kolophon gedeutet 97 und z. T. in seiner Authentizität bestritten wird, 98 selbstreferenziell auf das vorliegende Buch: 332 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 99 Es ist interessant, dass die lateinische Vulgata an dieser Stelle nicht - wie üblich - liber oder volumen übersetzt, sondern mit der Verwendung des Lexems codex in anachronistischer Weise ein spezifisches Buchformat (vermutlich das Buchformat, in dem der Übersetzer seine Vorlage vorliegen hat bzw. in welche er seine Übersetzung hineinschreibt) in den Text hineinprojiziert. 100 Vgl. F I S C H E R , Skepsis, 23, Anm. 85. 101 Vgl. zu dieser Bedeutungsdimension von χαράσσω die Belege, die im LSJ unter III und die bei M O N T A N A R I , BDAG, 2339, 1C, aufgeführt sind. Hebräische Fassung Griechische Fassung 27 a Weisheitslehre und Sprüche in rechter Form 27 a Lehre des Verstandes und der Erkenntnis hat in dieses Buch geritzt (παιδείαν συνέσεως καὶ ἐπιστήμης ἐχάραξεν ἐν τῷ βιβλίῳ 99 τούτῳ) b von Simon Ben Jeschua Ben Eleaser Ben Sira, b Jesus, der Sohn Sirachs, des Eleazar, der Jerusa‐ lemer, c dessen Herz mit [Schrift]Interpretation überquoll c der Weisheit (σοφία) aus seinem Herzen herausge‐ gossen hat. d und der Kenntnis ausgoss. 28 a Glückselig [ist] der Mensch, der in diesen murmelt ( ה ֶ לּ ֵ א ְ בּ הֶ גּ ְ הֶ י ), 28 a Selig [ist], wer sich in diesen um‐ wendet (ὃς ἐν τούτοις ἀναστραφήσεται) b und wer sie seinem Herzen auflegt, wird weise. b und weise wird, wenn er sie auf sein Herz legt. Sir 50,27 bezieht sich zurück auf das komplette Buch und kennzeichnet das zuvor Gebotene als „Weisheitslehre ( ר ַ סוּמ ל ֶ כ ֶ שׂ ) und Sprüche in rechter Form (ל ֶ שׁוֹמ םיִנּ ַ פוֹא)“ und nennt den Verfasser. Dabei ist aufschlussreich, dass mit ן ֶ פֹ א auf den textlichen Charakter, vermutlich auf die Metrik des Vorhergehenden verwiesen wird. 100 Auch der Übersetzer, der die griechische Fassung zu verantworten hat, nimmt wahr, dass der textliche Charakter im Blick ist und interpretiert ן ֶ פֹ א sehr frei mit dem Syntagma ἐχάραξεν ἐν τῷ βιβλίῳ τούτῳ. Dabei nutzt er mit der Verwendung des Verbes χαράσσω als poetisches Ausdrucksmittel das Bild, dass die Buchstaben nicht einfach geschrieben, sondern wie bei einer Inschrift (Stein, Metall, Holz) eingeritzt sind. 101 Sowohl im hebräischen als auch im griechischen Text folgt unter Verwendung verschiedener Verben in Sir 50,27c/ d eine geläufige 333 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 102 Gegen diese Übersetzung spricht schon der Wortgebrauch in Sir 38,25 LXX, wo ἀναστρέφω im Passiv zusammen mit dem Syntagma ἐν ἔργοις den aktiven Charakter des Pflügens mit einem Ochsengespann benennt. 103 S. dazu exempl. Polyb. 1,14,7; 9,22,9. 104 Als Metapher, die individuell-direkte Lektüre biblischer Texte in Abgrenzung zum Vorlesen vor anderen in der Gemeinde umschreibt, ist ἀναστρέφω etwa bei Origenes belegt: „Obwohl ihr euch so viel Zeit in den göttlichen Schriften umwendet (ἐν ταῖς θείαις ἀναστρεφόμενοι γραφαῖς), habt ihr sie bis jetzt nicht vorgelesen (οὐκ ἀνέγνωτε)“ (Orig. comm. in Matt. 16,25). Vgl. außerdem Ps.-Ign. Magn. 9,1: „Wenn nun die, die sich in den alten Schriften herumgewendet haben (οἱ <ἐν> παλαιοῖς γράμμασιν ἀναστραφέντες), zur Erneuerung von Hoffnung gekommen sind, indem sie Christus annehmen, …“ Dass daneben das lateinische Verb verto, das sich in der Vulgata als Übersetzung findet, als Leseterminus verwendet werden konnte, zeigt Hor. ars. 268 f Metaphorik, die Lehre als Flüssigkeit konzeptualisiert. Die komplementäre Me‐ tapher des Aufnehmens dieser Lehre durch Trinken wird im Buchschluss nicht realisiert, kann aber durchaus mit verstanden werden. Die Rezeption der im Buch befindlichen Weisheitslehre, die Simon Ben Je‐ schua usw. ausgegossen hat, wird im hebräischen Text mit der oben schon als Leseterminus identifizierten Wendung הגה + ְ בּ („murmeln in“) beschrieben. Das Demonstrativpronomen im Plural (ה ֶ לּ ֵ א ְ בּ) zeigt dabei an, dass Sir 50,28 sich nicht einfach auf die in Sir 50,27c/ d genannten Aspekte zurückbezieht, sondern auf den gesamten Buchinhalt, also auf die geschriebene „Weisheitslehre und [die] Sprüche in rechter Form“, d. h. selbstreferenziell auf das vorliegende Buch ver‐ weist. Dies wird im Griechischen umso klarer, als das Demonstrativpronomen τούτοις definitiv keinen grammatischen Bezug zu einer der Konstituenten im vorhergehenden Vers aufweist. Der griechische Text von Sir 50,28 bietet im Vergleich zum hebräischen Text aber noch eine weitere, für das Thema dieser Studie aufschlussreiche poetische Formulierung. Anders als in der LXX üblich - und auch anders als in Sir 6,37; 14,20 - verwendet der Übersetzer zur Über‐ setzung von הגה nicht das Verb μελετάω, sondern das Verb ἀναστρέφω im Passiv. Während die Septuaginta Deutsch den Vers so versteht, als wären die ethischen Konsequenzen der Weisheitslehren für das individuelle Handeln im Blick („selig, der nach diesen Dingen leben wird“), 102 referiert ἀναστρέφω (Med.-Pass. sich umwenden, sich umtun, ἔν τινι [! ] sich beschäftigen mit 103 ) hier m. E. nicht im übertragenen Sinne auf den Lebenswandel eines einzelnen Menschen, sondern auf den Prozess der Auseinandersetzung bzw. der Beschäftigung mit dem Inhalt des vorliegenden Buches und im Kontext des Buchschlusses im Sinne der unter 3.7 herausgearbeiteten Bewegungsmetaphorik ganz konkret auf den Lesepro‐ zess. Der Leser wendet sich in der Weisheitslehre, d. h. in den Zeilen des im vorliegenden Buch eingeritzten Textes. 104 334 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien (s. o. S. 175). Daneben wird verto im Übrigen auch als Schreibmetapher verwendet. Vgl. dazu T H R A E D E , Studien, 79-86. 105 Vgl. dazu die Beschreibung bei Paus. 5,17,6; vgl. außerdem Harpokr. 14 (2. Jh.? ); Hesych. 980 (5./ 6. Jh.). 106 Vgl. Z A P F F , Jesus, 386 f [Zitat ebd.]. Diese Interpretation wird dadurch gestützt, dass der mit dem Verb ἀναστρέφω bezeichnete Vorgang (Sir 50,28a) mit der Semantik des Verbes χαράσσω (Sir 50,27a) korrespondiert und ein stimmiges Gesamtbild ergibt. So nennen die Griechen die zeilenweise wechselnde Schriftrichtung, die sich auf (v. a. - aber nicht nur - frühen) Inschriften finden lässt, βουστροφηδόν (βοῦς [Ochse] + στρέφω [wenden]), weil die Zeilen auf einer so gestalteten Inschrift der Spur eines vom Ochsen gezogenen Pflugs gleichen. Diese Form der Schriftgestaltung findet sich zwar v. a. - aber nicht nur - auf Inschriften aus der Archaik, der Hauptbeleg für die Bezeichnung stammt jedoch von Pausanias aus dem 2. Jh. n. Chr., 105 was die Kenntnis dieser Gestaltungsform von Schrift noch für die römische Zeit belegt. Aus der Perspektive des Buchschlusses handelt es sich beim Buch Jesus Sirach also - um beide im Text verwendeten metaphori‐ schen Konzepte aufzunehmen - um in Text/ Buch gegossene Weisheitslehre, in dem sich die Leser umwenden sollen. B. M. Zapff hat m. E. in seinem Kommentar richtig gesehen, dass der hebräische Text einen Bedeutungszusammenhang mit Ps 1,1 herstellt und damit zugleich die allgemeine Aussage in Sir 14,20 konkretisiert. „Ähnlich wie man entsprechend Ps 1,2 die Tora halblaut murmelnd meditieren soll, bis sie in Fleisch und Blut übergeht, so auch die Weisungen Sirachs. Ohne falsche Bescheidenheit stellt sich Sirach damit in die Reihe der authentischen Interpreten der Tora.“ 106 Der Zusammenhang in Sir 14,20 zeigt eindeutig, dass Sir 14,20a nicht ein Nachdenken über bereits Gelesenes bzw. allgemein über die Weisheit meint, wie zahlreiche moderne Übersetzungen suggerieren, sondern dass ein Murmeln in der im vorliegenden Buch geschriebenen Weisheit im Blick ist, die durch intensive Lektüre der vorliegenden Schrift in das eigene Denken erst noch aufgenommen werden muss (Sir 14,20b). Das in Sir 50,28 und 14,20 angedeutete Lektürekonzept, das das Buch Jesus Sirach voraussetzt, lässt sich anhand von Sir 39,1-3 LXX (im Hebräischen leider nicht überliefert) noch weiter konkretisieren. Und zwar wird in diesen Versen, wie vorher deutlich geworden ist, die zeitintensive Tätigkeit des Weisheitser‐ werbs eines Schriftgelehrten (ר ֵ פֹ ס/ γραμματεύς; Sir 38,24) im Gegenüber zu handwerklichen Berufen erläutert, die keine Zeit für den Weisheitserwerb auf der Grundlage der Auseinandersetzung mit Schriften lassen (vgl. Sir 38,24-43): „Und derjenige, der wenig Arbeit hat, wird weise“ (Sir 38,24b). Dabei ist auf‐ 335 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 107 Vgl. dazu weiterführend W I S C H M E Y E R , Kultur, 127-132. 108 Zumindest hat die Präposition ἐν an den meisten Belegstellen, an denen sie zusammen mit dem Verb ἀσχολέω steht, einen lokalen Sinn. Vgl. exempl. Aisop. 184aliter; Diod. 3,21,2; App. Mithr. 4,22 [83]; Ptol. tetr. 4,4,6. 109 S. o. Anm. 94, S. 332. schlussreich, dass zuletzt auch die Handwerker durch ihre geübte und intensive Tätigkeit mit den Händen in einer anderen Form, nämlich „in ihrem Werk weise werden (ἐν τῷ ἔργῳ αὐτοῦ σοφίζεται; Sir 38,31)“, und „ihr Gebet besteht im Tun ihrer Kunst“ (Sir 38,34 LXX). 107 Dadurch entsteht der Eindruck, als wolle der Text eine gewisse Analogie zwischen der Tätigkeit in handwerklichen Berufen und der Tätigkeit des Schriftgelehrten herstellen, obwohl Letztere von den vorhe‐ rigen Tätigkeitsbeschreibungen der Handwerker sprachlich abgegrenzt wird (vgl. v. a. πλήν in Sir 39,1 LXX): 39,1 a Wer jedoch sein Leben hingibt (τοῦ ἐπιδιδόντος τὴν ψυχὴν αὐτοῦ) b und sich mit seinem Verstand dem Gesetz des Höchsten widmet (διανοουμένου ἐν νόμῳ ὑψίστου), c der wird die Weisheit aller Altehrwürdigen erforschen (σοφίαν πάντων ἀρχαίων ἐκζητήσει), d und in Prophezeiungen beschäftigt sein (ἐν προφητείαις ἀσχοληθήσεται). 39,2 a Er wird die Erzählungen namenhafter Menschen bewahren (διήγησιν ἀνδρῶν ὀνομαστῶν συντηρήσει) b und er wird zusammen hineingehen in die Wendungen der Parabeln. 39,3 a Er wird das Verborgene der Sprüche erforschen (ἀπόκρυφα παροιμιῶν ἐκζητήσει) b und er wird sich umwenden in den Rätseln der Parabeln (ἐν αἰνίγμασι παραβολῶν ἀναστραφήσεται). Sir 39,1a/ b charakterisiert die Tätigkeit eines Schriftgelehrten als lebensfüllende Aufgabe. So wie die Handwerker ihre Arbeitsgegenstände mit den Händen bearbeiten, widmet sich der Schriftgelehrte mit seinem Verstand der Tora, was intensive, ausgiebige - wörtlich: rastlose - Studien- und Forschungslektüre erforderlich macht, wie die Verben ἐκζητέω und ἀσχολέω in Sir 39,1c/ d deut‐ lich machen. Möglicherweise verweist das Syntagma „in Prophezeiungen“ (ἐν προφητείαις) in räumlicher Hinsicht auf das Vertieft-Sein in die Schriftrollen der Prophetenbücher. 108 „Die Altehrwürdigen“ (οἱ ἀρχαῖοι) stehen metonymisch für ein hier nicht näher spezifiziertes Corpus von Texten, das von den Schrift‐ gelehrten studiert und erforscht wird. Zumindest aus der Perspektive des Prologs in der gegen Ende des 2. Jh. v. Chr. veröffentlichten 109 griechischen Übersetzung wird deutlich, dass der Großvater 336 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 110 S. zu dieser Kategorie Anm. 163, S. 525. S. zum Problem der „Autorschaft“ Ben Siras weiterführend M R O C Z E K , Imagination, 86-113. 111 Vgl. zu dieser Diskussion weiterführend O R L I N S K Y , Some; S T E I N S , Chronik, 512; B R A N D T , Endgestalten, passim; L A N G E , Law, W I T T E , Kanon. des Übersetzers und postulierte Autor 110 des hebräischen Sirachbuches sich der intensiven Lektüre der Tora, der Propheten (Sir 49,10 zeigt schon im hebräischen Text das Bewusstsein für die Einheitlichkeit des Dodekapropheton) und der übrigen Bücher der Väter hingegeben hat (vgl. Sir Prol 1 f.8-10). Auch wenn diese Stelle im Hinblick auf die Frage der Entwicklung des Kanons kontrovers diskutiert wird und es offenbleibt, welche exakten Schriften der Übersetzer insbesondere zu den letzten beiden Kategorien zählt, 111 zeigt sich hier, dass die Schriften Israels kategorial strukturiert wurden und diese Kate‐ gorien für die Leser des griechischen Sirachbuches transparent gewesen sein müssen. Auf den Prolog wird in Kürze zurückzukommen sein. Während Sir 39,2a darauf hindeutet, dass die Schriftgelehrten Erzählungen auswendiggelernt haben (die Formulierung impliziert keine wortgetreue Speicherung des Textes! ), scheint Sir 39,2b mit einer Bewegungsmetapher (ἐν στροφαῖς παραβολῶν συνεισελεύσεται) auf die Lehrtätigkeit des Schriftgelehrten zu rekurrieren (vgl. neben dem Prolog auch Sir 39,8). Darauf deutet zumindest das Präfix συνhin: Der Schriftgelehrte geht zusammen mit jemandem in die Wendungen der Parabeln. Sir 39,3 beschreibt wiederum das Ziel der Lektüre des Schriftgelehrten, nämlich: das in den Texten Verborgene und deren Rätsel zu entschlüsseln. Die hier beschriebene Lektürehaltung des Schriftgelehrten und Weisheitslehrers, der sich mit den überlieferten Schriften Israels beschäftigt, kann in Anknüpfung an Sir 20,28 auf die Leser des Buches Jesus Sirach übertragen werden. Zuletzt ist nun auf den schon erwähnten, vom Übersetzer hinzugefügten Prolog des griechischen Sirachbuches zurückzukommen, in dem der Übersetzer ausführlich über die Abfassung und Zielsetzung des Buches reflektiert und sich explizit an die Adressaten wendet. Damit gewährt er uns einerseits Einsichten in die intendierte Art und Weise der Rezeption der griechischen Übersetzung des Buches, andererseits aber auch in die Art und Weise der Rezeption und Verwendung der „kanonischen“ Texte Israels. „Die Weisung und die Propheten und die anderen, die auf sie gefolgt sind“ (Sir Prol 1 f). Das vom Prolog vorausge‐ setzte Lektürekonzept der Schriften Israels (und, wie im Verlauf deutlich wird, auch des Sirachbuches selbst) wird in Sir Prol 4-6 sichtbar: 337 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 112 Der altlateinische Text übersetzt das Partizip οἱ ἀναγιγνώσκοντες mit loquentes („die Murmelnden“) und setzt damit für die Stelle subvokalisierende Lektüre voraus. Die Übersetzung greift auch im Folgenden stark in den Text ein und ändert die Bezüge und damit auch die vorauszusetzende Leserschaft. So wird etwa der Sinn von V. 5 vollständig verändert, indem τοὺς φιλομαθοῦντας χρησίμους εἶναι nicht übersetzt wird und stattdessen „die Murmelnden“ (loquentes) und „die außerhalb“ (extraneos) syntaktisch parallelisiert werden. Es sieht stark danach aus, dass der Übersetzer hier seine eigene Lektürerfahrung in die Übersetzung hineinprojiziert. 113 Vgl. dazu W A G N E R , Septuaginta, 131 f. 114 M A R B Ö C K , Jesus, 41. Vgl. schon M A R B Ö C K , Text, 110 f. 115 So W A G N E R , Septuaginta, 131. 4 Und so ist es notwendig, dass nicht allein die Leser (τοὺς ἀναγινώσκοντας) selbst wissend (ἐπιστήμων) werden, 5 sondern die Freunde des Lernens (τοὺς φιλομαθοῦντας) sollen imstande sein, auch denen außerhalb (ἐκτός) nützlich zu sein - 6 durch Sprechen und Schreiben (καὶ λέγοντας καὶ γράφοντας). In diesen Versen wird eine doppelte Funktion des Lesens bzw. des Lernens der Schriften Israels sichtbar: der Erwerb von Wissen (ἐπιστήμη) und die Aneignung von Fähigkeiten zur Vermittlung durch das gesprochene Wort und Schrift. Der Kontext legt nahe, dass οἱ ἀναγιγνώσκοντες und οἱ φιλομαθοῦντες mindestens partiell deckungsgleich sind. Es geht nämlich um eine Form des Lernens durch intensive Lektüre. 112 Die mit dem Partizip von ἀναγιγνώσκω Angesprochenen subsumieren die Gesamtheit aller Rezipienten; die „Freunde des Lernens“ gehören auch zum Kreis dieser Leserschaft, sind aber in besonderer Hinsicht herausgehoben, indem sie als Multiplikatoren fungieren (sollen), 113 die den „Impuls der reichhaltigen Traditionen Israels für eigene Aktivitäten“ 114 nutzen und zwar im Hinblick auf diejenigen, die ἐκτός sind (s. dazu u. Anm. 122, S. 340). So zeigen Sir Prol 7-14, dass der Prologautor seinen Großvater Jesus zu den „Freunden des Lernens zählt“, 115 der sich der intensiven Lektüre der drei o. g. Schriftengruppen gewidmet hat. 7-10 Mein Großvater Jesus widmete sich (ἑαυτὸν δοὺς) mit großer Intensität (ἐπὶ πλεῖον) der Lektüre (ἀνάγνωσις) der Weisung und der Propheten und der übrigen väterlichen Bücher 11 und erwarb sich durch diese eine reiche Fähigkeit. Die Formulierung „sich der Lektüre widmen“ (ἑαυτὸν δίδημι ἀνάγνωσιν) im‐ pliziert - gedeckt durch den unter 3.1.4 beschriebenen Befund -, dass der Großvater die Schriften Israels in Form von individuell-direkter Studienlektüre 338 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 116 An dieser Stelle findet sich eine interessante Variante in der altlateinischen Tradition: Statt des verbreiteten ad diligentiam lesen C (8. Jh.) ad intellegentiam und A (9. Jh) ad scientiam, wodurch das vorausgesetzte Lektürekonzept leicht im Blick auf gleichsam wissenschaftsorientierte Lektüre hin präzisiert wird. 117 W A G N E R , Septuaginta, 132, übersetzt ἱκανὴ ἕξις (Sir Prol 11) frei, aber sachlich zutreffend als „hinlängliche Lehrbefähigung“. 118 Vgl. dazu weiterführend W R I G H T III, Prologue; W R I G H T III, Access; R Ö S E L , Schreiber. 119 Diese müssen freilich nicht zwingend im Hebräischen liegen (gegen W A G N E R , Septua‐ ginta, 132, Anm. 100); auch bzw. gerade ein in der griechischen Sprache philologisch Gebildeter wird Hebraizismen zumindest als sprachlich ungewöhnlich wahrnehmen. Die Differenzen zwischen dem attischen Griechisch des Prologs und der Übersetzung sprechen dafür, dass der Übersetzer selbst im Griechischen wohl gebildet war. Vgl. W R I G H T III, Prologue, 634; W R I G H T III, Access, 4 f. Wie W R I G H T III, Prologue, 636, richtig sieht, spricht allein die Tatsache der Übersetzung ins Griechische dafür, dass sich der Übersetzer an ein Publikum richtet, das des Hebräischen nicht mächtig ist. 120 Vgl. zur lucubratio K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 222-270 intensiv 116 rezipiert hat. Sir Prol 11 benennt zunächst als Ergebnis dieser Form von Lektüre, dass sich der Großvater eine reiche Fähigkeit (ἕξις) angeeignet habe, 117 die aus der Perspektive von Sir Prol 4 f darin besteht, eben nicht nur Wissen zu haben, sondern darüber hinaus auch in produktiver Hinsicht nützlich sein zu können. So hat der Großvater selbst ein Bildungs- und Weisheitsbuch (vgl. die Lexeme παιδεία und σοφία in Sir Prol 12) geschrieben, das sich an die „Freunde des Lernens“ (Sir Prol 13) richtet. In Sir Prol 15-18 spricht der Prologautor schließlich die adressierten Leser seiner Übersetzung in der 2. Person direkt an. Sie sollen ihre Lektüre mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit betreiben (μετ᾽ εὐνοίας καὶ προσοχῆς τὴν ἀνάγνωσιν ποιεῖσθαι; Sir Prol 16 f); und zwar v. a. im Hinblick auf textliche Auffälligkeiten, die - und hier rechtfertigt sich der Prologautor vor seinen Lesern - auf das Problem der Äquivalenz beim Übersetzen vom Hebräischen ins Griechische zurückzuführen sind (vgl. Sir Prol 19-26). 118 Sowohl die damit vorausgesetzten philologischen Fähigkeiten der intendierten Adressaten 119 als auch die Wendung „die Lektüre betreiben“ implizieren entsprechend der Analy‐ seergebnisse unter 3.1.4, dass der Prologautor eine intensive, individuell-direkte Studienlektüre für seine Übersetzung vorgesehen hat. Ein zusätzliches Indiz dafür bietet zudem das Ende des Prologs, wo er darauf hinweist, dass er die Übersetzung des Buches auch des Nachts erstellt hat (Sir Prol 30-33), woraus zu schließen ist, dass er sich am in den Quellen vielfach belegten Ideal des nächtlich lesenden und schreibenden Gelehrten orientiert. 120 Sir Prol 33-35 gibt außerdem Aufschluss sowohl über die Zielsetzung der Lektüre als auch über das intendierte Lesepublikum. Der Prologautor nutzt mit dem Verb ἐκδίδωμι (Sir Prol 33) die gängige Bezeichnung dafür, dass ein Buch 339 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 121 In jedem Fall in Ägypten (vgl. Sir Prol 28), ob auch darüber hinaus, muss offen bleiben, weil es zuletzt an den vorauszusetzenden Distributionsbedingungen hängt, über die recht wenig gesagt werden kann. 122 Es ist schwierig, eindeutig zu bestimmen, wer hier in SirProl 5 mit οἱ ἐκτός gemeint ist. So auch das Urteil bei V E L T R I , Tora, 139. Ausgeschlossen ist es m. E., dass οἱ ἐκτός Ungebildete bzw. Illiterate seien, die kategorial von den vermeintlich mit οἱ ἀναγιγνώσκοντες bezeichneten Schriftgelehrten unterschieden würden. So aber die rein thetische Behauptung von M A R B Ö C K , Jesus, 41, der weder Belege dafür heranzieht, dass das Partizip von ἀναγιγνώσκω in Sir Prol 4 im Sinne von Schriftgelehrten verwendet wurde (der Verfasser der vorliegenden Studie hat dafür keine Belege finden können), noch plausibilisiert, inwiefern οἱ ἐκτός Illiterate bezeichnen könnte. Dafür stünde im Griechischen die geläufige Bezeichnung ἀγράμματος zur Verfügung (vgl. insb. Act 4,13; s. zu ἀγράμματος aber meine Ausführungen unter 1.3.3). Demgegenüber wird im Text eindeutig gesagt, dass die „Freunde des Lernens“ denen außerhalb nicht nur durch Sprechen, sondern auch durch Schreiben (γράφοντας! ) nützlich sein sollen, was impliziert, dass diejenigen außerhalb (οἱ ἐκτός) lesen können müssen, um dieses Geschriebene der „Freunde des Lernens“ rezipieren zu können. Die Deutungsoffenheit des raummetaphorischen Unterscheidungsbegriffs enthält die Möglichkeit, οἱ ἐκτός als Juden in der Diaspora zu identifizieren, möglicherweise aber auch generell Juden oder auch Nicht-Juden, die des Hebräischen nicht mächtig sind. 123 Vgl. M A R B Ö C K , Jesus, 43. 124 Vgl. dazu M A R B Ö C K , Jesus, 43. herausgegeben wird (s. zur Publikation in der griechisch-römischen Welt o. 5), wobei er explizit betont, dass es sich um eine (veröffentlichungsfähige) Endfassung handelt (πρὸς τὸ ἐπὶ πέρας ἀγαγόντα τὸ βιβλίον ἐκδόσθαι). Er hat also seine Übersetzung - möglicherweise über die Kanäle des antiken Buchmarktes verbreitet - für ein anonymes Lesepublikum verfügbar gemacht; und zwar für Leser, die „in der Fremde das Lernen lieben wollen (καὶ τοῖς ἐν τῇ παροικίᾳ βουλομένοις φιλομαθεῖν), dass sie sich ihren Ethos so zurichten lassen, toragemäß zu leben“ (Sir Prol 34-36). Das Buch richtet sich also an Juden, die in der Diaspora leben, 121 und aus dieser Perspektive kann man schlussfol‐ gern, dass diese möglicherweise auch schon in Sir Prol 5 mit der Formulierung οἱ ἐκτός im Blick sind. 122 Der Übersetzer weiß, dass die Schriften Israels in Ägypten in griechischer Übersetzung verfügbar sind und rezipiert werden. 123 Er antizipiert ein gebildetes Lesepublikum (vgl. Sir Prol 29), in dem er entsprechend seiner Rede von den „Freunden des Lernens“ als Multiplikator wirken kann; also mit seiner Übersetzung einen Beitrag zur aktiven Vergegenwärtigungs- und Vermittlungsarbeit toragemäßer und weisheitlicher Bildung im Sinne der reichen Schriftentradition Israels in der Diaspora leisten kann. 124 Dabei deutet weder im Prolog noch an anderer Stelle des Sir etwas darauf hin, dass diese Vermittlungsarbeit darin besteht, anderen die Schriften Israels oder das vorliegende Buch kollektiv vorzulesen. Die Lektürearbeit der „Freunde 340 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 125 Vgl. im Anhang des NA 28 die loci citati vel allegati ex vetere testamento. 126 Vgl. dazu K R A S S E R , „sine fine lecturias“, 267 f, der betont, dass es nur Zeitgründe seien, die nach Laktanz die genannten Personengruppen davon abhielten, ein solches Lektürekonzept zu verfolgen. 127 S. zur breiten Bezeugung o. Anm. 4, S. 293. des Lernens“ hat eindeutig nicht zum Ziel, sich auf das Vorlesen vor anderen vorzubereiten, sondern dient der eigenen, weisheitlichen Bildung, die wiederum produktiv genutzt werden sollte. Die aktive Vermittlungsarbeit besteht ent‐ weder in Form mündlicher Lehre (vgl. λέγω) oder der schriftlichen Verarbeitung in Form literarischer Beiträge (vgl. γράφω in Sir Prol 6), die in erster Linie in Form intensiv-direkter Studienlektüre rezipiert wurden. Das Buch Jesus Sirach setzt also ein weisheitliches Lektürekonzept voraus, das zuletzt in Kontinuität zu Jos 1,8 und Ps 1,2 steht. Dieses hier skizzierte weisheitliche Lesekonzept ist insofern von großer Relevanz für diese Studie, als einige Verfasser neutestamentlicher Texte mutmaßlich zu den empirischen Rezipienten des (griechischen) Buches Jesus Sirach gehörten und sich damit im Sinne des Prologautors implizit als „Freunde des Lernens“ und Multiplikatoren identifiziert haben. 125 Zudem mahnen die Ergebnisse zur Vorsicht, ein Lektü‐ rekonzept im Hintergrund der neutestamentlichen Schriften zu postulieren, bei dem aus einem vermeintlich geringen Literalitätsgrad in antiken Gesell‐ schaften, insbesondere von unteren Schichten, geschlussfolgert wird, dass den vorausgesetzten Adressaten, die diesen Schichten zugeordnet werden, die Texte „laut“ vorgelesen werden mussten. Zumindest aus der Perspektive des Buches Jesus Sirach kämen solche vorausgesetzten Adressaten der neutestamentlichen Texte gar nicht als Rezipienten in Frage. Denn aus der Perspektive des Buches Jesus Sirach werden zumindest Handwerker explizit als Rezipienten für dieses Buch ausgeschlossen, da dieser Bevölkerungsgruppe die Zeit für eine Ausein‐ andersetzung mit den Texten fehlte (s. o.). Es fällt mir kein guter Grund ein, warum man dies nicht auch analog für die von vielen Forschern postulierten Adressaten der neutestamentlichen Texte annehmen muss, die ebenfalls in den unteren Schichten vermutet werden. Diese fallen als intendierte Rezipienten der neutestamentlichen Schriften aus. Analoges findet sich im Übrigen bei Laktanz, der bezüglich eines ähnlich elaborierten Lektürekonzepts eines philosophisch Gelehrten formuliert, dass Frauen, Sklaven, Arme, Arbeiter und Menschen vom Lande keine Zeit für das Lernen durch Lektüre hätten, weil Frauen Dinge in Bezug auf den Haushalt lernen müssten, Sklaven durch ihren Dienst zeitlich okkupiert seien und die letzten Drei ihren täglichen Bedarf durch Arbeit decken müssten (vgl. Lact. inst. 3,25,12). 126 An dieser Stelle ist jedoch zu betonen, dass Frauen in der Antike sehr wohl gelesen haben. 127 341 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 128 Vgl. zur Datierungsdebatte D O B B E L E R , 1/ 2 Makk, 161-164; V A N H E N T E N , Maccabean, 50-45; W I L L I A M S , Recent Reserach, 73; S C H W A R T Z , 2Macc, 11-15. 129 Vgl. Z W I C K , Unterhaltung, 126. 130 Z W I C K , Unterhaltung, 126. 131 In der Forschung wird mittlerweile die eigenständige Leistung desjenigen hervorge‐ hoben, der sich in den genannten Passagen zu Wort meldet und noch weitere Passagen im 2Makk augenscheinlich selbst zu verantworten hat. Vgl dazu Z W I C K , Unterhaltung, 129-137, der die Bildsprache der Passage in dieser Hinsicht instruktiv aufarbeitet; vgl. auch L I C H T E N B E R G E R , Geschichtsschreibung, 208-211; S C H W A R T Z , 2Macc, 17-37. B O R C H A R D T , Reading, 84, verweist darauf, dass es sich nicht nur um eine Kürzung, In diesem Kontext hebt Laktanz, wie oben schon ausgeführt (S. 205), auch die perzeptuellen Vorzüge der individuell-direkten Lektüre gegenüber dem Hören bzw. Hersagen aus dem Gedächtnis hervor. Dies ist zwar nicht ohne Weiteres auf den Übersetzer des Sir zu übertragen - es bleibt völlig offen, ob man sich das im Hintergrund des Sirachbuches stehende Lesekonzept vokalisierend, subvokali‐ sierend oder nicht vokalisierend vorstellen muss. Immerhin ist Letzteres aber vor dem Hintergrund der deutlichen Analogien durchaus denk- und vorstellbar. 7.1.5 Antizipation unterschiedlicher Rezeptionsgewohnheiten im 2Makk Das zweite Makkabäerbuch, das den neutestamentlichen Texten nicht nur zeitlich nahe steht, 128 sondern auch die Evangelienliteratur beeinflusst hat 129 und „einiges bei der Aufhellung des historischen, vorab des mentalitätsgeschichtlichen Hintergrundes des Neuen Testaments“ 130 beitragen kann, enthält zwei selbstreferenzielle Passagen (2Makk 2,19-32; 15,37-39), in denen sich der sog. „Epitomator“ zu Wort meldet und metadiegetisch über sein vorliegendes Werk reflektiert. Dieses Werk stellt gemäß seiner eigenen Aussage eine Zusammen‐ fassung von fünf, sonst nicht bekannten Bücher des Kyrenäers Jason (2Makk 2,23) dar. Im Folgenden verzichte ich jedoch auf die Bezeichnung „Epitomator“ für den extradiegetisch-heterodiegetischen Erzähler in den genannten Passagen und spreche stattdessen vom „Verfasser“; und zwar deshalb, weil in neueren Forschungsbeiträgen herausgearbeitet wurde, dass dieser nicht einfach eine quantitative Modifikation seiner Vorlage vorgenommen hat. Vielmehr tritt dem Leser ein selbstbewusster Schriftsteller gegenüber, der zwar mit einem gewissen rhetorisch zu erklärenden Understatement schreibt, seine Leistungen aber darin durchaus hervorhebt. Daraus ist abzuleiten, dass er sehr wohl qualitative Ver‐ änderungen vorgenommen und einen eigenständigen Erzählentwurf konzipiert hat. 131 Im Rahmen dieser Studie wird die erste der beiden genannten Passagen 342 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien sondern um eine Verbesserung handelt. Zu diskutieren ist aber m. E. seine Verwendung der Kategorie des „Schreibers“. 132 Vgl. dazu S C H W A R T Z , 2Macc, 175 f. 133 Min. 106 ergänzt an dieser Stelle μνήμης als Genitivattribut. 134 Es ist für die Fragestellung der Studie unerheblich, ob die Referenz auf Jason Fiktion ist oder nicht. Vgl. zu dieser Forschungsdiskussion H E R R , Standpunkt, 9. 135 Angesichts der Formulierung διὰ τὸ πλῆθος τῆς ὕλης kann für antike Rezipienten auch das Bild eines pflanzlichen Dickichts (ὕλη bedeutet in erster Linie Wald, Gesträuch, Buschwerk) mitschwingen. näher zu untersuchen sein, weil in dieser ausführlich über die anvisierte Rezeption des Werkes reflektiert wird. Und zwar begründet der Verfasser in 2Makk 2,24 f, warum er das genannte fünfbändige Werk zu einem Buch 132 zusammengefasst hat (2Makk 2,23), folgendermaßen: 24 a Denn wir sehen die Flut an Zahlen b und wie schwierig es für diejenigen ist, die sich in den Erzählungen der Historien hinein drehen wollen (εἰσκυκλέω), c und zwar wegen der Fülle des Stoffes. 25 a Deshalb waren wir darauf bedacht, denen, die lesen wollen, das Vergnügen (ψυχαγωγία) 133 zu verbessern, b denen, die sich daran erfreuen, etwas in ihrem Gedächtnis aufzunehmen, die Leichtigkeit, c allen Lesern aber Nützlichkeit (πᾶσιν δὲ τοῖς ἐντυγχάνουσιν ὠφέλειαν). Der Verfasser beschreibt zunächst in 2Makk 2,24 die Defizite, welche er in der Darstellung der fünf Bücher des Kyrenäers Jason sieht. 134 Dabei verwendet er in 2Makk 2,24b das Verb εἰσκυκλέω m. E. analog zu einigen Beispielen, die ich unter 3.5 behandelt habe, metaphorisch, vermutlich sogar metonymisch, um die lesende Auseinandersetzung mit den Büchern zu umschreiben. Denn man dreht sich (Medium) schließlich in den Erzählungen der Historien, indem man die fünf Buchrollen rollt. Die Formulierung „sich durchrollen“ setzt eine individuell-di‐ rekte Form der Rezeption voraus, wobei die Kombination des Roll-Bildes mit der Metapher der Stofffülle (2Makk 2,24c), 135 die auf die Unübersichtlichkeit des Dargestellten hinweist, implizieren kann, dass der Verfasser davon ausgeht, dass die Bücher diskontinuierlich und womöglich auch selektiv gelesen worden sind. Sodann kontrastiert der Verfasser in 2Makk 2,25 diese Schwierigkeiten mit den Vorzügen, die er durch seine Kürzungsarbeit für seine Leser vorgesehen hat. Es ist äußerst aufschlussreich, dass er in diesem Zusammenhang drei unterschiedliche Arten der Lektüre differenziert. Für die erste Gruppe, die seinen Text (nur) lesen wollen (ἀναγινώσκω), hat er die Zusammenfassung so gestaltet, dass die Lektüre ihnen Vergnügen (ψυχαγωγία) bereiten kann, sie 343 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 136 Vgl. dazu Z W I C K , Unterhaltung, 103, Anm. 36 [Lit.]. Es ist wohl an Unterhaltung durch rhetorisch gute und lebendige Darstellung gedacht. So auch D O R A N , 2Makk, 69 f, wobei allerdings fraglich ist, ob „the author sets out to depict a spectacle before the eyes of the listeners so as to move their emotions“ (D O R A N , 2Makk, 70), oder ob es nicht auch das Auge des Lesers bzw. dessen inneres Ohr und Vorstellungskraft sein können, die durch die lebendige Darstellung adressiert werden sollen. 137 Vgl. das Zitat von Eratosthenes bei Strab. 1,2,3, das besagt, ein Dichter strebe Unterhal‐ tung an, nicht Unterricht (στοχάζεσθαι ψυχαγωγίας, οὐ διδασκαλίας). 138 So D O R A N , 2Makk, 70, mit dem Hinweis „that to read in antiquity was to read aloud“. 139 So z. B. S C H W A R T Z , 2Macc, 514, ebenfalls mit Verweis auf die communis opinio, in der Antike hätte man generell vokalisierend gelesen. 140 Vgl. zu dieser Übersetzung Z W I C K , Unterhaltung, 131 f. 141 Vgl. Z W I C K , Unterhaltung, 132, Anm. 47. 142 So Z W I C K , Unterhaltung, 132, Anm. 48. 143 Vgl. dazu Z W I C K , Unterhaltung, 146 f. 144 Z W I C K , Unterhaltung, 147. also unterhält. 136 Das Lexem ψυχαγωγία ist im antiken literaturtheoretischen Diskurs verknüpft mit der intendierten Wirkung, die Dichter mit ihren Texten erzeugen wollen. 137 Der Verweis auf das Vergnügen korrespondiert zudem mit dem Bild in 2Makk 2,29, wo er den Autoren des Textes mit einem Architekten vergleicht und sich selbst mit demjenigen, der für die Innengestaltung zuständig ist. Weil hier ästhetisches Vergnügen und Unterhaltung in den Blick genommen werden, könnte man vermuten, dass eine stimmliche Realisierung des Gelesenen impliziert ist. 138 In diese Richtung könnte man auch einen Satz im Epilog des Verfassers (2Makk 15,37-39) deuten, 139 in dem er darauf verweist, dass die kunstvolle Komposition 140 des Textes, die er mit Mischwein vergleicht, die Ohren der Leser (τὰς ἀκοὰς τῶν ἐντυγχανόντων; 2Makk 15,39) erfreue. Es ist allerdings auch denkbar - insbesondere weil ja eher die makrostrukturelle Kom‐ position im Blick ist und weniger die Stilistik 141 -, dass αἱ ἀκοαί hier gleichsam im übertragenen Sinne den Gehörsinn bezeichnet bzw. noch allgemeiner das „geistige Wahrnehmungsvermögen“ meint. 142 Zudem ist es im 2Makk - so wie sonst auch bei hellenistischer Geschichtsschreibung - das Inhaltliche, dass zur Unterhaltung der Leser beiträgt, 143 das im Falle des 2Makk „die gesamte Spanne vom Erhabensten bis zum Schrecklichsten [umspannt], wobei das Schreckliche zweifelsohne stärkeren Eindruck hinterlässt.“ 144 Fest steht dagegen aber in jedem Fall, dass in den selbstreferenziellen Passagen, in denen sich der Verfasser zu Wort meldet, keine Evidenz zu finden ist, dass das 2Makk ein Vorlesen vor einer Gruppe voraussetzt. Der zweiten Gruppe, die der Verfasser in 2Makk 2,25b antizipiert, möchte er dabei helfen, dass sie besser auswendig lernen können, wobei hier m. E. weniger an das Auswendiglernen des Wortlautes des Textes, sondern vielmehr 344 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 145 S. oben 3.4. Der Gebrauch dieser beiden Leseverben erklärt sich daher nicht einfach nur als stilistisch bedingte Variation, wie S C H W A R T Z , 2Macc, 177, vermutet. 146 S C H W A R T Z , 2Macc, 178, verweist darauf, dass das Lexem ἀγρυπνία schon im 3. Jh. v. Chr. bei Kall. epigr. 27 in dieser Weise verwendet wird. 147 A L E X A N D E R , Preface, 149 [Herv. im Original]. 148 Vgl. Z W I C K , Unterhaltung, 133; A L E X A N D E R , Preface, 149 f, verweist bezüglich des Topos daneben u. a. auf Ps.-Skymn. 92 f, wo ebenfalls das Lexem ὠφέλεια verwendet wird (als geographische Epitome wird Ps.-Skymn. wohl auch für die individuell-direkte Lektüre konzipiert gewesen sein), und auf Vitr. 5 praef. 1-2. an das Lernen der im Text dargestellten Sachverhalte gedacht ist. Bezüglich der zweiten Gruppe bleibt unklar, welchen genauen Zugang zum Text der Verfasser vor Augen hatte. Zuletzt verweist er in 2Makk 2,25c auf die übrigen Leser, diejenigen, die dem Text begegnen (das Partizip von ἐντυγχάνω meint in unspezifischer Weise die potentielle, anonyme Leserschaft eines veröffentlichten Buches; in 2Makk 6,12 spricht der Verfasser sie noch einmal direkt an); 145 für diese soll die Zusammenfassung nützlich sein. Das Lexem ὠφέλεια ist dabei semantisch so offen, dass hier die Nützlichkeit in Bezug auf ganz verschiedene Leseinteressen und -ziele und für ganz verschiedene Lesergruppen potentiell miteingeschlossen ist; und damit auch verschiedene Leseweisen, wie diskontinuierliche Lektüren, selektive sowie iterative und singuläre Zugriffe auf den Text usw. impliziert sein könnten. Die Vielfalt der antizipierten Rezeptionsmodi wird sodann in der Symposi‐ enanalogie in 2Makk 2,26 f deutlich. Und zwar vergleicht der Verfasser seine sorgfältige und anstrengende Kürzungsarbeit, die mit Schweiß und Schlaflosig‐ keit (ἀγρυπνία) verbunden war (2Makk 2,26), mit der Arbeit, die man mit der Ausrichtung eines Symposions hat, bei dem man den einzelnen Gästen gerecht werden möchte (2Makk 2,27). Mit dem Hinweis auf die Schlaflosigkeit (ἀγρυπνία) stilisiert sich der Verfasser, wie schon der Übersetzer von Sir, zudem als nächtlich arbeitender Gelehrter (s. o. zum Topos der lucubratio). 146 Der Hinweis auf Vergnügen und Nützlichkeit in 2Makk 2,25 entspricht, wie L. Alexander es formuliert, dem „‚profit with delight‘ topos“, 147 der in der griechisch-römischen Literaturtheorie weit verbreitet ist. Interessant ist dabei, dass in der Hauptquelle, die für diesen Topos herangezogen wird 148 - eine Passage aus der ars poetica des Horaz - ebenfalls ein, insbesondere bezüglich der Interessen, heterogenes, anonymes und überregionales, Lesepublikum von Bü‐ chern explizit thematisiert wird; und zwar von Büchern, die mit ökonomischem Interesse über den Buchhandel vertrieben wurden (vgl. Hor. ars. 341-346). Wenn nun der Verfasser einerseits unterschiedliche Rezeptionsmodi für sein Werk antizipiert (s. o. S. 123 schon Polyb. 11 prooem. 2) und sich andererseits an 345 7.1 Hebräische Bibel, LXX und außerkanonische Schriften 149 Vgl. dazu ausführlich R I C H N O W , Untersuchungen. 150 Philo congr. 20: πολυμαθείας ἑταῖρον ὄντα τῷ γεώδει καὶ Αἰγυπτίῳ προσκεκληρῶσθαι σώματι. den Standards der hellenistischen Geschichtsschreibung orientiert 149 und als selbstbewusster Schriftsteller auftritt, kann man Folgendes schlussfolgern: Der Übersetzer hat sein Buch, wie schon Jesus Sirach, seinem anonymen Publikum, das es in ganz unterschiedlicher Weise rezipieren konnte, über die antiken Buchhandelsstrukturen zur Verfügung gestellt. In Bezug auf das NT ist also festzuhalten, dass das antike, hellenistische Judentum keineswegs nur Literatur für auf lokale Räume beschränkte Gruppen produziert hat, sondern insgesamt an der hellenistisch-römischen Buch- und Lesekultur partizipierte. 7.2 Philon Das Œuvre Philos bietet eine ganze Reihe von Stellen, die im Hinblick auf die Fragestellung dieser Studie relevant sind. Diese werden im Folgenden der Reihe nach summarisch zu besprechen sein. Darauf folgt die ausführlichere Auswertung von drei besonders wichtigen und aussagekräftigen Passagen, und zwar Philo agr. 18; spec. 4,160-167; cont. 27-37; 75-89. Mehrfach wird das Lesen bei Philon explizit mit dem Sehsinn verknüpft (und nicht mit dem Hörsinn, was man angesichts der communis opinio zum Lesen in der Antike erwarten müsste). So charakterisiert er in spec. 1,214 intelligente Leser, die Texte untersuchen (ἐπισκέπτομαι), als solche, die „die heiligen Schriften mehr mit dem Verstand als mit den Augen lesen (τῶν διανοίᾳ μᾶλλον ἢ ὀφθαλμοῖς ταῖς ἱεραῖς γραφαῖς ἐντυγχανόντων ἐπιζητήσειν).“ Diese Formulierung, durch die Philon ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der kognitiven Verarbeitung erkennen lässt (s. dazu unten mehr), impliziert ganz eindeutig, dass diejenigen, die mit dem Verstand (διάνοια) lesen, dies physiolo‐ gisch mit dem Auge und nicht mit dem Ohr tun. In LA 1,83 fragt er rhetorisch, wie man ohne Augen lesen (ἐπεὶ πῶς ἀναγνώσεται χωρὶς ὀμμάτων), ohne Ohren ermahnende Reden hören und ohne Magen Nahrung und Getränke aufnehmen könne. Da im Kontext sowohl das Hören von Reden als auch das Essen und Trinken direktional auf die Aufnahme ins Innere eines Menschen ausgerichtet ist, muss man davon ausgehen, das Philon hier individuell-direkte Lektüre meint und nicht das Vorlesen vor anderen. Ganz analog formuliert Philo in congr. 20, dass der Freund des Vielwissens mit einem irdischen und Ägyptischen Körper ausgestattet sei, 150 346 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 151 Vgl. dazu Z U G M A N N , Hellenisten, 160 f. „da er die Augen braucht, um zu sehen und zu lesen (χρῄζοντα καὶ ὀφθαλμῶν, ὡς ἰδεῖν καὶ ἀναγνῶναι), die Ohren, um aufmerksam zu sein und zu hören (καὶ ὤτων, ὡς προσσχεῖν τε καὶ ἀκοῦσαι), und die anderen Sinneswerkzeuge, um alle Dinge der Sinneswelt aufzunehmen [wörtlich: zu entfalten]“ (Philo congr. 20; Üb. L E W Y ; modifiziert JH). Hier wird das Lesen exklusiv an den Sehsinn gebunden; die Verknüpfung des Hörsinns mit dem Aufmerksam-Sein (προσέχω) könnte ferner darauf hindeuten, dass er nicht nur das physische Hören von Schall im Blick hat, son‐ dern auch die kognitive Dimension andeutet. Ebenfalls eine visuell orientierte Lektüre wird bei Philon vorauszusetzen sein, wenn er den Zweck des in Dtn 6,9 und 11,20 geforderten Aufschreibens der Worte in Dtn 5,4 f, das sog. Sch’ma Jisrael, darin sieht, dass „Verreisende und in der Heimat Anwesende, Bürger und Fremde, die vorn am Tore eingeritzten Worte lesen und in steter Erinnerung haben (τοῖς πρὸ τῶν πυλῶν γράμμασιν ἐστηλιτευμένοις ἐντυγχάνοντες ἄληκτον ἔχωσι τὴν τῶν λεκτέων καὶ πρακτέων μνήμη), was sie zu reden und zu tun haben“ (Philo spec. 4,142; Üb. H E I N E M A N N ; modifiziert JH). Es geht hier um das Lesen eines bekannten Textes, der mit Sicherheit nur über das Schriftbild von einem Großteil (auch weniger Gebildeter) mit einem Blick erfasst werden konnte. Interessant ist, dass die Erinnerung nicht an das auswendiggelernte Wort, sondern an schriftlich fixierte Worte zurückgebunden wird, was bei Philon noch an anderer Stelle deutlich wird (s. u.). In seiner Schrift De vita Mosis beschreibt Philon, dass jemand, der sowohl Chaldäisch als auch Griechisch gelernt habe, beim Lesen beider Schriften (ἀμφοτέραις ταῖς γραφαῖς ἐντύχωσι) deren Übereinstimmung feststellen kann (vgl. Philo Mos. 2,40). Philon meint hier die hebräische Fassung der Tora und ihre griechische Übersetzung, deren Zuverlässigkeit er zu legitimieren versucht. 151 Das Verb ἐντυγχάνω verweist hier dementsprechend auf ein philologisch orientiertes, vergleichendes Lesen. Interessant ist ferner eine Stelle (Philo virt. 17), an der er die Leser auf seine früheren Schriften verweist und eine Lektüre (ἐντυγχάνω), die durch Sorgfalt/ Gewissenhaftigkeit (σπουδή) geprägt und auf Verstehen (νοέω) hin ausgerichtet ist, als Idealform voraussetzt. Die Leser der Heiligen Schriften benennt Philon entsprechend der weit ver‐ breiteten Gewohnheit (s. o.) zumeist mit dem mit bestimmtem Artikel stehenden 347 7.2 Philon 152 Vgl. neben den im Folgenden zu besprechenden Stellen Philo decal. 37. 153 Das substantivierte Partizip von ἀκούω verwendet Philo in Kontexten, in denen es um Hörer des gesprochenen Wortes (vgl. Philo agr. 13; Mos. 1,233; praem. 163; det. 131; post. 87; ferner spec. 1,321; legat. 243; congr. 66) oder von Klang/ Musik geht (vgl. z. B. Mos. 2,257), bzw. im Sinne von „befolgen“ (vgl. z. B. mut. 204). 154 Vgl. zur Rolle der ψυχή im Kontext antiker Reflexion über das Lesen Diod. 3,4 (s. o. S. 106); Dion. Hal. comp. 25 (s. o. S. 227 f); Theon prog. p. 61,28-31 [Ed. S P E N G E L ] (s. o. S. 125); Ps.-Long. 7,2 f (s. o. S. 137). Partizip von ἐντυγχάνω 152 oder (seltener) mit dem Partizip von ἀναγιγνώσκω. 153 In seiner Mose-Biographie spricht er von bestimmten Tugenden von Moses, von denen die Leser der Heiligen Schriften wüssten (συνίσασι δ᾽ οἱ ταῖς ἱεραῖς βίβλοις ἐντυγχάνοντες; Philo Mos. 2,11). Die hier sehr wahrscheinlich voraus‐ gesetzte individuell-direkte Lektüre der Heiligen Schriften führt (im von Philon vorausgesetzten Idealfall) zum Ziel, ein spezifisches Wissen (σύνοιδα) über die Inhalte der Texte zu erlangen, an die Philon hier argumentativ anknüpfen kann. Thematisch verwandt formuliert er in seiner Schrift De Abrahamo, dass die in den Heiligen Schriften verewigten Tugenden der Figuren dort dazu dienen, „die Leser (τοὺς ἐντυγχάνοντας) anzuregen und zu gleichem Eifer hinzuleiten“ (Philo Abr. 4; Üb. C O HN ). An anderer Stelle in dieser Schrift beschreibt Philon seinen Eindruck über die Urteile der Rezipienten von der Erzählung der Opfe‐ rung Isaaks (Gen 22,1-19): „Dem Weisen wurde seine Tat, obwohl sie unvollendet blieb, als eine vollkommene und vollständige angeschrieben und verewigt, nicht nur in den heiligen Büchern, sondern auch im Denkvermögen/ Verstand ihrer Leser (ἐν ταῖς τῶν ἀναγινωσκόντων διανοίαις)“ (Philo Abr. 177; Üb. C O H N , modifiziert JH). Dass Philon mit dem Substantiv διάνοια hier durchaus die kognitive Verarbei‐ tung des Gelesenen im Blick hat, wird unten noch deutlich werden. In seiner Auslegung der Schöpfungserzählungen vergleicht Philon die Schönheit der in der Tora beschriebenen Schöpfung der Welt mit kleinen Siegeln, die bei der Prägung die Abbilder kolossaler Größen aufnähmen (vgl. Philo opif. 6). Diese Schönheit der Darstellung würden in Form von Lichtstrahlen τὰς τῶν ἐντυγχανόντων ψυχὰς treffen. 154 Der Vergleich der Schöpfungserzählungen in der Tora mit den Siegeln sowie die Bildlichkeit der Lichtstrahlen markieren das vorausgesetzte Lektürekonzept als eindeutig visuell und gerade nicht auditiv konnotiert. Nach diesem überblicksartigen Durchgang durch leserelevante Stellen im Werk Philons folgen nun drei Fallstudien zu besonders aufschluss‐ reichen Passagen, die im Hinblick auf die Fragestellung der Studie auszuwerten sein werden. 348 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 155 Das Adjektiv μουσικός ist hier nicht spezifisch auf die Musik bezogen, sondern muss in einem generelleren Sinne verstanden werden. Vgl. G E L J O N / R U N I A , Philo, 99. Weiterführend zu dieser Stelle Z U R A W S K I , Mosaic (Lit.). 156 Vgl. dazu weiterführend M A R R O U , History, 266 f; F U C H S , Art. Enkyklios Paideia; M E N ‐ D E L S O N , Education, passim; R E C H E N A U E R , Art. Enkyklios paideia, 1160 f; M O R G A N , Lite‐ rate, passim; G E M E I N H A R D T , Das lateinische Christentum, 46-51; aber vor allem die kritischen und differenzierenden Ausführungen bei V Ö S S I N G , Schule, 30 ff.321 f.391- 389. 157 Vgl. z. B. Plat. Tht. 145a; Cic. de or. 3,127. 158 Als nicht explizit genannte Bestandteile der enkyklischen Bildung setzt Philon hier, wenn er die beiden ersten Schößlinge zum Bereich der Grammatik rechnet (s. u.), die Grundlehren der Musik, der Dialektik, der Astronomie und Arithmetik voraus. Vgl. dazu weiterführend M E N D E L S O N , Education, 4-24. 7.2.1 Lesesozialisation bei Philon am Beispiel von agr. 18 In Philos Schrift De agricultura, die durch Gen 9,20a inspiriert ist, findet sich am Anfang eine allegorische Übertragung der Bildwelt der Landwirtschaft auf die Erziehung und Bildung des Menschen bzw. die Pflege der menschlichen Seele (Philo agr. 8-19). In diesem Kontext kommt er auch auf die „schulische“ Grundausbildung zu sprechen. „Einpflanzen werde ich aber in die Kinderseele Schößlinge, deren Frucht [die Seele] erquicken wird; das ist die Kunst geläufigen Schreibens und Lesens (ἡ τοῦ γράφειν καὶ ἀναγινώσκειν εὐτρόχως ἐπιτήδευσις), das sorgfältige Untersuchen der Werke weiser Autoren (ἡ τῶν παρὰ σοφοῖς ποιηταῖς ἀκριβὴς ἔρευνα), die Geometrie und der Betrieb der Rhetorik, sowie das gesamte Curriculum der enkyklischen Bildung (ἡ σύμπασα τῆς ἐγκυκλίου παιδείας μουσική“ (Philo agr. 18; Üb. C O H N ; modifiziert JH). 155 Die einzeln aufgezählten Elemente dieses Bildungsschrittes im Kindesalter, den Philon von der Ausbildung des jugendlichen Heranwachsenden und dem Erwachsenwerden (vgl. νεανιεύομαι und ἀνδρόω direkt im Anschluss an die zi‐ tierte Stelle) unterscheidet, konzeptualisiert Philon metaphorisch als Schößlinge (μοσχεύματα), die durch den Unterricht in die Kinder hineingepflanzt werden. Vier Schößlinge nennt Philon explizit: „die Kunst geläufigen Schreibens und Lesens“, „die sorgfältige Untersuchung der Werke weiser Autoren“, Geometrie und Rhetorik. Zusammenfassend verweist er zuletzt auf das zu Lebzeiten Philons fest etablierte Konzept der enkyklischen Bildung (ἐγκύκλιος παιδεία) 156 als einen weiteren Schößling. Die Art und Weise der Aufzählung und insbesondere die Tatsache, dass die Geometrie als fester Bestandteil der Bildung der freien Männer galt, 157 zeigen, dass Philon die vier explizit genannten Schößlinge zur enkyklischen Bildung rechnet. 158 Das heißt, es geht ihm mit dem ersten Schöß‐ 349 7.2 Philon 159 Eine Parallele bildet möglicherweise Cic. de or. 3,127, der neben der Geometrie und der Musik die litterarum cognitio et poetarum nennt. 160 Philon setzt hier in somn. 1,205 allerdings ein zweistufiges Curriculum der Grammatik voraus, zunächst das Schreiben und Lesen, worauf das Bekanntmachen mit den Schriftstellern und die Aneignung der alten Geschichte folgt. S. auch Philo cong. 148, wo er Schreiben und Lesen der γραμματιστική und die Erklärung der Schriftsteller und Geschichtsschreiber der fortgeschrittenen Grammatik zuordnet. Vgl. dazu M E N D E L S O N , Education, 5-7. 161 Vgl. zum Wortgebrauch von ἐγκύκλιος F U C H S , Art. Enkyklios Paideia, 371-375. 162 Vgl. Sen. ep. 88; Ps.-Plut. lib. educ. 10 [mor. 7c/ d]. 163 Vgl. Epikt. diatr. 2,16,39; 3,24,9; ferner 1Kor 3,2; Hebr 5,12 f; 1Petr 2,2. 164 Vgl. dazu ausführlich und weiterführend Z U R A W S K I , Mosaic, 483-488. 165 Das Lexem ἐπιτήδευσις, unter das Philon das Schreiben und Lesen kategorial subsu‐ miert, kann hier einerseits neutral so viel wie „Verfahren“, „Praxis“ meinen, aber auch positiv wertend „Hingabe“ oder „Kunst“. Vgl. neben dem Eintrag im LSJ M O N T A N A R I , BDAG, 798; B E N S E L E R , Schulwörterbuch 297. ling vermutlich nicht einfach nur um eine elementare Alphabetisierung (wie z. B. Sen. ep. 88,20, der die litteratura als Elementarbildung von der Vermittlung der liberales artes unterscheidet), sondern auch um elaboriertere Formen des Schreibens und Lesens, die er zur enkyklischen Bildung zählt. 159 Dies macht er an einer anderen Stelle noch expliziter, an der er Lesen und Schreiben in Bezug auf die enkyklische Bildung dem Bereich der Grammatik zuordnet (vgl. somn. 1,205). 160 Die enkyklische, i. e. „allgemeine“, „übliche“ Bildung 161 gilt für Philon wie für andere Zeitgenossen als Propädeutik für das Studium der Philosophie. 162 So vergleicht er sie z. B. mit der gängigen Metapher der Milchnahrung für Kinder, die der festen Nahrung der Philosophie vorausginge (vgl. Philo agr. 9; congr. 19; prob. 160), 163 oder bezeichnet sie als „Vorhalle am Anfang eines Hauses“ (οἰκίας ἀρχαὶ πυλῶνες; Philo fug. 183) bzw. als Vororte (τὰ προάστεια) von Städten, durch die man hindurch müsse, wenn man in die Stadt wolle (Philo congr. 10). 164 Bezüglich der Fragestellung dieser Studie ist nun der erste Schößling, der wohl bewusst am Beginn der Aufzählung steht, die Kulturtechnik 165 des Schreibens und Lesens, näher zu betrachten. Philon spezifiziert das Lesen (ἀναγιγνώσκω) mit dem Adverb εὔτροχος, das wörtlich übersetzt so viel heißt wie „mit gutem Rad versehen“, modern „gut bereift“, und im übertragenen Sinne etwa „schnell laufend“, „leicht laufend“ oder „gut gerundet“ bedeuten kann. Die Semantik des Lexems lässt es also zunächst offen, ob die Schnelligkeit oder Konstanz des Lesens gemeint ist, also eine Bewegungsmetaphorik im Hintergrund steht, oder ob Philon eine rein ästhetische Wertung über die phonologische Wohlformung des vokalisierenden, inszenierten Lesens in den Blick nimmt. Angesichts der weiten Verbreitung von Bewegungsmetaphern, 350 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 166 Vgl. allerdings Philo det. 131, wo εὐτρόχως in Bezug auf mündliche Kommunikation positiv konnotiert ist. 167 S. o. Anm. 316, S. 183. 168 S. o. Anm. 240, S. 164. die Lesen konzeptualisieren (s. o. 3.7), sowie der Zuordnung zur enkyklischen Bildung (s. o.) ist meines Erachtens die erste Option plausibler. Das Adverb εὔτροχος referenziert also die Schnelligkeit und Konstanz des Lesens. Dabei kann aber die ästhetische Dimension eines „gut laufenden“ Vorlesens einerseits oder eine auf effiziente und schnelle Erfassung des Textinhalts ausgerichtete Lektüre andererseits gemeint sein. Wahrscheinlicher ist m. E. allerdings Letz‐ teres, wie die Verwendung von εὐτρόχως an anderen Stellen bei Philon zeigt. In seiner Schrift De vita contemplativa diskutiert er das Perzeptionsvermögen von Vortragszuhörern in Relation zur Art und Weise des Vortrags. Im Hintergrund der Ausführungen stehen mutmaßlich Philons eigene Erfahrungen im Hören von Vorträgen. Philon formuliert, dass im Vergleich zu einem guten Lehrvor‐ trag, der sich durch Verweilen, Langsamkeit und Repetition auszeichnet, eine Vortragsweise, die durch Schnelligkeit und atemloses Aneinanderreihen von Wörtern (vgl. die Formulierung εὐτρόχως καὶ ἀπνευστὶ συνείροντος συνείρω) geprägt ist, die Zuhörer abhängt und das Verstehen verhindert (vgl. Philo cont. 76). Hier wird εὐτρόχως also in Bezug auf mündliche Äußerungen mit eindeutig negativer Konnotation verwendet. 166 Umgekehrt verwendet Philon εὐτρόχως in Mos. 1,48 mit eindeutig positiver Konnotation, um die schnelle kognitive Auffassungsgabe von Mose zu charakterisieren. Als nächstes Element nennt Philon „die sorgfältige Untersuchung der Werke weiser Autoren“. Da Philon das Verb ἐρευνάω als Leseterminus für eine durch ein bestimmtes Erkenntnisinteresse gesteuerte Lesepraxis verwenden kann, 167 erscheint es plausibel, unter der ἔρευνα eine spezifische Lektürepraxis zu Studienzwecken zu verstehen. Dafür spricht zusätzlich, dass ἔρευνα mit dem an anderer Stelle zur näheren Bestimmung von Leseakten verwendeten Adjektiv ἀκριβής spezifiziert wird. 168 Einige Paragraphen später verweist Philon seine Leser mit der Formulierung „wie wir nachforschend fanden“ (ἀναζητοῦντες εὕρομεν; (Philo agr. 26) auf lexikalische Untersuchungen, die er bezüglich landwirtschaftlicher Termini eingeführt hat. Da er hierfür mutmaßlich Agrarliteratur o. ä. lesen musste, könnte man dies als eine Konkretisierung der durch ein bestimmtes Erkenntnisinteresse gesteuerten Lesepraxis verstehen, die Philon mit dem zweiten Element in agr. 18 im Blick hat. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass auch das erste Element in agr. 18 eine auf effiziente und schnelle Erfassung des Textinhalts ausgerichtete Lektüre meint. 351 7.2 Philon 169 Vgl. dazu weiterführend K O S K E N N I E M I , Education, der ausführt, dass Philon selbst einen recht unbekannten Autoren wie den Vor-Sokratiker Ocellus persönlich studiert und sein Wissen, anders als etwa Diogenes Laertios, nicht aus Handbüchern, Zusammen‐ fassungen oder Anekdoten erlangt habe. Vgl. K O S K E N N I E M I , Education, 123. 170 D E W E Y , Re-Hearing, 124. 171 N O A C K , Gottesbewusstsein, 58. 172 Vgl. den Verweis auf ἡ ἀνάγνωσις in der Aufzählung in Philo her. 253. 173 Vgl. dazu weiterführend N O A C K , Gottesbewusstsein, 58-67. 174 Vgl. C O H E N , Philo, 47, L I N C I C U M , Paul, 102-104. 175 Anders die Rezeption von Dtn 17,18 in 11QT a LVI,20 f, wo die Tora für den König abgeschrieben wird. Vgl. dazu ausführlich F R A A D E , Torah of the King, 31-39. Dazu passt, dass Philon selbst eine große Menge von Literatur rezipiert haben muss. 169 7.2.2 Die Lektüre des Königs - Philons Interpretation von Dtn 17,18 f Im vierten Buch seiner Schrift De specialibus legibus findet sich eine aufschluss‐ reiche Auslegung von Dtn 17,18 f. Dort wird der König dazu aufgefordert, sich eine Abschrift der Tora anzufertigen und täglich darin zu lesen (s. o. 7.1.1). Diese Stelle (Philo spec. 4,160-167) ist insofern von Relevanz, als davon auszugehen ist, dass Philon zeitgenössische, ihm geläufige Formen von Lesepraxis und seine eigenen Erfahrungen in den Text hineinprojiziert. So formuliert auch A. J. Dewey, dass nach Philon die Utopie des Philosophen-Königs „becomes realizable by anyone who would truly read and internalize the Jewish laws“; 170 d. h. die dargestellte Lesepraxis des Königs dient als Projektionsfläche für die ideale Toralektüre, die Philon für seine Leser vorschwebt. Als geistesgeschichtlicher Kontext für die von Philon beschriebene Lesepraxis können psychagogische Übungen zur „Verinnerlichung […] und bleibende[n] Präsenz der wahren Lehren und Vorstellungen im Bewußtsein […] durch ständige Wiederholung und Übung“ 171 gelten, die in philosophischen Texten der Kaiserzeit belegt sind, bei Philon mehrfach hindurchscheinen und bei denen u. a. dem Schreiben und dem Lesen 172 eine wichtige Bedeutung zugekommen ist. 173 Zunächst nennt Philon als Ziel der Regelung in Dtn 17,8 f, dass sich die Regelungen der Tora fest in die ψυχή des Königs einprägten (Philo spec. 4,160; vgl. dazu auch oben Philo opif. 6). Dabei begründet Philon eindrücklich, warum der König das griechische Buch Deuteronomium (Ἐπινομίς) 174 eigenhändig (αὐτοχειρία) abschreiben 175 müsse, folgendermaßen: „Denn beim Lesen gehen die Gedanken unvermerkt verloren und werden, so wie sie kommen, schon wieder weggerissen (τοῦ μὲν γὰρ ἀναγινώσκοντος ὑπορρεῖ τὰ νοήματα τῇ φορᾷ παρασυρόμενα), beim gemächlichen Schreiben dagegen prägen 352 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 176 Vgl. z. B. R I E D L , Grundlagen, 137 f. In antiken Quellen z. B. reflektiert bei Gal. Thras. 4 (ed. K Ü H N 5, p. 810). 177 Gegen D E W E Y , Re-Hearing, 123-125, die ohne nähere Begründung am Text und die communis opinio zum Lesen in der Antike eintragend behauptet, dass Philon vokalisie‐ rendes Lesen voraussetzte. 178 Vgl. z. B. R I E D L , Grundlagen, 137 f. 179 S. o. Philo Abr. 177. Das Denkvermögen ist nach Philo det. 13 die kognitiv wirksame Instanz beim Lesen. S. oben die Ausführungen zum Verb ἐρευνάω unter 3.6. sie sich ein und bleiben haften, da das Denkvermögen/ der Verstand (διάνοια) bei jedem Gedanken verweilt (ἐνευκαιρέω), sich selbst stützt (ἐπερείδω) und nicht eher zu einem andern übergeht, als bis er den vorhergehenden sicher erfasst hat (πρὶν ἢ περιδράξασθαι τοῦ προτέρου βεβαίως)“ (Philo spec. 4,160; Üb. H E I N E M A N N , modifiziert JH). Im Hintergrund dieser Begründung scheint die Erfahrung zu stehen, dass die kognitive Aufnahmekapazität beim bloßen Lesen eines Textes relativ gering ist - heute gleichsam ein didaktischer Allgemeinplatz. 176 Die Bewegungsmetaphorik (ὑπορρέω - φορά - ὑπορρέω) zeigt, dass Philon Lesen als einen kognitiven Verarbeitungsprozess versteht. Beim Lesen kommen Gedanken (τὰ νοήματα), die sich aber nicht festsetzen können, sondern durch das schnelle Fortschreiten des Leseprozesses wieder weggerissen werden. Die Gegenüberstellung zum Schreiben zeigt, dass Philon auf individuell-direkte Lektüre rekurriert. Über die Frage des Stimmeinsatzes macht die Quelle keine Angaben, da der Fokus aber auf der kognitiven Verarbeitung liegt und da insbesondere die kognitiven Aufnah‐ medefizite im Blick sind, ist es durchaus plausibel, sich eine nicht-vokalisierende Lektüre vorzustellen, die rein über den visuellen Kanal abläuft. 177 Selbst zu schreiben, ist dagegen nach Philon der kognitiv geeignetere Weg, um sich einen Text anzueignen. Daraus leitet sich ab, dass Philon im Abschreiben eines Textes eine Form von Textrezeption, gleichsam eine Lektü‐ restrategie sieht, die mit einem ganz bestimmten Ziel verbunden ist; nämlich der Steigerung der Behaltensleistung. Damit formuliert Philon wiederum eine Einsicht, die sich auch so in der modernen Didaktik findet, in der die Kombi‐ nation aus Sehen und eigenem Handeln mit einer hohen Behaltensleistung korreliert wird. 178 Aufschlussreich ist nun die, wiederum vor allem auf den Bildspendebereich der Bewegung (hier der Wechsel aus Dynamik und Statik) bezogene, Metaphorik, mit der Philon diese Einsicht formuliert. Beim Schreiben kann die διάνοια bei jedem Gedanken verweilen (ἐνευκαιρέω). Die Rolle der διάνοια beim Lesen thematisiert Philon noch an anderer Stelle. 179 Weil sie sich selbst stützt (ἐπερείδω), geht (μέτειμι) sie erst zum nächsten Gedanken, wenn der vorhergehende sicher erfasst wurde. Das Schreiben verlangsamt und 353 7.2 Philon 180 S. o. S. 307. intensiviert also den Leseprozess und kontrolliert gleichsam den kognitiven Verarbeitungsprozess. Das schreibende Lesen zielt nach Philon auf ein möglichst vollständiges Erfassen des im Text Dargelegten. Dabei kann aber nicht die Langsamkeit eines Abschreibens Buchstabe für Buchstabe oder Wort für Wort gemeint sein, denn das Erfassen eines Textes bedarf der Erfassung größerer syntaktischer Zusammenhänge. Dass dies auch bei einem Schriftsystem, das scriptio continua nutzt, und ohne den Umweg über die Vokalisierung möglich ist, ist oben ausführlich dargelegt worden (vgl. 4). Dass sich außerdem die Bewegungsmetapher für Philon anbietet, um seine Gedanken darzulegen, könnte auch damit zusammenhängen, dass Lesen und Schreiben in der Antike metonymisch als Bewegung verstanden und konzeptualisiert wurde (s. o. 3.7). Die von Dtn 17,19 vorgeschriebene tägliche Lektüre der selbst geschriebenen Tora reformuliert Philon sodann in spec. 4,161 mit den beiden gängigsten Verben zur Bezeichnung von Leseakten, ἐντυγχάνω und ἀναγιγνώσκω, wobei ersteres den physischen Kontakt zum Lesemedium hervorhebt (s. o. 3.4) und letzteres den Leseakt an sich benennt. Ziel dieser täglichen Lektüre sei die kontinuierliche und ununterbrochene Erinnerung (μνήμη) an das, was er sich durch das Schreiben eingeprägt habe, also der Anordnungen (διατάγματα), die in der Tora zu finden sind. Die tägliche Lektüre unterrichte (διδάσκω) beständig die ψυχή und gewöhne sie daran, sich mit den heiligen Gesetzen zu beschäftigen; dabei führe die langjährige Praxis zu einer „puren und reinen Liebe nicht nur zu Menschen, sondern auch zu begehrenswerten Arten von Schriften (πρὸς ἰδέας ἀξιεράστους γραμμάτων)“ (Philo spec. 4,161). Philon konzeptualisiert hier das Verhältnis des Lesers zu seinem iterativ gelesenen, in schriftlicher Form vorliegenden Text als Beziehungsverhältnis, das durch Freundschaft/ Liebe geprägt sei. Zudem implizieren die Ausführungen ein mnemotechnisches Konzept, das nicht auf der Repetition von Gehörtem basiert - wie z. B. von einigen Vertreterinnen und Vertretern der Performanzkritik gleichsam allgemeingültig angenommen (s. o.) -, sondern auf Konsultation des Lesemediums angewiesen ist. 180 Dass ἐντυγχάνω in Philo spec. 4,161 die Dimension des physischen Kontakts mit dem Lesemedium andeutet, zeigen zum einen die Tatsache, dass die selbst geschriebene Tora für den Herrscher das sein soll, was andere Könige als Zepter führen (Philo spec. 4,164); zum anderen die Verwendung dieses Verbes in spec. 4,162. Philon begründet hier, warum es besser sei, „wenn der Herrscher nicht die Schrift und Aufzeichnung eines andern liest, sondern was er selbst geschrieben; denn Eigenes ist für jeden leichter zu lesen und bequemer zu erfassen“ (Üb. H E IN E MAN N ). Mit dieser Begründung sagt er deutlich, dass ein selbst geschrie‐ 354 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 181 Das Wort λογισμός steht im Text zwar im Singular, die folgende Konkretisierung des „Gedankens“ (Philo spec. 4,163-167) zeigt aber, dass es sich um einen vielschichtigen Gedanken handelt, weshalb hier der Plural „Überlegungen“ verwendet wurde. 182 Für die Fragestellung dieser Studie ist die Frage, ob es sich bei den Therapeuten um eine reale Gruppe oder um eine utopische Konstruktion handelt, nicht relevant, da sich Philon bezüglich der vorausgesetzten Konzepte des Lesens an seiner Umwelt orientiert haben muss. Vgl. zur Frage nach der Historizität der Darstellung Philons E N G B E R G -P E ‐ D E R S E N , Philo, und die Reaktion von B E A V I S , Therapeutai. Vgl. zur Kontextualisierung dieser Frage in der Forschungsgeschichte A L -S U A D I , Wechsel. 183 Vgl. exempl. K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 195: 183-216; S M I T H , Symposium, 158 f; E B N E R , Herrenmahl; N I E H O F F , Symposium; sowie die Beiträge in von H. Taussig, A. McGowan, M. Klinghardt u. J. Brumberg-Kraus in M A R K S / T A U S S I G , Meals. bener Text visuell besser lesbar ist, wodurch das im Text Niedergeschriebene kognitiv besser erfasst werden kann. Der Gesamtzusammenhang impliziert zudem, dass der Leser mit seinem eigenhändig geschriebenen Text eine andere emotionale Verbindung aufbauen kann, was wiederum dem Leseprozess und der Behaltensleistung zuträglich erscheint. Zuletzt formuliert Philon, der Herrscher solle, während er liest (ἀναγιγνώσκω), zur gleichen Zeit bestimmte Überlegungen (λογισμός) 181 im Kopf anstellen (Philo spec. 4,163). Er fordert ihn also gleichsam zu einer durchaus anspruchsvollen metakognitiven Reflexion des Leseprozesses auf. Dies zeigt erneut, dass auch bei antiken, in scriptio continua geschriebenen Texten komplexe kognitive Prozesse während des Lesens möglich gewesen sind. Es erscheint mir zudem plausibler anzunehmen, dass die hier vorausgesetzten metakognitiven Prozesse bei der nicht-vokalisierenden Lektüre, die ja für die Antike ohnehin breit bezeugt ist (s. o. passim), besser realisierbar gewesen sein muss, als sich zusätzlich auf den Einsatz der Stimmerzeugungsorgane zu konzentrieren. 7.2.3 Individuell-direkte Lektüre der Therapeuten vs. communal reading Einen ungewöhnlich tiefen Einblick in die Lesepraxis einer spezifischen Gruppe bietet Philons Beschreibung der Therapeuten in seiner Schrift De vita contem‐ plativa, 182 die in der Forschung in den letzten Jahren v. a. wegen der Darstellung ihrer Mahlpraxis untersucht wurde. 183 Zwei umfangreiche Abschnitte sind hier von Relevanz (Philo cont. 27-37; 75-89), an denen Philon die tägliche Praxis und das Gemeinschaftsmahl der Therapeuten detailreich charakterisiert und die im Folgenden nacheinander näher zu betrachten sind. 355 7.2 Philon 184 Vgl. zur Formulierung δι᾽ ἑπτὰ ἑβδομάδων in Philo cont. 56 K L I N G H A R D T , Gemein‐ schaftsmahl, 188-190. 185 Die gesamte Veranstaltung beginnt mit einem Eingangsgebet, das vor dem Einnehmen der Plätze gesprochen wird. Vgl. Philo cont. 66. Vgl. dazu K L I N G H A R D T , Gemeinschafts‐ mahl, 191 f. 186 Vgl. dazu K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 195. Die Ausführungen im ersten der beiden genannten Abschnitte (cont. 27-37) gliedert Philon zeitlich und thematisch: - Die Paragraphen cont. 27-30(a) enthalten die Beschreibung der Aktivi‐ täten der einzelnen Mitglieder an sechs Wochentagen, die jeweils durch zwei Gebete am Morgen und Abend gerahmt sind (Philo cont. 27). - Die Paragraphen cont. 30-34(b) behandeln das gemeinschaftliche Zusam‐ menkommen (συνέρχονται καθάπερ εἰς κοινὸν σύλλογον; Philo cont. 30) am siebten Tag der Woche, bei dem ein Vortrag vom Ältesten und Kundigsten gehalten wird (cont. 31); in den Paragraphen cont. 32 f beschreibt Philon den Versammlungsraum, den er als Heiligtum (κοινὸν σεμνεῖον) charakterisiert. - In den Paragraphen cont. 34-37 finden sich Ausführungen zur Essens‐ praxis der Therapeuten, wobei - wiederum entlang der Unterscheidung Individuum vs. Gruppe - die asketische Praxis der einzelnen Mitglieder an sechs Tagen der Woche (cont. 33-35) dem Gemeinschaftsmahl am siebten Tag der Woche (cont. 36 f) gegenübergestellt wird. Der zweite Abschnitt (75-89) beschreibt den Ablauf eines besonderen Gemein‐ schaftsmahls der Therapeuten, das sie an jedem siebten Sabbat begehen. 184 - Vor dem eigentlichen Essen 185 gibt es einen Vortragsteil, den Philon in den Paragraphen cont. 75-79 beschreibt. Er charakterisiert den Vortrag als Lehre (διδασκαλία) der Symposiasten (συμπόται), die sich schon zum Mahl niedergelegt haben (vgl. κατακλίνω in cont. 75), und zwar durch den Vorsitzenden (πρόεδρος). Mehrfach betont Philon dabei das Schweigen und die besondere Aufmerksamkeit der Zuhörer (vgl. cont. 75.77). - Das Mahl (δεῖπνον) selbst schildert Philon in den Paragraphen cont. 79-82, das durch Hymnengesang (eine Analogie zu dem auch sonst für antike Mähler bezeugten Skoliengesang) 186 eingeleitet wird; danach werden die Speisen auf einem Tisch hereingebracht, das Essen selbst wird nicht explizit geschildert. - Nach dem Mahl (μετὰ τὸ δεῖπνον) folgt das in den Paragraphen cont. 83-89 beschriebene Symposion, das Philon als „heilige Nachtfeier“ (ἱερὰ παννυχίς) bezeichnet, bei der gesungen, aber nicht gelesen wird. 356 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 187 Die Bezeichnung (wörtl. „Alleinort“), die erstmals für Philon bezeugt ist, sollte nicht dazu verleiten, in den Therapeuten einen Vorläufer christlicher Mönche zu sehen. Aus Philo cont. 24 f wird ersichtlich, dass es sich um Studierräume in den einfachen Häusern der Therapeuten handelt. K. Bormann übersetzt das Wort m. E. treffend mit „Klausur“ und verweist auf analoge Wortbildungen wie δικαστήριον, ἐργαστήριον usw. 188 Philo cont. 28 f wird von Eus. h. e. 2,17,10 f zitiert. Die Art und Weise, wie Euseb das Zitat in seine Darstellung einbaut (u. a. lässt er den Beginn von Philo cont. 30 weg, aus dem heraus deutlich wird, dass sie individuell-direkt für sich lesen), verändert die Aussage Philons dahingehend, als würde er eine kollektive Lektüre biblischer Schriften voraussetzen. Zus. vermutet Euseb, die Therapeuten hätten neben den Schriften des AT auch Evangelien, apostolische Schriften und Auslegungen der Propheten gelesen (vgl. Eus. h. e. 2,17,12). Hier scheint Euseb die ihm bekannte Lesepraxis zeitgenössischer christlicher Gruppen in anachronistischer Weise zurückzuprojizieren. Vgl. dazu wei‐ terführend U L R I C H , Euseb, 95-97. 189 Vgl. N I E H O F F , Symposium, 112-116, mit Verweis auf Val. Max. 2,1,8-10; Iuv. 14,189, Quint. inst. or. 1,2,7-8. 190 Vgl. L A R S E N , Listening, 450 f.462. S. auch L A R S E N , Gospels, 63 f. Die Ausführungen Philons sind nun insofern aufschlussreich in Bezug auf die Fragestellung der Studie, als sie gegen die Forschungsmeinung, dass in der Antike vor allem kollektiv gelesen wurde (communal readings), genau auf das Gegenteil hindeuten. Denn die Therapeuten lesen die heiligen Schriften (ἐντυγχάνοντες γὰρ τοῖς ἱεροῖς γράμμασι; Philo cont. 28) an den sechs Tagen der Woche, an denen jeder für sich in sogenannten Monasterien 187 bleibt (τὰς μὲν οὖν ἓξ ἡμέρας χωρὶς ἕκαστοι μονούμενοι παρ᾽ ἑαυτοῖς ἐν τοῖς λεχθεῖσι μοναστηρίοις; Philo cont. 30). 188 Die Darstellung von Philo cont. 30 f lässt nicht erkennen, dass sie im Rahmen ihrer Versammlung am siebten Tag gemein‐ schaftlich gelesen hätten; vielmehr hält der Älteste und Kundigste eine Rede (διαλέγω), die sich im Stil von der Rhetorik der Zeit absetzt und sich durch besondere Ruhe, Vernunft, Überlegung und Genauigkeit auszeichnet (Philo cont. 30 f). Ausführlichere Einblicke in die Redepraxis im Rahmen der Versammlung beim Symposium an jedem siebten Sabbat, die M. R. Niehoff als strikt hierar‐ chisch strukturiertes sympotisches Tischgespräch wertet, für das sich Analogien im römischen convivium finden, 189 erhalten die Leser Philons in cont. 75-79. Hier wird deutlich, dass die „Heiligen Schriften“ Gegenstand dieser Redepraxis sind. M. D. Larsen meint daher, ohne dies näher am Text zu begründen, dass hier eine Form gemeinschaftlicher, performativer Lektüre biblischer Schriften vorauszusetzen ist. 190 Doch lässt sich dies am Text halten? Die Formulierung, die zur Diskussion steht, ist die folgende: 357 7.2 Philon 191 Vgl. Philo cont. 79. Ob dieselbe Person gemeint ist wie „der Älteste und in ihren Lehren Kundigste“ (Philo cont. 31), ist vom Text her nicht eindeutig, aber durchaus möglich. 192 Vgl. Philo cont. 78: „Die Auslegung (ἐξήγησις) der heiligen Schriften geschieht durch sinnbildliche Ausdrücke in Allegorien.“ 193 So aber L A R S E N , Listening, passim. 194 So auch L E O N H A R D , Liturgical Need, 103: „Philo’s Jews-philosophers do not read any text at their gatherings.“ 195 L E O N H A R D , Liturgical Need, 103. „Er [i. e. der Vorsitzende] 191 untersucht etwas in den Heiligen Schriften (ζητεῖ τι τῶν ἐν τοῖς ἱεροῖς γράμμασιν) oder er erläutert etwas, das von jemandem anders vorgegeben wurde“ (Philo cont. 75). Anders als einige Stellen, an denen ζητέω als Leseterminus gebraucht wird und die Konsultation des Schriftmediums voraussetzt (s. o. 3.6), impliziert die Formulierung „etwas (τι) in den Heiligen Schriften“ untersuchen nicht zwingend, dass der Vorsitzende die allegorisch auszulegenden 192 Textpassage auch vorliest. Es ist genauso möglich, dass er auf die Kenntnis der betreffenden Stelle bei seinen Zuhörern setzt, die ja den Rest der Woche darin lesen (s. o.), er die Stelle frei aus dem Gedächtnis rezitiert oder mit einigen zusammenfassenden Hinweisen auskommt. In jedem Fall implizieren der Kontext und vor allem der alternativ genannte Vortragsgegenstand, nämlich ein Problem, das von jemandem der Anwesenden aufgeworfen wird, dass der Hauptfokus auf den eigenen Ausführungen des Vortragenden liegt. Es handelt sich nicht um eine Szene performativer Lektüre mit dem Ziel kollektiver Textrezeption, sondern um eine Lehrszene (διδασκαλία) - wenn der Gegenstand des Vortrages ein Problem aus den heiligen Schriften ist, um eine exegetische Lehrszene -, bei der das Vorlesen, wenn überhaupt, eine Supplementfunktion hatte. Die Reaktion des Publikums, das ausschließlich mit der Mimik auf den Vortragenden respondiert (Philo cont. 77), am Ende aber die Stille aufgibt und Beifall spendet (Philo cont. 79), bezieht sich nicht auf einen Vorleseakt, sondern auf die Inhalte des Vortrags; insofern ist es methodisch nicht gestattet, diese Quelle in eine vermeintliche performative Lesekultur der Antike einzuzeichnen. 193 7.2.4 Zwischenfazit Die Therapeuten haben also nicht bei ihrer Versammlung gelesen, 194 sondern individuell-direkt und in Abgeschiedenheit von den anderen. Dies ist insofern von besonderer Relevanz, als Philons Beschreibung der Therapeuten freilich stark idealisierte Züge aufweist, aber diese Idealisierung gerade eine „allegory for ideal congregations of Jews“ 195 darstellt, also einen Aussagewert über die 358 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 196 Vgl. dazu weiterführend u. a. R E N G S T O R F , Ḫirbet; G O L B , Who; R O H R H I R S C H , Wissen‐ schaftstheorie; H I R S C H F E L D , Qumran; G A L O R / H U M B E R T / Z A N G E N B E R G , Qumran; C A R G I L L , State. 197 Denn dass Trägerkreise hinter den einzelnen Texten stehen, ist ja unbestritten; die Frage ist allerdings, wie konsistent diese zu verstehen sind. Vgl. dazu K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 245 f. 198 Vgl. S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 83. besprochene Gruppe hinaus hat. Außerdem bleibt festzuhalten, dass die bei Philon eindrücklich bezeugte Reflexion des Prozesses des Schriftspracherwerbs sowie der kognitiven Verarbeitung, v. a. im Hinblick auf die der Aufmerksamkeit die Aufnahmekapazitäten sowie der variierenden Geschwindigkeiten beim Lesen, die Verbreitung individuell-direkter Lektüre im Judentum des 1. Jh. v./ n. Chr. voraussetzt. Wichtig ist außerdem das mnemotechnische Konzept, das nicht auf „Mündlichkeit“ oder das Wiederholen im Kopf setzt, sondern die Konsultation des Lesemediums erfordert. In keinem Fall findet sich bei Philon eine Form liturgischen Lesens oder ein bestimmter Lesezyklus. 7.3 Qumran In den Texten, die in den Höhlen am Toten Meer gefunden wurden, gibt es im Hinblick auf die Fragestellung dieser Studie einige wenige Stellen, an denen Lesepraktiken reflektiert werden, die aber wegen ihres fragmentarischen Zustandes nur mit Schwierigkeiten auszuwerten sind. Hinzu kommt die Kontroverse um die Interpretation der archäologischen Befunde in Khirbet Qumran, 196 die eine eindeutige Zuordnung der bezeugten Lesepraktiken zu einer spezifischen und eindeutig lokalisierbaren, gleichsam „monastischen“ Gruppe anfechtbar macht. Aus pragmatischen Gründen wird diese Frage hier ausgeklammert und die Schriften werden als allgemeine Zeugnisse für die Lesepraxis von Gruppen im antiken Judentum gelesen, 197 wobei im Rahmen der hier vorgelegten Fallstudien keine ausführliche Auseinandersetzung möglich ist. Vorab ist noch auf die interessante These von D. Stökl Ben Ezra hinzuweisen, der auf die Fund von Texten hinweist, die in einer Geheimschrift geschrieben sind, bei denen aber Titel oder Incipit z. T. in hebräischer Schrift geschrieben sind, vermutlich, damit sie von jedem zumindest identifiziert werden können. Er interpretiert die Geheimschrift als Zugangsbeschränkung innerhalb einer Gruppe und leitet daraus ab, dass in den hinter den Schriften stehenden Gruppen ein hoher Literalitätsgrad vermutet werden kann. 198 In der Forschungsliteratur 359 7.3 Qumran 199 S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 77. 200 Gegen die These von M A I E R , Interpretation, 114 f, dass ד ו ר ש ב ת ו ר ה hier bedeutete, „er erteilt Anweisungen in Bezug auf die Torah“, vgl. H E M P E L , Interpretative, 62 f; ferner auch L E ‐ M A I R E , Lire, 71 f. 201 Vgl. F R A A D E , Interpretive, 56; D O E R I N G , Schabbat, 247; H E M P E L , Interpretative, 61 f.65 f. „In the present passage the reference does not seem to be to a particular office, individual, or authority, but a single member of the community engaged in the study of the law at all times. The emphasis and concern seems to be the permanent presence of someone studying the law“ (H E M P E L , Interpretative, 65). 202 Vgl. L E M A I R E , Lire, 66.78; B R O O K E , Reading, 145; P O P O V IĆ , Reading, 457. 203 Vgl. jetzt weiterführend B E N -D O V , Book, der bezüglich der Formulierung Buch HHGJ ( ב ס פ ר ה ה ג י ; vgl. z. B. CD 10,6; 13,2; 14,7 f) eine neue Deutung vorschlägt, und zwar „a way of un‐ derstanding the notorious Book of Hagi as indicating a method of reading and study rather than a specific book. The passages referring to it address, even polemicize with, the prefer‐ able mode of reading and study“ (B E N -D O V , Book, 437). Schon knapp angedeutet bei C A R R , Writing, 218. findet sich eine breite Diskussion um das Thema Lesen in Qumran, die insbe‐ sondere durch die Aussagen in 1QS 6,6-8 angeregt wurde. 6 Und nicht soll an dem Ort, wo zehn Männer sind, einer fehlen, der in der Tora forscht ( שרוד הרותב ), Tag und Nacht, 7a beständig, einer nach dem anderen. b Und die Vielen (םיברה) sollen gemeinsam wachen den dritten Teil aller Nächte des Jahres, um im Buch (רפסב) zu lesen (אורקל) und nach Recht zu forschen (שורדל) 8 und gemeinsam (דחיב) Lobsprüche zu sagen (Üb. L O H S E ; mod. JH). Der erste Teil dieses Abschnitts besagt, so die Mehrheit der Forschung, „dass bei Gruppen von mindestens zehn Männern zu jeder Zeit tagsüber und nachts abwech‐ selnd mindestens einer von ihnen die Tora studieren soll.“ 199 Die Formulierung im‐ pliziert, dass jeweils einer individuell-direkt in der Tora zu Studienzwecken liest, 200 wobei die anderen etwas anderes machen können/ müssen. Dafür spricht au‐ ßerdem, dass nur in einem Drittel der Nächte gemeinsam gewacht werden soll, wie in 7b bestimmt ist. Möglicherweise ist diese Forderung in Zusammenhang mit dem Folgenden als Umsetzung der idealisierten Forderung von Jos 1,8 und Ps 1,2 zu ver‐ stehen. 201 Sehr wahrscheinlich hat man sich eine subvokalisierende Form des Lesen vorzustellen, worauf in der Forschung mehrfach hingewiesen wurde; 202 so findet sich zumindest an anderer Stelle in den Schriften vom Toten Meer Ableitungen von ה ג ה (s. o. 7.1.2) als Leseterminus verwendet (vgl. z. B. 4Q417 1 1,16-18; 4Q418 43). 203 Nichts deutet hingegen darauf hin, dass eine Situation gemeinschaftlichen Stu‐ diums vorauszusetzen wäre. Schwieriger zu verstehen sind die Bestimmungen im zweiten Teil des zitierten Abschnitts (1QS 6,7b-8). Es ist zwar richtig, dass hier den „Vielen“, also einem 360 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 204 So die Formulierung von S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 78. 205 Möglicherweise ist das Forschen nach Recht als Spezifizierung der Funktion des Lesens zu verstehen. Dann handelt es sich nicht um „[d]rei Aktionen“ (S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 79), sondern nur um zwei: individuell-direkte Lektüre zu Studienzwecken und gemeinsames Sprechen von Lobsprüchen. 206 So z. B. S N Y D E R , Teachers, 157; M I L L E R , Media, 50 f. 207 Wie 1QM 15,4 f zeigt, kann auch die Rezitation von Gebeten als mediengestützter Akt des Vorlesens verstanden werden. Hier liest der Hohepriester vor ihren Ohren (ארקו םהינזואב) ein Gebet, das in einem Buch steht. 208 S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 78 [Herv. im Original]. Stökl Ben Ezra verweist exempl. auf 1QM 15,4 f und 1QSa [1Q28a] 1,4, wo die Formulierung אורקל םהינזואב („in ihre Ohren lesen“) vereindeutigt, um welche Form des Lesens es sich handelt, nämlich eine Form kollektiv-indirekter Rezeption. 209 S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 79. 210 Vgl. S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 79. 211 Wegen des breiten Bedeutungsspektrums von רפס (vgl. BDB 706 f) spricht gegen diese These auch nicht die Tatsache, dass mit הלגמ ein hebräisches Lexem existiert, das auf eine Rolle referenziert. Vgl. weiterführend S C H I F F M A N , Memory. 212 Nicht überzeugend ist die These G. J. Brookes, ארק würde nicht nur bloßes, auf Repro‐ duktion orientiertes Vorlesen meinen, sondern vielmehr auch einen Aspekt aktiver Partizipation des Vorlesers bei der Realisierung des Geschriebenen, also eine besondere oral performance des Vorlesers implizieren. Vgl. B R O O K E , Reading, 143-147. a) Er über‐ Kollektiv, „Studierpflichten“ auferlegt werden; 204 nicht klar ist jedoch, ob das nächtliche Lesen im Buch und das Forschen nach Recht, 205 das durchaus eine Analogie zur griechisch-römischen Institution der lucubratio bildet, hier tat‐ sächlich kollektiv-indirekt geschieht 206 oder man sich eine Gruppe individuell lesender Personen vorstellen muss (nächtliches Studium ist ferner auch in 4Q418 43 4 belegt). So ist es auffällig, dass die Rezitation von Segenssprüchen in Z. 8 erneut durch דחיב („gemeinsam“) spezifiziert wird. 207 Ginge man davon aus, dass auch Lesen und Forschen eine gemeinschaftlich durchgeführte Tätigkeit be‐ zeichnete, dann wäre diese erneute Spezifikation redundant, da in Z. 7b schon das Wachsein in einem Drittel der Nächte des Jahres durch דחיב spezifiziert wird. Außerdem weist Stökl Ben Ezra zu Recht darauf hin, dass אורקל offen lasse, „ob gelesen oder vorgelesen wurde“; 208 auch sei offen „ob eine oder mehrere Kopien des gleichen Buches gleichzeitig benutzt wurden.“ 209 M. E. ist es noch nicht einmal eindeutig, dass zwingend das gleiche Buch, also derselbe Lesestoff ge‐ meint sein muss. Denn רפסב muss nicht, wie häufig vorausgesetzt, basefer („das Buch“) vokalisiert und als definiter Singular aufgefasst werden, sondern kann auch indefinit vokalisiert werden: besefer („ein Buch“). 210 Es wäre sogar zu er‐ wägen, ob ארק רפסב hier nicht gleichsam als lexikalisierte Wendung „in der be‐ schriebenen Buchrolle/ in dem Dokument ‚sagen‘/ lesen“ 211 individuell-direkte Lektüre konzeptualisiert, 212 wobei der semantische Gehalt stimmlicher Reali‐ 361 7.3 Qumran sieht die eindeutige Evidenz im AT, dass ארק auch individuell-direkte Lektüre be‐ zeichnen kann (s. o. 7.1.1): b) Ob 1QpHab 7,3 f inklusive des Zitats aus Hab 2,2b sich auf das Vorlesen durch den „Anweiser der Gerechtigkeit“ bezieht (so aber B R O O K E , Reading, 144 f), ist m. E. völlig offen, sodass eine für seine These zentrale Quelle hinfällig wird. 213 Vgl. Anm. 208, S. 361. 214 S. auch 4Qproto-Esth (4Q550) 4 f. 215 Ein Großteil der Forschung vertritt die Ansicht, dass vermutlich die Tora oder auch die gesamte hebräische Bibel gemeint sei. Vgl. D O E R I N G , Schabbat, 247, Anm. 683; S N Y D E R , Teachers, 157. Dagegen vermutet P O P O V IĆ , Reading, 457, רפס verwiese hier generell auf Bücher, wobei er offen lässt, ob er das Konzept des materiellen, beschriebenen Rollen‐ buches meint oder auf eine abstraktere Einheit „Buch“/ „Werk“ referenziert. 216 D O E R I N G , Schabbat, 247. 217 Vgl. dazu und zum Charakter des Qumranmahls ausführlich K L I N G H A R D T , Gemeinschafts‐ mahl, 223-248; vgl. auch S M I T H , Symposium, 152-158; C A R R , Writing, 238; E C K H A R D T , Meals. Nicht zwingend ist m. E. Klinghardts Argumentation, dass die in 1QS 6,7 f geschilderte nächtliche Studiensitzung deckungsgleich ist mit der in 1QS 6,8-13 beschriebenen Ratsver‐ sammlung, die er in Analogie antiker „Vereinsgerichtsbarkeit“ beschreibt. Vgl. K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 248 f. Statt der These, gegen die Klinghardt argumentiert, es würde sich um drei Veranstaltungen (Gemeinschaftsmahl, Gebetsgottesdienst und Vollversamm‐ lungen für Ratsbzw. Gerichtsverhandlungen) handeln, wie S C H I F F M A N , Sectarian, 191, angenommen hatte, kann man auch überlegen, ob es sich nicht um zwei unterschiedliche Versammlungsformen handelt: das Gemeinschaftsmahl mit anschließender Studiensitzung auf der einen Seite und einer Ratsversammlung auf der anderen Seite, die allerdings auch in einem sympotischen Rahmen stattgefunden haben könnte; vgl. zu den Analogien K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 232 f. Wenn Klinghardt allerdings Recht hat und sich 1QS 6,8-13 auf das Vorhergehende bezieht, dann wären die Überlegungen zur individuell-di‐ rekten Lektüre obsolet. Dann würde sich 1QS 6,7 f tatsächlich auf gemeinschaftliches Lesen sierung der Wurzel ארק, die im AT eindeutig auch individuell-direkte Lektüre bezeichnen kann, verblasst ist (s. dazu die Ausführungen unter 7.1.1), wie es bei Hauptleseverben einer Sprache häufig beobachtet werden kann (s. o. 3.1 u. 3.3). Dafür könnte sprechen, dass einerseits das Vorlesen vor anderen an anderer Stelle durch die Formulierung („in ihre Ohren lesen“) vereindeutigt wird, 213 dass an anderer Stelle, wo es mutmaßlich um das Vorlesen geht, ohne Präposition אורקל רפס formuliert wird (vgl. z. B. 4Q421 8) 214 und dass andererseits רפס merk‐ würdig unterdeterminiert ist. Mit diesem Verständnis erübrigte sich auch die Kontroverse bezüglich der Frage, welches Buch hier gemeint wäre; 215 wenn es sich nämlich um eine lexikalisierte Wendung handelt, bezieht sich רפס bloß all‐ gemein auf das Lesemedium Buchrolle und nicht auf ein spezifisches Buch. In jedem Fall handelt es sich nicht um den Kontext eines Gebetsgottesdienst, son‐ dern um „Studiensitzungen, in denen auch Lobsprüche gesagt werden“, 216 bzw. um abendliche und nächtliche Studiensitzungen, die mutmaßlich in einem Ge‐ meinschaftsmahlkontext (vgl. 1QS 6,2ff) stehen, d. h. in Analogie an den sym‐ potischen Teil antiker Mahlkultur zu verstehen sind. 217 362 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien in einem sympotischen Versammlungskontext beziehen, bei dem vermutlich einer die zu interpretierenden Schriftstellen vorliest. Allerdings wäre diese Form des Lesens dann einem sehr spezifischen Zweck untergeordnet und hätte weder etwas mit „gottesdienstlicher“ Lektüre noch mit sympotischer Unterhaltung zu tun. Auch könnte man diese Lesepraxis nicht ohne Weiteres in eine vermeintlich ubiquitäre antike Praxis des communal readings einsortieren. 218 Ich sehe z. B. nicht, dass man angesichts des fragmentarischen Zustandes von 1QS 6,27- 7,3 sicher schlussfolgern könnte, dass jemand bestraft würde, wenn er beim Vorlesen versehentlich den Gottesnamen ausspräche. Gegen S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 80. Auf den fragmentarischen Zustand von 4Q266 weist er selbst hin. Die Schlussfolgerung, dass Sprachbehinderten das Vorlesen verboten gewesen wäre, ist also unsicher. Vgl. S TÖ K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 80. Ebenfalls nur in der (z. T. gut nachvollziehbaren) hypothetischen Ergänzung findet sich in 4Q265 Fr. 4 2,1 f (vgl. C H A R L E S W O R T H u. a. ed., 206 f) die Regel, dass jemand nach dreimaligem Einnicken beim Lesen, bestraft würde. Hier könnte es sich angesichts der Parallele in 1QS 7,10-12, wo allerdings das Lesen nicht genannt wird, um das Lesen im Kontext des sympotischen Teils eines Gemeinschaftsmahles handeln. Vgl. K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 233. Ebenfalls zu fragmentarisch sind: 4Q203 7 2,7; 4Q273 5; 4Q421 8; 4Q550 D Fr. 1 1,5. 219 Zit. n. D O E R I N G , Schabbat, 246, hebr. Text n. DJD 35, z. St. 220 Vgl. mSanh 10,1; mShab 16,1; tShab 13[14],1. Vgl. N O A M / Q I M R O N , Qumran, 80-87; S TÖ K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 81. 221 Vgl. D O E R I N G , Schabbat, 247. 222 Vgl. dazu D O E R I N G , Schabbat, 247. Ein Großteil weiterer Texte, die mutmaßlich Lesen thematisieren oder Lese‐ praktiken reflektieren, ist zu fragmentarisch, als dass sie sinnvoll ausgewertet werden können. 218 Zwei dieser Texte verknüpfen Lesen mit dem Sabbat und sind trotz ihres fragmentarischen Charakters aufschlussreich, auch unabhängig von der kontroversen Beurteilung in der Forschung. ] ול שורדל ארקלו רפסב ב ] בש [ ת […] „[…].. zu forschen und zu lesen im Buch am [Sabba]t“ (2Q251 1-2 5). 219 In der Forschung wird diskutiert, ob ein (auch rabbinisch bezeugtes) Verbot in‐ dividueller Studienlektüre 220 am Sabbat oder nicht vielmehr ein Gebot 221 vor‐ auszusetzen ist. Das erste Verständnis hängt von der Ergänzung ול ] ףא , das zweite davon ab, dass man ול als Endung eines Verbs in der 3. Person Plural versteht. 222 Dann wäre möglicherweise eine Situation wie in 1QS 6,7 (s. o.) vorausgesetzt und das dort Gesagte gilt auch hier. Wenn die Stelle aber ein Verbot voraussetzte, wäre ein Regelungsbedarf vorhanden, der im Umkehrschluss eindeutig belegt, dass individuelle Studienlektüre am Sabbat praktiziert wurde und dies mögli‐ cherweise das Gruppenleben beeinträchtigte. 363 7.3 Qumran 223 Zit. n. D O E R I N G , Schabbat, 246, mod. JH; s. dort auch den hebräischen Text n. DJD 35, z. St. 224 Vgl. DJD 35, 54: „[4] [Let no man check the scrol]l of a book by reading its writing on the [Sabbath] day, [5] [but] they may read [and] learn from them.“ Baumgarten verweist diesbezüglich auf rabbinische Texte, in denen „Korrekturlesen“ im Gegenüber zur Schriftlesung thematisiert werde (u. a. mMeg 2,2; bBer 13 a ; bShab 104 b ). S. auch S C H I F F M A N , Memory, 137 f. 225 Vgl. N O A M / Q I M R O N , Qumran, 57-60.80-87. S T Ö K L B E N E Z R A , Bücherlesen, 82, verweist in diesem Zusammenhang auf Beispiele von Texten, die als Privatabschriften interpre‐ tiert werden, da sie in semikursiver Schrift und z. T. auf Papyrus geschrieben sind (z. B. 4Q255, 4Q257; 4Q217 Jubb? , 4Q398 MMT e , 4Q432 Hodayot f ). 226 Mit D O E R I N G , Schabbat, 248, gegen T I G C H E L A A R , Sabbath, 369. 227 Exemplarisch gegen M I L L E R , Media; M I L L E R , Textuality, der auf die weitere Literatur verweist. Insbesondere sein Schlusssatz „But in Judaism in antiquity, voice was not an abstracted entity that existed apart from text because, in the vast majority of circumstances, reading was speaking“ (M I L L E R , Textuality, 187) stellt angesichts der Überlegungen in diesem Kapitel eine Übergeneralisierung dar. „[… eine Roll]e eines Buches, zu le[sen] sein Geschriebenes (? ) am Tag [des Sabbats] (5) […] sie sollen lesen [und] in ihnen lernen“ (4Q264a I [Frg. 1] 4-5 par 4Q421 13+2+8 2-3 [? ]). 223 Eine plausible Deutung dieses Abschnitts, die aber wegen er Abhängigkeit von einer unsicheren Ergänzung hypothetisch bleibt, bietet der Herausgeber J. Baumgarten. Er vermutet, dass der erste Teil der Bestimmung das Korrektur‐ lesen am Sabbat, das mit Schreibtätigkeit verbunden ist, (vor dem Hintergrund des Arbeitsverbotes) verbietet; die zweite Bestimmung dagegen das Schrift‐ studium sowie Lehren und Lernen am Sabbat erlaubt. 224 Auf der Grundlage einer anderen Ergänzung des Textes und in Analogie zu ihrer Deutung von 2Q251 1-2 5 gehen dagegen V. Noam and E. Qimron davon aus, dass die erste Bestimmung das individuelle Lesen am Sabbat verbietet und Lesen und Studieren nur in Gemeinschaft gestattet. 225 Unabhängig von der Unsicherheit der Rekonstruktionen und damit verbundenen Deutungen, belegt der Text die Existenz individuell-direkter Studienlektüre am Sabbat; ein gottesdienstlicher Rahmen für die zweite Bestimmung anzunehmen, ist jedoch auch hier nicht naheliegend. 226 Insgesamt warnen diese Überlegungen vor generalisierenden Aussagen über den „oralen“ Charakter der Texte von Toten Meer und einer ein‐ dimensionalen Verknüpfung mit kollektiv-indirekten Formen der Rezeption. 227 7.4 Lesen in der Synagoge bzw. am Sabbat Zuletzt ist nun die Frage zu diskutieren, in welcher Form und mit welcher Funktion im antiken Judentum in der „Synagoge“ (zum Begriff s. u.) bzw. am 364 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 228 Vgl. E L B O G E N , Gottesdienst, 245 ff; außerdem den knappen Überblick über den kom‐ primierten Forschungsstand des 20. Jh. bei K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 252 f. S. außerdem L E V I N E , Ancient, 22-28. 229 L E V I N E , Ancient, 38. Levine selbst wertet mTaan 4,2 dann jedoch unter dem Hinweis, dass man aus dem Schweigen der Quellen auch keine Nicht-Existenz einer regelmäßigen Tora-Lesung ableiten dürfe, als Zeugnis für eine zeremonielle Tora-Lesung während der Zeit des Zweiten Tempels aus. Vgl. L E V I N E , Ancient, 38-41. Sein methodisches Vorgehen ist insgesamt dadurch geprägt, die frühen Quellen aus der Perspektive der rabbinischen Zeugnisse (insb. mMeg 3,4; 4) zu interpretieren. Dies wird auch schon in seinem Aufsatz L E V I N E , Formative Years, deutlich. S. außerdem G R A V E S , Public Reading, 496: „Unfortu‐ nately, we have no other clear evidence for the public reading of Scripture until the time of Philo.“ Vorbehalte gegenüber früheren optimistischen Positionen bezüglich weit verbreiteter Synagogengottesdienste mit liturgischer Tora-Lesung und Predigt finden sich z. B. auch bei S C H W A R T Z , Imperialism, 215-239; M O S S E R , Torah Instruction. 230 H E N G E L , Proseuche, 171. Sabbat gelesen wurde. In der Forschung wird diese Frage zumeist im Kontext der Geschichte bzw. Genese des Synagogengottesdienstes diskutiert, der aller‐ dings nur aus späteren rabbinischen Zeugnissen bekannt ist. 228 L. I. Levine formuliert in Bezug auf eine zeremonielle Tora-Lesung: „No Greek author of the Hellenistic period, nor any author of the apocryphal and pseudepigraphal books of the last centuries B.C.E., refers to such a practice.” 229 Daher besteht die methodische Gefahr, vor allem angesichts der sehr spärlichen Zeugnisse aus vorrabbinischer Zeit, spätere Entwicklungen in den Befund zurückzuprojizieren und eine monolineare Entwicklungsgeschichte zu konstruieren. Dies führt dann z. B. zu Schlussfolgerungen wie: „Der reine ‚Wortgottesdienst‘ des Protestantismus, der […] sich auf Gebet, Gesang, Schriftlesung und auslegende Predigt beschränkt, ist im Grunde bereits eine Schöp‐ fung des antiken Judentums; ähnliches gilt auch vom Versammlungshaus der Ge‐ meinde, die sich zu einem solchen Gottesdienst versammelt. Dieser jüdische Wort‐ gottesdienst und der dazugehörige gottesdienstliche Raum bildeten gegenüber den Kultformen aller antiken Religionen wie auch gegenüber dem eigenen traditionellen Tempelkultus eine revolutionäre Neuerung.“ 230 Inwiefern jedoch in der Synagoge die Lesung der Tora oder anderer Schriften vor der rabbinischen Zeit institutionell fest verankert war bzw. gleichsam universell für jede bezeugte Synagoge vorausgesetzt werden darf, bzw. welchen Charakter das Lesen der Tora in Synagogen hatte, ist im Folgenden an den Quellen zu diskutieren, die auf das Lesen der Tora am Sabbat bzw. in der Synagoge anspielen. Die Beantwortung dieser Frage wird erschwert durch die kontroverse Forschungslage zur Synagoge im vorrabbinischen Judentum und deren Ent‐ wicklung. Die kontroverse Diskussion bezieht sich u. a. auf die terminologische 365 7.4 Lesen in der Synagoge bzw. am Sabbat 231 Vgl. dazu und zum Folgenden K E E , Transformation; M C K A Y , Sabbath; M C K A Y , Ancient Synagogues. Vgl. exempl. zur Reaktion auf diese Positionen V A N D E R H O R S T , Synagogue; B I N D E R , Courts, 92-111; S A N D E R S , Jewish, 107, Anm. 137; sowie die Verweise auf die Literatur im Forschungsbericht von C L A U S S E N , Versammlung, 30-36. 232 Vgl. aber die Aussage des alexandrinischen Geographen und Historikers Agatharchides: FGrH 86 F 20a (Ios. c. Ap. 1,209 f), der im 2. Jh. v. Chr. beschreibt, dass die Juden am Sabbat nicht arbeiteten, „sondern sie beten in ihren Heiligtümern mit ausgestreckten Händen bis zum Abend (ἐν τοῖς ἱεροῖς ἐκτετακότες τὰς χεῖρας εὔχεσθαι μέχρι τῆς ἑσπέρας).“ 233 Vgl. dazu W I C K , Gottesdienste, 95-100. 234 Vgl. ausführlich zur noch differenzierteren Terminologie und auch zum inschriftlichen und archäologischen Befund H E N G E L , Proseuche; C L A U S S E N , Versammlung, 113-150. 235 W I C K , Gottesdienste, 91. 236 Vgl. weiterführend W I C K , Gottesdienste, 88-107; C L A U S S E N , Versammlung, 218-223. 237 Vgl. dazu die Übersicht bei C L A U S S E N , Versammlung, 37-39. Vielfalt der Bezeichnungen und auf regionale Besonderheiten. Zudem wurde die Forschung insbesondere durch die Infragestellung der Existenz von spezifi‐ schen, institutionalisierten Synagogengebäuden bzw. der Infragestellung des Synagogengebäudes als Ort des Gottesdienstes herausgefordert. 231 Im Rahmen dieser Arbeit kann dies nicht ausführlich thematisiert werden. Hinzuweisen ist aber v. a. auf die für die Diaspora in Ägypten bezeugte Bezeichnung προσευχή (vgl. z. B. Philo Flacc. 41.45 u. ö.; legat. 138.148 u. ö.; Ios. c. Apion. 2,10; vita 277.280; Artem. on. 3,53; Iuv. 3,296). Angesichts der Tatsache, dass Gebetspraxis in der Synagoge für die Zeit vor dem jüdischen Krieg nur sehr spärlich bezeugt ist 232 und sich diese Bezeichnung in Ägypten möglicherweise als Terminus für die Außendarstellung entwickelt hat, ist Vorsicht geboten, daraus weiterführende Schlussfolgerungen über die Funktion der προσευχή und über den Charakter der Veranstaltungen zu ziehen, die an diesem Ort stattfanden. 233 Dass hingegen das Lexem συναγωγή zu einer Bezeichnung des Gebäudes werden konnte (vgl. neben den neutestamentlichen Belegstellen z. B. Philo prob. 81; somn. 2,127; Ios. bell. Iud. 2,287-292; 7,44-47; ant. 19,300-305), deutet in jedem Fall auf das Synagogengebäude als Ort des gemeinschaftlichen Zusammenkommens hin, 234 das zahlreiche Funktionen hatte, um die „jeweiligen politischen, judikativen, religiösen und zum Teil auch sozialen Bedürfnisse der jüdischen Bevölkerung“ 235 zu erfüllen. 236 Allerdings ist es für die frühen Belege nicht immer eindeutig, ob συναγωγή sich hier auf ein Synagogengebäude oder doch „nur“ auf eine soziale Größe bezieht. Aber auch wenn dies der Fall sein sollte oder auch die προσευχή-Belege nicht ein spezifisches Gebäude, sondern andere unspezifische Orte meinen oder auch Versammlungsorte in Privathäusern 237 vorauszusetzen sind, behalten die folgenden Ausführungen ihre Richtigkeit. Denn in beiden Fällen würde es sich um das Lesen in einem 366 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 238 S. dort die weiterführenden bibliographischen Angaben. 239 Insbesondere Howard C. Kee (vgl. K E E , Transformation; K E E , Defining 1995; K E E , Defining 1999) hat die gängige Datierung in die Zeit vor der Tempelzerstörung hinterfragt und versucht, die Inschrift in das 3. Jh. zu datieren. Vgl. dagegen die überzeugende, hauptsächlich paläographisch argumentierende Verteidigung der Da‐ tierung vor 70 n. Chr. und die minutiöse Auseinandersetzung mit den Argumenten Kees bei K L O P P E N B O R G , Dating (Lit.). Vgl. zur Datierungsdiskussion auch C L A U S S E N , Versammlung, 186-191. 240 Ergänzung nach CIIP I. 1 9, die auf einer erneuten Autopsie im Jahr 2007 basiert, nach der Reste vom ersten Alpha und vom letzten Ny noch zu erkennen seien. Das Ny vor dem Omega ist auch in der Photographie gut zu erkennen. Gegen CIJ 1404. Dort werden die genannten Buchstaben als ergänzt angegeben. 241 Üb. C L A U S S E N , Versammlung, 186 f, leicht mod. JH. gemeinschaftlichen Setting handeln. Aus pragmatischen Gründen wird der Synagogenbegriff in dieser Studie als metasprachlicher Terminus, also in einem etwas weiteren Sinne verwendet, der nicht zwingend ein spezifisches Gebäude meinen muss. a) Theodotus-Inschrift Als wichtigstes Zeugnis für die Verknüpfung des Vorlesens der Tora mit der Synagoge in vorrabbinischer Zeit gilt die sog. Theodotus-Inschrift (CIJ 2 1404; CIIP 1.1 9 238 ), deren Datierung in die Zeit vor 70 n. Chr. jedoch umstritten ist. 239 Die Inschrift, die 1913-1914 bei Ausgrabungen durch R. Weill in der „Davidsstadt“ gefunden wurde, lautet folgendermaßen: 1 Theodotos, (Sohn) des Vettenus, Priester und archisynagōgos, Sohn eines archisynagō- gos, Enkel eines archisynagōgos, erbaute/ renovierte die synagōgē zum (Vor-)Le- 5 sen des Gesetzes (ΕΙΣ ΑΝΑ[Γ]ΝΑΩΣ[Ι]Ν ΝΟΜΟΥ) 240 und zur Lehre der Gebote (ΕΙΣ̣ [Δ]ΙΔΑΧ[Η]Ν ΕΝΤΟΛΩΝ), und | die Unterkunft für Gäste und die (anderen) Räume und die Wasser- installationen zur Herberge für die- jenigen aus der Fremde, die sie benötigen. Sie (sc. die synagōgē) haben begründet seine Väter und die Äl- 10 testen und Simonides. 241 Wie genau man sich den Komplex vorstellen soll, den diese Inschrift voraussetzt, muss hier nicht weiter besprochen werden. Im Hinblick auf die hier diskutierte Frage ist die Zweckbestimmung der synagōgē mit den Syntagma εἰς ἀνάγνωσιν νόμου und εἰς διδαχὴν ἐντολῶν von Relevanz: Vom lexikologischen Befund her könnte ἀνάγνωσις hier theoretisch eine individuell-direkte Form der Lektüre 367 7.4 Lesen in der Synagoge bzw. am Sabbat 242 Es ist allerdings anzumerken, dass das Syntagma εἰς ἀνάγνωσιν vor dem 3./ 4. Jh. zumindest in literarischen Texten nicht belegt ist und dann auch fast ausschließlich in christlichen Texten vorkommt (TLG). 243 Gegen W R I G H T , Reading, 57. 244 Zur kritischen Auseinandersetzung mit der Frühdatierung vgl. M A T T A S S A , Invention. 245 Vgl. A V I A M , Decorated Stone. 246 Vgl. weiterführend die Zusammenfassung von Funktionsmöglichkeiten bei B I N D E R , Mystery, 41-43; vgl. weiterführend zur Ikonographie B A U C K H A M , Thoughts. der Tora meinen. D. h. es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Tora in der Synagoge zum privaten Torastudium konsultiert werden konnte. In der Verbindung mit εἰς διδαχὴν ἐντολῶν und vor dem Hintergrund der noch zu diskutierenden Befunde bei Philon und Josephus erscheint es aber wahrschein‐ licher, dass an eine Situation gedacht ist, bei der Texte aus der Tora vor Publikum vorgelesen werden. Aus der Inschrift gehen aber weder Zeitpunkt noch Umfang hervor. Auch gibt es keinen Hinweis darauf, dass man die Veranstaltung in der hier genannten Synagoge mit dem Adjektiv „gottesdienstlich“ oder das Lesen als „liturgisch“ charakterisieren könnte. Die Verwendung des Lexems διδαχή verweist dagegen eindeutig auf einen Lehrkontext. Diese Einbettung des Lesens der Tora in Lehr-/ Lernkontexten wird auch in den folgenden Quellen deutlich, wodurch der Datierungsvorbehalt gegenüber der Inschrift weniger wiegt. 242 Andere archäologische Zeugnisse, die mit dem Lesen in der Synagoge verbunden worden sind, müssen dagegen m. E. mit großer Vorsicht interpretiert werden. Zu hypothetisch, um weiterführende Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, 243 ist etwa der Vorschlag von M. Aviam, einen dekorierten Stein aus der ins 1. Jh. n. Chr. datierten Synagoge in Migdal 244 als Basis eines Lesepultes für die Torarollen zu interpretieren. 245 Um diese Interpretation abzusichern, bräuchte es besser erhaltene Vergleichslesepulte. Die vier runden Abbruchstellen an den Ecken des Steins könnten auch beliebig andere Aufbauten getragen haben. Auch aus der Dekoration lassen sich keine sicheren Schlussfolgerungen bzgl. der Funktion ziehen. 246 b) Philon Die relativ überschaubare Anzahl der literarischen Belege für die eindeutige Verknüpfung des Lesens der Tora am Sabbat mit der Synagoge stammen überwiegend aus den Werken von Philon. Die detailreichste Beschreibung findet sich im Kontext von Philons Besprechung der Essener (vgl. Philo prob. 75 ff): „80 In der Ethik jedoch üben sie sich sehr, indem sie als Lehrmeister (ἀλείπτης) ihre väterlichen Gesetze verwenden […]. 81 In diesen Gesetzen werden sie zwar immer 368 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 247 Vgl. zu dieser Übersetzung den Eintrag im LSJ, in dem auf Ios. ant. 2,9,1 verwiesen wird. 248 Zur Funktion der Betonung der Ordnung bei der Veranstaltung gelten analog die Ausführungen zu Philo apol. 7,13. wieder auch während der übrigen Zeit unterrichtet 247 (τούτους ἀναδιδάσκονται μὲν), jedoch vornehmlich jeweils am siebten Wochentag. Denn der siebte Wochentag wird als heilig erachtet. An ihm enthalten sie sich der sonstigen Arbeiten und begeben sich zu geheiligten Orten, die Synagogen genannt werden (εἰς ἱεροὺς ἀφικνούμενοι τόπους, οἳ καλοῦνται συναγωγαί). Dort pflegen sie sich entsprechend dem Lebensalter - die Jungen zu den Füßen der Älteren - in Reihen niederzusetzen (καθέζομαι), und mit der gebührenden Ordnung sind sie bereit zu hören (ἔχοντες ἀκροατικῶς). 82 Dann nimmt einer die Bücher und liest vor (… τὰς βίβλους ἀναγινώσκει λαβών), ein anderer aber aus den Reihen der Erfahrensten tritt auf und erklärt, was nicht verstanden wurde (ἕτερος δὲ τῶν ἐμπειροτάτων ὅσα μὴ γνώριμα παρελθὼν ἀναδιδάσκει). Denn das neuste wird bei ihnen nach althergebrachtem Brauch durch die Nutzung von Symbolen philosophisch untersucht“ (Philo prob. 80 f; Üb. R. V . B E N D E M A N N ; leich mod. JH). Das sabbatliche Lesen der Tora in der Synagoge steht bei den Essenern laut der Darstellung Philons eindeutig in einem philosophisch-ethischen Lehr-/ Lernkontext (vgl. die Lexeme φιλοσοφία, φιλοσοφέω, ἠθικός und ἀλείπτης in prob. 80; sowie ἀναδιδάσκω in prob. 81 f). Die sabbatliche Veranstaltung unter‐ scheidet sich deutlich von der sabbatlichen Veranstaltung der Therapeuten, die im Liegen (vgl. κατακλίνω in Philo cont. 75) vor dem Mahl einen Vortrag hören (s. o.). Bei den Essenern hingegen werden Texte tatsächlich kollektiv-indirekt rezipiert, und zwar im Sitzen (καθέζομαι): Einer nimmt die Bücher - es ist nicht ganz eindeutig, ob der Plural von βίβλος sich auf die einzelnen Teile der Tora oder tatsächlich auf die einzelnen Schriftrollen bezieht - und liest vor, während die anderen zuhören. Philons Ausführungen können durchaus so verstanden werden, als läge der Schwerpunkt nicht allein auf dem Hören (vgl. das Lexem ἀκροατικῶς in prob. 81) des Vorgelesenen, sondern auch auf dem Hören der allegorischen Auslegung durch ein erfahrenes Mitglied der Gemeinschaft. Auch wenn die Verknüpfung zwischen Synagoge und dem Vorlesen der Tora noch in anderen Quellen bezeugt ist, so ist dabei Vorsicht geboten, die einzelnen Aspekte (z. B. die Sitzordnung), 248 die die essenische Vorlesepraxis prägen, zu stark zu generalisieren und für alle vorrabbinischen Synagogen vorauszusetzen. Und zwar weil hier die Essener explizit differenzierend und abgrenzend dargestellt werden (vgl. Philo prob. 75-79). Ein weiterer Hinweis auf die Verknüpfung von kollektivem Lesen und der Synagoge findet sich in Philons Wiedergabe der Außenperspektive eines hö‐ 369 7.4 Lesen in der Synagoge bzw. am Sabbat 249 Das Lexem θίασος („Festschwarm“) wird hier mit pejorativem Impetus im übertragenen Sinne gebraucht (eine übertragene Verwendungsweise ist z. B. belegt bei Eus. h. e. 10,1,8 und Iren. haer. 1,13,4) und ist nicht dahingehend zu interpretieren, dass es sich um einen Mahlkontext handelte. 250 Angesichts der Verwendung des Verbes καθέζομαι und der zus. Qualifikation der Veranstaltung als θίασος ist es unwahrscheinlich, dass συναγώγιον hier nicht ein Gebäude bezeichnet; in jedem Fall geht es um einen Versammlungsort. An der einzigen anderen Belegstelle des Lexems συναγώγιον im Werk Philons ist es tatsächlich unsicher, worauf Bezug genommen wird. Vgl. H E N G E L , Proseuche, 181, Anm. 50. heren Beamten in Alexandrien in seinem Buch De somniis. Dieser Beamte stellt in polemischer Absicht angesichts eines hypothetischen Schreckensszenarios einer Naturkatastrophe o. ä. (vgl. somn. 2,126) die rhetorische Frage: „Und werdet ihr in euren Synagogen sitzen (καὶ καθεδεῖσθε ἐν τοῖς συναγωγίοις ὑμῶν), die gewohnte Versammlung (θίασος) abhalten und sicher die heiligen Bücher lesen (ἀσφαλῶς τὰς ἱερὰς βίβλους ἀναγινώσκοντες) und, wenn etwas nicht klar wäre, es erklären (κἂν εἴ τι μὴ τρανὲς εἴη διαπτύσσοντες) und euch mit der von den Vätern ererbten Philosophie weitläufigst beschäftigen und mit Muße bei ihr verweilen? “ (Philo somn. 2,127; Üb. A D L E R ; mod. JH). Die Außenperspektive wäre freilich eine sehr wertvolle Quelle für die jüdische Lesepraxis. Es ist jedoch unklar, wie viel internes Wissen der Beamte wirklich hat bzw. wie zuverlässig Philon dessen Aussagen wiedergibt, oder ob er doch mit einem bestimmten Darstellungsinteresse seine eigenen Vorstellungen konstru‐ iert. Unabhängig davon, von wem die Information stammt, ist hier jedoch belegt, dass die „heiligen Bücher“ - also aller Wahrscheinlichkeit nach die Tora - kol‐ lektiv, wie bei den Essenern, im Sitzen (καθέζομαι) und vermutlich in indirekter Form rezipiert wurde. Die Formulierung schließt zwar nicht sicher aus, dass es sich um eine Form kollektiv-direkter Lektüre handelt, bei der in Gemeinschaft individuell gelesen wird; dies ist aber eher eine hypothetische Möglichkeit, da ja explizit von einem Versammlungskontext (θίασος) 249 gesprochen wird. Aller‐ dings dient der Plural des Partizips von ἀναγιγνώσκω hier nicht dazu, die hö‐ rende Rezeption zu beschreiben, sondern meint analog zum Pluralpartizip von διαπτύσσω den Akt des Vorlesens durch eine Einzelperson. Neben dem Vorlesen und Erklären von Toratexten besteht die beschriebene Veranstaltung aber wohl schwerpunktmäßig (vgl. die Formulierung διὰ μακρηγορίας ἐνευκαιροῦντές τε καὶ ἐνσχολάζοντες) auch aus philosophischen Gesprächen und Diskussionen. Belegt ist also eine kollektiv-indirekte Form des Lesens in einem Lehr- und Diskussionskontext, die in einem Synagogengebäude stattfindet; 250 ein „gottes‐ dienstlicher“ oder „liturgischer“ Charakter der beschriebenen Veranstaltung ist jedoch nicht zu erkennen. Eine Verknüpfung der Versammlung mit dem Sabbat 370 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 251 Aus dem Text geht nicht hervor, dass es sich hier um die Sabbatversammlung der Therapeuten handelt, wie P O P O V IĆ , Reading, 455, fälschlicherweise annimmt. Es ist allgemeiner auf die Ioudaioi bezogen. So auch S A L Z M A N N , Lehren, 451, Anm. 9. 252 Vgl. dazu S A N D E R S , Jewish, 108 f. Auch in Philo opif. 128 thematisiert Philon das von Mose bestimmte Arbeitsverbot am Sabbat, verknüpft es dort aber nicht mit dem Vorlesen der Tora, sondern spricht allgemeiner davon, dass man sich allein „dem Philosophieren zur Verbesserung des Ethos und zur Prüfung der Vertrautheit [mit der Tora] (τῷ φιλοσοφεῖν εἰς βελτίωσιν ἠθῶν καὶ τὸν τοῦ συνειδότος ἔλεγχον)“ widme. Hier ist nicht eindeutig, ob Philon an eine Versammlung denkt oder eine individuelle Auseinandersetzung mit der Tora gemeint ist. wird nicht hergestellt, ist aber auch nicht ausgeschlossen; der fehlende Hinweis auf den Sabbat mag der Perspektive und Aussageabsicht geschuldet sein. Explizit mit dem Sabbat - hier aber ohne Verweis auf die Synagoge - verknüpft Philon das Vorlesen der Tora in seinem nur in Fragmenten durch Euseb bezeugten Werkes Apologia pro Iudaeis/ Hypothetica (Eus. praep. ev. 8,5, 11-7,21). Es sei den Juden durch die Tora von Mose aufgetragen (vgl. Philo apol. 7,12), sich an jedem siebten Tag zu versammeln (συνάγω), sich gemeinsam zusammenzusetzen mit Achtung und Ordnung (καθεζομένους μετ᾽ ἀλλήλων σὺν αἰδοῖ καὶ κόσμῳ) und die Gesetze zu hören (ἀκροάομαι). „Und in der Tat versammeln sie 251 sich beständig und sitzen gemeinsam zusammen (συνεδρεύουσι μετ᾽ ἀλλήλων), die Mehrzahl in Stille (οἱ μὲν πολλοὶ σιωπῇ), außer wenn jemand meint, zum Vorgelesenen etwas Gutes hinzuzufügen. Ein Anwesender der Priester oder einer der Alten liest ihnen die heiligen Weisungen vor und erklärt sie der Reihe nach (καθ’ ἕκαστον ἐξηγεῖται) bis zum späten Nachmittag (μέχρι σχεδὸν δείλης ὀψίας); danach werden sie entlassen, erfahren in den heiligen Weisungen und deutlich in ihrer Gottesfurcht gestärkt“ (Philo apol. 7,13). Philon fasst hier die wöchentliche Versammlung mit Lesung als mosaische Wei‐ sung auf (s. u. auch Ios. c. Ap. 2,175), obwohl Dtn 31,10 (s. o.) nur eine Verlesung der Tora alle sieben Jahre vorsieht. 252 Er beschreibt in generalisierender Weise eine aus seiner Sicht prototypische Leseszene kollektiv-indirekter Rezeption der Tora wiederum im Sitzen (συνεδρεύω), wobei die Rezeption durch das Verb ἀκροάομαι angezeigt wird; ἀναγιγνώσκω bezieht sich hingegen auf den Akt des Vorlesens durch eine Person, die qua Herkunft dazu bestimmt ist (Priester; vgl. Dtn 31,9-13; Neh 8) oder durch jemanden, der sich durch die Erfahrung seines Alters qualifiziert hat. Wie schon bei den zuvor besprochenen Stellen wird das Verlesen durch Erklärungen komplementiert (hier aber unter Verwendung des Verbes ἐξηγέομαι), wobei vorausgesetzt ist, dass das Vorgelesene vollständig und sequentiell besprochen wird (καθ᾽ ἕκαστον), während die Erklärungen sich oben auf das bezog, was nicht verstanden wurde bzw. unklar geblieben ist. 371 7.4 Lesen in der Synagoge bzw. am Sabbat 253 Vgl. zum Problem des Verhältnisses der sabbatlichen Synagogenveranstaltung und dem Mahl weiterführend K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 258-267. 254 Vgl. dazu die Bedeutungsdimension „officially“/ „at public consent“ bei Montanari, BDAG, 477. Auch wenn nicht ganz deutlich ist, wann die Veranstaltung beginnt, wird durch die Zeitangabe μέχρι σχεδὸν δείλης ὀψίας der besondere zeitliche Umfang hervorgehoben. Im Unterschied zur liegenden Vortragsrezeption bei den Therapeuten vor dem Gemeinschaftsmahl (s. o.) handelt es sich bei der Vorlese- und Lehrveranstaltung hier allerdings nicht um ein Mahl. 253 Dass Philon betont, die Zuhörer seien (bis auf qualitätsvolle Wortbeiträge) still gewesen, ist m. E. nicht Ausdruck eines besonderen gottesdienstlichen Charakters o. ä. der Veranstaltung. Vielmehr ist dies - durchaus mit einem apologetischen Impetus - in sozialer Hinsicht zu verstehen, bringt also eine besondere Disziplin der Zuhörer zum Ausdruck und fügt sich in die positive Charakterisierung des gemeinschaftlichen Zusammenseins, das Philon schon zuvor hervorgehoben hat (vgl. das Syntagma καθεζομένους μετ᾽ ἀλλήλων σὺν αἰδοῖ καὶ κόσμῳ in Philo apol. 7,12). An zwei anderen Stellen thematisiert Philon zwar Veranstaltungen in der Synagoge am Sabbat, vom Verlesen der Tora findet sich dort jedoch nichts. So schreibt er in Philo legat. 156, es sei Augustus bekannt, dass die Juden „Gebetsplätze/ Synagogen (προσευχη) haben und sich in ihnen versammelten, besonders am heiligen Sabbat, wenn sie öffentlich in der Philosophie ihrer Väter unterwiesen werden (ὅτε δημοσίᾳ τὴν πάτριον παιδεύονται φιλοσοφίαν)“ (Üb. K O HN K E , mod. JH). Diese Stelle ist insofern aufschlussreich, als sie belegt, dass die Synagogen nicht ausschließlich für Versammlungen am Sabbat genutzt wurden. Außerdem seien sie Orte des öffentlichen philosophischen Unterrichtens. Eine gewisse Deutungsoffenheit enthält das Adjektiv δημόσιος. Vor dem Hintergrund der vereinsrechtlichen Ausnahmeregelungen in Philo legat. 311-313 kann man es möglicherweise so verstehen, als meine Philon, dass die Juden sich mit offizieller Erlaubnis von Seiten des Staates versammelten. 254 Daneben ist aber auch möglich, dass Philon einfach in apologetischer Hinsicht meint, dass die Lehre nicht im Geheimen gegeben wird und öffentlich nachvollziehbar ist (d. h. kein Menschenhass o. ä., also nichts Justiziables gelehrt würde). In dieser Hinsicht könnte man die Stelle sogar so lesen, dass Philon hier darauf hinweist, dass die Veranstaltungen tatsächlich „öffent‐ lich“, d. h. für externes Publikum zugänglich gewesen wären. Ob Philon damit dann auch eine sozialgeschichtliche Realität beschreibt oder es rein rhetorisch-apologetisch zu verstehen ist, kann schwer nachgeprüft werden. 372 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 255 Schwierig ist m. E. die Formulierung, Philon würde die sabbatliche „Predigt“ als philoso‐ phischen Lehrvortrag „deuten“. Vgl. N O A C K , Gottesbewusstsein, 59. Dies impliziert die erst zu begründende Annahme, die „Predigt“ wäre eigentlich etwas anderes gewesen. 256 Vgl. zur konzeptuellen Metaphorik E S S E N / T R I N K E N I S T A N N A H M E V O N L E H R E H E I L M A N N , Wein, 189 ff; vgl. insb. die Belege in Anm. 439 (bHag 3a; mAv 1,11; 2,8) und Joh 4,14. Das Verb παιδεύω mag das Vorlesen von Texten der Tora implizieren. Dass die Verlesung jedoch den Schwerpunkt der Veranstaltung gebildet hätte, geht aus der Darstellung gerade nicht hervor; der Schwerpunkt liegt dagegen doch eher im Lehrcharakter der Veranstaltung. Entsprechend nennt Philon an anderer Stelle die zahllosen (μυρίος) Gebäude, die „offen stehen (ἀναπετάννυμι) an den Sabbaten in allen Städten“ (Philo spec. 2,62) auch διδασκαλεῖον. Auch hebt Philon mit dem Verb ἀναπετάννυμι wieder den nicht-verborgenen Charakter der Sabbatveranstaltungen hervor; dass vorgelesen wird, geht jedoch aus der Darstellung nicht hervor. Vielmehr sitzen (καθέζομαι) die Teilnehmer in geord‐ neter Weise (s. o. schon Philo apol. 7,13) und „mit gespannter Aufmerksamkeit, weil sie nach dem frischen Worte dürsten (μετὰ προσοχῆς πάσης ἕνεκα τοῦ διψῆν λόγων ποτίμων); einer der Erfahrensten aber erhebt sich und erteilt ihnen Belehrung (ἀναστὰς δέ τις τῶν ἐμπειροτάτων ὑφηγεῖται) über die guten und nützlichen Dinge, durch die das ganze Leben veredelt werden kann“ (Philo spec. 2,62, Üb. H E I N E M A N N , mod. JH). Die Sabbatveranstaltung ist in dieser Darstellung ganz eindeutig eine Lehrver‐ anstaltung, in der Vorlesen, wenn überhaupt, nur eine Supplementfunktion hatte. 255 Denn die Metapher vom „Dürsten nach dem frischen Worte“ bezieht sich auf mündlich konzeptualisierte, „neue“ Lehre - die hier durch ein erfah‐ renes Mitglied der Gruppe erteilt wird und deren Inhalt explizit im letzten Teil des zitierten Auszuges bestimmt wird - und nicht auf etwas schon Bekanntes, das vorgelesen wird. 256 c) Josephus Josephus thematisiert die sabbatliche Lesung der Tora durchgängig, ohne einen konkreten Ort zu nennen. In seinem apologetischen Werk Contra Apionem schreibt er: „Denn nicht einmal den Vorwand der Unkenntnis hat er [scil. Mose] uns gelassen, sondern als schönste und nötigste Lehre (παίδευμα) die Weisung hingestellt - uns, die wir es nicht nur einmal hören (ἀκροάομαι) sollten oder zweimal oder vielmals; sondern er hieß uns jede Woche nach dem Ablassen von (allen) anderen Arbeiten zur ‚Anhörung‘ (ἀκρόασις) der Weisung zusammenkommen und dieses genau zu 373 7.4 Lesen in der Synagoge bzw. am Sabbat 257 S A N D E R S , Jewish, 108, Anm. 138, vermutet eine direkte Abhängigkeit von Philons Apologia pro Iudaeis. 258 Vgl. zu dieser Bedeutungsdimension von ἐκμανθάνω Montanari, BDAG, 637, mit Verweis auf Hdt 7,28,2; Eur. Iph. T. 667; Xen. Cyr. 1,6,40. D O E R I N G , Schabbat, 488, übersetzt dementsprechend „studieren“. 259 S. dazu o. insb. S. 308. erlernen (ἐπὶ τὴν ἀκρόασιν ἐκέλευσε τοῦ νόμου συλλέγεσθαι καὶ τοῦτον ἀκριβῶς ἐκμανθάνειν·): dies scheinen ja alle (sonstigen) Gesetzgeber zu übergehen“ (Ios. Ap. 2,175; Üb. S I E G E R T ; mod. JH). Wie schon Philon versteht Josephus die wöchentliche Lesung der Tora als Weisung von Mose. 257 Anders als Philon schreibt er allerdings in der 1. Pers. Pl. und rein aus der Perspektive der hörenden Rezipienten. Das Vorlesen selbst wird nicht näher thematisiert. Außerdem weist Josephus darauf hin, dass Mose nicht nur das wöchentliche Lesen angeordnet habe, sondern auch, dass die Tora genau erlernt bzw. genau erforscht 258 werden solle. Dabei ist es keinesfalls eindeutig, dass die wöchentliche Lesung auch die Grundlage für das genaue Erlernen oder Erforschen bildet. Da sich das maskuline Demonstrativpronomen οὗτος eindeutig auf νόμος und nicht auf die ἀκρόασις bezieht, ist es durchaus plau‐ sibel, dass Josephus zwei zu unterscheidende Momente der Auseinandersetzung mit der Tora meint: Auswendiglernen und Erforschen der Tora kann auch bzw. kann viel effektiver in der individuell-direkten Auseinandersetzung mit dem Text passieren. Dies liegt zumindest vor dem Hintergrund des oben Diskutierten nahe. 259 Es gibt auch noch eine andere Stelle bei Josephus, an der möglicherweise eine individuell-direkte Auseinandersetzung mit der Tora gemeint sein könnte. Und zwar gibt er in ant. 16,2,4 [31ff] eine Rede eines gewissen Nikolaos wieder, die jener vor Agrippa hält und in der die Formulierung zu finden ist: τήν τε ἑβδόμην τῶν ἡμερῶν ἀνίεμεν τῇ μαθήσει τῶν ἡμετέρων ἐθῶν καὶ νόμου μελέτην ὥσπερ ἄλλου τινὸς καὶ τούτων ἀξιοῦντες εἶναι δι᾽ ὧν οὐχ ἁμαρτησόμεθα (Ios. ant. 16,2,4 [43]). Da die syntaktischen Bezüge in diesem Satz nicht ganz eindeutig sind, wie schon die divergierenden modernen Übersetzungen zeigen, gibt es mindestens drei verschiedene Verstehensmöglichkeiten. Fasst man τήν τε ἑβδόμην τῶν ἡμερῶν als Akkusativ-Objekt zu ἀνίεμεν auf, ergeben sich folgende Möglichkeiten: 1a) Der Akkusativ μελέτην könnte in einem doppelten Bezugsverhältnis stehen; und zwar könnte μελέτην als weiteres Objekt des Widmens gemeint sein und zugleich das bezeichnen, was für würdig erachtet wird (ἀξιοῦντες): „Wir widmen dem Lernen unserer Sitten den siebten Tag und das Nachsinnen über die Weisung gleichwie über [etwas] anderes und diese [Dinge], weil wir es [scil. das Nachsinnen über …] für würdig erachten, wodurch wir nicht sündigen werden.“ 1b) 374 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 260 Analog verweist er mit einer syntaktisch ähnlichen Konstruktion in Ios. ant. 12,2,12 [100] auf den Aristeasbrief, den seine Rezipienten lesen sollen, allerdings ohne Verweis, wo sie diesen finden können. Auch hier setzt er einen potentiellen Zugang zu dem Text für seine Leser voraus. Möglich wäre aber auch, dass μελέτην nur zu ἀξιοῦντες gehört und eine τῇ μαθήσει τῶν ἡμετέρων ἐθῶν καὶ νόμου Phrase bildet: „Den siebten Tag widmen wir dem Lernen unserer Sitten und der Weisung, weil wir Nachsinnen gleichwie über [etwas] anderes und diese [Dinge] für würdig erachten,…“ 2) Das Syntagma τήν τε ἑβδόμην τῶν ἡμερῶν könnte aber auch ein Akkusativ der zeitlichen Ausdehnung sein, woraus sich folgende Bedeutung ergäbe: „Den siebten Tag lang widmen wir das Nachsinnen dem Lernen unserer Sitten und der Weisung, weil wir dieses [scil. das Nachsinnen über …] gleichwie auch andere [Dinge] für würdig erachten, … Weder der Kontext noch die Formulierung selbst implizieren, dass Lernen und Nachsinnen hier mit der Synagoge verbunden ist oder in einer Versammlung ge‐ schieht. Aufschlussreich ist die Verwendung des Lexems μελέτη, da ja, wie oben zu sehen war, das zugehörige Verb μελετάω in der LXX v. a. in Jos 1,8 und Ps 1,2 als Übersetzung für ה ג ה verwendet wird und dort mutmaßlich individuell-direkte, subvokalisierende Lektüre der Tora meint, die dem (v. a. auf die Ethik ausgerich‐ teten) Lernen dient. Es ist also durchaus möglich, dass in der von Josephus wie‐ dergegebenen Rede des Nikolaos diese Bedeutungsdimension zumindest in den Varianten 1a) und 2) mitzuverstehen sein könnte. Nur in Variante 1b), in der νόμος nicht direkt auf μελέτη bezogen ist, sondern auf das Lernen (μάθησις), liegt eine solche Bedeutungsdimension weniger nahe. Interessant ist ferner, dass in Va‐ riante 1a) das Nachsinnen nicht zwingend mit dem Sabbat verknüpft ist, sondern auch an anderen Tagen passieren kann. Eindeutiger ist sein Hinweis im 10. Buch der Antiquitates. Dort weist er die Leser darauf hin: „Wer aber aus Liebe zur Wahrheit nicht die Mühe scheut, etwas eingehender nach‐ zuforschen (πολυπραγμονέω), um über die ungewisse Zukunft sich zu unterrichten (μανθάνω), der bemühe sich das Buch Daniel zu lesen (σπουδασάτω τὸ βιβλίον ἀναγνῶναι τὸ Δανιήλου), das er in unseren heiligen Schriften findet“ (Ios. ant. 10,10,4 [210]; Üb. C L E M E N T Z , mod. JH). Diese Stelle impliziert eine individuell-direkte Studienlektüre (πολυπραγμονέω, μανθάνω) des Danielbuches und setzt, wenn Josephus es nicht nur rhetorisch meint, den potentiellen Zugang zu den Schriften für die intendierten Rezipienten der Antiquitates voraus. 260 375 7.4 Lesen in der Synagoge bzw. am Sabbat 261 Daher spricht G E R B E R , Bild, 105, vom „Sabbat als Institution zum Lernen des Gesetzes.“ 262 Eine Leseordnung der Tora in lectio continua ist erst in rabbinischen Quellen belegt und darf nicht zurückprojiziert werden. Vgl. z. B. S T E M B E R G E R , Art. Schriftlesung II, 558 f; S T E M B E R G E R , Judaica, 435 f; M O S S E R , Torah Instruction, 550; s. zur Diskussion auch P E R R O T , Reading; P E R R O T , La lecture; S C H I F F M A N , Reading; L I N C I C U M , Paul, 33-38; M C G O W A N , Worship, 69; exempl. gegen G E L A R D I N I , Verhärtet, 126-131. 263 Die Auseinandersetzung mit den Thesen MacKays V A N D E R H O R S T , Synagogue, bleibt (bis auf zahlreiche richtige und wichtige Einzelanfragen an die Auswertung des Materials) zuletzt ein Streit über den Gottesdienstbegriff. Van der Horst bindet ihn zuletzt an die Heiligkeit des Lesemediums, wovon die Heiligkeit der Synagoge abhängig sei (34-36). Lesen in der Synagoge sei für ihn daher ein gottesdienstlicher Akt, ja sogar ein cultic act (36). In so unspezifischer Weise verwendet, verliert der Begriff worship bei ihm jedoch m. E. jedwede analytische Trennschärfe; die Verwendung des Kultbegriffs stiftet noch mehr Verwirrung und stellt in diesen Zusammenhängen m. E. keine sinnvolle metasprachliche Kategorie dar. 264 So auch L E V I N E , Ancient, 155 f, der allerdings davor warnt, den Befund auf andere Synagogen zu übertragen. Methodisch problematisch an seiner Gesamtargumentation ist allerdings, dass er Philon und Josephus dennoch als Zeugnisse für ein generelles Konzept zeremonieller Tora-Lesung heranzieht, obwohl wir dafür vor den rabbinischen Quellen, die er selbst als Evidenzen nutzt (s. o.), keine Zeugnisse besitzen. L E V I N E , Ancient, 145-157. Zum Aussagewert der neutestamentlichen Quellen s. u. 8.2. 265 Gegen S A L Z M A N N , Lehren, 451; H E N G E L , Proseuche, 175. 7.5 Zwischenertrag Es bleibt festzuhalten: Philon und Josephus fassen die wöchentliche Vorlesung der Tora als mosaische Weisung auf, obwohl eine solche Vorgabe in der Tora nicht zu finden ist. Dies deutet auf die feste Etablierung einer sabbatlichen Tora-Vorlesung im 1. Jh. n. Chr. hin. 261 Weder geben die Quellen jedoch Hinweise auf eine besondere Performanz dieser Vorlesungen, wie die Methode des Biblical Performance Criticism (s. o. 1.1.2) voraussetzt, noch finden sich Spuren einer fortlaufenden Toralektion (lectio continua) am Sabbat (in der Synagoge). 262 Nicht nur deshalb wird es dem Befund nicht gerecht, den Charakter der Veranstaltung mit Adjektiven wie „liturgisch“ oder „gottesdienstlich“ zu beschreiben. 263 Philon und Josephus stellen eindeutig den Lehr-/ Lerncharakter der Veranstaltung heraus, bei welcher der Schwerpunkt nicht auf dem Vorlesen an sich, sondern auf der Vermittlung liegt, 264 die z. T. lektüregestützt ist; z. T. fehlt aber auch jeglicher Verweis auf das Vorlesen aus der Tora. Auch wenn die Darstellungen bei Philon und Josephus partiell mit apologetischem Interesse überzeichnet oder gefärbt sein mögen (wegen fehlendem Vergleichsmaterial kommt man über Vermutungen hier nicht hinaus[! ]), kann diese Vermutung nicht zum Argument für die Rettung des Konzepts eines frühjüdischen Wort- und Synagogengottes‐ dienstes werden, der nur aus deutlich späteren Quellen bekannt ist. 265 376 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 266 Vgl. auch S T E M B E R G E R , Judaica, 30 f; gegen z. B. C L A U S S E N , Versammlung, 152, Anm. 9.214; W I C K , Gottesdienste, 92, Anm. 322; 94, Anm. 94, welche die genannten Stellen unter die Belege für Lesungen der Tora in der Synagoge subsumieren. 267 Gegen V A N D E R H O R S T , Synagogue, 36, Anm. 100. 268 Vgl. K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 63, mit Verweis auf Vitr. 6,7,3 f; vgl. aber z. B. auch Philo LA 3,40.98 und den „Herrensaal“ der Therapeuten in ihrem Gemeinschafts‐ gebäude in Philo cont. 32; ferner die „riesigen Herrensäle“ (ἀνδρῶνες μέγιστοι) des Königspalastes in Jerusalem in Ios. bell. Iud. 5,177. Unverständlich ist mir, wie W. Whiston auf die Übersetzung public school kommt. H. Clementz übersetzt sehr stark interpretierend ἀνδρών mit „Haus ihrer Vorsteher“, was er vermutlich davon ableitet, dass er voraussetzt, ein ἀνδρών sei vorrangig in Häusern von Eliten zu finden. Da sowohl in Philo apol. 7,13 als auch in Ios. Ap. 2,175 keine Aussage über den Ort gemacht wird und da die Belege, welche eine (exklusive) Aufbewahrung der Tora in Synagogen bezeugen könnten, nicht eindeutig sind bzw. auch andere Orte wie in einem „Herrensaal“ (ἀνδρών) belegt sind, ist zumindest Vorsicht geboten, eine übergreifende, gleichsam exklusive Verknüpfung der Verlesung der Tora mit einem institutionalisierten Synagogengebäude allgemeingültig für das 1. Jh. zu postulieren. 266 In Ios. ant. 20,5,4 [115] ist nur allgemein geschildert, dass die „Weisungen des Mose in einem Dorf “ von einem Soldaten beschlagnahmt und zerrissen worden seien. Über den genauen Ort schweigt der Text. 267 Auch wenn es naheliegt, so ist es doch nicht eindeutig, dass „die Weisungen“, die nach einem Vorfall bei einer Opferszene vor der Synagoge in Caesarea (vgl. Ios. bell. Iud. 289 ff) von den Ioudaioi zusammengerafft (Ἰουδαῖοι τοὺς νόμους ἁρπάσαντες; Ios. bell. Iud. 290) und mit nach Barbeta genommen werden, nur aus der in Ios. bell. Iud. 2,289 genannten Synagoge stammten. Möglicherweise befanden sie sich (auch) noch woanders in Caesarea. So wird in einem von Josephus überlieferten Dekret von Augustus (Ios. ant. 16,6,2 [162-165]) bestimmt, dass jemand, „der beim Stehlen ihrer heiligen Bücher oder ihres heiligen Geldes - sei es aus einem Sabbathaus oder aus einem ‚Herrensaal‘ (κλέπτων τὰς ἱερὰς βίβλους αὐτῶν ἢ τὰ ἱερὰ χρήματα ἔκ τε σαββατείου ἔκ τε ἀνδρῶνος; Ios. ant. 16,6,2 [164])“, u. a. durch Enteignung zu bestrafen sei. Aus der Sicht des Dekrets sind Schriftrollen der heiligen Bücher also zumindest an zwei Orten zu finden: Mit dem hapax legomenon σαββατεῖον wird vermutlich ein Gebäude gemeint sein, das für die Versammlung am Sabbat vorgesehen ist und daher metasprachlich als Synagoge bezeichnet werden kann. Unter einem ἀνδρών muss man sich wohl einen größeren Speisesaal (auch in Privathäusern) vorstellen, der im Gegensatz zum triklinium für größere Bankette genutzt wurde. 268 Zwar ist die Verknüpfung von Vorlesung der Tora und der Synagoge etwa in Philo prob. 80 f und somn. 2,126 explizit bezeugt. Der Befund insgesamt legt aber 377 7.5 Zwischenertrag 269 Ios. vita 277 ff belegt eine politische Diskussion, die abgebrochen wurde, da für die 6. Stunde ein Mittagessen am Sabbat vorgesehen war. 270 H A R N A C K , Gebrauch, 21. 271 Vgl. ferner Philo legat. 115.210. nahe, dass die Tora auch an anderen Orten und in anderen Kontexten gelesen wurde. (Umgekehrt ist eindeutig bezeugt, dass die synagogale Versammlung am Sabbat nicht exklusiv der Lesung der Tora oder einem „gottesdienstlichen“ Geschehen vorbehalten war.) 269 Dass Rollen mit Toratexten in einem ἀνδρών gefunden werden können, kann vorsichtig dahingehend interpretiert werden, dass die Tora auch beim Symposion vorgelesen werden konnte. Die Verbin‐ dung der Todesstrafe mit dem Besitz der Tora in 1Makk 1,56-58 setzt einen gewissen Verbreitungsgrad auch im Privatbesitz voraus. 270 4Makk 18,10 f belegt familiäre Lese- und Lehrkontexte: Der verstorbene Vater las zu Lebzeiten den Kindern explizit genannte Geschichten (Abels Ermordung durch Kain; Isaaks Opferung und Joseph im Gefängnis) aus der Tora vor. 271 Die Vielfalt der in den frühjüdischen Quellen bezeugten Lesetermini und Lesepraktiken (7.1-7.3) sowie insbesondere die für die Therapeuten bezeugte Lesepraxis, legen nahe, dass auch individuell-direkte Lektüre der Tora nicht die Ausnahme darstellte. Daraus ist dann auch insgesamt im Umkehrschluss abzuleiten, dass oben schon angesprochene, zu pessimistische Schätzungen über den Privatbesitz von Toratexten zu überdenken sind. Überhaupt nicht belegt ist eine (sabbatliche) gemeinschaftliche Lektüre der übrigen frühjüdischen Literatur (weder kanonisch noch deuterokanonisch gewordene). Für die antik-jüdische Literatur jenseits von Tora und Propheten - hebräischsprachig wie griechischsprachig - müssen also vielfältige (auch individuell-direkte) Rezeptionskontexte angenommen werden, die sich, wie in diesem Kapitel deutlich wurde, durchaus plausibel machen lassen und im Einklang mit der Vielfalt antiker Lesepraktiken insgesamt stehen. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht ferner eine Bestimmung aus der Mischna, die eindeutig individuell-direkte Lektüre, noch dazu an ungewöhnlichen Orten bezeugt: „Liest einer in einer Rolle auf der Schwelle, rollt die Rolle aus seiner Hand, darf er sie zu sich heranrollen. Liest einer auf der Spitze des Daches, und die Rolle rollt aus seiner Hand, darf er [sie] zu sich heranrollen, ehe sie zehn Handbreit erreicht hat. Hat sie zehn Handbreit erreicht, muß er sie auf die Schriftseite drehen. Rabbi Jehuga sagt: Selbst wenn sie nur um eine Nadelbreite von der Erde entfernt ist, darf er sie zu sich heranrollen. Rabbi Schim’on sagt: Auch wenn [sie] auf der Erde selbst ist, darf er sie zu sich heranrollen, denn du findest kein Wort über das Ruhen [am Sabbat], das [der Ehre der] heiligen Schriften widerstehen kann“ (mEr 10,3; Üb. 378 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 272 Vgl. W O L L E N B E R G , Dangers. 273 Gegen W O L L E N B E R G , Dangers, 725 f. 274 W O L L E N B E R G , Dangers, 757, Anm. 44, weist selbst auf das Rahmenmotiv der Distraktion durch das Buch und das soziale Fehlverhalten hin. 275 So aber W O L L E N B E R G , Dangers, 728-730. 276 Vgl. exempl.: Zitation von 1Makk 3,6 in Lk 13,27; Zitation von Koh 7,20 LXX und einigen Stellen aus dem LXX-Psalter in Röm 3,10 mit der Zitationsformel καθὼσ γέγραπται ὅτι; Zitation von Spr 22,8 LXX in 2Kor 9,7; Zitat aus Spr 3,34 LXX in Jak 4,6 mit der Zitationsformel διὸ λέγει. C O R R E N S ); die Mitnahme von Torarollen auf Reisen ist in mJev 16,7 belegt. Zudem finden sich in der rabbinischen Literatur das Konzept visuell konzeptualisierter Lektüre und zahlreiche weitere individuell-direkte Leseszenen (vgl. z. B. jKet 12,3 (35a); jShab 16,1; bChag 15b). R. S. Wollenberg versteht einige dieser Quellen so, als sei eine individuell-direkte Lesepraxis im frühen rabbinischen Judentum als illegitim und gefährlich verstanden worden, die einzig legitime Form des Lesens sei das rezitierende Lesen aus dem Gedächtnis gewesen. 272 Diese Interpretation früher rabbinischer Lesekultur ist insofern problematisch, als aus normativ-idealisierenden Aussagen in den Quellen eine direkte Beschreibung rabbinischer Lesekultur abgeleitet wird. Es muss bei normativ-regelnden Aussagen in den Quellen quellenkritisch immer in Rechnung gestellt werden, dass diese Aussagen gerade die weite Verbreitung des zu Regelnden bezeugen. Zudem ist es aus meiner Sicht gar nicht eindeutig, dass die von ihr angeführten Quellen jeweils eine konkrete Leseweise informationsentnehmender individuell-direkter Lektüre kritisieren. So liegt das Problem in jKet 12,3 (35a) m. E. nicht primär in der individuellen Leseweise, sondern darin, dass R. Chiyya bei seiner Überblickslektüre (visuell konzeptualisierte Leseterminologie) nicht-kanoni‐ scher Texte im Badehaus den angesehenen R. Ishmael b. R. Yose nicht sieht und nicht die notwendige Ehrerbietung zukommen lässt. Er ist in das Buch vertieft. Die zwei Studenten, die zukünftig mit R. Chiyya ins Badehaus geschickt werden, sollen ihn nicht vor der Gefahr individuell-direkter Lektüre schützen, 273 sondern vor der sozialen Gefahr, bei dieser Form der Lektüre die sozialen Verpflichtungen zu vergessen. 274 Sowohl in jShab 16,1 als auch in bChag 15b (eindeutig nicht-vokalisierendes Lesen) liegt das eigentliche Problem nicht in der individuell-direkten Leseweise (dies lässt sich aus dem Text m. E. nicht schlussfolgern 275 ), sondern im nicht anerkannten Lesestoff. Angesichts der im NT bezeugten Rezeption der frühjüdischen Literatur jenseits der Propheten und der Tora ist die Vielfalt von Lesepraktiken im frühen Judentum auch für das frühe Christentum relevant. 276 Daraus folgt dann auch, dass sich aus der sabbatlichen Lesung und Lektüre der Tora kein Rezeptions‐ kontexten der Schriften des NT rekonstruieren lässt. Vielmehr ließ sich zeigen, 379 7.5 Zwischenertrag dass im hellenistischen Judentum Literatur nicht nur für Gruppen produziert worden ist, die auf lokale Räume beschränkt waren. Vielmehr wurde insb. am griechischen Sir (7.1.4) sowie am 2Makk (7.1.5) deutlich, dass das hellenistische Judentum an der Buch- und Lesekultur der hellenistisch-römischen Welt und vermutlich auch an ihrem Buchmarkt partizipierte. Dies wird bei der Bewertung des Befundes im NT und in der Literatur des frühen Christentums insgesamt zu berücksichtigen sein. Angesichts des hier diskutierten Befundes ist es nicht möglich, Lesen im frühen Christentum monosituativ in den Rahmen des Modells eines „Synagogengottesdiensts“ oder „Wortgottesdiensts“ zu stellen. 380 7 Lesen im antiken Judentum - Exemplarische Fallstudien 1 Vgl. z. B. Diod. 15,8,5; 17,101,6; 31,2,1; u. ö.; Ios. ant. 7,7,1 (137); 16,10,9 (355) u. ö.; Ios. bell. Iud. 2,16,1 (333 f; diese Stelle ist insofern aufschlussreich, als Cestius erst nach der Lektüre der Berichte eine Beratung mit seinen Offizieren einberuft); Ps.-Apollod. bibl. 2,3,1 (31); Ps.-Clem. Cont. 1,1 [GCS 42, p. 2,27 f] (s. u. S. 432). Vgl. außerdem das Lesen einer Inschrift durch Xerxes bei Ael. var. hist. 13,3. Eindeutig individuell-direkte Lektüre von Briefen, hier allerdings von publizierten, also eine Form von Sekundärrezeption, ist bei Ios. c. Ap. 2,37 vorausgesetzt: εἰ μὲν οὖν ἀναγνοὺς τὰς ἐπιστολὰς Ἀλεξάνδρου τοῦ βασιλέως καὶ τὰς Πτολεμαίου τοῦ Λάγου. Es liegt angesichts der unter 3.1.1 dargelegten Untersuchungsergebnisse nicht nahe, die aktivischen Partizipien kausati‐ visch aufzufassen. Dagegen sprechen zudem Szenen, in der Könige oder andere hohe Beamte Schriftstücke eindeutig in der Hand halten und individuell-direkt Lesen. Vgl. z. B. Hdt. 1,48 (s. o. S. 135); Diod. 1,70,4 (s. o. S. 176); Philostr. v. Apoll. 8,1 (s. o. S. 205); 2Kön 5,7; 19,14; Jes 37,14; Iul. ep. 83. 2 Gegen W R I G H T , Reading, 128. 8 Lesen im Neuen Testament 8.1 Überblick über kleinere Leseszenen Im NT finden sich einige kleinere Leseszenen, die summarisch zu besprechen sind. In Act 23,34 liest der Prokurator Felix einen Brief, den Claudius Lysias den Soldaten zur Überstellung des gefangenen Paulus mitgegeben hatte (Act 23,25- 30). Die Verwendung des aktivischen Partizip im Singular ἀναγνούς benennt hier aller Wahrscheinlichkeit nach einen individuell-direkten Lektüreakt und entspricht anderen Formulierungen, bei denen höhergestellte Beamte oder Herrscher offizielle Briefe lesen. 1 In Lk 1,63 wird erzählt, dass Zacharias auf die Frage der Nachbarn und Verwandten, wie sein Sohn heißen solle (Lk 1,62), ein Täfelchen (πινακίδιον) verlangt und auf dieses schreibt: „Sein Name ist Johannes.“ Dies löst bei den Verwandten Verwunderung (θαυμάζω) aus, was impliziert, dass sie den Satz auf dem Täfelchen gelesen haben. Vom Text legt sich nicht nahe, dass an vokalisierendes Lesen des kurzen Textes zu denken wäre. 2 Die Pointe der Erzählung liegt ja gerade darin, dass Zacharias nicht seine Stimme verwendet, sondern ein visuell wahrnehmbares Zeichen setzt. Entsprechend der unter 3.8 herausgearbeiteten engen Verknüpfung der Rezeption von Inschriften mit der visuellen Wahrnehmung, sollte auch hier eine rein visuelle Form der Rezeption des kurzen Textes vorausgesetzt werden. Die Leseszene ist darüber hinaus in zweifacher Hinsicht aufschlussreich: Der Text setzt sehr selbstver‐ ständlich für die erzählte Zeit das Vorhandensein von Schreibmaterialien voraus 3 Obwohl in Bezug auf den Priester Zacharias (Lk 1,5) anzunehmen wäre, dass auch sein soziales Umfeld (Lk 1,58) lesen und schreiben konnte. 4 S. zu den Denarprägungen des 1./ 2. Jh., die in rezeptionsorientierter Perspektive in den Blick zu nehmen sind, RIC 1 f. Es ist m. E. nicht möglich eine spezifische Prägung als den vom Text referenzierten Denar zu bestimmen. Vgl. zur problematischen, sog. Standardidentifikation eines bestimmten Tiberiusdenars, die in erster Linie als Identifikation auf der Ebene des historischen Jesus zu verstehen ist, K L E M M , Censu Caesaris, 248; R O L L E R / W I E L A N D T , Münzen, 8 f; M E L L , Winzer, 220 f: A L K I E R , Geld. 5 S. o. Anm. 13, S. 98. 6 So selbst W R I G H T , Reading, 123, Anm. 15. und unterstellt (zumindest eine basale) Lesefähigkeit. 3 Ob dies für die Zeit des historischen Jesus auswertbar ist, bleibt methodisch schwierig, sicherer kann man von einer Rückprojektion aus dem Milieu ausgehen, in dem der Evangelientext entstanden ist. Analog wird visuell konzeptualisierte Lektüre auch in der Steuerperikope vorauszusetzen sein. Denn die Aufschrift (ἐπιγραφή) auf der Münze, auf die Jesus neben dem Bild hinweist (Mk 12,16) und die mutmaßlich von den umste‐ henden Pharisäern und Herodianern (Mk 12,13) auch gelesen wird, hat definitiv nicht nur Καίσαρος gelautet (Mk 12,16). 4 Schließlich wird man auch für das Lesen des Kreuzestitulus in Joh 19,20 ein visuelles Lesekonzept anzunehmen haben. 20 a Diese Überschrift nun lasen viele der Ioudaioi (τοῦτον οὖν τὸν τίτλον πολλοὶ ἀνέγνωσαν τῶν Ἰουδαίων), b denn die Stelle, wo Jesus gekreuzigt wurde, lag nahe bei der Stadt. c Sie war in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache geschrieben. Einzig das JohEv erzählt, dass der Kreuzestitulus, der mit der Aussage Jesu in Joh 18,27 korrespondiert, gelesen wurde. Während die Reaktion der Vorbei‐ gehenden in Mk 15,29 u. Mt 27,39 möglicherweise impliziert, dass sie den Kreuzestitulus lesen, formuliert Joh explizit, dass viele der Ioudaioi ihn lasen. Es handelt sich hier übrigens um die einzige Stelle im JohEv, an der das Verb ἀναγιγνώσκω vorkommt. Für antike Rezipienten lag es wohl nahe, sich analog zu anderen Hinweisschildern in der antiken Welt den Kreuzestitulus als Schrift auf einer Tafel aus geweißtem Holz mit schwarz beschriebener Tinte vorzustellen. 5 Das Verb ἀναγιγνώσκω meint in Joh 19,20a definitiv, dass die an der Stelle vorbeikommenden Ioudaioi ( Joh 19,20b impliziert das Vorbei‐ kommen) den Kreuzestitulus individuell-direkt lesen bzw. visuell wahrnehmen (vgl. auch den punktuellen Aspekt des Aorist). 6 Es wäre vor dem Hintergrund des in Teil I Erarbeiteten abwegig anzunehmen, dass das Lesen eines solch kurzen Textes Ἰησοῦς ὁ Ναζωραῖος ὁ βασιλεὺς τῶν Ἰουδαίων (Joh 19,19) 382 8 Lesen im Neuen Testament 7 S. o. Anm. 7, S. 106. 8 Es ist m. E. in theoretisierender Hinsicht überinterpretiert, hier anzunehmen, die Hohenpriester befürchteten, „was am Kreuz geschrieben ist, könnte das Weitererzählen beeinflussen, die Schriftlichkeit könnte zur unkontrollierten Mündlichkeit führen, die sie dann nicht mehr lenken und eingrenzen könnten“ (M Ü L L E R , Beobachtungen, 161). Im Text finden sich m. E. keine Signale dafür, dass es hier um das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit bzw. um mündliche Überlieferung ginge. 9 Z U M S T E I N , Joh, 717. 10 T H Y E N , JohEv, 736. 11 Dabei ist zu betonen, dass die Frage nach der Historizität des Kreuzestitulus völlig unerheblich ist (s. zur Diskussion z. B. B R O E R , Hermeneutik, 93 ff); die narrative Verwendung des Konzepts des Lesens einer Aufschrift reicht als Beleg für meine Schlussfolgerung aus. bzw. seiner Übersetzungsäquivalente ( Joh 19,20c) zwingend eine vokalisierende Lektüre voraussetzte. Joh 19,20a ist also ein sicherer Beleg dafür, dass im NT ἀναγιγνώσκω nicht immer zwingend „vorlesen“ meint, wie zuweilen behauptet wird, 7 und auch in einer aktivischen Pluralform individuell-direkte Lektüre bezeichnen kann. Der vierte Evangelist spielt hier im Übrigen perspektivisch geschickt mit dem von den Hohenpriestern befürchteten Missverstehen des Geschriebenen. Sie sorgen sich anscheinend darum, dass einige der Vorbeige‐ henden den Kreuzestitulus als Proklamation (falsch) verstehen könnten 8 und fordern daher eine unmissverständliche Formulierung ( Joh 19,21), die Pilatus freilich mit dem berühmten Apodiktum ὃ γέγραφα, γέγραφα zurückweist ( Joh 19,22). Die Pointe dieser Szene liegt darin, dass Pilatus hier unwissentlich zum Proklamierenden und durch die Dreisprachigkeit, welche „die universale Tragweite der Aufschrift“ 9 zum Ausdruck bringt, ironischerweise auch „zum ersten Missionar über die Sprachgrenzen Israels hinaus“ 10 wird. Sie zeigt ferner eindeutig den hohen Stellenwert von schriftlicher Kommunikation (im öffent‐ lichen Raum) in der antiken Mittelmeerwelt und setzt durchaus einen gewissen Grad an Lesefähigkeit voraus. 11 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 8.2.1 Lesen des Alten Testaments im Corpus Paulinum Insgesamt ist die Quellenlage in der Paulusbriefsammlung und in den katho‐ lischen Briefen jenseits der - maßgeblich aus Zitationen und Anspielungen abzuleitenden - Feststellung, dass zahlreiche Texte des griechischen AT Paulus und den Verfassern der pseudepigraphen Texte bekannt waren und dass diese 383 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 12 Zum Umgang von Paulus mit der Schrift (auch zum Problem einer größeren Nähe einiger Zitate zum hebräischen Text als zu den überlieferten LXX-Handschriften) s. weiterführend z. B. K O C H , Schrift; P R O S T M E I E R , Autorität; S T A N L E Y , Quotations, 137; W I L K , Bedeutung; D O C H H O R N , Schriftgelehrsamkeit; K O C H , Gesetz; P O R T E R / P I T T S , Paul’s Bible; P O R T E R / S T A N L E Y , Written; K O C H , Septuaginta; W I L K , Belehrung; sowie die Beiträge in W I L K / Ö H L E R , Paulinische Schriftrezeption. 13 Vgl. B E T Z , Gal, 414 f; V O U G A , Gal, 115; E C K E Y , Gal, 256. 14 1175 wird von Aland/ Aland der Kategorie I, 104 der Kategorie III zugeordnet. Vgl. A L A N D / A L A N D , Text, 169. 15 Darüber hinaus ist durch Testimonien die sekundäre Lesart λέγετέ μοι οἱ τὸν νόμον ἀναγινώσκοντες, τὸν νόμον οὐκ ἀκούετε (u. a. Orig. Cels. 2,3; 4,44; comm. ad Romanos 10,9) bezeugt. Vermutlich handelt es sich um einen redaktionellen Eingriff in den Text, der eine eigenwillige Konflation der beiden Lesarten darstellt. Die Formulierung „Sagt mir, Ihr Leser des Gesetzes, hört ihr das Gesetz nicht? “ könnte wegen der Verwendung des substantivierten Partizips darauf hindeuten, dass derjenige, der die Lesart erzeugt hat, das Konzept individuell-direkter Lektüre des Alten Testaments durch die Galater voraussetzt. 16 Vgl. zum textkritischen Befund S C H M I D , Marcion. Vgl. zum Problem von Schmids These, Marcion habe eine frühe Form des „westlichen“ Textes vorliegen gehabt, F L E M M I N G , Textgeschichte; G O L D M A N N , Textgeschichte. Diese beiden Arbeiten machen deutlich, dass die „westlichen“ Lesarten potentiell ältere Lesarten darstellen, die bei der Zusammenstellung die Kenntnis auch bei den Adressaten voraussetzen, 12 relativ dürftig. Einzelne Formulierungen sind im Folgenden dennoch im Hinblick auf die Frage, ob sie etwas über das Lesen der alttestamentlichen Schriften aussagen, durchzusehen - und zwar diejenigen Stellen, an denen die Verben ἀκούω und ἀναγιγνώσκω in Bezug auf alttestamentliche Schriften verwendet werden. In Gal 4,21 stellt Paulus im Kontext eines Abschnitts, in dem er seine Argumentation, die auf die Berufung zur Freiheit durch Christus zielt (Gal 5,1), mit Belegen aus der Schrift untermauert und mit einem leicht ironischen Ton unterlegt, 13 einleitend die rhetorische Frage: „Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt, hört/ lest ihr das Gesetz nicht (τὸν νόμον οὐκ ἀκούετε/ ἀναγινώσκετε)? “ (Gal 4,21) Aus textkritischer Sicht ist zunächst anzumerken, dass die Mehrheit der Hss. hier das Verb ἀκούω bieten; die Majuskeln D F G, sog. „westliche“ Zeugen, die Minuskeln 104 und 1175, die traditionell nicht dem „westlichen“ Text zugeordnet werden, 14 sowie wenige andere Minuskeln bezeugen jedoch das Verb ἀναγιγνώσκω, das auch durch die gesamte lateinischsprachige Überlieferung sowie das Sahidische bezeugt wird. 15 Angesichts der großen Bedeutung der sog. „westlichen“ Lesarten für die Sammlung von 10 Paulusbriefen, die für Marcion bezeugt ist, kann aus der äußeren Bezeugung an dieser Stelle kein sicheres Urteil über die Ursprünglichkeit im dokumentarischen Galaterbrief getroffen werden. 16 384 8 Lesen im Neuen Testament der Sammlung von 14 Briefen redaktionell verändert wurden und diese Veränderungen daher in der Mehrheit der Handschriften stehen. 17 B E T Z , Gal, 414 f, weist darauf hin, dass eine solche Art der Einleitung aus der hellenis‐ tischen Diatriben-Literatur bekannt sei. 18 Vgl. B E T Z , Gal, 415. M U ẞ N E R , Gal, 317, nimmt einen appellativen Charakter „gehorchen“ an. 19 Vgl. F L E B B E , Solus, 189 20 Vgl. M I C H E L , Röm, 335. 21 Vgl. schon Orig. princ. 4,2,6: τοῦ ‘ἀκούειν’ ἐν τῷ νοεῖν καὶ γινώσκειν κρινομένου. 22 Zur Übersetzung mit „verstehen“ vgl. K Ä S E M A N N , Röm, 287; S C H L I E R , Röm, 319; W I L ‐ C K E N S , Röm II, 230; L O H S E , Röm, 302. J E W E T T , Romans, 644, geht davon aus, dass Paulus den Gedanken aus Röm 10,2 f fortführt. 23 Vgl. nur die Zitateinleitungen, in denen Paulus mit dem Verb γράφω (Röm 10,5.15) den schriftlichen Charakter der Überlieferung Israels deutlich macht. Vgl. weiterführend die Kritik von D E W E Y , Re-Hearing, an K E L B E R , Gospel. 24 Daher sollte man aus der vermutlich konsekutiven Zuordnung von „hören“ und „verstehen“ in Röm 10,18 f (vgl. W O L T E R , Röm II, 136 f) keine weiterreichenden Schlussfolgerungen ziehen. 25 Gegen R A M S A Y , Gal, 431; S I E F F E R T , Gal, 279; Z A H N , Gal, 225; D U N N , Galatians, 245. Inhaltlich bringt Paulus mit der Einleitung durch die rhetorische Frage 17 zum Ausdruck, dass die galatischen Gemeinden, hätten sie die Schrift richtig verstanden, sich eigentlich darüber bewusst sein müssen, dass ihr Vorhaben, sich beschneiden zu lassen (vgl. insb. Gal 1,6; 5,2; 6,12), absurd ist. Paulus meint freilich ein allegorisches Verstehen 18 im paulinischen Sinne. 19 Das Verb wird hier also analog zur Frage in Röm 10,18 verwendet: „Haben sie nicht gehört (ἀκούω)? “ Die Weiterführung 20 durch eine zweite Frage macht die Bedeutungsdimension „verstehen“ 21 dann explizit: „Hat Israel nicht verstanden (γινώσκω)? “ 22 (Röm 10,19). Es wird hier kein Bezug zur konkreten Rezeptions‐ situation der Schrift durch Israel hergestellt, auch deutet diese Formulierung nicht auf einen besonderen „oralen“ Charakter der Kultur des frühen Judentums hin. 23 Vielmehr gehören Hören und Verstehen bei Paulus und insbesondere in Röm 10,10-19 eng zusammen und bedingen sich gegenseitig. Die Motivik des Hörens steht hier in Korrespondenz zu den Zitateinleitungen mit verba dicendi im unmittelbaren Kontext (Röm 10,16.19-21). 24 Es ist sogar die Schrift selbst, die spricht (Röm 10,11); die also bei der Rezeption, die man sich durchaus auch individuell-direkt vorstellen kann, gehört wird. Bezüglich der Frage nach dem Lesen setzt Gal 4,21 also unabhängig von der Entscheidung für eine der Varianten voraus, dass die Galater die Tora rezipieren. Aus der Verwendung des Verbes ἀκούω kann jedoch nicht auf die Form der Rezeption (womöglich in der gottesdienstlichen Schriftlesung) zurückgeschlossen werden, 25 wie die Analyse unter 3.2 deutlich gemacht hat. Es ist nicht möglich zu entscheiden, ob Paulus individuell-direkte Lektüre 385 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 26 S. o. Anm. 132, S. 139. 27 Dass die Verwendung von ἀναγιγνώσκω die Bedeutungsdimension von verstehen ausschließt, wie B E T Z , Gal, 415, Anm 25, ohne nähere Begründung postuliert, ist m. E. nicht haltbar. S. o. insb. Anm. 28, S. 114 u. Anm. 32, S. 115. 28 S. o. Anm. 134, S. 139. 29 Vgl. dazu N I C K L A S , Herrlichkeit, der betont, dass nicht das Verhältnis von altem und neuem Bund das primäre Problem ist, das Paulus hier adressiert. Vielmehr werde die Frage adressiert: „Wie ist es möglich, dass das Apostolat des Paulus, wenn es doch Dienst am Neuen Bund ist […] so wenig, glanzvoll‘ ist, wenn doch die Schrift bereits von Mose sagt, dass von seinem Antlitz ‚Herrlichkeit‘ ausging? “ (N I C K L A S , Herrlichkeit, 243). Zur argumentativen Funktion von 2Kor 3,7-18 vgl. K U S C H N E R U S , Gemeinde, 180-204; W I T U L S K I , Bund; G U T T E N B E R G E R , Medienwandel, 280-285. oder kollektiv-indirekte Rezeption voraussetzt. Die Verwendung von ἀκούω lässt sich insb. vor dem Hintergrund der im Griechischen weit verbreiteten Zitationsformel ἤκουσα xy(Gen.) λέγοντος 26 als konventionell auffassen. Auch die Lesart ἀναγιγνώσκω zeigt m. E. dann entsprechend, dass ἀκούω hier als ein Synonym für „lesen“ bzw. „lesen und verstehen“ aufzufassen ist. 27 Denn die Verwendung von ἀναγιγνώσκω könnte sich, sollte die Lesart sekundär sein, als Quereinfluss aus einem primär lateinischen geprägten Sprachumfeld handeln. Schließlich ist z. B. die Verwendung einer Formel „gehört haben, dass“ für das Lateinische sehr ungewöhnlich, stattdessen wird hier lego verwendet. 28 Ein inhaltlicher Grund, warum man ἀναγιγνώσκω durch ἀκούω ersetzen sollte, lässt sich weniger leicht finden, sodass es einige Wahrscheinlichkeit für sich hat, dass ἀναγιγνώσκω sekundär ist. Für die Frage der Art und Weise der Rezeption des AT in den paulinischen Gemeinden lässt sich die Stelle in jedem Fall nicht auswerten. Die einzige Stelle in den Protopaulinen, an denen Paulus explizit auf das Lesen der alttestamentlichen Texte rekurriert, findet sich in 2Kor 3. Im Kontext eines längeren Argumentationsgangs, in dem Paulus vermutlich in kontroverser Aus‐ einandersetzung mit Kritik an seiner Autorität die nicht zu sehende Herrlichkeit seines apostolischen Dienstes begründet, 29 führt Paulus eine antithetische Ge‐ genüberstellung ein, und zwar der διάκονοι des neuen Bundes und des Geistes - ein bleibender Dienst überstrahlender Herrlichkeit (δόξα) - auf der einen Seite und derjenigen des Buchstabens auf der anderen Seite (2Kor 3,4-11). Dabei bildet Ex 34,30-35 (Motiv des verhüllten Gesichts von Mose) den primären Referenztext seiner Argumentation. Daraufhin formuliert Paulus: 386 8 Lesen im Neuen Testament 30 Diese Übersetzung versucht die Überlegungen von N I C K L A S , Herrlichkeit, 250-252, der eine finale Auffassung von πρός ablehnt, zu berücksichtigen. Er reformuliert: „Weil Mose wegen der Herrlichkeit seines Gesichtes die Hülle überziehen musste, kam es zu der tragischen Folge, dass Israel das Ziel des Mosedienstes - die „Therapie“ im Geistesdienst - im wahrsten Sinne ‚aus den Augen verlor‘“ (N I C K L A S , Herrlichkeit, 252 [Herv. im Original]). Vgl. ferner auch S T E G E M A N N , Bund, 56, der betont, dass hier etwas Positives verdeckt ist und zwar die δόξα des Moses als Typos der nicht-vergänglichen δόξα Christi. 31 Vgl. zu den syntaktischen Schwierigkeiten in diesem Satz S C H M E L L E R , 2Kor I, 216-180. 32 Vgl. G U T T E N B E R G E R , Medienwandel, 281 [Zitat ebd.]. 12 a Da wir nun eine solche Hoffnung haben, b verfahren wir mit großer Offenheit, 13 a nicht wie Mose, der eine Decke auf sein Angesicht legte, b sodass die Israeliten nicht sehen das Ziel des Aufhörenden. 30 14 a Aber verhärtet sind ihre Denkschemata (ἀλλ᾽ ἐπωρώθη τὰ νοήματα αὐτῶν). b Denn bis zum heutigen Tag bleibt dieselbe Decke auf der Lesung/ der Lektüre des alten Bundes (ἐπὶ τῇ ἀναγνώσει τῆς παλαιᾶς διαθήκης) - c sie ist nicht aufgedeckt, weil sie in Christus aufgehoben wird. 31 15 Jedoch bis heute, wann immer Mose gelesen wird (ἡνίκα ἂν ἀναγινώσκηται Μωϋσῆς), liegt eine Decke auf ihren Herzen (κάλυμμα ἐπὶ τὴν καρδίαν αὐτῶν κεῖται). Die zitierte Passage wird dominiert durch das Thema der kognitiven Wahr‐ nehmung. Dabei nutzt Paulus das mit 2Kor 3,7.13 eingeführte Motiv des Abdeckens des Angesichts Mose mit einer Decke (κάλυμμα) und das Motiv des (Nicht)-Sehens seines Angesichts durch die Israeliten (Ex 34,33-35) in einem metaphorischen Sinn (2Kor 3,14 f). Medientheoretisch formuliert eignet sich dieser Prätext für die Argumentation von Paulus, weil es sich hier in Ex 34 um eine Störung des Kommunikationsprozesses handelt, in der Mose als Medium fungiert. Die Decke „zeigt diese Störung an und symbolisiert die Opazität des Mediums aus der Perspektive der Rezipierenden.“ 32 Paulus kombiniert nun die Metapher des Abdeckens mit einer Decke mit der Metapher der Verhärtung: 1) Die Denkschemata der Israeliten sind verhärtet (2Kor 3,14a); 2) es bleibt eine Decke auf der Lesung des alten Bundes (2Kor 3,14b); 3) es liegt eine Decke auf den Herzen der Israeliten, wann immer Mose gelesen wird (2Kor 3,15). Um sich der Bedeutung von ἀνάγνωσις und ἀναγινώσκω in diesem Kontext zu nähern, sind die drei Bilder zunächst einzeln zu analysieren. 387 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 33 Das Motiv der verhärteten νοήματα ist singulär in den Protopaulinen (Röm 11,7 bleibt unspezifischer). 34 S. zu dieser Übersetzung F R I B E R G , AGL. Eine Verwendung von τὰ νοήματα verstanden als Denk- und Wahrnehmungsschemata findet sich bei Paulus eindeutig in 2Kor 4,4. Die semantische Dimension des Lexems νόημα, als gedankliches Konzept ist etwa bei Philon belegt: z. B. det. 129 f; migr. 80.104. 35 LU2017 weicht hier in Übereinstimmung mit der EÜ und der ZB2007 von der aktivischen Formulierung „wenn sie es lesen“ in LU45 und LU84 ab. 36 Mit T H E I S S E N , Aspekte, 125 f; W I T H E R I N G T O N , Conflict, 381, exempl. gegen K R E M E R , 2Kor, 41 f; G R O H M A N N , Aneignung, 175. 37 Mit S T E G E M A N N , Bund, 43, Anm. 8, exempl. gegen K L A U C K , 2Kor, 40; T H E I S S E N , Aspekte, 127; H O R N , Angeld, 319, Anm. 42; S C H M E L L E R , 2Kor I, 216, Anm. 871, der allerdings zu Recht darauf hinweist, dass die Herstellung eines solchen Bezuges für das Verständnis nicht notwendig ist. Nicht zuletzt die Datierung der Fresken in der Synagoge in Dura Europos (3. Jh.) stellt ein gravierendes Problem für diese Interpretation dar. Vgl. weiterführend zu den Fresken W E I T Z M A N N / K E S S L E R , Frescoes. ad 1) Die Denkschemata der Israeliten sind verhärtet (2Kor 3,14a) Während 2Kor 3,13b mit ἀτενίζω auf die visuelle Wahrnehmung der Israeliten in der erzählten Welt des Buches Exodus rekurriert, wechselt Paulus in 2Kor 3,14a auf die Ebene der Kognition. Dadurch dass die νοήματα hier durch die Verwendung des Verbes πωρόω metaphorisch als „verhärtet“ konzeptualisiert werden, 33 handelt es sich im Kontext bei τὰ νοήματα nicht bloß um die Gedanken, sondern spezifischer um Denkschemata, 34 also um die Denk- und Wahrnehmungsvoraussetzungen im Hinblick auf die kognitive Rezeption und Verarbeitung. Das Bild der verhärteten Denk- und Wahrnehmungsschemata bereitet im Argumentationsgang von Paulus die beiden folgenden Bilder vor und bildet deren interpretativen Rahmen. ad 2) Decke auf der Lesung des alten Bundes (2Kor 3,14b) Zahlreiche Übersetzungen geben 2Kor 3,14b mit „Denn bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke über dem Alten Bund, wenn daraus gelesen wird“ (Lut 2017) o. ä. 35 ungenau wieder. Denn syntaktisch bezieht sich die Präposition ἐπί eindeutig auf τῇ ἀναγνώσει und τῆς παλαιᾶς διαθήκης ist das Attribut zu ἀνάγνωσις. Um den Text, wie Luther u. a. übersetzen zu können, hätte im Griechischen m. E. außerdem z. B. eine Partizipialform von ἀναγινώσκω stehen müssen. Nicht zuletzt deshalb sind Interpretationen abzulehnen, die eine Referenz zur materiell vorhandenen Hülle, mit der die Torarollen in der Synagoge umgeben werden, 36 oder zu einer vermeintlich durch ein Bild in der Synagoge von Dura Europos bezeugte Praxis des Abdeckens des Toraschreins, 37 postulieren. Die ungenauen und stark interpretatorisch in den Text 388 8 Lesen im Neuen Testament 38 So übersetzt z. B. G R Ä S S E R , 2 Kor I, 138 f, zwar den griechischen Text richtig, formuliert aber dann analog zu den genannten Übersetzungen auslegend, dass die Decke über der Bundesurkunde läge, wenn sie im Synagogengottesdienst gelesen und gehört worden wäre. Explizit formuliert H. Litzmann: „Das Bild ‚dieselbe Decke liegt auf der Vorlesung‘ ist nicht klar, aber jeder verständige Leser empfindet, was gemeint ist [scil. das AT]“ (L I E T Z M A N N / K Ü M M E L , Korinther, 112 f). 39 Interpretatorisch noch stärker greift etwa die NRS ein: „when they hear the reading of the old covenant.“ 40 Vgl. H A R R I S , Second, 302. 41 Zu voraussetzungsvoll ist daher die Deutung, dass sich im Übergang von 2Kor 3,13 zu 3,14 die Referenzialität von „Mose“ änderte, also zunächst in 2Kor 3,13a der Mose der erzählten Welt des Buches Exodus gemeint sei und dann in 2Kor 3,14b der nicht mehr genannte, aber implizit mit gemeinte Mose auf die Tora verweist, auf der die Decke liegt. Gegen F I T Z M Y E R , Glory, 637 f. 42 Für diesen Hinweis danke ich K. Künzl. eingreifenden Übersetzungen zeigen, welche Verstehensschwierigkeiten die Übersetzer, aber auch einige Kommentatoren 38 mit dem Bild haben, dass die Decke ἐπὶ τῇ ἀναγνώσει ist. Auch die häufig zu findende temporale Deutung von ἐπί „beim Lesen“ o. ä. (z. B. Schlachter, NKJ, NAS) 39 ist schwierig. M. J. Harris, der davon ausgeht, dass die Decke in 2Kor 3,14b auf dem Angesicht Mose zu verstehen ist, verweist zur Begründung einer temporalen Auffassung („at [the time of] the reading“) darauf, dass ἐπί in 2Kor 3,14b anders als in 3,13a und 3,15 (dort Akkusativ) mit dem Dativ steht. 40 Zum einen ist es logisch schwer begründbar, wie man es verstehen soll, dass sich die Decke in 2Kor 3,14b noch auf dem Angesicht Mose befinden und in welchem Zusammenhang dies zu den verhärteten Denkschemata in 2Kor 3,13a stehen soll 41 - Harris selbst bietet keine weiterführende Auslegung und muss eine, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, schwer überwindbaren Unterschied zwischen der Decke in 2Kor 3,13 f und 3,15 postulieren. Der Unterschied im Kasusgebrauch nach ἐπί erklärt sich dagegen ganz zwanglos philologisch und lässt sich nicht für ein temporales Verständnis der Präposition in 2Kor 3,14b in Stellung bringen: Der Akkusativ in 2Kor 3,13a und 3,15 korrespondiert mit der Konnotation des Verbes τίθημι mit Bewegung, während das Verb μένω in 2Kor 3,14b keine Bewegung impliziert, sondern eindeutig statisch konnotiert ist. Dies wiederum begründet die Verwendung des Dativs. 42 Zudem ist die Formulierung in der griechischen Literatur singulär (TLG) und scheint von Paulus innovativ geprägt worden zu sein; eine zeitliche Bestimmung „beim Lesen“ wird außerdem für gewöhnlich mit einer Partizipialkonstruktion ausgedrückt. Daraus folgt: Paulus hat mit der Formulierung „Decke auf der Lesung/ auf der Lektüre“ eine innovative Metapher gebildet und damit das aus Ex 34 übernommene Motiv der Decke im Dienst seiner Argumentationsstrategie 389 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 43 Auf die Signifikanz der Tatsache, dass die Decke nicht auf der Tora liegt, weist etwa schon S T O C K H A U S E N , Veil, 16 f, hin. Vgl. weiterführend zur Kontextualisierung von Paulus’ Bezugnahme auf Ex 34 C O V E R , Lifting. 44 Vgl. exempl. für viele G R Ä S S E R , Bund, 91; B U L T M A N N , 2Kor, 89; T H E I S S E N , Aspekte, 125 f; T H E I S S E N , Texte, 433. 45 Die Aussage, dass es bezüglich der Verwendung von ἀνάγνωσις „mehrheitlich […] in den Belegen um ein ‚Vorlesen‘ coram publicum“ (A R Z T -G R A B N E R / K R I T Z E R , 2Kor, 288) ginge, ist eine ungeschützte Behauptung; ein statistischer Nachweis fehlt. 46 Rezeptionsgeschichtlich ist diese Offenheit z. B. bei Origenes belegt. Dieser setzt 2Kor 3,16 f mit Jes 29,11 f in Bezug, wobei er letztere Stelle als Beschreibung individuell-di‐ rekter Lektüre versteht. Vgl. Orig. hom. in Ex 12,4. kreativ weiterverarbeitet. 43 Die „Decke auf der Lesung/ der Lektüre“ symbolisiert die durch die verhärteten Denkschemata bedingte Störung des Verstehensproz‐ esses, also, in kreativer Weiterentwicklung des Prätextes in Ex 34, die Opazität des Textmediums aus der Perspektive seiner Rezipienten. Im Folgenden ist nun die Frage nach der Referenzialität der Metapher „Decke auf der Lesung/ der Lektüre“ zu diskutieren. Die große Mehrheit der Forschung nimmt - meist ohne nähere Begründung - an, dass sich ἀνάγνωσις hier auf die Verlesung der Tora in der Synagoge bzw. im Synagogengottesdienst beziehe. 44 Begründungsbedürftig ist diese Annahme jedoch nicht zuletzt wegen der unter 7 herausgearbeiteten Vielfalt von Lesepraktiken im antiken Judentum sowie der Unsicherheit einer gleichsam exklusiven institutionalisierten Verknüpfung einer Lesung der Tora mit der Synagoge (vgl. insb. 7.4). Zudem hat die Analyse von ἀνάγνωσις gezeigt, dass das Verbalabstraktum den Prozess bzw. den Vorgang des Lesens, v. a. auch den individuell-direkten Lektürevorgang bezeichnet (s. o. 3.1.4). 45 Wäre es denkbar, dass Paulus an dieser Stelle auf einen individuell-direkten Zugriff der Tora rekurriert? Lässt sich eine solche Deutung anhand des Kontextes und insb. vor dem Hintergrund von 2Kor 3,15 halten? ad 3) Die Decke auf den Herzen der Israeliten (2Kor 3,15) In 2Kor 3,15 liegt die Decke nun auf den Herzen der „Söhne Israels“, und zwar wann immer Mose gelesen wird (ἡνίκα ἂν ἀναγινώσκηται Μωϋσῆς). Die passivische Formulierung schließt es hier tatsächlich nicht aus, dass an eine kollektiv-indirekte Rezeptionssituation der Tora als außersprachliche Referenz zu denken ist. Allerdings lässt sich dies nicht zwingend aus der Formulierung ableiten, da eine Form direkter Lektüre der Tora ebenso begründbar wäre. 46 Die passivische Formulierung könnte als unpersönliches Passiv „wenn man Mose liest“ in unspezifischer Weise auf jede Form der Rezeption der Tora durch nicht-christusgläubige Juden bezogen sein. Der lineare Aspekt des Präsens zielt dabei genauso wie das Verbalabstraktum in 2Kor 3,14b auf den Prozess der 390 8 Lesen im Neuen Testament 47 O S T E N -S A C K E N , Decke, 101, verweist darauf, dass die antithetische Formulierung 2Kor 3,6 den hermeneutischen Schlüssel für das Folgende bietet. Dabei muss aber m. E. unbedingt gesehen werden, dass retrospektiv auch der weitere Argumentationsgang wiederum die Interpretation von 2Kor 3,6 beeinflusst, der tötende Buchstabe und der lebendig machende Geist also als Metaphern für unterschiedliche Hermeneutiken der Lektüre desgleichen Textes zu verstehen sind. Diese Deutungsperspektive findet sich z. B. schon bei Käsemann. S. dazu W O L T E R , Das Geschriebene tötet, 362 f. 48 Das Verb πωρόω (2Kor 3,14a) korrespondiert mit der Bestimmung „in Stein“ (λίθοις) in 2Kor 3,7. 49 „The metaphor does not change from v. 14 to v. 15“ (W I T H E R I N G T O N , Conflict, 381). Textrezeption - in welcher Form genau, ist für die Argumentation von Paulus irrelevant. Der Schwerpunkt der Aussage des Satzes liegt nicht auf dem Aspekt des Lesens, sondern darauf, dass eine Decke auf den Herzen, also auf dem zentralen Ort kognitiver Verarbeitung im hebräischen Denken liegt. Summierend ist zusammenzutragen: Es ist entscheidend, dass die Decke in 2Kor 3,14b ἐπὶ τῇ ἀναγνώσει liegt und nicht „auf der Tora“. Paulus bringt mit dieser innovativen Metapher im Kontext seiner Argumentation zum Ausdruck, dass der Prozess des Verstehens bei der Textrezeption durch die fehlende christologische Hermeneutik (2Kor 3,14c) gestört ist. Eine Hermeneutik, die nicht durch den Herrn, der Geist ist, geprägt ist (2Kor 3,17), sondern an den in Stein gemeißelten Buchstaben (2Kor 3,6 f) festhält. 47 Mit dem Motiv der versteinerten 48 Verstandeskräfte (primär griechisch gedacht), dem der innovativen Metapher der „Decke über der Lesung/ Lektüre“ und mit dem Motiv der „Decke auf den Herzen“ (hebräisch gedacht) bringt Paulus also in 2Kor 3,14 f in dreifacher Variation die aus seiner Sicht hermeneutischen Defizite der „Söhne Israels“ in Bezug auf die Tora zum Ausdruck. Die Decke konzeptualisiert sowohl in 2Kor 3,14b als auch in 3,15 49 eine Verstehensbarriere, die ein aus paulinischer Sicht rechtes Verstehen der Texte der Tora mit den Verstandeskräften (νόος/ καρδία) verhindert. Vor diesem Hintergrund wird auch einsichtig, warum Paulus in 1Kor 3,14b „von derselben“ Decke wie in Ex 34 redet. Tertium comparationis ist nicht das, was die Decke abdeckt, sondern die „Qualität“ ihres Abdeckens eines Verstehensprozesses. In Bezug auf die außersprachliche Wirklichkeit des Textes sei betont, dass es Paulus also nicht um irgendeine Situation von Gruppenlektüre geht, sondern auf einer höheren Ebene und unabhängig von der konkreten Rezeptionssituation um den hermeneutischen Zugang der „Söhne Israels“. (Entsprechend kann Origenes das Bild aus 2Kor 3,13-16 als „Decke der Unkenntnis auf den Herzen der Leser“ adaptieren und auf eine individuell-direkte Rezeptionssituation der Schrift beziehen, wie der Kontext dort und insb. der Verweis auf die Augen 391 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 50 Vgl. W I T U L S K I , Bund, 351. 51 So auch L A N G , Briefe, 274: „Nach Paulus ist Jesus Christus der hermeneutische Schlüssel zum rechten Verstehen der Schrift des Alten Testaments.“ Vgl. auch G U T T E N B E R G E R , Medienwandel, 282. Exemplarisch gegen H O F I U S , Gesetz, 118. Vgl. weiterführend zum paulinischen Verständnis der antithetischen Formulierungen in 2Kor 3, das keine problematische Abwertung des AT impliziert, S T E G E M A N N , Bund; s. auch W O L T E R , Das Geschriebene tötet. 52 N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 104, geht ohne nähere Begründung davon aus, dass es sich hier um public reading handelt. 53 S. z. B. die sehr voraussetzungsvolle Übersetzung bei C O X , Reading; vgl. auch R O L O F F , 1Tim, 254; M E R K E L , Pastoralbriefe, 38; M Ü L L E R , Lesen, 106; T O W N E R , Function; K N I G H T , III, Pastoral Epistles, 27 f; S M I T H , Pauline, 158; M O U N C E , Pastoral Epistles, z. St. 54 Vgl. z. B. M E R Z , Selbstauslegung, 235; H O L T Z , Pastoralbriefe, 110, unter Zurückweisung der These eines liturgischen Kontextes; im Anschluss an H A H N , Gottesdienst, 75; O B E R L I N N E R , Pastoralbriefe, 206, vermutend K L E I N , Entwicklungslinien, 36; kritisch dazu E N G E L M A N N , Unzertrennliche, 7, Anm. 243. der Leser eindeutig zeigt [vgl. Orig. Cels. 4,50].) Theologisch resultiert aus diesem Verständnis von 2Kor 3,14 f, dass sich daraus keine „Untauglichkeit zur Heilserlangung“ o. ä. der Tora ableiten lässt, sondern ganz im Gegenteil für Paulus die „Hinwendung zum Herrn“ (2Kor 3,16), durch welche die Decke aufgehoben wird (2Kor 3,14c), 50 also eine christologische-eschatologische Her‐ meneutik entscheidend ist. 51 Für Rückschlüsse auf Lesungen des AT in den paulinischen Gemeinden lässt sich die Stelle nicht auswerten. Im Folgenden sind noch weitere Stellen aus den pseudepigraphen Paulus‐ briefen zu besprechen. In 1Tim 4,13 wird der fiktive Timotheus dazu aufgefor‐ dert: ἕως ἔρχομαι πρόσεχε τῇ ἀναγνώσει, τῇ παρακλήσει, τῇ διδασκαλίᾳ. Üblicherweise wird die Stelle so oder ähnlich übersetzt: „Bis ich komme, kümmere du dich um die Lesung, die Ermahnung und die Unterweisung.“ Dabei wird davon ausgegangen, dass sich ἀνάγνωσις auf eine öffentliche 52 bzw. gottes‐ dienstliche Verlesung der Schrift 53 beziehe. Zum Teil wird angenommen, dass die regelmäßige Vorlesung der Paulusbriefe in den Gemeinden der Pastoralbriefe gemeint sei. 54 Diese Interpretation ist aber weder zwingend noch kontextuell eindeutig und ist auch aus lexikalischer Sicht nicht stringent ableitbar. Denn 1Tim 4,12-16 behandelt das Thema, wie der eigentlich noch zu junge Timotheus (1Tim 4,12) die ihm aufgetragenen Aufgaben (1Tim 1,3.18) zumindest bis zur Rückkehr von Paulus (1Tim 4,13) trotzdem wahrnehmen kann. Und zwar werden ihm Verhaltensregeln mitgegeben: Neben den in 1Tim 4,13 genannten Aspekten soll er vorbildlich agieren (1Tim 4,12), die ihm verliehene Gnade nicht vernachlässigen (1Tim 4,14) und auf sich selbst und seine Lehre achtgeben 392 8 Lesen im Neuen Testament 55 Vgl. B E C K E R , Autorität, 93. 56 Rezeptionsgeschichtlich ist ein solches Verständnis von 1Tim 4,13 z. B. bei Orig. comm. in Matt. 10,15 bezeugt. 57 In 2Kor 3,14 ist nicht entscheidbar, welche Rezeptionssituation vorauszusetzen ist (s. o), in Act 13,15 ist das Vorlesen gemeint. 58 Schwierig ist darüber hinaus die Annahme, es handle sich um Aufgaben, die nur temporär an Timothus übertragen worden wären. Vgl. weiterführend zur Diskussion um das Verständnis von ἕως ἔρχομαι O B E R L I N N E R , Pastoralbriefe, 208; K N I G H T , III, Pastoral Epistles, 207. 59 Vgl. zur kontroversen Forschungsdiskussion, auf welche Art von Schriften und Leseme‐ dien βιβλία und μέμβρανα hier verweisen, B R O X , Pastoralbriefe, 274; T R U M M E R , Mantel; S K E A T , Length; G A M B L E , Books, 54 f.64 f; H U R T A D O , Artifacts, 76 f; H E N G E L , Evangelien, 204, Anm. 590; G R A D L , Offenbarung, 88 f; L U T T E N B E R G E R , Prophetenmantel, 343 ff. Vgl. außerdem die überzeugende Argumentation bei L U T T E N B E R G E R , Prophetenmantel, 330- 343, φαιλόνης nicht als Verweis auf einen Mantel, sondern auf ein Bücherfutteral zu verstehen. (1Tim 4,16). Die Anweisungen im Kontext von 1Tim 4,13 zielen also in erster Linie darauf, dass der fiktive Timotheus an sich selbst arbeiten soll, um vor der Gemeinde einen festen Standpunkt zu vertreten. 55 Vor diesem Hintergrund ist es nun naheliegend 1Tim 4,13 folgendermaßen zu lesen: „Bis ich komme, beschäftige dich mit der Lektüre, der Ermahnung und der Unterweisung.“ 56 Das im Corpus Paulinum nur in den Pastoralbriefen und im Hebr vorkommende Verb προσέχω meint in 1Tim 1,4 und in Tit 1,14 vermutlich die Beschäftigung mit in Texten festgehaltenen Erzähltraditionen. Dass ἀνάγνωσις individuell-direkte Lektüre von Texten bezeichnen kann, ist breit bezeugt (s. o. 3.1.4). 57 So verstanden beziehen sich ἀνάγνωσις, παράκλησις und διδασκαλία nicht auf (gleichsam institutionalisiert verstandene) „Amtsauf‐ gaben“ in der Gemeinde, sondern möglicherweise selbstreferenziell auf den vorliegenden Brief, der sich durchaus als „Mahnung“ und „Lehre“ versteht. 58 So bezieht sich z. B. παρακαλέω in 1Tim 2,1 auf das im Brief Gesagte. Ausge‐ schlossen werden kann freilich nicht, dass auch andere Texte (z. B. aus dem AT) für die Lektüre gemeint sind. Dass Buchbesitz zumindest bei Gemeindeleitenden vorausgesetzt werden kann, wird aus 2Tim 4,13 deutlich. 59 Die Deutung, dass die in 1Tim 3,16 genannten Aspekte sich nicht auf das Verhältnis zwischen Ti‐ motheus und der Gemeinde beziehen, lässt sich vor dem Hintergrund von 2Tim 3,14-16 plausibilisieren. Dort wird hervorgehoben, dass jede „gottbegeistete Schrift auch nützlich ist u. a. zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit (πᾶσα γραφὴ θεόπνευστος καὶ ὠφέλιμος πρὸς διδασκαλίαν, πρὸς ἐλεγμόν, πρὸς ἐπανόρθωσιν, πρὸς παιδείαν τὴν ἐν δικαιοσύνῃ). Aus dem Kontext dieses Satzes geht eindeutig hervor, dass es sich um das Verhältnis eines Individuums zur heiligen Schrift (2Tim 3,14 f) 393 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 60 Τῇ ἀναγνώσει πρόσεχε, ἵνα μὴ μόνον αὐτὸς εἰδῇς τοὺς νόμους, ἀλλὰ καὶ ἄλλοις αὐτοὺς ἐξηγῇ. 61 Ähnlich argumentiert B E C K E R , Autorität, 90 f. handelt, also die „gottbegeisteten Schriften“, zu denen der vorliegende Brief möglicherweise auch sich selbst zählt, Subjekt des Lehrens, Zurechtweisens und Erziehens sind - und das vermutlich dadurch, dass man sie individuell-direkt liest. Eine weitere Verstehensmöglichkeit ist die folgende: ἀνάγνωσις bezieht sich auf die individuell-direkte Lektüre des Briefes oder von nicht näher definierten (möglicherweise alttestamentlichen) Texten, die wiederum die Grundlage für παράκλησις und διδασκαλία in der Gemeinde bildet. So finden sich in 1Tim 6,2 die Verben διδάσκω und παρακαλέω als Bezeichnungen für Tätigkeiten in Bezug auf die Gemeinde (siehe ferner die Formulierung παρακαλεῖν ἐν τῇ διδασκαλίᾳ in Tit 1,9) Von „lesen“ ist hier und auch an anderer Stelle jedoch nicht mehr die Rede. Dies deutet darauf hin, dass auch in 1Tim 4,13 nicht an eine Tätigkeit gedacht ist, die in Relation zu einem Kollektiv steht. Dieses Verständnis ist rezeptionsgeschichtlich in Ps.-Ign. Hero 1,3 (vermutlich 4. Jh.) bezeugt. Hier fordert Pseudo-Ignatius, der sich die Worte aus 1Tim 4,16 leiht, den Diakon Hero auf, sich mit der Lektüre zu beschäftigen (= individuell-direkt) und zwar mit zweifachem Ziel, die Gesetze selbst zu kennen und sie anderen erklären zu können. 60 Wegen der skizzierten interpretatorischen Unsicherheiten ist es nicht mög‐ lich 1Tim 4,13 als Beleg für (gleichsam institutionalisierte) gottesdienstliche Lesepraxis bzw. für public reading events anzuführen. Insgesamt ist der Befund im Corpus Paulinum mager. Bis auf die Tatsache, dass die Briefe eine Kenntnis alttestamentlicher Texte bei ihren Rezipienten voraussetzen, ist in Bezug auf Re‐ konstruktion konkreter Rezeptionssituationen große Vorsicht angezeigt. Paulus thematisiert an keiner Stelle ein gemeinschaftliches Verlesen alttestamentlicher Schriften bei gemeinschaftlichen Versammlungen in den Gemeinden. Gerade an der Stelle, an der er sich explizit zu einer solchen gemeinschaftlichen Versammlung äußert (1Kor 11-14), die in der Forschung für gewöhnlich als gottesdienstliche Versammlung bezeichnet wird, thematisiert er eine Verlesung von Texten gerade nicht. Angesichts der vielfältigen Lesepraktiken in der Antike und im frühe Judentum insgesamt und angesichts des Fehlens einer Konkretisierung im Corpus Paulinum im Speziellen, dürfte diesem argumentum e silentio hier doch eine gewisse Beweiskraft dafür zugebilligt werden, dass alt‐ testamentliche Texte nicht primär in der abendlichen Gemeindeversammlung, 61 sondern in den Gemeinden in anderen Kontexten, z. B. analog in eigenständigen 394 8 Lesen im Neuen Testament 62 Die Mehrheit der Forschung geht in Bezug auf den Jak von einer pseudepigraphen Ver‐ fasserschaft aus. Vgl. die Auflistungen bei K O N R A D T , Existenz 334, Anm. 112; K O N R A D T , Jakobus, 575 f, Anm. 3. Für eine detailliertere Darstellung der Argumente vgl. K O N R A D T , Jakobus 575-590. Neben der These der Abfassung durch einen unbekannten Jakobus (vgl. z. B. P F L E I D E R E R , Urchristentum, 553; H A U C K , Jak, 33; jüngst wieder M E T Z N E R , Jak, 8-10) wird aber auch die Verfasserschaft durch den historischen Herrenbruder in der Forschung weiterhin vertreten. Vgl. v. a. N I E B U H R , Jesus, 322-329, der von der Hilfe durch ein griechisch gebildeten „Autorenkollektivs“ in der Jerusalemer Gemeinde ausgeht. Die Abfassung durch einen Sekretär oder Übersetzer auch schon bei N I E B U H R , Jakobusbrief, 431; außerdem K I T T E L , Ort, 79 f; B A U C K H A M , James, 24; M C K N I G H T Letter, 33 f u. a. 63 Vgl. zur Übersetzung des Genitivs P O P K E S , Jak, 144. 64 Vgl. weiterführend zum „vollkommenen Gesetz der Freiheit“ im Jak mit den entspre‐ chenden Verweisen auf die Literatur B U R C H A R D , Jak, 88-90. Weiterführend zur sprach‐ ethischen Bedeutung der Metaphorik im argumentativen Kontext L U T H E R , Sprachethik, 110-126. 65 Vgl. außerdem die entsprechenden Belegstellen zur Metapher des „Hineinbeugens“ unter 9.5. 66 S. McKnight stellt die Möglichkeit in den Raum, dass der Verfasser hier auf indivi‐ duell-direkte Lektüre verweisen könnte, lehnt diese Deutung dann aber mit dem (angesichts der Ergebnisse dieser Studie problematischen) Argument ab, diese Form der Rezeption sei im antiken Judentum nicht gängig gewesen, weil die Literalitätsrate viel zu niedrig gewesen wäre (s. zu diesem Argumentationsmuster insb. 1.3.3). Vgl. M C K N I G H T , James, 154. Ohne Argumente und die metaphorische Relation m. E. nicht Versammlungen zu Studierzwecken (etwa in der Synagoge) oder in privatem Kontext individuell-direkt, rezipiert worden sind. Dies ist zuletzt noch an einer weiteren Stelle aus der neutestamentlichen Briefliteratur zu plausibilisieren. Im Kontext der komplementären Gegenüber‐ stellung von „Täter und Hörer des Wortes“ ( Jak 1,22) formuliert der Verfasser des Jakobusbriefes 62 in Jak 1,25: a Wer sich aber hineinbeugt in das vollkommene Gesetz der Freiheit (ὁ δὲ παρακύψας εἰς νόμον τέλειον τὸν τῆς ἐλευθερίας) b und dabeibleibt, kein vergesslicher Hörer (ἀκροατὴς ἐπιλησμονῆς) 63 wird, sondern ein Täter des Werkes, c der wird selig sein in seinem Tun. Der Metaphorik dieses Verses liegt die Erfahrung von zwei unterschiedlichen Rezeptionsmodi der Tora zugrunde. Das „vollkommene Gesetz der Freiheit“ ( Jak 1,25a) meint hier zwar keinen materialiter vorhandenen Text, in den man sich hinunterbücken könnte. 64 Die Formulierung ὁ δὲ παρακύψας εἰς νόμον (Jak 1,25a) verweist entsprechend der unter 3.7 besprochenen Konzepte 65 aber auf die individuell-direkte Lektürehaltung eines Lesers der Tora, 66 der 395 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament präzise genug erfassend B U R C H A R D , Jak, 81: „[A]n Geschriebenes, über das man sich beugt, muß man nicht denken.“ 67 Zum Verb παρακύπτω zusammen mit der Präposition εἰς+Akk im Sinne von „hinein‐ beugen in“ vgl. Joh 20,11. Vgl. außerdem die Konnotation des Hineinbeugens mit der visuellen Wahrnehmung in Lk 24,12; Joh 20,4. Vgl. ferner Sir 21,23. Übersetzt man dieses Verb in Jak 1,25 mit „hineinspitzen“ (H E C K E L , Briefe, 39 f), ist der besprochene bildspendende Hintergrund aus der Erfahrungswelt des Lesens nicht mehr erkennbar. 68 Möglicherweise ist die folgende Formulierung bei Serapion adv. Manich. 37 durch ein solches Verständnis von Jak 1,25 beeinflusst: ἀλλ’ Ἰουδαῖοι μὲν κάλυμμα λαμβάνοντες οὐδὲ τὸν νόμον νενοήκασιν οὐδὲ τὸν καταγγελλόμενον ἐπέγνωσαν, οἱ δὲ αἱρεσιῶται ὀφθαλμοὺς ἔχουσιν οὐ βλέποντας, ὦτα ἔχουσιν οὐκ ἀκούοντα, διὰ τὸ μὴ παρακύψαι εἰς τὰ εὐαγγέλια τῷ νόμῳ ἐμαχέσαντο. 69 S. o. insb. die Ausführungen zu Lact. inst. 3,25,9 (S. 234). Vgl. ferner die Ausführungen zu Arist. 127 unter 3.1.4. 70 Vgl. dazu die Ausführungen zur kunstvollen rhetorischen Satzgestaltung durch die gleich anlautenden Verben παρακύπτω - παραμένω H A U C K , Jak, 82-86. Zum verstär‐ kenden Charakter von παραμένω, das eine „dauernde Haltung“ zum Ausdruck bringt, vgl. auch F R A N K E M Ö L L E , Jak I, 336. sich in den Text hineinbeugt 67 und dabei intensiv mit dem Text beschäftigt. 68 D. h. der Bildspendebereich der Metapher in Jak 1,25 referenziert auf das Konzept individuell-direkter Lektüre. Im Unterschied zum bloßen Hörer eines vorgelesenen Textes ( Jak 1,25b), kann der individuell-direkte Leser daher zu tieferen Einsichten in den Text kommen (vgl. die visuelle Bildlichkeit in Jak 1,23 f). Die Formulierung ἀκροατὴς ἐπιλησμονῆς bringt die auch anderswo in der Antike bezeugte Erfahrung der kognitiven Verarbeitungsdefizite des bloßen Hörens zum Ausdruck. 69 Dies bedeutet dann im übertragenen Sinne, dass man sich, um als Täter des Werkes in seinem Tun selig zu werden ( Jak 1,25b/ c), in das „vollkommenen Gesetz der Freiheit“ so vertiefen (und dabeibleiben [παραμένω]) soll wie jemand, der sich (in inniger Vertiefung und nicht nur mit schneller Neugier) 70 in die Tora hineinbeugt. 8.2.2 Lesen der Hebräischen Bibel/ des Alten Testaments in den Erzähltexten des Neuen Testaments Schon P. Müller weist darauf hin, dass die meisten „Lese-Stellen“ in den synoptischen Evangelien (d. h. Stellen, an denen das Verb ἀναγιγνώσκω ver‐ wendet wird), Einleitungswendungen darstellen, die alttestamentliche Zitate einführen. Seine hilfreiche tabellarische Übersicht zeigt deutlich, dass es sich um syntaktisch relativ einheitlich gestaltete und geprägte Einleitungswendungen handelt (Negationspartikel u. ἀναγιγνώσκω in der 2. Pers. Pl. Ind. Aor. Akt.; vgl. die Parallelen zu Mk 2,25; 12,10.26 in Mt 12,3; 21,42; 22,31; Lk 6,3; mit Ausnahme 396 8 Lesen im Neuen Testament 71 Vgl. M Ü L L E R , Lesen, 60-62. 72 Vgl. L U Z , Mt III, 224. 73 Vgl. z. B. P E S C H , Markusevangelium, 233; B E R G E R , Formen, 256; K O N R A D T , Evangelium, 355. 74 Vgl. die hilfreiche Übersicht bei M Ü L L E R , Zitatmarkierungen. 75 S. o. Anm. 135, S. 139. 76 So auch S T E M B E R G E R , Judaica, 33 f. Vgl. außerdem die Beobachtungen bei G U T T E N B E R G E R , Schriftgelehrter, 174 f, die konstatiert, dass Hören „sich im Markusevangelium niemals auf die Schrift, sondern in der Mehrzahl der Belege auf die Wirksamkeit Jesu“ (175) bezieht. 77 Plut. de tranq. anim. 6 (mor. 467e) verwendet die Formel (allerdings im Singular - es handelt sich um einen Dialog) in Bezug auf die individuelle Lektüre von einer Inschrift in Delphi. 78 Mit S C H Ü R M A N N , Lk II.1, 132, Anm. 20, gegen J E R E M I A S , Gebetsleben, 129; M A R S H A L L , Luke, 443; G R U N D M A N N , Evangelium, 222; E C K E Y , Lk I, 485 f. von Lk 20,17.37, als auch Mt 12,5; 19,4 f; 21,16). 71 Während die Wendungen durchaus mit polemischem Charakter 72 auf der Ebene der erzählten Welt u. a. die Funktion haben, die Unkenntnis der Dialogpartner Jesu aufzudecken oder zumindest zu unterstellen, 73 fungieren sie in leserpragmatischer Hinsicht als Zitationsformeln. An jeder der Stellen folgt nämlich entweder ein Zitat oder eine Paraphrase eines alttestamentlichen Textes. An allen Stellen richtet sich Jesus - anders als bei den Zitationsformeln mit dem Partizip γέγραπται oder unter Verwendung von verba dicendi  74 - ausschließlich an mutmaßlich literarisch gebildete Adressaten (Pharisäer, Sadduzäer, Hohepriester und Schriftgelehrte). Angesichts der sonst üblichen Zitationsformel im Griechischen unter Verwen‐ dung von ἀκούω sind die Stellen auffällig, aber nicht analogielos. 75 In jedem Fall kann ἀναγιγνώσκω hier nicht mit „vorlesen“ übersetzt werden. Aus den Stellen selbst lässt sich wegen des formelhaften Charakters jedoch nicht ableiten, in welcher Form diese Gruppen aus der Perspektive der Evangelienverfasser die Texte gelesen haben. In jedem Fall weisen die Stellen keinen Beleg für einen synagogalen Gottesdienst mit Schriflesung auf und auch sonst ist es nicht zwingend, dass Lesen in der Synagoge vorauszusetzen wäre. 76 Die Formulierung verweist eher auf die Aneignung durch individuell-direkte Lektüre, 77 was bei den genannten Gruppen (insb. den Schriftgelehrten) auch plausibel ist. Eine Ausnahme von den besprochenen Einleitungswendungen bildet die zweifache Gegenfrage ἐν τῷ νόμῳ τί γέγραπται; πῶς ἀναγινώσκεις; (Lk 10,26), die Jesus einem Schriftgelehrten einleitend vor dem Gleichnis des barmherzigen Samariters stellt und die in pragmatischer Hinsicht ein Kombinationszitat aus Dtn 6,5 und Lev 19,18 in der Figurenrede des Schriftgelehrten einleitet. Nicht überzeugend ist die Interpretation, Jesus meine „Wie rezitierst Du? “ und lenke seinen Diskussionspartner damit auf die tägliche Rezitation des Sch’ma Jisrael. 78 397 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 79 Vgl. dazu W O L T E R , Lk, 393. 80 Vgl. S C H I F F N E R , Lukas, 45. 81 Ähnlich K L E I N , Lk, 390; B O V O N , Lk II, 85. 82 So z. B. auch M I T C H E L L , Emergence, 15. Zum einen fehlt bei den Vertretern dieser Position eine Begründung, inwiefern ἀναγιγνώσκω hier das Rezitieren eines auswendiggelernten Textes aus dem Kopf bezeichnen könnte. Zum anderen zitiert der Schriftgelehrte im Folgenden ja gerade nicht nur Dtn 6,5, sondern ergänzt diesen Vers durch das Gebot zur Nächstenliebe aus Lev 19,18. Für die Leser ist dies auf der Ebene der erzählten Welt so zu verstehen, dass der Schriftgelehrte die Kombination selbständig vornimmt. Umstritten ist in der Forschung, ob das Fragepronomen πῶς hier mit „Was? “ oder „Wie? “ wiederzugeben ist. 79 Dies liegt vor allem daran, dass die Frage πῶς ἀναγινώσκεις; elliptisch formuliert ist. Die Vertreter, die für die Übersetzung „Was? “ plädieren, ergänzen in Gedanken wörtlich aus der vorhergehenden Frage „was liest Du in der Tora? “ Möglich wäre aber auch zu ergänzen: „Wie liest Du die Tora? “ 80 Damit würde die Frage nach dem „Wie? “ nicht die Art und Weise des Lesens meinen, sondern vielmehr nach dem Verstehen der Tora im Hinblick auf die vom Schriftgelehrten selbst gestellten Frage nach dem Tun zum Erreichen des ewigen Lebens (Lk 10,25). 81 Eine konkrete Lesesituation liegt hier also nicht vor. In welcher Form Schriftgehrte die Tora rezipierten, lässt sich aus der Stelle nicht erschließen. Der Dialog zwischen den Schriftgelehrten und Jesus imitiert jedoch eine Art Gelehrtengespräch über die Tora, bei der aber nicht zwingend selbst aus dieser gelesen werden muss und in dem sich die Diskussi‐ onsteilnehmer auf ihre durchaus auch individuell-direkte Leseerfahrung, die ja z. B. für die Therapeuten bezeugt ist (s. o. 7.2.3), beziehen. Ähnliches wird man für Joh 5,39 voraussetzen können. Dort konstatiert Jesus, dass seine Gesprächspartner die Schriften erforschen (ἐραυνᾶτε τὰς γραφάς), weil sie meinten, darin das ewige Leben zu haben. Auch hier lässt sich nicht sicher erschließen, welche Form der Rezeption vom Text vorausgesetzt ist. 82 Die Verwendung des Verbes ἐραυνάω (entspricht dem klass. ἐρευνάω) legt entsprechend der unter 3.6 dargelegten Untersuchungsergebnisse aber eher individuell-direkte Lektürepraxis nahe. In der Rezeptionsgeschichte hat Origenes Joh 5,39 als Aufruf zu einer intensiven individuell-direkte Lektüre (ἀνάγνωσις) verstanden, bei der nach dem Gebot Jesu in den Schriften zu „suchen“ (ζητέω) ist und die auf ein tiefes Verständnis zielt (vgl. Orig. Cels. 6,7). Die einzigen Belege im NT, die eine kollektiv-direkte Rezeption der Tora, noch dazu in der Synagoge, eindeutig thematisieren, finden sich im lukanischen Doppelwerk. Während in der Apostelgeschichte nur summarisch auf eine 398 8 Lesen im Neuen Testament 83 Vgl. W O L T E R , Lk, 188. 84 Vgl. H E I L , Analphabet, 286 (Lit.). Vgl. aber auch K L I N G H A R D T , Evangelium, 145-147, der in *Ev 4,16-30 die primäre Vorlage für die Redaktion sieht, auf deren Grundlage auch Mk 6,1-6a gestaltet worden ist. Lesung von Mose (Act 15,21) sowie von Mose und den Propheten (Act 13,15) verweist, bietet Lk 4,16-21 eine ausführliche Schilderung einer Leseszene. 16 a Und er kam nach Nazareth, b wo er aufgezogen (τρέφω) worden war, c und ging nach seiner Gewohnheit am Tag des Sabbats in die Synagoge d und er stand auf vorzulesen (καὶ ἀνέστη ἀναγνῶναι). 17 a und es wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gegeben. b Und als er das Buch öffnete, c fand er die Stelle, d an der geschrieben war (καὶ ἀναπτύξας τὸ βιβλίον εὗρεν τὸν τόπον οὗ ἦν γεγραμμένον) 18 a „Der Geist des Herrn ist auf mir, b weil er mich gesalbt hat. c Den Armen zu frohbotschaften, 83 d hat er mich gesandt, zu verkündigen den Gefangenen Freiheit […].“ 20 a Und er schloss (πτύσσω) das Buch, gab es dem Gehilfen zurück und setzte sich. b und die Augen aller waren auf ihn fixiert. 21 a Er aber begann, zu ihnen zu sprechen: b Heute ist diese Schrift erfüllt worden vor euren Ohren. Die Schilderung des Wirkens Jesu in Galiläa beginnt im LkEv, anders als in den anderen Evangelien, mit einer Lese- und Lehrszene in der Synagoge in seiner Heimatstadt Nazareth, die am Ende in Zorn und Ablehnung sowie in dem Versuch mündet, Jesus aus der Stadt zu vertreiben, um ihn zu töten (Lk 4,28-30), und Jesus schließlich nach Kapernaum führt (Lk 4,31). Die Mehrheit der Forschung geht davon aus, dass es sich bei der Perikope Lk 4,14-30 um eine eigenständige lukanische Komposition handelt, die auf Mk 6,1-6a basiert. 84 Es können hier nicht alle mit dieser Szene, die vielfach vor dem Hintergrund eines synagogalen Wortgottesdienstes interpretiert und als Beleg für diesen herangezogen wird, verbundenen exegetischen Fragen besprochen werden. Im Folgenden ist die Szene im Hinblick auf ihren Aussagewert bezüglich der 399 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 85 Vgl. S I K E R , First, 76-79; W O L T E R , Lk, 190. 86 Auch die folgende Perikope (Lk 4,31 f) beginnt mit einem Hinweis auf die Lehrer am Sabbat in Kapernaum. 87 So aber z. B. W O L T E R , Lk, 190. 88 S. o. Anm. 398-400, S. 210. Vgl. v. a. Lk 23,29 in Kombination mit der Metaphorik der Milch in Kor 3,2; Hebr 5,12 f; 1Petr 2,2. Frage nach dem Lesen im frühen Judentum und frühen Christentum hin zu untersuchen. Aufschlussreich für das Verständnis der Stelle in Bezug auf diese Frage erscheinen mir zunächst strukturanalytische Erwägungen und semantische Überlegungen im Hinblick auf einige der verwendeten Verben, die später noch zusätzlich durch narratologische Beobachtungen zu ergänzen sind. Es ist bekannt, dass die eigentliche Leseszene (Lk 16d-20a) ringkompositorisch um das Mischzitat aus Jes 61,1 f und 58,6d gestaltet ist: a: ἀνέστη (16d) - b: ἐπεδόθη (17a) - c: ἀναπτύξας (17b) - Z: ἦν γεγραμμένον (17d) + Zitat (18-19) - c | : πτύξας (20aα) - b | : ἀποδοὺς (20aβ) - a | ; ἐκάθισεν (20aγ). 85 Weitet man den Blick, fällt auf, dass die Ringkomposition von Hinweisen auf das Thema „Lehre“ gerahmt ist: Dem summarischen Hinweis auf die Lehre in den Synagogen in Galiläa und deren allumfassend positive Aufnahme (Lk 4,15) steht das Lehrgespräch in der Synagoge in Nazareth, die zu Zorn und Ablehnung führt (Lk 4,21-29), gegenüber. 86 Dem Hinweis darauf, dass Jesus in Nazareth aufgezogen worden war (τεθραμμένος [16b]), steht die Einleitung ἤρξατο λέγειν gegenüber, womit der Lehrvortrag eröffnet wird. Ferner steht dem dynamischen Hineingehen in die Synagoge (εἰσῆλθεν [16c]) die statisch ausgerichtete Reaktion der Zuhörer in der Synagoge gegenüber (ἦσαν ἀτενίζοντες [20b]). In diesem Kontext ist das Verb τρέφω in Lk 4,16b nicht zufällig gewählt worden und bezeichnet v. a. nicht einfach nur das Aufwachsen Jesus. 87 Vielmehr verweist das Verb vor dem Hintergrund der verbreiteten Metaphorik E S S E N / T R IN K E N I S T A N NAHM E V O N L E H R E88 spezifischer darauf, dass Jesus jetzt an den Ort seiner eigenen Ausbildung (passivisches τεθραμμένος in 16b: Nazareth ⇒ Jesus) zurückkehrt und sich das Verhältnis jetzt umgekehrt hat und er dort jetzt selbst lehrt (aktivisches ἤρξατο λέγειν: Jesus ⇒ Nazareth). Die Schilderung der Leseszene selbst zeichnet sich durch Folgende aus: Die Verben ἀνίστημι (Lk 4,16d) und καθίζω (Lk 4,20a) implizieren, dass die Zuhörerschaft sitzt und derjenige, der vorliest, zum Lesen aufsteht. Das Lehrge‐ spräch selbst (Lk 4,21ff) muss man sich anscheinend als im Sitzen abgehaltenes vorstellen. Jesus wird ein Schriftmedium gegeben, das den Text des Jesajabuches enthält und als βιβλίον bezeichnet wird. Jesus öffnet das Schriftmedium und findet eine ganz spezifische Stelle. 400 8 Lesen im Neuen Testament 89 S. o. Anm. 274, S. 171. 90 Vgl. B A G N A L L , Jesus, 586-588. 91 B A G N A L L , Jesus, 587, verweist auf Apc 5,1-5, wo das Verb angesichts des Prätextes in Ez 2,9-3,3 (s. dazu weiterführend F O C K E N , Schriftrolle) wohl das Öffnen einer Rolle bezeichnet. 92 Vgl. V A N M I N N E N , Luke. 93 Vgl. B I R T , Buchrolle, 40-123.210-268. Erst in späteren rabbinischen Quellen findet sich explizit bezeugt, dass alle Bücher um einen einzigen Stab gewickelt sind, „die Tora aber ist in die Mitte gerollt und man macht ihr am Anfang und am Ende je einen Stab“ (bBB 14a). Für das Verb, das das Öffnen des Schriftmediums bezeichnet, finden sich in der handschriftlichen Überlieferung zwei verschiedene Verben, wobei schon die Editionsgeschichte zeigt, dass eine Entscheidung nicht einfach ist. Bis zur 25. Auflage las der NA an dieser Stelle das Verb ἀνοίξας, das von einigen wichtigen Majuskeln, einigen Minuskeln und bei einigen Zitaten bei Euseb bezeugt ist (A B L W Ξ 33. 579. 892. 1241 pc; Eus pt ). Aktuell lesen die kritischen Ausgaben die Lesart des Mehrheitstextes, ἀναπτύξας, die u. a. durch den Codex Sinaiticus, durch den Codex Bezae, von der Handschriftengruppe f 1.13 , durch die latenischen Zeugen sowie durch einen anderen Teil der Zitate bei Euseb bezeugt ist. Zu der uneindeutigen Bezeugungslage kommt das Problem der Relation der Verben zur auf der Ebene der erzählten Welt vorzustellenden Form des Schriftmediums bzw. zu den vom Verfasser und seinen Adressaten verwendeten Schriftmedien für das AT hinzu. Dies wird an der Forschungsdis‐ kussion zu dieser Stelle deutlich: Ausführlich zu dem Problem geäußert hat sich R. S. Bagnall in einem 2000 erschienenen Artikel. Er zeigt ausführlich, dass ἀναπτύσσω gerade nicht als spezifisch auf Schriftrollen bezogenes Lexem verstanden werden kann, sondern stattdessen normalerweise, wie auch oben zu sehen war, das Auffalten v. a. zusammengefalteter Papyrusblätter bezeichnet. 89 Bagnall favorisiert daher die Lesart ἀνοίξας und vermutet, dass ἀναπτύσσω sekundär ist und eine Rückprojektion der Verwendung von Kodizes in der alten Kirche darstellt. 90 Das Problem dieser Deutung ist allerdings, dass auch das Verb ἀνοίγω, wie er selbst hervorhebt, nicht wirklich ein Fachterminus für das Öffnen von Rollen darstellt (s. o. 3.5). 91 Die Argumentation von P. van Minnen gegen Bagnalls Überlegungen wird der Komplexität des Problems nicht gerecht und ist schon deshalb defizitär, da sie ohne jeglichen Verweis auf Quellen oder bildliche Darstellungen auskommt, vor deren Hintergrund seine Gegenthese der Aufbewahrung von Schriftrollen in einem Zustand, bei dem die Rolle in Form von zwei Konvoluten gelagert wird, verifiziert werden müsste. 92 Eine solcher Zustand in zwei Konvoluten ist ikonographisch bezeugt, aber eigentlich nicht für die Aufbewahrung, 93 sondern als Motiv der unterbrochenen Lektüre, 401 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 94 S. die Abb. 120-135 bei B I R T , Buchrolle, 186-196. Allerdings zeigen die Abbildungen 154 u. 160 den Zustand in zwei Konvoluten von abgelegten Rollen, die sich nicht mehr in den Händen befinden. Birt spricht diesbezüglich auch von einer „geöffneten Rolle.“ 95 Das Verb πτύσσω ist ebenfalls nicht der gängige Fachterminus zum Schließen einer Buchrolle. 96 Dies wäre dann noch im Zusammenhang mit der Verwendung des Verbes διανοίγω in Lk 24,45 zu diskutieren. Der Verfasser des LkEv könnte eine Stichwortverknüpfung zum Ende des Evangeliums intendiert haben. Vgl. zum Zusammenhang zwischen der Leseszene in Lk 4 und dem Ende des LkEv M Ü L L E R , Lesen, 88-92. 97 Der Zeitpunkt der Nutzung von Kodizes im frühen Christentum ist umstritten. Die materielle Evidenz zeugt aber davon, dass im frühen Christentum für neutestamentliche Texte sehr früh Kodizes verwendet worden sein müssen, da kein neutestamentlicher Text - abgesehen von einigen privaten Abschriften - in Rollenform überliefert ist. Vgl. dazu T R O B I S C H , Endredaktion; H U R T A D O , Artifacts; W A L L R A F F , Kodex. Dass dies gerade bei Lukas zu finden ist, könnte vor dem Hintergrund der These von M. Klinghardt plausibilisiert werden, der davon ausgeht, dass das für Marcion bezeugte Evangelium in einem Redaktionsschritt bei der Herausgabe des NT in vier Teilsammlungen in Form von Kodizes herausgegeben worden ist. Vgl. K L I N G H A R D T , Evangelium. Die hier zur Diskussion stehende Passage hat im für Marcion bezeugten Evangelium vermutlich gefehlt. Vgl. K L I N G H A R D T , Evangelium, 464-466. bei welcher der Leser die Schriftrolle zumeist in der Hand hält. Hier ist die Buchrolle geöffnet und ein Stück entrollt, das entrollte Stück ist in der Mitte gefaltet. 94 Würde man einen solchen Rollenzustand voraussetzen, müsste der Leser imaginieren, dass das Prophetenbuch schon vorher eine Rolle bei der synagogalen Veranstaltung am Sabbat gespielt hätte. Zu einem solchen Szenario würden die beiden Verben ἀναπτύσσω und πτύσσω 95 passen. Angesichts der vielen Voraussetzungen, die für ein solches Szenario notwendig wären, ist eine solche Deutung jedoch sehr spekulativ. So ἀναπτύσσω ursprünglich ist und nicht eine spätere stilistische Angleichung an πτύσσω (Lk 4,20a) darstellt, 96 wäre auch folgende einfache Erklärung der Nicht-Passfähigkeit des Verbs ἀναπτύσσω zum vorauszusetzenden Lesemedium einer Rolle auf der Ebene der erzählten Welt möglich. Und zwar könnte es sich um eine (möglicherweise unbewusste) rein terminologische Rückprojektion einer für den Umgang mit einem Kodex bzw. einem gefalteten Schriftmedium geläufigen Verbs auf eine Rolle handeln - ein Phänomen, das bei Prozessen des Medienwandels (s. moderne Beschreibungssprache von Prozessen auf dem Computer) durchaus geläufig ist. 97 Dann wäre in Lk 4,17b zum Ausdruck gebracht, dass der erzählte Jesus die Buchrolle „aufschlägt“, was aber nichts anderes meint, als dass er sie bis zu entsprechenden Stelle entrollt. Bei der Darstellung der Leseszene in Lk 4 bleiben zahlreiche Leerstellen: Was passiert in der Synagoge, bevor der lukanische Jesus aufsteht? In welchem Zu‐ sammenhang ist sein Aufstehen zu verstehen: Wird er aufgefordert? Geschieht 402 8 Lesen im Neuen Testament 98 In der Forschungsliteratur findet sich häufig die Deutung, dass der lukanische Jesus damit seine Bereitschaft zur Übernahme der Prophetenlektion zum Ausdruck bringen wollte, zu der man ansonsten aufgefordert worden wäre - Jesus also als Initiator zu verstehen sei. Das Aufstehen lässt sich m. E. zwar gut als aktiv initiierende Handlung Jesu verstehen. Für das Konzept der Aufforderung zur Prophetenlektion mangelt es aber an Belegen. Act 13,15 kann aber gerade nicht als Beleg für ein vermeintliches Konzept, dass man ansonsten in der Synagoge zur Lektion aufgefordert worden wäre, herangezogen werden. Die Aufforderung bezieht sich hier ja nicht auf das Vorlesen, sondern auf λόγος παρακλήσεως πρὸς τὸν λαόν. Gegen G R U N D M A N N , Evangelium, 120; S C H Ü R M A N N , Lk I, 227; K L E I N , Lk, 187, Anm. 25. 99 So z. B. K L E I N , Lk, 188: „Über den Inhalt des Synagogengottesdienstes zu jener Zeit wissen wir nicht viel. Der Bericht des Lk enthält die älteste ausführliche Beschreibung davon.“ 100 Beide Zitate M A R S H A L L , Luke, 181. Vgl. auch exempl. für viele B I L L E R B E C K , Syna‐ gogengottesdienst; S C H Ü R M A N N , Lk I, 228 f; G R U N D M A N N , Evangelium, 120; W I E F E L , Evangelium; B O V O N , Lk I, 211; K L E I N , Lk, 188: 106. Vgl. weiterführend die kritische Auseinandersetzung mit der These, dass sich die Wahl des vorgelesenen Textes vor dem Hintergrund eines Lesezyklus erklären ließe, H I L L , Rejection, 172-177; S T E M B E R G E R , Art. Schriftlesung II, 559. Vorsichtig im Hinblick auf die Voraussetzung eines institu‐ tionalisierten Lesezyklus und Wortgottesdienstes auch W O L T E R , Lk, 190 f. 101 Vgl. exempl. B O V O N , Lk II, 211. es aus eigenem Antrieb? Erwartet das Publikum, dass er aufsteht oder überrascht er es damit? 98 In Bezug auf das Buch stellt sich die Frage, ob Jesus explizit nach dem Buch Jesaja verlangt oder es aus konventionellen Gründen in der Veranstaltung eine Rolle spielt? Offen ist außerdem auch, ob der lukanische Jesus die Stelle, die er findet, explizit sucht oder zufällig findet. Die Leerstellen in Lk 4 werden in der exegetischen Fachliteratur zumeist mit dem Hinweis auf die Elemente des „synagogalen Gottesdienste“ gefüllt. Dazu exemplarisch I. H. Marshall, der im gleichen Zug darauf hinweise, dass Lk 4 „the oldest known account of the synagogue service“ darstelle: 99 „After private prayer on entry to the building by the worshippers there was a public confession of the Jewish faith in the Shema (Dt. 6: 4-9; 11: 13-21), followed by prayers, including the Tephillah and the Shemoneh Esreh. Then came the centre of the worship, the reading of the Scriptures. A passage from the Pentateuch was read, according to a fixed scheme of lections, by several members of the congregation in turn, with an Aramaic paraphrase.“ 100 Dieses Vorgehen ist jedoch mit dem gravierenden Problem verbunden, dass diese Elemente allesamt erst später bezeugt sind. Insbesondere eine Propheten‐ lektion lässt sich erst in späteren rabbinischen Zeugnissen nachweisen. Daher ist ein methodisches non liquet, die Leerstellen so zu erklären, dass der Verfasser sie nicht hätte nennen brauchen, weil er sie kulturell bei seinen Lesern als bekannt voraussetzte. 101 Wie oben zu sehen war (7.4), ist zwar die Lesung der 403 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 102 Vgl. die Quellen in Anm. 198, S. 428. 103 Auf das Fehlen einer expliziten Nennung des Lesens durch Jesus verweist z. B. auch K E I T H , Literacy, 143. Die Aussage in Lk 4,21b gibt den Rezipienten allerdings ein starkes Textsignal, dies zu inferieren. 104 So z. B. L O H S E , Lukas, 267 Anm. 39. 105 So z. B. S C H Ü R M A N N , Lk I, 229; M Ü L L E R , Lesen, 182, Anm. 121. Tora am Sabbat in der Synagoge bezeugt, ob es sich dabei jedoch um eine fest institutionalisierte, auf alle Synagogen übertragbare Praxis handelt, ist vollkommen offen. Gegenüber einer Einordnung in ein festes synagogales Gottesdienstschema, das in den Text eingetragen wird, muss zunächst von den exegetischen Einzel‐ beobachtungen am Text ausgegangen werden, die allesamt deutlich machen, dass es sich um eine hochgradig literarisch stilisierte und inszenierte Leseszene handelt. a) So zeigen sowohl die besprochenen kompositorischen Merkmale als auch die Leerstellen deutlich stilisierende Züge. b) Angesichts dieser zahlreichen Leerstellen ist es insbesondere aus erzählökonomischer Sicht auffällig, dass das Übergeben (ἐπιδίδωμι) des Buches an den erzählten Jesus eigens geschildert wird (Lk 14,17a); und zwar mit einem Verb, das eigentlich auch einen Besitzübergang des Schriftstücks impliziert; 102 um ein einfaches Geben zum Ausdruck zu bringen hätte ein einfaches δίδωμι ausgereicht. Hier wäre weiterführend zu überlegen, ob dieser merkwürdigen Detailangabe, die noch dazu im Passiv steht, nicht eine tiefere, symbolische Deutung zugemessen werden könnte - nämlich, dass hier die im Zitat zum Ausdruck kommende christologische Aneignung des Jesajatextes in einem Übergeben des Textes schon zuvor symbolisch vorbereitet wird. c) Es ist außerdem auffällig, dass der Text nicht noch einmal hervorhebt, dass Jesus das Mischzitat aus Jes 61,1 f und 58,6d vorliest. Überhaupt ist die gesamte Passage, auch das Zitat, der Erzählstimme zuzurechnen, die Figurenrede Jesu beginnt erst in Lk 4,21b. Das Zitat folgt im Text nämlich direkt auf die Handlung des Öffnens und Findens; dass Jesus diesen Text vorliest, muss der Leser inferieren. 103 Dass Lexeme für den haptischen Umgang mit dem Medium und das Konzept des „Suchen und Findens“ metonymisch für den Leseprozess stehen können, ist allerdings nicht weiter ungewöhnlich, wie oben herausgearbeitet worden ist (vgl. 3.5 u. 3.6). Dennoch erscheint die beschriebene Handlung Jesu des Öffnens und Findens, und damit die Auswahl des zu lesenden Textes, stark stilisiert. Es kann dabei jedoch nicht eindeutig entschieden werden, ob der erzählte Jesus das Schriftmedium öffnet und die im Folgenden zitierte Stelle zufällig findet 104 oder ob er die zitierte Stelle intendiert sucht und findet. 105 Dafür 404 8 Lesen im Neuen Testament 106 M Ü L L E R , Lesen, 86. 107 Vgl. W O L T E R , Lk, 191. 108 Vgl. dazu A L B E R T Z , Antrittspredigt. 109 M Ü L L E R , Lesen, 85. S. auch S I K E R , First, 78; W O L T E R , Lk, 191. 110 F E A R G H A I L , Rejection, 62, weist darauf hin, dass die Reaktion der Zuhörer als positive Spannung gewertet werden kann. 111 Vgl. M Ü L L E R , Lesen, 88-92. ist die Semantik von εὑρίσκω im Hinblick auf Leseszenen zu unspezifisch. In jedem Fall ist die Darstellung schwer mit der Annahme zu verbinden, dass sich der Text auf eine fest institutionalisierte Prophetenlektion bezöge, hier würde man aus erzählökonomischen Gründen ein weniger aufwändige Schilderung erwarten. P. Müller sieht die Funktion der Darstellung und insbesondere des Verweises auf das Geschriebene in leserpragmatischer Perspektive darin, dass hier die Leser des Evangeliums zu Lesenden und Verstehenden der Schriftstelle gemacht werden: „Sie bekommen von Jesus sozusagen die Schriftrolle geöffnet, werden von ihm auf Jesaja 61 hingewiesen und lesen nun selbst.“ 106 d) Stilisiert ist auch das Mischzitat, und zwar sowohl im Hinblick auf den Text als auch auf die Länge: Bekanntlich handelt es sich um ein Mischzitat aus Jes 61,1 f und 58,6d, das so im AT nicht vorkommt, bewusst vom Verfasser abgewandelt worden ist und sich also um ein lukanisches Konstrukt handelt. 107 Bei der Selektion und Komposition waren maßgeblich christologische Erwä‐ gungen leitend, die das Zitat für die narrative Adaption als Vorausverweis auf Christus passungsfähig machen. 108 Zudem handelt es sich bei dem Zitat nur um wenige Worte, die doch schwerlich als vollständige „Lesung“ zu verstehen sein können. Daraus folgt, auch wenn wir die Erwartungen an eine Veranstaltung in der Synagoge der Erstrezipienten nur schwer bestimmen können, so ist doch angesichts dieser Aspekte zu vermuten, dass auch kritischen und im AT firmen antiken Lesern auffallen konnte, dass es sich hier nicht um eine wirklichkeitsgetreue Darstellung, sondern um eine Stilisierung handelt. e) Auch die Reaktion der Zuhörer (Lk 4,21b) ist literarisch stilisiert; die gesamte Leseszene hat eine „deutlich retardierende Funktion“, 109 deren Spannungsbogen in der Reaktion der Zuhörer, die auf Jesus starren, in Lk 4,20b mündet. 110 f) Zudem hat P. Müller in Bezug auf die gesamtkompositorische Funktion der Leseszene in Lk 4,16-20 herausgearbeitet, dass diese zusammen mit der Auslegung der Schriften bzw. der hermeneutischen Anleitung zum Lesen und Verstehen der Schrift in Lk 24 die gesamte Wirksamkeit Jesu einrahme und diesbezüglich dem Motiv des Öffnens der Augen eine wichtige Rolle spielt. 111 „Bei Lukas findet sich […] an exponierter Stelle ein ausformuliertes, explizites Lesemodell. Ein verstehendes Lesen der biblischen Schriften, das ist die Grundaussage, 405 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 112 M Ü L L E R , Lesen, 92. 113 S. aber o. 7.4 zur Multifunktionalität der Synagoge im 1. Jh v./ n. Chr. 114 Damit ist freilich nicht gesagt, dass die Synagoge ein „reiner“ Ort der Lehre gewesen wäre. Die ebenfalls (allerdings seltener) bezeugte Verbindung zwischen Synagoge und Gebet zeichnet ihn auch als Ort jüdischer Frömmigkeit und Religiosität. Vgl. im NT nur Mt 6,5 (vermutlich ist hier das Privatgebet gemeint; vgl. L Ö H R , Studien, 403); Did 8,2; Iust. Mart. dial. 117,2.4; 137,2. 115 So aber z. B. P E S C H , Apg II, 33. Das gilt analog für Act 15,21. Die Darstellung hier schließt nicht aus, dass auch hier primär ein Lesen im Dienst der Lehre vorauszusetzen ist. Zudem wäre zu fragen, ob die universalistische Perspektive den historischen Gegeben‐ heiten tatsächlich entspricht oder nicht auch der Argumentationslogik geschuldet ist. ist nur möglich, wenn der auferstandene Jesus den Sinn dafür aufschließt. Im Grunde wird dies auch für das Lesen des Evangeliums selbst vorausgesetzt.“ 112 D. h. die inszenierte Darstellung in Lk 4,16-20 ist vor allem durch kompositio‐ nelle und leserpragmatische Erwägungen geprägt und weniger dadurch, eine sozialgeschichtlich identifizierbare Lesepraxis darzustellen. Es gibt keine Anhaltspunkte, das Lesen eines Zitats aus dem Buch Jesaja in Lk 4,16-20 als „gottesdienstliche“ Lesung zu charakterisieren. Eine solche Charakterisierung ist in heuristischer Hinsicht nicht zielführend. Im Kontext von Lk 4,14-32 liegt der Schwerpunkt der Darstellung eindeutig auf der Lehre Jesu. Es handelt sich also lediglich um eine primär literarisch inszenierte Impulslesung für das anschließende Lehrgespräch. Fragt man nun nach dem Verhältnis des Textes zur außersprachlichen Wirklichkeit, zeigt sich, dass der Charakter der Veranstaltung sich sehr gut einfügt in das Bild, das die insb. unter 7.4 diskutierten Quellen von der Lesepraxis am Sabbat im 1. Jh. zeichnen: Die Synagoge/ der Sabbat ist primär 113 ein Ort der Lehre und nicht des Vorlesens; wenn vorgelesen wird, steht dies im Dienst der Lehre und des Lernens. Dies entspricht auch der sonst engen Verknüpfung von Synagoge/ Sabbat und Lehren im NT (vgl. z. B. Mt 4,23 par; 9,35; 13,54 par; Joh 6,59; Act 9,20; 13,5). 114 Eindeutig bezeugt ist eine Lesung von Tora und Propheten in einer Synagoge am Sabbat in Act 13,15. Paulus und seine Begleiter gehen am Sabbat in die Synagoge in Pisidien und setze sich (Act 13,14). Sie werden μετὰ δὲ τὴν ἀνάγνωσιν τοῦ νόμου καὶ τῶν προφητῶν (Act 13,15a) von den Synagogenvorstehern um ein Wort des Trostes (λόγος παρακλήσεως) an das versammelte Volk gebeten. Die Darstellung legt nahe, dass ἀνάγνωσις hier eine Form kollektiv-indirekter Rezeption von Texten aus der Tora und aus den Propheten meint. Die Darstellung ist jedoch zu knapp, um weiterführende Schlussfolge‐ rungen bezüglich eines besonderen „gottesdienstlichen“ Charakters der syna‐ gogalen Sabbatversammlung zu ziehen. 115 Auffällig ist allerdings, dass - anders als in Lk 4 - die Trostworte nicht explizit mit dem Vorgelesenen in einen 406 8 Lesen im Neuen Testament 116 Unklar ist, worauf sich das Lesen der Propheten in Act 13,27 bezieht. Es muss sich nicht zwingend auf die Lesepraxis in Jerusalem zur Zeit des historischen Jesu beziehen, sondern kann auch die Gegenwart der Erfahrung des Autors der Apostelgeschichte widerspiegeln. 117 Vgl. insb. P E R V O , Dating; T Y S O N , Marcion; zum Problem ausführlich auch L Ü K E , Kohärenz. 118 Da möglicherweise aber auch Lk 4,16d-22 eine Ergänzung aus dem 2. Jh. darstellt, wäre eine Rückprojektion der Gegebenheiten synagogaler Veranstaltungen im 2. Jh. vorstellbar. Vgl. K L I N G H A R D T , Evangelium, 464-466. Zusammenhang gesetzt werden, sondern nur allgemein und in umfassender heilsgeschichtlicher Perspektive mit der Tora und den Propheten in Bezug gesetzt werden (vgl. insb. Act 13,17-20.27). 116 Diesen Text als Muster für die in Lk 4 dargestellte Leseszene in Anschlag zu bringen, ist nicht nur deshalb mit einigen Problemen behaftet. Einerseits handelt es sich um eine Diasporasynagoge, andererseits ist insbesondere angesichts der Diskussion um die Datierung der Apostelgeschichte 117 möglich, dass Act hier eine Situation im 2. Jh. voraussetzt, also eine Übertragung auf die Mitte des 1. Jh. in Galiläa methodisch gewagt wäre. 118 Eine Stelle in den neutestamentlichen Erzähltexten zeigt eindeutig, dass die Lektüre des AT im frühen Christentum nicht exklusiv an kollektiv-indirekte Formen der Rezeption gebunden war - und zwar die in Act 8 erzählte Begeg‐ nung des Philippos mit dem aus Jerusalem zurückkehrenden, Jesaja lesenden äthiopischen Hofbeamten der Kandake auf dem Weg von Jerusalem nach Gaza. Die für die Fragestellung dieser Studie entscheidenden Verse lauten: 28 a Und er [der Hofbeamte] war auf dem Heimweg b und saß auf seinem Wagen c und las den Propheten Jesaja (καὶ ἀνεγίνωσκεν τὸν προφήτην Ἠσαΐαν). 29 a Es sprach aber der Geist zu Philippos: b Komm heran und schließe zu diesem Wagen auf. 30 a Als Philippos aber hinlief, b hörte er ihn den Propheten Jesaja lesend (ἤκουσεν αὐτοῦ ἀναγινώσκοντος Ἠσαΐαν τὸν προφήτην) und sprach: c Verstehst du denn auch, was du da liest? (ἆρά γε γινώσκεις ἃ ἀναγινώσκεις; ) 31 a Er aber sprach: b Wie könnte ich denn, wenn niemand mich leitet (ὁδηγέω)? c Und er bat Philippos, hinaufzusteige und sich zu ihm zu setzen. 32 a Den Abschnitt der Schrift, den er las, war dieser (ἡ δὲ περιοχὴ τῆς γραφῆς ἣν ἀνεγίνωσκεν ἦν αὕτη): b Wie ein Schaf zum Schlachten geführt wurde, 407 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 119 Vgl. weiterführend die ausführliche Analyse von Act 8,26-40 bei G E N Z , Jesaja, 21-188. 120 Vgl. P E S C H , Apg I, 290; S P E N C E R , Portrait, 131-135. Vgl. aber die Kritik daran bei S C H R E I B E R , Beobachtungen, 43 f. 121 Zum Wegmotiv als wichtiges Strukturmerkmal der Perikope und dessen möglicher‐ weise tieferer Bedeutung vgl. S C H R E I B E R , Beobachtungen, 42 f.66 ff. c und wie ein Lamm vor dem Scherer stumm ist, d so öffnet er nicht seinen Mund (οὕτως οὐκ ἀνοίγει τὸ στόμα αὐτοῦ). […] 34 a Der Eunuch antwortete aber Philippos und sprach: b Ich bitte dich, c über wen sagt der Prophet dies? d Über sich oder über einen anderen? 35 a Philippos aber öffnete seinen Mund (ἀνοίξας δὲ ὁ Φίλιππος τὸ στόμα αὐτοῦ) b und er begann, ihm von dieser Schrift aus Jesus zu frohbotschaften. Die Leseszene weist in kompositorischer und thematischer Hinsicht Parallelen zur eben besprochenen Szene in Lk 4 auf: 119 a) Der Text ist konzentrisch um das Zitat in Act 8,32 f gestaltet. 120 b) Die zitierte Textmenge ist relativ klein (26 Wörter in Lk 4,8 f; 39 Wörter in Act 8,32) c) Der Erzähler präsentiert den gelesenen Text primär für die Leser der Apostelgeschichte, denn an diese wendet er sich in Form eines Erzählerkommentars in Act 8,32. Man kann nicht davon ausgehen, dass der äthiopische Hofbeamte den Text zu dem Zeitpunkt, als Philippos schon auf dem Wagen sitzt, erneut liest. Schließlich muss man aufgrund der narrativen Logik des Textes davon ausgehen, dass Philippos den Inhalt des Textes schon wahrgenommen hat. Denn die Frage in Act 8,30c bezieht sich ja darauf. d) Die Zitate stammen beide aus dem Buch Jesaja (hier Jes 53,7a-8b) und werden jeweils christologisch gedeutet. e) Die gelesenen Texte dienen jeweils nur als Impuls für ein Lehrgespräch, das hier allerdings nur summarisch angedeutet wird (Act 8,35b). Die Lesesituation ist relativ klar bestimmbar. Der Text versteht sich vor dem kulturellen Hintergrund des breit bezeugten Lesens auf der Reise/ auf dem Wagen (s. o. Anm. 61, S. 307), 121 wobei impliziert ist, dass der äthiopische Hof‐ beamte durch Bedienstete gefahren wird. Der Wagen ist ein nicht-öffentlicher Raum, in den Philippos in Folge einer Aufforderung eintreten darf (Act 8,31c) und infolge dessen der Leseprozess durch eine Gesprächspause unterbrochen wird. Die aktivischen Formulierungen von ἀναγιγνώσκω (Act 8,30b/ c.32a) legen nahe, dass der äthiopische Hofbeamte individuell-direkt liest. Es gibt dagegen keine klaren Textsignale und auch keine zwingenden kulturellen Gründe anzu‐ 408 8 Lesen im Neuen Testament 122 Mit K E E N E R , Acts, 1583, gegen B U R F E I N D , Philippus, 143 f. Der Hinweis darauf, dass Plinius sich Texte hat vorlesen lassen, ist kein Beleg dafür, dass reiche Menschen sich in der Antike generell haben vorlesen lassen. Es kommt hinzu, dass Burfeinds Interpretation der angegebenen Quellen ungenau ist. So belegt Plin. ep. 9,36,4 (s. o. Anm. 21, S. 298) nämlich eine kollektiv-indirekte Rezeptionssituation beim convivium (also eine ganz andere Situation, als sie beim Eunuchen auf dem Wagen vorauszusetzen ist); im gleichen Kontext ist dagegen außerdem eindeutig bezeugt, dass bei Plinius an individuelle Lektüre direkt mit dem Medium in der Hand zu denken ist (Plin. ep. 9,36,3). In Plin. ep. 8,1 geht es nicht darum, dass der lector Plinius etwas vorliest, sondern ersterer seine Studien anderen vorliest. Ferner trägt auch die angegebenen Stellen aus Sen. ep. 64 die Beweislast nicht, da Seneca hier genauso gut auf seine individuell-direkte Lektüreerfahrungen mit den Schriften des Stoikers Quintus Sextius verweisen kann. Dafür spricht in jedem Fall die präsentischen Formulierungen (Sen. ep. 64,3: cum legeris Sextium …; 64,4: …, cum hunc lego, …), die nicht als Rückverweis auf die in Sen. ep. 64,2 beschriebene Vorleseszene während des Symposions zu verstehen sind (s. dazu o. Anm. 20, S. 298), sondern als allgemeingültige Aussagen. Es ist bezeichnend, dass er für das Griechische im Übrigen gerade keine Belegstellen anführt. Dass individuell-indirekten Lesesituationen, die Burfeind gerade nicht anführt, relativ selten bezeugt sind (s. Anm. 28, S. 300), dagegen aber individuell-direkte Lektüre sehr breit bezeugt ist, wurde oben unter 6.2 zusammenfassend dargelegt. 123 So aber exempl. für viele C O N Z E L M A N N , Apg, 63; B A R R E T T , Acts, 427; E C K E Y , Apg I, 204; K E E N E R , Acts, 1583. 124 Angedeutet auch von J E R V E L L , Apostelgeschichte, 272. nehmen, dass der äthiopische Hofbeamte den Text individuell-indirekt rezipiert, ihn sich also vorlesen lässt. 122 Im Hinblick auf die Leseweise lässt sich feststellen, dass der Eunuch vokali‐ sierend und relativ laut liest. Dass Philippos den äthiopischen Hofbeamten lesen hört, reicht allein noch nicht zur Begründung aus (wenn jemand sub‐ vokalisierend liest, wäre das auch akustisch wahrnehmbar). Wie aber schon angedeutet, impliziert die narrative Logik des Textes, dass der erzählte Philippos anhand des Gehörten feststellen konnte, dass der äthiopische Hofbeamte den Propheten Jesaja liest (Act 8,30b). Die Frage in Act 8,30c zeigt sogar, dass er den entsprechenden Abschnitt identifizieren kann. Dass der äthiopische Hofbeamte hier vokalisierend und laut hörbar liest, sollte jedoch angesichts der Ergebnisse dieser Studie in Bezug auf das Lesen in der griechisch-römischen Welt nicht mit einer allgemeinen Praxis begründet werden, 123 sondern ist primär eben dieser narrativen Logik des Textes und der literarischen Inszenierung geschuldet: Philippos muss hören können, was der äthiopische Hofbeamte liest, um seine Frage stellen zu können. 124 Möglicherweise steht das vokalisierende Lesen hier auch in einem Zusammenhang mit der Bezeichnung des äthiopischen Hofbeamten als εὐνοῦχος (Act 8,27b.34b), für den, so es sich um einen Früh‐ kastraten handelt, die Leser eine besondere Stimmlage imaginieren können. Über die Lesefrequenz, die Kontinuität und den Umfang des Lesens kann man 409 8.2 Lesen des Alten Testaments im Neuen Testament 125 Vgl. zur Bedeutung dieses neutestamentlichen hapax legomenon B A U E R , WB, 1308; L A M P E , PGL, 1069. 126 Dass die genaue religiöse Identität (gottesfürchtiger Heide, Proselyt, Jude) im Text offenbleibt, hat A V E M A R I E , Tauferzählungen, 54-67, herausgearbeitet. 127 So z. B. P E S C H , Apg I, 289. Darüber hinaus ist die These, dass es für Nicht-Juden schwer gewesen wäre, eine Schriftrolle mit dem Propheten Jesaja zu erwerben, eine ungeschützte Behauptung. Gegen S C H N E I D E R , Art. εὐνοῦχος, 766, Anm. 26; R O L O F F , Apostelgeschichte, 140. 128 S. zur Diskussion z. B. P E S C H , Apg I, 292; K E E N E R , Acts, 1584 f. 129 Vgl. BDR § 488,1; V O N S I E B E N T H A L , Grammatik, §249 f. 130 Neben 2Kor 1,13; 3,2 findet sich ein ähnliches Wortspiel bei Orig. comm. in Matt. 10,15; Iul. ep. 157 [ed. Bidez]: ‚ἀνέγνων, ἔγνων, κατέγνων·‘ τοὺς δὲ πρὸς ταῦτα ἀντιγράψαι· ‚ἀνέγνως, ἀλλ’ οὐκ ἔγνως· εἰ γὰρ ἔγνως, οὐκ ἂν κατέγνως‘. u. (Ps-)Iul. ep. 81 (= Basil. ep. 40): ἃ γὰρ ἀνέγνων, ἔγνων καὶ κατέγνων (vgl. aber ed. Courtonne: ἃ γὰρ ἀνέγνων κατέγνω). nur sehr wenig sagen. Auffällig ist allerdings der Hinweis darauf, dass der äthiopische Hofbeamte einen Abschnitt (περιοχή) liest. 125 Es wird also ein Bewusstsein für Textstrukturen vorausgesetzt. Womöglich ist sogar gemeint, dass der äthiopische Hofbeamte sich intensiver mit einem Teil des Textes beschäftigt. Zudem ist der Darstellung zu entnehmen, dass der Eunuch nicht bloß oberflächlich den Text rezitiert, sondern dass er seinen Inhalt aufmerksam zur Kenntnis nimmt (s. u.). Bezüglich des Ziels/ Zwecks der Lektüre des äthiopischen Hofbeamten ist zu‐ nächst zu berücksichtigen, dass dieser auf dem Rückweg seiner Wallfahrtsreise zur Proskynese in Jerusalem (Act 8,27) befindet. Er wird also als dem Judentum nahestehende eingeführt. 126 Daher setzt er sich mit dem prophetischen Text auseinander. Inwiefern seine Jerusalemreise mit dem Besitz einer Jesajarolle in Zusammenhang steht, also ob er sie dort erworben (oder eben schon vorher besessen) hatte, 127 kann man aus dem Text jedoch nicht erschließen. Die Frage nach der Sprache, die der äthiopische Hofbeamte liest, ist ebenfalls sekundär. 128 Die Darstellung impliziert, dass es sich nicht nur um eine reine geistliche Übung handelt, bei welcher der Text um des Lesens willen lautlich realisiert wird, son‐ dern dass die Lektüre des äthiopischen Hofbeamten auf das Verstehen des Textes angelegt ist. So geht aus der Frage in Act 8,34c/ d, die der äthiopische Hofbeamte dem Philippos stellt, eindeutig hervor, dass er den Inhalt des Textes verstanden hat. Die Frage nach außersprachlichen Textreferenzen offenbart eine hohe Lesekompetenz auf Seiten des äthiopischen Hofbeamten, der lediglich bei der Interpretation Anleitung benötigt. Es ist also im Hinblick auf die Paronomasie 129 ἆρά γε γινώσκεις ἃ ἀναγινώσκεις; (Act 8,30c), die zwei enge Parallelen im 2Kor hat und auch sonst nicht analogielos ist, 130 von einem interpretatorischen, 410 8 Lesen im Neuen Testament 131 So auch G E N Z , Jesaja, 93, mit Verweis auf R O L O F F , Apostelgeschichte, 140. 132 Vgl. neben der Paronomasie in Act 8,30c v. a. den optativus potentialis mit ἄν in Act 8,31. Vgl. P E S C H , Apg I, 292; J E R V E L L , Apostelgeschichte, 272; B A R R E T T , Acts, 428. 133 Auf die „Konstruiertheit“ der Szene verweist auch schon S C H N E I D E R , Apostelgeschichte, 503. 134 Dies gilt umso mehr, als die Erzählung durch die Leerstelle der Antwort auf die Frage des Eunuchen im Hinblick auf die Leserinnen und Leser geöffnet ist. Vgl. M Ü L L E R , Lesen, 12. 135 Vgl. nur die Reisetätigkeit, welche die paulinischen Briefe sowie Act voraussetzt. Vgl. dazu z. B. die Beiträge in A L K I E R / R Y D R Y C K , Paulus. Vgl. ferner für das 2. und 3. Jh. M A R K S C H I E S , Frömmigkeit, 23-28. genauer gesagt christologischen, Verstehen auszugehen. 131 Dies korrespondiert mit der schon häufig in der Forschung gemachten Beobachtung, dass die Stilistik der Figurenrede, die hohe Bildung sowohl des äthiopischen Hofbeamten als auch von Philippos hervorhebt. 132 Auch wenn es sich hier wie schon in Lk 4 um eine stark literarisch inszenierte Leseszene handelt, 133 so verweist die Leseszene auf die kulturell bekannte Praxis individuell-direkter Lektüre. 134 Es ist bezeichnend, dass das lukanische Doppelwerk die christologische Schriftauslegung einmal anhand einer kollektiv-indirekten Rezeptionssituation der Schrift und einmal anhand einer individuell-direkten Leseszene thematisiert. Angesichts dieses Befundes ist - bei allen methodischen Schwierigkeiten zur Bestimmung der genauen historischen Referenzialität auf der Ebene der Adressaten - Vorsicht geboten, Lesen im frühen Christentum monosituativ in performativen Gruppenlesungen zu situieren. So kann ausgehend von der Leseszene in Act 8 z. B. geschlussfol‐ gert werden, dass angesichts der im frühen Christentum vorauszusetzenden Mobilität 135 zumindest die Gebildeten z. B. auch auf ihren Reisen (wenn man keinen Wagen voraussetzen möchte, dann doch zumindest auf Schiffsreisen) individuell-direkt gelesen haben. 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre Im Folgenden ist nun zu fragen, ob die Briefe im Corpus Paulinum Aufschluss über Paulus’ eigene Brieflektüre geben und inwiefern das Lesen von Briefen selbstreferenziell reflektiert wird. Es ist dabei notwendig, zwischen den für authentisch gehaltenen Briefen und den pseudepigraphen Briefen im Corpus Paulinum zu unterscheiden. Denn über die Brieflektüre des historischen Paulus geben nur erstere Aufschluss. Aber auch bezüglich der Frage nach der Lektüre von Paulusbriefen in den frühchristlichen Gemeinden sind die authentischen 411 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 136 Das Pronomen μοι fehlt u. a. in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 א B C 33. 81. 1739. 1881. 2464, r, wird aber von A D F G Ψ M ar b vg cl sy co; Ambst (4. Jh.! ) Pel gelesen. Allein aus „zuverlässigen Hsn.“ (Z E L L E R , 1Kor, 236, Anm. 10) oder - wie die Herausgeber der historisch-kritischen Aus‐ gaben - aus dem Fehlen im Sinaiticus und Vaticanus sicher zu schließen, dass das Pro‐ nomen ursprünglich gefehlt hat, ist aus meiner Sicht methodisch nicht haltbar. Dazu sei nur auf auf das Fehlen des Pronomens μου in 1Kor 1,11 in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 C* 104 pc ar b d; Ambst hingewiesen, was von den historisch-kritischen Ausgaben (m. E. inkonsequent) als sekundäre Streichung interpretiert wird. Das Fehlen könnte angesichts neuerer Er‐ kenntnisse aus der Untersuchung von scribal habits anhand von singulären Lesarten in den Papyri möglicherweise auf die Gewohnheit eines einzelnen Schreibers zurückzu‐ führen sein. So hat R O Y S E , Habits, gezeigt, dass die Regel lectio brevior vor allem bei kleineren, stilistischen Textveränderungen an ihre Grenzen kommt. Andererseits wäre es auch möglich, dass die Veränderungen auf einen gezielten redaktionellen Schritt bei der Zusammenstellung der Paulusbriefe zur Vierzehn-Briefe-Sammlung vorgenommen worden sind, wobei die Handschriften, die auf diese Vierzehn-Briefe-Sammlung zu‐ rückgehen, durch - in diesem Modell dann - ältere Lesarten, die in der historisch be‐ zeugten Zehn-Briefe-Sammlung standen, kontaminiert worden sind. Dieses Phänomen lässt sich an anderen Stellen eindeutig nachweisen. Vgl. dazu weiterführend F L E M ‐ M I N G , Textgeschichte; G O L D M A N N , Textgeschichte. In beiden Fällen hätten sich die Text‐ veränderungen sehr disparat in den Handschriften erhalten. Eine eindeutige Entschei‐ dung über den Text im dokumentarischen Korintherbrief an diesen beiden Stellen ist m. E. auf der Grundlage des handschriftlichen Befundes nicht möglich. 137 Vgl. exempl. C O N Z E L M A N N , 1Kor, 146; G Ä C K L E , Korinth, 110, Anm. 1; P O I R I E R , Paul, 68. Briefe und die Deuteropaulinen aus methodischen Gründen zunächst getrennt voneinander zu untersuchen. Es ist schließlich möglich, dass die pseudepigra‐ phen Briefe für eine andere Rezeptionsform konzipiert worden sind als die authentischen Paulusbriefe. Zudem muss ferner gefragt werden, in welchem Verhältnis dieses Problem zur Zusammenstellung von Briefsammlungen im frühen Christentum steht. 8.3.1 Die Brieflektüre des historischen Paulus Für die Untersuchung der Brieflektüre des historischen Paulus kommen Stellen in den für authentisch gehaltenen Briefen in Frage, an denen Paulus auf Nachrichten aus den Gemeinden Bezug nimmt. Im Folgenden ist dazu der 1Kor in den Blick zu nehmen, da sich hier ein sicherer Bezugspunkt für Paulus’ Brieflektüre findet; und zwar nimmt er in 1Kor 7,1 explizit Bezug auf einen Brief der Korinther, auf dessen Inhalt er im Folgenden antwortet: „Über das aber (περὶ δέ), was ihr [mir] 136 geschrieben habt: …“ Ein Problem der Exegese der Korintherkorrespondenz besteht jedoch darin, innerhalb des Briefes die Passagen zu identifizieren, in denen Paulus Bezug auf dieses Schreiben nimmt. Ein Großteil der Forschung nimmt an, dass die analoge Einleitung mit περὶ δέ in 1Kor 7,25; 8,1; 12,1; 16,1.12 ebenfalls auf dieses Schreiben Bezug nimmt. 137 412 8 Lesen im Neuen Testament 138 Vgl. M I T C H E L L , ΠΕΡΙ ΔΕ. 139 Vgl. dazu mit den entsprechenden Referenzen M I T C H E L L , ΠΕΡΙ ΔΕ, 229-231. Vgl. zum Forschungsstand zu Briefteilungshypothesen des 1Kor Z E L L E R , 1Kor, 52-58. 140 Vgl. H U R D , Origin, 61-94. 141 Vgl. M I T C H E L L , ΠΕΡΙ ΔΕ, 236-254. 142 M I T C H E L L , ΠΕΡΙ ΔΕ, 256, Anm. 119. 143 Vgl. M I T C H E L L , ΠΕΡΙ ΔΕ, 256. 144 Vgl. M I T C H E L L , ΠΕΡΙ ΔΕ, 244. Ausführlich kritisiert wurde diese These von M. M. Mitchell, 138 die sich vor allem gegen daraus abgeleitete Briefteilungshypothesen 139 und die These J. C. Hurds positioniert hat, die eklektische Bezugnahme auf mündlich und schriftlich erhaltene Informationen erkläre den unterschiedlichen Ton in der paulinischen Argumentation. 140 Mitchells Hauptargument ist, dass die Einleitung mit περὶ δέ keinesfalls zwingend auf einen schriftlich konzeptualisierten Kommunikationsakt Bezug nimmt. Dies zeigt sie anhand einer umfangreichen Analyse des Vorkommens von περὶ δέ in literarischen und rhetorischen Texten (auch in literarischen Briefen), in dokumentarischen Briefen und auf der Grundlage der Verwendung im NT. Ihre Analyse führt sie zu der plausiblen Schlussfolgerung, dass περὶ δέ als allgemeine Einleitungsformel für ein neues Thema fungiert und sich auch in Briefen auf mündliche Kommunikationsakte beziehen kann. 141 Mitchell betont aber, dass ihre Analyse umgekehrt auch nicht beweise, „that the topics under περὶ δέ were not mentioned in the Corinthian letter.“ 142 Das bedeutet, dass die Frage für Mitchell offen bleibt, und sich die angeführten As‐ pekte auf schriftlich oder mündlich konzipierte Kommunikationsakte, aber auch einfach nur auf Elemente der gemeinsamen Erfahrungswelt beziehen können. 143 Mitchell ist nun insofern zuzustimmen, als weiterführende Hypothesen zu Brief‐ teilungen oder der Vorlage der Gliederung schon im Brief an Paulus nur auf der Grundlage der Einleitung mit περὶ δέ aus methodischen Gründen abzulehnen sind. Allerdings weist Mitchells eigene Analyse eine methodisch gravierende Schwäche auf, die sich vor dem Hintergrund der in dieser Studie vorgelegten Analyse der griechischen (und lateinischen) Leseterminologie offenbart. Und zwar basieren die Ergebnisse ihrer Untersuchung von Einleitungen mit περὶ δέ in dokumentarischen Briefen, die aus ihrer Sicht die entscheidenden Parallelen zum Stil und den Konventionen der paulinischen Briefliteratur darstellten, 144 auf der Vorannahme, dass verba dicendi und verba audiendi ein eindeutiger Indi‐ kator für mündlich konzeptualisierte Kommunikationssituationen wären. Dass dies eine Fehlannahme ist und z. B. insbesondere in der epistolographischen 413 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 145 Exemplarisch verwiesen sei auf einen Privatbrief, in dem der Briefautor Phampeis mit der Formel ἤκουσα γάρ ὅ[τ]ι … (BGU 1 246,19) auf eine Information über eine gewisse Hermione (Z. 17: καὶ περὶ Ἑρμιόνης …) verweist, die eindeutig als dem Briefempfänger zugehörig gekennzeichnet ist. M I T C H E L L , ΠΕΡΙ ΔΕ, 246, schlussfolgert aus dem Vorkommen des Verbes ἀκούω, dass sich Phampeis hier auf eine mündlich konzeptualisierte Kommunikationssituation bezieht. Unter 3.2 wurde ausführlich ge‐ zeigt, dass sich analoge Formulierungen mit ἀκούω sehr häufig auf etwas Gelesenes bezieht. 146 Vgl. M I T C H E L L , ΠΕΡΙ ΔΕ, 254.256. Vgl. außerdem M I T C H E L L , Paul, passim und ferner exempl. H U R D , Origin, 75-82. 147 S C H R A G E , 1Kor I, 368. 148 T H I S E L T O N , 1Cor, 385; vermutet auch von Z E L L E R , 1Kor, 199; vorsichtiger hingegen S C H R A G E , 1Kor I, 368: „Was genau die Quelle des Gehörten ist, läßt sich nicht sagen, doch ist noch einmal zu erinnern, daß die negativen Nachrichten über korinthische Vorgänge vor allem auf mündliche Übermittlung zurück zu gehen scheinen (vgl. 1,11; 11,18).“ 149 Vgl. z. B. B O E R , Composition, 233; H U R D , Origin, 77, hält die Entscheidung offen, ob die Informationen von den Leuten der Chloë oder von der am Briefende genannten Delegation stammen. 150 Vgl. W E I S S , 1Kor, 124. Kommunikation λέγω im Sinne von schreiben und ἀκούω im Sinne von lesen verwendet werden konnte, ist oben ausführlich dargelegt worden. 145 Aus den unter Punkt 3.2 dargelegten Überlegungen ergibt sich, dass Paulus in 1Kor 1,11 und 11,18 eben nicht eindeutig auf oral communication referierte, wie Mitchell mit Verweis auf 1Kor 5,1 und auf Stephanas, Fortunatus und Achaikus, auf dessen Ankunft Paulus am Schluss seines Briefes verweist (1Kor 16,17), postulieren. 146 Zunächst ist aus meiner Sicht völlig offen, ob Stephanas, Fortunatus und Achaikus - möglicherweise die Boten des in 1Kor 7,1 genannten Briefes - Paulus über Missstände in Korinth unterrichtet haben. Für eine solche Verknüpfung fehlt m. E. ein sicheres Textsignal in 1Kor 16,17 f (s. u.). Ferner ist es aus anderen Gründen auch in 1Kor 5,1 nicht eindeutig, dass Paulus sich dort auf Nachrichten bezieht, die ihm in mündlicher Form mitgeteilt worden sind, wie in der Forschung gemeinhin angenommen wird. 1Kor 5,1a (ὅλως ἀκούεται ἐν ὑμῖν πορνεία) wird in der Kommentarliteratur üblicher‐ weise so verstanden, dass Paulus sich hier auf etwas bezieht, das „ihm zu Ohren gekommen ist“. 147 Dabei werden unterschiedliche Möglichkeiten der Transmission angenommen: z. B. a) es bestehe Kontinuität zum „oral report brought by Chloe’s people“ 148 (1Kor 1,11); b) die Informationen stammten von den in 1Kor 16,17 genannten Personen; 149 c) es handle sich um ein anonymes Gerücht, das in Nachbargemeinden über die Korinther kursierte und bis nach Ephesus vorgedrungen sei. 150 Die Deutung c) ist insofern problematisch, als eine lokale Sinnrichtung von ὅλως postuliert werden 414 8 Lesen im Neuen Testament 151 Das sieht auch W E I S S , 1Kor, 124, dessen Argumente gegen die modale Bedeutung ins Leere laufen, da er die Möglichkeit eines rhetorischen Partikelngebrauchs überhaupt nicht in Erwägung zieht. So angedeutet von S C H R A G E , 1Kor I, 368, der von einer „lose[n] Übergangswendung“ spricht. 152 W E I S S , 1Kor, 124. 153 So z. B. auch G R A B N E R / K R I T Z E R / P A P A T H O M A S / W I N T E R , 1Kor, 196. muss, die sonst nicht belegt ist 151 und in einer Spannung zu Paulus’ eigenem Gebrauch in 1Kor 6,7 und 15,29 stünde. Alle drei Interpretationen setzen sodann voraus, dass sich ἐν ὑμῖν auf πορνεία bezieht, wobei die grammatikalische Konstruktion als elliptischer NcP aufgefasst wird: „Überhaupt hört man, dass Unzucht unter euch ist“ (z. T. übersetzt mit einer von-Phrase: „von Unzucht unter euch“). Dazu hat schon J. Weiss bemerkt, dass ἐν ὑμῖν „- bei jeder Deutung von ὅλως - eigentlich zu ἀκούεται gezogen werden müßte“. 152 Er verwirft diese grammatische Zuordnung jedoch, da sie aus seiner Sicht keinen Sinn ergebe. Allerdings lässt sich sehr wohl ein Sinn erschließen, der sogar gut in den Kontext passt und zu einer stärkeren argumentativen Kohärenz im Übergang von Kapitel 4 und 5 führt, ordnet man ἐν ὑμῖν dem Verb zu: „Überhaupt hört man unter euch von Unzucht.“ Liest man den Satz in dieser grammatischen Zuordnung, will Paulus hier gar nicht betonen, dass er etwas gehört habe. Vielmehr spielt er auf Gerede in der korinthischen Gemeinde an, 153 wobei er offen lässt, woher er die Informationen hat. Für diese Deutung spricht, dass Paulus hier eine passivische Formulierung wählt, während er in 1Kor 11,18 in der ersten Sg. eindeutig macht, dass er gehört hat, oder in 1Kor 1,11 auch ganz eindeutig er als Adressat der Mitteilung gilt. Sodann könnte die Wortstellung in 1Kor 5,1 darauf hindeuten, dass Paulus das ἀκούεται ἐν ὑμῖν betonen möchte; es geht ihm also zunächst weniger darum, die πορνεία an sich zu kritisieren, sondern den Umgang damit in der korinthischen Gemeinde. Genau auf diese Kritik folgt dann ja auch in 1Kor 5,2: „und ihr seid aufgeblasen (πεφυσιωμένοι) und nicht traurig geworden, sodass ihr den aus eurer Mitte verstoßen hättet, der diese Sache tat.“ Wie schon in 1Kor 4,6.8 f wirft er einigen Korinthern vor, dass sie sich wichtig machen (φυσιόω); dass es sich dabei um ein verbales „Sich-Wichtig-Tun“ handelt, steckt nicht nur in der Semantik des Verbes, sondern wird durch die Formulierung ὁ λόγος τῶν πεφυσιωμένων (1Kor 4,19) deutlich. Das Hören in 1Kor 5,1 und das Aufgeblasen-Sein in 1Kor 5,2 bilden also durchaus zwei Seiten derselben Medaille. Es wäre nun lohnenswert zu überlegen, welche Bedeutung diese Interpretation für die argumentative Kohärenz der Kapitel 4 und 5 hätte. Dies führte aber im Rahmen dieser Studie zu weit. Derartige Überlegungen beweisen freilich nicht, dass Paulus sich auf Informationen bezieht, die in dem Brief aus der korinthischen Gemeinde zu finden waren, den Paulus in 1Kor 7,1 erwähnt. Dies liegt wegen der thematischen Überschneidungen zwischen Kapitel 5 und 7 nur im Bereich des Möglichen. Paulus könnte, bevor er in 1Kor 7,1 auf eine konkrete Anfrage reagiert, zu den Ausführungen 415 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 154 Vgl. S C H N E L L E , Paulus, 204. 155 Das Pronomen ist textkritisch allerdings nicht sicher bezeugt. Es fehlt in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 C* 104 pc ar b d; Ambst. Das gleiche Phänomen findet sich in 1Kor 7,11, wo die Herausgeber der kritischen Ausgaben sich allerdings dazu entschieden haben, das Pronomen trotz breiter Bezeugung in den Hss. nicht in den Text zu übernehmen. 156 Eindrücklich z. B. Demosth. or. 59,94. Das Adjektiv δῆλος, von dem das Verb abgeleitet ist (vgl. B E E K S , EDG, 324), hat die Grundbedeutung deutlich, klar (für das Auge) bzw. bedeutet im metaphorischem Sinne so viel wie einleuchtend, evident (für das innere Sehen, das Verstehen). Freilich wird das Verb vielfach in mündlichen Kommunikations‐ situationen als usuelle Metapher in der Bedeutung zeigen, beweisen, bekannt machen usw. verwendet. Vgl. mit den entsprechenden Belegstellen M O N T A N A R I , BDAG, 474. Diese Verwendungsweise wird aber nur im Kontext, nicht aus der Semantik des Verbes selbst deutlich. 157 Vgl. vor allem die Formulierung δηλοῦν διὰ τῆς ἐπιστολῆς z. B. bei Polyb. 5,102,2; Ios. ant. 9,5,2 (101); bell. Iud. 1,174 (hier im Plural); Eus. vita Const. 3,23,1; Epiph. Panar. 3,7; bei Plutarch (qu. R. 39) auch mit der Präposition ἐν; bei Clemens von Alexandria (strom. 4,15,97,3) auch mit der Präposition κατά; vgl. außerdem mit Bezug auf einen Brief Thuk. 1,129,1; 1,37,4; 7,16,1; Strab. 15,1,73; Plut. Publ. 4,2; Ios. ant. 11,1,3 f (18.21) u. ö.; Lukian. ver. hist. 2,35; Athen. deipn. 3,54 u. ö.; mit Bezug auf Inschriften z. B. Thuk. 1,134,4; Lukian. Tox. 6; Paus. 1,3,3; mit Bezug auf die „heilige(n) Schrift(en)“ Philo spec. 2,134; Iust. Mart. dial. 85. Vgl. außerdem die zahlreichen Belegstellen bei Appian (Ann. 1,1.4 u. ö.), der das Verb verwendet, um auf andere Schriften von ihm zu verweisen. 158 In einem Privatbrief aus der 1. Hälfte des 2. Jh. bittet Theon seine Mutter Philumene: „wenn du sie [die genannte Ware] erhalten hast, lass es mich wissen“ (κομισαμένη οὖν δήλωσόν μοι, P.Oxy. 10 1293,7); die nachfolgende Z. 8 macht ganz eindeutig, dass Theon einen Antwortbrief (ἐπιστολὰς παρʼ αὐτοῦ) erwartet. Die Formulierung δήλωσόν μοι ist eine gängige Formel in dokumentarischen Briefen, um eine (zumeist in 1Kor 5,1 durch deskriptive Zusatzinformationen inspiriert worden sein, welche die Korinther im Zuge der Anfrage mitgeliefert haben. Auch das ist allerdings reine Spekulation. In 1Kor 1,11 begründet Paulus seine Paränese (1Kor 1,10), die den paränetischen Charakter des Briefes insgesamt einleitet, 154 mit dem Verweis auf einen Streit (ἔρις) in der korinthischen Gemeinde. Dieser Streit sei ihm offenbart worden durch „durch die der Chloë“ (ἐδηλώθη γάρ μοι περὶ ὑμῶν … ὑπὸ τῶν Χλόης …). Im Unterschied zu 1Kor 5,1 sind hier sowohl die Sender als auch der Empfänger (siehe das Pronomen μοι) 155 der Nachricht explizit genannt, sodass von einem intentionalen Kommunikationsakt ausgegangen werden kann. Das Verb δηλόω setzt keinesfalls zwingend eine mündlich konzeptualisierte Kommunikations‐ situation voraus. Vielmehr ist δηλόω semantisch mit visueller Wahrnehmung konnotiert 156 und kann schriftliche Dokumente, vor allem Briefe als Subjekt oder adverbiale Bestimmung haben. 157 Vor allem in dokumentarischen Briefen ist das Verb häufig bezeugt und verweist auf einen brieflich konzeptualisierten Kommunikationsakt. 158 Die Verwendung des Verbes deutet also durchaus darauf 416 8 Lesen im Neuen Testament implizit vorausgesetzte) briefliche Antwort zu erbitten. Vgl. exempl. aus der Vielzahl von Belegen BGU 1 248,10.24; 2 384,6; 2 615,28; SB 4 7357,19. Vgl. außerdem P.Oxy. 2 237,6,11: „Auf schlichte Weise hat er dir durch den Brief Folgendes kundgetan … (ψειλῶς σοι διὰ τῆς ἐπιστολῆς δεδήλωκεν τάδε …).“ M O U L T O N / M I L L I G A N , Vocabulary, 144, bezeichnen die in den genannten Quellen repräsentierten Verwendungsweise als „typical of great many occurrences.“ 159 Vgl. z. B. H U R D , Origin, 78-82. 160 U. B. Müller weist darauf hin, dass der Nebensatz „sogleich durch einen parenthetisch gesetzten Zwischengedanken unterbrochen [wird], der sprachlich eine Beviloquenz darstellt. Genauer müßte es heißen: ‚… damit - ob ich komme und euch sehe oder ferne bin und über euch höre (ἀκούω) - ich erfahre (μάθω o. ä.), daß …‘“ (M Ü L L E R , Phil, 75). 161 Gegen W A L T E R / R E I N M U T H / L A M P E , Phil, Thess, Philm, 46, die einen eindeutigen Bezug auf einen mündlichen Kommunikationsakt postulieren. hin, dass Paulus schon zu Beginn des 1Kor auf schriftlich konzeptualisierte Kommunikation verweist. Dies gilt möglicherweise auch für den Verweis von Paulus in 1Kor 11,18, er habe von Spaltungen in der korinthischen Gemeinde gehört (ἀκούω), die durch die Mahlpraxis hervorgerufen werden. Üblicherweise wird dieser Vers so ausgelegt, als beziehe sich Paulus hier ebenfalls auf münd‐ lich übermittelte und womöglich sogar inoffizielle Informationen. 159 Wie oben gezeigt wurde, ist das Verb ἀκούω ein gängiges Wort in der antiken epistologra‐ phischen Kommunikation und kann die Rezeption von Informationen in Briefen bezeichnen. Der Gebrauch impliziert in Briefen noch nicht einmal zwingend, dass die Briefe vokalisierend gelesen werden, sondern kann auch - entspre‐ chend dem Konzept, dass Briefkommunikation als Gespräch unter Abwesenden konzeptualisiert war - eine individuell-direkte, nicht-vokalisierende Lektüre eines Briefes voraussetzen. Diese Überlegungen belegen im Umkehrschluss zwar auch nicht, dass sich Paulus in 1Kor 1,11 und 11,18 auf briefliche Kommunikationsakte bezieht. Aber es ist deutlich geworden, dass die methodischen Vorbehalte, die Mitchell als Schlussfolgerungen formuliert, auch für andere Stellen im 1Kor gelten müssen, an denen Paulus auf Kommunikation mit Mitgliedern der Korinther verweist. Aus dem bloßen Vorkommen von περὶ δέ kann nicht auf die dahinterliegenden Kommunikationssituationen geschlossen werden. Es bedarf exakter Kontext‐ marker, um die Kommunikationssituation eindeutig bestimmen zu können. Dies ist aber ausschließlich in 1Kor 7,1 der Fall, wo Paulus zweifellos auf schriftlich konzeptualisierte Kommunikation Bezug nimmt. Analoge Überlegungen haben auch für die Formulierung ἵνα εἴτε ἐλθὼν καὶ ἰδὼν ὑμᾶς εἴτε ἀπὼν ἀκούω τὰ περὶ ὑμῶν 160 in Phil 1,27 zu gelten. Mit dem hier verwendeten Verb ἀκούω kann Paulus sich auf von ihm antizipierte zukünftige Briefkommunikation beziehen. 161 417 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 162 S. aus der Vielzahl der Belege insb. BGU 4 1079,6-9; (s. o. S. 108); Hdt. 1,123,4 (s. o. S. 148); Plut. de Alex. fort. 1,11 (mor. 332e-333a; s. o. S. 119); Cic. Phil. 2,7 (s. o. S. 143); Plut. Brut. 5; 2Kön 5,7; 19,14 (s. o. S. 314). S. außerdem die Belege in Anm. 1, S. 381. 163 Vgl. exempl. für viele O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 227; B A U E R , Paulus, 77 f.88.103.163.242.380; S C H N E L L E , Einleitung, 54.427. 164 O E S T R E I C H , Performanzkritik, 14. 165 Vgl. O E S T R E I C H , Performanzkritik, 45-86. In welcher Form Paulus Briefe aus seinen Gemeinden nun aber genau rezipiert hat, lässt sich aus den Briefen selbst nicht erheben. Es gibt in den Briefen keine sicheren Belege, dass Briefboten aus den Gemeinden oder einer seiner Mitarbeiter ihm die Briefe vorgelesen hätten. In Analogie zu zahlreichen Quellenbelegen, bei denen an Individuen gerichtete Briefe individuell-direkt gelesen werden, 162 kann man dies auch für Paulus vermuten. 8.3.2 Die anvisierte Rezeptionsform der Paulusbriefe in den paulinischen Gemeinden Nach der Besprechung der Brieflektüre durch Paulus selbst ist nun danach zu fragen, welche Rezeptionssituation Paulus bei der Abfassung seiner Briefe in den Empfängergemeinden anvisierte. Analytisch davon zu unterscheiden ist die Frage, wie die dokumentarischen Briefe in den Gemeinden tatsächlich erstrezipiert worden sind. Auf diese zuletzt angeführte Frage lässt sich mangels Quellenzeugnissen keine Antwort geben. Hinweise zur Beantwortung der ersten Frage verspricht die Auswertung der wenigen direkten Verweise auf die Verlesung von Briefen einerseits und von Reflexionen der anvisierten Briefrezeption in den Paulusbriefen andererseits. Der Großteil der Forschung geht davon aus, dass die Paulusbriefe in der (got‐ tesdienstlichen) Gemeindeversammlung der Empfängergemeinden verlesen worden seien. 163 Dabei ist es insbesondere für die Performanzkritik von großer Bedeutung, den besonderen performativen Charakter dieser Verlesungen zu be‐ tonen und die damit verbundenen Implikationen für die Interpretation der Briefe herauszuarbeiten. Der Briefempfang wird als soziales Ereignis verstanden, bei dem „Akteure [scil. Briefbote und ein eigens ausgewählter Vorleser] und Publikum gemeinsam ein Geschehen vollziehen, das in einer von Mündlichkeit geprägten Kultur bestimmten Konventionen folgt und doch jeweils einmalig ist.“ 164 Das Ereignis des Briefempfangs, das die Performanzkritik idealtypisch zu rekonstruieren versucht, sei wegen der Gestaltung der Interaktion durch die Strategien des Vorlesers und durch die Reaktionen und Gespräche im Publikum im besonderen Maße durch Ephemeralität und Emergenz geprägt. 165 Es geht 418 8 Lesen im Neuen Testament 166 Auch wenn Oestreich durchaus die Grenzen der Methode benennt (vgl. O E S T R E I C H , Performanzkritik, 60-62), bleibt die Rückfrage C. Gerbers berechtigt, wie eine fast 2000 Jahre zurückliegende Performanz eines Briefes gerade angesichts deren ephemeren und emergenten Charakters rekonstruiert werden sollte (vgl. G E R B E R , Rez. Oestreich, Performanzkritik, 204). Aus der Sicht Gerbers bleibe die Studie „[m]angels Zeugnissen der Resonanz dieser Briefe […] letztlich bei der Textentstehung stehen, zuweilen noch verengt auf die Frage nach der Autorintention“ (G E R B E R , Rez. Oestreich, Performanz‐ kritik, 205). 167 Vgl. z. B. O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 226 f; O E S T R E I C H , Performanzkritik, 33. 168 Vgl. zum Folgenden S T I R E W A L T , Writer, 1-24; T S A N G , Misreading; O E S T R E I C H , Perfor‐ manzkritik, 1-44.64-86. 169 O E S T R E I C H , Performanzkritik, 1 [Herv. im Original]. 170 Vgl. die berühmte Aussage zu den Paulusbriefen als „wirkliche Briefe“ bei D E I S S M A N N , Licht, 198. 171 O E S T R E I C H , Performanzkritik, 65. 172 Vgl. O E S T R E I C H , Performanzkritik, 65-70. im Folgenden allerdings nicht darum, die Methode der Performanzkritik zu ver‐ handeln, 166 sondern lediglich die Grundannahme zu diskutieren, dass Paulus bei der Abfassung eine spezifische Vortragssituation anvisierte bzw. dass die Briefe performativ in der Gemeindeversammlung vorgelesen wurden. Neben den oben im Einleitungskapitel (1) problematisierten, allgemeinen Vorurteilen über die antike Lesepraxis und das antike Verständnis schriftlicher Lesemedien 167 werden insbesondere die folgenden Argumente angeführt, um die These einer (perfor‐ mativen) Verlesung in der Gemeindeversammlung zu belegen: 168 a) Antike brieftheoretische Reflexionen, in denen Briefe mit Reden verglichen worden seien, hätten Briefe damit „in die Nähe mündlicher Kommunikation“ 169 gestellt. b) Die Paulusbriefe sind an ein Kollektiv, eine Hausgemeinde oder mehrere Gemeinden, adressiert. Daher seien die Briefe von Paulus nicht mit antiken Privatbzw. Papyrusbriefen zu vergleichen, wie es seit Deissmann 170 in der Forschung weit verbreitet ist, sondern mit „offiziellen, administrativen Briefen von Herrschern oder Beamten“. 171 Diese seien nach einem bestimmten Protokoll empfangen und rezipiert worden, wobei Act 15,30-32 als Beleg dafür dient, dass dieses auch im frühen Christentum galt. Für die Paulusbriefe postuliert Oestreich folgenden gesellschaftlich etablierten Ablauf der Briefrezeption: 1. Transport durch Briefboten; 2. Übergabe an Gruppe oder Repräsentanten; 3. Bestimmung eines Vortragenden aus dem Kreis der Briefempfänger; 4. Vorberei‐ tung des Vortrags; 5. Einberufung einer Versammlung; 6. Einnahme der Plätze; 7. Begrüßung des Boten und Präsentation des Briefes; 8. Vortrag des Briefes; 9. Diskussion in der Versammlung und Botenbefragung; 10. Vorbereitung der Antwort und Entlassung des Boten. 172 c) In den Paulusbriefen selbst scheine die (antizipierte) Vorlesesituation in unterschiedlicher Form durch. 419 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 173 Vgl. F Ö L L I N G E R , Mündlichkeit, 280. Wichtig erscheint gerade im Hinblick auf schriftliche Briefkommunikation ihre Abgrenzung vom Terminus der „fiktiven Mündlichkeit“, die für mimetische Formen des Dialogs passend sind. Vgl. zur fiktiven Mündlichkeit in Reden F U H R M A N N , Mündlichkeit. 174 So z. B. zu finden bei C O L L I N S , Command. Man kann aus anderen, v. a. sozialgeschicht‐ lichen, Gründen sowie den eigenhändigen Briefunterschriften (s. dazu Anm. 225, S. 434) plausibel machen, dass Paulus seine Briefe diktiert hat. Allerdings ist z. B. auch belegt, dass Cicero ganze Briefe durchaus selbst geschrieben hat. Vgl. Cic. ad Brut. 2,15,1. S. außerdem die Belege unter Anm. 44, S. 499. 175 Vgl. dazu die Verweise in Anm. 159, S. 146. 176 Nur wenige Beispiele seien zur Illustration angeführt: Plinius diskutiert analog zu der noch zu besprechenden Stelle bei Demetrios von Phaleron die Merkmale von Geschichtsschreibung (historia) in Relation zur Rede (oratio) und stellt heraus, dass es viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gebe. Vgl. Plin. ep. 5,8,9-11. Cassiodor reflektiert im Vorwort seiner Institutiones (Cassiod. inst. 1, praef. 1), dass seine Bücher sich nicht durch rhetorische Eloquenz auszeichneten, sondern durch die direkte Rela‐ tion zum Gegenstand. Daraus wird deutlich, dass man sich beim Abfassen antiker Texte an den Regeln der antiken Rhetorik orientierte, wie z. B. aus zahlreichen Passagen bei Quintilian (vgl. exempl. Quint. inst. or. 10,1,21), aber v. a. auch aus Theon prog. p. 60 f (Ed. Spengel), ferner aus Dion Chrys. or. 18,9 f deutlich wird. ad a) Briefe und „mündliche“ Kommunikation Aus rhetorischen Überlegungen zum Sprachstil von Briefen, die sich in antiken Quellen finden, Rückschlüsse auf die Rezeptionsweise von Briefen zu ziehen, ist ein methodischer Fehlschluss. Aus moderner linguistischer Perspektive würde man sagen, dass hier in den Quellen reflektiert wird, dass Texte konzep‐ tionell mündlich gestaltet sein können. Beschreibungssprachlich könnte man außerdem in pragmatischer Hinsicht den von S. Föllinger geprägten Terminus der „imaginierten Mündlichkeit“ ins Spiel bringen, um die mündliche Verfasst‐ heit, den Anschein eines Diskurses mit einem imaginären Gesprächspartner in Texten, zu beschreiben. 173 Weder in der Antike noch in der Moderne besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen konzeptionell mündlichen Texten und einer Vorlesesituation. Gleiches gilt im Übrigen auch für Rückschlüsse auf die Abfassungssituation; aus einem mündlich konzeptualisierten Text bzw. der besonderen rhetorischen Gestaltung kann nicht geschlossen werden, dass der Brief diktiert wurde. 174 Nur zur Veranschaulichung ein modernes Beispiel: Der Text eines Internet-Chats ist konzeptionell mündlich, wird aber i. d. R. nicht vorgelesen. Aus der Antike sind etwa Inschriften überliefert, deren Texte kon‐ zeptionell mündlich gestaltet sind. 175 In der Antike wurde außerdem nicht nur der Sprachstil von Briefen unter rhetorischen Gesichtspunkten diskutiert. Die Regeln der antiken Rhetorik galten für eine ganze Reihe von Textsorten. 176 Ge‐ nerell ist es problematisch zu formulieren, dass die Rhetorik in der Antike „eine 420 8 Lesen im Neuen Testament 177 O E S T R E I C H , Performanzkritik, 2. Oestreich selbst verweist darauf, dass Reden in der Antike i. d. R. schriftlich verfasst wurden (O E S T R E I C H , Performanzkritik, 18, Anm. 61); bei einer antiken Rede handelt es sich also um eine schriftlich verfasste Form stilisierter „Mündlichkeit“. Die in diesem Zusammengang von Oestreich aufgestellte These, dass die schriftliche Verfasstheit der Rede ausschließlich dem mündlichen Vortrag diente (ebd.), ist schon deshalb nicht haltbar, da Reden in der Antike, wie oben deutlich wurde, auch in schriftlicher Form für ein individuelles Lesepublikum publiziert wurden (s. o. insb. S. 203 sowie Men. Rhet. epideikt. 2,386,29 ff). 178 Vgl. K L A U C K , Briefliteratur, 149. 179 Vgl. O E S T R E I C H , Performanzkritik, 1-4. Disziplin der gesprochenen Sprache“ 177 gewesen sei, da sich auch Reden, die in literarischer Form z. B. im Rahmen von Geschichtswerken rezipiert wurden oder die niemals gehalten, sondern gleich für die Publikation geschrieben wurden, an die Regeln der Rhetorik halten mussten. An dieser Stelle sei auch noch einmal auf Diod. 20,1,3-5 verwiesen. Dort wird darüber reflektiert, dass Elemente der Rhetorik in der Geschichtsschreibung vorkommen; die Texte aber individuell-direkt gelesen werden (s. o. S. 122-124). Die bisher generell vorgetragene Kritik lässt sich an problematischen As‐ pekten von Oestreichs Auswertung des Quellenbefundes noch weiter konkre‐ tisieren: Oestreichs Kronzeuge für die Nähe von Briefen zur „mündlichen Kommunikation“ ist die Demetrios von Phaleron zugeschriebene und schwer datierbare Schrift De elocutione, wo an einer viel zitierten Stelle über den Brief geschrieben steht: „223 Weil nämlich auch der briefgemäße Stil der Schlichtheit bedarf, werden wir auch von ihm handeln. Artemon nun also, der die Briefe des Aristoteles herausgegeben hat, sagt, man müsse auf dieselbe Weise sowohl einen Dialog (διάλογος) wie auch Briefe verfassen (γράφω); es sei nämlich ein Brief wie die eine von den beiden Rollen des Dialogs. 224 Etwas trifft er damit wohl richtig, sicher aber nicht das Ganze. Man muss den Brief nämlich ein wenig besser als den Dialog durchgestalten, ahmt doch der Dialog Improvisation nach, während ein Brief abgefasst und gewissermaßen als Geschenk übersandt wird“ (Demetr. eloc. 4,223 f, Üb. K L A U C K178 ). Laut Oestreich zeigte diese Stelle, dass Briefe in der Antike der mündlichen Sprachform nahegestanden hätten. Er schlussfolgert, dass Briefe, die an eine Gruppe gerichtet gewesen sind, eigentlich als, wenn auch stilistisch schmuck‐ lose, Rede aufzufassen wären, die im Empfängerkreis als Rede stellvertretend vorgetragen worden wären. 179 Diese Auswertung lässt sich am Quellenbefund methodisch jedoch nicht halten und setzt eine viel zu schematische Unterschei‐ dung mündlich-schriftlich voraus. 421 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 180 Dies wird z. B. deutlich, wenn er argumentiert, Demetrios würde „die Schriftlichkeit des Briefes als Begründung dafür“ anführen, „dass bei der sprachlichen Gestaltung des Briefes größere Sorgfalt angebracht ist“ (O E S T R E I C H , Performanzkritik, 3). Dies ist gerade nicht der Fall, da Demetrios in Anknüpfung an Artemon ja, wie gleich deutlich wird, zwei Gattungen miteinander vergleicht, die in medial-schriftlicher Form vorliegen. Das Argument, das Demetrios am Ende von §224 anführt, um die größere Sorgfalt bei der stilistischen Gestaltung des Briefes zu begründen - der Brief würde als Geschenk (δῶρον) übersandt -, besteht darin, dass er auf die soziale Erwartungshaltung des Briefempfängers rekurriert, an der sich der Briefschreiber orientieren muss und die er nicht durch einen selbstdarstellerischen Stil (vgl. Demetr. eloc. 4,225, insb. das Partizip von ἐπιδείκνυμι) missachten darf. 181 O E S T R E I C H , Performanzkritik, 1. 182 B A U E R , Paulus, 36. Als prototypisch für diese Gattung sind sicherlich die Dialoge Platons anzusehen, die ein lebendiges Gespräch nachahmen. 183 Vgl. die kurzen Hinweise in Anm. 180 S. 422. 184 So aber O E S T R E I C H , Performanzkritik, 4. Gleiches gilt umgekehrt auch für die Gegen‐ position, die Stelle bei Demetrios setze voraus, dass dieser „bereits die Schriftlichkeit als konstitutiv für den Brief betrachtet“ (B Ü N K E R , Briefformular, 21). Oestreich selbst relativiert im Übrigen die Bedeutung von mündlicher und schriftlicher Sprache und betont in Anknüpfung an P R O B S T , Paulus, 99, und V E G G E , Paulus, 345, „rhetorische Sprache ist Bildungssprache“ (O E S T R E I C H , Performanzkritik, 20, Anm. 78). Sein mit der Relativierung von Schriftlichkeit verfolgtes argumentatives Ziel, die im brieftheoretischen Diskurs zu findenden Referenzen auf die Rhetorik als Indiz dafür zu werten, dass Briefe wie Reden aufgeführt worden sind, bringt ihn allerdings methodologisch in eine Sackgasse, wie seine Ausführungen auf den Seiten 20-23 deutlich machen. Zuletzt hängt seine dort entfaltete These nämlich nur von der Prämisse ab, dass die Briefe „laut“ Oestreichs Interpretation der Stelle basiert auf der problematischen An‐ nahme, dass hier der Stil eines in schriftlich-materieller Form vorliegenden Briefes mit dem Stil einer rein „mündlichen“ Kommunikationsform verglichen würde. 180 Dies ist insofern erstaunlich, als er selbst feststellt, dass Artemon den Stil des Briefes hier mit einem „schriftlich verfassten Dialog“ 181 (γράφω! ) - also, wie T. J. Bauer betont, „mit der literarischen Gattung (! ) des Dialogs“ 182 - ver‐ glichen hatte; also mit Texten, die in schriftlich-publizierter Form vorlagen und potentiell in verschiedenen Kontexten (eben auch individuell-direkt) gelesen werden konnten. Der Dialog ahmt ein improvisiertes Gespräch nach (μιμέομαι), ist also eine literarisch gestaltete Kunstform und nicht einfach ein Abbild real gesprochener Sprache. Das tertium comparationis zwischen Brief und Dialog besteht für Artemon darin, dass beide als konzeptionell mündlich zu verstehen sind, aber sich nach Demetrios im Stil leicht unterscheiden sollten. 183 Nur diese kurzen Hinweise zeigen, dass eine einfache Unterscheidung schriftlich-münd‐ lich als heuristische Kategorie unbrauchbar ist, um den Befund zu analysieren. Aus der Stelle kann nicht geschlussfolgert werden, briefliche Kommunikation sei „mit der Mündlichkeit“ verknüpft gewesen. 184 Noch weniger lassen sich 422 8 Lesen im Neuen Testament in der Gemeinde vorgelesen wurden, weil dies kulturell vorgegeben gewesen wäre. Ganz deutlich wird dies in einer Formulierung aus einem früheren Aufsatz: „Weil das laute Vorlesen eines Briefes normal war, deshalb war die Briefform besonders geeignet, um in einer Gruppe philosophische oder religiöse Diskussionen anzuregen“ (O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 227). 185 Vgl. zur Diskussion um die rhetorische Analyse der Paulusbriefen und insbesondere deren Grenzen B E C K E R , Schreiben, 19-27; L A M P E , Analyse; B A U E R , Paulus, 101-105. B E C K E R , Schreiben, 27, fordert zu Recht, es „müssen, obwohl zwischen der Gestaltung des Briefes und der Rhetorik funktionale Gemeinsamkeiten bestehen können, die grundsätzliche Differenz zwischen mündlicher Rede und literarisiertem Wort festge‐ halten werden.“ Es besteht allerdings das Problem, dass diese Grenzen verwischen können und zwar bei konzeptuell mündlichen Texten, die für die Publikation verfasst worden sind und damit prinzipiell für verschiedene Rezeptionsmodi und Leseanlässe offen standen. Auf die Publikation und die individuell-direkte Lektüre wurde unter 3.1 mehrfach hingewiesen. 186 Vgl. z. B. die Formulierung τοὺς ἀπὸ γλώσσης διδάξοντας in Ios. ant. 17,5,7 (133). irgendwelche Schlussfolgerungen auf die real-historischen Bedingungen des Aktes der Briefrezeption ziehen. Es bleibt also für die Paulusbriefe festzuhalten, dass aus rhetorischen Stil- und Formelementen, die sich in den Paulusbriefen finden lassen, 185 weder in Bezug auf die anvisierte Form der Rezeption und noch viel weniger für die real-historische Rezeptionsweise sichere Schlussfol‐ gerungen möglich sind. ad b) Die Paulusbriefe und ein kulturell vorgegebenes Protokoll der Verlesung? Es ist fraglich, ob die Quellen wirklich Rückschlüsse auf ein über Jahrhunderte hinweg gleichbleibendes, fest etabliertes Protokoll für die Rezeption von offi‐ ziellen Briefen zulassen. Hier scheinen mir die Ausführungen Stirewalts, auf die sich Oestreich bezieht, auf einer sehr selektiven Auswertung des Quellen‐ befundes zu beruhen. Zwar gibt es freilich Quellenstellen, an denen Briefe von einer autorisierten Person vorgelesen worden sind und die (seltener) auch einen mündlichen Bericht des/ der Boten 186 belegen. Keine der Quellen belegt jedoch eine solch detaillierte Typologie, wie Oestreich sie konstruiert. Eine Auswahl von Stellen ist hier exemplarisch zu diskutieren: Thuk. 7,10: Ein Brief von Nikias wird den Athenern von einem Sekretär (γραμματεύς nicht ἀναγνώστης; also nicht etwa von einer Person, die gleichsam beruflich auf das Vorlesen spezialisiert war; vgl. zum Wahlamt des Lesesekretärs in Athen Arist. Ath. pol. 54,5) vorgelesen (ὁ δὲ γραμματεὺς ὁ τῆς πόλεως παρελθὼν ἀνέγνω τοῖς Ἀθηναίοις), nachdem die Boten ihre mündliche Botschaft übermittelt hatten. Diodor erzählt im 18. Buch seines Geschichtswerks von einem Brief, adressiert an die Argyraspiden und die übrigen Makedonen im Gefolge des Eumenes, mit dessen Hilfe Antigonos versucht 423 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 187 Vgl. zum schriftlichen Markieren während des individuellen Lesens auch Plut. Ant. 58. 188 Das Syntagma ἐφ᾽ ἑκάστῳ σημειούμενος ist elliptisch formuliert. Die englische Über‐ setzung von C. D. Young ergänzt m. E. zu Recht und in zielsprachenorientierter Hinsicht „Seite“. Vermutlich verweist der Text auf mehrere Spalten des Textes auf einer Rolle, um die herum man, wie in den materiellen Zeugnissen breit bezeugt ist, Notizen machen kann. Die Ausführungen in den §§ Philo legat. 248-253 zeigen, dass es sich durchaus um einen umfangreichen Brief gehandelt haben muss. Die deutsche Übersetzung von F. W. Kohnke (Gesamtausgabe in deutscher Übersetzung, ed. L. Cohn) übersetzt das Partizip Präsens Medium von σημειόω im übertragenen Sinne und ergänzt das Wort „Satz“: „und er geriet in Zorn, wie er von Satz zu Satz zu erkennen gab.“ Diese sehr freie Übersetzung, die das Partizip so versteht, als würde es sich auf die Mimik und Gestik habe, sich des Eumenes wegen seiner erlangten Machtfülle zu entledigen (vgl. Diod. 18,62,3 f). Es folgt die Schilderung des Brieferhaltes: „Als aber Philotas den Komman‐ deuren das Schreiben übergab, das an die Gesamtheit gerichtet war (… τὴν κοινὴν ἐπιστολὴν ἀναδόντος τοῖς ἡγεμόσι), traten die Silberschildner [=Argyraspiden] sowie die übrigen Makedonen gesondert und in Abwesenheit des Eumenes zusammen und verlangten, daß der Brief verlesen werde (καὶ τὴν ἐπιστολὴν προσέταξαν ἀναγνωσθῆναι)“ (Diod. 18,63,1; Üb. V E H ). An der Formulierung ist auffällig, dass die Aufforderung zur Verlesung explizit thematisiert wird und nicht die Kommandeure Subjekt des Aufforderns sind, sondern die Gesamtheit der Versammlung. Dies könnte bedeuten, dass eine Verlesung gerade nicht eine erwartbare kulturelle Konvention gewesen ist. Außer der Diskussion in der Versammlung wird aus der Quelle kein weiterer Aspekt der von Oestreich postulierten Typologie belegt, insbesondere keine Befragung des Briefboten. Interessant ist vielmehr, dass Eumenes später zu der Versammlung hinzustößt und den Brief individuell-direkt liest (ἀναγινώσκω; vgl. Diod. 18,63,4). Die Formulierung in Ios. vita 285 f (in den §§ 276-279 stellt Josephus eine Versammlung am Sabbat in der Synagoge in Tiberias dar, die einem politischen Zweck dient) lässt offen, ob die vier Briefe (komplett) in der Versammlung vorgelesen wurden oder ob der Inhalt nur zusammengefasst präsentiert wurde. Die Formulierung ταῦτ᾽ ἀκούσαντες οἱ Τιβεριεῖς (Ios. vita 286) bezieht sich grammatisch nämlich auf den zuvor von Josephus zusammengefassten Inhalt. Dagegen liest Caligula (zumindest in der Darstellung Philos) einen offiziellen Brief des syrischen Legaten Petronius (vgl. Philo legat. 248-254) eindeutig individuell-direkt: „Sogleich nach ihrer Ankunft übergaben sie [scil. die Eilboten] den Brief. Dieser (Caligula) aber, während er ihn [den Brief] noch las, schwoll an und wurde voll des Zorns sich auf jeder [Seite] Markierungen/ Notizen machend (καὶ οἱ μὲν ἥκοντες ἀνέδοσαν τὰς ἐπιστολάς, ὁ δ᾽ ἔτι μὲν ἀναγινώσκων διῴδει καὶ μεστὸς ἦν ὀργῆς ἐφ᾽ ἑκάστῳ σημειούμενος“; Philo legat. 254). 187 Der Wechsel vom Plural in den Singular zeigt eindeutig, dass die Briefboten den Brief nicht selbst verlesen. Zudem macht Caligula Notizen in dem Schriftstück, was impliziert, dass er das Schriftstück selbst in der Hand hat. 188 Eine ähnliche 424 8 Lesen im Neuen Testament von Caligula beziehen, ist zumindest durch den Wörterbuchbefund nicht gedeckt und stellt eindeutig die voraussetzungsreichere Interpretation dar. Ferner muss man aber ἐφ᾽ ἑκάστῳ nicht zwingend lokal verstehen. Möglich wäre auch eine kausale Sinnrichtung: Caligula machte sich Notizen wegen jeder der in dem Brief geschriebenen „Dinge“, über die er in Zorn geriet. Diese Notizen würde er sich dann auf einem anderen, nicht genannten Medium, z. B. in ein Notizbuch in Form einer Wachstafel, machen. Für diesen hilfreichen Hinweis danke ich K. Künzl. 189 S T I R E W A L T , Writer, 6. 190 Aus Isokr. ep. 1,2 f. kann kein generelles Misstrauen der Menschen in der Antike gegenüber der Schriftlichkeit abgeleitet werden. Isokrates beschreibt hier (als Ratschlag in einem Brief [! ] an Dionysios) - wie ferner auch Demosth. ep. 1,3 (eine Rede an die Athener in brieflicher Form, über deren Echtheit in der Forschung seit langem gestritten wird, was aber hier ohne Belang ist) - lediglich einzelne Nachteile rein schriftgebundener Kommunikation unter Nicht-Anwesenden und die Notwendigkeit und Vorzüge der persönlichen Anwesenheit in bestimmten Kommunikationsvollzügen. Zudem verweist er - wie auch in Isokr. or. 5,25 - darauf, dass schriftgebundene Rede anfälliger ist für die Möglichkeit der Selbstinszenierung. Weder die genannten Nachteile schriftgebundener Kommunikation noch die Vorzüge der direkten Interaktion unter Anwesenden gelten spezifisch für die antike Kultur, sondern - unter leicht geänderten Vorzeichen - auch noch heute. Stirewalt bleibt den Nachweis schuldig, dass die von Isokrates im 4. Jh. v. Chr. beschriebenen Nachteile schriftgebundener Kommunikation irgendwelche praktischen Konsequenzen in der Lebenswelt der Menschen in der Antike gehabt hätten, diese also dazu bewogen worden wären, auf die Nutzung schriftlicher Medien, die Publikation und Lektüre von Literatur oder insgesamt auf rein schriftge‐ bunde Kommunikation zu verzichten, bzw. dass diese Nachteile in einem kausalen Zusammenhang mit der Nutzung von Briefboten stünden. Zum problematischen Argument des Vorzuges der living voice s. u. 9.2. Szene findet sich schon bei Polybios, der beschreibt, dass Gaius Popilius Laenas Schreibtafeln mit einem Senatsbeschluss dem König Antiochos IV. eindeutig in die Hände drückt und dieser es individuell-direkt liest (vgl. Polyb. 29,27: ἐπεὶ δ᾽ ὁ βασιλεὺς ἀναγνούς …). Noch einmal ist außerdem an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die individuell-direkte Lektüre von Briefen (z. T. auch eindeutig ohne Vokalisierung) breit bezeugt ist. Vgl. an unterschiedlicher Stelle unter 3.1 u. die Belege in Anm. 1, S. 381. Auch ein vermeintlicher „general distrust of the written word“ 189 lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass Briefe an Kollektive stets nach dem genannten Muster rezipiert worden sind. 190 Vielmehr lassen sich auch andere Formen der Rezeption offizieller Briefe nachweisen: Der berühmte Brief von Claudius an die Stadt Alexandria aus dem Jahr 41 (P.Lond. 6 1912) - also ein Brief, der sich an ein Kollektiv richtet - wurde von Lucius Aemilius Rectus zur individuell-direkten Lektüre ausgehängt (ἐκθεῖναι τὴν ἐπιστολὴν ἵνα κατʼ ἄνδρα ἕκαστον ἀναγεινοσκων [sic! ]; Z. 6 f). Hinzuweisen sind in diesem Zusammenhang auch auf die Menschentrauben von Lesern, die sich vor den 425 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 191 Vgl. Plut. Lys. 20,1-4. S. dazu die Ausführungen unter 3.1.1. 192 Danken möchte ich an dieser Stelle H.-U. Rüegger, der mich auf ein Handout von C. Kreinecker und damit auf diese Quelle aufmerksam gemacht hat. 193 Die Aussage, dass dieser sich ein wenig anstrengen soll, könnte implizieren, dass er die Übersetzung in schriftlicher Form anfertigen solle. 194 Vgl. B E S T , Soldier, 126. 195 S. u. Anm. 117, S. 407. vom Konsul Bibulus ausgehängten (propono) Edikten gegen Caesar bildeten (vgl. Cic. Att. 2,4). Plutarch bietet in seiner Biographie von Lysandros eine Leseszene, in der ein offizieller Brief, der an ein Kollektiv gerichtet ist, gerade nicht durch einen Vorleser vorgelesen, sondern von den einzelnen Mitgliedern der Adressatengruppe individuell-direkt und ohne Vokalisierung (! ) gelesen worden ist. 191 In einem dokumentarischen Brief aus dem 2. Jh., von Ptolemaios an seine Mutter Zosime und seine Schwester Rhodous, findet sich eine aufschlussreiche Vorbemerkung vor dem eigentlichen Präskript des Briefes: „Bei Serapis! Du, der Lesende des Briefes (ὁ ἀναγινώσκων τὸ ἐπιστόλιον), wer immer Du bist, strenge Dich ein wenig an und übersetze (κ̣οπίασον μικρὸν καὶ μετερμήνε̣υσεν) für die Frauen das in diesem Brief Geschriebene und teile es [ihnen] mit (μετάδος)“ (SB 18 13867,1-6). 192 Offensichtlich sind die Adressatinnen des Briefes des Griechischen nicht mächtig, sodass sie den Brief weder selbst lesen können noch dass er ihnen vorgelesen wird. (Es bleibt offen, ob die Frauen in ihrer Muttersprache litera‐ risiert sind; immerhin haben sie selbst Briefe an Ptolemaios geschickt, vgl. SB 18 13867,7 f.) Daher richtet sich der Absender mit einem substantivierten Partizip von ἀναγιγνώσκω an einen anonymen Leser, der den Brief übersetzen soll. 193 Die Formulierung, dass er ihnen das Übersetzte nach dem Übersetzen mitteilen soll, impliziert, dass er den Brief vorher individuell-direkt liest und übersetzt, und dass nicht an ein Vorlesen des griechischen Textes, den die Frauen nicht verstehen würden, gedacht ist. Ferner sei noch darauf hingewiesen, dass schriftliche Nachrichten, die sich an eine größere militärische Einheit (z. B. ein Lager) richteten, auf Wachstafeln herumgereicht werden konnten. 194 Es kommt außerdem erschwerend hinzu, dass der u. a. von Stirewalt und Oe‐ streich angeführte Hauptbeleg (die Übergabe und Verlesung des Aposteldekrets in Act 15,30) gerade nicht sicher die vermeintliche protokollarische Konvention der Rezeption von an Kollektive gerichteten Briefen belegt. Ganz abgesehen von der Unsicherheit der Datierung der Apostelgeschichte und deren Aussagewert für die Rekonstruktion der Geschichte des frühesten Christentums 195 sind die grammatischen Bezüge in den beiden Versen nicht eindeutig. 426 8 Lesen im Neuen Testament 196 So aber B A R R E T T , Acts, 748: „The subject of ἐχάρησαν is evidently the Antiochenes, and it is to them also that the participle ἀναγνόντες will apply.“ Es liegt im Bereich des Möglichen, dass sich das finite Verb, das im Plural steht, auf πλῆθος bezieht. Dies setzt aber voraussetzungsreiche Konstruktionen der Verlesungssituation durch die Rezipienten der Apostelgeschichte voraus, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. 30 a Οἱ μὲν οὖν ἀπολυθέντες κατῆλθον εἰς Ἀντιόχειαν b καὶ συναγαγόντες τὸ πλῆθος ἐπέδωκαν τὴν ἐπιστολήν 31 ἀναγνόντες δὲ ἐχάρησαν ἐπὶ τῇ παρακλήσει. Üblicherweise wird Act 15,31 so verstanden, dass die versammelte antiochenische Gemeinde den Brief vorgelesen bekommt, nachdem die Delegation aus Jerusalem diesen übergeben hat (Act 15,30b). Diese Deutung setzt voraus, dass das Subjekt im Übergang von V. 30b zu V. 31 wechselt, wobei sich das Partizip ἀναγνόντες dann auf dieses vom Rezipienten zu ergänzende Subjekt beziehe. Dies ist aber aus syntaktischer Sicht keinesfalls offensichtlich. 196 Denn die beiden finiten Verben in Act 15,30 stehen genauso wie ἐχάρησαν in der 3. Pers. Pl. Aorist und beziehen sich, wie auch die beiden Partizipien, auf die Mitglieder der Delegation aus Jerusalem (vgl. Act 15,22). Von „den Antiochenern“ oder „den Brüdern“ (siehe Act 15,32 f) ist hier keine Rede, und ein Bezug des Partizips ἀναγνόντες auf die von der Delegation (! ) versammelte Menge ist syntaktisch schwierig; πλῆθος ist Neutrum, das Partizip ἀναγνόντες ist Maskulinum; und auch der Wortgebrauch des Partizips von ἀναγιγνώσκω insgesamt spricht eher dagegen, dass der Fokus auf der hörenden Rezeption des Textes durch eine Gruppe liegt. Bei Vorlesesituationen, die durch das Verb ἀναγιγνώσκω angezeigt werden, werden üblicherweise die Instanz des Vorlesens und die Zuhörer eigens genannt. S. dazu die unter 3.1.1 genannten Belege. Die Untersuchung des Wortgebrauchs von ἀναγιγνώσκω, die wegen der Unüberschaubarkeit der Belegstellen freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, hat keine Stelle zu Tage gefördert, die eindeutig zeigt, dass ἀναγιγνώσκω generell und ohne weitere Markierung eine indirekte Form der Textrezeption bezeugt. Hier würde man das Verbalsubstantiv ἀνάγνωσις (s. die Belege in Anm. 76, S. 126), eine Passivform (vgl. z. B. Charit. Cal. 5,4,8: „Nachdem der Brief vorgelesen worden war (ἀναγνωσθεισῶν), …“; Dion. Hal. ant. 5,8,2; Amm. 11; Polyb. 2,61,5; Plut. Cato min. 51; Marc. 24; Phok. 34; 35; 1Thess 5,27; Ios. ant. 11,5,5 [155]; Cass. Dio 32,1a; Lukian. symp. 28; Athen. deipn. 12,55 (540a); Ps.-Kall. 2,6,5; 3,2,6; BGU 1 114, passim; SB 14 12139, passim) oder ein verbum audiendi erwarten (vgl. z. B. Thuk. 7,16; Xen. hell. 7,1,39; Ios. ant. 11,5,5 [155]; 13,2,1 [39]). Die von mir überprüften Stellen, an der das Verb als Partizip Plural im Aorist steht, sprechen ebenfalls gegen eine solche Deutung bzw. sind nicht eindeutig. 427 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 197 Vgl. P E R V O , Acts, 38, Anm. 167. (Für diesen Hinweis danke ich N. Lüke.) In Arist. 42 ist in der 1. Pl. formuliert, dass Eleazar die Menge versammelt hat und ihnen den Briefvorgelesen hat, was durch die Verwendung des Verbes παραναγιγνώσκω extra hervorgehoben wird (καὶ συναγαγόντες τὸ πᾶν πλῆθος παρανέγνωμεν αὐτοῖς). Da der Brief eigentlich nur an Eleazar adressiert ist (vgl. Arist. 35), muss man das Verlesen vor dem versammelten Volk als Besonderheit verstehen, die Eleazar genau deshalb in seinem Antwortbrief (Arist. 41-50) hervorhebt. 198 Vgl. exempl. Plut. Pel. 10,8; Caes. 65; Charit. Cal. 4,5,7; 8,4,9. Exemplarisch sei auf die folgenden Quellen hingewiesen: Diod. 15,10,2: Ein Brief wird von mehreren Anklägern (κατηγοροῦντες) vorgelesen; Dion. Hal. ant. 10,56,1: Die δήμαρχοι lesen dem Volk vor (vgl. auch Dion. Hal. ant. 7,58,4); Paus. 8,15,2 beschreibt eine Vorleseszene im Rahmen eines Initiationsrituals in einem Demeterheiligtum in Pheneus, bei der die Initianten als Adressaten des vorgelesenen Textes explizit hervorgehoben werden (ἀναγνόντες ἐς ἐπήκοον τῶν μυστῶν); der Plural ergibt sich aus dem Erzählzusammenhang (es wird beschrieben, was die Bewohner von Pheneus tun, vorgelesen wird stellvertretend von einer einzelnen Person); Plutarch überliefert eine Szene, in der ein Brief Caesars mit Schmähungen im Senat verlesen wurde (ὡς δὲ ἀνεγνώσθη …, Plut. Cato min. 51). Nach einer Rede Catos, die den Senat gegen Caesar aufbrachte, bereuten es die Freunde Caesars, ὅτι τὴν ἐπιστολὴν ἀναγνόντες ἐν τῇ βουλῇ (Plut. Cato min. 51). Der Kontext macht deutlich, dass die Freunde Caesars den Brief nicht selbst vorgelesen haben, sondern das Partizip ἀναγνόντες hier im Sinne von „vorlesen lassen“ zu verstehen ist. Ähnliches wird man für Ios. vita 228 annehmen können. Gerade die von R. Pervo als enge Parallelstelle zu Act 15,30 f angeführte kollektive Rezeptionssituation eines Briefes im Aristeasbrief (Arist. 42) weist eine andere Formulierung auf. 197 Das heißt dann insgesamt, dass aus dem Kontext zunächst gar keine andere Instanz zu erheben ist, die Subjekt des Vorlesens gewesen sein könnte, außer die Mitglieder der Delegation. Aus grammatischer Sicht spricht also nichts dafür, einen Subjektwechsel anzunehmen. Daraus folgt, dass der Text durchaus die Interpretationsmöglichkeit enthält, die Delegation aus Jerusalem als Subjekt des Verlesens zu verstehen, die nach dem Verlesen wiederum froh über den Zuspruch ist, der ihnen (aus der Menge) zuteilwird. Gegen diese Interpretation kann man freilich die inhaltlichen Gründe ins Feld führen, dass die Mitglieder der Delegation den Brief übergeben haben (ἐπιδίδωμι in Act 15,30b). Zwar bezeichnet ἐπιδίδωμι tatsächlich das physische Übergeben eines Schriftstücks, 198 doch die Semantik des Verbs schließt nicht aus, dass im übertragenen Sinne ein Übergeben der im Brief geschriebenen 428 8 Lesen im Neuen Testament 199 Josephus (vgl. Ios. ant. 15,6,2 [168-173]) überliefert, dass Dosistheos Herodes einen Brief von Hyrkanos, den er eigentlich zu Malchos bringen soll, „übergibt“ (ἐπιδίδωσιν Ἡρώδῃ τὴν ἐπιστολήν; Ios. ant. 15,6,2 [170]). Direkt im Anschluss (Ios. ant. 15,6,2 [171]) berichtet Josephus, dass Herodes Dosistheos für seine Gesinnung lobt und ihn bittet, den Brief wieder zu falten (πτύσσω), zu siegeln (κατασημαίνω), dem eigentlichen Adressaten Malchos zu überbringen und dessen Antwortschreiben mitzubringen. Die Darstellung scheint zu implizieren (weder wird erzählt, dass Herodes den Brief liest noch dass er ihn an Dosistheos zurückgibt), dass der Brief niemals aus der Hand von Dosistheos in die Hand von Herodes gelangt ist und dieser den Brief Herodes vorgelesen hat. Vgl. aber z. B. auch Dion Chrys. or. 18,18, wo das Verb im Sinne von diktieren gebraucht wird. 200 Vgl. exempl. auch Diod. 11,45,2 f; 18,63,1; Philo legat. 254. 201 So die Übersetzung in der ZB2007. 202 Eine ähnliche Verwendung von παράκλησις findet sich z. B. bei Plut. symp. 1,4 (mor. 650b). Botschaft durch Vorlesen gemeint sein könnte. 199 Ferner verwendet der Ver‐ fasser der Apostelgeschichte in Act 23,33 mit ἀναδίδωμι ein anderes Verb für die Übergabe des Briefes von Claudius Lysias an den Prokurator Felix in Caesarea (Act 23,25-30), den dieser - wie oben schon besprochen wurde (s. 8.1) - vermutlich individuell-direkt las (vgl. das Partizip Aorist Aktiv von ἀναγιγνώσκω im Singular in Act 23,34). 200 Es wäre also durchaus denkbar, Act 15,31 meint, die Delegation habe den Brief übergeben. Möglicherweise ist die Delegation dann auch das Subjekt von χαίρω. Die Mitglieder der Delegation freuen sich also über die παράκλησις, die ihnen als Übermittler der Botschaft von den Adressaten zuteilwird. Das Wort παράκλησις wäre dann nicht im Sinne von „Trost“ zu verstehen, sondern ganz wörtlich im Sinne von „Zuspruch“ 201 (d. h. die positive Reaktion der Gemeinde in Antiochia auf die Verlesung des Aposteldekrets). Möglicherweise schwingt auch - wie an anderen Stellen in der Apostelgeschichte, an denen die Apostel Adressaten eines mit παρακαλέω bezeichneten Sprechaktes sind (vgl. z. B. Act 8,31; 9,38; 13,42[! ]; 16,9.15.39) - die Konnotation der „Bitte“ mit; 202 dass Judas und Silas einige Zeit dort bleiben und die Brüder durch viele Worte ermahnen und stärken (Act 15,32), könnte aus diesem Zuspruch/ dieser Bitte von Seiten der Gemeinde in Antiochia resultieren. Zu diskutieren wäre ferner, ob die uneindeutigen syntaktischen Beziehungen im Übergang von 15,30 f nicht sogar die Möglichkeit enthalten, einen Subjektwechsel innerhalb von Act 15,31 anzunehmen; d. h. dass die Lesung von der Delegation aus Jerusalem durchgeführt wird und sich die Zuhörer über den Zuspruch aus Jerusalem freuen. Eine endgültige Entscheidung dieser Fragen kann im Rahmen dieser Studie nicht getroffen werden. Es sollte jedoch deutlich geworden sein, dass Act 15,30 f weder zeigt, dass es im frühen Christentum ein Protokoll zur Verlesung von Briefen gab, noch als Beleg für 429 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 203 Vgl. zur Unsicherheit literarkritischer Versuche, 1Thess 5,27 zusammen mit anderen Versen aus dem Brief einem Redaktor zuzuweisen, S C H N E L L E , Einleitung, 67-69. 204 Vgl. z. B. B E C K E R , Schreiben, 54.80; R O O S E , Thessalonicherbriefe, 363, Anm. 69; L I N K / V I S C H E R / L U Z , Ökumene, 121; B O E R , Galatians, 66; W I T E T S C H E K , Offenbarung, 335. B A I L E Y / V A N D E R B R O E K , Forms, 23, formulieren in Anknüpfung an 1Thess 5,27, „Paul expects his letters to be read aloud to the assembled body“; so auch M A C B R I D E , Preaching, 30. 205 Vgl. z. B. G L A U E , Vorlesung, 29; J O H A N S O N , Brethren, 175-181; C O L L I N S , Liturgy, 51 f; H O L T Z , 1Thess, 274; C O L L I N S , Command, 328; S C H N E L L E , Einleitung, 427; vgl. auch M Ü L L E R , Lesen, 104 f, der auf πᾶσιν und auf die Nähe des ermahnenden und lehrenden Sprachstils des Briefs zum „gottesdienstlichen Reden“ verweist; T S A N G , Misreading, 205.215 spricht von einem liturgical setting. Abgesehen von der analytischen Unschärfe des Gottesdienstbegriffs in Bezug auf das frühe Christentum stellt sich die methodische Frage, wie angesichts der Quellenlage der Stil „gottesdienstlicher Rede“ rekonstruiert werden sollte. Vgl. dagegen schon G E R B E R , Paulus, 30, Anm. 43, die zu Recht vor der Ge‐ fahr warnt, ein „nicht nachweisbares Verständnis des frühchristlichen Gottesdienstes“ (i. e. eine liturgische Lesung) in den Text einzutragen, und feststellt, die Stelle spreche „gar nicht von einer Versammlung im Gottesdienst.“ 206 Dies wird von all denjenigen richtig gesehen, die z. B. postulieren, Paulus habe eine neue Praxis einführen wollen. Vgl. neben den bei O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 229, Anm. 20, aufgelisteten Verweisen z. B. T H E I S S E N , Entstehung, 119. So richtig die Kritik Oestreichs an dieser These ist, sein Gegenargument, die Praxis des Vorlesens sei üblich gewesen (vgl. O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 229 f), setzt das zu Beweisende schon voraus. Gegen die detaillierte Rekonstruktion eines solchen vermeintlichen Protokolls (s. o.) dienen könnte. ad c) Das „Durchscheinen“ der Rezeptionssituation in den Briefen selbst Weiterhin ist zu fragen, ob die These einer performativen Verlesung der pauli‐ nischen Briefe in einer (gottesdienstlichen) Versammlung, welche Paulus aus der Sicht der Performanzkritiker bei der Abfassung seiner Briefe vorausgesetzt hätte, einer Analyse der direkten Verweise auf die Verlesung von Briefen einer‐ seits und von Reflexionen der anvisierten Briefrezeption in den Paulusbriefen andererseits standhält. Die einzige Stelle in den sieben authentischen Paulusbriefen, an der Paulus explizit auf die Art der Rezeption zu sprechen kommt, ist 1Thess 5,27: 203 a Ich beschwöre (ἐνορκίζω) euch beim Herrn, b dass dieser Brief vorgelesen wird (ἀναγνωσθῆναι) allen Brüdern. Häufig wird diese Stelle (in vielen Fällen ohne weitere exegetische Begründung; z. T. unter zusätzlichem Verweis auf den Gruß mit dem „heiligen Kuss“ in Röm 16,16) als Beleg dafür herangezogen, dass die Briefe von Paulus in den Gemeinden bzw. der Gemeindeversammlung 204 bzw. im „Gottesdienst“ vorge‐ lesen wurden. 205 Die Stelle spricht aber für das Gegenteil. 206 Paulus beschwört 430 8 Lesen im Neuen Testament diese These, Paulus habe eine allgemeine Praxis einführen wollen, spricht vorrangig, dass es sich in dem vorauszusetzenden dokumentarischen Paulusbrief zunächst um eine in den Paulusbriefen singuläre, situations- und adressatenbezogene Aussage handelt. Zu Recht weist O E S T R E I C H , Leseanweisungen 230-233, weitere Erklärungen für die Aufforderung in 1Thess 5,27 zurück, die allesamt über den Status der Spekulation nicht hinauskommen: Angesichts großer Illiteralität habe Paulus verhindern wollen, dass Nichtleser von der Lektüre ausgeschlossen würden; Paulus habe gefürchtet, einige Gemeindeglieder könnten abwesend sein, weil es z. B. Spaltungen in der Gemeinde gegeben habe; es habe Spannungen zwischen einzelnen Gemeindeleitenden und Paulus gegeben. 207 Aus den Formulierungen auf eine besondere „emotionale Bewegung“ (O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 227) von Paulus bei der Briefabfassung zu schließen, halte ich für methodisch gewagt. Dass die 1. Person Singular auf Paulus zu beziehen ist, zeigt die explizite Nennung des Namens in 1Thess 2,18. Vgl. Roose, 1/ 2Thess, 104. 208 Die starke Form der Betonung wird in der Kommentarliteratur gewöhnlich wahrge‐ nommen und als überraschend und ungewöhnlich bewertet. Vgl. z. B. H O L T Z , 1Thess, 273. 209 So auch S C H M I D T , Heilig, 367. 210 Vgl. die schon oben diskutierte Quelle Plut. Lys. 20,1-4 (s. o. 3.1.1) die mit „euch“ direkt Angesprochenen, dass der Brief auch allen Brüdern vorgelesen werde. Exegetisch auffällig daran ist, a) dass durch die 1. Person Singular - der Brief ist sonst in der 1. Person Plural verfasst (mit der Ausnahme von 1Thess 2,18; 3,5) 207 - die Aussage besonders betont wird. Paulus wählt b) mit der Verwendung des neutestamentlichen hapax legomenon ἐνορκίζω unter Anrufung des Herrn eine recht drastische Form, um die Aufforderung auszudrücken. 208 Dies zeigt, dass er gerade nicht davon ausgegangen ist, dass die Erstlesenden den Brief (gleichsam in einer dazu einberufenen Vollversammlung) allen Brüdern vorlesen lassen. 209 Gäbe es eine kulturelle Konvention, wie sie z. B. von Stirewalt und Oestreich vorausgesetzt wird, wäre diese Aufforderung von Paulus nicht zuletzt aus Gründen des Ökonomieprinzips überflüssig. Zu klären ist allerdings, wen Paulus mit „euch“ anspricht und wer in Relation dazu „alle Brüder“ sind, denn vorher spricht er die Briefadressaten häufig mit ἀδελφοί an (1Thess 1,4; 2,1.9.14.17; 3,7; 4,1.10.13; 5,1.4.12.14.25) und in 1Thess 5,26 fordert er auf, alle Brüder (τοὺς ἀδελφοὺς πάντας) zu grüßen. Hat Paulus mit den ἀδελφοί schon die in 1Thess 5,26 f angesprochene Gesamtgruppe im Blick? Geht er möglicherweise davon aus, dass der Brief zunächst von einer kleineren Gruppe oder von einzelnen Personen gelesen wird, die er hier mit „euch“ anspricht? Eine solche Form der Rezeption eines Briefes erscheint kulturell möglich 210 und ist z. B. explizit in Caesars Commentarii de Bello Gallico belegt: Cicero wird hier ein Brief gebracht, den er erst für sich durchliest (ille perlectam); erst nach diesem prüfenden Lesen gibt 431 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 211 Vgl. Caes. gall. 5,48,8; s. dazu ausführlich die Ausführungen unter 3.3 zu perlego. 212 So ohne expliziten Verweis auf 1Thess 4,10 B A U E R , Paulus, 77, Anm. 347. 213 Damit ist nicht gemeint, dass Paulus sich hier auf einen „liturgischen Kuss“ bezöge bzw. dass dieser mit „dem Herrenmahl“ - verstanden als spezifisches Ritual, bei dem Brot und Wein durch die sog. „Einsetzungsworte“ als Leib und Blut Christi gedeutet worden wären - verknüpft gewesen wäre, wie einige vermuten (z. B. K L A U C K , Herrenmahl, 354-356; S A L Z M A N N , Lehren, 58 f; H E C K E L , Segen, 314; ferner auch T H E I S S E N , Texte, 432 f, der in Bezug auf 1Thess 5,26 f unspezifischer von einem „gottesdienstlichen Akt des heiligen Kusses“ (432) spricht, um daraus abzuleiten, Paulus hätte vorgesehen, dass der 1Thess im Gottesdienst gleichsam als kultischer [sic! ] Akt vorgelesen werden sollte). Vgl. gegen eine solche Deutung des „heiligen Kusses“ T H R A E D E , Ursprünge, 143 f. Vgl. weiterführend zum „heiligen Kuss“ T H R A E D E , Art. Friedenskuß; S C H M I D T , Heilig, 360-372. 214 So aber G E R B E R , Paulus, 66, Anm 84. 215 Vgl. dazu, dass die Angesprochenen in den Paulusbriefen vor dem Hintergrund von Paulus „Mitarbeitern“ in den Gemeinden teilweise oszillieren, E L L I S , Paul. 216 Vgl. O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 235, in Anknüpfung u. a. an E L L I S , Paul, 448 f; S C H N I D E R / S T E N G E R , Studien, 122 f. Ob diese die (einzigen) waren, die in der Gemeinde „genügend Schulbildung hatten, einen Brief vorzulesen“ (O E S T R E I C H , Leseanweisungen, er den Inhalt rezitierend in conventu militum bekannt. 211 Ferner sei auch auf den Anfang der pseudoklementinischen Contestatio hingewiesen. Hier liest Jakobus einen Brief von Petrus zunächst individuell-direkt (ἀναγνοὺς οὖν ὁ Ἰάκωβος τὴν ἐπιστολὴν), beruft dann die Presbyter ein und liest den Brief diesen dann vor (Ps.-Clem. Cont. 1,1 [GCS 42, p. 2,27 f]). Man könnte argumentieren, dass in 1Thess 5,27 die in 1Thess 4,10 in den Blick genommenen Brüder ἐν ὅλῃ τῇ Μακεδονίᾳ gemeint seien. 212 Dann ist es aber merkwürdig, dass er es hier nicht noch einmal erwähnt, und dann müsste sich auch der Gruß in 1Thess 5,26 auf diese Brüder in der ganzen Makedonia beziehen. Diese wären dann aber bei der Erstrezeption des Briefes abwesend, und es stellt sich die Frage, wie diese „mit dem heiligen Kuss“ gegrüßt werden könnten. Denn andere Stellen in den Paulusbriefen deuten darauf hin, dass der „heilige Kuss“ ein Ritual unter Anwesenden bezeichnet (Röm 16,16, 1Kor 16,20; 2Kor 13,12; vgl. außerdem 1Petr 5,14). 213 Insofern ist es auch problematisch, im Hinblick auf 1Thess 5,27 von einer „Zirkulationsaufforderung“ zu sprechen. 214 Dies führt zu der Annahme, dass sich Paulus in 1Thess 5,26 f an einen spezifischen Personenkreis richtet - eine solche spezifische Adressierung ist in den Paulusbriefen nicht analogielos (vgl. z. B. Phil 4,2). 215 Zu dieser Schluss‐ folgerung kommt auch Oestreich, der vermutet, dass Paulus hier die in 1Thess 5,12 erwähnten Führungspersönlichkeiten als Erstempfänger adressiert, die sich aus der Perspektive von Paulus womöglich gegen eine Verlesung vor allen hätten entscheiden können. 216 Dass Oestreich allerdings gleichsam eine 432 8 Lesen im Neuen Testament 235) bleibt angesichts unserer Unkenntnis der Sozialstruktur der von Paulus adres‐ sierten Gemeinde reine Spekulation. 217 Vgl. O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 239-243 218 Auch gegen C A M B R O N -G O U L E T , Orality, 162. 219 O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 240. 220 Vgl. zur Situationsfiktion des Briefes T A A T Z , Briefe, 66 f. doppelte Kommunikationsfunktion von 1Thess 5,26 annimmt, nämlich dass Paulus damit einerseits die Führungspersonen anspricht, andererseits aber die Einheit der Gemeinde (in Bezug auf die Vorlesesituation vor allen Brüdern) herstellen möchte, um eine Differenz im Kenntnisstand auszugleichen, ist m. E. methodisch widersprüchlich und erscheint arg konstruiert. Diese Deutung ist abhängig von Oestreichs Vorannahme, dass der Brief wegen der kulturellen Konvention sowieso vorgelesen worden wäre und dass 1Thess 5,27 daher eine andere Funktion gehabt haben müsse, als das Vorlesen vor allen zu initialisieren. Die Briefe, die Oestreich anführt, 217 sind zum Beleg seiner These von der gemein‐ schaftsstiftenden Kraft des Vorlesens einer Leseaufforderung nur bedingt geeignet. Für (Ps.)-Plat. ep. 6 trifft es zwar zu, dass es Platon um die Stiftung freundschaftlicher sozialer Kontakte geht. Die Aussage, dass der Brief gemeinsam gelesen werden muss, bleibt aber eine normative Aussage, aus der weder abgeleitet werden kann, dass die Adressaten den Brief gemeinsam lasen; noch kann vorausgesetzt werden, dass Platon ein in besonderer Weise performatives Vorlesen im Blick hatte, bei dem er selbst stellvertretend durch die Stimme des Vorlesers anwesend gewesen wäre. 218 Die Formulierung ταύτην τὴν ἐπιστολὴν πάντας ὑμᾶς τρεῖς ὄντας ἀναγνῶναι χρή, μάλιστα μὲν ἁθρόους, εἰ δὲ μή, κατὰ δύο [(Ps.)-Plat. ep. 6,623c] impliziert m. E. sogar, dass eine Lektüre nur zu zweit, im Notfall auch alleine möglich wäre; am wichtigsten ist, dass alle drei den Brief überhaupt lesen. Aus dem Papyrusbrief P.Phil. 33 kann nicht abgeleitet werden, dass es dem briefschreibenden Sohn um Transparenz gegenüber seinem Vater gegangen sei, also dass der Vater beim Hören des Briefes erkennen werde, „wie der Sohn sein Verhältnis zu ihm gestalten will, nämlich in großer Offenheit“. 219 Die Aufforderung an den Herrn, den Brief seinem Vater vorzulesen (Z. 17 f), bezieht sich ausschließlich auf den primären Briefempfänger. Dass sich in den von Oestreich aufgeführten Briefen aber Leseaufforderungen finden, zeigt dagegen eindeutig, dass kulturell (auch bei Briefen wie dem Platonbrief, die an mehrere Personen gerichtet sind) nicht zwingend davon ausgegangen werden konnte, dass die Briefe auch in einem gemeinsamen, performativen Akt gelesen wurden. Ferner handelt es sich bei der Anweisung in syrBar 86, wie auch Oestreich sieht, um einen fiktiven Brief innerhalb eines literarischen Werkes, dessen erzählte Zeit weit vor der Abfassungszeit des Werkes liegt. 220 Es ist aus methodischen Gründen nicht vertretbar, aus der in diesem fiktiven Brief stehenden Aufforderung zum Lesen des 433 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 221 Gegen T A A T Z , Briefe, 73 (die Hypothese von Taatz, die Überlieferung der Epistula Baruch in Einzelhandschriften erkläre sich dadurch, dass der Brief tatsächlich als „Di‐ asporabrief verschickt worden wäre, ebd., 75, halte ich für gewagt. Die Einzelzirkulation ist als Phänomen der Textüberlieferung erklärbar. Ein eindeutig abgrenzbarer Text ist der Gesamtschrift entnommen worden und als Einzeltext weiter überliefert worden. Ein analoges Phänomen findet sich z. B. in der Textüberlieferung von Justins 1Apol.); O E S T R E I C H , Leseanweisungen, 242, Anm. 87. 222 „et méditez là principalement aux jour de vos jeûnes.“ (syrBar 86,2; Üb. Bogaert) 223 Damit wird auch das Argument von B A U E R , Paulus, 77, Anm. 347, fragwürdig, durch die adscriptio in 1 Thess 1,1 wären die Adressaten hinreichend benannt, um die These zu stützen, dass 1Thess 5,27 dazu auffordere, der Brief solle auch anderen christlichen Gemeinden vorgelesen werden. 224 Für einen möglichen Beginn des eigenhändigen Briefschlusses in 1Thess könnte man ins Feld führen, dass der Eigenhändigkeitsvermerk in 1Kor 16,21 auch direkt nach der Aufforderung zum Grüßen mit dem heiligen Kuss angebracht ist. 225 So z. B. auch R O O S E , 1/ 2Thess, 192. Vgl. zum Briefschluss weiterführend W E I M A , En‐ dings, 174-186; M Ü L L E R , Schluß, 112-130; L A M B R E C H T , Structural Analysis. S C H N I D E R / S T E N G E R , Studien, 145, vermuten, dass sich die Eigenhändigkeit in Fällen ohne expliziten Eigenhändigkeitsvermerk „auf den epistolar bedingten Schlußgruß: ‚Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus …‘“ beschränkten. Dies ist aber keinesfalls eine zwingende Annahme, die vermutlich durch die Angabe im pseudepigraphen (vgl. N I C K L A S , 2Thess, 41-56) - und daher für diese Frage nicht auswertbaren - 2Thess 3,17 f inspiriert worden ist. Der eigenhändig geschriebene Schluss in Gal 6,11-18 (inklusive des Briefes in den Versammlungen der 9 1/ 2 Stämme (86,1) auf eine Praxis des Vorlesens von Briefen in den jüdischen Synagogen der Abfassungszeit zu schließen. 221 Die auf die Leseaufforderung folgende Bestimmung, über den Brief gerade an Fastentagen nachzudenken bzw. zu meditieren, 222 deutet auf eine Strategie hin, die Überlieferung des fiktiven Briefes für die intendierten Rezipienten zu plausibilisieren. Demgegenüber scheint die Aufforderung zum Vorlesen vor allen Brüdern am Ende des 1Thess vor dem Hintergrund der materiellen Kultur plausibel. Die unter 3.5 besprochene Leseterminologie, antike Beschreibungen des Umgangs mit Rollen sowie die zahlreichen erhaltenen subscriptiones deutet darauf hin, dass Rollen (und damit auch Briefe im Rollenformat) nach dem Schreiben (wie auch nach dem Lesen) nicht zurückgerollt wurden, also im „ausgeschriebenen“ Zustand transportiert und im „ausgelesen“ Zustand gelagert wurden. Beim Öffnen der Rolle wurde also in aller Regel der Schluss eines Textes zuerst gelesen, für die vollständige Lektüre musste die Rolle an den Anfang zurückge‐ rollt werden. 223 Diese Praxis erklärt auch die Beglaubigung der paulinischen Briefe durch seine eigenhändig angebrachten Briefschlüsse, wobei es durchaus im Bereich des Möglichen liegt, dass im dokumentarischen 1Thess die Verse 5,26-28 (oder auch erst ab V. 27) 224 von Paulus eigenhändig angebracht worden sind. 225 Dies gilt allerdings nur, wenn man einen Brief in Rollenform voraussetzt. 434 8 Lesen im Neuen Testament epistolaren Schlussgrußes in Gal 6,18! ) und derjenige in 1Kor 16,21-24 zeigen, dass Paulus durchaus auch längere Passagen mit eigener Hand geschrieben hat. (Fraglich ist, wie die eigenhändige Unterschrift mit der Adressierung an die Gemeinden Galatien [Gal 1,2] zusammenzudenken ist. In Abschriften würde der eigenständige Text nämlich nicht mehr graphisch erkennbar sein. Diesbezüglich sei weiterführend auf das Problem der Adressaten des Galaterbriefes verwiesen. Vgl. dazu B A U E R , Paulus, 192 ff [Lit.]; J O H N , Galaterbrief [Lit.]; S Ä N G E R , Schrift, 229-274 [Lit.].) Während in Gal 6,11-18 der Hinweis auf die Eigenständigkeit eine dezidiert kommunikationspragmatische Funk‐ tion hat (in 1Kor 16,21-24 ist diese allerdings weniger deutlich), ist ein Vermerk, was Paulus eigenhändig geschrieben hat, am Ende des 1Thess für diejenigen überflüssig, die den Brief öffnen und das Geschriebene zuerst optisch wahrnehmen, da sie die Eigenhändigkeit ja am Schriftbild wahrnehmen konnten. Sicher beweisen lässt es sich allerdings nicht, dass die Vorleseaufforderung in 1Thess 5,27 schon zum eigenhändig geschriebenen Schluss des dokumentarischen 1Thess gehört hat. Der Wechsel in die 1 Pers. Sg. ist aber schon ein starkes Indiz dafür. Angesichts von Phlm 19 (ἐγὼ Παῦλος ἔγραψα τῇ ἐμῇ χειρί, ἐγὼ ἀποτίσω) könnte man sogar spekulieren, ob das betonte Personalpronomen und die Namensnennung in 1Thess 2,18 (möglicherweise auch 3,5) innerhalb des Briefcorpus mit eigener Hand geschrieben war. Vgl. weiterführend und ausführlich zu eigenhändig angebrachten Schlüssen in antiken Briefen/ Dokumenten und deren Funktion S C H N I D E R / S T E N G E R , Studien, 135-167; K R E M E N D A H L , Botschaft, 39-49; R E E C E , Large Letters. 226 Vgl. dazu ausführlich S A R R I , Letter Writing und die o. stehenden Ausführungen zum Verb ἀναπτύσσω. 227 H O L T Z , 1Thess, 274, weist neben der Vorlesung in der Vollversammlung auf verschie‐ dene, hypothetische Möglichkeiten der Bekanntmachung des Briefes hin, wobei er die theoretische (aber freilich unwahrscheinliche) Möglichkeit unterschlägt, dass der Brief nur von den direkten Empfängern gelesen wurde: „Durch den oder die unmittelbaren Empfänger konnte sein Inhalt auf verschiedenartige Weise in der Gemeinde bekannt gemacht werden, durch allgemeine Information über ihn, seine teilweise Verlesung, seine ganze Bekanntgabe an bestimmte Gruppen, das Anerbieten seiner Lektüre.“ 228 Ähnlich muss man wohl auch die wiederholten Aufforderungen Cyprians in seinen Briefen verstehen, man möge diese in der Gemeinde vorlesen (Cypr. ep. 15,4; 16,4; 17,3; 45,4). Zusammen mit dem häufig zu findenden Appell, man möge Cyprian nicht vergessen (vgl. z. B. Cypr. ep. 14,4), zeigen sich hier die Bemühungen Cyprians, aus dem Exil heraus seine Autorität als Bischof zu wahren. Vgl. dazu G A N T E R , Welt, Gemäß antiker Konvention konnten Briefe nämlich auch in anderen Formaten geschrieben werden. 226 Ob jedoch die direkten Briefempfänger den Brief auch wirklich allen Mit‐ gliedern der Gemeinde vorgelesen haben (und welcher Kontext dafür voraus‐ zusetzen ist), 227 entzieht sich unserer Kenntnis, da wir keinerlei Quellen darüber besitzen. Die normative Aussage von Paulus in 1Thess 5,27 lässt in jedem Fall keine Rückschlüsse darüber zu. Als recht sichere historische Schlussfolgerung bleibt lediglich festzustellen, dass Paulus davon ausgegangen ist, dass sein Brief zuerst von einem spezifischen Personenkreis, der in einer Verantwortungspo‐ sition war, gelesen und wahrgenommen werden würde. 228 435 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre insb. 312 f. Cyprian scheint sich also gerade nicht sicher gewesen zu sein, dass seine Briefe auch publik gemacht werden würden. Wenn das Verlesen als Publikationsform kulturelle Konvention gewesen wäre, verstießen die Aufforderungen Cyprians gegen das Ökonomieprinzip. 229 Vgl. W O J T K O W I A K , Christologie, 133.263 f.296. 230 So z. B. H E C K E L , Segen, 286; vgl. aber z. B G E R B E R , Paulus, 437, die φωνη hier, wie schon die altkirchliche Rezeption (vgl. M E I S E R , Galater, 213 f), im übertragenen Sinne auf den „Ton“ bezieht. 231 So z. B. W I T H E R I N G T O N , Conflict, 158; W O L F F , 1Kor, 103; Z E L L E R , 1Kor, 202; H O L L A N D , Performance, 258; B O R M A N N , Theologie, 178. 232 B E R G E R , Volksversammlung, 202, weist darauf hin, dass es sich um einen terminus technicus für das Versammeln einer Volksversammlung handelt. 233 So hat den Vers z. B. auch die ZB2007 verstanden. Vgl. auch L A N G , Briefe, 71 f. Daneben gibt es einige weitere Stellen in den Protopaulinen, an denen die anvisierte Rezeption (implizit) reflektiert wird. Die meisten dieser Stellen lassen allerdings aus sich heraus kein sicheres Urteil zu. So verweist Paulus in Phil 1,30 mit dem Verb ἀκούω auf das, was im Brief von seiner Gefangenschaft (Phil 1,12-26) zu lesen ist. 229 Es könnte sein, dass Paulus hier eine kollektiv-direkte Rezeptionssituation voraussetzt, zwingend ist diese Schlussfolgerung aber an‐ gesichts der Ausführungen unter 3.2 nicht. Gleiches gilt im Übrigen für das Motiv der Stimme in Gal 4,20, wo Paulus möglicherweise seine Briefstimme reflektiert. 230 Möglich, aber keinesfalls zwingend, ist die These, die von Paulus in 1Kor 5,3-5 angesprochene Versammlung „im Namen unseres Herrn Jesus“ (1Kor 5,4), in der die Korinther den sog. „Unzuchtsünder“ dem Satan übergeben sollen, mit der Rezeptionssituation des Briefes zu identifizieren. 231 Diesbezüglich ist v. a. auf den der Unterschied zu 1Kor 11,17 f.20.33 f; 14,26 hinzuweisen. Während Paulus dort für die Gemeindeversammlung das Verb συνέρχομαι im Präsens verwendet, steht in 1Kor 5,4 das Verb συνάγω (für Paulus sonst nicht belegt) 232 im Aorist. Während also an den genannten Stellen entsprechend dem linearen Aspekt des Präsens der Verlauf der Veranstaltung im Blick ist - der Verlauf müsste ja für die Lesart, dass die Rezeptionssituation des Briefes gemeint wäre, im Blick sein -, weist der punktuelle Aspekt des Aorists hier möglicherweise auf den Beginn einer gesonderten Versammlung hin, die Paulus eigens für den Ausschluss des „Unzuchtsünders“ vorsieht. 233 Auch die Formulierung in 2Kor 1,13 f lässt keine sicheren Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Rezeptionssituation zu. Dort formuliert Paulus: 436 8 Lesen im Neuen Testament 234 Dass der Relativsatz ἢ καὶ ἐπιγινώσκετε (2Kor 1,13b) in einigen Hss. ( Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 B 104 pc bo ms ) fehlt lässt sich ohne Zwang als Abschreibfehler (Homoioteleuton) verstehen. So z. B. auch W O L F F , 2Kor, 30, Anm. 12; S C H A P D I C K , Heil, 296, Anm. 134, gegen B E C K E R , Schreiben, 165, Anm. 811. 235 Vgl. z. B. C O L L I N S , That this Letter, 367; D R O N S C H , Bedeutung, 352 f; M Ü L L E R , 1./ 2. Thess, 221. 236 M O N T G O M A R Y , NT. 237 Vgl. z. B. H A R R I S , Second, 187 (allerdings mit Zurückhaltung). 238 Vgl. z. B. J A M E S O N / B R O W N , Commentary, 300. 13 a Denn nichts anderes schreiben wir euch, b außer was ihr lest und versteht/ (er)kennt (ἀλλ᾽ ἢ ἃ ἀναγινώσκετε ἢ καὶ ἐπιγινώσκετε). 234 c Ich hoffe aber, dass ihr es vollkommen verstehen/ (er)kennen werdet (ἕως τέλους ἐπιγνώσεσθε), 14 a wie ihr es ja teilweise schon verstanden/ erkannt habt (ἐπέγνωτε): b dass wir euer Stolz sind, c gleichwie auch ihr unser am Tag unseres Herrn Jesu. In sprachlicher Hinsicht fällt zunächst der komplementäre Zusammenhang von Schreiben (γράφω) und Lesen (ἀναγιγνώσκω), die Paronomasie ἢ ἃ ἀναγινώσκετε ἢ καὶ ἐπιγινώσκετε und die zweifache Wiederholung des Verbes ἐπιγιγνώσκω (2Kor 1,13c.14a) auf. Dabei spielt Paulus rhetorisch geschickt mit verschiedenen Verbtempora: Während V. 13a/ b im Indikativ Präsens Aktiv formuliert ist, steht das Verb ἐπιγιγνώσκω in V. 13c im Futur und in V. 14a im Aorist. Eine enge sprachliche Parallele zu 2Kor 1,13 findet sich in 2Kor 3,2, wo ebenfalls der Zusammenhang von Schreiben und Lesen sowie eine präsentisch ausgedrückte Paronomasie mit den Verben γινώσκω und ἀναγιγνώσκω zu finden ist. Im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Studie ist nun zu unter‐ suchen, wie die Formulierung in 2Kor 1,13b zu verstehen ist. Gelegentlich wird die Formulierung in Übersetzungen oder in der Literatur als eindeutige Referenz auf das Vorlesen des/ der Briefe/ s in der Gemeinde verstanden. 235 In einigen Fällen wird das durch Übersetzungsvorschläge wie „read aloud“ 236 , „you hear [sb.] read“ 237 oder „read openly“ 238 zum Ausdruck gebracht. Dies sind m. E. unzulässige Ergänzungen bzw. interpretatorische Eingriffe. Hätte Paulus dies zum Ausdruck bringen wollen, stünden ihm dafür präzisere griechische Formulierungen zur Verfügung. Die Paulusexegese ist sich relativ einig, dass Paulus hier auf einen Vorwurf aus der korinthischen Gemeinde reagiert; dass sich die Aussage also nicht allein auf den vorliegenden Brief bezieht, sondern allgemeiner gemeint ist. 437 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 239 Vgl. neben den von S C H M E L L E R , 2Kor I, 84, Anm. 26, angeführten Belegen z. B. S C H A P D I C K , Heil, 296; W I L K , 2Kor, 17 f. 240 Vgl. S C H M E L L E R , 2Kor I, 85. 241 S C H M E L L E R , 2Kor I, 85. 242 Vgl. S C H M E L L E R , 2Kor I, 85 f. 243 Vgl. S C H M E L L E R , 2Kor I, 86 [Zitat ebd.]. 244 Vgl. insb. Polyb. 3,32,9; Gal. meth. med. ed. K Ü H N 10, p. 15,7; Eus. vita Const. 3,61,3; Athan. vit. Anton. 94. Die Mehrheit der Exegetinnen und Exegeten geht davon aus, dass Paulus sich gegen Vorwürfe wehrt, seine Briefe seien schwer verständlich oder bewusst mehrdeutig formuliert. 239 Diese Deutung ist von T. Schmeller in Frage gestellt worden. Er konzediert zwar, dass die Mehrheitsdeutung wirkungsgeschichtlich nachweisbar ist, 240 sein Hauptgegenargument ist aber, dass γράφω bei Paulus und im NT sich lediglich auf den Schreibvorgang an sich bzw. auf den Inhalt und das Ziel eines schriftlichen Kommunikationsaktes beziehe, aber nicht die von der Mehrheitsmeinung vorausgesetzte hermeneutische Konnotation habe. „Dass der Zusammenhang von Autorintention, Schreiben, Lesen und Verstehen hochkompliziert ist, wird (gebildeten) Menschen des 1. Jh.s n. Chr. ansatzweise bewusst gewesen sein - ein schlichtes γράφομεν genügt aber kaum, um dieses Wissen zu evozieren.“ 241 Weiterhin argumentiert Schmeller, dass ἐπιγιγνώσκω hier nicht „verstehen“ meint, sondern mit (er)kennen wiederzugeben sei. Ein wichtiges Argument ist für ihn die Verwendungsweise in 2Kor 13,5 f, wobei er darauf hinweist, dass das Argument nur wirklich stark ist, wenn man die Einheitlichkeit des 2Kor vorausgesetzt. 242 Der Vorwurf der Korinther hätte laut Schmeller daher nicht darin bestanden, dass seine Briefe bewusst oder unbewusst mehrdeutig wären, sondern dass eine Diskrepanz zwischen Briefen und persönlichem Auftreten bestehe. Paulus betone hier also nicht die Übereinstimmung zwischen seinem Denken, „seiner Mitteilungsabsicht und der (möglichen) Rezeption durch die Adressaten, sondern zwischen dem Inhalt der Briefe und dem, was die Adressaten von Paulus direkt gehört haben.“ Die Paronomasie bringe daher zum Ausdruck, dass das Gelesene mit dem bereits vorher Gewussten übereinstimme. 243 Schmellers Deutung wird durch den Kookkurrenzbefunden von ἀναγιγνώσκω und ἐπιγιγνώσκω im TLG bestätigt. Die beiden Lexeme werden sehr selten zusammen verwendet und an den wenigen Belegstellen ist nicht „verstehen“, sondern eher „erkennen“ gemeint. 244 Weniger überzeugend ist jedoch sein Einwand in Bezug auf das Verb γράφω, denn seine Interpretation der Paronomasie in 2Kor 1,13b, die Korinther sollten die „Übereinstimmung 438 8 Lesen im Neuen Testament 245 S C H M E L L E R , 2Kor I, 86. 246 S C H M E L L E R , 2Kor I, 85. 247 So aber z. B. W I L K , 2Kor, 18. 248 S C H A P D I C K , Heil, 296, Anm. 133. 249 Das Pronomen in der 2. Person Plural lesen neben dem Sinaiticus nur einige Minuskeln. 250 Vgl. dazu K U S C H N E R U S , Gemeinde, 150-172 (Lit.); S C H M E L L E R , 2Kor I, 173-181 (Lit.). Vgl. v. a. auch die Analyse der Metaphern bei G U T T E N B E R G E R , Medienwandel, die in Bezug auf das Pronomen in 2Kor 3,2b die 1. Pers. Pl. bevorzugt und argumentiert, in der Metapher des in das Herz eingeschriebenen Briefes komme eine besondere Intimität zum Ausdruck, wodurch Paulus die für die Antike breit bezeugte Vorstellung von Präsenz in der Briefkommunikation betonen möchte (ebd., 275 f). Guttenbergers medientheoretisch fundierten Überlegungen sind insgesamt sehr hilfreich für das Verständnis der kommunikativen Funktion der komplexen Metaphorik in 2Kor 3, die zwischen dem Gelesenen und dem bereits vorher Gewussten“ 245 erkennen, stellt eine kognitiv anspruchsvolle Aufgabe dar. Im Zusammenhang handelt es sich hier nämlich gerade nicht um ein einfaches oder schlichtes γράφομεν, da es ja mit den kognitionsbezogenen Verben ἀναγιγνώσκω und ἐπιγιγνώσκω zusam‐ mensteht und dadurch in spezifischer Weise als Terminus schriftlicher Kommu‐ nikation determiniert wird. Damit wird - unabhängig von der Übersetzung von ἐπιγινώσκετε - der komplizierte „Zusammenhang von Autorintention, Schreiben, Lesen und Verstehen“ 246 sowie die Vorerwartungen der Leser in den Blick genommen. Die Mehrheit der Exegetinnen und Exegeten geht im Zusammenhang mit 2Kor 1,13 nicht auf den Zusammenhang zwischen dem Verb ἀναγιγνώσκω und der Rezeptionssituation ein. M. E. sind dazu jedoch einige Beobachtungen zu machen. Die präsentische Formulierung „ihr lest“ (ἀναγινώσκετε) bezieht sich weder auf ein Vorlesen 247 noch auf das Hören des Textes, sondern auf das „Lesen als solches“, wie S. Schapdick richtig sieht. 248 Doch wie passt dies mit der durchaus berechtigten Annahme zusammen, dass Paulus eine Situation des Vorlesens seiner Briefe anvisiert hat? Aufschluss gibt in dieser Hinsicht die sehr ähnliche Formulierung in 2Kor 3,2, in der ebenfalls eine Form von γράφω mit einer Paronomasie mit -γινώσκω kombiniert wird: a Unser [Empfehlungs-]Brief seid ihr, b eingeschrieben in unser/ euer Herz (ἐγγεγραμμένη ἐν ταῖς καρδίαις ἡμῶν/ ὑμῶν), 249 c erkannt und gelesen (γινωσκομένη καὶ ἀναγινωσκομένη) von allen Menschen. Die Frage nach der außersprachlichen Referenz der komplexen Metaphorik - und damit verbunden auch die textkritische Frage nach dem Pronomen - interessiert in diesem Zusammenhang weniger. 250 Wichtig ist demgegenüber die 439 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre Konstruktion einer gottesdienstlichen Vorlesesituation der paulinischen Briefe (s. ebd., passim) stellen allerdings eine nicht zwingend notwendige Zusatzannahme dar. 251 Vgl. S C H M E L L E R , 2Kor I, 180 f, weiterführend zur Traditionsgeschichte L Ö H R , Steintafeln, der herausarbeitet, dass die Tafeln die gesamte Tora repräsentieren, und F A B R Y , Tafeln. 252 Vgl. S C H N E L L E , Paulus, 260. 253 Vgl. zum Prätext in Spr 7,3 LXX sowie zu dem im Hintergrund stehenden Bildfeld von Gedächtnistafeln K U S C H N E R U S , Gemeinde, 167, Anm. 297. Vgl. außerdem das Motiv des Schreibens der Tora „auf das Herz“ in Jer 31,33 (= 38,33 LXX), das im Hintergrund von Spr 7,3 steht (vgl. S C H I P P E R , Spr I, 446 f). 254 W O L T E R , Das Geschriebene tötet, 369 f, spricht hinsichtlich des paulinischen Umgangs mit den Prätexten von einer „assoziativen Konflation ganz unterschiedlicher alttesta‐ mentlicher Texte“ (370). 255 Vgl. S C H M E L L E R , 2Kor I, 177. Die von ihm in Anm. 54 zitierten Vorschläge, ἀναγιγνώσκω hier im Sinne von „verstehen“ (M Ü L L E R , Lesen, 95) oder im Sinne von „anerkennen“ (K E N N E D Y , Second, 57 f) aufzufassen, werden der Metaphorik nicht gerecht. Vgl. ferner die weiterführende Diskussion von Deutungsmöglichkeiten bei H A R R I S , Second, 262, der darauf hinweist, dass der Brief (im Bild) dauerhaft zur Inspektion geöffnet ist. 256 Es kommt hinzu, dass auch die Paronomasie in Act 8,30 individuell-direkte Lektüre meint (s. o. 4.2.2). Metapher des Eingeschrieben-Seins eines Empfehlungsbriefes (vgl. 2Kor 3,1) im Herzen. Im Rahmen dieser Metapher wird das Herz als Stein konzeptualisiert, in welchen der Brief als Inschrift eingeschrieben ist. Diese Dimension der Metaphorik wird in 2Kor 3,3 durch die traditionsgeschichtlichen Bezüge auf die steinernen Tafeln am Sinai (vgl. u. a. Ex 24,12; 31,18; Jer 38,33 LXX; Ez 11,19; 36,26 f) 251 und die dazu, inspiriert durch Ez 11,19, 252 in Opposition gesetzte Formulierung „auf Tafeln fleischerner Herzen“ (ἐν πλαξὶν καρδίαις σαρκίναις) 253 noch verstärkt. 254 Sowohl die in antiken Quellen vielfach mit der visuellen Wahrnehmung verbundenen Lektüre von Inschriften als auch das Verb γινώσκω, das hier im Zusammenhang wohl das Erkennen des Geschriebenen als Empfehlungsbrief vor dem Lesen meint, 255 als auch die Tatsache, dass es sich bei Empfehlungsschreiben zumeist um Briefe an Individuen handelt, zeigt, dass hier das Konzept individuell-direkter Lektüre gemeint ist. 256 D. h. die Inschriften auf den Herzen werden im Rahmen des Bildspendebereiches der Metapher - analog zum Konzept in Joh 19,20 - jeweils individuell „von allen Menschen“ (Hyperbel) gelesen (ἀναγιγνώσκω, wie in 2Kor 3,2c im Präsens). Dies bedeutet für 2Kor 1,13: Wenn eine kollektiv-indirekte Form der Rezep‐ tion für die Paulusbriefe vorauszusetzen ist, handelt es sich hier daher um eine (bildliche) Übertragung einer individuell-direkten Form der Rezeption des geschriebenen Textes auf die kollektiv-indirekte Form der Rezeption der Briefe. Die von Paulus möglicherweise oder sogar wahrscheinlich vorausgesetzte Form kollektiv-indirekter Rezeption wird hier nicht direkt angesprochen. D. h. die besprochenen Stellen aus dem 2Kor können nicht als Quelle zur Beantwortung 440 8 Lesen im Neuen Testament 257 Freilich muss die Diskussion um die genaue Anzahl der authentischen Paulusbriefe als nicht beendet betrachtet werden. Vgl. in Bezug auf die Pastoralbriefe jetzt H E R Z E R , My‐ thos, der die Möglichkeit diskutiert, dass nur der 1Tim ein pseudepigraphes Schreiben aus dem 2. Jh. ist. Zum Problem Pseudepigraphie im NT und frühen Christentum s. weiterführend v. a. die Forschungsgeschichte J A N S S E N , Unter falschem Namen, sowie die Beiträge in F R E Y / H E R Z E R / J A N S S E N / R O T H S C H I L D , Pseudepigraphie; S C H R E I B E R , Pseudepigraphie. 258 Vgl. dazu S C H R E I B E R , Pseudepigraphie, 249-253; G E R B E R , Erfundene Briefe, 316 f; G E R B E R , Ökumeniker, 350-354. der Frage nach der intendierten Rezeptionsform der dokumentarischen Paulus‐ briefe herangezogen werden. 8.3.3 Lesen in den Deuteropaulinen Wenn man nun für die Protopaulinen nicht eindeutig belegen kann, dass diese in einem spezifische Kontext vorgelesen worden sind, sondern auch andere Formen der Rezeption historisch zumindest möglich sind, so ist das Problem bei den pseudepigraphen Paulusbriefen noch einmal anders gelagert. 257 Denn hier stellt sich die Frage, wie ein pseudepigrapher Brief in Umlauf gebracht wird. Bei einem pseudepigraphen Brief ist die briefliche Kommunikationssituation zwischen Sender und Empfänger ja fingiert und muss von der intendierten Rezeptionssituation unterschieden werden: Die fingierten Adressaten eines pseudepigraphen Briefes sind nicht mit den anvisierten Rezipienten gleichzu‐ setzen. 258 Wie plausibel ist es anzunehmen, dass ein fingierter Brief einer spezifischen Gemeinde vorgelesen worden ist und damit in Umlauf gebracht wurde? Oben ist deutlich geworden, dass Publikation in der Antike so nicht verstanden werden kann. Das Alternativmodell, mit dem die Durchsetzung von pseudepigraphen Briefen erklärbar wird, ist durch die Annahme geprägt, dass fingierte Briefe in Schriftform publiziert worden sind, wobei die Publikation zusammen mit einem anderen Brief oder gleich in einer Sammlung für Rezipienten in der Antike die beste Möglichkeit bot, die Authentizität des fingierten Briefes zu plausibilisieren. Wie diese Texte dann gelesen worden sind, ist eine offene Frage. Von der intendierten und tatsächlichen Rezeptionssituation pseudepigrapher Briefe zu unterscheiden ist jedoch die vom Text im Rahmen eines editorial narrative vorausgesetzte (fingierte) Erstrezeptionssituation, die für die Rezipi‐ enten plausibel sein muss. Der Terminus editorial narrative beschreibt die aus verschiedenen Textsignalen von den Rezipienten zu rekonstruierende Ge‐ 441 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 259 Vgl. T R O B I S C H , Gospel, 171. Die Verwendung des aus meiner Sicht heuristisch sinnvollen Terminus impliziert nicht die Übernahme der These einer Kanonischen Redaktion. Vielmehr ist der Terminus auf alle Formen von pseudepigraphen Texten und redigierte Sammlungen, die solche enthalten, anwendbar. 260 Zum pseudepigraphen Charakter des Kol vgl. z. B. S T A N D H A R T I N G E R , Studien, sowie die kurze Zusammenfassung des Forschungsstandes bei S C H N E L L E , Einleitung, 361-367. 261 Vgl. L O H S E , Kol, Philm, 245, Anm 4. 262 Vgl. S C H N E E M E L C H E R , NTApo II, 80-84. 263 Vgl. Tert. adv. Marc. 5,11.17. 264 Vgl. zur These, dass der Eph ursprünglich ein Brief an die Laodikener war, die Verweise auf die alte Forschung bei P E R C Y , Probleme, 453, Anm. 19, der u. a. Harnack als einen bekannten Vertreter der Position nennt. Die These findet sich in der neueren Forschung z. B. bei V A N K O O T E N , Christology, 195-201; R Ö H S E R , Schluss, 135 f. 265 Vgl. F L E M M I N G , Textgeschichte (Lit.). schichte, die als Authentifizierungsstrategie pseudepigrapher Texte fungiert. 259 Kann man hier davon ausgehen, dass die Rezipienten der pseudepigraphen Briefe sich eine Vorlesesituation vorstellten bzw. vorstellen sollten? Gibt es dafür Anhaltspunkte in den Texten selbst oder lässt sich wiederum nur auf eine vermeintlich eindeutige (und oben problematisierte) kulturelle Konvention des Verlesens in Gruppen verweisen? In Kol 4,16 findet sich folgende Aufforderung des (fingierten) 260 Paulus: a Wenn dieser Brief bei euch gelesen ist (ἀναγνωσθῇ παρ᾽ ὑμῖν), b sorgt dafür, dass er auch in der Gemeinde der Laodikener gelesen wird (ἐν τῇ Λαοδικέων ἐκκλησίᾳ ἀναγνωσθῇ), c und dass ihr den Brief aus Laodikeia lest (ὑμεῖς ἀναγνῶτε). Der Verweis auf einen Brief an die Laodikener 261 läuft im NT bekanntlich ins Leere und hat wirkungsgeschichtlich zur Abfassung eines in einigen altlateinischen und zahlreichen Vulgatahandschriften bezeugten apokryphen Laodikenerbriefes geführt. 262 Historisch ist allerdings tatsächlich ein Brief an die Laodikener (*Laod) bezeugt und zwar in der für Marcion bezeugten Sammlung von zehn Paulusbriefen. 263 In einer Dresdner Dissertation von T. Flemming wurde nun aber in Modifikation einer alten These 264 und insbesondere anhand textkritischer Evidenzen ausführlich gezeigt, dass dieser *Laod gegenüber dem kanonischen Eph ursprünglich ist. Die Sammlung von zehn Paulusbriefen, die nicht durch Marcion redaktionell zusammengestellt wurde, sondern diesem als Paulusbriefsammlung vorlag, ist die älteste, eindeutig bezeugte Sammlung von Paulusbriefen und geht der kanonischen Sammlung von vierzehn Briefen voraus. Flemming hat plausibel dargelegt, dass der *Laod bei der redaktionellen Zusammenstellung dieser Sammlung von vierzehn Briefen zum Eph wurde. 265 442 8 Lesen im Neuen Testament 266 So F R A N K , Kontext, 77, mit Bezug auf S C H E N K , Kolosserbrief, 3334. 267 Vgl. L I N D E M A N N , Gemeinde, dessen These, der Kol sei eigentlich an die Gemeinde in Laodikeia gerichtet gewesen, aus der Perspektive der Einsichten Flemmings zu modifizieren ist; W O L T E R , Kol, Philm, 220-222. Wolters Annahme der Zirkulation von Paulusbriefen in den Gemeinden untereinander stellt allerdings eine unnötige und nicht aus Kol 4,16 selbst ableitbare Zusatzannahme dar (s. u.). 268 Ad Laodicense 20: et facite legi Colosensibus et Colosensium vobis. 269 Vgl. den Hinweis bei T A S C H L -E R B E R , Rhetorik, 322, dass es sich bei der paulinischen Traditions- und Rezeptionsgemeinschaft „zunächst um ein von der Textwelt entwor‐ fenes Konstrukt“ handelt. 270 Dafür, diese Verlesung als „gottesdienstlich“ zu bezeichnen, fehlt jeder Anhaltspunkt im Text. Exemplarisch gegen P O K O R N Ý , Brief, 164. 271 Die Rede vom Zusammenkommen (συνέρχομαι) der ganzen Gemeinde (ἡ ἐκκλησία ὅλη) in 1Kor 14,23 belegt die Möglichkeit eines solchen Verständnisses. Vgl. außerdem Act 8,1.3; 9,31. Die Bedeutung des Lexems ἐκκλησία im NT und im frühen Juden- und Christentum kann hier nicht weiter diskutiert werden. Vgl. für den Befund den Art. im ThWNT, außerdem weiterführend R O L O F F , Kirche; C L A U S S E N , Versammlung. 272 Die Ambiguität wird z. B. auch von F R A N K , Kolosserbrief, 411, richtig gesehen. 273 So zu Recht der Hinweis bei M A I S C H , Kol, 74. Im Rahmen der Sammlung von zehn Paulusbriefen (und möglicherweise auch in deren Vorgeschichte) läuft der Verweis in Kol 4,16 nicht ins Leere, sondern re‐ ferenziert auf den ebenfalls enthaltenen Laod. Er muss also nicht als rein fiktiver, pseudointertextueller Verweis interpretiert werden, der die Funktion hätte, auf das Faktum hinzuweisen, dass es noch andere, unbekannte Paulusbriefe gäbe. 266 Kol 4,16 ist in erster Linie Teil der Authentifizierungsstrategie 267 von *Laod und Kol, die im Übrigen analog im lateinischen apokryphen Laod angewendet wird. 268 Es handelt sich also damit um eine fingierte Rezeptionssituation, 269 die so niemals historisch stattgefunden hat, sondern den Rezipienten versichern soll, dass sie in ihrer Paulusbriefsammlung einen authentischen Paulusbrief vorliegen haben. Welche fingierte Rezeptionssituation sich die Rezipienten nun vorstellen sollen, hängt davon ab, wie man die Formulierung ἐν τῇ Λαοδικέων ἐκκλησίᾳ ἀναγνωσθῇ (Kol 4,16b) versteht. Meint ἐκκλησία hier konkret die Versamm‐ lung, dann ist eine kollektiv-indirekte Rezeption des Briefes gemeint. 270 Wenn ἐκκλησία allerdings allgemeiner einen Personenverband meint, 271 dann könnte man sich rein theoretisch auch eine individuell-direkte Rezeption des Briefes durch einzelne oder alle Mitglieder der Gemeinde vorstellen. Ähnlich ambigue bleiben auch die Formulierungen in Kol 4,16a/ c 272 - hier kann die vorzustellende Rezeptionssituation nicht eindeutig festgelegt werden. In jedem Fall setzt die Formulierung eine nicht auf Iteration abzielende Leseweise voraus und kann nicht im Hinblick auf liturgisches Lesen u. ä. hin gelesen werden. 273 Unab‐ hängig von der vorzustellenden Rezeptionssituation lässt aber Kol 4,16 keine 443 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 274 So G N I L K A , Kolosserbrief, 254. 275 F R A N K , Kolosserbrief, 412. Vgl. weiterführend ihre Dissertationsschrift F R A N K , Kontext. 276 Exemplarisch gegen C A M P E N H A U S E N , Entstehung, 170; S C H W E I Z E R , Kol, 179; L E P P Ä , Making, 23; M A I S C H , Kol, 72 f; B O R M A N N , Kol, 197; G R A D L , Offenbarung, 124, Anm. 374; S C H R ÖT E R , Entstehung, 811 f. 277 Der im Mehrheitstext und zahlreichen Majuskeln bezeugte Anschluss zum vorherigen Satz mit ὅτι fehlt in wichtigen Textzeugen ( Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46 B F G b d sa ms ; Ambst) und ist wahr‐ scheinlich sekundär bzw. fehlte vermutlich im Laod und wurde bei der Umwandlung des Laod zum Eph hinzugefügt. Vgl. dazu F L E M M I N G , Textgeschichte. Daher ist der Satz in der ursprünglichen Form als eigenständiger Hauptsatz zu verstehen und auch nicht vom Verb ἀκούω in Eph 3,2 abhängig. Das Hören hat in Eph 3,2 „die Funktion an Bekanntes zu erinnern“ (S C H N A C K E N B U R G , Eph, 132, Anm. 209) auf welchem Weg auch immer die (fiktive) Gemeinde davon Kenntnis genommen hat. Schlussfolgerungen über die intendierte und historische Rezeptionssituation und die vorauszusetzende Lesesituation des pseudepigraphen Kolosserbriefes oder anderer pseudepigrapher Briefe im frühen Christentum zu. Ausgehend von Kol 4,16 zu vermuten, dass Tychikos als tatsächlicher Überbringer des Briefes diesen der Gemeinde vorgelesen hätte, 274 ist methodisch problematisch und reine Spekulation. So formuliert N. Frank treffend: Es „sprechen viele textimmanente wie textexterne Faktoren klar dagegen, Adressaten wie implizite Gegner des Kolosserbriefes tatsächlich im Sinne konkreter Gruppierungen im Umfeld von Kolossä zu lokalisieren.“ 275 Wenn man von einer pseudepigraphen Verfasserschaft ausgeht, sind die Hinweise auf Tychikos u. a. in Kol 4,7-9 genauso wie etwa der Gruß in Paulus’ eigener Handschrift (Kol 4,18) Teil des editorial narrative und sollen den Schein der Authentizität erhöhen. Daher ist es methodisch ebenso problematisch, aus Kol 4,16 eine Praxis der Zirkulation und des Austausches von paulinischen Briefen in den Gemeinden abzuleiten und darauf aufbauend ein Modell der Entstehung der Paulusbriefsammlung zu postulieren. 276 Diesbezüglich ist außerdem anzumerken, dass das Konzept des gegenseitigen Austausches von zwei(! ) Briefen noch kein umfassendes Zirkulationskonzept belegt und (in der literarischen Fiktion) situationsbedingt zu verstehen ist. In den Deuteropaulinen ist das Verb ἀναγιγνώσκω lediglich an einer weiteren Stelle belegt, nämlich bezeichnenderweise in *Laod/ Eph 3,4: 3 a Durch eine Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgetan worden, 277 b wie ich vorher in Kürze schrieb (καθὼς προέγραψα ἐν ὀλίγω). 4 Daran könnt ihr lesend verstehen meine Einsicht in das Geheimnis Christi (πρὸς ὃ δύνασθε ἀναγινώσκοντες νοῆσαι τὴν σύνεσίν μου ἐν τῷ μυστηρίῳ τοῦ Χριστοῦ). 444 8 Lesen im Neuen Testament 278 Vgl. zum pseudepigraphen Charakter des Eph H Ü N E B U R G , Paulus, wobei m. E. angesichts der Ergebnisse der Arbeit von T. Flemming eine Zwillingsfälschung anzunehmen ist, also nicht einfach angenommen werden kann, dass *Laod erst nach der Veröffentli‐ chung von Kol geschrieben worden ist. Das wichtigste Argument gegen Hüneburgs These besteht darin, dass Kol 4,16 ja bewusst auf den *Laod hin gestaltet sein muss. 279 Die Satzeinleitung πρὸς ὃ in *Laod/ Eph 3,4 bezieht sich auf den gesamten vorherge‐ henden καθώς-Satz. Das Verb ἀναγιγνώσκω korrespondiert mit προγράφω. Vgl. S E L L I N , Eph, 252. 280 Vgl. G E R B E R , Ökumeniker, 345. 281 G E R B E R , Ökumeniker, 345. 282 G N I L K A , Epheserbrief, 165. 283 Beide Zitate G N I L K A , Epheserbrief, 165. Diese Stelle ist insofern interessant, als der (fiktive) Paulus 278 hier den Zu‐ sammenhang zwischen dem Lesen und der kognitiven Verarbeitung explizit thematisiert und sogar mit seiner eigenen kognitiven, freilich als geistgewirkt verstandenen, Einsicht in Verbindung bringt. Doch lässt sich aus der Stelle Nä‐ heres über die vom Text vorauszusetzende Leseweise ableiten? Zunächst einmal ist die Wortwahl auffällig. Wenn man von der gängigen These ausgeht, dass die Briefe im NT für das Vorlesen in kollektiv-indirekten Rezeptionssituationen geschrieben worden seien, würde man an dieser Stelle eher das verbum audiendi ἀκούω erwarten. Stattdessen verwendet der (fiktive) Paulus hier jedoch mit ἀναγιγνώσκω einen spezifischen Leseterminus als participium coniunctum im Plural Präsens Aktiv. Im Rückverweis auf das zuvor in Kürze Geschriebene (*Laod/ Eph 3,3b) wird deutlich, dass der (fiktive) Paulus hier voraussetzt, dass das zuvor Geschriebene 279 erneut gelesen werden solle. *Laod/ Eph 3,4 hat sodann auffordernden Charakter, wobei man den linearen Aspekt des Präsens als Hinweis auf eine iterative Leseweise verstehen kann. Das wird auch in der Forschungsliteratur so gesehen, auch wenn es um‐ stritten ist, ob καθὼς προέγραψα ἐν ὀλίγω (*Laod/ Eph 3,3b) sich selbstreferen‐ ziell auf den vorliegenden Brief oder auf etwas zuvor in einem anderen Brief Geschriebenes bezieht (etwa Gal 1 f). 280 „So oder so wird ‚Paulus‘ damit [aber] als literarischer Briefschreiber profiliert und die Bedeutung seines Schreibens aus der Einmaligkeit der brieflichen Situation gelöst: Man kann später noch einmal, ja immer wieder nachlesen und die Geheimniseinsicht des ‚Paulus‘ nachvoll‐ ziehen.“ 281 J. Gnilka weist z. B. darauf hin, dass die Adressaten das Schriftmedium zur Verfügung haben und spricht von einem „latente[n] Imperativ zur intensiven Beschäftigung“. 282 Er versteht *Laod/ Eph 3,4 also als selbstreferenziellen Verweis auf den vorliegenden Text. Direkt im Anschluss formuliert er allerdings, dass hier die „Situation des Vorlesens in der Gemeindeversammlung“ gemeint sei und nicht die „Privatlektüre […]. Das wäre zu modern geurteilt (vgl. Kol 4,16).“ 283 Kol 445 8.3 Zur Lektüre der Paulusbriefe und Paulus’ Brieflektüre 284 Vgl. insb. die Belege in Anm. 313, S. 452; Anm. 314, S. 452. S. außerdem meine Überlegungen zu Act 8 (8.2.2) u. insbes. zu Mk 13,14 (8.4.1). 285 So auch L I N D E M A N N , Paulus, 30. 4,16 trägt die Beweislast dieses Arguments aber gerade nicht, da dort - anders als hier - nur die singuläre, nicht auf Iteration abzielende Lektüre im Blick ist (s. o.). Auch das Modernitätsargument ist vor dem Hintergrund des bisher Erarbeiteten zum Lesen in der antiken Welt und im frühen Judentum zurückzuweisen. Insbe‐ sondere der Zusammenhang des lesenden Verstehens (νοέω) ist in den Quellen vielfach mit individuell-direkter (Mehrfach-)Lektüre verknüpft. 284 Insbesondere Joh 19,20a (s. o. 8.1) zeigt eindeutig, dass ἀναγιγνώσκω in neutestamentlichen Texten auch die individuell-direkte Lektüre bezeichnen kann. Es gibt keinen Grund auszuschließen, dass Texte im frühen Christentum individuell-direkt rezipiert worden sind. Anzunehmen, dass *Laod/ Eph 3,4 auf die individuell-di‐ rekte Wiederholungslektüre abzielt, erklärt sich zudem sehr gut als Teil der Authentifikationsstrategie des Briefes. So verdeutlicht diese den Erstlesern des pseudepigraphen Briefes den Grund, warum der Brief nach der fiktiven Erstrezeption aufbewahrt worden ist und (vermutlich nun im Kontext einer Briefsammlung) überhaupt von ihnen gelesen werden kann. Es handelt sich um einen Brief, der nicht nur für die singuläre Lektüre geschrieben worden ist. 8.3.4 Zusammenfassung Für die Protopaulinen bleibt es eine plausible Vermutung, dass Paulus eine kollektiv-indirekte Rezeption seiner Briefe anvisiert hat. Es lässt sich aber weder ein idealtypischer, konventionalisierter Ablauf dafür rekonstruieren noch gibt es Anhaltspunkte, den Kontext der Verlesung als „gottesdienstlich“ zu charakte‐ risieren. Die Idee, dass Paulus performative Vorlesungen seiner Briefe erwartete, lässt sich am Textbefund nicht halten. So verdeutlicht gerade 1Thess 5,27, dass Paulus sich hier nicht auf einen kulturellen Automatismus verlassen konnte und die Erstrezeption durchaus auch durch wichtige Führungspositionen (möglicherweise auch stellvertretend für die Gemeinde) durchgeführt werden konnte. Die in den Gemeinden historisch tatsächlich durchgeführten Formen der Rezeption entziehen sich einer geschichtswissenschaftlichen Rekonstruk‐ tion. 285 Auch lässt sich keine Kontinuität zwischen der Erstrezeption der do‐ kumentarischen Briefe in den Gemeinden und der späteren Lesepraxis der literarischen Briefe und schon gar nicht der pseudepigraphen Briefe herstellen. Es kann daher keine Kontinuität von aus der Synagoge übernommenen Schrift‐ lesungen zur (wiederholten) Vorlesung von Briefen postuliert werden, welche die Schriftlesungen ergänzten und später durch das Verlesen der Evangelien 446 8 Lesen im Neuen Testament 286 Gegen C O X , Reading. 287 Diesbezüglich sei auf G E R B E R , Erfundene Briefe, hinzuweisen, die im Hinblick auf den Eph konsequent von Leserinnen und Lesern spricht und darauf hinweist, dass der Text „mit einer Pluralität, ja Diversität von ‚Modelllesern‘“ (317) rechne. 288 Vgl. z. B. H A H N , Theologie Bd. 1, 546. 289 Vgl. z. B. U R B A N , Menschenbild, 124 f; N Ä S S E L Q V I S T , Reading; S C H E N K E , Wohnen, 226. 290 Vgl. dazu exempl. O ’ R O U R K E , Asides; V A N D E N H O E K , Techniques; T H A T C H E R , Asides. 291 Vgl. W I S C H M E Y E R , Forming, 372; S E I F E R T , Markusschluss, 234. Anm. 534. komplementiert worden wäre. 286 Gerade für pseudepigraphe Briefe und Brief‐ sammlungen ist auch die m. E. wahrscheinliche Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass diese für die individuell-direkte Lektüre verfasst und konzipiert worden sind, 287 wie auch aus den nachfolgenden Überlegungen deutlich werden wird. 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT Wie in der Einleitung ausgeführt, wird als Kontext für die Erstrezeption des Markusevangeliums in der Forschung vielfach (ohne dies genauer zu spezifi‐ zieren) die „Verlesung im Gottesdienst“ bzw. eine Verlesung mit besonderen performativen Elementen vorausgesetzt (performance criticism) - also eine Form kollektiv-indirekter Rezeption. Auch in Bezug auf das MtEv 288 und das JohEv 289 wird zuweilen eine kollektiv-indirekte Rezeptionssituation als ursprünglich intendiert angenommen. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf zwei zentrale Stellen, an denen die Rezeptionssituation in den Erzähltexten in den Blick kommt (Mk 13,14 u. Apc 1,3). Andere Phänomene, wie z. B. die Erzählerkommentare und die sog. narrative asides im Johannesevangelium, 290 werden hingegen nicht besprochen. Hier werden zwar die Rezipienten direkt angesprochen, eindeutige Schlussfolgerungen für die Lesesituation sind daraus aber nicht zu ziehen. Allerdings können die Ergebnisse dieser Studie dabei helfen, das Lesekonzept des JohEv in die Bedingungen der antiken Lesekultur einzuordnen. 8.4.1 Mk 13,14 und das Lesekonzept des MkEv Der Lesende in Mk 13,14 Die einzige direkte Ansprache der Rezipienten im Markusevangelium findet sich in Mk 13,14. 291 Hier findet sich im Kontext der sog. „markinischen Apokalypse“ die folgende Aufforderung: 447 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 292 Vgl. B E C K E R , Markus 13, 109 f, mit Verweis auf die entsprechenden Paragraphen in der Grammatik [Zitat 110]. 293 Vgl. dazu G E N E T T E , Erzählung, 147-150. Trotz der berechtigten Kritik an den „klassi‐ schen „narratologischen Entwürfen im Hinblick auf einen möglichen Systemzwang der binär strukturierten Unterscheidungen, „der die Analyse konkreter erzählter Welten hemmen kann“ (vgl. dazu V O N B E N D E M A N N , Er ist nicht hier, 43-50 [Lit.], Zitat 43), erscheint die Verwendung dieser Kategorie hier in heuristischer Hinsicht hilfreich, um den Wechsel der Erzählebenen innerhalb von Mk 13,14 zu beschreiben und die Differenz zur Interpretation von Mk 13,14c als Metalepse (s. u.) zu markieren. 294 Vgl. B E C K E R , Markus 13, 112 [Zitat ebd.]. Vgl. zur über die erzählte Zeit hinausgreifenden Schilderung der Ereignisse in der Endzeitrede in Mk 13 auch S E I F E R T , Markusschluss, 234-237. 295 Vgl. dazu F O W L E R , Reader, 81-126, der die expliziten Erzählerkommentare im MkEv analysiert und in Anknüpfung an C H A T M A N , Story, in die Kategorien commentary on the discourse (neben Mk 13,14c 1,1; 1,2 f; 1,14 f) und zahlreiche commentaries on the story unterteilt. a Wenn ihr aber den Greuel der Verwüstung stehen seht, b wo er nicht (sein) darf, c - der Lesende erkenne/ bedenke/ begreife/ grüble/ meditiere (darüber) - (ὁ ἀναγινώσκων νοείτω) d dann sollen die in Juda in die Berge fliehen. Sprachlich-syntaktisch ist Mk 13,14 Teil einer Reihe von sechs Satzkonstruktionen, die jeweils aus einem mit ὅταν eigeleiteten Nebensatz mit finitem Verb im Konjunktiv bestehen (Mk 13,4.7.11.14.28 f), wobei die jeweils übergeordneten Hauptsätze (bis auf Mk 13,4) imperativisch formuliert sind. Abgesehen von der futurischen Ausrichtung des Nebensatzes in Mk 13,4 haben die Konditio‐ nalgefüge (NS: Konjunktiv, HS: Imperativ) eine iterative Funktion, d. h. es wird verwiesen auf „Ereignisse, die in der Geschichte stattgefunden haben und die sich wiederholen.“ 292 Auffällig ist außerdem, dass Mk 13,14 die erste Instanz einer vierfachen Verwendung des Zeitadverbs τότε ist (s. auch Mk 13,21.26 f), damit der Übergang „von der geschichtlichen zu[r] eschatologischen Zeit“ eingeleitet wird und das in V. 14a benannte Ereignis, vom zeitlichen Standpunkt des extradiegetisch-heterodiegetischen 293 Erzählers aus gesehen das jüngste darstellt. 294 Das substantivierte und absolut gebrauchte Partizip ὁ ἀναγινώσκων bildet zusammen mit einem finiten Verb einen eigenständigen Satz und die Anrede wechselt von der 2. Pl. (Mk 13,5.7.9.11.13.14a) in die 3. Sg., sodass Mk 13,14c als Parenthese zu analysieren ist. Diese Parenthese ist aus narratologischer Sicht keine Figurenrede, wie die übrigen Verse Mk 13,5b-37, sondern der Erzählstimme zuzuordnen und als expliziter Erzählerkommentar 295 zu interpre‐ 448 8 Lesen im Neuen Testament 296 So schon F O W L E R , Reader, 83: „The parenthesis makes no sense at all as statement by Jesus.“ Vgl. außerdem R Ü G G E M E I E R , Poetik, 210-212, s. insb. seine Diskussion der Interpretation als Metalepse, eine Durchbrechung der Erzählebenen, bei E I S E N , Metalepsis, 323 f, in Anm. 35. Vgl. ausführlich zum Problem D U T O I T , Entgrenzungen, 309-314. B E C K E R , Markus 13, 119-121, analysiert den Erzählerkommentar, den sie als „Aufmerksamkeitsruf “ bezeichnet, formgeschichtlich als Parallele zu sog. „Weckrufen“. Auch wenn die „Weckrufe“ in den synoptischen Evangelien (Mk 4,9 par; 4,23; Mt 11,15; 13,43; Lk 14,35) - sie sind jedoch im Gegensatz zu Mk 13,14c eindeutig Figurenrede - sich in pragmatischer Hinsicht an die Rezipienten richtet und die „Weckrufe“ in der Apc (2,7.11.17.29; 3,6.13.22) der Erzählstimme zuzuordnen sind, so sind die Differenzen zwischen der auditiven Motivik in den „Weckrufen“ auf der einen Seite und dem Lese- und Kognitionsverb in Mk 13,14c schon sehr deutlich. 297 Vgl. P E R K I N S , Reader. 298 Die Formulierungen in Mk 2,25; 12,10.26 gleichen sich syntaktisch und bestehen jeweils aus einer Negation, dem Verb ἀναγιγνώσκω in der 2. Pers. Pl. Aor. Ind. Akt. und fungieren jeweils als rhetorische Frage. Zudem ist jeweils als Objekt der Gegenstand des Lesens angegeben: τί ἐποίησεν Δαυὶδ … + Paraphrase von 1Sam 21,1-7; τὴν γραφὴν ταύτην + Zitat aus Ps 118; ἐν τῇ βίβλῳ Μωϋσέως ἐπὶ τοῦ βάτου πῶς … + Zitat aus Ex 3. 299 Ohne handschriftliche Evidenz bleibt diese Hypothese J. Wellhausens pure Spekulation. Vgl. W E L L H A U S E N , Evangelium, 110. Dagegen spricht ferner, dass das MtEv etwa den Erzählerkommentar aus Mk 7,19c nicht übernimmt, also das Interesse an Erzählerkom‐ mentaren beim MkEv liegt. S. dazu B E C K E R , Text, 70, insb. Anm. 84. Mindestens genauso spekulativ ist die These, es handle sich um eine sekundäre Randbemerkung, die beim Abschreiben in den Text gerutscht wäre. So schon das Urteil von B R A N D E N B U R G E R , Markus, 23, gegen H Ö L S C H E R , Ursprung, 195, u. C O L L I N S , Mark, 597; auch gegen B E S T , Gospel, 129 f. tieren. 296 Zuweilen wird in der Forschung angenommen, es handle sich um Figurenrede Jesu, der hier Leser des AT (insb. des Danielbuches) unter den Zuhörern in der erzählten Welt anspreche bzw. zum aufmerksamen Lesen desselben anhielte. So argumentiert etwa L. Perkins mit Verweis auf die anderen Belegstellen von ἀναγινώσκω im MkEv (2,25; 12,10.26). 297 Es ist zwar richtig, dass durch diese Stellen in der Erzählwelt des MkEv vorausgesetzt wird, dass einzelne Figuren im AT lesen, für Mk 13,14 ist diese Interpretation aber zu voraussetzungsreich. Der Unterschied zwischen Mk 2,25; 12,10.26 besteht darin, dass die Aussagen in diesen Versen im Gegensatz zur Formulierung in Mk 13,14c, von ersterer syntaktisch deutlich abweichen 298 und in leserpragmatischer Hinsicht als Zitationsformeln fungieren. Zudem sind in Mk 2,25; 12,10.26 literate Figuren Gesprächspartner Jesus (Mk 2,24; 11,27; 12,18), in Mk 13 sind es Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas (Mk 13,3). Der Erzählerkommentar ὁ ἀναγινώσκων νοείτω (Mk 13,14c), der m. E. nicht als sekundärer Einfluss aus dem Matthäusevangelium erklärt werden kann, 299 wird häufig so verstanden, als richte sich der Text hier an den Vorleser, der das MkEv vor einem Publikum (in der Gemeindeversammlung/ im Gottesdienst) 449 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 300 Vgl. neben den Belegen bei P E S C H , Naherwartungen, 144, Anm. 507, exempl. für viele B E A V I S , Mark, 19 f.80; C O X , Reading, 82; C O L L I N S , Mark, 597; U R O , Interface, 71, W R I G H T , Reading, 125; K E I T H , Manuscript, 177-182 (Keith schließt die Möglichkeit eines Bezugs auf einen individuell-direkten Leser nicht aus. [179]). Insbesondere im Horizont der sog. Performanzkritik wird dies häufig vertreten. Vgl. exempl. H E A R O N , Mapping; H A R T V I G S E N , Prepare, 439; M U D D I M A N , Reader, 174-182. 301 So etwa schon W E I Z S Ä C K E R , Zeitalter, 362.572; vgl. auch G O U L D E R , Calender, 3; H A R T ‐ V I G S E N , Prepare, 439; vorsichtiger P E S C H , Markusevangelium, 292; F R A N C E , Gospel, 524, Anm. 66. 302 C. Rose trägt diese Deutung in seine Übersetzung ein und formuliert, es sei „angemes‐ sener, zu übersetzen: „Wer dies vorgelesen bekommt, merke auf! “ (R O S E , Theologie, 51). Ähnlich auch H E A R O N , Mapping, 380, der übersetzt: „have you not heard read“. Hätte der Verfasser dies allerdings zum Ausdruck bringen wollen, stünde mit der passivischen Formulierung (etwa νοείτω ῷ ἀναγινώσκεται) eine eindeutige Formulierung zur Verfügung (s. 2Kor 3,15; 1Thess 5,27). Aus philologischer Sicht ist es m. E. nicht möglich, die Konstruktion als Kausativ aufzufassen, da ja der einzelne Zuhörer nicht den Vorleser zum Lesen veranlasst. 303 H E N G E L , Evangelien, 212. Eine solche indifferente Position nehmen z. B. auch P E S C H , Naherwartungen, 144; G R U N D M A N N , Evangelium, 358; V A N I E R S E L , Mark, 400, Anm. 25; F R I T Z E N , Gott, 143; D R O N S C H , Bedeutung, 343, ein. 304 S. o. insb. Anm. 35, S. 116 u. Anm. 36, S. 116). Die These, dass in Mk 13,14c individuelle Leser angesprochen sind, ist auch in der Forschung verbreitet. S. zus. zu den von C O L L I N S , Mark, 597, Anm. 31, aufgeführten Publikationen z. B. M A Y O R D O M O -M A R I N , Anfang, 166; G U T T E N B E R G E R , Mk, 300. vorlesen würde. 300 Die Funktion läge dabei darin, den Vorleser dazu anzuhalten, eine Vorlesepause einzulegen und das Vorhergehende zu erklären o. ä. 301 Zum Teil wird die Stelle so verstanden, als seien auch die hörenden Rezipienten gemeint 302 bzw. miteingeschlossen. So findet z. B. Hengel die Formulierung in Mk 13,14 zwar „eigenartig“, reformuliert aber unter Verweis auf das Paradigma, dass in der Antike und im frühen Christentum generell vokalisierend und zumeist in Gruppen gelesen worden wäre, und ohne weitere lexikologische und semantische Argumente: „[D]er Vorleser möge aufmerksam werden und die Zuhörer beziehungsweise der Leser das Gehörte bedenken.“ 303 Das wichtigste Gegenargument gegen die These, dass hier der Vorleser bzw. die Zuhörer angesprochen würden, ist ein philologisches: Im Text findet sich das Partizip ὁ ἀναγινώσκων (der Lesende) und nicht das Lexem ἀναγνώστης, das in der späteren Kirchengeschichte einen Vorleser biblischer Schriften meinen kann (s. u. 9.4). Die oben stehenden Ausführungen zum Verb ἀναγιγνώσκω zeigen, dass hier ein Rezipient im Blick ist, der den Text individuell-direkt liest: Das durch hinzutretenden Artikel substantivierte Partizip, wie es hier zu finden ist, wird üblicherweise zur Reflexion über bzw. direkten Ansprache individuell-direkter Leser verwendet; dies ist, wie oben gezeigt wurde, sogar inschriftlich belegt. 304 Die Bedeutung „Vorlesender“ ist dagegen eine Sonderbe‐ 450 8 Lesen im Neuen Testament 305 Wie etwa in Iust. Mart. apol. 1,67,3. 306 Vgl. S H I N E R , Proclaiming, 16. 307 „Leser, pass auf (lector intende): Du wirst dein Vergnügen haben“ (Apul. met. 1,1,6). 308 „Nein, ich will Dir hier in milesischem Stil einen bunten Kranz von Geschichten Flechten und deine geneigten Ohren mit hübschem Kling-Klang kitzeln - falls du es nicht verschmähen solltest, einen Blick in die Blätter aus Ägypten zu werfen, die ich mit feinem Nilrohr beschrieben habe (modo si papyrum Aegyptiam argutia Nilotici calami inscriptam non spreveris inspicere)“ (Apul. met. 1,1,1; Üb. B R A N D T / E H L E R S ). 309 So auch das Urteil von T R E U , Roman, 181. Vgl. weiterführend Z I M M E R M A N , Food. 310 So auch D A U B E , New Testament, 425. 311 Vgl. auch zu den folgenden beiden Argumenten T H E I S S E N , Lokalkolorit, 137. Es ist aus philologischer Sicht schwer begründbar, νοείτω im Sinne von „make to be understood“ zu verstehen. Gegen M U D D I M A N , Reader, 176, der dies ohne philologische Begründung und ohne Belegstellen, die eine solche Verwendungsweise zeigten, postuliert. deutung und müsste eindeutig durch den Kontext angezeigt werden. 305 (Und hier spricht der Kontext sogar dagegen; s. u.) Warum Apc 1,3 als Belegstelle zur Begründung dieser Übersetzung ausfällt, wird unten zu besprechen sein. Auch weitere herangezogene Stellen, die diese Übersetzung rechtfertigen sollen, tragen nicht. W. Shiner verweist auf Apul. met. 1,1 und meint, hier bezöge sich der direkt angespro‐ chene Leser (lector) auf den Rezipienten, dem der Text von einem Sklaven vorgelesen worden wäre. 306 Die Stelle ist zwar eine interessante Parallele, da der Leser zum Aufpassen aufgefordert wird, 307 allerdings imaginiert Shiner eine Rezeptionssituation, die sich am Text nicht halten lässt. Es ist zwar vorausgesetzt, dass der Leser den Text wegen der besonderen Ästhetik mit den Ohren wahrzunehmen hat, aber im gleichen Kontext wird das Lesen mit der visuellen Wahrnehmung verknüpft, 308 sodass der Text das individuell-direkte Lesen als ideale Rezeptionssituation voraussetzt. 309 In rezeptionsgeschichtlicher Perspektive deuten auch die Textvarianten im Codex Bezae D/ d (τι αναγινωσκει/ quod legit) sowie im Vercellensis a (quidquid legit) und Sangallensis 1394 n (quid dicit) darauf hin, dass der Erzählerkom‐ mentar als Verweis auf einen individuell-direkten Leser verstanden worden ist. Denn die Ergänzung von νοειτω durch den Objektsatz τι αναγινωσκει spezifiziert den Bezug zum Vorhergehenden und ist in Kombination mit dem kognitionsbezogenen Verb νοέω nicht im Sinne von „was er vorliest“, sondern „was er liest“ zu verstehen. 310 Die These, dass hier der Vorleser angesprochen und aufgefordert wäre, den Text richtig auszulegen, steht nämlich außerdem, wie schon G. Theißen betont, in einer Spannung zur Semantik des Verbes νοέω. 311 a) Es stehen hier keine Verben wie z. B. διερμηνεύω oder ἐπιλύω, die man im NT für auslegen, erklären findet (vgl. zu διερμηνεύω neben 1Kor 12,30; 14,5.13.27 v.a. Lk 24,47; zu ἐπιλύω Mk 4,34, ferner auch 2Petr 1,20). b) Man erwartet im 451 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 312 Mir scheint, dass mit der Wahl von νοέω im Unterschied zu ἐπιγιγνώσκω und zu γινώσκω stärker der prozesshafte Charakter der kognitiven Verarbeitung adressiert werden soll. Daher sollte die Parallele zu 2Kor 1,13 f und Act 8,30 nicht zu stark gemacht werden. Gegen D A U B E , New Testament, 435 f. 313 Vgl. als aufschlussreiche Beispiele v. a. Iust. Mart. dial. 29,2; Orig. princ. 4,2,3 (s. auch die Formulierung „Nach diesem kurzen Beweise von der Göttlichkeit der heiligen Schriften müssen wir nun die Art und Weise ihrer Lektüre und ihres Verstehens (τῷ τρόπῳ τῆς ἀναγνώσεως καὶ νοήσεως αὐτῶν) betrachten“, in Orig. princ. 4,2,1. Das Verbalabstraktum ἀνάγνωσις meint hier entsprechend der unter 3.1.4 diskutierten Belege nicht die Vorlesung, sondern die individuell-direkte Lektüre); Dexippus comm. ed. B U S S E p. 5,14, Alex. Aphr. in Metaph., ed. H A Y D U C K , p. 786,4. Eindeutig an kognitives Verarbeiten von Gelesenem ist auch gedacht bei Plut. poet. aud. 6 (mor. 24d/ e). 314 Vgl. v. a. die direkte Ansprache des Lesers in der 2. Pl. in Gal. HVA ed. K Ü H N 15, p. 791,4-6: „Es ist aber notwendig, die Gedanken auf das Gesagte (scil. Geschriebene) zu richten. Wenn du es beim ersten Mal nicht verstehst, zweimal und dreimal gelesen wirst du es verstehen. Ich aber werde übergehen zu …“ (δεῖ δὲ προσέχειν οἷς εἶπον τὸν νοῦν· εἰ δὲ μὴ νοήσεις τὴν πρώτην, δὶς καὶ τρὶϲ ἀναγνοὺς νοήσεις. ἐγὼ δὲ μετα βήσομαι πρὸς …); vgl. auch Gal. Hipp. fract. ed. K Ü H N 18b, p. 363,5-7. 315 Vgl. T H E I S S E N , Lokalkolorit, 137. 316 Die Flugblatt-These geht bekanntlich auf H Ö L S C H E R , Ursprung, zurück. S. auch L Ü H R ‐ M A N N , Markusevangelium, 214 f, mit Verweisen auf die Literatur. Ohne konkret ein „Flugblatt“ als Publikationsformat vorauszusetzen, vertritt z. B. auch J. Becker, die These, dass Mk 13 eine schriftliche Vorlage voraussetzt, einen „Lesetext […] offenbar für Führungspersonen in der Gemeinde, die lesekundig waren“ (B E C K E R , Autorität, MkEv, um eine solche Funktion zu erreichen, eher eine Aufmerksamkeitsformel wie in Mk 4,9. c) Die Verbsemantik von νοέω, die auf ein kognitives Verstehen bzw. Verarbeiten hindeutet (vgl. im NT v. a. Mk 7,18 par; Röm 1,20; Eph 3,4; 1Tim 1,7), 312 lässt sich besser mit der Deutung vereinen, dass ein individuell-direkter Leser angesprochen ist. Dafür spricht auch der Kookkurrenzbefund von νοέω und ἀναγιγνώσκω im TLG: An der überwiegenden Mehrzahl der überprüften Stellen meint νοέω das kognitive Verstehen bzw. Nicht-Verstehen 313 und ist z. T. explizit mit mehrfacher individuell-direkter Lektüre desselben Textes verknüpft. 314 d) Zusätzlich zeigt an dieser Stelle der lineare Aspekt des Imperativ Präsens νοείτω, dass weniger ein punktuelles Verstehen als ein kognitives Verarbeiten im Blick ist, wofür der Leseprozess unterbrochen werden muss (s. u.). Theißen dagegen kommt zu einer anderen Schlussfolgerung. Da er weiterhin (mit der Mehrheit der Forschung) voraussetzt, dass das MkEv im Ganzen für die Vorlesung konzipiert ist, interpretiert er den Vers entsprechend diachroner Modelle zu Mk 13 als Teil einer schriftlichen Quelle (Theißen selbst spricht von einem „Flugblatt“), die nicht für die Öffentlichkeit, sondern mit verschlüsselter Sprache für einen exklusiven Kreis bestimmt gewesen wäre. 315 Die diachronen Modelle - insbesondere die These, es handle sich um ein Flugblatt, das um 39./ 40 n. Chr. entstanden wäre - können und brauchen hier nicht diskutiert werden. 316 452 8 Lesen im Neuen Testament 132). Vgl. die überzeugende Argumentation gegen Flugblatt-Hypothesen bei D O C H H O R N , Schriftgelehrte, 40 f; vgl. weiterführend zu den schwächen der diachronen Modelle C O L L I N S , Beginning, 73-91; M U D D I M A N , Reader, 171-174. 317 Vgl. C O L L I N S , Mark, 597 [Zitat ebd.]. Ähnlich argumentiert schon F O W L E R , Reader, 83- 85, der aber zuletzt unentschieden bleibt und die Möglichkeit, dass ein individuell-di‐ rekter Leser angesprochen ist, zwar für unwahrscheinlich hält, aber nicht ausschließt. 318 Vgl. Anm. 294, S. 448. 319 So aber z. B. H E N G E L , Evangelienüberschriften, 33 ff; H E N G E L / S C H W E M E R , Jesus, 222 (MkEv); H E N G E L , Evangelien, 211 f; L O H S E , Offenbarung, 15 („heilige Schriften“); M Ü L L E R , 1./ 2. Thess, 220 (Paulusbriefe). Denn der Erzählerkommentar muss ja innerhalb des redaktionellen Konzepts des MkEv sinnvoll verstehbar sein. Selbst wenn eine schriftliche Vorstufe vorliegt, müsste man, wenn der Verfasser des MkEv sein Evangelium für den Vortrag vorgesehen hätte, annehmen, dass er an dieser Stelle redaktionell eingegriffen hätte. Auch die Vertreterinnen und Vertreter der These, dass sich der Erzähler‐ kommentar an den Vorleser richte, haben selbst keine Argumente, sondern postulieren die intendierte Rezeptionssituation. Dies lässt sich exemplarisch am Kommentar von A. Y. Collins diskutieren. Sie formuliert als Argument gegen die These, dass hier invidiuell Lesende des MkEv angesprochen wären, rein thetisch: „A problem for this interpretation is the likelihood that the Gospel was composed to be read aloud to an assembled audience.“ Es wäre daher sonderbar, wenn hier der individuelle Leser angesprochen würde. 317 Dieser Argumentation liegt eine petitio principii zugrunde. Wenn Collins dann im Folgenden auf die weiteren Belegstellen von ἀναγιγνώσκω im NT hinweist und unter Verweis auf den (defizitären) ThWNT-Artikel argumentiert, das Verb ἀναγιγνώσκω meine auch sonst im NT das Vorlesen vor der Gemeinde, und daraus schlussfolgert, in Mk 13,14c sei der Vorleser angesprochen, 318 so ist dies ebenfalls ein Zirkelschluss. Somit bleibt auch unter Einbezug des Sparsamkeitsprinzips die These, dass sich der Erzählerkommentar in Mk 13,14c an einen individuell-direkten Leser richtet, die zu bevorzugende Interpretation, die sowohl die einfachste Deutung des Partizips ὁ ἀναγινώσκων zulässt als auch der Semantik von νοέω gerecht wird. Eine interessante Parallele findet sich im Übrigen bei Plinius, der seine Leser in seiner monumentalen, 37 Bücher umfassenden Naturalis historia, die schwerlich für den performativen Vortrag geschrieben sein kann, ebenfalls in Form einer Parenthese mit dem Partizip von lego direkt anspricht: legentes meminerint … (Plin. nat. 35,36,92). Aus den genannten Gründen ist es m. E. methodisch unzulässig, Mk 13,14 als Beleg anzuführen, um nachzuweisen, dass das MkEv oder sogar die Paulusbriefe und die „heiligen Schriften“ insgesamt von Beginn an im Gottesdienst vorgelesen worden wären. 319 453 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 320 Vgl. B E C K E R , Markus 13, 109-119. Besonders überzeugend sind die Motivanalogien von Mk 13 zu Ios. bell. Iud. 6,5,271-315. S. außerdem P E S C H , Naherwartungen, 139-145. Als verbreitete Alternative findet sich in der Forschung eine personale Deutung auf den Antichristen. Vgl. G N I L K A , Mk I, 195, Anm. 11. 321 Vgl. dazu B E C K E R , Markus 13, 107-109 (Lit.). Zur Diskussion um die Bedeutung im Hinblick auf die Datierung des MkEv s. v. a. K L O P P E N B O R G , Evocatio Deorum. 322 P. Müller verweist außerdem darauf, dass sich in Dan 12,9 f eine Motivik des Verborgen- und Versiegelt-Seins findet und das Danielbuch auch Verstehensmotive findet (vgl. M Ü L L E R , Lesen, 79), die allerdings mit anderen Verben gebildet werden (Dan 9,2: 10,1; vgl. aber διανοέομαι in Dan 8,27). Man kann daher nicht so weit gehen, den Erzählerkommentar als traditionell zu bezeichnen. Insbesondere kann Dan 5,16 f nicht in Stellung gebracht werden (gegen M Ü L L E R , Lesen, 79), da der Unterschied zwischen dem Auslegen für jemand anderen (Dan 5,16 f) und dem in Mk 13,14c anvisierten kognitiven Verstehensbzw. Aneignungsakt beachtet werden muss. (Auch wenn Daniel in 5,17 ein Schriftmedium in der Hand hat, ist hier nicht klar, ob er dem König tatsächlich vorliest oder nur eine Deutung gibt.) Wenn überhaupt handelt es sich in Mk 13,14 um innovative Aufnahmen der Motivkomplexe aus dem Danielbuch. 323 Es handelt sich nicht um einen direkten Aufruf zum genauen Studium des Danielbuches durch den Evangelisten, wie z. B. G N I L K A , Mt II, 322; L U Z , Mt III, 425; F I E D L E R , Mt, 364 f; u. a. die Stelle ohne nähere Begründung deuten. Dafür sind die grammatischen Bezüge des Erzählerkommentars zum Vorhergehenden syntaktisch zu vage und die Aufforderung zu unspezifisch formuliert. Daher ist der Erzählerkommentar auch in Mt 24,15 nicht als Figurenrede Jesu aufzufassen. S. gegen diese Sicht N O L L A N D , Gospel, 972; M U D D I M A N , Reader, 171 f. Zu klären bleibt noch, worauf sich der Erzählerkommentar genau bezieht und wozu der individuell-direkte Rezipient genau aufgefordert wird. Sprach‐ lich-syntaktisch bezieht sich Mk 13,14c auf das in Mk 13,14a/ b geschilderte Er‐ eignis, das als βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεως bezeichnet wird. Wie oben schon her‐ ausgearbeitet, stellt es innerhalb des zeitlichen Schemas von Mk 13,14 das, vom Standpunkt des Erzählers aus betrachtet, jüngst zurückliegende Ereignis dar. Daher liegt es nahe, wie E.-M. Becker überzeugend gezeigt hat, Mk 13,14a/ b als Referenz auf die Zerstörung des Tempels zu beziehen. 320 Die Formulierung „Wenn ihr aber den Greuel der Verwüstung stehen seht, wo er nicht (sein) darf “ ist verschlüsselt und interpretationsbedürftig, wobei bekanntermaßen u. a. die Wendung βδέλυγμα τῆς ἐρημώσεως traditionsgeschichtlich mit der Entwei‐ hung des Tempels verknüpft (vgl. Dan 9,27; 11,31; 12,11; 1Makk 1,54) 321 und zu entschlüsseln ist. 322 Dies zeigt in rezeptionsgeschichtlicher Hinsicht auch die Parallele in Mt 24,15, wo sich ein expliziter Querverweis τὸ ῥηθὲν διὰ Δανιὴλ τοῦ προφήτου in den Text eingefügt findet und die kryptische markinische For‐ mulierung ἑστηκότα ὅπου οὐ δεῖ (Mk 13,14b) durch das eindeutigere ἑστὸς ἐν τόπῳ ἁγίῳ (Mt 24,15) ersetzt wird. Dadurch ändert sich zwar nicht viel an der Referenz des Erzählerkommentars, 323 dem angesprochenen Leser wird jedoch etwas von der Interpretationsarbeit abgenommen. Wegen der Indirektheit der 454 8 Lesen im Neuen Testament 324 Eine direkte Aufforderung zum Lesen etwa des Danielbuches stellt der Erzähler‐ kommentar freilich nicht dar, wie P E S C H , Naherwartungen, 145, richtig sieht, auszu‐ schließen ist aber nicht, dass das Nachdenken auch die Dimension der Aufforderung eines weiteren Nachforschens der Bedeutung hat, wofür freilich auch Texte konsultiert werden könnten. Zu bedenken haben die Rezipienten aber auch das direkt auf den Erzählerkommentar Folgende. Vgl. weiterführend zu einer möglichen Allusion von Mk 13,14-17 auf Sach 14 S L O A N , Return. Auffällig ist insb. die lexikalische Verknüpfung von Flucht und Bergen in Mk 13,14d und Sach 14,5. 325 Gegen D R O N S C H , Bedeutung, 343; angedeutet auch bei M Ü L L E R , Lesen, 81. Die Verwen‐ dung eines verbum dicendi ist der narrativen Situation geschuldet. Eine mit diesem Vers angesprochene größere Gruppe von Rezipienten kann sich auch aus einer Vielzahl von individuellen Lesern zusammensetzen. Auch Mk 14,9 deutet auf die Voraussetzung eines größeren Rezipientenkreises hin, belegt aber kein communal reading event, bei dem das MkEv vorgelesen worden wäre. Gegen W R I G H T , Reading, 125 f. 326 S. o. Anm. 23, S. 25. 327 Ein großes Problem für die These eines Zusammenhangs zwischen sprachlichem Stil und einer Situation der Mündlichkeit in Abfassungs- und Erstrezeptionssituation liegt zus. darin, dass neuere komparatistisch-philologische Untersuchungen des MkEv fehlen. Vgl. dazu V O N B E N D E M A N N , Latinismen. markinischen Anspielung auf die Tempelzerstörung, wird der Leser also ver‐ mutlich dazu aufgefordert, innezuhalten, vielleicht sogar seinen Leseprozess zu unterbrechen und über das gerade Gelesene nachzudenken, vielleicht sogar darüber zu meditieren. 324 Diese Bedeutungsdimension lässt das Verb νοέω durchaus zu (s. o.). Vorauszusetzen wäre dann eine, auf das genaue Verstehen (auch einzelner Anspielungen und weiterer, nicht direkt auf der Textoberfläche wahrnehmbarer literarischer Kunstgriffe) hin ausgerichtete, individuell-direkte Lektürepraxis mit unterbrechenden Lesepausen zur Reflexion, die durchaus in Analogie z. B. zu den mit הגה bezeichneten Lesepraktiken in Jos 1,8 u. Ps 1,2 (s. o. 7.1.2) oder der im griechischen Sirachbuch (s. o. 7.1.4) oder in Philo spec. 4,160- 167 vorausgesetzten Lektürepraxis bzw. der Lesepraxis der Therapeuten (s. o. 7.2.3) verstanden werden könnte. Zuletzt wird dann Mk 13,14c also zu einem Argument, dass das MkEv nicht für den Vortrag und auch nicht für die Verlesung im Gottesdienst konzipiert worden ist, sondern für die individuell-direkte Lektüre. Nichts im MkEv spricht gegen diese These. Eine Formulierung wie in Mk 13,37 „Was ich euch aber sage, das sage ich allen“ ist zwar auf die intendierten Rezipienten hin zu deuten und lässt erkennen, dass ein größerer Rezipientenkreis antizipiert wird, kann aber nicht als Beweis fungieren, dass sich das Evangelium an eine größere Gruppe von Hörern richtete. 325 Eine intendierte Vorlesung des Textes aus strukturellen, syntaktischen und stilistischen Beobachtungen am Text zu schlussfolgern, 326 ist methodisch unzulässig. 327 Zunächst sprechen die zahlreichen in Teil I angeführten Belege dagegen. Diese zeigen, dass mündlich 455 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 328 R E I S E R , Alexanderroman, 135. 329 Vgl. R E I S E R , Alexanderroman, 136-143 [Zitat 142]. Ausführlich zu Syntax und Stil des MkEv R E I S E R , Syntax. 330 S. o. Anm. 246, S. 74. 331 Vgl. S M I T H , Relationship, 183-186. 332 Das herausgearbeitete Lesekonzept fügt sich also in das forschungsgeschichtliche Bild, dass dem zweiten Evangelisten „in literarischer und narrativer Hinsicht […] immer mehr zugetraut wird“ ( V O N B E N D E M A N N , Latinismen, 37). Zu Recht weist R. v. Bendemann in diesem Zuge aber auf die daraus resultierende Spannung hin, wenn man dem zweiten Evangelisten zugleich die griechische Sprachkompetenz bzw. einen eigenen Stil abspricht. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen das durch v. Bendemann hervorgeho‐ bene drängende Desiderat neuer philologisch-komparatistischer Forschung zum MkEv. 333 Maßgeblich untersucht von W R E D E , Messiasgeheimnis. Vgl. zum zeit- und theologiege‐ schichtlichen Hintergrund K L U M B I E S , Messiasgeheimnistheorie. 334 S C H N E L L E , Einleitung, 279-281, nennt als Elemente die Messiaserkenntnis der Dämonen in Verbindung mit den Schweigegeboten (Mk 1,25.34; 3,12), das Verbot, Wunder/ Heilungen öffentlich bekanntzumachen (Mk 5,43a; 7,36a), und dessen Durchbrechung (Mk 7,36b), die Schweigegebote an die Jünger (Mk 8,30; 9,9) sowie das Jüngerunverständnis, das bis Mk 8,27 die Lehre und die Person Jesu betrifft und ab Mk 8,29 vorrangig das Leiden (s. dazu weiter‐ führend W E E D E N , Mark, 26-51; B L A C K , Disciples; F R A N Z M A N N , Jüngerunverständnis). Dem Jüngerunverständnis und deren partiellen Lernprozessen (s. dazu S C H O L T I S S E K , Augen) kommt eine gewichtige Bedeutung in leserpragmatischer Perspektive zu, da sie die Leser zur eigenen Erkenntnisbildung anleiten. Vgl. dazu die Literaturhinweise in Anm. 336, S. 457. konzeptualisierte Texte auch für die individuell-direkte Lektüre vorgesehen sein konnten. Das heißt in Bezug auf das MkEv: Auch wenn es in syntaktischer und stilistischer Hinsicht analog zum griechischen Alexanderroman „in einer der gesprochenen Sprache nahestehenden Prosa gehalten“ 328 und vor allem durch kurze parataktische Satzstrukturen, Wiederholungen, bestimmte Artikel bei Eigennamen und „lexikalische Monotonie“ geprägt ist, 329 bedeutet das nicht, dass es kollektiv-indirekte Formen der Rezeption anvisierte. Die These, dass das MkEv primär mit Blick auf individuell-direkt lesende Rezipienten konzipiert worden ist, korrespondiert mit der von H. Krasser her‐ ausgearbeiteten These zur Entstehung anonymer Lesepublika in der frühen Kaiserzeit 330 und zu der These von J. M. Smith, das Motiv der Evangelienverkün‐ digung εἰς πάντα τὰ ἔθνη in Mk 13,10 verweise auf ein breit konzeptualisiertes Adressatenpublikum. 331 Zahlreiche in der Markusforschung diskutierte literarische Spezifika des MkEv passen außerdem besser in eine solche vorausgesetzte Rezept‐ ionssituation. 332 Dazu gehört v.a. der Problemkomplex, der mit dem Stichwort „Messiasgeheimnis“ verknüpft ist. 333 Die einzelnen Textelemente (insbesondere das „Jüngerunverständnis“), die zur These einer markinischen Geheimnistheorie geführt haben und deren Entschlüsselung für viele Rezipienten mutmaßlich eine intensive Textbeschäftigung voraussetzt, 334 lassen sich viel eher vor dem Hinter‐ 456 8 Lesen im Neuen Testament 335 Vgl. L A U , Triumphator. 336 Vgl. dazu K L I N G H A R D T , Brot; K L I N G H A R D T , Verstehen, 30-34; K L I N G H A R D T , Evangelium, 195-214. 337 K L I N G H A R D T , Verstehen, 33. 338 S. Huebenthal formuliert in Bezug auf das Messiasgeheimnis und Jüngerunverständnis: „Beide Phänomene finden sich punktuell im Text, aber sie werden erst auf der Ebene der Gesamtnarration verständlich“ (H U E B E N T H A L , Markusevangelium, 368). Davon auszu‐ gehen, dass man die Gesamtnarration in einem Lesedurchgang komplett erfasst, ist m. E. schwierig. 339 Der kurze Markusschluss ist gut bezeugt (א B 304 k sy s sa ms arm mss ; Eus Eus mss Hier mss ), muss als lectio difficilior gelten und „seine Verbreitung [ist] in der gesamten Kirche der Frühzeit anzunehmen“ (A L A N D , Markusschluß, 8). S. gegen die These E. Linnemanns, Mk 16,15-20 sei der ursprüngliche Markusschluss, A L A N D , Markusschluß, und aus‐ führlich zum Problem sowie zu den weiteren, überlieferten Textfassungen A L A N D , Schluß. Ohne hss. Evidenz bleibt die These, „dass der ursprüngliche Markusschluss verlorenging“ (S C H N E L L E , Einleitung, 275; vgl. z. B. auch G U N D R Y , Mark, 1011 f), Speku‐ lation und steht in methodischer Gefahr, die eigene Erwartung an einen „richtigen“ Schluss, der durch die später entstandenen Evangelien geprägt ist, in den Textbefund hineinzuprojizieren. S. gegen diese v. a. in der älteren Forschung beliebte Hypothese auch H E C K E L , Evangelium, 34; F E N E B E R G , Jude, 354-356; L A U , Triumphator, 476-480. Auch wenn die Diskussion nicht beendet ist, versteht die Mehrheit der Forschung mitt‐ lerweile Mk 16,8 als ursprüngliches Ende. Vgl. exempl. G N I L K A , Mk II, 350; D A N O V E , End; C O L L I N S , Mark, 797-801.806 f: F R I T Z E N , Gott, 123-129; L A U , Triumphator, 473-476). Dass ein Buch sehr wohl mit γάρ enden kann, hat schon V A N D E R H O R S T , Book; V A N D E R H O R S T , Musonius Rufus, 308, gezeigt (s. zur neuen Diskussion I V E R S O N , Word; S C H W I N D T , Erschütterung, 59-62; L A U , Triumphator, 484-489). Vgl. außerdem mit weitführenden Hinweisen auf die Literatur C O L L I N S , Mark, 798 f. Es muss zudem angenommen werden, dass ein ursprüngliches MkEv nicht mit γάρ, sondern mit einer subscriptio endete. Der längere Markusschluss (16,9-20), der, wie der textkritische Befund zeigt, ebenfalls in das 2. Jh. zurückreicht (s. A L A N D , Markusschluß, 13), lässt sich plausibel als Fortführung grund einer individuell-direkt konzeptualisierten Rezeptionssituation und mehr‐ fachen Lektüredurchgängen erklären als vor dem Hintergrund einer vermeintlich vorauszusetzenden Vorlesesituation. Das gilt sodann z. B. auch für Allusionen auf den römischen Triumphzug, die M. Lau ausführlich untersucht hat, 335 aber auch für die zahlreichen Prolepsen und Analepsen sowie Leerstellen und die komplexe Polysemie, die das Boot-, Brot- und Wegmotiv im Fortgang der Erzählung erhält. 336 Denn die Leserinnen und Leser müssen dazu „übergreifende Textstrukturen hinter der fragmentierten Textgestaltung“ 337 erschließen. 338 Der kurze Markusschluss und das markinische Lesekonzept Anhand des kurzen Markusschlusses in Mk 16,7 f ist nun zu zeigen, inwiefern das MkEv implizit thematisiert, dass es auf Mehrfachlektüre hin angelegt ist. Der kurze Markusschluss ist textkritisch sicher bezeugt, die anderen hss. bezeugten Versionen des Markusschlusses sind Sekundärphänomene; 339 auch 457 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT des MkEv verstehen, die in Kenntnis der anderen Evv. entstanden ist (vgl. dazu K E L ‐ H O F F E R , Miracle) und m. E. dem Zweck der Kohärenzsstiftung dient. 340 Vgl. dazu ausführlich S E I F E R T , Markusschluss. 341 R Ü G G E M E I E R , Poetik, 509, weist die These zurück, dass mit dem Schweigen ein Widerspruch erzeugt werden wolle und löst das Problem, indem er davon ausgeht, dass die Existenz der Erzählung aus sich selbst heraus für die Rezipienten deutlich mache, dass die Frauen die Kunde trotzdem weitergesagt hätten. Er betont zu Recht, dass der Schwerpunkt der Aussage nicht auf dem Schweigen der Frauen liege, sondern auf der Furcht und der Perspektive zur Überwindung derselben. 342 Vgl. V A N I E R S E L , Mark, 500-508. Vgl. exempl. auch P E T E R S E N , End; B O O M E R S H I N E , Mark 16: 8, 239; F O C A N T , silence, 92-96; B L O U N T , Joke, sowie H E C K E L , Evangelium, 41-51, der u. a. weiterführend auf B O O M E R S H I N E / B A R T H O L O M E W , Technique, und M A G N E S S , Sense, verweist. 343 H E C K E L , Evangelium, 44, der darauf hinweist, dass v.a. eine theologische Reflexion intendiert ist. aus narratologischer Sicht ist der kurze Markusschluss als Kohärenz wahrender Schluss in Relation zur Gesamterzählung analysierbar. 340 Die umfangreiche Diskussion zum Problem ist hier freilich nicht einmal in Ansätzen abbildbar. 16,7 a Aber geht (ὑπάγετε), b sagt seinen Jüngern und Petrus, c dass er euch vorangeht in/ nach Galiläa (προάγει ὑμᾶς εἰς τὴν Γαλιλαίαν) d Dort werdet ihr ihn sehen (ὄψεσθε), genau wie er euch gesagt hat. 8 a Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab, b Denn Zittern und Entsetzen (τρόμος καὶ ἔκστασις) hielt sie. c Und keinem sagten sie etwas, d denn sie fürchteten sich (ἐφοβοῦντο γάρ). Am Morgen nach dem Sabbat treffen Maria von Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus und Salome (Mk 16,1) einen Jüngling (νεανίσκος) im offenstehenden Grab an (Mk 16,4 f), der zu ihnen spricht (Mk 16,6 f). Er fordert die Frauen auf, den Ort zu verlassen und den Jüngern eine Botschaft zu übermitteln (16,7c/ d). Dass der Erzähler in Mk 16,8c mitteilt, dass die Frauen zu niemandem etwas sagten, also ihrem Auftrag nicht nachgekommen sind, stellt eine kognitive Herausforderung an die Rezipienten dar, da sich u.a. die Frage stellt, wie die vorhergehende Szene im vorliegenden Buch stehen kann. 341 Auch die Frage, warum der Text mit Furcht endet, stellt eine Irritation dar. Diese und weitere Fragen sind am einfachsten dahingehend aufzulösen, dass es sich um ein bewusst gestaltetes Ende handelt, das in leserpragmatischer Perspektive als Kommunikationsakt des Erzählers mit den Rezipienten zu verstehen ist, wie B. M. F. van Iersel in seinem Kommentar u. a. ausführlich herausgearbeitet hat. 342 „Der offene Abschluß Mk 16,8 zielt auf Reflexion der erzählten Geschichte.“ 343 458 8 Lesen im Neuen Testament 344 Vgl. H E C K E L , Evangelium, 41-44.47 f. An dieser Stelle sei auf die minor characters als potentielle Identifikationsfiguren hinzuweisen. Vgl. T A N N E H I L L , Disciples. Weiterfüh‐ rend zu den minor characters E B N E R , Schatten; R Ü G G E M E I E R , Poetik, 270-280 (Lit.). 345 Vgl. V A N I E R S E L , Mark, 500 f, mit Verweis auf F O W L E R , Reader, 122 f. 346 S. o. die Diskussion zu Aristot. poet. 1462a10-17 unter 3.1.4. 347 Vgl. weiterführend zur Analyse des MkEv vor dem Hintergrund der Poetik von Aristoteles B R E Y T E N B A C H , Markusevangelium. 348 Vgl. B Ö H M , Markus, 76 u. S C H W I N D T , Erschütterung, 58, beide mit Verweis u. a. auf Quint. inst. or. 6,1,1. 349 Vgl. ausführlich zum Furcht-Motiv im MkEv M A T J A Ž , Furcht, und die Auseinanderset‐ zung mit Matjaž bei S C H W I N D T , Erschütterung, 63-67; vgl. außerdem B E C K E R , Auferste‐ hung, 21 f; C O L L I N S , Mark, 800 f, R Ü G G E M E I E R , Poetik, 509, welche die Furcht als Reaktion auf die Epiphanie ( Jüngling als Engel) deuten. Zur Angelophanie weiterführend W I L L I A M S , Space. 350 V O N B E N D E M A N N , Er ist nicht hier, 68, Anm. 95 betont, dass die Furcht nicht positiv bewertet werden kann. 351 Zur m E. nicht einfach zu entscheidenden Diskussion, ob Mk 16,7 das Schweigegebot umkehrt, vgl. H E C K E L , Evangelium, 56. 352 Vgl. A L K I E R , Realität, 89. T. K. Heckel formuliert die These, dass die Frauen, die am Ostermorgen zum Grab kommen, den Rezipienten als Identifikationsfiguren dienen können - und zwar insofern, als es um die Frage nach der Möglichkeit eines Zugangs zu Jesus nach seinem Tod geht. Durch Mk 16,8 erfährt das Identifikationsangebot jedoch eine Brechung. 344 Die emotionalen Reaktionen (τρόμος und ἔκστασις als sinnfällige Zeichen ihrer Furcht [φοβέω]), die sie zeigen, können als Affekte verstanden werden, welche die Erzählung auch bei den Rezipienten auslösen soll. 345 Hier sei nur am Rande darauf verwiesen, dass nach Aristoteles bei der Rezeption der Tragödie, die er durchaus nicht nur als Aufführung denkt, 346 ἔλεος und φόβος hervorgerufen werden müsse und dies eine kathartische Funktion hätte (vgl. Aristot. poet. 1449b). (Damit ist freilich nicht gemeint, dass es sich beim MkEv um eine Tragödie handelt.) 347 In der antiken Rhetoriktheorie ist zudem besonders das Ende mit der Funktion verknüpft, die Affekte zu beeinflussen. 348 Furcht 349 ist im MkEv zentral mit dem Jüngerunverständnis verknüpft (vgl. Mk 4,41; 6,50; 9,32; 10,32); 350 dass die Frauen niemandem etwas sagen, versteht sich vor dem Hintergrund der markinischen Geheimnistheorie, insbesondere der Schweigegebote (s. o.). 351 Diese Konzeption kann als Hinweis an die Rezipienten verstanden werden, nicht bei ihrem eigenen Unverständnis und ihren eigenen Emotionen stehen zu bleiben, 352 wobei der Markusschluss auch einen Weg aufzeigt, wie dies zu erreichen ist. Mk 16,7 fungiert im Gesamten als Aufforderung an die Frauen und die Jünger, nach Galiläa zu gehen, wie das Pronomen ὑμᾶς in Mk 16,7c und die 2. Pers. Pl. in Mk 16,7d eindeutig zeigen. Im Übrigen können sich dadurch auch die Rezipi‐ 459 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 353 Zur Präposition εἰς mit lokativischer Sinnrichtung vgl. z. B. Mk 1,9.39[! ]; 10,10. 354 Vgl. V A N I E R S E L , Mark, 498. Vgl. ferner zur Diskussion um die transitive oder intransitive Bedeutung des Verbes προάγω C O L L I N S , Mark, 796 f. 355 Vgl. V A N I E R S E L , Galilee; V A N I E R S E L , Mark, 497-500.505. Van Iersel weist jedoch auch darauf hin, dass Matthäus in rezeptionsgeschichtlicher Perspektive die andere Verstehensweise belegt (vgl. Mt 28,7-20). Dies sei aber zu Recht nur bedingt als Argument geeignet, da er ja den kompletten Schluss des Buches verändert. 356 G A R S K Ý , Wirken, 116 [Herv. im Original]. 357 S. Huebenthal betont, dass das in den Reaktionen der Jünger hervortretende „Jünger‐ unverständnis“ als Teil der Narrational Actual World „erst im Rückblick von Kreuz und Auferstehung her“ (H U E B E N T H A L , Markusevangelium, 447) verständlich werden kann. enten angesprochen fühlen. Exegetisch ist in Bezug auf Mk 16,7c umstritten, wie die Präposition εἰς zu verstehen ist (direktional oder lokativisch); ob Jesus „vor euch hingeht nach Galiläa“ oder „vor euch in Galiläa geht.“ Aus grammatischer Sicht sind im Kontext des MkEv 353 beide Verstehensweisen möglich. 354 B.M.F. v. Iersel hat die Unterschiede ausführlich diskutiert und plausible Argumente für die zweite Verstehensweise vorgebracht, die er auch für Mk 14,28 annimmt, wo das Motiv des Sehens fehlt. So könnten sich die Rezipienten mit der ersten, der direktionalen Lesart in Mk 16,7c nur schwer identifizieren, da ein singuläres Ereignis (für den Weg als auch für das Sehen! ) impliziert ist, das in deutlicher Spannung zur Flucht und zum Schweigen der Frauen stünde. Zudem sei Mk 16,7c ein Echo auf Mk 10,32, wo Jesus vor seinen Jüngern geht (καὶ ἦν προάγων αὐτοὺς ὁ Ἰησοῦς). 355 Dass in diesem Zusammenhang angekündigt wird, Jesus dort vor ihnen herlaufend sehen zu können, verstärkt den Eindruck, dass hier die Möglichkeit der nachösterlichen Nachfolge für die Leser angedeutet wird. Wenn nun die Rezipienten die Aufforderung leserpragmatisch auf sich beziehen, können sie freilich nur schwierig im geographischen Sinne nach Galiläa gehen, um Jesus dort zu sehen (und ihm nachzufolgen). Sie können aber an den Ort zurückkehren, an dem die Predigt des Evangeliums Jesu begann (Mk 1,14), also in das „Galiläa der Erzählung“ 356 ; d. h. sie können die Rolle zurückrollen (so man als Medium eine Rolle voraussetzt) oder den Kodex vorne aufschlagen und das Buch erneut lesen, um nicht bei ihrem eigenen Unverständnis und den eigenen Emotionen stehen zu bleiben. Bei weiteren Lesevorgängen geht Jesus voran, die Jünger der Erzählung gehen erneut hinter ihm her und die Leser folgen ihm mit einem veränderten hermeneutischen Horizont. Beim erneuten Lektüredurchgang geht der Auferstandene selbst als Lehrer voran und führt die Leserinnen und Leser auf ihrem Weg durch den Text zu einem vertieften Verständnis etwa des Jüngerunverständnis und der anderen o. g., bei einem singulären Leseakt schwer zu verstehenden, Erzählelemente des Textes. 357 D. h. bei dem in Mk 16,7 angekündigten Sehen ist nicht einfach 460 8 Lesen im Neuen Testament 358 Dass ὁράω im MkEv so verstanden werden kann, zeigt Mk 8,15. S. zum Jüngerunver‐ ständnis o. Anm. 334, S. 456 u. Anm. 338, S. 457. 359 In der Forschung wurde schon häufiger vermutet, dass das MkEv auf mehrfache Lektüre angelegt ist und ein zweiter Lektüredurchgang unter veränderten hermeneutischen Vorzeichen abläuft. S. schon B A C K H A U S , redaktionelle Schlussnotiz, 287.292, mit wei‐ teren Verweisen auf die ältere Literatur. Vgl. ferner auch M A L B O N , Echoes; K L I N G H A R D T , Verstehen, 33 f; W Y P A D L O , Mensch, 207 f: V O S , Heiliges, 104; S C H U M A C H E R , Taufe, 171-173, S E I F E R T , Markusschluss, 199.258; L A U , Triumphator, 489-491. S. Huebenthal macht anhand der Verwendung des Lexems εὐαγγέλιον deutlich, dass der makrotex‐ tuelle Erzählbogen nicht in Mk 16,8 endet, sondern: „Das Ende der Geschichte des εὐαγγελίου Ἰησοῦ Χριστου υἱοῦ θεοῦ muss erzähllogisch - da der weitere Verlauf dieser Geschichte über das Ende des Textes hinausweist - offenbleiben“ (H U E B E N T H A L , Markusevangelium, 168). 360 Vgl. S C H M I D T , Wege, 5 f.96-108.160-170. 361 Vgl. S C H M I D T , Wege, 161 [Zitat ebd.]. ein „Sehen“ des Auferstandenen im Blick. Für die Leserinnen und Leser geht es vielmehr um ein kognitives Sehen/ Erkennen, um ein tieferes Verstehen Jesu in der Erzählwelt des Evangeliums aus einer nachösterlichen Perspektive. 358 Dies hat eine gewichtige theologische Dimension, die hier nur angedeutet werden kann und tiefergehend durchdacht werden müsste: In Bezug auf die Leser macht der Schluss des MkEv möglicherweise deutlich, dass Jesus nicht im Grab und auch nicht in einer numinosen nachösterlichen Gestalt/ Erscheinung zu suchen ist, sondern Jesus als Messias und Auferstandener im Text, in der erzählten Welt des Evangeliums, in seinem irdischen Wirken lesend erkannt werden kann. Wenn man den Markusschluss also so liest, reflektiert der Text selbst, dass der zweite Lektüredurchgang unter einem veränderten hermeneutischen Horizont, der Wirklichkeit des Auferstandenen, abläuft. 359 Ausführlich herausgearbeitet wurde dies von K. M. Schmidt, der zwischen einer Grundlektüre und Komplettierungslektüre unterscheidet. Beim zweiten, komplettierenden Lektüreschritt erkennen die Leser u. a. Mk 1,35-39 als Auf‐ erstehungstext, die zweite Blindenheilung in Mk 8,22-26 löst das in Mk 16,7 angekündigte Sehen des Auferstandenen ein. Diese Beschreibung des Lektüre‐ konzepts weist einige Schwächen auf. Schmidt geht einerseits davon aus, dass die Leser erkennen können, dass sie ihre Lektüre beim zweiten Durchgang bei Mk 1,35 fortsetzen sollen und dass der zweite Lektüredurchgang mit Mk 8,27 endet, da sich ab hier der Weg nach Jerusalem anschließt. 360 Dieser Irrweg der gescheiterten Nachfolge sei nicht mehr gangbar, was die Leser inzwischen begriffen hätten. 361 Diese Beschreibung ist m. E. zu statisch und setzt einen idealen Leser voraus, der erst noch nachzuweisen wäre. Sowohl für den intendierten Einsatz der Neulektüre genau in Mk 1,35 (oder Mk 1,14) als auch dem Ende des 461 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 362 So auch L A U , Triumphator, 49 f; G U T T E N B E R G E R , Mk, 365, die der Mehrfachlektüre als intendiertem Konzept aus diesem Grund kritisch gegenübersteht. 363 Vgl. dazu V O N B E N D E M A N N , Er ist nicht hier. 364 Vgl. die Verweise auf die Literatur L A U , Triumphator, 490, Anm. 100. 365 K L U M B I E S , Evangelienschrift, 52. 366 Vgl. D U T O I T , Herr, insb. 370-398 [Zitat 398]. 367 S. o. 2.5.2, insb. Anm. 50, S. 305. zweiten Lektürevorgangs in Mk 8,27 fehlen eindeutige Textsignale. 362 Zudem steht hier eine forschungsgeschichtlich wirkmächtige räumliche Opposition Galiläa - Jerusalem im Hintergrund, die aus vielfachen Gründen problematisch geworden ist. 363 Plausibler erscheint mir dagegen das Konzept vertiefender, iterativer Lektüre, bei der die Leser nicht auf nur einen weiteren Lektürevorgang angewiesen sind, um sich den Text zu erschließen. Diese Sicht eines prinzipiell infiniten Lektüreprozesses findet sich in der Forschungsliteratur häufiger. 364 Dieser Lektürevorgang kann aber, wie in Teil I deutlich wurde, nicht nur sequentiell gedacht sein. Insofern ist die Rede von einem „Lesekreislauf “ 365 missverständlich. Die Mehrfachlektüre kann vielmehr mit selektiven, diskon‐ tinuierlichen Zugriffen auf den Text verbunden sein, bei der z. B. einzelne Passagen noch einmal gelesen werden (s. o. Punkt 3.6 u. 6.2), und mit Lesepausen zum Nachdenken. Letzteres ist sogar durch Mk 13,14c vom Text selbst belegt, wie oben zu zeigen war. Zudem ist von D. du Toit herausgearbeitet worden, dass der offene Schluss in Mk 16,7 f die Leser auf die Worte des erzählten irdischen Jesus zurückverweist: Im Zusammenspiel der engen intratextuellen Verknüpfungen von Mk 16,6 f und Mk 14,27 f werden die Rezipienten durch das Ausbleiben von Trostworten des Auferstanden am Ende des Evangeliums insb. auf Mk 13 verwiesen, „wo der irdische Jesus, dessen Worte niemals vergehen werden (13,31), schon alles Wichtige zur Bewältigung der Zwischenzeit vorhergesagt hat (13,23).“ 366 Dies als intendiertes theologisches und narratives Konzept des MkEv zu interpretieren, setzt voraus, dass das MkEv auf Wiederholungs- und Mehrfachlektüre angelegt worden ist. Die Deutung des Markusschlusses als Aufforderung zur vertiefenden Wie‐ derholungs- und Mehrfachlektüre, erhält dadurch zusätzliche Plausibilität, dass in der Antike das Lesen und kognitive Verarbeitung des Gelesenen mit Bewegungsmetaphern und mit visueller Bildlichkeit in einer engen Verbindung standen (s. o. 3.7 u. 3.8). In dieser Hinsicht ist hervorzuheben, dass drei Bild‐ spendebereiche antiker Lesemetaphern und -metonymien mit den im kurzen Markusschluss vorkommenden Verben korrespondieren: suchen (2.2.6), gehen (2.2.7), sehen (2.2.8). Zudem sind Unterbrechungen beim Lesen bzw. Lesepausen zum Nachdenken sowohl in den Quellen als auch ikonographisch bezeugt. 367 462 8 Lesen im Neuen Testament 368 S. o. den Abschnitt zu perlego unter 3.3. 369 S. dazu o. S. 194-195. 370 S. v. a. Vett. Val. 9 praef., aber auch Vett. Val. 8,5. 371 Vgl. Vett. Val. 9,9 (s. dazu o. 3.7); s. außerdem die Quellenangaben in Anm. 247, S. 166. Ein solches auf Repetition abzielendes Lektürekonzept ist zudem nicht analo‐ gielos in der griechisch-römischen Welt. Es war oben etwa schon bei Quintilian (Quint. inst. or. 10,1,20 f), 368 Seneca (Sen. ep. 2,2-6) 369 und anderen zu sehen. Explizit setzt es auch der Antiochener Vettius Valens im 2. Jh. für die Rezipienten seines neunbändigen astrologischen Werkes Anthologiae voraus. Das Werk ist als Analogie zum MkEv - insb. im Hinblick auf das Geheimnismotiv und das Schweigegebot - außerdem insofern interessant, als Vettius Valens mehrfach das Geheimnismotiv in Bezug auf den von ihm verfassten Text verwendet (und sogar näher erläutert) 370 und seine Leser zum Schweigen verpflichtet (freilich richtet sich das Geheimhaltungsmotiv hier anders als im MkEv nicht auf die Figuren der erzählten Welt): „Es ist nun also notwendig, vor allem auch im Bezug auf dieses Buch, (dass ich) den Lesern (τοῖς ἐντυγχάνουσιν) einen Eid vorher abzuverlangen, dass sie das Gesagte sicher und geheimnisvoll bei sich behalten (ὅπως πεφυλαγμένως καὶ μυστικῶς ἔχωσι τὰ λεγόμενα)“ (Vett. Val. 7 praef.). Weiterhin formuliert er gerichtet an seine Leser: „Nachdem ich selbst Entdecker eines Schatzes geworden bin, und nicht nur gut bewachte Themen entdeckt, sondern auch manche, die verwahrt liegen, ans Licht gebracht habe, ist es aber nötig, dass auch die Leser mit daran denken, dass sie, wenn sie in der Tiefe graben, das aufgefunden haben, was geheimnisvoll verschüttet liegt (συνεπινοεῖν [δὲ] δεῖ καὶ τοὺς ἐντυγχάνοντας ὅπως κατὰ βάθους ὀρύττοντες τὰ μυστικῶς κατακεχωσμένα ἀνεύρωσιν)“ (Vett. Val. 7,3). Im Kontext einer ausgeprägten Schatzmetaphorik konzeptualisiert Vettius Va‐ lens das Lesen und kognitive Verarbeiten des Textes mit der innovativen Metapher des Ausgrabens (ὀρύσσω) aus der Tiefe, und zwar von dem, was er geheimnisvoll darin verschüttet hat. Aus der Metaphorik des Grabens kann erschlossen werden, dass es sich beim Lesen nicht um einen einfachen Vorgang handelt; sondern dass das Erschließen des Geheimnisses anstrengend ist und - wie Vettius Valens an anderer Stelle deutlich macht - mit mehrfacher, individuell-direkter Lektüre des Textes verbunden ist. 371 Die Stelle zeigt ein, auch in anderen antiken Quellen sichtbares, Bewusstsein dafür, dass Leserinnen und Leser Anteil bei der Sinnkonstitution haben (s. o. insb. 2.5.2). Diese Befunde machen deutlich, dass man auch für das MkEv annehmen kann, dass 463 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 372 V O N B E N D E M A N N , Er ist nicht hier, 59 [Herv. i. Orig.]. 373 Die Anrede der Rezipienten als „indirekt“ zu beschreiben, ist m. E. aus pragmatischer Sicht wenig zielführend, da keine Mittelposition zwischen Sender und Empfänger der Botschaft steht. Eine direkte Ansprache muss nicht zwingend in der 2. Sg. erfolgen. Gegen H A R T M A N N , Form, 134; K A R R E R , Johannesoffenbarung, 106. „Indirekt“ ist eine Ansprache der Rezipienten z. B., wenn sie durch Textsignale dazu genötigt werden, sich in eine Figur auf der Ebene der erzählten Welt hineinzuversetzen. 374 Vgl. dazu z. B. H A R T M A N N , Form; K A R R E R , Johannesoffenbarung, 86-108; zur literarkri‐ tischen Diskussion auch T A E G E R , Autorisierung. 375 K A R R E R , Johannesoffenbarung, 93. G R A D L , Brief, 418, betont, dass Apc 1,1-6 „die rezeptionsleitenden Koordinaten für das ganze Werk vor[geben]“ [Herv. im Original]. Vgl. dazu auch G R A D L , Offenbarung, 30 f.158-160. dieses eine aktive Rolle seiner Leserinnen und Leser bei der Sinnkonstitution voraussetzt und dass es sich bei der Interpretation des kurzen Markusschlusses als Aufforderung zur Wiederholungslektüre nicht einfach um eine Projektion „moderne[r] Möglichkeiten des nichtlinearen Erzählens in den markinischen Text“ 372 handelt. 8.4.2 Zur anvisierten Rezeptionsweise der Apokalypse 8.4.2.1 Das textkritische Problem von Apc 1,3 und die Frage nach der anvisierten Form der Rezeption Von besonderer Relevanz für die Fragestellung dieser Studie ist die Ansprache der Rezipienten in der 3. Sg. 373 in Apc 1,3 und die damit verbundenen Implika‐ tionen für die anvisierte und womöglich auch für die sozialgeschichtlich im frühen Christentum feststellbare Art und Weise der Perzeption und Rezeption dieses in vielerlei Hinsicht besonderen neutestamentlichen Textes. Das sog. (vortitulare) Incipit oder der Prolog der Apokalypse (1,1-3) ist zwar formge‐ schichtlich schwer einzuordnen und die Bezeichnung sowie das Verhältnis zum Gesamttext wird kontrovers diskutiert. 374 In leserpragmatischer Sicht kann der Inhalt des Incipits aber eindeutig als metakommunikative „rezeptionsleitende Kurzhinweise“ 375 beschrieben werden. Auffällig ist der relativ lange Makarismus in V. 3, in dem die Seliggepriesenen in Form von drei Partizipien aufgezählt werden. 464 8 Lesen im Neuen Testament 376 So mit Verweis auf die in dieser Studie schon mehrfach problematisierte These der gängigen „antiken Gepflogenheiten“ der Lektüre von Texten in Gruppen N E U M A N N , Hören, 45-47 (Lit.). Vgl. auch E U G E N E B O R I N G , Voice; B E R G E R , Apokalypse, 193. D. Nässelqvist geht sogar noch weiter und leitet aus der Stelle ab, dass ἀναγιγνώσκω im NT für gewöhnlich auf öffentliche Verlesungen verweist. Vgl. N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 104. Diese Schlussfolgerung ist angesichts der Analyseergebnisse, die oben dargelegt worden sind (3.1), und wegen ihres übergeneralisierenden Charakters fragwürdig; und wird zudem durch die textkritischen Erwägungen im Folgenden relativiert. 377 B O U S S E T , Offenbarung, 183. 378 „Die Unterscheidung von Vorleser und Hörer lässt unmißverständlich den Willen erkennen, das Buch in der gottesdienstlichen Versammlung vorlesen zu lassen“ (G I E S E N , Offenbarung, 59). Vgl. ferner auch C A M P E N H A U S E N , Entstehung, 251, Amn. 31; G I E S E N , Heilszusage, 196; H A R T M A N N , Form, 133; S A T A K E , Offenbarung, 125; H O L T Z , Offenba‐ rung, 18; W H I T A K E R , Ekphrasis, 20. 379 Vgl. z. B. R O L O F F , Offenbarung, 30; P R I G E N T , Commentary, 112 f; M Ü L L E R , Offenbarung, 69; T ÓT H , Gottesdienst, 35; S M I D T , First, 100 f; L A B A H N , Autorität; K A R R E R , Offb I, 191. B A R R , Apocalypse, 252-256, versucht sogar unter Verweis auf vermeintliche „eucharistische Anspielungen“ in der Apc einen liturgischen Ort im „eucharistischen“ Gottesdienst wahrscheinlich zu machen. Ähnlich auch S A L Z M A N N , Lehren, 115; S K I A D A ‐ a) Der Makarismus in der Form der kritischen Ausgaben (Plurallesart) a Μακάριος ὁ ἀναγινώσκων b καὶ οἱ ἀκούοντες τοὺς λόγους τῆς προφητείας καὶ τηροῦντες τὰ ἐν αὐτῇ γεγραμμένα, c ὁ γὰρ καιρὸς ἐγγύς. a Selig [ist] der Lesende b und die Hörenden die Worte der Prophetie und Bewahrenden das darin Geschrie‐ bene; c denn die Zeit ist nahe. (Apc 1,3) In dieser Form kann Apc 1,3 als Verweis auf eine anvisierte Rezeptionsform der Apokalypse in einer Gruppe gelesen werden, die sich dadurch auszeichnet, dass einer (ὁ ἀναγινώσκων) den Text vorliest und eine in der Anzahl nicht näher spezifizierte Gruppe die Worte der Prophetie hörend rezipiert (οἱ ἀκούοντες). 376 Ob und inwiefern der sozialgeschichtliche Ort der mit Apc 1,3 anvisierten Rezeptionsform als „gottesdienstliche[] Verlesung“ 377 bezeichnet werden kann, geht aus dem Vers selbst allerdings nicht hervor. Eine Referenz zu einem solchen „gottesdienstlichen“ Kontext der Rezeption wird jedoch in der Forschungs- und Kommentarliteratur zumeist ohne nähere Begründung 378 vorausgesetzt bzw. unter der Prämisse einer vermeintlich selbstverständlichen und weit verbreiteten „gottesdienstliche Lesepraxis“ im frühen Christentum mit den gängigen Quellenbelegen Kol 4,16, 1Thess 5,27 (s. dazu o. 8.3.2 u. 8.3.3), Iust. Mart. Apol. 1,67,3 (s. dazu u. 9.5.1), 379 bzw. mit Verweis auf die Hymnen und 465 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT R E S I S , Buch. Letzterer spricht - ein bestimmtes Bild vom frühchristlichen Gottesdienst in den Befund hineinprojizierend - vom „Vorhandensein einer gottesdienstlichen Atmosphäre“ (75) in der Apokalypse. Dies ist angesichts der fehlenden Quellen für die Rekonstruktion „gottesdienstlicher Atmosphäre“ im 1. und 2. Jh. doch einigermaßen gewagt. Die gleichen Vorbehalte gelten für die Identifikation von „liturgischen Begriff‐ lichkeiten im Epilog der Schrift (Offb 22,14-15.17)“ (G R A D L , Offenbarung, 186). 380 Vgl. z. B. T H O M P S O N , Worship, 48; T Ó T H , Gottesdienst; M Ü L L E R , Buch, 298; T Ó T H , Kult, 500 f; G R A D L , Offenbarung, 186 f.446-448; U R E ÑA , Book, 311 f, die sogar postuliert, der Verfasser würde mit Apc 1,3 „silent reading“ ausschließen. 381 K A R R E R , Johannesoffenbarung, 107. [Zitat im Zitat THWNT]. 382 Vgl. K A R R E R , Johannesoffenbarung, 107. 383 „Als ich aber das 28. Buch der Geschichte von Poseidonios las, beobachtete ich (τηρέω), meine Freunde, sehr Erfreuliches über Salben“ (Athen. deipn. 15,46 [692c]). 384 Setzt man als Modell die Verbreitung über antike Buchmarktstrukturen voraus, könnten hier diejenigen im Blick sein, welche die ursprüngliche Kopiervorlage verwalten. anderer „kultisch-liturgischer“ Elemente aus dem Tempelkult in der Apokalypse postuliert. 380 Der Verweis auf diejenigen, die das darin Geschriebene bewahren (τηροῦντες τὰ ἐν αὐτῇ γεγραμμένα), ist, wie M. Karrer im Anschluss an H. Riesenfeld zu Recht betont, spezifisch zu verstehen, und zwar als Aufforderung, die in der Apc niedergeschriebenen Worte „in ihrem Gehalt ‚gläubig zu bewahren und vor Fälschung zu hüten‘“, 381 was insbesondere auch die Warnung vor Änderungen des Textes einschließt. 382 Es wäre allerdings auch theoretisch möglich, das Verb τηρέω im Sinne von „beobachten“ bzw. „wahrnehmen“ zu verstehen, es also auf den Prozess der kognitiven Verarbeitung bei der Rezeption zu beziehen. Eine solche Verwendungsweise des Verbs findet sich z. B. bei Athenaios. 383 Da aber in Apc 22,18 f potentielle Textveränderung anvisiert werden, halte ich erstere Interpretation für wahrscheinlicher. Daraus folgt, dass man hier durchaus einen Verweis auf eine dritte Gruppe annehmen kann; nämlich auf diejenigen, die für die Abschriften zuständig sind; zumindest aber ist hier die sozialgeschichtliche Realität der antiken Buchproduktion und -verbreitung im Blick. 384 Dass gerade diese dritte Gruppe mit in den Blick kommt, ist auffällig und zeigt, dass Apc 1,3 verschiedene Situationen adressiert. D. h. in der zitierten Form könnte sich ὁ ἀναγινώσκων theoretisch auch auf einen individuell-direkten Leser beziehen, während οἱ ἀκούοντες auf eine Situation kollektiv-indirekte Rezeption verweist. Dass antike Autoren verschiedene Rezeptionsmodi für ihre Werke vorsehen konnten, zeigen eindrücklich, wie oben ausgeführt, Polyb. 11 prooem. 2 (S. 123), Diod. 1,3 (S. 102) und etwa 2Makk 2,24 f (3.1.5). Der Vers ist zudem in grammatischer Hinsicht auffällig, da im Vergleich zu den anderen Makarismen in der Apc (14,13; 16,15; 19,9; 20,6 ; 22,7; 22,14) eine Inkongruenz im Numerus zwischen dem Adjektiv μακάριος im Singular und 466 8 Lesen im Neuen Testament 385 Wenn überhaupt beachtet, wird diese grammatische Auffälligkeit in der Forschung zwar konstatiert, eine Auswertung, Problematisierung oder Erklärung bleiben die Auslegerinnen und Ausleger jedoch schuldig. Vgl. z. B. H A R T M A N N , Form, 133: „The grammatical construction of the macarism is somewhat odd in its joining a singular and a plural subject under a singular makarios“; N E U M A N N , Hören, 44. Vgl. allerdings C A T E , Sisters, 89. 386 Vgl. nur das Fehlen eines Hinweises auf diese Variante bei K A R R E R , Offb I, 181 f.190-192. 387 Aus dem Argumentationsduktus seines Kommentars zu Apc 1,3 geht eindeutig hervor, dass er im Text den Singular ἀκούων gelesen haben muss. Er versteht nämlich ὁ ἀναγινώσκων als Verweis auf alle Leser der Apc, unter die er diejenigen subsummiert, die auch noch die Mahnungen hören und beachten; schließlich könnten nicht alle vom bloßen Lesen selig werden. Vgl. Oec. in Apoc. 1,5. 388 Ed. D E G R O O T E , TEG 8; der Kommentar ist u. a. in den Minuskeln 2053 2062 2403 ent‐ halten Vgl. S C H M I D , Studien, 40. Nur eine der zahlreichen Oikumenios-Hss. - eine Mi‐ nuskel aus Athos aus dem 14. Jh., Greg. 1678 - ersetzt den Sg. ἀκούων durch den Plural οἱ ἀκούοντες; eindeutig eine sekundäre Angleichung an den Text der Mehrzahl der griechischen Hss., wie auch die Einfügung des, ebenfalls im Sinaiticus (א) u. a. be‐ zeugten, Sg. τον λογον in eben dieser Hss. nahelegt. 389 Nicht in 141. dem zweiten und dritten darauf bezogenen Partizip - ἀκούοντες und τηροῦντες - feststellbar ist. 385 b) Der Makarismus in einer anderen, gut bezeugten Form (Singularlesart) So gut wie nie wird in der Forschung eine in der Handschriftentradition feststellbare Variante in diesem Vers beachtet, 386 die zu einer Sinnverschiebung führt und daher an dieser Stelle genauer betrachtet werden sollte. Bezeugt ist die folgende Textfassung u. a. durch die Minuskeln 141 792 2053 2062 2403 2643, durch den Oikumenios-Kommentar 387 (Oec. in Apoc. 1,4 388 ) sowie ferner durch zahlreiche Kirchenväter und auch in den Versionalhandschriften hat sie ihren Niederschlag gefunden (zur Bezeugung bei den Kirchenvätern und in den Versionen s. u. mehr): a Μακάριος ὁ ἀναγινώσκων καὶ ἀκούων τοὺς λόγους τῆς προφητείας ταυτης 389 b καὶ οἱ τηροῦντες τὰ ἐν αὐτῇ γεγραμμένα, c ὁ γὰρ καιρὸς ἐγγύς. a Selig [ist] der Lesende und Hörende die Worte dieser Prophetie; b - und die Bewahrenden des in ihr Geschriebenen; c denn die Zeit ist nahe. 467 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 390 Schon H A R T M A N N , Form, 133, weist auf die ungewöhnliche Länge des Makarismus hin. 391 Vgl. auch C A T E , Sisters, 89: „But in both 792 and 2643, ακουντες is not plural but singular (ακουων) and ananarthrous, which implies, according to Sharp’s rule, not only an audience of one, but that the reader and hearer are one and the same.“ Eine analoge Verwendung von „hören“ und „lesen“ findet sich z. B. bei Plut. Arat. 1; Arnob. 4,19. 392 Diese Variante lässt das Incipit noch viel deutlicher als übergreifende Leseanweisung und offenen Lektürevertrag erscheinen, der „die ab 1,4 einsetzende briefliche Kom‐ munikation zwischen Johannes und den angeschriebenen Gemeinden [entgrenzt] und [die Apokalypse so] öffnet […] für eine unbestimmte, offene Leserschaft“ (A L K I E R , Johannesapokalypse, 153). In ähnlicher Weise muss man angesichts der Bild‐ lichkeit des Hörens in Diog 1,2, dem vorauszusetzenden weiten, nicht-christlichen Adressatenkreises des Diognetbriefes (vgl. dazu die Einleitung in der Ausgabe von L I N D E M A N N / P A U L S E N , 304; L O N A , Schrift, 209 f) und insbesondere des ausdrücklichen Verweises auf die Deutlichkeit des Geschriebenen in Diog 12,3 m. E. auch die Formulierung οἷς ἐντυχόντες καὶ ἀκούσαντες μετὰ σπουδῆς εἴσεσθε … in Diog 12,1 verstehen, die allerdings in den beiden, mutmaßlich nachgetragenen Kapiteln des Diognetbriefes stehen. Im Vergleich zur Rekonstruktion im NA fällt vor allem der Singular ἀκούων sowie der im NA nicht verzeichnete Artikel οἱ vor τηροῦντες auf. Durch diese Abweichungen verändern sich die grammatischen Bezüge im Satz: Während die Partizipien im NA-Text auf drei unterschiedliche Personengruppen ver‐ weisen, muss man diesen Text so verstehen, dass der Makarismus im engeren Sinne nur aus der Sinnzeile 1,3a besteht, also der Leser und Hörer des Buches selig gepriesen werden. Diese Länge des Makarismus passte auch von der Länge gut zur durchschnittlichen Länge der anderen Makarismen in der Apc und ferner in Mt und Lk. 390 Im Hinblick auf die anvisierte Art und Weise der Perzeption und Rezeption der Apokalypse unterscheidet sich diese Textvariante deutlich von der Plurallesart. Grammatisch rücken die beiden ersten, mit καὶ verknüpften, Partizipien viel enger zusammen, und zwar durch die Kongruenz im Numerus, durch die Verwendung nur eines Artikels und die eindeutige Zugehörigkeit des Objekts τοὺς λόγους τῆς προφητείας ταυτης zu beiden Partizipien. Angesichts der Ergebnisse der semantischen Analyse der griechischen Lese‐ terminologie (s. o. 3.1) können die beiden Partizipien gleichsam tautologisch verstanden werden. 391 Lesen und Hören beziehen sich auf den Rezeptionspro‐ zess eines Individuums, wobei von ihm die Worte dieser Prophetie gehört werden 392 - entweder realisiert mit der eigenen Stimme bei der vokalisierenden 468 8 Lesen im Neuen Testament 393 Vgl. z. B. S M I D T , First, 97, der dies freilich schon für den NA/ GNT-Text so sieht. 394 Eine solche Bedeutung von ἀκούω in der Zusammenstellung der Partizipien ἀναγινώσκων καὶ ἀκούων findet sich z. B. bei Orig. comm. in Matt. 10,14. 395 Vgl. A L A N D / A L A N D , Text, 284 f. 396 Vgl. VL 26,2, 109. 397 Vgl. zur Bezeugung die Übersicht bei S C H U L Z , Wert, 195 f. 398 Vgl. außerdem den instruktiven kommentierenden Text in den Scholia in Apokalypsin zur Apokalypse, die in der Forschung z. B. Origenes zugeschrieben worden sind, deren Autor wir jedoch nicht kennen: ἐνταῦθα μακαριζομένων τῶν ἀναγινσκόντων individuell-direkten Lektüre oder durch die innere Lesestimme bei der nicht‐ vokalisierenden Lektüre. Aus kultur- und sozialgeschichtlicher Sicht ist keine der beiden Möglichkeiten zu bevorzugen. Noch deutlicher als bei dem in den kritischen Ausgaben rekonstruierten Text wird hier, dass die Apc nicht für einen singulären Leseakt, sondern für die fortlaufende Rezeption 393 bestimmt ist (daher bewahrt werden muss) und sich an ein anonymes Lesepublikum richtet. Entsprechend der unter 2.2.2 herausgearbeiteten Ergebnisse ist in diesem Zusammenhang jedoch möglich, dass gar nicht die physiologische Dimension des Hörens im Blick ist, sondern ἀκούω hier vielmehr auf die kognitive Verarbeitung, das Verstehen des Gelesenen rekurriert. 394 Darauf wird unten bei der Übersicht über die auditive Motivik in der Apc zurückzukommen sein. Diese Interpretation von Apc 1,3 wird übrigens auch von der Rezeptionsge‐ schichte gestützt, wie unten zu zeigen sein wird. Sinnzeile 1,3b ist in dieser Textform ferner als eine Art Nachtrag zu verstehen, durch den auch noch diejenigen selig gepriesen werden, die das Geschriebene bewahren (in Apc 22,7 losgelöst vom Lesen und Hören wiederholt). In grammatischer Hinsicht wird die oben genannte grammatische Inkongruenz damit gemindert. c) Zur Bezeugung der beiden idealtypischen Textfassungen Der letzte Aspekt ist freilich vor dem Hintergrund der textkritischen Grund‐ sätze 395 ein Argument dafür, die durch den Sinaiticus, den Alexandrinus und den Ephraemi rescriptus sowie die Mehrzahl der griechischen Hss. bezeugte Plural‐ lesart οἱ ἀκούοντες als lectio difficilior zu bevorzugen. Ein Problem bei der Re‐ konstruktion des Ausgangstextes an dieser Stelle besteht m. E. allerdings darin, wie man die Lesart des Oikumenios-Textes bzw. der genannten Minuskeln ohne Zwang aus dem NA-Text heraus erklären bzw. als bloße Korrektur einer schwie‐ rigen Lesart verstehen soll: Zur Beseitigung der Inkongruenz im rekonstruierten Ausgangstext hätte es gereicht, das Adjektiv und das erste Partizip in den Plural zu setzen - ein Schritt, der z. B. in Minuskel 469, im altlateinischen Texttyp J 396 sowie in der koptischen Überlieferung 397 feststellbar ist. 398 Die Unterschiede 469 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT καὶ ἀκουόντων (Scholion 3, ed. T Z A M A L I K O S ), der die grammatische Inkohärenz des zu kommentierenden Textes entsprechend der grammatischen Regeln (unbewusst) ausgleicht. Vgl. weiterführend zu den Scholia die instruktive Einleitung bei G E R K E / M Ü L L E R , Übersetzung. 399 S. die Übersicht bei L E M B K E / M Ü L L E R / S C H M I D / in Verbindung mit Karrer, Martin, Apoka‐ lypse, 2 ff; M A L I K , Greek Text, 403. 400 Vgl. weiterführend zu den Unterschieden im Text der Apc in den drei Majuskeln א A C K A R R E R / K A B I E R S C H / A M E L I N / B E R D O Z Z O , Johannesoffenbarung, insb. 399-401. 401 Vgl. dazu ausführlich S C H M I D , Studien, 24 f.30.85-109.147. Vgl. auch S C H M I D , Apoka‐ lypse. Vgl. dazu jetzt die differenzierenden Bemerkungen bei L E M B K E , Besonderheiten, passim, die aber zunächst einmal keine Aussage über die Güte des Oikumenios-Textes haben, sondern vielmehr zeigen, vor welchen großen Herausforderungen die Rekon‐ struktion des Apc-Textes steht. 402 S C H M I D , Studien, 24. 403 S C H M I D , Studien, 147. zwischen dem Oikumenios-Text und dem rekonstruierten Text in den kritischen Ausgaben, der v. a. auf den Majuskeln א A C basiert, zeugen eher von einem intendierten redaktionellen Eingriff in den Text, wobei die Bearbeitungsrich‐ tung zunächst offen zu halten ist, da es für beide Richtungen gute Argumente gibt. Die Argumente für die Plurallesart οἱ ἀκούοντες bestehen darin, dass diese Lesart von den wichtigen Majuskeln sowie von den meisten griechischen Hss. bezeugt wird und, wie schon erwähnt, die lectio difficilior darstellt. Für die Ur‐ sprünglichkeit der Singularlesart ἀκούων ohne Artikel, bei gleichzeitiger Hin‐ zufügung des Artikels vor τηροῦντες, spricht hingegen Folgendes: a) Der Beginn der Apokalypse ist in keinem Papyrus enthalten, die älteste Hs., die diesen Text enthält, ist der Codex Sinaiticus. 399 Älter ist hingegen die Bezeugung der Singularlesart im Kommentar von Victorinus von Poetovio (um 300; s. u.). Aber sowohl das Alter des Sinaiticus als auch die Bezeugung durch Victorinus ist isoliert betrachtet nicht besonders aussagekräftig, da beide Zeugen ja einen älteren Text bewahrt haben könnten. Wichtig ist jedoch, dass etwa die Zeit um 300 als terminus ante quem für die Singularlesart zu gelten hat. b) Der Text von Apc 1,3 ist auch in den drei genannten Majuskeln, insbeson‐ dere in A C nicht einheitlich überliefert und weist - wenn auch nur geringfügige - Varianten auf. 400 c) Es kommt hinzu, dass der Text des Oikumenios in den genannten Mi‐ nuskeln insgesamt eine hohe Güte aufweist, die den großen Majuskeln A C ebenbürtig ist, und zusammen mit diesen eine ältere Textform repräsentiert 401 - insbesondere die Minuskel 2053 gilt als „die wertvollste aller Apk-Minuskeln.“ 402 Schmid weist darauf hin, dass der Text von A C „eine Reihe schwerer Verstöße gegen die griechische Grammatik“ enthält, bei denen es „methodisch nicht mehr zu rechtfertigen [ist], die Autorität von AC zu überspannen“. 403 Die Varianten 470 8 Lesen im Neuen Testament 404 S. außerdem die weitere Evidenz in der lateinischsprachigen Literatur, die Gryson im Apparat anführt. 405 Vgl. VL 26,2, 84. 406 Ferner findet sich die Singularlesart des dritten Verbs auch in einer Überlieferungstra‐ dition der Vulgata, die Gryson mit dem Siglum G bezeichnet, die statt servant mit Artikel qui servat liest. in Apc 1,3 hat Schmid selbst nicht beachtet, doch liegt es auf der Grundlage seiner Arbeit durchaus im Bereich des Möglichen, dass an dieser Stelle dem Oikumenios-Text der Vorzug zu geben ist. d) Außerdem ist die Singularlesart in zahlreichen Versionen (einige Itala-Hss. vg cl aeth arm) und durch die Kirchenväter bzw. durch die hss. Überlieferung von deren Texten, die an dieser Stelle ebenfalls Varianten aufweisen und die auf die weite Verbreitung auch der Singularlesart hindeuten, breit bezeugt; im NA sind diese Belegstellen nicht vollständig verzeichnet. Auffällig ist, dass viele dieser indirekten Textzeugen nicht nur den Singular ἀκούων bieten, sondern z. T. auch das dritte Partizip (im Lateinischen übersetzt als finites Verb) im Singular aufführen, was ebenfalls im NA nicht verzeichnet ist. Apringius Pacensis (6. Jh.) paraphrasiert sehr nah am Text (beatus, ait, qui legit et qui audit verba prophecie et servat ea que in ea scripta sunt. Apr. Pac. tract. 1,2,9) und kommentiert damit einen Text, der alle drei Verben im Singular hat. Zahlreiche Hand‐ schriften eines anonymen Apokalypsekommentars mit dem Titel Commemoratorium de Apocalypsi Iohannis apostoli (ed. G R Y S O N , CCSL 107) lesen ebenfalls den Singular audit (B C G H M P), hss. etwas weniger gut, aber auch belegt ist der Singular servat (G H K), wobei die Editoren verschiedener Ausgaben sich nicht einig sind, welcher Text ursprünglich ist. Auch eine der sieben Hss. des Apokalypsekommentars von Primasius von Hadrumetum (6. Jh.; bezeugt einen alten lateinischen Text aus Nordafrika; Prim. in Apoc. 1,33 f, ed. A D A M S ., CCSL 92) verzeichnen den Singular audit (A 1 ; vgl. ferner editio princeps b) bzw. findet sich custodit in der editio princeps b. Beatus von Liébana liest in seinem zwölfbändigen Apokalypsekommentar (ed. S A N D E R S , PMAAR 7) ebenfalls alles drei Verben im Singular (Beat. in Apoc. 1,2,6), wobei auch hier zwei für nicht so wertvoll gehaltene Hss. von insgesamt knapp 20 den Plural audiunt und vier Hss. den Plural servant lesen. 404 Aufschlussreich ist der altlateinische Text von Apc 1,3 in einem Palimpsest, das in einem Manuskript von Isidors De natura rerum erhalten ist. Die Unziale aus dem 5. Jh. enthält Act, die Katholischen Briefe und Teile der Apokalypse und repräsentiert laut Gryson den Nordafrikanischen Texttyp K, wie Zitate bei Cyprian belegen. 405 Der Text von Apc 1,3 lautet: Felix qui legit et qui audit verba prophetiae et custodit ea quae scripta sunt …  406 Dieser Text, der alle drei Verben im 471 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT Singular liest, korrespondiert mit zahlreichen o. g. Zitaten bei den Kirchenvätern - insbesondere aber mit dem Text, den wohl schon der oben genannte Victorinus um 300 gelesen hat. Dieser kommentiert Apc 1,3 folgendermaßen: Principium libri beatitudinem legenti, audienti et seruanti promittit, ut lectioni studens exinde opera discat et praecepta custodiat. Der Beginn des Buches verspricht demjenigen Seligkeit, der [es] liest, hört und be‐ wahrt, damit er durch das Studium des Gelesenen die Werke lernt und die Vorschriften bewahrt. Es ist ganz eindeutig, dass Victorinus die Apokalypse nicht primär als ein Buch versteht, das im Gottesdienst bzw. in einer Gruppe gelesen wird. Vielmehr setzt er die Rezeptionssituation einer individuell-direkten Lektüre voraus. Lesen und Hören beziehen sich, wie bei der Analyse der Singularlesart, gleichsam tautologisch auf die Rezeption des Buches durch ein Individuum. Victorinus ist in jedem Fall ein früher Beleg aus der Rezeptionsgeschichte für diese Interpretation von Apc 1,3. Die textkritische Beurteilung bzw. die Frage, ob die Lesart mit allen drei Verben im Singular, die Version des Oikumenios-Textes mit den ἀναγιγνώσκω und ἀκούω im Singular und τηρέω im Plural oder die von den kritischen Ausgaben rekonstruierte Fassung, die eine Rezeption des Textes in einer Gruppe voraussetzt, ursprünglich ist bzw. den Ausgangstext bildet, ist hingegen nur sehr schwer abschließend zu beantworten. d) Entstehungsmodelle für die Varianten Grundsätzlich wären zwei Entstehungsmodelle für die Varianten denkbar. Möglichkeit 1: Nimmt man an, die in den großen Majuskeln bezeugte Lesart „der Lesende“ und „die Hörenden“ ist ursprünglich, dann müsste man den Übergang von einer ursprünglich kollektiven Rezeptionssituation hin zu einer individuellen Rezeptionssituation wegen der frühen Bezeugung der Singular‐ lesart in das 2. Jh. datieren. Damit hätte die Singularlesart in jedem Fall eine wichtige Bedeutung für die historische Frage nach Lesepraktiken in der frühen Kirche, da sie ein wichtiger Beleg für die Verbreitung individueller Lesepraktiken im 2. Jh. darstellt (s. dazu weiterführend die Ausführungen unter 9.5.2). Möglichkeit 2: Nimmt man dagegen an, die breit bezeugte Singularlesart wäre der Ausgangstext, könnten folgende Aspekte zur Erklärung der Entstehung der Plurallesart angeführt werden: a) Der Vergleich mit sehr ähnlichen Makarismen zeigt, dass es in einer kanonischen Perspektive durchaus ein redaktionelles Interesse gegeben haben könnte, Apc 1,3 vor allem mit Lk 11,28 zu harmonisieren. Die Lesart der 472 8 Lesen im Neuen Testament 407 Damit wäre eine - freilich recht hypothetische - Erklärung für die Entstehung dieser Lesart gegeben. M Ü L L E R , Abschriften, 236, führt diese Lesart im Sinaiticus, die sich auch noch in einigen anderen Zeugen findet (s. ebd.), auf eine Angleichung an den Sg. ἐμαρτύρησεν τὸν λόγον in Apc 1,2 zurück. 408 An den ebenfalls als Parallelen diskutierten Stellen EvThom 79 und Herm. sim. 5,3,9 steht ebenfalls das Pluralpartizip οἱ ἀκούοντες, eine Änderung des Textes von Apc 1,3 anhand dieser Stellen scheidet aber eher aus. 409 S. dazu meine Ausführungen unter 9. 410 G R A D L , Offenbarung, 448. 411 Vgl. z. B. H O L T Z , Offenbarung, 18.142; K A R R E R , Johannesoffenbarung, 106. Majuskeln, die ἀκούω in Apc 1,3 im Plural lesen, ist nämlich deutlich näher am Text von Lk 11,28 als der Oikumenios-Text. Am meisten Übereinstimmungen wirft dabei die Textfassung im Sinaiticus auf, die entsprechend Lk 11,28 auch λόγος im Singular liest: 407 Apc 1,3 Oec/ it Test.: Μακάριος ὁ ἀναγινώσκων καὶ ἀκούων τοὺς λόγους … καὶ οἱ τηροῦντες/ τηρούντων* τὰ ἐν αὐτῇ γεγραμμένα Apc 1,3 A: μακαριος ο αναγινωσκων και οι ακουοντες τους λογους … και τηρουντες τα εν αυτ̣η γεγραμμενα· Apc 1,3 א: μακαριος ο αναγινωσκων και οι ακουοντες τον λογον … και τηρουντες τα εν αυτη γεγραμμενα Lk 11,28: μακάριοι οἱ ἀκούοντες τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ φυλάσσοντες. 408 b) Eine zweite Erklärung könnte darin bestehen, dass die Ersetzung des Singu‐ lars durch den Plural in der Diskussion um die in der Kirche kollektiv-indirekt zu rezipierenden Schriften (in welchem sozialen Setting genau muss zunächst offen bleiben) 409 zu kontextualisieren ist. In der Änderung könnte sich die kon‐ troverse Diskussion in der Alten Kirche um die „Kanonizität“ der Apokalypse widerspiegeln; das Pluralpartizip könnte zur Legitimierungsstrategie derjenigen passen, die eine Verlesung in der Kirche befürwortet haben. Angesichts der Tatsache, dass der Ausgangstext von Apc 1,3 sich nicht mit letztgültiger Sicherheit bestimmen lässt, ist unbedingt vor allzu sicheren Schlussfolgerungen zu warnen, wie z. B. in einer neueren Studie zu finden: „Das Buch wendet sich an eine Gemeinschaft von Lesern bzw. Hörern. Nirgends wird eine Einzelperson als singulärer Adressat angesprochen.“ 410 Apc 1,3 ist zudem nicht die einzige Stelle, an der die Rezipienten in der 3. Sg. angesprochen werden, vielmehr sind diese auch im sog. Epilog der Apc (22,6-21) im Blick. So korrespondiert der Makarismus nicht nur mit demjenigen in Apc 22,7b (Selig der Bewahrende der Worte der Prophetie dieses Buches.), 411 sondern ist intratextuell auch eng verknüpft mit Apc 22,18a (Ich bezeuge jedem Hörenden die Worte der Prophetie dieses Buches: …). In beiden Versen werden die Rezipienten 473 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 412 Vgl. N E U M A N N , Hören. angesprochen. Während die erstgenannte intratextuelle Verknüpfung über die Stichworte μακάριος und τηρέω hergestellt wird, verbindet Apc 1,3 und 22,18 das Hören (ἀκούω). Alle drei Verse verbindet das Syntagma τοὺς λόγους τῆς προφητείας, das in 22,7 und 22,18 noch durch das Attribut τοῦ βιβλίου τούτου ergänzt wird. Damit sind im Hinblick auf die Fragestellung dieser Studie zwei weitere Untersuchungsschritte angezeigt: a) Apc 1,3 - insbesondere auch der Singularlesart - in den Kontext auditiver Motivik in der Apc insgesamt einzu‐ ordnen; und abschließend b) den Bezug zwischen Rezipienten, der anvisierten Rezeptionssituation und der auditiven Motivik im Zusammenhang mit der medialen Frage der Apc als Buch zu eruieren und zu bewerten. 8.4.2.2 Apc 1,3 im Kontext auditiver Motive in der Apokalypse Schon die Wortstatistik zeigt, dass das Lexem ἀκούω in Relation zur Anzahl der Verse relativ häufig in der Apc vorkommt. Mit 43 von insgesamt 405 Versen, in denen das Lexem vorkommt, steht die Apc mit 10,62 % im Gesamtranking auf Platz drei hinter dem 1Joh und Bar. Bezüglich der relativen Häufigkeit des Lexems φωνή (45 von 405 Verse) steht die Apc sogar auf Platz 1 mit 11,11% vor Bar (7 %) und im NT 2 Petr (4,9%). Unangefochten auf Platz 1 steht die Apc auch bezüglich der relativen und absoluten Häufigkeit des Lexems βροντή (in 9 von 405 Versen = 2,22%) sowie der absoluten Häufigkeit des Lexems ᾠδή (3 Belegstellen in der Apc; kommt sonst nur in Eph 5,1 und Kol 3,16 vor). Außerdem ist die Apc neben 1Kor 14,7 der einzige Text des NT, in dem das Musikinstrument κιθάρα vorkommt (sogar an drei Stellen); ebenfalls sehr häufig belegt ist das Blasinstrument σάλπιγξ (sechs Belegstellen). Die sinnliche Dimension des Hörens scheint also im Vergleich zu anderen neutestamentlichen Texten eine hervorgehobene Bedeutung in der Apc zu spielen. Die Frage nach auditiven Motiven in der Apc ist unter dem Stichwort „audi‐ tive Anschaulichkeit“ zuletzt umfassend von N. Neumann in seiner Studie zur „Rhetorik der Anschaulichkeit in den Gottesthron-Szenen der Johannesoffen‐ barung“ 412 untersucht worden. Gegenüber dem starken Interesse der bisherigen Forschung vor allem an der Bildlichkeit in der Apc zeigt Neumann, dass das Verhältnis zwischen visueller und auditiver Anschaulichkeit in der Apc durchaus ausgeglichen ist, wobei das Verhältnis je nach Szene variiert: „[V]isuelle und auditive Anschaulichkeit [verhalten sich] nahezu umgekehrt propor‐ tional zueinander; […] die ersten Gottesthron-Szenen (Offb 4-5) [besitzen] einen hohen Grad von visueller Anschaulichkeit. Im weiteren Verlauf (Offb 7; 11; 14; 15; 19) nimmt die explizite visuelle Anschaulichkeit der Schilderungen ab, um dann am Ende 474 8 Lesen im Neuen Testament 413 N E U M A N N , Hören, 403. 414 Vgl. dazu weiterführend E N R O T H , Hearing Formula. 415 Vgl. v. a. Mt 13,16 f; Lk 10,24. 416 Vgl. B A C K H A U S , Bilder, 432. 417 Vgl. B A C K H A U S , Bilder, 433. der Johannesoffenbarung (Offb 21-22) wieder sprungartig anzusteigen. Umgekehrt dazu ist die auditive Anschaulichkeit in den ersten Gottesthron-Szenen (Offb 4-5) vergleichsweise schwach ausgeprägt. Sie tritt dann immer klarer in Erscheinung (Offb 7; 11; 14; 15), bis sie in Offb 19 ihren Höhepunkt erreicht, da dort in dichter Abfolge fünf hymnische Textsequenzen begegnen. Am Ende fällt die auditive Anschaulichkeit abrupt wieder ab“. 413 Der Großteil der auditiven Motive der Apc ist den Sinneseindrücken von Johannes während seiner Visionen zuzuordnen. Von den 46 Belegstellen des Lexems ἀκούω entfallen sieben auf die formelhafte Wendung, den sog. Weckruf „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt“ in den Sendschreiben (Apc 2,7 usw.), 414 die sich nicht auf das physiologische Hören bezieht, sondern die kognitive Verarbeitung im Blick hat. Der Plural „den Gemeinden“ macht deutlich, dass sich diese Worte an die Rezipienten der Apc richten. Aus diesen beiden Gründen lassen sich aus diesen Formeln keine Rück‐ schlüsse auf die intendierte Rezeptionssituation ziehen. Es handelt sich aber um wichtige Belegstellen, die einen (auch sonst im NT bezeugten) 415 übertragenen Gebrauch von ἀκούω in der Apc belegen und vor deren Hintergrund man auch das Hören in Apc 1,3 lesen kann. Liest man das Motiv des Hörens in Apc 1,3 vor diesem Hintergrund, ist es durchaus möglich, dass auch dort nicht (primär) ein physiologisches Hören gemeint ist, sondern auch jene semantische Dimension von ἀκούω. 26 weitere Belegstellen von ἀκούω in der Apc fallen auf einleitendes ἤκουσα („ich hörte“), das mit dem 44mal vorkommenden, einleitenden εἶδον („ich sah“) korrespondiert. An fünf Stellen stehen die beiden Einleitungswendungen sehr dicht beieinander: Apc 5,11; 6,1.5; 8,13; 14,1 f. 416 In Apc 1,12 findet sich als interessante Formulierung das Sehen der Stimme. Bei den Visionen handelt es sich also dem Wortsinn nach eigentlich gar nicht nur um Visionen, sondern gleichsam um Audiovisionen; wobei durch indirekte Signale auch deutlich wird, dass der Geruchssinn (Apc 5,8; 8,3-5) von Johannes und sein Geschmackssinn zumindest metaphorisch (Apc 10,10) angeregt wird. K. Backhaus spricht deshalb im Hinblick auf die Wahrnehmung seitens der Rezipienten der Apc auch von Hörbildern, Geschmacksbildern und Geruchsbil‐ dern, 417 womit er sich auf die innere Vorstellungswelt der Rezipienten bezieht. Gleiches gilt auch für das Partizip ὁ ἀκούων in Apc 22,17, das sich nicht auf einen 475 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 418 Vgl. zum Folgenden N E U M A N N , Hören, 400-403. 419 Vgl. dazu weiterführend E U G E N E B O R I N G , Voice. 420 So N E U M A N N , Hören, 401 f. 421 Das gilt selbst dann, wenn es sich um Zitate aus bestehenden Liedtexten handelte oder nach der Vorlage christlicher Hymnen gestaltet worden sind. 422 Vgl. dazu z. B. G I L , Chorlieder; L E F È V R E , Chorlied; S T E V E N S , Chorus; D A V I S , Shifting. 423 S. o. Anm. 24, S. 275. vermeintlich vorgelesenen Text, sondern auf das Hören, kognitive Verarbeiten, möglicherweise sogar Gehorchen (s. die Aufforderung zur Antwort) des vom Geist und der Braut Gesprochenen bezieht und einen fiktiven Dialog zwischen diesen und dem Rezipienten imaginiert. Als Objekte, 418 die Johannes hört, finden sich einzelne Stimme (u. a. Apc 4,1; 6,6 f; 9,13; 10,4.8; 14,2.9.13; 19,5), eine unbestimmte Anzahl von Stimmen (u. a. Apc 8,5; 19,6); z. T. wird die besondere Lautstärke betont (u. a. Apc 1,10; 5,2.11.; 6,10; 7,2.10; 8,13; 10,3; 11,12.15, 12,10; 14,7.15.18; 18,4; 19,17; 21,3). 419 Daneben erschallen im Rahmen der Visionen z. B. Donnerschläge (u. a. Apc 4,5; 8,5; 11,19; 16,18) und verschiedene Instrumente (vgl. v. a. die sieben σάλπιγγες [Posaunen/ Kriegstrompeten], die in Apc 8 f.11 nach einer Stille im Himmel [Apc 8,1] geblasen werden; vgl. ferner Apc 1,10; 4,31; vgl. außerdem die κιθάραι in Apc 5,8; 14,2; 15,2). Die Nennung der Seiteninstrumente geht einher mit dem Singen von Liedern (ᾠδή; 5,9; 14,3; 15,3), deren Text z. T. in die Apc integriert ist (vgl. u. a. Apc 5,9 f; 15,3 f). Aus dem Vorkommen dieser Liedtexte sowie weiterer Texte von sog. Doxo‐ logie in der Apc (z. B. 4,8.11; 7,10.12; 11,15.17; 19,1-8) und ihrer poetischen Sprache jedoch zu schlussfolgern, diese seien wegen ihrer poetischen Sprache beim Vortrag im Gottesdienst gesungen worden, 420 kann aus dem Text selbst nicht erschlossen werden. 421 Denn alle Elemente, die üblicherweise als „got‐ tesdienstlich“ oder „liturgisch“ charakterisiert werden, sind zunächst als Teil der erzählten Welt zu verstehen und können potentiell auch für eine indivi‐ duell-direkte Rezeptionssituation gedacht gewesen sein und z. B. der besonderen imaginativen Stimulation der Leserinnen und Leser dienen. In methodischer Hinsicht sei an dieser Stelle hingewiesen auf die Forschungsdiskussion bezüg‐ lich der Frage, ob es sich bei Senecas Dramen, die Chorpassagen enthalten, 422 um reine „Rezitations- oder Lese-Dramen“ handelt. 423 Die Hypothese, dass Teile der Apokalypse bei ihrer Rezeption gesungen worden wären, basiert auf einer Vorfestlegung der anvisierten Rezeptionssituation, die sich auf eine spezifische Auslegung von Apc 1,3 stützt. Für eine angemessene Beurteilung des Zusammenhangs zwischen der Aus‐ sage von Apc 1,3, den auditiven Motiven in der Apc auf der einen Seite und 476 8 Lesen im Neuen Testament 424 Vgl. dazu den ausführlichen Überblick über die Forschungsgeschichte bei K A R R E R , Johannesoffenbarung, 22-39. 425 Vgl. G R A D L , Offenbarung. Zur Universalität des Adressatenkreises vgl. G R A D L , Offen‐ barung, 31.36 f.50-52.66.100.138 f.164-168 u. ö. 426 Nach einer Durchsicht der Argumente für eine Klassifikation der Apc als Brief (vgl. G R A D L , Offenbarung, 19-28) diskutiert er sehr breit die damit verbundenen offenen Fragen (vgl. G R A D L , Offenbarung, 29-104) und begründet dann als heuristischen Rahmen für seine ausführlichen Einzeluntersuchungen, inwiefern die Johannesoffen‐ barung in Zusammenführung von gattungskritischer Zuordnung und medialer Form als „prophetisch-apokalyptisches Buch“ zu verstehen ist (vgl. G R A D L , Offenbarung, 104-146). Als wichtige Aspekte sind neben der schon genannten universalen Adressa‐ tenorientierung der große Umfang, die fehlende Durchgängigkeit brieflicher Formen, die offene Frage des Brieftypus und die Stillage zu benennen, die Gradl gegen eine briefliche Klassifikation ins Feld führt. der Frage nach der anvisierten Rezeptionssituation und der damit verbundenen Implikationen für die Perzeption auf der anderen Seite muss nun abschließend die Frage nach dem medialen Selbstverständnis der Apc ins Zentrum gerückt werden. 8.4.2.3 Das mediale Selbstverständnis der Apc als Buch - ein Schlüssel zur anvisierten Rezeptionssituation? Große Probleme bereitet die Apc der historisch-kritischen Exegese wegen der Spannung die dadurch entsteht, dass die Apc sich einerseits selbst als Buch (βιβλίον) charakterisiert (insb. Apc 1,11), andererseits aber auch Formelemente von Briefen enthält (insb. Apc 1,4-6; 20,20 f). Ausgehend von diesen Formelementen hat man den gesamten Text in der Auslegungsgeschichte als ein Brief von Johannes an sieben Gemeinden in der Asia verstanden, deren Zahl in Apc 1,4a genannt wird und die namentlich über die sieben sog. Sendschreiben (Apc 1,20-3,22) identifiziert werden können. 424 Dies ist für die anvisierte Rezeptions‐ situation nun insofern relevant, als zumindest ein dokumentarischer Brief in der Antike zunächst einmal für die singuläre Rezeption durch die angeschriebenen Adressaten bestimmt war. Doch schon dadurch, dass die Partikularität der in den Sendschreiben genannten Adressatengemeinden durch eine eher universal ausgerichtete Adressatenorientierung (v. a. Apc 1,1-3; 22,18-21) ergänzt ist, wird die Interpretation der Apc als Brief vor eine große Herausforderung gestellt. Dies betont auch H.-G. Gradl, der sich ausführlich mit dem Problem der Gattung der Apc beschäftigt, das aus der o. g. Spannung erwächst. 425 Gradl begründet ausführlich, warum die Apc gattungskritisch gerade nicht als Brief zu klassifizieren, sondern ihrem medialen Selbstverständnis nach als apokalyptisches Buch zu interpretieren ist. 426 Auch wenn das Lexem βιβλίον im Griechischen z. T. dazu verwendet wird, Briefe zu bezeichnen - dies aber jeweils 477 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 427 G R A D L , Offenbarung, 86. 428 Vgl. dazu ausführlich G R A D L , Offenbarung, 67-104; zusammenfassend G R A D L , Brief, 414-416. 429 G R A D L , Brief, 432 [Herv. im Original]. 430 Diesbezüglich verweist G R A D L , Brief, 432, Anm. 52, zu Recht auf die Ausführungen von A T T R I D G E , Genre Bending, 20 f, zu diesem Phänomen im Johannesevangelium, und auf B E R G E R , Formen, 353. Vgl. außerdem die Beiträge in L A R S E N , Gospel. L A B A H N , Autorität, 419, spricht in Bezug auf Beginn und Schluss der Apc von einer „hybride[n] literarische[n] Konstruktion“. 431 Vgl. G R A D L , Brief, 432, und ausführlich G R A D L , Offenbarung, insb. 181-186.204-219. Ähnlich auch W I T E T S C H E K , Offenbarung, der die Brieflichkeit der Apc aber etwas stärker betont. nur aus dem Kontext zu erschließen ist -, sprechen laut Gradl insbesondere drei Argumente dagegen, dass βιβλίον hier spezifisch ein briefliches Dokument meint: Erstens werde βιβλίον in den übrigen neutestamentlichen Schriften ausschließlich dazu verwendet, um Buchrollen bzw. die einzelnen Schriften des AT zu bezeichnen; bzw. zeigten z. B. die mediale Eigenbezeichnung des JohEv ( Joh 20,30; 21,25), Act 19,19 und 2Tim 4,13 die Verknüpfung des Lexems mit der „Vorstellung einer eigenständigen und geschlossenen thematischen Größe.“ 427 Briefe würden im NT hingegen durchgängig mit dem Lexem ἐπιστολή bezeichnet. Zweitens spreche die Verwendungsweise in der Apc selbst dagegen, wie etwa das Versieglungsmotiv (Apc 5,1), das Motiv des Lebensbuches (Apc 3,5 u. ö.) oder der Diminutiv in Apc 10,2 zeigten. Drittens hätten auch Bücher in der Antike eine kommunikative Funktion über Räume hinweg, sodass sich daraus kein Kriterium zur Unterscheidung von Buch und Brief gewinnen lasse. 428 Gradls Analyse führt ihn zuletzt zu einer präzisen Bestimmung des Verhält‐ nisses von Buch, Brief und anderer Formen/ Gattungen in der Apc: „Entgegen der Annahme einer brieflichen Rahmung des Buches erscheint vielmehr das Medium Buch als der Rahmen, in den verschiedene Formen und Gattungen in ihrer je eigenen motivischen Aussage und kommunikativen Funktion eingeordnet sind: Das Medium Buch erlaubt ein literary and communicative switching, den Wechsel zwischen Briefen und der narrativen Entfaltung, zwischen Visionsberichten […] und der rückblickenden wie vorausdeutenden Verdichtung in Hymnenform […].“ 429 Die Einbettung von brieflichen Elementen in das Medium Buch bzw. das Spiel mit gattungstypischen Konventionen 430 ist also als literarisches Phänomen zu werten, das mit einer pragmatischen Funktion verbunden ist: Die Formelemente von Briefen in der Apc hätten die Funktion, das Buch mit der kleinasiatischen Le‐ benswelt zu verbinden und die kommunikative Relevanz der Apc zu stützen. 431 Die Sendschreiben dienten dabei v. a. dazu, die „religiöse, politische und 478 8 Lesen im Neuen Testament 432 G R A D L , Brief, 424 [Herv. im Original]. 433 Vgl. G R A D L , Brief, passim. 434 G R A D L , Brief, 432 f [Herv. im Original]. 435 Vgl. G R A D L , Offenbarung, 454 f [Zitat 454]. 436 B A R R , Apocalypse, 252 f, antizipiert dieses Gegenargument und vermutet dann unter Verweis auf Act 20,7-12, frühchristliche Gottesdienste hätten womöglich länger ge‐ dauert. Diesbezüglich wäre allerdings a) zunächst zu plausibilisieren, inwiefern die Geschichte von Eutychos, die zunächst in ihrem narrativen Kontext verstanden werden muss, sozialgeschichtlich identifizierbare Praxis im frühen Christentum repräsentierte. Außerdem geht es in Act 20,7 b) um die Redetätigkeit des (erzählten) Paulus; vom Lesen ist nicht die Rede. 437 Gegen G R A D L , Offenbarung, 450-458. 438 S. dazu insbesondere die Ausführungen zur Buchrolle unter 2, die zusammenfassenden Überlegungen unter 6.2 sowie die zahlreichen Lesetermini, die nicht-sequentielle Zugriffe auf Buchrollen belegen (s. o. passim). soziale Wirklichkeit Kleinasiens zum Verständnisschlüssel des apokalyptischen Hauptteils“ 432 zu machen, wobei der Engel in leserpragmatischer Perspektive als Verknüpfung zwischen der realen gemeindlichen Lebenswelt und der Visi‐ onswelt fungiert. Gradl meint also, die lebenspraktischen Konsequenzen des ab Apc 4,1 erzählten kosmischen Dramas seien in den Sendschreiben zur exem‐ plarischen Konkretisierung auf der Ebene der einzelgemeindlichen Lebenswelt vorweggenommen. 433 Dass also der Offenbarungsinhalt der Apc „als stringenter, kohärenter und universal verstandener Wirklichkeitsentwurf bewusst mit dem Medium einer Buchrolle verbunden“ 434 wird, mag zwar auf den Idealtypus eines „kontinuier‐ lichen Lese- und Zeigevorgang“ des Werkes hindeuten, also gleichsam eines Entrollens und Enthüllens des Offenbarungsgeschehens im (Vor)Leseprozess. 435 In praktischer Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass eine komplette Lesung der Apokalypse bei einer Vorlesegeschwindigkeit von 100 Wörtern/ Minute knapp 100 Minuten gedauert hätte, was z. B. für einen Mahlkontext zu lang gewesen wäre (s. o. 6.1). 436 In methodischer Hinsicht besteht eine doppelte Gefahr. Und zwar einerseits, aus dem kompositorischen Aufbau eines Textes Rückschlüsse auf die anvisierte oder sogar tatsächliche Perzeptions- und Rezeptionsweise zu ziehen. Und andererseits, die erschlossene Rezeptionsweise mit dem Verweis auf das Medium der Schriftrolle zu begründen, die vermeintlich nur eine sequenti‐ elle Lektüre zuließe, wie Gradl annimmt. 437 Die Annahme, dass Buchrollen in der Antike gleichsam als performance-scripts verstanden worden wären und nur sequenzielle Zugänge zuließen, ist oben problematisiert worden. 438 Zudem finden sich in der erzählten Welt der Apokalypse selbst Hinweise, die gegen eine feste Verknüpfung des Mediums der Buchrolle mit kollektiv-indirekter Lektüre sprechen. Und zwar verweist die Ez 3,1-3 aufnehmende Szene in Apc 479 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT 439 So z. B. auch T H O M A S , Revelation, 73. Vgl. aus der Rezeptionsgeschichte insb. Victorinus Comm. in Apoc. 10,3 (vgl. A U N E , Revelation 17-22, z. St.). 440 Vgl. dazu B I R T , Buchwesen, passim. 441 G R A D L , Offenbarung, 117. 442 Vgl. T H O M A S , Revelation, 498. 10,9-11, in der das gängige metaphorische Konzept E S S E N I S T L E S E N (s. o. 3.9) verarbeitet worden ist, auf einen individuell-direkten Lektüreakt; bzw. wird mit der Essens- und Verdauungsbildlichkeit, die ebenfalls ein gängiges Konzept in der griechisch-römischen Welt im Zusammenhang mit dem Lesen war (s. o. 3.9), die kognitive Verarbeitung des Inhaltes eines „Büchleins“ allegorisch zum Ausdruck gebracht. 439 Hinzu kommt noch als weiteres Problem, dass sich die Apc zwar selbst als Buch inszeniert, wir angesichts der Dominanz des Kodex im frühen Christentum aber nicht sicher wissen, ob sie jemals auch in Rollenform publiziert worden ist. Auch im Zeitalter des Kodex blieb das Lexem βιβλίον als Bezeichnung einer Bucheinheit bestehen. 440 D. h. es ist zwar richtig, dass sich die Apokalypse medial als Buch versteht, dies determiniert aber nicht die anvisierte Rezeptions‐ situation. Ausgehend von diesen Überlegungen, ist nun abschließend wieder auf den Zusammenhang zwischen dem im Buch schriftlich fixierten Text und dem Motiv der auditiven Wahrnehmung bzw. von Sinneseindrücken insgesamt zurückzukommen. Mehrfach wird den Rezipienten in der Apc explizit deutlich gemacht, dass sie es mit einem Text zu tun haben, der die schriftlich fixierten Sinneseindrücke von Johannes enthält: „Was Du siehst, schreibe in ein Buch …“ (Apc 1,11); „Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel sagen: Schreibe! “ (Apc 14,13). Besonders deutlich wird dies in Apc 22,7b-8a: „Selig [ist] derjenige, der die Worte der Prophetie in diesem Buch bewahrt. Und ich, Johannes, bin derjenige, der dies (ταῦτα) gehört und gesehen hat.“ Dieser Makarismus im Epilog, der eindeutig den Bogen zum Makarismus in Apc 1,3 zurückschlägt, und das direkt darauf folgende Zeugnis von Johannes als „Empfänger und autorisierter Vermittler der Offenbarung“ 441 bilden geradezu eine Schlüsselstelle für die hier zu verhandelnde Frage. Im Vergleich zur engen intratextuellen Parallele in Apc 1,3 ist auffällig, dass die Selbstbeschreibung der Apc als οἱ λόγοι τῆς προφητείας im Prolog um τοῦ βιβλίου τούτου im Epilog erweitert wird (vgl. auch Apc 22,9 f.18). Damit werden die Leser an einen idealtypischen Punkt der Finalisierung der Schriftrolle zurückversetzt, von dem aus sie zusammen mit Johannes auf den fertigen Text, die schriftlich fixierten Worte der Prophetie zurückblicken. 442 Aufschlussreich ist nun die Zusammenstellung des Makarismus in Apc 22,7b mit dem Zeugnis von Johannes 480 8 Lesen im Neuen Testament 443 B A Z Z A N A , Write, versucht anhand des materiellen Befundes zu zeigen, dass die Apc vielfach in nicht-liturgischen, „privaten“ Kontexten gelesen wurde. Freilich sagt dies nichts über die ursprünglich intendierte Rezeptionssituation aus, kann aber als zus. wirkungsgeschichtliche Evindenz gelten. 444 So auch K A R R E R , Offb I, 191, Anm. 45. Die Formulierung ὑπὸ χεῖρα ἀναγιγνώσκω, die hier, auch wenn es sich bei ὑπὸ χεῖρα um eine feststehende Wendung handelt, durchaus auf dem haptischen Umgang mit dem Schriftmedium basieren könnte, in Apc 22,8a insofern, als Johannes hier ebenfalls rückblickend deutlich macht, dass es sich bei dem Niedergeschriebenen um das handelt, was er gehört und gesehen hat. Damit wird für die Rezipienten deutlich, dass die im Buch der Apc präsentierten οἱ λόγοι τῆς προφητείας nicht bloß eine im Sinne eines einfachen Diktats entstandene Wiedergabe der durch den Engel zu Johannes gesprochenen Worte verstanden werden sollen, sondern dass der in der Apc zu lesende Text den Rezipienten über die Sinneseindrücke von Johannes vermittelt ist. Vor dem Hintergrund des Konzepts der in einem Buch festgehaltenen Worte der Weissagung erscheint es dann am Ende auch konsequent, dass diese von den Rezipienten gehört werden (Apc 22,18). Dass hier ἀκούω verwendet wird, entspricht der gängigen Verwendungsweise dieses Verbes als Lese- und Rezeptionsterminus, der nicht mit einer spezifischen Leseweise in Verbindung steht, sondern gerade auch für individuell-direkte Zugänge zu Texten genutzt wird und die kognitive Verarbeitung des Textes benennen kann (s. o. 2.2.2). Es bleibt festzuhalten: Alle Sinneseindrücke, die in der Apc angesprochen werden, vor allem die visuellen und auditiven, aber auch die olfaktorischen, sind über den Text vermittelt und werden im Rezeptionsprozess des Buches von den Rezipienten erschlossen. Unabhängig davon, ob die Apc für die individuelle (nicht-vokalisierende) Lektüre oder für das Vorlesen konzipiert worden ist, die anvisierte visuelle, auditive und olfaktorische Anschaulichkeit(! ), so die zentrale Analysekategorie in der Studie von N. Neumann, wird von den Rezipi‐ enten kognitiv wahrgenommen. Bezüglich der visuellen (und olfaktorischen) Anschaulichkeit ist das völlig unstrittig, bezüglich der auditiven Anschaulich‐ keit sollte kein Unterschied gemacht werden. D. h., aus den auditiven Motiven, die in der Apc vorkommen, sollte nicht auf eine anvisierte Vortragssituation geschlossen werden. Als gute Argumente, dass die Apc ursprünglich tatsächlich für die individuell-direkte Lektüre vorgesehen war, kann einerseits die oben besprochene, durchaus als ursprünglich interpretierbare Singularlesart in Apc 1,3 gelten, durch die ein individuell-direkter Leser angesprochen wird, 443 und die Tatsache, dass in einer anderen Schrift des frühen Christentums mit „Offen‐ barungen“, dem Hirt des Hermas, eine Form individuell-direkter Lektüre im Text reflektiert wird (Herm. vis. 5,25,5). 444 Mit der Singularlesart und der daraus 481 8.4 Die Ansprache der Rezipienten als Leser in Erzähltexten des NT impliziert iterative Lektüre und deutet den leichten Zugang zum Text an, wie auch die lateinischsprachige Überlieferung des Hirten (subinde legendo facilius) zeigt. 445 B A U E R , Messiasreich, 64. 446 Vgl. B A U E R , Messiasreich, 64. abzuleitenden Rezeptionssituation fügt sich die Apc dann auch insgesamt besser in die apokalyptische Literatur des frühen Judentums, die „primär auf die Rezeption im Akt des Lesens und schriftgelehrten Textstudiums“ 445 zielt. Die von T. J. Bauer benannte Spannung zwischen dieser Einsicht und der These der „gottesdienstlichen Verlesung“ der christlichen apokalyptischen Texte, 446 die er argumentativ zu bearbeiten versucht, erübrigt sich, wenn man die Singularlesart als ursprünglich voraussetzt. 482 8 Lesen im Neuen Testament 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 9.1 Zusammenfassender Rückblick und methodologische Implikationen für die Exegese Ausgehend von der Beobachtung, dass die Forschung des 20. Jh. zum Lesen in der Antike und im frühen Christentum durch die Frage nach der Vokalisierung (die Diskussion um das sog. „laute“ und „leise“ Lesen) und durch einen Fokus auf das Vorlesen in Gruppen enggeführt worden ist (1), diente Teil I der Studie dazu, anhand von vier Untersuchungsschritten die Grundlagen für die anschließende Analyse von Leseszenen und Verweisen auf Lesepraktiken in der antik-jüdischen Literatur und in den neutestamentlichen Texten zu erarbeiten. Im Anschluss an eine Zusammenschau der Vielfalt antiker Lesemedien (2) folgte in einem zweiten Schritt eine detaillierte Analyse und Systematisierung einer großen Vielfalt von Lexemen, Wendungen, Metaphern und Metonymien, die Lesen in den Quellen konzeptualisieren (3). Methodisch bei der Lesetermino‐ logie anzusetzen, hat sich bewährt, weil deren Analyse für Fragestellungen der historischen Leseforschung wertvolle Einsichten über die Selbstwahrnehmung des eigenen Leseprozesses sowie die physiologisch-technische Dimension des Lesens und z. T. sogar über die Reflexion kognitiver Prozesse beim Lesen ermöglicht. Darauf aufbauend ist in einem dritten Schritt dargelegt worden, dass das Lesen von Texten, die in scriptio continua geschrieben waren, für die darin sozialisierten Leserinnen und Leser in der Antike keine besondere kognitive Herausforderung dargestellt hat (4). Daran anschließend folgten in einem vierten Schritt Überlegungen zur grundsätzlichen Verfügbarkeit von Texten und zum antiken Publikationswesen. Hier ist deutlich geworden: Bibliotheken hatten eher die Funktion, ältere Bücher zur Konsultation bereitzustellen, waren aber nicht der Ort, um die neueste Literatur zu lesen. Publikation bedeutet in der Antike nicht, dass ein Text zum ersten Mal vor Publikum vorgelesen wurde, vielmehr lassen Autoren, vermehrt in der frühen Kaiserzeit, erkennen, dass sie ihre Bücher an ein anonymes Lesepublikum adressieren und sie dieses über Buchhandelsstrukturen erreichen. Die recitatio ist dagegen eine Institution, bei der noch unfertige Texte vor der Publikation vor einem ausgewählten Publikum mit dem Ziel vorgelesen worden sind, Rückmeldungen für die weitere redaktionelle Arbeit zu erhalten. Bücher waren als handwerkliche Produkte erschwinglich und eine Partizipation des antiken Judentums und frühen Chris‐ tentums am antiken Buchmarkt ist plausibel (5). Ausgehend von diesen vier Schritten ist eine typologische Übersicht über die Vielfalt antiker Lesepraktiken erarbeitet worden, wobei damit zugleich der Ertrag von Teil I ausführlicher als hier darstellt wird (6). Als Quintessenz lässt sich festhalten: Das Phänomen Lesen war in der Antike nicht defizitär und darf nicht auf eine vermeintliche Re-Oralisierung des eigentlich mündlich gedachten Textes reduziert werden, sondern war ela‐ borierter und wurde (insbesondere in physiologischer und kognitionspsycholo‐ gischer Hinsicht) auch als ein solch elaboriertes Phänomen wahrgenommen. Die unter 6 dargelegte typologische Übersicht zielt darauf ab, die in der altertumswissenschaftlichen (und damit auch neutestamentlichen) Forschung enggeführte Perspektive auf die Frage nach der stimmlichen Realisierung und nach dem Lesen in Gruppen zu erweitern. Es konnte gezeigt werden, dass antike Leserinnen und Leser Texte auf ganz unterschiedlichen Schriftmedien in ganz verschiedenen Kontexten und sozialen Settings, zu verschiedenen Zeiten, vokalisierend, subvokalisierend und nicht-vokalisierend, langsam oder schnell, mit unterschiedlichem Grad an Aufmerksamkeit, iterativ oder singulär, sequentiell oder diskontinuierlich, vollständig oder selektiv, mit verschiedenen Zielsetzungen lesen konnten und gelesen haben. Die Ergebnisse verstehen sich als vorläufig und v. a. als Anregung zur Etablierung eines umfassenden Forschungsfeldes, das die Multidimensionalität des Lesens (s. dazu die Ausfüh‐ rungen zu Beginn von 1.4) in der griechisch-römischen Welt und insbesondere den Leseakt selbst sowie seine spezifische Wahrnehmung in der Antike ins Zentrum des Forschungsinteresses rückt. In Teil II, den Kapiteln 7 und 8, konnten die typologische Übersicht und die entwickelten Kategorien für die Analyse der Reflexion von Lesepraktiken in den Schriften des antiken Judentums und im NT fruchtbar gemacht werden. Dabei hat sich deutlich gezeigt, dass eine zu starke Betonung von „Oralität“ und eine einseitige Fokussierung auf kollektive Lesepraktiken problematisch sind. Insbesondere die monosituative Verortung der Rezeption alttestamentlicher Schriften in einem „gottesdienstlichen“ Kontext bzw. der Identifikation eines solchen „gottesdienstlichen“ Kontextes als vermeintlich universell-anvisiertem Ort der Erstrezeption der Schriften, die zum NT wurden, werden dem Befund nicht gerecht. Für das frühe Christentum lässt sich zwar eine (zumindest punktuell nachweisbare) Kontinuität im Hinblick auf die gemeinschaftliche (sabbatlich-synagogale) Rezeption der Tora und der Propheten feststellen. Die neutestamentlichen Schriften sind aber in ihrem Entstehungskontext eher in Analogie zu den übrigen antik-jüdischen, griechischsprachigen Schriften zu ver‐ 484 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum stehen, für welche die sabbatlich-synagogale Lesepraxis sich als Kontext nicht wahrscheinlich machen lässt und stattdessen vielfältige (auch individuell-di‐ rekte) Rezeptionskontexte (z. B. im häuslichen Kontext oder auf der Reise) ange‐ nommen werden können. Entsprechend der antiken Gepflogenheiten lässt sich vermuten, dass auch beim frühchristlichen Gemeinschaftsmahl gelegentlich gelesen wurde. Dabei wird aber in Analogie zu den besprochenen Quellen (6.1) davon auszugehen sein, dass die Initiative von den einzelnen Mahlteilnehmern ausging und die Funktion darin bestand, mit eigenen Lesefrüchten das Tischge‐ spräch in Bezug auf ein spezifisches Thema zu stimulieren. Die Vorstellung, dass das Gemeinschaftsmahl als Kontext für die intendierte Erstrezeption der län‐ geren neutestamentlichen Texte, insbesondere der Erzähltexte und der längeren Briefe, fungierte, ist unwahrscheinlich, da beim antiken Gemeinschaftsmahl nur kurze Texte oder Ausschnitte von längeren Texten gelesen wurden. Auch das Begründungsmuster, aus einem geringen Literalitätsgrad der an‐ tiken Bevölkerung eine Kultur kollektiver Lesepraktiken abzuleiten, hat sich als problematisch herausgestellt. So wäre der Nachweis erst zu erbringen, dass die untersuchten Schriften nicht-literalisierte Rezipienten adressierten. Außerdem ist einerseits deutlich geworden, dass die meisten Vorleseszenen (insb. literari‐ scher Texte) in den Quellen ein literalisiertes Publikum aufweisen, andererseits reflektiert das Buch Jesus Sirach explizit, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen als Rezipienten von vornherein nicht im Blick waren. Die in der Einleitung (1.3.3) skizzierte Notwendigkeit einer Beweislastumkehr in Bezug auf den postulierten Zusammenhang von Illiteralität und kollektiv-indirekter Formen der Rezeption von Literatur hat sich bestätigt. Auch im antiken Judentum (und damit im entstehenden frühen Christentum) ist von einer Vielfalt von Lesepraktiken auszugehen, wobei insbesondere individuell-direkte Lektüre als Konzept weiter verbreitet gewesen ist, als ein Teil der Forschung es bisher angenommen hat. So finden sich Belege für individuell-direkte Lektüre nicht nur in der Hebräischen Bibel, vielmehr reflektiert auch das äthiopische Henochbuch individuell-direkte sowie primär auf Rezeption, Verständnis und Merken des Inhalts ausgerichtete Formen visuell orientierter Lektüre. Das Buch Jesus Sirach, das anonymes literalisiertes Lesepublikum adressiert, belegt ein weisheitliches Lektürekonzept, das in Kontinuität zu Jos 1,8 und Ps 1,2 steht. Im 2Makk werden unterschiedliche Formen der Rezeption antizipiert, sodass auch hier von einem anonymen Lesepublikum auszugehen ist. Für Philons Therapeuten ist individuell-direkte Lektüre und gerade keine kollektiv-indirekte Form der Rezeption der Heiligen Schriften bezeugt und auch in den Schriftrollen vom Toten Meer finden sich Spuren individuell-direkter Lektürepraktiken. Für das MkEv ließ sich die anvisierte Rezeptionssituation einer individuell-direkten 485 9.1 Zusammenfassender Rückblick und methodologische Implikationen für die Exegese 1 Vgl. zur Diskussion neben den Verweisen in Anm. 12, S. 384, die Übersicht bei N O R T O N , Contours, 1-38; K U J A N P ÄÄ , Functions, 1-18. Eine schriftmedienbasierte Zitation der Schrift in den Paulusbriefen vertreten z. B. K O C H , Schrift, 247-256 (eigenhändige Exzerpte als Gegenmodell zur Hypothese der Nutzung eines bestehenden Florilegiums von H A R R I S , Testimonies II [dazu weiterführend A L B L , Scripture]; weiter ausgeführt bei S T A N L E Y , Homer; S T A N L E Y , Paul); W I L K , Bedeutung, 265 (die Möglichkeit der Wiedergabe aus dem Gedächtnis nicht ausschließend); W I L K , Schriftbezüge, 480; Ö H L E R , Rezeption, 115 f. Die Rolle des Gedächtnisses zur Erklärung der paulinischen Schriftrezeption wird z. B. stark gemacht von: E L L I S , Use, passim; F R E Y , Biographische Grundlagen, 100 (Lit.); L I N C I C U M , Intertextuality (Lit.). Mehrfachlektüre positiv nachweisen und auch für eine Textfassung der Apo‐ kalypse ist ein individuell-direkter Lektürezugang wahrscheinlich zu machen. In Bezug auf die Briefliteratur ist hinsichtlich der Frage nach der anvisierten Rezeption deutlich zu unterscheiden, und zwar zwischen dokumentarischen Briefen in ihrer ursprünglichen Kommunikationssituation einerseits, für die kein kulturell vorgegebener Vorlesekontext postuliert werden kann, und der anvisierten Rezeptionsweise pseudepigrapher Briefe und von Briefen in Brief‐ sammlungen andererseits. Eine quantifizierende Entscheidung darüber, ob bei der individuell-direkten Lektüre im frühen Christentum primär vokalisierend, subvokalisierend oder nicht-vokalisierend gelesen worden ist, erscheint ange‐ sichts des Quellenbefundes nicht möglich. Die Untersuchung der Lesetermino‐ logie, und des Zusammenhangs zwischen Materialität und Lesepraktiken, hat jedoch deutlich gezeigt, dass eine Verbreitung nicht-vokalisierender Lektüre auch im frühen Christentum durchaus wahrscheinlich ist. Die in dieser Studie gewonnenen Einsichten haben eine Reihe von methodo‐ logischen Implikationen für die Exegese, die im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich dargelegt werden können, sondern abschließend nur exemplarisch und summarisch anzureißen sind. Die Einsichten in die Vielfalt und prinzipiell mögliche Elaboriertheit antiker Lesepraktiken, die auch für das antike Judentum nachzuweisen waren, kann einen Beitrag dazu leisten, die rezeptive Arbeits‐ weise der Autoren (und Redaktoren) der neutestamentlichen Texte genauer zu konturieren. Die Ergebnisse dieser Studie haben etwa Implikationen für die kontrovers diskutierte Frage nach Schriftzitaten in den Paulusbriefen und zwar insofern, als sie eher für die Positionen sprechen, die davon ausgehen, dass Paulus (bzw. die Verfasser der Deuteropaulinen) für die Zitation Schriftmedien konsultierte. Modelle, die Zitation vor dem Hintergrund weitgehend textge‐ nauer Erinnerung erklären, und deren Erklärungswert für Abweichungen der Schriftzitate vom überlieferten griechischen Text, werden hingegen fraglicher. 1 Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass sich eine synagogale Lesepraxis als Hauptbezugsquelle für die gesamte paulinische Schriftrezeption nur schwer 486 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 2 Vgl. die berühmte Einschätzung bei D I B E L I U S , Formgeschichte, 2. Weiterführend zur for‐ schungsgeschichtlichen Relativierung dieser Perspektive der älteren Formgeschichte vgl. z. B. M A Y O R D O M O -M A R I N , Anfang, 172-174; S C H N E L L E , Einleitung. 3 Vgl. u. a. B A U C K H A M , Written (1998); B A U C K H A M , Written (1999); E S L E R , Community; B A U C K H A M , Response; M I T C H E L L , Counter-Evidence; S I M , Gospels; S P R O S T O N N O R T H , John; K L I N K III, Sheep; B A U C K H A M , Counter-Evidence, sowie die anderen Beiträge in K L I N K III, Audience; C O O P E R , Servanthood, 51-54; außerdem die Übersicht über die Debatte bei S M I T H , Relationship, 1-10, der auf Grundlage formgeschichtlicher Erwägungen die These entwickelt, dass sich die Evangelien an einen breiten und vielgestaltigen Adressatenkreis richteten. Vgl. außerdem M É N D E Z , Community. nachweisen lässt, sondern insbesondere vor dem Hintergrund der erschlossenen Quellen, die auf schriftmedienbasierte Praxis des Auswendiglernens hindeuten und welche die kognitiven Anforderungen textgenauen Auswendiglernens sowie die Schwierigkeiten thematisieren, rein auditiv Rezeptiertes zu memo‐ rieren. Die Autoren der Erzähltexte können demgegenüber in Bezug auf deren „Quellen“ noch stärker als kompetente Leser verstanden werden; die Vorbehalte in der Forschung gegenüber dem Bild der älteren Formgeschichte, die Evange‐ lienverfasser als reine Tradenten und Sammler zu verstehen, 2 werden bestätigt und verstärkt. Daher ist auch der Quellenbegriff in Anführungszeichen gesetzt, da die mit dem Begriff bezeichneten Prätexte aus einer leseorientierten Perspek‐ tive Texte sind, welche die Verfasser vor der Konzeption ihrer eigenen Werke gelesen und kognitiv verarbeitet und dann später literarisch weiterverarbeitet haben. (Im Hinblick auf die konkrete Arbeitsweise ist dabei in Analogie zu anderen kompetent lesenden Autoren in der Antike davon auszugehen, dass Lesefrüchte durchaus auch in Form von Exzerpten festgehalten worden sind.) Mit der Infragestellung eines eindeutigen Zusammenhangs zwischen der Abfassung der neutestamentlichen Texte auf der einen Seite und kollektiver Leseanlässe in der Synagoge bzw. im Rahmen eines vermeintlichen „Wortgot‐ tesdienstes“ oder auch des frühchristlichen Gemeinschaftsmahls als primärem Ort der Rezeption von literarischen Texten auf der anderen Seite steht zudem die zentrale Annahme in Frage, dass die Evangelien (bzw. pseudepigraphe Briefe) spezifische Gemeinden adressierten. Die Ergebnisse der Arbeit korrespondieren mit der in jüngerer Zeit kontrovers diskutierten These, die Verfasser der Evan‐ gelien hätten ihre Textes nicht für spezifische Gemeinden verfasst, sondern für ein breiteres christliches Lesepublikum. 3 Die Konsequenz daraus wäre allerdings nicht, jedweden Bezug der Verfasser der neutestamentlichen Erzähltexte zu Gemeinden zu negieren, sondern vielmehr die methodische Einsicht einer stärkeren Differenziertheit in der Beschreibung der Relation zwischen dem einzelnen Verfasser und seinem sozialen und theologiegeschichtlichen Kontext. Unterschiede in der Theologie, der sich in den Texten spiegelnden sozialen 487 9.1 Zusammenfassender Rückblick und methodologische Implikationen für die Exegese 4 So exempl. für viele S C H N E L L E , Einleitung, 198; M I T C H E L L , Emergence, 12, verweist mit „concrete ecclesiastical contexts“ auf etwas größer vorzustellende Kontexte als eine einzelne „Hausgemeinde“. 5 Weiterführend zum Problem S M I T H , Relationship, 132-169, s. insb. 146. 6 Vgl. G E R B E R , Erfundene Briefe, 317. 7 Ansatzweise in diese Richtung gehen die Überlegungen von B E C K E R , Activity, 89 f, wobei diese dann nicht konsquent fortgeführt werden. Denn wenn man konkret von einer Rückwirkung (the recitatio „‚retroacts‘ [on] the process of producing literature“ [89]) auf den Produktionsprozess von Literatur ausgeht, muss man eigentlich sagen, dass eine - völlig hypothetische - recitatio, also die Rückmeldung des Publikums, und zeitgeschichtlichen Situation usw. implizieren nicht notwendigerweise, dass die jeweiligen Evangelien für einen spezifischen gemeindlichen Kontext geschrieben sind. 4 Vielmehr kann dies auch einfach ein Ausdruck dafür sein, dass sie aus einer spezifischen Perspektive schreiben. Die Frage nach den intendierten Adressaten ist damit noch nicht bestimmt. 5 Deren Beantwortung hängt zu einem großen Teil davon ab, wie die Publikation der Evangelien im engeren Sinne und die Kommunikations-, Austausch-, und Mobilitätsstrukturen im frühen Christentum in einem weiteren Sinne sozialgeschichtlich modelliert werden. Aus der Perspektive der Ergebnisse dieser Studie kann aber durchaus die Möglichkeit einer Adressierung einzelner neutestamentlicher Schriften und Schriftensammlungen an ein „buntes“ Lesepublikum angenommen, also von einer Pluralität und Diversität von Modelllesern, 6 ausgegangen werden. Angesichts der skizzierten sozialökonomischen Bedingungen des antiken Buch‐ marktes, der Entstehung eines größeren anonymen Lesepublikums in der frühen Kaiserzeit und der Tatsache, dass das hellenistische Judentum keinesfalls nur Literatur für auf lokale Räume beschränkte Gruppen produziert hat, ist es plau‐ sibel anzunehmen, dass das frühe Christentum an der hellenistisch-römischen Buch- und Lesekultur partizipierte. D. h. gerade Briefsammlungen und narrative Texte können gut über die antiken Buchhandelsstrukturen verbreitet worden sein. Sollte das in den Quellen der kaiserzeitlichen griechisch-römischen Welt sichtbare Modell der Unterscheidung von recitatio (das Vorlesen eines noch un‐ fertigen Textes in einem begrenzten und sozial bekannten Rahmen) und eigentli‐ cher Publikation (5) auf das frühe Christentum anwendbar sein, wäre Folgendes zumindest hypothetisch denkbar: Die Verfasser der Evangelien könnten Vorfas‐ sungen ihrer Texte (oder Teile davon) in gemeindlichen Kontexten vorgelesen und möglicherweise aus dem Gespräch über den Text erwachsende Impulse in ihren Schaffensprozess integriert haben. Dabei handelt es sich dann aber nicht um das eigentliche Zielpublikum und nicht um die eigentliche Endfassung der überlieferten Texte. 7 Insofern sind auch die methodischen Hürden hoch, auf der 488 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum auf den Entstehungsprozess des MkEv eingewirkt hat, wobei es sich dann aber beim überlieferten Text nicht mehr um den rezitierten Text handelt. Beckers Argumentation ist diesbezüglich allerdings insofern unscharf, als sie annimmt, die Rückwirkung (retroacting) auf den Prozess der literary production würde über das literarische Genre gesteuert, und damit ein abstrakteres Kommunikationsverhältnis zwischen Autor und Publikum einführt (vgl. B E C K E R , Activity, 89 f). Dies entspricht dann aber nicht mehr der in den Quellen sichtbaren Kommunikationssituation einer recitatio, die an einem konkreten historischen Ort unter Anwesenheit des Autors stattfand (s. o. 5), 8 Die Methodenlehre von W. Egger, in der die sog. „synchronen“ Methoden eine bisher nicht dagewesene Stellung einnehmen, ist erstmals 1987 und 2011 in mittlerweile sechster Auflage erschienen (E G G E R / W I C K , Methodenlehre). Zwar sind synchrone und diachrone Ansätze „in der neutestamentlichen Exegese nach wie vor nur unzureichend miteinander verknüpft“ (F R E Y , Herrlichkeit, 36, der zu Recht darauf hinweist, dass eine radikale Synchronie mit dem Verzicht auf historische Rückfragen der Textentstehung eine unzulässige Reduktion darstellt) bzw. ist das Verständnis linguistischer und literaturwissenschaftlicher Methoden als rein synchron orientiert problematisch (s. weiterführend F I N N E R N , Narratologie). Linguistische und narratologische Methoden und Theorien sind aber in der Exegese meiner Wahrnehmung nach mittlerweile fest etabliert. Insofern ist das Adjektiv „neu“ nur noch in Klammern zu setzen. Grundlage dieser Analogie diachrone bzw. redaktionskritische Hypothesen zu formulieren. Die Ergebnisse dieser Studie haben zudem Implikationen für die Anwend‐ barkeit (neuerer) literaturwissenschaftlicher und linguistischer Zugänge zu den neutestamentlichen Texten. 8 Ansätze wie z. B. die Rezeptionsästhetik, narrato‐ logische Analysen oder auch linguistisch ausgerichtete close reading approaches sind zwar nicht deckungsgleich mit den Rezeptionshaltungen der anvisierten und tatsächlichen Rezipienten der neutestamentlichen Texte in der frühen Kaiserzeit - einen solchen Anspruch haben diese Methoden auch in Bezug auf moderne Texte nicht. Angesichts der Einsichten erscheinen diese Ansätze vor dem Hintergrund der durchaus elaborierten Lesepraktiken von Menschen in der Antike aber weniger anachronistisch als vor dem Hintergrund des Paradigmas der Dominanz des Vorlesens in Gruppen. Insbesondere die Anwendung der Ka‐ tegorie des Lesers bzw. des Modelllesers lässt sich in Anbetracht der Ergebnisse der vorliegenden Studie auch historisch rechtfertigen. Nach diesen summarischen Ausführungen sind im Folgenden einige weitere Aspekte im Rahmen eines Ausblicks auf Lesepraktiken in der alten Kirche zu besprechen, wobei weitere methodologische Implikationen - auch im Hinblick auf die Paulusbriefe, die in den summarischen Ausführungen bisher nur gestreift worden sind - zu thematisieren. Dabei ist auf die Vorläufigkeit der folgenden Ausführungen hinzuweisen, die sich an ausführlichen Untersuchungen am Quellenmaterial bewähren müssten. 489 9.1 Zusammenfassender Rückblick und methodologische Implikationen für die Exegese 9 C A R R , Schrift, 13. 10 C A R R , Schrift, 12, verweist zwar darauf, dass mit dem Hellenismus eine „Epoche brei‐ terer Bildung und einer größeren Verbreitung des stillen Lesens“ anbricht, verknüpft allerdings trotzdem viel zu eng die scriptio continua mit der These einer primär durch den Faktor „Mündlichkeit“ geprägten griechischen Kultur. S. auch schon C A R R , Writing, 177-199. 11 So betont etwa Vitr. 7 praef. 1 f ganz eindeutig die Funktion von schriftlichen Texten, die in Büchern immer wieder publiziert werden, zur Aneignung von Tradition, die ohne schriftliche Aufzeichnungen verloren gegangen wäre: Maiores cum sapienter tum etiam utiliter instituerunt, per commentariorum relationes cogitata tradere posteris, ut ea non interirent, sed singulis aetatibus crescentia voluminibus edita gradatim pervenirent vetustatibus ad summam doctrinarum subtilitatem. 9.2 Zum Stellenwert des Lesens im frühen Christentum: Mündlichkeit und Skeptizismus gegenüber dem geschriebenen Wort? Welchen Stellenwert hatte das Lesen im frühen Christentum? Insbesondere aus der Perspektive der in der Einleitung problematisierten Forschungsrichtung, die den „oralen“ Charakter, die Rolle der „mündlichen“ Performanz im frühen Christentum und den vermeintlich geringen Literalitätsgrad betont, wäre dem Lesen nur ein sehr geringer Stellenwert im frühen Christentum zuzuschreiben. Dies ist exemplarisch anhand einer Schlussfolgerung von D. M. Carr zu disku‐ tieren, die er aufgrund der vermeintlichen Schwierigkeiten beim Lesen von Texten, geschrieben in scriptio continua, und wegen der Annahme des insgesamt geringen Bildungsniveaus zieht; und zwar dass „die meisten Manuskripte im griechischen Raum nicht dazu geeignet [waren], mit einer unbekannten schriftlichen Tradition vertraut zu machen. Vielmehr dienten sie als fixe Orientierungspunkte innerhalb eines ununterbrochenen Prozesses münd‐ licher Rezitation. […] [D]ie meisten [scil. Leser] […] mussten mit der Tradition bereits vertraut sein, um das in hohem Maße leserunfreundliche Manuskript dennoch flüssig ‚lesen‘ zu können.“ 9 Es mag für die altorientalischen Kulturen zutreffen, dass die Kenntnis von Tradition wichtig war für die Rezeption von Texten. Für die hier betrachtete griechisch-römische Kultur trifft diese Schlussfolgerung spätestens seit der Zeit des Hellenismus 10 jedoch definitiv nicht zu und steht im Widerspruch zur Reflexion der Funktion schriftlicher Texte in den Quellen. 11 So widersprechen nicht nur die kognitionspsychologisch orientierten Ausführungen zum Lesen von Texten in scriptio continua (4) Carrs These, sondern auch die Vorbehalte gegenüber einer zu geringen Schätzung der Lesefähigkeit, die insbesondere für 490 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 12 Vgl. zur neueren Diskussion z. B. S C H R ÖT E R , Jesus, 9-103; J A C O B I , Jesusüberlieferung, 2- 46; s. aber insb. auch die kulturwissenschaftlich-gedächtnistheoretischen Reflexionen zur Bedeutung von Gattungen und Formen als dynamische und in soziale Kontexte eingebettete Erinnerungsmedien Z I M M E R M A N N , Formen; Z I M M E R M A N N , Memory; H U E ‐ B E N T H A L , Markusevangelium. 13 Vgl. zum möglicherweise sekundären Charakter der Überlieferung S T E V E N S , Eusebius. 14 Euseb zitiert Papias an dieser Stelle, um Irenäus zu korrigieren, der behauptet, Papias sei ein Hörer des Johannes gewesen (Eus. h. e. 3,39,1). Die zitierte Stelle zeige demgegen‐ über laut Euseb, dass er lediglich solche gehört habe, die den Aposteln nahegestanden hätten (Eus h. e. 3,39,2). 15 Die Übersetzung von συγκατατάσσω mit „einflechten“ stammt von K Ö R T N E R , Papias, 57. die Städte vermutlich höher anzusetzen ist (1.3.3). Vielmehr zeigt der Befund insgesamt eindeutig, dass auch Briefe, dokumentarische Papyri, Inschriften - alles Texte, die definitiv ohne eine Tradition auskommen - in scriptio continua geschrieben und in nicht performativer Form (vermutlich häufig nicht-vokali‐ sierend) sowie mit einer gewissen Geschwindigkeit rezipiert werden konnten. Die Überlegungen in den nachfolgenden beiden Unterkapiteln sollten nicht so verstanden werden, als könne man überhaupt nicht mit der Möglichkeit mündlicher Überlieferung und erinnerten Traditionen rechnen. 12 Sehr wohl werden aber die Gefahren einer einseitigen Überbetonung des Phänomens für die Entstehung der neutestamentlichen Texte und damit einmal mehr die Grenzen der methodisch kontrollierbaren Rekonstruktion mündlicher Überlie‐ ferung bzw. erinnerten Traditionen deutlich. Doch finden sich in den Quellen der frühen Kirche nicht normative Wertvor‐ stellungen, die durch Skepsis und Misstrauen gegenüber dem geschriebenen Wort gekennzeichnet sind? Abgeleitet wird dieser Skeptizismus gegenüber dem geschriebenen Wort maßgeblich aus einer bei Euseb überlieferten 13 Aussage von Papias, der die „lebendige Stimme“ Büchern vorziehe. Der Gehalt dieser Aussage, die Papias laut Euseb in seinem Vorwort zu seiner fünfbändigen Schrift „Erklärung der Herrenworte“ macht (Eus. h. e. 3,39,1 f), 14 ist nun im Folgenden auch im Rahmen anderer Aussagen antiker Autoren, die ebenfalls in diese Richtung zu deuten wären, näher zu betrachten. „Ich werde mich nicht scheuen, für dich auch dasjenige, was ich von den Ältesten gut gelernt und gut im Gedächtnis behalten habe, in die ἑρμηνεῖαι einzuflechten, 15 wobei ich mich für dessen Wahrheit verbürge (οὐκ ὀκνήσω δέ σοι καὶ ὅσα ποτὲ παρὰ τῶν πρεσβυτέρων καλῶς ἔμαθον καὶ καλῶς ἐμνημόνευσα, συγκατατάξαι ταῖς ἑρμηνείαις, διαβεβαιούμενος ὑπὲρ αὐτῶν ἀλήθειαν). […] Kam einer, der den Presbytern gefolgt war, dann erkundigte ich mich nach den Lehren der Ältesten und fragte (τοὺς τῶν πρεσβυτέρων ἀνέκρινον λόγους): ‚Was sagte Andreas, was Petrus, was Philippus, was Thomas oder Jakobus, was Johannes oder Matthäus oder irgendein anderer von den 491 9.2 Zum Stellenwert des Lesens im frühen Christentum 16 Die folgenden Überlegungen gelten ähnlich für Clem. Al. strom. 1,1,11. Aus dieser Stelle kann kein Vorurteil gegenüber dem geschriebenen Wort und auch keine Bevorzugung des gesprochenen Wortes als Kommunikationsmedium der christlichen Wahrheit her‐ ausgelesen werden (gegen O S B O R N , Teaching; A L E X A N D E R , Voice), da es sich hier v. a. um eine gleichsam apologetische Legitimationsstrategie der eigenen Ausbildung handelt, die durch ein rhetorisches understatement geprägt ist. Reflektiert wird hier vielmehr die Lebendigkeit des gesprochenen Lehrvortrags im Vergleich zur vergleichsweisen „Trockenheit“ des geschriebenen Wortes, und zwar in rhetorischer Hinsicht, nicht in qualitativ-ontologischer. 17 Vgl. L Ö H R , Beobachtungen, 238. 18 S. dazu weiterführend die ausführliche Behandlung des Problems mit der Diskussion der entsprechenden Forschungspositionen bei W I T T K O W S K Y , Heiden, 169-176; hilfreich sind insb. die tabellarischen Übersichten im Anhang, ebd., 194 f. 19 So z. B. K Ö R T N E R , Papias, 182-184. 20 So auch die Einschätzung bei B A U M , Papias (Lit.). 21 So auch W I T T K O W S K Y , Heiden, 166-195, der den legitimierenden Charakter richtig erkennt und aus der Formulierung οὐκ ὀκνήσω … συγκατατάξαι (Eus. h. e. 3,39,3) ableitet, „dass bereits zu seiner Zeit und seinem Milieu schriftliche Überlieferungen größeres Ansehen als die mündlichen erlangten, wobei die letzteren vielleicht sogar als ‚Gerüchte‘ herabgesetzt werden konnten“ (W I T T K O W S K Y , Heiden, 168). Jüngern des Herrn? Und was sagen Aristion und der Presbyter Johannes, die Jünger des Herrn? ‘ Denn ich glaube nämlich, daß die [Lehren] aus den Büchern mich nicht so sehr unterstützen wie die [Lehren] von einer lebendigen und gegenwärtigen Stimme. (οὐ γὰρ τὰ ἐκ τῶν βιβλίων τοσοῦτόν με ὠφελεῖν ὑπελάμβανον ὅσον τὰ παρὰ ζώσης φωνῆς καὶ μενούσης)“ (Eus. h. e. 3,39,3 f; Üb. W I T T K O W S K Y , Teil 1, H Ä U S E R , Teil 2; mod. JH). Gemäß der Pragmatik eines antiken Prooemiums besteht das argumentative Ziel der Ausführungen darin, den hohen Wert seiner eigenen Schrift hervorzu‐ heben, der darin besteht, dass sich Papias nicht nur auf schriftliche Quellen zurückbezieht, sondern auch Zugang zu solchen Personen hatte, die noch Kontakt zu den Aposteln gehabt hätten. 16 Möglicherweise hat Papias dabei sein eigenes, fünfbändiges Werk in Konkurrenz zu anderen Schriften verstanden und wollte die Überlegenheit seiner Schrift begründen. 17 Unabhängig von der genauen Referenz von ἑρμηνεῖαι, denen die Lehre der Ältesten (vgl. das Verb μανθάνω in Eus. h. e. 3,39,3! ) hinzugefügt werden sollen, 18 lässt sich aus der Stelle jedoch weder eine generelle Vorrangstellung der mündlichen Tradition 19 noch eine generell negative Einstellung oder sogar eine Skepsis gegenüber dem geschriebenen Wort ableiten. 20 Vielmehr dient der Verweis auf die living voice in diesem Zusammenhang der Legitimation des Selbstgeschriebenen. 21 Die Frage der Glaubwürdigkeit der Aussage von Papias ist angesichts des fragmentarischen Charakters nicht mehr zu beantworten. Eine gewisse Vorsicht ist angebracht angesichts der Beliebtheit von Verifizierungsstrategien in der 492 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 22 So bekanntermaßen in den späten kanonischen Schriften (insb. 2Petr) und vielfach in der apokryphen Literatur. 23 So formuliert H I L L , Papias, 624, Lightfoot zitierend: „‚The contrast‘ is not ‚between oral and written Gospels, but between oral and written aids to interpretation‘“, (Herv.en im Original). W I T T K O W S K Y , Heiden, 174-176, ist zwar in seiner Kritik rechtzugeben, dass ἑρμηνεῖαι hier nicht als written aids to interpretation zu verstehen sind, sondern als Verweis auf die als „Übersetzungen“ ins Griechische verstandenen schriftlichen Hin‐ terlassenschaften der apostolischen Schriften. Warum allerdings die Lehren der Apostel „mündliche Jesustradition“ sein müssen und nicht als Auslegung der schon bestehenden schriftlichen Jesus-Tradition verstanden werden können, bleibt bei Wittkowsky offen. Die Lehr-Terminologie (μανθάνω, τοὺς τῶν πρεσβυτέρων … λόγους) in der zitierten Passage spricht genauso wie das Motiv der „lebendigen Stimme“ (s. u.) jedenfalls für Hills Deutung. 24 Vgl. zur Verwendung von „schriftlichen Quellen“ durch Papias auch W I T T K O W S K Y , Heiden, 169-195. 25 Vgl. A L E X A N D E R , Voice. 26 Vgl. A L E X A N D E R , Voice, 224 f; A L E X A N D E R , Preface, 186. S. z. B. auch schon G E R H A R D S S O N , Memory, passim. frühchristlichen Literatur, den apostolischen Charakter der eigenen Schrift zu versichern, die hier noch durch das Konzept der generationenübergreifenden Weitergabe der Lehre ergänzt wird. Ab einem gewissen Zeitpunkt lässt sich der apostolische Charakter nur noch durch literarische Fiktion erzeugen. 22 Zudem ist es auch nicht eindeutig, ob es sich um „mündliche Tradition“, also Jesusüberlieferung handelt, wie die Stelle meist verstanden wird, oder ob es sich bei dem, was Papias gelernt hat, nicht vielmehr auch schon selbst um mündliche Auslegungs-Lehre gehandelt hat. 23 Noch weniger kann man dann weiter schlussfolgern, dass es im frühen Chris‐ tentum Vorbehalte gegenüber dem schriftmediengestützten Lernen gegeben habe, Lesen also einen geringen Stellenwert gehabt hätte. Die Stelle zeigt ganz im Gegenteil, dass Papias Aussage einem buchgebundenen Diskurs einzuordnen ist. Nicht nur schreibt er selbst ein fünfbändiges Werk, seine Formulierung ἐκ τῶν βιβλίων impliziert die Existenz eines schriftgebundenen Diskurses, der wiederum Lektüre im frühen Christentum voraussetzt. Außerdem zeigt die Formulierung, dass Papias selbst andere Texte in Vorbereitung auf die Abfassung seiner Schrift individuell-direkt rezipiert hat. 24 Zudem lässt sich das Konzept eines generellen Misstrauens gegenüber dem geschriebenen Wort - anders als L. Alexander meint 25 - durch andere zeitgenössische Quellen gerade nicht verifizieren. L. Alexanders Hauptargument für eine generelle Skepsis gegenüber dem Lernen aus Büchern in der Antike ist ein Sprichwort unter Handwerkern, das Galen überliefert und ihres Erachtens die engste Parallele zu der Aussage von Papias darstellt. 26 Und zwar schreibt Galen am Beginn des sechsten Buches seiner Schrift De compositione 493 9.2 Zum Stellenwert des Lesens im frühen Christentum 27 Die folgenden Ausführungen gelten analog für ähnliche Aussagen Galens an anderer Stelle (Gal. lib. prop. ed. K Ü H N 14, p. 33; SMT 11,769 f [ed. K Ü H N ]; AA 2,220 [ed. K Ü H N ]) und auch für die weiteren Quellen, die A L E X A N D E R , Voice, 228 f, angibt. 28 Vgl. auch schon Xen. hipp. 9,1. Hier wird betont, dass die Mehrfachlektüre des Fachbuchs nicht ausreicht, sondern um die Praxis ergänzt werden muss. Vgl. z. St. W I L M S , Techne, 164 f. 29 Vgl. analog die Gegenüberstellung des Lernens aus Büchern und der Praxis bei Sall. Iug. 85; Colum. 1,1,15-17. 30 Der Vf. kann nicht erkennen, inwiefern Ciceros Aussage den allgemein anerkannten Vorzug der viva vox voraussetze. Gegen K A R P P , Viva, Vox, 193. medicamentorum secundum locos: „Ganz gewiss ist das Sprichwort wahr, das von den meisten Handwerkern vertreten wird, dass das Lernen von einer lebendigen Stimme weder gleich noch vergleichbar sei zum Lernen vom Lesen in Schriften“ (Ἀληθὴς μὲν ἀμέλει καὶ ὁ λεγόμενος ὑπὸ τῶν πλείστων τεχνιτῶν ἐστι λόγος, ὡς οὐκ ἴσον οὐδ’ ὅμοιον εἴη παρὰ ζώσης φωνῆς μαθεῖν ἢ ἐκ συγγράμματος ἀναλέξασθαι; Gal. comp. med. loc. 6 praef., K ÜH N 12,894). 27 In diesem Sprichwort hat sich die (vermutlich überzeitlich gültige) Erfahrung von Handwerkern (τεχνίτης) kondensiert, dass sich handwerkliche Fertigkeiten nur in der Praxis und unter der Instruktion der „lebendigen Stimme“ eines Meister des Faches lernen lassen und theoretisches Wissen aus Büchern nur wenig für das praktische Arbeiten austrägt. 28 Das Sprichwort steht also in einem ganz spezifischen sozialen und kulturellen Erfahrungskontext. Es lässt sich weder als Beleg für generelle Skepsis des Lernens mit Büchern in der Antike anführen noch bezieht es sich auf mündlich überlieferte Jesusworte. Ferner impliziert die Stelle auch, dass in der Antike Bücher zum Erlernen von Handwerken durchaus zugänglich waren und es eine Art „Markt“ für Fachbücher gegeben haben muss. Galen selbst konzediert direkt im Anschluss an die zitierte Stelle, dass er den Großteil seines medizinischen Wissens aus Büchern hat. Dass Galen dieses Sprichwort hier zitiert, hat seinen einfachen Grund darin, dass auch das medizinische Handeln auf die praktische Ausbildung angewiesen ist und nicht allein aus Büchern erlernt werden kann. 29 Als enge Parallele zur oben diskutierten Aussage von Papias, dem es ja nicht um praktisches Arbeiten, sondern um die Glaubwürdigkeit seiner Quellen geht, fällt das Sprichwort aus. Überhaupt ist das Motiv der „lebendigen Stimme“, wie nicht nur die Unterschiede zwischen Galen und Papias zeigen, kein einheitliches Konzept. So verwendet es z. B. Quintilian noch einmal ganz anders als Galen für das freie Sprechen im Rahmen von rhetorischen Bildungsprozessen in Abgrenzung von der Wiedergabe von Stellen aus der Lektüre (vgl. Quint. inst. or. 2,2,8). Siehe darüber hinaus die Skepsis gegenüber der „lebendigen Stimme“ (ubi sunt qui aiunt ζώσης φωνῆς? ) und die Bevorzugung des Geschriebenen bei Cic. Att. 2,12,2. 30 494 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 31 Vgl. z. B. K E L B E R , History, 413 f; K E L B E R , Work, insb. 463, im Anschluss an E I S E N S T E I N , Printing Press; O N G , Orality, u. a. Aus diesen Überlegungen lässt sich der Stellenwert des Lesens zwar nicht in positiver Hinsicht beweisen, sie zeigen aber eindeutig, dass eine normative Abwer‐ tung des Geschriebenen in negativer Hinsicht nicht aus den Quellen ableitbar ist. Positive Aussagen über die rein mündliche Lehre und eine Vielzahl von Quellen, die mündliche Lehr-/ Lernkontexte im frühen Christentum belegen, sollten nicht zu dem „Umkehrkurzschluss“ eines geringen Stellenwertes des Lesens führen. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie sollte auf eine alternative Diskussion von rein mündlicher Lehre und der Kommunikation durch Schriftmedien, die für das Lesen bestimmt sind, verzichtet werden. Es handelt sich um zwei unterschied‐ liche Konzepte, denen auch im frühen Christentum in unterschiedlichen sozialen Kontexten unterschiedliche Funktionen zukamen. Die Bedeutung des Lesens im frühen Christentum lässt sich allerdings auch positiv belegen: So ist das Konzept „Lesen“ nicht monosituativ (gemein‐ schaftliche Lektüre im Gottesdienst), sondern vielfältig zu denken, wie nicht nur aus der Untersuchung oben deutlich wurde, sondern, wie man auch an den Quellen aus patristischen Zeugnissen ablesen kann, die unten noch zu besprechend sein werden. Für einen großen Stellenwert des Phänomens „Lesen“ im frühen Christentum sprechen die Überlegungen zum hohen Stellenwert des Lesens in der griechisch-römischen Antike insgesamt, der sich in einer äußerst großen Vielfalt und Belegdichte von Lesetermini und Leseszene bzw. metaphorischen und metonymischen Konzepten zur Beschreibung insb. von individuell-direkten Lesepraktiken positiv abbildet. Zahlreiche dieser Konzepte finden sich auch in den besprochenen Texten aus dem frühen Judentum und frühen Christentum sowie in der Alten Kirche. Sodann sind eindeutige Belege zum individuell-direkten Lesen in den neutestamentlichen Texten zu finden (s. neben den Belegen unter 8.1 insb. Mk 13,14; Joh 5,39; Act 8; Apc 1,3 in der Singularlesart). Aus dieser Perspektive ist dann auch das v. a. von W. H. Kelber stark gemachte Paradigma einer typographischen Gefangenschaft (typographic captivity) der histo‐ risch-kritischen Forschung, 31 das zur Legitimierung einer einseitigen Fokussierung auf die „orale“ Kultur der Antike und des frühen Christentums (s. dazu o. schon die Ausführungen unter 1.3.5) postuliert wird, in Frage zu stellen. Es sind eben nicht nur die aus der Antike überlieferten textlichen Zeugnissen, die das Postulat einer gleichsam universellen Dominanz der Mündlichkeit antiker Gesellschaften fragwürdig erscheinen lassen - v. a. die zahllosen Inschriften, aber auch die vielen dokumentarischen und literarischen Papyri, die eine in vielerlei Hinsicht 495 9.2 Zum Stellenwert des Lesens im frühen Christentum 32 Vgl. zum Terminus die zahlreichen Publikationen, die im Rahmen des Heidelberger SFB 933 „Materiale Textulturen“ entstehen; s. insb. M E Y E R / M E I E R , Typographisch/ non-typogra‐ phisch. konventionalisierte Handschriftenkultur zeigen und nur einen Bruchteil der in der Antike geschriebenen Texte repräsentieren. Der mediengestützte Umgang mit Texten war in Antike und frühem Christentum nicht nur eine Marginalie bzw. ein Appendix des vermeintlich ubiquitären Mediums „Mündlichkeit“. Dies verdeutlichen die in dieser Studie herausgearbeitete Vielfalt und große Anzahl an Belegstellen von Lesetermini, die Belege für antike Publikationspraktiken und regional übergreifende Lesepublika sowie die Stellen, an denen in antiken (v. a. literarischen) Texten die anvisierte Rezeptionsweise selbstreferenziell thematisiert wird, und die in den Quellen belegte Pluralität von Lesepraktiken. Die mit dem Buchdruck einhergehenden Veränderungen für die Lesekultur sind zwar nicht zu negieren, das Postulat einer absoluten Zäsur durch den Buchdruck und damit das Postulat der absoluten Devianz der Lesekulturen des Druckzeitalters und aller vorhergehenden non-typographischen Gesellschaften, 32 lässt sich jedoch zumindest für die griechisch-römische Welt des antiken Mittelmeerraums nicht halten. Lesen war auch in der Antike ein komplexes und durchaus verbreitetes (s. dazu die Ausführungen unter 1.3.3) Phänomen mit seiner ganz eigenen Rationalität und Relationalität zu den bezeugten Schriftmedien. Und dies gilt, wie auch die bespro‐ chenen und unten noch zu besprechenden Zeugnisse aus dem neutestamentlichen und andere frühjüdische und frühchristliche Texten zeigen, eben auch für das frühe Christentum. 9.3 Lesen im Kontext der Komposition sowie der Abschreibepraxis neutestamentlicher Texte Ein ganz spezifischer Kontext im frühen Christentum und in der frühen Kirche, in dem Lesen eine wichtige Rolle spielte und in dem neutestamentliche Texte eindeutig (diese Schlussfolgerung ist banal und unumstritten) außerhalb gottes‐ dienstlicher Vollzüge gelesen worden sind, ist der Prozess erstens der Komposi‐ tion der Erzähltexte sowie zweitens des späteren Abschreibens/ Vervielfältigens derselben. Lesen im Kontext der Komposition neutestamentlicher Texte Der Aspekt Lesen im Kontext der Komposition neutestamentlicher Texte betrifft v. a. das Synoptische Problem und das Verhältnis von Johannes zu den Synop‐ tikern, aber auch andere „Quellenfragen“ wie etwa die Frage nach der Kenntnis 496 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 33 Vgl. dazu L Ü K E , Kohärenz, passim (Lit.). 34 Vgl. exempl. S H I N E R , Technology (Lit.); s. auch E L D E R , Media, und die Belege in Anm. 72, S. 35. 35 Vgl. z. B. Demosth. or. 19,70; Plin. ep. 3,5,14; 9,36,2; Sen. ep. 40,10; Suet. Tit. 3,2; 6. Belegt ist außerdem, dass Galen, Origenes, Hieronymus, Augustinus und Ambrosius Texte diktiert haben. Vgl. D O R A N D I , Autographie, 77, mit den entsprechenden Quellen‐ verweisen. 36 Vgl. z. B. S M A L L , Wax Tablets. 181 f; S H I N E R , Orality, 154; übernommen z. B. von A S K I N , Scribal Culture, 72. 37 Vgl. z. St. weiterführend L E F È V R E , Römertum, 242 f. der Paulusbriefe durch den Verfasser der Apostelgeschichte 33 bzw. durch die Verfasser der katholischen Briefe. Im Rahmen dieser Studie kann es freilich nicht darum gehen, die Frage, ob die jeweiligen Verfasser jeweils schriftliche Quellen verwendet haben bzw. ob sie die zur Diskussion stehenden Texte „kannten“. Die Ergebnisse dieser Studie leisten vielmehr einen grundsätzlichen Beitrag zu den Möglichkeiten des rezeptiven Umgangs und der Weiterverarbeitung von schriftlichen Quellen. Die große Bedeutung von „Mündlichkeit“ (womit unterschwellig eine Ab‐ wertung des Lesens im Rahmen der Komposition neutestamentlicher Texte impliziert ist) wird zuweilen daran festgemacht, dass für antike Autoren bezeugt ist, dass sie ihre Texte diktiert haben. Dies ist dann z. T. implizit, z. T. explizit mit der These verknüpft, dass diese Autoren ihre Texte gleichsam im Kopf und ohne schriftliche Hilfsmittel vorformuliert haben und „mündliche Tradition“ über diesen Weg Eingang in die Texte fand. 34 Und in der Tat gibt es zahlreiche Quellen, die diktierende Autoren zeigen, 35 die Quellen zeigen aber auch, dass das Vorformulieren im Gedächtnis gerade nicht die Regel war und vom Modell des schriftlichen Komponierens konzeptionell dominiert wurde. Als Kardinalstellen für die These des memorialen Vorkomponierens und anschlie‐ ßenden Diktierens gelten v. a. Plin. ep. 9,36,2 u. Quint. inst. or. 10,6,1 f. 36 Plinius schreibt in seinem Brief an Fuscus, er würde morgens nach dem Aufstehen im Sommer in Tuscien die Fenster geschlossen halten, damit er nicht vom Licht abgelenkt würde. In der Dunkelheit und Stille formuliert er Texte vor seinem geistigen Auge vor (kein Wort zur vokalisierenden Realisierung! ). „Ich überdenke, was ich gerade in Arbeit habe, überdenke es, als ob ich es Wort für Wort niederschriebe und verbesserte (cogito ad verbum scribenti emendantique similis), bald weniger, bald mehr, je nachdem wie leicht oder schwer es sich ausarbeiten oder beibehalten läßt. Dann rufe ich meinen Sekretär, lasse das Tageslicht ein und diktiere ihm, was ich entworfen habe“ (Plin. ep. 9,36,2; Üb. K A S T E N ). 37 Die Formulierung ad verbum scribenti emendantique similis verweist eindeutig auf das Konzept schriftlicher Kompositionspraxis, die Plinius hier 497 9.3 9.3 Lesen im Kontext der Komposition sowie der Abschreibepraxis 38 B U S S A N I C H , Relation, 4. 39 Gegen S M A L L , Wax Tablets, 182, der diese Stelle für das Gegenteil anführt. 40 Schon bei Xenophon wird die Fähigkeit des wortwörtlichen Memorierens eines Textes als herauszuhebende Fähigkeit dargestellt. Vgl. Xen. oik. 8,14. 41 S H I N E R , Orality, 154; ähnlich auch S M A L L , Wax Tablets, 182. zur Beschreibung des Sonderfalls für seinen Adressaten heranzieht. Auch an der angegebenen Stelle bei Quintillian, an der im Übrigen nicht das Diktieren, sondern das Schreiben mit eigener Hand als Fixierung der memorialen Vorkomposition genannt ist, wird deutlich, dass das memoriale Vorkomponieren (cogitatio) von Reden sich zum Arbeiten in denjenigen Situationen eignet, in denen man nicht schreiben kann (nam scribere non ubique nec semper possumus; Quint. inst. or. 10,6,1 f). Wiederum wird hier also das schriftliche Komponieren als Konzept vorausgesetzt und dient als Beschreibungskategorie für das memoriale Vorkomponieren (vgl. Quint. inst. or. 10,6,1 f); zudem ist für Quintilian die Fähigkeit des memorialen Vorkomponierens eine Fähigkeit fortgeschrittener Redner, die auf der gründlichen Übung schriftgebun‐ denen Komponierens basiert und dann mit schrittweiser Progression im Umfang gelernt werden muss (Quint. inst. or. 10,6,2-4). Dies wird bestätigt durch Porphyrios’ Beschreibung der Arbeitsweise seines Lehrers Plotin bei der Abfassung von Texten: „In writing he did not form the letters with any regard to appearance or divide his syllables correctly, and he paid no attention to spelling. He was wholly concerned with thought; and, which surprised us all, he went on in this way right up to the end. He worked out his train of thoughts from beginning to end in his own mind, and then, when he wrote it down, since he had set it all in order in his own mind (ἐν τῇ ψυχῇ διέθηκεν), he wrote continuously as if he was copying from a book (ὡς ἀπὸ βιβλίου δοκεῖν μεταβάλλειν τὰ γραφόμενα)“ (Porph. vit. Plot. 8; Üb. B U S S A N I C H38 ). Porphyrios stellt dessen Konzentrationsfähigkeit und dessen Fähigkeit zum memorialen Vorkomponieren als besonders und ungewöhnlich heraus, wobei darauf hinzuweisen ist, dass Plotin seine Texte gerade eigenhändig aufgeschrieben und nicht diktiert hat. 39 Ferner sei auch auf eine Stelle bei Euseb hingewiesen, der die Fähigkeit des Zitierens der Schrift aus dem Kopf als eine besondere Fähigkeit herausstellt, 40 und das Einsehen von Handschriften zum Zitieren als Normalfall voraussetzt (vgl. Eus. mart. pal. 11,4). Eine generalisierende Aussage wie die folgende ist vor dem Hintergrund dieser Quellen in jedem Fall unhaltbar: „Most writing was done by dictation, and authors generally worked out their material in their memory before dictating it to a scribe.“ 41 498 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 42 Vgl. zur ambivalenten Überlieferungslage zur griechischen Tachygraphie B O G E , Tachy‐ graphie, ausführlich B O G E , Tironische Noten. Stenographen wurden v. a. dazu genutzt, mündliche Kommunikation und Reden zu protokollieren. Euseb verweist z. B. auf die Protokolle der Disputation des Bischofs Beryllos von Bostra mit Origenes (vgl. Eus. h. e. 6,33,3). Für Origenes selbst ist aber auch die Nutzung von Stenographen im Kontext der Abfassung seiner Schriften belegt (vgl. Eus. h. e. 6,23,1). 43 Belegt etwa bei Cic. ad Q. fr. 2,2,1: „Nicht die Geschäfte, die mich allerdings stark in Anspruch nehmen, sondern eine leichte Augenentzündung zwingt mich, diesen Brief zu diktieren und Dir nicht wie sonst eigenhändig zu schreiben.“ (Üb. K A S T E N ); Cic. ad Q. fr. 3,2,19: „Dies habe ich Tiro bei Tisch diktiert, damit Du Dich nicht etwa wunderst, daß es von anderer Hand ist! “ (Üb. K A S T E N ); vgl. auch Hor. ep. 2,1,111-113. Vgl. weiterührend gegen das von H A R R I S , Literacy, geprägte Bild einer weitgehend nicht-schreibenden römischen Elite M C D O N N E L L , Writing, 470-476. 44 Gegen S M A L L , Wax Tablets 141 ff; A S K I N , Ben Sira’s Bible, 14. 45 Die Beschreibung von Catulls Arbeitsweise (Catull. 68,31-36) kann man durchaus als „Schreibtischarbeit“ bezeichnen, wobei sich das Wort hier nicht auf den konkreten Ort, sondern den Charakter der Tätigkeit bezieht, also eine Form des Schreibens, bei dem Bücher konsultiert werden müssen. Cicero konsultiert beim Abfassen eines Briefes an Atticus mehrere von diesem an ihn geschickte Briefe aus der Rolle, in der er sie archiviert hat (s. o. Anm. 286, S. 175). Vgl. auch Sen. ep. 15,6, der Lucilius rät, sich nicht immer über sein Buch oder seine Schreibtafeln zu beugen (… inminere libro aut pugillaribus), und, um dem Geist eine Pause zu gönnen, mit dem Wagen herumzufahren, wo er mit seinen Studien (Lesen, Diktieren, Sprechen, Zuhören, aber eben nicht Schreiben) fortfahren könnte. Aus dem Befund in quantifizierender Weise abzuleiten, dass Poesie eher autographisch konzipiert wurde, beim Verfassen von Prosa in der Antike das Diktieren „geradezu vorherrschend gewesen“ (D O R A N D I , Autographie, 77; vgl. auch schon D O R A N D I , Autoren, 22) wäre, ist aus methodologischen Gründen problematisch. Ferner sei auch noch auf Aug. ep. 29 verwiesen, der zum Zitieren einer Exodusstelle in einem Kodex nachschlagen muss, weil er den Text gerade nicht auswendig weiß. Vgl. weiterführend zu Augustinus S C H I R N E R , Inspice. Vgl. außerdem Gal. san. tuend. ed. K Ü H N 6, p. 367. 46 S. dazu die eindrücklichen Belege Cic. Att. 2,2,2; fin. 3,7 (s. o. S. 177); das Ausbreiten von Schriften auf dem Boden findet sich möglicherweise in 2Kön 19,14 reflektiert. Bei den Diktierenden handelt es sich überwiegend um vielbeschäftigte Politiker und Mitglieder der Elite, die den Service eines Schreibers bzw. Stenographen 42 (no‐ tarius) in Anspruch nahmen (und die notwendigen finanziellen Ressourcen dafür haben mussten), vor allem um Briefe, Reden, Fachliteratur o. ä. zu diktieren und damit arbeitsökonomisch zu erstellen. Dass aber auch diese Autoren in der Antike nicht ausschließlich diktiert haben, 43 ist genauso wie „Schreibtischarbeit“ in den Quellen belegt. Ob sich Tische für Bibliotheken nachweisen lassen, ist diesbezüglich aus methodischen Gründen irrelevant, 44 da die Tätigkeit des parallelen Lesens mehrerer Rollen nicht zwingend auf einen Tisch angewiesen ist. 45 Vermutlich ist diese Arbeitsweise sogar mit ausgebreiteten Rollen auf dem Boden deutlich besser möglich gewesen. 46 499 9.3 9.3 Lesen im Kontext der Komposition sowie der Abschreibepraxis 47 Vgl. B A R K E R , Practices, der die Auffassungen etwa von D O W N I N G , Conventions, D O W ‐ N I N G , Disagreements; D E R R E N B A C K E R , Compositional Practices, kritisch diskutiert und anhand einiger Beispiele überzeugend widerlegt. S. auch schon P O I R I E R , Roll. 48 Vgl. z. B. S T A N L E Y , Paul, 273; A S K I N , Ben Sira’s Bible, 4, Anm. 7.24 f. 49 S. o. Anm. 7, S. 98; Anm. 73-76, S. 309. S. dazu auch S T A N L E Y , Paul, passim. 50 Analoges findet sich schon bei Isokr. 12,231 f. 51 Vgl. Quint. inst. or. 10,3,18-22. Vgl. ferner Plin. ep. 9,28,3; Plin. ep. 20,1-3 (gegenseitiges Lesen von Manuskripten). Vgl. die Belege bei D Z I A T Z K O , Untersuchungen, 166, Anm. 5; außerdem die Belege für Zweite Auflagen in der Antike bei E M O N D S , Zweite Auflage. Es ist hier aber deutlich darauf hinzuweisen, dass zwischen dem Diktat der Endfassung eines Textes und dem Prozess des vorbereitenden Lesens und der Komposition eines Textes deutlich unterschieden werden muss. Diesbezüglich finden sich in Teilen der Evangelienforschung Auffassungen, die angesichts der Ergebnisse dieser Studie kritisch zu hinterfragen sind. Die Diskussion um den Umgang mit Quellen der antiken Autoren und der Belegbarkeit von Mikro-Konflationen kann hier nicht geführt werden. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie sei aber darauf hingewiesen, dass folgende Voran‐ nahmen in Bezug auf die sozialgeschichtliche Praxis zu hinterfragen sind und damit neuere kritische Stimmen gegenüber einer eher primitiven Auffassung antiker kompositioneller Praktiken gestärkt werden. 47 1) Mikro-Konflationen seien nicht möglich gewesen, da Autoren nicht zugleich mehrere Quellen verarbeiten konnten. 2) Die Schwierigkeiten im Umgang mit Papyrusrollen ließen Neuanordnungen und Neukontextualisierungen (radical reordering/ re‐ verse contextualization) nicht zu. Dem ist entgegenzuhalten, dass insb. vergleichendes Lesen mehrerer Rollen sowie die (selektive) Konsultation von Rollen zu bestimmten Aspekten/ Fragen, also die Möglichkeit zur komplexen lesenden Vorbereitung und Begleitung des Kompositionsprozesses, explizit belegt ist und sich variantenreich in der Leseterminologie widerspiegelt. Dies ist anders lautenden Behauptungen in der Forschungsliteratur deutlich entgegenzuhalten. 48 Auch die These, antike Rollen hätten nur sequentielle Lektüre ermöglicht, muss zurückgewiesen werden. (s. dazu insg. o. 6.2) Zudem sind Exzerpieren und schriftlich konzeptualisierte redaktionelle Vorarbeit insb. auf Tafeln 49 genauso wie mehrfache redaktionelle Überarbeitungen von Texten vor der Publikation in den Quellen gut belegt. Eindrücklich bezeugt für Galen. So berichtet z. B. Plinius in ep. 9,40,2, dass er das von ihm Diktierte noch einmal durchgeht und verbessert (emendatio). 50 Quinti‐ lian kritisiert den Luxus des Diktats und sieht die Vorzüge der Autographie vor allem darin, dass dabei in Stille und Privatheit sorgfältig gedacht und redigiert werden kann. 51 500 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 52 Vgl. den Überblick über die Debatte bei S K E A T , Use, 3-15. 53 Vgl., basierend auf M I L N E / S K E A T , Scribes, 55-59. Vgl. auch S K E A T , Use, der bezüglich seiner Schlussfolgerungen bei fragmentarischen Hss. vorsichtig ist. Vgl. außerdem P A T T I E , Codex, 5 f; P E T I T M E N G I N / F L U S I N , livre, 248; C A R A G O U N I S , Development, 494-502. 54 Vgl. z. B. M E T Z G E R , Manuscripts, 21 f; A L A N D / A L A N D , Text, 80 f.289. 55 So konstatiert R O Y S E , Habits, 30, zu Recht: „In fact there appears to be little evidence on this topic, and Aland and Aland give no references here.“ Vgl. auch die Diskussion bei H A I N E S -E I T Z E N , Guardians, 77-91. Sehr zuversichtlich argumentiert z. B. Bäbler, Christen, 143 f, im Hinblick auf Eus. h. e. 6,23,1 f. Hier ist aber das Diktieren im Prozess der Produktion (deren Ziel mutmaßlich Masterkopien waren), nicht der Reproduktion und Vervielfältigung im Blick. 56 Vgl. Porph. vit. Plot. 8 (s. o. S. 498). 57 P A R K E R , Dictation, 111; vgl. weiterführend auch P A R K E R , Tendencies. 58 Vgl. J O N G K I N D , Three Scribes; J O N G K I N D , Habits, insb. 21-24.250-252. Vgl. außerdem C O L E , Unseen. 59 Vgl. R O Y S E , Habits, 89. Lesen im Kontext der Abschreibepraxis in der alten Kirche Die Ergebnisse der Studien enthalten außerdem Implikationen für die Diskus‐ sion um die Frage, ob die neutestamentlichen Hss. durch Diktat oder visuell kopiert worden sind. Die Debatte um die Theorie, dass in der Antike Bücher durch Diktat reproduziert wurden, ist alt und vor allem mit dem Namen T. Birt verknüpft, der das Diktat als wichtiges Element antiker Buchproduktion ansah. 52 In der neutestamentlichen Forschung wirkmächtig war bezüglich dieser Frage die These von H. J. M. Milne und. T. C. Skeat, die aus phonetischen Fehlern im Sinaiticus geschlussfolgert haben, dass dieser diktiert wurde. 53 Die Diktathypothese ist sodann in der Forschung mit einem ganz bestimmten Bild von spätantiken Skriptorien (Massenproduktion nach der sog. „konstanti‐ nischen Wende“) verknüpft worden, 54 deren Existenz allerdings gerade für die frühen Jahrhunderte umstritten ist. 55 Zudem fehlen für die Praxis des Diktierens im Kontext der Reproduktion bzw. Vervielfältigung von Texten m. W. jedoch Quellen, welche die weite Verbreitung einer solchen Praxis belegten. Für das Gegenteil lassen sich jedoch Quellen anführen. 56 In der neueren Forschung ist die Diktathypothese anhand des handschriftli‐ chen Befundes revidiert worden. Man geht mehrheitlich davon aus, dass die neutestamentlichen Texte visuell kopiert worden sind. Parker konkludiert für den Codex Bezae: „the scribe of Codex Bezae copied from the exemplar visually, without the help of a dictator.“ 57 D. Jongkind hat für den Sinaiticus gezeigt, dass die Diktathypothese unwahrscheinlich ist. 58 J. R. Royse Untersuchung der sog. scribal habits in Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 46, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 47, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 66, Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 72, und Scriptio Continua und „typographische“ Merkmale antiker Handschriften 175 Ausführliche vergleichende Untersuchungen, die insbesondere auch den Befund in antiken Hss. insgesamt berücksichtigen, stellen m. W. jedoch weitgehend ein Desiderat dar. 102 Tremata sind recht regelmäßig in den neutestamentlichen Papyri zu finden. 103 Schon in â 52 (P. Ryl. Gr. 3 457), der mutmaßlich ältesten neutestamentlichen Hs., finden sich drei Tremata über initialem Iota ( ϊ ; r o ,1f; v o ,2), die Hurtado als Lesehilfe interpretiert. 104 Dabei fällt ihm selbst auf, dass dem Trema auf der verso-Seite nicht die Funktion zukommt, eine Diärese zu kennzeichnen, da das vorhergehende Wort mit einem -ν endet. 105 Dieser Gebrauch ist auch in anderen neutestamentlichen 106 und frühchristlichen 107 Texten belegt und steht im Einklang mit Beispielen nicht-christlicher Mss. 108 und findet sich sogar vielfach in Inschriften. 109 So unterscheidet schon E. G. Turner zwischen „organischem“ Gebrauch des Trema, der Anzeige einer Diärese und dem häufig anzutreffenden „anorganischem“ Gebrauch, der Kennzeichnung eines initialen oder finalen Vokals eines Wortes, wobei üblicherweise ι oder υ gekennzeichnet werden. 110 Aufschlussreich ist die Verwendung des Tremas in Joh 1,29 in â 66 im Vergleich zu â 75. In â 66 findet sich auf f. 3, Z. 21 ein Trema auf dem initialen Iota von ιδε, obwohl die Trennung von dem vorhergehenden finalen Iota schon durch einen Mittelpunkt gegeben 102 So verzichtet J. R. Royse in seiner Studie zu den scribal habits in den frühen Papyri explizit darauf, „breathings, accents, punctuation, iota adscript or subscript, and other clear forms of abbreviations or writing conventions“ (R OYSE , Habits, 81) zu untersuchen. 103 Vgl den statistischen Befund bei M UGRIDGE , Copying, 83-85, der darauf hinweist, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Tremas und der Professionalität des Schreibers herzustellen sei. 104 Vgl. H URTADO , Artifacts, 179. 105 In einer neueren Publikation vermutet er, dass das Trema in diesem Fall die Aspiration anzeigt (vgl. H URTADO , Sociology, 58), wie z. B. der Gebrauch in â 66 tatsächlich nahelegt (s. u.). 106 Kennzeichnung eines initialen Vokals, ohne dass zwei Vokale aufeinanderstoßen: z. B. â 5 (f. 1r o 19: εστιν ϋπερ ̣ ); â 45 (f. 5v o , 8: των ϋποκριτων u. ö.); 459x in â 46 (vgl. E BOJO , Nonsense, 134); â 66 (z. B. nach einem Schlusssigma und Mittelpunkt: f. 1, Z. 12: φωτος·ϊνα; vgl. außerdem f. 3, Z. 13: μεσος ϋμων; f. 3, Z. 16: τον ϊμαντα u. ö.); â 75 (z. B. 44v o : αλλ ϊνα); vgl. außerdem exempl. â 18 (v o 14); â 22 (v o 12). Anzeige einer Diärese: z. B. â 1 (f. r o 3-5); â 5 (f. 2r o 20f u. ö.); â 20 (v o 4.7); â 22 (col. 1, 5; col. 2, 6); â 45 (2v o 7); â 66 (sehr häufig: z. B. f. 1,10; f. 2, 4.16; f. 3,16); â 100 (f. v o 3). Vgl. ferner auch P. Mich. 2 130,10 (-κα ϊνα …; Herm., 3. Jh.). Kennzeichnung eines medialen Vokals (selten): ανϋποτακτον ( â 46, f. 22v o 15 ) . 107 Vgl. z. B. P.Oxy. 3 405, col. 2,19f (2./ 3. Jh.; Iren. adv. haer.). Das Trema steht hier innerhalb eines Zitats aus dem MtEv (3,16f) an Beginn der Zeile, was darauf hindeuten könnte, dass der Schreiber es schon in seiner Vorlage gefunden hat. Das Zitat ist mit Diple (>) gekennzeichnet, die Diog. Laert. 3,1,65f zu den Zeichen (σημεῖα) in Editionen der Schriften Platons zählte, die wertvoll waren und - wie Antigonos von Karystos berichtet - von ihren Besitzern gegen Bezahlung zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden: ἅπερ Ἀντίγονός φησιν ὁ Καρύστιος ἐν τῷ Περὶ Ζήνωνος νεωστὶ ἐκδοθέντα εἴ τις ἤθελε διαναγνῶναι, μισθὸν ἐτέλει τοῖς κεκτημένοις. 108 Vgl. z. B. P. Berol. inv. 9782 - ein Kommentarmanuskript, das definititv nicht als Vorlesemanuskript verwendet wurde (s. u.): z. B. Pl. C r o col. 1,23.25; col. 2,44f; col. 3,5; Pl. E r o col. 1,17; Pl. O r o col. 3 36. 109 Vgl. z. B. IG II 2 2291b,3 (2. Jh. n. Chr.; Trema auf ἱνα schließt aus, dass man die ersten beiden Buchstaben im Kontext als Endung -ασιν verwechseln könnte); IG II 2 2089,42 (2 Jh. n. Chr.; auf dem ersten Iota eines Namens); IG II 2 4514,25 (2. Jh. n. Chr.). Vgl. dazu T HREATTE , Grammar, 94-97. Vgl. ferner auch eine spätantike Dedikationsinschrift aus einer Kirche in der Nähe von Bethphage CIIP I.2, 841,3. 110 Vgl. T URNER , Manuscripts, 12f. 75 führt zu dem Ergebnis, dass auch die älteren Papyri visuell kopiert worden sind. 59 501 9.3 9.3 Lesen im Kontext der Komposition sowie der Abschreibepraxis 60 Vgl. P A R K E R , Dictation, passim; R O Y S E , Habits, 90. 61 So formuliert P A R K E R , Dictation, 109, mit dem gleichen Habitus wie die Vertreter der communis opinio: „the statement that a copyist always repeated aloud his text has not been challenged“. Vgl. außerdem J U N A C K , Abschreibpraktiken, 283: „Wenn aber die optisch erfassbaren Abgrenzungen und Elementgliederungen fehlen, bedarf der Lesende zwangsläufig einer anderen Rezeptionsform, die ihm das sinnhafte Erfassen des Gelesenen ermöglicht oder doch wenigstens neben dem optischen Vorgang eine zusätzliche Hilfe bietet. In diesem Bereich muss mit Sicherheit das […] Phänomen, dass alles Lesen im Altertum lautes Lesen oder gar Deklamieren war, seinen ‚Sitz im Leben‘ haben. […] Der vornehmlich wirksame Sensus kann also nur das Gehör des Lesenden sein, der den ins Akustische umgesetzten Buchstabenketten ihren Sinngehalt abgewinnt.“ 62 J O N G K I N D , Habits, 23 f.251 f, mit Verweis auf D A I N , manuscrits, insb. 40-45; J U N A C K , Abschreibpraktiken. Eine frühe Quelle für visuelles Kopieren in einer individuell-di‐ rekten Lesesituation stellt Herm. vis. 2,5,4 dar: „So nahm ich es [das Schriftstück], ging zu einem anderen Ort auf dem Feld und schrieb alles ab, Buchstabe für Buchstabe (μετεγραψάμην πάντα πρὸς γράμμα); denn ich fand die Silben nicht (οὐχ ηὕρισκον γὰρ τὰς συλλαβάς).“ Hier wird ganz deutlich, dass der Ich-Erzähler den Text einerseits rein visuell, Buchstabe für Buchstabe, abschreibt, weil es ihm nicht möglich ist, den Text verstehend (vgl. das Syntagma γνῶσις τῆς γραφῆς in Herm. vis. 2,6,1) zu erfassen; dass andererseits aber das Ideal im inneren Diktat besteht, für das der Text auch durch einen vorhergehenden Lesevorgang kognitiv verarbeitet werden muss. 63 Vgl. J O N G K I N D , Habits, 23, Anm. 23. Gegen J U N A C K , Abschreibpraktiken, 281-286. Uneinigkeit herrscht jedoch in der Forschung bezüglich der Frage, wie es beim visuellen Kopieren genau zu den phonetischen Fehlern kommt. So führen etwa D. C. Parker und J. R. Royse die Fehler auf das Selbstdiktat der Schreiber zurück, die ihre eigene Aussprache missverstanden haben 60 - eine These, die von der in dieser Studie dekonstruierten communis opinio zum generell lauten Lesen in der Antike und der damit verbundenen und hier ebenfalls widerlegten Hypothese der schwierigeren kognitiven Erfassbarkeit der scriptio continua abhängig ist. 61 D. Jongkind führt die Fehler im Anschluss an das von A. Dain entwickelte und von K. Junack übernommene Modell des Kopierprozesses in vier Stufen (1. la lecture du modèle; 2. la rétention du texte; 3. la dictée intérieure; 4. jeu de main) auf das innere Diktat zurück. 62 Dabei betont er - aus der Sicht der Ergebnisse dieser Studie zu Recht -, dass die Annahme einer vokalisierenden Realisierung des Textes nicht zwingend anzunehmen ist. 63 Die These, dass die Schreiber sich ihre Texte laut vorgelesen haben, stellt tatsächlich eine unnötige Zusatzannahme dar. Es ist möglich, die phonetischen Fehler allein auf die innere Lesestimme des jeweiligen Schreibers zurückzuführen. Die frühen Papyri und Majuskeln bieten daher keine Evidenz für ein Modell von Skriptorien, in denen durch Diktateinsatz die Produktion von Hss. beschleunigt wurde. Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings noch nicht, dass die visuell kopierten Hss. in privaten Schreibernetzwerken entstanden wären, wie K. Haines-Eitzen ge‐ 502 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 64 Vgl. zu den problematischen Implikationen der These von privaten Schreibernet‐ zwerken und privater Zirkulation der neutestamentlichen Schriften S C H M I D , Rez. Haines-Eitzen. 65 Es ist erstaunlich und paradigmatisch für weite Teile der Forschung zum Vorlesen/ Performen von biblischen Texten im frühen Christentum (s. o. 1.1), dass in einer Studie von 2004 mit dem Untertitel „The Lector and the Early Christian Audience“ (S H I E L L , Reading) die Existenz eines Lektorenamtes ohne Diskussion der im Folgenden zu diskutierenden Quellen a priori vorausgesetzt wird. 66 Vgl. H A R N A C K , Quellen, 7-24. 67 Vgl. dazu O H M E , Kanon, 504 f. Vgl. zu Titel H A R N A C K , Quellen, 221 f. schlussfolgert hat. 64 Bezüglich der sozialgeschichtlichen Frage nach Publikation, Vervielfältigung und Zirkulation neutestamentlicher Schriften bzw. der Frage nach der Partizipation des frühen Christentums an einem antiken Buchmarkt besteht vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie weitergehender Forschungsbedarf. 9.4 Ein Vorleser/ Lektor in den frühchristlichen Schriften als Evidenz für gottesdienstliche Lesungen? Als indirekte Quellenevidenz für die gemeinschaftliche Lektüre frühchristli‐ cher Schriften gilt in der Forschung die Existenz des Amtes eine Vorlesers (ἀναγνώστης/ lector), der für die Verlesung des AT und der Evangelien bzw. anderer neutestamentlicher Texte zuständig gewesen wäre; wobei die Frage der gelesenen Texte - wie oben dargelegt - eng mit der Modellierung der Entstehung des Kanons verknüpft wird. In weiten Teilen der Forschung wird die Entstehung eines solchen Vorleser-Amtes relativ früh datiert. 65 Die Ergeb‐ nisse dieser Studie machen eine Neuevaluation der Entstehung und Funktion des Lektorenamtes notwendig, deren Grundzüge hier ausblickend angedeutet werden. Schon für Harnack ist die vermeintlich früh belegte Existenz eines Lektore‐ namtes seit etwa 100 ein wichtiges Argument für die Korrektur seiner Datierung der von ihm bestimmten Quellenschicht A der sogenannten apostolischen Kirchenordnung, im Folgenden ConstAp. 66 Die Datierungsfragen in Bezug auf diese Kirchenordnung, deren griechischer Text in einer einzigen Hs. überliefert ist (Cod. Vind. hist. gr. 7, f.4) und vermutlich den Titel Κανόνες ἐκκλησιαστικοὶ τῶν ἁγίων ἀποστόλων trug, 67 sind insofern von Relevanz, als ConstAp c. 19 eine im Vergleich zu anderen Quellen relativ ausführliche Funktionsbeschreibung des als ἀναγνώστης bezeichneten Amtes gibt. In der Forschung werden die ConstAp auf das Ende des 3. bzw. Anfang des 4. Jh. datiert. Harnack hat 503 9.4 Ein Vorleser/ Lektor in den frühchristlichen Schriften 68 Vgl. zur ursprünglich späteren Datierung H A R N A C K , Lehre, 215-220. 69 H A R N A C K , Quellen, 55. 70 Vgl. H A R N A C K , Quellen, 42-44.55 f. 71 Vgl. die detailreichen Ausführungen H A R N A C K , Quellen, 57-100. 72 S. schon G L A U E , Vorlesung, 33-35, der es ablehnt, in Bezug auf Apc 1,3 von einem Amt des Vorlesers zu sprechen. 73 Vgl. dagegen N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 112, der auf diesen Unterschied hinweist; seine Schlussfolgerung, dies hänge mit einem Wechsel des Status des Vorlesers in den christ‐ lichen Gemeinden zusammen (vgl. N Ä S S E L Q V I S T , Reading, 113-116), ist jedoch insofern schwierig, als das zugrundeliegende, kontinuitätsorientierte Entwicklungsmodell erst zu erweisen wäre. 74 Besonders aufschlussreich ist die Aufzählung der Wahl verschiedener γραμματεῖς in Athen (u. a. zur Prüfung von Beschlüssen, zur Protokollführung, vgl. Aristot. Ath. pol. 54,3-5), von denen einer nur für das Vorlesen in der Volksversammlung und im Rat zuständig war, wie in Aristoteles’ Politeia explizit hervorgehoben wird (vgl. Aristot. Ath. pol. 54,5). Dass es sich hier um ein Wahlamt handelt, zeigt, dass es sich nicht nur um spezifisch für das Vorlesen ausgebildete Spezialisten handelt. Vgl. aus der Vielzahl der Quellen außerdem exempl. Thuk. 7,10,1; Demosth. or. 19,270; Aischin. Tim. 2.11.34 u. ö.; Hyp. Phil. Fr. 15b8; Lykurg. 1,36; 1,114 u. ö.; Dion. Hal. ant. 4,57,3; 5,9,1; 11,21,6; Ios. ant. 10,6,2 (94); App. Civ. 1,1,12; Poll. on. 8,98; Polyain. strat. 5,2,8; Charit. Cal. 5,4,8. 75 Vgl. BR §§ 301,3; 302,1. im Anschluss an die Forschung seiner Zeit die These vertreten, dass den cc. 16-21 der ConstAp eine Quelle A zugrunde liegt. Diese hatte er zunächst 1884 auf den Anfang des 3. Jh. datiert, 68 diese Datierung dann aber 1886 auf die Zeit zwischen ca. 140 und ca. 180 korrigiert, da erstere „wesentlich durch die […] falsche herkömmliche Meinung über den Ursprung des Lectorenamtes bedingt“ 69 gewesen sei. 70 Schon das Zitat zeigt, dass Harnacks Frühdatierung der besagten Quellen‐ schicht vor allem von seinem Modell der Entstehung des Lektorenamtes 71 abhängig ist. Allerdings tragen die Quellen (Apc 1,3; 2Clem 19,1), die er für eine frühe Entstehung eines Lektorenamtes ansetzt, die Beweislast m. E. nicht. 72 Apc 1,3 ist oben schon ausführlich besprochen worden. Abgesehen von der textkritischen Unsicherheit in Apc 1,3 übergeht Harnack den grammatischen Unterschied zwischen dem substantivierten Partizip von ἀναγιγνώσκω und dem Substantiv ἀναγνώστης weitgehend; 73 dies ist jedoch angesichts der feststell‐ baren Bedeutungsunterschiede in der konkreten Verwendung problematisch, wie die Analyse unter 3.1 gezeigt hat. So wird das durch einen hinzutretenden Artikel substantivierte Partizip eigentlich nicht im Sinne einer Funktions-, Berufs- oder Standesbezeichnung verwendet - als Vorlesende treten in den Quellen bei offiziellen Anlässen zumeist γραμματεῖς auf; 74 erst das Substantiv ἀναγνώστης kann durch die Verwendung des Suffixes -της den Charakter einer Funktions-, Berufs- oder Standesbezeichnung annehmen. 75 So muss auch 504 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 76 H A R N A C K , Quellen, 83, Anm. 64. Ähnlich die Argumentation S A L Z M A N N , Lehren, 222, Anm. 336, der nicht wirklich ein Argument für seine Vermutung vorweisen kann, dass hier ein Lektor gemeint ist. 77 Vgl. dazu den instruktiven und die Forschungsgeschichte ausführlich darstellenden Beitrag G R Ü N S T Ä U D L , Epilog. 78 Vgl. exempl. für viele K N O P F , Anagnose; B E C K E R , Autorität, 98. 79 Vgl. z. B. S A L Z M A N N , Lehren, 219-232, der μετὰ τὸν θεὸν τῆς ἀληθείας auf den vorher‐ gehenden Text in 2Clem 1-18 bezieht. 80 Dies ist eines der Argumente, die G R Ü N S T Ä U D L , Epilog, 245, der These der Einheitlichkeit des 2Clem entgegenhält. 81 Vgl. L I N D E M A N N , Clemensbriefe, 255 f; P R A T S C H E R , 2Clem, 21. 82 So könnte man die nicht ganz eindeutige Formulierung „an implied reference to an immediately preceding reading“ bei T U C K E T T , 2 Clement, 291, verstehen. Harnack bezüglich 2Clem 19,1 in einer Fußnote eingestehen, dass die Formu‐ lierung ἵνα καὶ ἑαυτοὺς σώσητε καὶ τὸν ἀναγινώσκοντα ἐν ὑμῖν auch so verstanden werden könne, „als nenne sich der Verf. nur um der augenblicklichen Situation willen den Vorlesenden“. 76 Überhaupt ist 2Clem 19,1 nicht zuletzt wegen der Frage nach der Datierung und der literarischen Integrität des 2Clem eine Problemstelle 77 - verbunden mit der Diskrepanz zwischen der formgeschichtlichen Einordnung von 2Clem als (Vorlage zu einer) Predigt/ Mahnrede und der überlieferungsgeschichtlichen Zuschreibung als Brief. Ziemlich zum Ende findet sich nämlich ein deutlicher Neuansatz: „Folg‐ lich, Brüder und Schwestern, nach/ mit dem Gott der Wahrheit (μετὰ τὸν θεὸν τῆς ἀληθείας), lese ich euch eine ἔντευξις vor, daß ihr acht gebt auf das, was geschrieben steht (ἀναγινώσκω ὑμῖν ἔντευξιν εἰς τὸ προσέχειν τοῖς γεγραμμένοις), damit ihr sowohl euch selbst rettet als auch mich, der ich unter euch vorlese (ἵνα καὶ ἑαυτοὺς σώσητε καὶ τὸν ἀναγινώσκοντα ἐν ὑμῖν)“ (2Clem 19,1; Üb. L I N D E M A N N / P A U L S E N , leicht mod. JH). Die These, μετὰ τὸν θεὸν τῆς ἀληθείας bezöge sich zusammen mit dem Hinweis auf „das, was geschrieben steht“ (τοῖς γεγραμμένοις), auf eine vorhergehende Schriftlesung, 78 ist schon mehrfach in Zweifel gezogen worden. 79 Als zusätzliche Argumente wären folgende hinzuzufügen: Die Annahme einer dem gesamten 2Clem vorausgehenden Schriftlesung scheitert daran, dass die Formulierung in 1Clem 19,1 sich nur schwerlich auf etwas zeitlich (ca. 2800 Wörter) so weit Vorausliegendes beziehen lässt. 80 Die Umstellungshypothese, 19,1-20,4 hätten ursprünglich am Anfang gestanden, 81 ist noch voraussetzungsreicher, weil sie den postulierten Bezug der zur Diskussion stehenden Phrase zu einer Schriftlesung als Beweisgrund in Anspruch nimmt. Die Annahme, dass eine Schriftlesung direkt vor, also zwischen Kapitel 18 und 19, anzunehmen wäre, 82 scheitert bei einer synchronen Lektüre, die entweder die Einheitlichkeit voraussetzt oder den Brief in seiner überlieferten redaktionellen Endgestalt liest, daran, dass dadurch der eindeutig vorhandene Argumentationszu‐ 505 9.4 Ein Vorleser/ Lektor in den frühchristlichen Schriften 83 Dies stellt m. E. ein Problem für die These von W. Grünstäudl dar, 2Clem 19,1-20,4 wäre ursprünglich nach der Doxologie (2Clem 20,5) eingefügt worden. Vgl. G R Ü N S T Ä U D L , Epilog, 243. Aus Gründen des Sparsamkeitsprinzips sollte man auf diese zus. und m.E. (auch für seine Gesamtthese) nicht zwingend notwendige Zusatzhypothese eines spä‐ teren Platzwechsels der Doxologie verzichten und stattdessen annehmen, dass 2Clem 19,1-20,4 genau an der Stelle eingefügt wurde, an der sie auch in der handschriftlichen Überlieferung zu finden ist. 84 Vgl. G R Ü N S T Ä U D L , Epilog, 254 f. 85 G R Ü N S T Ä U D L , Epilog, 256. 86 Vgl. nur L I N D E M A N N / P A U L S E N , die in ihrer Übersetzung „geredet hat“ ergänzen. 87 Vgl. G R Ü N S T Ä U D L , Epilog, 250-257. 88 Vgl. G R Ü N S T Ä U D L , Epilog, 254, der darauf hinweist, dass diese Rezeptionshaltung gegenüber dem 1Clem auch derjenigen von Clemens Alexandrinus entspreche. 89 Der terminus ante quem für den 2Clem inkl. 2Clem 19,1ff ist Eus. h. e. 3,38,4. Vgl. G R Ü N S T Ä U D L , Epilog, 257. sammenhang zwischen 2Clem 18 und 19 unterbrochen worden wäre. (Der mit ὥστε eingeleitete Satz führt den Gedanken aus 2Clem 18,2 nahtlos weiter.) 83 W. Grünstäudl hat in einem 2013 erschienenen Aufsatz eine überzeugende Neuinterpretation von 2Clem 19,1 vorgelegt. Unter Bezugnahme auf die Bezeugung eines breiteren Bedeu‐ tungsspektrums von μετά mit Akkusativ ersetzt er die gängige Deutung von μετὰ τὸν θεὸν τῆς ἀληθείας durch ein nicht-temporales Verständnis „mit dem Gott der Wahrheit“, das sich auch aus meiner Sicht besser in den Kontext fügt. 84 Man könne dann „entweder den Aspekt der Übereinstimmung (‚gemäß des Willens des Gottes der Wahrheit‘) oder den Aspekt der Unterstützung (‚mit der Hilfe des Gottes der Wahrheit‘) betont sehen.“ 85 Der Vorteil dieser Deutung, die der Annahme einer vorgelagerten Schriftlesung den Boden entzieht, liegt außerdem darin, dass man die besagte Phrase nicht mehr als Ellipse auffassen muss. 86 Wegen der deutlichen intertextuellen Bezugnahme der signifikanten Wortverbindung von ἔντευξις und τὰ γεγραμμένα auf 1Clem 63,2 versteht Grünstäudl 2Clem 19,1 sodann als Verweis auf eine anschließende Verlesung des 1Clem. 87 Interessant ist 2Clem 19,1 dann insofern, als diese Stelle als eine Art Höranweisung zu verstehen ist, im Besonderen nicht nur auf das, was im 1Clem geschrieben steht zu achten, sondern vermutlich auch auf die Schriftzitate in diesem Brief. 88 Angesichts der Datierungsschwierigkeiten des 2Clem und insb. angesichts des sekundären Charakters von 2Clem 19,1-20,4 ist es allerdings schwierig, eine solche Doppelverlesung von 2/ 1 Clem in der Geschichte des frühen Christentums zu verorten, 89 sodass die Stelle im Hinblick auf die Frage nach Lesepraktiken im frühen Christentum des 2. Jh. nur schwer ausgewertet werden kann; auch der genaue sozialgeschichtliche Kontext bleibt völlig offen. Ausschließen kann man zudem m. E. auch nicht die Interpretation, dass ἔντευξις sich (unter der Annahme der Einheitlichkeit des Textes oder in seiner redaktionellen Endgestalt) einfach auf 506 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 90 Angedeutet von T U C K E T T , 2 Clement, 292. 91 Vgl. v. a. die Verwendung des Verbes αἰτέω direkt im folgenden Satz. Zudem haben viele der folgenden Sätze Aufforderungscharakter. 92 H A R N A C K , Quellen, 86. 93 Vgl. z. B. S H I E L L , Reading. den Rest des Textes von 2Clem bezieht. 90 Aus argumentationsanalytischer Sicht ist es durchaus möglich, das in 2 Clem 19,1-20,4 Folgende als Bitte oder Mahnung zu verstehen. 91 Auch Justin, der lediglich das substantivierte Partizip von ἀναγιγνώσκω ver‐ wendet, kann nicht als Beleg für ein „Lektorenamt“ herangezogen werden (s. u.). Es kommt erschwerend hinzu, dass die Didache gerade keinen ἀναγνώστης belegt; und Harnacks Verortung der Lektoren unter die „Begabten“ (mit Verweis auf 1Kor 12) bleibt doch recht spekulativ. Harnacks These einer frühen Entstehung des Lektorenamtes basiert zuletzt auf einem Zirkelschluss: Er geht von der Notwendigkeit aus, dass Schriften im Gottesdienst gelesen werden mussten. Da die in der Didache und anderen frühen Schriften genannten „Funktionäre“ dies jedoch nicht gekonnt hätten, hätte es schon Lektoren geben müssen: „Aber nicht Viele mögen dazu [scil. zur Lektüre der alttestamentlichen und frühchristlichen Texte im Gottesdienst] befähigt gewesen sein, und es wird manchen hochangesehenen Propheten und Lehrer gegeben haben, der wohl durch freie Rede zu erbauen, aber nicht die h. Schriften vorzulesen vermochte. So waren Lectoren nothwendig.“ 92 Insbesondere die Annahme, Propheten und Lehrer hätten nicht vorlesen können, bleibt eine unbelegte Behauptung. Die Grundlage dieses Argumentationsmusters (weil nur wenige Menschen lesen konnten, mussten die Texte vorgelesen werden, also gab es professionell ausgebildete Vorleser natürlich auch in den christlichen Gemeinden) zieht sich hinein bis in die neuere Forschung zum Vorlesen im frühen Christentum. 93 Vor dem Hintergrund der Überlegungen unter 1.3.3 sowie der Ergebnisse zur Vielfalt antiker Lesepraktiken ist dieses Argumenta‐ tionsmuster zu hinterfragen. Zudem müsste ohnehin erst belegt werden, dass Illiterate überhaupt als Adressaten der zur Diskussion stehenden Texte in Frage kommen. Einige der oben diskutierten Quellen deuten darauf hin, dass man eher vom Gegenteil ausgehen kann, nämlich a) dass sich Vorlesungen (literarischer Texte) in der griechisch-römischen Welt der Antike vorrangig an literarisch Gebildete richteten (sowie eine gewisse literarische Bildung erforderte), und b) die ökonomisch unterprivilegierten Schichten nicht die Zeit zur Rezeption vorgelesener Texte hatten und dies möglicherweise auch gar nicht zu deren Habitus passte. 507 9.4 Ein Vorleser/ Lektor in den frühchristlichen Schriften 94 M Y L L Y K O S K I , Kraft, 321. Am Rande sei notiert, dass die Briefe des Ignatius in der sog. „mittleren“ Rezension keinen ἀναγνώστης kennen, die Briefe der sog. „längeren“ Rezension allerdings schon. Vgl. Ps.-Ign. Phil 15,2; Ps.-Ign. Antioch 12,2. 95 G L A U E , Tertullian, 151 [Herv.en JH]. 96 Eine Übersicht über den inschriftlichen Befund bietet L E C L E R C Q , Art. Lecteur, 2246- 2267. Eine nicht exakt datierbare Inschrift auf einer Grabplatte in der Agnes-Katakombe in Rom enthält die Inschrift FAVOR FAVOR LECTOR (Bull. arch. crist. 2/ 2, 32). Diese Inschrift kann weder als Beleg für ein Lektorenamt in der römischen Gemeinde des 2. Jh. herangezogen werden (gegen K A U F M A N N , Handbuch, 266), noch enthält die Inschrift irgendwelche Informationen über die Funktion. Es könnte sich hierbei auch genausogut um die Funktionsbezeichnung eines Sklaven handeln. Das gleiche gilt für Fabretti inscr. ant. 557 (zit. n. Bull. arch. crist. 2/ 2, 32). Die weiteren Inschriften, die K A U F M A N N , Handbuch, 267-269, aufführt und in denen z. T. die Tätigkeitsorte genannt werden, an denen die Lektoren tätig waren, sind ins 4. Jh. oder später zu datieren. Vgl. zur Datierung des Graffito eines gewissen Olympius, Lektor vermutlich an der Titelkirche St. Eusebius, in den Katakomben der heiligen Petrus und Marcellinus ins 4. Jh., die Kaufmann ins 3. Jh. datiert, A R M E L L I N I , chiese, 233. 97 Didasc. syr. 9 (CA 2,28). Angesichts des fehlenden Quellenbefundes zum Lektorenamt im 2. Jh. kon‐ statiert M. Myllykoski ganz zu Recht: „Über die Verlesung von Schriften bei den Versammlungen oder Gottesdiensten der kleinen Gemeinden am Ende des 2. Jahrhunderts können wiederum nur gelehrte Vermutungen angestellt werden.“ 94 Der erste vermeintlich sichere, lexikalische Beleg für die Existenz eines „Lek‐ tors“ scheint bei Tertullian zu finden zu sein, der in praescr. 41 die Häretiker dadurch zu diskreditieren versucht, ihnen fehlende Ordnung in den Gemeinden vor allem in Bezug auf „Ämter“ vorzuwerfen: „Und so ist denn heute der eine Bischof, morgen der andere, heute ist jemand Diakon und morgen Lektor (hodie diaconus qui cras lector), heute einer Priester und morgen Laie“ (Tert. praescr. 41,8; Üb. K E L L N E R ). Allerdings hat P. Glaue schon 1924 gegenüber Harnack und anderen überzeugend deutlich gemacht, dass sie diese Stelle fehlinterpretieren, wenn sie hier einen Beleg für ein offizielles „Lektorenamt“ sehen, da Tertullian an anderer Stelle sehr genaue Angaben über die klerikalen Ämter macht: „Tertullian unterscheidet sonst nur 3 ordines im Klerus, denen er den ordo laicus entgegensetzt (de bapt. 17, de fuga 11, de monog. 11), die episcopi, presbyteri, diaconi“ 95 . Es kommt hinzu, dass Tertullian über den Aufgabenumfang des vermeintlichen Lektors keine Angaben macht. Dennoch gibt es Spuren der Entstehung eines Lektorenamtes im dritten Jh. Aber auch die früh datierbaren Inschriften 96 und die syrische Fassung der Didaskalia Apostolorum geben keine näheren Informationen über den Funktionsumfang des „Lektors“. 97 Es ist bezeichnend, dass zwischen der syri‐ 508 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 98 Während in Didasc. syr. 12 in Bezug auf die gemeindlichen Versammlungen keinerlei Bestimmungen zum Vorlesen gegeben werden, finden sich an der parallelen Stelle in CA 2,57, die eindeutig eine Erweiterung darstellt, ausführliche Bestimmungen zur Lesung der verschiedenen biblischen Bücher. In CA 2,57 wird nun bestimmt, dass der Lektor von einem erhöhten Platz aus dem AT und nach dem Psalmengesang aus der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen liest (Μέσος δὲ ὁ ἀναγνώστης ἐφ’ ὑψηλοῦ τινος ἑστὼς ἀναγινωσκέτω …). Dass ein Presbyter oder Diakon dann die Evangelienlesung, die im Unterschied zu den anderen Lesungen im Stehen zu hören ist, übernehmen soll (καὶ μετὰ ταῦτα πρεσβύτερος ἢ διάκονος ἀναγινωσκέτω τὰ Εὐαγγέλια), zeigt, dass das Vorlesen nicht explizit an einen Lektor gebunden war. Ferner haben auch die Bestimmungen in CA 8,22, die explizit das Amt mit der Verlesung der heiligen Schriften (τὰς ἁγίας σου γραφὰς ἀναγινώσκειν) verknüpfen, ebenfalls keine Parallele in der syrischen Didaskalia. Auch sonst lässt der Vergleich der syrischen Didaskalia mit der CA eine deutliche Entwicklung von unspezifischen Hinweisen auf das Vorlesen hin zu institutionalisierten Schriftlesungen erkennen. Vgl. Didasc. syr. 10 vs. CA 2,39; Didasc. syr. 11 vs. 2,54; Didasc. syr. 13 vs. CA 2,59. Interessant ist ferner, dass die syrische Didaskalia das Lesen in den Heiligen Schriften im Rahmen von Versammlungen in Coemeterien belegt. Vgl. Didasc. syr. 26 (vgl. CA 6,30). 99 Welche Funktion die Anwesenheit eines Lektors bei der Abfassung eines Briefes von Lucianus an Cyprian gehabt hat (Cypr. ep. 23), muss offenbleiben. schen Fassung der Didaskalia und der griechischen Fassung eine deutliche Entwicklung im Hinblick auf die Funktionszuschreibungen des als ἀναγνώστης bezeichneten Amtes und im Hinblick auf die Institutionalisierung von Schrift‐ lesungen zu sehen ist. Beides kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht ausführlich behandelt und eingeordnet werden. 98 In der Traditio Apostolica wird zumindest angegeben, dass der ἀναγνώστης dadurch eingesetzt wird, dass ihm der Bischof ein Buch überreicht, er dadurch aber nicht geweiht wird (Ἀναγνώστης καθίσταται ἐπιδόντος αὐτῷ βιβλιον τοῦ ἐπισκόπου . οὐδὲ γὰρ χειροθετεῖται. TA 11). Es ist bemerkenswert, dass weder der Inhalt noch der Titel des Buches genannt werden, was auf einen symbolischen Akt hindeutet. Hier wäre insbesondere weiter zu fragen, ob es sich um eine Buchrolle gehandelt hat oder die Bezeichnung auch schon das neue Kodexformat umfasste. Mehr Aufschluss über den Funktionsumfang eines Lektors im 3. Jh. geben die Briefe Cyprians: In einem Brief an die Presbyter und Diakone in der Gemeinde in Karthago aus der Mitte des 3. Jh. geht hervor, dass die Lektoren dort auch Unterrichtsaufgaben wahrgenommen haben (vgl. Cypr. ep. 29); in einem weiteren Brief aus der gleichen Zeit wird dem Lektor Saturus aufgetragen, er solle es auswärtigen Bischöfen, Presbytern und Diakonen ermöglichen, Abschriften von Cyprians Briefen und den entsprechenden Antwortschreiben herzustellen (vgl. Cypr. ep. 32); in ep. 35,1 wird eben dieser sogar als Briefbote eingesetzt. Daraus ist zu schließen, dass die Lektoren dort tatsächlich auch Aufgaben eines Sekretärs wahrgenommen haben. 99 Dennoch zeigt Cypr. ep. 38,2 509 9.4 Ein Vorleser/ Lektor in den frühchristlichen Schriften 100 Vgl. auch Cypr. ep. 39,4. 101 G E O R G E S , Handwörterbuch, 920. 102 Vgl. G L A U E , Cyprian, 207, mit Verweis u. a. auf Cypr. zel. 16 (sit in manibus divina lectio); ep. 27; mort. 1; Fort. 1.3; domin. orat. 7. 103 Vgl. G L A U E , Cyprian, 209. 104 H A R N A C K , Quellen, 17-19. eindeutig, dass der Lektor auch die Aufgabe des „Zelebrierens der göttlichen Lektüren“ (… celebrandis diuinis lectionibus …) bzw. explizit der Lesung des Evangeliums Christi (evangelium Christi legere) hatte. 100 Die erste Formulierung ist insofern interessant, als hier nicht lectio als Lexem gebraucht wird, der auf die Lesung im eigentlichen Sinne verweist; sondern das Verb celebro verwendet wird, das hier nicht zwingend eine „feierliche“ Konnotation haben muss, sondern entsprechend des mit Schrift und Rede konnotierten Sinns „im weiteren Kreis verbreiten“, „allgemein bekannt machen“ 101 bedeuten kann. Lectio meint bei Cyprian in Verbindung mit den Adjektiven dominica und divina „heilige Lektüre“, also „heilige Schrift“. 102 Schon P. Glaue hat bei seiner Untersuchung der Vorlesepraxis bei Tertullian gezeigt, dass man zumindest für Karthago eine Entwicklung des „Lektore‐ namtes“ feststellen kann: Während bei Tertullian die Aufgabe der Verlesung noch freiwillig von Gemeindemitgliedern übernommen worden sei, könne man bei Cyprian eine exklusive Verknüpfung zwischen Lesung und Lektorenamt feststellen. 103 Ob die Verlesung tatsächlich exklusiv an das Amt gebunden war, ist schwer zu beweisen, immerhin sind die drei Briefe (ep. 29; 38; 39) die ersten Quellen, in denen die Verlesung göttlicher Schriften explizit in den Aufgabenbereich des Lektors gestellt wird. Eine detaillierte Funktionsbestimmung des als ἀναγνώστης bezeichneten Amtes enthält die oben schon erwähnte apostolische Kirchenordnung vom Ende des 3./ Anfang des 4. Jh.: Jakobus sprach: „Als ἀναγνώστης soll einer eingesetzt werden, nachdem er zuvor sorgfältig geprüft ist, kein Schwätzer, kein Trunkenbold noch ein Spaßmacher, von guten Sitten, von wohlwollender Gesinnung, bei den Zusammenkünften am Herrentage der erste in der Versammlung, von deutlichem Vortrag (εὐήκοος) und fähig zu klarer Darlegung (διηγητικός), eingedenk, dass er den Platz eines Evangelisten verwaltet, denn wer das Ohr der Unwissenden erfüllt, der wird für eingeschrieben erachtet werden bei Gott.“ (ConstAp c. 19; Üb. H A R N A C K104 ) Bis auf die narrative Einleitung Ἰάκωβος εἶπεν ordnet Harnack den kompletten Text einer Quelle zu, deren Frühdatierung ich oben diskutiert habe. Aus meiner Sicht ist es gut möglich, dass hier eine ältere Ordnung in die apostolische 510 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 105 Vgl. H A R N A C K , Quellen, 43. 106 S. o. Anm. 4, S. 20. Kirchenordnung integriert wurde, alle Datierungen, die sich an einem Modell der Ämterentwicklung orientieren, bleiben jedoch spekulativ - und zwar nicht zuletzt wegen Datierungsproblemen anderer Quellen sowie der regionalen Diversität. Es bleibt also nur, vom terminus ante - der Integration in die ConstAp - ausgehend, eine vage Datierung ins 3. Jh. Harnack sieht aber ganz richtig, dass die Funktion des als ἀναγνώστης bezichneten Amtes hier dadurch bestimmt ist, dass er nicht nur für die gleichsam mechanische Verlesung, sondern vor allem auch für die Auslegung zuständig war. 105 Das Motiv der Stellvertretung für die Evangelisten impliziert, dass es um die Lektüre und Interpretation von neutestamentlichen Schriften geht, die mit den Namen der Evangelisten verknüpft sind. 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis: Zum Charakter kollektiv-indirekter Leseanlässe im frühen Christentum und individuell-direkte Lektüre Welche Perspektiven ergeben sich nun vor dem Hintergrund der Ergebnisse zur Reflexion von Lesepraktiken im AT und anderen Texten aus dem antiken Judentum sowie im NT auf die Quellen zu Lesepraktiken in der frühen Kirche? Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen, dass eine monosituative Verortung des Phänomens „Lesen“ in der Gemeindeversammlung für die neutestamentliche Zeit nicht nachweisbar ist und die Liturgiewissenschaft liturgische Lesungen neutestamentlicher Texte frühestens in das 3. Jh. datiert? 106 Im Folgenden sind, um Antwortperspektiven für weitere Forschungen in Bezug auf diese Fragen zu skizzieren, einige patristische Quellenevidenzen für Lese‐ praktiken in der frühen Kirche ausblickend zu betrachten. 9.5.1 Kollektiv-indirekte Rezeption Justin Als erster Beleg für die „gottesdienstliche“ Lektüre neutestamentlicher Schriften gilt traditionell Justins Beschreibung der sonntäglichen Versammlung. 511 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 107 Vgl. S T A N D H A R T I N G E R , Mahl, 303, Anm. 93. 108 Vgl. dazu und zur Diskussion K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 499-509. 109 Vgl. zur Diskussion exempl. C O S G R O V E , Justin, 221 f; A B R A M O W S K I , Erinnerungen; S K A R S A U N E , Justin; P E T E R S E N , Textual; V E R H E Y D E N , Justin; zur rhetorischen und apolo‐ getischen Funktion des Lexems ἀπομνημονεύματα, der v. a. die historische Glaubwür‐ digkeit und den didaktischen Wert der Schriften für in der griechische-römischen Welt gebildete Leser hervorhebt, vgl. C I R A F E S I / F E W S T E R , απομνημονευματα; G R E S C H A T , Worte. Zur These, dass Justin auch auf das JohEv zurückgegriffen hat, vgl. B A R K E R , Written Gospel. „Und an dem Tag, den man ‚[Tag] der Sonne/ des Helios‘ nennt, findet ein Zusam‐ mentreffen aller in Städten oder auf dem Lande Wohnenden statt; dabei werden die Erinnerungen der Apostel oder die Schriften der Propheten vorgelesen, solange es [zeitlich] erlaubt ist (καὶ τὰ ἀπομνημονεύματα τῶν ἀποστόλων ἢ τὰ συγγράμματα τῶν προφητῶν ἀναγινώσκεται, μέχρις ἐγχωρεῖ). Dann, wenn der Vorlesende aufhört (παυσαμένου τοῦ ἀναγινώσκοντος), gibt der Vorsteher durch eine Rede eine Ermah‐ nung und Einladung zur Nachahmung all dieses Guten“ (Iust. Mart. apol. 1,67,3 f). Die Diskussion um die Tageszeit der von Justin beschriebenen Veranstaltung braucht hier nicht wiederholt zu werden. Auch wenn diese vom Text her nicht eindeutig bestimmt werden kann, 107 deuten insbesondere die deutlichen Analogien zu Philons Schilderung des Mahls der Therapeuten darauf hin, dass es sich um den Kontext direkt vor dem Gemeinschaftsmahl am Abend handelt. 108 Eindeutig ist, dass es sich um eine Form kollektiv-indirekter Rezeption von Schriften handelt, wobei „Propheten“ auf Übersetzungen der alttestamentlichen Prophetenbücher verweist und unter „Erinnerungen der Apostel“ Schriften zu verstehen sind, deren (zugeschriebene) Autoren als Apostel gelten. Vermutlich sind die kanonischen Evangelien gemeint. 109 Auffällig an der Beschreibung von Justin ist a) die zeitliche Bestimmung μέχρις ἐγχωρεῖ, die zeigt, dass sich der Umfang des vorgelesenen Textes nach der zur Verfügung stehenden Zeit richtete. Zudem zeigt b) die Verwendung des Partizips „der Vorlesende“, dass noch kein institutionalisiertes Lektorenamt vor‐ ausgesetzt wird. Dies korrespondiert mit den Ausführungen im vorhergehenden Punkt. Ungewöhnlich erscheint zudem, dass c) das Beenden der Lesung durch den Vorlesenden eigens hervorgehoben wird und der Vortrag des Vorstehers nicht einfach durch eine passivische Formulierung eingeleitet wird. d) Die „Nachahmung dieses Guten“ ist wohl als Rückverweis zu verstehen und deutet darauf hin, dass die Rede des Vorstehers (in spontaner Weise? ) Bezug auf den vorgelesenen Text nimmt (Iust. Mart. apol. 1,67,4). Diese Aspekte lassen folgende Schlussfolgerungen und weiterführende Über‐ legungen zu: 1. Bei der von Justin beschriebenen Lesepraxis handelte sich sicher 512 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 110 L E O N H A R D , Liturgical Need, 99. 111 K E I T H , Urbanization, 199-202. 112 So weist etwa U L R I C H , Apologien, 457, die These zurück, dass hier zeitgenössische Katechese angesprochen wäre. Es ist auf einen deutlichen Unterschied zur ebd. ange‐ gebenen Parallelstelle in Athenag. suppl. 11,2 f hinzuweisen. Dort wird deutlich, dass ungebildete Christen gerade nicht mit dem Wort lehren, sondern mit ihren Taten. um eine freie, noch nicht-normierte und nicht-ritualisierte Form des Vorlesens, deren zeitlicher Umfang sich nach der zur Verfügung stehenden Zeit richtete. 2. Da es noch kein institutionalisiertes Lektorenamt gab, könnte das Vorlesen von jedem aus der Gruppe übernommen worden sein. Wenn der Vorlesende selbst über den Umfang der Lektüre bestimmt hat, könnte das außerdem bedeuten, dass ihm die Auswahl des zu lesenden Textes oblag. Dies würde dann zusammen mit der zeitlichen Bestimmung den oben genannten Merkmalen des Lesens beim Gemeinschaftsmahl, auch bei dem von Gelehrten, (s. o. 6.1) entsprechen: Es stand nur ein begrenzter zeitlicher Rahmen zur Verfügung, daher wurden nur Auszüge aus der Literatur gelesen, keine längeren Ganzschriften, und die Aus‐ wahl der Lesung kann als Beitrag der Mahlteilnehmer zur Gesamtveranstaltung verstanden werden. Diese Deutung bleibt jedoch spekulativ. Unabhängig von der Frage nach dem Mahlkontext kann darüber hinaus sicher gesagt werden, dass Justin die Gruppe als Gruppe von Philosophen präsentiert und deren Interesse an der Lektüre und Auslegung von Texten in erster Linie in diesem sozialgeschichtlichen Horizont zu verstehen ist: „The group reads texts, because philosophers are interested in texts.“ 110 C. Keith setzt die von Justin beschriebene Vorlesung damit in Verbindung, dass in der Gemeinde ein großer Teil illiterat gewesen seien und ihnen daher biblische Texte hätten vorgelesen werden müssen. Diesbezüglich verweist er auf eine Aussage Justins in Apol. 1,60,11: 111 „Bei uns kann man diese Dinge hören und lernen von solchen, die nicht einmal die Formen der Buchstaben kennen, die in der Sprache einfache Leute und Barbaren (παρ’ ἡμῖν οὖν ἔστι ταῦτα ἀκοῦσαι καὶ μαθεῖν παρὰ τῶν οὐδὲ τοὺς χαρακτῆρας τῶν στοιχείων ἐπισταμένων, ἰδιωτῶν μὲν καὶ βαρβάρων τὸ φθέγ), dem Verstande nach aber weise und glaubwürdig sind, sodass man einsieht, dass diese Dinge nicht in menschlicher Weisheit geschehen sind, sondern durch die Kraft Gottes gesprochen werden“ (Üb. U L R I C H , leicht mod. JH). Es ist aber unwahrscheinlich, dass Justin an dieser Stelle tatsächlich, in sozialgeschichtlicher Hinsicht auswertbar, auf Illiterate in der zeitgenössischen römischen Gemeinde verweist. 112 Es spricht einiges dafür, dass Justin hier intertextuell auf die Evangelien und deren Protagonisten verweist (vgl. insb. die expliziten Aussagen in Act 4,13) - einfache Fischer und Handwerker, die nicht Griechisch sprechen, also Barbaren sind (ἰδιωτῶν μὲν καὶ βαρβάρων τὸ φθέγ). Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Studie wird diese 513 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 113 Vgl. L E O N H A R D , Liturgical Need, 98. 114 Vgl. L E O N H A R D / E C K H A R D T , Art. Mahl V, 1077. 115 Eine Kontinuität zwischen dem Lexem περικοπή und dem liturgischen Lesen biblischer Texte stellt aber z. B. C. Markschies her, wenn er in Bezug auf Justin formuliert: „Der vorgelesene Text heißt seit dem zweiten Jahrhundert περικοπή und wird noch heute so genannt“ (M A R K S C H I E S , Lesen, 83). Justin verwendet das Lexem περικοπή (semantischer Hintergrund: das Herausgeschlagene/ -geschnittene) in seiner Dialog mit Tryphon mehrfach um einen Abschnitt aus der Schrift zu kennzeichnen (Iust. Mart. dial. 65,3; 72,3; 78,6; 110,1 f). Aus diesen Stellen geht allerdings keineswegs hervor, dass es sich um einen vorgelesenen Text handelt, eine liturgische Konnotation ist nicht zu erkennen. Vielmehr nutzt Justin περικοπή als Lexem zur Referenzierung auf die jeweils zur Diskussion stehenden Textabschnitte, und zwar im Kontext eines fiktiven philosophischen Lehrdisputs. Aufschlussreich ist, dass Justin das Lexem in dial. 72,3 lediglich zur Referenzierung eines Verses, Jer 11,19, verwendet, was schwerlich als Abschnitt institutionalisierter Lesepraxis zu verstehen ist. Justin verwendet das Lexem entsprechend des konventionalisierten Metapherngebrauchs in der Fachsprache zur Kennzeichnung einer (unspezifischen) Sektion eines Textes (vgl. neben den Quel‐ lenangaben im LSJ die zahlreichen Belegstellen beim alexandrinischen Grammatiker Hephaistion, der ebenfalls im 2. Jh. gelebt hat; Heph. poem. 4,1; 4,5; 7,9; de signis 2). Auf diesen allgemeinen Fachbegriffsgebrauch weist auch M A R K S C H I E S , Lesen, 83, Anm. 20, hin, an seinem Kontinutitätsmodell hält er dennoch fest. 116 Die Repräsentativität wird in der Forschungsliteratur häufig postuliert. Vgl. exempla‐ risch für viele O L D , Reading, 65-269; Hengel, Evangelien, 69 f; M C D O N A L D , Formation II, 116. 117 Vgl. A U F F A R T H , Christentümer. Vgl. zur Diskussion um die Vielfalt im antiken Chris‐ tentum M A R K S C H I E S , Theologie, 337 ff; M A R K S C H I E S , Diversity. 118 Vgl. L E O N H A R D , Liturgical Need, 98, insb. auch seine Hinweise, warum es sich um eine distinkte Gruppe innerhalb der römischen Christen handelt. Deutung zudem dadurch gestützt, dass die Verben ἀκούω und μανθάνω sich durchaus auf die Rezeption von Texten beziehen lassen können (s. o. 3.2 u. 3.6). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass keine spezifische Verbindung zwischen dem Vorlesen und dem auslegenden Vortrag mit dem anschließenden „eucharis‐ tischen“ Mahl vorliegt; 113 eine Kontinuität zu den in der Spätantike entstehenden Liturgien kann nicht postuliert werden. 114 Diesbezüglich sei ferner auch darauf hingewiesen, dass aus der Verwendung des Perikopenbegriffs bei Justin keine Rückschlüsse auf die vorauszusetzenden Lesepraktiken möglich sind. 115 Fraglich bleibt zudem, wie repräsentativ Justins Beschreibung ist, 116 so dass eine Gene‐ ralisierung im Hinblick und Übertragung auf die Christentümer 117 der zweiten Hälfte des 2. Jh. mit Schwierigkeiten behaftet ist. 118 Zuletzt ist außerdem darauf hinzuweisen, dass der Beleg kollektiv-indirekter Formen der Rezeption von vermutlich auch neutestamentlichen Schriften in der Gruppe Justins nicht als 514 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 119 Diesbezüglich wäre z. B. weiterführend über Iust. Mart. apol. 1,44,12 f nachzudenken. Hier formuliert Justin: „Durch den Einfluss böser Dämonen wurde der Tod verordnet gegen die die Bücher des Hystaspes, der Sibylle oder der Propheten Lesenden (κατὰ τῶν τὰς Ὑστάσπου ἢ Σιβύλλης ἢ τῶν προφητῶν βίβλους ἀναγινωσκόντων), damit sie [scil. die Dämonen] durch Furcht die Menschen abhalten, lesend Kenntnis des Guten zu nehmen (ὅπως διὰ τοῦ φόβου ἀποστρέψωσιν ἐντυγχάνοντας τοὺς ἀνθρώπους μὴ τῶν καλῶν γνῶσιν λαβεῖν) […]. So lesen wir sie [scil. die genannten Bücher] dann nicht allein ohne Furcht, sondern bringen sie dir auch, wie du siehst, zur Einsicht (ἀφόβως μὲν γὰρ οὐ μόνον ἐντυγχάνομεν αὐταῖς, ἀλλὰ καὶ ὑμῖν, ὡς ὁρᾶτε, εἰς ἐπίσκεψιν φέρομεν).“ Die Diskussion der Frage, worauf Justin sich hier historisch bezieht, kann hier nicht referiert werden. Wichtig ist jedoch anzumerken, dass die Lesetermini vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie aus sprachlich-syntaktischer Sicht (insb. die Verwendung des substantivierten Partizip von ἀναγιγνώσκω im Aktiv) eher auf individuell-direkte Lektüre verweisen. Es ist auffällig, dass Justin hier, im Unterschied zur passivischen Formulierung in apol. 1,67,3, aktivisch zum Ausdruck bringt, dass sie die genannten Bücher lesen. (Streng grammatisch muss man eigentlich schließen, dass nicht nur das Lesen der Prophetenbücher, sondern auch der Bücher des Hystaspes und der Sybille gemeint sind. Kontextuell sind aber vermutlich nur die „Bücher der Propheten“ gemeint.) Dass aktivisches ἐντυγχάνω bei Justin individuell-direkte Lektüre meinen kann, zeigt z. B. Iust. Mart. apol. 1,14,1; 1,26,8. Noch eindeutiger ein Motiv individuell-direkter und visuell konzeptualisierter Lektüre ist aber das Motiv des Einsicht-Nehmens (εἰς ἐπίσκεψιν) in die überbrachten Bücher. 120 Vgl. exempl. für viele V Ö L T E R , Väter, 1; V I E L H A U E R , Geschichte, 38 f; S A L Z M A N N , Lehren, 157; S C H M I T T , Paroikie, 2; L Ö H R , Studien, 116 f; H E N G E L , Evangelien, 217; Z W I E R L E I N , Petrus, 115. Beleg dafür gelten kann, dass dies die einzige Form war, in der die Mitglieder dieser Gruppe diese Texte rezipiert haben. 119 Dionysios von Korinth Nicht eindeutig zu entscheiden ist, ob in einem Schreiben des Bischofs Dionysios von Korinth an den römischen Bischof Soter, den Euseb im Rahmen einer Reihe von Briefen von ihm in seiner Kirchengeschichte zitiert (Eus. h. e. 4,23), auf kollektiv-indirekte Rezeption am „heiligen Herrentag“ verwiesen wird. „In diesem Brief [an die Römer, gerichtet an Soter] nennt Dionysios auch einen Brief des Klemens an die Korinther und tut kund, dass nach alter Gewohnheit ἐπὶ τῆς ἐκκλησίας die Lektüre/ Verlesung von ihm betrieben wird (τὴν ἀνάγνωσιν αὐτῆς ποιεῖσθαι). So sagt er: ‚Wir verbrachten heute nun den heiligen Herrentag, an dem wir euren Brief lasen (ἐν ᾗ ἀνέγνωμεν ὑμῶν τὴν ἐπιστολήν), den wir immer behalten werden, damit wir [ihn] lesen [können], um ermahnt zu werden (ἣν ἕξομεν ἀεί ποτε ἀναγινώσκοντες νουθετεῖσθαι), wie auch den früheren uns durch Klemens geschriebenen [Brief],‘“ (Eus. h. e. 4,23,11). Diese Stelle wird häufig vereindeutigend als Verweis auf eine regelmäßige gottesdienstliche Verlesung des 1Clem verstanden. 120 515 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 121 L Ö H R , Studien, 116, weist zu Recht darauf hin, dass man diese gut unterscheiden kann. 122 So z. B. L Ö H R , Studien, 116. 123 So z. B. P. Häuser in seiner Übersetzung für die BKV. 124 Vgl. außerdem den Eintrag in den Kephaleia zu Eus. vita Const. 4,17 (GCS 7/ 1,11), der mit θείων γραφῶν ἀναγνώσεις auf Form der direkten Lektüre verweist (s. o. S. 293) 125 C O N C A N N O N , Assembling, 192, übergeht die Bestimmung bei seiner auch sonst sehr freien Übersetzung vollkommen. 126 Diese Stelle ist insofern interessant, als Euseb hier mit ἐπὶ τῆς ἐκκλησίας die Bestimmung παρὰ ἡμῖν (Iust. Mart. dial. 82) paraphrasiert. 127 Erschließbar aus Eus. h. e. 5,24. Dieses Verständnis ist freilich möglich, aus philologischer Sicht aber nicht zwingend. Zunächst ist streng zwischen der Deutung des Zitats bei Euseb (1) und dem Zitat selbst (2) 121 zu unterscheiden. ad 1) Die Deutung des Zitats bei Euseb: a) In Bezug auf die Formulierung τὴν ἀνάγνωσιν αὐτῆς ποιεῖσθαι, die im Sinne von eine „Verlesung vornehmen“ 122 oder (m. E. zu) frei als „vorlesen“ 123 übersetzt wird, ist darauf hinzuweisen, dass ἀνάγνωσις eine gängige Bezeichnung für individuell-direkte Lektüre ist (s. o. 3.1.4) - und die Bekanntheit dieser Bedeutung auch für Euseb vorausgesetzt werden kann (vgl. Eus. h. e. 6,25,12); 124 v. a. ist aber auf die Stellen hinzuweisen, die τὴν ἀνάγνωσιν ποιέω als feste Wendung für „ich betreibe Lektüre“ (s. o. Anm. 75, S. 126) zeigen. b) Liest man Eusebs Aussage als Verweis auf eine kollektiv-indirekte Rezeptionssituation, muss man die adverbiale Bestimmung ἐπὶ τῆς ἐκκλησίας spezifisch im Sinne von „vor der Gemeinde“ verstehen. 125 Für dieses Verständnis finden sich Belegstellen bei Euseb (vgl. z. B. Eus. h. e. 3,23,12; 3,23,7). Allerdings ist auch ein unspezifischeres Verständnis „in der Gemeinde/ Kirche“ (also innerhalb des sozialen Verbandes bzw. bei den Individuen dieses Verbandes) möglich. Auch für dieses Verständnis der adverbialen Bestimmung ἐπὶ τῆς ἐκκλησίας finden sich Belege bei Euseb (vgl. z. B. Eus. h. e. 4,18,8; 126 4,20,1; 4,21,1). c) Auffällig ist freilich die nur bei Euseb (und dort nur zweimal) zu findende Bestimmung „nach alter Gewohnheit“ (ἐξ ἀρχαίου ἔθους), die im Sinne einer etablierten rituellen Praxis verstanden werden kann, 127 an der einzigen anderen Stelle im Werk Eusebs, wo genau diese Phrase vorkommt, aber gerade nicht auf eine rituelle Praxis verweist, sondern das lange Bestehen einer Institution hervorhebt (vgl. Eus. h. e. 5,10,1). Aber selbst wenn Euseb die Aussagen von Dionysios so versteht, als hätte es in der korinthischen Gemeinde eine regelmäßige Verlesung des 1Clem gegeben, heißt das noch nicht, dass die Aussagen von Dionysios dies auch eindeutig bezeugen. ad 2) Das Zitat selbst: a) Zunächst ist noch einmal hervorzuheben, dass das Verb ἀναγιγνώσκω nicht automatisch die Bedeutung „vorlesen“ hat, wie in dieser Studie v. a. unter 3.1 herausgearbeitet worden ist. b) Dass Dionysios hier in der 1. Pl. schreibt, muss nicht zwingend dahingehend verstanden werden, dass die Verben auf kollektive Handlungen verweisen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen Ant‐ 516 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 128 Die Formulierung ἐπισκόπῳ τῷ τότε Σωτῆρι προσφωνοῦσα zeigt m. E., dass es sich um ein Schreiben von Dionysos an den Bischof Soter handelt. Die Formulierung πρὸς Ῥωμαίους ἐπιστολὴ ist hingegen nicht dem Schreiben selbst entnommen, sondern - entsprechend der Überlieferung neutestamentlichen Paulusbriefe - entweder Teil der paratextuellen Information in der Handschrift, die Euseb vorliegt, oder Interpretation Eusebs. 129 Vgl. zu den verschiedenen Lexemen, die zur Bezeichnung dieses Phänomens verwendet werden, W O L F F , Paulus, 96. 130 Vgl. z. B. die Belege bei Z I L L I A C U S , Selbstgefühl, 45-56. 131 Vgl. zur kontroversen Forschungsdiskussion um das „Wir“ in den Paulusbriefen, in der in jüngerer Zeit die Existenz eines „schriftstellerischen Wirs“ in den Paulusbriefen (vgl. v. a. D I C K , Plural) z. T. eher skeptisch gesehen wird, B Y R S K O G , Co-Senders; M Ü L L E R , sogenannte; B E C K E R , Schreiben, 153; V O G E L , Commentatio, 33, Anm. 84; V E G G E , Letter, 376; insb. die ausführlichen Auseinandersetzungen bei B E R G E , Faiblesse, 13-225; W O L F F , Paulus, 89-117. 132 Vgl. gegen die v. a. von H A R N A C K , Ursprung, stark gemachte These, diesen Brief mit dem 2Clem zu identifizieren, P R A T S C H E R , 2Clem, 56-58. 133 Briefe als Kommunikationsmittel zwischen Bischöfen bzw. anderen Funktionsträgern werden auch im Corpus der Cyprianbriefe sichtbar. Vgl. B A U M K A M P , Kommunikation, 56 f. wortbrief von Dionysios handelt, der an Bischof Soter gerichtet ist, wie Euseb explizit hervorhebt (Eus. h. e. 4,23,9). 128 Entsprechend können die Pluralformulierungen als pluralis sociativus (Inklusion der Adressaten) oder als sog. „schriftstellerischer Plural“ (Verwendung im Sinne der 1. Sg.) 129 verstanden werden - ein Phänomen, das etwa aus den Paulusbriefen sowie aus dokumentarischen Briefen 130 bekannt ist. 131 Damit würde sich dann ὑμῶν τὴν ἐπιστολήν auch nicht auf einen Brief der römischen Gemeinde an die korinthische Gemeinde beziehen, sondern auf einen Brief des Bischof Soter, 132 den er als Stellvertreter seiner Gemeinde an den Bischof Dionysios von Korinth geschickt hat. 133 Dafür spricht, dass Euseb direkt davor einen Briefwechsel zwischen ihm und Pinytos, dem Bischof von Knossos, erwähnt (Eus. h. e. 4,23,7 f). c) Die Angabe τὴν σήμερον οὖν κυριακὴν ἁγίαν ἡμέραν διηγάγομεν kann - insb. wenn man sie vor dem Hintergrund des eben entwickelten Verständnisses der Wir-Formulierungen liest - als bloße Zeitangabe verstanden werden. Dionysios gibt also den Tag an, an dem der Brief von Soter gelesen wurde und an dem er seinen Antwortbrief verfasst hat (daher auch der Verweis auf „heute“). Es gibt m. E. keine Anhaltspunkte, das Verb διάγω im Sinne des Verweises auf eine „liturgische“ Feier zu verstehen. d) Unabhängig von der Frage nach dem Bezug des „Wir“ ist allerdings die Formulierung ἣν ἕξομεν ἀεί ποτε ἀναγινώσκοντες νουθετεῖσθαι auffällig und wirkt syntaktisch etwas umständlich, versteht man sie so, als wolle Dionysios nur zum Ausdruck bringen, dass man den Brief zukünftig regelmäßig lesen wolle. Der Schwerpunkt der Aussage in diesem Nebensatz liegt nicht auf dem zukünftigen Lesen, sondern auf dem Behalten, Im-Besitz-Halten des Briefes (ἔχω); ἀναγινώσκοντες νουθετεῖσθαι verweist auf den Grund des Behaltens, 517 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 134 Vgl. G E O R G E S , Tertullian, 570. wobei aus der Aussage nicht hervorgehet, ob der Brief regelmäßig gelesen wird. Die Aussage könnte - zusammen mit dem Hinweis auf den Clemensbrief, der ja ebenfalls aus Rom stammt, - auch im Sinne einer captatio benevolentiae verstanden werden und wäre dann historisch nur schwer auswertbar. Tertullian Weitere interessante Belege zur kollektiv-indirekten Rezeption biblischer Texte in der frühen Kirche finden sich bei Tertullian. In seinem Apologeticum ist eine Szene zu lesen, die eindeutig im Kontext eines Gemeinschaftsmahles steht und in der „aus der Schrift“ vorgesungen wird: „Nachdem das Wasser zum Händewaschen gereicht ist und die Lichter angezündet sind, wird ein jeder hervorgerufen, Gott Lob zu singen, wie er es aus der Heiligen Schrift oder nach eigenen Fähigkeiten kann. Daran erkennt man, wie er getrunken hat (Post aquam manualem et lumina, ut quisque de scripturis sanctis vel de proprio ingenio potest, provocatur in medium deo canere; hinc probatur quomodo biberit)“ (Tert. apol. 39,18). Anders als bei Justins Gruppe ist der Kontext hier eindeutig ein Symposion. Laut Tertullian werden die Teilnehmer aufgefordert, in freier Form oder aus der Schrift vorzusingen. Hierbei wird man in erster Linie an die Psalmen zu denken haben. 134 Da „die Schrift“ bei Tertullian auch neutestamentliche Texte umfassen kann, ist aber ein Bezug darauf nicht ausgeschlossen. Die Formulierung de scripturis sanctis kann man, zusammen mit dem Hinweis auf das Entzünden der Lichter, dahingehend deuten, dass man sich dieses Vorsingen schriftmediengebunden vorstellen kann. Das von Tertullian Beschriebene fügt sich in die allgemeine symposiale Praxis der griechisch-römischen Welt ein, dass die Mahlteilnehmer einen Beitrag zum Symposion zu geben haben. Als eine Form liturgischen Lesens kann man diese beschriebene Praxis jedoch nicht werten, eine Kontinuität zur späteren gottesdienstlichen, liturgischen Schriftlesung kann schwerlich postuliert werden. Erstens obliegt die Auswahl des Vorzusingenden offensichtlich den einzelnen Mahlteilnehmern, zudem interpretiert Tertullian die Funktion des Vorsingens ganz spezifisch als Grad‐ messer für den Trunkenheitsgrad. Ähnlich wird man wohl auch die rhetorische Frage vbi fomenta fidei de scripturarum interiectione in Tert. uxor. 2,6 zu verstehen haben. Hier verweist Tertullian nicht auf eine institutionalisierte liturgische Schriftlesung, sondern auf das „Dazwischenwerfen“ (interiectio) von Schriftworten beim Symposion 518 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 135 Vgl. zur Begründung K L I N G H A R D T , Gemeinschaftsmahl, 514 f. Wichtig erscheint hier zus. der Hinweis auf die Formulierung haec coitio Christianorum in Tert. apol. 39,20, die sich auf die Beschreibung des Mahlverlaufes zurückbezieht und lexikalisch das Verb coeo, das in apol. 39,2 f das Versammeln bezeichnet, wieder aufnimmt. 136 Vgl. auch G E O R G E S , Tertullian, 550. 137 Dies entspricht der in Tert. apol. 20 zu findenden Charakterisierung der Schrift. 138 So schon G L A U E , Tertullian, 150. In diesen Kontext könnte man dann auch den Hinweis auf das Vorlesen von 1Tim 3,2-4 in Tert. monog. 12,6 einordnen. durch die Mahlteilnehmer, denn im Kontext wird eindeutig die schädliche „heidnische“ Mahlpraxis der christlichen Mahlpraxis gegenübergestellt. Ebenfalls im Kontext des in apol. 39 verteidigten Gemeinschaftslebens der Christen formuliert Tertullian: „Wir kommen zusammen, um die göttlichen Schriften in Erinnerung zu rufen (coimus ad litterarum diuinarum commemorationem), wenn die Lage der gegenwärtigen Zeiten dazu nötigt, entweder vorher etwas zu warnen oder etwas rückblickend zu erkennen (si quid praesentium temporum qualitas aut praemonere cogit aut recognoscere). Jeden‐ falls nähren wir unseren Glauben mit den heiligen Worten, richten unsere Hoffnung auf, festigen unsere Zuversicht und bündeln nichtsdestoweniger unsere Lehre durch Einschärfung der Gebote“ (Tert. apol. 39,3; Üb. G E O R G E S ). Zunächst ist hervorzuheben, dass sich Tertullian im gesamten Kapitel 39 auf das Gemeinschaftsmahl als Ort der gemeindlichen Versammlung bezieht, dessen Verlauf er in apol. 39,17-19 schildert. 135 Die Formulierung ad litterarum diuinarum commemorationem bringt zwar nicht eindeutig zum Ausdruck, dass aus den „göttlichen Schriften“ vorgelesen wird (theoretisch denkbar wäre ein reiner Vortrag über die Schriften), legt diese Annahme jedoch nahe. 136 Zusätzlich deutet die Formulierung darauf hin, dass das Vorgelesene durch einen auslegenden Vortrag ergänzt wurde. Entscheidend ist die Formulierung aber nun insofern, als der mit si eingeleitete Konditionalsatz verdeutlicht, dass die anzunehmende kollektiv-indirekte Rezeption der Schrift in der von Tertullian beschriebenen Versammlung der Christen in Nordafrika nur unter bestimmten Bedingungen erfolgte und mit einem spezifischen Leseziel verknüpft war. Das Ziel bestand nämlich darin, eine pro- oder retrospektive Heuristik (praemonere/ re‐ cognoscere)  137 für die Einordnung spezifischer Situationen in der Gegenwart und für deren Verständnis sowie daraus resultierende Handlungsoptionen zu liefern. Daraus folgt, dass auch die vorzulesenden Texte situationsbezogen ausgewählt worden sein müssen. 138 Vor diesem Hintergrund gewinnt nun das Schweigen über eine Schriftlesung in der Beschreibung des Gemeinschaftsmahls (Tert. apol. 39,17-19) an Beweiskraft. Eine Schriftlesung kann Ende des zweiten Jh. in Nordafrika nicht als konstitutiver Bestandteil der Gemeindeversammlung 519 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 139 Der Verweis auf die öffentliche sabbatliche Verlesung der Schriften durch die Juden in Tert. apol. 18,9 kann nicht auf die christlichen Gemeinden übertragen werden. In Tert. apol. 18-20 wird keine spezifische Lesepraxis der Christen verteidigt, sondern nur die Schriften, deren Autorität und Unbedenklichkeit an sich. Vgl. dazu G E O R G E S , Tertullian, 298-314. Der hier im direkten Kontext bezeugte öffentliche Zugang zu den Schriften des AT in griechischer und hebräischer Sprache im Serapeum, der Bibliothek des Ptolemaios (Tert. apol. 18,8), hat hier freilich apologetischen Charakter, zeigt aber doch die potentielle Möglichkeit einer individuell-direkten Lektüre dieser Schriften an. Tert. apol. 22,9, pall. 2 und ieiun. 11 sind zu unspezifisch, um weiterführende Schlussfolgerungen daraus ableiten zu können. Insbesondere an letzgenannter Stelle kann lectio durchaus individuell-direkte Lektüre meinen. Dass Tertullian lectio in diesem Sinne verwendet, zeigt Tert. adv. Iud. 1. 140 Gegen G E O R G E S , Tertullian, 550. 141 „Wohlan nun, der du deine Wißbegierde für dein Heil besser bestätigen willst, gehe die apostolischen Gemeinden durch, in denen sogar noch die Lehrstühle der Apostel (cathedrae apostolorum) an ihrem jeweiligen Ort den Vorsitz bezeichnen, in denen sogar ihre echten Briefe verlesen werden (apud quas ipsae authenticae litterae eorum recitantur), die die Stimme eines jeden vor ihnen hören lassen und ihr Antlitz verge‐ genwärtigen“ (Üb. S C H L E Y E R ). 142 So auch S C H L E Y E R (ed.), De Praescriptione Haereticorum, 305, Anm. 101 (Lit.). 143 So z. B. S C H L E Y E R (ed.), De Praescriptione Haereticorum, 305; A L I K I N , History, 162. 144 Das Lexem litterae ist nicht zwingend auf „Briefe“ begrenzt, sondern kann auch „Schriften“, „Urkunden“ etc. in einem allgemeineren Sinne bezeichnen. Vgl. G E O R G E S , Handwörterbuch, 2904. Durch die Autorenzuschreibungen können zumindest das MtEv und das JohEv eindeutig als apostolische Schriften mitgemeint sein. An anderer Stelle bezeichnet Tertullian Briefe der Apostel als epistulae (Tert. praescr. 26,11). Allerdings spricht er auch davon, dass in Rom legem et prophetas cum euangelicis et apostolicis litteris in Rom gemischt würden (Tert. praescr. 36,5). betrachtet werden, sondern war nur ein situativ bedingtes Supplement. 139 Dies ist für die Fragestellung dieser Studie von großer Relevanz, da es als eindeutiges Indiz zu verstehen ist, das gegen die Annahme einer Kontinuität liturgischer Lesepraktiken im Gottesdienst von der neutestamentlichen Zeit bis zur Zeit der Entwicklung der großen Liturgien in der Spätantike spricht. Vorsichtig sollte man vor diesem Hintergrund außerdem dabei sein, die hier vorauszusetzende kollektiv-indirekte Rezeption der Schriften vorschnell mit der in Iust. Mart apol. 1,67,3 f bezeugten Lesepraxis gleichzusetzen. 140 Den historischen Wert des Hinweises von Tertullian auf die Verlesung der authenticae litterae apostolorum (Tert. praescr. 36,1) 141 im Hinblick auf die Lesepraktiken im Christentum zu Beginn des 3. Jh. ist schwer einzuschätzen. Meint authenticae litterae die Autographen, die dann gut 150 Jahre alt gewesen sein müssten, oder, was durchaus in den Kontext der Auseinandersetzung mit Fälschungen und redaktionellen Eingriffen in die Schrift (Tert. praescr. 38) passt, einen zuverlässigen griechischen Text? 142 Meint Tertullian nur die Briefe 143 oder auch die Erzähltexte des NT? 144 Inwiefern beruft sich Tertullian auf eine ihm 520 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 145 Tert. praescr. 32 lässt weiteres Wissen über die apostolischen Gemeinden erkennen. 146 Zumindest im Fall von Ephesos (Tert. praescr. 36,2) wären Zweifel angebracht, ob eine vorauszusetzende Behauptung der Gemeinde von Ephesos, sie nutzten das an sie geschickte Autographon des Epheserbriefes, historisch zutreffen kann. Und zwar dann, wenn die These der sekundären Zuschreibung des Laodicenerbriefes als Epheserbrief (s. o. S. 442) stimmt. 147 Daher kann die Stelle auch nicht als Beleg für Schriftlesungen in Nordafrika angeführt werden. Gegen B U R N S / J E N S E N , Christianity, 235, die sonst keine weiteren Belege für ihre Aussage beibringen, „[t]he reading of scriptures in the Christian assembly is well attested in Tertullian’s work“ (ebd.). 148 Vgl. neben der cathedra und der curiositas (Tert. Praescr. 36,1) u. a. die Lexeme doctrina und doceo (Tert. Praescr. 36-38, passim). 149 Die Formulierung προδιανυκτερεύοντες ἀναγνώσεσι kann freilich auch bedeuten, dass sie sich die gesamte Nacht individuell-direkt mit Lektüren beschäftigen. 150 Nicht eindeutig bestimmen lässt sich die vorausgesetzte Rezeptionssituation in Clem. Al. paid. 1,35,2. Es wäre hier theoretisch möglich, dass Clemens auch eine individuell-di‐ rekte Rezeptionssituation im Blick hat. bekannte Praxis? 145 Wenn es sich um eine bekannte Praxis handelt, kann man es sich als besondere, nur in diesen Gemeinden zu findende Praxis vorstellen, die sich womöglich öffentlichkeitswirksam an Besucher richtet, die ein Interesse an „den Originalen“ haben? 146 Wäre es also möglich, dass diese Gemeinden sich ihren im NT dokumentierten apostolischen Ursprung zu Nutze machten? Setzt man eine solche Vorlesung der jeweils an die einzelnen Gemeinden adressierten Schriften voraus, so handelte es sich dabei nicht um eine Lesepraxis, die man als „liturgisch“ charakterisieren kann (es handelte sich ja dann immer um denselben Text), sondern um ganz spezifische, nicht für christliche Gemeinden Anfang des 3 Jh. repräsentative 147 Lesungen mit einem speziellen Zweck, die noch dazu eher in einem Lehrkontext zu verorten sind. 148 Clemens Alexandrinus und Origenes Auch bei Clemens von Alexandrien fehlt ein Hinweis auf eine regelmäßige Schriftlesung bei der Gemeindeversammlung (s. u.). Er bezeugt als kollektiv-in‐ direkte Formen der Rezeption das „Vorlesen/ die Lektüre der Schriften des Herrn“ (τῶν γραφῶν τῶν κυριακῶν ἀνάγνωσις) zu katechetischen Zwecken (vgl. Clem. Al. strom. 6,91,5) und ein nächtliches Lesen der Anhänger des Basileides zur Feier der Taufe des Jesu (Clem. Al. strom. 1,146,1). 149 In Clem. Al. strom. 3,39,3 verweist er auf die Veränderung des Tons der Stimme, die zu einer aus seiner Sicht unzulässigen Veränderung des Sinns der Schrift führt. Die hier vorausgesetzte kollektiv-indirekte Rezeptionssituation lässt sich nicht genauer kontextualisieren. 150 521 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 151 Vgl. G R A P P O N E , cronologia; G R A P P O N E , contesto (für diese Hinweise danke ich H. Buchinger); B U C H I N G E R , Origenes. 152 S. o. 1. 153 So formuliert Augustinus: „Wenn ihr zur Kirche zusammenkommt, legt die nichtigen Mythen beiseite und hört aufmerksam auf die Schrift. Wir sind eure codices (quando convenitis ad ecclesiam, tollite fabulas vanas, intenti estote ud scripturas. Codices vestri nos sumus)“ (Aug. serm. 227, SC 116, 238; Üb. M R A T S C H E K , leicht mod. JH). Ob im Hintergrund der Metapher „wir sind eure codices“ jedoch tatsächlich das Problem hoher Buchpreise stehe und sich hier die Bildungselite von der Masse der Gemeindeglieder abhöbe, wie M R A T S C H E K , Codices, 379 f, vermutet, ist zu hinterfragen. Denn immerhin deutet doch die Formulierung tollite fabulas vanas darauf hin, dass die hier Angespro‐ chenen andere Bücher entsorgen sollen. So handelt es sich bei tollo um das Verb, das bei Augustin an berühmter Stelle (tolle lege; Aug. conf. 8,29) den haptischen Umgang mit einem Lesemedium bezeichnet. 154 Vgl. M R A T S C H E K , Codices, 379 f, insb. ihren Verweis auf Martinianus, der lt. Paul. Nol. carm. 24,270-272 ständig einen Pergamentcodex mit einer Paulusbriefsammlung mit sich herumtrug. 155 S. o. Anm. 34-38, S. 27-28. Auch die bei Origenes in seinen Homilien bezeugte regelmäßige Verlesung von biblischen Texten zeigt kein gleichsam universelles Konzept von Schrift‐ lesung in gottesdienstlichen Versammlungen in der ersten Hälfte des 3. Jh., vielmehr ist hier die Verlesung personell an seine Lehrtätigkeit gebunden. 151 Wie in der Einleitung angedeutet, sieht die Liturgiewissenschaft die Entste‐ hung geordneter liturgischer Lesungen biblischer Texte als ein spätantikes, nachkonstantinisches Phänomen. 152 Für diese Zeit ist allerdings interessanter‐ weise als Konzept belegt, dass das Vorlesen in der Kirche als Ersatz für indi‐ viduell-direkte Lektüre verstanden werden konnte, 153 wobei die individuell-di‐ rekte Lektüre, der Besitz von Büchern und das ständige Lesen als Ideal von den christlichen Bildungseliten propagiert wurde. 154 Für die Zeit vor Konstantin deutet der Befund, der sich zu keinem Gesamtbild zusammenfügen lässt, auf eine Vielfalt kollektiv-indirekter Formen der Rezeption biblischer Texte hin, auf deren Grundlage sich schwerlich eine lineare Entwicklungsgeschichte liturgischer Schriftlesungen schreiben ließe. 9.5.2 Individuell-direkte Lektüre Neben den diskutierten Belegen zur Vielfalt kollektiv-indirekter Formen der Rezeption gibt es in den Quellen auch aus der Zeit der frühen Kirche zahlreiche Hinweise auf individuell-direkte Lektürepraktiken, die sich zu einem großen Teil schon in Harnacks (m. E. in der Forschung zu wenig berücksichtigten) Arbeit „Über den privaten Gebrauch der Heiligen Schriften in der Alten Kirche“, die im Einleitungskapitel schon besprochen wurde, 155 zusammengestellt worden 522 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 156 S. o. Anm. 39, S. 28. Jüngst hat K A N Y , Privatbibliotheken, 379-381, gegen die kritische Tendenz in der Forschung, in Anknüpfung an Harnack und instruktiv auf der Grundlage der wichtigsten Quellen dargelegt, dafür plädiert, dass auch bei weniger begüterten Christen in der Antike Bücherbesitz und damit individuell-direkte Lektüre vorausge‐ setzt werden kann. Dies korrespondiert mit den oben stehenden Überlegungen zu Buchpreisen (s. 5). 157 Die Übersetzung „Einblick nehmen“ bei L I N D E M A N N / P A U L S E N trifft zwar die Sache - allerdings nur, wenn man das deutsche Syntagma wörtlich versteht -, gibt die Semantik des griechischen Verbes aber nicht treffend wieder. 158 In der syrischen Überlieferung besteht eine Spannung des Namens Imperator Hadrian in der Titelangabe und dem Namen Caesar Titus Hadrian Antoninus Augustus in der Dedikation, in der armenischen steht in der Dedikation nur der Name Hadrian. Die Verwechslung von Antoninus Pius und Hadrian könnte auf eine Fehlinterpretation der Herrschertitulatur zurückzuführen sein, denn Antoninus Pius führte auch den Namen seines Vorgängers. sind. Es ist hier nicht der Ort, alle von ihm angeführten Quellen erneut zu sichten. Im Folgenden kann es nur darum gehen, die Kritik, die Harnack in der Forschung entgegengebracht wurde, 156 vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie anhand einer exemplarischen Auswahl von Stellen zu entkräften und zu verdeutlichen, inwiefern es sich lohnen würde, die Quellen, die Auf‐ schluss über Lesepraktiken in der Alten Kirche versprechen, insgesamt einer detaillierteren Analyse (z. B. vor dem Hintergrund des hier vorgeschlagenen [s. o. 1.5] und erprobten Modells) zu unterziehen. Einen großen Quellenwert besitzen die Zeugnisse in der frühchristlichen Literatur, die Lesemetaphern und -metonymien über die gängigen Leseverben hinaus verwenden. Relativ häufig ist das Bild des „Hineinbeugens“ in einen Text zu finden, das auch in nicht-christlichen Texten der griechisch-römischen Welt als Lesemetonymie nachweisbar ist und eine vertiefte Form der individuell-di‐ rekten Lektüre bezeugt (s. o. 3.7). Eine vertiefte Lektüre alttestamentlicher Texte ist in 1Clem 45,1 und 53,1 im Blick: „Ihr habt Euch vertieft [wörtl. hineingebeugt] 157 in die heiligen Schriften, die wahren, die durch den heiligen Geist [gegebenen]“ (1Clem 45,2). „Freilich kennt ihr - und ihr kennt sie gut, Geliebte - die heiligen Schriften und ihr habt euch vertieft [wörtl. hineingebeugt] in die Worte Gottes. Demnach schreiben wir euch dies (lediglich) als Erinnerung. … Es folgen Zusammenfassungen von Erzählungen aus dem AT“ (1Clem 53,1). Die Verwendung des Verbes ἐγκύπτω macht es wahrscheinlich, dass Clemens bei seinen Adressaten eine individuelle Lektüre mit dem Schriftmedium in der Hand voraussetzt. Der Apologet Aristides von Athen fordert in der ersten Hälfte des 2. Jh. seinen postulierten Leser, den römischen Princeps Antoninus Pius, 158 der im griechischen Text als βασιλεύς angesprochen wird (vgl. Arist. apol. 1,1), dazu auf: 523 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 159 Die Anrede des römischen Princeps als βασιλεύς ist ungewöhnlich und widerspricht in fundamentaler Weise der Herrschaftsideologie der römischen Principatszeit. 160 Vgl. die Zusammenstellung von 12 Erklärungsansätzen bei H A R T O G , Polycarp, 113 f. 161 Polykarp hat zahlreiche Paulusbriefe benutzt. Vgl. L I N D E M A N N , Sammlung, 340 f; B E R ‐ D I N G , Polycarp, vgl. den Verweis auf die Literatur ebd., 188, Anm. 5; H O L M E S , Polycarp, 201-218; vgl. ferner die Diskussion um das Verhältnis der Pastoralbriefe und Polykarp. S. dazu v. a. C A M P E N H A U S E N , Polykarp. 162 Vgl. auch B E R D I N G , Polycarp, 188; S C H L I E S S E R , Art. Corpus Paulinum. „Und damit du erkennst, König, 159 dass ich dieses nicht von mir aus sage - wenn Du Dich in die heiligen Schriften der Christen vertiefst [wörtl.: hineinbeugst], wirst Du finden [ταῖς γραφαῖς ἐγκύψας τῶν Χριστιανῶν εὐρήσεις], dass ich nichts außerhalb der Wahrheit sage.“ (Arist. apol. 16,4 [SC 470]). Hier steht ἐγκύπτω ganz eindeutig pars pro toto für den Leseprozess und εὑρίσκω für das Verstehen. Entscheidend ist, dass die Metonymie auch schon im 2. Jh. explizit auf neutes‐ tamentliche Texte angewandt wird. So fordert Polykarp seine Adressaten in Philippi dazu auf, sich in Briefe von Paulus hineinzubeugen: „der [Paulus] auch abwesend Briefe an euch geschrieben hat, durch die ihr auch, wenn ihr euch darin vertieft (ὃς καὶ ἀπὼν ὑμῖν ἔγραψεν ἐπιστολάς, εἰς ἃς ἐὰν ἐγκύπτητε), erbaut werden könnt zu dem Glauben, der euch gegeben wurde“ (Polyk 3,2; Üb. L I N D E M A N N / P A U L S E N ). Auffällig ist diese Stelle, weil Polykarp von Briefen im Plural spricht und dies nicht mit dem einen neutestamentlichen Phil übereinstimmt. Die zahlreichen Erklärungsvorschläge für dieses Phänomen, die P. Hartog systematisierend zusammengestellt hat, können hier nicht in Einzelnen diskutiert werden. 160 Eine weitere Erklärung für den Plural könnte darin bestehen, dass Polykarp hier schon eine publizierte Sammlung von Paulusbriefen vor Augen hat und das ὑμῖν weniger spezifisch auf den einen Phil bezieht, sondern auf die „literarischen“ Paulusbriefe, 161 die sich an einen umfassenderen christlichen Rezipientenkreis richten. 162 Unabhängig von dem schwer eindeutig einzuordnenden Plural ist im Hinblick auf die Frage dieser Studie wichtig, dass für die Folgerezeption von Paulusbriefen schon im zweiten Jh. die Verwendung der Metonymie des „Hineinbeugens“ belegt ist und Polykarp damit eine Form vertiefter indivi‐ duell-direkter Lektüre dieser Texte aller Wahrscheinlichkeit nach voraussetzt. Daneben lässt sich aber z. B. auch das Konzept „Lesen als Suchen bzw. Fragen“ in den patristischen Quellen finden, wie schon vereinzelte Belege unter 3.6 gezeigt haben und auch in den folgenden Belegen deutlich wird: Justin 524 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 163 Vgl. zum Vorzug dieser von A. Nehamas geprägten Kategorie gegenüber der unscharfen Kategorie des „implizierten Autors“ K I N D T / M Ü L L E R , Autor. 164 Vgl. außerdem exempl. Orig. Cels. 3,33. 165 Vgl. neben dem schon besprochenen Beleg Arist. apol. 16,4 [SC 470]; Iust. Mart. apol. 1,8,3; Theoph. Autol. 3,30; Orig. Cels. 5,23. 166 Vgl. z. B. Iust. Mart. dial. 10; 18,1. Vgl. weiterführend und mit weiteren Verweisen auf die Quellen C O O K , Interpretation; H E N G E L , Leser. verweist den postulierten Leser 163 Antoninus Pius auf die Möglichkeit, dass er verschiedene Bezeichnungen (ὄφις, σατανᾶς, διάβολος) für das „Oberhaupt der bösen Dämonen […] nachforschend aus unseren Schriften lernen kann (ἐκ τῶν ἡμετέρων συγγραμμάτων ἐρευωήσαντες μαθεῖν δύνασθε; Iust. Mart. Apol. 1,28,1).“ Da die hier genannten drei Bezeichnungen ὄφις, σατανᾶς, διάβολος in dieser Kombination in den biblischen Schriften lediglich in Apc 12,9; 20,2 vorkommen, die stammverwandten Lexeme ἀρχαῖος und ἀρχηγέτης diese intertextuelle Verknüpfung noch verstärken und Justin von „Schriften“ im Plural spricht, liegt es nahe, dass er hier an neutestamentliche Schriften denkt, die potentiell einem weiteren Kreis zugänglich gewesen sein müssen, da sich Justin gegenüber seinen Lesern - selbst wenn Justin Antoninus Pius lediglich aus rhetorischen Gründen als Adressat und Leser postuliert -, sonst unglaubwürdig gemacht hätte. Analog legt Theophilos Autolykos in seiner Apologie nahe, in den biblischen Schriften zu lesen: „Und nun sei es künftig dein Bestreben, freundlich gesinnt die göttlichen Dinge zu erforschen, ich meine nämlich die Aussprüche der Propheten (… ἐρευνᾶν τὰ τοῦ θεοῦ, λέγω δὲ τὰ διὰ τῶν προφητῶν ῥηθέντα), damit du im Vergleich des von uns Gesagten und von anderen die Wahrheit finden könntest“ (Theophilus, Ad Autol. 2,34,1 f). 164 Diese wenigen Beispiele zeigen, dass eine systematische Untersuchung von Lesemetaphern und -metonymien in der frühchristlichen Literatur wertvolle Erkenntnisse über Lesepraktiken im frühen Christentum verspricht. Als wei‐ tere indirekte Zeugnisse für individuell-direkte Lektürepraktiken haben die Hinweise zu gelten, die auf eine über eine konkrete Gemeinde hinausgehende Verfügbarkeit biblischer Texte hindeuten. So ist darauf hinzuweisen, dass in der apologetischen Literatur die Verfügbarkeit biblischer Texte auch für Nicht-Christen vorausgesetzt wird, 165 außerdem die Lektüre biblischer Texte durch Nicht-Christen auch explizit bezeugt ist. 166 Aufschlussreich sind sodann die Bestimmungen in der vollständig nur im Syrischen überlieferten, ursprüng‐ lich auf Griechisch verfassten Didaskalia aus dem 3. Jh.: „Wenn du wohlhabend bist und kein Handwerk nötig hast, um davon zu leben, so streife nicht umher und treibe dich nicht nutzlos herum, sondern sei eifrig zu jeder Zeit, die Gläubigen und deine Gesinnungsgenossen zu besuchen. Denke mit ihnen 525 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 167 CA 1,5: ἀλλ’ εἴτε προσέρχῃ τοῖς πιστοῖς τε καὶ ὁμοδόξοις, συμβάλλων τὰ ζωοποιὰ προσομίλει ῥήματα. 168 CA 1,5: Εἰ δὲ μή, καθεζόμενος ἔνδον ἀναγίνωσκε τὸν Νόμον, τὰς Βασιλείους, τοὺς Προφήτας, ψάλλε τοὺς Ὕμνους, διέρχου ἐπιμελῶς τὸ Εὐαγγέλιον τὸ τούτων συμπλήρωμα. Τῶν ἐθνικῶν βιβλίων πάντων ἀπέχου. 169 CA 1,6; Εἴτε γὰρ ἱστορικὰ θέλεις διέρχεσθαι, ἔχεις τὰς Βασιλείους· 170 CA 1,6: Σὺ οὖν, ἀναγνοὺς τὸν Νόμον σύμφωνον ὄντα τῷ Εὐαγγελίῳ καὶ τοῖς Προφήταις, ἀναγίνωσκε καὶ τὰς Βασιλείους, ὅπως εἰδέναι ἔχοις. 171 Das Verb διέρχομαι wird sodann auch noch einmal in CA 1,6 in Bezug auf historiogra‐ phische Literatur verwendet. Ferner ist in CA 3,7 bestimmt, dass die wahren Witwen (χῆραι) in ihren Häusern sitzen und dort u. a. lesen sollen (καθημένη ἐν τῇ οἰκίᾳ αὐτῆς … ἀναγινώσκουσα). 172 Dies ist die Rezeptionssituation, gegenüber der Tertullian wegen der Ambiguitäten der biblischen Texte deutliche Vorbehalte hat (vgl. G E M E I N H A R D T , Das antike Christentum, 71), wodurch zugleich ein Beleg der eigenständigen, individuell-direkten Form der Auseinandersetzungen mit der Bibel durch Gemeindeglieder in Karthago des 2./ 3. Jh. gegeben ist. nach und unterrichte dich über die lebendigen Worte. 167 Und wenn nicht, sitze zu Hause und lies im Gesetz, im Buch der Könige und der Propheten und im Evangelium, der Erfüllung jener. Von den Schriften der Heiden jedoch halte dich fern. 168 […] Wenn du Geschichtsberichte lesen willst, so hast du das Buch der Könige, 169 wenn aber die Weisen und Philosophen, so hast du die Propheten, bei denen du mehr Weisheit und Verstand findest, als (bei den) Weisen und Philosophen […] Denn unser Erlöser ist um keiner anderen Sache willen gekommen, als das Gesetz zu erfüllen, und uns von den Banden der Wiederholung des Gesetzes zu befreien. […] Du nun, der du ohne die Schwere dieser Lasten bist, lies das einfache Gesetz, welches mit dem Evangelium übereinstimmt, und auch im Evangelium selbst und in den Propheten, ebenso im Buche der Könige 170 “ (Didasc. syr. 2, Üb. A C H E L I S / F L E M M I N G ). Nicht eindeutig ist, ob die kollektive Auseinandersetzung mit den „lebendigen Worten“ kollektiv-indirekte Rezeption von Schriften impliziert. Gefordert wird in der Quelle individuell-direkte Lektüre alttestamentlicher Schriften und der Evangelien, wobei die christologische Hermeneutik als Verstehenserleichterung gedeutet wird. In der griechischen Fassung des Textes, der als Teil der grie‐ chischen Überlieferung der Constitutiones Apostolorum überliefert ist, wird die individuell-direkte Lektüre mit dem Verb ἀναγιγνώσκω zum Ausdruck gebracht, in Bezug auf das Evangelium (gemeint ist hier im 3. Jh. wohl ein Buch mit den vier Evangelien) die Leseweise durch die Lesemetapher des „sorgfältigen Hindurchgehens“ (CA 1,5 διέρχου ἐπιμελῶς τὸ Εὐαγγέλιον) spezifiziert. 171 Als Lesesituation ist eindeutig ein privater häuslicher Rahmen erkennbar, in dem im Sitzen gelesen wird. 172 526 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 173 S. o. Anm. 248, S. 74; Anm. 40, S. 302. 174 „Für viele ist es eine [körperliche] Übung, wenn sie auch die Ausartikulation der Lektüre (γεγωνὸς τῆς ἀναγνώσεως) [betreiben]“ (Clem. Al. 3,50,3). Die Bestimmungen der Didaskalia setzen sodann voraus, dass die genannten Schriften materialiter vorhanden sind. Dabei ist dem Argumentationsgang nicht zu entnehmen, dass die Schriften in den vom Text vorausgesetzten Haushalten nur wegen des verfügbaren ökonomischen Kapitels zur Verfügung stehen. Der Hinweis auf Reichtum dient aus argumentationsanalytischer Sicht zunächst lediglich dazu, zu begründen, warum die entsprechende Zeit zur Beschäftigung mit den genannten literarischen Traditionen zur Verfügung steht. Daraus kann freilich auch nicht das Gegenteil geschlossen werden, dass Schriften auch in weniger begüterten Haushalten zur Verfügung standen. In jedem Fall impliziert die Aufforderung, sich von heidnischen Schriften fernzuhalten, dass die soziale Gruppe, die der Text im Blick hat, solche Schriften im 3. Jh. rezipiert hat. Ansonsten wäre eine solche normative Aussage redundant. Einen im Vergleich zur Didaskalia früheren und detaillierteren Einblick in die Lesepraxis von Christen, und zwar am Ende des 2. Jh. in Alexandria, lässt das Werk von Clemens von Alexandria zu. Bevor einige aufschlussreiche Stellen exemplarisch zu besprechen sein werden, ist zunächst der Hinweis auf folgende Auffälligkeit zu notieren: Es ist bezeichnend, dass die Ausführungen von Clemens zur Gemeindeversammlung in Clem. Al. paid. 3,79,3 ff zwar Hinweise auf das Gebet (3,79,3.5), das Hören der Predigt (3,80,4) und auf das Singen von Hymnen (3,80,5) enthalten, aber keine auf das Vorlesen aus der Schrift. Aus diesem Schweigen können freilich keine sicheren Schlussfolgerungen gezogen werden, der Befund deckt sich aber mit dem Befund der von Tertullian beschrie‐ benen Versammlung, in der das Verlesen der Schrift auch nicht institutionalisiert war (s. o. 9.5.1) Stattdessen finden sich im Werk von Clemens einige Stellen, die auf indivi‐ duell-direkte Lektürepraktiken schließen lassen. So kennt man auch in Alexan‐ dria die aus der antiken Diätetik bekannte Idee der gesundheitsförderlichen Wirkung vokalisierender Lektüre (vgl. Clem. Al. 3,50,3). 173 Aufschlussreich ist diese Stelle insofern, als die Tatsache, dass es sich um vokalisierende Lektüre handelt, extra herausgestellt wird. 174 Dies deckt sich mit dem Befund, dass in der Antike nicht-vokalisierende Lektüre durchaus gängig war (s. o. passim). Im Hinblick auf die Tagesgestaltung von Eheleuten formuliert Clemens: „Diejenigen aber, denen es gestattet ist zu heiraten, haben einen Erzieher nötig, damit sie nicht am Tage die geheimnisvollen Weihen der Natur feiern und damit nicht etwa einer, wenn er morgens z. B. von der Versammlung oder vom Markt heimkommt, es 527 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 175 Gegen H A R N A C K , Gebrauch, 38, der die These vertritt, Clemens würde hier das gemein‐ sane Lesen von Eheleuten meinen. Es ist aber keinesfalls zwingend zu schlussfolgern, dass die drei genannten Tätigkeiten gemeinsam ausgeführt werden sollen. Zudem hätte gemeinsame Lektüre im Griechischen eindeutiger, z. B. mit dem Verb συναναγιγνώσκω (s. o. 3.1.2), ausgedrückt werden können. 176 S. o. Anm. 63, S. 502. macht wie ein Hahn, der am Tage die Hennen tritt, zu einer Zeit, die für das Beten und das Lesen und für die am Tage zu erledigenden nützlichen Arbeiten bestimmt ist (ὁπηνίκα εὐχῆς καὶ ἀναγνώσεως καὶ τῶν μεθ’ ἡμέραν εὐεργῶν ἔργων ὁ καιρός). Abends aber geziemt es sich, nach der Mahlzeit und nach der Danksagung für das genossene Gute zur Ruhe zu gehen“ (Clem. Al. paid. 2,96,2; Üb. S TÄH L I N , leicht mod. JH). Aus Zusammenstellung der Aktivitäten kann geschlussfolgert werden, dass ἀνάγνωσις hier die individuell-direkte Lektüre 175 (vermutlich biblischer Texte) im Laufe des Tages meint, was auch mit dem lexikologisch-semantischen Befund korrespondiert (s. o. 3.1.4). Freilich beschreibt Clemens hier eine Form idealer christlicher Lebensführung, die als normative Aussage darauf hindeutet, dass einige der Christen in Alexandria sich weniger dem Beten und Lesen als der Tätigkeit hingegeben haben, die Clemens hier unterbinden möchte. Dennoch zeigt die Formulierung von Clemens, dass die Voraussetzungen, also der Buchbesitz und die Lesefähigkeit, vorhanden gewesen sein müssen, um individuell-direkt lesen zu können. Clemens gewährt noch einen interessanten Einblick in den christlichen Lese‐ sozialisationsprozess, mehr aber noch in die Verstehensfertigkeiten christlicher Leser. Und zwar formuliert er, das Motiv des „Buchstabe für Buchstabe“-Ab‐ schreibens (μεταγράφειν πρὸς γράμμα) aus dem Hirt des Hermas (vgl. Herm. vis. 2,5,4) 176 auslegend: „Damit wollte er also kundtun, daß die Schrift für alle ganz verständlich ist, wenn man sie als einfache Lektüre aufnimmt (κατὰ τὴν ψιλὴν ἀνάγνωσιν ἐκλαμβανομένην), und daß dies der Glaube ist, der die Stufe der Anfangsgründe einnimmt; deshalb wird al‐ legorisch auch von dem Lesen ‚Buchstabe für Buchstabe‘ (πρὸς τὸ γράμμα ἀνάγνωσις) gesprochen. Wenn aber der Glaube bereits weiter fortgeschritten ist, kommt es zu dem gnostischen Verständnis der Schrift; dieses wird nach unserer Auffassung mit dem Lesen nach den Silben (κατὰ τὰς συλλαβὰς ἀναγνώσει) verglichen“ (Clem. Al. strom. 6,131,3; Üb. S TÄH L I N ; mod. JH). Schon die Anknüpfung an die Szene des visuell konzeptualisierten Abschreibens bei Hermas macht deutlich, dass Clemens sich hier auf individuell-direkte Lektüreweisen der biblischen Schriften bezieht. Dabei unterscheidet er idealty‐ 528 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum pisch zwei unterschiedliche Stufen der Verstehensfertigkeit, die er jeweils zu bestimmten Entwicklungsstufen der Lesefähigkeit in Relation setzt, die uns schon aus der antiken Schriftspracherwerbsdidaktik bekannt sind (s. o. S. 227 zu Dion. Hal. comp. 25). Dabei ist entscheidend, dass es sich nur um eine allegorische Relation handelt. Derjenige, der eine „einfache Lektüre“ betreibt, die Clemens hier aber gerade nicht abwertet, liest den Text in Bezug auf die Leseweise vermutlich relativ flüssig, nur die Tiefe seines Verstehens entspricht dem Lesen ‚Buchstabe für Buchstabe‘. Der im Glauben fortgeschrittene Leser liest vermutlich ebenfalls nicht einfach nur nach Silben, sondern ist im Sinne von Dionysios von Halikarnassos ein Leser, in dessen Geist die Formen der Wörter fest implementiert sind und mit der Leichtigkeit und Schnelligkeit liest (s. o. S. 227 zu Dion. Hal. comp. 25). Inwiefern diese Stelle bei Clemens auch sozialgeschichtlich auf die Lesefähigkeit unter Christen in Alexandria bezogen werden kann, ist schwierig zu beurteilen und müsste - angesichts des defizitären Standes der Literalitätsforschung (s. o. 1.3.3) - eingehender untersucht werden. In dieser Hinsicht ist allerdings noch auf Clem. Al. paid. 3,78 hinzuweisen. Hier reagiert Clemens auf vorgeschobene Entschuldigungen von solchen Leuten, die ihren auf das Angenehme und nicht auf das Gute fokussierten Lebenswandel mit dem Hinweis auf ihre fehlenden philosophischen Einsichten und ihre fehlende Lesefähigkeit zu legitimieren versuchen: „Ich habe, so sagt man, ‚Lesen und Schreiben‘ (γράμματα) nicht gelernt. Aber wenn du auch das Lesen (τὸ ἀναγιγνώσκειν) nicht gelernt hast, so kannst du hinsichtlich des Hörens (τὸ ἀκούειν) keine Entschuldigung vorbringen, denn dies wird nicht gelehrt (ὅτι μὴ διδακτόν). Und der Glaube ist nicht Besitz derer, die nach der Welt weise sind, sondern derer, die nach Gott weise sind. Er wird aber auch ohne Buchstaben gelehrt (ἣ δὲ καὶ ἄνευ γραμμάτων ἐκπαιδεύεται); und sein Schriftwerk, zugleich für den Ungebildeten geeignet und göttlicher Art, heißt Liebe, ein geistliches Werk (καὶ τὸ σύγγραμμα αὐτῆς τὸ ἰδιωτικὸν ἅμα καὶ θεῖον ἀγάπη κέκληται, σύνταγμα πνευματικόν)“ (Clem. Al. paid. 3,78,2; Üb. S TÄH L I N , leicht mod. JH). Zunächst ist es eindeutig, dass sich τὸ ἀναγιγνώσκειν hier nicht auf die Fähigkeit des Vorlesens bezieht, sondern auf die Fähigkeit individuell-direkter Lektüre mit dem Ziel des Verstehens und Lernens. Auf welche Kontexte Clemens sich mit dem Hinweis auf „das Hören“ bezieht wird nicht eindeutig klar. Es wäre jedoch methodisch verfehlt, kollektiv-indirekte Rezeptionssituationen a priori vorauszusetzen, da sich das Hören auch auf mündlich vorgetragene Lehre beziehen kann. Für letzteres spricht, dass Clemens hier metaphorisch die Liebe als entscheidendes Schriftwerk für die wenig Gebildeten konzeptualisiert. Diese Metapher und die Metapher des Lehrens ohne Buchstaben zeigt, dass der 529 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 177 Die Stelle ist nicht als Quelle für einen vermeintlichen „Wortgottesdienst“ auswertbar. Gegen S A L Z M A N N , Lehren, 343 f. Zwischen dem Leben (ὁ βίος) des Gnostikers und dem heiligen Fest (πανήγυρις ἁγία) handelt es sich um eine metaphorische Relation. Der mit πανήγυρις ἁγία aufgerufene Bildspendebereich ist nicht derjenige eines wöchentlichen Rituals, sondern allgemein der eines selten stattfindenden hohen Festes. 178 Vor diesem Hintergrund kann man auch vermuten, dass die ἀνάγνωσις θεῖα in Clem. Al. strom. 6,113,3 auf eine Form individuell-direkter Lektüre verweist, weil es hier einerseits um die ψυχή geht und andererseits das „wahre Forschen“ eine individuelle Tätigkeit bezeichnet. Individuell-direkte Lesepraxis setzt Clemens ferner auch für „die Häretiker“ voraus. Vgl. Clem. Al. strom. 7,97. Der Hinweis in Clem. Al. strom. 3,76,3, auch den Kontext von Röm 7,18 zu lesen (ἀλλ’ ἀναγινωσκόντων τὰ προειρημένα καὶ τὰ ἐπιφερόμενα) ist zwar zunächst rhetorisch gemeint, setzt aber eine solche diskontinuierliche iterative Leseweise als Konzept voraus. Zugang zu schriftlichen Werken für Clemens nicht unbedingt als konstitutiv für die christliche Lebenspraxis von weniger Gebildeten zu betrachten ist. Die Stelle kann als weitere Warnung gegen das eingangs skizzierte Argumentationsmuster gelesen werden, aus einer angenommenen geringen Literalitätsrate auf die Notwendigkeit des Vorlesens von Texten zu schließen. Einen noch genaueren Einblick in die Lesepraxis desjenigen, der im Glauben fortgeschritten ist, bietet Clemens an einer späteren Stelle in den Stromateis, wo er im Hinblick auf den Gnostiker, dessen Leben ein heiliges Fest 177 sei (ἅπας δὲ ὁ βίος αὐτοῦ πανήγυρις ἁγία), formuliert: „So bestehen seine Opfer in Gebeten und Lobpreisungen und den Vereinigungen mit der Heiligen Schrift vor dem Essen, in Psalmen und Gesängen während der Mahlzeit und vor dem Schlafengehen, aber auch nachts wieder in Gebeten (καὶ αἱ πρὸ τῆς ἑστιάσεως ἐντεύξεις τῶν γραφῶν, ψαλμοὶ δὲ καὶ ὕμνοι παρὰ τὴν ἑστίασιν πρό τε τῆς κοίτης, ἀλλὰ καὶ νύκτωρ εὐχαὶ πάλιν.). Dadurch vereinigt er sich mit ‚dem göttlichen Reigen,‘ dem er infolge seines ununterbrochenen Gedenkens eingegliedert ist zu dem unvergeßlichen Schauen“ (Clem. Al. strom. 7,49,4; Üb. S TÄH L I N , leicht mod. JH). In lexikalischer Hinsicht ist diese Stelle auffällig, da Clemens hier nicht, wie sonst, von der ἀνάγνωσις spricht oder das Verb ἀναγιγνώσκω verwendet, sondern von den ἐντεύξεις τῶν γραφῶν spricht. Das im Plural verwendete Verbalsubstantiv ἔντευξις, das Clemens selten verwendet (in Clem. Al. paid. 2,97,1 bezeichnet er Geschlechtsverkehr damit, in Clem. Al. strom. 3,81,1; 3,85,1 das Gebet), bringt hier womöglich die Verschiedenheit des Kontakts zur Heiligen Schrift zum Ausdruck. In Psalmen und Gebeten beim Mahl und in Gebeten nachts handelt es sich nicht um einen lesenden Zugriff auf die Heiligen Schriften. Die ἔντευξις τῶν γραφῶν vor dem Schlafengehen wird dagegen eine abendliche individuell-direkte Lektüre 178 meinen, die man sich angesichts der Zeugnisse aus der griechisch-römischen Welt durchaus liegend im Bett 530 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 179 S. o. Anm. 56, S. 306. 180 In strom. 1,9,2 betont Clemens, dass er weder um des ökonomischen Gewinns noch der Ehre oder anderer persönlicher Motive Willen schreibe, sondern allein den Genuss des Heils der Leser (μόνης δὲ τῆς τῶν ἐντυγχανόντων ἀπολαύειν σωτηρίας) im Blick habe, einen Genuss, den er allerdings nicht selbst erleben, sondern nur hoffend antizipieren könne (ἧς οὐδὲ κατὰ τὸ παρὸν μεταλαμβάνει, ἀλλὰ ἐλπίδι ἀπεκδεχόμενος …). Vgl. außerdem die modern rezeptionsästhetisch anmutenden Bemerkungen Clem. strom. 1,14,3 f, mit denen er die Auswahl des von ihm Aufgeschriebenen damit begründet, dass er vermeiden möchte, seine Leser in die Irre zu führen. Dabei ist das zentrale Argument: „so kann sie [scil. eine Schrift] doch stets nur mit einer Stimme, nämlich der niedergeschriebenen (μόνῃ μιᾷ χρώμενα τῇ ἐγγράφῳ φωνῇ), auf die an sie gerichteten Fragen (πρὸς τὸν ἐπανερόμενον) antworten und mit nichts anderem, als was in ihr geschrieben steht“ (Clem. Al. strom. 1,14,4; Üb. S T Ä H L I N , mod. JH). Clemens bedient sich hier der Konzeptualisierung des Lesens als Suchen und Finden bzw. Fragen und Antworten (s. o. 3.6). Dass hier der Text eine Stimme hat, sagt gerade nichts über die Vokalisierung beim Lesen aus - es handelt sich ja auch nicht um die Stimme des Lesers(! ) -, sondern ist diesem Konzept geschuldet. 181 S. o. Anm. 246, S. 74. 182 Leider fehlt bekanntlich das erste Blatt in der einzigen Hs., dem Codex Laurentianus V 3, in der die Stromateis überliefert sind, und damit ein wichtiger Teil des Textes, der für die Auswertung im Hinblick auf die anvisierte Rezeptionsweise wichtig wäre (s. v. a. das nicht mehr richtig einzuordnende Zitat am Beginn des erhaltenen Textes aus Herm. vis. 5,25,5 in Clem. Al. strom 1,1,1). vorstellen kann. 179 Nicht ganz eindeutig ist, was Clemens unter der ἔντευξις τῶν γραφῶν vor dem Essen meint. Ist es die individuell-direkte Lektüre am Tage vor dem abendlichen Gemeinschaftsmahl, die wir aus Clem. Al. paid. 2,96,2 kennen, oder eine kollektiv-indirekte Form der Rezeption der Schriften direkt vor dem Gemeinschaftsmahl? Zuletzt sei auch darauf hingewiesen, dass Clemens auch für seine eigenen Schriften individuell-direkte Lesesituationen anvisierte. Er rechnete mit einem anonymen Lesepublikum, zu dem er in Distanz stand und dessen Verstehen er nicht kontrollieren konnte 180 - dies korrespondiert mit den Ergebnissen H. Krassers zur Entstehung eines anonymen Lesepublikums in der Kaiserzeit. 181 In strom. 4,4,1-4 reflektiert er über seine Leser, von denen er einige für potentiell schlechthin unerfahren hält (διὰ τοὺς ἀνέδην ἀπείρως ἐντυγχάνοντας) und für die die bunte und thematisch wechselnde Darstellung Stromateis gedacht ist (Clem. strom. 4,1,1). Er rechnet allerdings nur mit einer geringen Zahl an wirklich verstehenden Lesern, welche die richtige Hermeneutik mitbringen und das Werk mit Verstand untersuchen (ζητεῖν μετὰ λόγου οἱ τῶν ὑπομνημάτων Στρωματεῖς). 182 Der exemplarische Durchgang, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, ist an dieser Stelle abzubrechen. Es wären noch zahlreiche weitere Quellen zu besprechen, die individuell-direkte Lektüre in der alten Kirche 531 9.5 Vielfalt frühchristlicher Lesepraxis 183 Vgl. z. B. Orig. princ. 4,2,3 (s. dazu schon die kurzen Hinweise in Anm. 313, S. 452); Orig. princ. 4,3,5; Orig. com. in Ioh. 6,8,53; Kyr. Hier. Procatechesis 4,36; Ioh. Chrys. in Gen. hom. 35 [PG 53, p. 323] (Aufruf zur Nachahmung des Kämmerers in Act 8, d. h. zur individuell-direkten Lektüre); Ioh. Chrys. in Ioh. hom. 53,3 [PG 59, p. 296,1-9)]. 184 Vgl. weiterführend zum Forschungsstand zum Muratorischen Fragment, der insbeson‐ dere im Hinblick auf die Frage nach der Auswertbarkeit für die Kanondiskussion eher von Skepsis geprägt ist, H A H N E M A N , Fragment; V E R H E Y D E N , Canon; M C D O N A L D , Canon; G R Ü N S T Ä U D L , Petrus, 81-87. 185 Üblicherweise wird das Syntagma verstanden als „zur Verlesung in den Kirchen“ o. ä. Vgl. z. B. B A U M , Kanon, 332. Angesichts der unter 3.4 erarbeiteten Ergebnisse (vgl. insb. S. 168) ist dies aber keinesfalls zwingend. Es könnte hier theoretisch auch die individuell-direkte Lektüre derjenigen, die der Kirche zugehörig sind, gemeint sein. 186 Die Semantik von διαγιγνώσκω ist zu unspezifisch, als dass auf die Form der Rezeption geschlossen werden könnte. Gegen B A U M , Kanon, 332. 187 Vgl. aber die analoge Formulierung καὶ ὅσα ἐν ἐκκλησίαις μὴ ἀναγινώσκεται, ταῦτα μηδὲ κατὰ σαυτὸν ἀναγίνωσκε (Kyr. Hier. Procatechesis 4,36), die auf kollektiv-indi‐ rekte Rezeption „in der Kirche“ verweist. 188 Vgl. z. B. B A U M , Kanon, 332 f. Dieses Verständnis geht womöglich auf Rufins recht freie Übersetzung zurück, der an zwei der im Folgenden genannten Stellen die griechischen Partizipien im Perfekt Passiv mit finiten Präsensformen von lego im Passiv übersetzt (vgl. Eus. h. e. 3,3,6 [GCS NF 5, p. 191]; Eus. h. e. 3,16 [GCS NF 5, p. 231]). An den beiden anderen Stellen (Eus. h. e. 2,23,25 [GCS NF 5, p. 175]; Eus. h. e. 3,31 [GCS NF 5, p. 267]) impliziert die Übersetzung keine Vorlesung der genannten Schriften. implizieren. 183 Vor dem Hintergrund der angeführten Quellen ist nun zuletzt die Frage zu stellen, ob die folgenden Formulierungen zwingend eine Vorlesesitu‐ ation im Gottesdienst meinen müssen oder nicht (auch) individuelle Formen der Rezeption in der Kirche (i. e. dem soziale Raum) meinen könnten: „Wir nehmen auch nur die Offenbarungen des Johannes und des Petrus an, die einige von den unseren in der Kirche nicht lesen lassen wollen“ (apokalypse etiam Iohanis et Petri tantum recipimus quam quidam ex nostris legi in eclesia nolunt; Canon Muratori 71-73, ed. L I E TZMAN N ); der Hirt „soll gelesen werden (legi)“ (Canon Muratori 77, ed. L I E TZMAN N ); 184 Euseb sagt, Petrus habe das MkEv εἰς ἔντευξιν ταῖς ἐκκλησίαις bestätigt (Eus. h. e. 2,15,2), 185 und das JohEv sei „in allen Kirchen unter dem Himmel genau bekannt“ (ταῖς ὑπὸ τὸν οὐρανὸν διεγνωσμένον ἐκκλησίαις; 186 Eus. h. e. 3,24,2). 187 In diesem Zusammenhang sei auch noch auf die Verwendungsweise des Verbes δημοσιεύω bei Euseb hingewiesen. Üblicherweise werden die folgenden Formulierungen als Verweis auf die öffentliche Verlesung im Gottesdienst ver‐ standen: 188 Euseb ist bekannt, dass der Jak und Jud „in vielen Kirchen öffentlich gemacht ist“ (ἐν πλείσταις δεδημοσιευμένας ἐκκλησίαις; Eus. h. e. 2,23,25); auch berichtet er über sein Wissen, dass der Hirt schon „in Kirchen öffentlich gemacht ist“ (ἐν ἐκκλησίαις … δεδημοσιευμένον); (Eus. h. e. 3,3,6); auch berichtet er, dass der 1Clem „in den meisten Kirchen für die Allgemeinheit öffentlich 532 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 189 Vgl. v. a. Eus. vita Const. 3,1,3, aber z. B. auch Gal. de antidotis ed. K Ü H N 14,62; Cass. Dio 39,10,3. 190 S. dazu die Überlegungen auf S. 516. Vgl. außerdem exempl. Orig. Cels. 5,54. 191 S. o. Anm. 27, S. 26 u. 29, S. 27. gemacht ist“ (ἐν πλείσταις ἐκκλησίαις ἐπὶ τοῦ κοινοῦ δεδημοσιευμένην; Eus. h. e. 3,16); zudem sagt er, dass die umstrittenen apostolischen Bücher „in den meisten Kirchen größtenteils öffentlich gemacht sind“ (ἐν πλείσταις ἐκκλησίαις παρὰ πολλοῖς δεδημοσιευμένων; Eus. h. e. 3,31). An den Formulierungen ist auffällig, dass die Partizipien von δημοσιεύω allesamt im Perfekt stehen. Auch wenn sich Perfekt und Aorist bereits angeglichen haben, so handelt es sich hier doch eher um eine Zustandsbeschreibung. Um die regelmäßige Verlesung zu kennzeichnen, erwartete man eher eine Präsensform. Zudem ist das gewählte Verb kein typisches Leseverb, sondern bezeichnet im Zusammenhang mit Büchern eigentlich die schriftliche Form der Veröffentlichung 189 und könnte auch an den zitierten Stellen den Status des Veröffentlicht-Seins meinen. Diese knappen Überlegungen sind freilich im Hinblick auf die Verwendung des Substantivs ἐκκλησία, das in erster Linie eine soziale Versammlung be‐ zeichnet, aber durchaus schon im übertragenen Sinne einen sozialen Raum bezeichnen kann, 190 vorläufig. Sie sind lediglich als Hinweise darauf zu ver‐ stehen, dass die üblicherweise in Bezug auf die Frage nach der Entstehung des Kanons besprochenen Quellen erneut im Hinblick auf die vielfältigen Formen von Lesepraktiken in der alten Kirche untersucht werden müssten, ohne dabei eine fest etablierte Form gottesdienstlicher Vorlesepraxis als gegeben vorauszusetzen. 9.6 Konsequenzen für die Frage nach der Entstehung des neutestamentlichen Kanons Wie im Einleitungskapitel ausgeführt, ist die Kategorie „Verlesung im Gottes‐ dienst“, einflussreich durch T. Zahn vertreten, eine wichtige Kategorie in der Diskussion um die Entstehung des neutestamentlichen Kanons. 191 Angesichts der Ergebnisse dieser Arbeit ist nun zu schlussfolgern, dass dieses Kriterium nicht mehr als homogen gedachtes Konzept in der Kanonforschung verwendet werden kann. Die Lesepraxis im frühen Christentum war vielfältig und das Konzept eines monosituativen Lesens in einem liturgischen Kontext ist für das frühe Christentum nicht nachweisbar. Die Implikationen dieser Einsicht seien zuletzt am Beispiel der Entstehung der Paulusbriefsammlung skizziert. 533 9.6 Konsequenzen für die Frage nach der Entstehung des neutestamentlichen Kanons 192 Vgl. weiterführend den Überblick bei P O R T E R , Pauline Canon. 193 Vgl. z. B. T R O B I S C H , Entstehung; S C H M I T H A L S , Erwägungen (dazu weiterführend H O R N , Literarkritik); R I C H A R D S , Codex; P O R T E R , Paul; E L M E R , Collection; auch A R Z T -G R A B N E R , Sammlung, 11, hält dies für denkbar. S. ferner auch L A I R D , Titles; S T E V E N S , History. 194 Vgl. exempl. für viele A L A N D , Entstehung; B E C K E R , Schreiben, insb. 80; S C H M I D / S C H R Ö T E R , Entstehung, 340; u. die Verweise o. in Anm. 276, S. 444. Dass einzelne Briefe (vgl. Gal 1,2; 2Kor 1,1) einen Rezipientenkreis über die Gemeinde in einer Stadt hinaus hatten, ist noch kein Beleg für die Tradierung darüber hinaus; 2Thess 2,2; 3,17 sind Teil der Authentifizierungsstrategie dieses Briefes und haben mit der Weitergabe von Paulusbriefen ebenfalls nichts zu tun. 195 Vgl. dazu die, z. T. freilich sehr optimistische, Auswertung der intertextuellen Bezüge bei H A G N E R , Use, 179-237.314 f.331, die eine Kenntnis zahlreicher, auch pseudepigrapher Paulusbriefe nahelegt. Es ist umstritten, 192 ob der Ursprung der Paulusbriefsammlung auf der Produzentenseite liegt oder auf Seiten der Rezipienten. Ersteres meint, dass die überlieferten authentischen Paulusbriefe nicht auf die an die Gemeinden verschickten Exemplare zurückgehen, sondern auf die bei Paulus und seinen Mitarbeitern verbliebenen Kopien. 193 Beim gängigeren Alternativmodell wird davon ausgegangen, dass der Text der Paulusbriefe im NT auf den an die Ge‐ meinden verschickten Briefe basieren, die zwischen Gemeinden zirkulierten 194 und in „Gemeindearchiven“ aufbewahrt wurden, deren Existenz historisch jedoch nicht wirklich gesichert ist. Die Belege, die für die Existenz von „Gemeindearchiven“ angeführt werden, sind alles andere als eindeutig. So ist 1Clem 47,1 f kein sicherer Beleg für die Existenz des 1Kor im „Gemeindearchiv“ in Korinth. Hier fordert Clemens von Rom die Rezipienten in der Gemeinde von Korinth (1Clem prooem.) bezugnehmend auf 1Kor 1,10ff auf: „Nehmt den Brief des seligen Apostels Paulus in die Hand (Ἀναλάβετε τὴν ἐπιστολὴν …). Was hat er euch zuerst am Anfang des Evangeliums geschrieben? “ (1Clem 47,1 f; Üb. L I N D E M A N N / P A U L S E N ). Aus diesem Satz geht nicht hervor, worauf Clemens genau referenziert. Ein Archiv wird nicht erwähnt und das Verb ἀναλαμβάνω ist zu unspe‐ zifisch, um eine solche Situation vorauszusetzen. Möglicherweise ist der Satz auch nur rhetorisch als Zitationseinleitung zu verstehen und intendiert überhaupt keine reale Einsicht in ein Schriftmedium, sondern setzt die Kenntnis des Briefinhalts auch bei den Rezipienten voraus. Es ist zumindest theoretisch möglich, dass er mehr als eine Generation nach der mutmaßlichen Erstrezeption des 1Kor nicht auf den dokumenta‐ rischen Brief verweist, sondern schon eine Sammlung von Paulusbriefen voraussetzt, durch die er selbst den Inhalt des Briefes in Rom zur Kenntnis nehmen konnte. 195 In den Acta martyrum Scilitanorum fragt der römische Proconsul die angeklagten Christen: „Was für Dinge habt ihr in eurer capsa? “ Woraufhin einer aus der Gruppe, antwortet: „Bücher und Briefe des Paulus, eines rechtschaffenden Mannes (Libri et epistulae Pauli 534 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum 196 Vgl. dazu weiterführend mit den entsprechenden Verweisen auf die Forschungsliteratur V Ö S S I N G , Schule, 417, Anm. 1414; 550, Anm. 1895 (die Formulierung, dass diese Schriften „jedenfalls zum Vorlesen bestimmt“ sind [550, Anm. 1895] ist insofern unpräzise, als man sie über die konkrete Funktion beim Gerichtsprozess hinaus missverstehen könnte). Vgl. z. B. Hor. sat. 1,10,63; Catull. 68,36; zum überschaubaren Umfang und Transportabilität einer capsa für Bücher sowie deren Verhältnis zum Kodex vgl. B I R T , Buchrolle, 21 f.248-255; B I R T , Buchwesen, 33 f.93; für die Abfassungszeit der Acta martyrum Scilitanorum im 2. Jh. wird man eine runde capsa annehmen dürfen, in der die Rollen aufrecht standen und die sich auch auf christlichen Darstellungen finden lässt (vgl. B I R T , Buchrolle, 254). 197 Vgl. H A B E R M E H L , libri. 198 Vgl. N O N G B R I , Pauline Letter Manuscripts, 98 f. 199 A L A N D , Entstehung, 335 f. 200 A L A N D , Entstehung, 335. uiri iusti)“ (Acta Martyrum Scilitanorum 12). Hierbei handelt es sich nicht um ein „Gemeindearchiv“, sondern um ein kleineres, transportables Buchaufbewahrungsbe‐ hältnis, das die Gruppe mit bei der Gerichtsverhandlung hatte. 196 Ferner sollten die bedenkenswerten Argumente von P. Habermehl berücksichtigt werden, dass sich die in der antiken christlichen Literatur singuläre Formulierung libri Pauli plausibel auf apokryphe Texte mit Paulus als postuliertem Autor beziehen lassen. 197 Allerdings wird in dem bei Euseb zitierte Brief von Dionysios von Korinth an den römischen Bischof Soter (3,6; 4,23,11; s. o. S. 515) deutlich, dass in Korinth im 2. Jh. Briefe aufbewahrt wurden. Hier ist allerdings - in Analogie zu anderen Funktionsträgern im römischen Reich - am ehesten an ein personenbzw. amtsgebundenes Archiv des Bischofs zu denken. Eine Rückprojektion in die früheste Zeit der paulinischen Gemeinden ist daher schwer möglich. Es ist zwar richtig, dass keine der diskutierten Optionen wirklich ausgeschlossen werden kann, 198 dennoch lassen sich im Licht der Ergebnisse dieser Studie die Wahrscheinlichkeiten neu gewichten. Die Untersuchung der Lesestellen in der Briefliteratur hat jedenfalls deutlich gemacht, dass insb. aus 1Thess 5,27; *Laod/ Eph 3,4; Kol 4,16 keine Rückschlüsse auf Sammlungsaktivitäten und Briefzirkulation gezogen werden können. Dadurch ist ein wichtiges Argument derjenigen Vertre‐ terinnen und Vertreter entkräftet, die für einen Ursprung der Paulusbriefsammlung auf Rezipientenseite und einen dynamisch ablaufenden Sammlungs- und Wachs‐ tumsprozess plädieren. Wenn Kol 4,16 als Belegstelle ausfällt, bleiben etwa Alands Thesen zu lokalen Kleincorpora 199 ungeschützte Behauptungen. Das Argument, „nur so ist z. B. die Erhaltung von Gal zu erklären, denn die Empfängergemeinde ist, soweit wir wissen, früh untergegangen“, 200 ist nicht stichhaltig, da ein Weg über die Produzentenseite möglich ist. Nimmt man demgegenüber an, dass im frühen Christentum für die literarischen und insbesondere für die pseudepigraphen 535 9.6 Konsequenzen für die Frage nach der Entstehung des neutestamentlichen Kanons 201 Vgl. im Hinblick auf die Pastoralbriefe z. B. G L A S E R , Paulus (s. ferner zur Voraussetzung einer Paulusbriefsammlung durch die Pastoralbriefe T H E O B A L D , Jerusalem-Vergessenheit [Lit.]; T H E O B A L D , Episkopos, 218 f); außerdem der Hinweise bei G L A S E R , Erzählung, 268, dass in der Pseudepigraphieforschung die Tatsache der Überlieferungen von pseu‐ depigraphen Briefen in Sammlungen zu wenig berücksichtigt wird. Weiterführend zur eindeutigen Bezeugung von Paulusbriefsammlungen im 2. Jh. S C H M I D , Marcion; S C H M I D , Buchwerdung; P E R V O , Making; S C H E R B E N S K E , Canonizing; S C H M I D , Marcion. 202 Vgl. zu 2Petr 3,15 f die Ausführungen bei G R Ü N S T Ä U D L , Petrus, 26-33, der den entspre‐ chenden Forschungsstand instruktiv aufgearbeitet hat. 203 Vgl. zur Datierung F Ü R S T , Einführung, 6-10. 204 Zu lectio als Bezeichnung für individuell-direkte Lektüre s. o. 3.3. 205 Vgl. zur These einer historischen Autorenrezension der Paulusbriefe T R O B I S C H , Paulus‐ briefe. 206 Vgl. dazu H O E G E N -R O H L S , Literatur; H O E G E N -R O H L S , Augenblickskorrespondenz, 87 f. Vgl. zur Diskussion der Literarizität von Briefen in den Altertumswissenschaften z. B. D E P R E T I S , Epistolarity; J E N K I N S , Letters; und die Beiträge in M Ü L L E R / R E T S C H / S C H E N K , Adressat. Zur Briefe auch individuell-direkte Formen der Lektüre vorausgesetzt werden können, so gewinnen solche Modelle an Plausibilität, die von der gezielten redaktionellen Überarbeitung, Zusammenstellung und Publikation von Paulusbriefsammlungen ausgehen. 201 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass 2Petr 3,15 f ein frühes, explizites Zeugnis einer solchen Sammlung darstellt. 202 Aufschlussreich ist außerdem ein pseudepigrapher Briefe Senecas (vermutlich aus dem 4. Jh. 203 ). In diesem verweist der fingierte Seneca auf die Lektüre des Galaterbriefes und der Korintherkorrespondenz: „Ich bekenne, dass die Lektüre deiner Briefe (lectione litterarum tuarum), 204 die Du an die Galater, Korinther und Achäer geschickt hast, mir gut getan hat“ (EpSenPl 7, Üb. F ÜR S T ). Es stellt sich die Frage, wie sich der Autor des apokryphen Briefwechsels zwischen Seneca und Paulus im 4. Jh. vorgestellt hat, in welcher Form Seneca die Paulusbriefe rezipiert haben soll. Damit die Fälschung des Briefwechsels plausibel erscheint, muss er ein Konzept vorausgesetzt haben, das auch die Rezipienten überzeugen konnte. Am ehesten kommt diesbezüglich die Vorstellung einer Autorenrezension der Briefe in Betracht - ein Konzept, das spätantiken Leserinnen und Lesern vertraut gewesen sein muss und das sie z. B. mit dem Romaufenthalt von Paulus, der für sie aus den neutestamentlichen Texten ableitbar ist (Röm 15,23 f; Act 28), hätten verknüpfen können. Abwegig für Leser des 4. Jh. wäre hingegen die Vorstellung, Seneca hätte die Briefe in den Gemeindearchiven eingesehen. 205 Freilich ist der pseudepigraphe Briefwechsel kein Beleg für eine solche Autorenrezension, sondern zeigt dass man sich das Konzept der Publikation der Paulusbriefe im 4. Jh. retrospektiv so vorstellen konnte. Vor dem Hintergrund dieser Publikations-Modelle lässt sich die Frage in einem anderen Licht diskutieren, inwiefern die Paulusbriefe (aber auch die neutesta‐ mentlichen Briefe insgesamt) Literatur sind 206 - die in dieser Studie erarbeiteten 536 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum Bedeutung von publizierten Briefsammlungen in dieser Hinsicht s. v.a. den Beitrag N E G E R , Adressaten. 207 Vgl. H O E G E N -R O H L S , Literatur, 80. Vgl. auch den Forschungsstand in den Altertumswis‐ senschaften zusammenfassend den Hinweis, dass Wahrnehmung von Briefen „entweder als Dokument der Alltagsschriftlichkeit oder als Stück Literatur wesentlich von seinem Rezeptionshorizont abhängt“, bei M Ü L L E R / R E T S C H / S C H E N K , Einleitung, 10. 208 Nicht überzeugend ist dagegen angesichts der Ergebnisse dieser Studie der Vorschlag von F E W S T E R , Ancient, insb. 409 f, der unter der Publikation von Jak eine öffentliche Lesung in literarischen christlichen Zirkeln versteht, in denen er - analog zur römischen Lesekultur, wie sie von W. A. Johnson konstruiert wird (s. dazu meine kritischen Ausführungen unter 1.3.6) - als Literatur rezipiert worden wäre. 209 Ein fiktiver eigenhändiger Briefschluss eignet sich besonders gut als Authentifizierungs‐ strategie, da es für Rezipienten unmittelbar plausibel ist, dass diese in der Abschrift des Briefes bzw. in der Briefsammlung nicht mehr im Schriftbild erkennbar ist. Vor allem aber fungieren ähnliche Formulierungen in dokumentarischen Papyri als „juristisch verbind‐ liche Bestätigung bzw. Gültigsetzung“ (A R Z T -G R A B N E R / K R I T Z E R / P A P A T H O M A S / W I N T E R , 1Kor, 521, Anm. 6, mit weiterführendem Verweis auf A R Z T -G R A B N E R , Philemon, 240- 242). Vgl. zur besonderen pragmatischen Funktion der Formulierung in 2Thess 3,17, die Authentizität vorzutäuschen, T R I L L I N G , 2Thess, 158-160; K R E I N E C K E R , 2Thess, 217-219; N I C K L A S , 2Thess, 198 f. 210 Vgl. dazu weiterführend T R O B I S C H , Endredaktion; T R O B I S C H , First Edition. N A S R A L L A H , Formation, sieht neben den bekannten, auf Papyrus publizierten Briefsammlungen in der Antike epigraphisch bezeugte Briefsammlungen als weiteren möglichen kulturellen Hintergrund für die Entstehung von Briefsammlungen im frühen Christentum. Auf diese bisher in der Diskussion unterbelichteten Zeugnisse hinzuweisen, ist ein wichtiger Verdienst und belegt die noch weitere Verbreitung und kulturelle Bedeutung des Konzepts publizierter Briefsammlungen in der Antike. Einzelne Aspekte Nasrallahs Ausführungen sind im Lichte der Ergebnisse dieser Studie aber insofern kritisch zu hinterfragen, als ein Modell des frühen Christentums als „Unterschichtenphänomen“ mit fehlendem Zugang zu publizierten literarischen Texten und fehlenden eigenen Möglichkeiten der Publikation Ergebnisse betreffen vor allem den Aspekt einer „rezeptionellen Literarizität“ der neutestamentlichen Briefe, ihrer situationsübergreifenden Aussagkraft und ihres dauerhaften Lesewertes. 207 Die Publikations-Modelle haben darüber hinaus auch große heuristische Vorteile. Sie können einerseits die Plausibilität der Fiktion und somit die Akzeptanz von pseudepigraphen Briefen im frühen Christentum deutlich besser erklären als die Annahme, dass pseudepigraphe Briefe als Einzelschriften in Umlauf gebracht worden sind. 208 Insbesondere die Verweise auf den eigenhändigen Gruß erzeugen die Fiktion, dass die publizierte Sammlung auf Originalmanuskripte zurückgeht. In einer Sammlung sind diese nämlich ohne Unterschied in der Hand‐ schrift plausibel, da es sich für die Rezipienten eindeutig um eine Abschrift handelt (vgl. Kol 4,18; 2Thess 3,17). 209 Andererseits können die publikationsorientierten Modelle zur Beschreibung der Entstehung von Sammlungen der Paulusbriefe (und der Katholischen Briefe) auch besser die relativ einheitliche handschriftliche Über‐ lieferung erklären als die dynamischen Zirkulations- und Sammlungsmodelle. 210 537 9.6 Konsequenzen für die Frage nach der Entstehung des neutestamentlichen Kanons von Briefsammlungen vorausgesetzt wird. Es kommt hinzu: Briefsammlungen, publiziert in Form von Inschriften, repräsentieren noch in viel größerem Maße Kommunikationsformen der Elite als solche, die auf Papyrus oder Pergament publiziert worden sind. 211 Vgl. weiterführend zum Begriff „Buchreligion“ L A N G , Buchreligion; R Ü P K E , Heilige Schriften. 212 Dass die in den neutestamentlichen Schriften vorkommenden Lesetermini v. a. mit dem Lesen der alttestamentlichen Schriften verknüpft ist, unterstreicht die program‐ matische Ausrichtung der Beiträge in H A R T E N S T E I N , Bedeutung. 9.7 Epilog Als Summa der Studie lässt sich zugespitzt formulieren: Das Christentum war von früher Zeit an eine Buch-, aber vor allem eine Lesereligion. 211 Und das in mindestens zweifacher Hinsicht. Im Hinblick auf die bleibende Bedeutung der Lektüre der alttestamentlichen Schriften 212 und den Kontinuitäten zur literari‐ schen Schaffenskraft des antiken Judentums einerseits und dem (untrennbar damit verknüpften) Beginn eigenständiger literarischer Produktivität anderer‐ seits. Mit vielfältigen Termini, Metaphern und Metonymien beschrieben, war „Lesen“ im frühen Christentum im Kontext seiner Mitwelt ein pluriformes und vielschichtiges Phänomen, das insbesondere auch individuell-direkte, mehr‐ fache und auf ein tieferes Verstehen hin angelegte, aber auch selektive und diskontinuierliche Zugriffe auf die biblischen Texte miteinschloss. Lesen war kein bloßer Appendix des vermeintlich ubiquitären Mediums „Mündlichkeit“ und kann auch nicht monosituativ auf den Modus des Vorlesens in einer Gruppe reduziert werden. Die Ergebnisse der Studie stellen aber weder die Bedeutung des mündlichen Wortes in der frühchristlichen Verkündigung noch die Bedeutung ritueller Ausdrucksformen des frühen Christentums in Abrede. Insofern ist präzisierend ein auch mitzuhören: Das Christentum war von früher Zeit an auch eine Buch-, aber vor allem eine Lesereligion. Und diesem auch ist gegenüber Ansätzen einer einseitigen Betonung von Mündlichkeit im frühen Christentum stärkere Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei führen einfache Scha‐ blonen und Schemata nicht weiter, um die Reichhaltigkeit und das Ineinander der Dimensionen des Phänomens Lesen in Antike und frühem Christentum zu erfassen. Aus der Einsicht, dass die neutestamentlichen Schriften nicht nur für einen einmaligen Kommunikationsakt, sondern auch für die dauerhafte Lektüre eines größeren Lesepublikums gedacht waren, folgt, über das Lesen als eine, in seiner theologischen Relevanz nicht zu unterschätzenden, Art und Weise, wie Menschen sich Gott und Gottes Handeln in der Welt im frühen Christentum erschließen konnten, aber auch in der Gegenwart erschließen können, nachzudenken. Die theologische Erschließungskraft des Lesens weiter 538 9 Rückblick und Ausblick: Lesen im frühen Christentum zu erforschen und zu beschreiben, ist eine weiterführende interdisziplinäre Aufgabe. Dieses auch impliziert dann aber angesichts verbreiteter Illiteralität in antiken Gesellschaften und angesichts von ökonomischen und damit verbundenen zeit‐ lichen Zwangslagen ein (insb. angesichts des reformatorischen Schriftprinzips des sola scriptura auch theologisch herausforderndes) Inklusionsproblem. Da es sich für den antiken Ursprungskontext der neutestamentlichen Schriften in dieser Untersuchung als problematisch erwiesen hat, aus der normativen Vorstellung der Partizipation einer großen (auch illiteraten) Masse an den biblischen Texten eine historische Beschreibung der frühchristlichen Lesekultur zu gewinnen, steht die Frage nach dem gleichberechtigten Zugang zu den biblischen Schriften zur Diskussion. Diese Frage ist aber nicht nur für die Antike von Relevanz, sondern auch für die Gesellschaft der Gegenwart; und dies nicht nur angesichts rückläufiger Kirchenmitglieder und Gottesdienstbesucher, rückläufiger Formen der Sozialisation mit biblischen Texten im häuslichen Umfeld und ökonomischen Bildungshinderungsgründen, sondern auch im Hinblick auf die spätestens seit den PISA-Studien feststellbaren, verbreiteten Defizite beim Leseverstehen und dem immer noch verbreiteten Phänomen von Analphabetismus. Dabei ist zu betonen, dass aus den Ergebnissen der Studie in Bezug auf eine größere Bedeutung der biblischen Individuallektüre im frühen Christentum für die Gegenwart nicht ein intellektualistisches Deu‐ tungsmonopol der biblischen Schriften von Theologie und Kirche abzuleiten ist. Vielmehr lässt sich für die Theologie und für die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden daraus umgekehrt ein Bildungsauftrag ableiten, der zum Ziel hat, das Individuum zu befähigen, Mose zu treffen, sich in die Tora hineinzubeugen, die Psalmen zu murmeln, die Propheten zu hören, die Evangelien nebeneinander zu lesen, Paulus eigene Handschrift zu sehen, unter der Textoberfläche der Briefsammlungen zu suchen, aber auch zusammen zu lesen und die Lesefrüchte zu teilen, das inkarnierte, Schrift und Buch gewordene Wort Gottes gut zu kauen, um die Vielstimmigkeit und reichhaltigen Botschaften der biblischen Texte zu verstehen. 539 9.7 Epilog 1 Vgl. insb. die ausführliche Liste bei G A V R I L O V , Techniques, 70 f, die allerdings einige hier nicht aufgeführte Belege enthält, die m. E. keine Evidenz für nicht-vokalisierendes Lesen bieten. 10 Anhang 10.1 Liste mit Belegen für nicht-vokalisierendes Lesen Die folgende Liste enthält die bereits in der Forschung angeführten Stellen 1 und zusätzlich in dieser Studie gefundene. Ach. Tat. 1,6,6 Aen. Tact. 31,4 Alki. 4,19 Antipanes, Sappho (fr. 194): Athen. deipn. 10,73 (451a/ b) Aristain. 1,10,35-42 Aristoph. Eq. 117-128; Nub. 18-23; Ran. 52-54 Athen. deipn. 1,8 (5b; Plato Comicus); 10,7 3 (451a/ b; Antipanes, Sappho) Aug. Conf. 6,36,6; 8,12; 8,14 f; 8,29; de dial. 57; trin. 11,8,15 Charit. Cal. 4,5,8 f Cic. Tusc. 5,116 Curt. 3,6 Diod. 3,4 Dion. Hal. ant. 5,8,2 Eur. Hipp. 856-890; Iph. A. 34 ff.107 f; Iph. T. 760-763 [mutmaßlich impliziert] Herodas 4,21-25 Hdt. 1,123-125 [mutmaßlich] Hor. sat. 1,6,122 f; 2,5,51-55; 2,5,66-69 Ios. vita 219-223 Iul. ep. 25 [427b] Lukian. philops. 31 Ov. epist. 21,3; am. 1,11.4; ars 1,571 f; met. 9,596 [nicht eindeutig] Plaut. Bacch. 729-995 Petron. sat. 129 Philostr. v. Apoll. 5,4 f; 8,1; 8,31 Plaut. Pseud. 9-11 Plot. enn. 1,4,10 Ptol. krit. 5,1 f Plut. Cato min. 19; 59, Brut. 5; Ant. 58; Caes. 11; de Alex. fort. 1,11 (mor. 332 e-333a); 2,7 (mor. 340a); Lys. 19,5-7; 20,1-4; de def. or. 45 (mor. 434e); soll. an. 3 (mor. 961a) Sall. Iug. 71 Suet. Aug. 39.45; Nero 15,1 Tac. ann. 3,16,1 Xen. symp. 4,27; top. 1,1 Vgl. außerdem die inschriftlichen Belege auf S. 146, 199. 10.2 Quellensprachliche Bezeichnungen antiker „Leseobjekte“ (Auswahl) ἀρχαιολογίαι ἀπογραφή ἄξονες βιβλίδιον βιβλίον βίβλος γράμμα bzw. v. a. γράμματα γραφή δέλτος δελτίον διάγραμμα διάταγμα ἐπίγραμμα ἐπιστολή εὐαγγέλιον ἱστορία κατάλογος κωμῳδία κύλινδρος λεύκωμα λόγος μῦθος νόμος περικοπή πίναξ ποίημα πραγματεία προοίμιον π(τ)υκτίον συγγράμματα στιχίδια συντάγματα ὑπομνήματα χάρτη (τεῦχος) τόμος τραγῳδία album cera charta commentarius epigramma epistula evangelium libellus liber litterae pugillaris scriptura tabella volumen Aufbewahrung: κιβωτός κιβώτιον τεῦχος armarium cista capsa scrinium 542 10 Anhang 10.3 Exemplarische Übersicht über griechische (und lateinische) Lesetermini Kognitionstermini ἀναγιγνώσκω ἀνάγνωσις ἀνάγνωσμα ἀναγνώστης ἀναγνωστικός διαναγιγνώσκω ἐξαναγιγνώσκω παραναγιγνώσκω προαναγιγνώσκω συναναγιγνώσω cognosco Verba audiendi ἀκούω (ἀκροάομαι) (ἀκροατής) (ἀκρόασις) (ἀκροατικός) ἐπακούω audio Metaphern des Sammelns bzw. Termini der Vokalisierung ἀναλέγω/ ἀναλέγομαι ἐπιλέγομαι λέγω lectio lectito lego perlego praelego recito relego Kontakt- und Begegnungsmetaphern ἀπαντάω ἐντυγχάνω ἔντευξις ἐπιτυγχάνω περιπίπτω Metonymien des haptischen Umgangs ἀναπτύσσω ἀνειλέω ἀνελίσσω ἀνοίγω διατυλίσσω λαμβάνω κυλί(νδ)ω παραλύω contrecto evolvo explicio pervolvo revolvo verto div. Konstruktionen mit χείρ und manus Metaphern des Suchens und Fragens ἀναζητέω ἐκζητέω ἐρευνάω ἐπιζητέω ἐπισκέπτομαι εὑρίσκω ἐξετάζω ζητέω ἱστορέω (καταμανθάνω) (μανθάνω) μαστεύω πολυπραγμονέω quaero 543 10.3 Exemplarische Übersicht über griechische (und lateinische) Lesetermini 2 Im Dorischen. S. auch ἐπινέμω. reperio scrutor Metaphern der Bewegung ἀναστρέφω διαπορεύω διέρχομαι διέξειμι ἐγκύπτω ἔπειμι ἐπιπορεύομαι παρακύπτω προσφοιτάω συμπεριφέρεσθαι erro incumbo percurro praetire redeo transire transmitto Verba vivendi ἀθρέω διαθρέω διασκοπέω διοράω εἶδον θεωρέω ὁράω σκοπέω div. Konstruktionen m. ὄψις/ ὀφθαλμός und aspectus/ oculus Metaphern des Essens und Trinkens ([ἀνα]νέμω) 2 ἀνατρέφω ἐσθίω καταπίνω consumo degusto pasco Häufig durch komplexere Formulierungen (Metapher im Substantiv) ausgedrückt 10.4 Abkürzungen Grundsätzlich nach: S C H W E R T N E R , Siegfried M.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen An‐ gaben, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin/ Boston 2014. In Einzelfällen nach: C O L L I N S , B. J./ B U L L E R , B./ K U T S K O , J. F.: The SBL Handbook of Style. For Biblical Studies and Related Disciplines, Atlanta, Ga 22014. Griechisch-Römische Autoren i. d. R. nach: 544 10 Anhang Der Neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, hg. v. H. Cancik et al., Stuttgart u. a., 1996 ff. Davon abweichend: AARSU Annales Academiae Regiae Scientiarum Upsalienses AGB Archiv für Geschichte des Buchwesens Albin Albinos, Epitome AGL Analytical Lexicon of the Greek New Testament AN.S Ancient Narrative Supplementum APAACS American Philological Association American Classical Stu‐ dies Series Apollon. Dysk. synt, Apollonios Dyskolos, Περὶ συντάξεως (de syntaxi, de const‐ ructione) Apr. Pac. tract. Apringius Pacensis, Tractatus in Apocalypsin ARCL Annual Review of Cognitive Linguistics ASH Ancient Society and History AtPePs Attention, Perception & Psychophysics BAK Beiträge zur Altertumskunde BBSc Behavioral and Brain Sciences BDAG The Brill Dictionary of Ancient Greek (M O N T A N A R I ) BGSL Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Lite‐ ratur BENT Beiträge zur Einleitung in das Neue Testament BiWi Bibliothek und Wissenschaft BLJ The British Library Journal BPCS Biblical Performance Criticism Series BR Bornemann/ Risch, Griechische Grammatik BrLa Brain and Language BSGRT Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubne‐ riana Bull. arch. crist. Bulletino di archeologia cristiana, ed. de Rossi Charit. Cal. Chariton, Callirhoe ClWo Classical World Cog. Cognition Compar. Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und verglei‐ chende Gesellschaftsforschung CRev The Contemporary Review CVA Corpus Vasorum Antiquorum EDG Etymological Dictionary of Greek (B E E K S ) FPs Frontiers in Psychology ep. ad cath. Epistula ad catholicos de secta Donatistarum Eus. mart. pal. Euseb, De martyribus palaestinae 545 10.4 Abkürzungen FAN Frontiers in Human Neuroscience Fort. Aquil. com. Fortunatianus Aquileiensis, Commentarii in evangelia Gal. alyp. Galenos, Περὶ ἀλυπίας Gal. comp. med. loc. Gelenos, De compositione medicamentorum secundum locos libri X GFA.B Göttinger Forum für Altertumswissenschaft, Beihefte GL Grammatici Latini HABES Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien HBrM Human Brain Mapping HSCL Harvard Studies in Comparative Literature Hipp. de Antichristo Hippolytos, De Christo et Antichristo ICG Inscriptiones Christianae Graecae IEW Indogermanisches Etymologisches Wörterbuch (P O K O R N Y ) IRALLT International Review of Applied Linguistics in Language Teaching Isa. Isaios ISACR Interdisciplinary Studies in Ancient Culture and Religion JCN Journal of Cognitive Neuroscience JECP Journal of Experimental Child Psychology JEP.G Journal of Experimental Psychology: General JEP.HPP Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance JEP.LMC Journal of Experimental Psychology. Learning, Memory, and Cognition JML Journal of Memory and Language JNSc Journal of Neuroscience JRead Journal of Reading LaC Libraries and Culture LaSos Language in Society LHist Library History LiQu Library Quarterly LREd London Review of Education LPTB Linzer philosophisch-theologische Beiträge MaTex Materiale Textkulturen Lukian. adv. ind. Lukian von Samosata, adversus indoctum et libros multos ementem Men. Rhet. epideikt. Menander Rhetor, Περὶ ἐπιδεικτικῶν OrTr Oral Tradition PDR Population and Development Review PerPs Perception & Psychophysics 546 10 Anhang PGL A Patristic Greek Lexicon (L A M P E ) PMAAR Papers and Monographs of the American Academy in Rome PNASUS Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA Plut. de tuend. san. Plutarch, De tuenda sanitate praecepta Plut. curios. Plutarch, De curiositate Plut. non posse suav. Plutarch, Non posse suaviter vivi secundum Epicurum Plut. poet. aud. Plutarch, Quomodo adolescens poetas audire debeat Plut. reg. et. imp. Plutarch, Regum et imperatorum apophthegmata Plut. resp. ger. Plutarch, An seni respublica gerenda sit Proc. Procedia - Social and Behavioral Sciences PsBR Psychonomic Bulletin & Review PsSc Psychological Science Ptol. krit. Ptolemaios, Περὶ κριτηρίου καὶ ἡγεμονικοῦ (de judicandi facultate et animi principatu) Ps.-Liban. ep. char. Pseudo-Libanios, Ἐπιστολιμαῖοι χαρακτῆρες (ed. Foerster, Vol. 9, 27-47) Ps.-Iust. Quaest. Quaestiones et responsiones ad orthodoxos Ps.-Kall. Pseudo-Kallisthenes, Historiae Alexandri Magni QJS Quarterly Journal of Speech SaScr Sacra Scripta ScCo Science in Context SCLec Sather Classical Lectures ScOr Script-Oralia SKAW.PH Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften SJPs Scandinavian Journal of Psychology SECA Studies on Early Christian Apocrypha TiCSup Trends in Classics - Supplementary Volumes TCS Trends in Cognitive Science TEG Traditio Exegetica Graeca TENT Texts and Editions for New Testament Study Theod. Gr. aff. cur. Theodoret, Theodor Graecarum affectionum curatio ViRe Vision Research VL Vetus Latina VTG Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum auctoritate Aca‐ demiae Scientiarum Gottingensis editum Vit. Arist. Marc. Vita Aristotelis Marciana 547 10.4 Abkürzungen 1 Die Lexika DNP, PRE, RGG 4 , TRE sowie das ThWNT sind hier als Hilfsmittel für die Quellen- und Literaturrecherche angegeben. Wenn inhaltlich auf einzelne Artikel Bezug genommen wird, sind diese jeweils im Fußnotenapparat und im Literaturverzeichnis angegeben. 11 Quellen und Hilfsmittel 11.1 Wörterbücher, Lexika und weitere Hilfsmittel 1 A Coptic Dictionary, Compiled by W. E. Crum, Oxford 1939. A Hebrew and English Lexicon of the Old Testament. With an Appendix Containing the Biblical Aramaic, Based on the Lexicon of W. Gesenius as Transl. by E. Robinson, by F. Brown, with Co-operation of S. R. Driver and C. A. Briggs, Boston/ New York 1907. Bauer, W.: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin/ New York 5 1971. Beekes, R.: Etymological Dictionary of Greek, 2 Bde. (Leiden Indo-European Etymological Dictionary Series 10), Leiden/ Bosten 2010. Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike (DNP), hg. v. H. Cancik, Stuttgart 1996 ff. Der Neue Georges: Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch. Aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hilfsmittel ausgearbeitet von K.-E. Georges, hg. v. T. Baier, bearb. v. T. Dänzer, 2 Bde., Darmstadt 2013. Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament (EWNT), hg. v. H. Balz/ G. Schneider, 3 Bde., Stuttgart/ Berlin/ Köln 2 1992. Friberg, T./ Friberg; B/ Mille, N.: Analytical Lexicon of the Greek New Testament, Victoria, BC 2005. Gesenius, Wilhelm: Hebräisches und Aramäisches Wörterbuch über das Alte Testament, begonnen v. D. R. Meyer, unter zeitweiliger, verantwortlicher Mitarbeit v. U. Rüters‐ wörden u. J. Renz, bearb. u. hg. v. H. Donner, Heidelberg/ Dordrecht/ London/ New York 18 2013. Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch von W. Gemoll, Zug 9 1965. Lampe, G. W. H.: A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961. Liddell, H. G./ Scott, R.: A Greek-English Lexicon, Revised and Augmented throughout by Sir H. S. Jones, with the Assistance of R. 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A Concordance to the Septuagint and the Other Greek Versions of the Old Testament (Including the Apocryphal Books), by the Late E. Hatch and H. A. Redpath, 3 Bde. in 2, Graz 1975 [unv. Nachdr. der 1897 in Oxford ersch. Ausg.]. Bible Works 10. Software for Biblical Exegesis and Research, Version 10.0.5.522, Norfolk 2016. Casaubon-Kaibel Reference Converter, Digital Athenaeus, ed. M. Berti, Leipzig. (URL: www.digitalathenaeus.org/ ) Center for the Study of New Testament Manuscripts (CSNTM), ed. D. B. Wallace et al., Plano, TX. (URL: www.csntm.org/ ) Hardmeier, C./ Talstra, E./ Groves, A. (Hgg.), Stuttgarter Elektronische Studienbibel (SESB 3.0), Stuttgart/ Haarlem 2009. Index apologeticus sive clavis Iustini Martyris operum aliorumque apologetarum pristi‐ norum, compos. E. J. Goodspeed, Leipzig 1912. Index patristicus sive clavis patrum apostolicorum operum, compos. E. J. Goodspeed, Leipzig 1907. Library of Latin Texts, A/ B, Turnhout. Morgenthaler, R.: Statistik des neutestamentlichen Wortschatzes, Zürich/ Frankfurt 4 1992. New Testament Virtual Manuscript Room (NTVMR), INTF Münster. (URL: https: / / ntvm r.uni-muenster.de/ ) Papyri.info. The Duke Collaboratory for Classics Computing and the Institute for the Study of the Ancient World. Perseus Digital Library, ed. G. R. Crane, Tufts University. (URL: www.perseus.tufts.edu) Philonis Alexandrini Opera quae supersunt. Vol. 7,1 f.: Indices ad Philonis Alexandrini Opera, compos. I. Leisegang, Berlin 1926/ 1930. Searchable Greek Inscriptions. A Scholarly Tool in Progress, Last Updated Nov. 2017, The Packard Humanities Institute, Cornell University, Ohio State University. (URL: https: / / inscriptions.packhum.org/ ) 551 11.3 Konkordanzen und elektronische Hilfsmittel Siegert, F.: Nag-Hammadi-Register. Wörterbuch zur Erfassung der Begriffe in den kop‐ tisch-gnostischen Schriften von Nag-Hammadi mit einem deutschen Index (WUNT 26), Tübingen 1982. Thesaurus Linguae Graecae. A Digital Library of Greek Literature, The TLG® Project, University of California Irvine, Irvine, CA. (URL: www.tlg.uci.edu/ ) Thesaurus Linguae Latinae (TLL) Online, München. (URL: www.thesaurus.badw.de) Trismegistos (TM). An Interdisciplinary Portal of Papyrological and Epigraphical Re‐ sources. (URL: www.trismegistos.org/ ) Vollständige Konkordanz zum griechischen Neuen Testament, unter Zugrundelegung aller modernen kritischen Textausgaben und des textus receptus. 2 Bde. (ANTF 4/ 1/ 1 u. 2; 4,2), in Verbindung mit H. Riesenfeld, H. U. Rosenbaum, Ch. Hannick, B. Bonsack neu zsgest. unter der Leitung von K. Aland, Berlin/ New York 1978-1983. 11.4 Epigraphische und papyrologische Hilfsmittel Das Neue Testament auf Papyrus. Bd. 1. Die Katholischen Briefe, in Verb. m. K. Junack, bearb. v. W. Grunewald (ANTF 6), Berlin/ New York 1986. Das Neue Testament auf Papyrus. Bd. II: Die Paulinischen Briefe, Teil 1: Röm., 1 Kor., 2 Kor, bearb. v. K. Junack, E. Güting, U. Nimtz, K. Witte (ANTF 12), Berlin/ New York 1989. Das Neue Testament auf Papyrus. Bd. II. Die Paulinischen Briefe. Teil 2: Gal, Eph, Phil, Kol, 1 u. 2 Thess, 1 u. 2 Tim, Tit, Phlm, Hebr, bearb. v. K. Wachtel u. K. Witte (ANTF 22), Berlin 1994. Wörterbuch der griechischen Papyruskunden mit Einschluss der griechischen In‐ schriften, Aufschriften, Ostraka, Mumienschilder usw. aus Ägypten, 4 Bde., bearb. und hg. von F. Preisigke/ E. Kießling, Heidelberg/ Berlin 1924 ff.; Supplement 1, hg. v. E. Kießling, Amsterdam 1971; Supplement 2, hg. v. H.-A. Rupprecht, Wiesbaden 1991; Supplement 3, hg. v. H.-A. Rupprecht, Wiesbaden 2000. WörterListen aus den Registern von Publikationen griechischer und lateinischer doku‐ mentarischer Papyri und Ostraka, kompiliert von D. Hagedorn, 22. Fassung vom 14. Mai 2018. (URL: www.zaw.uni-heidelberg.de/ hps/ pap/ WL/ WL.pdf zuletzt einges: 06.03.2019) 552 11 Quellen und Hilfsmittel 11.5 Quellen 11.5.1 Biblische Texte 11.5.1.1 Editionen, Faksimiles und Synopsen Biblia Hebraica Stuttgartensia, hg. v. K. Elliger/ W. Rudolph, editio quinta emendata opera A. Schenker, Stuttgart 1997. Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem, recens. et brevi apparatu critico instruxit R. Weber, editionem quintam emendatam retractatam praeparavit R. Gryson, Stuttgart 2007. Concerning the Text of the Apocalypse. Collations of all Existing Available Greek Documents with the Standard Text of Stephen’s Third Edition. Together with the Testimony of Versions, Commentaries and Fathers. A Complete Conspectus of all Authorities, by H. C. Hoskier, London 1929. Facsimile of the Washington Manuscript of the Minor Prophets in the Freer Collection: And the Berlin Fragment of Genesis, with an Introduction by H. A. Sanders, Ann Arbor, Mich. 1927. Itala. Das Neue Testament in altlateinischer Überlieferung, nach den Handschriften hg. v. A. Jülicher, durchgesehen und zum Druck besorgt von W. Matzkow/ K. Aland, I. Matthäusevangelium, Berlin/ New York 2 1972, II. Marcusevangelium, Berlin 2 1970, III. Lucasevangelium, Berlin/ New York 2 1976. Novum Testamentum Greaece, in der Nachfolge von E. und E. Nestle, gemeinsam verantwortet v. B. und K. Aland, J. Karavidopoulos, C. M. Martini, B. M. Metzger, Stuttgart 27 1993. Novum Testamentum Greaece. Begründet von E. u. E. Nestle, hg. v. B. u. K. Aland, J. Karavidopoulos, C. M. Martini, B. M. Metzger, 28. revidierte Aufl., hg. v. Institut für Neutestamentliche Textforschung Münster/ Westf. unter der Leitung von H. Strutwolf, Stuttgart 2012. Septuaginta. Id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes, ed. A. Rahlfs, 2 Bde., Stuttgart 1935, Nachdruck in einem Band 1979. Septuaginta. Id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes, ed. A. Rahlfs, ed. altera recogn. et emend., Stuttgart 2006. Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientiarum Gottin‐ gensis editum, ed. J. W. Wevers, R. Hanhart et al., Göttingen 1974 ff. Synopsis Quattuor Evangeliorum. Locis parallelis evangeliorum apocryphorum et patrum adhibitis ed. Kurt Aland. Editio tertia decimal revisa, Stuttgart 1985. Vetus Latina (VL). Die Reste der altlateinischen Bibel Nach Petrus Sabatier neu gesammelt und hg. von der Erzabtei Beuron unter der Leitung von R. Gryson, Freiburg i. Br. 1949 ff. 553 11.5 Quellen The Book of Ben Sira in Hebrew: A Text Edition of All Extant Hebrew Manuscripts and a Synopsis of All Parallel Hebrew Ben Sira Texts, by P. C. Beentjes (VT.S 68), Leiden 2003. The Coptic Version of the New Testament in the Northern Dialect. Otherwise Called Memphitic and Bohairic. With Introduction, Critical Apparatus, and Literal Englisch Translation. Vol. IV. The Catholic Epistles and the Acts of the Apostles, ed. from MS Oriental 424. The Apocalypse, Edited from Ms. Curzon 128 in the Care of the British Museum, Oxford 1905. 11.5.1.2 Übersetzungen Arbeitsübersetzung des Neuen Testaments, hg. v. G. Lüdemann/ F. Schleritt, Göttingen 2008. Bibel in gerechter Sprache, hg. v. U. Bail/ F. Crüsemann et al., Gütersloh 2006 (BigS). Centenary Translation of the New Testament in Modern English, Transl. by H. B. Montgomery, Philadelphia 1924. Das Neue Testament, übers. u. kom. v. U. Wilckens, Köln/ Zürich 3 1971. Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers. Mit Apokryphen. Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984, hg. v. der Evangelischen Kirche in Deutschland, Stuttgart 1985 (LU84). Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung. Lutherbibel, revidiert 2017. Mit Apokryphen, hg. v. der Evangelischen Kirche in Deutschland, Stuttgart 2016 (LU2017). Die Heilige Schrift. Aus dem Grundtext übersetzt. Revidierte Elberfelder Bibel, hg. im Auftrag des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, Wuppertal 1985 (ELB). Die Heilige Schrift. Einheitsübersetzung, hg. im Auftrag der Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz, der Bischöfe von Luxemburg, von Lüttich und von Bozen-Brixen, Stuttgart 1980 (EIN). Die Schrift, verdeutscht von M. Buber, gemeinsam mit F. Rosenzweig, 4 Bde., Stuttgart 1992. D. Martin Luther: Die gantze Heilige Schrifft Deutsch, Wittenberg 1545. Letzte zu Luthers Lebzeiten erschienene Ausgabe, hg. v. H. Volz unter Mitarbeit von H. Blanke, Darmstadt 1972 (LU45). Die Septuaginta Deutsch, hg. v. W. Kraus/ M. Karrer, Stuttgart 2007 Holy Bible: The New King James Version. Containing the Old and New Testaments. Nashville/ Camden/ New York 1982 (NKJ). Münchener Neues Testament. Studienübersetzung, hg. v. J. Hainz, Düsseldorf 8 2007 (MNT). The Holy Bible: Containing the Old and New Testaments with the Apocryphal/ Deute‐ rocanonical Books. New Revised Standard Version, New York/ Oxford 1989 (NRS). 554 11 Quellen und Hilfsmittel 2 In dieser Studie wird entsprechend neuerer religionsgeschichtlicher Paradigmen nicht zwischen ‚christlichen‘ und ‚paganen‘ Schriftstellern bzw. Texten unterschieden. Diese Unterscheidung ist bedingt durch die Perspektive der jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen der Altphilologie, der Alten Geschichte und der Theologie. Eine wissenschaftlich ‚neutrale‘ Kategorisierung sollte sich m. E. an den jeweiligen Sprachen oder geographischen Kriterien orientieren und nicht an Begriffen, die auf antiken religiös-sozialen Identitätsdiskursen basieren und vor allem zu Demarkationszwecken verwendet worden sind. The New American Standard Bible, by The Lockman Foundation, La Habra, Ca 1977 (NAS). Zürcher Bibel 2007, hg. v. Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich, Zürich 2 2008 (ZB2007). 11.5.2 Literarische Quellen 2 11.5.2.1 Quellensammlungen Anthologia Graeca. Gr.-dt., hg. v. H. Beckby, 4 Bde., München 2 1965 ff. Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. I. Band in zwei Teilbänden: Evangelien und Verwandtes, hg. v. C. Markschies/ J. Schröter in Verb. m. A. Heiser, 7. Aufl. der von E. Hennecke begründeten und von W. Schneemelcher fortgeführten Sammlung der neutestamentlichen Apokryphen, Tübingen 2012. Comicorum Atticorum Fragmenta (CAF), ed. T. Kock, Bd. 3, Leipzig 1888. Corpus apologetarum Christianorum saeculi secundi (CorpAp), ed. J.C.T. Otto, Bd. 5, Jena 3 1881. Catalogus Codicum Astrologorum Graecorum (CCAG), 5,3 Codices Romani, Brüssel 1910. Corpus Paroemiographorum Graecorum. Tomus I. Zenobius, Diogenianus, Plutarchus, Gregorius Cyprius cum appendice proverbiorum, ed. E. L. v. Leutsch/ G. Schneidewin, Hildesheim 1958 [unveränderter photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Göt‐ tingen, 1839]. Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet, hg. v. K. Wengst (SUC 2), Darmstadt 1984. Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, hg. v. E. Kautzsch 2 Bde., Tübingen/ Freiburg i. Br./ Leipzig 1900. Die apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe, auf der Grundlage der Ausgabe von F. X. Funk/ K. Bihlmeyer/ M. Whittaker. Mit Übersetzungen von M. Dibelius/ D.-A. Koch, neu übers. und hg. v. A. Lindemann/ H. Paulsen, Tübingen 1992. Die Fragmente der griechischen Historiker (FGrH), hg. v. F. Jacoby, Berlin 1923 ff. Epistolographi Graeci, rec. R. Hercher, Paris 1874. Erotici scriptores Graeci, recogn. R. Hercher, 2 Bde., Leipzig 1859. 555 11.5 Quellen Fragmenta historicorum graecorum (FHG), ed. K. Müller/ T. Müller et al., 4 Bde., Paris 1841-1872. Fragmenta philosophorum Graecorum (FPG), ed. F.W.A. Mullach, Bd. 3, Paris 1881. Grammatici Latini, ex recens. H. Keil, 8 Bde., Leipzig 1857-1880. Im Reich des Eros. Sämtliche Liebes- und Abenteuerromane der Antike hg. v. B. Kytzler. In den Übertragungen von F. Ast/ C. Fischer/ ders./ H. Maehler/ K. Mras/ C. M. Wieland/ F. Jacobs/ R. Reymer/ H. M. Werhahn, 2 Bde., Düsseldorf 2001, Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2. Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, hg. v. W. Schneemelcher, Tübingen 5 1989. Patres Apostolici, ed. Funkianam novis curis in lucem emisit Franciscus Diekamp, Vol. II, Tübingen 1913. Patrologiae cursus completus. Series Graeca, J. P. Migne, 1857 ff. Poetae Comici Graeci (PCG), v. R. Kassel/ C. Austin, 8 Bde., Berlin 1983 ff. Poeta Latini Minores, rec. et. em. A. Baehrens, Leipzig 1879. Rhetores Latini minores, ex codicibus maximam partem primum adhibitis, em. C. Halm, Leipzig 1863. Rhetores Graeci, ex rec. L. Spengel, Bd. 2, Leipzig 1854. Stoicorum Veterum Fragmenta (SVF), par J. Von Arnim, 4 Bde., 1903-1924. Supplementum Hellenisticum (SH), ed. H. Lloyd-Jones/ P.J. Parsons (TK 11), Berlin/ New York 1983. The Apostolic Fathers. Part I,1.2, S. Clement of Rome, a Revised Text with Introductions, Notes, Dissertations, and Translations. Part II, 1-3, S. Ignatius. S. Polycarp, Revised Text with Introductions, Notes, Dissertations, and Translations, by J. B. Lightfoot, London/ New York 1890/ 1889. The Colloquia of the Hermeneumata Pseudodositheana. Vol. 1: Colloquia Mona‐ censia-Einsidlensia, Leidense-Stephani, and Stephani, ed. by E. Dickey, Cambridge 2012. The Greek Versions of the Testaments of the Twelve Patriarchs, ed. R. H. Charles, Oxford 1908. The Old Testament Pseudepigrapha, ed. J. H. Charlesworth, 2 Bde., New York 1983/ 1985. Tragicorum Graecorum Fragmenta (TrGF) III. Aeschylus/ IV: Sophocles, hg. v. S. Radt, Göttingen 2 2009/ 1999. Variorvm auctorum Commentaria minora in Apocalypsin Iohannis. Scilicet Apringi Pacensis tractatus fragmenta, Cassiodori Senatoris complexiones, pauca de mono‐ gramma excerpta, incerti auctoris commemoratorium, de enigmatibus ex apocalypsi, commemoratorium a Theodulpho Auctum, quae omnia recognovit et commentario critico instruxit R. Gryson (CCSL 107), Turnhout 2003. 556 11 Quellen und Hilfsmittel 11.5.2.2 Rabbinische Texte Bereschit Rabba. Mit kritischem Apparat und Kommentar, hg. v. J. Theodor/ C. Albeck, 3 Bde., Berlin 1912-1936. Der Babylonische Talmud, neu übertragen durch L. Goldschmidt, 12 Bde., Frankfurt a. M. 1996. Die Mischna, ins Deutsche übertragen, mit einer Einleitung und Anmerkungen von D. Correns, Wiesbaden 2005. Die Mischna. Text, Übersetzung und ausführliche Erklärung mit eingehenden geschicht‐ lichen und sprachlichen Einleitungen und textkritischen Anhängen, hg. v. G. Beer/ O. Holtzmann et al., Gießen et al. 1913 ff. Die Mischna. Textkritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung und Kommentar, hg. v. M. Krupp, Jerusalem 2002 ff. The Jerusalem Talmud. Edition, Translation, and Commentary, ed. by H. W. Guggen‐ heimer, 17 Bände (Studia Judaica 18 ff), Berlin 2000 ff. 11.5.2.3 Qumran Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, hg. u. übers. v. J. Maier, 3 Bde., München 1995 f. Qumran Cave 4.25. Halakhic Texts, ed. J. Baumgarten et al. (DJD 35) Oxford 1999. The Dead Sea Scrolls. Hebrew, Aramaic, and Greek Texts with English Transl.s., ed. by J. H. Charlesworth u. a., 7 Vols., Tübingen 1994-2011. The Dead Sea Scrolls Reader, ed. by D. W. Parry/ E. Tov, 6 Bde., Leiden 2004 f. 11.5.2.4 Pseudepigraphen, unbekannte Autoren, Gemeindeordnungen und anderes An Ancient Commentary on the Book of Revelation. A Critical Edition of the Scholia in Apocalypsin, ed. P. Tzamalikos, Cambridge 2013. B A R U C H 2 Baruch (Syriac Apocalypse of Baruch), transl. by A. F. J. Klijn, in: OTP I, 615-652. 3 Baruch (Greek Apocalypse of Baruch), transl. by H. E. Gaylord Jr., in: OTP I, 653-679. Apocalypse syriaque de Baruch. Introduction, Traduction du Syriaque et Commentaire I/ II, par P. Bogaert, (SC 144/ 145), Paris 1969. The Apocalypse of Baruch Translated from the Syriac, ed. by R. H. Charles, London 1896. Das Kerygma Petri kritisch untersucht v. E. v. Dobschütz (TU 11), Leipzig 1893. Das Muratorische Fragment und die Monarchianischen Prologe zu den Evangelien, hg. v. H. Lietzmann, Bonn 1902. Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus. Zusammen mit dem Brief des Mordechai an Alexander und dem Brief des Annaeus Seneca über Hochmut und 557 11.5 Quellen Götterbilder, eingel., üb. u. mit interpretierenden Essays versehen von A. Fürst/ T. Fuhrer/ F. Siegert/ P. Walter (SAPERE 11), Tübingen 2006. De infantia Iesu euangelium Thomae graece, ed. T. Burke (CCSA 17), Turnhout 2010. Didache. Zwölf-Apostel-Lehre, übers. u. eing. von G. Schöllgen/ Traditio Apostolica. Apostolische Überlieferung, übers. u. eing. von W. Geerlings (FC 1), Freiburg i. Br. 1991. Didascalia et Constitutiones Apostolorum, ed. F. X. Funk, 2 Bd., Paderborn 1905. Die syrische Didaskalia, üb. u. erkl. v. H. Achelis/ J. Flemming (TU 25), Leipzig 1904. H E N O C H Das Buch Henoch, herausgegeben von J. Flemming und L. Radermacher (GCS 5), Leipzig 1901. The Book of Enoch or I Enoch. 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Num 5,23 326 Num 21,14 326 Dtn 4,13 330 Dtn 5,4 f 347 Dtn 5,22 330 Dtn 6,4-9 403 Dtn 6,5 397f. Dtn 6,6-9 324f. Dtn 6,9 347 Dtn 9,9-17 330 Dtn 11,13-21 403 Dtn 11,18-21 324f. Dtn 11,8 f 325 Dtn 11,20 347 Dtn 17,14 319 Dtn 17,14-20 325 Dtn 17,18 315, 325, 352 Dtn 17,18 f 314f. Dtn 17,8 f 325, 352 Dtn 17,19 110, 325f., 354 Dtn 30,14 324 Dtn 31 324 Dtn 31,9 324 Dtn 31,9-13 321, 371 Dtn 31,10 371 Dtn 31,11 112, 318 Dtn 31,24 324 Dtn 31,26 324 Dtn 31,26 f 324 Jos 1 324f. Jos 1,8 323-328, 341, 360, 375, 455, 485 Jos 8,30-35 319 1Sam 21,1-7 449 1Sam 25,29 330 1Kön 2,3 326 1Kön 2,11 130 1Kön 8,9 330 2Kön 5,7 314, 381, 418 2Kön 18,37 130 2Kön 19,2 130 2Kön 19,14 173, 314, 317, 381, 499 2Kön 22,8-16 315f. 2Kön 22,10 318f. 2Kön 22,10 f 315 2Kön 22,10 f 315 2Kön 22,16 315 2Kön 23,1-3 319 2Kön 23,2 315, 318 2Chr 5,10 330 2Chr 13,22 326 2Chr 34,14 315 2Chr 34,18 315, 318f., 325 2Chr 34,24 315, 318f. 2Chr 34,29-32 319 2Chr 34,30 318 Esr 4,8 f 130 Esr 4,13 130 Esr 4,17 130 Esr 7,6 130 Neh 6,6 326 Neh 7,72 320 Neh 7,72b-10,40 322 Neh 8 318, 320, 323, 371 Neh 8,1 320ff. Neh 8,1-12 320, 322 Neh 8,1 f 322 Neh 8,2 f 321 Neh 8,3 110, 318, 320f., 325 Neh 8,4 320f. Neh 8,4-12 321 Neh 8,4 f 322 Neh 8,5 320f. Neh 8,6 320 Neh 8,7 f 321 Neh 8,8 110, 321, 325 Neh 8,12 321 Neh 8,13 f 322 Neh 8,14 322, 325 Neh 8,18 110 Neh 9,3 325 Neh 10,35 326 Neh 13,1 318, 325 Neh 13,14 330 1Esr 2,26 LXX 111 1Esr 3,1 320 1Esr 3,14 LXX 110, 319 Est 6,1 318 Est 6,1 LXX 107 Est 8,10 316 1Makk 1,54 454 1Makk 1,56-58 378 1Makk 3,6 379 1Makk 10,7 111 1Makk 12,9 328 1Makk 12,21 184 1Makk 14,19 108 2Makk 485 2Makk 2,19-32 342 2Makk 2,23 342f. 2Makk 2,24 343 2Makk 2,24 f 343, 466 2Makk 2,25 343ff. 2Makk 2,26 f 345 2Makk 2,27 345 2Makk 2,29 344 2Makk 6,12 345 2Makk 8,23 118 2Makk 15,37-39 342, 344 2Makk 15,39 344 3Makk 1,12 118 4Makk 18,10 f 378 4Makk 18,11 113 Ps 1,1 335 Ps 1,1 f 327 Ps 1,2 327f., 335, 341, 360, 375, 455, 485 Ps 33,9 LXX 210 Ps 40,8 326 Ps 63,7 327 Ps 68,29 LXX 330 Ps 69,29 330 Ps 118 449 Ps 143,5 327 Spr 1,16 317 Spr 3,34 LXX 379 Spr 6,18 317 Spr 7,3 440 Spr 9 LXX 210 Spr 22,8 LXX 379 Koh 7,20 LXX 379 SirProl 1 f 337 SirProl 4 340 SirProl 4-6 337 SirProl 4 f 339 SirProl 5 340 SirProl 6 341 675 Stellenverzeichnis SirProl 7-14 338 SirProl 8-10 337 SirProl 11 339 SirProl 12 339 SirProl 13 339 SirProl 15-18 339 SirProl 16 f 339 SirProl 17 126 SirProl 19-26 339 SirProl 27 332 SirProl 28 340 SirProl 29 340 SirProl 30-33 339 SirProl 33 339 SirProl 33-35 339 SirProl 34-36 340 Sir 332, 335, 337, 341, 346, 485 Sir 1,16 210 Sir 6,37 332, 334 Sir 14,20 332, 334f. Sir 15,3 210 Sir 20,28 337 Sir 21,23 396 Sir 24 LXX 210 Sir 38,24 335 Sir 38,24-43 335 Sir 38,25 LXX 334 Sir 38,31 336 Sir 38,34 LXX 336 Sir 39,1 336 Sir 39,1-3 LXX 335 Sir 39,1 LXX 336 Sir 39,2 336f. Sir 39,3 336f. Sir 39,8 337 Sir 49,10 337 Sir 50,27 333ff. Sir 50,28 332, 334f. Bar 1,1 130 Bar 1,3 318 Bar 1,14 318 Jes 4,2-6 330 Jes 29,11 313 Jes 29,11 f 314, 390 Jes 29,11 f LXX 110 Jes 29,18 313f. Jes 34,16 317 Jes 37,14 314, 381 Jes 37,14 LXX 317 Jes 53,7-8 408 Jes 55,1-3 210 Jes 55,10 f 210 Jes 58,6 400, 404 Jes 59,7 317 Jes 61,1 f 400, 404f. Jer 2,18 247 Jer 2,31 247 Jer 8,8 130 Jer 11,19 514 Jer 15,16 210 Jer 29,29 318f. Jer 31,33 440 Jer 36,4 130 Jer 36,6 319, 325 Jer 36,6-11 130 Jer 36,8 325 Jer 36,10 319 Jer 36,13-15 130 Jer 36,14 325 Jer 36,15 318f. Jer 36,17 f 130 Jer 36,21-23 318f. Jer 36,32 130, 319 Jer 38,33 LXX 440 Jer 43,4 LXX 130 Jer 43,6-11 LXX 130 Jer 43,6 LXX 110 Jer 43,8 110 676 13 Register Jer 43,10 110 Jer 43,13-15 LXX 130 Jer 43,17 f LXX 130 Jer 43,21ff LXX 110 Jer 43,32 LXX 130 Jer 51,1 130 Jer 51,31 LXX 130 Jer 52,25 130 Ez 2,9-3,3 401 Ez 2,10 170, 173 Ez 3,1-3 479 Ez 3,3 212 Ez 11,19 440 Ez 36,26 f 440 Dan 5,16 f 454 Dan 5,17 454 Dan 7 330 Dan 8,27 454 Dan 9,2 454 Dan 9,11 326 Dan 9,13 326 Dan 9,27 454 Dan 10,1 454 Dan 10,21 330 Dan 11,31 454 Dan 12,1-3 330 Dan 12,1 LXX 184 Dan 12,9 f 454 Dan 12,11 454 Hab 2,2 316f., 362 Sach 2,16 247 Sach 14 455 Sach 14,5 455 Mal 3,16 330 ApkEsr 1,8 331 ApkEsr 4,14 331 ApkMos 22,1 331 ApkMos 22,3 331 äthHen 485 äthHen 12,4-6 328 äthHen 13,4 328 äthHen 13,6 328 äthHen 13,7 328 äthHen 14,24 331 äthHen 15,1 331 äthHen 21,3 330 äthHen 21,7 330 äthHen 22,5 330 äthHen 23,2 330 äthHen 24,2 330 äthHen 26,2 330 äthHen 32,1 330 äthHen 79,8 329 äthHen 81,1 329 äthHen 81,1 f 330f. äthHen 81,2 329 äthHen 81,4 329 äthHen 93,1 f 330 äthHen 93,2 329 äthHen 103,2 329 äthHen 103,2 f 330 äthHen 106,8 331 äthHen 106,19 329 äthHen 106,19-107,1 330f. äthHen 107,1 329 TestAbr B 10,11 f 185 TestSal A 22,6 171 JosAs 22,9 203 JosAs 23,8 116 ParJer 130 677 Stellenverzeichnis Qumran 1QM 15,4 f 361 1QpHab 256 1QpHab 7,3 f 362 1QS 6,2ff 362 1QS 6,6-8 360 1QS 6,7-8 360 1QS 6,7 f 361f. 1QS 6,8-13 362 1QS 6,27-7,3 363 1QS 7,10-12 363 1QSa 1,1-6 322 1QSa 1,4 361 2Q251 1-2 5 363f. 4Q203 7 2,7 363 4Q217 Jubb? 364 4Q255 364 4Q257 364 4Q264a I [Frg. 1] 4-5 364 4Q265 Fr. 4 2,1 f 363 4Q266 363 4Q273 5 363 4Q398 MMTe 364 4Q417 1 1,14-16 330 4Q417 1 1,16-18 360 4Q418 43 360f. 4Q421 8 362f. 4Q421 13+2+8 2-3 364 4Q432 Hodayot f 364 4Q550 4 f 4Q550 D Fr. 1 1,5 363 4QEnc 5 ii 329, 331 4QEng 1 iii 329 4QH 1(9),23-26 330 4QPIsa 256 4QpPsa 256 4Qproto-Esth 4 f 362 11QTa LVI,20 f 352 CD 10,6 360 CD 13,2 360 CD 14,7 f 360 Neues Testament Mt 300, 447, 520 Mt 1,5 247 Mt 1,8 171 Mt 1,18 246 Mt 4,23 par 406 Mt 5,21 253 Mt 5,27 253 Mt 6,5 406 Mt 9,35 406 Mt 11,15 449 Mt 12,3 396 Mt 12,5 110, 397 Mt 13,16 f 475 Mt 13,43 449 Mt 13,54 par 406 Mt 13,55 62 Mt 19,4 140 Mt 19,4 f 397 Mt 20,1-16 286 Mt 21,16 140, 397 Mt 21,35 245 Mt 21,42 110, 396 Mt 22,31 396 Mt 23,32 f 254 Mt 23,35 245 Mt 23,36 f 254 Mt 24,15 454 Mt 26,31 253 Mt 27,39 382 Mt 28,7-20 460 Mk 25, 35f., 282f., 286, 299, 447ff., 452-463, 485, 489, 532 Mk 1,1 448 Mk 1,2 f 448 Mk 1,9 460 Mk 1,14 460f. Mk 1,14 f 448 Mk 1,25 456 Mk 1,34 456 Mk 1,35 461 Mk 1,35-39 461 Mk 1,39 460 Mk 2,24 449 Mk 2,25 396, 449 Mk 3,12 456 Mk 4,9 452 Mk 4,9 par 449 , 452 Mk 4,23 449 Mk 4,34 451 Mk 4,41 459 Mk 5,43 456 Mk 6,1-6 399 Mk 6,3 62 Mk 6,50 459 Mk 7 210 Mk 7,18 par 452 Mk 7,19 449 Mk 7,36 456 Mk 8,15 461 Mk 8,22-26 461 Mk 8,27 456, 461f. Mk 8,29 456 Mk 8,30 456 Mk 9,9 456 Mk 9,32 459 Mk 10,10 460 Mk 10,19 332 Mk 10,32 459f. Mk 11,27 449 Mk 12,10 396, 449 Mk 12,13 382 Mk 12,16 382 Mk 12,18 449 Mk 12,26 396, 449 Mk 13 448f., 452, 454, 462 Mk 13,4 448 Mk 13,5 448 Mk 13,5b-37 448 Mk 13,7 448 Mk 13,9 448 Mk 13,10 456 Mk 13,11 448 Mk 13,13 448 Mk 13,14 37f., 446-450, 453ff., 462, 495 Mk 13,14-17 455 Mk 13,14 par 37 Mk 13,21 448 Mk 13,23 462 Mk 13,26 f 448 Mk 13,28 f 448 Mk 13,31 462 Mk 13,37 455 Mk 14,9 455 Mk 14,27 f 462 Mk 14,28 460 Mk 15,29 382 Mk 16,1 458 Mk 16,4 f 458 Mk 16,6 f 458, 462 Mk 16,7 458-461, 588 Mk 16,7 f 457, 462 Mk 16,8 457ff., 461, 656 Mk 16,9-20 457 Mk 16,15-20 457 Lk 62, 265, 299, 402f., 468 Lk 1,2 280 Lk 1,3 f 167 Lk 1,5 382 Lk 1,62 f 381 Lk 1,76 253f. Lk 1,80 253 Lk 2,1 253 Lk 3,18 f 253 Lk 3,21 253 Lk 3,23 253 Lk 3,38 247 Lk 4 402f., 406, 408, 411 Lk 4,10 171 Lk 4,14-30 399 Lk 4,14-32 406 Lk 4,15 400 Lk 4,16 37, 62, 400 Lk 4,16-20 405f. Lk 4,16-21 37, 399 Lk 4,16-22 407 Lk 4,17 173, 399, 402 Lk 4,18 399 Lk 4,8 f 408 Lk 4,20 399f., 402, 405 Lk 4,21 399, 404f. Lk 4,21-29 400 Lk 4,28-30 399 Lk 4,31 399 Lk 4,31 f 400 Lk 5,36 253 Lk 6,1 253 Lk 6,3 396 Lk 6,6 253 Lk 6,12 253f. Lk 9,48 245 Lk 10,15 247 Lk 10,20 330 Lk 10,24 475 Lk 10,25 f 398 Lk 10,26 f 397 Lk 11,28 472f. Lk 13,27 379 Lk 14,17 404 Lk 14,35 449 Lk 16-20 400 Lk 20,17 397 Lk 20,37 397 Lk 23,29 400 Lk 24,7 259 680 13 Register Lk 24,12 396 Lk 24,45 402 Lk 24,47 451 Joh 62, 265, 447, 512, 520, 532 Joh 1,24 254 Joh 1,29 243 Joh 1,31 247 Joh 1,36 243 Joh 1,45 247 Joh 1,49 247 Joh 1-4 38 Joh 2,11 254 Joh 2,23 254 Joh 3,10 247 Joh 3,22 254 Joh 4,1 254 Joh 4,6 247 Joh 4,14 373 Joh 5,39 183, 398, 495 Joh 6,8 62 Joh 6,59 406 Joh 7,15 308 Joh 7,52 183 Joh 8,6 62 Joh 8,33 247 Joh 8,37 247 Joh 8,39 247 Joh 8,40 247 Joh 10,16 245 Joh 11,33 243 Joh 12,13 247 Joh 13,29 245f. Joh 15,31 245 Joh 18,27 382 Joh 18,32 f 252 Joh 19,20 382f., 440, 446 Joh 19,21 f 383 Joh 20,4 396 Joh 20,11 396 Joh 20,30 478 Joh 21,25 478 Act 265, 300, 407, 411, 471 Act 1,1 f 167 Act 4,13 64, 340, 513 Act 7,13 247 Act 7,18 247 Act 8 288, 407, 411, 446, 495, 532 Act 8,1 443 Act 8,3 443 Act 8,26-40 408 Act 8,26ff 31 Act 8,27 409f. Act 8,28 407 Act 8,28-30 54 Act 8,29 407 Act 8,30 407-411, 440, 452 Act 8,30 f 114 Act 8,31 407f., 411, 429 Act 8,32 407f. Act 8,34 408ff. Act 8,35 408 Act 9,20 406 Act 9,31 443 Act 9,38 429 Act 10,36 247 Act 13,1 67 Act 13,5 406 Act 13,14 406 Act 13,15 37, 393, 399, 403, 406 Act 13,17-20 407 Act 13,27 407 Act 13,42 429 Act 15,21 37, 399, 406 Act 15,22 427 Act 15,30 419, 426ff. Act 15,30-32 419 Act 15,30 f 428f. Act 15,31 111, 427, 429 681 Stellenverzeichnis Act 15,32 f 427 Act 16,9 429 Act 16,15 429 Act 16,39 429 Act 17,10 f 37 Act 19,19 478 Act 20,7 479 Act 20,7-12 479 Act 23,25-30 381, 429 Act 23,33 429 Act 23,34 111, 381, 429 Jak 395, 532, 537 Jak 1,22 395 Jak 1,23 f 396 Jak 1,25 395f. Jak 4,6 379 1Petr 258 1Petr 2,2 350, 400 1Petr 2,2 f 210 1Petr 5,14 432 2Petr 258, 493 2Petr 1,11 246 2Petr 1,20 451 2Petr 3,15 f 38, 536 1Joh 474 Jud 258, 532 Röm 265, 299 Röm 1,20 452 Röm 2,29 245 Röm 3,10 379 Röm 7,18 530 Röm 10,2 f 385 Röm 10,5 385 Röm 10,10-19 385 Röm 10,11 385 Röm 10,15 385 Röm 10,16 385 Röm 10,8 f 385 Röm 10,19 247, 385 Röm 10,19-21 385 Röm 11,7 388 Röm 12,5 245 Röm 12,7 67 Röm 16,16 430, 432 Röm 16,22 67 1Kor 29, 265, 272, 412, 417, 534 1Kor 1,10 416 1Kor 1,10ff 534 1Kor 1,11 412, 414, 416f. 1Kor 3,1 f 210 1Kor 3,2 350 1Kor 3,14 391 1Kor 4,6 415 1Kor 4,8 f 415 1Kor 4,19 f 415 1Kor 5,1 414ff. 1Kor 5,2 415 1Kor 5,3-5 436 1Kor 5,4 436 1Kor 6,7 415 1Kor 7,1 412, 414f., 417 1Kor 7,11 416 1Kor 7,20 245 1Kor 7,24 245 1Kor 7,25 412 1Kor 8,1 412 1Kor 10,17 245 1Kor 11,17 f 436 1Kor 11,18 414f., 417 1Kor 11,20.33 f 436 1Kor 11-14 394 1Kor 12 507 1Kor 12,1 412 1Kor 12,28 67 1Kor 12,30 451 1Kor 14,5 451 1Kor 14,7 474 1Kor 14,13 451 682 13 Register 1Kor 14,23 443 1Kor 14,26 299, 436 1Kor 14,27 451 1Kor 15,29 415 1Kor 16,1 412 1Kor, 16,12 412 1Kor 16,17 f 414 1Kor 16,20 432 1Kor 16,21 67, 434 1Kor 16,21-24 435 2Kor 410, 440 2Kor 1,1 534 2Kor 1,13 410, 437-440 2Kor 1,13 f 436, 452 2Kor 3 386, 392, 439 2Kor 3, 439 2Kor 3,1 440 2Kor 3,2 410, 437, 439f. 2Kor 3,3 330, 440 2Kor 3,4-11 386 2Kor 3,6 391 2Kor 3,7 387, 391 2Kor 3,7-18 386 2Kor 3,12 387 2Kor 3,13 387ff. 2Kor 3,13-16 391 2Kor 3,14 387-393 2Kor 3,14 f 387, 392 2Kor 3,15 387, 389f., 450 2Kor 3,16 392 2Kor 3,16 f 390 2Kor 3,17 391 2Kor 4,4 388 2Kor 9,7 379 2Kor 13,5 f 438 2Kor 13,12 432 Gal 1,2 435, 534 Gal 1,6 385 Gal 1 f 445 Gal 3,8 247 Gal 4,20 436 Gal 4,21 384f. Gal 5,1 384 Gal 5,2 385 Gal 6,6 67 Gal 6,11 67 Gal 6,11-18 434f. Gal 6,12 385 Gal 6,18 435 Eph 442, 447 Eph 3,2 444 Eph 3,3 444 Eph 3,4 444f., 452, 535 Eph 5,1 474 Eph 5,3 245 Phil 524 Phil 1,12-26 436 Phil 1,27 417 Phil 1,30 436 Phil 3,5 247 Phil 4,2 432 Phil 4,3 330 Kol 442f. Kol 3,16 474 Kol 4,6 210 Kol 4,7-9 444 Kol 4,16 27, 37, 111, 442f., 445, 465, 535 Kol 4,18 444, 537 1Thess 1,4 431 1Thess 2,1 431 1Thess 2,9 431 1Thess 2,14 431 1Thess 2,17 431 1Thess 2,18 431, 435 1Thess 3,5 431, 435 1Thess 3,7 431 1Thess 4,1 431 1Thess 4,10 431f. 683 Stellenverzeichnis 1Thess 4,13 431 1Thess 5,1 431 1Thess 5,4 431 1Thess 5,12 431f. 1Thess 5,14 431 1Thess 5,25 431 1Thess 5,26 431ff. 1Thess 5,26 f 431f. 1Thess 5,27 27, 37, 111, 427, 430-435, 446, 450, 465, 535 2Thess 2,2 534 2Thess 3,17 534, 537 2Thess 3,17 f 434 1Tim 441 1Tim 1,3 392 1Tim 1,4 393 1Tim 1,7 452 1Tim 1,18 392 1Tim 2,1 393 1Tim 3,2-4 519 1Tim 3,16 393 1Tim 4,12 392 1Tim 4,12-16 392 1Tim 4,13 392ff. 1Tim 4,14 392 1Tim 4,16 393 1Tim 6,2 394 2Tim 2,19 332 2Tim 3,14-16 393 2Tim 3,14 f 393 2Tim 4,9-13 182 2Tim 4,13 393, 478, 663 Tit 1,9 394 Tit 1,14 393 Phlm 19 67, 435 Hebr 265, 393 Hebr 3,1 245 Hebr 3,6 245 Hebr 3,8 245 Hebr 5,1-14 210 Hebr 5,12 f 350, 400 Hebr 6,4 f 210 Hebr 6,16 246 Hebr 9,4 330 Hebr 9,24 246 Hebr 12,23 330 Apc 25, 102, 465-470, 474, 477-482 Apc 1,1-3 477 Apc 1,1-6 464 Apc 1,2 473 Apc 1,3 37, 105, 447, 451, 464-467, 469- 473, 475f., 480f., 495, 504 Apc 1,4 477 Apc 1,4-6 477 Apc 1,10 476 Apc 1,11 477, 480 Apc 1,12 475 Apc 1,20-3,22 477 Apc 2,7 449, 475 Apc 2,11 449 Apc 2,17 210, 449 Apc 2,29 449 Apc 3,5 330, 478 Apc 3,6 449 Apc 3,13 449 Apc 3,22 449 Apc 4,1 476, 479 Apc 4,5 476 Apc 4,8 476 Apc 4,11 476 Apc 4,31 476 Apc 4-5 474f. Apc 5,1 478 Apc 5,1-5 401 Apc 5,2 476 Apc 5,8 475f. Apc 5,9 476 Apc 5,9 f 476 684 13 Register Apc 5,11 475f. Apc 6,1 475 Apc 6,6 f 476 Apc 6,10 476 Apc 7 474f. Apc 7,2 476 Apc 7,10 476 Apc 7,12 476 Apc 8,1 476 Apc 8,3-5 475 Apc 8,5 476 Apc 8,13 475f. Apc 8 f 476 Apc 9,13 476 Apc 10,2 478 Apc 10,3 476 Apc 10,4 476 Apc 10,8 476 Apc 10,9-11 480 Apc 10,9 f 212 Apc 10,10 475 Apc 11 474ff. Apc 11,12 476 Apc 11,15 476 Apc 11,17 476 Apc 11,19 476 Apc 12,9 525 Apc 12,10 476 Apc 13,8 330 Apc 14 474f. Apc 14,1 f 475 Apc 14,2 476 Apc 14,3 476 Apc 14,7 476 Apc 14,9 476 Apc 14,13 466, 476 Apc 14,15 476 Apc 14,18 476 Apc 15 474f. Apc 15,2 476 Apc 15,3 f 476 Apc 16,15 466 Apc 16,18 476 Apc 17,8 330 Apc 18,4 476 Apc 19 474f. Apc 19,1-8 476 Apc 19,5 476 Apc 19,17 476 Apc 19,19 466 Apc 20,2 525 Apc 20,6 466 Apc 20,15 330 Apc 20,20 f 477 Apc 21,3 476 Apc 21,7 330 Apc 21 f 475 Apc 22,6-21 473 Apc 22,7 466, 469, 473f., 480 Apc 22,8a 481 Apc 22,14 f 466 Apc 22,17 466, 475 Apc 22,18 474, 481 Apc 22,18-21 477 Apc 22,18 f 466 Apc 6,5 475 685 Stellenverzeichnis Außerkanonische Pseudepigraphen des Neuen Testaments 1Clem 506, 515, 532 1Clem 19,1 505 1Clem 40,1 192 1Clem 45,1 523 1Clem 45,2 523 1Clem 47,1 f 176, 534 1Clem 53,1 523 1Clem 63,2 506 1Clem prooem. 534 2Clem 505, 517 2Clem 1-18 505 2Clem 18,2 506 2Clem 19 506 2Clem 19,1 504ff. 2Clem 19,1-20,4 506 2 Clem 19,1-20,4 507 2Clem 19,1ff 506 2Clem 20,5 506 ActPaul P.Bod. 41,3,14 f 210 ActPaul P.Hamb. 4,5 210 Barn 4,7 330 Barn 9,7-9 259 Barn 11,1 182 Barn 11,11 210 Barn 16,6 182 ConstAp 503, 511 ConstAp c. 19 503, 510 ConstAp cc. 16-21 504 Did 8,2 406 Diog 1,2 468 Diog 12,1 468 Diog 12,3 468 EpSenPl 4 142 EvInf Thom (13)14. 227 EvInf Thom 14[15] 227, 294 EvThom 28 210 EvThom 79 473 Herm. sim. 5,3,9 473 Herm. vis. 1,2,1-1,3,2 107 Herm. vis. 2,5,4 502, 528 Herm. vis. 2,6,1 502 Herm. vis. 5,25,5 481, 531 IgnTrall 6,1 210 KerPetr Fr. 9,10 171 Polyk 3,2 524 Ps.-Clem. Cont. 1,1 381, 432 Ps.-Clem. Hom. 5,27 142 Ps.-Ign. Antioch 12,2 508 Ps.-Ign. Hero 1,3 394 Ps.-Ign. Magn. 9,1 334 Ps.-Ign. Maria 3,2 108 Ps.-Ign. Phil 15,2 508 Antike Autoren Achilleus Tatios 139, 160, 193, 541 Aelianus, Claudius 108, 111, 114, 118, 139, 168, 307, 309, 381 Aineias Taktikos 109, 116, 144, 541 Aischines 108, 110-114, 118, 134, 145, 308, 504 Aischylos 119, 172 Aisop 336 Akesander 127 Albinos 161, 164 Alexander von Aphrodisias 452 Alexis 178, 205 Alkaios von Lesbos 210 Alkidamas 203f. Alkiphron 109, 160, 162, 541 Ambrosius von Mailand 41f., 51f., 143, 167, 178, 182, 497, 560 Ammianus Marcellinus 154, 186, 427 Anaxagoras 115 Anaxippos 179, 182 Antigonos von Karystos 242 Apollodor von Athen 40, 381 Apollonios Dyskolos 66, 113, 545 Apollonius von Rhodos 125 Appian 108, 112f., 151, 160, 185, 336, 504 Apringius Pacensis 471, 545 Apuleius 133, 139, 157, 208, 214, 282, 306, 451 Aratos von Soloi 468 Aristainetos 49, 197, 230, 305, 541 Aristophanes 49, 107, 110, 113, 160, 200, 202, 210, 256, 296, 307, 309, 541 Aristoteles 60, 120ff., 168, 181, 207, 212, 232, 251, 459, 504, 613 Arnobius der Ältere 154ff., 468 Arrian 111, 141, 166, 171 Artemidor von Daldis 66, 105, 112, 115f., 123, 163, 165, 167, 187, 203, 212, 366 Athanasius der Große 308, 438 Athenagoras von Athen 164, 184, 513, 562 Athenaios 47, 49, 52, 107ff., 112f., 118, 126, 134, 141, 160ff., 178f., 181f., 184, 187, 205, 209, 211, 227, 276, 297ff., 416, 427, 466, 541 Augustinus von Hippo 42, 48, 51f., 54, 133, 151, 156, 164, 174, 179, 186, 197, 207, 228, 237, 239, 274, 300, 302, 306, 308f., 497, 499, 522, 541, 612 Ausonius 231 Basilius der Große 118, 140, 143, 160f., 165, 206, 410 Baton 211 Beatus von Liébana 471 Bryson von Herakleia 181 Caecilius Statius 296 Caesar 48, 108, 111, 118, 140, 152, 158, 160f., 165, 168, 309, 426, 428, 432, 523, 541, 563, 606 Cassiodorus, Flavius Magnus Aurelius 420 Cassius Dio 108, 115, 117, 119f., 139, 160f., 171, 184, 205, 427, 533 Cato der Ältere, Marcus Porcius 49, 108, 110, 112, 118, 132, 152, 168, 176f., 187f., 201, 274f., 284, 302, 306, 427, 541, 563f., 593 Catull, Gaius Valerius 133, 278, 283f., 499, 535 Celsus, Aulus Cornelius 302 Chariton von Aphrodisias 108, 116, 160, 296, 308f., 427f., 504, 541, 545 Chrysippos von Soloi 66, 283 Chrysostomos, Johannes 171f., 179, 183, 306, 532 Cicero, Marcus Tullius 48, 55, 57, 59, 62, 99f., 111, 115, 117f., 128, 131, 133, 139f., 142f., 145, 150f., 153-156, 158, 164, 174- 177, 200f., 204, 207f., 212, 235, 237, 263, 271, 274, 276, 283, 293, 296, 302, 306f., 309f., 349f., 418, 420, 426, 431, 494, 499, 541, 564, 591, 606, 609f., 628f., 670 Cinna, Gaius Helvius 174 Clemens von Alexandria 110, 113, 116, 139ff., 147ff., 165, 171, 181f., 185, 192, 210, 280, 330, 492, 521, 527-531 Clemens von Rom 176, 192, 504ff., 515f., 523, 532, 534 Columella, Lucius Iunius Moderatus 132, 154, 186, 494 Curtius Rufus 158, 306, 541, 565 Cyprian von Karthago 155, 435, 471, 509f., 565, 610f. Demetrios von Phaleron 116, 121, 138, 420ff., 565 Demokrit 44 Demosthenes 108, 110-113, 115, 120, 134, 144, 181, 185, 202f., 255, 294, 416, 425, 497, 504 Didymos Chalkenteros 143, 236, 581 Diodorus Siculus 106f., 111f., 114ff., 118, 122ff., 139, 160, 163, 165, 168, 172, 176, 185, 191, 297, 304, 336, 348, 381, 421, 423, 428f., 466, 541, 565 Diogenes Laertios 98, 113, 115, 117, 121, 125f., 138, 141, 161f., 170f., 179, 186, 205, 242, 266, 279, 352 Dion Chrysostomos 209 Dionysios Thrax 126 Dionysios von Halikarnassos 66, 98, 108, 113, 115, 121, 127, 139, 146f., 161, 184, 187, 204f., 227f., 232, 301, 303, 306, 348, 427, 504, 529, 541 Empedokles 44 Epiktet 67, 107f., 110-113, 120, 123, 127, 166, 207, 283, 350 Epiphanius von Salamis 40, 164, 187, 416 Euklid 164 Euripides 49, 98, 138, 141, 160, 172, 263, 374, 541 Eusebios von Caesarea 40, 121, 127, 139, 142, 160f., 163f., 166, 168, 182, 187, 190, 283, 293, 308, 357, 370f., 416, 438, 491f., 498f., 501, 506, 515ff., 532f., 545 Festus 604 Florus 286 Fronto, Marcus Cornelius 41, 306, 567 Galenos 64, 66, 108, 110, 112f., 115f., 119f., 138, 140, 147f., 166, 171, 182, 185, 203, 205, 234, 279, 288, 304, 309, 353, 438, 452, 494, 499, 533, 546 Gellius, Aulus 52, 67, 76, 87, 94, 113, 117, 131, 133f., 152-156, 176, 179, 186, 196, 207f., 214, 227, 229, 231, 271, 277, 283, 293, 297f., 303f., 306-309, 563, 620, 628f. Gregor von Nazianz 109, 163, 169, 179 Heliodoros 108, 135, 170, 184 Hephaistion 514 Herodas 200 Herodot 135, 148f., 159f., 171, 200, 294, 381, 418, 541 Hesychios 207, 335 Hieronymus 100, 143, 154f., 173f., 207, 228, 302, 327, 497, 569 Hippokrates von Kos 212, 255f., 302 Hippolytos von Rom 49, 119, 181, 203, 207, 276, 452, 541, 546 Homer 136, 140, 165, 209, 227, 255 Horaz 48, 58, 102, 132, 151, 156, 175, 197, 207, 212, 277, 282, 309, 327, 334, 345, 499, 535, 541, 569, 619 Hypereides 504, 598, 631, 662 Hypsikles 164 Ignatios von Antiochien 210 688 13 Register Irenäus von Lyon 161, 227, 242, 370 Isokrates 107f., 113f., 116ff., 168, 189f., 203, 224, 257, 301, 304, 309, 425, 500 Iulianus, Flavius Claudius (Kaiser) 101, 111, 114, 125, 127, 140, 160ff., 165, 169, 176, 184f., 206, 306f., 310, 381, 410, 541 Iulius Firmicus Maternus 279 Iunianus Iustinus 27, 115, 127, 139, 161, 164, 168, 185, 210, 259, 406, 416, 452, 465, 512, 514ff., 520, 525, 547 Johannes Chrysostomos 126 Josephus, Flavius 107f., 111f., 114ff., 118, 120, 126, 130, 134, 160f., 167ff., 171, 181, 184f., 190, 194, 278, 280f., 285, 297, 330, 366, 368f., 371, 373-378, 381, 416, 423f., 427, 429, 454, 504, 541, 551, 567, 588, 607, 610, 630, 642 Justin der Märtyrer 27, 115, 139, 161, 164, 168, 185, 210, 259, 406, 416, 452, 465, 512, 514ff., 525 Juvenal 99, 288, 307, 357, 366 Kallimachos 47, 146, 158 , 206f., 212, 255, 271, 305, 307, 310 , 345, 427, 570 Kallisthenes von Olynth 146, 158, 345 Kyrill von Alexandria 182 Kyrill von Jerusalem 49, 134, 293, 532 Lactantius 117, 156, 188, 234, 307, 341, 396 Leukipp 44 Libanios 142f., 160, 185 Livius, Titus 100, 131, 158, 173, 194, 196, 301, 571, 606, 644 Longinos 137 Lucilius 194, 207, 499, 577 Lukian von Samosata 43, 51, 56, 66, 108, 110-113, 117, 123, 126f., 134, 139, 165, 169, 172, 178, 184, 198, 200, 210, 214, 230, 276f., 283, 286, 293, 296, 299, 304ff., 309f., 326, 416, 427, 541, 546 Lykurgos von Athen 112f., 504 Lysias 108ff., 112f., 132, 135, 161, 205f., 426, 431, 541 Marcus Diaconus 171 Marinos von Neapolis 119 Mark Aurel 66, 110, 115, 161 Martial 98-101, 132, 156f., 164, 173, 176, 179, 194, 207f., 275, 278, 282f., 287, 293, 295, 297, 303f., 306f., 515 Mela, Pomponius 141, 234 Menandros 108, 161, 181, 421, 546 Nepos, Cornelius 128, 132, 152, 298, 565 Nikomachos von Gerasa 119, 128 Ocellus 352 Origenes 20, 28, 103, 108, 114ff., 125, 137, 140, 147f., 152, 160f., 163ff., 167, 172ff., 176, 179, 182, 184f., 228, 283, 304, 334, 384f., 390f., 393, 398, 410, 452, 464, 469, 497, 499, 521f., 525, 532f., 573, 588, 595, 670 Orosius 164 Ovidius, P. Naso 39, 49, 54, 58, 73, 98f., 117, 133, 151f., 156, 158, 207, 212f., 278, 293, 303, 306, 308, 541, 573, 649 Palladas 280 Palladius 304 Papias 40, 491-494, 589, 618, 628, 659 Parmenides 107, 160, 276 Paulinus von Nola 522 Paulus, Iulius 432, 522, 590f., 639, 644, 652 Pausanias 159f., 203, 335, 416, 428 Persius 274 Petronius Arbiter, T. 151f., 158f., 227, 232f., 284, 424, 541, 574, 591 Philon von Alexandria 66, 107, 110, 115f., 140, 145, 160f., 165, 168f., 172, 181ff., 185, 208, 210, 296, 315, 346-359, 365f., 368-374, 376ff., 388, 416, 424, 429, 455, 590, 599, 605, 610, 628, 630, 637, 641, 671 Philostratos, Flavius 120, 147, 159f., 169, 689 Antike Autoren 201, 205, 306, 381, 541 Photios I. 170 Phrynichos 170 Platon 45, 66, 98, 107f., 110f., 113, 115, 121, 134f., 138, 144, 160f., 163, 168, 170, 184, 187, 203, 208, 210, 224, 227, 244, 248, 250, 255f., 263, 276, 349, 433 Plautus 98, 153f., 156, 179f., 210, 541 Plinius der Ältere 117, 153, 167, 201, 208, 263, 282, 287f., 300, 304, 308f., 453 Plinius der Jüngere 48, 117, 133, 141, 151, 153, 155, 158, 164, 173, 175, 177, 179, 201, 203, 207f., 231, 274f., 277, 296, 298ff., 302f., 305f., 309f., 326, 409, 420, 497, 500 Plotin 54, 140, 209, 301, 498, 501, 541 Plutarch 49, 54, 64, 107-113, 115-120, 122ff., 126ff., 134, 136, 139f., 147, 159- 166, 168, 172, 176, 185, 187ff., 192ff., 197, 201, 203, 205f., 208, 264, 277, 284, 292, 297ff., 301f., 305ff., 309, 397, 416, 418, 424, 426-429, 431, 452, 468, 541, 547, 604, 620, 644, 660f. Pollux, Iulius 170, 504 Polyainos 97, 108f., 111f., 158, 171f., 185, 205, 504 Polybios 111f., 114-118, 120, 123, 141, 160f., 165f., 168, 176, 181, 194, 203, 211, 334, 345, 416, 425, 427, 438, 466, 576 Pompeius (Gram.) 227 Porphyrios 140, 161, 163, 171, 208f., 498, 501 Priapea 54 Primasius von Hadrumetum 471 Proklos 170 Properz 40, 278, 306 Pseudo-Arcadios 251 Pseudo-Aristoteles 108, 110, 176, 205, 234, 306 Pseudo-Epiphanius von Salamis 171 Pseudo-Kallisthenes 158, 206, 307, 310, 427, 547 Pseudo-Longinos 137, 165, 172, 301, 305, 348 Pseudo-Lucianos 64, 69, 117, 134, 276 Pseudo-Plutarch 114, 119, 165, 170, 185, 209, 350 Ptolemaeus, Claudius 53, 126, 147, 233, 301, 336, 541, 547 Quintilian 36, 51, 57, 59f., 98, 133, 135, 139f., 152-157, 173, 175, 179, 186, 207, 210, 213, 227, 229f., 237, 301, 307f., 357, 420, 459, 463, 494, 497, 500 Rufin 532 Sallust 131, 152, 156, 158, 236, 494, 541, 577 Seneca, Lucius Annaeus (d. Ä.) 173, 274, 304 Seneca, Lucius Annaeus (d. J.) 47, 100, 133, 175, 192, 195, 208, 213, 234, 237, 298, 301f., 304, 306ff., 350, 409, 463, 497, 499 Serapion 396 Servius Honoratus 207, 227, 577 Sextus Empiricus 126, 146, 170, 192, 309 Sidonius Apollinaris 155, 326, 577 Skymnos 345 Sokrates Scholastikos 172 Solon 160 Sophokles 119, 160, 209, 255, 577 Statius 283, 295, 577, 592, 650 Strabon 139f., 160f., 166, 279, 308, 344, 416, 578 Suetonius Tranquillus, Gaius 48, 131, 133, 145, 151, 156, 175, 179, 237, 274, 287, 295f., 300, 306, 309, 497, 541, 578 Symmachus 143 Synesios 134, 578 Tacitus 59, 117, 152, 155f., 178f., 275, 306, 541, 578, 643 690 13 Register Tatian 160, 280, 578, 645 Terentius Afer, Publius 296 Tertullianus, Quintus Septimius Florens 141, 155, 164, 193, 259, 287, 326, 442, 508, 510, 518-521, 526f., 578, 610f. Theodoret 28, 161, 163, 171, 547 Theokritos 201 Theon 125 Theon von Smyrna 161 Theophilus von Antiochia 114, 164, 167, 525, 627 Thukydides 107, 111f., 138f., 159f., 185, 224, 228, 248, 250, 255, 416, 423, 427, 504, 579 Tibullus, Albius 54 Timotheos von Milet 261 Valerius Harpokration 335 Valerius Maximus 133, 207, 288, 306, 357 Varro 150, 271, 580 Vergil 156, 227 Vettius Valens 165f., 191, 203, 301, 463, 580 Victorinus von Poetovio 470, 472, 480, 580 Vitruv 117, 133, 157, 345, 377, 490 Xenophon 19, 66, 107, 110f., 115, 141, 159f., 168, 170, 186f., 201, 234, 255, 276, 293, 299, 307, 374, 427, 494, 498, 541, 580f., 642, 667 Xenophon von Ephesos 115, 201 Zefanja 316f. 691 Antike Autoren Sachregister Exegese 19, 21f., 29, 31, 59, 86, 182, 216, 317, 358, 399, 403f., 412, 430, 477, 483, 486, 489, 569, 602, 607, 637, 643, 647, 650, 671 Exzerpt 92, 98, 179, 196, 214, 304, 309, 486, 500 Jesus 19, 21, 29, 38, 62, 67f., 142, 171, 183, 227, 259, 272, 335, 338, 382, 392, 395, 397-408, 434, 436f., 449, 453f., 456, 459f., 462, 491, 493, 521, 585, 588-591, 602, 606f., 610, 617f., 621f., 625f., 635, 637, 641, 651, 654ff., 661, 665f., 668-671 Abschrift 71, 116, 119, 142, 279, 282f., 288, 314f., 352, 402, 435, 466, 473, 509, 537, 639 Act 15,30f 429 Adressat 23, 69f., 80, 107, 110, 114, 133, 138, 159, 166f., 172, 179, 184, 188, 229, 233, 277, 289, 305, 318, 327f., 337, 339, 341, 344, 384, 386, 397, 401, 411, 415, 419, 423, 428f., 432-435, 438, 441, 444f., 452, 466, 473, 477, 485, 487, 498, 507, 517, 521, 523ff., 536, 592, 618, 639f., 661, 666 Akrostichon 260f. Akzent 241f., 244, 246, 248-251, 264, 267 Apophoreta 100 Apostroph 242, 246-249, 251, 260 Arbeiter 286, 341 Armut 39, 63, 109, 195, 277, 285f., 288, 320, 341, 399, 471, 522, 646 Arzt 135, 181, 194, 287, 390, 534, 537, 587 ästhetischer Genuss/ Vergnügen 74, 76, 93, 121, 166, 238, 302, 308, 327, 344, 350 AT/ HB/ LXX 20, 24, 28, 67, 107f., 110ff., 117, 130, 163, 169f., 173, 184, 247, 253, 266, 313, 315, 317-320, 322ff., 327, 332, 334f., 357, 362, 375, , 383-386, 389, 392ff., 396, 401, 405, 407f., 410f., 440, , 449, 478, 485, 503, 507, 509, 511f., 520, 523, 538, 553, 585, 592, 607, 618, 660 auditiv 21, 109, 211, 234f., 291, 307, 331, 348, 449, 469, 474f., 480f., 487 Aufmerksamkeit oberflächlich/ flüchtig 90f., 113, 115, 163, 170, 188f., 192, 195f., 201, 207, 211, 213, 410 vertieft 54, 91, 97, 117, 137, 147, 155f., 163, 166, 174, 182, 184ff., 192f., 196, 206, 208, 210, 301, 308, 310, 327, 335, 337ff., 341, 354, 373, 379, 396, 398, 410, 445, 456, 460, 523f. Augen 42f., 45, 48, 51f., 57, 67, 79, 92, 106, 116, 121f., 133, 138, 150, 152, 157f., 163, 192f., 196ff., 206ff., 217, 220, 229ff., 239, 276, 307, 316f., 344, 346f., 387, 391, 399, 405, 416, 456, 497, 654 -arzt 208 -bewegung 82, 196f., 221, 228 Ausgangstext 241, 267, 469, 472f. Auswendiglernen 34, 38, 54, 79, 106, 214, 234, 294, 301, 307f., 324f., 329, 331, 337, 344, 353ff., 374, 487, 498f. Autor/ Verfasser 17, 20, 34f., 48, 67, 71, 73- 76, 81, 93, 120, 123, 134, 137f., 140f., 152, 157, 164, 183, 194, 196, 211f., 226, 229, 235, 251, 267, 274ff., 279f., 303ff., 309, 333, 337, 340-345, 349, 351f., 395, 397, 401ff., 405, 429, 450, 453, 466, 469, 483, 486-489, 491, 497, 499f., 512, 525, 535f., 544, 557, 559, 592, 598, 603f., 625, 639, 656, 661 Bauern 63 Bett 288, 306, 530 Bewegung 170, 186, 193-197, 201, 301, 353, 389, 431, 544 Biblical Performance Criticism 22, 32, 34- 38, 61, 72, 216, 227, 266, 271, 294, 354, 376, 418f., 421f., 447, 450, 503, 545, 610, 642, 648 Bibliothek 29f., 99f., 155, 157, 175, 177, 212, 214, 271, 273, 278, 280, 293f., 306, 483, 499, 520, 523, 545, 568, 597, 608f., 612, 619, 624, 627, 648, 665ff. Bischof 64, 187, 282, 435, 499, 508f., 515, 517, 535, 554, 590 Blickbewegung (s. auch Auge) 220, 223, 230 Bloomberg-Tablets 65, 236 Brief 37, 49, 67, 98, 101, 108-111, 115ff., 119, 121, 125, 127f., 131, 133, 142ff., 148f., 153-159, 161-164, 168, 171f., 175-181, 185, 187, 195, 197, 203, 205f., 212f., 236, 263, 275, 277, 292, 296, 303, 308, 314, 317, 325f., 381, 383, 393f., 411- 435, 434-443, 445f., 464, 468, 477ff., 486, 497, 499, 505, 509, 515, 517, 524, 534, 536f., 557, 584, 591f., 595, 597, 600, 604, 607ff., 611f., 616, 618ff., 624, 628f., 631- 634, 637, 639-642, 646f., 649, 653-657, 661f., 666f., 669f. -bote 142f., 418, 424f., 509 -sammlung 412, 446f., 486, 488, 537, 539 Buch 21, 27, 30, 32, 42f., 49, 52, 56, 76, 81, 98f., 102, 108, 110, 112f., 115-118, 127, 130f., 134f., 137, 141, 144, 152, 154f., 157, 159f., 162-173, 175-179, 182, 185- 190, 192-195, 203, 205f., 208, 211-214, 216, 228, 230, 232, 234, 256, 271-275, 277, 279f., 282ff., 286f., 293f., 297-300, 303f., 308, 310, 313, 315, 317-326, 328ff., 333ff., 337-340, 342f., 345f., 352, 360- 364, 369f., 375, 377, 379, 388f., 399, 401, 403f., 406, 420, 457f., 460, 463, 465f., 468, 472f., 477f., 480f., 483, 499, 501, 509, 515, 522, 526, 533ff., 539, 558, 562, 565, 567, 569, 573, 576, 580, 592, 594, 598, 602, 604, 607, 609, 612, 618, 622, 627, 640, 648, 652, 654f., 657, 660, 663, 665f., 668, 671 antiquarisch 284 -aufbewahrung 99, 155, 534f., 542 -besitz 68, 79, 282, 288f., 393, 528 Fach- 205, 494 Geschäfts- 202 -geschenk 283 -haltung 293 -handel 32, 71, 133, 272f., 279f., 282ff., 288, 340, 345f., 380, 466, 483f., 488, 503, 604, 621, 626 -händler 279, 282, 595, 614, 654 -kultur 32, 238, 294f., 300, 380, 488 -preis 522 -produktion 79, 129, 273, 281, 466, 501 -stabe 46, 93, 105ff., 111, 114, 135, 145, 150, 154, 188, 192, 197, 200f., 207f., 214, 217, 219, 221, 226ff., 230, 232, 234, 238f., 241ff., 247, 249, 252-256, 259-262, 266, 269, 282, 292, 306, 314, 333, 354, 367, 386, 391, 502, 513, 528f., 586, 612, 640, 643, 665 Canon Muratori 532, 665 Christentum 19-23, 25, 27, 29-32, 34, 37f., 41, 50, 61, 64, 66, 69f., 72, 75, 80, 86, 99, 106, 193, 227f., 260, 271, 273, 280f., 284, 288f., 292, 294f., 299f., 308, 313, 349, 379, 400, 402, 407, 411f., 419, 426, 429f., 441, 443f., 446, 450, 464f., 479ff., 483ff., 488, 490, 493, 495f., 503, 506f., 511, 514, 520, 525f., 533, 535, 537ff., 550, 578f., 586f., 589f., 597, 608ff., 616, 618, 623f., 627f., 693 Sachregister 632, 635, 639ff., 654, 658, 662, 666f. christologisch 19, 391f., 404f., 408, 411, 436, 526, 588, 610, 636, 640, 650, 669ff. Christus 137, 171, 334, 384, 387, 392, 405, 432, 434, 444, 510, 569, 590, 617, 619, 629, 637 communal reading 38-41, 87, 92, 292, 355, 357, 363, 455 Corpus Paulinum (s. auch Paulusbriefsammlung) 393f., 411, 524, 652f. Denar 282ff., 382 Deuteropaulinen 412, 441, 444, 486 Diakritika 239, 241f., 244, 248, 250f., 267 Diärese 242 Diaspora 69, 340, 366, 407, 434, 617 Diktat 33, 217, 254, 273, 309, 429, 499-502, 603 Diple 242, 248, 253, 262 Dorfschreiber 67 Drama 49, 98, 166, 209, 255, 263, 276, 295, 476, 577, 604, 613 Edition 17, 35, 149, 174, 241f., 267, 332, 537, 549, 553f., 557ff., 577, 596, 651, 663f. editorial narrative 441, 444 Eigenhändigkeitsvermerk 156, 434, 444, 498, 539 Ekthesis 253, 255f. Elite 21, 32, 39, 64f., 67f., 73-76, 177, 213, 261, 263, 275, 278f., 285, 287, 289, 300, 377, 499, 538, 623, 642, 651, 666 Epigraphik 65, 295, 537, 583, 630 Erinnerung 58, 139, 141, 279, 330, 347, 354, 414, 444, 486, 491, 497, 512, 519, 523, 585, 641 Erzähler 52, 135, 140, 159, 205, 342, 408, 448, 454, 458, 502, 595, 656, 661 -kommentar 408, 447ff., 451, 453ff. Etymologie 105f., 145, 149f., 170, 173, 180, 183f. Evaluation (s. auch Korrektur) 82, 99, 115, 301, 308, 604 Evangelium 23, 25, 27f., 34, 67, 163, 171, 187, 212, 265, 267, 299, 342, 357, 382, 393, 396f., 399, 402f., 407, 446, 449f., 453, 455-459, 487f., 500, 503, 510, 512-515, 526, 539, 550, 555, 557, 585, 593ff., 597, 608f., 612ff., 616-619, 622, 626, 628, 634, 640, 648f., 651, 661, 666f., 669 Fixation 36f., 51, 62, 67, 220f., 238, 262, 621f., 633 Formgeschichte 21, 449, 464, 487, 602, 671 Forum 40, 306, 546, 600 Frequenz 91, 220, 223, 303, 409 iterativ 91, 111, , 156, 174, 208, 211, 303, 327, 345, 354, 443, 445f., 448, 462f., , 484, singulär 51, 91, 130, 195, 303, 318f., 322, 345, 388f., 412, 431, 446, 460, 469, 473, 477, 484, 535 Friedenswunsch 258 Gedächtnis 106, 179, 197, 213f., 234, 308, 342f., 358, 379, 486, 491, 497, 620 Gemeinde 20, 24f., 27, 30, 67, 129, 288, 334, 365, 385f., 392-395, 411f., 415f., 418f., 423, 427, 429-435, 437, 439-444, 446, 452f., 468, 475, 477, 487f., 504, 507ff., 513, 516f., 520f., 525, 534, 554, 590f., 599, 617, 629, 632, 634, 642, 669 -archiv 534, 536 -versammlung 23, 25, 27, 394, 418, 430, 435f., 445, 449, 511, 519, 521, 527 Gemeinschaftsmahl 24, 26, 40, 74, 133, 187, 191, 194, 211, 292, 295-300, 355ff., 359, 362f., 365, 369f., 372, 377, 409, 479, 485, 487, 512ff., 519, 530, 626, 632, 658 Gericht 76, 93, 176, 204, 294, 329f., 535 Geschichtsschreibung 118, 125, 133, 147, 694 13 Register 276, 298, 342, 344, 346, 350, 420f., 628, 632 Gott 19, 21, 183, 201, 293, 302, 319, 322, 327f., 450, 457, 505, 510, 513, 518, 523, 529, 538f., 591, 607, 609, 613, 626, 637, 652, 665, 668, 670 Gottesdienst 19, 23-28, 32, 62, 78, 86, 154, 240, 243, 266, 299, 365, 368, 372, 376, 378, 385, 392, 394, 397, 406, 418, 430, 432, 440, 443, 446f., 449, 453, 455, 465f., 472, 476, 482, 484, 495, 503, 507, 511, 515, 518, 520, 522, 532f., 605, 614f., 617, 662 Wort- 19, 24, 26, 30f., 41, 68, 320, 322f., 365, 380, 399, 403, 487, 530 Haltung 45, 81, 92, 124, 192f., 198f., 305, 337, 395f. liegen 36, 59, 70, 91, 99, 206, 222, 229, 274, 276, 306, 339, 369, 463, 530 sitzen 177f., 188, 205, 212, 276, 296, 305f., 329, 331, 369ff., 373, 400, 526 stehen 509 Hand 177, 481 Handschrift/ Manuskript 27, 35, 37, 47, 71, 99, 108, 113, 118, 131, 162, 168, 171, 173ff., 177, 189, 215, 217, 229, 236f., 239-242, 244, 246ff., 250, 255-258, 260- 267, 272, 288, 309, 384f., 412, 416, 437, 467, 469, 471, 490, 496, 498, 501f., 517, 537, 553 Handwerker 279, 336, 341, 493, 513 hapax legomenon 322, 377, 410, 431 Hauptleseverb 66, 83, 107, 117, 149, 302, 313f., 317, 362 Heilige Schrift(en) 21, 27, 46, , 126, 165, 181, 187, 293, 308, 328, 346, 348, 357f., 370, 375, 377f., 393, 452f., 509, 523, 538, 554, 615, 650, 653, 666 Hermeneumata Pseudodositheana 233, 556 Hermeneutik 391 Herrscher 329, 354f., 381 Heuristik 36f., 39, 41, 78f., 82f., 87, 97, 218, 253, 301, 422, 442, 477, 519, 537 Honorar 279, 287 Hörer 19, 25, 42, 92, 122, 131f., 139, 141, 146, 149, 165, 167, 230, 248, 276, 296, 300, 348, 351, 356, 372, 395f., 400, 405, 427, 429, 450, 455, 465, 468, 473, 491, 664 Inschriften 17, 44f., 49, 58, 68, 78, 81, 92, 97, 111, 116, 128f., 145ff., 152, 159f., 163, 198-201, 203, 210, 235f., 243f., 247, 249ff., 256, 260, 268, 287, 314, 330, 333, 335, 366f., 381, 397, 416, 420, 440, 450, 491, 495, 508, 538, 541, 552, 582f., 616, 630, 637, 651 Klein- 65f., 78 Interaktion 78, 123, 292, 418, 425 Isopsephie 261 Israel 32, 68, 313-316, 323, 337f., 340, 383, 385, 387f., 390f., 594, 607, 613, 628, 633, 646, 661 Isthmische Spiele 295 Judentum 22, 24, 31f., 39, 68f., 75, 79f., 85, 171, 193, 210, 259, 278, 280, 288f., 292, 307, 313, 318, 322f., 346, 359, 364ff., 370, 378f., 385, 390, 394f., 400, 406, 410, 434, 446, 482-486, 488, 495, 511, 538, 567, 586, 594, 599, 602, 605, 610, 613, 618, 630, 640, 650f., 657, 659, 665, 667f. Jünger 456-461, 492, 608, 654 Kaiser/ Princeps 58, 78, 101, 125, 162, 169, 176, 206, 261, 382, 424f., 523ff., 570, 627 Kanon 21, 26f., 86, 321, 332, 337, 378, 442, 472, 493, 503, 512, 532f., 589, 594, 615, 626, 633, 635, 642, 645, 655f., 659ff., 666, 668, 670 Kirche 19, 26f., 243, 268, 282, 293, 443, 457, 695 Sachregister 472f., 491, 496, 511, 516, 518, 522, 532, 539, 554, 590, 609, 615, 617, 635, 647, 649, 666, 670 Alte 27f., 86, 186, 271, 401, 473, 489, 495, 501, 523, 531, 533 -ngeschichte 24, 30, 85, 174, 183, 190, 228, 248, 326, 450, 495, 511, 515, 524, 567, 579, 597, 643 -nordnung 503, 510f., 615 -nväter 148, 165, 467, 471f. Kleincorpora 535 Kodex 17, 32, 46, 52, 65, 99-102, 121, 169, 171, 173f., 186, 192, 217, 246ff., 251, 253f., 257f., 265f., 305, 401f., 460, 480, 499, 501, 522, 531, 534f., 592, 598f., 605f., 609, 615, 621, 623f., 630, 634, 636, 638, 641-644, 646, 648f., 651, 656f., 659, 663, 666 Alexandrinus 469 Amiatinus 182 Arcerianus 305 Bezae 401, 451, 501, 643 Ephraemi rescriptus 469 Sinaiticus 401, 412, 439, 467, 469f., 473, 501, 599, 623f., 638, 644 Vaticanus 412 Vercellensis 451 Kognitionswissenschaften 45, 78, 82, 106, 216, 219, 226, 261, 310, 484, 490 kognitiv 54, 75, 82, 93, 107, 109, 114f., 121, 136f., 144, 183, 185, 191, 196f., 211, 214, 217-220, 223, 225, 227, 230f., 233ff., 238f., 264, 268, 291, 300f., 305, 308, 346ff., 351, 353, 355, 359, 387f., 391, 396, 439, 445, 452, 454, 458, 461ff., 466, 469, 475, 480f., 483, 487, 502, 650 Komödie 138, 153, 182, 209f., 296, 299, 574f. Komposition 35, 98, 112, 122, 138, 194, 344, 399, 405f., 496f., 500, 607, 626, 629, 642 König 109, 118, 125, 141, 147f., 158, 160, 169, 176, 187, 205, 278, 314f., 319, 325, 352, 354, 381, 425, 454, 524, 526, 560, 575, 628, 665, 671 Kontinuität 19, 91, 238, 303, 341, 409, 414, 446, 484f., 514, 518, 520 diskontinuierlich 51, 91, 102, 124, 192, 213, 262, 301, 303f., 343, 345, 462, 484, 530, 538 sequentiell 91, 102, 124, 182, 187, 194, 303f., 371, 462, 479, 484, 500 Korpus 31, 224, 313, 327 Korpusanalyse/ Kookkurrenzanalyse 83, 105, 438, 452 Korrektur (s. auch Evaluation) 93, 130, 189, 246, 253, 263, 301, 308, 364, 469, 503, 620 Kreuzestitulus 382f. Lautstärke 84, 89f., 151, 476 hörbar 59, 90, 188, 323, 409 laut 21ff., 32, 34, 41-45, 47, 49f., 52-57, 59ff., 71f., 77, 87, 109, 111, 122, 131, 136, 148, 150ff., 157, 180, 216f., 219, 225f., 231, 248, 250, 257, 268f., 287, 298, 313, 322, 341, 369, 407, 409, 422, 438, 471, 478, 483, 491, 500, 502, 588, 669 leise 21ff., 35, 41-56, 59, 72, 74, 77, 87, 90, 217, 316, 327, 483 still 44ff., 49, 143, 178, 307, 313, 372, 490, 660 vokalisierend 215, 225 lectio continua 376 lectio difficilior 457, 469 Leerstelle 305, 402ff., 411, 457 Lehre 130, 210, 324, 333f., 341, 356, 367, 372f., 392f., 400, 406, 456, 492, 495, 504, 513, 519, 529, 558, 615 696 13 Register Lehrer 67, 101, 120, , 152, , 174, , 186, 227, , 271, 287, , 400, , 460, 498, 507 Lektor 86, 129, 131ff., 153, 213, 264, 409, 451, 503ff., 507-510, 512f. Lektüre -erfahrung 115, 329, 409 individuell-direkt 75, 107-110, 114- 117, 120ff., 124-127, 134f., 144, 146f., 149, 153f., 156, 158, 162ff., 166f., 170ff., 174-177, 180, 185-191, 193ff., 197ff., 202-214, 228, 231, 233, 235, 255, 262, 264, 276, 292f., 299-302, 304, 309f., 314-318, 323, 326f., 329- 332, 334, 338f., 342f., 345f., 348, 353, 357f., 360ff., 364, 367, 374f., 378, 381f., 384f., 390f., 393ff., 397f., 408f., 411, 417f., 421-426, 429, 432, 440, 443, 446f., 450-456, 463, 466, 469, 472, 476, 480f., 485, 493, 495, 502, 511, 515f., 520-532, 536, 538 kollektiv-direkt 119, 175, 292f., 296, 370, 398, 436 -konzept 327, 332, 335, 337, 339, 341, 348, 461, 463, 485 Mehrfach- 48, 111, 131, 137, 156, 158, 174, 192, 208, 211, 214, 217, 224, 303, 321, 327, 345, 354, 445, 448, 452, 457, 462f., 482, 484, 486, 494, 530 Lernen 31, 92, 136, 146, 191, 214, 219, 227, 234, 314, 326, 331, 338-341, 344, 364, 374ff., 406, 472, 493f., 513, 525, 529, 594, 607, 659, 665 Lesbarkeit 78, 111f., 116, 229, 232, 240, 355, 592 Lese -akt 20, 22, 50, 74, 79, 92f., 117, 162, 168, 198ff., 313, 315f., 318, 320, 322, 327, 329, 351, 354, 460, 484 -erfahrung 20, 94, 209, 398 -erlebnis 310 -fähigkeit (s. auch Literalität) 23, 27, 61f., 64ff., 110, 120, 229, 233, 286, 308, 314, 382f., 490, 528f. -forschung 45, 50f., 74f., 77, 79f., 87, 89f., 98, 216, 219, 223, 225, 228, 230f., 260, 262, 310, 483 -frucht 117, 139, 185, 196, 214, 299, 309, 487, 539 -geschwindigkeit 50, 54, 67, 77, 81, 89ff., 106, 110, 115, 171, 187, 192, 194f., 198, 202, , 218, 220, 222f., 225f., 228, 233, 237, 248, 299, 301, 316f., 350f., 353, 396, 479, 484, 491, 640 -haltung (s. auch Haltung) 329 -hilfe (reading aid) 37, 239-242, 252, 260, 263ff., 267, 606 -ikonographie 36, 168, 198, 201, 256, 259, 293, 305f., 401, 462, 656 -interesse 123, 181, 345 -kultur 21, 29, 32, 38, 54, 70, 74, 77, 81, 85f., 93, 133, 346, 358, 379f., 447, 488, 496, 537, 539, 628 -medium 22, 35, 79, 83, 92, 97f., 101, 103, 118, 143, 145, 160, 169ff., 173, 180f., 183, 215, 292, 307, 325, 328, 330, 354, 359, 362, 376, 393, 400f., 404, 419, 445, 454, 481, 483f., 495f., 518, 522f., 534, 634 -objekt 161, 542 -pausen/ -unterbrechung 81, 92, 196, 202, 220, 230, 236f., 265, 304f., 401, 408, 417, 452, 455, 462, 506 -praxis 19f., 23ff., 28, 30f., 35, 37ff., 41, 43, 50f., 56, 61, 69ff., 73, 78ff., 83, 85ff., 89, 92, 94, 97f., 101, 103, 147, 155, 165, 186, 190, 194-197, 210, 697 Sachregister 215, 223, 234, 239, 256, 260, 262f., 269, 274, 289, 291f., 294ff., 300, 302f., 313f., 316, 318, 320, 328, 330, 351f., 355, 357, 359, 363, 370, 378f., 390, 394, 406f., 419, 446, 455, 465, 472, 483-486, 489, 495f., 506f., 511f., 514, 520, 523, 525, 527, 530, 533 -publikum 72f., 85, 133, 167, 276f., 339f., 345, 421, 469, 483, 485, 487, 531 -situation 19, 87, 92, 151, 159, 166, 194, 206, 304, 398, 408f., 444, 447, 502, 526, 531 -sozialisation (s. auch Schriftspracherwerb) 61, 222, 349, 528, 610, 613 -stoff 73, 91, 127, 361, 379, 652 -strategie 230, 303 -szene 48, 50, 57, 73, 75f., 84f., 115, 135, 148f., 156, 175, 177, 180, 192, 209, 292, 296, 300, 303, 310, 314, 318, 320, 322, 326, 328ff., 371, 379, 381, 399f., 402, 404f., 407f., 411, 426, 483, 495, 628 -terminologie 307, 486 -terminus 56, 59, 73, 83, 85, 97, 135, 137f., 144-150, 153, 155, 160f., 164f., 167f., 174, 176, 183f., 186, 191f., 205f., 228, 291f., 294, 302, 314, 317, 332, 334, 345, 351, 358, 360, 378, 445, 479, 495f., 515, 523, 533, 538, 543 -weise 61, 87, 89f., 191, 196, 206, 211, 301, 345, 379, 409, 443, 445, 481, 526, 529f. -zeichen 220, 249, 305, 613, 627 -ziel 519 -zyklus 359, 403 Lesen ab oculo 232 vergleichend 118, 130, 186, 209, 304, 347, 500 Leser 19, 34, 38, 43-48, 50, 54f., 58, 60f., 64, 73f., 78f., 82f., 90f., 102, 107, 109, 115f., 120, 122ff., 126, 131, 134f., 137f., 140f., 145f., 148f., 151, 153f., 156, 163, 165ff., 176, 181, 189ff., 194, 196f., 199, 204, 207, 209, 213, 218, 220, 222ff., 226, 228f., 231, 233f., 238f., 244, 249, 258, 260f., 264, 266, 268, 274f., 277, 280, 287f., 302-305, 310, 315, 321, 325f., 334f., 337-340, 342-348, 351f., 354f., 357, 375, 384, 389, 391, 395, 398, 402, 404, 408f., 411, 426, 439, 447, 449-454, 456f., 460f., 463, 466ff., 476, 480f., 483f., 487, 489f., 512, 523, 525, 528f., 531, 536, 592f., 598, 605, 617, 624, 627, 644, 654, 664 Leserlenkung 166, 182f., 194, 325, 626 Literalität/ Illiteralität 21, 29, 32f., 61, 63- 71, 76, 79f., 84, 233, 289, 308, 314, 395, 513, 530, 613, 628 Literaturtheorie 344f. Liturgiewissenschaft 19, 24ff., 248, 511, 522 lucubratio 57, 74f., 208, 211, 306, 339, 345, 361 Luxusprodukt 280, 287f. Majuskel 247, 253f., 257f., 384, 401, 444, 470, 472f., 502 Makarismus 464f., 467f., 473, 480 Markusschluss 447f., 457ff., 461f., 464, 593, 656 Materialität 29, 38, 80, 83ff., 97, 102f., 127, 149, 162, 199, 229, 237, 252, 259, 283, 291f., 294, 309, 322, 362, 388, 395, 402, 424, 434, 481, 486, 527, 589, 593, 604, 613, 621, 625, 630f., 635, 641, 644, 651 Meditation 93, 324f., 327, 660 Medizin 101, 181, 256, 263, 302, 494 Merismus 325f. 698 13 Register metakognitiv 355 Metapher 55, 78, 80-83, 106f., 116, 124, 154, 162ff., 167-170, 174, 178, 180, 188f., 191, 193-197, 206, 209, 212, 228, 268, 291, 301, 303f., 314, 316, 323, 334f., 340, 343, 349, 373, 387ff., 391, 395f., 416, 439f., 462f., 475, 480, 483, 495, 522f., 525f., 529f., 538, 543f., 629 -ntheorie 80 Metonymie 78, 80-83, 113f., 154, 164, 169- 173, 175f., 178f., 184, 192, 196, 199, 202f., 211, 228, 291, 301, 303f., 320, 336, 343, 354, 404, 483, 495, 523f., 538, 543 Mikro-Konflationen 500 Modellleser 326, 447, 488f. mündliche Tradition 493, 497 Mündlichkeit 23, 32-35, 37ff., 42f., 47, 50, 55, 59, 62, 69, 71ff., 87, 106, 115, 141, 143, 226, 230, 267, 315, 359, 361, 383, 414, 418, 420ff., 455, 484, 490, 493, 495, 497, 538, 586, 598, 605f., 608f., 631, 639, 648, 665, 671 konzeptuell 33, 142, 373, 413f., 416, 420, 423, 456 Musik 33, 178, 255f., 263, 268, 298f., 348ff., 645 Narratologie 86, 94, 400, 448, 458, 489, 607, 611, 625, 650, 656, 661 Natur 43, 176, 181, 205f., 307, 329, 331, 527 Neumagner Relief 99 nomina sacra 247, 253, 259, 598 Noten 33, 256, 263f., 266, 499, 593 Obole 282, 286 Öffentlichkeit 32, 48, 76, 92, 151, 158, 179, 274f., 277, 452 nicht-öffentlich/ privat 27, 30, 32, 43, 46, 74, 76, 92, 99, 121, 139, 143, 157, 187, 265, 267, 272f., 275, 279f., 283, 288, 306, 368, 402f., 408, 481, 502f., 522, 526, 615 öffentlich 25, 28, 32, 64, 92, 98f., 122, 129, 143, 151, 157, 265, 271, 275, 288, 293, 295, 306, 313, 372, 383, 392, 456, 465, 520, 532, 537, 631, 665 Ohr 25, 42f., 57, 79, 105, 109, 122, 137, 139, 185, 196f., 207f., 229, 302, 307, 314, 318f., 344, 346f., 361f., 399, 414, 451, 475, 510, 606, 654 inneres 53, 90, 122, 302, 344 Ostraka 235, 256, 552, 581 Paginierung 257 Palindrom 261 Papyrus 17, 29, 35, 40, 64, 67, 81, 97, 108, 205, 227, 232, 235f., 239-242, 244, 246- 257, 259, 261-267, 282f., 364, 412, 470, 491, 495, 501f., 537, 550ff., 577, 581f., 589f., 599, 602, 604, 606, 622f., 628, 631, 633, 637f., 640f., 643, 649ff., 653, 656f., 663, 666, 670 parafoveal preview 221f., 225f., 230, 246f., 251, 261 Paragraphos 239, 253-257, 262 Paratext 241, 257, 304, 517, 612, 667 Partizip 107, 116, 119, 126, 137f., 141, 146, 158, 165ff., 176, 204, 244ff., 258, 276, 338, 340, 345, 348, 370, 381, 384, 397, 422, 424, 426f., 429, 448, 450, 453, 467, 469, 471, 475, 504, 507, 512, 515 Paulusbriefsammlung (s. auch Corpus Paulinum) 38, 156, 383, 385, 412, 442ff., 522, 524, 533-536, 662 perceptual span 220f., 225f. Pergament 97f., 100, 305, 538 Philosophie 60, 67, 101, 131f., 134, 143, 161f., 169, 178, 180, 188, 193, 234, 237, 256, 275, 278, 284, 291, 341, 350, 352, 369f., 372f., 423, 513f., 526, 529, 546, 586, 591, 604, 611, 618, 635, 641 699 Sachregister Phonologie 40, 89, 126, 218ff., 224, 226, 228, 231, 233, 244, 246, 350 Präfix 119, 170, 173, 205, 337 Pragmatik 17, 38, 45, 50, 81, 84, 134, 151, 190, 359, 367, 397, 405f., 420, 449, 456, 458, 460, 464, 478, 492, 537, 629 preferred viewing location (PVL) 220, 222, 224 Preis 280-283, 285 Primitivismus 272ff. Prolog 40, 123, 126, 154, 179, 183, 206, 332, 337, 340, 464, 480, 557, 635 Promulgation 316, 319, 324, 652 Prophet 116, 147, 164, 169, 184, 288, 319, 336ff., 357, 378f., 399, 403, 405-410, 477, 484, 507, 512, 515, 525f., 539, 627, 644, 666, 668 Protopaulinen 386, 388, 412, 436, 441, 446 Pseudepigraphie 127, 188, 268, 272, 309, 318, 365, 383, 392, 395, 411, 434, 441, 444ff., 466, 486, 534-537, 555, 557, 597, 608f., 611, 620, 622, 628, 634, 655 public reading 30, 38, 40, 92, 248, 322, 365, 392, 394 Publikation/ Veröffentlichung 29, 32, 35, 37, 55, 71f., 85, 114, 116, 173, 190, 204, 224, 242, 271, 274-277, 279f., 336, 340, 345, 421, 423, 425, 441, 483, 488, 490, 500, 503, 536f., 609 Publikum (s. auch Lesepublikum) 45, 69, 74, 107, 114, 132, 138, 152, 165, 180, 190, 203, 226, 275ff., 279, 295, 339, 346, 368, 372, 403, 418, 449, 483, 485, 489, 662, 664 rabbinisch 20, 52, 69, 79, 97, 210, 307, 315, 318, 326, 363ff., 376, 378f., 401, 403, 665 vor- 30, 365, 369 Raum 92, 365, 532f. recitatio (s. auch Publikation/ Veröffentlichung) 37, 74, 126, 263, 274ff., 295f., 300, 304, 483, 488 Redaktion/ redaktionell 40, 62, 126, 246, 275, 309, 317, 323, 325f., 384f., 399, 412, 442, 453, 461, 470, 472, 500, 505, 520, 536, 588, 618, 645 Redaktionskritik 325, 489 Rede 19, 23, 34, 36, 64, 108, 113f., 116, 118, 125, 127, 134, 151, 153, 155f., 161, 173, 176f., 181, 184, 186, 189f., 196f., 203f., 207, 212ff., 235, 237f., 248, 251, 256, 277f., 283, 287, 296, 307, 340, 346, 357, 374f., 419-423, 425, 428, 430, 479, 498f., 507, 510, 512, 564, 567f., 571, 578, 607, 609, 626, 635 Redner 36, 138, 206, 287, 498, 546, 572, 664 Regression 214, 220, 225 Reise 100f., 123, 170, 176, 186, 195, 285, 307, 379, 408, 411, 485 Rezeption 197 individuell-indirekt 300, 309, 409 kollektiv-indirekt 19, 21f., 34, 49, 54, 56f., 59, 69, 74f., 92, 106f., 110, 113f., 117f., 122, 125, 128f., 145, 149, 151- 156, 165f., 170, 176, 187, 190, 207, 211, 225f., 228, 230f., 239f., 260, 262f., 265f., 276, 279, 289, 292-298, 307, 314, 318-321, 324, 327f., 334, 341, 344, 346, 351, 358, 361-364, 367, 369ff., 373f., 376, 386, 390, 393, 403, 406f., 409, 411, 423, 426-430, 433f., 437, 439f., 443, 445ff., 453, 456, 466, 473, 479, 481, 483, 485, 488f., 503f., 507, 509, 511-516, 518f., 521f., 526f., 529, 531f., 535, 538, 596 Rezeptionsästhetik 23, 31, 80, 306, 489, 605, 650 Rezipient 30, 62, 69f., 92, 108, 113, 116, 128, 131ff., 138, 145f., 165ff., 173, 190, 204, 258, 276, 289, 292, 330, 338, 341, 343, 700 13 Register 348, 374f., 382, 390, 394, 404, 427, 434, 441, 443, 447, 449ff., 454ff., 458ff., 462ff., 473, 475, 480f., 485, 489, 534, 536f. Rezitation 24f., 40, 122, 143, 190, 275, 324, 361, 397, 490, 631 Rhapsode 307 Rhetorik 34, 36f., 124, 140, 152, 175, 294, 349, 357, 420, 422f., 443, 474, 561, 629, 641, 647, 661 Ritual/ ritualisiert 25, 111, 294f., 318, 321, 432, 513, 530, 612, 664 Rolle (scroll) 32ff., 46f., 76, 98f., 101ff., 105, 122, 130, 135, 141, 159, 168f., 171, 173- 176, 178, 181f., 186, 193, 203ff., 213, 246, 261, 293, 295, 298, 304ff., 319f., 324ff., 343, 361, 378, 401f., 405, 410, 421, 424, 434, 460, 478ff., 499f., 509, 535, 585, 592, 598, 607, 634, 645, 655f., 660, 663, 669 Roman 116, 133, 152, 193, 201, 451, 545, 572, 583, 586ff., 590f., 593f., 596, 598- 602, 604, 608, 610, 614f., 618-623, 625, 628f., 636, 638, 640f., 644-649, 651f., 656, 658ff., 662, 664, 667ff. Alexander- 158, 206, 456, 648 Sabbat 20, 356f., 363-366, 368-373, 375- 379, 400, 402, 404, 406, 424, 458, 484, 520 Sakkade 220, 222, 224f. Sch’ma Jisrael 347, 397 Schreiben 22, 33, 39, 59, 65ff., 77f., 80, 97f., 101, 109f., 113, 115, 120, 132f., 139f., 143f., 158, 160, 179, 184, 200, 207, 215, 227, 236ff., 258, 285, 306-309, 315f., 328, 338, 340, 349f., 352ff., 382, 412, 414, 423f., 430, 434, 437-441, 445, 488, 498f., 515, 517, 522f., 529, 534, 590, 629f., 635, 654f., 665, 669 Schreibens 588, 617 Schrift -bild 180, 347, 435, 537 -gelehrte 314, 317, 320, 322, 335ff., 340, 397f., 453, 602, 614, 661 Geschriebenes 19, 25, 35, 40, 44ff., 51, 59f., 97ff., 109ff., 127, 131, 140, 145, 149, 158f., 168f., 172f., 183ff., 199f., 203ff., 213, 215f., 223, 229, 231, 234ff., 238ff., 244, 246, 248, 251, 256ff., 260, 262, 267f., 276, 280, 292, 302, 305, 316, 319, 323, 325f., 328f., 331, 333f., 339, 354, 359, 361, 364, 382f., 396, 399, 412, 420f., 434f., 440, 445, 453, 468, 483, 488, 490f., 494f., 505, 524, 531, 534, 639, 667, 671 -lesung 24, 364f., 376, 385, 403, 446, 505, 509, 518f., 521f., 659, 671 -lichkeit 23, 55, 59, 66f., 73, 383, 422, 425, 586, 605, 608, 620, 631, 639, 646, 648, 651, 653f., 665 -medium 486 scriptio continua 21, 47, 51, 60f., 71, 77, 85, 106, 215ff., 220, 222, 224-240, 247, 249, 251f., 260, 262, 265, 267f., 302, 354f., 483, 490, 502 scriptio discontinua 216, 224, 232, 235, 238, 260, 263 -spracherwerb 228, 231, 359, 529 -steller 27, 174, 273, 279, 342, 346, 350, 614, 654 -system 33, 50, 60, 77, 85, 217f., 221ff., 225ff., 231f., 237f., 268, 354 Thailändisch 220, 223f. Vai 223 -zitate 118, 182, 264, 486, 506, 624 scribal habits 242, 412, 501 Sehen 34, 45, 60, 72, 76, 99, 115, 122, 148f., 177, 182, 192, 198ff., 202f., 205f., 209, 234, 239, 243, 251, 254, 278, 289, 291, 295, 298, 300, 331, 343, 346f., 353, 357, 375, 387, 401, 403, 416, 458, 460-463, 701 Sachregister 475, 506, 508f., 539, 588, 641 Sehtest 208 Sekretär 67, 129f., 155, 258, 395, 423, 497, 509 selbstreferenziell 86, 131, 193, 198, 283, 313, 332, 334, 342, 344, 393, 411, 445, 496 Sesterze 282-287 Silbe 218, 223, 225 Sinnkonstitution 305, 463 Sklave 43, 97, 128f., 154, 171, 179f., 189, 202, 208, 232f., 259, 287, 296, 298, 341, 451, 508, 598 Skriptorium 501f. Skytale 205f. Soldat 286, 294, 377, 381, 432 Soldaten 65 Sozialgeschichte 21, 31, 36f., 39, 74, 80, 91, 147, 163, 233, 280, 321, 372, 406, 420, 464ff., 469, 479, 488, 500, 503, 506, 513, 529, 605f., 630, 646, 652 spiritus 244ff., 249, 251, 587 Staurogramm 259 Stichen 113, 265, 282, 285 Stichometrie 262 Stimme 34, 42-46, 49, 51f., 54f., 58ff., 74, 82, 89, 105f., 108, 135, 142, 146, 148f., 151, 154f., 157, 159, 165, 171, 178, 180, 188, 229ff., 292, 302, 313, 315, 317f., 323, 344, 361, 381, 433, 436, 468, 475f., 480, 484, 492, 494, 520f., 531, 612, 660 innere (inner reading voice) 45, 89, 122, 146, 219, 225f., 231, 239, 244, 276, 292, 302, 469, 502 lebendige (viva vox) 44, 425, 491-494 stimmliche Realisierung 34, 49, 54, 74, 108, 142, 155, 157, 159, 171, 178, 180, 313, 315, 317f., 344, 361, 484 Stimmeinsatz 73, 89f., 302, 313, 316, 323, 326, 353 nicht-vokalisierend 48, 50, 56, 75, 89f., 108ff., 119, 122, 124, 135, 146, 150f., 154, 158f., 172, 175, 178, 187, 193, 197, 199, 201f., 205f., 212, 216, 219, 221, 223-226, 228, 233, 238f., 248, 257, 292, 296, 301f., 306f., 353, 355, 379, 417, 425f., 469, 481, 484, 486, 491, 527, 541 subvokalisierend 50, 56, 58, 89f., 213, 257, 268, 301, 317, 326, 338, 360, 375 vokalisierend 47, 50, 56ff., 61, 89f., 109, 122, 134f., 144f., 147, 150f., 156, 158, 165, 178, 180, 185, 202f., 205, 213, 216f., 225, 228, 230f., 244, 268, 293, 301f., 313f., 318, 342, 344, 350, 353, 381, 383, 409, 417, 450, 468, 484, 486, 497, 502, 527 Studium 67, 92, 117, 119, 155, 166, 168, 174f., 177, 182, 185, 205, 208, 301, 324, 327, 350, 361f., 454, 472, 627, 660 subscriptio 99, 173, 258, 434, 457 Supplementfunktion 273, 358, 373, 520, 552, 663 Symposion 41, 110, 181, 275, 296ff., 300, 345, 356, 362, 378, 518, 570, 575 Synagoge 19, 24, 68, 187, 364-372, 375ff., 388, 390, 395, 397-400, 402-406, 424, 434, 446, 484, 487, 599, 617, 667 -ngottesdienst 24, 320, 322, 389f., 403, 591 Synoptisches Problem 396, 449, 500, 622, 661 Tafel/ Täfelchen 48, 55, 97f., 100f., 145, 158f., 162, 171f., 180, 189, 198, 293, 309, 316f., 329ff., 381f., 425f., 440, 499f., 542, 606 Tetragramm 258f. Textkritik 35, 86, 119, 136, 266, 384, 412, 702 13 Register 416, 439, 442, 457, 464f., 469, 472, 504, 557, 585, 631, 655 Textproduktion 33, 93, 153, 185, 309 Theater 36, 41, 45f., 209, 255, 306 Theodotus-Inschrift 367 Theologie 19, 21, 27, 52, 233, 436, 447, 450, 458, 461f., 487, 514, 538f., 544, 546, 550, 555, 568, 586-590, 593, 607, 610, 613ff., 617, 619f., 624, 629, 632f., 635, 638, 641, 647, 650f., 659ff., 663, 669 Therapeuten 355-358, 369, 371f., 377f., 398, 455, 485, 512, 587 Titel 90, 98f., 113f., 125, 137, 154, 160f., 165, 173, 182, 205, 208, 257, 279, 288, 359, 471, 503, 509 Tora 20, 30, 33, 68, 119, 130, 145, 169, 288f., 315, 319-327, 332, 335ff., 340, 347f., 352, 354, 360, 362, 365, 367-379, 385, 388- 392, 395f., 398, 401, 404, 406, 440, 484, 539, 590, 608, 618, 622, 633, 638, 643, 652, 655, 665, 668 Tradition 39, 43, 139, 326, 329, 338f., 440, 454, 490, 492, 497, 527, 546, 585, 588, 595, 600, 615, 617ff., 622, 625f., 633, 638, 645, 648, 651f., 656, 659, 661f., 665 Tragödie 119, 121f., 209f., 276, 459, 559, 566, 577, 594, 611, 613, 629 Trema 241-244, 248f. typographic captivity 495 Umfang selektiv 27, 35, 37, 50, 55, 71, 91, 101f., 124, 174, 185-188, 190, 192, 194, 211, 213, 262, 264, 298, 301, 303f., 315, 343, 345, 423, 462, 484, 500, 538 vollständig 49, 64, 66, 68, 79, 84, 89, 91, 93, 100f., 117, 124, 156f., 173, 194, 210, 225, 252, 266, 275, 303f., 317, 338, 348, 354, 371, 405, 434, 471, 484, 525, 563, 586 Unterhaltung 74, 93, 124, 131, 143, 153, 177, 187, 206, 208, 211f., 277, 297ff., 309, 342, 344f., 363, 671 Unterricht 25, 28, , 152, 204, 228f., 233, 272, 287, 344, 349, 535, 551, 561, 590, 618, 664f., 667 verba audiendi 107, 135, 144, 413, 427 verba dicendi 116, 135, 138-141, 144, 149, 204, 325, 385, 397, 413, 455 verba vivendi 146, 199 Verstehen 31, 64, 69, 93, 105, 111, 114f., 134, 144, 147, 152, 171, 180, 184, 191, 216, 227, 231, 278, 302f., 314, 321, 347, 351, 369, 371, 383, 385f., 391f., 398, 405, 410, 416, 426, 437f., 440, 444, 446, 452, 454f., 457, 461, 479, 502, 524, 528f., 531, 538, 590, 594, 596, 626, 639 Villa 155, 164, 177, 212, 603, 670 Villa dei Papiri 99f. Vindolanda 585 Vindolanda-Tafeln 65, 98, 236 visuell 37, 44, 46, 50, 58, 60, 71, 89, 99, 109, 111f., 117, 121f., 133, 137f., 146, 150, 152, 154, 156, 172, 180, 184, 198-208, 215, 217f., 220, 228, 234, 237, 239, 241, 248, 251, 254, 256-261, 266f., 292, 296, 307, 309, 314, 317, 320, 326, 329ff., 347f., 353, 355, 379, 381f., 388, 396, 416, 440, 451, 462, 474, 481, 485, 501f., 515, 528 Volk 68, 98, 213, 320f., 325, 406, 428, 652 Vorlage 130, 161, 242f., 246, 250, 258, 279, 308, 333, 342, 399, 413, 452, 476, 505 Vorleser 32, 58, 74, 86, 92, 108, 128, 131ff., 190, 207f., 258, 264, 298, 361, 418, 426, 433, 449ff., 453, 465, 503f., 507 Wagen 307, 407ff., 411, 499 Wettbewerb 157, 295, 592 Wort -erkennung 217, 219-222, 224, 228, 236, 703 Sachregister 239, 247, 250ff., 260, 262 -trennungen (s. Schrift) 47, 60, 215, 217, 219, 222ff., 229, 232, 235-238, 241, 267 -zwischenraum 61, 215, 222ff., 226f., 231, 236, 241, 252ff. Zirkulation 29, 32, 35, 64, 76, 272f., 280, 288, 432, 434, 443f., 503, 534 Zitat 40, 117, 136, 138ff., 145, 147, 152, 162, 171, 185, 190, 197, 200, 234, 242, 253, 262, 298, 309, 349, 357, 384, 387, 396, 400f., 404f., 408, 449, 471, 476, 491, 494, 516, 531, 535, 655 -einleitung/ -markierung 110, 139, 141, 190, 379, 386, 397, 449 704 13 Register Auswahl an lateinischen und griechischen Lexemen album 98, 542 armarium 99, 155, 542 audio 48, 58, 72, 134f., 142, 144, 155, 165, 308, 471f., 543 auditorium 295f. capsa 99, 534f., 542 cera 97, 198, 542 cista 99, 542 cognosco 117, 543 consumo 544 contrecto 174, 176, 543 degusto 195, 544 epistula 197, 542 erro 196, 544 evangelium 542 evolvo 42, 174f., 195, 543 expando 173 explicio 174, 176, 543 incumbo 193, 544 inspicio 239 invenio 167 lectio 25f., 42, 72, 74, 152ff., 194, 208, 213, 233, 376, 412, 510, 520, 536, 543, 615 lectito 41, 155f., 543 lector 131-134, 207, 508 lego 40, 42, 48f., 52, 58, 72, 74, 105, 107, 117, 133, 139, 143f., 149-153, 155f., 176, 195, 197, 208, 213, 274, 292, 294, 297f., 300, 302, 308, 314, 328, 386, 409, 443, 453, 471f., 482, 520, 522, 532, 543, 624 libellus 542, 558 liber 154, 157, 177, 234, 298, 300, 305, 333, 542, 560, 573ff., 651 percurro 195f., 198, 317, 544 perlego 120, 155-159, 188, 197, 303, 431f., 463, 543 pervolvo 174, 543 praelectio 152 praelego 152, 543 praetire 194, 544 pugillaris 97, 100, 151, 499, 542 quaero 186, 543 recitatio 37, 155, 276f., 279, 294, 296 recito 72, 143, 152, 156, 274f., 295, 520, 543 redeo 52, 196, 544 relego 130, 156, 543 reperio 164, 186, 544 retracto 214, 308 revolvo 172f., 303, 543 scrinium 99, 542 scriptura 156, 164, 193, 223, 328, 518, 522, 539, 542 scrutor 155, 186, 544 tabella 97, , 145, 542 transeo 195f. transire 194, 544 transmitto 195, 544 umbilicus 98, 173, 283 verto 174f., 334, 543 volumen 174, 176, 194, 333, 542 vulgo 178f. ἀγράμματος 64, 66f., 69, 340 ἀκούω 49, 109, 122, 134-139, 141-144, 165, 276, 302, 344, 348, 384f., 396f., 414, 417, 436, 445, 465, 467, 469f., 472-475, 481, 514, 529, 543 ἀκούω 384 ἀκριβής 115, 163, 184, 351 ἀναγιγνώσκω 20, 41, 46, 49, 54, 56, 66, 84, 105-110, 113-116, 121f., 127f., 134, 136, 139f., 142, 144f., 149, 163, 172, 176, 178, 185, 189, 194, 201f., 205f., 209f., 234, 258, 277, 279, 292ff., 296, 302, 305f., 308, 310, 314f., 317, 328f., 334, 338, 340, 343, 348, 371, 381f., 384, 386ff., 396, 398f., 407f., 410, 424-430, 437ff., 442, 444ff., 448ff., 452f., 465, 467, 472f., 481, 504, 512, 515f., 526, 528ff., 543 ἀνάγνωσις 20, 119, 121-127, 211, 233, 367f., 388, 390, 392ff., 398, 427, 452, 515f., 521, 527f., 530, 543, 595 ἀνάγνωσμα 127f., 162, 543 ἀναγνώστης 128-131, 134, 207, 258, 423, 450, 503f., 507-511, 543 ἀναγνωστικός 120, 543 ἀναλαμβάνω 176, 190, 534 ἀναλέγω 145, 543 ἀναλέγομαι 145ff., 494, 543 ἀνανέμω 145 ἀναπτύσσω 135, 137, 171, 173, 399, 401, 435, 543 ἀναστρέφω 334f., 544 ἀνατρέφω 211, 544 ἀναζητέω 185, 543 ἀνειλέω 170, 173, 543 ἀνελίσσω 168ff., 173, 178, 543 ἀνοίγω 172, 401, 543 ἀπαντάω 162, 543 ἀπογραφή 110, 542 ἀρχαιολογίαι 160, 542 ἀθρέω 199, 544 ἄξονες 542 βιβλίδιον 112, 542 βιβλίον 49, 110, 112, 114, 144, 160, 171, 176, 178, 182f., 187, 193, 198, 206, 304f., 310, 333, 399, 480, 542 βίβλος 165, 205, 293, 330, 369, 515, 542 δελτίον 97, 542 δέλτος 97, 542 διάγραμμα 542 διαναγιγνώσκω 117, 243, 303, 543 διάνοια 137, 310, 346 διαπορεύω 188, 544 διασκοπέω 205, 544 διάταγμα 542 διαθρέω 205, 544 διατυλίσσω 170, 543 διέρχομαι 136, 159, 186, 188, 228, 526, 544 διέξειμι 124, 188 διοράω 205, 544 ἐγκύπτω 192f., 310, 523, 544 εἶδον 200, 202, 475, 544 ἐκζητέω 185, 336, 543 ἔντευξις 168, 505, 530, 543, 589 ἐντυγχάνω 41, 84, 123, 128, 134, 137, 140f., 148f., 159-168, 173, 176, 204, 209, 302, 318, 343, 463, 515, 531, 543, 589 ἐπακούω 142, 543 ἐπαναγιγνώσκω 120 ἔπειμι 188f., 544 ἐπιγιγνώσκω 437f. ἐπίγραμμα 542 ἐπιλέγομαι 148f., 543 ἐπιμελής 115, 163 ἐπιπορεύομαι 197, 544 ἐπισκέπτομαι 185, 346, 543 ἐπιστολή 109, 117, 142, 172, 176, 181, 188, 205, 296, 308, 381, 416f., 424f., 427ff., 432f., 515, 517, 534, 542 ἐπιτυγχάνω 167 ἐπιζητέω 185, 543 ἐρευνάω 183, 351, 353, 543, 601 εὐαγγέλιον 542 εὐανάγνωστος 120, 232 εὑρίσκω 53, 135, 137, 148, 161, 163f., 172, 181, 184f., 205, 322, 405, 502, 524, 543 ἐξαναγιγνώσκω 118, 188, 303, 543 ἐξετάζω 184, 543 γιγνώσκω 105, 234, 385, 410, 439 γιγνώσκω 385 γράμμα 110, 135, 502, 528 γράμματα 105, 135, 147f., 160, 162, 168, 706 13 Register 181, 184, 188, 196, 200ff., 207, 227, 334, 528f. γραμματεύς 64, 108, 130, 172, 207, 335, 423, 504 γραφή 160, 165, 181, 334, 393, 398, 502, 516, 530, 542 γράφω 106f., 111, 114, 116, 139f., 162, 172, 183, 185, 189f., 200, 202-205, 215, 234, 340, 385, 399f., 421f., 438, 466f., 498, 506 ἱστορέω 185, 543 ἱστορία 114, 542 κατάλογος 542 καταμανθάνω 185, 543 καταπίνω 544 χάρτη 542 κιβώτιον 99, 542 κιβωτός 99, 542 κωμῳδία 542 κυλί(νδ)ω 171, 543 κύλινδρος 171, 542 λαμβάνω 176, 543 λέγω 140, 144f., 149, 414, 525, 543 λεύκωμα 98, 542 λόγος 114, 161, 189, 203, 234, 415, 467, 473, 494, 531, 542 μανθάνω 136, 185, 492f., 514, 543 μαστεύω 185, 543 μῦθος 542 νέμω 544 νόμος 112, 374, 542 ὁράω 115, 200, 329, 544 π(τ)υκτίον 542 παρακύπτω 396, 544 παραλύω 172, 543 παραναγιγνώσκω 118, 428, 543 περικοπή 514, 542 περιπίπτω 164, 543 πίναξ 97, 542 ποίημα 542 πολυπραγμονέω 185, 375, 543 πραγματεία 161, 542 προαναγιγνώσκω 119, 543 προσευχή 366 προσφοιτάω 194, 544 ψυχή 106f., 112, 125, 137, 146, 228, 336, 348, 352, 354, 498, 530 σκοπέω 205, 544 στιχίδια 161, 542 συγγράμματα 112, 126, 137, 161, 166, 203, 277, 494, 512, 525, 542 συμπεριφέρεσθαι 141, 194, 544 συναναγιγνώσκω 119, 293, 528 συναναγιγνώσω 543 συντάγματα 161, 542 τεῦχος 99, 542, 651 θεωρέω 203, 544 ὑπομνήματα 112, 118, 161, 542 ζητέω 123, 180ff., 398, 543, 613 707 Auswahl an lateinischen und griechischen Lexemen ISBN 978-3-7720-8729-5 www.narr.de T A N Z T A N Z T A N Z TEXTE UND ARBEITEN ZUM NEUTESTAMENTLICHEN ZEITALTER Die Studie zeichnet ein überraschend neues Bild der griechischrömischen Lesekultur. Sie untersucht anhand der Leseterminologie, wie Menschen in der Antike ihr eigenes „Lesen“ verstanden haben, und bezieht diese Ergebnisse auf die materiellen und sozialgeschichtlichen Zeugnisse über Leseverhalten und -bedingungen. Es werden verbreitete Annahmen widerlegt, z. B. über das grundsätzlich „laute“ Lesen, über die Verbreitung einer performativen Vorlesekultur oder über den Gottesdienst als Ort der Erstrezeption neutestamentlicher Schriften. Ein differenziertes Modell zur Beschreibung von Lesepraktiken eröffnet neue Wege für die (historische) Leseforschung auch in anderen Bereichen. Vor allem wird deutlich, dass sich die neutestamentlichen Schriften im Rahmen dieser Lesekultur verstehen lassen und z. T. für die individuell-direkte Lektüre konzipiert wurden. Damit werden auch elaborierte Lektürekonzepte plausibel, wie sie etwa das Markusevangelium voraussetzt. Jan Heilmann Lesen in Antike und frühem Christentum Jan Heilmann Lesen in Antike und frühem Christentum Kulturgeschichtliche, philologische sowie kognitionswissenschaftliche Perspektiven und deren Bedeutung für die neutestamentliche Exegese