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Kohärenz und Mehrdeutigkeit

2021
978-3-7720-5752-6
A. Francke Verlag 
Eva Locher

In Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk Rumelants von Sachsen wird eine differenzierte Autorpoetik des Dichters im ausgehenden 13. Jahrhundert gezeichnet.Darüber hinaus werden durch synchrone und diachrone Vergleiche mit anderen Sangspruch-Autoren gattungstypische Merkmale poetischer Rede aufgezeigt. Im Mittelpunkt steht das asymmetrische Begriffspaar Kohärenz und Mehrdeutigkeit: Modellanalysen zeigen, wie sich die Strophen in einem Spannungsfeld von einerseits auf unmittelbare Verstehbarkeit zielenden Sprechakten und andererseits artifizieller Sinnpluralisierung verorten lassen. Dabei wird deutlich, wie Mehrdeutigkeit Kohärenz herstellen, aber auch stören kann. Untersucht werden Prozesse der Kohärenzbildung auf Produktions- und Rezeptionsseite mit Blick auf die Frage der Texteinheit in einem Geflecht von Produktion, gesungener Aufführung, Verschriftlichung und Rezeption.

Eva Locher Kohärenz und Mehrdeutigkeit Vergleichende Fallstudien zur Poetik der Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen Bibliotheca Germanica HANDBÜCHER, TEXTE UND MONOGRAPHIEN AUS DEM GEBIETE DER GERMANISCHEN PHILOLOGIE HERAUSGEGEBEN VON UDO FRIEDRICH, SUSANNE KÖBELE UND HENRIKE MANUWALD 75 Eva Locher Kohärenz und Mehrdeutigkeit Vergleichende Fallstudien zur Poetik der Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Die vorliegendeArbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Herbstsemester 2019 auf Antrag der Promotionskommission [Prof. Dr. Susanne Köbele (hauptverantwortliche Betreuungsperson), Prof. Dr. Jens Haustein] als Dissertation angenommen. © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0067-7477 ISBN 978-3-7720-8752-3 (Print) ISBN 978-3-7720-5752-6 (ePDF) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Herbstsemester 2019 von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich als Dissertationsschrift angenommen. Für die Publikation wurde sie geringfügig überarbeitet. An erster Stelle danke ich meiner Erstbetreuerin Susanne Köbele für ihre kontinuierliche Unterstützung, mit der sie die Arbeit von ersten konzeptionellen Überlegungen bis hin zur Drucklegung gefördert und in vielen Gesprächen meine Gedanken in geordnete Bahnen gelenkt hat. Weiter danke ich Jens Haustein für die Übernahme des Zweitgutachtens. Von seinem schier unerschöpflichen Sangspruch-Wissen konnte ich sehr profitieren. Christine Stridde danke ich für den Disputatio-Beisitz und darüber hinaus für zahlreiche erhellende Diskussionen und ihre klare und ehrliche Meinung. Für die Aufnahme in die Reihe Bibliotheca Germanica danke ich neben Susanne Köbele Henrike Manuwald und Udo Friedrich. Beim Verlag Narr Francke Attempto und besonders Tillmann Bub und Mareike Wagner möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Der Forschungskredit der Universität Zürich erlaubte mir die konzentrierte Arbeit und ein Stipendium der Zeno Karl Schindler-Stiftung den Abschluss meines Projekts. Darüber hinaus hat die ZKS meine Arbeit mit dem Preis für deutsche Literaturwissenschaft gefördert, wofür ich mich auch an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. Durch ein Stipendium des GRC Travel Grants der Universität Zürich konnte ich ein Trimester in Oxford unter produktiven Arbeitsbedingungen verbringen. Für diese prägende Erfahrung bin ich Almut Suerbaum wie auch den übrigen Oxforder Kolleg: innen zu grossem Dank verpflichtet. Methodisch richtungsweisend war für mich die Tagung zur Lyrischen Kohärenz, die ich zusammen mit Susanne Köbele, Andrea Möckli und Lena Oetjens im Januar 2016 in Zürich veranstalten durfte. Allen Teilnehmenden sei hiermit herzlich gedankt, insbesondere Holger Runow, dessen Zeit ich mehrmals für meine Rumelant-Fragen in Anspruch nehmen durfte. In der Promotionszeit konnte ich auf ein enges Netz von universitären Kolleg: innen und Freund: innen zählen: Allen Mitgliedern der Abteilung Ältere Deutsche Literatur der Universität Zürich danke ich herzlich für Ihre Diskussionsbereitschaft. Gerade der Austausch im Kontext des Doktoratsprogramms Medialität - Historische Perspektiven hat mir entscheidende Impulse gegeben, dafür bin ich den Mitgliedern und vor allem den Koordinatorinnen des Programms Daniela Fuhrmann, Pia Selmayr und Christine Stridde zu grossem Dank verpflichtet. Der freundschaftliche Umgang am Lehrstuhl hat mir über manche Hürden hinweggeholfen: Allen Lehrstuhlmitgliedern und Bürogspänli über die Jahre sei deshalb aufrichtig gedankt, ganz besonders Claudio Notz und Lena Oetjens. Sehr herzlich bedanke ich mich zudem bei Julia Frick, Tim Huber, Katharina Mertens-Fleury, Andrea Möckli und Julia Sjöberg für das Korrekturlesen in einzelnen Phasen der Arbeit. Meinen Freunden und meiner Familie danke ich für ihre Unterstützung und das Vertrauen, das sie mir schenken. Mein letzter und wichtigster Dank gebührt Thomas für seine Zeit, Geduld und beständige Ermutigung. Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2 Rumelant im Kontext: Textkorpus und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe . . . . . . . . . . . . . 37 2.1 Tendenzielle Einstrophigkeit als Gattungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2 Sangspruchdichtung als «konstatierende Dichtung» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.3 Zum Sentenz-Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.3.1 Formale Kohärenz: Ein diachron vergleichender Blick auf Sentenzreihen beim Spervogel und bei Bruder Wernher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.3.2 Sentenz und Strophenform in Walthers König Friedrichs-Ton . . . . . . . . 50 2.3.3 ‹ Predigtartig › ? Sentenzhafter Strophenanfang in Rumelants Spruch I,10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.4 Sinnstiftung und Sentenz: Rumelant IV,22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.5 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.1 Allegorische und verrätselnde Strophenkomplexe um 1300: Forschungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma . . . . 75 3.2.1 Der Nebukadnezar-Traum in der Sangspruchdichtung . . . . . . . . . . . . . . 76 3.2.2 Einstrophige Nebukadnezar-Sprüche: Walther von der Vogelweide, Kelin, Anonymus in h, Marner, Mersburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.2.3 Mehrstrophige Nebukadnezar-Sprüche: Wizlav von Rügen, Rumelant von Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.3 Sinnangebote: Zur Einhorn-Allegorie in Rumelants Strophen V,1 - 3 . . . . . . . . 95 3.4 Rätsel und Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.4.1 Zum Rätselbegriff: Kriterien und Forschungspositionen . . . . . . . . . . . . 106 3.4.2 Das Rätsel in der Sangspruchdichtung: Dn 5 in Sigehers Strophe VI,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.4.3 Rateaufforderungen als Rätselkriterium: Rumelant IV,11 . . . . . . . . . . . . 115 3.4.4 Rätsel oder rätselhaft? Fegfeuer I,9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3.4.5 Dialogische Kohärenz: Der Rätselstreit zwischen Singûf und Rumelant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3.5 Resümee und Ausblick: Tonkohärenz in Rumelants Ton IX . . . . . . . . . . . . . . . 131 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 4.1.1 Panegyrik und Erotik: Rumelants Strophe VIII,12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Panegyrische Sangsprüche im Rumelant œ uvre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Etymologisierende Namensherleitung als panegyrische Strategie . . . . . . . . . . 153 Personifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4.1.2 Polemik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Polemische Strophen im Rumelant œ uvre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Marnerpolemiken: Rumelant von Sachsen, Boppe, Meißner . . . . . . . . . . . . . . . 169 Verschränkung von Sprechakten: Zur Kohärenz der polemischen Sangsprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Kohärenz der Inkohärenz? Beobachtungsparadoxien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4.2 ‹ Sangspruchhaft › ? Begründungsaporien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4.2.1 Kohärenz zwischen Autorschaft, Überlieferung und produktiver Rezeption: Rumelants Minnelieder in C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Sängerrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Bildsprachlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Natureingang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4.3.1 Kohärenz und Kontrafaktur: Rumelantrezeption in der Augsburger Cantionessammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4.3.2 Zugeschriebene Kohärenz: Meisterlieder im Geschwinden Ton . . . . . . . 215 4.4 Noch einmal: Rumelant im Kontext. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Fazit: Rumelants Sangspruchdichtung im Spannungsfeld zwischen Produktion, Aufführung, Verschriftlichung und sinnstiftender Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Textausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Wörterbücher und Nachschlagewerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 8 Inhalt 1 Einleitung Untruwe slichet also ein mus in valsches mannes herzen hus, der sie mit willen huset. Der wenet, daz er werde rich, unde slint den angel girichlich. her voxs, der wile ir muset, So rat ich, daz ir umme sen; ir muget beslichen werden of der weide, Da ir v ů rliesen uwern balc. Schint man den ungetruwen schalc, ich troste mich der leide. (X,1) 1 Diese Strophe Rumelants von Sachsen, welche J an erster Stelle im 10. Ton platziert, lässt sich in unterschiedliche syntaktische Einheiten gliedern, die sich aber nur schwer so aufeinander beziehen lassen, dass sie eine schlüssige Erzählung ergeben: 1) Die Untreue schleicht wie eine Maus in das ‹ Herzhaus › eines Mannes, der sie bereitwillig aufnimmt, 2) er (der Mann aus V. 2? ) glaubt, dass er reich werde, und verschlingt gierig den Köder, 3) ein ‹ Herr Fuchs › wird angesprochen: Er solle wachsam sein bei der Jagd, damit er nicht sein Fell verliert, doch wenn man dem ungetriuwen das Fell abziehe, bekümmere es das Sprecher-Ich nicht. Dennoch versuchen die verschiedenen Forschungskommentare zu dieser Strophe, die einzelnen ‹ Aussage-Einheiten › auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: So konstatiert Burghart W ACHINGER : «Wer sich auf Untreue einläßt, gefährdet letztlich sich selbst.» 2 Für Holger R UNOW lässt sich die «Quintessenz» der Strophe wie folgt zusammenfassen: «Etwas Unscheinbares 1 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 218. Untreue schleicht wie eine Maus | in das Herzhaus eines falschen Mannes, | der diese gerne beherbergt. | Er glaubt, dass er reich werde, | und verschlingt gierig den Haken. | Herr Fuchs, während ihr Mäuse fangt, | rate ich, dass ihr euch umschaut; | jemand könnte euch auf der Weide nachschleichen, | wo ihr euern Pelz verliert. | Wenn man den untreuen Schurken häutet, | tröste ich mich [leicht] über dieses Leid hinweg. (Übersetzung EL). R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 275 merkt an, dass der Relativsatz apo koinou auf V. 2 oder V. 4 bezogen werden könne und setzt entsprechend nach V. 4 - anders als K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 218, W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik (2010), S. 318 und N OLTE , Theodor / S CHUPP , Volker: Mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung (2011), S. 236 - keinen Punkt. Zudem liesse sich Der (V. 4) statt als Personalpronomen auch als Demonstrativpronomen übersetzen (vgl. P AUL , Herrmann: Mittelhochdeutsche Grammatik [ 25 2007], § S 120), was den Anschluss an das Vorhergehende erleichtern würde. Angel (V. 5) liesse sich mit nhd. ‹ Angelhaken › oder genereller ‹ Haken › / ‹ Nagel › (an dem - so R UNOW - der Köder einer Mausefalle befestigt ist) übersetzen, vgl. MWB, Art. ‹ angel › . Um die Offenheit des mhd. Texten auch in der Übersetzung zu erhalten, verwende ich den allgemeineren Begriff. Für V. 11 wählt K ERN eine etwas andere Übersetzungsvariante, dass nämlich das Sänger-Ich Genugtuung über die gerechte Strafe empfinge (zur Begründung vgl. S. 639). 2 W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik (2010), S. 795. und vermeintlich leicht zu Erreichendes kann schnell großes Verderben bringen. So ist es auch mit der Untreue. Doch wer wissentlich und willentlich darauf hereinfällt (vgl. V. 3), der ist nicht zu bedauern.» 3 Theodor N OLTE und Volker S CHUPP kommentieren die Strophe unter dem Titel «Falschheit» wie folgt: «Die Strophe gilt dem Falschen = Fuchs, der in seiner dummen Gier die auch negativ konnotierte Maus verschlingt und dabei sein Fell riskiert.» 4 Und Peter K ERN schliesslich entscheidet sich dafür, her voxs im übertragenen Sinn als «betrügerischen Schurken» 5 zu verstehen, womit der Mann, in dessen Herzen sich die untriuwe eingeschlichen habe, angesprochen sei. So bleibe das Personal im Strophenverlauf durchgängig dasselbe und es werde eine in sich widerspruchsfreie Handlung geschildert. Die diversen Kommentare zeugen von einem Bestreben, (vorgeblich) Brüchiges zu einer eindeutigen Aussage zu verbinden. Indem der Rezipient einige ‹ Lücken › des Textes selbst füllt, kann das auch gelingen. Doch wäre es nicht gerade in lyrischen Texten, die auf engem Raum die Kunst der Implikation entfalten, denkbar, auch andere Strategien in den Blick zu nehmen, die es ermöglichen, die Strophe als kohärent zu rezipieren? Zumindest evoziert die Strophe den Eindruck klanglicher Einheitlichkeit: Charakteristisch für die Kanzonenform reimt sich der erste auf den zweiten Stollen (huset : muset), weiter sind auch die beiden Teile des Abgesangs über einen Reim (weide : leide) verbunden und schliesslich wird die Melodie des Aufgesangs im Reprisestollen im Abgesang noch einmal wiederholt. Auch auf einer bildsprachlichen Ebene kann die Strophe zusammengehörig wirken, selbst wenn die Begriffswiederholungen die syntaktischen Einheiten irritierend ineinandergleiten lassen: Jagt her voxs (V. 6) nach einer wörtlich verstandenen Maus oder doch nach der untruwe, die nur improprie eine Maus darstellt (V. 1)? Nicht zuletzt bietet das Layout der Handschrift dem Leser die Möglichkeit, die Strophe als abgeschlossen zu verstehen, denn die Strophen sind durch abwechselnd blaue und rote Initialen deutlich voneinander abgegrenzt. Doch liesse sich auch argumentieren, dass die zitierte Strophe X,1 in einem Verbund zu denken sei: Einerseits mit der in der Handschrift unmittelbar nachfolgenden Strophe X,2, die den schalc aus X,1,10 in einem inszenierten Dialog aufnimmt, 6 den Begriff umfangreich kontextualisiert und Ratschläge gibt, wie man sich vor schalken schützen könne. Über das Thema untriuwe liesse sich X,1 andererseits sogar im grösseren Verbund aller fünf im 10. Ton überlieferten Strophen verstehen, die den Gegenstand alle auf die eine oder andere Weise verhandeln. Ein gemeinsamer Aufführungskontext der generelleren Strophen X,1 - 2 und der Strophen X,3 - 5, die sich gegen die dänischen Königsmörder richten, ist zumindest erwogen worden. 7 Welche Rückschlüsse würden sich entsprechend aus einer solchen Lesart für die Strophe X,1 ziehen lassen? 3 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 275. 4 N OLTE , Theodor / S CHUPP , Volker: Mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung (2011), S. 435. 5 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 637. 6 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik (2010), S. 795. 7 Vgl. L AYHER , William: Meister Rumelant & Co. (2000). Vgl. dazu die Kritik bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 636; M URRAY , Alan V.: Danish Kings and German Poets (2017), S. 158 f.; R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 274 f. und W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik (2010), S. 796. 10 1 Einleitung Das kurze Beispiel zielt bereits auf eine scheinbare Paradoxie spätmittelalterlicher Sangspruchdichtung: Dem Wunsch nach (bildsprachlicher) Vielfalt, nach der Innovation des traditionellen Bildprogramms zur Inszenierung artistischer Brillanz im Einsatz schwierig zu entschlüsselnder Rätsel, Allegorien, Metaphern und Vergleiche, steht das gleichzeitige Bestreben entgegen, Sprechakte zu formulieren, die auf Eindeutigkeit ausgelegt sind, d. h. zu loben, zu rügen, zu belehren etc. Dass literarische Selbstbezüglichkeit und auf aussertextuelle Wirklichkeit zielende Pragmatik nicht als strikte Gegensätze zu denken sind, sondern dass der gezielte Einsatz von Mehrdeutigkeit vielmehr eine zusätzliche Strategie sein kann, den Rezipienten als Kohärenz- und Sinnstifter miteinzubeziehen, will dieseArbeit zeigen. Ziel ist es, durch exemplarische Spruchanalysen aus dem Sangspruch- Œ uvre Rumelants von Sachsen gattungstypische Merkmale poetischer Rede als auf verschiedenen Beobachtungsebenen angesiedelte mehrdeutige Kohärenzmuster im Spannungsfeld zwischen Ästhetik und Pragmatik zu beschreiben. 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen Indem diese Arbeit die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen ins Zentrum stellt, operiert sie einerseits mit dem für vormoderne Texte schwierigen historischen Autorbegriff, wenn sämtliche Texte untersucht werden, die in den verschiedenen Handschriften unter dem Namen ‹ Rumelant › bzw. ‹ Rumslant › (s. u.) überliefert werden. 8 Andererseits verweist die Fragestellung auch auf ein bekanntlich flexibles Gattungssystem, das keineswegs unproblematisch aus den überlieferten Texten zu übernehmen ist und das auch forschungsgeschichtlich 8 Nur punktuell sei auf ausgewählte Beiträge verwiesen, die sich im Anschluss an die Überlegungen der New Philology mit dem Problem beschäftigen: Das Verhältnis von Autorschaft und Überlieferung thematisieren grundlegend u. a. M ÜLLER , Jan-Dirk: Aufführung - Autor - Werk (2010 [1999]); S CHNELL , Rüdiger: «Autor» und «Werk» (1998); S TACKMANN , Karl: Autor - Überlieferung - Editor (1998); S TROHSCHNEIDER , Peter: Situationen des Textes (1997) und W ACHINGER , Burghart: Autorschaft und Überlieferung (2011 [1991]). Albrecht H AUSMANN s Arbeit zu Reinmar als Autor (1998) fordert eine grundlegende Neuorientierung in der Autordebatte, indem H AUSMANN ein «rezeptionstheoretisches Autormodell» über das Kriterium der «historischen Relevanz» (S. 36 - 51) herauszuarbeiten versucht. Einen detaillierten Überblick über die schwierige Frage derAutorschaft in Bezug auf die mittelalterliche Lyrik bietet K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 21 - 34 (mit einem Forschungsabriss S. 25 f., Anm. 73), die am Autorbegriff auch die Differenzierung von überliefertem Textkorpus und Œ uvre festmacht. K ÖBELE fasst den Autor als eine mittelalterliche Grösse, die bei der Textanalyse nicht vernachlässigt werden kann: «Es gibt im Mittelalter durchaus die Vorstellung von Einheit und Profil eines Œ uvre, das mit einem bestimmten Namen verknüpft und von Varianz nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Und es gibt auch im Mittelalter [. . .] die Aufmerksamkeit für eine autorspezifische Stilhaltung, für ein individuelles Sprach- und Formverhalten. Die Überlieferung freilich hat eine von Fall zu Fall verschiedene, eine verschieden prägnante Signifikanz.» (S. 31) Dass die Kategorie ‹ Autor › massgeblich zur Strukturierung der Liederhandschriften beiträgt, hat unlängst auch M ÖCKLI , Andrea: Autorkonturen (2019) gezeigt, die verschiedene handschriften-evozierte Autorbilder («Autorkonturen») in A untersucht (vgl. v. a. S. 12 - 21). In diesem Sinn führt auch das 2019 erschienene Sangspruch-Handbuch einzelne «Autorenprofile», wobei die «Nachwirkung» der Töne im Meistersang als Unterkategorie in den jeweiligen Autorprofilen aufgenommen worden ist (vgl. K LEIN , Dorothea / H AUSTEIN , Jens / B RUNNER , Horst [Hgg.]: Sangspruch/ Spruchsang [2019], S. 329 - 455). 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 11 nicht klar als abgegrenzte lyrische Gattung - neben Minnesang und Leich - aufgefasst werden kann (vgl. Kapitel 4). Beispielsweise unterscheidet auch die frühe germanistische Forschung nicht zwischen Minnesang und Sangspruch, 9 so dass noch die Textausgaben des 19. Jahrhunderts wie etwa Friedrich VON DER H AGEN s Minnesinger-Bände keine Trennung vornehmen, sondern den Wortlaut der einzelnen grossen Liederhandschriften edieren. 10 Eine kategoriale Unterscheidung von Minnelied und Spruch folgt bekanntlich erst mit Karl S IMROCK s Walther- Edition, 11 in dessen Folge zu den formalen und thematischen Differenzierungsversuchen, die bereits ihre je eigenen Schwierigkeiten bieten, 12 eine wertende Zuschreibung tritt: Den ‹ bloss didaktischen › Sangsprüchen (vgl. Kapitel 4) mangele es gegenüber den selbstreferentiellen Minneliedern an lyrischer Qualität. Auch wenn die Forschung diese kategoriale Trennung mittlerweile ausdrücklich verworfen hat, prägte die Abwertung als lyrische ‹ Zweitgattung › den Zugang zu den Texten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. 13 Weil sich die formale Abgrenzung zwischen Minnesang und Sangspruchdichtung schwierig gestaltete, wurden aussertextuelle Kategorien wie die soziale Stellung der Spruchdichter als Fahrende - gegenüber den höfischen Minnesängern - stärker ins Zentrum gerückt. Die Frage nach dem ‹ historischen Realitätsgehalt › einer Gattung, die das Streben um guot umbe êre programmatisch inszeniert, prägt die Sangspruchforschung erwartungsgemäss noch immer deutlich stärker als die Minnesangforschung, welche die liebeslyrische Rollenhaftigkeit längst als Forschungskonsens angenommen hat (s. u.). Die Thematik der Sangspruchdichtung, insbesondere die häufigen Verweise auf geistliche und weltliche Machthaber und Mäzene, 9 Vgl. den Forschungsüberblick zur frühen Forschungsgeschichte von Jens H AUSTEIN in K LEIN , Dorothea / ders. / B RUNNER , Horst (Hgg.): Sangspruch/ Spruchsang (2019), S. 27 - 41, der ‹ Forschungsgeschichte › - wie neuerdings auch R OLING , Bernd: Skalden, Barden, Meistersinger (2019) - weit gefasst als den «Versuch von Autoren» verstanden haben will, «der eigenen literarischen Produktion ein mythisch-historisches Fundament zu verschaffen.» (S. 27) H AUSTEIN s Forschungsbericht setzt daher mit frühen Beispielen ein, die zwischen Objekt- und Metaebene anzusiedeln sind, etwa mit Hermann Damens Katalogstrophe (ca. 1280). Die Schwierigkeit, Editions- und Forschungsgeschichte deutlich voneinander zu trennen, verhandelt H AUSTEIN eingangs, allerdings gilt dies nicht nur für die ‹ frühe › und ‹ mittlere › Forschungsgeschichte und ihren spezifischen Textstatus, sondern auch (freilich aus anderen Gründen) für aktuelle Forschungsbeiträge: So liesse sich Franziska W ENZEL s Studie Meisterschaft im Prozess (2012) einerseits als Edition des Langen Ton Frauenlobs führen (so H AUSTEIN ), aber ebenso plausibel im Abschnitt zur ‹ neueren Forschungsgeschichte › unterbringen. 10 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Forschungs- und Editionsgeschichte (2019), S. 27 - 41. Einen Überblick über die Editionsgeschichte von C bietet V OETZ , Ludwig: Der Codex Manesse (2015), S. 114 - 165, für diejenige von J, die bekanntlich v. a. Sangspruchdichtung überliefert, vgl. H AUSTEIN , Jens: J und seine frühen Editionen (2010). 11 Vgl. S IMROCK , Karl: Die Gedichte Walthers von der Vogelweide (1833). 12 Vgl. zur vielzitierten Spruch-Lied-Debatte den Forschungsüberblick von T ERVOOREN , Helmut: «Spruch» und «Lied» (1972), vgl. zudem Kapitel 3.1. Zur Forschungsdiskussion um die Unterscheidung zwischen Sang- und Sprechspruch vgl. R UNOW , Holger / W ENZEL , Franziska: Art. ‹ Spruch, Spruchdichtung › (2007). 13 Vgl. R UNOW , Holger: Vergessene Lyrik? (2014). 12 1 Einleitung legt dagegen einen Zugang nahe, der die literarischen Texte als historische Quellen für die politische 14 Situation der Zeit versteht. 15 Um die thematische und diskursive Vielfalt der Sangsprüche analytisch fassen zu können, haben zahlreiche Forschungsarbeiten die Strategie verfolgt, inhaltliche Schwerpunkte zu 14 Es wäre zu überlegen, inwiefern der Begriff der ‹ politischen Lyrik › für das Mittelalter glücklich gewählt ist. Vgl. zu ‹ Politik › bzw. dem ‹ Politischen › in der mittelalterlichen Kultur die Ausführungen bei H ASEBRINK , Burkhard: Prudentiales Wissen (2000), S. 23 - 37. In der Sangspruchforschung, die den Begriff der ‹ politischen Lyrik › immer noch häufig verwendet, herrscht Unklarheit, ob einzelne Untergattungen - wie z. B. Totenklagen - zur politischen Lyrik zu zählen sind oder nicht. Um nicht beispielsweise wie M AURER , Friedrich: Politische Lieder (1954), alles dazu zu zählen, was weder Liebesdichtung noch religiöse Lyrik ist, versucht M ÜLLER , Ulrich: Untersuchungen zur politischen Lyrik (1974) die Texte durch zwei Kriterien zu kennzeichnen als «Lyrik, die wertend und mit Tendenz (d. h. z. B. preisend, tadelnd, klagend, mahnend, auffordernd, ablehnend, parteilich-berichtend) aktuelle und bestimmte Ereignisse, Orte und Personen der geistlichen und weltlichen Macht zum Thema hat; der Nachdruck liegt dabei auf «aktuell» und «bestimmt» [. . .].» (S. 8) Gerade das Merkmal der Aktualität bietet allerdings einige Schwierigkeiten angesichts der Tatsache, dass die Sprüche oftmals erst längere Zeit nach dem Entstehen Eingang in die Handschriften gefunden haben, d. h. der historische Kontext den Schreibern u. U. nicht bekannt war und häufig kaum zweifelsfrei rekonstruiert werden kann. Zuletzt hat K ERN , Manfred: Walther von der Vogelweide (2019) den Begriff des Politischen für die Sangspruchdichtung fruchtbar zu machen versucht, indem er zwei «Register» (S. 329) des waltherschen Sangs beschrieben hat: Einerseits den Minnesang als «eine Art cantus liberalis, ‹ reiner › Gesang eines Subjekts, das sich frei von üblichen Lebenssorgen ganz der erotischen Sorge hingeben kann» (S. 329), andererseits die soziopolitische Lyrik Walthers, unter der K ERN Strophen «mit allgemein oder spezifisch (insbesondere auf die Hofwelt bezogener) gesellschaftlicher und die soziale Position des Subjekts reflektierender Thematik» versammelt, «ebenso wie Poesie, die konkret Politisches bzw. Religiös-Ideologisches verhandelt. Das Soziale und das Politische interferieren dabei, beides interferiert zugleich mit dem erotischen Sujet, das naturgemäß auch von soziopolitischer Relevanz ist, so wie erotische Elemente auch das Soziopolitische durchdringen [. . .].» (S. 330) Inwiefern eine derartige Unterscheidung geeigneter als die bekannte Dichotomie von ‹ Sangspruchhaftem › und ‹ Minnelyrischem › ist, um Interferenzen im Gesamt œ uvre zu beschreiben, müsste eine umfassendere Studie zeigen. 15 Dazu sind keineswegs nur ältere Forschungsbeiträge zu zählen wie die Arbeit von F RANZ , Kurt: Studien zur Soziologie des Spruchdichters (1974), der versucht, die Dichter in einem an sich schon heiklen Spannungsfeld von ‹ adlig › und ‹ bürgerlich › zu positionieren und dazu etwa auf die Dichternamen und -wappen und die Abfolge der Autoren innerhalb der Sammelhandschriften zurückgreift. Auch ein nicht geringer Teil der Beiträge innerhalb der in den letzten Jahren erschienen beiden Sangspruch- Sammelbänden (B RUNNER , Horst / L ÖSER , Freimut [Hgg.]: Sangspruchdichtung zwischen Reinmar von Zweter, Oswald von Wolkenstein und Michel Beheim [2017]; H ÜBNER , Gert / K LEIN , Dorothea [Hgg.]: Sangspruchdichtung um 1300 [2015]) ist einerseits darauf angelegt, die Sangspruchdichter in ihrem historischen Kontext zu verorten, thematisiert andererseits aber auch die Beziehung zwischen ‹ Realgeschichte › und Sangsprüchen (B USCHINGER , Danielle: Die Zwei-Schwerter-Lehre [2017]; D RÖSE , Albrecht: Antikuriale Polemik [2017]; H AHN , Reinhard: Spruchdichter in und aus Thüringen [2017]; H ERWEG , Mathias: Das Konstanzer Konzil [2017]; W OLF , Klaus: Vil stolzer Ludewic! [2017]; sowie die unter dem Titel «Kulturelle Orte der Sangspruchdichtung um 1300» versammelten Beiträge wie den historischen Blick auf die Gattung im Norden und Nordosten des deutschsprachigen Gebiets von A UGE , Oliver: Rasante Aufholjagd des ‹ jüngeren › Nordens? [2015] sowie B ACKES , Martina: Zur Rolle weltlicher Literatur [2015] und H IRSCHBIEGEL , Jan: Spuren am Oberrhein? [2015], der auf Grundlage der handschriftlichen Überlieferung einen «literarischen Raum» [S. 58] beschreiben will, um so die «Sangspruchdichtung am Oberrhein institutionell zu verorten» [S. 60]). Das kürzlich erschienene Sangspruch- Handbuch (K LEIN , Dorothea / H AUSTEIN , Jens / B RUNNER , Horst [Hgg.]: Sangspruch/ Spruchsang [2019]) behilft sich damit, das für die Gattung zentrale Thema des höfischen Mäzenatentums unter dem Obertitel «pragmatische und mediale Kontexte» zu verhandeln, vgl. B ECK , Wolfgang: Mäzene und Höfe (2019), S. 43 - 56. Vgl. auch die Überlegungen von M ENTZEL -R EU TERS , Arno: die cirkel sint ze hêre (2017) zum Konflikt zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV. in Walthers Sangsprüchen. 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 13 setzen und zu untersuchen, wie einzelne Themen- und Diskursbereiche von verschiedenen Sangspruchdichtern genutzt werden. 16 Allerdings hat sich die Sangspruchforschung seit den 1990er-Jahren dahin gewendet, den ähnlichen Produktions- und Rezeptionsbedingungen der beiden lyrischen Gattungen Rechnung zu tragen und entsprechend Fragen nach der realhistorischen Verortung der Sprüche zurückzustellen zu Gunsten der Analyse der gattungsspezifischen literarischen Verfasstheit. So hat sich Jens H AUSTEIN in seinen Marner-Studien gegen die «Vernachlässigung der ästhetischen Struktur der Sangspruchdichtung» ebenso wie gegen «eine biographisch orientierte Interpretation» ausgesprochen und als einer der Ersten ausdrücklich dafür plädiert, nach der L i t e r a r i z i t ä t der Gattung zu fragen. 17 In Abgrenzung zu Forschungsarbeiten, welche die Sangspruchdichtung durch thematische Schwerpunktsetzungen analytisch zu fassen versuchen, formuliert H AUSTEIN den Einwand, dass ein solcher Schwerpunkt so wirken könnte, als ob «in dieser Gattung [. . .] im Grunde stets dasselbe in derselben Situation mit denselben Worten gesagt worden [sei]» 18 . Allerdings spitzt H AUSTEIN die Opposition der Forschungspositionen argumentativ bewusst zu, wenn er den formgeschichtlichen und poetologischen Studien, die primär Fragen der literarischen Techniken behandeln, 19 motivgeschichtliche Arbeiten 20 gegenüberstellt. Gerade eine Analyse wie diejenige Burghart W ACHINGER s stellt zwar Strophen aus dem Umfeld des Sängerkrieges in den Fokus, macht aber gleichzeitig auch deutlich, dass das Vorhaben, den Kunstanspruch der Sangspruchdichter zu erfassen, wie es sich in den polemischen Auseinandersetzungen zeigt, nur dann gelingen kann, wenn vergleichend über den zeitlichen und thematischen Rahmen hinaus ausgegriffen wird. 21 Hatte nun H AUSTEIN s autorzentrierte Marner-Studie die Forschung dazu motiviert, die Literarizität der Gattung stärker zu gewichten, 22 wurde in der Folge versucht, auch einzelne Erkenntnisse der Minnesangforschung für die Sangspruchdichtung fruchtbar zu machen: Neu 16 Hier sei nur exemplarisch auf einzelne Arbeiten verwiesen. Intensiv erforscht ist etwa der Meisterschaftsdiskurs in der Sangspruchdichtung, in neuerer Zeit vgl. B RAUN , Manuel: Zwischen ars und ‹ Kunst › (2009); G RUBMÜLLER , Klaus: Autorität und meisterschaft (2009); K ELLNER , Beate: Meisterschaft (2009); K IENING , Christian: Literarische Schöpfung (2015), S. 135 - 172; W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012). 17 H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 5. 18 H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 10. Vgl. auch ders.: Zu Form und Funktion stofflicher Konventionalität (2005). 19 Vgl. B IEHL , Jürgen: Der wilde Alexander (1970); B RUNNER , Horst: Die alten Meister (1975); G ERHARDT , Christoph: Idealer Mann (1987); K ORNRUMPF , Gisela / W ACHINGER , Burghart: Alment (1979); R ETTELBACH , Johannes: Variation - Derivation - Imitation (1993); S CHANZE , Frieder: Meisterliche Liedkunst (1983 - 1984); S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958); ders.: Bild und Bedeutung bei Frauenlob (1972); ders.: Drei Kleinigkeiten (1989); ders.: Frauenlob und Wolfram (1989), ders.: Redebluomen (1989). 20 Vgl. F RANZ , Kurt: Studien zur Soziologie des Spruchdichters (1974); I LGNER , Reiner: Scheltstrophen (1975); M ÜLLER , Ulrich: Untersuchungen zur politischen Lyrik (1974); N OWAK , Peter: Studien (1975); S CHÄFER : Untersuchungen zur deutschsprachigen Marienlyrik (1971); W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973). 21 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973). 22 Freilich haben auch ausschliesslich thematisch orientierte Studien immer noch einen Platz in der neueren Sangspruchforschung, wie die Dissertation von Berenike K RAUSE zeigt (Die milte-Thematik [2005]). K RAUSE beschreibt zwar die Semantik des milte-Begriffs an zahlreichen Einzelbeispielen aus der Sangspruchdichtung und darüber hinaus (in Thomasins Welschem Gast, im Moralium Dogma Philosophorum sowie in der Troubadourlyrik), kann schliesslich aber nur am Rande einen (autor- oder gattungsspezifischen) Umgang mit der milte-Thematik zeigen - etwa durch Allegorese oder die «Instrumentalisierung» von Fabeln. K RAUSE s Zugang ermöglicht zwar eine breite Übersicht; sie nimmt aber das für die Sangspruchdichtung so zentrale Verhältnis von Individualität und Tradition nicht in den Blick. So bleibt 14 1 Einleitung befragt wurden etwa die Sängerrollen, die die Sangspruchforschung zuvor als biographisches Dokument, d. h. als Ausdruck einer historischen Autorkonkretisierung, aufgefasst hatte, vor dem Hintergrund der Vorstellung des Minnesangs als Rollenlyrik, wie sie aus den Überlegungen zum Status der Lieder im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit und davon ausgehend der Diskussion um die Referenzialität der Sprecherposition erwachsen ist. 23 Dass sich die Sangspruchdichtung daher nicht nur durch thematische Fülle auszeichnet, zeigt Claudia L AUER s Arbeit, die sich zum Ziel setzt, die ästhetischen «Konstitutionsmechanismen» von Sprecherrollen in der Sangspruchdichtung zu untersuchen, um davon ausgehend die «pragmatisch-ästhetischen Spielregeln» der Gattung sichtbar zu machen: 24 Abseits einer strikten Dichotomie von biographischer Autor- und intratextueller Sängeridentität argumentiert L AUER mit einer systematischen «Referenzpluralisierung» 25 , die sich in einer Vielfalt der Sprecherbzw. Sängerrollen - etwa als Prediger, Ratgeber oder politischer Mahner und in einer Kombination verschiedener Rollenentwürfe - niederschlägt. 26 Auch die Arbeit von Margreth E GIDI prägt die Annahme, dass grundlegende Positionen der Minnesangforschung auf die Sangspruchdichtung übertragen werden können. Indem E GIDI die Vorstellung einer Opposition von artistisch-selbstreferenzieller Minnelyrik gegenüber didaktischer Sangspruchdichtung verwirft, kann sie zeigen, dass die höfische Liebe als genuin «literarisches Phänomen» 27 im Sangspruch gerade nicht auf ein vorab definiertes Minnedas Fazit recht pauschal: Es gehe die «Argumentation der Dichter [. . .] über die Heische hinaus[]» (S. 209) und werde kombiniert mit höfischen Attributen wie êre, triuwe und wîsheit sowie christlicher milte. 23 Ausgehend von den Überlegungen von K UHN , Hugo: Minnesang als Aufführungsform (1973 [1968]) und - aus romanistischer Perspektive - W ARNING , Rainer: Lyrisches Ich und Öffentlichkeit (1979) - haben in der Folge zahlreiche Arbeiten das Verhältnis von textexternem und -internem Ich für den Minnesang verhandelt; exemplarisch sei hier nur auf ausgewählte Beiträge verwiesen: G RUBMÜLLER , Klaus: Ich als Rolle (1986); H ÄNDL , Claudia: Rollen und pragmatische Einbindung (1987); M ERTENS , Volker: Autor, Text und Performanz (1995); M ÜLLER , Jan-Dirk: Ir sult sprechen willekomen (2001 [1994]); S CHNELL , Rüdiger: Vom Sänger zum Autor (2001); S TROHSCHNEIDER , Peter: nu sehent, wie der singent! (1996). Vgl. neuerdings auch K ELLNER , Beate: Spiel der Liebe (2018), S. 18 - 28, die besonders die (produktions- und rezeptionsseitige) Frage der Medialität der Minnelieder betont, sowie R UDOLPH , Alexander: Variationskunst (2018), der den Status des «Minnesang[s] als Variationskunst» (S. 57) auch in der Variation der Sprecherpositionen vertreten sieht. Kritisch zum Konzept eines rollenhaften Minnesangs äussert sich H AFERLAND , Harald: Hohe Minne (2000), S. 26 - 37. Vgl. auch die Auseinandersetzung mit H AFERLANDS Rollenbegriff bei M ÜLLER , Jan- Dirk: Fiktion höfischer Liebe (2004). 24 L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008), S. 24. 25 L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008), S. 134, passim. 26 L AUER s Überlegungen stützen sich auf ein Textkorpus aus Strophen Hergers/ Spervogels, Walthers, Reinmars von Zweter, des Marner und des Meißner und decken somit die Früh- und Hochphase mittelhochdeutscher Sangspruchdichtung ab. Für das Sangspruch-Handbuch hat L AUER unlängst ihre Überlegungen auf das 14. und 15. Jahrhundert ausgeweitet und auf Wandlungen des Rollenrepertoires wie auch auf «neue Möglichkeiten der Rollenbündelungen» (S. 115) hingewiesen, vgl. L AUER , Claudia: Inszenierung und Reflexion des Rollen-Ichs (2019), S. 115 f. Vgl. dazu auch die Arbeit von Friederike N IEMEYER : Ich, Michel Pehn (2001). In eine ähnliche Richtung zielten zuvor bereits - spezifisch für das Œ uvre Konrads von Würzburg bzw. für den Rumelant-Singûf-Rätselstreit - M IEDEMA , Nine: Ein Sangspruchdichter im Dialog (2003) sowie L ÖSER , Freimut: Mein liebster Feind (2002). Vgl. zudem E GIDI , Margreth: Dissoziation (2000); S EITZ , Dieter: Autorrollen in der Sangspruchdichtung (2003) sowie H AUSMANN , Albrecht: Wer spricht? (2004), der - wie M IEDEMA - vergleichend die Sprecherrollen in Minnesang und Sangspruch untersucht. 27 E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 34. 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 15 konzept referiert, sondern vielfältige und offene «Entwürfe» 28 bereitstellt, so dass keine «fundamentale ästhetische Opposition» 29 zu beobachten ist zwischen denjenigen «textuellen Verfahrensweisen und Strukturen» 30 , die die Sangspruchdichtung, und denen, die der Minnesang für die Darstellung der höfischen Liebe entwickelt. Im Gegenteil geht E GIDI davon aus, «daß die höfische Rede über Liebe in verschiedenen Ausschnitten realisiert wird, die in sehr unterschiedlichem Grad (oder auch gar nicht) gegeneinander ausdifferenziert und auf verschiedene Weise ineinander verwoben sein können» 31 . An drei Spruchtypen - adhortative Minnesprüche mit Appellcharakter, solche, die Minne oder den Minneprozess (nicht wertend) beschreiben, und Frauenpreisstrophen - bildet sie eine «variable Rahmenstruktur nicht fixierter Relationen» 32 und weist nach, dass die Spezifik der Sangspruchdichtung in der Tendenz zur Segmentierung der im Minnesang v. a. simultan diskutierten Aspekte liegt. Die höfische Liebe in der Sangspruchdichtung fasst E GIDI entsprechend nicht im Sinne einer Gattungsinterferenz, einer Neufunktionalisierung von ‹ Minnesangtypischem › in anderem Gattungskontext. 33 Historisch und systematisch argumentierend verfolgt sie schliesslich das Ziel, neben einer Konturierung des Begriffs der höfischen Liebe und der Entwicklung einer gattungsgeschichtlichen Perspektive, den Blick auch auf die «Poetik der Gattung» 34 zu richten. Aber wie lässt sich der P o e t i k b e g r i f f für die Analyse vormoderner Texte überhaupt fruchtbar machen? Die Mittelalterphilologie hat unter ‹ Poetik › vor allem die an der Rhetorik ausgerichteten lateinischen normativen Poetiken zur Beschreibung der artes poeticae, 35 wie beispielsweise Marbods von Rennes De ornamentis verborum, Konrads von Hirsau Dialogus super auctores oder Geoffrois von Vinsauf Poetria nova, verstanden. 36 Diese historischen Regelpoetiken mit primär wirkungsästhetischem Anspruch 37 behandeln ausschliesslich das lateinische Dichtungssystem - sie eins zu eins auf mittelhochdeutsche Lyrik anzuwenden und die Eigenständigkeit der volkssprachigen Literaturtradition damit auszublenden, wäre daher sicherlich verfehlt. 38 Ebenfalls lassen sich diese Poetiken nicht mit einer Dichtungstheorie im neuzeitlichen Sinne gleichsetzen: Wenn auch die Sangspruchdichter des Hoch- und Spätmittelalters in einem apodiktischen Gestus formulieren, was unter ‹ richtiger › sängerischer meisterschaft zu verstehen sei, stellen solche Äusserungen doch gerade kein explizit normierendes System dar wie dasjenige antiker und mittellateinischer Regelpoetiken. 28 E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), passim. 29 E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 51. 30 E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 13. 31 E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 80. 32 E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 80. 33 Anders B REM , Karin: Gattungsinterferenzen (2003). 34 E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 341. 35 Vgl. z B. V IETTA , Silvio: Texte zur Poetik (2012), S. 62 - 69, dessen kurzes Kapitel zur Poetik im Mittelalter als einzigen Primärtext Dantes Alighieri Schreiben an Cangrande della Scala abdruckt und es als «eines der wenigen poetologischen Dokumente des Mittelalters» bezeichnet (S. 67). 36 Vgl. K AISER , Gert: Zum hochmittelalterlichen Literaturbegriff (1985), S. 374 - 424, hier S. 375. 37 Vgl. B ÜRKLE , Susanne: ‹ Kunst › -Reflexion (2007), S. 144. 38 Für die romanische Lyrik ist argumentiert worden, dass sich mit den ensenhamens durchaus erste Ansätze zur Formulierung volkssprachiger normativer Poetiken ausmachen lassen (vgl. M ONSON , Don Alfred: Les ‹ ensenhamens › occitans [1981]). Allerdings lässt sich für die mittelhochdeutsche Lyrik nichts Vergleichbares beobachten. 16 1 Einleitung Ferner muss auch der Versuch, aus den poetologischen Aussagen volkssprachiger Texte selbst eine Poetik zu konstruieren, d. h. als ‹ werkimmanenter › gegenüber einer ‹ formulierten › Poetik, 39 wie dies Sabine O BERMAIER für die Sangspruchdichtung im Vergleich mit dem Minnesang erprobt hat, 40 immer fragmentarische Rekonstruktion bleiben: Denn einerseits bleiben viele der Sangspruch-Passagen, die Dichten oder Singen thematisieren, im gattungsspezifischen Überbietungsdiskurs verankert, so dass die Parameter immer fallabhängig ausgehandelt und gesetzt werden, und aus den Texten kein umfassendes normatives Regelwerk über das ‹ richtige › Dichten extrahiert werden kann, das für die gesamte Gattung gleichermassen gilt. Andererseits wäre eine Gattungspoetik, wie sie O BERMAIER in Anlehnung an Bruno M ARKWARDT41 zu formulieren versucht, d. h. als «Reflexion über das Sein und Wesen der Dichtung ebenso wie als Anleitung zurAbfassung von Texten» 42 , doch konsequenterweise aus der Analyse der Gesamtheit der Texte abzuleiten und nicht aus der Auswahl ‹ poetologischer Gedichte › 43 - eine Kategorie, die gerade für den Minnesang und dessen spezifischen Doppelcharakter (ich minne/ ich singe) ganz eigene Schwierigkeiten bereithält, und der sich die Sangspruchdichtung deutlich weniger ausführlich widmet als sie beispielsweise religiöse oder weltliche Unterweisung oder diverse theologische und astronomische Wissensbestände behandelt. Schliesslich bleiben auch poetologische Passagen, wie etwa solche polemischen Strophen, in denen die Dichter in der Abgrenzung zu Sängerkonkurrenten ihren Kunstanspruch explizit machen, letztlich immer poetische Rede und stellen eben gerade keine Metasprache dar. So verfällt O BERMAIER s Argumentation m. E. einer gewissen Zirkelschlüssigkeit, wenn an den «poetologischen Gedichten», die sich durch ihre «Zwischenstellung zwischen Poetik und Poesie» auszeichnen, die Poetik der Gattung herausgearbeitet werden soll. 44 Frage ich in dieser Arbeit nach der ‹ Poetik der Sangspruchdichtung › , frage ich nach zweierlei: zum einen nach den «immanenten dichterischen Regeln oder Maximen, denen ein Autor ( ‹ Autorpoetik › ) bzw. ein poetischer Text ( ‹ Werkpoetik › ) bzw. ein literarisches Genre ( ‹ Gattungspoetik › )» 45 bzw. auch ein handschriftenübergreifendes Œ uvre ebenso wie eine 39 Vgl. M ARKWARDT , Bruno: Formulierte und werkimmanente Poetik (1963), S. 733 - 744. 40 Vgl. O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995); sowie einschränkend und bilanzierend dazu noch einmal dies.: Möglichkeiten und Grenzen (1999). 41 Vgl. M ARKWARDT , Bruno: Art. ‹ Poetik › ( 2 2001), S. 126. 42 O BERMAIER , Sabine: Möglichkeiten und Grenzen (1999), S. 11. 43 O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), S. 19 f. definiert ihren Arbeitsgegenstand, die «poetologischen Gedichte», als diejenigen Minnelieder und Sangsprüche, die «das Dichten explizit zum Thema haben, was in mittelalterlicher Terminologie heißt: die von singen, tihten und ähnlichem sprechen oder eindeutig auf das Dichten verweisende Umschreibungen oder Metaphern verwenden.» Die Problematik dieser Auswahl zeigt sich bereits in der Entscheidung O BERMAIER s, den Wächtergesang sowie den «Sang von Vögeln, sofern er nur zur Szenerie gehört und nicht metaphorisch für den Sang eines Dichters steht» (S. 23), nicht in die Untersuchung miteinzubeziehen. Denn besteht der Reiz des minnelyrischen Vogelsangs nicht gerade in dessen ambivalentem Status zwischen Element des Raumensembles einerseits und metaphorischer Sängerdarstellung andererseits, wie sie beispielsweise Walther (etwa in L 39,11) ausstellt? O BERMAIER s Fazit «[i]m ‹ Lindenlied › spielen Werbung und Sang keine Rolle, sein Thema ist Minne [. . .]» (S. 88) kann ich vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehen. Vgl. zum analytischen Nutzen des vormodernen poetologischen Vokabulars und dessen Grenzen die Beiträge in D ICKE , Gerd / E IKELMANN , Manfred / H ASEBRINK , Burkhard (Hgg.): Im Wortfeld des Textes (2006). 44 O BERMAIER , Sabine: Möglichkeiten und Grenzen (1999), S. 19 f. 45 F RICKE , Harald: Art. ‹ Poetik › ( 3 2007), S. 100. 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 17 Handschrift respektive die Epoche des ausgehenden 13. Jahrhunderts folgt. Zum anderen interessiert, gerade in Abgrenzung zur älteren Forschung und ihrer Abwertung der Sangspruchdichtung gegenüber dem artifiziellen Minnesang als ‹ blosse Gebrauchsdichtung › (s. o.), auch die Frage, was die Sangsprüche zu literarischen Texten macht, d. h. neben der Poetik auch die Literarizität der Gattung. Gemeinsam ist den beiden Fragen, dass sie deskriptiv operieren und versuchen, neben der produktionsästhetischen auch die rezeptionsseitige Dimension des Poetikbegriffs in den Blick zu nehmen. Neben der Gemachtheit der Sangsprüche wird also auch ihre Rezeption als spezifisch poetische Texte beleuchtet. Die Beschreibung eines derartigen Poetikbegriffes und gerade die produktions- und rezeptionsästhetische Ausrichtung wird an den S t i l b e g r i f f erinnern, den die mediävistische Forschung in letzter Zeit neu fruchtbar zu machen versucht hat, 46 indem sie sowohl nach der «produktionsästhetischen Dimension» als auch nach den «Strategien der Rezeptionssteuerung» der Texte gefragt hat. 47 Auch zielt die Auffassung des Stilbegriffs als relational, d. h. als die Spannung zwischen den «Arten der Aktualisierung von Traditionen» und «individuellen Gestaltungsweisen» auslotend, 48 auf den Kern meiner Überlegungen. Doch impliziert der Stilbegriff für mittelalterliche Texte neben der Unterscheidung der drei Stilarten in der antiken Rhetorik, 49 einem an Stoffe und Gattungen gebundenen mittelalterlichen Stilbegriff, auch eine Vorstellung von Ein- und Ganzheitlichkeit, die freilich in der Analyse der Texte nie eingelöst werden kann. 50 So mag man versucht sein, vorschnell von einem ‹ kohärenten Autorstil › (oder Gattungsstil) zu sprechen, statt die Strategien der Kohärenzherstellung fallabhängig und für verschiedene Beobachtungsebenen zu beleuchten. Darüber hinaus trägt der Begriff für die mittelhochdeutsche Literatur eine gewisse forschungsgeschichtliche «Hypothek» 51 , die sich gerade auch für die Lyrik in der Diskussion um Echtheitsfragen 52 als besonders weitreichend erwiesen hat. Ferner wird gerade in der älteren Forschung der Stilbegriff häufig mit einer Auf- und Abwertung enggeführt. 53 So 46 Zuletzt hat der von Elizabeth A NDERSEN , Ricarda B AUSCHKE -H ARTUNG und Silvia R EUVEKAMP herausgegebene Band (Literarischer Stil [2015]) die Begriffsgeschichte aufgearbeitet und die Kategorie in diversen Einzelstudien für die germanistische Mediävistik erprobt. Vgl. davor auch die zeitlich und methodisch weit ausgreifenden Beiträge des Dubrovniker Kolloquiums: G UMBRECHT , Hans Ulrich / P FEIFFER , Karl Ludwig: Stil (1986). 47 R EUVEKAMP , Silvia: Perspektiven mediävistischer Stilforschung (2015), S. 5. 48 R EUVEKAMP , Silvia: Perspektiven mediävistischer Stilforschung (2015), S. 5. In diesem Sinn verwendet m. E. auch B RAUN , Manuel: Kunst (2019) den Begriff, wenn er unterschiedliche «Stilregister und Stilhaltungen» (S. 265) beschreibt, unter denen die Sangspruchdichter wechseln und aus denen sie wählen können. Gerade in selbstreferentiellen und selbstreflexiven Sprüchen wie den Dichterpolemiken werden Kriterien des richtigen und falschen Sangs benannt (B RAUN nennt Zurückhaltung - sowohl moralisch und rhetorisch als auch akustisch - , Wissen/ Wahrheit/ Weisheit und sachliche Richtigkeit), die ja immer nur im Spannungsfeld von Allgemeingültigkeit und individueller Realisierung verhandelt werden können. 49 Vgl. S O WINSKI , Bernhard: Art. ‹ Stil › (2007). 50 R EUVEKAMP , Silvia: Perspektiven mediävistischer Stilforschung (2015), S. 4 weist das Einheitlichkeitskriterium für den Stilbegriff daher auch entschieden als «veraltet» zurück. 51 H AUSTEIN , Jens: Mediävistische Stilforschung (2011), S. 46. 52 Vgl. grundlegend B EIN , Thomas: Mit fremden Pegasusen (1998). Besonders energisch wurde die Diskussion um Athetesen geführt für die Lieder und Strophen Walthers (vgl. VON K RAUS , Carl: Walther von der Vogelweide [1966 [1935]]), Reinmars des Alten (vgl. VON K RAUS , Carl: Reinmar der Alte [1919]), Dietmars von Aist (vgl. den Überblick über die Forschungspositionen bei L EIDINGER , Simone: Dietmar von Aist [2019], S. 22 - 28) und Frauenlob (vgl. T HOMAS , Helmut: Untersuchungen zur Überlieferung der Spruchdichtung Frauenlobs [1939]). 53 Vgl. S PILLNER , Bernd: Termini stilistischer Wertung (1988). 18 1 Einleitung beschreibt Friedrich P ANZER in seiner Rumelant-Studie dessen «Stil», indem er verschiedene Phänomene der Sprachoberfläche wie den häufigen Einsatz von rhetorischen Fragen oder Parenthesen in einem ersten Schritt beschreibt und unmittelbar darauf (meist negativ) bewertet. 54 Aus all diesen Gründen scheint mir der Poetikbegriff zur systematischen Beschreibung spezifischer Autoren, Gattungen, Handschriften oder sprachlichen Funktionen angemessener, wenn auch einzelfallbezogen bestimmte stilistische Merkmale hervorgehoben werden können, die allerdings in der Folge stets genauer charakterisiert werden müssen. Auch eine Arbeit, welche die Poetik der Sangspruchdichtung untersucht, darf nicht vorschnell den Text als ausschliesslich auf sich selbst verweisendes Sprachkunstwerk verstehen, wie überhaupt vormoderne Texte nicht uneingeschränkt dem einen oder anderen entgegengesetzten Feld zuzurechnen sind, d. h. die Texte weder nur auf ihren ‹ Sitz im Leben › hin befragt werden noch als ‹ blosse Formspielerei › verstanden werden können. In diesem Sinn haben auch Manuel B RAUN und Annette G EROK -R EITER neuerdings noch einmal für ein Textverständnis argumentiert, das «[h]eteronom gesteuertes prodesse und autonom-gestalterische Verfahren» nicht als Opposition versteht, sondern als «die beiden Enden einer Skala, auf der verschiedene Möglichkeiten einer Kombination einzutragen sind.» 55 Es gilt, die Einzeltexte jeweils fallabhängig in diesem Spannungsfeld zu verorten. Daher hat die Sangspruchforschung die Verwendung des strukturalistischen Autonomiebegriffs - losgelöst von seiner goethezeitlichen Belastung - v. a. an einem besonders augenfälligen Beispiel erprobt: dem Fürstenlob. 56 Sie folgert, dass gerade in solchen Strophen, die ohne ihren konkreten Bezug auf Aussertextuelles nicht denkbar sind, sich doch auch Elemente literarischer Selbstreferentialität 57 ausmachen lassen; es lasse sich an solchen Beispielen zeigen, dass literarische ‹ Autonomie › nicht nur ein Signum der Moderne darstelle. 58 Es scheint mir allerdings in der Frage, wie die Sangsprüche zwischen Welt- und Selbstbezug zu positionieren sind, die Rolle des R e z i p i e n t e n zu kurz zu kommen. Zwar merkt B RAUN an, dass - mag auch der Zugriff 54 P ANZER äussert sich tendenziell negativ ( ‹ schwülstig › , ‹ ungeschickt › , ‹ formlos › ) über Rumelants «Stil» (P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant [1893], S. 34 - 38) und führt seine Stilbeschreibung mit den folgenden Ausführungen ein: «die diction R[umelant]s ist einfach, oft lässig und trägt durchaus das gepräge volkstümlicher redeweise. selten erhebt er sich über den glatten erzählenden oder moralisierenden ton zu einigem poetischen schwunge. lebhafter wird er nur, wenn er mit entrüstung gegen die sozialen schäden seiner zeit oder gegen missliebige personen sich ereifert, freilich nicht ohne hier öfter in das entgegengesetzte extrem derben schimpfens zu verfallen.» (S. 34). 55 B RAUN , Manuel / G EROK -R EITER , Annette: Selbstbezüglichkeit und ästhetische Reflexionsfigur (2019), S. 54. 56 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Autopoietische Freiheit (1997); H UBER , Christoph: Herrscherlob und literarische Autoreferenz (1993); H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000), besonders S. 391 - 441. B RAUN , Manuel: Situation - Anlehnung - Autonomie (2006) schlägt eine (grobe) Gliederung der Gattung in vier Typen vor: 1) Sprüche, die klar situativ gebunden sind, 2) solche, die ihre Geltung über den Anschluss an vorgängige Ordnungen beanspruchen, 3) autonome Sprüche wie Sprachspielereien oder Rätsel und 4) eine «breite Übergangszone von Texten» (S. 418). Da B RAUN die Grenzen zwischen den Typen recht unscharf lässt, ist um eine fallabhängige Beurteilung des Textstatus nicht herumzukommen. Für die Minnelyrik, in der sich das Verhältnis von Autonomie und Situationsbezug noch einmal anders stellt, vgl. B RAUN , Manuel: Autonomisierungstendenzen (2005). E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 84 f. hat darüber hinaus auf die «Selbstreferentialität» des Frauenpreises hingewiesen und beschrieben, wie dieser «stets ausdrücklich oder implizit fragt, warum die Frauen zu loben sind, mithin seine eigene Begründung anzugeben sucht und sich selbst zum Gegenstand macht». 57 Zur Unterscheidung von Selbstreferentialität und -reflexivität bzw. Selbstreferenz und -reflexion vgl. B RAUN , Manuel / G EROK -R EITER , Annette: Selbstbezüglichkeit und ästhetische Reflexionsfigur (2019), S. 38 f. 58 So auch V OLLHARDT , Friedrich: Art. ‹ Autonomie › ( 3 2007). 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 19 auf die primäre Rezeption mittelalterlicher Texte nicht mehr verfügbar sein - «die meisten Äußerungen eine bestimmte Rezeption intendieren: Ein Witz ist auf Gelächter angelegt, eine Totenklage auf Tränen etc.» 59 Liegt jedoch die Besonderheit poetischer Texte nicht gerade darin, dass sie beim Rezipienten nicht nur eine Reaktion evozieren wollen, sondern ihn überdies dazu ‹ aktivieren › , sinnstiftend 60 aufzutreten? Dieser Gedanke lässt sich für Phänomene m e h r d e u t i g e r R e d e besonders gut illustrieren: Bekanntlich hat Roman J AKOBSON Ambiguität mit Verweis auf E MPSON61 als «unabdingbare, unveräußerliche Folge jeder in sich selbst zentrierten Mitteilung, kurz eine Grundeigenschaft der Dichtung[]» 62 bezeichnet. Die kritische Rezeption von J AKOBSON s Erweiterung des Bühlerschen Organonmodells bei Seite gestellt, 63 lässt sich Ambiguität durchaus als Kriterium poetischer Texte fassen, wenn sie auch ein Bestandteil natürlicher Sprachen darstellt, wie Christoph B ODE konstatiert. 64 Wie der von Oliver A UGE und Christiane W ITTHÖFT herausgegebene Sammelband zeigt, 65 stellt Ambiguität, verstanden nicht im engeren 59 B RAUN , Manuel: Situation - Anlehnung - Autonomie (2006), S. 413. 60 Entsprechend verstehe ich ‹ Sinn › nicht ontologisch (vgl. T HÜRNAU , Donatus: Art. ‹ Sinn/ Bedeutung › [1995]), sondern als dynamischen Selektions- und Strukturierungsprozess auf unterschiedlichen Ebenen, der sich in der Interaktion zwischen Sender, Zeichen und Empfänger entfaltet. Ein solcher prozesshafter Sinnbegriff beinhaltet, dass Sinn produktions- und rezeptionsseitig immer neu fixiert werden muss und verschiedene Sinnmöglichkeiten parallel zueinander bestehen können, so dass schwerlich nach dem ‹ eigentlichen Sinn › eines Textes gefragt werden kann. Folglich scheint es mir für meine Arbeit kaum zielführend, die Unterscheidung von ‹ Sinnvollem › und ‹ Sinnlosem › ins Zentrum zu rücken, wie dies unlängst L ANGE , Judith: Wo bleibt denn da der Sinn? (2017) getan hat: L ANGE führt die editionspraktische Überlegung der Edition von Regenbogens Strophen Langem Ton aus, überall dort in die Texte einzugreifen, «wo aus ‹ sinnlosen › Lesarten mittels argumentativ begründbare[r] Vermutung[en| über den richtigen Text eine ursprüngliche Bedeutung wiederhergestellt werden kann.» (S. 58). 61 E MPSON , William: Seven types of ambiguity (2004 [1930]). 62 J AKOBSON , Roman: Linguistik und Poetik (1979 [1960]), S. 110. 63 Bemerkenswert an J AKOBSON s Modell ist, dass er die poetische Funktion als eine unter anderen versteht (vgl. J AKOBSON , Roman: Was ist Poesie [1979 [1934]], S. 79 f.). Poetische Texte zeichnen sich also nicht allein durch ihre poetische Funktion aus, genauso wie umgekehrt sich beispielsweise an einer Gebrauchsanweisung u. a. auch die poetische Funktion der Sprache beobachten lässt. Kritik haben v. a. J AKOBSON s spätere Überlegungen hervorgerufen, welche die Poesie gegenüber sämtlichen anderen Textformen präferieren (vgl. B IRUS , Hendrik: Hermeneutik und Strukturalismus [2003]). Vgl. ausserdem die grundsätzliche Kritik bei C OSERIU , Eugenio: Textlinguistik ( 4 2007 [1980]), die sich v. a. auf die poetische Funktion der Sprache konzentriert (die phatische und metasprachliche Funktion sieht er als Spezialfälle der Appellbzw. Darstellungsfunktion im B ÜHLER schen Modell an [S. 85 f.]): «Es wird also von vornherein suggeriert, daß K o m m u n i k a t i o n das Grundlegende an der Sprache sei. Auch im Falle der sog. ‹ poetischen Funktion › , auch in dichterischen Texten werde etwas mitgeteilt, findet Kommunikation statt. Andererseits wird dann bei der näheren Bestimmung der poetischen Funktion doch implizit zugegeben - so scheint es wenigstens - , daß die Tatsache des Übermittelns von Inhalten in der Dichtung eine untergeordnete Rolle spielt.» [Hervorh. im Original] (S. 82). Ähnlich kritisch, die kommunikative Ausrichtung der Dichtung bezweifelnd, auch H AFERLAND , Harald: Der auswendige Vortrag (2002), S. 252: «Scheinbar poetische Universalien wie Rhythmus (bzw. geregelte Prosodie) und Reim (bzw. Alliteration und Assonanz), Vers und Versbindung sind - wo sie systematisch aufgegriffen werden - nicht immer schon im Sinne Jakobsons auf eine Botschaft als solches ausgerichtete, sondern historisch entstandene Formen der Sprachverwendung, die ihrerseits eine Funktion erfüllen. Gibt es also keine poetische Funktion der Sprache, so aber doch zweifellos eine Funktion - oder Funktionen - der poetischen Sprache. Jakobson hat sie wenn nicht übersehen, so doch übergangen.» 64 Vgl. B ODE , Christoph: Art. ‹ Ambiguität › ( 3 2007), S. 68. 65 Vgl. A UGE , Oliver / W ITTHÖFT , Christiane (Hgg.): Ambiguität im Mittelalter (2016). 20 1 Einleitung Sinn als Doppeldeutigkeit, sondern vielmehr als Mehrdeutigkeit, dabei nicht etwa ein ausschliessliches Kriterium moderner Texte dar, 66 sondern wird - wie Udo F RIEDRICH ausführt - «geradezu zum Kennzeichen avancierter Literatur längst vor der Moderne.» 67 F RIEDRICH s Votum zeigt die beiden Kernpunkte der Ambiguität im Kontext poetischer Texte: Zum einen wird Ambiguität, wenn sie auch in der nicht-literarischen Sprache auszumachen ist, zumindest als «sprachanalytische Form [. . .], die rhetorisch genutzt werden kann» 68 , häufig aber auch als Kennzeichen literarischer Texte, als «charakteristischer und notwendiger Effekt der tendenziellen Selbstbezüglichkeit literarischer Sprache» 69 , als «poetisches Prinzip» 70 aufgefasst. Zum anderen ist die Versuchung gross, Ambiguität als Gradmesser der literarischen Textqualität gelten zu lassen: Je ambiger ein Text ist (wenn der Grad derAmbiguität denn gemessen werden kann), je kunstvoller Mehrdeutigkeit eingesetzt wird und je bewusster 71 diese inszeniert wird, desto moderner (vielleicht sogar: desto ‹ besser › ? ) ist dieser. Inwiefern eine solche Annahme durch einen modernen Blick auf die Texte geprägt ist und ob sich objektive Kriterien zur Textbewertung anhand des Ambiguitätsgrades ausmachen lassen, gälte es an Einzelfällen zu prüfen und stellt nicht das Ziel dieser Arbeit dar. 72 66 So beispielsweise auch B ODE , Christoph: Art. ‹ Ambiguität › ( 3 2007); zudem ders.: Ästhetik der Ambiguität (1988). B ODE erklärt hier die Ambiguität geradezu zum «Paradigma der Moderne» [Hervorh. im Original] (S. 2). 67 F RIEDRICH , Udo: Die Metapher als Figur der Ambiguität im Mittelalter (2016), S. 102. 68 B ERNECKER , Roland / S TEINFELD , Thomas: Art. ‹ Amphibolie, Ambiguität › (1992), Sp. 437. 69 B ODE , Christoph, Art. ‹ Ambiguität › ( 3 2007), S. 68. 70 A UGE , Oliver / W ITTHÖFT , Christiane: Zur Einführung (2016), S. 1 - 20, hier S. 5. 71 Dieser Annahme folgen auch A UGE / W ITTHÖFT , wenn sie als Ziel ihres Bandes formulieren, «[. . .] die bewusst intendierten und/ oder inszenierten Akte von Zweideutigkeit, Gegensatz und (scheinbarem) Widerspruch in ihren jeweiligen kulturellen und literarischen Kontexten zu untersuchen [. . .].» (A UGE , Oliver / W ITTHÖFT , Christiane: Zur Einführung [2016], S. 2.) Demgegenüber hält C OSERIU , Eugenio: Textlinguistik ( 4 2007 [1980]), S. 80 fest, dass «das angeblich ‹ dichterische › Verfahren» nicht intentional angewendet werden muss, um poetische Texte zu verfassen, sondern dass auch «nicht poetisch ‹ gemeinte › Texte [. . .] als solche wahrgenommen werden [können].» Es wäre zu überlegen, ob nicht statt einer Trennung von ‹ bewusst/ unbewusst › die Unterscheidung ‹ markiert/ unmarkiert › weniger belastet wäre. 72 A UGE und W ITTHÖFT legen den Schwerpunkt ihres Frageinteresses auf «Texte und Gattungen, deren Erzählstrukturen einschließlich Handlungskonstellationen und/ oder Figurenkonzeptionen von Gegensätzen dominiert werden und Sinnstiftungen auf einem intendierten ‹ Sowohl-als-Auch › liegen.» (A UGE , Oliver / W ITTHÖFT , Christiane: Zur Einführung [2016], S. 4.) Ein derartiger Interpretationsansatz, der die Ambiguität, die Brüchigkeiten und Widersprüchlichkeiten von Erzählmodellen, -motiven und -strategien in den Blick nimmt, hat die mediävistische Forschung in den letzten Jahren vermehrt erprobt, vgl. neben den Beiträgen im Sammelband von A UGE und W ITTHÖFT beispielsweise H UBER , Christoph: Brüchige Figur (2002); H ÜBNER , Gert: Erzählform im höfischen Roman (2003); K ERN , Manfred: Welt aus Fugen (2006); K ÖBELE , Susanne: Die Illusion der ‹ einfachen Form › (2012); M ÜLLER , Jan-Dirk: Höfische Kompromisse (2007); R EHBACH , Rebekka: Unschärfe als Leistung (2016); S CHULZ , Armin: Poetik des Hybriden (2000); S TROHSCHNEIDER , Peter: Einfache Regeln - komplexe Strukturen (1997). Zentral wurde die Fragestellung besonders in der Beschäftigung mit Gottfrieds von Straßburg Tristan und Wolframs von Eschenbach Parzival, so z. B. für Gottfried: B RINKMANN , Hennig: Komplementäre Widersprüche (1989); L ANZ -H UBMANN , Irene: Nein unde jâ. (1989); P FEIFFER , Jens: Satz und Gegensatz (2004). Für Wolfram z. B.: Q UAST , Bruno: Diu bluotes mâl (2003); T RÎNCA , Beatrice: parrieren und undersnîden (2008). Neben diesen Untersuchungen, welche die Mehrdeutigkeit der jeweiligen Texte als Autorspezifikum analysieren, stellen andere Literaturwissenschaftler gerade für Wolfram eine (implizit wertende) «Modernität» fest. (Vgl. B RACKERT , Helmut: Zwîvel [2000], bes. S. 347). 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 21 Für die Sangspruchdichtung um 1300 stellt der differenzierte Einsatz von Phänomenen übertragener Rede ein Charakteristikum dar. So haben Beate K ELLNER und Peter S TROHSCHNEIDER für dieTexte des Wartburgkrieg-Komplexes nicht nur gezeigt, dass das kriegen sowohl auf einer wörtlichen Ebene als auch als «Metapher der poetologischen Selbstbeschreibung des Sangspruches» konstitutiv ist. Sie betonen zudem, dass im Streben nach meisterschaft die Texte in ihren «Metaphorisierungen, Allegorisierungen und Verrätselungen, im Aufgreifen und Spielen mit Bildlogiken, in den Strategien der Verdunkelung und Auratisierung» ihre Literarizität geradezu programmatisch ausstellen. 73 Die Wartburgkrieg-Texte treiben das Verfahren, diverse theologische und astronomische Wissensbestände nicht nur zu präsentieren, sondern auch kunstvoll darzubieten, auf die Spitze. Als prototypisches Beispiel kann gelten, dass der Sängerwettstreit im Fürstenlob schliesslich durch eine rhetorische Finte Walthers von der Vogelweide zu dessen Gunsten entschieden wird. Walther lockt Heinrich von Ofterdingen erst auf eine Fährte, um gleich im nächsten Schritt den vom Konkurrenten aufgestellten Vergleich des Herzogs von Österreich mit der Sonne durch eine theologische Argumentation zu demontieren: Der Tag, den Walther dem thüringischen Landgrafen gleichsetzt, sei der Sonne überlegen. 74 Ein derartiges gegenseitiges Ausspielen von Metaphern und Vergleichen ist charakteristisch für die Wartburgkrieg-Texte, gerade für diejenigen Passagen, in denen die agonale Anlage besonders deutlich hervortritt wie im Fürstenlob oder im Rätselspiel. Ausgehend von der Prämisse, dass in den Wartburgkrieg-Texten «die Sangspruchdichtung gleichsam zu sich selbst kommt» 75 , hat die Forschung auch für andere Untergattungen der Sangspruchdichtung des 13. Jahrhunderts, die ein besonders hohes Mass an Selbstreferentialität aufweisen, also beispielsweise polemische Sängerstreite, Totenklagen oder Fürstenlob, damit begonnen, spezifische Bildfelder und bildsprachliche Verfahren zu untersuchen. In diesem Kontext interessierte der Einsatz von Handwerksmetaphern, wie sie besonders präsent in den Strophen auftreten, die das eigene Dichten thematisieren (s. u.). 76 Fraglich bleibt 73 K ELLNER , Beate / S TROHSCHNEIDER , Peter: Poetik des Krieges (2007), S. 338 und 355. 74 1 Wartb/ 1/ 1a,23; 1 Wartb/ 1/ 1b,22; 1 Wartb/ 1/ 1f,23. Vgl. zur Stelle K ELLNER , Beate / S TROHSCHNEIDER , Peter: Poetik des Krieges (2007), S. 350 - 352. 75 T ERVOOREN , Helmut: Sangspruchdichtung ( 2 2001), S. 37. Zuletzt hat sich allerdings H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › (2015) dagegen gewandt, die Texte ganz der Sangspruchdichtung zuzurechnen und sie als «poetologisch ausgerichteten Subtypus zu lesen, in dem in programmatischer Form das literarische Selbstverständnis und die gesellschaftlichen Geltungsansprüche dieser Gattung und ihrer Autoren reflektiert werden.» (S. 15) Stattdessen plädiert H ALLMANN dafür, die Wartburgkrieg-Texte als «regional gebundenen Texttyp» zu verstehen, dem ein «eigenständiger Genrecharakter» zukommt und der nur fallabhängig gezielt auf andere Gattungszusammenhänge, etwa auf das Streitgedicht, rekurriert. Dagegen nimmt die Anthologie von F ICHTE , Jörg O. / S TOTZ , Peter / N EUMEISTER , Sebastian / F RIEDLEIN , Roger / W ENZEL , Franziska / R UNOW , Holger (Hgg.): Das Streitgedicht im Mittelalter (2019) das Fürstenlob auf und versteht es - K IENING , Christian: Art. ‹ Streitgespräch › (2003) folgend - als «von einem auszuhandelnden Kasus zwischen zwei (ggf. mehreren [. . .]) Streitgegnern ausgehen[d], [. . .] [das] überwiegend in (sangbarer) Strophenform [. . .] verfasst ist.» (S. 311 - 317, 338 - 269, hier S. 311) Die Einwände H ALLMANN s gegen den allzu voreiligen Konnex von Sangspruchdichtung und Wartburgkriegen sind sicherlich berechtigt, jedoch scheint es mir nicht unproblematisch, stattdessen seiner These eines regionalen Sonderfalls, d. h. eines allein auf Thüringen beschränkten Texttypus, zu folgen - nur schon deshalb, weil offensichtlich auch ein überregionales Interesse an den Wartburgkrieg-Texten bestand, so dass die Strophen teilweise in Handschriften überliefert sind, die sich nicht auf den thüringischen Bereich beschränken (z. B. C, k). 76 Vgl. z. B. H ARAN T , Patricia: Poeta Faber (1997); K LEIN , Dorothea: Poeta artifex (2017); O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995). Vgl. auch Kapitel 2.4 und 4.2.1. 22 1 Einleitung allerdings, wie weit die poetolgisch-reflektierenden Sangspruch-Passagen prägenden Handwerksmetaphern belastet werden dürfen und ob man so weit gehen muss wie Manuel B RAUN , der das metaphorische Austauschverhältnis zwischen den artes mechanicae und der Dichtkunst als Indiz versteht, von einer literarischen ‹ Autonomie › in selbstreferentiellen Sangspruchstrophen auszugehen: Wenn das Singen über einen exklusiven Gegenstand im Modus besonders kunstfertiger Rede nicht nur das Lob des Gegenstands, sondern auch ein Eigenlob bedeutet, emanzipiere sich auch die poetische ars in Richtung eines modernen Kunstverständnisses. 77 Neben der Sangspruchforschung, die sich wie erwähnt auf Strophen konzentrierte, die ihre Selbstbezüglichkeit besonders deutlich ausstellen, 78 hat die germanistische mediävistische Forschung die Frage nach (gattungs-, epochen- und autorspezifischen) Sprachbildlichkeit hauptsächlich im Kontext der sogenannten ‹ B l ü m e r › 79 umgetrieben, wobei auch hier die künstlerische Selbstbezüglichkeit als Charakteristikum hervorgehoben wurde. 80 Innerhalb der Lyrik hat gerade die charakteristische ‹ dunkle › Bildsprache Frauenlobs, die ja bereits von den Zeitgenossen polemisch aufgegriffen wurde, die Forschung zu Arbeiten über autorspezifische Verfahren der Bildsprachlichkeit angeregt. Bereits früh hat Karl S TACKMANN entgegen dem Standpunkt der älteren Forschung 81 die Funktion der Metaphern über den blossen Schmuckwert hinaus festgehalten und die charakteristische Sprachbildlichkeit als die zentrale Struktur frauenlobscher Lyrik beschrieben: «Die Bilder, sich nach ihren eigenen Gesetzen fügend, formen den Text in nahezu völliger Freiheit, sie tragen so gut wie allein die Bedeutung des Gedichtes.» 82 So schöpfe laut S TACKMANN Frauenlob im Fürstenlob zwar deutlich aus dem Bildarsenal, das die Gattungstradition bereitstellt, die Strophen zeichneten sich aber durch eine autorspezifische Variation des Schemas aus. 83 Auch Susanne K ÖBELE hat für Frauenlobs Minnelieder den Anschluss an die Autorspezifik Frauenlobs 84 stärker gewichtet als die Anbindung an die Gattungstradition, welche die Forschung lange Zeit zu einer Abwertung des frauenlobschen Minnesangs veranlasst hatte. Gleichzeitig beschreibt K ÖBELE aber auch in überlieferungsgeschichtlicher Hinsicht den Sonderfallstatus Frauenlobs innerhalb der ‹ Blümer › -Umgebung: Frauenlobs «widersprüchliche[] Gleichzeitigkeit» 85 von Traditionalität 77 Vgl. B RAUN , Manuel: Zwischen ars und ‹ Kunst › (2009). 78 Verschiedene Schwierigkeiten der Übertragung von Selbstreferentialität als eine Position moderner Ästhetik auf vormoderne Texte hat zuletzt M ÜLLER , Jan-Dirk: Rezension (2020) in der Auseinandersetzung mit der Arbeit von Christian B UHR (Zweifel an der Liebe [2018]) aufgezeigt. Vgl. auch neuerdings den synchron und diachron weit ausgreifenden Band von K LEIN , Dorothea (Hg.): Formen der Selbstthematisierung (2020). 79 Die Merkmale des «Geblümten Stil[s] im engeren Sinne» beschreibt H AUSTEIN , Jens: Geblümte Rede als Konvention? (2006), S. 46 wie folgt: «[Der] erkennbar gehäufte Einsatz von sogenannten Verschiebungstropen wie Metapher, Vergleich, Metonymie bis hin zur Katachrese, die sich ja häufig mit Genitivkonstruktionen oder anderen Auffälligkeiten der Syntax verbinden.» Den aktuellsten Forschungsabriss bietet O BERMAIER , Sabine: Frauenlob und der ‹ Geblümte Stil › (2018), S. 151 - 153. 80 Vgl. S TOLZ , Michael: ‹ Tum › -Studien (1996). 81 Vgl. noch N YHOLM , Kurt: Studien zum sogenannten geblümten Stil (1971). 82 S TACKMANN , Karl: Bild und Bedeutung bei Frauenlob (1972), S. 459. Vgl. ebenfalls ders.: Redebluomen (1997 [1975]); sowie davor bereits B ERTAU , Karl: Sangverslyrik (1964). 83 Vgl. S TACKMANN , Karl: Redebluomen (1997 [1975]), S. 344. 84 Zur problematischen Autor-/ Œ uvre-Lage bei Frauenlob vgl. K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 21 - 34. 85 K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 20. 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 23 und radikaler Modernität siedelt K ÖBELE an einer «historische[n] Schwelle» 86 an, im Ausloten der Grenzen nicht nur der Metaphorik, sondern allgemeiner auch der Sprache, sieht sie eine Besonderheit Frauenlobs. 87 Im Unterschied zu K ÖBELE , die das ‹ Blümen › als eine Stiltendenz auffasst, die auf allen «textkonstitutiven Ebenen, auf der phonetischen, metrischen, syntaktischen, lexikalisch-semantischen Ebene, die Abweichung und die Häufung» 88 forciert, plädiert Gert H ÜBNER in seiner weit über die Lyrik hinweg ausgreifenden Studie dafür, blüemen als rhetorischen Terminus zu verstehen und diesen ausschliesslich an die laudative Funktion zu koppeln. Dazu etabliert er den Begriff des ‹ Lobblümens › - dementsprechend liesse sich für die Sangspruchdichtung auch nur in der weltlichen oder geistlichen Panegyrik geblümte Rede bzw. mit H ÜBNER s Terminologie ‹ geblümtes Lob › auffinden. 89 Ausgehend von der bereits oben erwähnten Annahme, dass der ‹ dunkle › Charakter von Frauenlobs Dichtung zu einem nicht unerheblichen Teil auch in der Sprachbildlichkeit gründet, hat die Forschung in einem weiteren Schritt die Funktionsweise dieser Bilder zu beschreiben versucht. 90 Der elementare Punkt liegt dabei in der Frage, wie der H i s t o r i z i t ä t diverser Phänomene übertragener Rede beizukommen ist, wie beispielsweise die vielfältigen ‹ didaktischen › , projektiven, ornamentalen, imaginativen und kompetitiven Funktionen der Metapher berücksichtigt werden können, ohne eine moderne - und meist an modernen Texten entwickelte - Theorie auf mittelalterliche Texte und deren Phänomene bildhafter Rede zu oktroyieren. 91 Ist die vormoderne Metaphernpraxis ausschliesslich mit dem erkenntnistheoretischen Paradigma ihrer Zeit zu fassen, d. h. mit der Substitutionstheorie, wie sie die mittellateinischen Poetiken und Rhetoriken beschreiben, oder können auch - wie Sebastian C ÖLLEN es unlängst für Frauenlobs Marienleich erprobt hat 92 - moderne kognitionswissenschaftliche Theorien Hinweise zur Funktionsweise der Bilder bieten? Was bei Frauenlob auf die Spitze getrieben ist, gilt auch für andere Autoren des 13. Jahrhunderts: Eine Unterscheidung zwischen Verständlichem und Unverständlichem, zwischen gewollter und decodierbarer Rätselhaftigkeit, zwischen bedeutungsüberschüssiger ‹ dunkler › Metaphorik und evident fehlerhafter Überlieferung ist häufig schwer zu treffen. 93 Für Rezipienten gilt es daher, fallabhängig zu bestimmen, weshalb einzelne Textstellen nicht, nur ansatzweise oder mehrdeutig verstanden werden. Darauf aufbauend kann versucht werden, für unterschiedliche lyrische Sprechakte ein differenziertes Spektrum von Erscheinungsformen und Funktionen übertragener Rede zu entwerfen, um auf diese Weise der literarhistorisch wie systematisch komplexen Situation des mittelhochdeutschen Sangspruchs möglichst gerecht zu werden. Es liesse sich nicht nur nach einem gattungsabhängigen 86 K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 40. 87 Vgl. K ÖBELE , Susanne: ‹ Reine › Abstraktion? (1994), S. 401. 88 K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 9. 89 Vgl. H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000). Kritisch dazu vgl. M ÜLLER , Jan-Dirk: schîn und Verwandtes (2006), insbesondere S. 290, Anm. 8. 90 Vgl. bereits die Beiträge des Cambridger ‹ Frauenlob › -Colloquiums 1986 (S CHRÖDER , Werner [Hg.]: Cambridger ‹ Frauenlob › -Colloquium [1988]); zudem K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003). 91 Vgl. H ÜBNER , Gert: Überlegungen (2004). Als kritische Auseinandersetzung mit H ÜBNER s Thesen vgl. K RAGL , Florian: Wie man in Furten ertrinkt (2008). 92 Vgl. C ÖLLEN , Sebastian: Gefiolierte blüte kunst (2019). 93 Vgl. dazu auch die Beiträge in: K ÖBELE , Susanne / F RICK , Julia (Hgg.): wildekeit (2018). 24 1 Einleitung Metapherngebrauch fragen, 94 sondern weiter nach dem spezifischen Einsatz uneigentlicher Rede des Sangspruchs. Demgemäss soll der Fokus meiner Überlegungen weder auf einzelnen Strophentypen (z. B. Fürstenlob, Sängerstreit oder Dichtertotenklagen), noch auf einzelnen Tropen liegen, sondern es werden diverse Mehrdeutigkeitsphänomene im Gesamt œ uvre Rumelants von Sachsen in den Blick genommen, wobei dessen Sangspruchdichtung im Zentrum steht und punktuell vergleichend auf die Minnelyrik und Meisterlieder sowie auf die lateinischen Sangspruchstrophen in der Augsburger Cantionessammlung ausgegriffen wird. Dabei sind auch Fälle zu beachten, in denen Textelemente, die (vermeintlich) auf Eindeutigkeit hinweisen, wie ‹ sentenzhafte Strukturen › (vgl. Kapitel 2), diese je nach Funktionalisierung und Position innerhalb der Strophe unterlaufen können. Zwar sind die unterschiedlichen Formen der übertragenen, uneigentlichen und allusiven Rede Kristallisationspunkte, an denen die poetische Gemachtheit der Texte besonders augenfällig wird, doch tritt die durch diese Schreibweisen produzierte sprachliche Mehrdeutigkeit in ein Spannungsverhältnis zu den Kohärenzbestrebungen der Texte. Wie sind nun K o h ä r e n z u n d p o e t i s c h e M e h r d e u t i g k e i t zusammen zu denken? Sicherlich stellen sie keine polaren Gegensätze dar, insofern als sich Mehrdeutigkeit nicht einfach durch ‹ Inkohärenz › ersetzen lässt. 95 Vielmehr muss Kohärenz immer wieder neu produktions- und rezeptionsseitig hergestellt werden 96 - ein Prozess, der selbst wieder Mehrdeutigkeiten produzieren kann. Betrachtet man die Sangspruchdichtung weder im Hinblick auf die pragmatische Einbettung uneingeschränkt als realhistorisches Zeugnis, noch als ausschliesslich auf sich selbst verweisendes Sprachkunstwerk, sondern im Zwischenbereich dieser Opposition, wird das Verhältnis von Kohärenz und Mehrdeutigkeit deutlicher: Die unterschiedlichen Sprechakte zielen zwar auf klar begrenzte Handlungsfunktionen - beispielsweise Belehrung, Heische, Rüge - , werden aber auf vielfältige Weise ästhetisch realisiert, d. h. das Verfahren funktioniert trotz und gerade durch mehrdeutige Aussagen, die den Rezipienten als Sinnstifter miteinbeziehen. 94 Vgl. H AUSTEIN , Jens: êren zol und schanden clôse (2017). 95 So auch A BEL , Julia / B LÖDORN , Andreas / S CHEFFEL , Michael (Hgg.): Ambivalenz und Kohärenz (2009): «Da Ambivalenz und Kohärenz keine Antonyme bilden, bliebe allerdings zu prüfen, ob es nicht sinnvoller wäre, anstatt von Ambivalenz einfach von ‹ Inkohärenz › zu sprechen. Auf diese Weise wäre jedoch lediglich ein Mangel bezeichnet.» (S. 5). Es ist allerdings zu überlegen, ob die Thesen von A BEL , B LÖDORN und S CHEFFEL für das Verhältnis von Ambivalenz und Kohärenz bedenkenlos auf dasjenige von Ambiguität und Kohärenz übertragen werden können. Den Ambivalenz-Begriff verwenden die Herausgeber nicht im Sinne der Psychoanalyse als Bezeichnung der «widersprüchliche[n] Anlage, Haltung oder Verhaltensweise einer fiktionalen oder dramatischen Figur» bzw. allgemeiner «eines Symbols oder Tropus überhaupt» (B ODE , Christoph: Art. ‹ Ambiguität › [ 3 2007], S. 68; vgl. zudem den Forschungsabriss zur rhetorischen, philosophischen und psychologischen Begriffsverwendung bei B ERNDT , Frauke / K AMMER , Stephan: Amphibolie - Ambiguität - Ambivalenz [2009], v. a. S. 18 - 23), sondern als Überbegriff, unter welchem zahlreiche Phänomene subsumiert werden, «die der Geschlossenheit der Narration, d. h. der kohärenten Verknüpfung ihrer Elemente gewissermaßen aktiv entgegen wirken.» Dazu zählen sie Vagheit (Unbestimmtheit), Ambiguität (Mehrdeutigkeit) und Brüche, aber auch «verschiedene, miteinander konkurrierende Erklärungsmuster innerhalb einer Erzählung.» [Hervorh. im Original] (S. 5). Die im Band versammelten Beiträge beschäftigen sich nur mit narrativen Texten (aus diachroner und fachübergreifender Perspektive sowie mit Blick auf grundlegende Probleme narrativer Kohärenzherstellung), zur Spezifik der Kohärenzfrage in Bezug auf vormoderne Lyrik vgl. K ÖBELE , Susanne / L OCHER , Eva / M ÖCKLI , Andrea / O ETJENS , Lena (Hgg.): Lyrische Kohärenz (2019). 96 Vgl. R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), besonders S. 165 f. 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 25 K o h ä r e n z als Bedingung für Textualität hat die textlinguistische Forschung längst festgestellt. 97 Aus einer narratologischen Perspektive hat die germanistische Mediävistik die Spezifik vormoderner Erzählverfahren und die Historizität von Kohärenzkriterien ausgehend von Armin S CHULZ ’ Überlegungen zur ‹ fremden Kohärenz › beleuchtet: S CHULZ ’ Plädoyer, die Kohärenz mittelalterlicher Texte «stärker von der Oberfläche her, vom Wortlaut selbst» zu betrachten und nicht im Sinne von «Widerspruchsfreiheit» und «kausaler Linearität» einzuschränken, 98 ist auch für mittelalterliche lyrische Texte relevant, wenn sich auch die Kohärenz-Frage hier neu und anders stellt. 99 So ist zu fragen, ob lyrische Texte generell andere Kohärenzbedingungen verlangen, setzt man mit Klaus H EMPFER die Performativitätsfiktion als das prototypische Kriterium einer epochenübergreifenden Gattung ‹ Lyrik › an. 100 Darüber hinaus stellt die Lücke zwischen Produktion, Performanz, Verschriftlichung und Rezeption die mittelalterliche Lyrik unter besondere Voraussetzungen und beeinflusst in diesem Sinne auch die Kohärenzfrage. Ferner sind die gattungstypologischen Kohärenzbedingungen zu diskutieren. Für die Sangspruchdichtung ist der Kohärenzbegriff bisher v. a. dahingehend relevant geworden, als über ihn die Frage von Ein- und Mehrstrophigkeit verhandelt wurde und davon ausgehend Überlegungen zur formalen Unterscheidung von Minneliedern und Sangsprüchen angestellt wurden. 101 Die Feststellung, dass sich die tendenziell einstrophigen Sprüche im 13. Jahrhundert vermehrt als mehrstrophige Komplexe 102 verstehen lassen 103 - eine Entwicklung auf dem Weg zur Barform? 104 - zog zwangsläufig weitere Fragen nach sich, die sich trotz ihrer Bedeutsamkeit kaum zweifelsfrei beantworten lassen: Lässt sich der Zusammenhang zwischen den Einzelstrophen auch auf produktionsseitige Anlagen (eine ‹ Autorintention › ) auf Textebene zurückführen? Oder werden die Zusammenhänge überwiegend durch die Anordnung innerhalb der Aufführung gestiftet? Oder wird die Kohärenz - rezeptionsseitig - primär durch die Kompilatoren und Schreiber der Liedersammelhandschriften hergestellt, die inhaltlich und strukturell Zusammengehöriges in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander positionieren? 97 Vgl. B RINKER , Klaus: Art. ‹ Textlinguistik › ( 3 2007), S. 607 - 611, hier S. 697: «Als Basiskriterium der Textualität gilt allgemein die Textkohärenz [. . .], die als spezifischer Zusammenhang zwischen den Textkonstitenten auf verschiedenen sprachtheoretischen Ebenen beschrieben wird: zwischen Sätzen auf der Ebene der G RAMMATIK [. . .], zwischen Propositionen (Satzinhalten) auf der thematischen Ebene [. . .] und zwischen sprachlichen Handlungen ( ‹ Illokutionen › bzw. kommunikative Funktionen) auf der pragmatischen Ebene [. . .].» [Hervorh. im Original]. Vgl. exemplarisch die Position von DE B EAUGRANDE , Robert / D RESSLER , Wolfgang U.: Einführung in die Textlinguistik (1981), die Kohärenz - neben Kohäsion, Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität - als eines der sieben textkonstitutiven Prinzipien fassen. 98 S CHULZ , Armin: Fremde Kohärenz (2010), S. 344. Ähnlich auch der Überblick in: ders.: Erzähltheorie in mediävistischer Perspektive (2012), S. 322 - 366. 99 Vgl. K ÖBELE , Susanne / L OCHER , Eva / M ÖCKLI , Andrea / O ETJENS , Lena (Hgg.): Lyrische Kohärenz (2019). 100 Vgl. H EMPFER , Klaus W.: Lyrik (2014). 101 Vgl. R ETTELBACH , Johannes: Minnelied und Sangspruch (2007). 102 Um die Arten der Bezugnahme zwischen den Einzelstrophen möglichst flexibel zu halten, spreche ich von ‹ Strophenkomplexen › und nutze nicht die von T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967) vorgeschlagene Terminologie («Strophenkette», «Strophenreihe» etc.) Vgl. dazu Kapitel 3.1. 103 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967). Ausserdem auch ders.: Sangspruchdichtung (2001), S. 75 - 82, wo T ERVOOREN die 1967 aufgestellte These einer «Komposition» (S. 75) der Strophenreihen aus Proöm, Narratio und Conclusio wiederholt. 104 Vgl. B ALDZUHN , Michael: Wege ins Meisterlied (2000). 26 1 Einleitung Über dieArgumentation auf Strophenebene hinaus wurde der Kohärenzbegriff auch eingesetzt, um die Einheit einzelner Textkorpora zu beschreiben, die im Hinblick auf das Weiterleben bestimmter Töne im jüngeren Meistersang besonders fragil ist. Das lässt sich nicht nur an Boppe 105 und Frauenlob 106 untersuchen, für welche die Frage der Kohärenz älterer Sangspruch- und jüngerer Meistersangstrophen bereits behandelt worden ist, auch für Rumelant wird die Frage nach den Grenzen des Œ uvres und seiner Kohärenz dringend, wenn etwa die vier in C unter Walthers Namen überlieferten Strophen (vgl. Kapitel 4.1) oder die Meisterlieder in k in Rumslants Geschwindem Ton (vgl. Kapitel 4.3.2) betrachtet werden. Im Hintergrund solcher Fragen steht ein Autor-Werk-Verständnis, das die germanistische Mediävistik seit den Impulsen der New Philology in den 1990er Jahren intensiv und kritisch diskutiert hat (s. o.). Die nach Autoren gegliederten Liederhandschriften machen es schwer, sich «von der Vorstellung eines Autors als ursprüngliche[m] Schöpfer[] der Texte los[zu] lösen» 107 . Deswegen hat Franziska W ENZEL versucht, den Schwierigkeiten, die der Autorbegriff für die Sangspruchdichtung mit sich bringt, mit einer radikalen Neuausrichtung der Fragestellung zu begegnen. Die Frage nach der Kohärenz von Strophen-(Komplexen), von Tönen, Textkorpora innerhalb einzelner Handschriften, Autor œ uvres oder Gattungen ist unmittelbar abhängig von der umfassenderen Frage nach derTextualität 108 .W ENZEL schlägt daher ein Modell vor, dass das Textverständnis für die Sangspruch- und frühe Meisterlieddichtung von der Einzelstrophe hin zum «zusammenstehende[n] Strophengefüge des Tons» 109 verschiebt. Indem sie den Ton als übergeordnete Kategorie in den Blick nimmt, der wiederum durch «textuellen Einheiten» 110 auf Handschriftenebene (Gliederungsmerkmale wie Autornamen und -bilder, Tonnamen, nota-Zeichen, Initialen etc.) unterteilt wird, will W ENZEL zum einen die «textuelle Formation» von Frauenlobs Langem Ton analysieren, zum anderen auch die jeweiligen handschriftenspezifischen Meisterschaftsentwürfe (in C, J, F und k) nachzeichnen. Obwohl laut W ENZEL die Dynamik des inter- und extratextuellen Geflechts an sich schon «jede Vorstellung eines in sich kohärenten Textes» 111 ausschliesse, wird an anderer Stelle deutlich, dass im Langen Ton durchaus von Kohärenz gesprochen werden kann: Von der strukturellen Kohärenz des Tones ebenso wie von der Kohärenz der Argumentationsmuster und Erzählprinzipien. 112 Indem W ENZEL dieser rezeptiv erzeugten Kohärenz viel Platz einräumt, rückt sie 105 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Beiläufiges zu sechs Boppe-Liedern (2000). 106 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Grenzgänger (2015), in kritischer Auseinandersetzung mit den Überlegungen zur Echtheit der Frauenlobsprüche von T HOMAS , Helmut: Untersuchungen zur Überlieferung der Spruchdichtung Frauenlobs (1939). 107 B LEULER , Anna Kathrin: Überlieferungskritik und Poetologie (2008), S. 11 f. 108 Verstanden als die «allen Textvorkommen gemeinsamen invarianten Merkmale», K ALLMEYER , Werner / M EYER -H ERMANN , Reinhard: Art. ‹ Textlinguistik › ( 2 2011), S. 242. 109 W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 22. 110 W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 21 - 29, passim. 111 W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 21. 112 Vgl. ähnlich auch W ENZEL , Franziska: Textkohärenz und Erzählprinzip (2005). W ENZEL plädiert hier dafür, die Inkohärenzen der Wartburgkrieg-Texte, die sie als ‹ Brüchigkeiten › sieht, nicht als Mangel des Textes zu werten, sondern die Strophen in den jeweiligen Handschriften (k, C und J) als Text zu verstehen, dessen Textmerkmal gerade eine solche ‹ Brüchigkeit › oder ‹ Offenheit › sei. Erst auf den zweiten Blick werde erkennbar, dass die Handschriften jeweils charakteristische Erzählprinzipien aufweisen, die als kohärenzstiftend angesehen werden können (Agonalität, Stichwortgeben). Indem W ENZEL den Begriff des ‹ narrativen Sangspruchs › für die Wartburgkrieg-Strophen in C veranschlagt, wird auch deutlich, dass ihr Kohärenzbegriff auf das Prinzip des narrativen Zusammenhalts abzielt. Es wäre zu überlegen, ob und 1.1 Sangspruchdichtung zwischen Ästhetik und Pragmatik: Methodologische Vorüberlegungen 27 aber auch den Schreiber ins Zentrum, eine Instanz, der die Strophen innerhalb des Tons «in eine gegen die Willkür gerichtete Ordnung» 113 bringt. In eine ähnliche Richtung hat zuletzt auch Beate K ELLNER argumentiert: Die Tonkohärenz, sowohl formal als auch über «thematische und motivische Verbindungen» gegeben, stifte «zwar noch keine Kohärenz, die unseren heutigen Erwartungen entspräche, aber niederschwelligere Formen von Kohärenz könnten gerade ein Kennzeichen mittelalterlichen Sangspruchs und mittelalterlicher Lyrik allgemein sein.» 114 Gerade mit dem Blick auf (post)moderne Literatur (insbesondere Lyrik) scheint es mir allerdings nicht unproblematisch, von ‹ stärkeren › Kohärenzerwartungen an moderne und ‹ niederschwelligeren › an vormoderne Texte zu sprechen: Welche Kohärenzerwartungen hat denn ein moderner Rezipient an ein Gedicht wie Eugen Gomringers schweigen? Von syntaktischer Kohärenz (Kohäsion) lässt sich kaum sprechen - vielleicht von struktureller Kohärenz im Sinne der «Bündelung von gleichartigen Elementen, die einen semantischen Zusammenhang für den Text als Ganzes herstellen» oder pragmatischer Kohärenz als «Verflechtung von Text und situationellem Kontext durch den Rezipienten»? 115 Inwiefern ist es überhaupt noch möglich, konkrete Poesie als ‹ Text › zu bezeichnen? Wenn der «historischen Variabilität von Kohärenzkriterien» 116 Rechnung getragen werden soll, ist das nur in der Analyse von Einzelfällen möglich, die die unterschiedlichen Bereichsspezifiken von Kohärenzherstellung genau voneinander trennt. Demnach wäre zu überlegen, wie die Sangspruchforschung von einem Ansatz profitiert, der produktions- und rezeptionsseitig konstruierte Kohärenzstrategien kombiniert und implizite 117 sowie explizite Kohärenz auf unterschiedlichen Ebenen in den Blick nimmt. Verfügt die Sangspruchdichtung über jeweils gattungsspezifische Mittel der Kohärenzherstellung (s. o.)? Liesse sich über die Beschreibung der für die Gattung charakteristischen Kohärenzmuster auch die Textualität und letztlich die Poetik der Sangspruchdichtung fassen, die sich als Gattung immer wieder der abschliessenden Definition widersetzt? Es gilt, die jeweiligen Mittel und Möglichkeiten der Kohärenzherstellung auf verschiedenen Ebenen zu beschreiben und in ihrer jeweiligen Spezifik zu schildern: als thematische, semantische und formale Kohärenz, als Begriffswie als Bildkohärenz. Dabei ist gerade für die Sangspruchdichtung zu überlegen, wie der (scheinbaren) Paradoxie beizukommen ist, dass der ‹ didaktische › (vgl. Kapitel 4), d. h. der «auf unmittelbare Verstehbarkeit zielende Anspruch» der Gattung in Spannung steht zu parallelen Ansprüchen impliziter Kohärenzbildung oder artifizieller Sinnverrätselung. Wird hier quer zu diskursiven Strategien durch wiederkehrende Bildfelder oder Strukturhomologien Kohärenz inwiefern sich ein solcher Befund verallgemeinern liesse. Zur Narrativität des Sangspruchs vgl. auch B LEUMER , Hartmut: Walthers Geschichten? (2005); grundlegend zum Verhältnis von Narration und Lyrik vgl. ders. / E MMELIUS , Caroline (Hgg.): Lyrische Narrationen - narrative Lyrik (2011). 113 W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 286. 114 K ELLNER , Beate: Spiel der Liebe (2018), S. 60 f. Ähnlich auch R UDOLPH , Alexander: Variationskunst (2018), S. 60 - 67. 115 S TUCK , Elisabeth: Art. ‹ Kohärenz › ( 3 2007), S. 280. 116 K ÖBELE , Susanne / L OCHER , Eva / M ÖCKLI , Andrea / O ETJENS , Lena: Einleitung (2019), S. 9 [Hervorh. im Original]. Vgl. für die Frage nach der Alterität mittelalterlicher Literatur in Bezug auf narrative Kohärenz S CHULZ , Armin: Fremde Kohärenz (2010) (s. o.). 117 Vgl. K ABLITZ , Andreas: Kunst des Möglichen (2013), S. 149 - 257. 28 1 Einleitung hergestellt oder im Gegenteil durch schwer kontrollierbare Bedeutungsüberschüsse Kohärenz gerade unterlaufen? 118 In diesem Sinn nehmen die Kapitel jeweils spezifische ‹ textuelle Einheiten › - den Begriff übernehme ich von Franziska W ENZEL , verstehe ihn aber nicht dezidiert handschriftengebunden 119 - in den Blick und untersuchen schlaglichtartig, wie Kohärenz innerhalb der Einzelstrophe, zwischen den Bestandteilen von Strophenkomplexen sowie innerhalb der Gattung hergestellt werden kann. Als Hypothese gilt, dass die Poetik der Sangspruchdichtung nur als komplexer Prozess zwischen Kohärenzstiftung und Sinnvervielfältigung auf unterschiedlichen Ebenen des Textes beschrieben werden kann. Der Untersuchungsteil gliedert sich daher in drei Kapitel: In einem ersten analytischen Teil wird überlegt, welche Mittel die Texte aufwenden, um die Geschlossenheit von Einzelstrophen zu ermöglichen, die sich ja auch graphisch in den Handschriften niederschlägt. Am Beispiel von sogenannten ‹ sentenzhaften Strukturen › , die für die Sangspruchdichtung als «konstatierende Dichtung» 120 als gattungstypisches Merkmal angenommen werden können, soll aus einer diachronen Perspektive die Kohärenzherstellung innerhalb der Einzelstrophe beschrieben und die Rolle ‹ sentenzhafter Strukturen › für die Architektur der Einzelstrophe genauer ausgeleuchtet werden. Darauf aufbauend beschreibt das zweite Kapitel Strategien, mit denen allegorische Rede fruchtbar gemacht wird, um Kohärenz zwischen Einzelstrophen zu stiften. Zu zeigen ist, dass sich die Grenzen zwischen Allegorie und Auslegung keineswegs trennscharf einzelnen Strophen zuordnen lassen, sondern im Gegenteil auf vielfältige Weise ineinandergreifen. Ausgehend von den Überlegungen zur Allegorie wird auch das Rätsel in den Blick genommen, das in Einzelfällen kaum von der Allegorie abzugrenzen ist. Das abschliessende textanalytische Kapitel perspektiviert das bekannte Problem einer impliziten Gattungspoetik der Sangspruchdichtung neu: Gefragt wird nach der Kohärenz der Gattung um 1300. 1.2 Rumelant im Kontext: Textkorpus und Forschungsstand Auf komplexe Übertragungsprozesse zwischen ‹ wörtlicher › und ‹ übertragener › Bedeutung und das immer wieder neu zu hinterfragende Verhältnis zwischen Text und Bild 121 stösst man auch in intermedialer Hinsicht für das Textkorpus Rumelants von Sachsen in C bereits auf der ersten Seite: Der dem Autorbild übergeordnete Titel Meister Rumslant lässt sich auf zwei Arten verstehen: als Eigenname ebenso wie als «bedeutsame[r] Name[]» 122 , d. h. im Sinne des Imperativs rûm ’ z lant! Die Illustration zeigt Rumelant mit einem Helfer vor einer angedeuteten Zinne, auf der fünf Figuren tanzen und singen. Rumelant ist gerade dabei, auf sein Pferd zu steigen, um ‹ das Land zu räumen › . Demnach liesse sich für die Verwendung von ‹ Rumslant › als einen ‹ sprechenden › Autornamen argumentieren, der die Möglichkeit eines uneigentlichen Verstehens zumindest mittransportiert. So handhabt Friedrich P ANZER s Rumelant-Monogra- 118 K ÖBELE , Susanne / L OCHER , Eva / M ÖCKLI , Andrea / O ETJENS , Lena: Einleitung (2019), S. 15 f. 119 Vgl. W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 21 - 29. 120 S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 71 - 78. 121 Vgl. P ETERS , Ursula: Das Ich im Bild (2008). 122 HMS IV, S. 671. 1.2 Rumelant im Kontext: Textkorpus und Forschungsstand 29 phie den Namensgebrauch noch in dieser Weise. 123 Die Gründe, weshalb es sich in der jüngeren Forschungspraxis indes eingebürgert hat, den Namen Rumelant zu verwenden, bringt Holger R UNOW überzeugend auf den Punkt: Die Namensform Rvmelant, die J führt, sei vorzuziehen aufgrund der «sprachlichen Nähe und besseren Qualität der Überlieferung in J, gestützt durch die (metrisch stimmige) Apostrophe An Rûmelande». 124 Damit sind die beiden Hauptüberlieferungsträger von Rumelants Sangspruch- Œ uvre bereits angesprochen: Die Große Heidelberger Liederhandschrift/ Codex Manesse (C) und die Jenaer Liederhandschrift ( J). Alle bekannten Sangsprüche Rumelants überliefert J (108 Strophen 125 ), davon führt das Autorkorpus Rumelants von Sachsen auf fol. 47 v - 62 v 105 Strophen in zehn Tönen 126 sowie drei Strophen, die durch Randbeischriften von alter Hand Rumelant zugeschrieben werden: zwei Strophen in Singûfs Ton (XI,1 - 2) und eine Strophe in Frauenlobs Langem Ton (XII,1). Demgegenüber ist der Bestand in C mit 16 Spruchstrophen in vier Tönen, die alle auch in J belegt sind, deutlich geringer, allerdings führt C auch drei jeweils dreistrophige Minnelieder Rumelants, die ohne Kennzeichnung im Layout am Ende des Textkorpus angefügt sind. 127 Zudem überliefert C unter Walthers Namen vier Strophen, die in J Rumelant von Sachsen zugeschrieben werden und dort das Textkorpus eröffnen (I,1 - 4). In J befindet sich das Textkorpus Rumelants im hinteren Drittel der Handschrift zwischen dem Goldener und Rumelant von Schwaben und auch C führt das Rumelantkorpus zum Ende der Handschrift zwischen dem Wilden Alexander und Spervogel (fol. 413 r - 415 r ), d. h. in dem Segment des Grundstocks, das in der letzten Phase niedergeschrieben wurde. 128 Zudem ist im Maastrichter Fragment (M a ) Rumelants Strophe II,5 auf fol. 2 v überliefert und das eng mit J verwandte Wolfenbüttler Fragment (W o ) - nur zwei schmale Manuskriptstreifen - überliefert die Strophen IV,7; IV,8; IV,15 - 18; V,2 - 3 (teilweise unvollständig). 129 Die beiden neuen Rumelant-Editionen folgen daher auch beide der Handschrift J. Primärtextzitate von Rumelants Sangsprüchen werden in dieser Arbeit in der Regel nach der nicht normalisierten Ausgabe von Peter K ERN130 aufgenommen, die Edition von Holger R UNOW131 wird vergleichend hinzugezogen. Die Minnelieder aus C und die Meisterlieder aus k sind der Edition von R UNOW entnommen. Rumelants Nachwirkung auf die (spät- und hoch-)mittelalterliche Literaturlandschaft einzuschätzen ist schwierig: Zwar tritt er als Akteur in polemischen Auseinandersetzungen 123 Vgl. P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893). Allerdings sieht P ANZER das Argument für seine Entscheidung für diese Variante nicht in der einer allfälligen übertragenen Namensbedeutung, sondern fasst die in C und k überlieferte Namensform Rumslant auf als «die letztere namensform zur benennung unseres dichters», unter der er «im gedächtnisse der nachwelt fortlebte.» (S. 11). 124 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2019), S. 399. 125 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014) fasst die an Rumelant gerichtete Strophe, die J an letzter Stelle im sechsten Ton führt (VI,12 nach der Zählung von Runow), als nicht zum Œ uvre Rumelants gehörig auf und zählt demnach 107 Rumelant-Strophen in J. 126 Die beiden Strophen VI,6 und VI,7 sind nur fragmentarisch überliefert (in VI,6 fehlt der Strophenschluss, in VI,7 der Beginn), da nach fol. 57 ein Blatt ausgefallen ist. Runow, Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 249 hat rekonstruiert, dass der Ton in J entsprechend ursprünglich 18 Strophen umfasste. 127 Vgl. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 5 - 8. 128 Vgl. H ENKES -Z IN , Christiane: Überlieferung und Rezeption (2004), S. 36. 129 Vgl. die Beschreibung aller Handschriften bei R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 5 - 12. 130 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014). 131 Vgl. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011). 30 1 Einleitung mit Sängerkonkurrenten auf - im Rätselstreit mit Singûf oder in der an ihn gerichteten Strophe im eigenen Ton (VI,12) 132 - , doch in den frühen Dichterkatalogen, die sich im 14. Jahrhundert ausbilden, 133 wird er nicht genannt. Selbst Hermann Damens Katalogstrophe, die in J auf fol. 118 v steht, erwähnt Rumelant nicht, obwohl dessen Spruchwerk doch umfassend in J überliefert ist (fol. 47 v - 62 v ). Hingegen taucht der Name in verschiedenen Schreibungen in den Dichterkatalogen des 15. und 16. Jahrhunderts auf - in den Katalogliedern von Konrad Nachtigall und Hans Folz sowie im Prosakatalog von Valentin Voigt 134 - , weshalb Horst B RUNNER Rumelant zu den «[g]ut bezeugte[n] und überlieferte[n] Autoren des 12. bis frühen 14. Jahrhunderts» 135 zählt. Wenn auch die Rezeption von Rumelants Tönen im 14. und 15. Jahrhundert bei Weitem nicht mit den vier ‹ gekrönten › Tönen (die Langen Töne des Marner, Heinrichs von Mügeln/ Boppes, Regenbogens und Frauenlobs) 136 zu vergleichen ist, zeugen doch die drei Meisterlieder im Geschwindem Ton in k, der u. a. meinster Rumslant zugeschrieben wird, von einer zumindest passiven Namenskenntnis im Spätmittelalter. Dass Rumelant dort in eine Reihe mit Frauenlob und Wolfram gestellt wird, mag darüber hinaus als Demonstration für eine wertschätzende Aufnahme gelten (vgl. Kapitel 4.3.2). Ferner ist zu bemerken, dass mit der lateinischen Kontrafaktur in Rumelants Ton I in der Augsburger Cantionessammlung eine Verbreitung ausserhalb des volkssprachigen Rahmens schon im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert gesichert ist. Mit Rumelant von Sachsen steht ein Autor im Zentrum der Untersuchung, den die Forschung sowohl als einen der «produktivsten und interessanten Sangspruchdichter aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts» 137 als auch als einen der «produktivsten und interessantesten Tonautoren unter den Spruchsängern» 138 verstanden hat. Dieser nicht sonderlich aussagekräftigen, aber doch positiven Bewertung der neueren Forschung steht die Nichtbeachtung durch die ältere Forschung entgegen, die sich nach Friedrich P ANZER s Monographie von 1893, die zu vernichtenden Urteilen über den rumelantschen «Stil» 139 kommt, kaum mit ihm auseinandergesetzt hat. Unter dem Titel ‹ Meister Rûmzlants Leben und Dichten › versammelt P ANZER seine Analysen zu Überlieferung, Leben und Persönlichkeit, Sprache, Stil und Metrik des Rumelant- Œ uvres aus C, J und W 140 - die Strophen in k will er, anders als Karl B ARTSCH , 141 nicht «unserem R[umelant]» 142 zuweisen. Anschliessend an die Überlegungen Konrad B URDACH s und Gustav R OETHE s liegt es P ANZER daran, auch für die Sangsprüche und Minnelieder Rumelants 132 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 164 - 181. 133 Vgl. H ENKEL , Nikolaus: Die zwölf alten Meister (1987). 134 Die Kataloge sind abgedruckt bei B RUNNER , Horst: Dichter ohne Werk (1989), S. 14 - 31. In allen dreien wird Rumelants Name in unmittelbarer Nähe zum oberdeutschen Spruchdichter Gast genannt, der vermutlich im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts produktiv war (vgl. S CHIENDORFER , Max: Ein Fremdling namens ‹ Gast › [2000]). 135 B RUNNER , Horst: Dichter ohne Werk (1989), S. 7 f. 136 Vgl. R ETTELBACH , Johannes: Variation - Derivation - Imitation (1993), S. 313 - 318. 137 K ERN , Peter: Got in vier elementen sich erscheinet (2000), S. 130. 138 B RUNNER , Horst: Formgeschichte der Sangspruchdichtung (2013), S. 87. Ähnlich auch die Bewertung der formalen Vielfalt der Rumelant-Töne bei dems.: Formen der Spruchtöne (2015), S. 269 f. 139 Vgl. P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), S. 34. 140 M a war P ANZER noch nicht bekannt, vgl. T ERVOOREN , Helmut / B EIN , Thomas: Ein neues Fragment (1988). 141 Vgl. B ARTSCH , Karl: Meisterlieder (1862), S. 704: «Der reim ungelart : wart stimmt zu Raumslands mundart.» 142 P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), S. 10. 1.2 Rumelant im Kontext: Textkorpus und Forschungsstand 31 Merkmale eines spezifisch ‹ niederdeutschen Stils › 143 herauszuarbeiten, wobei er zu dem Schluss kommt: «unser verstandesmässig nüchterner, ehrlicher, wenig gelehrter formloser dichter darf als der typischste vertreter der norddeutschen art hingestellt werden.» 144 Erst Burghart W ACHINGER s grundlegende Sängerkrieg-Studie 145 hat Rumelant wieder ins Blickfeld der Forschung gerückt. 146 W ACHINGER nimmt aufgrund seiner Ausrichtung diejenigen Strophen in den Blick, in denen sich Rumelant mit Sängerkonkurrenten auseinandersetzt, d. h. mit dem Marner und Singûf, sowie die bereits erwähnte, irrtümlich Rumelant zugeschriebene Strophe VI,12, in der es um einen nicht näher identifizierbaren Streit um ein singerlin geht. Im Anschluss an W ACHINGER s umfassende Arbeit hat sich Freimut L ÖSER ergänzend in zwei Untersuchungen dem Rumelant-Singûf-Streit gewidmet: einerseits mit einem Fokus auf die Rollenhaftigkeit des literarischen Gegners, 147 andererseits auf die spezifische Textualität des Rätsels. 148 Ferner sind Rumelants Äusserungen in den sängerpolemischen Strophen relevant geworden für Arbeiten zum Marner 149 sowie zum wîp-vrouwe-Streit in Frauenlobs Langem Ton. 150 Einen neuen methodischen Zugang, der die direkten Namensnennungen in den Sprüchen als Form der Intertextualität beschreibt, nutzt Mirjam B URKARD , die in ihrer Untersuchung auch einzelne Rumelant-Strophen einbezieht (I,9; IV,6 - 7; VIII,2 - 3; XI,2). 151 Die teils komplexen theologischen und astronomischen Wissenshorizonte, auf die die Strophen referieren, sind für Einzelfälle 143 Um 1300 bilden sich im Norden und Nordosten des deutschen Sprachgebiets (Mecklenburg, Pommern, Schleswig-Holstein und Rügen) schnell und umfassend höfische Strukturen aus, so dass die Region «mit dem jetzt konkreter als je zuvor greifbaren Bild eines qualitativ ausgefeilten ritterlich-höfischen Lebens einen kulturellen Höhepunkt» (A UGE , Oliver: Rasante Aufholjagd des ‹ jüngeren › Nordens? [2015], S. 31) erlebt, der sich u. a. darin zeigt, dass für die Zeit und Region sehr viele Belege für Sangspruchdichtung zu finden sind. Dies stellt eine Veränderung gegenüber der früheren Sangspruchdichtung dar, für die sich mehr südwestliche Belege finden lassen. H IRSCHBIEGEL , Jan: Spuren am Oberrhein? (2015), S. 53 gibt zu bedenken, dass sich nicht entscheiden lasse, ob «die Jahrhundertwende eine Zäsur in der Entwicklung» des Sangspruchs darstelle, ob von einer «Verlagerung des Genres durch Abwanderung der Sangspruchdichter in andere Regionen» ausgegangen werden muss, ob daran ein «Wandel der ritterlichhöfischen Kultur» manifest werde oder ob die fehlenden Befunde auch auf einen Überlieferungszufall zurückzuführen seien. 144 P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), S. 25. Vgl. zum ‹ niederdeutschen Stil › auch Kapitel 4.1.1. 145 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973). 146 Vgl. die einschlägigen Lexikon- und Handbucheinträge: K ERN , Peter: Art. ‹ Rumelant (von Sachsen) › (1992); H UBER , Christoph / R UNOW , Holger: Art. ‹ Rumslant (von Sachsen) › ( 2 2011); R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2019). 147 Vgl. L ÖSER , Freimut: Mein liebster Feind (2002). In einem anderen Kontext zielen auch die Überlegungen von V OLFING , Annette: Kunst- und Wissenstransfer bei Rumelant von Sachsen (2017) auf die Rollenhaftigkeit in der Sangspruchdichtung Rumelants, vgl. dazu grundlegend L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008). 148 Vgl. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998). Vgl. zum Rätselstreit zwischen Rumelant und Singûf auch T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 304 - 309. Allgemeiner beleuchtet Freimut L ÖSER die Strophen auch hinsichtlich der Rolle Rumelants innerhalb der Literaturszene der Sangspruchdichter, vgl. ders.: Von kleinen und großen Meistern (2007). 149 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 43 - 46. 150 Vgl. u. a. B ERTAU , Karl: Zum wîp-vrouwe-Streit (1978); E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 298; W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 140 f. 151 Vgl. B URKARD , Mirjam: Sangspruchdichter unter sich (2012), S. 197 - 255. B URKARD s strikter Zugriff, der nur Sangsprüche berücksichtigt, in denen andere Sangspruchdichter namentlich erwähnt werden, führt dazu, dass Strophen, die vermutlich als zu den behandelten Strophen gehörig gedacht werden können (IV,5; XI,1), nicht beachtet werden. 32 1 Einleitung ausführlicher beschrieben worden; 152 dass darüber hinaus das Textkorpus seit Kurzem in zwei kommentierten Editionen vorliegt (s. o.), stellt eine grosse Erleichterung für das Textverständnis dar und bietet zusammen mit dem systematischen Vorstoss der Klärung des Status der Sangspruchdichtung um 1300 die Chance, hier autorspezifisch nachzuhaken und zu vertiefen. Für die historischen Bezüge der Strophen lässt sich nach P ANZER s Datierungsversuchen 153 kaum Neues sagen, einzig Rumelants Rolle am dänischen Königshof wurde bisweilen diskutiert, 154 wobei William L AYHER s These, dass Rumelant seine mittelniederdeutschen Sprüche in Dänemark einem bilingualen Publikum (altdänisch und mittelniederdeutsch) vorgetragen habe, zwangsläufig einigermassen spekulativ bleiben muss. Die Rezeptionsbedingungen des Sangspruchs sind auch Gegenstand einer Untersuchung von Holger R UNOW , in der er u. a. an einigen Strophen Rumelants zeigen kann, dass diese zwar «im Vortrag denkbar und primär funktional» sind, jedoch «erst in schriftgebundener Lektüre ihr mehrschichtiges Sinnpotential entfalten» können. 155 Wie der kurze Überblick zeigt, hat sich Forschung für das Rumelant- Œ uvre deutlich auf das sehr viel umfangreichere Sangspruch-Textkorpus konzentriert. Die Meisterlieder in der Kolmarer Liederhandschrift (k) hat R UNOW ediert und kommentiert, zudem wird in den einschlägigen Arbeiten zum Tönegebrauch in k punktuell darauf hingewiesen. 156 Über die Minnelieder in C ist - wenn ich richtig sehe - bis auf R UNOW s Kommentar seit P ANZER s Dissertation nichts mehr erschienen. Eine deutliche Forschungslücke stellt zudem dar, dass sich bis anhin kaum Arbeiten finden lassen, die systematisch den Einsatz von poetischen Mitteln im Rumelant- Œ uvre beschreiben, 157 obwohl Peter K ERN ihre Vielfalt längst betont hat und «[a]naphorische Wortreihen und Paronomasien, etymologische Spielereien und Namensrätsel, Ironie, logischer Diskurs, metaphernreiche ‹ Blümer › -Sprache, bildhafte Rede, Personifikation, Parabel, Sprichwort und Sentenz, biblische Anspielung, zitathafte Berufung auf Autoritäten, Allegorie, Typologie, spiraliter-Deutung der Schrift und Dingallegorese» 158 aufzählt. 152 Vgl. G ADE , Dietlind: Wissen - Glaube - Dichtung (2005), S. 14 - 25; K ERN , Peter: Nabuchodonosors Traumgesicht (1992); ders.: Der den tzirkel tichte senewel vmme (1995); ders.: Got in vier elementen sich erscheinet (2000). Zum Strophenkomplex I,1 - 4 vgl. neuerdings auch R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), S. 146 - 156, der die Strophen auf die Frage strophenübergreifender Kohärenz hin untersucht. Einen Überblick über Epochenspezifika des geistlichen Sangspruchs um 1300 bietet R OSMER , Stefan: Die Tradition des geistlichen Sangspruchs (2015), besonders S. 326 f. Einen anderen Wissenshorizont, die Kunstreflexion in den Sangsprüchen Rumelants und Bruder Wernhers, betrachten K ÖRNDLE , Franz / L ÖSER , Freimut: Gesänge vom Gesang (2017). 153 Vgl. P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), S. 21 - 25, der Rumelants Strophen in die Zeit vor 1273 bis 1286 datiert. 154 Vgl. L AYHER , William: Meister Rumelant & Co. (2000); M URRAY , Alan V.: Danish Kings and German Poets (2017); S CHRÖDER , Reinhold: Rumelant von Sachsen (1997). 155 R UNOW , Holger: Hât ieman sin sô snellen . . . (2015), S. 105. 156 Vgl. B ALDZUHN , Michael: Vom Sangspruch zum Meisterlied (2002), S. 415; B RUNNER , Horst: Die alten Meister (1975), S. 78 f., 92 f. 157 Neben den bereits erwähnten Arbeiten zum Rätsel von Freimut L ÖSER und Tomas T OMASEK (vgl. Anm. 148) vgl. etwa Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), besonders S. 50, 93 - 95, 166 f., 142 - 146 sowie - mit poetologischer Ausrichtung - O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), besonders S. 196, 199, 214 f. zu den Sängerpolemiken und Totenklagen. 158 K ERN , Peter: Art. ‹ Rumelant (von Sachsen) › ( 2 1992), Sp. 386. P ANZER merkt in seiner Stilbeschreibung dagegen zwar an, dass «der b i l d e r s c h m u c k , der, wie von selbst sich einstellend, die dichterische 1.2 Rumelant im Kontext: Textkorpus und Forschungsstand 33 Inwiefern ist es aber sinnvoll und möglich, eine Analyse, welche die differenzierte gattungstypische Verwendung übertragener Rede im Fokus hat, an einem isolierten Autor œ uvre zu erproben? Schliesslich wird gerade das intertextuelle Geflecht der Sangspruchstrophen dann besonders deutlich, wenn die Bezüge z. B. in polemischen Strophen explizit gemacht werden. Ausserdem wird über die Gemeinschaft der meister dieAnschlussmöglichkeit des Meistersangs an den Sangspruch gewährleistet und schliesslich überliefern auch die Handschriften eine Sammlung von Autorkorpora, die z.T. (etwa über Randnotizen, vgl. Kapitel 3.4.5) aufeinander Bezug nehmen. Es liegt daher gerade in diesem Fall besonders nahe, dass autorbezogene Aussagen über die Poetik eines Sangspruch œ uvres nur über Vergleiche getroffen werden können. In diesem Sinn soll und kann Rumelant für meine Arbeit als exemplarischer Fall eines Sangspruchdichters des 13. Jahrhunderts gelten, der hinsichtlich seiner geographischen Verortung im niederdeutschen Raum Teil einer erstarkenden Sangspruchtradition im Norden und Nordosten ist, 159 und auch in Bezug auf das Themenspektrum, Überlieferung und Rezeption durchaus vergleichbar mit Zeitgenossen ist; so finden sich etwa enge thematische Übereinstimmungen mit Kelin oder - etwas später - Wizlav von Rügen, das - etwas frühere - Marner- Œ uvre bietet signifikante Vergleichspunkte für die Synergieeffekte zwischen den im 13. Jahrhundert immer stärker ineinandergreifenden lyrischen Gattungen sowohl für die Minnelieder Rumelants als etwa auch für die panegyrischen Sangsprüche. Auch die starke Bildsprache Konrads von Würzburg, die sich in der ganzen gattungstypologischen Vielfalt des Autors ausdifferenziert, kann als Folie dienen, vor der sich die Bildsprache Rumelants mit Gewinn akzentuieren lässt, um nur diese Beispiele zu nennen. Es liegt nahe, den zeitlichen Fokus meiner Überlegungen mit Rumelant auf die Jahrzehnte vor 1300 zu legen: Bereits seit Hugo K UHN , der des «Minnesangs Wende» 160 bekanntlich als Teil einer umfassenderen, allgemeinen Stilwende aufgefasst hat, die sich auf musikalischer, architektonischer, philosophischer, theologischer, epischer und lyrischer Ebene niederschlage, betrachtet die Forschung den Umbruch von Hochzum Spätmittelalter im 13. Jahrhundert als Schlüsselmoment nicht nur der mittelhochdeutschen, sondern grundsätzlich der mittelalterlichen Lyrik. 161 Mit der Frage, inwiefern in dieser Zeit ein inhaltlich wie formal zentraler lyrikgeschichtlicher Paradigmenwechsel eintrete, hat sich v. a. die Minnesangforschung eingehend beschäftigt. 162 Viele Fragestellungen, wie etwa diejenige nach den medialen Veränderungen mit dem Aufkommen der grossen Lyrikhandschriften nach 1300, 163 berühren aber auch die Gattung Sangspruchdichtung, die im Spätmittelalter ohnehin vermehrt minnelyrische Interferenzen aufweist. 164 Mit den Beiträgen aus dem von Dorothea K LEIN rede von der prosaischen unterscheidet» (S. 34), fast ganz fehle. Er nennt aber als weitere Merkmale die Häufung von rhetorischen Fragen, Wortwiederholungen, voneinander abhängige Genitive, Parenthesen, Anaphern, eine Tendenz zum losen Satzgefüge, Ironie, die spezifische Verwendung von Wörtern des «V o l k s e p o s » (S. 37), Apokoinu, Apostrophen, Etymologisierungen sowie diverse Hapax legomena (vgl. P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant [1893], S. 34 - 38 [Hervorh. im Original]). 159 Vgl. A UGE , Oliver: Rasante Aufholjagd des ‹ jüngeren › Nordens? (2015). 160 K UHN , Hugo: Minnesangs Wende (1952). 161 Vgl. H USS , Bernhard / M EHLTRETTER , Florian / R EGN , Gerhard: Lyriktheorie(n) der italienischen Renaissance (2012). 162 Vgl. K ÖBELE , Susanne (Hg.): Transformationen der Lyrik im 13. Jahrhundert (2013). 163 Die «medial verschiedenartigen physisch-materiellen, literarisch- und performativ-virtuellen Aufführungsräume der Sangspruchdichung» (S. 110) analysiert L AUER , Claudia: Unerhörtes Singen (2010). 164 Vgl. E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002). 34 1 Einleitung und Gert H ÜBNER herausgegebenen Sammelband 165 ist unlängst auch für die Sangspruchdichtung eine Umbruchphase beschrieben worden: K LEIN und H ÜBNER stellen fest, dass «die Jahrzehnte vor und um 1300 eine Art Sattelzeit für die lange Wirkungsmacht der alten Gattung waren» 166 , die einerseits von deutlichem Traditionsbezug geprägt ist, sich andererseits durch eine im spezifischen Überbietungsgestus immer stärker ausgestellte Artifizialität auszeichnet. Für meine Beschäftigung mit Rumelants Spruch œ uvre aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert 167 gilt es daher, die anvisierten Mehrdeutigkeitsphänomene historisch und systematisch zu differenzieren. Mit Blick auf die diachrone Ebene soll untersucht werden, wie die Sangspruchdichter des ausgehenden 13. Jahrhunderts dieTraditionen der Gattung innovativ nutzen und produktiv umgestalten: im Grenzgebiet zwischen Ästhetik und Pragmatik, v. a. aber für die Frage nach der Kohärenz von Gattungs- und Autorkonturen 168 auf den unterschiedlichen Beobachtungsebenen von Überlieferung, Text- und Tonautorschaft, Sinnbildungs- und Verrätselungsprozeduren. 165 Vgl. H ÜBNER , Gert / K LEIN , Dorothea (Hgg.): Sangspruchdichtung um 1300 (2015). 166 H ÜBNER , Gert / K LEIN , Dorothea: Vorwort (2015), S. VII. 167 Der Datierung der Dichtung Rumelants zwischen 1273 und 1286 (möglicherweise 1287), die P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), S. 10 - 16 vorgeschlagen hatte, schliesse ich mich - wie etwa auch K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 7 - an. Dass die Strophen in k vermutlich später entstanden sind, spielt für meine Überlegungen keine Rolle, selbst wenn ich die Meisterlieder und die lateinischen Strophen der Augsburger Cantionessammlung vergleichend in die Analyse miteinbeziehe, denn der grösste Teil des Rumelant- Œ uvres ist in J überliefert. 168 Vgl. zum Begriff M ÖCKLI , Andrea: Autorkonturen (2019), S. 18, passim. 1.2 Rumelant im Kontext: Textkorpus und Forschungsstand 35 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe 2.1 Tendenzielle Einstrophigkeit als Gattungsmerkmal Behandelt die Forschung die Sangspruchstrophe, dann noch immer meist im Kontext der Frage, inwiefern die Unterscheidung zwischen einstrophigem Sangspruch und mehrstrophiger Minnelyrik als formales Kriterium 1 zur Gattungsunterscheidung genutzt werden kann. 2 Bereits Hugo M OSER hatte eine kategorische Grenzziehung verworfen, 3 und es hat sich längst der Forschungskonsens ausgebildet, dass die Sangspruchdichtung trotz aller gattungsgeschichtlichen Transformationen 4 zwar als tendenziell einstrophig angesehen werden kann, dass die Einzelstrophen aber auch eine Offenheit aufweisen, die es möglich machen, sie zu grösseren Strophenkomplexen zu verbinden. Auszuloten bleibt, ob der Sangspruch als eher einstrophig mit vereinzelten Möglichkeiten zur Strophenkomplexbildung anzusehen ist, 5 oder ob er einen umfassenderen Hang zur Mehrstrophigkeit aufweist, bei der die Einzelstrophe aber nicht aufgegeben wird. 6 Dem Aspekt der Ein- oder Mehrstrophigkeit in Bezug auf die Spruch-Lied-Debatte vorgeordnet steht jedoch die Frage, was die ‹ Einheit › der Einzelstrophe ausmacht. Schon Helmut T ERVOOREN hat den grundlegenden Punkt seiner Überlegungen dementsprechend formuliert: «Besaß das Mittelalter ein weniger starkes oder ein anderes Gefühl für die Einheitlichkeit eines Kunstwerkes als die Moderne? » 7 Davon abgesehen, ob ‹ Einheitlichkeit › und ‹ Einheit › hier synonym zu verwenden sind, ist die hier angesprochene Frage nach der Historizität mittelalterlicher Kohärenzkriterien (vgl. Kapitel 1.1) freilich auch für die Beurteilung der Kohärenz der Einzelstrophe relevant. Woran lässt sich die ‹ Einheit › der Sangspruchstrophe also festmachen? Kann die Strophe in formaler Hinsicht, d. h. in Bezug auf den metrischen Bau und die Melodie, als kohärent gelten? Weiter ist mit Walthers Etablierung der stolligen 1 Vgl. zum Begriff des Gattungsmerkmals auch Kapitel 4, Anm. 6. 2 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: «Spruch» und «Lied» (1972) sowie die Forschungsüberblicke von E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 37 - 43 und W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 14 - 18. 3 Vgl. M OSER , Hugo: Minnesang und Spruchdichtung? (1956), S. 377; ähnlich auch S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 28 - 32. 4 Vgl. etwa S CHANZE , Frieder: Meisterliche Liedkunst (1983 - 84), S. 2 - 4, der die tendenziell einstrophige Sangspruchdichtung des 13. Jahrhunderts abgrenzt von der sich Mitte des 14. Jahrhunderts ausbildenden Barform und darin das Hauptkriterium einer Epochengrenze sieht. Eine Zwischenform des 15. Jahrhunderts hat unlängst B ALDZUHN , Michael: Der ‹ Hort von Kidron › (2015) mit den 35 Strophen des Horts von Kidron beschrieben. Als Argument für die Einheit der Strophen nennt B ALDZUHN neben «Überlieferung, Inhalt und Titel [. . .] auch die Typenbezeichnung ‹ Hort › » (S. 335) und beschreibt aus einer formgeschichtlichen Perspektive «eine spezifische Praxis der Strophengruppenverwendung im Prozess der Barbildung» (S. 340). 5 Vgl. RSM 1 (1994), S. 2. 6 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Sangspruchdichtung ( 2 2001), S. 71 - 74. Zur Gegenüberstellung der beiden Forschungspositionen vgl. auch M IEDEMA , Nine: Die Strophen 18 und 19 (2000), S. 167 f. 7 T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 41. Form auch für den Sangspruch die Frage aufgeworfen, ob nicht die Kohärenz eines liedhaften Strophenverbunds höher zu gewichten sei als die Kohärenz der Einzelstrophe. Auch thematisch liesse sich die Strophe als kohärent verstehen, wenn angenommen wird, dass mit jeder neuen Strophe auch ein neues Thema angesprochen ist. Aber wie ist dieses Kriterium mit der Tendenz der Liedersammelhandschriften zu vereinbaren, Strophen mit ähnlichen Inhalten in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander anzuordnen? Die Unterscheidung, welche Strophen als übergreifende Komplexe zu verstehen sind und welche zufällig ‹ sangspruchtypische › Inhalte nebeneinander überliefern, lässt sich in Einzelfällen kaum entscheiden (wovon die differenten Forschungspositionen zeugen), so dass die Frage nach der produktionsästhetischen Intention nicht weiterhilft (vgl. Kapitel 3.1). Erschwerend tritt hinzu, dass verschiedentlich Strophen sowohl einzeln als auch im Liedkontext überliefert werden. 8 Wird nun die einzelne Sangspruchstrophe als ‹ textuelle Einheit › 9 betrachtet, liesse sich doch weiter fragen, inwiefern diese als kohärent beschrieben werden kann, d. h. welche sprachlichen Mittel bzw. welcher Redegestus bei den Rezipienten den Eindruck einer kohärenten Einzelstrophe erwecken können. Meint Kohärenz in Bezug auf die Einzelstrophe ‹ Einheit › , ‹ Abgeschlossenheit › oder gar ‹ Eindeutigkeit › ? Inwiefern wirkt die in der Handschrift als zusammengehörig erscheinende Einzelstrophe zusammen mit thematischen oder bildsprachlichen Kohärenzbestrebungen und inwiefern steht sie quer zu diesen? Kurt R UH hat in Auseinandersetzung mit Friedrich M AURER s kritisch rezipierter These der Walther-Töne als ‹ liedhaften Einheiten › (s. u.) ein grundsätzlich anderes Verhältnis von Strophen- und Toneinheit in Minnesang und Sangspruch ebenso wie eine epochale Differenzierung dieser Relation festgestellt. 10 Im Anschluss an R UH s Überlegungen gilt es, die Sangspruchstrophe auch in einem diachronen Vergleich in den Blick zu nehmen, der freilich nur einzelne Bezugspunkte aufzeigen kann, und davon ausgehend zu überlegen, was die Merkmale der Strophenarchitektur des ausgehenden 13. Jahrhunderts sind. 2.2 Sangspruchdichtung als «konstatierende Dichtung» Bereits Karl S TACKMANN hat als Charakteristikum für die Sangsprüche Heinrichs von Mügeln den Begriff der ‹ konstatierenden Poesie › geprägt, meint mit dem Begriff allerdings weit mehr als einen ‹ feststellenden › Redegestus: Letztlich entspringen Heinrichs Gedichte allesamt [. . .], ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den verschiedenen Sparten der Gattung, einer einheitlichen, auf das strengste gewahrten Grundvorstellung vom Beruf des Spruchdichters. Es ist ihm aufgetragen, durch sein Wort das Vorhandensein sicherer Wahrheit festzustellen, diese Wahrheit zu bestätigen und an sie zu erinnern. Eine in diesem Sinne k o n s t a t i e r e n d e Dichtung kann ihrem Wesen nach nicht auf die Erschließung geistigen Neulandes ausgehen. 11 8 Vgl. H ENKEL , Nikolaus: Vagierende Einzelstrophen (2001). 9 Vgl. zum Begriff Kapitel 1.1. 10 Vgl. R UH , Kurt: Mittelhochdeutsche Spruchdichtung als gattungsgeschichtliches Problem (1968). 11 S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 77 [Hervorh. im Original]. 38 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe So finde das Eingeständnis Heinrichs von Mügeln, dass es der eigenen Dichtung an neuen Inhalten mangele, trotz seiner Toposhaftigkeit «genaue Entsprechung und Begründung in dem Verhalten, das er als Dichter an den Tag legt.» 12 Mügelns Inhalte seien nicht neu, sondern «nach-gedacht» 13 , weil sie bereits Verbürgtes darstellen, die in einer allen Strophen gemeinsamen, von der pragmatischen Einbettung unabhängigen Redeweise präsentiert würden. S TACKMANN s Überlegungen, die letztlich darauf zielen, die «Individualität» 14 Heinrichs von Mügeln zu beschreiben, wurden in der Folge für die gesamte Gattung in Anspruch genommen: 15 Die Sangspruchdichtung zeichne sich aus durch den Verweis auf allgemeingültige Inhalte im ‹ konstatierenden Gestus › , 16 die Rolle des Sangspruchdichters sei dementsprechend häufig die des vermittelnden Lehrers oder Ratgebers. 17 Dabei ist allerdings zu bedenken, dass eine ‹ konstatierende › nicht zwingend auch eine ‹ didaktische Dichtung › bedeuten muss (vgl. Kapitel 4), 18 wie S TACKMANN selbst anmerkt. 19 Greifen die Autoren nun auf bereits bezeugte Inhalte zurück, stellt sich die Frage nach der Darbietung dieser Inhalte gerade für den Sangspruch um 1300, der sich immer wieder neu innerhalb des Spannungsfeldes von (inszenierter) Innovation und (inszenierter) Traditionsgebundenheit verortet. Es ist im Folgenden zu zeigen, wie die bekannten Wissensinhalte und Normen auch in einer Redeweise präsentiert werden, die ihre autoritative Absicherung geradezu ausstellt. ‹ Sententiös › , ‹ gnomisch › oder ‹ pointiert › hat die Forschung diese ‹ sangspruchhafte › Redeweise genannt, dabei allerdings kaum je die Spezifika dieser Strukturen beschrieben. Im weiteren Verlauf sind daher für die Frage, wie Kohärenz innerhalb der Einzelstrophe im Modus konstatierenden Sprechens hergestellt wird, in einem ersten Schritt die Begrifflichkeiten genauer zu klären. 12 S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 77 f. 13 S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 76. 14 S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 71 - 78, passim. 15 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Sangspruchdichtung ( 2 2001), S. 49 f. 16 K ÜHNE , Udo: Entwicklungen der lateinischen Lyrik (2007), S. 83 nimmt diese Merkmale auch für den ‹ lateinischen Sangspruch › in Anspruch. Vgl. Kapitel 4.3.1. 17 Doch hat L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008) festgestellt, dass gerade in der Vielfalt der Sängerrollen, die sich zu jeweils unterschiedlichen Rollenbündeln zusammenschliessen lassen, ein Gattungsspezifikum liegt. Vgl. zur Rollenhaftigkeit der Sangspruchdichtung Kapitel 1.1. 18 Anders T ERVOOREN , Helmut: Sangspruchdichtung ( 2 2001), S. 49 f.: «Nicht die persönliche Meinung des Autors, sondern öffentliche Meinung, das allgemein Gültige wird konstatiert [. . .], das heißt konkret: christliche Glaubenslehre und allgemeine Weisheitslehre, Stände-, Herren- und Jugendlehre, allgemeine und spezielle Fragen einer Laienmoral, Ethik des höfischen Lebens, Reflexionen über den Zustand der Welt [. . .], gelegentlich Kunstkritik und -reflexion [. . .], Naturbetrachtung, Kosmologisches, Eschatologisches, zumindest bei einigen Dichtern, Politisches im engeren Sinne und immer wieder: Klagen über das Los der Fahrenden. Mit diesem Repertoire taucht die Sangspruchdichtung in die Gemeinschaft mittelalterlicher didaktischer Literatur ein, in der sie sich aber durch ihre spezifische Darbietung von Großformen wie etwa Freidanks ‹ Bescheidenheit › oder dem ‹ Renner › Hugos von Trimberg abhebt und ihr eigenes Profil gewinnt.» 19 Vgl. S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 76. 2.2 Sangspruchdichtung als «konstatierende Dichtung» 39 2.3 Zum Sentenz-Begriff Seit Karl S IMROCK , der bekanntlich den Begriff spruch bei Walther von der Vogelweide missverständlich als terminologische Bezeichnung aufgefasst hat, 20 ist der Bestandteil ‹ Spruch › in der Gattungsbezeichnung erhalten geblieben, der als «einfache Form» verschiedene Merkmale aufweist, die auch das Verständnis der Sangspruchdichtung prägen: Kürze, Prägnanz und eine «aussagende» Art. 21 Auch die Forschung hat die Ursprünge der Gattung in Sprichwörtern und Spruchsammlungen gesehen, 22 mit denen die Sangsprüche tatsächlich eine grosse thematische Übereinstimmung aufweisen. Dass unter einem solchen Blick dieTexte stark situationsgebunden verstanden werden, d. h. dass angenommen wurde, «die Aufgabe des Spruchdichters [sei] primär dadurch bestimmt [. . .], eine gegebene Situation, an die er mit seinem Auftritt stets gebunden bleibt, mit dem geeigneten Kommentar zu versehen, sie zu deuten» 23 , scheint mir nicht unbedenklich vor dem Hintergrund eines Gattungsverständnisses, das auch die Literarizität der Sangsprüche betrachtet (vgl. Kapitel 1.1), denn schliesslich zeugen die Liederhandschriften von einem Bestreben, die Strophen jenseits des unmittelbaren Situationsbezugs zu überliefern. Deshalb stehen für meine Überlegungen nicht die gattungsgenetischen Ursprünge im Fokus, sondern die Rolle der ‹ sentenzhaften Strukturen › innerhalb der Einzelstrophe. In Abgrenzung von Phänomenen wie dem an die Prosaform gebunden Aphorismus, aber auch dem Epigramm in seiner zweiteiligen, auf die Schlusspointe hin gerichteten Struktur, verstehe ich den Begriff der ‹ sentenzhaften Struktur › als Formprinzip, dessen Merkmale im Folgenden zu bestimmen sind. Schwer zu trennen ist die ‹ sentenzhafte Struktur › vom Sprichwort. Beide stimmen nach den von Manfred E IKELMANN und Tomas T OMASEK aufgestellten Kriterien zwar in ihrer kommunikativen Funktion überein, unterscheiden sich aber sowohl hinsichtlich des Grades der Kürze und Idiomatik, als auch durch die Breite des Vergleichsmaterials sowie durch das Vorhandensein eines Rahmenelementes, welches den Text als wortelîn o. ä. ausweist. 24 Auch verstehe ich den Terminus gerade nicht wie Shao-Ji Y AO als «verkürztes Exempel» 25 : Denn das 20 Vgl. S IMROCK , Karl: Die Gedichte Walthers von der Vogelweide (1833); Kritik bei S CHNEIDER , Hermann: Mittelhochdeutsche Spruchdichtung (1972). S IMROCK s Unterscheidung hatte schliesslich auch Konsequenzen für die Vorstellung der älteren Forschung über die Vortragsform des Sangspruchs, so P FEIFFER , Franz: Walther von der Vogelweide (1864), S. 3: «Die mittelhochdeutschen lyrischen Gedichte zerfallen ihrer Form nach in Lieder und Leiche. Bei den Liedern unterscheidet man zwischen Liedern im heutigen Sinne und zwischen Sprüchen. Jene wurden nur gesungen, diese konnten auch hergesagt oder recitiert werden; der Gegensatz von Lied und Spruch ist in der formelhaften Redensart singen und sagen ausgedrückt.» [Hervorh. im Original]. Vgl. die Übersicht über die ältere Forschung bei R UNOW , Holger: Sangspruchdichtung als Gattung (2019), S. 3 - 8, vgl. zur «Spruch-Lied-Debatte» auch Kapitel 4. 21 J OLLES , André: Einfache Formen ( 8 2006 [1930]), S. 150 - 170, hier S. 163; vgl. ausserdem R UNOW , Holger / W ENZEL , Franziska: Art. ‹ Spruch, Spruchdichtung › (2007). Zur Beeinflussung der Sangspruchdichtung durch die Weisheitsbücher vgl. auch S TACKMANN , Karl: Salomônes lêre (2004); V OLFING , Annette: wisheit hat alle ding geticht (2004). 22 Vgl. M OSER , Hugo: Mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung (1972), S. 205 - 226. 23 G RUBMÜLLER , Klaus: Die Regel als Kommentar (1979), S. 39 f. 24 Zur Unterscheidung vgl. E IKELMANN , Manfred / T OMASEK , Tomas: Handbuch der Sentenzen und Sprichwörter 2 (2009), S. VII - X. 25 Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 27. Y AO hält dabei fest, dass der Exempelteil der von ihm untersuchten zweiteiligen «Exempellieder» zwar stets narrativ sei, aber auch «in einem Sprichwort, einer Sentenz oder gar zu einer bloßen Namensnennung von Protagonisten komprimiert sein» könne (S. 27). Mit 40 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe Exempel kann die Konkretisierung eines allgemeingültigen Sachverhaltes darstellen, thematisiert auf jeden Fall aber den Wechselbezug von Einzelfall und Allgemeinem (vgl. Kapitel 3.4.3), 26 wohingegen ‹ sentenzhafte › Formen absolut Gültiges konstatieren. Zuletzt ist für die Sangspruchdichtung v. a. der Begriff der ‹ Gnomik › verwendet worden, um eine spezifische ‹ sangspruchhafte › Redeweise (auch in der Kombination ‹ sangspruchhaft-gnomisch › ), als eine Untergattung (vgl. Kapitel 4.1) oder als «Systemdominante» 27 der Gattung zu beschreiben. 28 Sowohl als Gattungsbezeichnung wie auch als spezifisches Formprinzip weist der Begriff der ‹ Gnomik › grosse Ähnlichkeiten mit den Strukturen auf, die ich zu skizzieren versuche, doch scheint mir der ubiquitäre und nicht immer differenzierte Gebrauch innerhalb der Sangspruchforschung eher hinderlich. 29 Das bedeutet indes nicht, dass ‹ sentenzhafte Struktur › ein unproblematischer Begriff wäre. Es gilt, ihn von ‹ Sentenz › als einer Gattung abzugrenzen, die sich durch ihre «Rückbindung an bekannte Autoren und Texte» 30 auszeichnet, und als strukturelles und funktionales Textmerkmal zu schildern. 31 So liesse sich beispielsweise der erste Stollen in Rumelants Strophe im achten Ton als ‹ sentenzhaft › fassen: Der herren hulde ist sam ein is; dar umme ist her nicht v ů llen wis, swer of die beide buwet ho mit kostelichen sachen. Doch treit daz is vil swere last, swen ez der winter vriuset vast. der herren hulde ist ouch also, daz kann diu selde machen: Der wile der man gelucke hat, so blibt her bi hulden. Wie danne, ob daz umme gat also der winter von des meien schulden? Is unde hulde ist beide kranc. Verweis auf T ESCHNER s Diktum, dass solche verkürzten Formen «selbst in einer Spezialuntersuchung kaum fassbar wäre[n]» (T ESCHNER , Joachim: Das bîspel [1970], S. 15) schliesst er solche «nicht-narrative[n] Formen» dezidiert von der Untersuchung aus. 26 Vgl. W ILLER , Stefan / R UCHATZ , Jens / P ETHES , Nicolas: Zur Systematik des Beispiels (2007). 27 B REM , Karin: ‹ Herger › / Spervogel (2000), S. 11. 28 N OLTE , Theodor / S CHUPP , Volker: Mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung (2011) nutzen ihn als Übertitel ihrer thematisch geordneten Anthologie, versammeln allerdings darunter so unterschiedliche Strophen wie Höllefeuers Haz unde nît, daz sint zwei kleit ( 1 Hölf/ 5) und (unmittelbar darauf ) Konrads von Würzburg Mir ist als ich niht lebende si ( 1 KonrW/ 7/ 18) (S. 158 - 16). Inwiefern allerdings gerade Konrads Strophe auf «lebenspraktische Orientierung» zielt, nach E IKELMANN , Manfred: Art. ‹ Gnomik › ( 3 2007) S. 732 ein Merkmal der Gnomik, will sich mir nicht recht erschliessen. 29 Vgl. E IKELMANN , Manfred: Art. ‹ Gnomik › ( 3 2007), S. 732 - 734, hier S. 732. 30 R EUVEKAMP , Silvia: Art. ‹ Sentenz › ( 3 2007), S. 425. 31 Eine weitere Differenzierungsebene zieht M OHR , Jan: Sentenzen (2014), S. 235 ein, indem er zwischen einem Gattungsbegriff ‹ Sentenz › und der Schreibweise unterscheidet, die sich wiederum in einen «Strukturbegriff ‹ Sententiosität › und eine[n] Funktionstyp ‹ sentenzhaftes Schreiben › » unterteilen lässt. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 41 swer e nach herren hulde ranc, dem wil ich singen disen sanc. het er gelucke sunder wanc, dem wirt sin arebeit vil wol v ů rgulden. (VIII,6) 32 Die Strophe gehört zu einem (losen) 33 Verbund der Strophen VIII,5 - 7, die alle das Verhältnis von Herren und Untergebenen thematisieren, wobei die Unzuverlässigkeit der Herren hervorgehoben wird. Der erste Stollen führt einen Vergleich zwischen dem - je nach Jahreszeit schmelzenden oder harten - Eis und der stets wankelmütigen hulde der herren ein. Das Eis als Bild für Veränderlichkeit und Unzuverlässigkeit ist in der mittelhochdeutschen Literatur verbreitet 34 und im sprichwörtlichen Gebrauch der Volkssprache belegt; 35 mit der Verknüpfung mit einer Klage über mangelnde hulde wird der Vergleich ‹ sangspruchhaft › gewendet. Kurz und treffend wird in den ersten vier Versen eine syntaktisch eigenständige Einheit entworfen; der Aussage Der herren hulde ist sam ein is in V. 1 folgt - eingeleitet mit der Konjunktion dar umme (V. 2) - die Konsequenz aus dieser fest umrissenen Aussage. Trotz dieser Eigenständigkeit lassen sich auch einige Bezüge zwischen dem ersten Stollen und dem weiteren Strophenverlauf feststellen: Mit dem Einsatz der Partikel Doch in V. 5 wird die pointierte Aussage im zweiten Stollen und im Abgesang entfaltet, in beiden Strophenteilen wird dabei die Wendung (der) 32 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 198. Die Gunst der Herren ist wie Eis; | deshalb ist der nicht ganz bei Verstand, | der auf das eine wie auf das andere | prächtig und aufwändig baut. | Allerdings trägt das Eis sehr schwere Last, | solange der Winter es fest gefriert. | Die Gunst der Herren ist genauso, | das kann das Glück bewirken: | Solange der Mensch Glück hat, | bleibt er in der Gunst. | Wie [aber] dann, wenn das [Glück] sich zum Unglück wandelt | wie der Winter wegen des Mai? | Eis und Gunst sind beide unbeständig. | Wer sich jemals um Herrengunst abgemüht hat, | für den will ich diesen Gesang singen. | Nur wenn er beständiges Glück hat, | wird dem (ihm) seine Mühe gut vergolten. (Übersetzung basierend auf: K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 199). Für die Übersetzung von V. 3 f. wähle ich die Variante von R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 133, weil dort die Doppeldeutigkeit von buwen, mit welcher der mittelhochdeutsche Text ja gerade spielt, übernommen wird (statt K ERN : der sich auf beides sehr (unbedingt) verläßt | mit kostbaren Sachen (mit hohem Einsatz). Runow (S. 268) hat für diese Strophe auf den semantischen Unterschied von gelücke (im Sinne von ‹ Geschick › ) und sælde aufmerksam gemacht, der auch in der Übersetzung berücksichtigt werden müsse. K ERN fasst beide Stellen als personifizierte Fortuna auf und übersetzt: das kann das Glück bewirken: | Solange der Mensch Glück hat [. . .]. Schliesslich übernehme ich auch für V. 15 die Version von R UNOW , die durch das einschränkende ‹ nur › noch genauer auf die Pointe der Strophe zu zielen scheint. 33 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 243 - 245, der VIII,5 - 7 als zusammengehörige «Kette» (S. 243) einordnet. Seiner Beobachtung, dass V. 1 von VIII,6 in capfinido- Technik an VIII,5 anknüpft (VIII,5,17: der herren herze ist kranker den ein mucke. VIII,6,1: Der herren hulde ist sam ein is.), folgt auch K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 599 - 606, der - wie auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 267 - 269 - von einem Dreierverbund ausgeht. RSM 5 (1991), S. 324 fasst nur VIII,6 - 7 als zusammengehörig auf, weil VIII,7,17 noch einmal das Bild aus VIII,6 aufnimmt und es für den im Spruch verhandelten idealen Herren negiert: des herren hulde ist nicht gelich dem ise. Zur Frage strophenübergreifender Kohärenz vgl. Kapitel 3. 34 Vgl. die Belege bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 602 (u. a. L ACHMANN , Karl: Wolfram von Eschenbach Parzival ( 6 2018), 3,8 f.: wie stæte ist ein dünnez îs, / daz ougestheize sunnen hât; 1 Marn/ 7/ 12: der werlte prîs | smilzet sam ein îs); vgl. neben den von K ERN genannten Belegen auch: T OISCHER , Wendelin: Ulrich von Etzenbach Alexanderroman (1888): dâ von dîn Saelde hine gât | und smilzet als ein îs (V. 17968 f.); M ERTENS , Volker: Hartmann von Aue Gregorius (2008): diu vreude alsô tiure | sam daz îs in dem viure | ein getriuwiu wandelunge ergie (V. 649 - 651); S CHRÖDER , Werner: Ulrich von dem Türlin Arabel (1999): und doch ir freud gelîch dem îse | schier zergêt und sich endet! (69,6 - 7) 35 Vgl. TPMA 2 (1996), S. 440 f. 42 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe herren hulden (V. 1, 7, 14) wiederaufgenommen und der Vergleich aus dem ersten Vers wiederholt: der herren hulde ist ouch also (V. 7); Is unde hulde ist beide kranc (V. 13). Das verallgemeinernde Relativpronomen swer (V. 3) zeigt an, dass die im ersten Vers formulierte Unbeständigkeit für alle gilt. Noch prägnanter formuliert es die von späterer Hand eingetragene lateinische Marginalie in J nach der Titelnennung (Gracia dominorum): Nolite confidere in principibus. 36 Der weiteren Untersuchung der ‹ sentenzhaften Strukturen › lege ich den aus den bisherigen Forschungsarbeiten gewonnenen und an dem Beispiel dargelegten offenen Merkmalskatalog zu Grunde: 1) Kürze Die als ‹ sentenzhafte Strukturen › bezeichnete textuelle Einheit ist keinesfalls länger als der erste Stollen der Strophe, in der Regel umfasst sie die ersten beiden Verse. 2) Prägnanz Sie umfasst einen Einzelgedanken, der möglichst zugespitzt formuliert wird. 3) Eigenständigkeit Die ‹ sentenzhafte Struktur › ist syntaktisch selbständig, in der Satzstruktur aber frei, d. h. sie kann als Deklarativ- oder Imperativsatz wie auch als (rhetorischer) Interrogativsatz formuliert sein. Als «Ein-Satz-Text» 37 enthält sie weder kataphorische noch anaphorische Elemente. 4) Tendenz zum Phraseologischen Die ‹ sentenzhafte Struktur › zeichnet sich aus durch die Festigkeit der Wortverbindungen. 5) Einbindung in das textuelle Umfeld Trotz der syntaktischen Selbständigkeit (vgl. 3) lässt sich zwischen der ‹ sentenzhaften Struktur › und dem textuellen Umfeld eine wechselseitige Bezugnahme ausmachen. 6) Redegestus Charakteristisch ist ausserdem der (zumindest vermeintliche) allgemeine Geltungsanspruch und daraus resultierende apodiktische Redegestus. 7) Konsenserzeugung Durch Rückbindung an Erfahrungs- und Orientierungswissen zielt die Struktur ab auf Konsenserzeugung zwischen Textproduzent und Rezipienten. Die ‹ sentenzhafte Struktur › scheint sich als Formprinzip in der gesamten Gattung vom 11. bis zum 15. Jahrhundert beobachtbar. Dennoch lohnt sich eine diachron-vergleichende Perspektive. Indem punktuell Einzelbeispiele in den Blick genommen werden, kann die Rolle ‹ sentenzhafter Strukturen › in der Frage nach der Kohärenz der Einzelstrophen fallabhängig untersucht werden. Meine Argumentation folgt dabei keiner strikten chronologischen Ordnung und vergleicht einzelne Strophen z.T. über die Epochengrenzen hinaus miteinander. Mit Rumelants Strophe IV,22 (vgl. Kapitel 2.3) ist allerdings ein Fixpunkt angepeilt. In diesem Sangspruch tritt m. E. das Wechselspiel von Kohärenz und Mehrdeutigkeit auf eine Art zutage, 36 Vgl. J, fol. 60 v ; damit klingt Ps 145,2 an: Lauda anima mea Dominum laudabo Dominum in vita mea cantabo Deo meo quamdiu sum nolite confidere in principibus. 37 D RESSLER , Wolfgang: Einführung in die Textlinguistik ( 2 1972), S. 58, zit. nach G RUBMÜLLER , Klaus: Die Regel als Kommentar (1979), S. 24. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 43 die es erlaubt, auf Charakteristika einer Rumelant- und vielleicht sogar einer Epochenpoetik der Sangspruchdichtung um 1300 zu schliessen. 2.3.1 Formale Kohärenz: Ein diachron vergleichender Blick auf Sentenzreihen beim Spervogel und bei Bruder Wernher Auf die Diskussion um die gattungsgenetischen Ursprünge der Sangspruchdichtung und das Verhältnis von Sprauch und Sangspruch habe ich zuvor bereits hingewiesen (vgl. Kapitel 2.3). Einzelne Strophenpassagen weisen strukturelle Ähnlichkeiten mit nichtlyrischen Spruchsammlungen in Reimpaarform auf, wie - wohl am bekanntesten - Freidanks Bescheidenheit. 38 Auch thematisch lassen sich zwischen den Sangspruchstrophen und den Freidanksprüchen viele Gemeinsamkeiten ausmachen, die bereits ausführlich dokumentiert worden sind. 39 Die Freidanksprüche sind nicht in einer festen Abfolge überliefert, sondern variieren je nach Handschrift, 40 so dass die Frage nach der Anordnung der Sprüche, nach der inhaltlichen Kohärenz des Gesamttextes, immer noch schwer zu beantworten ist. Für den Sangspruch ist das Prinzip der Aneinanderreihung ‹ sentenzhaft › konstatierender Aussagen, welches die Strophe dementsprechend inhaltlich nicht kohärent erscheinen lässt, ebenfalls bekannt. Es zeigt sich etwa in einer Strophe Spervogels: Swer den wolf ze hirten nimt, der vât sîn schâden. ein wîser man der sol sîn schif niht überladen. daz ich iu sage, daz ist wâr: swer sînem wîbe dur daz jâr volget und er ir richiu kleit über rehte mâze koufet, dâ mac ein hôchvart von geschehen, daz sîm ein stiefkint toufet. ( 1 Sperv/ 16) 41 Zwischen den verschiedenen ‹ sentenzhaften › Aussagen (V. 1, V. 2 und V. 4 - 6) ist auf den ersten Blick kein unmittelbarer Zusammenhang wahrzunehmen, jede der drei Aussagen bewegt sich in einem anderen Bildfeld. Die Strophe wird mit derAussage eingeführt, dass, wer den Wolf ins Haus einlade, damit rechnen müsse, Schaden zu erleiden (V. 1). Unvermittelt springt der Text nicht nur in ein anderes Bildfeld, auch die Grundaussage wechselt abrupt: Als weiser Mann solle man sein Schiff nicht über die Massen beladen (V. 2). Nach dem eingeschobenen Kommentar daz ich iu sage, daz ist wâr (V. 3) konstatiert der Text schliesslich, dass Hochmut und daraus entspringende Untreue auf das Verwöhnen der Ehefrau mit schöner Kleidung zurückzuführen seien (V. 4 - 6). Die erste und die letzte Aussage lassen sich bekannten Wissensbeständen zuordnen. Das Thema des ersten Verses ist dem Rezipienten vielleicht aus der äsopischen Fabel vom Hirten und dem Wolf und den entsprechenden Predigt- 38 Zu den Berührungspunkten zwischen Freidank und der Sangspruchdichtung vgl. etwa S TACKMANN , Karl: Salomônes lêre (2004), S. 52 f. 39 Vgl. L EITZMANN , Albert: Studien (1950), hier S. 18 - 20; sowie grundlegend zur Freidank-Rezeption H EISER , Ines: Autorität Freidank (2006), S. 76 - 89. 40 Vgl. N EUMANN , Friedrich: Art. ‹ Freidank › (2011), Sp. 897 - 903, besonders Sp. 899 f. 41 MFMT I ( 38 1988), S. 42 (MF 23,21). Wer auch immer den Wolf als Hirten wählt, der fängt sich seinen Schaden ein. | Ein weiser Mann soll sein Schiff nicht zu schwer beladen. | Was ich euch sage, das ist wahr: | Wer auch immer seiner Ehefrau durch das Jahr hindurch | gehorcht und ihr über das rechte Mass hinaus kostbare Kleidung kauft, | daraus kann Hoffart entwachsen, so dass sie ihm ein Kuckuckskind tauft. (Übersetzung EL). 44 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe bearbeitungen der Fabel bekannt 42 , aus zeitgenössischen Erzähltexten 43 oder der Lyrik 44 . Für die die Strophe abschliessende ‹ sentenzhafte › Aussage (V. 4 - 6) gibt es ebenfalls an anderer Stelle ähnliche Varianten, am prägnantesten wohl in Freidanks Bescheidenheit: Müezec wât, vergebeniu spîse Diu machent manegen man unwîse. 45 Für die zweite Behauptung (ein wîser man der sol sîn schif niht überladen [V. 2]) lassen sich keine Belege in der Literatur der Zeit ausmachen. Für die kurze Strophe stellt sich die Frage nach stropheninterner Kohärenz grundlegend: Inwiefern kann von einem Spruch als ‹ Einheit › die Rede sein, wenn sie sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen lässt? Die Reihungen ‹ sentenzhafter Strukturen › beim Spervogel sind bereits von Otto L UDWIG46 in den Sechzigerjahren eingehend untersucht worden, zuletzt hat sich Burghart W ACHINGER ausgehend vom Spervogelkorpus den «Spruchreihen im Lied» 47 gewidmet - u. a. bei Oswald von Wolkenstein, dem Marner, Frauenlob und Heinrich von Mügeln. Stets steht dabei die «Suche nach versteckten Formen der Kohärenz» 48 im Zentrum des Forschungsinteresses. W ACHINGER geht dabei insofern weit über L UDWIG s Überlegungen hinaus, als er einerseits für das Mittelalter ein grundsätzlich anderes Kohärenzbewusstsein annimmt und autorabhängig auch andere Kohärenzformen wie z. B. für Frauenlob eine «Stilkohärenz anstelle von Gedankenkohärenz» 49 als verbindendes Prinzip der Strophen erwägt. Andererseits fasst er auch (vermeintliche) Inkohärenz nicht als produktions- oder rezeptionsseitigen Textdefekt auf, sondern nimmt an, dass die «Diskontuität der Einzelaussagen» 50 jeweils unterschiedlich inszeniert werden konnte. L UDWIG dagegen versucht, die Verbindungen der einzelnen ‹ sentenzhaften Strukturen › zueinander zu beschreiben, indem er die Hauptaussage 42 Das Predigtexempel Odos von Cheriton stammt aus der Schaffenszeit Spervogels. Abdruck der Ausdeutung der Fabel ‹ Der Wolf als Hirte › in K ARSTENSEN , Angela: Auferstehungsteppich (2009), S. 123. 43 Vgl. die Belege aus TPMA 13 (2002), S. 163. 44 Vgl. MFMT I ( 38 1988), S. 50 (MF 27,13): Ez was ein wolf grâwe | und ein man alwaere. | die liute wolten slâfen, | er lie den wolf zen schâfen. | Do begienc er in der stîge, | daz man in des morgens hienc | und iemer mêre sîn künne ane schrîet. Es gab einen grauen Wolf | und einen einfältigen Mann. | Als die Menschen schlafen wollten, | liess der einfältige Mann den Wolf zu den Schafen hinein. | Dann bewirkte er [der Wolf] im Verschlag der Schafe, | dass man ihn am Morgen hängte | und er fortan stets von Neuem nach seiner Verwandtschaft rief. (Übersetzung EL). 45 B EZZENBERGER , Heinrich Ernst: Frîdankes Bescheidenheit (1872), 49,9. 46 Vgl. L UDWIG , Otto: Die Priameln Spervogels (1963). 47 W ACHINGER , Burghart: Spruchreihen im Lied (2009), S. 329, passim. W ACHINGER verwendet ‹ Spruch › als «Oberbegriff für Sprichwörter, Sentenzen, Freidank-Sprüche und ähnliche Kleinsttexte» (S. 329), in Abgrenzung von ‹ Sprichwort › (da die Sprüche oftmals keine «verfestigte Rede im allgemeinen Gebrauch» [S. 329] darstellen würden) und ‹ Priamel › . Den Begriff ‹ Priamel › nutzt W ACHINGER (im Gegensatz zu L UDWIG ) ausschliesslich als Gattungsbezeichnung der Reimpaarsprüche des 15. und 16. Jahrhunderts sowie zur Kennzeichnung «eines überhistorischen Formtyps, der in der Nürnberger Gattung zwar häufig, aber nicht alleinherrschend war, eine längere Beispielreihe mit knapper finaler Folgerung oder kontrastierender Schlusspointe» (S. 329 f.), spricht aber von «priamelartiger Struktur» (S. 330), um damit Spruchreihen zu beschreiben, bei denen der letzte Spruch den vorhergehenden rekurrent Sinn verleiht. Ich verwende durchgehend den Begriff der ‹ sentenzhaften Struktur › , zur Terminologie und zum Unterschied von sentenzhaften Strukturen und z. B. Sprichwörtern vgl. Kapitel 2.3. 48 W ACHINGER , Burghart: Spruchreihen im Lied (2009), S. 331. 49 W ACHINGER , Burghart: Spruchreihen im Lied (2009), S. 340. W ACHINGER versteht ‹ Stil › als die Frauenlob auszeichnende «Aussageweise», also mit R EUVEKAMP , Silvia: Perspektiven mediävistischer Stilforschung (2015), S. 5 als «spezifische[] Verwendung weitestgehend kollektiv verfügbarer Darstellungsmittel». Zum Begriff vgl. Kapitel 1.1. 50 W ACHINGER , Burghart: Spruchreihen im Lied (2009), S. 342. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 45 einer Strophe herausarbeitete, an die sich die anderen ‹ sentenzhaften Strukturen › über Vergleiche und Gleichnisse anschliessen - die «Verbindung von Priamel und Vergleichsform» als «Charakteristikum der Priameln Spervogels». 51 Dass aber eine derartige Vergleichsstruktur zumindest nicht durchgängig für das gesamte Spervogel- Œ uvre angenommen werden kann, zeigen die bisherigen Ausführungen über 1 Sperv/ 16: Die ‹ sentenzhaften › Passagen sind aneinandergereiht, ohne dass über Vergleiche oder Gleichnisse eine Verknüpfung der einzelnen Elemente untereinander festgestellt werden kann. Konnexion zwischen den einzelnen Bestandteilen der Strophe wird weder implizit noch explizit hergestellt, 52 nicht über kausallogische Folgerungen, sondern es wird über den konstatierenden Gestus der ‹ sentenzhaften › Einheiten Kohärenz generiert sowie über den spezifischen Sprechakt der Strophe: Die fast mittig platzierte Aussage daz ich iu sage, daz ist wâr (V. 3) verbindet die unterschiedlichen Strophenbestandteile insofern miteinander, als sie sie als allgemeingültiges Wissen deklariert, welches im dafür charakteristischen konstatierenden Gestus präsentiert wird. Als bekräftigende Apostrophe nimmt die Aussage in ihrer Apokoinu- Stellung gewissermassen eine Scharnierstelle ein. Mit dem Beispiel wird ein Dilemma der Kohärenzfrage deutlich. Indem nämlich nach der Kohärenz einer textuellen Einheit - hier einer Strophe - gefragt wird, muss eine solche Einheit stets als vorausgesetzt angenommen werden. 53 Anders als in Rumelants Strophe X,1, dem Eingangsbeispiel dieser Arbeit (vgl. Kapitel 1), bietet die Strophe aber weder eine melodische oder metrische Form, die den Eindruck von Abgeschlossenheit erwecken mag, noch Kreuzreime, mit denen sich Verse miteinander ‹ verklammern › lassen könnten, die nicht unmittelbar aufeinander folgen. Für die Rezipienten der Handschriften C und J ist 1 Sperv/ 16 aber durch das Handschriftenlayout als zusammengehörig erkennbar. 54 Inwiefern sich daraus jedoch Hinweise über eine ‹ Aufführungseinheit › ergeben, ist aufgrund der Annahme, dass der Prozess der Verschriftlichung dem vermutlichen Dichten deutlich nachgeordnet ist, nicht mehr möglich. Burghart W ACHINGER hat zu bedenken gegeben, dass «[e]in Vortrag [. . .] nicht so leicht auf Kohärenz verzichten [kann] wie eine schriftliche Sammlung» 55 und damit die Kohärenzerwartungen an solche Sangspruchstrophen, die scheinbar unzusammenhängende ‹ sentenzhafte › Äusserungen aneinanderreihen, von denen an Spruchsammlungen wie Freidanks Bescheidenheit unterschieden. Der gesungene Vortrag ermögliche es, die Strophe als Ganzes zu rezipieren. Da die Aufführungssituation aber nicht mehr greifbar ist, ist man bei der Frage wieder auf den Handschriftenbefund zurückgeworfen. Die Tatsache, dass die Zimmerische Chronik im 16. Jahrhundert die Verse ohne Gliederungssignale aufnimmt, 56 zeugt 51 L UDWIG , Otto: Die Priameln Spervogels (1963), S. 306. L UDWIG liest die inkohärenten Reihungen sentenzhafter Strukturen («Priamelreihungen») unter der Prämisse, dass die Strophen neben ihrer didaktischen Absicht vor allem Heischestrophen seien. Die verhüllende Funktion der «Priamelform» habe somit «die Aufgabe, den Hörer abzulenken. Sie soll ihm [. . .] den Zugang zur eigentlichen Aussage des Spruches verstellen.» (S. 310). Diese Absicht laufe der didaktischen Absicht, die auf Klarheit und Verständlichkeit ausgerichtet sei, entgegen, die Strophe diene daher vielmehr dem «praktischen Zweck», die Aufforderungen des Dichters/ Sängers «dadurch, daß er sie unter andere Beispiele mischte, indirekt und unaufdringlich vorzutragen.» (S. 311). 52 Vgl. F ABRICIUS -H ANSEN , Cathrine: Formen der Konnexion (2000), S. 331 - 340. 53 Vgl. G LAUCH , Sonja / K RAGL , Florian: Wo ist da der Text? (2019). 54 Vgl. C: fol. 417 v ; J: fol. 29 v . 55 W ACHINGER , Burghart: Spruchreihen im Lied (2009), S. 331. 56 Vgl. Zimmerische Chronik, S. 1488. 46 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe davon, dass sie sowohl abgeschlossen (wie in C und J) als auch tendenziell offen gedacht werden können: Eine Erweiterung der paargereimten sechs Verse von 1 Sperv/ 16 durch - gleich gebaute aber inhaltlich differierende - Strukturen wäre prinzipiell möglich. So stiftet das Formprinzip der Reihung ‹ sentenzhafter › Äusserungen zwar eine formale Kohärenz, diese geht aber nicht mit prinzipieller Abgeschlossenheit einher. Wie bereits erwähnt, stellen sich andere Kohärenzanforderungen an den nachwaltherschen Sangspruch, in dem die Kanzonenstrophe (und Variationen davon) vorherrscht: eine gewisse formale Geschlossenheit ist durch die metrische Struktur bereits gegeben. Darüber hinaus liesse sich fragen, ob sich für die Sangspruchdichtung dieser späteren Zeit, die ihren Kunstanspruch verstärkt ausstellt, auch neue und andere Strategien der Herstellung von Strophenkohärenz beschreiben lassen. Handelt es sich dabei um einen autorspezifischen Umgang mit der problematischen Inkohärenz - wie W ACHINGER meint 57 - oder um ein Epochensignum? An einer Strophe Bruder Wernhers, dessen literarisches Schaffen in die Mitte des 13. Jahrhunderts zu datieren ist, lässt sich das Problem der Kohärenz spätmittelalterlicher ‹ sentenzhafter › Strophen beschreiben. Der gevater unde der vûle zan ze grôzen n œ ten sint ze swach. versmæhe vîent unde kleine wunden dicke prüevent ungemach. bî grôzeme guote, verschamet muot, dâ ist zuht unde êre vrî. manec zunge sprichet süeziu wort unde schiuzet doch den angel dar. ein wîser man, der minnet got. waz der gesprichet, daz læzet er wâr. treit swære bürde grôz übermuot, dâ kiese ich rehte tôren bî. schame ist vür der zungen guot. zuht êret wol den alten mit dem jungen. ein reinez wîp mit guoten siten gît werdem manne hôen muot. schame ist ir êrsten rehtes vil verdrungen. swer gît, der ist liep, daz habe wir an den buochen wol gelesen. sît sich diu werlt hie hât verschamet, sô werbe wir, daz wir dort genesen. ( 1 Wern/ 1/ 6b) 58 Die Strophe besteht aus nicht weniger als elf ‹ sentenzhaften › Äusserungen, die jeweils einen Vers umfassen, beschlossen wird sie durch einen Vers, der das kollektive wir auffordert, sich auf Erden um (göttliche) Rettung zu bemühen. Auf den ersten Blick lassen sich die einzelnen Aussagen nicht zu einem kohärenten Ganzen, geschweige denn einer linearen Argumentationslinie vereinen, sondern einzig dadurch, dass sie inhaltlich den Bereich der Tugendlehre umfassen, ein Charakteristikum des Œ uvres Bruder Wernhers. 59 Diese scheinbar willkürliche 57 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Spruchreihen im Lied (2009), S. 343. 58 Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 237. Der Pate und der faule Zahn sind in großen Nöten zu schwach. | Verächtliche Feinde und kleine Wunden bewirken häufig Unannehmlichkeit. | Bei großem Vermögen, schamloser Gesinnung, da sind Sittsamkeit und Ehre ungebunden. | Manche Zunge spricht süße Worte und sticht dennoch den Stachel dorthin. | Ein weiser Mann, der liebt Gott. Was der sagt, das erfüllt er. | Besitzt schwere Bürde großen Übermut, erkenne ich daran echte Narren. | Schamhaftigkeit ist für die Zunge gut. | Anstand ehrt sicher den Alten (zusammen) mit dem Jungen. | Eine makellose Frau mit vollkommenen Sitten versetzt einen würdigen Mann in freudige Stimmung. | (Die) Schamhaftigkeit ist von ihrem obersten Recht ganz und gar verdrängt worden. | Wer auch immer gibt, der ist gut, das haben wir in den Büchern genau gelesen. | Weil die Welt hier in Schamlosigkeit verfallen ist, mögen wir uns bemühen, auf dass wir dort gerettet werden. (Übersetzung Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher [2014], S. 238). 59 Vgl. Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 20. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 47 Aneinanderreihung ‹ sentenzhafter › Äusserungen unterstreicht auch die Überlieferungssituation. J: Der gevater unde der vûle zan ze grôzen n œ ten sint ze swach. versmæhe vîent unde kleine wunden dicke prüevent ungemach. bî grôzeme guote, verschamet muot, dâ ist zuht unde êre vrî. manec zunge sprichet süeziu wort unde schiuzet doch den angel dar. ein wîser man, der minnet got. waz der gesprichet, daz læzet er wâr. treit swære bürde grôz übermuot, dâ kiese ich rehte tôren bî. schame ist vür der zungen guot. zuht êret wol den alten mit dem jungen. ein reinez wîp mit guoten siten gît werdem manne hôen muot. schame ist ir êrsten rehtes vil verdrungen. swer gît, der ist liep, daz habe wir an den buochen wol gelesen. sît sich diu werlt hie hât verschamet, sô werbe wir, daz wir dort genesen. ( 1 Wern/ 1/ 6b) 60 C: Gevatter und vûle zan an grossen n œ ten sint ze swach. smæhe viende und kleine wunden dicke vüegent ungemach. hât swach geburt gros übermuot da kiesent toren bi. manig zunge sprichet süesse wort da doch den angel stichet dar. ein wîser man der minnet got, was er geret, das lât er wâr. hât rîcher man verschamten muot, der ist gar êren vrî. diu schame ist vor der zungen guot. zuht êret wol den alten und den jungen. ein sch œ ne wîp mit reinen siten gît werdem manne hohen muot. guot hât der minne reht ein teil verdrungen. swer gît, der ist liep, daz han ich an dem swarzen buoche wol erlesen. sît sich diu welt hie hât verschamt, so schaffen die wir dort genesen. ( 1 Wern/ 1/ 6a) 61 In C sind die Verse teilweise anders angeordnet, einzelne Begriffe aber auch ganze Satzteile 62 unterscheiden sich von J. Die Verse 3 und 6 stellen sich in C gegenüber von J als vertauscht dar, zudem sind für Vers 6 in C doch relevante Unterschiede gegenüber dem entsprechenden Vers in J zu beobachten: Anstatt bî grôzeme guote, verschamet muot, dâ ist zuht unde êre vrî ( J,V. 3) heisst es in C nun hât rîcher man verschamten muot, der ist gar êren vrî (C, V. 6). Bleibt die Bedeutung des ersten Versteils noch erhalten, ist für den zweiten Versteil zu beachten, dass die Doppelung von zuht unde êre in der Version in C nicht besteht. In J hingegen besteht sie sogar zweimal - zuht unde êre (V. 3) und zuht êret (V. 8). Zahlreiche Lexeme unterscheiden sich, 63 besonders augenfällig z. B. in V. 10: schame ist ir êrsten rehtes vil verdrungen ( J, V. 8) gegenüber guot hât der minne reht ein teil verdrungen (C, V. 8). Nicht die Schamhaftigkeit, sondern vielmehr die minne 60 Die normalisierte Strophe ist zitiert nach Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 237. 61 Normalisierte Fassung nach der transliterierten Fassung in Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 237. 62 Vgl. Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 242: Die Verse 3 und 6 sind nicht nur gegenüber der Strophe in J vertauscht, sondern weisen auch inhaltliche Unterschiede auf: V. 6 in C heisst: hât rîcher man verschamet muot dâ ist zuht unde êre vrî. (gegenüber V. 3 in J: bî grôzeme guote, verschamet muot, dâ ist zuht unde êre vrî.) V. 3 in C: hât swach geburt grôz übermuot, dâ kiesent tôren bî. (gegenüber V. 6 in J: treit swære bürde grôz übermuot, dâ kiese ich rehte tôren bî.). Des Weiteren lautet V. 10 in C guot hât der minne reht ein teil verdrungen. - hier wird also die minne durch das guot verdrängt, wo in der Version nach J noch die schame beiseitegedrängt wird. 63 Zur lexikalischen Varianz vgl. Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 241, Anm. 331. 48 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe wurde durch das guot verdrängt; Z UCKSCHWERDT hat berechtigterweise auf den so entstehenden engen Zusammenhang zum nachfolgenden Vers hingewiesen, der die Grosszügigkeit zum Thema hat. 64 Schliesslich wird das buoch in V. 11, aus der die Lehre swer gît, der ist liep gezogen werden kann, in C zu einem swarze[n] buoch konkretisiert, dessen Bedeutung allerdings unklar bleibt. 65 Eine derartige Variabilität der Verse in den beiden Handschriften scheint mir ein Grund, der gegen das von Z UCKSCHWERDT ausgemachte «Muster» der Strophe spricht, nach welchem den inhaltlich negativ konnotierten ‹ sentenzhafte Strukturen › im Aufgesang positive ‹ sentenzhafte Strukturen › im Abgesang entsprechen. 66 Dieses Muster ist zudem keineswegs regelmässig: V. 3 liesse sich sowohl auf V. 8 wie auch auf V. 11 beziehen. Auch können Verspaarungen nicht für sämtliche ‹ sentenzhafte › Äusserungen ausgemacht werden, V. 1 und 2 bleiben ohne Entsprechung und auch die Art der Bezugnahme zwischen den einzelnen Versen ist uneinheitlich. 67 Weiter gälte es zu überlegen, inwiefern sich die zahlreichen Derivate von schame (V. 3 verschamet, V. 7 schame, V. 10 schame, V. 12 verschamet), die sich über die ganze Strophe verteilen, in ein Muster integrieren lassen, welches immer zwei Verse als zusammengehörig sieht. Laufen diese klanglichen und semantischen Entsprechungen demnach quer zu inhaltlich Zusammengehörigem? Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass thematisch zusammengehörige Verspaare die Gesamtstrophe nicht zwingend kohärenter erscheinen lassen müssen. Denn selbst wenn sich so grössere Strophenbestandteile ergeben mögen, statt zwölf nebeneinanderstehenden Einzelaussagen also fünf jeweils zweistrophige thematische Ele- 64 Vgl. Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 242. 65 Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 240, Anm. 328 versteht die Angabe dahingehend, als die Nennung des buoches den «Wahrheits- und Glaubwürdigkeitsgehalt der Aussage» unterstreicht, der Verweis auf ein explizit schwarzes Buch diese Wirkung noch verstärkt. Unklar ist, ob sich swarze übertragen verstehen lässt, d. h. im Sinne von Zauberbüchern, wie es auch S CHWEIKLE in seinem Kommentar zu Walthers L 33,1 versteht (vgl. L 33,1, V. 7: nû lêretz in sîn swarzez buoch), vgl. S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 ( 3 2009), S. 415. Z UCKSCHWERDT erwägt auch, dass swarze buoche die Farbe des Bucheinbandes bezeichnen könnte, und weist darauf hin, dass im «(Spät-)Mittelalter die Funktion eines Buches auch über die Farbe seines Einbandes gekennzeichnet war.» Wegen der zahlreichen Belege, in denen ein schwarzes Buch ein nigromantisches Lehrwerk bedeutet (vgl. L EXER II: Art. ‹ swarz › , Sp. 1343), scheint mir allerdings ersteres plausibler. 66 Vgl. Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher (2014), S. 240 f.: Z UCKSCHWERDT konstatiert, dass die Bezüge der Verse untereinander «zwar nicht regelmäßig vorliegen», dennoch aber «ein bestimmtes Muster auf[weisen].» Die Verse im Aufgesang sind Z UCKSCHWERDT gemäss meist «inhaltlich negativ konnotiert», wobei V. 5 eine Ausnahme darstellt. Diesen negativen Aussagen würden im Abgesang die entsprechenden Gegenbeispiele gegenübergestellt werden. Dementsprechend wären V. 3 (grosses Vermögen und schamlose Gesinnung bewirken den Verlust von zuht unde êre) und V. 8 (zuht gereicht Alten und Jungen zur êre) aufeinander zu beziehen, V. 3 liesse sich ebenfalls in Kombination mit V. 11 denken (materielle Gier im Kontrast zu der in den buochen verbürgten Aufforderung zur Freigiebigkeit), ebenso V. 4 und V. 7 (Abwertung der Geschwätzigkeit gegenüber Aufwertung der schame der zunge). V. 5 beschreibt ein Idealbild des wîse[n] man, V. 9 das Pendant dazu, das reine[] wîp. Das Verspaar 10 und 12 versteht Z UCKSCHWERDT dann nicht mehr als Kontrastpaar, sondern als «Aufeinanderfolge», wenngleich sie dem Schlussvers eine Sonderstellung einräumt: «Gerade diese Aussage [die geforderte Anstrengung auf Erlösung im Jenseits, da die diesseitige Welt verkommt, EL], die von ihrerAusrichtung her charakteristisch für Bruder Wernher ist, steht in diesem inhaltlich eher inkohärenten Spruch als exponierter Schlussvers, so dass dieser Vers in jedem Fall im Gedächtnis bleibt.» (S. 241). 67 Die kontrastierenden Positiv-/ Negativexempel stehen den beiden Idealbildstrophen gegenüber, ausserdem die aufeinanderfolgen Verse 10 und 12, vgl. dazu ausführlicher Anm. 66. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 49 mente, sind auch diese grösseren Einheiten wiederum nicht durch einen einheitlichen Zusammenhang miteinander verbunden. Auch wenn sich kein enger Strophenzusammenhalt ausmachen lässt, bedeutet das nicht, dass die einzelnen Verse gänzlich unzusammenhängend nebeneinandergestellt werden, wie das in der Spervogel-Strophe der Fall war. Wiederkehrende Signalwörter ziehen sich durch die ganze Strophe, besonders auffällig etwa die bereits erwähnten Derivate von schame, aber auch die Wiederholung von zunge (V. 4 und V. 7), der Doppelformel zuht und êre (V. 3 und V. 8) (freilich nur in J). So wird beispielsweise schame in unterschiedlichen Kontexten beschrieben: die positive Schilderung der zurückhaltenden, schamhaften Zunge (V. 7), genauso wie der Hinweis, dass schamloses Denken zu einem Verlust von zuht unde êre führen würden (V. 3). Der Verlust der schame wird gegen Ende der Strophe beklagt. Sie sei von ihrer obersten Stellung verdrängt worden (V. 10), die Welt habe sich verschamet (V. 12). Verfolgt man ausgehend von V. 3 das Wortpaar zuht unde êre, wechselt dieses von der oben bereits genannten Aussage, dass Reichtum und schamloses Denken den Verlust der beiden Tugenden bewirken würden, hin zu V. 8 - zuht êret sowohl Alte als auch Junge. Die Begriffe sind nicht linear oder kausallogisch angeordnet. Die Strophe spielt vielmehr ein assoziatives Spiel mit einer Handvoll semantisch gleitender Leitwörter. Kohärenz entsteht also paradigmatisch, auf der Ebene der unterschiedlichen semantischen Aspekte der Leitwörter. Zudem bietet der gesungene Vortrag eine Strophenzusammengehörigkeit auf klanglicher Ebene. Mit dem apostrophierenden Strophenschluss ist dem Spruch Bruder Wernhers eine inhaltliche Perspektivierung gegeben, die es ermöglicht, Anklänge eines gemeinsamen kohärenzstiftenden Moments der Strophe zu erkennen, die erst einmal als rätselhafte Aneinanderreihung von ‹ sentenzhaften › Äusserungen wahrgenommen wurde. So sind anders als in der Spervogel-Strophe hier Fragen nach den Grenzen des Textes weniger dringend. In der Serie ‹ sentenzhafter Strukturen › kann das Sänger-Ich nicht nur seinen breiten Wissensfundus ausstellen und der Sangspruchdichtung als prinzipiell mündlicher Gattung 68 die schriftliche Legitimierung verschaffen, «die mit der Berufung auf Gelehrtheit einhergeht» 69 . Auch die Präsentation des semantischen Spektrums einzelner Leitbegriffe kann so dazu dienen, Wissen programmatisch auszustellen. Gerade dadurch gewinnt die Strophe aber in der dauernden Wiederholung von schame auch ihr ästhetisches Potential. 2.3.2 Sentenz und Strophenform in Walthers König Friedrichs-Ton «W[alther]s rhetorisch geprägter Stil und sein Hang zur beständigen Veranschaulichung (Metapher, Gleichnis, Personifikation, Szene, Personenrede oder Sentenz) sind prägnante Kennzeichen seiner persönlichen Ausgestaltung der Sangspruchdichtung.» 70 So fasst Volker Z APF die Charakteristika des waltherschen Spruch œ uvres kompakt zusammen und auch Günther S CHWEIKLE hält im Kommentar zu L 106,3 fest: «Wie viele Spruchstrophen Walthers schließt auch diese mit einer Sentenz.» 71 Wenn nun die Forschung den häufigen und gezielten 68 Zur Frage der Leserezeption einzelner Sangspruchstrophen vgl. R UNOW , Holger: Hât ieman sîn so snellen . . . (2015). 69 H UBER , Christoph: Didaktischer Pluralismus (2009), S. 424. 70 Z APF , Volker: Art. ‹ Walther von der Vogelweide › (2012), Sp. 199. 71 S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 ( 3 2009), S. 507. 50 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe Einsatz ‹ sentenzhafter › Rede als Autorcharakteristikum Walthers wertet, 72 verwundert es umso mehr, dass gerade an einzelnen Strophen im König Friedrichs-Ton, in denen die ‹ sentenzhaften › Strophenanfänge und -schlüsse besonders auffällig inszeniert werden, die Debatte der älteren Forschung über die Unechtheit der Strophen besonders heftig entbrannt ist. 73 Im grössten Ton in Walthers Spruchkorpus, dem sogenannten König Friedrichs-Ton, weisen insgesamt fünf Strophen eine ‹ sentenzhafte › Anfangsstruktur auf; 74 damit machen sie ein Viertel der insgesamt 20 Strophen aus, die in sieben Handschriften, unter anderem jeweils in der Kleinen Heidelberger Liederhandschrift (A), in der Weingartner Liederhandschrift (B), in C und im Münsterschen Fragment (Z) überliefert sind. 75 Im Folgenden konzentriere ich mich auf die in Z überlieferten Strophen Swâ nû zuo hove dienet der hêrre sîme knechte ( 1 WaltV/ 8/ 20 = L XXIX,1) und Erne hât niht wol getrunken, der sich übertrinket ( 1 WaltV/ 8/ 15 b = L 29,35) 76 sowie den in B belegten Spruch Die wîsen râtent, swer ze himelrîche welle ( 1 WaltV/ 8/ 2 = L 26,13), weil sich an diesen Beispielen das Verhältnis von metrischer Form und ‹ sentenzhafter Struktur › je neu zeigt. Als ‹ gespaltene Weise › 77 zeichnet sich der König Friedrichs-Ton - wie auch der Kaiser- Friedrichs-Ton - hinsichtlich seiner metrischen Anlage durch die Verwendung der ABA-Form, statt der ansonsten gebräuchlichen stollenhaften AAB-Form aus. DerAbgesang steht zwischen den beiden Stollen des Aufgesangs, wobei der zweite Stollen zum Strophenende leicht variiert wird. Das Reimschema lautet entsprechend aaa/ bccb/ ddd. 78 Diese «Umstellung» 79 der Strophenteile hat zur Folge, dass die Stollenstrophen den Mittelteil gewissermassen ‹ einklammern › . Peter W APNEWSKI hat die Strophen mit dem Bild eines Triptychons verglichen und unter der Prämisse, «daß Form Ausdruck ist» 80 gefolgert, dass eine derartige «Bildkonstruktion [. . .] die Heraushebung der formalen Mitte mit Hilfe der (meist schmaleren) Seitenstücke und damit die Erhebung des formalen Zentrums zum dominierenden Bedeutungs- 72 Auch für andere Sangspruchdichter ist die häufige Verwendung von ‹ sentenzhaften › Strophenschlüssen als Autorcharakteristikum behauptet worden, so z. B. für Höllefeuer, der «stets zur pointierten Sentenz» neige. (L OMNITZER , Helmut: Art. ‹ Höllefeuer › [ 2 1983], Sp. 110). 73 Vgl. den Überblick bei S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 ( 3 2009), S. 376. 74 Neben den im Fliesstext genannten Strophen weisen auch 1 WaltV/ 8/ 18 (= L 30,29) und 1 WaltV/ 8/ 20 (= L XXX,1) ‹ sentenzhafte › Anfangs- und Schlussstrukturen auf. 75 Neben den genannten Handschriften enthalten auch das Fragment w xx (L 28,1und L 26,3), die niederdeutsche Handschrift o (L 30,9) und die Kolmarer Liederhandschrift k (L 26,3, L 30,9 und L 30,19) einzelne Strophen. Keine der Handschriften bietet eine vollständige Überlieferung aller 20 Strophen. 76 L 29,35 ist auch in B belegt ( 1 WaltV/ 8/ 15 a). 77 So die Bezeichnung über einem nicht gefüllten Melodieschema in k: her Walthers von der Vogelweyde gespalten wys (fol. 732 r ). W APNEWSKI , Peter: Das Triptychon als Ordnungsformel, S. 390 nimmt mit G ENNRICH , Friedrich: Grundriß einer Formenlehre (1932), S. 215 f. die Gleichheit der Melodie von Strophenbeginn und -schluss an. 78 Vgl. RSM 2.1 (2009), S. 291. Rekonstruierte Melodietranskriptionen auf der Basis des in Z überlieferten Schlussteils der Melodie sind abgedruckt bei B RUNNER , Horst / H ARTMANN , Karl-Günther: Spruchsang (2010), S. 411 sowie M ÜLLER , Ulrich / H UNDSNURSCHER , Franz / S OMMER , Cornelius (Hgg.): Walther von der Vogelweide (1977), S. 85* f. 79 Zur Frage, ob trotz der unterschiedlichen Endungen (die Dreierversgruppe mit a-Reimen endet männlich, diejenige mit d-Reimen weiblich) von einer «Umstellung» der Stollen ausgegangen werden kann, vgl. W APNEWSKI , Peter: Das Triptychon als Ordnungsformel (1979), S. 390. 80 W APNEWSKI , Peter: Das Triptychon als Ordnungsformel, S. 387. Vgl. zur Frage nach dem «sinngenerierende[n] Moment dessen, was wir Metrik nennen» die Überlegungen von M ÄRZ , Christoph: Metrik (1999), hier S. 324 [Hervorh. im Original]. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 51 träger» 81 darstelle. Jedoch ist zu überlegen, ob nicht auch das Gegenteil von W APNEWSKI s These gelten könnte, dass nämlich nicht der Mittelteil herausgehoben wird, sondern dass durch die Wiederholung die Rahmung und somit auch die Geschlossenheit der Einzelstrophe betont werden. Mir geht es im Folgenden nicht darum, die metrisch baugleichen Strophen eines Tons im Sinne von ‹ liedhaften Einheiten › zu verstehen, wie das - gerade für Walther - die Forschung bekanntlich bereits erprobt und auch wieder verworfen hat. 82 Vielmehr scheint es mir ergiebig, nach dem Zusammenhang zwischen Strophenform und Sentenz, genauer: nach dem Zusammenhang zwischen einer spezifischen Form des Strophenbaus, die sich durch einen symmetrischen Anfang und Schluss auszeichnet, und der Position ‹ sentenzhafter › Äusserungen innerhalb der Strophe zu fragen. An verschiedenen Strophen aus dem König Friedrichs-Ton lässt sich dieses Verhältnis in Bezug auf die Frage nach der Kohärenz der Einzelstrophe zu bewerten und der Frage nachgehen, inwiefern Strophenanfang und -schluss auch inhaltlich und in Bezug auf den Redegestus korrespondieren. Die wîsen râtent, swer ze himelrîche welle, daz er vil wol bewarte unde ouch bestelle den weg, daz iemen darûffe habe, der in her wider velle. ein æhter heizet mort, der schât der strâze sêre, dâ bî vert einer in starken bennen, der ist geheizen brant, sô sprechent sie einem wuocher, der hât gar geschant die selben strâze. dannoch ist der wege werender mêre: nît unde haz, die hânt sich ûf den weg geleit unde diu verschampt unmâze gîtekeit. dannoch sô rennet maniger für, des ich niht hân geseit. ( 1 WaltV/ 8/ 2) 83 Eine Berufung auf die Autorität der wîsen leitet die Strophe ein. 84 Diese können allerdings nicht genauer identifiziert werden und haben wohl primär die Funktion autoritativer Legitimation des folgenden Textteils inne. Die darauffolgende Lehre der wîsen - man solle auf dem Weg ins 81 W APNEWSKI , Peter: Das Triptychon als Ordnungsformel, S. 404. 82 Vgl. M AURER , Friedrich: Politische Lieder (1954); ähnlich auch ders.: Walthers «Sprüche» (1972). Kritik bereits bei S CHNEIDER , Hermann: Mittelhochdeutsche Spruchdichtung (1972). 83 S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 ( 3 2009), S. 148. Die Weisen raten, wer immer ins Himmelreich wolle, | daß der wohl überwache und auch sichere | den Weg, damit niemand sich darauf aufhalte, der ihn wieder zurückwerfe. | Ein Feind heißt Mord, der schadet der Straße sehr, | daneben geht einer unter starkem Bannfluch, der ist Brandschatzung geheißen, | dann nennen sie einen Wucher, der hat gänzlich in Schande gebracht | eben diese Straße; außerdem gibt es der Wegelagerer mehr: | Neid und Haß, die haben sich (auch) an den Weg gelegt, | und die schamlose, unmäßige Habgier. | Außerdem rennt mancher daher, den ich nicht genannt habe. (Übersetzung S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 [ 3 2009], S. 149). 84 Vgl. im gleichen Ton L 29,25: h œ re ich jehen die wîsen. In diesem Sinn könnte man hier auch von einem Sprichwort anstatt einer ‹ sentenzhaften › Struktur sprechen (zur Unterscheidung vgl. Kapitel 2.3). Anders beispielsweise die drei Strophen in Rumelants zweitem Ton, die Autoritäten der Spruchdichtung (Cato in II,1; Jesus in II,2; Salomon in II,3) namentlich zitieren, obgleich die als Zitat ausgegebenen Stellen nicht immer den Schriften der jeweiligen Autoritäten zugeordnet werden können (zu dem angeblichen Cato- Zitat vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 291 f.; R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 203). Dass das Zitat II,3 Salomo zugeschrieben wird und nicht richtigerweise Jesus, Sohn des Sirach, mag irritieren, denn «[d]as wußte man auch im Mittelalter. So wird man wohl annehmen müssen, daß der Text Rumelant ohne Angabe über seine Herkunft zukam und er 52 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe Himmelreich darauf achten, dass niemand diesen Weg blockiere - zeichnet sich durch verschiedene poetische Mittel aus, die schon für ‹ sentenzhafte › Strophenanfänge beobachtet werden konnten: Neben der Autoritätenberufung sind dies beispielsweise die dichotome Wendung bewarte und bestelle oder das einleitende verallgemeinernde Pronomen swer. Die Eingangssentenz umfasst den gesamten ersten Stollen, in dem ein Bildprogramm etabliert wird, auf welches die restliche Strophe rekurriert, und zeichnet sich gerade durch die Gleichzeitigkeit von syntaktischer Selbstständigkeit und Bezug zum restlichen Spruch aus, die in Kapitel 2.3 als Kriterium ‹ sentenzhafter › Rede festgehalten wurde: So wird der in V. 3 etablierte weg dann auch in jedem der drei Strophenteile wiederholt, als wege (V. 7), weg (V. 8) sowie als strâze (V. 4). Schliesslich endet die allgemein gehaltene Warnung vor jemanden, der einen anderen davon abhalten könnte, das Himmelreich zu erreichen, mit dem Einsatz des Abgesangs in der Strophenmitte und der Beschreibung einer strâze, auf der Wegelagerer lauern: mort, brant, wuocher, nît, haz, gîtekeit sowie einige Ungenannte mehr. Auf diese Weise fungiert der ‹ sentenzhafte › Strophenanfang hier als Bildspender, aus dem sich das Programm der restlichen Strophe speisen kann. Auch in 1 WaltV/ 8/ 15 b scheint nicht, wie W APNEWSKI s vorschlägt, die Mitte der Strophe besonders hervorgehoben zu werden, doch unterscheidet sie sich insofern von der vorherigen Walther-Strophe, als die Strophe nicht nur durch eine ‹ sentenzhafte › Äusserung eingeleitet, sondern auch durch eine beschlossen wird. Er hât niht wol getrunken, der sich übertrinket. wie zimet daz einem biderben man, daz ime diu zunge hinket von wîne! ich wæne er houbetsünde und schande zuo ime winket. im zæme baz, möhte er gebrûchen sîne füeze, daz er âne helfe bî den liuten möhte stân. wie sanfte man in trüege, er möhte lieber gân. sus trinke ein iegeslîcher man, daz er den durst gebüeze, daz tuot er âne houbetsünde und âne spot. swelche man getrinket, daz er sich noch got erkennet, sô hat er gebrochen ime sîn hôh gebot. ( 1 WaltV/ 8/ 15 a 85 ) Der Eingangsvers ist als Sprichwort durchaus bekannt, 86 Walthers Variation besteht in der ‹ Rhetorisierung › , wenn er die figura etymologica (getrunken - übertrinket) einführt, um das dann in gutem Glauben den Namen des Königs einsetzte, der ihm als Autor von Spruchweisheiten geläufig war.» (S TACKMANN , Karl: Salomônes lêre [2004], S. 61). 85 S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 ( 3 2009), S. 154. Die Strophe ist hier nach der Handschrift B zitiert. Die Strophe in Z unterscheidet sich nur durch wenige lexikalische Details: V. 2 daz im sîn zunge hinket, V. 3 ich wæne, er sunden unde houbetschanden winket, V. 6 swie sanfte, V. 7 dar umme trinke ein etzlîch man, V. 9 swer alsô vil getrinket, V. 10 erkennet niht, dâ mite hât er gebrochen sîn gebot. Der hat nicht wohl getrunken, der sich betrinkt. | Wie ziemt es einem rechtschaffenen Mann, daß ihm die Zunge hinkt | vom Wein! Ich fürchte, er winkt Todsünde und Schande zu sich her. | Ihm stünde besser an, er könne seine Füße gebrauchen, | so daß er ohne Hilfe bei den Leuten stehen könnte. | Wie sanft man ihn auch tragen möge - er sollte lieber gehen. | Jedermann trinke so, daß er den Durst lösche, das tut er dann ohne Todsünde und ohne Gespött. | Welcher Mann so trinkt, daß er weder sich noch Gott erkennt, der hat ihm gegenüber sein hohes Gebot gebrochen. (Übersetzung S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 [ 3 2009], S. 155). 86 Vgl. TPMA 11 (2001), S. 445. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 53 Thema der Strophe zu verhandeln, die Mahnung zu massvollem Trinken. 87 Neben der Einheitlichkeit des Themas zeichnet sich der Spruch auch durch sich wiederholende Phänomene übertragener Rede aus: Das Bildfeld des Gehens, welches im ersten Stollen über das Hinken aufgerufen wird und mit dem Enjambement fast schon performativ realisiert wird, nimmt der Mittelteil wieder auf: Dem Hinken der Zunge aus V. 2 steht der angestrebte (eingeleitet durch im zæme baz [V. 3]) feste Tritt des massvollen Trinkers entgegen, indem in hervorgehobener Reimendstellung die Begriffe füeze - stân - gân aufeinanderfolgen. Auch das Signalwort houbetsünde findet sich über die Strophe hinweg verteilt und wird in V. 3 und in V. 8 wiederholt - beide Male in Kombination mit einem verstärkenden Begriff, houbetsünde und schande, âne houbetsünde und âne spot. So dient der Begriff der Betonung der kontrastiven Argumentation, wie sie sich durch die gesamte Strophe zieht, indem etwa der vierversige Mittelteil der Strophe als Kontrastfolie eingesetzt wird, um die mahnende Aussage des Spruchs vorAugen zu führen. Dabei wird das massvolleTrinken des biderben man 88 als Ideal gezeichnet, vor dem die Verwerflichkeit des übertrinkens noch deutlicher hervortritt. Gerahmt wird das Hin-und-Herspringen zwischen der Beschreibung von massvollem und masslosem Trinken durch den ersten und die letzten beiden Verse, durch ein Sprichwort und eine ‹ sentenzhafte › Äusserung, die das Vokabular vom Anfang wiederaufgreifen und die Konsequenzen des masslosen Handelns herausstreichen. ‹ Sentenzhafter › Strophenbeginn und -schluss dienen in diesem Spruch als Rahmen, wobei sich beide kontrastiv aufeinander beziehen lassen und somit der Argumentationsstruktur der Strophe entsprechen, die trinken und übertrinken einander gegenüberstellt Dass es sich bei diesem Zusammenwirken von metrischer Form und Strophenthema um eine Einzelerscheinung handelt, zeigt 1 WaltV/ 8/ 20: Swâ nû ze hove dienet der hêrre sînem knechte unde swâ der valke vor dem raben stêt ze rechte, dâ spürt man offenlîch unart, unadel unde ungeslehte. du werde ritterschaft, dîn dinc stêt jâmerlîche! swâ der sester vor dem schilt hin ze hove vert, frou Êre, dâ sint iuwer snellen sprünge erwert. wol ûf mit mir und varen wir dâ heim in Ôsterrîche! dâ vinden wir den vürsten werdt, der ist iu holt. welt ir mich dâ ze hove leiten, alse ir solt, sô wirt gehôhet wol dîn name von mir, werder Liupolt. ( 1 WaltV/ 8/ 20) 89 87 Die Strophe ist in den Handschriften B und Z überliefert, beide Male in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer anderen Strophe über Trunksucht (Vgl. Ich trunke gerne, dâ man bî der mâze schenket, L 29,25). 88 Das Idealbild des biderben man kennt bereits der frühe Sangspruch, vgl. etwa 1 Sperv/ 9a (MF 22,1) und 1 Sperv/ 14 a (MF 23,5). 89 S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 ( 3 2009), S. 134. Wo auch immer nun am Hofe der Herr seinem Knecht dient | und wo der Falke nach geltendem Recht dem Raben nachgeordnet ist, | da spürt man deutlich schlechte Art, schlechten Adel und schlechte Herkunft. | Du edle Ritterschaft, Deine Sache steht jammervoll! | Wo der Scheffel vor dem Schilde zum Hof geht, | Frau Ehre, dort sind Euch Eure kraftvollen Sprünge verwehrt. | Wohlauf mit mir - gehen wir heim nach Österreich! | Dort finden wir den edlen Fürsten, der Euch gewogen ist. | Wollt Ihr mich dort am Hof einführen, wie es Eure Pflicht ist, | dann wird Dein Name sehr gepriesen von mir, edler Leopold. (Übersetzung S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 [ 3 2009], S. 135). 54 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe Mit dem verallgemeinernden Pronomen swâ beginnend, umfasst die ‹ sentenzhafte Struktur › den gesamten ersten Stollen, wobei sich Walther mit der Gegenüberstellung von Raben und Falken eines bekannten Bildes bedient, das weit über den Sangspruch des 12. Jahrhunderts hinaus produktiv bleibt. 90 Dann aber wird der apodiktische Redegestus des ersten Stollens im weiteren Strophenverlauf schrittweise abgebaut, denn mit dem Einsetzen des vierversigen Mittelteils schwindet der Grad an Abstraktion und es wird nun eine konkrete Rezipientengruppe genannt: Dû werde ritterschaft lautet die Apostrophe in Vers 4. Schliesslich ist der höchste Grad an Konkretheit erreicht, wenn im zweiten Stollen mit der Namensnennung Liupold (V. 10) ein Herrscher und dessen Hof erwähnt werden, an dem eben gerade nicht die desolaten Zustände von unart, unadel unde ungeslechte (V. 3) herrschen, wie sie im ‹ sentenzhaften › Eingang beschrieben wurden. Die spruchinterne Argumentation führt so gewissermassen vom Abstrakten hin zum Konkreten, 91 vom ersten Wort der Strophe swâ zum letzten Wort, der konkreten Namensnennung Liupold. Wie zuvor für 1 WaltV/ 8/ 15 b beschrieben, bezieht sich der Strophenschluss kontrastiv auf die Eingangssentenz, doch anders als zuvor werden hier nicht zwei ‹ sentenzhafte › Formulierungen einander gegenübergestellt, sondern der Aussage zu Strophenbeginn die zeitgenössische Realität 92 entgegengehalten und somit die im ersten Stollen propagierte vermeintliche Allgemeingültigkeit gerade wieder unterwandert. Dass der Strophenaufbau in Walthers von der Vogelweide König Friedrichs-Ton sich für die Verwendung ‹ sentenzhafter › Eingangsverse zwar gut eignet, dass sich aber das Form-Inhalt- Verhältnis keineswegs in der Weise verfestigt hat, dass die Form gleichsam einen ‹ sentenzhaften › Stropheneingang erfordert, zeigt neben den zahlreichen Beispielen von Waltherstrophen aus dem König Friedrichs-Ton ohne ‹ sentenzhafte › Rede auch das Weiterleben des Tones in der Tradition der Sangspruchdichter, etwa die Herrenklage des Schulmeister von Esslingen: Mit dienste man vil lützel guotes hiure erwirbet: nu merkent alle wie vil dienstes nû verdirbet. die eim jungen dienent, der vergizt, der alte stirbet. ach got wer mac der rehten mittelunge gevâren daz er alsô gediene daz sîn dienst iht werde verlorn? swer selbe iht hât, daz ist guot weiz got für den zorn. man siht die herren dicke gein dem dienst smælich gebâren. 90 Vgl. beispielsweise B EZZENBERGER , Heinrich Ernst: Frîdankes Bescheidenheit (1872): Des rappen stimme ich fliehen wil; | Sin âtem t œ tet vederspil (142,17 f.). Vgl. später die «priamelartige Aufzählung von Beispielen für die Verderbnis des Edlen durch das Unedle» (RSM III, S. 333) bei Frauenlob, davon das erste Beispiel: Daz edel vederspil verderben muoz dar abe, Swâ krâ, swâ râbe Ir âtem gegen im bieten (GA V,35,1 - 3); vgl. ausserdem - wohl poetologisch als Bezeichnung für den gegnerischen Sänger zu verstehen - auch im Fürstenlob des Wartburgkriegs in k ein kra zu einem edeln falken sprach: | ‹ her guggug, sint ir da? › ( 1 Wartb/ 1/ 1f,8,7 f., zit. nach H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › [2015], S. 525). Vgl. zur Vogelmetaphorik im Kontext polemischer Sangspruchstrophen auch Kapitel 4.1.2. 91 Zur Technik der Konkretisierung vgl. die Ausführungen zu den Predigten Bertholds von Regensburg in Kapitel 2.3.3. 92 Zu der Datierung der Strophe vgl. E DWARDS , Cyril: Nur ein Fahrender (1991), S. 96 - 109, der den Text in der Zeit nach Leopolds Kreuzzugsrückkehrt verortet (1219), demgegenüber N OLTE , Theodor: Walther von der Vogelweide (1991), S. 71 f., der die Strophe in den Kontext der Bitte um Wiederaufnahme am Wiener Hof rückt (1216/ 17). 2.3 Zum Sentenz-Begriff 55 welch kneht sich durch sînn herren sûmet iemer tac, der sîn selbes dinc niht wirbet, obe er mac, der sûmet sich, wan ez ist niht als dô man triuwe pflac. ( 1 Schulm/ 4/ 1a) 93 Der punktuelle Blick auf verschiedene Strophen im König Friedrichs-Ton hat indes deutlich gemacht, dass die strukturelle Besonderheit der variierten Kanzonenstrophe nach dem ABA- Schema nicht zwingend - wie W APNEWSKI mit dem Bild des Triptychons argumentiert - den Abgesang in der Strophenmitte in den Fokus rücken muss, sondern dass gerade die (metrisch leicht abgeänderte) Wiederholung des Stollens zum Strophenende es ermöglicht, noch einmal (kontrastierend ebenso wie affirmierend) auf den Beginn des Spruchs zu rekurrieren und somit die Abgeschlossenheit der Gesamtstrophe zu betonen. 2.3.3 ‹ Predigtartig › ? Sentenzhafter Strophenanfang in Rumelants Spruch I,10 Gerade wenn eine auf Allgemeingültigkeit zielende Aussage zum Beginn eines Textes positioniert wird, mögen damit Anklänge an die Struktur von einleitendem Bibelwort und darauffolgender unterweisender Auslegung aufgerufen sein, wie sie aus den Predigtsammlungen des 13. Jahrhunderts bekannt ist. Ein ‹ sentenzhafter › Strophenanfang lässt sich in Rumelants von Sachsen Strophe I,10 beobachten, die unikal in J überliefert ist und dort ohne thematische Bezüge zum Vorhergehenden (I,9: Marner-Totenklage, vgl. Kapitel 4.1.2) oder zum Nachfolgenden (I,11: Marienlobstrophe mit wunder-Paronomasien, vgl. Kapitel 4.3.2) steht. Holger R UNOW bezeichnet den Sangspruch als «[p]redigtartige Moraldidaxe» 94 . Es wird an späterer Stelle noch zu klären sein, inwiefern auch der Didaxe-Begriff für die Sangspruchdichtung seine eigenen Schwierigkeiten bereithält (vgl. Kapitel 4). Darüber hinaus wäre aber auch nach den Textelementen zu fragen, die es ausmachen, dass die Strophe als ‹ predigtartig › bezeichnet wird. So soll in einem ersten Schritt an einem Einzelbeispiel überlegt werden, was ‹ predigtartig › im Kontext der Sangspruchdichtung heissen kann. Damit liesse sich eine weitere Facette des gattungsspezifischen Gebrauchs ‹ sentenzhafter Strukturen › fassen. Jedoch ist auch hier auf die Schwierigkeit hinzuweisen, die ‹ Sangspruch-Redeweise › zu beschreiben, denn die Gattung selbst lässt sich ja gerade durch ihre Offenheit charakterisieren. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Inhalte, sondern auch hinsichtlich differenter Rollenkonstellationen und Sprechakte (vgl. Kapitel 4). Dass sich für Predigt und Sangspruch wesentliche Berührungspunkte ausmachen lassen, hat die Forschung längst festgestellt und schon früh die ‹ predigthafte › Sprecherrolle der 93 KLD I, S. 64. Mit Dienst erwirbt man heutzutage sehr wenig Gutes: | Nun beachtet alle, wie sehr der Dienst nun zu Grunde gerichtet wird. | Die, welche einem Jungen dienen, der vergisst [sie], der Alte stirbt. | Ach Gott, wer kann nach dem rechten Weg streben, | dass er so diene, dass sein Dienst nicht vergeblich sein wird? | Wer auch immer etwas von | diesem hat, das ist gut - weiss Gott - für den Zorn. | Man sieht, dass die Herren sich dem Dienst gegenüber verwerflich verhalten. | Welcher Knecht sich von seinem Herrn jeden Tag abhalten lässt, | der seine eigene Sache nicht verfolgt, wenn er es auch kann, | der versäumt, denn es ist nicht wie damals, als man die Treue pflegte. (Übersetzung EL). 94 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 200. 56 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe Spruchdichter beschrieben. 95 In diesem Sinne fasst etwa auch Claudia L AUER den Bereich der ‹ geistlichen Lehre › für die Sangspruchdichtung auf: Neben Sündenklage, Gotteslob und Marienpreis stellt die geistliche Paränese einen weiteren Sprechakt innerhalb des geistlichen Themengebietes der Sangspruchdichtung dar. Im Gegensatz zu Klage und Lob ist sie auf Belehrung innerhalb der Kommunikationssituation von Sänger und Publikum ausgerichtet und wendet sich wirkungsästhetisch unterteilt in Rat, Verkündigung und belehrendem Werturteil an die Gemeinschaft der Christen sowie an Irr-, Un- und Andersgläubige. 96 L AUER arbeitet heraus, dass die «ästhetische Identität« der Sänger sich bereits in der Frühphase der Gattung durch die Rückbindung an die «Sozialrolle» des christlichen Predigers konstruiert. 97 Im 13. Jahrhundert bleibe diese Rollenkonstellation bestehen, doch führe hier die Verbindung von «Fiktionalität, Gelehrsamkeit und Ästhetik zu einer außergewöhnlichen Status-Aufwertung des Sängers» 98 . Mit Blick auf die sozialgeschichtliche Verortung der Sangspruchdichter hat die Forschung überdies häufig eben diejenigen Passagen ausgewertet, in denen sich Sangspruchdichter über Prediger und umgekehrt auch Prediger über Sangspruchdichter äussern. Dabei ist allerdings zu bemerken, dass gerade die Sänger des 13. Jahrhunderts - vielleicht als Reaktion auf die zunehmende Konkurrenz durch die erstarkenden Bettelorden 99 - die pfaffen häufig und recht abwertend behandeln, 100 wohingegen die vereinzelten Belege in Predigten der Zeit eher unspezifisch auf die Sangspruchdichter verweisen. 101 Inwiefern eine derart angespannte Konkurrenzsituation ein Epochenspezifikum der Gattung im Spätmittelalter darstellt, zeigt der vergleichende Blick auf das Verhältnis von Predigern und Meistersängern im 15. und 16. Jahrhundert. Wie Volker M ERTENS argumentiert, lasse sich zwischen den beiden stark von Mündlichkeit geprägten Gattungen zwar eine grosse Nähe ausmachen, die u. a. damit zu erklären sei, dass der Meistersang als «heilsverdienstliches Werk» 102 im Gegensatz zu der Kunst 95 Vgl. bereits S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 179; G RUBMÜLLER , Karl: Autorität und meisterschaft (2009). 96 L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008), S. 70 f. 97 Vgl. L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008), S. 35 - 41. 98 L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008), S. 81. 99 Vgl. K ÄSTNER , Hannes: Sermo Vulgaris oder Höfischer Sanc (1996) sowie - für die Zeit um 1400 - ders.: Pfaffenhaß und Pfaffenschelte (2004). 100 Vgl. für Rumelant etwa die Strophe III,3, die sich an die leieberen pfaffen (V. 1) wendet, und sie wegen ihres Anspruches, alle helle winkel (V. 4) ebenso wie den gesamten himele kreiz (V. 7) zu beschreiben, als wanpropheten (V. 11) rügt. Ob es sich dabei allerdings wirklich um eine Kritik an Mendikantenpredigern handelt (so R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 217), oder ob mit den leieberen pfaffen | die singent (V. 1 f.) nicht vielmehr die Sängerkonkurrenten selbst angesprochen sind, die sich als Pfaffen gerieren (so K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 356), bleibt fraglich. An anderer Stelle wird der Gegensatz von Sangspruchdichtern und Klerikern deutlicher, vgl. z. B. 1 FriSo/ 1/ 42 als Kritik an der Habgier der pfaffen; die umfassende Klage des Marner über die ‹ Verweltlichung › der Geistlichkeit mit einer direkten Ansprache an den Papst ( 1 Marn/ 4/ 2); 1 Regb/ 5/ 2 mit der Aussage, dass die Lehre, die aus dem Sang gezogen werden könne, die Lehre der pfaffen übertreffe; den Vorwurf, dass Kleriker sprechen âne meinen: 1 Wartb/ 1/ 3a. Vgl. weitere Belege bei K ÄSTNER , Hannes: Sermo Vulgaris oder Höfischer Sanc (1996). 101 Vgl. die Belege bei R OSMER , Stefan: Die Tradition des geistlichen Sangspruchs (2015), S. 314, Anm. 29. Zur Nennung Boppes durch Berthold von Regensburg in den sermones speciales vgl. ausserdem L AUER , Claudia: Der ‹ starke › Boppe (2015), S. 112 - 115. 102 M ERTENS , Volker: Meistergesang und Predigt (2004), S. 135. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 57 der ‹ alten Meister › nicht auf Belehrung abziele. Jedoch trete trotz der inhaltlichen, kommunikativen und strukturellen Gemeinsamkeiten im Sang der Verkündigungsaspekt im Vergleich zur Predigt zurück; die Gattung zeichne sich durch eine spezifische «demonstrativ-aneignende Performanz» 103 aus, die den Anspruch auf Teilhabe an der Meistersingergesellschaft mitverhandle. Vor dieser Kontrastfolie scheint es mir durchaus legitim, den scharfen Umgang der Sangspruchdichtern mit den pfaffen als ein Charakteristikum der Gattung zu werten, das um 1300 besonders stark hervortritt. 104 Die Konkurrenzsituation von Predigt und Sangspruch, wie sie die Forschung mit Blick auf den sozialgeschichtlichen Kontext beschrieben hat, liegt nicht zuletzt darin begründet, dass beide theologisches Wissen präsentieren (und auch vermitteln), so dass sich in beidem zahlreiche thematische Übereinstimmungen ausmachen lassen, 105 die auch den gleichen inhaltlichen ‹ Trends › unterliegen. 106 Doch lässt sich kaum genau differenzieren, ob und inwiefern von einer direkten Beeinflussung ausgegangen werden kann oder ob sowohl Dichter als auch Prediger auf eine allgemeine gesellschaftliche Tendenz reagieren, deren Diskurs sie wiederum selbst mitprägen. Für Einzelfälle ist es allerdings gelungen: Beispielsweise hat Jens H AUSTEIN dafür argumentiert, den Sangspruch des Marner vor der Folie einer Rezeption der Predigten Bertholds von Regensburg zu verstehen, und nicht nur nach den inhaltlichen Parallelen zu fragen, sondern auch den Blick auf die Übereinstimmungen in Bezug auf die «sprachliche Gestaltung» 107 zu richten. Es wäre indes zu überlegen, ob nicht die Merkmale, die H AUSTEIN für den marnerschen Sangspruch und die Predigten Bertholds veranschlagt, d. h. die «Neigung zum Deiktischen, Anrede einzelner Personen oder Gruppen, Bildhaftigkeit, Ausrufe, parallelisierende Gliederung, pointierte Schlußwendungen» 108 , grundsätzlich für die Sangspruchdichtung, insbesondere im 13. Jahrhundert, gelten mögen. So liessen sich sprachliche Parallelismen beschreiben, die nicht als Gattungsinterferenzen 109 oder gar intertextuelle Verweise verstanden werden. In diesem Sinn kann die Mikroperspektive auf Rumelants Strophe I,10 als Zeuge dienen für eine Tendenz der Gattung um 1300. Worauf ist nun also der ‹ predigthafte › Eindruck im Spruch zurückzuführen? Swer kan beide, brechen unde b ů zen, der mac wol z ů dingen sprechen suren unde z ů s ů zen. sol ein wis man kunnen schanden sich bewarn, 103 M ERTENS , Volker: Meistergesang und Predigt (2004), S. 137. 104 Ich spitze die These von R OSMER , Stefan: Die Tradition des geistlichen Sangspruchs (2015), S. 134 etwas zu, der ganz allgemein einen Gegensatz zwischen Predigt und Sangspruch annimmt, «der von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort eine gewisse Schärfe gewonnen haben mochte.» 105 Zu den daraus erwachsenden Anmassungs-Vorwürfen vgl. M IEDEMA , Nine: In Theothonico (2015), S. 161 - 164. 106 W OLF , Klaus: Predigt und andere geistliche Prosa (2019), S. 157 nennt als Beispiele Marienkult und Antichrist-Thematik, vgl. zu letzterem K LEIN , Dorothea: Der Sangspruchdichter und der Antichrist (2012). 107 H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 27 - 31, hier S. 30. 108 H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 30 f. 109 Nur schon deshalb, weil die Predigt eine Textsorte, keine Gattung, darstellt, vgl. H ASEBRINK , Burkhard / S CHIEWER , Hans-Jochen: Art. ‹ Predigt › ( 3 2007). Vgl. grundsätzlich zu den Schwierigkeiten vormoderner Gattungsbegriffe und zur Problematik der ‹ Gattung › Sangspruchdichtung im Besonderen Kapitel 1.1 und Kapitel 4. 58 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe So wirt her geneme z ů allen stunden; swaz er t ů t, daz ist gezeme gesten unde den kunden. got wil ere gunnen den, die rechte varn; Die Kristes in z ů loser nicht v ů rlougen und im des jen, daz in ein maget gebere, Die set her an mit liebes vater ougen. ir rechten kristen, vreuwet uch der mere! Juden, ketzer, heiden, bose kristen, wer sol uch rechtes bescheiden? Satanas mit listen stricket uch so tougen, daz ir eren barn. (I,10) 110 Im Gegensatz z. B. zu der in J nachfolgenden Strophe I,11 scheint der Inhalt dieses Spruchs auf den ersten Blick durchaus hermeneutisch zugänglich. Verhandelt wird das korrekte Verhalten verschiedener Menschen(gruppen) auf Erden und die Konsequenzen, die Gott aus ihrem jeweiligen Verhalten zieht. 111 Von der mit dem verallgemeinernden Pronomen swer (V. 1) eingeleiteten Schilderung der Menschen, die falsch oder richtig handeln, zum wis[en] man (V. 3) als gewissermassen prototypisches Beispiel für jemanden, der sich richtig verhält, zu den rechten kristen (V. 10) und den Juden, ketzer, heiden, bose kristen (V. 11) 112 verläuft die Argumentation vom Allgemeinen zum Spezifischen. Schwierigkeiten bereitet allenfalls der ‹ sentenzhafte › Strophenbeginn: dies vor allem in sprachlicher Hinsicht - K ERN übersetzt die Verse mit Jeder, der imstande ist, beides zu tun: Unrecht zu verüben und es wieder gutzumachen, | der kann mit Sicherheit Unfreundlichkeit und Freundlichkeit (oder: Strafgericht und gnädiges Gericht) erwarten. 113 Damit fasst er die Wendung brechen und b ů zen sehr eng nach rechtwissenschaftlichem Verständnis, 114 im Gegensatz zu R UNOW , der allgemeiner übersetzt: Wer sündigt, danach aber Buße tut, | der kann wohl über das Böse | und über das Gute sprechen. 115 Vor dem Hintergrund, dass auch die Wendung z ů dingen sprechen (V. 2) über nhd. ‹ sprechen › hinaus auch ‹ erwarten › oder ‹ einen Anspruch erheben › 110 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 36. Jeder, der imstande ist, beides zu tun: Unrecht zu verüben und es wieder gutzumachen, | der kann mit Sicherheit Unfreundlichkeit und Freundlichkeit (oder: Strafgericht und gnädiges Gericht) erwarten. | Wenn es so ist, daß ein weiser Mann sich vor dem bewahren kann, dessen er sich schämen müßte, | so wird er jederzeit geschätzt; alles, was er tut, ist Fremden und Bekannten willkommen [findet bei allen Beifall]. | Gott will (wird) denen Ehre vergönnen (gewähren), die auf rechte Weise leben; die nicht leugnen, daß Christus für sie der Erlöser ist, | und die von ihm das glauben, daß ihn eine Jungfrau gebar, | die sieht er an (wird er ansehen) mit den Augen eines lieben (liebenden) Vaters. | Ihr rechtgläubigen Christen, freut euch über diese Kunde (Zusage)! | Ihr Juden, Ketzer, Heiden, schlechte Christen, | wer soll euch darüber belehren, was richtig ist? Mit List hält euch Satan | so heimlich [ohne daß ihr es merkt] in seinen Stricken gefangen, daß ihr ohne Ehren (ohne ehrenhaftes Verhalten und ohne Geehrtsein) seid (sein werdet). (Übersetzung: K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 37). 111 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 278. 112 Mit der Reihung ist die Gesamtheit aller Menschen angesprochen, vgl. auch Rumelants Strophen IV,12 (ebenfalls mit buoze-Thematik) und VI,10. 113 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 278 f.; vgl. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 37. 114 Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch (1914), S. 658. 115 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 52. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 59 bedeuten kann, wie K ERN vorschlägt, folge ich K ERN s Übersetzung. 116 Besonders auffällig in den einleitenden Versen, die sich sowohl durch Kürze («Zweizügigkeit» 117 ) und Prägnanz wie auch durch den sentenztypischen Aussagegestus auszeichnen, sind die beiden Alliterationen brechen unde b ů zen (V. 1) und suren unde z ů s ů zen (V. 2). Beide sind in unterschiedlichen Kontexten vorgeprägt: Wie bereits erwähnt kann die erste Wendung als ursprünglich lateinischer Rechtsterminus verstanden werden, die zweite ist als feste Verbindung zumindest seit Walthers Kan mîn frouwe süeze siuren (L 69,22) in der volkssprachigen Literatur geläufig. 118 Für beide kann daher eine formelhafte Verwendung angenommen werden. Bereits mit diesen doppelgereimten ‹ sentenzhaften › Äusserungen wird also ein Programm erprobt, dass einer klaren Wenn-dann-Relation entspricht: wenn brechen - dann suren, wenn b ů zen - dann s ů zen. Dieser antithetische Aufbau zieht sich weiter durch den gesamten Spruch I,10, etwa in der Verbindung gesten unde den kunden (V. 5) oder in der Gegenüberstellung von schaden (V. 3) und ere (V. 6) jeweils im letzten Vers des jeweiligen Stollens. Damit spiegelt das Strukturprinzip, das bereits der Stropheneingang vorgibt, die grundsätzliche Opposition von rechten kristen (V. 10) und Juden, ketzer, heiden, bose kristen (V. 11). Dass die Publikumsapostrophe sich gerade in der Schwellenrepetition befindet, die zwischen zweitem Stollen und Abgesang eingeschoben ist und die gegenüber der strukturellen Analogie von erstem und zweitem Stollen sowie Abgesang (zwei Terzinenstollen und ein ebenfalls dreiversigerAbgesang) gewissermassen ‹ aus dem Rahmen › fällt und besonders hervorgehoben wird, 119 ist ein weiteres Element, dass für die Nähe zur Predigt als «appellative[r] Textsorte» 120 spricht. Hinsichtlich ihres performativen Potentials mögen sich die beiden - im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit zu verortenden - Texte ähneln. Rumelants Spruch endet mit dem Ausruf, die Un- oder Falschgläubigen seien in den Stricken des Teufels gefangen. Peter K ERN hat bereits auf den biblischen Ursprung der Metapher hingewiesen, 121 die ihren Weg auch in die volkssprachigen literarischen Texte gefunden hat 122 und auch in den Predigten des 13. Jahrhunderts verbreitet war, wie beispielsweise in Bertholds von Regensburg Von den vier stricken. 123 Mit Bezug auf Ps 123,7 124 führt dieser aus: Alsô liset man hiute in der heiligen messe und alsô sprechent die heiligen merteler: ‹ unser sêlen sint enbunden von dem stricke der jagenden alse der spar ûz dem netze. › Und alsô mügent sie wol sprechen; 116 Vgl. auch L EXER II, Art. ‹ sprechen › , Sp. 1112. 117 Ich unterscheide mit E IKELMANN , Manfred / T OMASEK , Tomas: Handbuch der Sentenzen und Sprichwörter 2 (2009), S. 375, Anm. 3 zwischen ein- und zwei- oder mehrzügigen Sentenzen, wobei «als einzügig [. . .] eine aus einem Syntagma bzw. einem einfachen Hauptsatz bestehende Vollsentenz verstanden [wird]. Als zweizügig wird eine aus einem Haupt- und einem Nebensatz bzw. zwei Hauptsätzen bestehende Vollsentenz verstanden.» 118 Vgl. z. B. L ACHMANN , Karl: Wolfram von Eschenbach Parzival ( 6 2018), 17,4: sus nimet diu werlt ein ende: unser aller süeze an dem orte ie muoz sûren. 119 Das Tonschema von Ton I lässt sich als Kanzonenstrophe mit Schwellenrepetition beschreiben. I,10 weist allerdings gegenüber den anderen Strophen des Tons eine Variation des Tonschemas im Reim des letzten Verses auf, vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 237. 120 H ASEBRINK , Burkhard / S CHIEWER , Hans-Jochen: Art. ‹ Predigt › ( 3 2007), S. 151. 121 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 279 nennt Lc 13,16, 1 Tim 3,7 und 2 Tim 2,26. 122 Vgl. z. B. 1 WaltV/ 9/ 7 (L 33,1): seht wie iuch der bâbest mit des tiuvels stricken seitet. 123 Vgl. P FEIFFER , Franz / S TROBL , Joseph: Berthold von Regensburg (1965), S. 408 - 423. 124 Ps 123,7: anima nostra quasi avis erepta est de laqueo venantium laqueus contritus est et nos liberati sumus. 60 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe wan die wîle und sie in der werlte wâren, dô heten si maniger hande stricke von den jagenden, daz sint die leidigen tiuvele, die uns tac unde naht maniger hande lâge legent. 125 Die Gemeinsamkeiten zwischen der Predigt Bertholds und dem Spruch Rumelants bleiben jedoch auf das Bild beschränkt, das in den beiden Texten völlig unterschiedlich funktionalisiert wird. Rumelants Strophe als direktes Rezeptionszeugnis zu verstehen, wäre daher sicherlich falsch. Darum soll es aber gar nicht gehen. Aber wie wird das Bild des Teufelsstricks in den verschiedenen Gattungen, die ja ihre jeweils unterschiedlichen Implikationen mitbringen, umgesetzt? Bereits in Bezug auf den Umfang unterscheidet sich die beiden Texte grundlegend: Die Sangspruchstrophe bleibt an den beschränkten Platz gebunden, der ihr durch die Form der Einzelstrophe vorgegeben ist, wohingegen Berthold viel umfassender argumentieren kann. Berthold, der besonders uns kristenliuten 126 durch die Teufelsstricke gefährdet sieht, wechselt bald ins Bildfeld der Jagd.Wie ein Jäger, der für hirze und bern, fühse und hasen, salmen und störn jeweils unterschiedliche Fallstricke auslegen muss, so legt auch der Teufel für die unterschiedlichen Menschen mit ihren unterschiedlichen Schwächen jeweils passende Stricke aus - für die Jugend unkiusche 127 , für die Frauen hôhvart und îtel êre 128 , für die Alten gîtekeit 129 . Der vierte Strick bedroht jedoch alle Gruppen gleichermassen und stellt das schlimmste Versäumnis dar: ûfschiube der buoze 130 . Im Unterschied zu Berthold, der aus dem Bild der Teufelsstricke heraus die unterschiedlichen Argumentationsstränge entwickelt, läuft die Strophe I,10 darauf zu und schliesst so mit einem Bild, das einerseits vor dem Hintergrund der Berthold-Predigt wieder auf die ‹ sentenzhafte › Äusserung im Eingangsvers zurückverweist (brechen unde b ů zen), andererseits aber auch zum Strophenende hin noch einmal einen neuen Anspielungshorizont eröffnet. Der eingangs erwähnte Eindruck der ‹ Predigtartigkeit › , die Rumelants Strophe I,10 erwecken mag, scheint mir folglich in der Kombination verschiedener Merkmale zu gründen. So klingt bereits mit der Position der ‹ sentenzhaften › Äusserung am Stropheneingang und der folgenden Auslegung die Struktur der Predigt an, der durch den Appellcharakter der Strophe und die Rolle des Sängers, der zu einem Leben als rechter krist auffordert, noch verstärkt wird. Die thematischen und bildsprachlichen Überschneidungen zu volkssprachigen Predigten der Zeit sind im Vergleich mit Bertholds Predigt Von den vier stricken deutlich geworden. Solche Detailbeobachtungen verweisen bereits auf die umfassendere Frage nach einer Kohärenz der Gattung Sangspruchdichtung (vgl. Kapitel 4). Dabei zeigt sich bereits hier, dass für die Sangspruchdichtung ‹ Offenheit › ein massgebliches Kriterium darstellt: In der allusiven Intertextualität etwa auf der Ebene der Sängerrollen oder der Bildsprachlichkeit. 125 P FEIFFER , Franz / S TROBL , Joseph: Berthold von Regensburg (1965), S. 408. Ebenso liest man es heute in der heiligen Messe und ebenso sagen es die heiligen Märtyrer: ‹ Unsere Seelen sind losgemacht vom Strick der Jagenden wie der Sperling aus dem Netz [freigekommen ist]. › Und ebenso können sie wohl sagen: Im Zeitraum, in dem sie auf der Welt waren, hatten sie allerlei Stricke der Jagenden; das sind die widerwärtigen Teufel, die uns Tag und Nacht mancherlei Hinterhalt legen. (Übersetzung EL). 126 P FEIFFER , Franz / S TROBL , Joseph: Berthold von Regensburg (1965), S. 408. 127 P FEIFFER , Franz / S TROBL , Joseph: Berthold von Regensburg (1965), S. 411 - 413. 128 P FEIFFER , Franz / S TROBL , Joseph: Berthold von Regensburg (1965), S. 414 - 416. 129 P FEIFFER , Franz / S TROBL , Joseph: Berthold von Regensburg (1965), S. 416 - 420. 130 P FEIFFER , Franz / S TROBL , Joseph: Berthold von Regensburg (1965), S. 420 - 423. 2.3 Zum Sentenz-Begriff 61 2.4 Sinnstiftung und Sentenz: Rumelant IV,22 Für die bisherigen Beispielen kann kaum bezweifelt werden, dass die Verse, die ich als ‹ sentenzhaft › ausgemacht habe, auf allgemeingültige Normen referieren. Inwiefern diese Strategie des konstatierenden Sprechens auch eine Inszenierung sein kann, sollen die folgenden Überlegungen zu Rumelants Strophe IV,22 zeigen: Man möchte ein bilde mâlen an die want mit eime nacke, daz sunder antlitz wære, wolte manz verkêren. âschaffen bilde mâler, unbederve snatersnacke, nû mâle selbe ein bilde. wer sol dich daz lêren, daz dû im kêres zuo der want die nase, munt und ougen, stirne und kin, daz man antlitz und ôren sê? der | kunst wil ich dich lougen, ich weiz den sin: gesniten antlitz mac man zuo der wende schicken, gemâlte bilde müezen gegen ir meister blicken. (IV,22) 131 Im Gegensatz zu der hier zitierten Edition Holger R UNOW s hat Peter K ERN in seiner Ausgabe die ersten beiden Verse des Spruchs in Anführungszeichen gesetzt, um deutlich zu machen, dass es sich dabei nicht um Rumelants eigene Äusserung handle, sondern um die Wiedergabe eines Vorwurfs eines unbekannten Sängerkonkurrenten in indirekter Rede. 132 In diesem Sinn wäre der Stropheninhalt ab V. 3 als Erwiderung Rumelants auf diese Herausforderung zu verstehen. Mit dieser Entscheidung rückt K ERN den Spruch in den Kontext der Sängerpolemik, die gerade die Sangspruchdichtung des 13. Jahrhunderts und insbesondere auch das Rumelant- Œ uvre prägt (vgl. Kapitel 4.1.2), und bringt IV,22 insbesondere mit Rumelants Kritik am Marner in Strophe IV,7 in Verbindung: ‹ Ren-ram › -rint - rechte raten r ů ch nach meisterlicher orden: wie mac daz wunderliche wunder sin genennet? Ez was ein kint unde wart ein man und ist ein kint geworden; daz wunder ist v ů r wunder wunderliche erkennet. Ez ist ein ren der wildicheit, ein ram der unbehende, der zucht ein rint. Von alter get ez hinder sich, sin lob hat widerwende. daz wunderkint 131 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 95. Man könnte die Rückseite eines Menschen als Bild an die Wand malen, | das, wenn man es umdrehte, kein Antlitz hätte. | Unfähiger Maler, du nichtsnutziger Schwätzer! | Male [erst einmal] ein Bild: Wer soll dir das beibringen, | dass du es mit Nase, Mund und Augen, Stirn und Kinn nach vorn | an die Wand malst, | und dass man [gleichzeitig] das Gesicht und auch die Ohren sehen kann? Ich sage dir, du verstehst nichts von Kunst. | Ich aber weiß, wie es geht: | Eine geschnitzte Figur kann man zur Wand drehen, | gemalte Bilder hingegen müssen ihren Maler anblicken. (Übersetzung R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 95). 132 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 450. Anders als in IV,4 wird das angebliche Zitat nicht über eine sprachliche Wendung kenntlich gemacht: daz vant ein alter mulnere uns in hone wise (IV,4,2). 62 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe Treit graer varwen stopfelhar of kindes kinne. ez ist genant - nu rat! bistu des namen inne? (IV,7) 133 Die Tiernamen im ersten Stollen, eine kennzeichnende Praxis spruchmeisterlicher Invektive (vgl. Kapitel 4.1.2), die Rumelant selbst im gleichen Ton noch ein weiteres Mal anwendet, müssen in dieser Strophe nur umgedreht werden, um das Ziel der Polemik zu erraten: Aus ‹ Renram › wird ‹ Mar-ner › . 134 Nach K ERN wäre nun IV,22 als demonstrativer Hinweis Rumelants auf die eigene polemische Strategie in IV,7 zu verstehen - dass nämlich nur er selbst über den sin (V. 8) verfüge, sowohl eindeutig als auch indirekt den Konkurrenten zu rügen. 135 Der Stropheneingang von IV,22 wäre demnach nicht als Verweis auf Generelles zu verstehen, sondern im Gegensatz als Zitat höchst spezifisch. Doch so überzeugend K ERN s Vorschlag auch sein mag - Zweifel bleiben, denn die Überlieferung spricht gegen eine solche Lektüre: Sämtliche bekannten Strophen des Ton IV (29) sind in J überliefert, sechs davon finden sich auch in C (von den Marner-Polemiken nur IV,7), sieben davon sind fragmentarisch tradiert. Die Strophen, die vermutlich an den Marner gerichtet sind, führt J in direkter Folge (IV,4 - 7), wohingegen IV,22 erst gegen Ende des Tons steht, zwischen einer Tierallegorese und einer Ermahnung zur milte. Zumindest für die Kompilatoren von J war die Strophe somit nicht als Marner-Polemik erkennbar und so bleibt es spekulativ, den Marner als Adressaten der Strophe IV,22 anzunehmen, unsicherer jedenfalls als für IV,18, für welche die Forschung das ebenfalls erwogen hat. 136 Ist die Einzelstrophe also nur zu verstehen, wenn sie im Kontext anderer Strophen steht? Oder liesse sich auch eine Lektüre erproben, welche die ersten beiden Verse als ‹ sentenzhaften › Stropheneingang begreift? Zumindest der Aspekt der Konsenserzeugung ist in der ‹ sentenzhaften › Äusserung zu Beginn von IV,22 nicht erfüllt, denn mindestens dem modernen Rezipienten wird nicht (mehr) deutlich, auf welches gemeinsame Erfahrungs- und Orientierungswissen die Strophe abzielt. Aber muss in einem Umkehrschluss zwingend gelten, dass die Strophe nur verstanden werden kann, wenn die Aufführungspraxis rekonstruiert werden könnte? Die Verständnisschwierigkeiten des modernen Rezipienten mögen an den folgenden drei Punkten liegen, die ich kurz skizzieren will: 133 Zitiert nach: K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014) S. 92. ‹ Ren-ram › -Rind - bemühe dich, mit Kunstverstand richtig zu raten: | Wie kann dieses merkwürdige Wunderwesen genannt sein? | Es war ein Kind und wurde ein Mann und ist ein Kind geworden; | dieses Wunderwesen gilt in seiner Staunen erregenden Art als mehr denn ein Wunder (als Wunder, das andere Wunder übertrifft). | Es ist ein ‹ Ren › (Rentier) hinsichtlich der Wildheit, ein ‹ Ram › (Widder) hinsichtlich der Ungeschicklichkeit, | ein Rind hinsichtlich der Zucht (des wohlerzogenen Verhaltens). | Wegen des Alters geht es rückwärts (kehrt sich seine Entwicklung um), sein Ruhm nimmt ab. | Das verwunderliche Kind | trägt Stoppelhaare von grauer Farbe auf Kindes Kinn. | Es ist genannt - nun rate! Kennst du den Namen? (Übersetzung K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014] S. 93). 134 Vgl. R UNOW , Holger: Hât ieman sin sô snellen . . . (2015), S. 106, der annimmt, dass IV,7 zumindest zum Teil als Lesetext konzipiert war, da das Wortspiel im mündlichen Vortrag kaum zur Geltung käme. 135 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 450. 136 In IV,18 wird ein Vergleich eröffnet zwischen einer Schwalbe, die damit prahlt, mit ihrem Gesang selbst Lerche und Nachtigall übertrumpfen zu können, und einem Dichter, der seine poetischen Fähigkeiten vollkommen überschätzt. Da die Strophe in C angrenzend an IV,7 überliefert wurde, wurde auch diese unpersönliche Strophe als an den Marner gerichtet aufgefasst. Anders allerdings W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 169. Vgl. zur Strophe auch Kapitel 4.1.2. 2.4 Sinnstiftung und Sentenz: Rumelant IV,22 63 1) An der Schwierigkeit, die Wendung ich weiz den sin (V. 8) einzuordnen, die sich im letzten Kurzvers der Strophe befindet: 137 Ist sin - wie K ERN vorschlägt - mit ‹ Kunstfertigkeit › zu übersetzen und wird damit auf eine dichterische (polemische? ) Strategie angespielt? R UNOW übersetzt dagegen allgemeiner «Ich aber weiß, wie es geht» 138 und Theodor N OLTE und Volker S CHUPP bleiben ähnlich unbestimmt: «Ich weiß, warum.» 139 Auch wenn mir die Vorschläge von K ERN und R UNOW , die eng mit Vers 7 korrespondieren, in welchem von kunst die Rede ist, durchaus schlüssig erscheinen, ist zu bedenken, dass sin auch die Bedeutung «[R]ichtung, [W]eg» 140 innehat. Eine Übersetzung mit «Ich kenne die [korrekte] Richtung» würde sich ebenfalls anbieten. Doch welche Richtung? Die, in die das geschilderte bilde blickt oder doch - mit K ERN - die Richtung, in welche der Marner-Name gelesen werden muss? So oszilliert mhd. sin zwischen den Bedeutungen, eine klare Zuordnung - ‹ Kunstverstand › , ‹ Wendung › oder gar der ‹ Sinn › der Strophe - lässt sich nicht treffen und soll vielleicht gar nicht getroffen werden. 2) Auch das ungewöhnliche Vokabular trägt nicht zum Verständnis der Strophe bei. So ist beispielsweise âschaffen bilde, das als von maler abhängiger Genitiv wohl so viel wie Maler ‹ hässlicher › bzw. ‹ missgestalteter › Bilder bedeutet, 141 ein Hapax legomenon, wie auch snatersnacke eine allitierierende Neubildung Rumelants ist; vermutlich aus zwei Verben, die beide etwa ‹ schwatzen › bedeuten: snateren 142 und snacken. Der Begriff könnte folglich so viel wie ‹ Dummschwätzer › bedeuten. Klingt hier der snarrenzære aus Walthers Bognermahnung an? 143 Jedenfalls sind aus den polemischen Strophen des 13. Jahrhunderts zahlreiche Beschimpfungen belegt, die mit sni- oder snabeginnen. 144 Entsprechend hat die Forschung die Strophe im Kontext der Sängerpolemik verortet. 145 3) Schliesslich stellt aber die Kernfrage dar, inwiefern das in der Strophe thematisierte bilde wörtlich oder übertragen verstanden werden soll und - falls letzteres der Fall sein sollte - worauf das bilde verweist. N OLTE und S CHUPP haben in ihrer Anthologie die Möglichkeit eines wörtlichen Verständnisses von bilde wieder aufgenommen, wie es davor nur Friedrich P ANZER vertreten hat. 146 Die Strophe nehme demnach den Paragone der Renaissance vorweg und Rumelant verhandle, dass die Skulptur dem gemalten Bild überlegen sei, da die Möglichkeit, durch einen Spiegel in der Hand der von hinten gemalten Skulptur Vorder- und Rückseite gleichzeitig zu zeigen, im 13. Jahrhundert noch nicht existiere. 147 Wenn auch Ähnlichkeiten 137 Zum Wechsel von Kurz- und Langvers als Strategie der Kunstdemonstration vgl. Kapitel 4.2.1. 138 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 95. 139 N OLTE , Theodor / S CHUPP , Volker: Mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung (2011), S. 263. 140 Art. ‹ sin › , in: BMZ, Sp. 311 b. Der BMZ-Artikel nennt als erste Bedeutung «richtung, weg», danach den (äusseren) «sinn», verstanden beispielsweise als einer der fünf Sinne, drittens den «innere[n] sinn» und als vierte Sonderbedeutung «meinung, idee» oder den «geistige[n] inhalt, [. . .] die worte oder werke haben.» Die Bedeutung ‹ Kunstfertigkeit › , welche K ERN und R UNOW mit Verweis auf den L EXER -Eintrag veranschlagen, führt BMZ nicht auf. 141 Vgl. Art. ‹ aschaffen › , in: MWB 1,375. 142 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 122; R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 238. 143 1 WaltV/ 14/ 11 = L 80,27. 144 Vgl. Kapitel 4.1, Anm. 190. 145 Vgl. z. B. RSM 5 (1991), S. 317: «Das Scheltwort snatersnake ‹ Schwätzer › in V. 3 könnte andeuten, daß ein literarischer Pfuscher angegriffen wird.» 146 Vgl. P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), S. 67, der auf den Meistergesang des 15. und 16. Jahrhundert verweist, bemerkt knapp: «ein spruch über m a l e r e i » [Hervorh. im Original]. 147 Vgl. N OLTE , Theodor / S CHUPP , Volker: Mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung (2011), S. 441. 64 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe zum Paragone nicht von der Hand zu weisen sind, 148 scheint mir eine solche wörtliche Lesart des Spruchs zu recht nicht sehr verbreitet. Vielmehr muss einerseits berücksichtigt werden, wie Rumelant den bilde-Begriff in seinem restlichen Œ uvre verwendet, andererseits ist freilich auch ganz grundsätzlich die Rolle der artes in der Sangspruchdichtung in den Blick zu nehmen. Nur an zwei weiteren Stellen in Rumelants Sangsprüchen wird bilde noch genannt: Im Gotteslob VIII,11, in dem Gottes meisterschaft sich in maneger hande bilde zeigt (VIII,11,8 f.), sowie im toneröffnenden Strophenkomplex IV,1 - 3, der bilde synonym zum biblischen statua fasst und damit das Standbild aus Nebukadnezars Traum nach Daniel bezeichnet. Das goldene Haupt, die Arme und Beine aus Silber, der eherne Bauch, die stählernen Beine und zuletzt die Füsse aus Lehm und Eisen - all das wird in IV,1 einer descriptio personae gemäss von oben nach unten aufgeführt. (vgl. Kapitel 3.2). 149 Diese Differenzierung bleibt für bilde in IV,22 aus: Erst die letzten beiden Verse stellen (vermeintliche) Ordnung her und unterscheiden gesniten antliz und gemalte bilde. Es stellt einen Gemeinplatz dar, dass die Sangspruchdichter Handwerksmetaphorik in Analogie zur Beschreibung der eigenen dichterischen Fähigkeiten (vgl. Kapitel 2.4 und Kapitel 4.1.2) verwenden. 150 Auf antike Bildmuster zurückgreifend, 151 wird der Gebrauch von Metaphern aus dem Bereich des Textil- und Metallhandwerks sowie der Baukunst gerade von den ‹ Blümern › im 13. Jahrhundert intensiv genutzt. 152 Weil sich über die Verwendung solcher Metaphorik auch Überschneidungen zur Vorstellung Gottes als deus geometra feststellen lassen, wie er seinerseits wiederum Gegenstand der Sangspruchdichtung ist, 153 hat die jüngere Forschung diskutiert, inwiefern von einer kategorialen Differenz zwischen göttlichem und menschlichem ‹ Handwerk › auszugehen ist, ob allein der «dichterische[] Vorgang als eine[] Produktion durch Bearbeitung eines gegebenen ‹ Materials › auszudrücken» 154 sei oder ob nicht vielmehr auch der «schöpferische[n] Produktivität, [dem] Schaffen von Neuem, das die Handwerke auszeichnet» 155 , Rechnung getragen werden müsse. Bereits die ältere Sangspruchdichtung kennt die Strategie, Maler und Dichter gewissermassen kurzzuschliessen. 156 Als ein bekanntes Beispiel dafür liesse sich Hermann Damens Strophe heranziehen, in der bereits in den ersten beiden Versen beide Bereiche in eins fallen: Ich male uf des sanges sims | mit tihte sam ich beste kan ( 1 Damen/ 5/ 1,1 f.). 157 Der Spruch dient - so Gert H ÜBNER - gewissermassen als «produktionsästhetisches Prooemium» 158 nicht nur zu den 148 Vgl. S IMONIS , Annette / S IMONIS , Linda: Vergleich und Wettstreit der Künste (2011). 149 Bilde im Sinne von ‹ Standbild › verwendet etwa 1 Wartb/ 1/ 2b,41 in der Handschrift k. 150 Dass dieses Bildfeld allerdings nicht ausschliesslich der Beschreibung dichterischer Tätigkeit vorbehalten ist, zeigt ein Blick auf die Genitivmetapher in VI,2,11 f.: Mensche, halt den namen Kristes in diner sinne zangen, | merke an sine g ů te, waz er gnaden hat begangen! Vgl. weitere Belege für die metaphorische Verwendung von zange bei S TRAUCH , Philipp: Der Marner (1876), S. 134. 151 Vgl. K OHL , Katrin: Poetologische Metaphern (2007), S. 154 - 164. 152 Vgl. O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), S. 333 - 338. Spezifisch für Frauenlob vgl. H ARAN T , Patricia: Poeta Faber (1997). 153 Vgl. Rumelants Spruch I,5; weitere Belege verzeichnet bei RSM 15 (2002), S. 323. 154 O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), S. 337. 155 K LEIN , Dorothea: Poeta artifex (2017), S. 254. 156 Vgl. 1 SpervA/ 2/ 2; vgl. zu Übereinstimmungen zwischen der Spervogel- und der Rumelant-Strophe auch Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 125, Anm. 495. 157 HMS III, S. 169. 158 H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000), S. 257. 2.4 Sinnstiftung und Sentenz: Rumelant IV,22 65 nachfolgenden beiden Strophen in Damens sechstem Ton, Fürstenlobstrophen auf Otto von Ravensburg und auf Heinrich I. von Holstein-Rendsburg, sondern auch zu Strophen Frauenlobs. 159 In diesem klingen verschiedene Bildfelder an, die in den weiteren Strophen wieder aufgegriffen werden. Die Dichtung wird hier selbst zum Gegenstand der Dichtung, die Metaphern rühmen «nicht den Wert der Poeterei, sondern charakterisieren die Arbeit des Dichters; sie zielen, wenn auch unspezifisch und rudimentär, auf die Formulierung von Produktionstheorien.» 160 In der dritten Strophe in Damens sechstem Ton, der panegyrischen Strophe auf Graf Heinrich I. von Holstein-Rendsburg ( 1 Damen/ 5/ 2), wird die Malerei-Metapher aus dem Prolog wieder aufgenommen, der Gelobte wird - in einer Umbesetzung der Metapher, die ansonsten für die dichterische Selbstbeschreibung genutzt wird - als ein houbetmaler reiner site (V. 2) bezeichnet. Unter diversen anderen Zuschreibungen nennt Damen Heinrich zudem [e]in bilder vürstelicher werk (V. 1), verwendet also die Malerei-Metapher ergänzend zur Bildhauerei-Metapher. Dass es die Sangspruchdichtung erlaubt, verschiedene Handwerke nebeneinander (oder mit anderen Bildfeldern, z. B. der Natur) zu kombinieren, bemerkt auch Sabine O BERMAIER und folgert: «Der Bildspenderbereich ist lediglich hinsichtlich seiner Analogie zum Bildempfängerbereich signifikant; darüber hinaus vermittelt er allenfalls eine zusätzliche Aura.» 161 In Rumelants Strophe IV,22 gestaltet sich das Verhältnis der verschiedenen artes jedoch anders; sie treten nicht nach Belieben auf und ab, 162 sondern verhalten sich kontrastiv zueinander. Das ist insofern ungewöhnlich, als das künstlerische Selbstverständnis der Renaissance zwar vom Prinzip «des Paragone, des Vergleichens und Gegeneinander-Abwägens unterschiedlicher Künste und Wissensbereiche» im Zusammenspiel mit dem «agon, de[m] Wettstreit[] zwischen rivalisierenden Künstlern», bestimmt wird, 163 für die spätmittelalterliche 159 Vgl. 1 Damen/ 5/ 1 - 3; 1 Frau/ 2/ 18 - 23 (GA V,7 - 12). Die Zusammenhänge zwischen den Fürstenlobstrophen hat bereits S TACKMANN , Karl: Redebluomen (1997 [1975]) bemerkt. Vgl. in der Folge auch B URKARD , Mirjam: Sangspruchdichter unter sich (2012), S. 87 - 98; C ÖLLN , Jan: Fürstenlob (2015); H ARANT , Patricia: Poeta Faber (1997), S. 44 - 73; H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000), S. 251 - 263; aus einer überlieferungshistorischen Perspektive mit Blick auf den Fürstenlob-Strophenkomplex in J W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 145 - 152. W ACHINGER , Burghart: Sangspruchdichtung und frühe Meisterliedkunst (2007), S. 237 hat in der Reihung der Lobstrophen eine Kunstdemonstration gesehen: «Die vom Autor gewollte Reihung der fünf oder sechs Lobstrophen zu einem Bar dient der Kunstdemonstration. Den Gebrauch kann man sich schriftlich vorstellen, z. B. als Kunstprobe für einen sechsten Fürsten, von dem sich Frauenlob einen Auftrag erhoffte, oder als Lehrstück für Sangesschüler, die lernen wollen, wie man Lobstrophen macht. Man kann sich aber auch denken, daß das Bar gesungen wurde, freilich kaum vor den Gepriesenen, wohl aber vor einem Kreis von Kunstkennern, die die Sprachartistik mit ihren Traditionsbezügen und die Kunst der Variation des Lobstrophenschemas zu schätzen vermochten, seien es Sangesschüler, seien es Interessierte aus der Hofgesellschaft. Solche Umpragmatisierung des Fürstenlobs zu einem Kunstwerk für Kenner würde gut zu anderen Beobachtungen passen, die man in der späten Sangspruchdichtung und besonders im Umkreis Frauenlobs machen kann: zu Thematisierungen der Epigonenproblematik, Stilreflexionen, Meisterschaftsvergleichen und Künstlerpolemiken, wie sie um diese Zeit gehäuft auftreten.» 160 H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000), S. 260. 161 O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), S. 337, wobei sich die Frage stellt, ob sich nicht die Wahl der jeweiligen ars sowie deren Kombination mit anderen artes stärker gewichten liesse. So schiene es mir durchaus denkbar, aus diesen Konstellationen Schlüsse zu ziehen. 162 Vgl. B RAUN , Manuel: Zwischen ars und ‹ Kunst › , (2009), S. 82. 163 Vgl. S IMONIS , Annette / S IMONIS , Linda: Vergleich und Wettstreit der Künste (2011), S. 75 [Hervorh. im Original]. 66 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe Sangspruchdichtung der Fokus aber klar auf Letzterem liegt. Die einzelnen artes liberales oder artes mechanicae 164 hingegen werden seltener gegeneinander abgewogen. Als Ausnahme mag - wie Manuel B RAUN gezeigt hat 165 und wie es auch in Rumelants Strophe IV,6 anklingt (vgl. Kapitel 4.1.2) - die Thematisierung des Verhältnisses verschiedener artes liberales gelten: Gesang und Instrumentalmusik, wie sie zum Beispiel in einer Strophe eines Zeitgenossen Rumelants, des Unverzagten, einander gegenübergestellt werden: Ez ist ein lobelîche kunst, der seitenspil ze rehte kan. die gîger vröuwent maniges muot. Hievor trag ’ ich zem sange gunst. sanc lêret vrouwen unde man, sanc ist ze gotes tische guot. Erblast ist dâ der seiten klanc. swer den dâ lobet vor meistersanc, der sol mîns lobes âne wesen: sanc mac man schrîben unde lesen, mit sange ist al diu werlt genesen. ( 1 Unv/ 2/ 1) 166 Die Vorrangstellung des Gesangs vor der Instrumentalmusik begründet der Unverzagte nicht nur mit dem besonderen medialen Status des sanc, sondern v. a. mit derTatsache, dass mit ihm al diu werlt genesen (V. 11) sei, d. h. dass mit der Produktion oder Rezeption von sanc «wir alle in der Ewigkeit erlöst [werden] und [] selig und gesegnet sein [können].» 167 Bekanntlich hat Konrad von Würzburg in einer Strophe im Hofton die Vorstellung des Sanges, der allen anderen Formen der Kunst vorangestellt wird, in der Formulierung von sanc als «Idee einer absoluten Kunst der Dichtung» 168 noch auf die Spitze getrieben: Für alle fuoge ist edel sang getiuret und gehêret, darumbe daz er sich von nihte breitet unde mêret. elliu kunst gelêret 164 Im Gegensatz zu O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995) möchte ich mich nicht nur auf die «Handwerksberufe» (worunter O BERMAIER Vertreter des Textilhandwerks [Spinner, Schneider, Färber, Weber], des Bauhandwerks [Baumeister, Zimmermann, Maler] und des Metallhandwerks [Schmied] fasst, s. o.) beschränken, sondern weitere Bildfelder miteinbeziehen, die den artes mechanicae zugeordnet wurden (z. B. im Didascalion Hugos von St. Viktor), so z. B. Landwirtschaft (vgl. Rumelant I,1; IV,4 - 5), Kampfkunst und Schifffahrt (vgl. Rumelant I,9 und VI,3), Jagd (V,2 - 3) sowie Handel (VII,3; VII; 5). Auch wenn einzelne artes durchaus proprie zu verstehen sind, so scheint es mir dennoch fruchtbar, den Handwerksbegriff eines solchen Verständnisses der artes mechanicae gemäss auszuweiten und damit Textstellen wie beispielsweise das Wortspiel ein marner als Seemann, von lat. marinarius bzw. als Autornamen (Got hette einen marner lange vristet, | der was maniges warner. [V. 4 f.]) in Rumelants Marner- Totenklage I,9 ebenfalls in den Blick zu nehmen (vgl. Kapitel 4.3). 165 Vgl. B RAUN , Manuel: Zwischen ars und ‹ Kunst › (2009), S. 82 - 90. 166 D E B OOR , Helmut: Mittelalter 1 (1965), S. 675. Es ist eine preisenswerte Fähigkeit, | das Saitenspiel angemessen betreiben zu können. | Die Geiger erfreuen das Gemüt von vielen. | Vor diesen [allerdings] gehört meine Gunst dem Sang. | Der Sang belehrt Frauen und Männer, | der Sang ist gut am Tische Gottes. | Da ist der Klang der Saiten verstummt. | Wer auch immer diesen [Saitenklang] vor dem Meistersang lobt, | der soll ohne mein Lob sein: | den Sang kann man schreiben und lesen, | mit Sang ist die Welt frei von Übel. (Übersetzung EL). 167 K ÖRNDLE , Franz / L ÖSER , Freimut: Gesänge vom Gesang (2017), S. 216. 168 S CHNYDER , Mireille: Heidnisches Können in christlicher Kunst (2014), S. 166. 2.4 Sinnstiftung und Sentenz: Rumelant IV,22 67 mac werden schône mit vernunst, wan daz nieman gelernen kan red und ged œ ne singen; diu beidiu müezen von in selben wahsen unde entspringen: ûz dem herzen clingen muoz ir begin von gotes gunst. ander fuoge durfen alle râtes und geziuges wol. swer si trîben rehte sol, der muoz hân daz gerüste, dâmite er si volende nâch der liute muotgelüste; son darf der sanc niht helfe wan der zungen und der brüste: sunder valsche aküste gât er dâvon für alle kunst. ( 1 KonrW/ 7/ 21) 169 Der kurze Blick auf einige einschlägige Sangsprüche, die bildende und sprachliche Kunst miteinander in Bezug setzen, stützt eine poetologische Lesart von bilde in Rumelants Strophe IV,22. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, was mit dem bilde angesprochen ist: Meint es die angemessene dichterische Personenbeschreibung, etwa in einem Fürstenlob? 170 Oder den «didaktischen Spruch (oder eine literarische Komposition)» an sich, in dem mit der Ausrichtung des bilde die Beziehung zwischen meister und idealem Rezipienten beschrieben ist, der diesen mit ungeteilter Aufmerksamkeit anblickt und dadurch ‹ gebildet › wird? 171 Oder könnte bilde nicht auch ein sprachliches Bild bezeichnen und somit eine Kritik am ‹ falschen › oder übermässigen Einsatz übertragener Rede meinen? In mittelhochdeutscher Dichtung spiegeln sich häufig Termini der Rhetoriken und Poetiken, die auch in die Volkssprache übertragen wurden, wobei zuletzt Christoph H UBER für die ‹ Kristallwörtchen › im Literaturexkurs des gottfriedschen Tristan gezeigt hat, wie vorsichtig beim Umgang mit derartigen Begriffen vorgegangen werden muss, und dass die volkssprachigen Bezeichnungen keineswegs als genaue Übersetzungen der lateinischen Rhetoriktermini verstanden werden können. 172 Nichtsdestotrotz wird das Bildfeld der Malerei gerade von den ‹ Blümern › in Anspielung auf die colores rhetorici genutzt: Wie auch blüemen und florieren können sie einerseits als technisch-rhetorische Termini im Sinne von ornare verstanden werden, andererseits auch als ‹ konkrete › Textelemente auftauchen; für Frauenlob und Heinrich von Mügeln ist das beispielsweise an Begriffen wie volzieren und ferben beobachtet worden. 173 Auch ein Sängerkonkurrent wirft Rumelant vor, dass dieser immer l ů genvarwe 169 S CHRÖDER , Edward: Konrad von Würzburg Kleinere Dichtungen III ( 2 1959), S. 66. Vor allen Kunstfertigkeiten ist der edle Gesang geliebt und verehrt, | weil er sich aus Nichts ausbreitet und mehrt. | Alle erlernte/ gelehrte Kunst kann mit Hilfe von Verstand schön werden, | nur Rede und Töne-Singen kann niemand lernen; | diese beiden müssen aus sich selber wachsen und entstehen: | Aus dem Herzen klingen | muss ihr Anfang durch die Gnade Gottes. | Andere Künste brauchen alle Unterweisung und Gerätschaften. | Wer auch immer sie richtig betreiben will, | der braucht die Ausrüstung, | damit er sie nach der Leute Verlangen ausführen kann. | Der Gesang aber braucht keine Hilfsmittel außer der Zunge und der Brust: | Ohne falsche Tücke | geht er deshalb aller Kunst vor. (Übersetzung S CHNYDER , Mireille: Heidnisches Können in christlicher Kunst [2014], S. 167). 170 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 499 f. 171 V OLFING , Annette: Kunst- und Wissenstransfer bei Rumelant von Sachsen (2017), S. 266. 172 Vgl. H UBER , Christoph: Kristallwörtchen (2015). Eine gegensätzliche Position vertritt (im selben Band) G RUBMÜLLER , Klaus: cristallîniu wortelîn (2015). Für ein ähnliches Problemfeld, das Verhältnis von wildekeit und obscuritas vgl. die Beiträge in K ÖBELE , Susanne / F RICK , Julia (Hgg.): wildekeit (2018). 173 Vgl. O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), S. 314 - 320. 68 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe striche (VI,12,10), auch wenn aus dem Textzusammenhang nicht ersichtlich wird, wie diese Kritik einzuordnen ist. Zentrales Merkmal des bilde in IV,22 ist freilich nicht die Farbe, sondern die Dreidimensionalität. Griechisch ‹ Tropus › bedeutet so viel wie ‹ Wendung › oder ‹ Richtung › , auch im ganz wörtlichen Sinne. 174 Eine solche wörtliche Vorstellung von Tropus wird bestätigt, wenn - wie oben bereits erwähnt - mhd. sin als ‹ Richtung › oder ‹ Wendung › übersetzt wird. Könnte nun IV,22 diese sprachliche Wendung als ‹ habitualisierte › , ‹ halbtote › Metapher, deren metaphorisches Substrat immer unhörbarer geworden ist, im rhetorischen terminus technicus, zur räumlichen Wendung der Figur re-metaphorisert werden und die Metapher dadurch in eine, wenn auch minimale, Handlung umgesetzt werden? Der Vers âschaffen bilde maler, unbederve snatersnacke (V. 3), in welchem die beiden Künste einander gegenübergestellt werden, würde damit auf einen Maler ‹ sprachlicher Bilder › verweisen und die angemessene sprachliche Darstellung verhandeln, wobei zwischen drei Fällen unterschieden werden muss: 1) Die gemâlte[n] bilde (V. 10) kommen ohne Tropen aus, sind literaliter zu verstehen und blicken ungewendet ihren meister an, d. h. den Sangspruchdichter, den Verfasser der sprachlichen Bilder und zugleich den ersten Rezipienten dieser. 2) Die poetische Redeweise, die übertragene Rede verwendet, welche erst ‹ umgedreht › werden muss, damit sie verstanden werden kann: gesniten antlitz mac man zuo der wende schicken (V. 9). Die sprachlichen Bilder müssen also in wörtliche Rede ‹ rückübersetzt › werden, damit sie erfasst werden können. Dies ist aber problemlos möglich, denn die Bilder sind so angelegt, dass sie über eine Vorder- und eine Rückseite, über wörtliche und übertragene Bedeutung verfügen. Eine Sonderform von 2 kennzeichnet Rumelant als Negativexempel und schreibt sie dem âschaffen bilde maler, dem unbederve snaternacke (V. 3) zu: Rede, die zwar so scheint, als ob sie bildhaft wäre, wenn man sie jedoch zu ‹ wenden › versucht, ohne erkennbares Gesicht bleibt. Der Vorwurf, dass Sprachbilder verwendet werden, die aber nur vermeintlich bildhaft seien, ist daher eine Kritik, der in der mittelhochdeutschen Sangspruchdichtung gerade um 1300 im Kontext der ‹ Blümer › virulent wird: Er verweist auf die Diskussion um die angemessene sprachliche Darstellung im Spannungsfeld von perspicuitas und obscuritas. Bei dem in IV,22 angesprochenen Bild wird nicht erkenntlich, worauf die übertragene Rede verweist, womit schliesslich auch der Entschlüsselungsvorgang, das Finden des tertium comparationis scheitert. Die Rede bleibt dunkel - oder eben: sunder anlitz. Dieser vorgeschlagenen Lesart gemäss würde in der Strophe IV,22 somit weniger Kritik an einer spezifischen Autorpoetik geübt, schon gar nicht an einer, die auf eine Sängerpersönlichkeit zu münzen wäre, als vielmehr verschiedene sprachliche Register 175 voneinander abge- 174 Die Bedeutung hat sich bis heute erhalten, so heisst es im Historischen Wörterbuch der Rhetorik: «Der Tropus ist eine Form der uneigentlichen Rede, die Tropen erfassen demzufolge alle Wörter oder ‹ Wendungen › , die auf einem Austausch (immutatio) von Wörtern beruhen.» (D RUX , Rudolf: Art. ‹ Tropus › [2009], Sp. 809). 175 ‹ Register › verstehe ich dabei sowohl als funktionsspezifische wie auch als situationsgebundene charakteristische Sprech- oder Schreibweise und nicht als spezifische Autor- oder Gattungspoetik (vgl. H ALLIDAY , Michael A. K.: Language as social semiotic [1978], besonders S. 110). Mit Rückgriff auf die Überlegungen Pierre B EC s hat unlängst E DER , Daniel: Der Natureingang im Minnesang (2016), S. 42 - 46 den Registerbegriff für die germanistische Mediävistik fruchtbar gemacht. 2.4 Sinnstiftung und Sentenz: Rumelant IV,22 69 grenzt werden. Eine solche Interpretation, die zwangsläufig spekulativ bleiben muss, schliesst zwar nicht aus, dass die Sangspruchstrophe auf eine historische Person bezogen werden kann, will aber eine Lektüre vorschlagen, die ohne heikle historisch-biographische Hilfskonstruktionen auskommt und die Einzelstrophe als solche rezipiert. Weil das den Rezipienten und dem Produzenten gemeinsame Konsenswissen nicht mehr zugänglich ist, muss der Versuch, den ‹ Sinn › der Strophe zu rekonstruieren, letztlich scheitern. 176 Zwar sind die ersten beiden Verse als Eingangssentenz formuliert - als eine kurze, prägnante, syntaktisch eigenständige Aussage, die dennoch an das textuelle Umfeld gebunden ist - , ebenso wie die Strophe auch ‹ sentenzhaft › beendet wird. Doch ist die Eindeutigkeit des apodiktischen Redegestus nur eine vermeintliche, denn bereits mit den Eingangsversen sind Mehrdeutigkeiten aufgerufen, die im weiteren Strophenverlauf nicht vereindeutigt werden. Demnach würde der Sangspruchdichter, dem nur die Einzelstrophe in ihrer Kürze zur Verfügung steht, sich nicht nur auf geltende Normen beziehen, statt ausführlich zu begründen, 177 sondern auch den ‹ sentenzhaften › Gestus gezielt einsetzen, um die Spannung zwischen eindeutigem Redegestus und mehrdeutiger Allusionspoetik kunstvoll zu inszenieren. 178 Wie Karin B REM für den frühen Sangspruch bereits gezeigt hat, kann der Spruchdichter gerade «Formen der Verfremdung» und «Verrätselung als Rezeptionsanreiz» als Profilierungsstrategie der eigenen Sängerrolle nutzen. 179 Freilich kann Rumelant im 13. Jahrhundert auf andere Voraussetzungen zurückgreifen, so dass die ‹ sentenzhaften › Eingangs- und Schlussverse nur noch als schwache Gattungsmarkierung dienen, zu der Verrätselungsstrategien treten, wie sie im spätmittelalterlichen Sangspruch häufig anzutreffen sind. 2.5 Resümee Die schlaglichtartigen Perspektiven auf die Sangspruchdichtung des 12. und 13. Jahrhunderts haben noch einmal Karl S TACKMANN s Begriff der «konstatierenden Dichtung» ins Spiel gebracht, indem versucht wurde, genauer zu fassen, welche sprachlichen Mittel in den Sprüchen genutzt werden, die die Forschung dazu bewogen haben, die Gattung als selbstevident und objektiv-reflexiv zu beschreiben. Strukturmuster, die sich als ‹ sentenzhaft › beschreiben lassen, sind in diesem Kontext besonders aufschlussreich, weil sich an ihnen zeigen lässt, wie Verbürgtes in einer spezifischen Redeweise präsentiert wird, die eine (implizite 176 Das bedeutet allerdings nicht, dass die Strophe einzig auf sich selbst verweist. Vgl. zur Sangspruchdichtung im Spannungsfeld von Selbstreferentialität bzw. -reflexivität und aussertextueller Gebundenheit Kapitel 1.1. 177 Vgl. B ALTZER , Ulrich: Strategien der Persuasion (1991), S. 121. 178 In einem ähnlichen Sinn verstehe ich G RUBMÜLLER , Klaus: Die Regel als Kommentar (1979), S. 39: «Mit dieser Etablierung des Spruchdichters als Sprachrohr und Konkurrent des Selbstverständlichen ist ihm freilich auch die Möglichkeit zugesprochen, es neu und anders zu deuten. Damit könnte nun auch der Übergang gewonnen sein zu einem neuen Typ der Spruchdichtung. Wenn sich nämlich nicht mehr eine objektive Selbstpräsentation des naturnotwendigen ‹ Weltlaufes › abspielt wie im Sprichwort, sondern die Deutungsaktivität des Individuums dazwischentritt oder dagegen gesetzt wird, dann ist der Widerspruch gegen das Selbstverständliche programmiert, und es treten damit jene ‹ Rezeptionsüberraschungen › auf, die den Aphorismus kennzeichnen; der aphoristische kann an die Stelle des sprichwörtlichen Spruches treten [. . .].» 179 B REM , Karin: ‹ Herger › / Spervogel (2000), S. 19. 70 2 Sentenzhaft-pointiert: Gattungsinterne Kohärenz der Einzelstrophe oder explizite) autoritative Absicherung geradezu ausstellt. Dass die Position der ‹ sentenzhaften › Rede für die Strophenarchitektur eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt, wird deutlich, wenn etwa die Spervogelstrophe dem Spruch Bruder Wernhers gegenübergestellt wird und sich so Fragen nach stropheninterner Kohärenz in einem ganz anderen Masse stellen: Für die ‹ sentenzhaften › Äusserungen Spervogels lässt sich ausser der Betonung des Wahrheitsanspruches kein kohärenzstiftendes Prinzip ausmachen, das einen Sinnzusammenhang zwischen den unterschiedlichen Verspaaren herstellen würde. Durch die fehlende metrische, thematische oder bildsprachliche Abgeschlossenheit lässt sich die Strophe auch kaum als ‹ Einheit › begreifen, so dass die Kohärenzfrage hier an ihre Grenzen stösst. Dagegen kann in der Kanzonenstrophe Bruder Wernhers, die grundsätzlich ähnlich wie die Spervogelstrophe ‹ sentenzhafte › Äusserungen aneinanderreiht, eine Art der klanglichen und paradigmatischen Kohärenz festgestellt werden - über die Variation des Leitworts schame. Der Strophenschluss ermöglicht zudem die Perspektivierung der gesamten Strophe. In Walthers Sprüchen kommt der ‹ sentenzhaften › Struktur häufig die Funktion zu, ein Thema prägnant zu verhandeln und es allenfalls zum Strophenende noch einmal bilanzierend aufzugreifen, weshalb man von argumentativer Kohärenz sprechen könnte. Der spezifische Strophenbau des König Friedrichs-Ton ermöglicht es, nach dem Zusammenhang von metrischem Schema des Tons und der Position der ‹ sentenzhaften › Äusserung zu fragen. Untrennbar damit verknüpft ist auch die musikalische wîse, die allerdings nicht immer rekonstruiert werden kann und in deren individuellen Ausgestaltung von Variationen ausgegangen werden kann. Dennoch hat die Analyse der einzelnen Strophen gezeigt, dass gerade in diesem Ton die Schlusssentenz sowohl affirmierend als auch kontrastierend auf die Anfangssentenz rekurriert. Obwohl es sich bei den ‹ sentenzhaften › Äusserungen um ein Muster handelt, dass als charakteristisch für die Gattung Sangspruch angesehen werden kann, nutzt beispielsweise auch die Predigt die Strategie, Allgemeingültiges erst zu konstatieren und danach auszulegen. An Rumelants Strophe I,10 wurde gezeigt, wie im viel kleineren Rahmen der EinzelstropheÄhnliches versucht wird. Schliesslich wird an Rumelants hermeneutisch kaum zu fassenden Spruch IV,22 offenbar, dass der auf Eindeutigkeit zielende ‹ sentenzhafte › Redegestus keineswegs mit einer eindeutigen Strophenaussage einhergeht und dass gerade diese Spannung auch kunstvoll inszeniert werden kann. 2.5 Resümee 71 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz 3.1 Allegorische und verrätselnde Strophenkomplexe um 1300: Forschungstendenzen Blickt man auf die 25 Strophen, welche die Heidelberger Liederhandschrift unter Rumelants Namen überliefert, wirkt das Layout auf den ersten Blick einheitlich: Jeder Strophenbeginn ist mit einer Initiale markiert, wie es in C üblich ist. 1 Erst beim genaueren Lesen der Handschrift wird klar, dass das Textkorpus neben den Sangspruchstrophen auch drei dreistrophige Minnelieder umfasst - die Ordnung der Handschrift macht den Gattungswechsel erst einmal nicht sichtbar. 2 Weil sich weder auf der Basis des Handschriftenlayouts noch auf formaler Ebene - die Kanzonenstrophe nutzt der nachwalthersche Sangspruch ebenso wie der Minnesang - eine klare Trennung zwischen den lyrischen Gattungen ziehen lässt, hat die Forschung das Kriterium der Einbzw. Mehrstrophigkeit als gattungsunterscheidendes Merkmal angesetzt. 3 Doch schnell wird zumindest für das 13. Jahrhundert deutlich, dass diese Abgrenzung nicht trennscharf ist, sondern dass sich auch Sangspruch-Strophenfolgen als mehrstrophige Komplexe verstehen lassen. So kann man sich auf den Kompromiss einigen, für die Sangspruchdichtung von tendenzieller Einstrophigkeit auszugehen, allerdings auch die Anschlussmöglichkeiten dieser Einzelstrophen zu berücksichtigen, die es erlauben, dass sich Strophen über verschiedene, im Weiteren genauer zu spezifizierende Mittel als grössere Komplexe präsentieren. 4 Die Einheit der Einzelstrophe muss davon nicht betroffen sein. 5 1 Vgl. H ENKES -Z IN , Christiane: Überlieferung und Rezeption (2004), S. 180. 2 Vgl. zur Kategorie des Layouts für die Bestimmung des Textzusammenhalts G LAUCH , Sonja / K RAGL , Florian: Wo ist da der Text? (2019), besonders S. 84 f. Im Rumelantkorpus in C ist darüber hinaus der Einsatz des ersten Minneliedes (XIII,1) auf fol. 141 v nicht durch einen Initialfarbenwechsel gekennzeichnet, vgl. Anhang, Abb. 1. 3 Vgl. Kapitel 1.1 und Kapitel 2. Einstrophigkeit als Gattungsmerkmal der Sangspruchdichtung formuliert bereits S IMROCK , Karl: Gedichte Walthers von der Vogelweide (1833). Eine neue Wendung nimmt die Frage nach Ein- und Mehrstrophigkeit mit M AURER , Friedrich: Politische Lieder (1954), der in Walthers Sangspruchtönen liedhaft komponierte Einheiten sehen will. Dagegen argumentiert R UH , Kurt: Mittelhochdeutsche Spruchdichtung als gattungsgeschichtliches Problem (1968) mit dem bekannten Bild «Perlen an einer Schnur, nicht Ringe an einer Kette» (S. 320) für die Selbständigkeit der Einzelstrophe; vgl. den Forschungsüberblick bei T ERVOOREN , Helmut: «Spruch» und «Lied» (1972). 4 Selbst die Sangspruchanthologie von N OLTE , Theodor / S CHUPP , Volker: Mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung (2011), die sich prinzipiell der Einstrophigkeit verpflichtet sieht, kommt nicht darum herum, dieses selbstgewählte Prinzip teilweise zu vernachlässigen, und präsentiert in Einzelfällen scheinbar zusammenhängende Strophenfolgen auch als solche. So drucken N OLTE / S CHUPP Rumelants Strophen V,2 und V,3 in der Anthologie unter den Titeln «Das Einhorn» und «Deutung» unmittelbar aufeinanderfolgend ab (S. 476 f.). 5 Als ein Beispiel können die Strophen II,5 - 8 und II,10 (nach der Zählung von R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011]) gelten, die C in direkter Abfolge an erster Stelle im Autorkorpus überliefert (vgl. Kapitel 4.1, Anm. 219). Zwar hat die Forschung die Strophen, die alle die Fürbitte Marias zum Gegenstand haben, als «liedhafte Einheit» (K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 307, vgl. hier auch weitere Belege) verstanden, doch überliefert M a die Strophe als Einzelstrophe ausserhalb des Strophenverbunds in C (oder in J). Freilich lässt sich nicht entscheiden, ob die Strophen durch den Schreiber und Kompilator der Handschrift als kohärente Folge zusammengestellt oder ob sie vom Autor als Vortragseinheit konzipiert sind. Schliesslich ist zu überlegen, inwiefern im Akt rezeptiver Sinnstiftung des modernen oder mittelalterlichen Rezipienten Zusammenhänge zwischen Strophen hergestellt werden; d. h., inwiefern Kohärenz sich als produktions- oder rezeptionsseitig hergestellt verstehen lässt. 6 Trotz dieser Unentscheidbarkeit stellt sich die Frage nach den historischen und systematischen Kriterien, die dazu führen, dass Einzelstrophen als zusammengehörig wahrgenommen werden. Die Rolle des mittelalterlichen Rezipienten muss dabei zwangsläufig eine Leerstelle bleiben, auch wenn (mit aller Vorsicht) vielleicht die Liedersammelhandschriften als Rezeptionszeugnisse aufgefasst werden können: Vergleicht man beispielsweise Strophenkomplexe, die in verschiedenen Handschriften in identischerAbfolge überliefert sind, liesse sich erwägen, dass diese von den mittelalterlichen Rezipienten als zusammengehörige Einheit verstanden wurden. 7 Die Modi der Strophenverknüpfung sind in der Sangspruchdichtung wie auch im Minnesang divers, weshalb es mir in dieserArbeit nicht darum geht, aufzulisten, welche unterschiedlichen Formen der Strophenverknüpfung für Rumelants Œ uvre denkbar sind. Auch bietet ja Helmut T ERVOOREN s Studie zu J von 1967 bereits eine Sammlung sämtlicher Strophen, die er als zusammengehörig begreift, sowie eine Kategorisierung von «formalen» und «inhaltlichen» Kriterien. 8 Freilich scheint es mir kaum möglich und sinnvoll, zwischen formalen und inhaltlichen Kriterien zu differenzieren: Zählt die ‹ narrative Einheitlichkeit › eines durchgehenden Sprecher-Ichs als formales oder als inhaltliches Kriterium? Wirkt der formal antithetische Aufbau zweier Strophen auch auf den Inhalt dieser zurück? Oder gibt etwa der Inhalt die Struktur vor? Sind thematische Responsionen und Wiederholungen nicht per se inhaltlicher Natur? So räumt auch T ERVOOREN nach seiner detaillierten Auflistung ein, dass die verschiedenen Kriterien zusammenwirken müssen, um als konkrete Hinweise auf die Stropheneinheit lesbar zu sein. Weiter ist zu überlegen, inwiefern es angemessen ist, die einzelnen Typen von Strophenverbünden zu trennen und zu kategorisieren. Schliesslich ist die von T ERVOOREN vorgeschlagene Unterteilung in «Stropheneinheit», «Strophenkette» bzw. «Strophenkreis», «Strophenreihe» und «Einzelstrophe» 9 nicht nur deshalb nicht zielführend, weil T ERVOOREN selbst die angesetzte Typisierung nicht konsequent verfolgt, sondern auch weil sie eine gewisse notwendige Flexibilität der Bezugsmöglichkeiten vermissen lässt. Daher soll im weiteren Verlauf vielmehr von ‹ Strophenkomplexen › die Rede sein, wobei jeweils fall- 6 Vgl. R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), besonders S. 165 f.; vgl. dazu auch Kapitel 1.1. 7 Obwohl hier natürlich die Abhängigkeit der unterschiedlichen Handschriften zu bedenken ist, vgl. für Rumelants Korpus etwa die enge Verwandtschaft von W o und J, die nach B ARTSCH auf dieselbe Vorlage zurückgehen (B ARTSCH , Karl: Untersuchungen zur Jenaer Liederhandschrift [1923], S. 95). 8 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 114 - 121. Unter die inhaltlichen Kriterien fasst T ERVOOREN fortschreitende Handlungen, linear-fortschreitende Gedankengänge sowie kreisende Gedankengänge, unter die formalen etwa Antithesen, Anaphern, Parallelismen (am Strophenanfang), Sinnwiederholungen im Schlussvers, (thematische und z. B. klangliche) Responsionen und Reimbindungen. 9 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967). 74 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz abhängig geklärt wird, inwiefern und in welcher Weise von strophenübergreifender Kohärenz die Rede sein kann. Mit Franziska W ENZEL s Neuperspektivierung der Frage einzelstrophenübergreifender Kohärenz ist für die Sangspruchforschung auch wieder der Stellenwert der Toneinheit diskutiert worden. Allerdings nicht wie die ältere Forschung - etwa Friedrich M AURER (s. o.) - als Versuch, aus den Sangspruchtönen liedhafte Einheiten zu konstruieren, sondern indem Kohärenzstiftung durch «strophenübergreifende Ideen» 10 beobachtet wird, die auch rein assoziativ funktionieren kann und sich im Tonverlauf entfaltet. Es gilt also zu überlegen, was Kohärenz im Blick auf Strophenkomplexe heissen kann, wenn im Folgenden aus den Strophen Rumelants, den T ERVOOREN als Beispiel für einen Sangspruchdichter nennt, dessen «dichterische Produktion [. . .] durch Mehrstrophigkeit geprägt» 11 sei, diejenigen Strophen ausgewählt werden, die durch den gemeinsamen Ton eine formale Übereinstimmung aufweisen, die darüber hinaus innerhalb der Handschrift in unmittelbarer Nähe zueinander aufzufinden sind und die sich v. a. durch die Verwendung solcher Phänomene übertragener Rede auszeichnen, die zweigliedrig funktionieren (Allegorie/ Allegorese, Rätsel/ Lösung). Die Überlegungen konzentrieren sich dabei auf die Mittel, mit denen Zusammengehörigkeit hergestellt werden kann, sowie auf die Frage, inwiefern das kombinatorische Verfahren, das durch Phänomene übertragener Rede ermöglicht wird, die Strophenbindung gestaltet oder allenfalls begünstigt, und welche Möglichkeiten mehrstrophige Komplexe für die Entfaltung verschiedener Bedeutungsebenen bieten. 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma Im Folgenden werde ich auf einige Strophen eingehen, die in der einen oder anderen Weise die Bibelstelle von Nebukadnezars Traum (Dn 2,31 - 45) zum Gegenstand haben. Die Passage ist schnell erzählt: Der babylonische König Nebukadnezar träumt einen furchteinflössenden Traum, den er von seinen Traumdeutern am Hof auszudeuten verlangt, ohne ihnen aber den Traum preiszugeben. Erst Daniel, ein Angehöriger des jüdischen Volksstamms in Babylon, gelingt es mit Gottes Hilfe nicht nur, den Traum nachzuerzählen. Er legt ihn auch umgehend aus (Dn 2,36 - 45): Der König habe im Traum ein Standbild gesehen, das einen Kopf aus Gold, Brust und Arme aus Silber, Bauch und Hüften aus Bronze, Beine aus Eisen sowie Füsse teils aus Eisen, teils aus Ton besass. Die statua sei von einem Stein, der sich von einem Berg gelöst habe, zerschlagen worden; nichts blieb als Staub. Daniel deutet die ersten vier Materialien auf vier Weltreiche aus, die in derAuslegungstradition meist mit den konkreten Herrschaftsreichen der Babylonier, Meder, dem Alexanderreich und dem römischen Reich in Verbindung gebracht wurden. 12 Die tönernen Füsse stehen nach Daniels Auslegung für ein regnum divisum, das 10 W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 17. 11 T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 247. 12 Als Quelle für diese Auslegetradition dient den mittelalterlichen Autoren der Danielkommentar des Hieronymus: «Hieronymus macht sich zum Erben der Reichetheorie und versucht, das von Daniel vorgeschlagene Schema (vier Reiche, die einander ablösen) mit jenem, das der lateinischen Tradition bekannt war und aus fünf Reichen (Assyrien/ Babylon - Medien - Persien - Griechenland - Rom) bestand, 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 75 sowohl solidum als auch contritum ist. Der Stein stehe für das von Gott errichtete regnum caeli (Dn 2,44) der Endzeit, das sämtliche anderen Reiche zermalmt und selbst ewig Bestand haben wird. Bereits dem in der Bibel beschriebenen Traum liegt eine dichotome Struktur zugrunde. Wie präsentiert sich eine solche Zweiteiligkeit von Bild und Auslegung nun aber in den literarischen Bearbeitungen des Bibelstoffes? Der Fokus meiner Überlegungen liegt vor allem auf Gemeinsamkeiten und Unterschieden der jeweiligen Nebukadnezar-Sprüche in Bezug auf das Verhältnis zwischen Bild und Auslegung. Wenn nun der Bibeltext die Deutung der im Traum erschienenen Statue bereits liefert, wird zu zeigen sein, wie die literarische Bearbeitung von dieser abweicht, sie mit anderen Auslegetraditionen zusammenbringt oder inwiefern gar von einer ‹ doppelten Auslegung › zu sprechen wäre: Von der durch die Bibeltextvorlage immer mitgedachten Exegese durch Daniel, zu der eine zweite Ausdeutung durch den jeweiligen Spruchdichter hinzutritt. Auf die jeweiligen Auslegetraditionen soll allerdings nur am Rande eingegangen werden, vielmehr soll im Folgenden illustriert werden, wie die zweiteilige Struktur des Nebukadnezar-Exempels literarisch produktiv werden kann und wie die Zweiteiligkeit in einstrophigen und mehrstrophigen Sangsprüchen jeweils unterschiedlich ausgestaltet wird. 3.2.1 Der Nebukadnezar-Traum in der Sangspruchdichtung Die Bibelstelle von Nebukadnezars Traum war als Motiv der Sangspruchdichtung durchaus populär. Es sind sechs Strophen verschiedenerAutoren erhalten: eine Strophe Walthers von der Vogelweide im Wiener Hofton ( 1 WaltV/ 7/ 8 = L 23,11), eine Strophe des Marner im Langen Ton ( 1 Marn/ 7/ 11), eine anonyme Strophe aus dem Freidank-Anhang in cpg 349 ( 1 ZX/ 3/ 1), eine Strophe Kelins ( 1 Kel/ 1/ 1), zwei Strophen Wizlavs von Rügen ( 1 Wizl/ 2/ 7 - 8) sowie die bereits erwähnten drei Strophen Rumelants ( 1 Rum/ 4/ 1 - 3). Ebenfalls zu beachten sind thematische Anklänge in einer lateinischen Strophe Mersburgs im Langen Ton des Marner aus der Augsburger Cantionessammlung ( 1 ZYMersb/ 3). Bis auf die Strophe aus dem Spruchkorpus Walthers stammen alle aus der Zeit des ausgehenden 13. bzw. des beginnenden 14. Jahrhunderts. 13 In den jüngeren Liederhandschriften findet sich das Motiv nicht mehr, sondern wird erst im Meistergesang des 16. Jahrhunderts in den Liedern von Hans Sachs ( 2 S/ 515, 2 S/ 1318, in Übereinstimmung zu bringen. Als Lösung bot sich ihm an, Medien und Persien zu nur einem Königreich zusammenzufassen, was die Geschichtsschreibung rechtfertigen kann: von fünf Reichen kann man folglich mühelos zu vieren übergehen und so die von den römischen Historikern etablierte Ordnung beibehalten.» (C OURTRAY , Régis: Der Danielkommentar des Hieronymus [2007], S. 140) Nach dieser Auslegetradition verfahren etwa auch die Weltchroniken, z. B. die Weltchronik Enikels, in welchem der Traum Gleichnis für die Königreiche von Nebukadnezar bis Alexander ist, sowie die Sächsische Weltchronik, die die Bestandteile auf die Königreiche der Chaldäer, Perser, Griechen und Römer hin deutet, vgl. W ERG , Sabine: Die Sprüche und Lieder Wizlavs von Rügen (1969), S. 44. 13 Die einzelnen Teile der zusammengesetzten Augsburger Cantionessammlung sind zwar auf das ausgehende 13. bis zum 15. Jahrhundert zu datieren (vgl. H ÄGELE , Günter: Art. Augsburger Cantionessammlung [ 2 2004], Sp. 173), C ALLSEN verortet allerdings die Dichter des ersten Kreises der Sammlung - Estas, Mersburg, Tilo, Dietrich von Saldern - in der Zeit um 1300 (vgl. C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung [2015], S. 15 - 19). Vgl. dazu Kapitel 4.3.1. Die Handschrift cpg 349, in welcher sich die anonyme Strophe aus dem Freidank-Nachtrag befindet, kann auf 1276 datiert werden, vgl. https: / / digi.ub. uni-heidelberg.de/ diglit/ cpg349 [Letzter Zugriff: 15.5.2021]. 76 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz 2 S/ 3920) und Otmar Wetter ( 2 Weter/ 1) wiederaufgenommen. 14 Der relativ enge zeitliche Rahmen (um 1300) mag die sprachliche und teilweise auch motivische Nähe der unterschiedlichen Texte erklären; so lassen sich identische Verse oder Erweiterungen gegenüber dem Bibeltext in vielen Sprüchen finden. Freimut L ÖSER15 hat die verschiedenen mittelhochdeutschen Nebukadnezar-Sprüche bereits in einer Untersuchung einander gegenübergestellt und herausgearbeitet, wie die biblische Vorlage in den verschiedenen Versionen des Themas durch die einzelnen Sangspruchdichter realisiert wird. Dabei hält L ÖSER u. a. die den Sprüchen gemeinsame Appellstruktur fest und zeigt auf, wie die Texte den Aspekt der Wissensvermittlung zugunsten des Fokus ’ auf die sängerspezifische Deutung der Bibelstelle ausserAcht lassen, wobei die Sänger auch nicht zögern, den Bibeltext selbst auf die intendierte Deutung hin anzupassen. Doch L ÖSER s Ansatz, der vor dem Hintergrund einer Intertextualitätstheorie, die Literatur als «fiction upon fiction» 16 versteht, untersucht, wie die mittelhochdeutschen Sangsprüche innterhalb ihrer gattungsabhängigen Bedingungen den Bibeltext aktualisieren, nimmt das spezifische Strukturmuster der Allegorie, das Verhältnis von Bild und Auslegung, nur am Rande in den Blick. Doch gerade darauf konzentrieren sich die Sangspruchstrophen: In sämtlichen Strophen liegt der Fokus deutlich auf der Schilderung der Statue und der nachfolgenden Auslegung - die vorhergehende oder nachfolgende Handlung wird vernachlässigt. 17 Trotz vieler Gemeinsamkeiten, die teils bis auf die Wortebene reichen (s. u.), stechen doch im direkten Vergleich der Strophen vor allem die Unterschiede ins Auge. Neben den Zuordnungen der erwähnten Materialien zu den jeweiligen Teilen der Statue, die in den unterschiedlichen Strophen stark voneinander abweichen, 18 unterscheiden sich die Sangsprüche auch durch ihren Umfang sowie v. a. durch die Art und Weise, wie sie die Auslegung der Statue inszenieren. Die Strophen dienen mir daher als Vergleichsreihe, innerhalb derer beleuchtet werden soll, wie die Zweiteiligkeit der Allegorie in ein- und zweibzw. dreistrophigen Komplexen jeweils unterschiedlich eingesetzt wird. 14 Vgl. Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 160. 15 Vgl. L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003). 16 Den Terminus übernimmt L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 268 von Ihab H ASSAN . Ähnlich auch L ÖSER , Freimut: Postmodernes Mittelalter? (2011), besonders S. 265. 17 Die vorherige Handlung umfasst die Schilderung des Scheiterns der Wahrsager bei der Traumdeutung, den Befehl Nebukadnezars, alle Weisen in Babel zu töten, Daniels Vision und Gebete (Dn 2,1 - 23). Anschliessend an die oben zitierte Bibelstelle folgt Nebukadnezars Huldigung Daniels, seine Anerkennung Gottes und die Erwähnung der Ämter, die Daniel und dessen Begleitern verliehen werden (Dn 2,46 - 49). Auf die Vorgeschichte der Daniel-Auslegung konzentriert sich etwa die Stelle im Renner Hugos von Trimberg, in der mehrfach der muotwillic freidic zorn Nebukadnezars betont wird (E HRISMANN , Gustav: Hugo von Trimberg Der Renner [1970 (1908 - 11)]), V. 580 - 600). 18 Die Beschreibung der Statue folgt nicht in allen Strophen dem Vorbild des Bibeltextes (Kopf - Bauch - Oberschenkel - Schienbeine - Füsse), sondern erweitert diesen um Details (die stählernen Oberschenkel bei Rumelant und Wizlav sowie der kupferne Bauch bei Wizlav) und ändert die in der Vulgata genannten Bestandteile des Standbilds geringfügig ab, so dass beispielsweise die Füsse in der Marner-Strophe sowie bei Wizlav nur aus Ton bestehen (vgl. Anhang, Tab. 1). 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 77 3.2.2 Einstrophige Nebukadnezar-Sprüche: Walther von der Vogelweide, Kelin, Anonymus in h, Marner, Mersburg Die Möglichkeit, die Bibelstelle nur als Allusion zu nutzen, zeigt W a l t h e r s v o n d e r V o g e l w e i d e Strophe Ez troumte, dest manic jâr (L 23,11) im Wiener Hofton. Ez troumte, des ist manic jâr, ze Babylône, daz ist wâr, dem künige, ez würde b œ ser in den rîchen. die nû ze vollen b œ se sint, gewinnent die noch b œ ser kint, jâ hêrre got, wem sol ich die gelîchen? der tiuvel wær mir niht sô smæhe, kæme er dar, dâ ich in sæhe, sam des b œ sen b œ ser barn. von der geburt enkumt uns frum noch êre, die sich selben sô verswachent und ir b œ se b œ ser machent, ân erben müezen si vervarn, daz tugendelôser hêrren iht werde mêre, daz solt dû, hêrre got, bewarn. ( 1 WaltV/ 7/ 8) 19 Walthers Spruch steht in C als erste von drei Strophen, die alle eine Klage über den Zustand der Welt darstellen (L 23,11; L 23,26; L 24,3). Die Schilderung von Nebukadnezars Traum nimmt hier nur die ersten drei Verse ein. Allerdings fällt im direkten Vergleich mit den anderen Nebukadnezar-Strophen vor allem auf, was Walther alles nicht erwähnt: Weder wird das Standbild beschrieben, noch wird die Deutung auf die vier Weltalter erörtert. Es fehlen überdies die diversen Materialien, die die Übertragung des Gleichnisses vom Bild auf die Deutung ermöglichen. Doch die reineAnspielung auf den künige ze Babylône genügt, um das Konzept der sich ständig verschlechternden Zeitalter aufzurufen und dieses als Zeitklage in der Strophe zu inszenieren. Der Vergangenheit des Nebukadnezar-Traumes (dest manic jâr [V. 1]) wird daraufhin unmittelbar die Gegenwart (nu [V. 4]) entgegengestellt, in der die Reiche ganz und gar b œ se sind und nur dadurch gerettet werden können, dass die Nachkommenschaft der b œ sen ausgemerzt wird. Der historische Referenzrahmen der Strophe lässt sich nicht (mehr) rekonstruieren. Vielleicht erschliesst er sich - wie L ÖSER annimmt - , wenn die Strophe im Gesamtkontext des Wiener Hoftons betrachtet wird. 20 Doch erlaubt die Strophe weit mehr als die blosse «Feststellung, daß eine allgemeine Klage (und Schelte über die Verschlechterung der Welt [. . .] 19 S CHWEIKLE , Günther: Walther von der Vogelweide 1 ( 3 2009), S. 252. Es träumte vor langer Zeit | in Babylon - das ist wahr - | dem König, dass es in den Reichen schlechter würde. | Diejenigen, die nun vollständig schlecht sind, | bekommen noch schlechtere Kinder, | ja, Gott, mit wem soll ich die vergleichen? | Der Teufel wäre mir nicht so verhasst, | käme er dorthin, wo ich ihn sehen könnte, | wie des Schlechten schlechtes Kind. | Von deren Nachkommen kommt uns weder Nutzen noch Ehre! | Diejenigen, die sich selbst so erniedrigen | und ihre Schlechtigkeit noch schlechter machen, | ohne Erben mögen sie dahinfahren! | Dass es nicht noch mehr tugendlose Herren gebe, | das solltest Du, Gott, verhüten. (Übersetzung basierend auf S CHWEIKLE , Günter: Walther von der Vogelweide [ 3 2009], S. 253). 20 Vgl. L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 271. 78 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz in den Kontext eines ‹ Gebetes › [. . .] eingebettet ist» 21 und bietet auch als Einzelstrophe eine kohärente Lesart. Das auffällige Ausstellen von ‹ alliterativen Adynata › in der beständigen Wiederholung von boese lässt die Literarizität der Strophe hervortreten. 22 Walther zielt nicht darauf, die durch den Bibeltext vorgegebene Doppelstruktur von Allegorie und Auslegung in die Sangspruchdichtung zu überführen, sondern er inszeniert den Textstatus im Spannungsfeld zwischen Wahrheit und Fiktion, das bereits in den ersten beiden Verse eröffnet wird: Ez troumte, des ist manic jâr, | ze Babylône, daz ist war. Die Bibelstelle selbst kann als bekannt vorausgesetzt werden und dient als Bildspender, auf den hier auch nur punktuell referiert werden kann. Auch für die a n o n y m e S t r o p h e im Nachtrag einer Freidank-Spruchsammlung in h ist die Kenntnis der Bibelstelle zwingend notwendig: Ein künic in sîme troume sach ein bilde daz was harte grôz dâ von sît wunders vil geschach, daz sich von einem berge entslôz ein stein, derz gar zebrach. golt silber îsen kopfer erde was sîn schîn: uns entriegen gar die wîsen, wir mügen wol die füeze sîn. ( 1 ZX/ 3/ 1) 23 In äusserster Kürze wird erzählt, wie ein stein das harte grôz bilde zerstört, eine Statue, die - wie man erst zum Strophenende hin erfährt - aus Gold, Silber, Eisen, Kupfer und Erde (Ton) besteht. Die Zuordnung der Materialien zu den Bestandteilen der Statue fehlt allerdings. Die Auslegung des Traumbildes nach der Danielexegese findet nicht statt, unvermittelt schliesst sich an die Schilderung des Bildes die Deutung an: uns entriegen gar die wîsen, wir mügen wol die füeze sîn (V. 8). Und auch der ‹ sentenzhafte › Schluss 24 bleibt merkwürdig unbestimmt. In der Strophe war zuvor von den Füssen noch nie die Rede: verständlich(er) wird der Passus nur mit Kenntnis der Bibelstelle. Wie Freimut L ÖSER aufgezeigt hat, bleibt allerdings die Deutung im letzten Vers auch vor dem biblischen Bezugshorizont zu knapp, um eine eindeutige Interpretation zu ermöglichen. 25 Der apodiktische Gestus des ‹ sentenzhaften › Schlussverses, der über den Verweis auf die Autorität der (nicht näher bestimmten) wîsen noch zusätzlich untermauert wird, produziert nur vermeintliche Eindeutigkeit. Unklar bleibt beispielsweise, worauf das wir in V. 8 referiert: Auf die Rezeptionsgemeinschaft? Auf die Sünder, die die Schuld am Einsturz des 21 L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 271. 22 Vgl. K ERTH , Sonja: twerher sanc (2000). 23 KLD I, S. 265 f. Ein König sah in seinem Traum | ein Standbild, das sehr gross war. | Mit diesem geschah etwas sehr Wundersames. | Es löste sich nämlich von einem Berg | ein Stein, der es ganz und gar zerstörte. | Gold, Silber, Eisen | Kupfer und Ton war das Aussehen des Standbildes: | Wenn uns die Weisen nicht betrügen, | können wir wohl die Füsse sein. (Übersetzung EL). 24 L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 274, Anm. 15 übersetzt die beiden Verse konditional: wenn uns die Gelehrten nicht ganz trügen, dann können wir gewiß die Füße sein. Eine derartige Übersetzung scheint mir nicht zwingend notwendig, möglich wäre auch: die Gelehrten trügen uns nicht: Wir können gewiss die Füsse sein. 25 Vgl. L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 274 f. 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 79 Bildes haben oder auf die ‹ tönerne Zeit › , die in der Abfolge der Zeitalter als letzte steht? 26 Oder soll die formale Eindeutigkeit gar nicht zwingend eine interpretatorische Eindeutigkeit evozieren? Können so nicht auch die diversen Deutungen nebeneinander bestehen bleiben? Das Aufrufen des Nebukadnezar-Stoffes steht wohl auch im Kontext der Sangspruchsammlung in h und erinnert mit dem Fokus auf einen ‹ sentenzhaften › Schluss an die in der Handschrift vorangehenden Freidanksprüche (fol. 1 r - 17 v ). Trotz der für die Handschrift typischen Kürze der Strophe kann der anonyme Autor sowohl Bild als auch Ausdeutung unterbringen. Indem über die Abfolge der Weltalter die gegenwärtige Welt mit den tönernen Füssen der Statue gleichgesetzt wird, ist es hier möglich - ähnlich wie in Walthers Strophe, aber mit anderen Mitteln - die sangspruchtypische Thematik der Zeitklage zu evozieren, die auch in der anonymen Strophe in h ohne konkreten ‹ Weltbezug › bleibt. Eine andere Strategie wählt K e l i n : Ein künic in sîme troume sach eine werlt, die was sô schône von golde, daz er dicke jach, sie hete nicht schanden meil. Die ander lûter silber was vil gar ân alle hone gelûtert also ein spiegelglas und hete ouch sælde ein teil. Die dritte was sich îsenîn, die erschract in ûz deme troume. Sô mac si nû wol kopfer sîn, des nemet dâ bî goume: Manich edele jugent gît liechten schîn und zamt an schanden zoume. ( 1 Kel/ 1/ 1) 27 «Wenig ist in dieser Strophe geblieben von Traum des Königs Nabuchodonosor, wie ihn der Prophet Daniel erzählt und deutet [. . .]» 28 , konstatiert Wolfgang VON W ANGENHEIM zu Kelins Strophe im ersten Ton. Doch tatsächlich wird eine ganze Menge an Informationen aus dem Vulgata-Text auch in der Kelinstrophe beibehalten: die Materialien Gold, Silber, Kupfer und Eisen, der Traum des Königs, die Weltreiche. Allerdings zählt die Strophe nur drei Reiche auf, nachdem der König über das eiserne Weltreich aus seinem Traum aufschreckt, folgt das gegenwärtige, vierte Reich aus Kupfer. Der auffälligste Unterschied liegt aber in derAnlage der Strophe in Bezug auf Bild und Ausdeutung: Kelin beschreibt im Gegensatz zu den meisten 26 Vgl. L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 274 f. 27 V ON W ANGENHEIM , Wolfgang: Basler Fragment (1972), S. 49. Ein König sah in seinem Traum | eine Welt, die so schön | golden war, dass er oft sagte, | sie hätte nicht einen Schandfleck an sich. | Die zweite [Welt] war aus Silber, | ganz und gar ohne jeglichen Hohn, | klar gemacht wie ein Spiegelglas | und auch sie hatte einen Teil göttlichen Heils an sich. | Die dritte war aus Eisen, | die liess ihn aus dem Traum aufschrecken. | So kann [die jetzige Welt] wohl aus Kupfer sein. | Deshalb nehmt das Folgende wahr: | Viele edle junge Leute geben einen hellen Schein ab | und gehen dennoch am Zaum der Schande. (Übersetzung EL). 28 V ON W ANGENHEIM , Wolfgang: Basler Fragment (1972), S. 50. 80 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz anderen Vergleichsstrophen kein bilde, dessen Bestandteile aus Gold, Silber und anderen Materialien bestehen, sondern geht nach einem kurzen situierenden Eingangsvers direkt dazu über, den Traum des Königs zu berichten. Er nennt nicht das goldene Haupt des bildes etc., sondern die goldene werlt, die in der Formulierung in V. 2 vielleicht sogar den Frau-Welt-Topos der zeitgenössischen Dichtung als Assoziationshorizont aufruft. Freilich dient die Charakterisierung der Welten als golden, silbrig, eisern und kupferfarbig nicht dazu, vom «optischen Eindruck auf die Beschaffenheit» 29 der Welten zu schliessen. Vielmehr muss die Strophe vor dem Hintergrund der Danielpassage verstanden werden, auch wenn der Name des Königs bei Kelin nicht genannt wird 30 und der König so mit jedem beliebigen Herrscher in Verbindung gebracht werden kann. Jedoch ruft der Umstand, dass es sich um einen träumenden König handelt, Anklänge an den Traum Nebukadnezars hervor. In der Kelinstrophe entfällt gegenüber dem Bibeltext die Staffelung der Handlung (Traum, Traumbericht und Deutung durch Daniel). Die Wendung, dass der König selbst im Traum bereits sieht, was im Bibeltext erst ausgelegt werden muss - Ein künic in sîme troume sach | eine werlt (V. 1 f.) - birgt dabei durchaus ein prekäres Moment. Der heidnische König selbst nimmt die Auslegung vor, die ihm der Sangspruchdichter in den Mund legt, Daniel wird nicht genannt. Im biblischen Danielbuch hingegen führt Daniels Leistung als von Gott auserwählter Wiedererzähler und Deuter des Traumes ja dazu, dass Nebukadnezar Daniels Gott als höchsten Gott anerkennt, Daniel zum Vorsteher über alle babylonischen Provinzen und seine Freunde zu Provinzpräsidenten macht (Dn 2,47 - 48). 31 Stattdessen nutzt die Strophe die Strategie, Bild und Deutung (auf die vier Weltalter) zusammenzuziehen und die Trennung zwischen den beiden nicht zu markieren. Die kurze Strophe läuft auf ein ‹ sentenzhaftes › Ende zu. Als der König aus dem Traum aufschreckt (V. 10), ändert sich neben dem Tempuswechsel auch der Redegestus, der nun stärker an die anonyme Strophe aus dem Freidank-Anhang erinnert. Auf die Publikumsansprache des nement dâ bî goume (V. 12) folgt die abschliessende ‹ sentenzhafte › Äusserung, die aber - im Unterschied zu 1 ZX/ 3/ 1 - nicht an ein unbestimmtes wir gerichtet ist, die aber, wie es zuvor in der anonymen Strophe bereits anklang, dem Spruchdichter die Möglichkeit gibt, den biblischen Text, der nur in Stichpunkten wiedergegeben wird, selbst auszudeuten und zu einer Tugendlehre 32 zu wenden. Zeitlich genau bestimmt (nu [V. 11]) ist die Welt aus Kupfer. Durch die Wiederaufnahme von schanden (V. 4, V. 14) gelingt Kelin die Kontrastierung von vergangener goldener und gegenwärtiger kupferner Welt. 33 29 V ON W ANGENHEIM , Wolfgang: Basler Fragment (1972), S. 56. 30 Die anonyme Strophe im Freidank-Nachtrag in h bestimmt den Träumenden nicht näher (ein künec, V. 1), beim Marner, Wizlaw und Rumelant heisst es explizit künec Nabuchodonosor (überall V. 1), Walther spricht von Ereignissen ze Babylône (V. 2). Auch Mersburg nennt die Traumvisionen Nabuchodonosor sompnia (V. 12). 31 Vgl. L EBRAM , Jürgen: Daniel/ Danielbuch und Zusätze (1981), S. 327. 32 Vgl. Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 164. 33 Hier klingt auch das in der Sangspruchdichtung populäre Thema ‹ Kupfer als Sinnbild der Falschheit › an. Besonders häufig werden die Materialien Gold und Kupfer einander gegenübergestellt und als Gleichnis für das Gegensatzpaar ehrenwerte/ falsche Person verwendet, z. B. 1 KonrW/ 7/ 16: Der rîche edele schalc mit valschem muot kann nicht voneinander getrennt werden, hingegen lassen sich Kupfer und Gold durch Krötenasche voneinander trennen; 1 ReiZw/ 1/ 84 a: Warnung vor Menschen, die äusserlich schön und innerlich verdorben sind - wie vergoldetes Kupfer; 1 Rum/ 1/ 8: Ich verstehe die Strophe als implizite Herrenschelte und Kritik am allgemeinen Werteverfall (vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 267 f., R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 198 sowie 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 81 Die Ähnlichkeit der Kelinstrophe mit einem Sangspruch des Ehrenboten ( 1 Ehrb/ 1/ 502 a bzw. Reinmar von Zweter 34 ) ist zwar auszumachen, allerdings ist mit L ÖSER zu beachten, dass Kelins Strophe über die «Kritik an zeitgenössischer Jugend» 35 ebenso Anschlusspunkte an Walthers L 23,11 bietet. Mit der Nähe der Kelinstrophen zu einigen Strophen des M a r n e r 36 begründet VON W ANGENHEIM u. a. die Aussage, Kelins Nebukadnezar-Strophe sei aus Versatzstücken von Reinmar und dem Marner «zusammengeklaubt» 37 . Allerdings sind die Unterschiede zwischen den beiden Strophen durchaus bemerkenswert: Der kunig Nabuchodonosor in einem tro ͧ me sach ein bilde hohe stan enbor. daz ho ͧ bt was guldin, als er jach, silberin arme unde brust, ein teil erin und isenin, die fu ͤ sse waren schirbin hor, die sit daz isen brach. der tro ͧ m gieng sinen sinnen vor. betuteklich ein wissage sprach: «kunig, der tro ͧ m ist nu bi dir und wirt nach dir der werlte schin. kunig, du der wernden bildes ho ͧ bet golt, nach dir ein riche bringet silberinen solt. ein erins dar nach kumt, dar nach daz erin isen bringt und schirbin f ů s ze stuken drumt.» hie bi so mugt ir merken, wie es nu der werlde ste: daz golt was e, silber dar nach me. nu haben wir ein isenin we, daz witwen unde weisen machet mangen jæmerlichen schre. des suln sich die fursten schamen. sunt si schirbin fu ͤ sse sin? ( 1 Marn/ 7/ 11) 38 W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik des späten Mittelalters [2006], S. 788) und nicht als Kritik an den Praktiken der Münzprägung (vgl. etwa M ÜLLER , Ulrich: Untersuchungen zur politischen Lyrik [1976], S. 134 oder T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? [1967], S. 225, d. h. als Klage darüber, dass die Schmiede nur noch Schmuck aus minderwertigem Kupfer fertigen würden, das nur wie Gold scheint); 1 Zil/ 2/ 1: Wie vergoldetes Kupfer seine wahre Qualität erst am Probierstein zeigt, so kann auch ein schöner Mann falsch sein. Durchaus wörtlich sind die gefälschten (kupfernen) Silbermünzen dagegen in Rumelants Strophe VII,5 zu verstehen. 34 Zur Zuschreibung von Reinmars Frau-Ehren-Ton zum Ehrenboten vgl. R ETTELBACH , Johannes: Variation - Derivation - Imitation (1993), S. 274. 35 L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 276. Eine Wendung des Nebukadnezar-Stoffes auf Kritik an (zeitgenössischer) Jugend findet sich etwa auch im Prolog des Apollonius von Tyrland Heinrichs von Neustadt, allerdings ist hier zu beachten, dass die Materialien nicht auf die Weltreiche hin gedeutet werden, sondern - wie bei Rumelant von Sachsen (vgl. Kapitel 3.2.2) die abnehmende Qualität der Materialien mit der immer grösser werdenden Schlechtigkeit der Menschen korreliert wird, vgl. K ERN , Peter: Nabuchodonosors Traumgesicht (1992), S. 46. 36 Der Ton XIII des Marner (nach der Zählung H AUSTEIN s, V nach der Zählung von W ILLMS ) ist identisch mit dem Ton III Kelins, vgl. RSM 2.1 (2009), S. 104. Zur komplexen Verfasserfrage vgl. W ILLMS , Eva (Hg.): Der Marner (2008), S. 29 f. 37 V ON W ANGENHEIM , Wolfgang: Basler Fragment (1972), S. 54. 38 W ILLMS , Eva: Der Marner (2008), S. 243 - 245. Der König Nebukadnezar | sah in einem Traum | ein Standbild hoch emporragen. | Wie er sagte, war das Haupt aus Gold, | die Arme und die Brust aus Silber, ein Teil [davon] ehern und eisern, | die Füsse waren aus tönernem 82 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Die Nähe zwischen Kelin und dem Marner, die sich an anderen Stellen durchaus auch inhaltlich niederschlägt, ist für die Nebukadnezar-Strophen nicht unbedingt zu beobachten. Auffälliger sind die Unterschiede, die nur schon bei der um ein Vielfaches verknappten Strophenlänge Kelins anfangen. Zentral ist auch hier das Verhältnis von Bild und Auslegung: Wo in Kelins Strophe der anonyme kuninc noch direkt die Welt sah, folgt die Marnerstrophe verstärkt dem Bibeltext und der Struktur von Bild, Bildbeschreibung und Auslegung, modifiziert diese aber. Auf Nebukadnezars Schauen des bildes im Traum (1) folgt die Bildbeschreibung, die Nebukadnezar selbst wiedergibt (2): als er jach (V. 4). Die Passage aus Daniel, in welcher Nebukadnezar den Zeichendeutern, Wahrsagern, Beschwörern und Chaldäern (Dn 2,2) den Auftrag gibt, seinen Traum nicht bloss zu erraten, sondern auch gleich zu deuten, spart die Marnerstrophe aus, ebenso den zornigen Befehl Nebukadnezars, sämtliche Weisen umzubringen, Daniels Traumvision und schliesslich dessen Darlegung des Königstraumes. Der Erkenntnisprozess bleibt aber, im Unterschied etwa zur Kelinstrophe, gestaffelt. Wenn Nebukadnezar beim Marner den Traum auch erzählen kann, begreifen kann er ihn nicht: der tro ͧ m gieng sinen sinnen vor, heisst es in V. 8, bevor der wissage den Traum mit Bedeutung versehen kann (3). 39 Dieser ersten Deutung des Propheten folgt eine zweite Deutung (4), die durch die metrische Varianz 40 zu Beginn des Abgesangs noch markiert wird. Die «konsequente Verteilung inhaltlicher Segmente auf die einzelnen Strophenteile» 41 hat Jens H AUSTEIN zwar als grundsätzliches Merkmal der Marner-Sangspruchdichtung beschrieben; in 1 Marn/ 7/ 11 wird diese Strategie aber besonders geschickt eingesetzt, denn im Folgenden kann das Sänger-Ich seine Auslegung auf der Deutung des wissage aufbauen und sich so gewissermassen argumentativ auf ihn abstützen: hie bi so mugt ir merken, wie es nu der werlde ste (V. 15). Wie bereits erwähnt, bleibt die Strophe des Marner in vielen Punkten näher am Bibeltext als die bisher besprochenen Strophen. So träumt der namentlich genannte König, Nabuchodonosor, von einem bilde, dessen Kopf - analog Dn 2,32 - aus Gold besteht, die Arme und der Bauch aus Dreck. | Diese zertrümmerte dann das Eisern. | Der ging seinem Begreifen zuvor. | Ein Prophet legte [es so] aus: | «König, der Traum ist nun bei Dir und wird nach Dir der Welt offenbar. | König, Du, der unter dem goldenen Haupt des Standbildes weilst, | nach Dir wird ein Reich silbernen Lohn bringen. | Ein ehernes kommt danach, | dann bringt das Erz Eisen und dieses schlägt die tönernen Füsse in Stücke.» | Daran könnt ihr erfahren, wie es nun mit der Welt steht: | Das Gold ist vergangen, | das Silber ebenso. | Nun haben wir einen eisernen Schmerz [zu ertragen], | sodass Witwen und Waisen manchen jämmerlichen Schrei tun. | Daher sollen sich die Fürsten schämen. Mögen sie doch die tönernen Füsse sein! Die Übersetzung folgt in einigen Teilen derjenigen von W ILLMS , Eva: Der Marner (2008), S. 245, weicht allerdings v. a. an zwei Stellen massgeblich davon ab. V. 8 der tro ͧ m gieng sinen sinnen vor: Hier scheint mir vorgân im Sinne eines (zeitlichen) Vorausgehens des Traumes vor dem eigentlichen Begreifen zu verstehen und nicht wie W ILLMS übersetzt, dass der Traum über das Begreifen hinausgeht. Für den Schlusssatz sunt sie schirbin fuesse sin folge ich der Interpunktion von H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 215 f. und übersetze entsprechend. W ILLMS hält allerdings H AUSTEIN s Interpunktion nicht mit dem «Tenor der sonstigen paränetischen Strophen» (S. 245) vereinbar. Sie setzt hier das Fragezeichen, um die Haltung des Sängers als «mahnenden Warner» (S. 245) zu verdeutlichen und übersetzt «Dessen sollten sich die Fürsten schämen. Werden sie die tönernen Füße sein? » Ich verstehe die Passage dahingehend, dass die Fürsten als tönerne Füsse vom Eisen zerschlagen werden sollen (wie T ESCHNER , Joachim: Das bîspel [1970], S. 111) und nicht als tönerne Füsse, die dereinst die ganze Statue zum Einsturz bringen werden. Eine Interpunktion wie S TRAUCH , Philipp: Der Marner (1876), S. 123 (des suln sich die fürsten schamen, sunt sie schirbîn füeze sîn) scheint mir hingegen nicht sinnvoll. 39 Zu meiner Übersetzung von V. 8, die von W ILLMS abweicht vgl. Anm. 38. 40 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 217. 41 H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 242. 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 83 Silber. Vor diesen klaren Ähnlichkeiten überraschen jedoch die Unterschiede, die der Spruch gegenüber dem Bibeltext aufweist: Nicht etwa zerstört ein Stein, der sich unvermittelt von einem Berg löst, das bilde (Dn 2,34), sondern dieses schlägt sich gewissermassen selbst in Stücke: Das Eisen dar nach daz erin isen bringt und schirbin f ů s ze stuken drumt. (V. 14) Die Passage ist also nicht so zu verstehen, dass nach der Abfolge der Weltreiche das vierte Reich zerstört wird durch das kommende Gottesreich, das steinern ewig Bestand haben wird. Vielmehr gilt hier - wie es der Abgesang noch einmal expliziert - das eiserne Zeitalter als Gegenwart (nu haben wir ein isenin we, V. 18). 42 Diese wird zwangsläufig die tönernen Füsse, die Fürsten, zerschlagen. DieThematik des Nebukadnezar-Traumes kann beim Marner (als einzige der Strophen) auf eine konkrete politische Situation bezogen werden. Datiert wird die Strophe in die Zeit des Interregnums 43 und sie ist als solche wohl zu verstehen als Warnung an die Fürsten und als Aufruf zur Einigkeit. Doch, wie H AUSTEIN gezeigt hat, verweist gerade diese letzte Anspielung auf die uneinigen Fürsten wieder auf den Bibeltext zurück: «Denn im letzten, im Eisernen Zeitalter werde es ein regnum divisum geben (Dn 2,41), dem dann nach dessen Zerstörung die Errichtung des Gottesreiches folgen werde.» 44 Die Strophe des Marner zeichnet sich also durch die für die Sangspruchdichtung einzigartige Kombination von politischer Aussage und Nebukadnezar-Text aus, wobei die beiden Textebenen stets ineinander verschränkt sind. 45 Nur hier wird die Zweiteiligkeit von Bild und Auslegung beibehalten, wobei darüber hinaus noch eine zweite Deutung des Strophen-Ichs hinzutritt. Die von H AUSTEIN als ausschlaggebende Spezifik des Marner-Sangspruchs formulierte Einbindung weltlicher, d. h. hier politischer Thematik in religiöse Zusammenhänge - vielleicht ein Ausweis seiner besonderen Gelehrsamkeit, wie sie auch die Zeitgenossen angemerkt haben (vgl. Kapitel 4.1.2) - zeigt sich in der Nebukadnezar-Strophe besonders deutlich. 46 Dass eine derartige Ausdeutung der Daniel-Stelle hinsichtlich einer aktuellen politischen Situation nicht nur für die mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung ungewöhnlich ist, zeigt ein Blick auf das Lied M e r s b u r g s , das in der Augsburger Cantionessammlung unter der Überschrift Idem eadem melodia überliefert ist (ausführlicher zur Handschrift vgl. Kapitel 4.3.1). Obwohl vergleichende Untersuchungen zum Nebukadnezar-Traum in der Sangspruchdichtung das Lied Mersburgs bisher nicht in ihre Überlegungen einbezogen haben, 47 sind Ähnlichkeiten zur Marner-Strophe ( 1 Marn/ 7/ 11) mehr als deutlich: Wie 1 Marn/ 7/ 11 sind die Verse im Langen Ton verfasst; doch nicht nur die Tonübernahme (im Sinne einer autorübergreifenden Tonkohärenz? ), auch die zeitliche Nähe und thematische Anklänge legen eine vergleichende Lektüre nahe. 48 42 Im Unterschied etwa zur Kelinstrophe, in welcher die Gegenwart Kupfer ist. 43 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 218. 44 H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 218. 45 Eine solche Lesart wiederspricht auch T ESCHNER s Aussage, dass die allegorische Auslegung keine Rücksicht auf den «Textsinn, d. h. den inneren Zusammenhang des Exempels» nähme, vgl. T ESCHNER , Joachim: Das bîspel (1970), S. 112. 46 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 242. 47 Vgl. L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003) und Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006). 48 Zur Frage, wie die Übernahme von Sangspruchtönen mit einer inhaltlichen Korrelation einhergehen kann, vgl. Kapitel 4.3. 84 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Ergo sunt fallacie plures in seculo, ad faciem quas facie videmus nec in speculo. Parturiunt montes, tandem mus eius fit filius. Verborum serenitas et facti densitas, promissionis levitas et fraudium inmensitas opprimunt insontes - dic, quid potest esse vilius? Certis coniecturis Nabuchodonosor sompnia vera sunt: iam regna orbis omnia facta sunt terrea. Corda, que prius mollia fuerunt, iam sunt ferrea. Antichristus natus est ex Dan genimine. Sibi termine carnis crimine et Engaddi in limine, heu, balsamus opprimitur ex urticarum vimine; hodie victima animalis deo debilius ( 1 ZYMersb/ 3) 49 Dass ihn eine Zeitklage erwarten wird, weiss der Rezipient der Mersburg Strophe bereits, wenn er auf fol. 236 r die Überschrift gelesen hat, auf die sich Idem eadem melodia auf fol. 236 v bezieht: Mersburch reprehendens statum mundi sub metaphoris in Marner. In 1 ZYMersb/ 3 wird nun das angekündigteThema der Strophe, die Schlechtigkeit der Welt, die offen 50 zu Tage tritt, im ersten Stollen etabliert und im zweiten Stollen in einer parallelen Struktur (Klarheit der Worte gegenüber Dichte der Tat, Leichtigkeit des Versprechens gegenüber Unermesslichkeit der Wortbrüche) 51 weitergeführt. Nebukadnezars Traum wird dabei im Vergleich zu den bisher besprochenen volkssprachigen Sangspruchstrophen weniger zentral behandelt, zudem liegt die Gewichtung auf einem anderen Punkt der Danielexegese. Worauf die mittelhochdeutschen Spruchstrophen nur als künftiges Geschehen verwiesen haben, ist in Mersburgs Strophe bereits eingetroffen: Der Stein hat die Statue zerschlagen, iam regna orbis omnia facta sunt terrea. Die 49 C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 135. Es gibt also viele | Täuschungen auf der Welt, | die wir von Angesicht zu Angesicht | und nicht im Spiegel erblicken. | Berge kreißen, das Kind davon wird schließlich eine Maus. | Die Klarheit der Worte | und die Dichte der Tat, | die Leichtigkeit des Versprechens | und die Unermesslichkeit der Wortbrüche | drücken die Unschuldigen - sag, was könnte unwürdiger sein? | Durch sichere Eingebungen sind Nebukadnezars Träume | wahr. Schon sind alle Reiche der Welt | zu Staub geworden. | Die Herzen, die früher weich waren, sind nun eisern. | Der Antichrist ist geboren aus der Frucht des Dan. | Zu seinem Vorteil wird, durch das Ende, | durch die Sünde des Fleisches | auch an der Grenze von En-Gedi, | oh weh, der Balsamstrauch im Nesselbusch erdrückt; | heute ist das Tieropfer für Gott schwächer. (Übersetzung C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones- Sammlung [2015], S. 136). 50 C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 295 weist auf die allegorische Ausdeutung von Ex 38,8 durch Gregor den Grossen in der Homilie 17 hin und liest den Vers Mersburgs entsprechend: «Die Menschen benötigen keine intensive Gewissenserforschung, da ihre Fehler so weit fortgeschritten sind, dass man sie ganz offen erkennen kann.» 51 Vgl. C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 295. 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 85 Kenntnis der Danielstelle wird zweifelsfrei vorausgesetzt, 52 ebenso die Kenntnis der Deutungstradition auf die vier Weltreiche. Diese Deutung hat sich als wahr erwiesen (certis coniecturis, V. 11), wobei in der Strophe selbst weder die Bestandteile der Statue noch die Deutung gemäss Daniel explizit genannt werden. Jedoch wird in V. 14 ein Material der Statue aufgenommen, obwohl der Vers selbst bereits nicht mehr in direktem Bezug zum Nebukadnezar-Traum und seiner Auslegung zu bringen ist. Die Herzen haben sich zu Eisen verhärtet - damit werden die eisernen Beine und die sowohl eisernen als auch tönernen Füsse des Standbildes aus dem Traum wiederaufgerufen, die (wie es in V. 13 heisst) aber im Handlungsverlauf bereits Staub sind. In diesem Kontext liesse sich auch ein Vers aus dem ersten Stollen verstehen: Wenn auch Nebukadnezars Traum erst im Abgesang zur Sprache kommt, könnte in V. 5 bereits die Danielpassage anzitiert werden: Parturiunt montes, tandem mus eius fit filius. An diesem fast wörtlichen Zitat aus Horaz Ars poetica 53 wird deutlich, dass neben dem durch die Toneinheit gestifteten ‹ formalen › Bezug auf den mittelhochdeutschen Sangspruch des Marner auch weitere - spezifisch lateinische - Assoziationsräume eröffnet werden können. Es wäre in diesem Sinne auch zu überlegen, inwiefern solche Textstellen Spekulationen über unterschiedliche Rezeptionsgruppen des deutschen und lateinischen Sangspruchs zulassen (vgl. Kapitel 4.3.1). Michael C ALLSEN verweist darauf, dass das Zitat aus hier nicht im Sinn einer Kritik an dichterischer Prahlerei zu verstehen sei, sondern auf eine «allgemeinere moralische Ebene verschoben» 54 werde. Doch ruft die Formulierung des gebärenden Berges zumindest vage Allusionen an den Stein auf, der sich in Dn 2,34 vom Berg löst. Hier stimmt die Zeitstruktur des Nebukadnezar-Traumes mit der Abfolge innerhalb der Strophe überein. Der Stein löst sich vom Berg, im Abgesang hat er die Statue bereits zertrümmert. Gestört wird dieAbfolge also nur durch das Attribut des Eisens, das sich von der Statue auf das Herz verschoben hat. Die Mersburgstrophe trennt also, im Gegensatz etwa zur Marnerstrophe im selben Ton, Bild und Auslegung nicht klar voneinander. Die allegorische Ordnung von Bild und Auslegung wird nicht, wie dies in der Marner-Strophe der Fall war, auf einzelne Strophenbestandteile verteilt. Vielmehr sind an signifikanten Stellen der zweiten Strophe (z. B. Beginn des Abgesangs, Ende des ersten Stollens) explizite und implizite Verweise auf die Danielpassage auszumachen, wobei die gesamte Strophe dem Gestus der Zeitklage untergeordnet ist. 52 Ebenso vorausgesetzt werden die theologischen Hintergründe. Einige davon schlüsselt Michael C ALLSEN im Kommentar zur Mersburgstrophe auf (vgl. C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung [2015], S. 296): Die Theorie von der Abstammung des Antichristen aus dem Hause Dan sowie die Anspielung auf die Bevorzugung des Tieropfers bei Kain und Abel (Gn 4,3 - 7). Darüber hinaus könne nach C ALLSEN eine Stelle bei Flavius Josephus angesprochen sein, die En-Gedi als Quelle für Balsam nennt - der Balsamvorrat ist endgültig versiegt, wenn sogar in En-Gedi keiner mehr zu finden ist (C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung [2015], S. 296). Urtica (V. 19), die den Balsamstrauch erdrückt, könnte m. E. ein Verweis auf Is 55,13 darstellen. 53 Vgl. Hors. Ars. 139: parturient montes, nascetur ridiculus mus. 54 C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 295. 86 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz 3.2.3 Mehrstrophige Nebukadnezar-Sprüche: Wizlav von Rügen, Rumelant von Sachsen Die bis jetzt besprochenen Sangspruchstrophen haben den Nebukadnezar-Traum gerade hinsichtlich des Verhältnisses von Bild und Auslegung jeweils individuell gehandhabt. Fragen strophenübergreifender Kohärenz stellten sich freilich nicht. Vielmehr dienten die Überlegungen als Vergleichsfolie, vor der in einem nächsten Schritt die mehrstrophigen Sprüche in den Blick genommen werden sollen. Neben den drei Strophen Rumelants von Sachsen ist der Strophenkomplex des niederdeutschen Sängers Wizlav von Rügen der einzige, der die Thematik des Nebukadnezar-Traums in einer Form behandelt, die über die Einzelstrophe hinausgeht. Die beiden Strophen Wizlavs werde ich als Erstes besprechen, bevor ich zu den drei Strophen Rumelants übergehe. Dass damit die chronologische Ordnung umgedreht wird, 55 ist mit einer - wie ich zu zeigen hoffe - grösseren Komplexität der Beziehungen zwischen Bild und Auslegung bei Rumelant zu rechtfertigen. Dem kuning Nabugodonosor quam an sîme troume vor, wê her ein bilde vor em sach, daz dûchte em lanc und scône. Sîn hôhe unz an den himel dranc, daz hôbet was em guldîn blanc, de arme wêren em sulberîn, - daz sprech ich âne hône. Em dûchte, ân lust êrîn de brust was em al zû mâle, de bûch kopf ’ rîn, de dê stâlîn dûchte em in dem twâle. De vôz erdîn vor em schein. Dâ lêf ûz dem berge ein stein, de rêf ez al zû mâle klein, daz selbe bilde kône. Daz guldîn hôbet zeiget daz: de werlt zût sich nider baz, und is se worden sulberîn, dô stunt se wol bî beiden. Darnâch sô wart se êrîn gar, nû is se worden kopfervar, diz ist bî unsen zîten schên, daz klagen kristen, heiden. Darnâch se birt stâl, îs ’ n se wirt ûf eine nûwe scande. Darnâch erdîn se doch môz sîn; sô ’ st se maninger hande, 55 Wizlavs sängerische Produktion lässt sich auf etwa 1300 - 1330 eingrenzen, weshalb seine Sprüche den Strophen Rumelants vermutlich zeitlich nachgeordnet sind. Vgl. W ACHINGER , Burghart: Art. ‹ Wizlav von Rügen › ( 2 1999). 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 87 sus kumpt got, de grôzer stein, rîft den sunder erdenklein, sô het wir gerne wol getân, sus môz wir von em scheiden. ( 1 Wizl/ 2/ 7 - 8) 56 J überliefert als Nachtrag aus der Mitte des 14. Jahrhunderts unter dem Namen Wizlavs von Rügen auf fol. 72 v - 80 v eine recht umfangreiche Sammlung von Sangsprüchen und Minneliedern. Parallelen der beiden Strophen Wizlavs zu anderen Nebukadnezar-Strophen sind in der Forschung bereits beschrieben worden, so hat v. a. Sabine W ERG die Abhängigkeit Wizlavs von den Strophen Kelins und Rumelantshervorgehoben. 57 Allerdings sind nicht alle Parallelen auf derselben Ebene angesiedelt: Wörtliche Übereinstimmungen finden sich etwa zwischen Kelin und Wizlav (der Erzählereinschub âne hône, Kelin V. 6/ Wizlav 1,8) 58 sowie in der Ausführung, dass das bilde bis an den himel reichte (Rumelant 1,2/ Wizlav 1,5). Wie Kelin ergänzt Wizlav die Reihe der Materialien um Kupfer - und verändert dementsprechend die ansonsten mit Rumelant übereinstimmende Abfolge der Materialien sowie deren Zuordnung zu den einzelnen Körperteilen. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht in der Schilderung der gegenwärtigen Welt als kupferfarben (2,6), wobei allerdings das Element des ‹ falschen Scheins › des Kupfers nicht wie bei Kelin hervorgehoben wird. Ausserdem ähnelt - wie noch zu zeigen sein wird - der auslegende Gestus, mit dem Wizlav die zweite Strophe einleitet, demjenigen, den Rumelant für den Beginn der zweiten Strophe wählt. Nicht zuletzt erinnert auch die Anspielung auf das Jüngste Gericht an Rumelants Auslegung des Nebukadnezar-Traumes. Bei Wizlaw zertrümmert Gott zum Ende der zweiten Strophe hin den sunder - ebenso wie der Stein (sus, 2,13) die Statue zertrümmert. Wenn auch die Elemente der Statue konventionell 59 sind und nur marginal vom Bibeltext abweichen, unterscheidet sich der Modus der Beschreibung der Statue doch von sämtlichen 56 W ERG , Sabine: Die Sprüche und Lieder Wizlavs von Rügen (1969), S. 94. Es geschah dem König Nebukadnezar | in seinem Traum, | dass er eine Statue vor sich sah, | die ihn lang und schön schien. | Ihre Höhe reichte bis zum Himmel, | das Haupt war ihm glänzend golden, | die Arme waren ihm silberfarben, | - das sage ich ohne Hohn. | Ihm schien, mit Wohlgefallen, ehern war ihm die Brust | ganz und gar. | Der Bauch dünkte ihn kupferfarben, die Oberschenkel aus Stahl | in dem Traum. | Die Füsse schienen vor ihm irden. | Da lief ein Stein aus dem Berge heraus, der das Standbild ganz und gar zerrieb, | dieses beständige Standbild. Das goldene Haupt bezeichnet das Folgende: | Die Welt nimmt den Weg immer tiefer hinab, | und als sie silberfarben geworden ist, | stand es noch gut um die beiden [Welten]. | Danach wurde sie ganz und gar ehern, | nun ist sie kupferfarben geworden. | Das ist zu unserer Zeit geschehen, | das beklagen Christen [und auch] Heiden. | Danach wird sie Stahl hervorbringen, eisern wird sie | zu einer neuen Schande. | Danach muss sie doch aus Erde sein; so nimmt sie vielerlei Gestalt an, | auf diese Weise kommt Gott, der grosse Stein, | reibt den Sünder klein zu Erde. | Dann hätten wir gerne gut gehandelt, | auf diese Weise müssen wir aber von ihm scheiden. (Übersetzung basierend auf L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion [2003], S. 277 f., Anm. 24). Die Übersetzung ändert in 2,7,9 f. die von Sabine W ERG vorgeschlagene Interpunktion und folgt der Übersetzung von Freimut L ÖSER . Für 2,8,3 scheint mir L ÖSER s Übersetzung allerdings missverständlich (er übersetzt: «Jetzt ist sie silbern geworden.») Die gegenwärtige Welt ist m. E. die kupferfarbene, das goldene und das silberne Zeitalter sind vergangen. 57 Vgl. W ERG , Sabine: Die Sprüche und Lieder Wizlavs von Rügen (1969), S. 44 - 46. 58 Vgl. Y AO , Shao-Ji: Der Exempelgebrauch (2006), S. 168. 59 Den Begriff der ‹ Konventionalität › verstehe ich - auf die Etymologie (conventio) verweisend - als Übereinkunft oder Habitualisierung, die von einer (Sprach-)Gemeinschaft getroffen wird. Diese gilt sowohl implizit (Übereinkunft) als auch explizit (Regel), wobei der Verstoss gegen sie nicht zwingend 88 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz anderen Nebukadnezar-Strophen. Auch bei Wizlav erfährt der Rezipient das Aussehen des bildes direkt durch den Traum Nebukadnezars, doch im Gegensatz zur Marnerstrophe, die dasselbe Verfahren anwendet, wird das Standbild hier gewissermassen aus einer Warte der Distanz beschrieben: Der Kopf der Statue ist/ war nicht aus Gold (vgl. 1 Marn/ 7/ 11,V. 4: daz houbt waz guldîn), sondern scheint Nebukadnezar nur so. Der distanzierende Gestus der Traumschilderung wird durchgehalten, bis die gesamte Statue beschrieben ist (V. 13). Erst als sich der Stein vom Berg löst, ändert sich auch der Modus des Berichtes. Der auffälligste Unterschied zwischen Wizlavs Strophenkomplex und den bisher beschriebenen Sangsprüchen stellt aber die bereits erwähnte Zweistrophigkeit dar. Wizlav von Rügen dichtet als vermutlich spätester der hier besprochen Autoren in einer Zeit, in der sich die Mehrstrophigkeit in der Sangspruchdichtung zwar noch nicht vollends durchgesetzt hat, aber zumindest häufiger zu beobachten ist. Nichtsdestotrotz kann Helmut T ERVOOREN im Œ uvre Wizlavs nur für die beiden Nebukadnezar-Strophen im ersten Ton zweifelsfrei eine Zusammengehörigkeit feststellen. 60 Freimut L ÖSER hat den Vorteil einer zweistrophigen Form mit der Möglichkeit benannt, «sowohl den Bibeltext als ganzen relativ genau» als auch «eine ausführlichere und explizite Deutung» wiederzugeben. Wizlav halte «es [. . .] für nötig, die Stelle ausführlicher auszulegen, und der benutzt dafür eben zwei Strophen.» 61 Allerdings ist dabei einzuwenden, dass auch der Marner eine relativ ausführliche Beschreibung sowohl der Statue als auch der Auslegung in einer Strophe unterbringt (es fehlt jedoch gegenüber der biblischen Vorlage der Stein, der sich unvermittelt vom Berg löst und die Statue zerstört). Über die Gründe, die eine einstrophige oder zweistrophige Anlage der Nebukadnezar-Sprüche rechtfertigen, soll an dieser Stelle nicht weiter spekuliert werden, vielmehr soll der Fokus auf die Mittel, mit denen zwischen den beiden Strophen Zusammenhalt gestiftet werden kann, gerichtet werden. Wizlav trennt in den beiden Strophen Bild und Auslegung strikt voneinander. Wie bereits oben erwähnt, schildert die erste Strophe des Komplexes die Beschreibung relativ analog zu Dn 2,32 - 35. Die zweite Strophe wird eingeleitet durch eine Wendung nach dem hoc-significat- Muster der Exegese: Daz guldîn hobet zeiget daz (2,1). Durch diese Formel rückt der Sänger selbst in die Rolle des Auslegenden. Dies stellt eine auffällige Veränderung im Vergleich zu den zuvor besprochenen Sprüchen dar, man denke beispielsweise an die Marnerstrophe, in der noch äusserst deutlich gemacht wurde, dass diese Aufgabe Daniel zukomme: bediuteclîch ein wîssag sprach heisst es dort in V. 9 (selbst wenn zum Strophenende dann die Deutung des Sänger-Ichs folgt). Wie bereits zuvor gezeigt wurde, ist es durchaus möglich, die biblische Auslegung des Traumbildes nach Dn 2,38 - 45 mit sangspruchtypischen Herrenschelten, Zeitklagen und Anspielungen auf zeitgenössische politische Gegebenheiten zu kombinieren. Dieses Vorgehen wählt auch Wizlav und weicht von der Allegorese gemäss der Vulgata ab: Der goldene Kopf stehe für eine erste vergangene Welt, die zweite Welt ist silbern geworden, die dritte eisern. Die Sanktionen nach sich ziehen muss (vgl. zu potenziellen oder faktischen Sanktionen bei Normverstössen A NZ , Thomas: Art. ‹ Norm › [ 3 2007], S. 721). Er ist kein rhetorischer Terminus, auch wenn Elemente des Bedeutungsspektrums der Konventionalität in Bereiche der Rhetorik (mos, consuetudo, constitutio) hineinreichen (vgl. C OENEN , Hans-Georg: Art. ‹ Konvention › [1998]). ‹ Konventionalität › ist bei der Beschäftigung mit vormodernen Texten nicht (ab)wertend zu verwenden. 60 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 272. 61 L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 278. 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 89 gegenwärtige Welt sei kupferfarben, was sowohl Christen als auch Heiden beklagen würden. Das kommende Zeitalter werde zunächst stählern/ eisern und danach aus Erde sein. Dieses werde zum Schluss von Gott, dem Stein, zerschmettert und zu Staub zermahlen. Auch wenn die zweite Strophe mit der auslegenden Wendung am Strophenanfang eine gewisse Klarheit suggeriert, hält sie diese Ankündigung nur bedingt ein. Die Formel ‹ x bedeutet y › wird schon zum Strophenbeginn aufgebrochen und in eine narrative Struktur der fortlaufenden sich verschlechternden Weltalter überführt. Damit rücken Bild und Ausdeutung zusammen - das silberne Zeitalter ist nicht ‹ wie Silber › , sondern es ‹ ist Silber › . Diese Auslegepraxis unterscheidet sich allerdings nicht von derjenigen der Danielpassage. Auch hier ist das Analogieverhältnis zwischen Material und Ausdeutung nicht durchgängig markiert: Nebukadnezar ist das goldene Haupt (Dn 2,38: tu es ergo caput aureum), aber gleichzeitig wird das kommende Zeitalter wie Eisen sein (Dn 2,40: Et regnum quartum erit velut ferrum). Durch dieToneinheit verfügen die beiden Strophen Wizlavs über eine parallele Struktur, Bild und Auslegung sind - zumindest formal - einander gleichwertig gegenübergestellt. Aber die Position der Materialien findet sich nicht an gleicher Stelle in den beiden Strophen. Wizlav behält zwar die Abfolge der Materialien in der zweiten Strophe bei (Gold, Silber, Eisen, Kupfer, Stahl, Ton und Stein), variiert aber die Position, sodass sich die Materialien in den jeweiligen Strophen nicht am gleichen Ort innerhalb der Melodie finden. Zumindest die erste Strophe wäre auch als Einzelstrophe ohne die Auslegung vorstellbar - mit Kenntnis des Bibeltextes und der Auslegungstradition wäre die explizite Ausformulierung der Allegorese nicht zwingend notwendig. Doch zeigt bereits der erste Vers der zweiten Strophe, dass es umgekehrt schwierig ist, die Auslegung ohne vorhergehendes Bild zu denken, dass diese zweite Strophe kaum als Einzelstrophe bestehen kann. Selbst in Strophen wie der anonymen Sangspruchstrophe aus dem Freidank-Nachtrag, die nur punktuell auf den Bibeltext verweisen, wird eingangs eine Traumsituation eines nicht näher spezifizierten Königs erwähnt, hier setzt die Strophe unmittelbar mit der Auslegung des goldenen Haupts ein, wobei zwangsläufig gefragt werden muss, worauf diese Deutung überhaupt referiert. Das Strukturmuster der geistlichen Allegorie, das Wizlav von Rügen für einen literarischen Text nutzt, bindet die beiden Strophen stärker als über blosse Toneinheit aneinander. Der Strophenumfang ermöglicht es, die zweite Strophe, die sehr deutlich als Auslegungsstrophe des Sängers hervorgehoben wird, der durch den Bibeltext autorisierten ersten Strophe als gegenüberzustellen, so dass durch die formale Kohärenz auch eine Gleichwertigkeit der Aussagen impliziert sein könnte. Doch wie ist das Verhältnis von Bild und Auslegung in Rumelants von Sachsen Strophenkomplex, in dem die Auslegung den doppelten Raum der Bildbeschreibung einnimmt, zu bewerten? Im Gegensatz zu Wizlav verwendet Rumelant drei Strophen 62 darauf, den Nebukadnezar-Traum zu schildern und auszudeuten (IV,1 - 3). Der kuninc Nabuchodonosor gesach in sime troume ein bilde von der erden an den himel reichen; 62 Einen aus drei Strophen bestehenden Komplex lässt sich auch für die Strophen V,1 - 3 ausmachen (zur Lesart als zwei- oder dreistrophiger Komplex vgl. Kapitel 3.3). Bei diesen beiden Beispielen handelt es sich um die einzigen Strophen Rumelants, die derart deutlich im Dreierverbund gelesen werden können. Inwiefern hier bereits eine «frühe Tendenz zur Barbildung» (R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 203) beobachtbar ist, kann nicht abschliessend beurteilt werden. 90 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Dem was daz houbet guldin wunderlich, des nam her goume, die brust unde arme silberin dem selben zeichen, Sin buch erin geschaffen was, diu die von hertem stale, isin die bein, Die v ů ze erdin und isenin. daz bilde brach z ů male ein grozer stein. Der quam uz einem berge an alle werc al eine, der stein z ů rieb daz bilde und al z ů brach ez kleine. (IV,1) Daz houbet guldin ist diu kristenheit unde alle kristen; swan so der mensche in siner toufe wirt gereinet, So ist her luter also ein golt. wil got sin leben vristen, so nidert in die sunde, alsam daz silber meinet. Unde ist er danne sunden vol in sinen mittel jaren: eriner var. So er sich selber lutert nicht, her wil v ů rharten zwaren in sunden gar. So kumt sin alter of die bein: m ů r bruch isen. z ů brechent im die v ů ze erdin, so m ů z her risen. (IV,2) So z ů rnet sich der stein, der uz dem berge quam geloufen, der loufet of den sunder, daz er al z ů brichet. Welich ist der stein? daz ist der got, der sich liez Jesus toufen. der berch ist Maria, die maget, der man wol sprichet. Got was ane aller sunden meil in ir, von ir z ů kinde wart her geborn. Her ist der stein, sie ist der berch. sin loufen wirt vil swinde; der ist v ů rlorn Gar ewichliche, swer so lange in sunden blibet, daz in der stein alsam daz bilde gar z ů ribet. (IV,3) 63 63 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 80 - 84. Der König Nebukadnezar sah in seinem Traum | ein Standbild von der Erde bis zum Himmel reichen. | Dem war das Haupt wunderbar golden, das nahm er wahr, | Brust und Arme [waren] diesem Zeichen silbern, | sein Bauch war aus Erz gemacht, die Oberschenkel aus hartem Stahl, aus Eisen die Beine, die Füsse aus Ton und aus Eisen. Das Standbild zerbrach plötzlich | ein grosser Stein. | Der kam aus einem Berg ohne alles Zutun ganz von alleine, | der Stein zermalmte das Standbild und zerbrach es ganz und gar in kleinste Stücke. || Das goldene Haupt ist das Christsein und alle Christen; | sobald der Mensch in seiner Taufe gereinigt wird, | so ist er wie reines Gold. Will Gott sein Leben erhalten, | dann mindert die Sünde seinen Wert, wie es das Silber anzeigt. | Und ist er dann in seinen mittleren Jahren voller Sünden, [dann ist er] von ehernem Aussehen. | Wenn er sich selbst nicht reinigt, wird er wahrlich ganz und gar hart werden | in den Sünden. | Dann kommt sein Alter bei den Schienbeinen [der Statue] an: wie brüchiges Eisen. | Zerbrechen ihm die irdenen Füsse, so muss er fallen. || Dann wird der Stein zornig, der aus dem Berg gelaufen kam, der läuft gegen den Sünder, so dass der Sünder ganz zerbricht. | Wer ist der Stein? Das ist Gott, der sich als Jesus taufen liess. | Der Berg ist Maria, von ihr wurde er | als Kind geboren. | Er ist der Stein, sie ist der Berg. Sein Laufen wird sehr schnell; | der ist verloren | ewiglich, der so lange in Sünden verharrt, | dass der Stein ihn genau wie das Standbild ganz und gar zermalmt. Die Übersetzung folgt im Wesentlichen derjenigen von Peter K ERN , weicht aber an den folgenden Stellen davon ab: z ů male (1,7) übersetze ich mit der von L EXER I, Sp. 2014 angegebenen Bedeutung ‹ plötzlich › , 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 91 Die drei Strophen eröffnen in dieser Folge in J den vierten Ton im Rumelant-Korpus und folgen auch in C unmittelbar aufeinander. So sind die Strophen in der Forschung stets als zusammengehöriger Strophenkomplex aufgefasst worden. 64 Die Beschreibung des bildes (IV,1,2) setzt unmittelbar nach der Situierung des Geschehens als Traum des Königs Nebukadnezars ein. Im Gegensatz zu Wizlavs Strophen wählt Rumelant allerdings keinen distanzierenden Gestus der Beschreibung, sondern schildert das Standbild entsprechend dem Modus des Bibeltextes: Analog zu Dn 2,32 (Huius statuae caput ex auro optimo e r a t ) heisst es bei Rumelant: Dem w a s daz houbet guldin wunderlich (IV,1,3). Auch darüber hinaus orientiert sich die Bildbeschreibung stärker an der biblischen Vorlage als andere Nebukadnezar-Strophen, wie beispielsweise die des Marner. Den Regeln der descriptio personae gemäss mit dem goldenen Kopf beginnend, beschreibt Rumelant analog zur Danielpassage die verschiedenen Bestandteile der Statue bis hin zu den Füssen, die teils aus Ton, teils aus Eisen bestehen. Abweichungen zum Bibeltext lassen sich nur für den Bauch, der in der Sangspruchstrophe ehern ist, und die Beine, die Rumelant in die und bein (IV,1,5 f.) unterteilt und zwei Materialien (Stahl und Eisen) zuordnet, ausmachen. Eine signifikante Änderung gegenüber der Danielpassage nimmt Rumelant dann aber in V. 7 vor. Mit dem Abschluss der Bildbeschreibung setzt mitten in der Strophe die Handlung ein: daz bilde brach z ů male | ein grozer stein. (IV,1,7 f.) Sowohl K ERN als auch L ÖSER übersetzen z ů male entsprechend dem biblischen pariter (Dn 2,35) mit ‹ ganz und gar › o. ä. Doch davon abgesehen, dass eine solche Übersetzung die vollständige Zerstörung der Statue gleich doppelt betonen würde (V. 7 wie auch V. 10 al z ů brach ez kleine), scheint mir auch eine Übersetzung mit ‹ plötzlich › sinnvoll, um den Wechsel von Bildbeschreibung zum Einsetzen der Handlung hervorzuheben. Die Schilderung des Steines, der das bilde zerstört, zieht Rumelant vor die Passage, in der der Stein als an alle werc aus dem Berg sich lösend beschrieben wird und dreht die Reihenfolge der biblischen Handlung um. Die Wiederholung des bereits in V. 7 Gesagten ermöglicht es schliesslich, die beiden Signalwörter aufzurufen, die jeweils im letzten Vers der folgenden beiden Strophen noch einmal variierend wiederholt werden: z ů rieb und z ů brach (IV,1,10) - z ů brechent (IV,2,10) - z ů ribet (IV,3,10). Auf diese Weise schafft Rumelant eine klangliche Wiederholung, welche die drei Strophen zumindest in der gesungenen Aufführung oder beim lauten Lesen an prominenter Stelle am Strophenende als zusammengehörig markiert. Dass die erste Strophe des vierten Tons vermutlich nicht als Einzelstrophe zu verstehen sein kann, zeigt sich schon daran, dass das bilde 65 in IV,1 auch als zeichen bestimmt wird (IV,1,4). Als solches ist es prinzipiell bedeutungstragend und lässt eine nachfolgende Ausdeutung erwarten. 66 Entsprechend nimmt die Allegorese in den Strophen zwei und drei fast alle Eigenschaften der in der ersten Strophe geschilderten Allegorie auf. Einzig die Grösse der nicht wie K ERN («Das Standbild insgesamt zerbrach ein großer Stein.»); zur Begründung s. Fliesstext. Luter also ein golt (2,3) scheint mir als Analogie gemeint, nicht ‹ lauter wie Gold › . Ich wähle daher die Übersetzungsalternative, die K ERN angibt. Für den Vers wo kumt sin alter of die bein (2,9) folge ich der Übersetzung von R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 75. 64 Vgl. auch die Übersicht über die ältere Forschung bei T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 230. 65 Zum bilde-Begriff vgl. Kapitel 2.4. 66 So unterscheidet etwa der Marner in der Strophe I,3 ( 1 Marn/ 1/ 3), die wie Rumelants Strophenkomplex zum christlichen Leben aufruft, zwischen verschiedenen Aspekten der Sterne: Der menschliche Verstand kenne die Zahl der Sterne, sowie ir namen, ir louf und alle ir maht, ir schîn und al ir zeichen. 92 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Statue (bis in den Himmel reichend), eine Ergänzung, die - wie bereits erwähnt - sowohl Rumelant als auch Wizlav gegenüber dem Bibeltext vornehmen, bleibt ohne Ausdeutung. Die auszudeutenden Qualitäten der Statue sind die Materialien, aus denen sie besteht. IV,2 schliesst direkt an die vorhergehende Strophe an: Mit dem Vers Daz houbet guldin ist diu kristenheit unde alle kristen (IV,2,1) beginnt die Deutung des Bildes nach dem hoc-significat- Muster. Dass mhd. ist an dieser Stelle «wie in vergleichbaren theologisch-exegetischen Allegoresetexten» 67 im Sinne von ‹ bedeutet › zu verstehen ist, wird spätestens in V. 4 deutlich, wenn das Analogieverhältnis zwischen silber und dem sündhaften Menschen mit dem Verb meinet angezeigt wird. Für die beiden folgenden Materialien des Standbildes - Eisen und Ton - wird das Analogieverhältnis im Gegensatz dazu nicht explizit benannt. Eriner var (V. 6) befindet zudem in Apokoinu-Stellung, so dass nicht eindeutig zu entscheiden ist, ob die Interpunktion der Verse Unde ist er danne sunden vol in sinen mittel jaren: eriner var oder etwa eriner var so er sich selber lutert nicht lauten müsste. So wird die Zuordnung der Materialien des Standbildes zu den unterschiedlichen Stadien des Sünders im Verlauf der zweiten Strophe zunehmend uneindeutig. Zudem läuft die Aussage in V. 7 f. der Strophe, dass der Sünder, sollte er sich nicht bessern, ganz und gar in der Sündhaftigkeit verhärten würde, 68 der Bildlogik der Allegorie entgegen: Schliesslich sind die Füsse aus Eisen und Ton zusammengesetzt, uneinheitlich und daher besonders zerbrechlich. Das Adverb sô, mit dem die dritte Strophe einsetzt, ist wohl temporal zu verstehen. Nachdem das Alter bei den Beinen aus brüchigem Eisen angekommen ist (IV,2,9), löst sich der Stein unvermittelt aus dem Berg. So schliesst die dritte an die zweite Strophe an. Doch ist IV,3 als Einzelstrophe tatsächlich nicht zu verstehen? Peter K ERN hat dargelegt, wie Rumelant gerade im dritten Teil des Strophenkomplexes zwei Deutungstraditionen miteinander zu kombinieren vermag. Zum einen die weit zurückreichende Auslegungstradition, nach der der unvermittelt aus dem Berg sich lösende Stein (Dn 2,34) als «Hinweis auf die jungfräuliche Geburt Christi aus Maria, die sine manibus, also sine opere humano erfolgt sei» 69 zu verstehen sei. 70 Andererseits ist über die Charakterisierung des Steines - dieser ist zornig 71 , zerbricht den Sünder - auch die Ankunft Christi am Jüngsten Tagen aufgerufen. 72 Diese die heilsgeschichtliche Zeit übergreifende Kombination hebt Rumelants Deutung von der bekannteren exegetischen Tradition ab, die die Bestandteile der Statue auf die vier Weltreiche hin gedeutet hat, wie sie in den diversen einstrophigen Nebukadnezar-Sprüchen stets präsent war. So hält Peter K ERN fest, dass Rumelant sich auf die seit dem 12. Jahrhundert von Paris ausgehende moralische Deutungstradition stützt: Die verschiedenen Materialien sind also «mit den typischen Stadien einer 67 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 371. 68 Der Begriff des Verhärtens in der Sündhaftigkeit ist in den Texten der Zeit durchaus bekannt, vgl. z. B. im Prosalancelot (K LUGE , Reinhold: Prosalancelot [1980 (1948)], S. 88, V. 6 f.): Und by dem steyn mögent ir verstan den sunder der da ist verhartet | und entschlaffen in den sünden. 69 K ERN , Peter: Nabuchodonosors Traumgesicht (1992), S. 44. 70 Der Danielkommentar von Hieronymus (In Danielem 1,2,31 - 35) versteht den Stein, der die Statue zerstört, in Bezug auf die jungfräuliche Geburt Christi, vgl. C OURTRAY , Régis: Der Danielkommentar des Hieronymus (2007), S. 132. Rumelants Formulierung in IV,3,5 (Got was ane aller sunden meil in ir) weist eine gewisse Ähnlichkeit mit Kelins Passage auf, die sich aber auf die goldene Welt bezieht: sie het nicht schanden meyl (V. 4). 71 Zum Attribut des zornigen Gottes vgl. auch 1 Rum/ 5/ 1 - 4, s. dazu Kapitel 3.3. 72 Vgl. K ERN , Peter: Nabuchodonosors Traumgesicht (1992), S. 45. 3.2 Markierte Zusammengehörigkeit: Nebukadnezars Traum als Paradigma 93 unheilvollen Sünder- ‹ Karriere › [gleichgesetzt], skizziert vom Spruchdichter in der Rolle des mahnenden und warnenden Bußpredigers.» 73 Kombiniert werden in IV,3 nicht nur die beiden Auslegungstraditionen, auch Bild- und Auslegungsebene sind punktuell nicht mehr voneinander zu trennen. Zwar evozieren Formeln wie die dialogische Struktur welich ist der stein - daz ist der Got [. . .] (IV,3,3) oder später Her ist der stein, sie ist der berch (IV,3,7) den Eindruck einer festen semantischen Bezüglichkeit, die auch in der Rückübersetzung funktioniert. Doch in der Formulierung vom Stein, der aus dem Berg gelaufen kommt, fallen Bild und Auslegung, Stein und (Mensch gewordener) Gott in eins. Im Gegensatz zu Wizlav, der für die Bewegung des Steines aus dem Berg heraus das neutralere kumpt (V. 13) wählt, wird der Stein bei Rumelant gleich an zwei Stellen mit menschlichen Attributen in Beziehung gebracht: Der Stein, der z ů rnet und aus dem Berg geloufen kommt (IV,3,1) sowie in V. 7 das loufen des Steines, das immer schneller wird, womit wohl auf das Ende der Zeit und das kommende Jüngste Gericht angespielt wird. Die immer schneller werdende Bewegung des Steines steht hier wohl auch im Gegensatz zum in der Sünde verharrenden Menschen (IV,3,9). Die dreistrophigeAnlage des Strophenkomplexes ermöglicht den passenden Umfang, um die für die Sangspruchdichtung ungewöhnliche Exegese darzulegen. Gleichzeitig scheint mir auch jede Strophe prinzipiell als Einzelstrophe möglich - wenn auch nicht zwingend wahrscheinlich, da, wie bereits erwähnt, in beiden Handschriften die Strophen unmittelbar aufeinanderfolgend überliefert sind und so zumindest von den Rezipienten offenbar als zusammengehörig aufgefasst wurden. So wird allerdings immer nur punktuell auf eine andere Bedeutungsebene verwiesen: In Strophe eins über das Signalwort zeichen, über die klare Benennung des Auslegungsvorgangs in Strophe zwei und drei und über programmatische Leitwortwiederholungen (z ů ribet). Die Form der Allegorie ermöglicht auf diese Weise zum einen die Generierung von strophenübergreifenden Komplexen, gleichzeitig gestattet sie es aber auch ein Verständnis als Einzelstrophe: Besonders dann, wenn Bild- und Auslegungsebene in eins fallen. Um meine Beobachtungen zum ‹ Nebukadnezar-Paradigma › kurz zusammenzufassen: Der Durchgang durch die sieben Sangsprüche des 12. und des 13. Jahrhunderts hat vor Augen geführt, wie die jeweiligen Spruchdichter das Verhältnis von Bild und Auslegung je unterschiedlich realisieren. Vor dem Hintergrund der Sangspruchdichtung als Gattung, die sich durch ein besonders hohes Mass an Intertextualität auszeichnet, mag dies besonders erstaunen. Es wäre vielleicht zu erwarten, dass Sangsprüche, die besonders stark miteinander vernetzt sind, sich in vielen, wenn auch nicht allen Aspekten homogen zeigen. Doch auch wenn zwischen den Sprüchen z.T. wörtliche Übereinstimmungen zu beobachten sind (Kelin/ Marner, Wizlav/ Rumelant/ Kelin) und Töne übernommen werden (Mersburgs lateinische Strophe im Langen Ton des Marner), bieten die ausgewählten Details des Bibeltextes, auf die sich sämtliche Sangsprüche konzentrieren, die Möglichkeit zu ganz unterschiedlicherAusgestaltung. So kann auf die Beschreibung der im Traum erschienenen Statue und ihrer darauffolgenden Deutung punktuell verwiesen werden, wie etwa in Walthers Strophe zu sehen war. Ähnliches gilt für die Strophe Mersburgs in der Augsburger Cantionessammlung, wobei sich hier freilich spezifische Bezugsmöglichkeiten auf die lateinische Tradition eröffnen (vgl. auch Kapitel 4.3.1). An Kelins Strophe lässt sich beobachten, wie im beschränkten Umfang der Einzelstrophe Bild- und 73 K ERN , Peter: Nabuchodonosors Traumgesicht (1992), S. 45. 94 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Auslegungsebene in eins fallen; demgegenüber umfasst die Strophe des Anonymus in h zwar beide Ebenen, allerdings derart knapp, dass die Beschreibung des Traumbilds in zwei Versen abgehandelt wird: golt silber îsen | kopfer erde was sîn schîn ( 1 ZX/ 3/ 1,5 f.). Für die Frage nach der Rolle der Allegorie zur Kohärenzstiftung im Kontext der Mehrstrophigkeit scheinen mir die folgenden Beobachtungen in drei Sprüchen besonders signifikant: Im Spruch des Marner, der das Traumbild und die Auslegung innerhalb der Gruppe der einstrophigen Nebukadnezarsprüche am ausführlichsten schildert, setzt dieAuslegung Daniels gerade am Wechsel vom Aufzum Abgesang ein - eine Passage, die durch metrische Varianz markiert ist. Dass das Zusammenspiel von metrischer Form und zweiteiliger Struktur der Allegorie auch für mehrstrophige Komplexe produktiv genutzt werden kann, zeigt sich an den beiden Strophen Wizlavs, in denen sich Bild und Auslegung als metrisch-melodisch identische Strophen gegenüberstellen. Gerade an einem relativ umfangreichen Ton wird ersichtlich, wie das Strukturmuster der Allegorie genutzt werden kann, um Kohärenz innerhalb eines Strophenkomplexes zu stiften: In Rumelants Ton IV lässt die Gemeinsamkeit der Toneinheit wenig Aussagen über die semantische, argumentative und begriffliche Kohärenz zwischen den jeweiligen Strophen zu, doch für die Strophen IV,1 - 3 suggeriert das hoc-est-Schema der Allegorie Anschlussmöglichkeiten über die Grenzen der Einzelstrophe hinaus. 3.3 Sinnangebote: Zur Einhorn-Allegorie in Rumelants Strophen V,1 - 3 Die prinzipielle Zusammengehörigkeit der Nebukadnezar-Strophen legte ja bereits die Überlieferung nahe: C und J tradieren die Strophen in gleicher Reihenfolge. Im Gegensatz dazu gestaltet sich der Textbestand des zu besprechenden Strophenkomplexes in Rumelants fünftem Ton unfest. Die Strophenverbindung V,1 - 3 führt nur J, die Strophe V,1 ist dort unikal belegt: C und W o verzeichnen nur jeweils die Strophen V,2 und 3 in direkter Abfolge. 74 Dementsprechend stellt sich die Frage, ob sich die Strophen als dreistrophige Verbindung oder als zweistrophiger Komplex mit vorangestellter Tonweihestrophe auffassen lassen. Auch kann die Möglichkeit in Erwägung gezogen werden, dass sich sogar V,4 an den Strophenkomplex anschliessen liesse. Ob aller minne minnen kraft, der hoch gelobeten werden minne meisterschaft, der minnichlichen, vreude gebenden minne, Der s ů zen, minne berenden vrucht, die den heren geist mit siner gotes zucht al ummesloz, der minne meisterinne: Der wil ich singen minen sanc, daz erste lob in dieser nuwen wise, 74 In W o sind von V,2 nur die letzten zwei Verse erhalten. Da sie allerdings unter (leeren) Notenlinien eingetragen sind, kann davon ausgegangen werden, dass V,1 in der Handschrift ausgelassen wurde. Dies ist insofern bemerkenswert, als mit B ARTSCH , Karl: Untersuchungen zur Jenaer Liederhandschrift (1923), S. 95 angenommen werden kann, dass es sich bei W o und J vermutlich um «von einander unabhängige Abschriften derselben Vorlage» handelt. Vgl. dazu R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 243. 3.3 Sinnangebote: Zur Einhorn-Allegorie in Rumelants Strophen V,1 - 3 95 Sit gotes zorn ir minne twanc. maget Maria, die minne in hoem prise Den starken got des uberwant, daz er durch menschen minne mensche wart irkant. heil von Jesse dem vreude (vrede) 75 berenden rise! ( 1 Rum/ 5/ 1) Ein tier hat gruwelichen zorn, des alle jegere gruwet, daz ist der einhorn. man jaget in lange, in kunde neman vahen. Doch vienc in, so mir ist gesaget, ein edele, reine, luter unbew ů llen maget; do begunde ez siner m ů de vaste nahen. Her leite sich in der megede schoz unde gab sich ane wunden ir gevangen, Gewaltich, starch unde also groz, in ne kunden alle jegere nicht irlangen, Wen do er sich gevangen bot. sin vleisch wart m ů re geslagen, in stach ein jegere tot. da wart ein tiure wiltbrete ofgehangen. ( 1 Rum/ 5/ 2) Uns seit die glosa daz v ů r war: got was vil erres m ů tes wol vünf tusent jar und dannoch me, des wart vil manich tote Behalten in der helle habe. einborner gotes sune, do jagete dich her abe din vater, wan her dich v ů rlos vil note. Her jagete dich unz in den lib der s ů zen maget, so man daz einhorn jagete. Des alle megede unde alle wib getiuret sin, daz sie dich wol behagete, Die m ů ter, die dich maget gebar. man jagete dich dar nach wol dri und drizich jar unde dennoch me, also din vater sagete. ( 1 Rum/ 5/ 3) 76 75 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 480 gibt zu bedenken, dass das v hinter e als nachträglich wegrasiert aufzufassen sein könnte und statt vreude vrede zu lesen sei - eine Variante für vride, die bei Rumelant auch an anderer Stelle begegnet. «Denn nach der Prophetie bei Isaias bricht ja mit dem Reis aus der Wurzel Jesse eine Zeit des Friedens an (Is 11,2 - 9, bes. 11,6 - 8); und bei Rumelant könnte es den seit der Geburt des Gottessohnes aus Maria eingetretenen Frieden Gottes mit den Menschen nach dem Ende seines Zornes meinen [. . .].» (S. 480). Ich lasse sowohl in der mittelhochdeutschen Strophe als auch in der Übersetzung - wie K ERN - beide Möglichkeiten nebeneinander stehen. 76 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 138 - 142. Der höchsten Kraft der Liebe, | der herrlichen [und] hochgelobten Meisterschaft der Liebe, | der liebenswerten, Freude spendenden Liebe, | der süssen, liebesspendenden Frucht, | die den heiligen Geist mit seiner Leibesfrucht | ganz und gar umfing, der Meister der Liebe: | Der singe ich meinen Sang, | das erste Lob in diesem 96 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Die Kohärenz der drei Strophen wurde jeweils unterschiedlich bewertet. So fasst schon VON DER H AGEN - sowie später auch K ERN und W ACHINGER - V,1 - 3 als zusammengehörig auf, R UNOW sieht V,1 als «in sich geschlossene Einzelstrophe», 77 die allerdings auf das Thema der folgenden beiden Strophen hinleite. In diesem Sinne nehmen auch N OLTE / S CHUPP nur V,2 - 3 in ihre Anthologie auf. Und T ERVOOREN bilanziert: «Daß Str[ophe] 1 auch außerhalb des Verbandes existieren kann und existiert hat, wird nicht bestritten, zumal der Schreiber von C sie nicht kannte und nur 2 - 3 niederschrieb. Ebensowenig kann aber geleugnet werden, daß sie ein vorzügliches Proöm zu 2 - 3 abgibt.» 78 Doch welche Argumente sprechen für die Lektüre als zweibzw. dreistrophiger Komplex? Die auffälligste Begründung für eine Zusammengehörigkeit aller drei Strophen ist wohl das Signalwort zorn (Gotes zorn [V,1,9]), durch das sich eine Verbindung zwischen Gott und dem in V,2 erwähnten tier mit grûwelichen zorn (V,2,1) ausmachen lässt. Der zorn ist somit erst Attribut Gottes, in der darauffolgenden Strophe dann Attribut des Tieres, welches insofern als Allegorie neuen Ton, | denn ihre Liebe bezwang den Zorn Gottes. | Jungfrau Maria, die hoch gepriesene Liebe | brachte den starken Gott dazu, | dass er aus Liebe zu den Menschen selbst Mensch wurde. | Heil dem freudebringenden (friedebringenden) Zweig von Jesse! (Übersetzung basierend auf K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 139). An einem Punkt weicht K ERN dabei besonders von R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 103 und W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik (2010), S. 313 ab: Dv in V. 10 versteht K ERN als Schreiberfehler und ändert in diu, wodurch sich die der Versteil als Relativsatz an V. 11 anschliessen lässt (wie bei W ACHINGER , der dv zu din ändert). Eine Parenthese und die Gleichsetzung Marias mit der Minne, wie bei R UNOW , der sich für maget Marîa (du minne in hôem prîse! ) entscheidet, lässt sich so umgehen. Ein Tier hat schrecklichen Zorn, | davor graust es alle Jäger, das ist das Einhorn. | Man jagte es lange, niemand konnte es fangen. | Doch fing es - wie man mir sagt - | eine edle, reine, keusche, unbefleckte Jungfrau; | Da begann es bald müde zu werden. | Es legte sich in den Schoss der Jungfrau | und gab sich ihr ohne Wunden gefangen, | mächtig, stark und sehr gross. | Alle Jäger konnten es nicht fangen, | ausser als es [sich selbst] gefangen nehmen liess. | Sein Fleisch wurde mürbe geschlagen, ein Jäger stach es tot. | Da wurde ein kostbares Wildbret aufgehängt. (Übersetzung basierend auf R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 104). Besonders V. 5 umbew ů llen übersetze ich wie R UNOW ‹ unbefleckt › , das näher als K ERN s Vorschlag ‹ makellos › an die Bedeutung des vorhergehenden luter anschliesst. Für V. 6 bleibe ich näher am mhd. Wortlaut und übersetze nicht wie R UNOW ( ‹ Bei ihr wurde es bald müde. › ) Zur Wendung ane wunden vgl. Anm. 86. Die Auslegung sagt uns wahrhaftig: | Gott war gewiss fünftausend Jahre lang sehr zornig | und noch mehr, deshalb wurden viele Tote | im Kerker der Hölle festgehalten. | Eingeborener Sohn Gottes, da jagte dich | dein Vater hinab, | auch wenn er dich nur ungern verlor. | Er jagte dich bis in den Leib | der lieblichen Jungfrau, wie man das Einhorn jagte. | Alle Jungfrauen und alle Frauen sind dafür | gepriesen, dass sie dir gut gefiel, | die Mutter, die dich als Jungfrau gebar. | Danach jagte man dich noch dreiunddreissig Jahre | und noch länger, so wie dein Vater es bestimmt hatte. (Übersetzung basierend auf R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 105). Die Übersetzung von K ERN unterscheidet sich in V. 6 besonders von derjenigen von R UNOW (und W ACHINGER ): K ERN übersetzt wen kausal und nôte als ‹ notgedrungen › : ‹ denn er gab dich ganz notgedrungen (mit absoluter Notwendigkeit) [dem Verderben] hin. › (S. 142) R UNOW s Übersetzung von sagete mit ‹ bestimmt hatte › scheint mir ebenso plausibel wie K ERN s (und wohl auch W ACHINGER s) Übersetzung des Verses mit ‹ vorhergesagt › (K ERN ) bzw. ‹ gemäß dem Worte deines Vaters › (W ACHINGER ), die auf der Annahme beruht, die Stelle beziehe sich «auf [den] Gott in den Mund gelegten Reden im vierten sog. Ebed- Jahwe-Lied bei Isaias (52,13 - 53,12) über den leidenden und sterbenden Gottesknecht [. . .].» (K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 486). 77 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 242. 78 T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 237. Die Zusammengehörigkeit von V,2 und V,3 nimmt bereits P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893) an. 3.3 Sinnangebote: Zur Einhorn-Allegorie in Rumelants Strophen V,1 - 3 97 Gottes gelesen werden kann. Für eine Anordnung der Strophen in J nach dem Prinzip des Leitwortes zorn spricht unter Umständen auch die Strophe V,4, die in J auf V,3 folgt. Obwohl das Thema der Strophe - die Rechtfertigung panegyrischer Dichtung 79 - schwerlich mit den vorhergehenden Strophen zu vereinbaren ist, findet sich das Leitwort zorn bereits im ersten Stollen, was zumindest einen klanglichen Anschluss an die Strophen V,1 - 3 ermöglicht: Ein man, dem ere ist angeborn | und ere hat, der laz im daz nicht wesen zorn, | ob man sine ere singet unde sprichet (V,4,1 - 3). Nicht als Leitwort, sondern vielleicht als ‹ Leitkonzept › könnte auch V,3,2 dazugezogen werden, der vil erre m ů t Gottes. Die Beschreibung des Einhorns als starch in V,2,9 legt den Anklang an den starken got in V,1 nahe, zudem könnte auch die Charakterisierung als also groz (V,2,9) - entgegen beispielsweise der lateinischen Physiologus-Tradition, die das Einhorn zwar als sehr stark, aber auch als äusserst klein schildert 80 - als Hinweis auf die Grösse und Macht Gottes gelesen werden. Einzelne Leitwörter (zorn) oder Leitkonzepte (Grösse, Stärke) können auf der Ebene des Literalsinns einen - mehr oder weniger - kohärenten Strophenkomplex konstruieren. Es wird zu zeigen sein, inwiefern auch auf einer übertragenen Ebene kohärente Sinnstrukturen gebildet werden können. Vorerst ist festzustellen, dass sich die drei Strophen thematisch als zusammengehörig verstehen lassen, insofern dass jede Strophe die Inkarnation zum Gegenstand hat: V,1,4 - 6 im Lob Mariens als den heren geist umschliessend, V,2,7 f. in der Beschreibung des Einhorns, das sich in den Schoss der Jungfrau begibt und V,3,7 f. im Herabjagen des eingeborenen Gottessohnes in den Leib der s ů zen maget. 81 Die Zusammengehörigkeit von V,2 und V,3 kann kaum bestritten werden. Auch laut T ERVOOREN bedarf sie «keiner Worte [. . .], da es sich um Bispel und Ausdeutung handelt.» 82 V,3,1 benennt das Verhältnis explizit: Uns seit die glosa daz v ů rn war. Damit ist angezeigt, dass das Folgende dazu dient, einen verborgenen Sinn des Vorangehenden zu entschlüsseln. 83 Auch V,3,8 verdeutlicht den Auslegungsvorgang noch einmal, wenn das Hinabjagen des Gottessohnes in den Leib der Jungfrau analog gesetzt wird zu der in V,2 geschilderten Jagd: so man daz einhorn jagete. Zu beachten ist hier allerdings der Genuswechsel zwischen V,2 und V,3. 79 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 237. 80 Vgl. E INHORN , Jürgen W.: Spiritalis unicornis (1976). Als besonders stark wird das Einhorn auch in der ersten Strophe des dreistrophigen Meisterlieds in Boppes Hofton ( 1 Bop/ 1/ 510) geschildert. 81 Dabei handelt es sich natürlich beileibe nicht um die einzigen Strophen mit dieser Thematik im Rumelant œ uvre, vgl. beispielsweise II,11. 82 T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 237. 83 Die Passage ist hier nicht nur als Scharnier zwischen Bild und Auslegung eingesetzt, sondern könnte mit K ABLITZ , Andreas: Zwischen Rhetorik und Ontologie (2016), S. 47 auch als Markierung der «Störung[] sprachlicher Konsistenzregeln» eingesetzt sein: «[Die Allegorie] beruht, wie die Metapher auch, auf einem Verfahren, das man als anomale Prädikation bezeichnet hat. Metaphern wie Allegorien sind gekennzeichnet durch Störungen sprachlicher Konsistenzregeln. Sie operieren mit semantischen Inkompatibilitäten.» [Hervorh. im Original]. Somit verstehe ich glosa wie K ERN und R UNOW als in der Auslegung, als «in der Allegorese aufgedeckter eigentlicher Sachverhalt» (K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 483) und nicht - wie Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 94 f. mit Rückgriff auf eine Strophe Michel Beheims annimmt - als «Erzählung» oder «Geschichte». Belege für einen ähnlichen Gebrauch von glosa bietet auch die Stuttgarter Danielparaphrase, die allerdings später als Rumelants Strophe verfasst wurde (zur Datierung vgl. P RICA , Aleksandra: Das Stocken der Heilsgeschichte [2017], S. 344 f.), z. B. die Aufforderung in H ÜBNER , Arthur: Danielparaphrase (1911), V. 911 f.: Nu sult ir horchen lise | Waz uch die glose wise! Eine Markierung der textinternen Auslegung durch das Signalwort glosa findet sich auch in einer Strophe Tilos im Langen Ton Frauenlobs in der Augsburger Cantionessammlung ( 1 ZYTilo/ 6). 98 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Rumelant wählt den männlichen Artikel für das Wort einhorn in V,2,2 - dagegen in V,3,8 die sächliche Form. Auch die klangliche Nähe zum einborn ist wohl intendiert und durch die lateinische Tradition hinlänglich bekannt. 84 Ein solcher Befund spricht gegen T ERVOOREN s Diktum, es handle sich bei den Strophen um «Bispel und Auslegung», d. h. um ein Phänomen übertragener Rede, das über Abstraktionsleistungen funktioniert, und zeigt, worauf später noch vertieft eingegangen werden soll: dass bereits die Ebene der Bildbeschreibung in V,2 durchdrungen ist mit Hinweisen auf die Auslegung. Markiert Vers V,3,1 vermeintlich deutlich den Beginn derAllegorese - deutlicher als dies im Strophenkomplex IV,1 - 3 der Fall war - , sind jedoch Bild- und Darstellungsebene auch in den Strophen V,1 - 3 nicht scharf voneinander zu trennen. K ERN hat darauf hingewiesen, dass in V,3 die «bildhafte Redeweise von der Jagd teilweise noch beibehalten» wird, «jetzt aber im Sinne einer permixta apertis allegoria, d. h. durchsetzt mit Hinweisen auf das eigentlich Gemeinte, so daß sich der Sinn der Aussagen dem Rezipienten unzweideutig erschließt». 85 Die Attributsübertragung des tiuren wiltbrete (V,2,13) auf alle megede unde alle wib (V,3,10), die durch die Auswahl Marias als Gottesmutter getiuret sind, verbindet die beiden Strophen zudem miteinander. So wird auch die Jungfräulichkeit Mariens in der Aussage, dass das Einhorn sich ane wunden - ohne zu verwunden 86 - in den Schoss der Jungfrau begibt (V,2,8), erwähnt und in V,3,11 wieder aufgegriffen: Die m ů ter, die dich maget gebar. Im Unterschied zum Strophenkomplex V,1 - 3, bei dem vor allem die Auslegung der Allegorie auf die Inkarnationsthematik hin Kohärenz zwischen den Einzelstrophen stiftete, ist für den Zusammenhang zwischen V,2 und V,3 die Auslegung auf das Passionsgeschehen zentral. Die Passion Christi wird zum Ende der Strophe aufgerufen, wenn das Einhorn erst m ů re geslagen, dann durch den jegere totgestochen und schliesslich ofgehangen wird (V,2,12 f.). 87 Die Jagd der Juden auf das Einhorn wird in V,3,12 ausgedeutet - der Gottessohn wird auf Erden dreiunddreissig Jahre lang gejagt. Neben den genannten Möglichkeiten, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Strophen zu betonen oder gar herzustellen, kann Kohärenzstiftung auch über die Nennung von Gegensätzen funktionieren. Dies gilt im Besonderen für Strophenkomplexe, die über Strukturen übertragener Rede miteinander verbunden sind. 88 Um zu illustrieren, wie einzelne Bildbereiche konträr zueinander verlaufen, kann noch einmal der Strophenkomplex V,1 - 3 in den Blick genommen werden: So stehen die Bildfelder, die in V,1 und V,2 für die Beschreibung der Menschwerdung Christi eingesetzt werden, gerade an einander entgegengesetzten Polen: In V,1 umschliesst Maria den Heiligen Geist mit ihrem Leib (V,1,4 f.) - in V,2 begibt sich das Einhorn in ihren Schoss. 89 Und auch zwischen V,2 und V,3 wechseln die Zuschreibungen. In V,2 84 Vgl. Ambrosius, PL 14, 1099 A: unigenitus/ unicornus. 85 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 483. 86 Für die Übersetzung der Wendung ane wunden in V. 8 folge ich K ERN und R UNOW , nicht W ACHINGER ( ‹ gab sich ihr gefangen, ohne sie zu verletzen › ). Gemeint ist hier vermutlich das verbreitete Motiv des sich freiwillig der Jungfrau ergebenden Einhorns, vgl. E INHORN , Jürgen W.: Spiritalis unicornis (1976). 87 Das mit einer Lanze erstochene Einhorn ist häufig Gegenstand in den Illustrationen zeitgenössischer Buchmalerei, vgl. die Belege bei E INHORN , Jürgen W.: Spiritalis unicornis (1976), S. 335 - 340. 88 K ABLITZ , Andreas: Zwischen Rhetorik und Ontologie (2016), S. 46 f. hat darauf hingewiesen, dass Ähnlichkeit für sämtliche Metaphorik als tertium comparationis zwischen proprium und translatum gelte. Ähnlichkeit versteht K ABLITZ allerdings nicht als Identität, sondern gleichermassen als Gemeinsamkeit wie auch als «Unterschiedlichkeit von Eigenschaften». 89 Zudem ist zu überlegen, wie sich das - nach K ERN s Vorschlag, vgl. Anm. 75 - vrede berende ris (V,1,13) zum zornigen Tier in V,2 verhält. 3.3 Sinnangebote: Zur Einhorn-Allegorie in Rumelants Strophen V,1 - 3 99 klingt, wie bereits erwähnt, im Bild bereits die Auslegung an: Über die Trias ‹ mürbe schlagen - tot stechen - aufhängen › wird der ‹ eigentliche › allegorische Sinn der jegere als Juden, die Christus foltern und töten, allusiv aufgerufen. Doch auf die Ankündigung der glosa zu Beginn von V,3 folgt nun keineswegs dieAllegorese der Juden als Jäger, sondern es ist Gott, der die Rolle des Jägers, der den Gottessohn in den lib Marias hinabjagt, einnimmt. Erst ganz zum Ende der Strophenfolge schlägt die Jagdsituation noch einmal um: Nun sind es wieder die Juden, die den Gottessohn jagen. Diese Verbindung der beiden Jagdschilderungen macht die grundlegende Besonderheit des Strophenkomplexes aus. Die dreiunddreissig Jahre andauernde Jagd der Juden wird kombiniert mit der Vorstellung, dass Gott als himeljeger - wie es in Konrads Goldener Schmiede heisst 90 - seinen Sohn in den Schoss der Jungfrau hineintreibt. In den drei Strophen Rumelants lässt sich also eine stete Verschränkung zwischen unterschiedlichen Ebenen des Schriftsinns, zwischen literaler und übertragener Bedeutung, zwischen auf Gott bezogener und christologischer Ausdeutung beobachten. Die Zuschreibungen bleiben dabei offen, die Semantiken gleitend. Das Verständnis der Allegorie im Sinne eines rhetorischen Tropus - eins sagen, ein anderes meinen - greift damit zu kurz. Dass die Allegorie immer zumindest die Zweidimensionalität von verbaler Trope und ontologischem Muster in sich vereint, 91 spiegelt sich bereits in ihren antiken Ursprüngen im Spannungsfeld von Philosophie und Rhetorik. 92 Auch am vorliegenden Fall des Einhorn-Strophenkomplexes Rumelants von Sachsen zeigt sich, wie Bild und Auslegung kaum klar voneinander getrennt werden können, wie zudem verschiedene Auslegungsmöglichkeiten einer Allegorie nebeneinander bestehen können und wie die (literarische) 93 Allegorie über einen Anspielungsreichtum verfügt, der sich in einem blossen hoc-est-Schema nicht erschöpft. 94 Wenn nun angenommen werden kann, dass mit übertragener Rede häufig komplexe Sachverhalte prägnant erklärt werden, 95 ist man durchaus versucht zu denken, dass gerade die Sangspruchdichtung von derartigen ‹ didaktischen › Reduzierungen durchaus Gebrauch macht. Doch hat Ulrich S TECKELBERG mit seiner Analyse allegorischer Sinnbildungsverfahren in Hadamars von Laber Jagd zeigen können, dass komplexe Phänomene - im Fall von Hadamar: die Minne - nicht zwingend in einem Bild vereindeutigt werden, sondern dass ein Auffächern diverser allegorischer Aussagen durchaus zielführend sein kann, um die Komplexität eines Konzeptes angemessen zu demonstrieren. 96 90 Vgl. die Belegstellen bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 484, u. a. S CHRÖDER , Edward: Konrad von Würzburg Die Goldene Schmiede ( 2 1969), V. 254 - 281 und Frauenlobs Kreuzleich (II,10,1 - 4). 91 Vgl. H USS , Bernhard / N ELTING , David (Hgg.): Schriftsinn und Epochalität (2017), S. 11. 92 Vgl. C OPELAND , Rita / S TRUCK , Peter T.: Introduction (2010), S. 4. Nach C OPELAND / S TRUCK stellt die Eigenschaft der Allegorie, über die rhetorische Trope hinaus auch Denkform zu sein, den entscheidenden Unterschied zu anderen Formen übertragener Rede dar: «Like metaphor, metonymy, and synekdoche, allegory is a trope, but unlike these, it is also the name for what lies behind and beyond language.» (S. 10 f.). 93 Dies gilt nicht ausschliesslich für die literarische Allegorie, vgl. P FEIFFER , Jens: Enigmata (2016). 94 So kombiniert beispielsweise die Illustration, die in der Handschrift Paris, B. N. cod. fr. 24428, fol. 63 v (ca. 1265) unmittelbar vor dem rubrizierten Titel La nature de lunicorne eingefügt ist, drei Szenen des Leben Christi miteinander: links eine Jungfrau und ein Jäger, die das Einhorn fassen, in der Mitte der Engel der Verkündigung und Maria, rechts Jesus mit zwei Knechten vor einem thronenden Juden (Gerichtsszene), vgl. Anhang, Abb. 2. 95 Vgl. M ICHEL , Paul: Alieniloquium (1987), S. 63 - 65. 96 Vgl. S TECKELBERG , Ulrich: Hadamars von Laber ‹ Jagd › (1998), besonders S. 171. 100 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Nun ist der Bezugsrahmen von Rumelants Strophenkomplex V,1 - 3, die Inkarnation, zweifelsfrei als vielschichtig zu bezeichnen. Dass mit der Einhornjagd darauf referiert wird, bietet sich nur schon deshalb an, weil sowohl das Einhorn als auch die Jagd Dingbzw. Handlungsallegorien darstellen, die jeweils verschiedene Auslegebzw. Subjekt-Objekt-Ordnungen aufweisen können. Am Durchgang durch die Strophen V,2 - 3 hat sich die grosse Flexibilität in Bezug auf die Akteure und Jagdhandlungen bereits gezeigt. Verkomplizierend tritt nun hinzu, dass sich auch für das Einhorn unterschiedliche Deutungstraditionen ausmachen lassen, 97 die in Rumelants Strophen zusammenfallen. Die Komplexität der Strophen V,1 - 3 liegt im Nebeneinander der pluralen Deutungen - die Deutungen selbst sind durch die Tradition vorgeprägt und durchaus als konventionell zu verstehen. 98 Das müssen sie auch sein, denn um komplexe Allegorien zu entschlüsseln, muss der Rezipient über das notwendige «Orientierungswissen» 99 verfügen und erkennen, welche Bezugnahmen überhaupt möglich sind. Ein kurzer Vergleich mit anderen Vertretern der Einhornallegorese aus der Tradition der Sangspruch- und Meisterlieddichtung kann diese Argumentation bestärken. Neben Rumelants Œ uvre sind aus der Zeit des ausgehenden 13. Jahrhunderts allerdings nur wenige Sangspruchstrophen bekannt, die das Einhorn zum Gegenstand haben. Die Inkarnationsthematik (vgl. auch Kapitel 3.5) wird in der Sangspruchdichtung meines Wissens nur bei Rumelant mit dem Einhorn zusammengebracht, obwohl die Kombination beispielsweise in der volkssprachigen Marienlyrik, in der lateinischen Tradition oder der bildlichen Darstellung breit belegt ist. Erst später erfährt das Einhorn eine gewisse Popularität innerhalb der Meisterlieddichtung, wovon einige Strophen in k zeugen, die nicht in älteren Sammelhandschriften belegt sind. 100 Auf die Inkarnation Christi hin wird das Einhorn etwa in einem Meisterlied aus k in Regenbogens Langem Ton ausgelegt: In 1 Regb/ 4/ 525 101 wird das Einhorn, welches fünff tusent 97 Vgl. W EITBRECHT , Julia: The Biblical Unicorn (2018). 98 Zu den unterschiedlichen Auslegetraditionen vgl. umfassend E INHORN , Jürgen W.: Spiritalis unicornis (1976). Vgl. zum Begriff der ‹ Konventionalität › Anm. 59. 99 S TECKELBERG , Ulrich: Hadamars von Laber ‹ Jagd › (1998), S. 143. Dieses Orientierungswissen kann m. E. auch die Notwendigkeit des expliziten Bezeichnens allegorischer Prozesse ersetzen, die Katharina M ERTENS - F LEURY : Zeigen und Bezeichnen (2014), S. 41 als zwingend versteht. 100 Vgl. E INHORN , Jürgen W.: Spiritalis unicornis (1976), S. 195 - 199. Die gesteigerte Beliebtheit des Einhorns in der Meisterlieddichtung geht zeitlich einher mit einer gesteigerten Verbreitung der Einhornjagd im hortus conclusus in der Textilkunst der Zeit, vgl. R APP B URI , Anna / S TUCKY -S CHÜRER : Monica: Zahm und wild ( 3 1993). Mischformen zwischen Diagrammatizität und Bildhaftigkeit, die sich im Spannungsfeld von Allegorie und Literalsinn bewegen, kann M ANUWALD , Henrike: Die Einhornjagd im hortus conclusus (2014) zeigen. 101 Die ersten beiden Strophen des dreistrophigen Meisterlieds sind zit. nach: K ERN , Peter: Trinität, Maria, Inkarnation (1971), S. 258 f.: Der ho ͤ hste küng von dem gestirne | der hat ein edels wilt vor lange her geieyt | dar vff so li ͤ t er sine loss | Jn langer zit künt er es nie gefahen / | Ave die ving daz ein gehürne | daz sit noch vor nie me gefahen mocht kein meyt | Es leit sich selber in ir schoss | dorch ire kuschlich güt kam er ir nahen / | Ein jeger hat es lang geieit | fünff tusent iar ee daz es wart gefangen | daz ving Aue die reyne meyt | Es kam ir selber in ir strick gegangen | Maria hymmel keiserin | jn dir gefangen lag | zertlich versigelt in der gotheit hag | Ein adalar ein lewe wilt | die wonten stet dem eingehorne by | dem lange zit was her gezilt | die beide ving die reine meyt Mary | Da wart der wilde lew so zam | mit dem der adalar vil schalles pflag | Er beysste mit der maget sin | ving vil der vogel frü an eym cristag / / | Got vatter jn dem hochsten zesen | daz ist der wilde lewe der sich zemen liess | den son ich dem einhürn gelich | der Adalar betüt dem heiligen geiste / | Den dü enpfing in menschlich wesen | jn einem wort do dich der engel Aüe hiess | enpfing dü maget crefteclich | geist vatter son die dry in einr volleiste / | Da wart natür vereynet schon | Sie bar ein got selb dryt zü wihenachten | die selen sint 3.3 Sinnangebote: Zur Einhorn-Allegorie in Rumelants Strophen V,1 - 3 101 iar (2,12) erfolglos gejagt wurde, von Maria gefangen, indem es ihr selber in ir strick (2,14) ging. Das Analogieverhältnis von Einhorn und Christussohn ist dabei ausdrücklich benannt (den son ich dem einhürn gelich [3,3]), auch werden Gottvater mit einem wilden Löwen, der sich zähmen lässt und der Heilige Geist mit einem Adler verglichen. Zudem wird die «untrennbare Einheit des Sohnes mit den beiden anderen göttlichen Personen» 102 betont, die sich darin niederschlägt, dass Maria die drei in einr volleiste (3,8) empfing und an Weihnachten bar ein got selb dryt (3,10) gebirt. 103 Ähnliches lässt sich in einer Strophe des Mariengrusses in Konrads von Würzburg Morgenweise beobachten: Ave Marîa! bit din kint, daz reine; wande ez gar gemeine sine hantgetat hat nach ime gebildet. wir sin gar verwildet, sam diu (wilden) tier in waldez vluete; Wir sin komen gar in diu gedürne. dez himels einhürne, den des niht verdroz, er begunde gahen unde liez sich vahen bi dir, zartiu maget, durch dine guete. Lieze nu Got verderben gar, daz er geschuof seht, so wære sin erbermde kleine. nein, ez liez der reine die fogel fron | würden genommen vz des tüfels achte | die ving Aüe die reÿne meyt | vß heisser helle schranck | Der adalar sich vß dem trone swang | Er nam an sich menschliche wat | lew adalar das eingehürne fry | Al got in sinr dryfalte stat | altissimus mit sinen namen dry | da wart natür vereynet gantz | daz sagen wir sinr edeln gotheit dang | vnd lobent yn in ewikeit | der aller tugent wol ist anevang / / . Der höchste König der Sterne, | der jagte vor langer Zeit ein edles Wild. | Auf dieses zielte er seine Schüsse. | Über eine lange Zeit konnte er es nicht fangen. | Ave, die fing das Einhorn, | das vorher noch niemals eine Jungfrau fangen | konnte. | Es legte sich von selbst in ihren Schoss. | Wegen ihrer reinen Güte kam er ihr nah. | Ein Jäger jagte das Einhorn lange Zeit, | fünftausend Jahre lang, ehe es gefangen wurde. | Ave, die reine Jungfrau, fing es. | Es begab sich von selbst in ihren Strick. | Maria, Himmelskaiserin, | in dir lag | zärtlich eingeschlossen im Dorngebüsch der Gottheit ein Adler und ein wilder Löwe. | Die hielten sich stets bei dem Einhorn auf, | dem eine lange Zeit zugemessen war. | Die beiden fing die reine Jungfrau Maria. | Da wurde der wilde Löwe zahm | und machte mit dem Adler viel Lärm. | Er beizte mit seiner Jungfrau, | fing früh am Weihnachtstag viele Vögel. | Gottvater in der höchsten Herrschaft: | Das ist der wilde Löwe, der sich zähmen liess. | Den Sohn setze ich dem Einhorn gleich, | der Adler bedeutet den Heiligen Geist, | den diejenige als Mensch empfing, | in einem Wort, als dich der Engel Ave hiess, | da empfing die herrliche Jungfrau | den Heiligen Geist, Vater und Sohn in Vollendung. Da wurden die Naturen miteinander verbunden. | Sie gebar einen Sohn gleichzeitig als drei an Weihnachten. | Die Seelen sind die heiligen Vögel, | die aus der Verfolgung des Teufels befreit wurden. | Die befreite Ave, die reine Jungfrau, | aus den Fesseln der heissen Hölle. | Der Adler schwang sich aus dem Thron empor | und nahm menschliche Kleidung an sich. | Löwe, Adler und das freie Einhorn | - für all das steht Gott in seiner Dreifaltigkeit. | Der Höchste mit seinen drei Namen, | in ihm werden die Naturen gänzlich vereinigt. | Das sagen wir dem edlen Gott zum Dank | und loben ihn in Ewigkeit. | Er, der aller Tugend Anfang ist. (Übersetzung EL). 102 K ERN , Peter: Trinität, Maria, Inkarnation (1971), S. 218 f. 103 Vgl. K ERN , Peter: Trinität, Maria, Inkarnation (1971), S. 219. 102 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz einen grimmen ruof: «Heli! » was sin krîe. Krist der wandels vrîe wil uns l œ sen von der helle gluete. ( 1 Konr/ 6/ 100) 104 Auch hier begibt sich des himels einhürne (V. 7) freiwillig in den Schoss der Jungfrau Maria. Im Unterschied zu dem oben erwähnten Meisterlied in Regenbogens Ton wird hier allerdings die Analogie von eingeborenem Sohn und Einhorn nicht deutlich markiert. In einem stetigen Wechselspiel zwischen Gottvater und Christus wird zudem die Trinitätsfrage gestreift - Gott habe sine hantgetat (V. 3) nach sich selbst gebildet. Mit dem Verweis auf die Kreuzesworte (V. 14) ist die Erzählung von der Menschwerdung Gottes zum Strophenende hin beendet. Diese knappen Ausführungen zeigen bereits, wie sich spezifische Themenkomplexe an das Bildfeld des Einhorns anlagern können. Namentlich sind es Trinität, Inkarnation und Passion, die sich mit der Einhorn-Allegorese verbinden. Trotz dieses Anspielungsreichtums ist die Zuordnung in den Belegstellen klar geregelt: Das Einhorn wird nach Physiologus-Tradition gemeinhin christologisch gedeutet. Eine Ausnahme bildet allerdings eine Meisterliedstrophe in Frauenlobs Vergessenem Ton in k. 105 Der heylge geist, der was ir wol ersprossen. sie hat den vatter und den suon beslossen in eym gejegede daz beschach. da ving yn daz einhürne Sie umbe ving die zwen und barg den dritten. Sie und der suon wollent den vatter bitten sy ym sin gut in zorn gewant daz er doch nit erzürne. Daz hermel wiss gerottet wart von der vil snoden juden art ser in den tot verschetzet. sie und der suon wantten dysen großen zorn sie ist die muter sin er wart von ir geborn das ym zu muter wart genant der tüfel wart geletzet. ( 1 Frau/ 7/ 503) 106 104 HMS III, S. 342. Ave Maria! Bitte dein reines Kind, | denn es hat alle | seine Geschöpfe nach seinem Vorbild geschaffen. | Wir sind ganz und gar verwildert, | wie die wilden Tiere in der Flut des Waldes; | wir sind ganz und gar in die Dornen | des himmlischen Einhorns gekommen, | welches es nicht verdross, dass es zu laufen begann und sich von dir | liebliche Jungfrau, durch deine Güte fangen liess. | Liesse nun Gott dasjenige umkommen, das er geschaffen hat | - seht, dann wäre seine Barmherzigkeit klein. | Nein, der Reine liess einen | schrecklichen Schrei: «Heli! » war sein Ruf. | Der makellose Christ | will uns von der Glut der Hölle erlösen. (Übersetzung EL). 105 Fol. 168 r , vgl. Anhang, Abb. 3. 106 Der Heilige Geist, der war [in] ihr gut aufgegangen. | Sie hielt den Sohn umschlossen. | Das geschah in einer Jagd. | Da fing ihn das Einhorn. | Sie umfing die zwei und barg den Dritten. | Sie und der Sohn wollten den Vater bitten, | dass - sei ihm auch seine Güte in Zorn verwandelt | - er doch nicht zürnen würde. | Das weisse Hermelin wurde rot gefärbt | von der sehr erbärmlichen Natur der Juden, | es wurde bis in den Tod hinein geringgeschätzt. | Sie und der Sohn wendeten diesen grossen Zorn ab. | Sie ist seine Mutter, er wurde von ihr geboren. | Dadurch, dass sie zu seiner Mutter gewählt wurde, | wurde der Teufel besiegt. (Übersetzung EL). Für V. 11 verschetzet kennt das Schweizerische Idiotikon (Art. ‹ verschätzen › , in: Idiotikon VIII,1683 - 1685) die Bedeutungen ‹ geringschätzen › , ‹ verachten › , ‹ aufs Spiel setzen › ebenso wie ‹ verloren geben › und ‹ (das Leben) aufgeben › . Weil in diesem Verb die etymologische Verwandtschaft mit schatz noch anklingt, könnte 3.3 Sinnangebote: Zur Einhorn-Allegorie in Rumelants Strophen V,1 - 3 103 Die Strophe könnte so verstanden werden, dass Maria als Einhorn Gottvater und Sohn jagt und die beiden - zusammen mit dem Heiligen Geist (yn, V. 4) - nach der erfolgreich beendeten Jagd in sich selbst birgt. Diese irritierende Zuordnung ist allerdings ebenfalls keineswegs klar bezeichnet, dass daz einhürne (V. 4) tatsächlich Maria ist, obwohl die Schilderung aus V. 2 f., dass sie Sohn und Vater in einem gejegede beslossen habe, das implizieren könnte. 107 Und auch yn in V. 4 könnte ebenso auf den Gottessohn wie auf den Heiligen Geist verweisen, so dass weiter auch nicht eindeutig ist, wer die zwen und der dritte[] ist, wenn in V. 5 die Metapher des Umschliessens vom Strophenbeginn wieder aufgegriffen wird. Die Bezüge gehen auf vielfältige Weise durcheinander. Ob die Verwirrung auf einen Überlieferungsdefekt zurückzuführen ist, lässt sich nicht mehr nachvollziehen (auch wenn es wahrscheinlich ist), doch zeugen gerade die Zuschreibungsunsicherheiten in diesem Beispiel von der Möglichkeit, die unterschiedlichen Akteure der Einhornjagd mit unterschiedlichen Positionen des Inkarnations- und Trinitätskomplexes zu besetzen. Zum einen haben die Beobachtungen bisher dargestellt, dass in den Einzelstrophen die Allegorie bereits - im Sinne einer permixta apertis allegoria - auf Elemente der Ausdeutung verweist, weshalb die Einzelstrophe über eine gewisse Eigenständigkeit verfügt. Die Bildlogik der Einzelstrophe bleibt dabei durchaus eindeutig, wie beispielsweise ein Blick auf Rumelants Strophe V,2 zeigt: Das tier mit griuwelichem zorn wird gejagt, begibt sich dann erschöpft in den Schoss der Jungfrau und wird schliesslich von den Jägern geschlagen, aufgehängt und getötet. Erst im poetischen Verfahren der Kombination verschiedener Einzelstrophen wird der Strophenkomplex als Ganzes mehrdeutig. Kohärenzherstellung ist damit als Akt auf der Rezeptionsebene zu verstehen, der freilich nicht auf einen Mangel an Kohärenz reagiert, 108 sondern für die bereits in sich kohärent wirkende Einzelstrophe durch Kombination neue Bedeutungsebenen erschliessen kann. Im Gegensatz zu einer Strophe wie der bekannten Sangspruchstrophe des Marner, 109 die mehrere Tiere der volkssprachigen Physiologus-Tradamit auf die Matthäuspassage angespielt sein, nach der Judas Iskariot Jesus um 30 Silberlinge ‹ in den Tod verkauft › hat (Mt 26,15). (Für diesen Hinweis und für die Hilfe bei der Übersetzung danke ich Holger R UNOW ). 107 In diesem Sinn fasst es der Kommentar im RSM 3 (1986), S. 436 auf. 108 Vgl. K ABLITZ , Andreas: Kunst des Möglichen (2013), S. 243. 109 Vgl. W ILLMS , Eva: Der Marner (2008), S. 253. Als des lewen welf geborn | werdent, so sint si tot; | vil grimmeklich so ist sin zorn, | vil jæmerlich so ist sin not. | vil lute er in ir ore schrit, des werdent wider lebendig sie. | der helfant wasser hat erkorn, | dis wunder got gebot, | sin fruht wære anders gar verlorn. | der strus mit sinen o ͧ gen rot | drie tage an sinu eiger siht, des werdent us gebru ͤ tet die. | der adlar lat sin kinder in die sunnen sehen, | du des niht t ů nt - da mugt ir michel wunder spehen - , | du lat er vallen nider. | der fenix, der verbrennet sich und wirt lebende nach dem vure wider. | von liebe erkrimmet o ͧ ch der pellicanus, sinu kint, | swenne er si vint | tot - das ist niht ein wint - , | so t ů t er rehte, als er si blint, | er nimt sins herzen bl ů t und machet, daz si wider lebendig sint. | mit der bezeichenunge sin wir von der helle erlo ͤ set hie. Wenn die Jungen des Löwen geboren werden, sind sie tot; darüber ist er furchtbar zornig, jammervoll ist sein Elend. Fürchterlich brüllt er in ihre Ohren, davon werden sie wieder lebendig. Der Elefant hat sich das Wasser ausgewählt, diese Merkwürdigkeit hat Gott angeordnet, seine Jungen wären sonst verloren. Der Strauß sieht mit seinen roten Augen drei Tage lang seine Eier an, davon werden sie ausgebrütet. DerAdler lässt seine Jungen in die Sonne sehen, die das nicht aushalten - hier könnt ihr etwas höchst Merkwürdiges erfahren - , die lässt er fallen. Der Phönix verbrennt sich und wird nach dem Feuer wieder lebendig. Aus Liebe tobt auch der Pelikan; wenn er seine Kinder tot findet - das ist nichts Unwichtiges - , tut er, als ob er blind sei, nimmt sein Herzblut und macht sie wieder lebendig. Durch das, was dieses versinnbildlicht, sind wir von der Hölle erlöst. (Übersetzung W ILLMS , Eva: Der Marner [2008], S. 257). 104 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz dition 110 auf eine Bedeutung (die Erlösung des Menschen) hin allegorisch auslegt, haben die Überlegungen zu den drei Rumelantstrophen V,1 - 3 gezeigt, dass auch der umgekehrte Fall denkbar ist: Verschiedene Bedeutungen, die auf einen einzelnen Bildspender zurückzuführen sind. Eine rhetorische Definition der Allegorie als Tropus wie beispielsweise Quintilians Diktum « άλληγορία , quam inversionem interpretantur, aut aliud verbis aliud sensu ostendit, aut etiam interim contrarium» 111 kann dabei nicht vollständig beschreiben, was am literarischen Text zu beobachten ist. Wenn auch Quintilian die Allegorie hinsichtlich ihrer Verständlichkeit in tota allegoria und apertis permixta allegoria unterteilt, stellt sie doch nach einem solchen Verständnis eine inversio, eine Verkehrung von Wort und Sinn, dar. Die Zeichenbeziehungen im Strophenkomplex V,1 - 3 sind jedoch nicht als inversio zu fassen; vielmehr produzieren die Strophen Überschüsse, 112 so dass das allegorische Zeichen in Rumelants Strophen nicht «vollständig (oder in weit höherem Maße [als das Symbol]) in seiner Funktion des Verweisens auf das bezeichnete Allgemeine auf[geht]» 113 , sondern zwischen übertragener und wörtlicher Bedeutung oszilliert. Was Rumelant in V,3,1 verspricht, nämlich die glosa, den eigentlichen Sinn des Vorhergehenden zugänglich zu machen, wird dementsprechend nur bedingt eingehalten. Es werden nicht Punkt für Punkt die einzelnen Elemente in V,2 in der folgenden Strophe ausgelegt, geschweige denn ist eine Rückübersetzung von der übertragenen Ebene auf die Bildebene möglich. 114 Weiter ist zu beachten, dass die glosa, die der Gemeinschaft aus Sprecher und Rezipienten (uns) mitgeteilt wird, wahr ist. Damit klingt neben der literarischen auch die theologische und ontologische 115 Dimension der Allegorie an. Weil im religiösen Kontext die «[a]llegorische 110 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 37 - 39. 111 Quint. VIII, 6, 44; IX, 2, 92. «Die Allegorie, die man im Lateinischen als inversio (Um-, Verkehrung) bezeichnet, stellt einen Wortlaut dar, der entweder einen anderen oder gar zuweilen den entgegengesetzten Sinn hat.» (Übersetzung F REYTAG , Wibke: Art. ‹ Allegorie, Allegorese › [1992], S. 393). 112 Susanne K ÖBELE hat jüngst für Frauenlobs Kreuzleich beschrieben, wie «[d]ie Paradoxien der christlichen Hermeneutik [. . .] von Anfang an überschüssige Dynamiken von Zeichenstrukturen [generieren], die, wenn offene, ‹ implizite Kohärenzbildung › als distinktives Merkmal literarischer Texte gelten kann, gerade in literarischen Texten [. . .] ihre eigenen Spielräume haben.» (Dies.: Evidenz und Auslegung [2017], S. 159). 113 S CHOLZ , Bernhard F.: Art. ‹ Allegorie 2 › (1997), S. 41. Auch M ICHEL , Paul: Alieniloquium (1987) fasst das allegorische Verfahren als Übertragungsleistung. Kritisch gegenüber M ICHEL vgl. M ERTENS -F LEURY , Katharina: Zeigen und Bezeichnen (2014), S. 39. 114 Anders M ICHEL , Paul: Alieniloquium (1987), S. 453 f.: M ICHEL bezeichnet Rumelants Strophen als «inhaltlich - von Details abgesehen - identisch» mit der bereits erwähnten Passage aus Konrads von Würzburg Goldener Schmiede (V. 256 - 279), die ebenfalls Inkarnationsthematik mit dem Bild des Einhorns verbindet (vgl. Anm. 90). Rumelants Strophen V,2 - 3 seien allerdings schlicht als Bildteil (V,2) und Auslegung (V,3) zu verstehen, wohingegen Konrad «Bild- und Sachteil in der Weise eines Zopfs» zusammenfüge (im Sinne einer allegoria apertis permixta). Zur Bezeichnung von Rumelants Strophen als allegoria apertis permixta hingegen vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 483 (s. o.). 115 Vgl. K ABLITZ , Andreas: Zwischen Rhetorik und Ontologie (2016). K ABLITZ ’ Ausführungen, in denen er nach dem ontologischen Gehalt der Allegorie in verschiedenen Epochen fragt, unterscheiden sich in ihrem Ansatz, der die (post)strukturalistischen (zum Begriff vgl. ders.: Zwischen Rhetorik und Ontologie [2016], S. 13, Anm. 2) Überlegungen Walter B ENJAMIN s und Paul DE M AN s grundsätzlich in Frage stellt, fundamental von dem von Ulla H ASELSTEIN herausgegebenen Sammelband (dies. [Hg.]: Allegorie [2016]). Vgl. dazu auch: M ERTENS -F LEURY , Katharina: Rezension (2018). 3.3 Sinnangebote: Zur Einhorn-Allegorie in Rumelants Strophen V,1 - 3 105 Textauslegung [. . .] jedes Interpretament als Wahrheitsaussage» 116 formuliert, sind die Beziehungen zwischen Bild und Auslegung in Rumelants Strophenkomplex als durchaus stabil anzusehen: Die Jäger können ebenso die Juden bedeuten wie Gottvater - beides ist gleichermassen wahr 117 und so ist keiner der beiden allegorischen Prozesse dem anderen hierarchisch übergeordnet. Unterschiedliche (teils konträre) Deutungen bestehen demnach nebeneinander, wobei die Lektüreentscheidung des Rezipienten bestimmt, welche Deutungsalternative im Vordergrund steht. Werden also beispielsweise V,1 und V,2 gemeinsam in den Blick genommen, betont dies die Menschwerdung Gottes - V,2 und V,3 in Kombination legen den Fokus auf das Passionsgeschehen. Die Analyse der verschiedenen Nebukadnezar-Strophen hat bereits gezeigt, was die Besonderheit der poetischen Bearbeitung ausmacht: Im Gegensatz zur Passage aus dem Danielbuch, die eine einzige - durch Gott legitimierte - Auslegung vorgibt, ermöglichen die lyrischen Texten verschiedene - (real)politische, moralische, ‹ didaktische › - Deutungen. In Rumelants Strophenkomplex V,1 - 3 wird dies auf die Spitze getrieben, wenn die diversen Deutungsmöglichkeiten in unmittelbarer Strophennachbarschaft nebeneinanderstehen. Die Spezifik der Sangspruchdichtung impliziert es, dass die generell als Einzelstrophen konzipierten textuellen Einheiten sich zu grösseren Strophenkomplexen verbinden lassen. Kohärenz zwischen Bild und Auslegung wird dabei auch im Rezeptionsakt gestiftet. Die Tatsache, dass sich die Allegorie in solchen Strophen als komplexes Gefüge präsentiert, dessen Deutungsvielfalt immer nur punktuell - durch den Rezipienten - fixiert werden kann, stellt ein Kennzeichen der charakteristischen Literarizität der Gattung dar, die sich nicht zuletzt in der differenten Überlieferung 118 von Rumelants ‹ Einhornstrophen › in C, W o und J zeigt. 3.4 Rätsel und Lösung 3.4.1 Zum Rätselbegriff: Kriterien und Forschungspositionen Das gelehrte Deuten, wie es etwa in derAuslegung von Allegorien demonstriert wird, stellt ein Spezifikum der Gattung des ausgehenden 13. Jahrhunderts dar, wenn auch die Strategien nicht neu etabliert werden. 119 Die vorigen Überlegungen haben ja bereits gezeigt, welche Rolle der Allegorie und der dazugehörigen Auslegung bei der Kohärenzherstellung zwischen einzelnen Sangspruchstrophen zukommt. Eine ähnliche zweiteilige Struktur von Sinnverschlüsselung 116 K ÖBELE , Susanne: Evidenz und Auslegung (2017), S. 145. 117 Wenn auch das Göttliche, worauf referiert wird, prinzipiell unsagbar ist, vgl. dazu grundlegend O HLY , Friedrich: Vom geistigen Sinn des Wortes (1958/ 1959). 118 Wie Überlieferungsvarianz mit der Offenheit allegorischer Bezüge korreliert, kann Ulrich S TECKELBERG für Hadamars Minnerede zeigen: «Von der allegorischen Interpretation zur Veränderung der Textgestalt ist es m. E. nur ein kleiner Schritt. Es ist durchaus denkbar, daß das Streben nach möglichst vollständiger Erfassung der Inhalte nicht nur die Erweiterung mit immer neuen Canifizierungen bewirkt, sondern auch die Erweiterung des Gesamttextes in der Überlieferung mit immer neuen Zusätzen. Die Differenzierung der Bedeutungen kann mit einer Veränderung der Strophenfolge ebenso realisiert werden wie durch die verschiedenen Jagdhandlungen.» (S TECKELBERG , Ulrich: Hadamars von Laber ‹ Jagd › [1998], S. 173). 119 Vgl. H ÜBNER , Gert: Hofhochschuldozenten (2015), hier v. a. S. 77. 106 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz und -entschlüsselung zeichnet auch das Rätsel aus, 120 das vermeintlich Inkohärentes im Moment der Lösung zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt; es scheint also nur konsequent, wenn im Folgenden dessen Funktionsweisen in mehrstrophigen Komplexen im Fokus stehen. Für die Interpretation dieser Strophen, welche die Forschung gemeinhin als ‹ Rätselstrophen › klassifiziert hat, stellen sich dabei verschiedene Schwierigkeiten: 1) die Abgrenzung des Rätsel von anderen Textsorten wie der (Prüfungs-)Frage oder der Allegorie; 2) die genaue Trennung verschiedener Termini wie dem Rätsel (als Gattung oder Textsorte), dem Akt des Rätsellösens, der Verrätselung (als Strategie) sowie der rätselhaften oder ‹ dunklen › Rede und schliesslich daraus folgend 3) die Frage nach der ‹ Zweiteiligkeit › des Rätsels: Ist die Lösung ein Teil des Rätsels? Ist Lösbarkeit ein konstitutives Kriterium oder wären auch unlösbare Rätsel denkbar? 1) Der Begriff des Rätsels wird bei derArbeit mit mittelalterlichen Texten dadurch erschwert, dass sowohl die deutschen wie auch die lateinischen Ausdrücke einen breitgefächerten semantischen Umfang aufweisen. So führt L EXER für den Eintrag ratsâl, rætsel die neuhochdeutsche Übersetzung ‹ Rätsel › sowie überdies die lateinischen Entsprechungen enigma, mathesis und problema. Wie Tomas T OMASEK konstatiert, sind die Selbstbezeichnungen der Texte nur mit Vorsicht für die Analyse zu verwenden: «Die bloße Einstufung eines Textes als ratnus, retsel u. ä. besagt [. . .] im alten Deutsch wenig über dessen gattungsmäßigen Status.» 121 Auch für die Terminologie der antiken Grammatiker wird aenigma 122 nicht im Sinne einer Gattungszuschreibung verwendet, sondern als Trope, mit der «ein gattungsunabhängiges Ausdrucksmittel des ‹ uneigentlichen Sprechens › » 123 erfasst wird. Die Rhetorik fasst aenigma schliesslich als eine Unterart der Allegorie auf, «deren Aussagen in Beziehung zum gemeinten Ernstsinn besonders undurchsichtig erscheinen» 124 (allegoria obscurior). Die Unterscheidung der beiden Phänomene innerhalb der rhetorischen Tropenlehre, die mit Augustin auch in die christliche Bibelhermeneutik Eingang findet, 125 ist somit nur eine graduelle Differenzierung. Demgegenüber grenzt Isidor von Sevilla aenigma und allegoria deutlich voneinander ab: Aenigma est quaestio obscura quae difficile intellegitur, nisi aperiatur, ut est illud (Iudic. 14,4): ‹ De comedente exivit cibus, et de forte egressa est dulcedo › , significans ex ore leonis favum extractum. Inter 120 T OKARSKI , Ryszard: Das metaphorische Rätsel (1987) sieht auch zwischen Rätsel und Metapher strukturelle und semantische Gemeinsamkeiten, weil beide jeweils «eine zweiteilige Gesamtheit» (S. 135) bilden. Den Unterschied sieht er im «Grad der Offenheit ihrer Bedeutung»: «Das Rätsel übt im Grunde genommen vor allem eine identifizierende Funktion aus. Seine Hauptaufgabe ist das Erraten des Themas durch eine derartige Formulierung der Paraphrase, daß trotz ihrer beabsichtigten Komplikation das Ziel erreichbar bleibt. In der poetischen Rätselmetapher ist dieses Ziel komplizierter: Es handelt sich hier nicht nur um das Erraten des Hauptthemas, sonder auch um seine zusätzliche semantische Bestimmung [. . .].» (S. 143). 121 T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 77. 122 Das Griechische unterscheidet zudem αἴνιγμα und γρῖφος , wobei ersteres - trotz teilweise synonymer Verwendung - als allgemeinerer Begriff ein Sinnrätsel oder allegorische Verrätselung und letzteres die bewusst in die Irre führende Frage meint. Zu dieser Unterscheidung vgl. auch J OLLES , André: Einfache Formen ( 8 2006 [1930]), S. 144 f. 123 T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 73. 124 K ÖNIG , Jens: Art ‹ Aenigma › (1992), Sp. 187. 125 Dem Bibelwort Paulus (I Cor 13,12) folgend erscheint das in der Heiligen Schrift Vermittelte dem Exegeten in aenigmate nubium et per speculum caeli (Augustinus, conf. 13,18). 3.4 Rätsel und Lösung 107 allegoriam autem et aenigma hoc interest, quod allegoriae vis gemina est et sub alias res aliud figuraliter indicat; aenigma vero sensus tantum obscurus est et per quasdam imagines adumbratus. 126 In seinem 37. Kapitel über die Tropen versteht Isidor aenigma als quaestio, d. h. als eigenen Sprechakt, wohingegen er allegoria als übertragene Rede (alieniloquium 127 ) ohne eigene illokutive Rolle fasst. 128 Zudem scheint das Rätsel (und die dazugehörige Lösung) in seiner Dialogizität durchaus mit dem Paar Frage/ Antwort verwandt, gerade weil Rätsel häufig eine Frageform einnehmen können. 129 Burghart W ACHINGER grenzt die Frage als «literarische Kleinform» zwar entschieden vom Rätsel ab, beschreibt die Differenz allerdings nicht generell, sondern unterscheidet die beiden fallabhängig über eine Reihe von Zwischentypen voneinander - als Wissensfragen, Hadrian-Secundus-Fragen, Neckfragen, Fragen, die den «Inbegriff einer Eigenschaft» übertreffen. 130 Trotz der schwierigen Differenzierung scheint es mir dennoch lohnend, die Spezifik des Rätsels zu beschreiben und nicht - wieTobias B ULANG es für einzelne Boppe-Sprüche erprobt hat - von einem allgemeinen Gestus «änigmatischer Rede» auszugehen. 131 2) Die Schwierigkeit der Bestimmung des Rätselbegriffs liegt ferner darin, dass er sich durch eine spezifische Kombination von Merkmalen auszeichnet, diese Merkmale aber gleichzeitig nicht auf das Rätsel beschränkt sind. Des Weiteren fällt es schwer, das Rätsel als Gattung zu definieren (so der Versuch von T OMASEK ), versammelt sich unter dem Begriff doch so Unterschiedliches wie das biblische Simson-Rätsel (Idc 14,14 - 19), die Strophen des Sängerkrieges der Wartburgkriegtexte, moderne Kreuzworträtsel oder Drudel. Dementsprechend gilt es auch die Historizität der Rätsel zu beachten und zu überlegen, inwieweit die Gattungserwartungen im Laufe der Zeit variieren. T OMASEK berücksichtigt diese Überlegungen und versucht, eine Definition des Rätsels über die Opposition von geregelter Prüfungsfrage und Verschlüsselung zu konstruieren: Das Rätsel ist eine Textsorte, die einen Begriff [. . .], als Text verschlüsselt, zum Inhalt hat. Seiner Textfunktion (Illokution) nach stellt es eine Prüfungsfrage dar. Als «Verschlüsselung» gilt jede Form der Merkmalsangabe und Frageeinleitung, die den Anforderungen geregelter Prüfungsfragen zu- 126 Isid. Etym. I,37,26. Aenigma (Rätsel) ist eine unklare Frage, die schwer zu begreifen ist, wenn sie nicht erklärt wird, wie z. B. dieses [. . .]: Von dem Fresser ging Speise aus und von dem Starken Süßigkeit. Dies bedeutet, dass aus dem Rachen des Löwen Honig tropfte. Zwischen derAllegorie aber und dem Aenigma besteht der Unterschied, dass die Kraft der Allegorie doppelt ist und unter den [beim Namen genannten] Dingen etwas anderes bildlich anzeigt; beim Aenigma aber ist der Sinn ganz dunkel und durch mehrere Bilder überschattet. (Übersetzung M ÖLLER , Lenelotte: Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla [2008], S. 73). 127 Isid. Etym. I,37,22. 128 Vgl. T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 78 f. 129 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Rätsel, Frage und Allegorie im Mittelalter (1969). Kritisch dazu T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 83 - 86. 130 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Rätsel, Frage und Allegorie im Mittelalter (1969), S. 147. 131 Vgl. B ULANG , Tobias: Geltungspotentiale änigmatischen Sprechens (2005), S. 44: B ULANG beschreibt «änigmatische Rede» als «eine Art und Weise chiffrierten Sprechens, die auch gekennzeichnet ist dadurch, daß sie vor dem Hintergrund eines Wissensgefälles zur Anwendung kommt und dieses Gefälle bearbeitet», meint damit aber nicht allein das Rätsel als literarische Gattung, sondern vielmehr einen spezifischen Redegestus. 108 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz widerläuft. Das Rätsel ist eine u n g e r e g e l t e P r ü f u n g s f r a g e , indem es in mindestens einem Falle die Bedingungen geregelter Prüfungsfragen durchbricht. 132 T OMASEK s Definition - wenn sie auch durch den Fokus auf die Verschlüsselung eines Begriffs ‹ als Text › z. B. die oben erwähnten Bilderrätsel nicht berücksichtigt - umschifft doch einige Klippen, die sich im Begriffsverständnis anderer Rätseldefinitionen gestellt haben. Er betont somit die ‹ Rahmung › des Rätsels, 133 die das Rätsel erst als solches kennzeichnet, und grenzt sich von Überlegungen wie denjenigen Burghart W ACHINGER s ab, der auf der Basis von Isidors Diktum die Unterscheidung verschiedener Gattungstypen im Spannungsfeld zwischen Allegorie und Rätsel aufzeigt. 134 So spielen bei T OMASEK auch Kriterien der einfachen und naheliegenden gegenüber der «komplizierte[n] und absonderliche[n]» 135 Lösung zur Klassifikation der Rätsel keine Rolle. T OMASEK betont zudem, dass die meisten Verschlüsselungsmittel, die in Rätseln angewendet werden, durchaus nicht ausschliesslich rätselspezifisch genutzt werden. Daher macht er keine unterschiedlichen Modi des Verschlüsselungsvorgangs aus, wie dies W ACHINGER tut, der den auf Aristoteles zurückgehenden metaphorischen Charakter des Rätsels betont und eine Kategorie der Rätsel, die - zwischen Rätseln, die den Verschlüsselungsvorgang durch den Einsatz uneigentlicher Rede bewerkstelligen, einführt. 136 Nicht zuletzt spart er den Aspekt der Lösbarkeit aus, den beispielsweise Alfred S CHÖNFELDT in seiner Definition des Rätsels als «dialogische Kommunikationsform» stark gemacht hatte und auf den unter Punkt 3 noch zurückzukommen ist. 137 132 T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 53 [Hervorh. im Original]. 133 P ETSCH , Robert: Kenntnis des Volksrätsels (1899) unterteilt das «Normalrätsel» in 1) einführendes Rahmenelement, 2) benennendes Kernelement, 3) beschreibendes Kernelement, 4) hemmendes Element, 5) abschliessendes Rahmenelement und definiert das Rahmenelement folgendermassen: «Darunter verstehen wir Sätze und Formeln, die am Anfang und Ende der Rätsel stehen, um unser Interesse für sie zu erregen, unsere Spannung zu erhöhen, die dem Ratenden die Schwierigkeit deutlich vor Augen führen, und in der sicheren Erwartung, dass er die Lösung doch nicht finden werde, gewagte Versprechungen von hohen Belohnungen nicht scheuen, die bisweilen noch an die gute alte Zeit der ernsthaften Rätselwettkämpfe erinnern.» (S. 49). 134 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Rätsel, Frage und Allegorie im Mittelalter (1969). Dieser Unterscheidung folgt auch L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998). 135 W ACHINGER , Burghart: Rätsel, Frage und Allegorie im Mittelalter (1969), S. 142. Für W ACHINGER stellt die einfache Lösung das grundlegende Kriterium für die Definition des «Rätsels des Grundtyps» dar. 136 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Rätsel, Frage und Allegorie im Mittelalter (1969), S. 140. T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 33 - 39 hat einerseits darauf hingewiesen, dass «Aristoteles den Begriff ‹ Metaphora › in einem weiten, auch andere Formen analogen Bezeichnens (wie Metonymie und Synekdoche) einschließenden Sinn verwendet» (S. 34). Andererseits verweist er auf die Schwierigkeit, moderne Metapherntheorien auf die Struktur des Rätsels zu übertragen. Nur wenn man im Sinne der Substitutionstheorie «die Metaphernbildung als eine immutatio auffaßt, wäre die Bezeichnung ‹ metaphorisch › für den [. . .] Verschlüsselungsmodus gerechtfertigt.» (S. 35). Eine «(weitgehend) zeitgleiche sinnstiftende Interrelation von Bildspender- und Bildempfängerebene» (S. 35), wie sie die Interaktionstheorie für die dynamischen Zeichenbeziehungen der Metapher beschreibt, sei nach T OMASEK nicht mit dem Rätsel vereinbar. 137 S CHÖNFELDT versteht das Rätsel als dialogische Kommunikationsform, deren primärer Zweck es ist «einen Begriff oder ein Wort als Text so zu verschlüsseln, daß einem anderen die Entschlüsselung möglich ist; notwendig ist die Bestätigung, daß die Entschlüsselung gelungen sei.» (S CHÖNFELDT , Alfred: Zur Analyse des Rätsels [1978], S. 70.) Lösbarkeit als Kriterium der Rätseldefinition veranschlagen auch zahlreiche Vertreter der älteren Rätselforschung, vgl. die Belege bei T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 12, Anm. 32. 3.4 Rätsel und Lösung 109 Zudem ist der Akt des Rätsellösens «als ein[] dialogische[s] parole-Phänomen» 138 auf einer analytischen Ebene klar vom Rätsel als Textsorte zu trennen. Rätsellösen und Verrätselung fasse ich daher als Teile eines Begriffspaars, die jeweils gegenläufige Prozesse bezeichnen. Verrätselung - oder Verschlüsselung - bezeichnet das Verfahren, einen ‹ eigentlichen › Textsinn zu verdunkeln und in diesem Prozess gleichzeitig einen neuen Sinn zu erzeugen. 139 Wie in T OMASEK s Rätseldefinition bereits erwähnt wurde, muss der Text über einen Marker verfügen, der anzeigt, dass eine weitereTextebene zu entschlüsseln ist. Im konkreten Einzelfall scheint die Grenze zwischen dem Akt des Rätsellösens und der Gattung Rätsel nicht immer trennscharf zu verlaufen. Wie sind beispielsweise die beiden Antwortstrophen Rumelants (XI,1 - 2) auf die Rätselstrophen Singûfs (I,3 - 4) einzuordnen? Zählen sie zum Akt des Rätsellösens, zur Lösung oder zum Rätsel als Ganzes, wenn durch Rumelants Verwendung von Singûfs Ton eine Zusammengehörigkeit der vier Strophen angezeigt wird? Schliesslich ist zu bedenken, dass nicht alles, was nicht auf Anhieb verstanden wird, als Rätsel klassifiziert werden kann. Die Nähe des Rätsels zum rhetorischen Stilideal der obscuritas, die sich - ausgehend von der klassischen Rhetorik - «auf dem schmalen Grat zwischen vitium und virtus dicendi» 140 bewegt, schlägt sich nicht nur in Donats Definition aenigma est obscura sententia per occultam similitudinem rerum nieder. Doch wie ist im konkreten Fall der Textanalyse zu entscheiden, ob es sich um kalkuliert eingesetzte dunkle Rede handelt, deren Sinn zwar erschlossen, aber nie von alternativen Lösungen unterschieden werden kann, 141 oder um ein Rätsel, bei dem die Lösung sich als richtig oder falsch darstellen kann? 3) Bereits André J OLLES konstatierte, dass Lösbarkeit ein zwingendes Kriterium zur Definition des Rätsels darstelle: «[E]in unlösbares Rätsel ist eben kein Rätsel.» 142 Diese Prämisse hat der Grossteil der Rätselforschung angenommen, 143 wobei noch zu zeigen sein wird, dass J OLLES ’ Diktum - wie oft übersehen wird 144 - für sich nur eingeschränkte Gültigkeit beansprucht. 145 Jedenfalls hat die Forschung die Zweiteiligkeit der Konstruktion (Rätsel - Lösung) kaum in Frage gestellt, so dass Alfred S CHÖNFELDT die Lösbarkeit schliesslich als Bedingung für das Rätsel als dialogische Kommunikationsform bestimmt, durch die es möglich sei, das Rätsel vom blossen «Scheinrätsel» abzugrenzen. 146 Wenn auch die Lösbarkeit für die mittelalterliche Rätselterminologie keine Rolle spielt, 147 hält die moderne Rätselforschung fest, dass «es im Sinne einer Aufrichtigkeitsbedingung unerläßlich [sei], stets davon ausgehen zu können, daß 138 T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 54. 139 Vgl. T RÎNCA , Beatrice: Einleitung (2016), S. 8. 140 B RANDT , Rüdiger / F RÖHLICH , Jürgen / S EIDEL , Kurt Otto / W ALDE , Christine: Art. ‹ Obscuritas › (2003), Sp. 365. 141 Vgl. B RANDT , Rüdiger / F RÖHLICH , Jürgen / S EIDEL , Kurt Otto / W ALDE , Christine: Art. ‹ Obscuritas › (2003), Sp. 358. 142 J OLLES , André: Einfache Formen ( 8 2006 [1930]), S. 129. 143 Vgl. neben J OLLES u. a. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 248; T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 28; S CHÖNFELDT , Alfred: Zur Analyse des Rätsels (1978), S. 66; W ACHINGER , Burghart: Rätsel, Frage und Allegorie im Mittelalter (1969), S. 137. 144 Auch L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 248 verweist nur auf den letzten Teil des J OLLES -Zitats, wenn er schreibt, dass «von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen - davon auszugehen [ist], daß eine Lösung grundsätzlich findbar ist (oder war). Strukturen, in denen unlösbare Rätsel den Leser vor nur scheinbar lösbare Aufgaben stellen, sind das bevorzugte Baumuster erst der Postmoderne.» 145 Für diesen Hinweis danke ich Christine S TRIDDE . 146 Vgl. S CHÖNFELDT , Alfred: Zur Analyse des Rätsels, (1978), S. 67. Die «Scheinrätsel» unterscheiden sich laut S CHÖNFELDT formal nicht von den Rätseln, so können sie auch Rateaufforderungen enthalten. 147 Vgl. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 248. 110 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz der vorgelegte Text tatsächlich über eine Lösung verfügt.» 148 Doch in der konkreten Textbeobachtung zeigt sich rasch, dass das Kriterium der Lösbarkeit keineswegs unproblematisch ist. Gerade für vormoderne Texte kann ein Rätsel aus vielerlei Gründen unlösbar scheinen oder tatsächlich unlösbar sein: Textverderbnis kann dazu führen, dass die Merkmale des ursprünglichen Rätsels nicht mehr zu entziffern sind, die historische Alterität mittelalterlicher Texte bedingt, dass mittelalterlicher Rätselsteller und moderner Rätsellöser über einen unterschiedlichen Wissenshorizont verfügen und Texte nicht verstanden werden können. Schliesslich spielen auch Gattungstraditionen wie die agonale Struktur der Sängerstreits eine Rolle, bei denen die Unlösbarkeit der Rätsel notwendig ist, um die Überlegenheit des Sängers auszustellen etc. 149 Selbst wenn mit S CHÖNFELDT die Einschränkung formuliert wird, dass Lösbarkeit immer nur innerhalb eines bestimmten Kommunikationszusammenhanges gelte, 150 stellt sich doch die Frage, wie rückblickend zu unterscheiden ist, ob ein Rätsel um 1300 mit einer Lösung konzipiert wurde, die aber nur der Rätselsteller kennt, oder ob es schon immer unlösbar war. Ist die Tatsache, dass ein moderner Leser die Strophen im Rätselstreit des Wartburgkriegs nicht versteht, Ergebnis eines zufälligen Verlusts von zum Verständnis notwendigen Wissen oder im Gegenteil Ergebnis kalkulierter Verrätselung? Zudem ist zu bedenken, dass ein stark betonter Aspekt der Lösbarkeit der Rätseldefinition eine gewisse ‹ Einspurigkeit › verschafft: Er impliziert eine Übertragung der Rätselmerkmale auf die Lösung, die eins zu eins funktionieren soll. Mit der Lösung sind sämtliche Fragen des Rätselstellers abschliessend geklärt, der Kommunikationsakt ist beendet. Die Frage, ob nicht auch die Lösung selbst wiederum neue Leerstellen produzieren könnte, die dann in einem weiteren Entschlüsselungsvorgang gefüllt werden müssten, blendet eine solche Rätseldefinition aus. Kann darüber hinaus nicht auch bewusst eingesetzte Unlösbarkeit, die nicht nur beispielsweise als Strategie im Sängerstreit dient, eine (inhaltliche) Unverständlichkeit produzieren, die den Blick auf andere Besonderheiten des Textes lenkt? 151 Für die Analyse vormoderner Rätsel scheint es mir deshalb sinnvoll, das Kriterium der Lösbarkeit zu modifizieren und zu diesem Zweck auf das eingangs erwähnte Zitat von André J OLLES zurückzukommen: «[E]in unlösbares Rätsel ist eben kein Rätsel.» 152 Es gilt allerdings die Einschränkung, die J OLLES im Anschluss formuliert, ebenfalls in die Überlegungen zum Rätsel miteinzubeziehen. Lösbarkeit meint für J OLLES nicht die tatsächliche Möglichkeit, eine Lösung zu finden, sondern vielmehr eine Illusion der Rätsellösung: Ein Rätsel kann so gestellt sein, daß es dem Ratenden unmöglich ist zu raten, ja die richtige Lösung eines Rätsels kann verloren gegangen sein - und dennoch hat der Ratende das Bewußtsein, daß es jemanden 148 T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 28. 149 Vgl. auch L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 248 f., der neben den Möglichkeiten einer verlorenen Rätsellösung (durch Code-Verlust) und der Rolle der Lösbarkeit für die Beurteilung des Realitätscharakters einer Ratesituation (etwa im Sängerstreit) auch den Spielcharakter des Rätsels - als «game of power» im Sinne F OUCAULT s - betont. Rätselsteller und -löser befinden sich in einer ungleichen hierarchischen Situation: «Der Fragende, im Besitz des Zugangs, übt Kontrolle aus; der Ratende, der den passenden Schlüssel findet, hat die Initiation hinter sich gebracht und darf sich einer ‹ In-Group › zugehörig fühlen.» (S. 249). 150 Vgl. S CHÖNFELDT , Alfred: Zur Analyse des Rätsels (1978), S. 67. 151 Vgl. S TRIDDE , Christine: Das hingewürfelte Wort (2012), S. 290. 152 J OLLES , André: Einfache Formen ( 8 2006 [1930]), S. 129. 3.4 Rätsel und Lösung 111 gibt oder gegeben haben muß, der die Lösung kennt oder gekannt hat - ein unlösbares Rätsel ist eben kein Rätsel. 153 Somit scheint mir Lösbarkeit - entgegen den Überlegungen der Sprachwissenschaft - für das Rätsel nicht zwingend ein konstitutives Kriterium, wohl aber der Anschein der Lösbarkeit, der den Rezipienten des Textes dazu bringt, eine Lösung finden zu wollen. Diese Überlegungen dienen nun keineswegs dazu, eine abschliessende Rätseldefinition zu formulieren. Vielmehr soll im Folgenden versucht werden, sich ex negativo dem Rätselbegriff zu nähern: Inwiefern lässt es sich von einem Rätsel sprechen, wenn in Sangsprüchen biblische Rätsel wiedergegeben werden (vgl. Kapitel 3.4.2)? Sind Texte, die ihre Deutungsbedürftigkeit explizit kennzeichnen (z. B. über Rateaufforderungen) automatisch als Rätsel zu werten bzw. als Rätsel funktionalisierbar (vgl. Kapitel 3.4.3)? Lässt sich Rätselhaftes von Unverständlichem trennen (vgl. Kapitel 3.4.4)? Wie ist der Kontext des agonalen Gestus, des sich stets überbieten wollenden meisterschaft-Diskurses, in dem die Rätsel meist anzutreffen sind, zu werten (vgl. Kapitel 3.4.5)? 154 Fallabhängig ist zu erörtern, wie sich die Zeichenrelationen von anderen Phänomenen übertragener Rede, die sich ebenfalls vergleichender Strukturen bedienen, unterscheiden. Wo sie als Text überliefert sind, werden die Lösungen der Rätsel in die Analyse miteinbezogen, sie stellen aber keinen konstitutiven Teil des Rätsels dar. 3.4.2 Das Rätsel in der Sangspruchdichtung: Dn 5 in Sigehers Strophe VI,3 Als Beispiel, das die Rolle der Allegorie für die Generierung strophenübergreifender Kohärenz im vorherigen Kapitel illustriert, gelten die diversen Sangspruchstrophen, die Nebukadnezars Traum nach Dn 2 zum Gegenstand haben. 155 Die einzelnen Bestandteile der Statue, die der babylonische König im Traum gesehen hatte, wurden - nach dem hoc-significat-Muster - ausgelegt: Das Eine stand dabei klar bezeichnet für ein Anderes. Doch auch im übrigen Danielbuch wird die Rolle Daniels als Deuter einer verschlüsselt dargestellten Wahrheit, die er durch Gottes Hilfe aufzudecken vermag, mehrmals zum Thema. Dies ist beispielsweise der Fall in Dn 5. Bei einer Festgesellschaft Belsazars, Nebukadnezars Sohn, erscheint unvermittelt eine Hand, welche die Worte men ē’ , men ē’ , teqel ufarsin an die Wand schreibt. Der rasch herbeigeholte Daniel vermag als Einziger die Schrift zu deuten und legt dem König die Schrift auf den Untergang des babylonischen Reiches und die Übernahme der Macht durch die Meder und Perser hin aus. Im Unterschied zu Nebukadnezars Statue, die allegorisch verstanden werden kann (vgl. Kapitel 3.2), zeigt die Schrift an der Wand von Belsazars Festsaal vielmehr Züge eines Rätsels. Dies liegt an drei Besonderheiten, nach denen der Text gestaltet ist: Zum Ersten beinhaltet die Erzählung durch das wundersame Erscheinen der Schrift auch eine implizite Deutungswenn nicht Rateaufforderung. Das Auszulegende unterscheidet sich dadurch freilich noch nicht von Allegorien wie z. B. der Nebukadnezar-Statue. Doch weist die augenfällige Reaktion des Königs (Dn 5,6) und die betonte Unfähigkeit der herbeigerufenen 153 J OLLES , André: Einfache Formen ( 8 2006 [1930]), S. 129. 154 Vgl. auch W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 171: «In gewisser Hinsicht stellt freilich jedes Rätsel eine Herausforderung dar, einfach dadurch, daß es geraten werden will.» 155 Vgl. für weitere Daniel-Stellen in der Sangspruchdichtung die Belege in RSM 16 (1996), S. 293 f. 112 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Astrologen und Wahrsager, die Schrift zu verstehen (Dn 5,8 und 5,15), darauf hin, dass es sich bei dem Geschilderten um mehr als blosse Schrift handeln könnte. Die zweimal hervorgehobene Ratlosigkeit der babylonischen Gelehrten gegenüber der Schrift an der Wand verweist zudem auf das oben erwähnte Merkmal, das S CHÖNFELDT für das Rätsel herausgearbeitet hat: die Möglichkeit, ein Rätsel nur innerhalb eines gewissen Kommunikationszusammenhangs lösen zu können. Im Fall von Dn 5 stehen Gott und Daniel in einer ‹ Kommunikationsgemeinschaft › , die übrigen Gelehrten sind davon ausgeschlossen. 156 Die beiden genannten Punkte mögen in der einen oder anderen Form auch für andere Phänomene übertragenen Sprechens gelten. Nicht so das letzte Merkmal, welches das Menetekel als Rätsel klassifiziert: die überaus deutliche Unterscheidung zwischen dem Lesen der Inschrift und ihrer Deutung. 157 Der Wortlaut der Schrift präsentiert sich - wie die Forschung mittlerweile herausgearbeitet hat - als eine Reihe unvokalisierter Substantive, die wohl eine Münzliste darstellen. 158 Als solche können sie keinen unmittelbaren Sinn herstellen, erst die Deutung, in der als Wortspiel die einzelnen Bestandteile der Schrift auf die Herrschaft Belsazars übertragen werden, kann das erreichen. Im Gegensatz zu den Beispielen im vorherigen Kapitel können hier also nicht zwei Sinnebenen nebeneinander bestehen. Anders als Nebukadnezars Traumbild hat diese Deutung in der Sangspruchdichtung keinen grossen Niederschlag gefunden. 159 Das RSM führt unter dem Stichwort ‹ Menetekel › zwar einige Meisterlieder aus dem 15. und 16. Jahrhundert ( 2 Morg/ 1; 2 S/ 1153; 2 Spr/ 32; 2 Stch/ 17) sowie die Strophen zwei und drei des lateinisch-deutschen Strophenkomplexes in Frauenlobs Goldenem Ton ( 1 Frau/ 9/ 525) in k 160 - zu ergänzen wären zudem die Strophen zwei und drei eines Meisterliederbars in Regenbogens Briefweise ( 1 Regb/ 1/ 540), ebenfalls in k. Doch die Sangspruchdichtung überliefert das Motiv nur in einer Strophe Sigehers. Ein aventiure wart gesant ze Babilone, diu da wunder stalte; da schreip von golde ein schriftkunstik hant an die want, diu des küniges leben verzalte; Die hochgezit wart unbehagen, doch was ein meister, der diu urteil malte, er wolte unrehter hochvart niht vertragen, ze tode erslagen wart der wirt; daz schuof der alte, Der Got ie hiez und iemer eweklichen rihtet mit gewalte; er verstiez 156 Zur Diskussion des Unvermögens der babylonischen Gelehrten, die Schrift zu lösen vgl. B OYARIN , Daniel / Z EIDNER , Moshe: Art. ‹ Mene, Mene, Tekel, U-Farsin › ( 2 2007), S. 45 f. 157 Vgl. E ISSFELDT , Otto: Die Menetekel-Inschrift (1951), S. 105 - 114, hier bes. S. 108. 158 Vgl. die Belege bei S CHLENKE , Barbara: Gottes Reich und Königs Macht (2013), S. 102, Anm. 137. 159 Das könnte auch daran liegen, dass der Danielkommentar des Hieronymus, der gerade für das Mittelalter einen der zentralen Kommentare des Bibeltextes darstellt, einen Fokus auf das eschatologische Thema legt und u. a. Dn 2 in diesem Sinne umfassend kommentiert, vgl. C OURTRAY , Régis: Der Danielkommentar des Hieronymus (2007), S. 132. 160 Vgl. RSM 15 (2002), S. 411. 3.4 Rätsel und Lösung 113 Baldazar: er kan noch lezzen, reht als er in valte. er was niht wis, der sin gelükke niht an in liez: des geniez geliche ich dem, der nach verluste snalte. ( 1 Sigeh/ 6/ 3) 161 Die Strophe des oberdeutschen Sangspruchdichters befindet sich - wie das Œ uvre Rumelants - gegen Ende der Handschrift C. 162 Die vermutliche Entstehungszeit des Textes ist hingegen etwas früher als Rumelants Strophen anzusetzen: Jens H AUSTEIN geht von einer Datierung auf das dritte Viertel des 13. Jahrhunderts aus. 163 Sigeher charakterisiert das Geschehen in Babylon als aventiure (V. 1) und als wunder (V. 2). Doch das eigentliche wunder, die Schrift, wird nicht erwähnt, ebenso fehlt die Nennung Daniels als derjenige, der die Zeichen zu entschlüsseln vermag. Was die schriftkunstik hant (V. 3) an die Wand schreibt, ist nicht mehr bloss Schrift, sondern bereits die Deutung. Beide fallen in der Wendung des meisters, der diu urteil malte 164 (V. 7) in eins. Neben einer (impliziten) Rateaufforderung fehlt der Strophe Sigehers zum Rätsel v. a. die konkrete Nennung von Zeichen, die entschlüsselt werden können. Im Unterschied zu anderen Sangspruchstrophen, die zwar als Rätsel verstanden werden können, die jedoch - wie noch zu zeigen sein wird - über keine Lösung verfügen, wird in dieser Strophe das eigentliche Rätsel ausgespart und direkt auf die Lösung sowie auf die daraus resultierenden Konsequenzen für die Königsherrschaft Belsazars eingegangen. Nach den eingangs angestellten Überlegungen ist Sigehers Strophe also kein Rätsel, auch wenn sie mit der Beschreibung der Schrift an Belsazars Wand ein Rätsel zum Gegenstand hat. Die Rateaufforderung gilt jedoch - wie auch im Bibeltext - nur Daniel und den Wahrsagern (die allerdings scheitern). In der Sigeher-Strophe wird Daniel selbst nicht erwähnt, sein Akt des Rätsellösens ist bereits vollzogen; nur auf einer intradiegetischen Ebene lässt sich überhaupt von einem Rätsel sprechen. Die Rezipienten der Strophe befinden sich also nicht in der Rolle der Rätsellöser, denn das Programm der Strophe ist ein anderes. Der Sangspruch lässt sich nicht als Rätsel funktionalisieren, Das Sänger-Ich ist hier nicht als rätselstellender meister zu verstehen, mit dessen wîsheit sich die Rezipienten der Strophe messen sollen, sondern als moralische Instanz. Die beiden letzten Verse machen deutlich, worauf es in Sigehers Sangspruch ankommt. Das Sänger-Ich ebenso wie alle anderen Sünder können eine Lehre aus dem Geschilderten ziehen - allerdings nicht aus dem Rätsel der Schrift, sondern vielmehr aus den Konsequenzen, unter denen Belsazar leiden musste. 165 161 HMS II, S. 363. Eine wunderbare Begebenheit wurde | nach Babylon geschickt, die [wie] ein Wunder geschaffen war. | Da schrieb [wörtl. Präs.] - von Gott herkommend - eine schreibkundige Hand | [eine Nachricht] an die Wand, | die das Leben des Königs verdammte. | Der Festgesellschaft wurde es unbehaglich, | doch war es ein Meister, der das Urteil malte, | er wollte sich übermässigen Hochmut nicht gefallen lassen - | zu Tode geschlagen | wurde der Gastgeber. Das bewirkte der Alte, | der immer schon «Gott» hiess | und der ewig mit Gewalt richtet. | Er enterbte | Belsazar: Er konnte [wörtl. Präs.] [ihn] noch verletzen, gerade als er ihn zu Boden warf. | Er war nicht weise, er, der sein Geschick nicht ihm [= Gott] überliess. | Ich ziehe genauso Nutzen daraus | wie jeder andere, der zum Verderben hineilt. (Übersetzung EL). 162 Die Strophen Rumelants befinden sich in C auf fol. 413 v - 415 r , Sigehers Strophen auf fol. 410 r - 411 v . 163 Vgl. H AUSTEIN , Jens: Art. ‹ Meister Sigeher › ( 2 1992), Sp. 1233. 164 Anstatt urteil sprechen/ machen, vgl. Art. ‹ sprechen › , in: L EXER II, Sp. 2014 f. 165 B RODT , Heinrich Peter: Meister Sigeher (1977), S. 63 versteht die Strophe als Vergleich, dem die Deutung fehlt und sieht mit der Erzählung von Belsazar König Ottokar II. angespielt. Dazu auch die Datierung der Strophe, deren Begründung ich nicht folgen kann: «Spruch 16 bringt zwar keinerlei deutliche Anspie- 114 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz 3.4.3 Rateaufforderungen als Rätselkriterium: Rumelant IV,11 Die Überlegungen zur Sigeher-Strophe legen den Schluss nahe, rezipientenorientierte Signale wie Rateaufforderungen seien ein konstitutives Kriterium des Rätsels. 166 Seit P ETSCH s Einteilung der Grundstruktur des Rätsels spricht die Forschung von Rahmenelementen, die «Aufforderungen zum Raten [enthalten] und [. . .] Belohnungen für das erfolgreiche Lösen» 167 in Aussicht stellen. Freimut L ÖSER hat für die Sangspruchdichtung Formulierungen zusammengetragen, die «vergleichbare Rahmenelemente» 168 darstellen und diese nach sechs Typen klassifiziert. Dabei zeichnen sich die meisten der Typen von Rateaufforderungen nach L ÖSER dadurch aus, dass sie mehr oder weniger explizit an die Gemeinschaft der meister gerichtet sind und dazu dienen sollen, dass die Rezipienten als Reaktion auf Drohungen und Herausforderungen, aber auch durch bestärkendes Lob ihre weisheit, meisterschaft oder kunst unter Beweis stellen. 169 Einzig Rateaufforderungen des Typs 1 wenden sich an die Allgemeinheit. Jedoch scheint es mir nicht unproblematisch, Rateaufforderungen, wie L ÖSER sie so genau kategorisiert, trennscharf von anderen ‹ Deutungsaufforderungen › abzugrenzen, die sich in der Sangspruchdichtung etwa im Kontext von Allegorie und Exempel zuhauf finden. Das zeigt ein kurzer Blick auf Rumelants Strophe IV,11: Ein âbentiur hie vor geschach, n û m e r k e t , w a z e z d i u t e : ein blinder man gienc eines nachtes ûf der strâze, dem brande ein blas in sîner hant; dô qâmen sênde liute, die giengen i<n> ze muoze. wunder âne mâze sô nam sie des, waz dirre blinde mit dem blase wolte, der nicht ensach. der eine vragete in, waz im daz blas getragen solte. der blinde iach: «daz ich gesenden liuten lûchte,» - prüebet alle! - «die wîsen mich ze wegen von der graben valle.» ( 1 Rum/ 4/ 11) 170 lungen auf zeitliche Verhältnisse. Und doch glaube ich, dass S[igeher] nur durch solche zu der Behandlung des fernliegenden Stoffes veranlasst worden ist. Der Spruch ist nach der Schlacht bei Dürnkrut am 26. Aug[ust] 1278 entstanden, die dem Leben des gewaltigen Böhmenkönigs ein Ende setzte. [. . .] Ottokar war nach mittelalterlicher Anschauung durch das Unmass seiner Herrschsucht und nicht zum geringsten auch durch Gottlosigkeit zu Grunde gegangen. Die ‹ hôchvart › hat ihn, wie auch Belsazar, in menschlicher Verblendung dem Untergang zugetrieben.» (S. 17). Doch ist der Hochmuts-Vorwurf in der Sangspruchdichtung in unterschiedlichen Kontexten sehr verbreitet, so dass auch M ÜLLER , Ulrich: Untersuchungen zur politischen Lyrik (1974), S. 127 darauf hinweist, dass eine spezifisch auf Ottokar zielende Lesart nicht mit Sicherheit angenommen werden könne. 166 Auch L EVIN , Jurij Iosifovi č : Die semantische Struktur des Rätsels (1987), S. 75 sieht die Funktion des Rätsels darin gegegeben, dass es «den Adressaten» dazu veranlasst, «das Objekt-Denotat zu benennen.» 167 Vgl. P ETSCH , Robert: Kenntnis des Volksrätsels (1899), S. 48 f. 168 L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 252. 169 Vgl. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 252 f. 170 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 84 [Hervorh. EL]. Es geschah einmal eine seltsame Begebenheit. Habt Acht auf den Sinn: | Ein Blinder ging nachts auf der Strasse, | in seiner Hand brannte eine Fackel. Da begegneten ihm sehende Leute, | die spazieren gingen. Die wunderten sich | masslos darüber, was der Blinde mit der Fackel wollte, | der doch nicht sehen konnte. | Einer von ihnen frage ihn, wozu ihm die Fackel gut sein sollte. | Der Blinde sagte | (und das sollt ihr alle euch merken): «Um den Sehenden zu leuchten, | damit sie mir den Weg weisen und ich nicht in einen Graben falle.» (Übersetzung R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 84). 3.4 Rätsel und Lösung 115 Mit dem ersten Vers lässt sich an die vorherige Strophe Sigehers anknüpfen. Auch hier wird ein abentiur geschildert, eine seltsame Begebenheit. Auch die Reaktion der liute auf das Geschehen verweist u. U. durch das Signalwort wunder (V. 4 f.) noch einmal auf den wundersamen Charakter des abentiurs sowie auf eine prinzipielle Auslegungsbedürftigkeit. 171 Letztere wird unmittelbar darauffolgend betont: nû merket, waz ez diute. Mhd. merken ist in diesem Kontext wohl als ‹ auslegend verstehen › zu übersetzen, 172 in diesem Sinn führt auch L ÖSER eine ähnliche Äusserung Wernhers von Teufen als Rateaufforderung des Typs 4 auf: nu merkent, alle meister, waz daz sî. 173 Dazu passt auch die Übersetzung von diuten mit ‹ bedeuten › . 174 Diese Aufforderung zur Entschlüsselung einer weiteren Bedeutung in der Apostrophe wird zum Strophenende noch einmal wiederholt - insofern man die von R UNOW vorgeschlagene Interpunktion annimmt und prüebet alle in V. 9 als Einschub, als «Anrede des Sängers ans Publikum» 175 versteht. Zumindest die Forschung hat Rumelants Strophe IV,11 indes nicht als Rätselstrophe klassifiziert, sondern als Text, in dem exemplarische Denkformen zum Tragen kommen. 176 Versteht man Exempel nicht als Gattung, sondern als Überbegriff für unterschiedliche «Formen und Dynamiken der Wissensproduktion mittels Beispielen» 177 , zeigt sich der Unterschied von Rätsel und Exempel. Auch wenn die verschiedenen Formen exemplarischer Rede unterschiedlich systematisiert werden können und sowohl rhetorisch-argumentative als auch illustrativ-ornative Funktionen beinhalten können, so ist ihnen doch gemeinsam, dass sie den Wechselbezug zwischen Einzelfall und Allgemeinem (je neu) ausloten. 178 Anders das Rätsel, in dem der Bezug von Eigentlichen und Uneigentlichem im Zentrum steht. Ein weiterer Unterschied zwischen Rätsel und Exempel stellt die Tatsache dar, dass der Sinn des Exempels auf verschiedene Weise realisiert werden kann, also applikabel auf ganz unterschiedliche Lebensbereiche ist. Im Gegensatz dazu impliziert das Rätsel, dass es nur eine richtige Lösung geben kann, auch wenn der konkrete Fall - wie am Beispiel des Rätselstreits zwischen Rumelant und Singûf zu zeigen sein wird - davon abweichen kann. 171 Mit wunder ist in den Handschriften häufig etwas bezeichnet, das ausgelegt oder entschlüsselt werden muss (vgl. die zahlreichen Belege im Schwarzen Ton in J). Vgl. zur Semantik von wunder auch Kapitel 4.3.2, Anm. 360. 172 Vgl. Art. ‹ merken › , in: L EXER I, Sp. 2112. 173 Vgl. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 253. In einem ähnlichen Sinn auch die Frauenlobstrophe V,106 im wîp-vrouwe-Streit: swer merken kan, | der volge miner witze ( 1 Frau/ 2/ 10 a,8 f.). 174 Vgl. Art. ‹ diuten › , in MWB. Allenfalls wäre auch die Übersetzungsalternative mit ‹ etwas berichten, erzählen › denkbar, die das MWB als Nebenbedeutung führt. 175 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 230. 176 S PARMBERG , Paul: Geschichte der Fabel (1918), S. 33 f. und T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 233 verstehen die Strophe mit Rückgriff auf die Terminologie S CHERER s als «Menschenfabel», T ESCHNER führt sie als «echte Parabel» (T ESCHNER , Joachim: Das bîspel [1970], S. 174) und auch die beiden Editionen sprechen von IV,11 als eine «gleichnishafte Erzählung» (K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 406) oder prägnant als «Exempelstrophe» (R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 230). Schliesslich bezieht auch Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 142 f. die Strophe in seine Analyse der Exempel in der Sangspruchdichtung mit ein und ordnet sie den «Exempeln ohne Auslegung» zu. 177 W ILLER , Stefan / R UCHATZ , Jens / P ETHES , Nicolas: Zur Systematik des Beispiels (2007), S. 8. 178 Vgl. dazu grundlegend W ILLER , Stefan / R UCHATZ , Jens / P ETHES , Nicolas: Zur Systematik des Beispiels (2007). Für die folgenden Überlegungen unterscheide ich terminologisch nicht zwischen Exempel, Beispiel (bîspel) und Gleichnis. 116 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Wenn das Exempel einen Sachverhalt veranschaulicht, bedeutet das, dass die Bestrebungen von Exempel und Rätsel geradezu entgegengesetzt verlaufen. Das Exempel muss verstanden werden, die Allgemeingültigkeit ausgestellt werden (eine Verallgemeinerungsleistung des Rezipienten), wohingegen die zweite Sinnebene des Rätsels ja gerade deshalb verschlüsselt wird, damit sie nicht (unmittelbar) erkannt wird (eine Übertragungsleistung des Rezipienten). Für Rumelants Strophe IV,11 zeugen die differenten Forschungspositionen von derAnwendbarkeit des Exempels für unterschiedliche Bereiche, die jeweils ganz differente Strophenaussagen ausmachen: 179 Paul S PARMBERG setzt die Strophe in Bezug zu einem ‹ sentenzhaften › Strophenschluss Spervogels (MF 21,10: ein liecht in vremedes mannes hant daz vröit den blinden selten) und kann der Strophe so die folgende Lehre abgewinnen: «Achtet bei eurem Handeln darauf, daß euch nicht bloß unmittelbarer, sondern auch mittelbarer Nutzen daraus erwächst.» 180 K ERN schliesst sich S PARMBERG s Lektürevorschlag grösstenteils an, konkretisiert ihn allerdings und versteht die Strophe somit als Metareflexion eines Sängers über den Nutzen, den die Herrenlehre auch für ihn selbst hat. 181 Genau umgekehrt versteht Y AO die Strophe und vermutet dahinter - über einen Verweis auf 1 Wern/ 1/ 8 - eine Moral, die sich an die Herren richtet. 182 Dies scheint schlüssig, wenn man die Position der Strophe im Anschluss an die drei Strophen IV,8 - 10 beachtet, die untereinander enge Bezüge aufweisen 183 und Klagen über den Zustand des Herrschaftsgebietes zum Gegenstand haben. Die kurzen Ausführungen zu IV,11 haben bereits gezeigt, dass eine sprachliche Markierung wie in V. 1 nu merket, waz ez dütet sicherlich nicht als Rahmenelement eines Rätsels zu verstehen ist, sondern vielmehr als ‹ Aufmerksamkeits-Marker › , der die Deutungsbedürftigkeit anzeigt. Letztlich haben bereits die Ausführungen zur Allegorie gezeigt (vgl. Kapitel 3.2 und 3.3), dass derartige Formulierungen nicht ausschliesslich Rätseln zuzuordnen sind. 184 Auch bei einem Exempel wie Rumelants Strophe IV,11 muss den Rezipienten deutlich gemacht werden, dass es sich beim Gehörten oder Gelesenen um ein Exempel im rhetorischen Sinne handelt, d. h. um die «Konkretisierung eines allgemeinen Sachverhalts», die zum Vorliegenden in einem 179 Das Bild des Blinden mit der Fackel ist allerdings keineswegs unbekannt, vgl. die Einträge unter «Das Licht nützt dem Blinden nichts» im TPMA 2 (1996), S. 37, die neben der Sentenz Spervogels u. a. auch auf eine Passage aus einem Minnelied des Tugendhaften Schreibers (Waz vrümt liehter schin den blinden? ) verweisen. 180 S PARMBERG , Paul: Geschichte der Fabel (1918), S. 33 f. So auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 230. 181 So auch K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 406: «In der Rolle des Lehrers und Mahners ermuntert er die Herren zu Verhaltensweisen und Aktionen (z. B. zur Friedenssicherung), die er selbst nicht realisieren könnte, zu denen nur sie auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung und Macht fähig sind, wovon aber auch er als Ratgeber profitiert (z. B. als ein in gesichertem Frieden Lebender).» 182 Vgl. Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 143. 183 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 232 f. 184 Auch wenn die Rhetorik das Exempel oftmals in unmittelbarer Nähe zur Allegorie stellt, so dass «aus dieser Entdifferenzierung [. . .] ein besonderer ästhetischer Reiz entstehen [soll]» (W ILLER , Stefan / R UCHATZ , Jens / P ETHES , Nicolas: Zur Systematik des Beispiels [2007], S. 16 - 18, hier S. 16), betrachte ich beides gesondert. Eine andere Herangehensweise verfolgt Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 26 f., der «Allegorien in Rätselform» (nach der Terminologie W ACHINGER s) in seine Untersuchung der Exempelstrophen in der Sangspruchdichtung miteinbezieht. 3.4 Rätsel und Lösung 117 «Analogie-, Vorbild- oder Kontrastverhältnis steht.» 185 Die Erklärung des Blinden auf die Frage der Passanten löst die Paradoxie des Ganzen somit nur scheinbar auf, 186 denn die eigentliche Aussage der Strophe ist immer noch nicht aufgedeckt, wie die erneute Wiederholung der Deutungsaufforderung in V. 9 f. zeigt. Dass die Strophenaussage von IV,11 zumindest dem modernen Rezipienten nicht mehr zugänglich ist, mutet geradezu widersprüchlich an: Der Spruch mag Rätsel aufgeben, ein Rätsel ist er deshalb nicht. 3.4.4 Rätsel oder rätselhaft? Fegfeuer I,9 Dass es allerdings umgekehrt kaum möglich ist, eine Strophe als Rätsel zu klassifizieren, wenn die Rateaufforderung ganz wegfällt oder nur implizit vorhanden ist, und dass sich in der Analyse der Texte Rätselhaftes oder Unverständliches schwerlich von Rätseln unterscheiden lassen, kann anhand einer Strophe des Sangspruchdichters Fegfeuer, unikal in J überliefert und vermutlich auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zu datieren, 187 exemplarisch vorgeführt werden: Ich mac daz wol von schulden klagen: ich sach eine kranke karren gên vor einem starken wagen. stüende ez an mir, ich envolgetes nicht, wær ez ouch maniges wille! Die karre wære wol dâ hinder bliben! sechs phert, die giengen vor dem wagen, die worden alzu vruo vertriben. zwêne stætige gorren schuofen, daz der wagen stuont sô stille. Die rungen solten daz bewarn, die sîn durch die achsen geslagen mit kîlen. waz in dem wagen lasters ist, daz künnen die rungen abe vîlen. Daz ich den vürbaz trüege, der mich zu allen zîten hinder treit, sus gêt die karre vor dem wagen, des bin ich ungemeit. ( 1 Fegf/ 1/ 9) 188 Der Inhalt der Strophe ist verworren: Ein nicht näher bestimmtes Ich schildert eine Situation, in der ein klappriger Karren vor einem schnelleren Wagen fährt. Diesen Wagen ziehen sechs Pferde, die allerdings zu sehr angetrieben wurden, zwei störrische 189 Klepper bremsen den 185 K LEIN , Joseph: Art. ‹ Exemplum › (1996), Sp. 60. Diese Aufmerksamkeitslenkung der Rezipienten muss aber nicht zwingend über explizite Rateaufforderungen geschehen, wie ein Blick auf das Exempel der ehebrecherischen Löwin in VI,11 zeigt. 186 Im Gegensatz dazu Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 143: «Auf den ersten Blick sieht das Geschehen ungewöhnlich, ja merkwürdig aus. Die Erklärung des Blinden, die in wörtlicher Rede abgefasst ist, stellt die Pointe des Ganzen dar. Sie behebt den Widerspruch und lässt die Erzählung zu einem lehrhaft deutbaren Exempel werden.» 187 Vgl. B RUNNER , Horst: Von den Anfängen (2019), S. 475. 188 V ON W ANGENHEIM , Wolfgang: Basler Fragment (1972), S. 188. Ich kann das [Folgende] wohl mit Recht beklagen: | Ich sah einen klapprigen Karren vor einem starken Wagen fahren. | Wenn es nach mir ginge, würde ich dem nicht weiter nachgehen, wäre es auch der Wunsch von vielen! | Der Karren wäre besser dahinter zurückgeblieben! | Sechs Pferde gingen vor dem Wagen, die wurden allzu früh (? ) übermässig angetrieben. | Zwei störrische Klepper bewirkten, dass der Wagen so stillstand. | Die Rungen, die mit Keilen durch die Achsen geschlagen sind, | sollten dasjenige verschliessen, was im Wagen an Laster ist. Das können die Rungen abfeilen. | Wenn ich doch den vorwärts tragen könnte, der mich jederzeit hinten hält! | So aber fährt der Karren vor dem Wagen, darüber bin ich unglücklich. (Übersetzung EL). 189 Zum Begriff vgl. R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), S. 163, Anm. 71. 118 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Wagen (zusätzlich? ). Der Wagen scheint eine Art Leiterwagen zu sein, dessen Rungen - die senkrecht stehenden Streben auf der Seite des Wagens - alles im Wagen halten, was darin an Lastern ist. Diese Rungen können etwas abfeilen, 190 d. h. m. E., dass sie den Inhalt des Gefährts durch beständige Reibung verringern. Die letzten beiden Verse formulieren den Wunsch, etwas nach vorne zu tragen, was das Ich der Strophe noch hinten hält, und klagen darüber, dass der Karren immer noch den Wagen blockiere. Auf der syntaktischen Ebene sind die Textelemente einwandfrei miteinander verknüpft, jedoch wirft die Strophe mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert. Was ist mit dem Wagen, dem Karren, den sechs Pferden, den Kleppern und den Rungen gemeint? Friedrich VON DER H AGEN hatte die Strophe im Sinne eines Kommentars zur Wahl des Kurfürstengremiums verstanden, 191 Wolfgang VON W ANGENHEIM hingegen deutet die sechs Pferde als sechs Tugenden, konjiziert in V. 6 karren zu gorren und folgert somit, dass die Tugenden von zwêne stætige gorren, also von einer «kleinen Gruppe von Sündern oder Häretikern» 192 gebremst würden. Einen Hinweis auf eine solche Lesart bietet der Text kaum, denn bei den Lastern, die in V. 8 von den Rungen im Wagen gehalten werden, scheint mir auch denkbar, dass es sich allenfalls um eine Verschreibung (statt lasten) handelt. Eine Schwierigkeit der Strophe stellt auch dar, dass in ihr zwei Bildfelder zusammenfallen, die nicht recht ineinander integrierbar scheinen. Einerseits bremst der Karren den Wagen aus, wie zweimal erwähnt wird - zum anderen sind vor dem Wagen die sechs überanstrengten Pferde und die zwei störrischen Klepper angespannt, die den Wagen bremsen. Was also ist der Grund, weshalb der Wagen nicht vorankommt? Zumindest beim modernen Rezipienten ruft diese bildlogische Inkohärenz Irritation hervor - und die Erwartung, dass diese Inkohärenz sich in einem Umschlagmoment zu einer kohärenten Lesart auflösen liesse. Weil die Strophe «förmlich danach [schreit], entschlüsselt zu werden» 193 , ist man versucht, über Verweise auf den textexternen Referenzrahmen Sinn zu konstruieren. Davon zeugen etwa die Vorschläge VON W ANGENHEIM s und VON DER H AGEN s, die für die Strophe zwar aussertextuelle Bezugsrahmen vorschlagen, die durchaus Kerngebiete der Sangspruchdichtung darstellen und somit eine Gattungskohärenz gewährleisten. 194 Und auch die neuere Forschung behilft sich mit allgemeinen Verweisen auf nicht näher rekonstruierbare historische Begebenheiten oder verweist darauf, die Strophe unbestimmt als «Klage des Dichters über Benachteiligung» 195 oder «allgemeine[] Zeitklage über die schlechte Gegenwart» 196 zu verstehen. 197 Sämtliche Vorschläge bleiben allerdings hypothetisch. 190 Die Bedeutung von mhd. abevîlen ist nicht zweifelsfrei zu bestimmen. Das MWB schlägt ‹ etwas durch Feilen loslösen › vor, hält aber die Bedeutung des Verbs wie auch die gesamte Stelle für unklar. Die einzige Belegstelle neben Fegfeuer ist der (Frauenlob zugeschriebene) Leich Der Tougenhort, wo das Verb zwar in einem recht anderen Kontext steht, aber wohl eine ähnliche Handlung bezeichnet: der helle bant ich abe vile (vgl. B ARTSCH , Karl: Meisterlieder [1862], S. 222). 191 Vgl. HMS IV, S. 711, Anm. 6. 192 V ON W ANGENHEIM , Wolfgang: Basler Fragment (1972), S. 191. 193 R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), S. 164. 194 Vgl. R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), S. 164. 195 Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 158. 196 M ÜLLER , Ulrich: Untersuchungen zur politischen Lyrik (1974), S. 112. 197 Einzig R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), S. 164, hat die Strophe neuerdings als für den modernen Rezipienten unlösbar verstanden: «Man wird sich vorstellen können, dass dies einer jener Texte ist, bei dem nur der Dichter bzw. der Vortragende die Auflösung bieten kann. Sie war dann zwar 3.4 Rätsel und Lösung 119 Die Strophe scheint rätselhaft, allein deshalb ist sie noch kein Rätsel. Eine zweite Sinnebene mag zwar vorhanden sein, doch wird sie - im Unterschied zu den vorherigen Beispielen - nicht über eine Rateaufforderung markiert, es sind weder eine Lösung noch klare Textfunktionsmerkmale (z. B. Titel, spezifisches Vokabular, die Stellung innerhalb einer Rätselsammlung, die agonale Struktur eines Rätselstreits etc.) vorhanden, sodass die Klassifizierung als ‹ Rätsel › ins Leere läuft. Dass man den Spruch unbedingt als Rätsel verstehen will, lässt sich darüber hinaus vielleicht damit begründen, dass bei den Rezipienten vor der Folie der Sangspruch-Tradition etwa Erinnerungen an Reinmars «Rätselallegorie» 198 im Frau-Ehren-Ton ( 1 ReiZw/ 1/ 186 a) 199 geweckt werden: In der Strophe wird ein Wagen mit 12 Rädern geschildert, auf dem 52 vrouwen sitzen und der von sieben schwarzen und sieben weissen Pferden gezogen wird. Im Gegensatz zur Fegfeuer-Strophe verweist Reinmars Strophe allerdings auf die Tatsache, dass der Text ausgedeutet werden soll: wer ist der mir den wagen betiutet? heisst es in V. 9. Das Lösungswort - Jahr - wird im darauffolgenden Vers sogar ausdrücklich genannt. Als Belohnung für den erfolgreichen Rätsellöser verspricht die Strophe jâr âne leit (V. 10). Ob es sich bei der Fegfeuer-Strophe nun also um ein Rätsel oder einen rätselhaften Text handelt, dessen Unverständlichkeiten auf Überlieferungsdefekten oder auf einer grundsätzlichen Alterität mittelalterlicher Texte basieren oder gezielt in den Text integriert sind, lässt sich abschliessend nicht entscheiden, so bleibt nichts anderes übrig, als die bildlogischen Inkohärenzen zu akzeptieren. 3.4.5 Dialogische Kohärenz: Der Rätselstreit zwischen Singûf und Rumelant Es ist kaum zu bezweifeln, dass gerade die prinzipielle Zweiteiligkeit des Rätsels hilfreich für die Verbindung von Einzelstrophen sein kann. Dass es sich bei solchen Strophenkomplexen nicht um statische Verbindungen handelt, sondern dass von einer Offenheit der Strophenkombinationen ausgegangen werden muss, zeigt als letztes Beispiel der sogenannte Rätselstreit zwischen Singûf und Rumelant. Damit sind insgesamt sechs Strophen bezeichnet, die in den Autorkorpora Rumelants und Singûfs unikal in J überliefert sind. Es handelt sich dabei allerdings keineswegs um ein festes Strophengefüge. Wie Freimut L ÖSER mit Blick auf die Editionsgeschichte zeigen kann, ist das Strophenverhältnis untereinander, «die Frage nach der Bestandteil des mündlichen Vortrags, nicht aber der poetischen Rede, und hat es deswegen nicht in die schriftliche Überlieferung geschafft.» 198 RSM 1 (1983), S. 272. 199 R OETHE , Gustav: Reinmar von Zweter (1887), S. 503: Ein sneller wol gevierter wagen | der gât ûf zwelef schîben unt hât lange her getragen | zwô unt vünfzic vrouwen, die sint dar ûf gesetzet nâch ir zal. | Der wagen nimmer stille stât, | sîn orden zallen zîten snelle loufet unde gât, | ûz holze niht gehouwen, ern ist ze kurz, ze lanc, ze breit ze smal. | Den wagen ziehent siben ros, sint wîze, | unt ander siben swarz mit stætem vlîze. | wer ist mir den wagen betiutet? | dem gebe Got jâr âne leit! | der wagen ist iu vor geseit: | der louft, unz im sîn meister daz verbiutet. Ein schneller, geviertelter Wagen, | der läuft auf zwölf Rädern und hat schon lange | 52 Damen getragen, | diese sind wegen ihrer Anzahl daraufgesetzt worden. | Der Wagen steht niemals still, | sein Ablauf geht schnell immer weiter. | Er ist nicht aus Holz gemacht, | er ist weder zu kurz, zu lang, zu breit noch zu schmal. | Den Wagen ziehen beständig sieben weisse | und sieben schwarze Pferde. | Wer deutet mir den Wagen? | Dem schenke Gott Jahre ohne Leid! | Der Wagen ist euch gut bekannt. | Er läuft, bis sein Meister ihm es untersagt. (Übersetzung EL). 120 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz jeweiligen Autorschaft, nach Realität oder Fiktion des Ganzen» 200 höchst umstritten: Die Strophenreihenfolgen variieren, einzelne Editoren drucken nur eine Auswahl der Strophen ab und weisen sie mit Überschriften unterschiedlichen Autoren zu. Erst W ACHINGER ediert 1973 alle Strophen nach der Gestalt der Handschrift. 201 Im Folgenden werden alle sechs Strophen behandelt, welche die Forschung unter dem Stichwort des ‹ Rumelant-Singûf-Rätselstreits › zusammengefasst hat. J führt unter der Autorrubrik meister Singof ein kleines Textkorpus von insgesamt sechs Strophen in einem Ton. 202 In Singûfs Ton sind zwei Strophen überliefert, die u. U. - wie noch zu zeigen sein wird - als Strophenpaar gelten können. Die erste Strophe eröffnet ein Rahmenelement, in dem das Sänger-Ich die Rezipienten auffordert, das Rätsel zu lösen. Dieses sei allerdings so schwierig, dass selbst ein durchgründic meister dabei die Hilfe von drei weiteren spaehen meistern benötigen würde: Swer ein durchgründic meister sî, der neme ouch spaeher meister drî zuo helfe ûf diz gediute: ez ist noch swaerer wan ein blî und wonet der werlt gemeine bî. ez twinget alle liute. ez ist alsô alt alsô der man, der keine muoter nie gewan. ez ist noch tumber wan ein kint. ez slîchet durch ganze wende. ez ne vürhtet regen noch den wint. ez ne hât weder vuoz noch hende und vert durch manigen touben walt. (I,3) 203 Ein wunder wonet der werlde mite, daz kan sô manigen spaehen trite, ez stîget über die sunnen. ez hat sô listelîchen site, daz ich ez dicke zuo mir bite, und hât ouch prîs gewunnen. ez sinket an der helle grunt, ouch sint im alle koere kunt, von abgrunde nimt ez war. 200 L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 259. Einen Abriss der Editionsgeschichte bietet L ÖSER auf S. 259 f. 201 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 170 - 179. 202 Neben den im Folgenden behandelten vier Strophen 1 Singuf/ 3 - 4 (I,3 - 4) sowie 1 Singuf/ 5 - 6 (XI,1 - 2) überliefert die Handschrift eine Tugendlehre ( 1 Singuf/ 1) und eine Dichterklage ( 1 Singuf/ 2), die m. E. ausschliesslich in Bezug auf den verwendeten Ton Gemeinsamkeiten mit den nachfolgenden Strophen aufweisen. 203 C OLLMANN -W EISS , Esther: Kleinere Spruchdichter (2005), S. 138. Wer ein alles ergründender Meister ist, | der nehme noch drei kluge Meister | zu Hilfe für diese Ausdeutung: | Es ist noch schwerer als Blei | und ist auf der ganzen Welt verbreitet. | Es bezwingt alle Leute. | Es ist genauso alt wie der Mensch, | der niemals eine Mutter erhielt. | Es ist noch unverständiger als ein Kind. | Es schleicht durch lückenlose Wände. | Es fürchtet weder Regen noch Wind. | Es hat weder Fuß noch Hände | und zieht durch viele wüste Wälder. (Übersetzung C OLLMANN -W EISS , Esther: Kleinere Spruchdichter [2005], S. 138). 3.4 Rätsel und Lösung 121 ez kan mit êren strîten. ez dringet an der engele schar. ez quam bî alten zîten von himele her, dar muoz ez wider. (I,4) 204 Unmittelbar darauf folgen in J (auf fol. 44 r ) zwei weitere Strophen in Singûfs Ton. Eine Randnotiz neben der ersten Strophe weist diese (oder beide Strophen) Rumelant zu. 205 Ebron daz velt die erden truoc, dâ Got nam erden ûz gevuoc, da von machte her Adâmen. der vater ist mit wîsheit kluoc, der einen sun ûz erden wuoc, dâ von wir alle quâmen. geschuof her in ûz erden doch, diu erde ist ouch sîn muoter noch. sie nam ir teil, dô Âdam starb, der vater nam daz sîne, dô Got die sêle wider warb ûz herter helle pîne. mit dem gelouben ich hie bin. (XI,1) 206 Si ‹ n › gûf vier meister hât bekürt, her hât in sînen sanc beschürt ze râten in dem sande. sô grôzer wort im nicht enbürt; sîn liet ist valsch, daz ist gespürt, des hât er selben schande. 204 C OLLMANN -W EISS , Esther: Kleinere Spruchdichter (2005), S. 142. Ein Wunder gibt es auf der Welt, | das versteht sich auf viele kunstvolle Schritte, | es steigt höher als die Sonne. | Es ist so scharfsinnig, | daß ich es oft zu mir bitte, | und hat zudem Lob erworben. | Es sinkt bis an den Grund der Hölle, | auch sind ihm alle Chöre bekannt, | vom Abgrund an nimmt es alles wahr. | Es kann ehrenvoll streiten. | Es dringt in die Schar der Engel. | Es kam zu alter Zeit | vom Himmel her, dorthin muß es zurückgehen. (Übersetzung C OLLMANN -W EISS , Esther: Kleinere Spruchdichter [2005], S. 142). 205 Über die Zuverlässigkeit der Randnotiz und die Echtheit der Strophen soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 175 hat erwogen, dass es sich bei dem Verfasser der Randnotiz sogar um den Schreiber der Handschrift handeln könne. Zwar weist er darauf hin, dass sich die beiden Strophen XI,1 - 2 in Bezug auf «Taktik und Thematik» signifikant von anderen Gegenstrophen unterscheiden, die zweifelsfrei Rumelant zugeschrieben werden können, doch weil sich «keine bedeutsamen Unterschiede von Rumelants Sprache und Stil» entdecken liessen, folgt W ACHINGER der Angabe der Handschrift und weist die beiden Strophen Rumelant zu. 206 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 148. Das Feld Hebron barg den Boden, | aus dem Gott die geeignete Erde nahm, | aus welcher er Adam machte. | Der Vater ist von erhabener Weisheit, | der einen Sohn aus Erde schuf, | von dem wir alle abstammen. | Und wenn er ihn aus Erde geschaffen hat, | so ist die Erde auch seine Mutter. | Sie nahm ihren Teil zurück, als Adam starb, | und der Vater den seinen, | als Gott die Seele wieder zu sich holte | aus schwerer Höllenpein. | Mit diesem Glauben lebe ich hier. (Übersetzung R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 148). 122 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz der slâf ist nicht sô vollen alt alsô der man. - wie ist daz gestalt? der man was ê ûf erden wîs ê dan der slâf gewürde, dô brâchte in in daz paradîs Got. ‹ dô er › sunden vürde gewuot, dâ wart der slâf geticht []. (XI,2) 207 Ich übernehme hier die Reihenfolge der Strophen, wie sie auch in der Handschrift erscheinen. Mit guten Gründen wurde allerdings auch für eine andere Strophenreihenfolge plädiert. Peter K ERN druckt die Strophen gegen die Handschrift in umgekehrter Reihenfolge ab. 208 Hingegen argumentiert W ACHINGER , dass zwar XI,2 (nach der Zählung R UNOW s, der ich hier folge) «Rumelants erste Reaktion gewesen sein» könnte, da sich in ihr «Kritik an der herausfordernden Einleitung und Kritik am Rätsel selbst» 209 verbinden würden. Doch müsse die Reihenfolge der Handschrift beibehalten werden, um der argumentativen Dynamik der Strophenfolge Rechnung zu tragen: Denn als Nachtrag ist sie wirkungslos, ein bloßes Anhängsel. In der überlieferten Strophenfolge aber kommt ihreTechnik des «Von-weit-her-Redens» voll zur Geltung: der Hörer weiß nicht recht, woran er ist, er wird gespannt, bis dann die deutlicheren und treffenderen Hiebe der Strophe 2 das Vorgeplänkel nachträglich verständlich machen. 210 Es wird noch zu zeigen sein, dass die beiden Strophen als Erwiderung auf die ersten beiden Singûf-Strophen verstanden werden können. Zudem findet sich auch eine zweite Entgegnung in Rumelants achtem Ton, die in den Kontext der vier Strophen in Singûfs Ton gerückt werden kann. Der sich so ho gesetzet hat mit sange in meistersinger grat, daz ein durchgrundich meister nicht m ů z mit im kunst allieren, Swie gar durchgrundich wis her si, her gebe im speher meister dri z ů helfe (und solte ich halten phlicht, ich hieldez mit den vieren): Singof, sing abe, sing hin, sing her! vier g ů te meistersinger, Die machent (des ich dich gewer) 207 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 149. Singauf hat vier Meister zur Rätsellösung herausgefordert, | er hat ihnen seinen Sang | zum Raten im Sand vergraben. | So große Worte stehen ihm nicht zu, | denn sein Gesang ist falsch, das ist entdeckt | und fällt als Schande auf ihn selbst zurück. | Der Schlaf ist nicht ganz so alt | wie der Mensch. - Wie kann das sein? | Der Mensch war schon auf Erden weise, | bevor der Schlaf entstand. | Gott brachte ihn [den Menschen] ins Paradies. | Als er die Furt der Sünde durchwatete, wurde der Schlaf geschaffen. (Übersetzung R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 149). 208 Wie zuvor auch VON DER H AGEN (HMS III, S. 49) und B ARTSCH , Karl: Deutsche Liederdichter ( 4 1906), S. 280 f. 209 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 175. 210 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 176. 3.4 Rätsel und Lösung 123 die kunste din noch kleiner dan ein vinger. Sich hielt ein engel alz ů ho, den got v ů rstiez, der wart unvro. swer alsus t ů t, deme schicht also, got selber dreuwet diese dro; hochvart v ů r gote ne hat neheinen dinger. (VIII,2) 211 Ich sage dir Singof, waz du t ů st, destu z ů jungest volgen m ů st: nu lobe den Misner, der kann me wen du; her leset in b ů chen. Dri spehe meister, die noch leben, wiltu im die z ů helfe geben, ir kunst t ů t diner kunste we, daz soltu wol v ů rs ů chen. Von Werzeb ů rch meister Conrat, der besten singer einer, Der schrift in b ů chen kunde hat, da von ist sin getichte vil die reiner; Der Helleviur der ander si, der Unv ů rzagete, so ist ir dri; stan si dem Misnere bi mit helfe, ich bin der sorge vri: sie machent, daz din sanges pris wirt kleiner. (VIII,3) 212 211 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 190. Einer hat sich mit seinem Gesang so hoch | an die Spitze der Meistersinger gesetzt, | dass kein erfahrener Meister sich mit ihm in der Kunst messen könnte, | wie tiefgründig weise der auch immer sei; | er gäbe ihm sogar noch drei kluge Meister | zur Hilfe. (Sollte ich mich darauf einlassen, | hielt ich es lieber mit den vieren.) | Sing-auf, Sing-ab, Sing-hin, Sing-her! | Ich versichere dir, | dass vier gute Meistersänger | deine Kunst ganz klein aussehen lassen werden. | Ein Engel wollte zu hoch hinaus; | den verstieß Gott, da war seine Freude dahin. | Wer sich so verhält, dem geschieht es so. | Gott selbst droht damit: | Hochmut hat vor Gott keine Chance. (Übersetzung basierend auf R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 129). V. 1 f.: R UNOW gibt die Verse als Hauptsatz wieder (anders K ERN , vgl. zur Begründung S. 588) und übersetzt freier: Einer hat sich mit seinem Gesang so hoch | in den Stand eines Sängermeisters erhoben [. . .]. Um der Doppeldeutigkeit des Hoch-hinaus-Wollens Rechnung zu tragen, verwende ich für mhd. grât die Bedeutung ‹ etwas Hervorstehendes › (vgl. MWB, Art. ‹ 2 grât › ). Auch V. 11 bleibt in der Schwebe zwischen einer räumlichen und einer moralischen Bedeutung, die R UNOW hier in der Übersetzung auch wiedergibt und nicht wie K ERN vereindeutigt, der den Vers mit «Ein Engel hielt sich allzu hoch (schätzte sich allzu hoch ein)» (S. 191) übersetzt. V. 3: «Wegen der offensichtlich gewollten Anlehnung an Singaufs Sangspruch» (S. 589) hat K ERN das unikal bezeugte durchgrundet in durchgrundich geändert. Um diese Entsprechung auch im Neuhochdeutschen deutlich zu machen, übernehme ich hier für durchgrundich die Übersetzung, die C OLLMANN -W EISS in I,3 verwendet: ‹ alles ergründend › . V. 4: allieren ist nur bei Rumelant belegt, vgl. die Ausführungen von K ERN , S. 589. V. 7 f. fasst K ERN (wie auch W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg [1973], S. 177) als Parenthese auf und setzt ihn entsprechend in Klammern. Die Übersetzung von R UNOW passe ich entsprechend an dieser Stelle an. 212 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 192. Singauf, ich sage dir, was du tust, | und du wirst es letztlich befolgen müssen: | Lobe den Meißner, der kann mehr | als du, denn er ist buchgelehrt. | Wenn du ihm drei kluge Meister, die noch leben | zur Hilfe gibst, | wird ihre Kunst die deine in Bedrängnis bringen. | Versuch ’ s nur: | Meister Konrad von Würzburg, | einer der besten 124 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Die sechs vorgestellten Strophen Rumelants und Singûfs können alle unterschiedlich eng aufeinander bezogen werden, wobei formale Kohärenzsignale wie die Tongemeinschaft von I,3 - 4 sowie XI,1 - 2 mit inhaltlichen Kohärenzsignalen gleichermassen zusammenfallen wie divergieren können. Um im Folgenden aufzeigen zu können, welche Strategien der Kohärenzherstellung in dem Strophenkomplex angewendet werden und welche Kombinationsmöglichkeiten der Strophen denkbar sind, werde ich nacheinander die Forschungspositionen von Burghart W ACHINGER , Freimut L ÖSER und Peter K ERN referieren. Jeder der Autoren verfolgt unterschiedliche Ansätze in Bezug auf die Kombinierbarkeit der Strophen und so soll das Ziel meiner Ausführungen nicht sein, diesen bereits bestehenden Ansätzen einen weiteren hinzuzufügen, sondern vielmehr, die Muster rezipientenseitiger Kohärenzherstellung, wie sie in unterschiedlichen Forschungsansätzen niederschlagen, zu beschreiben. Wie bereits erwähnt druckt W ACHINGER die Strophen nach der Handschrift ab. Zwischen Singûfs beiden Strophen und Rumelants Erwiderung im selben Ton kann er einige Bezugnahmen ausmachen, nicht zuletzt natürlich die fast schon beiläufige Lösungsnennung für das in I,3 gestellte Rätsel: slâf (XI,2,7). Bereits Karl S TACKMANN hatte die Rätsellösung als «klassische Probe der wîsheit» 213 der Sangspruchdichter bestimmt. Im Strophenkomplex in Singûfs Ton kann Rumelant den Sängerkollegen noch zusätzlich überbieten, indem er nicht nur die gestellte Probe meistert, sondern gleichzeitig auch Singûfs liet als valsch (XI,2,5) offenbart. 214 Wie W ACHINGER herausarbeitet, bezieht sich Rumelant damit auf die Äusserung Singûfs, der verrätselte Gegenstand sei alsô alt alsô der man (I,3,7). Entgegen dem Wortlaut der Bibel - «nach Genesis 2,21 wurde Adam schon vor dem Sündenfall von Gott in einen tiefen Schlaf versetzt» 215 - sei der Schlaf jünger als der erste Mensch (XI,2,7 f.).W ACHINGER argumentiert, dass Rumelant sich hier auf die biblische Metapher vom Sündenschlaf beziehe, der ja erst mit dem Sündenfall in die Welt gekommen sei. 216 Auch mit den folgenden Versen beziehe sich Rumelant wiederum auf I,3: Als noch tumber wan ein kint beschreibt Singûf den Schlaf und Rumelant entgegnet, dass der Mensch zu Anfang auf Erden, bevor der Schlaf entstand, wise war (XI,2,9 f.). Nach W ACHINGER s Lesart sind also Dummheit und Schlaf erst nach dem Sündenfall in die Welt gekommen. 217 Im Gegensatz zur engen Zusammengehörigkeit von I,3 und XI,2 kann W ACHINGER sich für XI,1 durchaus vorstellen, dass es sich dabei um eine Einzelstrophe handeln könnte. Die Sänger, | der kennt die Schriften aus den Büchern, | was seine Dichtung umso schöner macht; | Höllefeuer sei der zweite; | mit dem Unverzagten sind es drei. | Wenn die dem Meißner zur Seite stehen, | mache ich mir um die richtige Hilfe keine Sorgen: | Sie lassen das Lob für deinen Sang schrumpfen. (Übersetzung basierend auf R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 130). V. 7 übersetze ich mit K ERN näher am Wortlaut des mhd. Ausdrucks (vgl. Art. ‹ wê › , in: L EXER III, Sp. 717). V. 12: Anders als R UNOW s Übersetzung des Verses («was seine Dichtung makellos macht»), gibt K ERN den Komparativ reiner in der Übersetzung wieder (vgl. dazu S. 593). Ich folge hier K ERN . 213 S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 86. 214 Der Vorwurf, gegnerischer Gesang sei valsch, findet sich in Rumelants Strophen häufiger, exemplarisch sei nur auf IV,20 verwiesen. Nur schon in den alliterierenden drei Eingangsversen dieser allgemein gehaltenen Schelte wiederholt sich das Signalwort valsch dreimal: Vervluochet sî der vürgedanc ûz valsches herzen grunde! | vervluochet sî, der valschen rât aller erst bedenket! | vervluochet sî die valsche zunge in valsches mannes munde [. . .]. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 93. 215 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 174. 216 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 174. Vgl. auch die Begriffsexplikation des guten und bösen Schlafs in 1 Mei/ 2/ 13. 217 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 175. 3.4 Rätsel und Lösung 125 Möglichkeit, dass die Strophe die Lösung des zweiten Singûf-Rätsels sei, schliesst er kategorisch aus. 218 Vielmehr könne sie auch als Einzelstrophe betrachtet werden, als «ein Lehrspruch über die Doppelnatur Adams» 219 . Einzig die Überlieferung in unmittelbarem Zusammenhang mit XI,2 mache die Strophe als Polemik erkennbar, wobei die Behauptung Rumelants, die Erde wäre Adams Mutter (vgl. XI,1,2 f.) als Spitze auf Singûfs Hinweis zu werten sei: der man, der keine muoter nie gewan (I,3,7 f.). Wie auch W ACHINGER geht L ÖSER von einer Zusammengehörigkeit der beiden Rätselstrophen Singûfs aus, wenn auch die Rätselmerkmale in I,3 - 4 vage bleiben. Die beiden Strophen stellen mit L ÖSER einen Rätselkomplex dar und die Rateaufforderung in I,3,1 - 3 bezieht sich dementsprechend auf beide Strophen. 220 Die Strophenzusammengehörigkeit begründet L ÖSER mit der fast gleichlautenden Formulierung, dass der gesuchte Gegenstand der werlt gemeine wonet (I,3,5) bzw. ein wunder wonet der werlde mite (I,4,1). Weiter betont er den parallelen Strophenbau und schliesslich das enge inhaltliche Verhältnis. So lassen sich die spaehen meister (I,3,2) auf eine Eigenschaft des in I,4 gesuchten wunders beziehen (daz kann so manigen spaehen trite). Weiter macht L ÖSER ein antithetisches Verhältnis zwischen I,3 und I,4 aus: schwerer als Blei (vgl. I,3) - steigt über die Sonne empor (vgl. I,4), tumber wan ein kint (I,3) - listelîchen site (I,4). Mit den Signalwörtern helle, koere, abgrunde, engele, himele verortet L ÖSER den gesuchten Begriff im religiösen Kontext. 221 Für die nachfolgenden, Rumelant zugeschriebenen Antwortstrophen bemerkt L ÖSER ebenfalls einen engen Zusammenhang. W ACHINGER folgend, 222 betont er die exponierte Stelle (zu Beginn des Abgesangs), an der sowohl in XI,1 als auch in XI,2 auf die Aussage in Singûfs Rätsel Bezug genommen werde, der gesuchte Gegenstand sei alsô alt alsô der man | der keine muoter nie gewan (I,3,7 f.). Im Gegensatz zu W ACHINGER macht L ÖSER aber als Lösung für I,3 nicht nur den Schlaf aus, sondern weist darauf hin, dass sich Rumelants Antwortstrophe «gegen die Vorstellung wendet, daß der Schlaf so alt ist wie Adam und daß sie Schlaf und Sünde ursächlich verknüpft.» 223 Somit nimmt L ÖSER als Lösung in XI,2 zwei Abstrakta an. Und auch für XI,1 kann er zwei Lösungsbegriffe feststellen: geloube (XI,1,13) und wîsheit 224 (XI,1,4), die wiederum als Kontrastbegriffe zu Sünde/ Schlaf zu verstehen seien. Singûfs Herausforderung, nur vier meister würden sein schwieriges Rätsel lösen können, sei dementsprechend als versteckter Hinweis darauf zu verstehen, dass die beiden Rätselstrophen nicht zwei, sondern vier Lösungsbegriffe fordern würden. 225 Aber Rumelant gelinge es nicht nur, das Rätsel zu lösen, er weise dem Konkurrenten gleichzeitig nach, dass diesem bei der Konstruktion des Rätsels ein Fehler unterlaufen sei: «Die Weisheit als Attribut Gottes und als Adam gegebene Gottesgabe war in der Welt, bevor Gott den Schlaf ins Paradies brachte, um die 218 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 175. 219 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 175. 220 Vgl. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 257. 221 Vgl. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 257. 222 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 176. 223 L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 262. 224 Wîsheit hat T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994) mit Verweis auf Prov 8,22 f. als Lösung für I,4 vorgeschlagen. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 256 sichert die Lösung T OMASEK s zusätzlich ab, indem er auf die wörtlichen Entsprechungen in den anderen Salomonischen Weisheitsbüchern verweist. 225 Vgl. T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 263. 126 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Frau zu erschaffen, mit der die Sünde in die Welt kam.» 226 Die beiden Antwortstrophen stellen also ein «komplexeres geistliches Programm» dar, das «die Begriffe ordnet, wörtliche und allegorische Bedeutung verbindet.» 227 Sowohl die beiden Rätselstrophen als auch die beiden Antwortstrophen in Singûfs Ton sind als eng aufeinander zu beziehende Strophengefüge zu verstehen. Und auch für Rumelants Antwortstrophen im eigenen Ton folgt L ÖSER der bereits von T ERVOOREN proklamierten Zusammengehörigkeit von VIII,2 - 3. 228 Die Strophen würden allerdings keine weitere Lösung der Singûf-Rätselstrophen darstellen, sondern als Entgegnung auf die polemische Herausforderung Singûfs fungieren. 229 Aus der kombinierten Lektüre von VIII,2 und VIII,3 ergäbe sich freilich noch eine weitere Verbindungsmöglichkeit - nämlich zwischen den vierAntwortstrophen XI,1 - 2 und VIII,2 - 3: Der sangspruchtypische Vorwurf des Hochmuts, 230 der in VIII,2 zweimal genannt werde (VIII,2,1 f., mit dem Verweis auf Lucifer VIII,2,13 f.), sei eine Kritik an Singûfs wîsheits-Konzept, «das den Eigenwert der menschlichen Weisheit zu hoch einschätzt und in Gefahr ist zu vergessen, daß es sich dabei um eine Gabe Gottes handelt.» 231 Daraus folgert L ÖSER , dass auch der Beginn von VIII,3 auf diesen Vorwurf zu beziehen ist: Ich sage dir Singûf, waz du tuost, | destu zuo iungest volgen muost (VIII,3,1 f.). «Was Singûf in seinem ersten Rätsel zu raten aufgegeben hat, ist auf ihn selbst anzuwenden: Er ist durch seine Hochfahrt im Sündenschlaf befangen.» 232 Damit schliesst sich der Kreis - die verschiedenen Strophen sind alle aufeinander zu beziehen, so dass der «komplexe geistliche Sinn» 233 sich schliesslich in der Zusammenstellung des Strophenkomplexes als Vortragseinheit entfalte. Neuerdings hat Peter K ERN L ÖSER s Überlegungen als «alllzu ‹ sophisticated › » 234 verworfen und somit den Strophenkomplex aus Singûfs Rätselstrophen und den beiden Strophen in Rumelants achtem Ton nicht als Lösung des Rätsels, sondern als Erwiderung, bezogen auf die provokante Stropheneröffnung Singûfs in I,3,1 - 3, verstanden. Gesucht werde pro Rätselstrophe ein Lösungsbegriff, nicht wie von L ÖSER erwogen vierAbstrakta. 235 Auch stellt er die von W ACHINGER ausgehende These, mit dem slaf in XI,1,7 sei der Sündenschlaf gemeint, in Frage. 226 T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 263. 227 T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 263. 228 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 243: «Zwar ist jede der beiden Strophen für sich verständlich, doch erst in der Zusammenfassung beider Strophen liegt die abgerundete, schlagkräftige Antwort auf Singaufs Angriff. Stellte man Str. 2 allein, fehlten die Namen der in 2,11 f. angekündigten Meister. Str. 3 ohne Str. 2 hätte keinen Bezug zum Ausgangspunkt des Streites. Der Hörer würde zu Recht fragen, warum die vier Meister dem Singauf an den Kragen wollten.» 229 Vgl. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 266. 230 Vgl. auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 265, der mit Verweis auf L ÖSER annimmt, dass Rumelant in VIII,2 - 3 mit dem Begriff ‹ Hochmut › die Lösung für Singûfs Rätsel geben und zugleich den Rätselsteller der Sünde bezichtigen kann. 231 L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 267. 232 L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 267. 233 L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 269. 234 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 587. Ebenso kritisch sieht K ERN die These Holger R UNOW s, dass Rumelant, indem er Singûfs Hochmut tadle, den Begriff preisgebe, der dieser in I,4 verrätselt habe. 235 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 653. 3.4 Rätsel und Lösung 127 Dies begründet er mit der schwierigen Textgestalt in XI,2,11 - 13. 236 Es ist in der Handschrift kaum zu entscheiden, ob in XI,2,13 gewuot oder gewuoc steht. 237 W ACHINGER druckt wegen vürde in XI,2,12 gewuot, 238 anders VON DER H AGEN und die ihm folgenden Herausgeber, die aus vürde bürde machen, um den Abdruck von gewuoc zu legitimieren. K ERN entscheidet sich für den Abdruck von gewuoc, allerdings ohne vürde anzupassen. Er macht dagegen die von W ACHINGER vorgenommene Konjektur der zu do er wieder rückgängig 239 und druckt dementsprechend: do brachte in in daz paradis | got der sunden v ů rde | gew ů c, da wart der slaf geticht. Indem er V. 11 - 13 als Apokoinu-Konstruktion auffasst, übersetzt K ERN : Da brachte Gott ihn [den Menschen] in das Paradies [und] erwähnte den Schrecken der Sünde (und wies auf das hin, was wegen der Sünde zu befürchten wäre [nämlich der Tod]); dort [im Paradies] wurde der Schlaf ersonnen (erschaffen). 240 Da K ERN u. a. das Bild des Durchwatens der Furt der Sünde nicht für eine angemessene Metapher für das Sündigen hält, druckt er statt vürde v ů rde und fasst es im Sinne von vorde/ vorte als mitteldeutsche Variante von vorchte. 241 Indes scheint mir vürde mit Blick auf den weiteren Kontext der Strophen durchaus plausibel: In den Wartburgkrieg-Texten, die ja mit dem Sangspruchwerk Rumelants immer wieder Parallelen aufweisen, findet sich die Metapher im Rätsel vom schlafenden Kind, auf dessen inhaltliche Verwandtschaft mit dem Rätselstreit zwischen Singûf und Rumelant bereits hingewiesen wurde. 242 Im Strophenbestand der Handschriftengruppe L 243 ist dies gleich mehrmals der Fall. Die Hinweise auf den zu enträtselnden Gegenstand, die Klingsor präsentiert, beschliesst ein Rahmenelement, in dem Klingsor zur Rätsellösung auffordert: Swer mir nu l œ set disen haft, der hat in sins herzen kunst gut meisterschaft und mir den sin gar eben konde uz rihten, Der müste wol geleret sin. e r m ö h t e s a n f t e r v i n d e n f ü r t e ü b e r R i n , er were ein meister und könd wol tihten. 236 K ERN druckt die beiden Strophen in Singûfs Ton nicht nach der Handschrift ab, sondern dreht die Reihenfolge um. Ich übernehme hier die Zählung von R UNOW und W ACHINGER . 237 Bereits H OLZ , Georg: Jenaer Liederhandschrift I (1901), S. 78 merkt in seinem diplomatischen Abdruck an, dass anstelle von gewuot auch gewuoc stehen könnte. Die Editionen drucken entweder gewuoc oder gewuot, vgl. die detaillierte Auflistung bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 654 f. 238 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 174. 239 Zur Begründung vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 655 f. 240 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 229. 241 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 656 f. 242 Vgl. L ÖSER , Freimut: Rätsel lösen (1998), S. 263 f.; T OMASEK , Tomas: Das deutsche Rätsel im Mittelalter (1994), S. 307. Weiter wäre zu überlegen, inwiefern im Bild des im Boot schlafenden Kindes selbst - wie ja bekanntlich häufig in den Wartburgkrieg-Texten - auf wolframsche Motive angespielt wird. Man denke etwa an den schwierig zu entschlüsselnden Titurel-Vers: ein slâfender leu als swære wart nie sô mîn wachendez gedenken. (B RACKERT , Helmut / F UCHS -J OLIE , Stephan: Wolfram von Eschenbach Titurel [2003], 104,4). 243 Cpg 364, cpg 345 und cgm 4871. Dabei handelt es sich um drei Handschriften des Lohengrins, dessen gattungsüblicher Prolog mit Sequenzen aus dem Rätselspiel ersetzt wurde, vgl. H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › (2015), S. 47 - 50. H ALLMANN (vgl. S. 47) datiert die Lohengrin- Erzählung auf die 1280er-Jahre, die Handschriften stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert. 128 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Doch wer ich gern und möht ez sin, da ouch ein meister were: Man saget von dem von Eschenbach und git im pris, daz laien munt nie baz gesprach. her Wolferam, der tihtet gute mere. ( 1 Wartb/ 1/ 100 a,4) 244 Das problemlose Auffinden von Furten über den Rhein hinweg wird hier - wie das Lösen des Bandes - als Umschreibung für die meisterliche kunst des Rätsellösens verwendet. Auch an späterer Stelle wird in den Wolfram-Strophen die Wendung noch einmal aufgenommen, wenn Wolfram seine Fähigkeiten als Rätsellöser bestätigt: sus kann ich fürte in Rine finden 245 sowie wart hin, ob ich den furt icht funden habe! 246 Diese Bedeutung gilt allerdings nicht für den entsprechenden Passus in der Rumelantstrophe, dennoch könnte der Rätselstreit im Wartburgkrieg zumindest anklingen, freilich nicht als direktes intertextuelles Zitat auf die Stelle in der Lohengrin-Handschrift, die jünger ist als die Rumelant-Strophen (vgl. Anm. 243), aber als populäre ‹ Wartburgkrieg-Metapher › , die ja ihrerseits bekanntlich wiederum auf Wolframs von Eschenbach Parzival zurückzuführen ist. 247 In diesem Sinn wäre beispielsweise auch eine Wolfram zugeschriebene Äusserung aus dem sogenannten ‹ Jägerrätsel › im Schwarzen Ton in J zu verstehen: nu gicht din zorn, ich habe den Rin enprennet ( 1 Wartb/ 2/ 2a,2,10). Die Wendung, dass nur derjenige ein kunstfertiger meister sei, dem es gelinge, eine Furt zu finden, die über den Rhein führt, wird hier noch verstärkt: Wenn Wolfram den Rhein in Flammen gesteckt hat, hat er die Flussüberquerung, d. h. die Rätsellösung, noch schwieriger gemacht. Mir scheint daher eine Lesart durchaus plausibel, die mit L ÖSER die intertextuellen Bezüge des Rätselstreits verstärkt in den Blick nimmt und das Lösungswort ‹ Schlaf › in Anklang an das Rätsel vom schlafenden Kind im Sinne des Sündenschlafes versteht. Für das Rätsel in der Sangspruchdichtung zeigen sich einige Besonderheiten, die in der gattungstypischen Tendenz zur Einstrophigkeit gründen, die, wie oben bereits erwähnt, im ausgehenden 13. Jahrhundert noch gilt. Für die hier besprochenen sechs Strophen Singûfs und Rumelants ist dies gut zu beschreiben: Zwar finden sich zwischen I,3 und I,4 einige Formulierungsentsprechungen, wie sie L ÖSER aufgeführt hat (s. o.), die eine Lektüre nahelegen, nach der die Herausforderung Swer ein durchgründic meister sî . . . für beide Strophen gelten könnte. Ein wichtiger Punkt für die Frage nach der Kohärenz aller vier Strophen scheint mir, dass die Strophen I,3 und I,4 jeweils bereits zum Strophenbeginn durch charakteristische formelhafte Wendungen und Signalbegriffe deutlich machen, dass es sich bei dem Folgenden um ein Rätsel handelt: Begriffe wie wunder (I,4,1) und gediute (I,3,3) sind auch in anderen Rätselstrophen zu beobachten - v. a. in den Rahmelementen, denen die Aufgabe zukommt, die 244 H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › (2015), S. 358 [Hervorh. EL]. Wer auch immer mir nun dieses Band löst, | der hat in seinem Herzen Wissen und gute Meisterschaft | und [wer] mir die Bedeutung ganz gerade ausrichten kann, | der muss wahrlich gelehrt sein. | Er könnte ganz einfach Furten über den Rhein finden, | er wäre ein Meister und könnte gut dichten. | Doch wäre ich [es] gerne und könnte es sein, wo auch ein Meister wäre: | Man nennt ihn von Eschenbach | und lobt ihn so sehr, wie der Mund der Laien niemals besseres gesagt hatte. | Herr Wolfram dichtet gute Erzählungen. (Übersetzung EL). 245 H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › (2015), S. 360 ( 1 Wartb/ 2/ 100 a,7). 246 H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › (2015), S. 361 ( 1 Wartb/ 2/ 1e,6). In der Parallelüberlieferung in C findet sich die Formulierung nicht, anstelle davon steht sus wen ich, dine rime ich vinde. 247 Zur Wolframrezeption in den Wartburgkrieg-Texten vgl. R AGOTZKY , Hedda: Studien zur Wolfram-Rezeption (1971), zur Metapher der Furtüberquerung vgl. K RAGL , Florian: Wie man in Furten ertrinkt (2008). 3.4 Rätsel und Lösung 129 Rezipienten direkt in den Prozess des Rätsellösens miteinzubeziehen. Als Rätsel implizieren die Strophen Zweiteiligkeit und zumindest die Möglichkeit einer Lösung, so dass die ersten beiden Strophen den Anschluss weiterer Strophen andeuten können. Die Rätselstrophen I,3 und I,4 können jedoch ohne Probleme auch als Einzelstrophen bestehen. Die Lösung ist kein zwingender Bestandteil des Rätsels, aber über die Kombination der beiden Strophen miteinander und in der gemeinsamen Lektüre mit den Lösungsstrophen können die Singûf-Strophen eine zusätzliche Sinndimension gewinnen, wie dies beispielsweise L ÖSER gezeigt hat. Rumelants Strophen VIII,2 und VIII,3 sind ohne die Kenntnis der Strophen des Konkurrenten Singûf zwar durchaus verständlich 248 - der ganze Umfang der polemischen Spitze auf die durchgrundich meister wird allerdings erst deutlich, wenn die Herausforderung Singûfs bekannt ist. Anders scheint mir die Situation für die auf I,3 - 4 folgenden, Rumelant zugeschriebenen Strophen XI,1 und XI,2. W ACHINGER hat, wie oben bereits erwähnt, festgehalten, dass XI,1 unschwer als Einzelstrophe über die Doppelnatur Adams gelesen werden kann. Doch auch XI,2 kann selbst ohne die Kombination mit einer anderen Strophe durchaus verstanden werden, obgleich die Bezüge zu Singûfs Strophe I,3 evident sind. Weil aber Rumelant zum Strophenbeginn XI,2,1 - 3 noch einmal die Herausforderung Singûfs in übertragener Rede rekapituliert, ist XI,2 als Einzelstrophe verständlich. Auch im weiteren Strophenverlauf ruft Rumelant den Inhalt der Singûf-Strophe auf und legt dar, weshalb das liet des Konkurrenten valsch sei: der slâf ist nicht sô vollen alt | alsô der man (XI,2,7 f.). Die Einzelstrophen können also - müssen aber nicht - miteinander kombiniert werden; ihre Kombination kann jedoch nicht beliebig vonstattengehen. Die Rahmenelemente geben vor, welche Strophen als Ausgangspunkt zu gelten haben und welche darauf reagieren. Auch sind die vier Lösungsstrophen Rumelants nicht ohne weiteres miteinander zu verbinden, sondern bedürfen der ‹ Vermittlung › über die Rätselstrophe Singûfs. Ebenso wie die differierenden Strophenabfolgen, welche die Editionen wählen, um der Dynamik des Rätselstreits beizukommen, zeugt der Durchgang durch W ACHINGER s, L ÖSER s und K ERN s je unterschiedlichen Analysen des Rätselstreits sowohl von einer prinzipiellen Variabilität der Strophen und ihrer Bezugnahmen, als auch von dem Wunsch der (modernen) Rezipienten, dem vielfältigen Anspielungsrahmen, den der Rumelant-Singûf-Rätselstreit bereithält, möglichst mit Eindeutigkeit zu begegnen. Wenn sich also Tendenzen formulieren lassen, welche die Zusammengehörigkeit einzelner Strophen durchaus nahelegen, ist es weder möglich, zu vernachlässigen, dass einzelne Strophen auch selbstständig verstanden werden können, noch lässt sich klar von einem aufeinander zu beziehenden ‹ Rätselstreit › mit vier oder allenfalls sechs Strophen ausgehen. Die Eigenschaft des Rätsels als Textsorte, sich trotz aufwendigster Verrätselungsstrategien im Moment der Lösung auf einen eindeutigen Lösungsbegriff bringen zu lassen, kommt hier gerade nicht zum Tragen: Nicht nur, dass die Rätselaufforderung uneindeutig 248 Zu überlegen wäre weiter, wie die Kohärenz der Strophen VIII,2 und VIII,3 bewertet werden soll. In diesem Sinn ist darauf hinzuweisen, dass die Handschrift J auf fol. 60 r hinter kleiner (V. 17) am Rand den Zusatz dan ein vinger ergänzt. Dadurch wäre eine wörtliche Entsprechung zwischen VIII,2 und VIII,3 gegeben, die zwar - wie bereits W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 178 bemerkt - «nicht ohne Reiz wäre», aber als «unregelmäßige[] Verlängerung der Schlußzeile» (siebenstatt fünfhebig) kaum musikalisch realisiert werden kann. Ob die Randnotiz als Schreiberversehen zu werten ist (vgl. Runow, Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 276) oder als Rezeptionshinweis für einen Strophenzusammenhang, wie K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 594 erwägt, kann letztlich nicht entschieden werden. 130 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz gehalten ist, so dass sich nicht entscheiden lässt, ob die Rateaufforderung bloss für eine oder auch für zwei Strophen gelten mag, auch die Lösungen sind keineswegs eindeutig formuliert: Auch wenn die (vermutlichen) Lösungsworte ‹ Schlaf › und ‹ Weisheit › in den Strophen en passant fallen, sind sie weniger explizit genannt, als allusiv auf sie angespielt wird, wodurch auch die Lösungen selbst wieder in ihrer kunstvollen Verrätselung neue Deutungsbedürftigkeit produzieren. Der Modus ‹ sangspruchhafter › Rede, der den meisterschafts-Anspruch in seiner Doppelung von Wissen und Kunstfertigkeit ausstellen will (vgl. Kapitel 4.1.2), ist somit nicht nur für die Rätselherausforderung in I,3 und I,4 zu berücksichtigen, sondern gleichermassen für die ‹ Lösungs-Strophen › XI,1 und XI,2, denn hier verunmöglicht dieser Gestus gleichzeitig auch die eindeutige Lösung, die das Rätsel fordert und treibt das Wechselspiel von Ver- und Enträtselung weiter an. Die Strophen sind damit nicht als abgeschlossene Einheit zu verstehen, sondern halten durchaus Potential für Erweiterungen bereit. Die Strophen des Rätselstreits kombinieren - ähnlich wie die Wartburgkrieg-Texte - die agonale Struktur des gegenseitigen Überbietens im meisterschafts-Diskurs und den Akt des Rätselstellens und -lösens. So bieten sich Anknüpfungspunkte sowohl auf der Ebene der polemischen Erwiderung auf die Provokation, als auch auf den eigentlichen Rätselinhalt. In den Lösungsstrophen soll folglich das Lösungswort genauso präsentiert und damit die wîsheit des Rätsellösers ausgestellt werden, wie auf die Herausforderung reagiert werden soll. Beide Ebenen sind an sich dialogisch angelegt: Das Rätsel provoziert den Versuch, es zu lösen - und um sich in der Gemeinschaft der meister zu positionieren, braucht es einen Gegenspieler. 3.5 Resümee und Ausblick: Tonkohärenz in Rumelants Ton IX Meine Ausführungen haben gezeigt, dass Phänomene übertragener Rede wie allegorische Übertragungsprozesse oder das Zusammenspiel von Rätsel und Lösung dazu dienen, Kohärenz innerhalb von mehrstrophigen Komplexen zu stiften. Bedeutungsüberschüsse, wie sie beispielsweise die Allegorie der Einhornjagd in Rumelants Strophen V,1 - 3 produzierte, müssen dabei im Rezeptionsakt stets neu fixiert werden. Dies ermöglicht eine dynamische Bezugnahme der Einzelstrophen, die sich teilweise auch im Überlieferungsbefund niederschlägt. Es ist nun nicht von der Hand zu weisen, dass Strophenkomplexe, die über die Strukturlogik übertragener Rede als zusammengehörig ausgewiesen werden, innerhalb des Sangspruch œ uvres Rumelants nicht den Grossteil ausmachen. Weitaus häufiger lassen sich thematische Verbunde ausmachen, deren Kohärenz auch über wiederkehrende Signalwörter klanglich wahrnehmbar gemacht wird. Gewisse Inhalte scheinen für mehrstrophige Komplexe geradezu prädestiniert zu sein, weil sie einerseits eine gewisse - z. B. theologische - Schwierigkeit aufweisen, die sich auf grösserem Raum besser diskursiv auffächern lässt, und andererseits in ihrer thematischen Anlage bereits durch eine Verklammerung (des Personals, der Zeitebenen) gekennzeichnet sind, die sich in grösseren Strophenkomplexen gut erzählen und reflektieren lässt. Ein solches Themengebiet ist die Inkarnation, die ja für Rumelants Strophenkomplex V,1 - 3 bereits eine Rolle spielte (vgl. Kapitel 3.3). 249 Die drei Strophen des Tons IX, auf die ich 249 Die Inkarnation ist in Rumelants Sangspruch œ uvre - typisch für die Gattung des ausgehenden 13. Jahrhunderts - ein verbreitetes Thema (vgl. R OSMER , Stefan: Die Tradition des geistlichen Sangspruchs [2015]), vgl. etwa die Strophen I,11, II,5, II,9 (nach der Zählung von R UNOW ) und die Marienlobstrophe V,6. 3.5 Resümee und Ausblick: Tonkohärenz in Rumelants Ton IX 131 abschliessend kurz eingehen möchte, weisen nicht das Funktionsmuster übertragener Rede auf, sondern ähneln sich sowohl thematisch als auch strukturell und klanglich. Ohne aus den Strophen eine vom Autor komponierte liedhafte Einheit konstruieren zu wollen (so Peter K ERN ), 250 lassen sich an ihnen Techniken rezeptiver Kohärenzerzeugung demonstrieren. Vor dieser Folie möchte ich die Ergebnisse zu den Ausführungen über das Verhältnis von poetischer Mehrdeutigkeit und strophenübergreifender Kohärenz bündeln. Im kürzesten Ton Rumelants, Ton IX, sind nur drei Strophen überliefert. Diese weisen neben einer durch die Toneinheit 251 zwangsläufig gegebenen formalen Kohärenz auch eine auffällige thematische Nähe auf. Die Editionen fassen daher auch fast einhellig 252 die Strophen als zusammengehörigen Komplex. Eine enge thematische Zusammengehörigkeit der Strophen ist jedenfalls kaum zu bestreiten; T ERVOOREN etwa hält fest, dass die drei Strophen «einen Gedanken [variieren]: Gott, der Schöpfer, wurde Mensch, um die Menschheit aus Güte zu erlösen.» 253 Daz erste lob an disser wise ich singe dir, s ů ze got, du vater aller dinge, du v ů lle gruft der gnaden unde aller g ů te, Du eine scheffer aller creatiure, (din kunst, die sch ů f daz wazzer mit dem viure, erde unde luft) ursprinc der eren vl ů te! Sit her uns von den ungelichen vieren gemachet hat Unde her sich, uns geliche, wolte zieren, mit rechter tat Kunde her daz ordinieren. den s ů zen rat Gab im sin diem ů t. unv ů rsmat sin richeit uns vil armen na besippe stat. (IX,1) Der ob alle richeit ist so gewaltich, unde were sin g ů te nicht so manichvaltich (sin barmicheit, sin gnade sunde heilet), So m ů ste wir vil manigen kumber dulden. enhulfe uns got nicht baz denne wir ez v ů rschulden, sorge unde leit, des worde uns vil geteilet, Auch die in Kapitel 3.2 behandelte Nebukadnezar-Traum-Allegorie IV,1 - 3 wird teilweise auf die Inkarnation ausgedeutet, ebenso die alttestamentarischen Präfigurationen in III,1 - 2. 250 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 624. 251 Die Strophen IX,1 - 3 sind unikal in J überliefert. Im Unterschied zu allen anderen Tönen Rumelants in J fehlt hier jedoch die Melodie, die erste Strophe setzt unter leeren Notenlinien ein (vgl. fol. 61 v ). R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 272 überlegt, dass die Erinnerung an die Melodie in dem grossen zeitlichen Abstand zwischen Aufführungszeitpunkt und Aufzeichnung verblasst sein könnte oder dass möglicherweise bereits die mit Melodien versehene Vorlagen lückenhaft waren. 252 Vgl. HMS III, S. 67; R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 140 - 142; W ACKERNAGEL , Philipp: Das deutsche Kirchenlied (1964) [1867], S. 164. D E B OOR , Helmut (Hg.): Mittelalter I (1965), S. 63 f. druckt IX,3 als Einzelstrophe ab. 253 T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 246. 132 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Wen daz in sin barmunge unde die minne der truwe mant. Wie her z ů menschen liebe sine sinne rechte gewant Mit g ů tem anbeginne, daz man irvant: Her sch ů f den menschen mit der hant. her was ouch mensche dri unde drizich jar bekannt. (IX,2) Got hat die nacht gewiet ho winachte, vil ho gewiet got die nacht gedachte, da her sin wort v ů lbrachte kegen den morgen. Daz was z ů gotes m ů ter v ů r gesprochen; do untfienc sie got, den tr ů ch sie vierzich wochen e der bort, die uns nu brachte uz sorgen. Der himel vater, alt an anegenge unde an ende e groz, Der ungezalt an breite unde ouch an lenge, den ummesloz Ein kleiner brust getwenge. gar sunden bloz, Maget Maria, vol gnaden goz dich, den du geberes menschen lib genoz. (IX,3) 254 254 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 212 - 216. Gegenüber K ERN s Edition habe ich in 1 Rum/ 9/ 1 die Interpunktion leicht verändert: V. 5 f. steht nicht als Klammerbemerkung, sondern - wie R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 140 - als Relativsatz. 1 Rum/ 9/ 1: Den ersten Lobpreis in dieser Melodie singe ich | dir, liebreicher Gott, du Vater aller Dinge, du volle Gruft der Gnade und aller Güte, | du allein Schöpfer aller Geschöpfe, | deine Weisheit, die erschuf das Wasser zusammen mit dem Feuer, | Erde und Luft, [du] Ursprung überströmender Fülle der Schönheit! | Da er uns aus diesen ungleichen Vieren gemacht hat | und er sich, uns gleich, gestalten wollte, | konnte er das ausführen | mit gebührlicher Tat. | Diesen liebevollen Rat gab ihm seine Demut. | Unverschmäht | ist sein Reichtum uns sehr Armen nahe verwandt (als Reicher verschmähte er es nicht, uns sehr Armen nahe verwandt zu sein). 1 Rum/ 9/ 2: Würde sich die Güte dessen, der über höchsten Reichtum | verfügt, nicht immer wieder aufs Neue erweisen | (seine Barmherzigkeit, seine Gnade heilt Sünden), | so müssten wir gar manchen Kummer erdulden. | Würde uns Gott nicht mehr helfen, als wir es verdienen, | würde uns viel Sorge und Leid zuteil, | wenn es nicht so wäre, dass ihn seine Barmherzigkeit und die Liebe | an die Treue gemahnen. | Wie er seine Gedanken der Liebe zu den Menschen | seit dem guten Anfang recht zugewandt hat, | das wurde offenbar: Er schuf den Menschen mit der Hand. | Er war auch dreiunddreissig Jahre lang als Mensch bekannt. 1 Rum/ 9/ 3: Gott hat die Nacht geweiht als hohe Weihnacht, | als in höchster Weise geweiht hat Gott die Nacht erdacht, | in der er gegen Morgen sein Wort einlöste. | Das war zuvor zur Mutter Gottes gesprochen worden; | damals hatte sie Gott empfangen, den hatte sie vierzig Wochen lang getragen | vor der Geburt, die uns jetzt von Sorge befreite. | Der Vater der Himmel, ohne Anfang alt und zuvor unendlich gross, | er, unermesslich an Breite und auch an Länge, | den umschloss | ein enger Raum des kleinen Mutterschosses. | Ganz rein von Sünden, | Jungfrau Maria, voll der Gnaden hatte dich [der] geschaffen, | den du als dem Leib der Menschen gleich gebarst. (Übersetzungen basierend auf K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 213 - 217.) Tendenziell übernehme ich K ERN s wörtlichere Übersetzungsvorschläge und nicht die freieren Umschreibungen in Klammern. Mein Verständnis einzelner Passagen ist kurz zu erläutern: IX,1,3: Gruft übersetze ich wörtlich (zur Begründung vgl. unten), nicht wie R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen 3.5 Resümee und Ausblick: Tonkohärenz in Rumelants Ton IX 133 Neben der bereits erwähnten thematischen Nähe der Strophen - Strophe 1 verhandelt den Schöpfergott, Strophe 2 die göttliche Gnade, die es ermöglicht, ohne Leid zu leben und Strophe 3 die Menschwerdung an Weihnachten - sind die Strophen auch über klanglich-strukturelle Markierungen ineinander verklammert. So finden sich die Signalworte güete und gnade in jeder der drei Strophen. IX,1 und IX,2 sind zudem über die capfinido-Technik, d. h. die Wiederaufnahme des Schlüsselbegriffs aus dem letzten Vers der ersten Strophe im ersten Vers der nachfolgenden Strophen, eng miteinander verbunden. 255 Überdies sind alle Strophen nach einem ähnlichen Aufbau gestaltet, in dem zum Strophenende hin das Inkarnations-Paradox prägnant zugespitzt wird: Der Schluss von IX,1 behandelt den Gedanken, dass Gott den Menschen in der Menschwerdung verwandt wurde, derjenige von IX,2 die Tatsache, dass Gott den Mensch geschaffen hat und zugleich 33 Jahre als Mensch gelebt hat. Ähnlich wie IX,2 erläutert der Schluss von IX,3 den Status Marias als Gottesgeschöpf und Gottesmutter. Darüber hinaus werden in den Strophen unterschiedlichste Zeitebenen präsentiert, die zum einen im Inkarnationsgeschehen, zum anderen im Vortrag des Sängers zusammenfallen. Letzteres ist beispielsweise in IX,3,5 f. der Fall: do untfienc sie got, den tr ů ch sie vierzich wochen | e der bort, die uns nu brachte uz sorgen. Das Temporaladverb nu lässt sich nach K ERN wie das liturgische hodie verstehen, welches die Vergegenwärtigung der Heilsereignisse in der Gegenwart anzeigt. 256 Es wäre in diesem Fall aber zu überlegen, worauf nu im Vortrag des Sängers referiert: Wenn die Sangspruchdichter sich auch innertextlich häufig in einer Predigerrolle inszenieren mögen, ist die Auftrittssituation ja gerade nicht der liturgische Rahmen. 257 (2011), S. 140: ‹ der du aus tiefstem Grund voller Gnade und Güte bist. › IX,1,13 f.: R UNOW schlägt für die Stelle eine andere Interpunktion vor: unv ů rsmat als Attribut zu Demut - er übersetzt mit ‹ Den liebevollen Rat gab ihm seine unendliche Güte ein. › Eine solche Übersetzung scheint mir mit Blick auf die anderen Belegstellen für unv ů rsmat in der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank doch recht frei. IX,2,8: Zur Übersetzung von truwe mit nhd. ‹ Treue › im Sinne der «unverbrüchlichen Treuebindung Gottes an den Menschen, in der Vulgata veritas genannt» vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 629. IX,2,12: L EXER I, Sp. 690 führt für ervinden die Bedeutungen ‹ ausfindig machen, bemerken, erfahren › (vgl. ebenso MWB, Art. ‹ ervinden › ). Um den Aspekt der Sichtbarmachung der göttlichen Liebe zu den Menschen hervorzuheben, übersetze ich den Vers - R UNOW folgend - ähnlich wie K ERN s freierer Übersetzungsvorschlag ( ‹ es wurde erkennbar › ) mit ‹ das wurde offenbar › . IX,3,1: ho fasse ich - wie R UNOW als Attribut zu winachte, nicht wie K ERN als Adverb ( ‹ Gott hat die Nacht sehr geweiht › ), da der Parallelismus der mhd. Verse (ho wienachte - ho gewiet) so auch in der Übersetzung erhalten bleibt. IX,3,3: R UNOW versteht v ů r als Verweis auf die Vorstellung auf die Präexistenz Marias beim Schöpfungsrat. Vgl. dazu K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 630: «das zuvor zur Mutter Gottes gesprochene Wort, das Gott zu Weihnachten v ů lbrachte («vollgrachte», d. h. «einlöste», «erfüllte»), ist das durch den Engel Gabriel an Maria verkündete Wort ‹ paries filium › («du wirst einen Sohn gebären»: Lc 1,31); ein Verweis auf den Schöpfungsrat [. . .] liegt hier nicht vor. Wie R UNOW zeigen kann, klingt die Vorstellung des Schöpfungsrates durchaus an anderer Stelle im Strophenkomplex an (IX,1,13; IX,2,7). 255 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 117. Rumelant nutzt diese Technik häufiger, z. B. in IV,24/ 25 und X,3/ 4. Ähnlich auch VIII,5 - 6: Hier wird die Kohärenz zwischen den Strophen allerdings durch eine parallele syntaktische Struktur, nicht durch die Wiederaufnahme von Signalwörtern gestiftet (VIII,5,17: der herren herze ist kranker dan ein mucke; VIII,6,1: Der herren hulde ist sam ein is.) Wiederaufgenommen wird der Vers dann auch in VIII,7,17: der herren hulde ist nicht gelich dem ise. 256 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 631. 257 Zu den Aufführungsbedingungen der Sangspruchdichtung mit Hinblick auf die Konkurrenz zwischen Mendikantenpredigern und fahrenden Sangspruchdichtern vgl. K ÄSTNER , Hannes: Sermo Vulgaris oder Höfischer Sanc (1996). Vgl. dazu auch Kapitel 2.3.3. 134 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Auf die Verschränkung der Zeitebenen in der Inkarnation weisen bereits einzelne Verse hin. Wenn Gott in IX,1 einerseits als vater aller dinge (V. 2), andererseits als v ů lle gruft der gnaden unde aller g ů te (V. 3) bezeichnet wird, fallen damit die Überzeitlichkeit Gottes (er sei alt an anegenge heisst es in IX,3,7 f.) und der Zeitpunkt der Menschwerdung in eins. Denn gruft verstehe ich hier nicht übertragen (z. B. als «Grund»), 258 sondern ich würde den Begriff, der hier durch die alliterative Reihung besonders hervorgehoben wird (wie auch IX,3,7 f.), durchaus mehrdeutig werten, als Verweis auf die Grabhöhle sowie auf den ‹ hohlen › Leib Marias, der als Gefäss durch das Ausfliessen göttlicher Gnade 259 in der Inkarnation ‹ gefüllt › wird. 260 Dass über den Begriff der gruft Empfängnis und Tod gewissermassen kurzgeschlossen werden können, hat Susanne K ÖBELE bereits für Frauenlobs Kreuzleich gezeigt: «Schon mit der Empfängnis (in der ‹ Gruft › von Marias Schoß) beginnt das Sterben des Sohnes: [. . .] Durch des Menschen Gruft ( ‹ Durch menschen gruft › ) kam Gottes Freudenruf ( ‹ gotes guft › ) zur Erscheinung (12,6).» 261 Eine wörtliche Übersetzung von gruft in Rumelants Strophe stärkt daher über das Motiv der Menschwerdung auch die Verbindung von IX,1 mit den nachfolgenden beiden Strophen. IX,2 verbindet die Schöpfungszeit Gottes mit der Lebenszeit Christi über die Struktur der Anapher: Her sch ů f den menschen mit der hant. | her was ouch mensche dri unde drizich jar bekant. (IX,2,13 f.) Ähnlich operiert auch IX,3,13 f.: Maget Maria, vol gnaden goz | dich, den du geberes menschene lib genoz. Die Paradoxie, dass Maria denjenigen gebar, der sie zuvor selbst geschaffen hatte, wird auch sprachlich über die Verbindung der Reimworte goz (der göttliche Schöpfungsakt 262 ) - genoz (die menschliche Gestalt Gottes) deutlich gemacht. Aus diesen Ausführungen lassen sich die sprachlichen Mitteln ausmachen, mit denen der Strophenkomplex IX,1 - 3 über die Toneinheit hinaus als zusammengehörig verstanden werden kann: 1) die Wiederholung von ‹ Leitwörtern › , 2) ein Strophenschluss, der das Paradox der Inkarnation je neu prägnant auf den Punkt bringt, 3) die Verschränkung von verschiedenen Zeitebenen (Schöpfungszeit - Inkarnationszeit - Gegenwart). Somit wird man kaum argumentieren wollen, dass die Strophen nicht als zusammengehöriger Komplex zu denken sind, auch wenn die einzelnen Strophen durchaus für sich Sinn ergeben. Die Forschung hat für die Sangspruchdichtung immer wieder danach gefragt, ob die Strophen eher eng oder lose miteinander verknüpft sind, inwiefern sich Kohärenz überhaupt skalieren lässt, ob es sich bei den Strophenkomplexen (oder Strophenreihen bzw. -ketten) um 258 Anders K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 625, der eine wörtliche Übersetzung für «befremdlich» hält. 259 Das Motiv der ausfliessenden Gnade, das an mystische Texte erinnern mag, ist auch in der Sangspruchdichtung populär, in der Maria u. a. als gnâdenvluot angeredet wird (vgl. die Belege bei P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant [1893], S. 69). In Rumelants Tonweihestrophe VI,1 wird in der die Strophe durchziehenden Fliessmetaphorik diese Vorstellung ausserdem mit Bildern von Blut und Wasser überlagert, die aus der Seite des gekreuzigten Jesus strömen (vgl. W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik [2006], S. 794). 260 Vgl. bereits E TTMÜLLER , Ludwig: Frauenlob (1843), S. 280: «gruft [. . .] bedeutet alles ergrabene, ausgehöhlete, hohle [. . .].» 261 K ÖBELE , Susanne: Evidenz und Auslegung (2017), S. 168. 262 Zu diesem paradoxalen Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf als Glaubenswahrheit vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 632 f. Mit giezen klingt wohl das Einströmen des Heiligen Geist in die Jungfrau Maria an, vgl. dazu auch die alttestamentliche Marienpräfiguration in Rumelants Strophe III,2: Daz vlius in himeltouwe lac begozzen (V. 1) sowie Der himele geist quam in ir lib gevlozzen (V. 4). 3.5 Resümee und Ausblick: Tonkohärenz in Rumelants Ton IX 135 Einheiten handelt, die als solche aufgeführt wurden, oder ob nicht die Sammler und Schreiber der Handschriften thematisch zusammengehörige Strophen kompiliert haben (vgl. Kapitel 3.1). Dass sich die Aufführungssituation nicht nachträglich rekonstruieren lässt, stellt eine zusätzliche Schwierigkeit für die Frage dar, ob Sangsprüche als «Einzelstrophe oder Strophenbindung? » 263 zu verstehen sind. Sie scheint sich kaum mit einem klaren Entweder-oder zu beantworten lassen, 264 denn, wie auch die Analyse der Rumelantstrophen gezeigt hat, können die meisten Sangspruchstrophen problemlos als Einzelstrophe bestehen, die sich davon ausgehend zu grösseren Strophenkomplexen verbinden lassen. Dementsprechend scheint es mir - um auf die eingangs formulierten Überlegungen zu einer sangspruchspezifischen Poetik (vgl. Kapitel 1.1) zurückzukommen - einerseits wichtig, klar zu differenzieren, auf welcher Ebene von Kohärenzstiftung die Rede ist und andererseits fallabhängig zu prüfen, was Kohärenz meint: «Plausibilität», «Integration», «Ganzheit» oder «Widerspruchsfreiheit»? 265 Ferner ist - wenn Ambiguität als ein Charakteristikum poetischer Texte gilt - Kohärenz in Strophenkomplexen, die über Mechanismen übertragener Rede miteinander verbunden sind, aus einer rezipientenseitiger Perspektive zu betrachten. Denn nach J AKOBSON rückt in Texten, deren poetische Funktion - gegenüber anderen Funktionen - in den Vordergrund tritt, der Gegenstandsbezug aus dem Fokus. 266 Dieser liegt vielmehr auf der Art und Weise der Mitteilung. Der Rezipient ist in solchen tendenziell selbstreferentiellen Texten besonders gefordert, die einzelnen Elemente des Textes sinnhaft miteinander zu kombinieren. Er greift aktiv an solchen Stellen in die Textkonstituierung ein, an denen Mehrdeutigkeit durch Phänomene übertragener Rede besonders inszeniert wird, indem er beispielsweise durch seine Auswahl einzelne textuelle Einheiten gegenüber anderen favorisiert. In einem Strophenkomplex wie IX,1 - 3, der ohne das zweiteilige Strukturmuster übertragener Rede auskommt, ist dies nicht der Fall. Kohärenz meint hier thematische und klangliche Kongruenz: Alle drei Strophen verhandeln das Inkarnationsthema, wobei das Ich in allen Strophen als Instanz auftritt, die neben dem Lobgesang auf die göttliche Gnade vor allem das Wunder der Inkarnation und die Unermesslichkeit Gottes darbietet. Es werden bekannte Wissensbestände präsentiert, wobei die einzelnen Strophen den Fokus auf jeweils andere 263 T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967). 264 Was nicht bedeutet, dass es müssig sei, die Frage zu stellen, wie W ILLMS , Eva: Der Marner (2008), S. 14 f., Anm. 16 formuliert: «Was als ‹ Strophenkette › oder -reihe oder liedhafte Einheit deklariert wird, sind stets Strophen zum gleichen Thema, wie sie Autoren, Sammler, Schreiber jederzeit zusammenstellen konnten und die uns entweder in einer solchen Zusammenstellung überliefert sind oder von modernen Interpreten, die nach Einheiten suchen, zusammengestellt werden. Dabei vertun Interpreten wie Leser besonders viel Zeit unnütz mit Überlegungen wie: noch Kette oder doch eher Reihe? Von der Vortragssituation her gesehen ist die Frage, ob die in sich abgeschlossenen Strophen als Einheit, Kette oder Reihe vorgetragen wurden, ohnehin albern. Aber die Spurensuche als solche ist Unfug. Ein Marienlob preist die Verbindung der Gottesmutter mit der Trinität, ihren Anteil am Erlösungsgeschehen von der Verkündigung bis Christi Himmelfahrt, ihre Stellung im Himmel; ein Gebet um Vergebung der Sünden beruft sich auf das Erlösungsgeschehen von der Beratung der Trinität über die Inkarnation bis zum Kreuzestod; ein Gotteslob preist die Trinität, die Wunder der Schöpfung und die Wunder der Menschwerdung und Erlösung. Durch diese ständige Motivbündelung [. . .], die vor allem die religiösen Strophen, aber auch die paränetischen kennzeichnet, paßt mehr oder weniger alles zu allem, lassen sich für den versierten Interpreten verbindende Elemente zwar leicht finden, sprechen aber häufig ebenso deutlich gegen wie für eine liedhafte Einheit.» 265 K ÖBELE , Susanne / L OCHER , Eva / M ÖCKLI , Andrea / O ETJENS , Lena: Einleitung (2019), S. 9. 266 Vgl. Kapitel 1.1. 136 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Aspekte des Inkarnationsparadoxons legen, d. h. die Einzelstrophen ermöglichen einen punktuellen Zugang, als Komplex fächern die Strophen das Thema diskursiv auf. Der Rezipient spielt in den Strophen IX,1 - 3 nur dann eine Rolle, wenn er als Teil des umfassenden wir zusammen mit dem Sänger in der textuellen Gemeinschaft derer verortet wird, die von Gottes Gnade erlöst wurden (vgl. IX,2,4 f.). Ähnlich liegt der Fall in den diversen Strophen des 12. und 13. Jahrhunderts, welche den Nebukadnezar-Traum und dessen Auslegung zum Gegenstand haben. Obwohl die Bibelstelle in den meisten Sprüchen referiert und allegorisch ausgelegt wird - eine Ausnahme bilden der Sangspruch Walthers von der Vogelweide sowie die lateinischen Strophen Mersburgs in der Augsburger Cantionessammlung, welche die Bibelstelle nur punktuell anzitieren - , spielt die allegorische Struktur der Strophen nur insofern eine Rolle, als sie es dem Sänger ermöglicht, als Exeget aufzutreten und den Traum bzw. die Statue als Zeitklage, Tugendlehre oder nach der moralischen Deutungstradition 267 auszulegen. Zudem werden mehrstrophige Komplexe über die deutliche Markierung des hoc-significat-Musters miteinander verbunden. Kohärenz zwischen Strophen ist somit als Äquivalenzrelation zu verstehen. Gerade in den einstrophigen Nebukadnezar-Sprüchen ist allerdings eine klare Trennung zwischen der Beschreibung (des Traums oder der Statue) und Auslegung nicht immer gegeben. Besonders deutlich fallen beide etwa beim Anonymus oder bei Kelin in eins. Ob nun die klare Trennung in Bild- und Auslegungsstrophen in den mehrstrophigen Nebukadnezar-Sprüchen bei Rumelant und Wizlav - L ÖSER268 folgend - mit der Tatsache zu erklären sind, dass eine ausführlichere Bildbeschreibung und komplexe Deutung mehr Platz benötigt, als die Einzelstrophe bereithält, oder ob klar bezeichnete allegorische Auslegungsprozesse besonders geeignet sind, Kohärenz zwischen Strophen zu stiften, ist kaum zu entscheiden. Die Befunde haben gezeigt, dass die Einzelstrophen sowohl tendenziell eher auf die Beschreibung des Traumes/ der Statue als auch auf die Auslegung konzentrieren können. Die Deutungshoheit liegt sowohl in Einzelstrophen als auch in mehrstrophigen Komplexen beim Sänger-Ich, sogar in Fällen, in denen die biblische Auslegung Daniels ebenfalls geschildert wird (vgl. 1 Marn/ 7/ 11). Die Rezipienten werden zwar in einem gemeinschaftlichen wir zusammen mit dem Sänger-Ich angesprochen, allerdings immer nur dann, wenn die verdorbene - tönerne, eiserne, kupferfarbene - Welt zur Besserung gemahnt werden soll (vgl. 1 Marn/ 7/ 11, 1 Wizl/ 2/ 7 - 8). Selbst in einer Strophe wie 1 Kel/ 1/ 1, welche die Bildbeschreibung ausspart und sich stärker auf die Auslegung (des heidnischen Königs) auf die Weltalter konzentriert, agiert das Ich zum Strophenende gewissermassen als Exeget der Exegese, der die allfällige Bedeutungsvielfalt als Tugendlehre vereindeutigt. Rumelants rhetorische Frage treibt die Reduktion des Rezipienten schliesslich auf die Spitze: Das Text-Ich übernimmt quasi die Rolle der Rezipienten und fragt welich ist der stein? (IV,3,3). Unmittelbar darauf gibt es sich die Antwort (daz ist der got, der sich liez Jesus toufen) gleich selbst. Solche Beispiele des Nebukadnezar-Traums in der Sangspruchdichtung machen deutlich, dass allegorische Auslegungsmuster in ein- und mehrstrophigen Strophenkomplexen nicht zwingend die poetische Gemachtheit der Texte besonders in den Vordergrund rücken oder den Einbezug der Rezipienten fordern. Statt einem Nebeneinander an Bedeutungsvarianten formulieren die Strophen eindeutige Auslegungen. Die Rolle des Sangspruchdichters 267 Vgl. K ERN , Peter: Nabuchodonosors Traumgesicht (1992). 268 Vgl. L ÖSER , Freimut: Reich, Individuum, Religion (2003), S. 278. 3.5 Resümee und Ausblick: Tonkohärenz in Rumelants Ton IX 137 als meisterlicher Exeget gilt gleichermassen als Legitimation für die Auslegung, wie sie auch eine Selbstaufwertung des Sängers darstellt, wenn er nicht nur - wie in IX,1 - 3 - in der Rolle des Predigers, sondern als Daniel ebenbürtiger Exeget des Nebukadnezar-Traums auftritt. Bereits die Analyse von Rumelants Nebukadnezar-Strophen IV,1 - 3 machte deutlich, dass Bild und Auslegung punktuell ineinander übergehen können: Im anthropomorphisierten Stein, der z ů rnet und aus dem Berg geloufen kommt (IV,3,1), fallen Bild- und Bedeutungsebene in eins und lassen sich keineswegs so klar voneinander trennen, wie es das hoc-est-Schema suggerieren mag. Im Unterschied zu IV,1 - 3, die sich relativ genau auf die Beschreibung nach Daniel stützen, handelt es sich bei der Einhornjagd in Rumelants Strophenkomplex V,1 - 3 nicht um eine Allegorie, die bereits im Bibeltext ausgedeutet wird. Dementsprechend muss sich auch der Sangspruchdichter in seiner Deutung nicht gegenüber der biblischen Auslegung positionieren (durch Übernahme der Danielexegese oder Ergänzung bzw. Ersetzung mit einer eigenen Deutung), sondern kann an das Bild diverse, z.T. durch die Tradition vorgegebene, Auslegungen ‹ anlagern › . Die Semantiken des Strophenkomplexes bleiben gleitend, sodass die Komplexität - sowohl auf der Bild- ( Jagd, Einhorn) als auch auf der Auslegungsebene (Inkarnation, Trinität) - gerade nicht vereindeutigt wird, sondern die unterschiedlichen Zuschreibungen nebeneinander bestehen bleiben. Mehrdeutigkeit ergibt sich erst im poetischen Verfahren der Strophenkombination, wenn in sich schlüssig wirkende Einzelstrophen über Kombination neue Bedeutungsebenen erschliessen. Dass die Kombinationsmöglichkeiten der Strophen gegenüber Rumelants Strophen IV,1 - 3 flexibler gedacht werden müssen, zeigt bereits der divergente Überlieferungsverbund von C und J. Die hermeneutischen Überschüsse, die durch die Allegorie produziert werden, müssen fixiert werden. Aber im Unterschied zu IV,1 - 3 kommt diese Aufgabe nicht dem auslegenden Sangspruchdichter zu, vielmehr kann sich der Rezipient dafür entscheiden, einen Aspekt des Strophenkomplexes dominant zu setzen und diesen als Kohärenzmarker für die sich jeweils neu formierenden textuellen Einheiten zu wählen. Wenn dementsprechend V,1 - 3 als kohärenter Strophenkomplex bezeichnet wird, meint dies nicht etwa, dass die Zusammenhänge zwischen den Einzelstrophen, die klanglich, semantisch oder bildlogisch gestiftet werden, einheitlich oder widerspruchsfrei von historischen ebenso wie von modernen Rezipienten wahrgenommen werden. Walthers Spruch, der nur auf das Nebukadnezar-Beispiel verweist, hat gezeigt, dass Allegorien keineswegs im Muster von Bild und Auslegung widergegeben werden müssen. Ähnlich deutlich zeigt sich die Trennung von Gegenstand und Strukturmuster auch für das Rätsel: So wird das Menetekel in 1 Sigeh/ 6/ 3 nicht als Rätsel funktionalisiert, vielmehr stellt die Strophe eine Tugendlehre dar, die den Sangspruchdichter als moralische Instanz präsentiert. Das eigentliche Rätsel und auch Daniel selbst, der für die Sangspruchdichtung der Zeit als wîssage eine gewisse Autorität in Sachen Rätsel darstellt, 269 werden ausgespart. Rätsel und Allegorie, auf die nur angespielt werden, weil sie als ohnehin allgemein - aus dem Text der Vulgata - bekannt vorauszusetzen sind, fungieren dabei als blosses Zitat. Rätselstrukturen, die also nicht das Rätsel als selbstständige Gattung meinen, sondern als spezifische Zeichenrelation in Abgrenzung von anderen Phänomenen übertragener Rede zu verstehen sind, zeichnen sich durch Zweiteiligkeit, den Anschein der Lösbarkeit sowie - insbesondere in der Sangspruchdichtung - durch die Situierung im agonalen Kontext des 269 Vgl. etwa 1 Bop/ 7/ 4. 138 3 Allegorisch-rätselhaft: Strophenübergreifende Kohärenz Rätselwettstreits aus. Wenn auch einzelne Strophen als Einzelstrophen bestehen bzw. rezipiert werden können, wie die Überlieferung des Rätselstreits zwischen Singûf und Rumelant zeigt, sind darüber hinaus in den meisten Rätselstrophen Elemente zu beobachten, die eine Verbindung über die textuelle Einheit der Einzelstrophe hinaus anzeigen. Die Rahmenelemente des Rätsels lassen sich als Hinweise auf die Art und Weise der Strophenbezüge verstehen. Sie beziehen die Rezipienten, womit sowohl das textexterne Publikum derAufführung als auch der textinterne Rätselgegner gemeint sein können, in den Akt der Sinnkonstitution und der Kohärenzherstellung ein. Der Sangspruchdichter präsentiert sich dabei als meister - entweder als kundiger Rätselsteller oder gewitzter Rätsellöser - , der Akt der Kohärenzstiftung zwischen den Einzelstrophen ist aber rezipientenseitig zu verstehen. Dass die Leistung des Rezipienten direkten Einfluss auf die Zusammengehörigkeit von Strophen hat, zeigten die unterschiedlichen Versionen der Strophenkomplexe des Singûf-Rumelant-Rätselstreits, für die Peter K ERN , Freimut L ÖSER und Burghart W ACHINGER jeweils argumentieren. Unterschiedliche Bezüge innerhalb der Strophen im Rumelant- und Singûf-Korpus werden nämlich nicht nur über paläographische Hinweise (die Randbezeichnung rvmelant neben Singûfs Strophe I,3 auf fol. 44 r in J) geschaffen, sondern werden stets auch durch den Rezipienten hergestellt, der im Prozess der Rätsellösung die Strophen - je nach Lösung unterschiedlich - miteinander verbindet. Kohärenz zwischen Rätsel- und Lösungsstrophen kann dementsprechend die Plausibilität des konstruierten Lösungsweges meinen. Obwohl die Allegorie den Rezipienten vermeintlich nicht miteinbezieht, sondern die ‹ Textautorität › , hier konkret das Sänger-Ich, sich als Exeget geriert, haben die Beispiele gezeigt, dass allegorische Strukturen durchaus die Sinnstiftungsprozesse der Rezipienten benötigen und zwar immer dann, wenn diverse Deutungen nebeneinander bestehen und ausgewählt werden muss. 270 So liegt es nahe, dass Allegorie und Rätsel in Einzelfällen kaum voneinander zu trennen sind: Immer dann nämlich, wenn die Rolle des Exegeten zurückgenommen wird und die Aufforderung an die Rezipienten zur Mitarbeit deutlicher formuliert wird. In diesem Sinne liesse sich auch Rätselhaftigkeit als Merkmal poetischer Rede werten. 270 Auch E GIDI , Margreth: Dissoziation (2000), S. 250 hat mit Blick auf die changierenden Sprecherrollen in den Sprüchen Suchensinns gezeigt, dass die «Offenheit literarischer Texte als Angebot aufgefasst [werden kann], das Entscheidungen erzwingt», wobei der Rezipient «über Relationierungen, Zuweisungen, Aufspaltungen etc. entscheidet.» Ähnlich auch dies.: Der performative Prozess (2004), S. 20 f. 3.5 Resümee und Ausblick: Tonkohärenz in Rumelants Ton IX 139 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Im dritten textanalytischen Kapitel soll nun die bekannte Frage nach einer impliziten, d. h. aus den Texten rekonstruierbaren Gattungspoetik der Sangspruchdichtung neu perspektiviert werden: Gefragt wird nach der Kohärenz der Gattung Sangspruchdichtung um 1300. Kohärenz bezeichnet dabei - wie auch im ersten und zweiten textanalytischen Kapitel - den Zusammenhang zwischen textuellen Einheiten, die aber in diesem Fall die Grenzen der Strophe sowie des Strophenkomplexes überschreiten. Dass der Gattungsbegriff für vormoderne Texte im Allgemeinen und für die Sangspruchdichtung im Besonderen nicht unproblematisch ist, weil in ihm zeitgenössische und moderne Zuschreibungen zusammenfallen, habe ich eingangs bereits erläutert (vgl. Kapitel 1.1). Unter einem anderen Gesichtspunkt werde ich ihn an dieser Stelle noch einmal beleuchten. Nachdem sich mit C ROCE s deutlichem Votum 1 die Frage nach Gattungskonzepten vorerst erledigt zu haben schien, ist die Diskussion über den Wert eines normativen Gattungsbegriffes für mittelalterliche Texte, also für eine «Literatur vor der Literatur» 2 ab den 1960er-Jahren wieder aufgenommen worden. Die germanistische Forschung schloss dafür eng an die romanistische Mediävistik an und versuchte, anstatt moderne Gattungseinordnungen an mittelalterliche Texte heranzutragen, aus dem mittelalterlichen Textbestand heraus spezifisch mittelalterliche Gattungskategorien zu formulieren, die dem oftmals disparat überlieferten und uneinheitlichen Textmaterial Rechnung tragen. Mit der Frage nach dem ‹ Gebrauch › der jeweiligen Texte spielten Überlegungen zur spezifischen Kommunikationssituation und sozialen Funktionalisierung der Texte eine besondere Rolle. 3 Aktuell hat sich der Konsens gebildet, dass Gattungsbegriffe als heuristische Beschreibungskategorie zwar oft historisch belegt ihre Berechtigung haben, auch wenn sie nicht klassifikatorisch strukturiert sind. Gattung ist dementsprechend nicht als statischer Textverbund zu denken, und die trennscharfen Differenzierungen werden für das Verständnis des Einzeltextes häufig auch nicht benötigt. Vielmehr hat beispielsweise Helmut T ERVOOREN vorgeschlagen, Texte in einem Bezugsgeflecht von unterschiedlichen Gattungszusammenhängen zu verorten, wobei eine «gattungshafte Dominante» dem Einzeltext seinen «Platz im Zusammenspiel der Gattungen und Typen» 4 zuweist. Diese Überzeugung hat längst Eingang in die Lehrbücher gefunden; so 1 Vgl. C ROCE , Benedetto: Ästhetik als Wissenschaft vom Ausdruck (1930). 2 K IENING , Christian: Zwischen Körper und Schrift (2003), S. 24 f. Zur Frage nach Gattungssystemen vor dem Zeitalter der Literatur vgl. auch B LEUMER , Hartmut / E MMELIUS , Caroline: Generische Transgressionen (2011), S. 1: «Wenn man nämlich davon ausgeht, dass die Literatur erst im Zuge ihrer Institutionalisierung auf den Begriff kommt, dann ist auch das Konzept der literarischen Gattung vom Institutionalisierungsprozess abhängig.» 3 Vgl. K UHN , Hugo: Minnesang als Aufführungsform (1973 [1968]). 4 T ERVOOREN , Helmut: Gattungen und Gattungsentwicklung (1994), S. 22. Ähnlich auch H EMPFER , Klaus W.: Art. ‹ Gattung › (1997), S. 651 - 655, hier S. 653, der über W ITTGENSTEIN s Begriff der Familienähnlichkeit eine Bestimmung historischer Gattungen abseits von Klassenbildungen versucht; vgl. auch ders.: Zum begrifflichen Status der Gattungsbegriffe (2010); sowie Klaus G RUBMÜLLER s Vorschlag, «klassifikatorische Systeme» durch «konsequent literarische Reihen» zu ersetzen (Gattungskonstitutionen im Mittelalter [1998], S. 200 f.), vgl. Anm. 6. Unlängst hat H EMPFER seine Überlegungen auf die Lyrik übertragen und über stellt mit Bezug auf den Minnesang beispielsweise Günther S CHWEIKLE dem Gattungskapitel seines Einführungsbandes folgende Bemerkungen voran: ‹ Gattung › meint also im folgenden nicht eine feste und konstante Einheit, sondern eine offene prozeßhafte Kombination von form-, struktur- und inhaltstragenden Elementen, ein Merkmalbündel, das sich von Gattung zu Gattung innerhalb des gemeinsamen Bezugsrahmens Minnesang anders zusammensetzen kann. 5 Produziert der Gattungsbegriff nun bereits auf der Ebene der literaturwissenschaftlichen Beschreibung verschiedene Aporien, stellt sich auch auf der Ebene der Selbstbeschreibung der Texte eine grundsätzliche Diskrepanz dar: Denn obwohl für die mittelhochdeutsche Literatur - anders als für die lateinischen Texte - grösstenteils eine differenzierende Terminologie fehlt, kann doch von einem generellen Bewusstsein für Gattungsgrenzen ausgegangen werden. Für die Lyrik zeigt sich dieses u. a. in der handschriftlichen Überlieferung, wenn beispielsweise die Kompilatoren von J fast ausschliesslich Sangspruchdichtung, diejenigen von B grösstenteils Minnesang aufnehmen. 6 Diesem Handschriftenbefund ist die Forschung gefolgt, indem sie die Sangspruchdichtung als mittelhochdeutsche lyrische Gattung neben Minnesang und Leich verstanden hat. Neben Einstrophigkeit (vgl. Kapitel 2) ist dabei häufig gerade die Themenvielfalt des Sangspruchs als Gattungsmerkmal festgehalten worden - quasi eine ex negativo-Definition in Abgrenzung zum die Argumentation mit einem Protoypenmodell eine Theorie vorgelegt, die sowohl skalierbar bleibt als auch einem umfassenden transhistorischen Anspruch Rechnung trägt (vgl. H EMPFER , Klaus W.: Lyrik [2014]). 5 S CHWEIKLE , Günther: Minnesang ( 2 1995), S. 116. 6 Klaus G RUBMÜLLER s Einwand, es handle sich bei den «großen deutschen Lyrikhandschriften aus dem späten 13. und frühen 14. Jahrhundert» um «Sonderfälle aus ganz bestimmten Interessenskonstellationen» (Gattungskonstellationen im Mittelalter [1998], S. 196), die entsprechend nicht als Hinweise auf ein mittelalterliches Gattungsbewusstsein zu werten sind, kann ich nicht teilen. Auch die neueste Sangspruch-Forschung gewichtet die Überlieferungsbefunde als Zeugnis eines zumindest impliziten Gattungsbewusstseins auf Seiten der zeitgenössischen Rezipienten. So formuliert etwa Dorothea K LEIN : «Das Fehlen einer volkssprachigen Poetik und distinkter Gattungsbezeichnungen bedeutet aber nicht, dass die volkssprachigen Autoren, Schreiber und Sammler des Mittelalters kein Gattungsbewusstsein gehabt hätten. Deutliche Hinweise, dass man Minnesang und Spruchsang als eigenständige Gattungen verstand, geben die großen Sammelhandschriften [. . .].» Darüber hinaus verweist K LEIN besonders auf die Sammelhandschriften des 14. und des 15. Jahrhunderts, die fast ausschliesslich «altes Spruchtöne und deren Textierungen sowie das Liedgut des stadtbürgerlichen Meistergesangs» sammeln (K LEIN , Dorothea: Minnesang [2019], S. 119). G RUBMÜLLERS Bedenken gegen ein striktes Gattungssystem der vormodernen volkssprachigen Literatur ist allerdings grundsätzlich zuzustimmen. Auch zwei der programmatischen Texte der älteren Forschung zum Thema - von denen sich G RUBMÜLLER freilich dezidiert abgrenzt - problematisieren bereits die Vorstellung eines solchen trennscharfen Systems: Hugo K UHN : Gattungsprobleme (1969 [1955]), S. 44 weist darauf hin, dass für das Mittelalter nicht dieselben normativen Gattungsbegriffe angesetzt werden dürfen wie für das 18. und 19. Jahrhundert; Hans Robert J AUSS : Theorie der Gattungen (1972), S. 134 betont, dass literarische Gattungen nicht als genera zu verstehen seien, sondern immer «nur historisch bestimmt, abgegrenzt und beschrieben werden» können. An solchen Bemerkungen mag irritieren, dass beide Beiträge dann doch versuchen, ein Gattungssystem zu etablieren. Mit meinen Überlegungen sehe ich mich stärker einem dynamischen und deskriptiven Gattungskonzept verpflichtet. Auch ein Terminus wie ‹ Gattungsmerkmal › meint daher auch kein ausschliessliches Kriterium, sondern bezeichnet rekurrente Merkmale im Sinne der Wittgensteinschen Familienähnlichkeit (vgl. Anm. 4) und ist daher kein Hinweis auf ein taxonomisches Raster, in das sich die Texte einordnen liessen. 142 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Minnesang, die bereits dann an ihre Grenzen stösst, wenn bedacht wird, dass es ja auch Sangsprüche mit Minnethematik gibt. 7 So betont etwa das neu erschienene Sangspruch- Handbuch die thematische Offenheit der Gattung, wobei als wichtigste thematische Kerne religiöse Unterweisung, Ethik, Zeitkritik, Artes und Wissen, Kunst, Fürstenlob und Heische genannt werden. 8 Die Arbeitsdefinition der Gattung, welche die Herausgeberinnen und Herausgeber dem Band voranstellen, ist dementsprechend sehr vorsichtig formuliert: Als Sangspruchdichtung bezeichnet man eine Art der mittelhochdeutschen und frühneuhochdeutschen Lyrik. Sie ist gesungene, strophische Poesie. Vorwiegend, aber nicht ausschließlich, wurde sie von nichtadligen fahrenden Sängern, die von ihrer Kunst lebten, verfasst und in der Regel wohl vor einem höfischen Publikum aufgeführt. Sie ist thematisch offen, ihre Sprechweise ist überwiegend konstatierend-belehrend, lobend und tadelnd. Meistens, aber nicht immer, hatten die Dichterkomponisten mehrere Melodien ( ‹ Töne › ) in ihrem Repertoire, die mehrfach verwendbar waren, auf die sie also jeweils mehrere eigenständige Strophen dichten konnten. Sehr oft, aber nicht immer, war dabei die in sich geschlossene Einzelstrophe die entscheidende Bezugsgröße, dies wandelte sich aber im Lauf der Zeit, so dass mehrstrophige Gebilde nach und nach zur Regel wurden. Die Gattung entstand im 12. Jahrhundert und erstreckte sich bis in das letzte Drittel des 15. Jahrhunderts. 9 Die Definition hebt als ein der - thematisch disparaten und im Laufe von dreihundert Jahren nicht unerheblichen Transformationen unterworfenen - Gattung grösstenteils gemeinsames Merkmal den belehrenden Redegestus hervor. Sie bleibt aber vorsichtiger als andere Entwürfe zur Gattungsbeschreibung, die auch jenseits der Opposition von selbstreflexivem Minnesang und (bloss) didaktischer Sangspruchdichtung der «didaktische[n] Intentionalität» 10 eine zentrale Rolle zuschreiben. So verweist Ursula S CHULZE im Reallexikon-Artikel zur Gattung bereits im zweiten Satz der Begriffsexplikation auf das Verhältnis von Sangspruch und Lehrdichtung. 11 Die Assoziation von Sangspruchdichtung und Didaxe hat sich bereits so weit verfestigt, dass beispielsweise die Minnesangforschung häufig zu Formulierungen wie 7 Vgl. dazu grundlegend die Überlegungen von E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 37 - 50, die ein historisch flexibles Gattungsmodell postuliert, das sowohl produktionsals auch rezeptionsseitige Kriterien berücksichtigt. Vgl. ähnlich auch dies.: Minnelied und Sangspruch im Kontext der Überlieferung (2006). 8 Vgl. K LEIN , Dorothea / H AUSTEIN , Jens / B RUNNER , Horst (Hgg.): Sangspruch/ Spruchsang (2019), hier S. 205 - 297. 9 R UNOW , Holger: Sangspruchdichtung als Gattung (2019), S. 1. 10 K ÜHLMANN , Wilhelm: Art. ‹ Lehrdichtung › ( 3 2007), S. 394. 11 Vgl. S CHULZE , Ursula: Art. ‹ Sangspruchdichtung › ( 3 2007), S. 352. Vgl. auch T ERVOOREN , Helmut: Sangspruchdichtung ( 2 2001), S. 108, nach dem Sangspruchdichtung in ihrem «invariablen Kern Lehrdichtung» sei. Auch in den germanistisch-mediävistischen Einführungsbänden zum Thema hat die Sangspruchdichtung ihren Platz, so etwa: B OESCH , Bruno: Lehrhafte Literatur (1977), der allerdings das Fehlen von gattungskonstituierenden Merkmalen für die Sangspruchdichtung betont. Ähnlich auch S O WINSKI , Bernhard: Lehrhafte Dichtung des Mittelalters (1971), der ‹ lehrhafte Dichtung › als Überbegriff für einen spezifischen literarischen Stoffbereich auffasst, welcher wiederum in unterschiedliche Gattungen unterteilt werden kann. Für die mittelalterliche Literatur unterscheidet S O WINSKI zwischen «Gattungen der Lehrdichtung» (Bibeldichtungen, Geistliche Lehrgedichte, Verhaltenslehren, Spruchgedichte, Minnelehren, Fabel/ Tierepik, Rätsel, Chroniken, nicht-religiöse Wissenslehren, Reisebeschreibungen, didaktische Gelegenheitsdichtungen) und «Lehrhafte[m] in den nichtdidaktischen Dichtungsgattungen» (Höfische Epik, Märendichtung, Lyrik, Geistliches Spiel, Fastnachtsspiel). Vgl. zuletzt auch L INDEN , Sandra: Lehrhafte Dichtung (2019) zum Verhältnis von Sangspruchdichtung und lehrhafter Dichtung. 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität 143 ‹ didaktisch-sangspruchhaft › greift, um reflexive Passagen zu beschreiben. 12 Auch Claudia L AUER geht in ihrem differenzierten Ansatz davon aus, dass sich der Sangspruch als «universalethische Lehre» «in die Hauptgebiete geistliche Lehre, weltliche Lehre (Herren-, Tugend- und Morallehre, politische Lehre und Kunstlehre)» untergliedern lasse, die sich wiederum in verschiedene Sprechakte (Klage, Preis, Tadel, Rat, Mahnung und Urteil) aufteilen. 13 Was bedeutet dieser Konnex von ‹ Didaktischem › und ‹ Sangspruchhaftem › nun aber für die Frage, wie die Gattung Sangspruchdichtung beschrieben werden kann? Längst hat sich für die literaturwissenschaftliche Forschung die Annahme durchgesetzt, das Mittelalter kenne keine Trennung zwischen Dichtung und Gebrauchstext. 14 Christoph H UBER hat spezifisch für das mittelalterliche Literaturverständnis festgehalten, dass hier «Lehrhaftigkeit als Vermittlung von Wissen und als Handlungsanleitung zum Lebensvollzug eine Grundanforderung [ist], die sich auf den Ebenen der Textproduktion je neu stellt.» 15 Diese Vorstellung wird durch antike 16 und biblische 17 Autorität abgesichert. Darüber hinaus entwickelt sich für das Mittelhochdeutsche, ähnlich wie in den anderen volkssprachigen Literaturen, 18 keine eigentliche Lehrdichtung, die sich als Gattung fassen liesse - im Gegensatz zur mittellateinischen Dichtung der Zeit, die über ihre sprachliche «Verwurzelung in der antiken Literatur eine breite, nie angefochteneTradition ausbilden kann» 19 . Gibt es also signifikante Formtypen und Textsorten, an denen der alle Gattungen betreffende Aspekt der Lehrhaftigkeit besonders sichtbar wird? Dabei ist zwischen einem Verständnis von ‹ didaktisch › auf der Objekt- und auf der Metaebene zu unterscheiden: Die Texte selbst bezeichnen sich selten als lêre o. ä., sondern formulieren Aussagen, aus denen Lehren gezogen werden können. Das Kriterium der Lehrhaftigkeit ist somit eine Zuschreibung der Literaturwissenschaft. Lehrhaftigkeit, will man sie als Gattungskriterium des Sangspruchs nutzen, wäre daher entweder am behandelten Gegenstand festzumachen oder an einer spezifischen Redeweise. Dabei birgt bereits der Begriff ‹ didaktischer Gegenstand › einige Schwierigkeiten. Er ist widersprüchlich, denn da der Gegenstand kaum aus sich selbst heraus belehren kann, braucht er vielmehr eine Mittler- 12 Mir scheint es deshalb verfehlt, in solchen Fällen grundsätzlich von Gattungsinterferenzen zwischen Minnesang und Sangspruch auszugehen. Es ist allerdings zu bedenken, ob nicht Unterschiede in der Aussageform von ‹ didaktischen › Passagen im Minnelied gegenüber dem Sangspruch zu beobachten sind. So hat S CHOLZ , Manfred Günter: Inkompetente Instanzen, defizitäre Tugenden (2009) für den Minnesang festgehalten, dass Werte «weniger propagiert als problematisiert» (S. 105) werden. 13 L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008), S. 43 f. 14 Die Forschung hat auf diese Überlegungen längst reagiert. Als prominentes Beispiel für den Paradigmenwechsel mag das Verfasserlexikon des Mittelalters gelten, das die Erweiterung des Literaturbegriffs auf einen grundsätzlicheren Textbegriff angenommen hat und den Anspruch formuliert hat, das Werk solle «g e s a m t h a f t das deutsche Schrifttum des Mittelalters» aufnehmen (VL I [ 2 1978], S. V [Hervorh. im Original]). Als Reaktion auf diese Überlegungen vgl. C RAMER , Thomas: Brauchen wir eine neue Theorie der Literaturgeschichtsschreibung? (1993). 15 H UBER , Christoph / L IEBERMANN , Wolf-Lüder / W ALZ , Herbert: Art. ‹ Lehrdichtung › (2001), S. 110, Abschnitt von Christoph H UBER : «B.II Das Mittelalter». 16 Vgl. S CHÄFER , Eckart: Horaz Ars Poetica (2008), V. 333 f. 17 Vgl. Rm 15,4. 18 Vgl. den kurzen Forschungsüberblick bei H AYE , Thomas: Das lateinische Lehrgedicht im Mittelalter (1997), S. 35 f. Die Situation im angelsächsischen Raum stellt dabei laut H AYE einen Sonderfall dar. 19 H AYE , Thomas: Das lateinische Lehrgedicht im Mittelalter (1997), S. 17. 144 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität instanz, die das übernimmt. 20 Nach Wilhelm K ÜHLMANN behandelt die Lehrdichtung des Mittelalters «Standesethik, Geistliches, Realienkunde, in Sondertraditionen z. B. auch ‹ Minnelehren › » 21 . Diese Aufzählung diverser doch recht vager Kategorien legt die Frage nahe, welche Inhaltsbereiche dann nicht zum Bereich der Lehrdichtung zu zählen wären. Für die mittellateinische Lehrdichtung hat Thomas H AYE festgehalten, dass die Gattung «keineswegs nur auf jene Themenfelder beschränkt [sei], die als eine im Wissenschaftssystem verankerte ars oder disciplina verhandelt werden.» 22 Ähnliches liesse sich vermutlich auch für die mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung beobachten, beispielsweise an Rumelants Strophenkomplex I,1 - 4. Die vier Strophen, die in dieserAbfolge sowohl in J als auch in C überliefert sind (dort freilich im Walther-Korpus, was wiederum Fragen nahelegt, inwiefern hier Autorschaft als Kohärenzmarker dienen kann), 23 können als zusammengehöriger Strophenkomplex rezipiert werden. 24 Die Strophen sind allesamt nach einem ähnlichen Schema aufgebaut. Nachdem das Strophenprogramm in I,1,1 - 3 formuliert wird (Got in vier elementen sich erscheinet. | ob wir den nicht recht irkenten, der uns hat gereinet? | aller sunden smitten wosch uns abe sin bl ů t), wird in jeder Strophe eines der vier Elemente 25 in Analogie zur Passion Christi gesetzt: (I,1) Wie die Erde mit dem Pflug, so wurde der Körper Jesu Christi zerstochen und als vleischlich erde in den Acker gegeben; (I,2) wie der Luftstrom sich erst durch den Zwang einer Pfeife zu einem schönen Klang verändert, so wurde auch die Luft im Grund des Herzens Christi bezwungen, so dass sie süss und klar im Ruf «Mich dürstet! » entwich; (I,3) Feuer wird nur stark, wenn man es mit dem Blasebalg quält, ebenso wurde auch Gottes Barmherzigkeit durch die Marter der iudenbelge angefacht; (I,4) Wasser kann nur durch Zwang zum Kochen gebracht werden, aber eben dadurch wird es stärker. Auch Gott wurde stärker, indem er sich die Menschwerdung aufbürdete. Das Wasser in seinen Augen war siedend heiss. 20 So konstatiert V OLFING , Annette: Kunst- und Wissenstransfer bei Rumelant von Sachsen (2017), dass «der Sangspruchdichter seine Autorität durch den Einsatz didaktischer Inhalte zu untermauern sucht» (S. 255). V OLFING führt in ihrem Aufsatz Überlegungen zu Strophen Rumelants aus, die sich mit der Vermittlung und Thematisierung von kunst befassen (IV,4 - 5; IV,14; IV,18; IV,22; IV,26; VII,2; der Rumelant-Singûf- Rätselstreit in VIII,2 - 3 und XI,1 - 2 sowie Singûfs Gegenstrophen I,3 - 4; VIII,1; X,2) und grenzt diese von Strophen ab, die «moralische Allgemeinplätze» (S. 263) verhandeln (IV,24; IV,28; VIII,8; X,1). Vielleicht liesse sich die Aussage dahingehend präzisieren, dass der Sangspruchdichter seine Autorität untermauert, indem er in einem didaktischen Gestus Artes-Inhalte präsentiert. 21 K ÜHLMANN , Wilhelm: Art. ‹ Lehrdichtung › ( 3 2007), S. 394. 22 H AYE , Thomas: Das lateinische Lehrgedicht im Mittelalter (1997), S. 164. 23 Bemerkenswert ist, dass die Strophen, die in C unter Walthers Namen überliefert sind (vgl. K ORNRUMPF , Gisela / W ACHINGER , Burghart: Alment [1979], S. 363), in J gerade das Autorkorpus Rumelants von Sachsen eröffnen. Daran zeigt sich, dass die Frage nach einer Autorpoetik stets enggeführt werden muss mit der Frage nach dem jeweiligen handschriftenevozierten Autorbild (vgl. Kapitel 4.2.1). Vgl. zur Stelle auch neuerdings die Überlegungen von R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), S. 146 - 156. 24 Die Forschung hat dementsprechend die Zusammengehörigkeit der Strophen nie bestritten, T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 224 gibt allerdings zu bedenken, dass I,2 - 4 auch als Einzelstrophen «geschlossen und für sich verständlich» seien. Zur Kohärenz des Strophenverbundes I,1 - 5 vgl. R UNOW , Holger: Sinnpotentiale und Erkenntnisgrenzen (2019), S. 149 f. 25 Zur Tradition der Verknüpfung von Passionsthematik und Elementenlehre in den bildlichen Darstellungen der Zeit vgl. K ERN , Peter: Got in vier elementen sich erscheinet (2000). 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität 145 Der Spruch verbindet theologisches Grundlagenwissen mit Wissensbeständen aus dem Bereich der artes liberales (musica) und der artes mechanicae (agricultura, armatura). 26 Dennoch ist die Vermittlung dieser Inhalte nicht das primäre Ziel der vier Strophen. Vielmehr zielt jede einzelne Strophe darauf, im Abgesang deutlich zu machen, dass die Passion Christi die Liebe Gottes zu den Menschen verstärkt habe. Das Passionsgeschehen soll also keineswegs vollständig dargestellt werden, sondern punktuell auf einen bestimmten Zweck hin präsentiert werden. Auf die Bibelhandlung wird nur angespielt - etwa auf die Kreuzesworte (I,2,17 - 19; vgl. Io 19,28) oder mit der Wendung Kristes ougen wazzer sot in walme (I,4,11) auf die Trauer und Verzweiflung Christi in Gethsemane (Mt 26,36 - 44; Mc 14,32 - 38). Der Referenzrahmen ist allen Beteiligten bekannt. Neben der Vermittlung von Heilsgewissheit stellt das Gotteslob einen wichtigen Aspekt der Strophen dar (etwa I,3,21 f.), darüber hinaus finden sich in dem Strophenkomplex aber auch Passagen, in denen ein Moment der Agonalität hervorbricht: Zwischen der Schilderung des durch Zwang zum Kochen gebrachten Wassers (I,4,1 - 4) und der Analogie zu Gott (Got ist gelich dem wazzer in disen sachen; I,4,7), wirft der Sänger ein: swer mich des mit kunst v ů rgudet, des m ů z ich untgelten. | ob ich daz bewise? des wirt man gewar! (I,4,5 f.) Obwohl die Artes-Inhalte also eine ‹ didaktische › Redeweise erwarten lassen könnten, muss das nicht zwingend der Fall sein. Eine wissensvermittelnde Redeweise kann eine unter anderen sein, zu der Redeweisen wie Gotteslob oder Kunstdemonstration ergänzend und/ oder entgegenlaufend hinzutreten können. Es wäre also eine umfassendere ‹ Sangspruch-Redeweise › zu beschreiben. Ausgehend von den Überlegungen zu Rumelants Strophen I,1 - 4 würde ich die folgende Minimaldefinition vorschlagen, die sich zwar an die Überlegungen H AYES zur spezifischen Redeweise des lateinischen Lehrgedichts anlehnt (auch wenn dafür ganz andere Gattungsimplikationen gelten), 27 aber explizit nicht als eine ‹ didaktische › Redeweise verstanden werden soll. Sie zeichnet sich aus 1) durch den Miteinbezug der Rezipienten, der entweder produktiv in den Sinnstiftungsprozess eingreifen und die Leerstellen, die der Text hervorbringt, ‹ füllen › kann (vgl. Kapitel 3.3) oder der dem Sänger die Inszenierung eines Wissensvorsprungs ermöglicht, 2) folglich durch einen (tatsächlichen oder - gerade im Fall der Berufsdichter - häufig inszenierten und erst im Schreiben generierten 28 ) Wissensvorsprung des Sängers gegenüber 26 Auch die in J unmittelbar auf I,1 - 4 folgende Strophe I,5 (in C ist sie - anders als die vier Passionsstrophen - nicht unter Walther überliefert) verknüpft religiöse Thematik mit der Terminologie der artes mechanicae. 27 Vgl. H AYE , Thomas: Das lateinische Lehrgedicht im Mittelalter (1997), S. 38: «Lehrgedichte sind vorwiegend präsentische, indikativische Texte in Versen, die primär und unmittelbar auf die systematische Vermittlung von reproduzierbarem Wissen abzielen, sie beruhen auf einer fiktiven Kommunikationssituation zwischen dem Lehrer, der in der ersten Person spricht, und dem direkt angesprochenen, weitgehend passiven Schüler. Die Verbindung der beiden Personen erfolgt durch eine gemeinsame Objektreferenz. Lehrgedichte wollen nach Konzeption, Umfang und poetischem Arsenal als eigenständige Gedichte ernst genommen werden, sie werden durch ein Prooimion eingeleitet und oftmals auch durch einen Epilog beendet; es gibt keine Strukturierung von Ort und Zeit, somit auch keine Handlung; der Inhalt ist zumeist einschlägigen Prosa-Vorlagen entnommen.» 28 Vgl. L ÄHNEMANN , Henrike / L INDEN , Sandra: Was ist lehrhaftes Sprechen? (2009), S. 2. Es versteht sich von selbst, dass dieser inszenierte Wissensvorsprung in einem engen Zusammenhang zu sehen ist mit dem Geltungsanspruch, den die Sangspruchdichter um 1300 geradezu programmatisch ausstellen. W ENZEL , Franziska: Souveränität in der Sangspruchdichtung (2015) hat gerade diese «Relevanzprätention» als einen «Faszinationskern» des Sangspruchs ausgemacht, aus dem sich eine «Interessenslage» speist, «die unterschiedliche Gebrauchs- und Diskurszusammenhänge und auch den Wandel des Texttyps in der Zeit übergriff.» (S. 171 f.). 146 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität dem Publikum und ein dementsprechendes Hierarchiegefälle, wobei die Demonstration von Gelehrsamkeit nicht einhergehen muss mit Belehrung, 29 3) durch den häufigen Rückgriff auf andere (namentlich genannte und anonyme) Autoritäten oder allgemeine Wissensbestände etwa im Modus ‹ sentenzhafter › Rede sowie 4) durch eine personale Beziehung zwischen Sänger und Rezipienten, die sprachlich deutlich gemacht werden kann durch die Verwendung von Personalpronomina oder direkter Ansprache. Aus diesen bewusst offen formulierten Merkmalen ergibt es sich, dass die Sprecherrollen, Themenwahl und die pragmatische Einbindung der einzelnen Strophen und Strophenkomplexe stark variieren. Es lassen sich zwar Tendenzen feststellen, kaum aber abschliessende Definitionskriterien. So verwundert es nicht, dass Dorothea K LEIN , Trude E HLERT und Elisabeth S CHMID gar die «Offenheit» der Sangspruchdichtung zu benachbarten Texttypen wie dem Minnelied, aber auch darüber hinaus zu nicht-lyrischen Textsorten wie der Fabel oder der Predigt als Gattungsmerkmal festgestellt haben. Dass eben diese Offenheit die Abgrenzung der Gattung erschwert, ist das Dilemma jedes Versuchs, Sangspruchdichtung als Gattung zu beschreiben. 30 Demnach wäre man versucht, anzunehmen, dass bei so einer ‹ instabilen › Gattung diejenigen Textstellen, an denen Verweise über die Gattungsgrenzen hinweg auszumachen sind, eine besondere Herausforderung darstellen. Allerdings ist für die mittelalterliche Literatur im Allgemeinen und für die Lyrik im Besonderen bereits häufig festgestellt worden, dass ein ‹ gattungshafter Kern › gerade dort am deutlichsten auszumachen ist, wo Gattungsinterferenzen zu beobachten sind. Entsprechend sind Gattungen sogar immer nur in der Relation zwischen unterschiedlichen Texten zu beschreiben, weil die Grenzüberschreitung die Gattungsgrenzen erst sichtbar macht. 31 Mit Blick auf intertextuelle Verweise der Sangspruchdichtung auf andere Gattungen gehe ich daher der Frage nach, wie diese in Bezug auf die Kohärenzfrage zu gewichten sind: Wird durch intertextuelle Zitate Kohärenz zwischen verschiedenen Gattungen hergestellt oder dient das Neufunktionalisieren von Passagen aus Fremdtexten nicht auch dazu, das Profil der Gattung Sangspruchdichtung zu schärfen? Der Umgang mit der durch intertextuelle Verweise produzierten Mehrdeutigkeit verspricht schliesslich Rückschlüsse auf die spezifische Gattungspoetik. Auch Jahrzehnte nach der Spruch-Lied-Debatte 32 und ein halbes Jahrhundert nach Kurt R UH s grundlegendem Aufsatz über die «[m]ittelhochdeutsche Spruchdichtung als gattungsgeschichtliches Problem» 33 , der gerade die Zeitgebundenheit von Gattungsbestimmungen 29 H AUSMANN , Albrecht: Die vröide und ihre Zeit (2004) sieht einen entscheidenden Unterschied zwischen Minnesang und Sangspruch darin begründet, dass der Sänger im Minnesang sein Wissen erst diskursiv gewinnen muss (und die Rezipienten so die Möglichkeit zum Mitvollzug erhalten), wohingegen der Sangspruchdichter auf ein bereits vorhandenes «Weltwissen» (S. 177) zurückgreift. Dass dieser (inszenierte) Wissensvorsprung allerdings zwingend bedeuten muss, dass der Sänger sein Wissen einem Publikum auch vermittelt (so H AUSMANN ), erschliesst sich mir nicht. 30 Vgl. K LEIN , Dorothea / E HLERT , Trude / S CHMID , Elisabeth: Vorwort (2007), S. IX. 31 Vgl. B REM , Karin: Gattungsinterferenzen (2003). 32 Vgl. den älteren Forschungsbericht von Helmut T ERVOOREN : «Spruch» und «Lied» (1972), sowie das Kapitel VIII «Terminologisches. Das Problem Lied - Spruch» in: T ERVOOREN , Helmut: Sangspruchdichtung (2001), S. 83 - 92. Vgl. neuerdings auch die Einleitung und den Forschungsbericht in: K LEIN , Dorothea / H AUSTEIN , Jens / B RUNNER , Horst (Hgg.): Sangspruch/ Spruchsang (2019), S. 1 - 41. 33 Vgl. R UH , Kurt: Mittelhochdeutsche Spruchdichtung als gattungsgeschichtliches Problem (1968). 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität 147 betont, steht die Einordnung einzelner Autoren und Strophen in ein gattungsinternes Traditionsgefüge immer noch im Fokus der Sangspruchforschung. 34 Nach der Fertigstellung des Repertoriums der Sangsprüche und Meisterlieder hat Johannes J ANOTA 2007 als eine der neuen Forschungsaufgaben eine «differenzierte und differenzierende Gattungsdiskussion» 35 gefordert, zugleich jedoch noch einmal auf ein «verzwicktes Doppelproblem» 36 aufmerksam gemacht: dass nämlich das (notwendige) Bestreben nach einer möglichst genauen Unterscheidung zwischen Lied, Sangspruch und Meisterlied den mannigfachen Gattungstransformationen zwischen eben diesen entgegensteht. In der Folge versuchten zahlreiche Beiträge, die Gattungsgrenzen der Sangspruchdichtung zu schärfen - sei es diachron in Abgrenzung zum mehrstrophigen Meisterlied, synchron durch die Opposition zum Minnesang oder über motivzentrierte Vergleiche mit nicht-lyrischen Gattungen. 37 Ausblicke in Nachbarwissenschaften, z. B. in die lateinische oder romanische Philologie 38 , in die Musikwissenschaft 39 oder in die Kunstgeschichte, 40 ermöglichten es, die Gattung Sangspruchdichtung weiter zu profilieren. Arbeiten zur Intertextualität haben für die Sangspruchdichtung v. a. die Interferenzen von Sangspruch und Minnesang in den Blick genommen und - im Anschluss an die massgebliche Untersuchung Burghart W ACHINGER s 41 - gattungsinterne Intertextualität mit dem Schwerpunkt auf Sängerpolemik untersucht. Für die Analyse von Interferenzen zwischen 34 Die Forschung interessierte sich hier v. a. für die Übergangsbewegungen von Sangspruchdichtung und Meistersang (B ALDZUHN , Michael: Vom Sangspruch zum Meisterlied [2002]; B RUNNER , Horst: Die alten Meister [1975]; ders.: Formgeschichte der Sangspruchdichtung [2013]; ders.: Tradition und Innovation [1983]; S CHANZE , Frieder: Meisterliche Liedkunst [1983 - 84]; W ACHINGER , Burghart: Sangspruchdichtung und frühe Meisterliedkunst [2007]); vgl. grundsätzlich zum Thema: E GIDI , Margreth / M ERTENS , Volker / M IEDEMA , Nine (Hgg.): Sangspruchtradition (2004). Aus neuester Zeit sind die Beiträge von F LEISCHMANN , Marie Ann: Rudimente des Sangspruchs (2017); L ANGE , Judith: Hypertextuelle Transformationsprozesse (2017); R OSMER , Stefan: Die Tradition des geistlichen Sangspruchs (2015); ders.: Geistliche Meisterlieder (2017); Y AO , Shao-Ji: Tradition - Imitation - Innovation (2017) zu erwähnen. 35 J ANOTA , Johannes: Forschungsaufgaben (2007), S. 6 [Hervorh. im Original]. 36 J ANOTA , Johannes: Forschungsaufgaben (2007), S. 8. 37 Einschlägig für die Frage nach Gattungsinterferenzen zwischen Minnesang und Sangspruchdichtung sind B REM , Karin: Gattungsinterferenzen (2003); E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002); dies: Minnelied und Sangspruch im Kontext der Überlieferung (2006); P EIL , Dietmar: Wîbes minne ist rehter hort (1996); S CHNELL , Rüdiger: Minnesang und Sangspruch (2013) zu nennen; lyrikübergreifend etwa K ÄSTNER , Hannes: Sermo Vulgaris oder Höfischer Sanc (1996); M ERTENS , Volker: Meistergesang und Predigt (2004). Aktuell vgl. etwa auch S TEINKE , Robert: Tiermotivik zwischen Fabel und Allegorie (2017); V IEHHAUSER , Gabriel: Treueproben in Sangspruchtönen (2017); W ELKER , Lorenz: Melodisch-rhythmische Differenzierung (2017). Vgl. zum Thema der Gattungsinterferenzen und der Verortung der Gattung im europäischen Kontext auch den Sammelband von K LEIN , Dorothea / E HLERT , Trude / S CHMID , Elisabeth (Hgg.): Sangspruchdichtung (2007). 38 Vgl. zum lateinischen Sangspruch bereits K ÜHNE , Udo: Entwicklungen der lateinischen Lyrik (2007); ders.: Kunstbedingungen des lateinischen Sangspruchs (2015); sowie C ALLSEN , Michael: Lateinischer Sangspruch und lateinische Lyrik (2017); R EISINGER , Roman: Französische Sangspruchdichtung (2017). 39 Vgl. K ÖRNDLE , Franz: Die ‹ Jenaer Liederhandschrift › und das Basler Fragment (2010); K ORNRUMPF , Gisela / W ACHINGER , Burghart: Alment (1979); M ÄRZ , Christoph / W ELKER , Lorenz: Überlegungen zur Funktion und zu den musikalischen Formungen (2007); grundlegend die Arbeiten von Johannes R ETTELBACH (z. B. ders.: Minnelied und Sangspruch [2007]; ders.: Variation - Derivation - Imitation [1993]); aktuell vgl. H OPE , Henry: Zur Performanz von Frauenlobs Spruchmelodien (2017); L UKASSEN , Valerie: Melodien des Spruchsangs (2017); V LHOVÁ -W ÖRNER , Hana: Die Spruchsang-Melodien (2015). 40 Vgl. L EWON , Marc: Meister Heinrich Frauenlob (2015). 41 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973). 148 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Sangsprüchen und Erzähltexten ist auf die Arbeiten zur Parzival-Rezeption in den Wartburgkrieg-Texten zu verweisen. 42 An diese Überlegungen möchte ich anschliessen, wähle dafür aber einen etwas anderen Fokus: Das erste Kapitel dieser Arbeit konzentrierte sich mit Blick auf stropheninterne Kohärenz besonders auf ‹ sentenzhafte › Pointen, das zweite - für die Frage nach strophenübergreifender Kohärenz - auf allegorisch-rätselhafte Zeichenstrukturen. Für das dritte textanalytische Kapitel soll die Perspektive noch stärker geöffnet und die Transformation von bildsprachlichen Phänomenen innerhalb der Sangspruchdichtung Rumelants untersucht werden, wobei der Fokus auf derAnalyse des spezifischen Zeichengebrauchs der Gattung liegt: Sind charakteristische Sangspruch-Metaphern auch in Minneliedern derjenigen Autoren, von denen sowohl Minnesang als auch Sangspruchdichtung überliefert ist, feststellbar? Und anders gefragt: Mit welchen Phänomenen übertragener Rede referieren wiederum die Sangsprüche auf andere Gattungen? Dabei geht es mir nur am Rande darum, aufzuzeigen, wie der höfische Liebesdiskurs in Sangspruchstrophen behandelt wird, d. h. Spruchstrophen mit Minnethematik zu untersuchen. 43 Vielmehr scheint es mir zielführend, der Frage nachzugehen, wie in Strophen, die gemeinhin als sangspruchtypisch aufgefasst werden, auf andere Gattungshorizonte ausgegriffen wird, und somit die Kriterien allgemein als ‹ spruchhaft › (oder entsprechend auch ‹ liedhaft › ) bezeichneter Elemente auf die Probe zu stellen. Jens H AUSTEIN hat für das Œ uvre Konrads von Würzburg die Frage aufgebracht, «wie sehr die Art und Weise des Metapherngebrauchs, das Maß des erlaubten und sinnvollen Befremdens oder auch nur Staunens über das Bild, abhängig ist von der Frage, wer spricht» - Konrad als «Legendenautor», als «Vermittler antiker Dichtung», «Minnesänger», «Sangspruchdichter» oder «Märendichter». 44 Nimmt man davon ausgehend auch für andere mittelalterliche Autoren einen übergreifenden gattungsabhängigen Metapherngebrauch an, kann folglich auch überlegt werden, was geschieht, wenn ‹ gattungsfremde › Phänomene übertragener Rede in Sangspruchstrophen integriert werden. Werden sie im neuen Gattungszusammenhang anders funktionalisiert? Was bedeutet das? Welche Auswirkungen hat das auf den anzusetzenden Autorbegriff ? Und wie sind die Strophen zu gewichten, in denen z. B. punktuell Anklänge an andere Textsorten auszumachen sind? In einem ersten Schritt soll es um die Frage gehen, was es für die Vorstellung einer kohärenten Gattung Sangspruchdichtung bedeutet, wenn sich intern verschiedene Redeweisen beschreiben lassen (vgl. Kapitel 4.1.1 und 4.1.2). Wie kohärent sind wiederum diese? Lassen sich auch Interferenzen feststellen - und dient der markierte Übertritt dabei als Reflexionsmöglichkeit? Zweitens soll dem Doppelcharakter von Rumelants Autorprofil - als Sangspruchdichter und als Minnesänger (zugegebenermassen eines schmalen Œ uvres) - Rechnung getragen werden: Es ist zu überlegen, inwiefern sich die Bildsprache der Minnelieder und der Sangsprüche voneinander unterscheiden. Gibt es jenseits von gattungstypologischen Tradi- 42 Vgl. einschlägig R AGOTZKY , Hedda: Studien zur Wolfram-Rezeption (1971); B ULANG , Tobias: Intertextualität und Interfiguralität (2015). 43 Vgl. etwa E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), deren «Erkenntnisinteresse» sich «auf die textuellen Verfahrensweisen und Strukturen, die in der Spruchdichtung von Walther von der Vogelweide und Reinmar von Zweter bis Frauenlob für den Entwurf höfischer Liebe wie für den Frauenpreis entwickelt werden» richtet (S. 13). 44 H AUSTEIN , Jens: êren zol und schanden clôse (2017), S. 156. 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität 149 tionsmustern Hinweise, die auf die bildsprachliche Kohärenz der Gattung schliessen lassen oder muss im Gegenteil eher eine Art Autorsignatur angenommen werden, die gattungsübergreifend festzustellen ist? Oder kann beides zusammenwirken (vgl. Kapitel 4.2.1)? Davon ausgehend sind auch die Meisterlieder in k (vgl. Kapitel 4.3.2) sowie die lateinische Cantio unter Rumelants Namen (vgl. Kapitel 4.3.1) in die Analyse miteinzubeziehen und zu fragen, ob und welche synchrone (in der Wechselwirkung von Latein und Volkssprache) oder diachrone Veränderungen sich feststellen lassen. Schliesslich ist zu überlegen, wie die intertextuellen Verweise in Bezug auf die Kohärenzfrage zu gewichten sind: Wird durch intertextuelle Zitate Kohärenz zwischen verschiedenen Gattungen hergestellt oder dient das Neufunktionalisieren von Passagen aus Fremdtexten nicht auch dazu, das eigene Profil zu schärfen? 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration Die schwierige Frage nach der Kohärenz der Gattung mag dazu verführen, eine feinkörnigere Einstellung verwenden zu wollen, den Blick auf die unterschiedlichen Redeweisen innerhalb der Sangspruchdichtung zu richten und diese als einheitliche Gruppierungen exakt voneinander abzugrenzen. So hat sich auch die aktuelle Forschung über die Diskussion zur Abgrenzung von Sangspruch und Minnelied hinaus damit beschäftigt, verschiedene ‹ Untergattungen › oder ‹ Untertypen › zu identifizieren. Sie nutzt dabei verschiedene Kriterien, um diese zu beschreiben - Kontext, Thema, Argumentationsstrategie, Adressatenbezug, Sprecherrolle etc. 45 Für die Sangspruchdichtung des späten 13. Jahrhunderts zeigt sich eine zusätzliche Schwierigkeit: Wie ist mit Strophen umzugehen, die sich zu grösseren Komplexen zusammenschliessen lassen? Die Überlegungen zu Rumelants Strophen V,1 - 3 haben gezeigt, dass sich Strophen zwar auf einer bildsprachlichen Ebene als kohärent erweisen, in ihrem Aussagegestus hingegen sehr verschieden sein können (vgl. Kapitel 3.3). Dementsprechend ist zu überlegen, welche textuellen Einheiten einer ‹ Untergattung › - verstanden als Realisierungsmöglichkeit der oben erwähnten Minimaldefinition - zugeordnet werden können: ein Strophenkomplex, eine Einzelstrophe, ein Teil einer Einzelstrophe? Im Gegensatz zur Unterscheidung zwischen Minnesang und Sangspruch, die zumindest den Redaktoren der Liederhandschriften des 14. Jahrhunderts als bekannt vorausgesetzt werden kann, handelt es sich beim Versuch, Untergattungen der Sangspruchdichtung herauszuarbeiten, um eine nachträgliche Grenzziehung der Forschung, die sich aus den mittelalterlichen Texten nicht direkt erschliesst. Selbst die bekannte Strophe Reinmars des Fiedlers ( 1 ReiFi/ 3/ 1) über Leuthold von Seven, die einen «Katalog von Liedtypen» 46 auflistet, bietet kein Argument für eine zeitgenössische Gattungstypologie, denn sie lässt uns über relevante Punkte im Unklaren: «ob Leuthold die erwähnten Gedichtarten beherrscht, ob sie alle zum üblichen Repertoire eines Sangspruchdichters gehören und, ganz grundsätzlich, ob diese Begriffe überhaupt als bestehende und definite Gattungsbezeichnungen zu verstehen sind». 47 Mit dem Bewusstsein um diese Ahistorizität möchte ich dennoch versuchen, zwei unterschiedliche Untergattungen innerhalb der Sangspruchdichtung - Panegyrik und Polemik - genauer zu 45 Eine Übersicht bietet S CHUBERT , Martin: Hügeliet - zügeliet - rüegliet (2000), S. 104. 46 RSM 5, S. 224. 47 S CHUBERT , Martin: Hügeliet - zügeliet - rüegliet (2000), S. 103. 150 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität analysieren. Dabei gehe ich von den Überlegungen Martin S CHUBERT s aus, der ausgeführt hat, dass das Vorhandensein von Interferenzen auf die Reflexion von (Unter-)Gattungskonventionen rückschliessen lässt. 48 4.1.1 Panegyrik und Erotik: Rumelants Strophe VIII,12 Kennzeichnend für die Gattung Sangspruchdichtung sind Strophen, die als Heischestrophen, Gönnerlob bzw. -schelte, Armutsklage etc. sich in einem doppelten Referenzrahmen befinden zwischen ausserliterarischer Anbindung und ‹ Autonomie › , 49 wobei sich meine Ausführungen stärker auf die literarische Verfasstheit der Strophen als auf ihre mögliche historische Verortung konzentrieren (vgl. Kapitel 1.1). 50 Entsprechend sind auch die Gönnernennungen in der Sangspruchdichtung immer sowohl ‹ literarisiert › zu verstehen, d. h. durchaus ästhetischen Prinzipien unterliegend, als auch als historisch referentialisierbare Passagen. 51 Die Doppelreferenz gilt freilich nicht ausschliesslich für den Sangspruch, denn Panegyrik ist nicht an eine spezifische Gattung gebunden, sondern erfährt im Mittelalter - nachdem sie bereits im genus demonstrativum der Rhetorik angelegt ist - zahlreiche Ausprägungen in verschiedenen Gattungen. 52 Der Anteil panegyrischer Strophen variiert allerdings innerhalb der einzelnen Gattungen. Für die Sangspruchdichtung stellen sie einen massgeblichen Anteil am Strophenbestand dar. Panegyrische Sangsprüche im Rumelant œ uvre Auch das Œ uvre Rumelants von Sachsen enthält eine Reihe (weltlicher) 53 panegyrischer 48 Vgl. S CHUBERT , Martin: Hügeliet - zügeliet - rüegliet (2000), S. 108, mit Rückgriff auf Albrecht H AUSMANN s (Reinmar der Alte [1998]) Überlegungen zum Minnesang. 49 Zum Versuch «literarische[] Interessensbildung und ihre[] Orientierung an außerliterarischen Zwecken» und «literarische[] Autonomie» zusammenzudenken vgl. H UBER , Christoph: Herrscherlob und literarische Autoreferenz (1993) sowie H AUSTEIN , Jens: Autopoietische Freiheit (1997). Vgl. zur Verwendung des Autonomiebegriffs im Kontext der Sangspruchdichtung auch Kapitel 1.1. 50 Für die Sangspruchdichtung hat M ÜLLER , Ulrich: Politische Lyrik I (1973) die verschiedenen realhistorischen Bezüge einschlägig aufgezeigt. 51 Vgl. zur Frage nach der historischen ‹ Wirklichkeit › und dem propositionalen Gehalt literarischer Gönnernennungen R EUVEKAMP -F ELBER , Timo: Einleitung (2017). Wie unterschiedlich die Komplexitätsgrade historischer Referenzmöglichkeiten zu bewerten sind, hat neuerdings B ASTERT , Bernd: Der Beginn der deutschen Literatur (2019) an den zahlreichen Erwähnungen des thüringischen Landgrafen Hermanns I. aufgezeigt. 52 Vgl. G EORGI , Annette: Das lateinische und deutsche Preisgedicht (1969), die ausgewählte Sangspruch- Beispiele dezidiert unter dem Traditionseinfluss lateinischer Poetiken und Rhetoriken sowie der Gattung des lateinischen Preisgedichts betrachtet. Eine Übersicht aus rhetorischer Perspektive bietet ausserdem M AUSE , Michael: Art. ‹ Panegyrik › (2003). 53 Es wäre durchaus auch möglich, geistliche Panegyrik als Untergattung der Sangspruchdichtung zu begreifen. Der Befund liesse sich auch insofern überlieferungshistorisch stützen, als gerade J Marien- oder Gotteslobstrophen häufig an erster Stelle eines neuen Tones platziert, vgl. T ERVOOREN , Helmut: Sangspruchdichtung ( 2 2001), S. 76. Im Rumelant- Œ uvre werden die Töne V (vgl. Kapitel 3.3), VII, VIII und IX mit Strophen eingeleitet, die ihren ‹ Tonweihe › -Status selbst thematisieren: Der [= Maria] wil ich singen minen sanc, | daz erste lob in dieser nuwen wise (V,1,7 f.); Du aller herste [= Gott], dir daz erste | lob in dirre nuwen wise ich singe. (VII,1,5 f.); daz erste lob in disser wise irklinge | Dem herren, der e was unde ist | unde immer blibet: Jesu Krist (VIII,1,12 - 14); Daz erste lob an disser wise isch singe | dir, s ů ze got, du vater aller dinge (IX,1,1 f.). Auch die Strophen zu Beginn der Töne I, III und IV sind geistlichen Inhalts. Ähnlich auch beim 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 151 Strophen, 54 allein in elf lassen sich - ausdrücklich genannt oder verklausuliert - die Namen der jeweiligen Herrscher identifizieren, wobei diese Herrschernamen davon zeugen, dass Rumelant in einem verhältnismässig grossen Rahmen produktiv war. 55 Drei Strophen loben Herzog Albrecht I. von Braunschweig ( † 1279) 56 , zwei Herzog Ludwig II. von Bayern ( † 1294) 57 , zwei in J als Fürstenlob und Totenklage unmittelbar aufeinanderfolgende Barnim I. von Stettin ( † 1278) 58 , zwei stehen im Kontext des Königs Rudolf von Habsburg ( † 1291) 59 und eine Strophe rühmt den Grafen Gunzelin III. von Schwerin ( † 1274) 60 . Gleich zwei 61 gleichnamige mecklenburgische Ritter sind Gegenstand einer Lobpreisstrophe: Zabel von Redichsdorp und Zabel von Plawe 62 . Teilweise verwendet Rumelant ein und denselben Ton für unterschiedliche Herrscher; zudem enthalten einzelne Töne (z. B. II, VI, VIII) mehr panegyrische Strophen als andere (z. B. III). Marner, dessen Töne oft mit einer Marienlobstrophe beginnen, vgl. H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 48 - 110. Von einer grossen zeitlichen Spannbreite zeugen weitere Strophen(komplexe), die als ‹ Tonweihen › gelten können: z. B. 1 Beh/ 1; 1 Beh/ 69; 1 Damen/ 3/ 1; 1 Damen/ 4/ 1; 1 Damen/ 4/ 8; 1 Frau/ 7/ 101; 1 Frau/ 8/ 103; 1 Hölf/ 1; 1 Mei/ 1/ 1; 1 Sigeh/ 5/ 1; 1 Sigeh/ 6/ 1; 1 WaltBr/ 2/ 1 - 2; 1 WaltV/ 9/ 3; 1 WaltV/ 14/ 1 - 2; 1 Wizlav/ 1/ 1. 54 I,6; I,7; I,8; II,4; II,12; II,13; II,14; II,15; III,3 (behandelt die Konkurrenzsituation zwischen laienpfaffen und Sangspruchdichtern); IV,11 (sofern die Exempelstrophe als Herrenlehre interpretiert wird, vgl. dazu Kapitel 3.4.3); IV,14; IV,15; IV,16; IV,17; IV,23; IV,24; IV,29; V,7; V,8; VI,5; VI,8 (Fragment); VI,9; VI,10; VII,4; VII,5; VIII,4; VIII,6; VIII,7; VIII,10; VIII,12. 55 Die Sangsprüche Rumelants lassen sich durch niederdeutsche Reminiszenzen in diesem Sprachraum verorten, wobei die in den Texten erwähnten Herrscher eine Tätigkeit als fahrender Dichter hauptsächlich im Nordosten Deutschlands - mit Reisen in den Westen Deutschlands und vielleicht sogar bis nach Dänemark - nahelegen (vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 6). L AYHER , William: Meister Rumelant & Co. (2000) geht sogar davon aus, dass Rumelant die Strophen, welche die Ermordung des dänischen Erik V. Klipping verhandeln (VI,10 und X,3 - 5), auf mittelniederdeutsch vor einem zweisprachigen - altdänisch und mittelniederdeutsch - Publikum vortrug. Kritisch wendet sich M URRAY , Alan V.: Danish Kings and German Poets (2017), S. 158 f. gegen L AYHER s These, der stattdessen vorschlägt, als Auftraggeber den Markgrafen von Brandenburg anzunehmen, der Rumelant mit dem Verfassen der Strophen zu Gunsten seiner dänischen Verwandtschaft angewiesen hatte. Diese Strophen spielen allerdings für die folgenden Analysen keine Rolle, da ich sie nicht als Preisstrophen verstehe. Vgl. zu Rumelants Aufenthalt am dänischen Hof zudem S CHRÖDER , Reinhold: Rumelant von Sachsen (1997). 56 II,12; VI,5; VIII,4 (Totenklage). Für weitere Belege der Gönnerschaft Albrechts I. vgl. B UMKE , Joachim: Mäzene im Mittelalter (1979), S. 219 - 222; zu Rumelants Sprüchen auf den stern ze Bruneswich vgl. S. 221 f. 57 II,13; VI,9. Vgl. B UMKE , Joachim: Mäzene im Mittelalter (1979), S. 194 - 198, bes. S. 196 f. Zur Datierung der Strophe II,13 im Kontext der Königswahl Rudolfs I. am 1. Oktober 1273 vgl. M ÜLLER , Ulrich: Politische Lyrik I (1973), S. 135. 58 II,14 - 15. Vgl. B UMKE , Joachim: Mäzene im Mittelalter (1979), S. 255. 59 II,13 und V,7. Vgl. B UMKE , Joachim: Mäzene im Mittelalter (1979), S. 197. 60 VIII,10. Vgl. B UMKE , Joachim: Mäzene im Mittelalter (1979), S. 271. 61 Fürstenpreisgedichte auf mehrere (meist zwei) Personen waren v. a. im 13. Jahrhundert beliebt, vgl. die Belege bei M ÜLLER , Ulrich: Politische Lyrik I (1973), S. 452 - 455. Dass es sich dabei jedoch keineswegs um eine zeitspezifische Erscheinung handelt, zeigt Walthers Spruch L 34,34. 62 VIII,12. Die beiden Zabel treten in verschiedenen mecklenburgischen Urkunden zwischen 1274 und 1280 nebeneinander als Zeugen auf (vgl. die Belege bei P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant [1893], S. 14 f.). Eine Verwandtschaft ist strittig: B UMKE , Joachim: Mäzene im Mittelalter (1979), S. 282 schliesst sie aus, K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 620 f. und R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011) gehen im Anschluss an P ANZER von einem verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Verhältnis aus. 152 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität In den neun Strophen wendet Rumelant jeweils unterschiedliche Strategien an, um die Herrscherqualitäten der Fürsten adäquat zu erfassen. Grob lassen sich die Fürstenlobstrophen seines Œ uvres drei Kategorien zuordnen: 1) Strophen, die eine oder mehrere herrscherliche Tugenden (milte, êre, tugent) besonders herausstellen (II,14; II,15; VIII,4; VIII,10). 2) Analogien, wobei zwischen Strophen unterschieden werden kann, in denen der angesprochene Herrscher mit Naturphänomenen (II,13 und VI,5) sowie - ex negativo - mit verschiedenen Tieren verglichen wird (VI,9). 3) Sprüche, welche die Vorzüglichkeit des Gelobten als argumentum a nomine direkt aus dem Herrschernamen ableiten. Etymologisierende Namensherleitung als panegyrische Strategie Gert H ÜBNER hat für die Sangspruchdichtung zeigen können, dass gerade im Fürstenlob, nach H ÜBNER die «unautonomste[], funktionalisierteste[] aller höfischen Gattungen», «die Dichter den besten Grund [hatten], ihre Kunstfertigkeit - und das heißt: ihre Technik - extensiv vorzuführen und ausdrücklich auf sie hinzuweisen.» 63 Im Rumelantkorpus lässt sich dies besonders deutlich an der Preisstrophe auf den dänischen König Erik VI. Menved (V,8) und am Bruneswich-Kryptogramm (II,12) zeigen, auf das später noch zurückzukommen ist. Nach einem ähnlichen Muster verfährt auch die unikal in J überlieferte Lobstrophe VIII,12 auf die Herren von Zabel: Set an zwei edel zabeltier! die machen werde, riche zimier den mantel, da vrou Ere hat ir bruste mit bedecket. Die zabel haben ritter leben, swie vil der toden zabel sweben v ů r maniger brust of richer wat, die bliben ungewecket. Von Riddagesdorf vrouwen Eren Zabel, von Plawe ein Zabel so riche, Der truwen anker unde kabel, zwene also g ů te zabele, den geliche, Die sach nie man v ů r vrouwen brust. vrou Ere selben hat die lust, daz sie die Zabele hat gekust, so daz in laster milewen rust nicht nahen m ů z. al schande von in wiche! (VIII,12) 64 63 H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000), S. 220 f. 64 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 210. Seht die zwei edlen Zabel (Zobel) an! | Die gereichen dem Mantel zur kostbaren, herrlichen Zierde, | mit dem Frau Ehre | ihre Brust bedeckt hat. | Diese Zabel (Zobel) haben das Leben von Rittern, | während doch viele tote Zabel (Zobel) vor mancher Brust auf prächtiger Kleidung schlafen, | die [dort] reglos verharren. | Von Redichsdorf, Frau Ehren Zabel, | von Plawe ein sehr edler Zabel, | Anker und Ankertau der Treue, | zwei ebenso gute Zabel (Zobel), ihnen gleich, | die sah kein Mensch vor der Brust einer Dame. | Frau Ehre selbst hatte das 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 153 Die Strophe beginnt mit einer Beschreibung des Mantels, den die personifizierte Frau Ehre trägt. 65 Er sei mit zwei edel zabeltier geschmückt. Im Gegensatz zu manchen toten zabel, die an prächtiger Kleidung hängen, haben diese zabel ritter leben. Dies ist bereits ein Verweis auf V. 9 f., denn mit dem Abgesang werden die beiden Zabel namentlich eingeführt. Zabel von Redichsdorp und Zabel von Plawe werden durch den Kuss der Frau Ehre vom Milbenfrass des Lasters geschützt. Ulrich M ÜLLER bilanziert für Rumelants Spruch: «Der Dichter hat also diese Vornamen für sein Bild ‹ wörtlich › genommen.» 66 Damit greift er freilich etwas zu kurz, denn mit den zabel(tier) sind in VIII,12 nicht durchgängig dieTiere bzw. deren Felle gemeint, vielmehr liegt die Pointe der Strophe im stetigen Wechsel der Bedeutungsebenen. Einerseits meint dies den Wechsel in Bezug auf die Figur der vrou Ere, die als Personifikation in «einer ambigen Struktur und Wechselbeziehung zwischen den Achsen abstrakt/ unbelebt und konkret/ belebt» 67 oszilliert, anderseits den Wechsel zwischen den beiden Bedeutungen des Homonyms zabel. Dies gelingt, weil Rumelant für nhd. Zobel das nd. zabel (und nicht mhd. zobel) wählt. 68 Kostbarer Pelz und edle ritter werden kurzgeschlossen. Für die diversen Übersetzungen von zabel(tier) in der Strophe übernehme ich Peter K ERN s Vorschlag «Zabel (Zobel)» um die Mehrdeutigkeit des mhd. Begriffs zu erhalten. K ERN übersetzt nur die zabele in V. 12 als Personennamen, allerdings scheinen mir auch hier beide Bedeutungen gemeint, weshalb ich entsprechend beides verwende. Holger R UNOW entscheidet sich jeweils für eine Bedeutung und übersetzt zabeltier (V. 1), Zabel (V. 5; V. 15) mit «Zobel(tier)» und nur die beiden Personennamen in V. 9 f. mit «Zabel». 69 Dieses Verfahren der Begriffsexplikation wendet Rumelant häufiger an, sei es in panegyrischen Strophen, sei es in anderen - theologisch-explikativen oder polemischen - Kontexten. Als Lobstrophe ist die bereits erwähnte Fürstenlobstrophen auf Erik VI. zu nennen, dessen Name als Indiz für die Vortrefflichkeit des besungenen Herrschers gewertet wird (V,8,7 f.: her mac Erich heizen wol | sin lib, sin m ů t, sin herze ist eren riche). Ähnlich mag die Preisstrophe auf Albrecht I. von Braunschweig wirken, allerdings mit dem signifikanten Unterschied, dass in II,12 nicht der Name Beweis für die Vortrefflichkeit des Herrschers darstellt, sondern dass der Name des Besungenen als Kryptogramm kunstvoll in die Strophe eingewoben wurde. Eine etymologisierende Begriffsherleitung kann K ERN auch für V,5,6 - 9 ausmachen: Wenn Christus als herzoge in der selben achte beschrieben wird, ist dies in der wörtlichen Bedeutung («der dem Verlangen, | dass sie diese Zabel (Zobel) geküsst hat, | so dass sie vom Milbenfrass der Makel | ihnen nicht nahen kann. Möge alle Schande von ihnen weichen! (Übersetzung basierend auf K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 211). 65 Damit zeigt sich die Beziehung zwischen Mantel und gelobten Fürsten anders als in Rumelants Strophe I,7, in der ein guter Gönner nach seinem Tod von klagende[m] lob gemantelt wird. 66 M ÜLLER , Ulrich: Politische Lyrik I (1973), S. 138. 67 K IENING , Christian: Personifikation (1994), S. 354. 68 Das entspricht grundsätzlich auch der übrigen Sprache von J, die häufiger niederdeutsche Elemente aufweist. So relativiert C ZAJKOWSKI , Luise: Sprache der Jenaer Liederhandschrift (2010) zwar B ARTSCH s Aussage (B ARTSCH , Karl: Untersuchungen zur Jenaer Liederhandschrift [1923]), J sei in einer nd. Sprachregion von nd. Schreibern verfasst worden, verortet die Handschrift jedoch in einem «niederdeutschostmitteldeutschen Interferenzraum» (S. 38) und macht deutliche niederdeutsche Elemente aus, die allerdings autor- und schreiberabhängig variieren können. 69 Vgl. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 139. 154 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Heer Voranziehende») zu verstehen. 70 Derartige etymologisierende Namensbildungen nutzt Rumelant sowohl in der Totenklage auf den Marner (I,9) - indem er die Doppeldeutigkeit des marner als Seemann und Dichtername ausstellt 71 - als auch in der polemischen Rätselstrophe, in der er den Namen in Silben zerteilt und in einer Reihung von Genitivanalogien auflöst: ein ren der wildicheit, ein ram der unbehende (IV,7,5; vgl. Kapitel 2.4). Ähnlich verfährt er in der polemischen Rätselstrophe mit Singûfs Namen (VIII,2; vgl. Kapitel 3.4.5). Rumelant beschränkt dieses etymologisierende Verfahren jedoch nicht nur auf Personennamen, sondern benutzt es in Strophe II,9 (nach R UNOW s Zählung) für die Explikation des Karfreitags, der als vritac, d. h. als Tag, an dem Christus die Gläubigen vri gemacht hatte (sie erlöst hatte), und in IX,3,1 f. für die vil ho gewiet winacht[] (vgl. Kapitel 3.5). Kaum handelt es sich zwar bei diesem etymologisierenden Verfahren um eine charakteristische Autorsignatur. In Rumelants Œ uvre sind solche Wortspiele zwar häufiger zu beobachten, doch sind dies keinesfalls autorspezifische Einzelfälle, sondern eine recht gängige gattungstypische Strategie, die vor allem in Sprüchen mit laudativer oder polemischer Funktion angewendet wird. 72 Dabei wird meist der Eigenname des Gelobten/ Verspotteten aufgegriffen: Besonders bekannt sind etwa die Rätselstrophe des Meißner mit dem versteckten Namen des Marner ( 1 Mei/ 2/ 18, marn was sin vleisch, groz was sin ere) sowie Konrads Strophe auf den Liechtenberger, die diverse lichtmetaphorische Bilder nebeneinanderstellt. 73 Auch hinsichtlich der Position innerhalb der Strophe, an der es zum Umschwung kommt und rätselhaftverklausulierte Begriffe plötzlich enthüllt werden, unterscheidet sich Rumelants Strophe VIII,12 nicht grundlegend von den eben genannten Beispielen. Die tierischen zabeltier werden mit dem Einsatz des Abgesangs mit den menschlichen Rittern in Verbindung gebracht - ähnlich wird in der Lobstrophe auf Erich von Dänemark der mit diversen Varianten von ere und rich Gelobte im ersten Vers der Abgesangs (V,8,7) erstmalig als Erich identifiziert. 74 70 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 491 mit weiteren Belegstellen für das Verfahren. 71 Ob der Autorname freilich bereits doppeldeutig intendiert war, im Sinne einer «programmatischen Selbstbenennung» (W ACHINGER , Burghart: Art. ‹ Der Marner › [ 2 1987], Sp. 70), lässt sich kaum entscheiden. Sicher ist nur, dass die Doppeldeutigkeit des Namens in den nachfolgenden Strophen der Sängerkonkurrenten produktiv gemacht wird (vgl. Kapitel 4.1.2). 72 Vgl. S TACKMANN , Karl: Der Spruchdichter Heinrich von Mügeln (1958), S. 110 f. 73 Vgl. weitere Belege bereits bei R OETHE , Gustav: Reinmar von Zweter (1887), S. 228, Anm. 287, wobei R OETHE solche «Rätsel[] und Wortspiele[]», «[e]ine plumpe und bequeme Art des Witzes» (S. 228), als spezifisch norddeutsches Phänomen identifiziert, das Reinmar (glücklicherweise) nicht verwende. Zur Abwertung des ‹ norddeutschen Stils › auch bei P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), vgl. auch Kapitel 1.1. 74 Ähnlich etwa auch im polemischen Namensrätsel auf den Marner: Wenn die Namensbestandteile zwar bereits im ersten Vers genannt werden (ren - ram), so wird die Lösung erst im Prozess der Strophenrezeption zum Schluss deutlich - mit den Hinweisen widerwende (IV,7,7) und ez ist genant (IV,7,10). Auch im Singûf-Rätsel (VIII,2) wird erst im Abgesang deutlich, wer der als hochmütig gescholtene Sängerkonkurrent ist. So ebenfalls Konrad von Würzburg, der den gerühmten Konrad von Lichtenberg erst zum Strophenschluss nennt: von Strâzeburc ein Liehtenberger ( 1 KonrW/ 7/ 25). Dass die Position des Wortspiels kaum interpretatorisch zu belasten ist, zeigen die zahlreichen Beispiele, in denen sich die Auflösung gerade nicht im Abgesang findet, so z. B. in der Totenklage auf den Marner (I,9,7), sowie die beiden Begriffsexplikationen vritac und winacht, die bereits im ersten Vers der jeweiligen Strophen (II,10 und IX,3) aufgelöst werden. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 155 Personifikation Aussergewöhnlich scheint mir hingegen in diesem Kontext das Auftreten der personifizierten Ehre. Gewiss ist dies für die Sangspruchdichtung nicht überraschend - man denke nur an Walthers 75 personifizierten Opferstock (L 34,14) oder Reinmars Frau-Ehren-Ton - , indessen mag die Art und Weise erstaunen, in der Frau Ehre in ihrem Umgang mit den beiden zabeln geschildert wird, wie ein Vergleich mit anderen Strophen zeigen wird. In einem ersten Schritt soll daher VIII,12 den beiden anderen Strophen im Rumelant-Korpus gegenübergestellt werden, in denen Personifikationen vorkommen, um in einem zweiten Schritt eine kleine diachrone Versuchsreihe mit ausgewählten Vergleichstexten zu bilden. Ich enkan des vursten edelicheit geliche nicht gemezzen z ů tieren noch z ů w ů rmen noch z ů vogelen noch z ů vischen, sit daz er ist ein mensch, ein man, ein ritter und ein helt. Vil grozer wirde her noch hat, der wil ich nicht v ů rgezzen, her vil gerechter kristen, da von sin lob m ů z irvrischen: her ist ein adel ho gevurstet, rich unde uzirwelt. Arn unde valken unde lewen, lebart unde pantirs ich wol swige, Da mit so wil ich ez nicht v ů rblewen; manlich lob dem herzogen Lodewige In Beyerlant vil wol gezimt. daz al sin truren sige! sin lob hat durch die werlt gebant vil strazen unde stige. daz vrou Ere im nige, daz ist siner tugende gelt. (VI,9) 76 In dieser bereits oben erwähnten Lobstrophe auf Ludwig II. von Bayern spielt die personifizierte Ehre zweifellos eine sehr viel weniger prominente Rolle als in VIII,12. Der Spruch beginnt mit einem Unsagbarkeitstopos: Die Praxis panegyrischer Strophen, die verschiedenen Aspekte herrscherlicher Tugend mit Tiervergleichen hervorzuheben, sei für den in dieser Strophe Gelobten nicht angebracht, denn dieser sei ein man, ein ritter und ein helt (V. 3). Der 75 Z APF , Volker: Art. ‹ Walther von der Vogelweide › (2012), Sp. 193 - 220, hier Sp. 199 fasst die Personifikation als ein Beispiel für Walthers «rhetorisch geprägte[n] Stil» und seinen «Hang zur beständigen Veranschaulichung» auf. 76 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 170. Ich kann die Vorzüglichkeit des Fürsten nicht auf angemessene Weise vergleichen | mit (Schreit-)Tieren noch mit Kriechtieren noch mit Vögeln noch mit Fischen, | da er doch ein Mensch ist, ein Mann, ein Ritter und ein Held. | Ausserdem besitzt er, der sehr rechtschaffene Christ, viele grosse Würden, die | will ich nicht vergessen, wodurch sein Lob sich immer wieder erneuern muss. | Er ist ein zu hohem Fürstenrang erhobener Adelsspross, mächtig und auserwählt. | Adler und Falke und Löwe, | Leopard und Panther lasse ich ganz unerwähnt, | mit solchen Vergleichen will ich das ihm eigentlich gebührende | Lob nicht verschweigen; | ein Lob, das dem tüchtigen Mann gebührt, ist dem Herzog Ludwig | in Bayern wirklich angemessen. Möge all sein Trauern vergehen! | Sein Lob hat sich durch die Welt viele Straßen und Wege gebahnt. | Dass Frau Ehre sich vor ihm verneigen soll, das ist das Verdienst seiner Vorzüglichkeit. (Übersetzung basierend auf der freieren Version der Übersetzung von K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 171). Neben einigen kleinen syntaktischen Wortumstellungen habe ich im letzten Vers tugende nicht wie K ERN - mit Rückgriff auf V. 3 - als spezifisch «männliche[] Tüchtigkeit» übersetzt, sondern die allgemeinere Variante «Vorzüglichkeit» gewählt (ähnlich übersetzt auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 119 sîner tugende gelt mit «der Lohn für seine Vortrefflichkeit»), vgl. die Bedeutungen bei L EXER II, Sp. 1560. 156 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Unsagbarkeitstopos referiert somit nicht auf die grundsätzliche Unangemessenheit der Sprache hinsichtlich der Vortrefflichkeit des Gegenstandes, 77 sondern meint die Unzulänglichkeit einer spezifischen argumentativen Praxis. Ob dies als ausdrücklicher intertextueller Verweis zu werten ist - denkbar wären etwa Bezugnahmen auf Sprüche des Marner 78 oder des Meißner 79 - oder als allgemeinere Referenz auf das in der Physiologusliteratur gründende Verfahren, bestimmte tierische Eigenschaften auf menschliche zu beziehen, 80 ist kaum zu entscheiden. Die recht geringe Verbreitung der Tiervergleiche innerhalb der Sangspruchdichtung 81 stützt die Vermutung, dass es sich dabei nicht um ein gattungsspezifisches Verfahren handelt. Den als unzulänglich zurückgewiesenen Tiervergleichen wird alsdann ein manlich lob (V. 10) entgegengestellt und zum Strophenende hin tritt Frau Ehre auf. Selbst wenn sich lob bereits durch die ganze werlt verbreitet hat - hier lässt die «Ambiguität des Wortes lob, das die Lobrede und ihren Gegenstand, den Ruhm des Gepriesenen, in einem Begriff zusammenfassen kann» 82 , keine abschliessende Aussage über die Selbstreferentialität der Passage zu - , ist der alles übertreffende Lohn für die tugende Ludwigs doch die Verneigung der personifizierten Ehre. 83 Ihre Geste übertrifft alles vorher Geschilderte, die gesamte panegyrische Kunst Rumelants. Im Gegensatz zu VIII,12, in der die Aufwertung der beiden Zabel über die Betonung der körperlichen Nähe der übertragenen/ wörtlichen Zabel (Brust und Kuss) zu Frau Ehre geschieht, verbeugt sich Frau Ehre in der Fürstenpreisstrophe VI,9 vor dem Gelobten. Damit 77 Rumelant nutzt den Unsagbarkeitstopos auf diese Weise etwa in der Totenklage auf Albrecht II. von Braunschweig (VIII,4,10 f.: Herzoge Albrecht von Bruneswich | den tusent zungen nicht v ů lklagen kunden) oder in religiösen Preisstrophen (VI,2,5 f.: alle menschen und die hoen engele nie vol kunden | halbez lob gesingen siner tugent, die her begat; II,8,2: daz enkunde nimmer menschen zunge vollen sagen). 78 1 Marn/ 6/ 14: Die moralische Strophe nimmt die in Gn 1,20 - 25 aufgeführte Vierteilung der Tiere in (Land) tiere, Vögel, Kriechtiere und Fische auf (wie auch Rumelant in I,6 und VIII,1), ordnet jedem Tier zusätzlich ein Element zu und verbindet dieses Wissen ausserdem mit einer Reflexion über die drei Klimazonen der Welt. Wie ein jedes Tier nach sîner arte (V. 7) in einem Element zu Hause ist, so kann auch der Mensch nur in der ihm angemessenen Klimazone, der dritten, leben. Dieses Analogieverhältnis zwischen Tier und Mensch wird im ‹ sentenzhaften › Strophenschluss noch einmal aufgenommen: Wie die Tiere den menschen müezen undertænic sîn (V. 8), müssen auch die Menschen nâch gotes hulden zern (V. 16). Vgl. H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 190 - 192. Rumelants Strophe VI,9 könnte auf diesen letzten Aspekt, die dem Menschen untergeordneten Tiere, anspielen. 79 In der Fürstenpreisstrophe 1 Mei/ 17/ 11 auf Markgraf Albrecht III. von Brandenburg ( † 1300, vgl. B UMKE , Joachim: Mäzene im Mittelalter [1979], S. 226) beschreibt der Meißner die Eigenschaften des Markgrafen als lewen muot und panteres tugent. Mit der überaus selbstbewussten Aussage zum Strophenbeginn, dass der Sänger, wenn er nur die fürstliche tugent gefloren und sin lob mit lobe geblüemen könne, selbst vor vürsten und königen gerühmt werde, könnte der Meißner durchaus Kritik von Sängerkollegen auf sich gezogen haben, vgl. H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000), S. 73 f. Es ist allerdings keine direkte Auseinandersetzung zwischen dem Meißner und Rumelant belegt, vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973). Den Tiervergleich als panegyrische Strategie nutzt auch der Junge Meißner in C im Fürstenlob auf Ludwig von Öttingen: er ist ein pantier wol an solichen dingen. | Dem pantier strichet nach durch sin süze | elliu tier - sam tut nach im gernde diet. ( 1 JungMei/ 2/ 1,5 f., P EPERKORN , Günter: Der Junge Meißner [1982], S. 59). 80 Vgl. O HLY , Friedrich: Vom geistigen Sinn des Wortes (1958/ 1959). 81 Vgl. M ÜLLER , Ulrich: Politische Lyrik I (1973), S. 417. 82 H ÜBNER , Gert: Lobblumen [2000], S. 278 [Hervorh. im Original]. 83 Vgl. 1 ReiZw/ 1/ 72: Klage über die mangelnde Wertschätzung der Ehre - früher verschwand sie schnell von einem hove, wenn sie nicht angemessen gewürdigt wurde, heutzutage nimmt sie auch cleinen dienst gerne an und nîget si ze lône unz ûf die vüeze. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 157 begibt sie sich selbst in die Rolle der Dienerin, wohingegen sie in VIII,12 als Herrin auftritt, welche die beiden Ritter durch ihren Kuss vor dem laster milewen rust bewahrt. Eine ähnliche Struktur einer Fürstenlobstrophe wie VI,9 (Unsagbarkeitstopos und Personifikation zum Strophenende), allerdings negativ gewendet, ist im bereits erwähnten Bruneswich-Kryptogramm (II,12) zu beobachten: Werich in kunsten wis, also Plato was, ein Aristotiles unde ein meister Ipocras, Galienus unde ein Socrates, die wisen, Virgilius ’ kunst, Boecius, Cato, Seneca mite, Donatus, Beda, het ich a l ir kunste site, dennoch so ne kundich nimmer vollen prisen Des hoch gelobeten vursten lob volb r e c h t ich nicht; sin ist me unde ie mere. Ich han v o n B r u n e s munde und ouch von manigem man gehort, daz sin lob nieman gar volachten kan. w i c h von im, schande, swa her hinnen kere! (II,12) 84 Der Unsagbarkeitstopos nimmt in II,12 fast die gesamte Strophe ein (V. 1 - 10). Erst zum Strophenende - und in Rätselmanier - wird deutlich, dass es sich um eine panegyrische Strophe handelt. 85 Im Gegensatz zur vorherigen Fürstenlobstrophe VI,9 beklagt das Sänger-Ich hier hingegen nicht die Unangemessenheit einer spezifischen panegyrischen Praxis, sondern die mangelnden eigenen Fähigkeiten, die es ihm verunmöglichen, sich in eine Reihe mit den Grössten der wisen zu stellen und somit dem Gegenstand zu entsprechen. Dass die Auflistung diverser antiker Autoritäten (vgl. Kapitel 2.3.2) an sich schon ein Ausdruck von Rumelants eigener gelehrter Kenntnis ist (oder zumindest der Inszenierung davon), d. h., dass sich der Strophenanfang gewissermassen als «performativer Selbstwiderspruch» 86 präsentiert, ist im paradoxen Kern des Unsagbarkeitstopos angelegt. Die Personifikation - hier die schande - ist gegenüber VI,9 nur von geringer Bedeutung: Kumulieren sich in VI,9 sämtliche Strategien des lobens in Frau Ehres Verneigung, wird in II,12 die personifizierte Schande nur eingeführt, um den Namenbestandteil -wich in den Vers zu integrieren. Die Wendung wich von im, schande in der letzten Strophe weist eine deutliche Ähnlichkeit zu dem Aufruf auf, der die Strophe VIII,12 auf die beiden mecklenburgischen Ritter beschliesst: Al schande von in wîche! heisst es in V. 17. 84 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 62 [Hervorh. im Original]. Wäre ich in den Wissenschaften gelehrt, wie [es] Platon war, | in Aristoteles und ein Meister Hippokrates, | Galenus und ein Sokrates, die Gelehrten, | [verfügte ich über] die Kunst Vergils, des Boethius, des Cato, zusammen mit der des Seneca, | des Donat [und] Bedas, verfügte ich über all ihre Wissenschaften, | so könnte ich dennoch niemals preisend ganz verkünden | das Lob des hochgelobten Fürsten, | ich brächte es nicht ganz zustande; es ist grösser und wird immer grösser sein. | Ich habe aus Brunes Mund und auch von vielen Menschen | vernommen, dass niemand das ihm gebührende Lob vollständig in Worte fassen kann. | Weiche von ihm, Schande, wohin auch immer er sich wende! (Übersetzung basierend auf K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 63). 85 Ein ähnliches Verfahren ist auch in anderen panegyrischen Strophen Rumelants zu beobachten: Etwa in der Fürstenlobstrophe auf Ludwig II. (II,13), die mit einem Natureingang beginnt und den Gegenstand des Lobes erst allmählich - und namentlich erst im letzten Vers - zu verstehen gibt (vgl. Kapitel 4.2.1). 86 M ÜLLER , Jan-Dirk: Performativer Selbstwiderspruch (1999). 158 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Gleichwohl ist die Schande in VIII,12 nicht als Personifikation angesprochen - etwa als ‹ Gegenspielerin › von Frau Ehre 87 - , sondern rekurriert auf den drohenden Milbenfrass des Lasters aus V. 16, der vom Kuss der Frau Ehre abgehalten wird. Damit lässt sich II,12 auch nur bedingt für einen Vergleich mit der Zabel-Strophe heranziehen. Doch wie ist die personifizierte Ehre - das Autorkorpus Rumelants übergreifend - in der Gattung Sangspruchdichtung zu verorten? Nicht nur in Reinmars Ton, der seinen Namen der allegorischen Personifikation der Ehre, die des Öfteren in den mehreren hundert Strophen 88 des Tons auftaucht, verdankt, sondern auch bei weiteren Gattungsvertretern ist das Motiv bekannt. Eine Konzentration der Popularität auf bestimmte Zeiträume lässt sich indes nicht feststellen, die Stichworteinträge des RSM verzeichnen eine Spannbreite vom frühen 13. bis ins 15. Jahrhundert, einzig Belege für den frühen Sangspruch fehlen. 89 Für den Meistergesang scheint das Motiv ebenfalls nicht verbürgt, obwohl Personifikationen anderer Abstrakta beispielsweise in den Liedern Hans Sachs ’ häufig auftreten. 90 Unter den zahlreichen Belegen werde ich mich exemplarisch auf drei Strophen konzentrieren, die in ihrer Zeitspanne eine gute diachrone Vergleichsbasis für die Frage nach der Beschreibung der personifizierten Ehre, ihrem Handeln und ihrer Interaktion mit anderen spruchinternen Instanzen versprechen. Ich beginne mit dem frühesten Beleg in der Reihe, eine Strophe aus Reinmars Frau-Ehren-Ton. Dieser Spruch Reinmars findet sich innerhalb des Tons in einem Strophenkomplex, der über eine ähnliche Thematik und Bildsprachlichkeit verbunden ist. Meist sind die Strophen als Zeitklagen über die fehlende Wertschätzung, die der Ehre in der heutigen Zeit entgegengebracht wird, formuliert. Als exemplarische Vergleichsstrophe soll im Folgenden 1 ReiZw/ 1/ 74 dienen: Vrô Êre ist magt unt habt doch man, die si vor allen vrowen sô rehte schône triuten kan, si vürsten râtgebinne, si küneges hort, si hôhes heiles vunt! Ir minneboten brieve tragent, die heldes herze ûf weckent unt ze hôhen sorgen jagent, si entzündent zuht unt êre, unt leschent schande unt erge unz in den grunt. Wâ sint si nû, die dich dâ minnent, Êre? ist ir vil, sô helent si sich sêre; bî dînen drin ich drîzic vinde, 87 Dies ist eher der Fall in Bruder Wernhers Tugendlehre ( 1 Wern/ 1/ 18). Hier tritt vrou Schande (wenn man - wie Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher [2014], S. 284 - vr ů als Verschreibung lesen will) als Antagonistin zur personifizierten triuwe auf: enbor lât die triuwe vür, diu hie die werlt wol geêret hât. | vrou Schande, balde hinder die tür! Ir vüeget schanden missetat. - Lasst die Treue, die hier die Welt gut und gerne ausgezeichnet hat, voraus in die Höhe! | Herrin Schande, sofort hinter die Tür! Ihr bewirkt das Vergehen der Schande! (Text und Übersetzung Z UCKSCHWERDT , Ulrike: Bruder Wernher [2014], S. 283 und 285). 88 Die Handschrift D (cpg 350) enthält 193 Strophen des Frau-Ehre-Tons, C sogar 217. Beide Handschriften gehen wohl auf eine thematisch geordnete Sammlung des Autors selbst zurück, vgl. W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik (2010), S. 711. 89 Das RSM verzeichnet unter dem Schlagwort «Frau Ehre» die folgenden Strophen: 1 Frau/ 4/ 5a; 1 Frau/ 4/ 7; 1 Frau/ 4/ 107 a; 1 Kel/ 3/ 3 - 4 a; 1 KonrW/ 10/ 3; 1 Marn/ 6/ 502 b; 1 Mei/ 4/ 4; 1 Musk/ 2/ 20; 1 Regb/ 1/ 511; 1 ReiZw/ 1/ 46 a; 1 ReiZw/ 1/ 71 a - 74; 1 ReiZw/ 1/ 247 a; 1 Schil/ 2/ 1a; 1 Stol/ 37 a; 1 Suchs/ 2a; 1 Wern/ 1/ 18. Vgl. auch die weiteren Belege für die allegorische Personifikation bei M ÜLLER , Ulrich: Politische Lyrik I (1973), S. 417. 90 Vgl. die Belege bei H ENZE , Helene: Die Allegorie bei Hans Sachs (1912), S. 26 - 48. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 159 die sich dîn alle hânt verzigen: si zîhent dich, vuozîsen ligen ûf dînem hove ze schaden dem ingesinde. ( 1 ReiZw/ 1/ 74) 91 Auffällig ist, dass Vrô Êre in dieser Strophe deutlich die Züge einer Minnedame trägt - ähnlich wie in der unmittelbar vorausgehenden Strophe 1 ReiZw/ 1/ 73 und wie 1 ReiZw/ 1/ 46, in der Frau Ehre als legitime Geliebte, die neben der Ehefrau gewählt werden könne, vorgeschlagen wird. Signalwörter wie triuten und herze uf wecken, aber auch die explizite Nennung der minneboten oder die Frage nach denjenigen, welche die Ehre minnen, spielen auf den Minnekontext an. Im Gegensatz zu Rumelants Strophe VIII,12 steht bei Reinmar aber klar - auch in den übrigen Strophen - das Dienstverhältnis hoher Minne, innerhalb dessen Frau Ehre gewissermassen als Minnedame fungiert, im Fokus. Auf Körperlichkeit wird kaum referiert, das triuten der Ehre bleibt unspezifisch. Anders bei Rumelant: Im Abgesang wird mit den Reimwörtern brust - lust - gekust eine deutliche erotische Sinnebene aufgerufen. 92 In den betreffenden Versen selbst wird diese weniger augenfällig, so heisst es Die [= die Zabel] sach nie man v ů r vrouwen brust. | vrou Ere selben hat die lust, | daz sie die Zabele hat gekust [. . .] (V. 13 - 15). Jedoch lässt die Kombination der Wörter in prominenter Reimendstellung, die auch im gesungenen Vortrag hervortreten, den Verweis auf eine weitere Sinnebene zu. Die Gefahr der Lasterhaftigkeit, die stets mitzubedenken ist, wird deutlich, wenn das vierte Reimwort in die Reihe tritt: es droht rust. Die Strategie, ‹ Schlüsselbegriffe › der Strophe im auffälligen vierfachen Reim unterzubringen, findet sich auch in anderen Strophen desselben Tonschemas, besonders in der als Gotteslob formulierten Tonweihestrophe VIII,1 (ist - krist - vrist - list), in der Totenklage VIII,4 auf Albrecht I. von Braunschweig, die mit einem Mariengebet schliesst (gesaget - beklaget - unv ů rjaget - maget), in der Klage über den Wankelmut der Gönner (VIII,6: kranc - ranc - sanc - wanc) und nicht zuletzt in der bereits erwähnten Totenklage auf Gunzelin III. von Schwerin (VIII,10: sin - min - Gunzelin - Swerin). Die Vergleichsstrophe Reinmars ist in einem moralischen Kontext zu verorten, wobei mit der Personifikation der Ehre der Verlust der tugent in der Welt beklagt werden kann. Beim nächsten Beispiel, einer Strophe des Meißner, handelt es sich dagegen wieder um eine Preisstrophe: 91 R OETHE , Gustav: Reinmar von Zweter (1887), S. 448. Frau Ehre ist eine Jungfrau und hat dennoch Männer, | die sie besser als alle anderen Damen liebkosen kann - | sie, die Ratgeberin der Fürsten, der Schatz der Könige, die Quelle grossen Heils! | Ihre Minneboten tragen Briefe, | welche das Herz des Heldens aufwecken und zu grosser Fürsorge antreiben, | sie entzünden Sittsamkeit und Ehre und löschen Schande und Feindseligkeit bis in den tiefsten Grund hinab aus. | Wo sind sie nun, die dich lieben, Ehre? | Gibt es viele von ihnen, so verstecken sie sich gut; | in deinem Umfeld finde ich dreissig, | die sich alle von dir entfernt haben: | Sie beschuldigen dich, Schlingen | auf deinem Hof auszulegen, um dem Gesinde zu schaden. (Übersetzung EL). 92 Brust meint in Strophe VIII,12 die weibliche Brust (vgl. MWB, Art. ‹ brust › ), anders als etwa in IV,23 oder I,8. Die These, dass nicht die Semantik der Worte selbst, sondern ihre Kombination in der prominenten Versendstellung die erotische Dimension des Fürstenlobs zum Tragen bringen, bekräftigt ein vergleichender Blick auf Rumelants Strophe IV,23. Ich verstehe die letzten Verse dieser Herrenlehre, welche zur milte auffordert, so, dass hier die Uneinschätzbarkeit der Herren angeklagt wird: der herren brust | Vindich bedecket mit so maniger hande dache; | ich enkan des nicht geramen, wen ir milte wache. (IV,23,8 - 10, K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 124). Die Verse sind hier keineswegs erotisch konnotiert. 160 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Herlich kegen gote, her al der kristenheit, herliche zucht sin lib an treit, her, kreftich, breit, kan Herman vu ͤ ren schone. Man unde menlich uber sinen m ů t, man von milte, er spart kein g ů t, mannes werc er t ů t, des zimt im wol die krone. Driu her Herman wol vu ͤ ren kan: g ů ten rat, truwe unde vride ane widerkere. Herliche site mannes tugent zimt mite. swa er hin keret, da volget im vrouwe ere. Der ist her gesinde gar. mit sulher schar vert von Kamin der here. ( 1 Mei/ 4/ 4) 93 Der Meißner besingt in dieser Strophe den Bischof von Hermann von Kamin ( † 1289). Geschickt flicht er den Namen Hermanns iterativ-alliterativ in den Text ein, eine Strategie, wie sie - vgl. die Ausführungen oben - in panegyrischen Strophen auf weltliche Herrscher durchaus gängig ist. Joachim B UMKE hat darauf hingewiesen, dass der Spruch deswegen bemerkenswert sei, «weil der geistliche Fürst darin vor allem mit Prädikaten weltlicher Herrschaft geschmückt wird» 94 . In diesem Sinn hat B UMKE die Strophe des Meißner kontrastiv Frauenlobs Spruch auf Erzbischof Gieselbrecht von Bremen gegenübergestellt. Die personifizierte Ehre tritt hier in der Meißnerstrophe nur zum Schluss auf, sie ist eine neben anderen Tugenden wie zuht, m ů t und truwe. Stärker als an die Zabel-Strophe erinnert 1 Mei/ 4/ 4 an Rumelants Spruch VI,9, die Fürstenlobstrophe auf Ludwig den Bayern. Auch hier ordnet sich die Ehre dem Gegenstand der Strophe unter, bei Rumelant verneigt sie sich, beim Meißner folgt sie ihm, swa er hin keret. Der grösste Unterschied zwischen den beiden Beschreibungen der Frau-Ehre-Personifikation bei Rumelant (in VIII,12) und beim Meißner liegt freilich im Beschreibungsumfang: Wo Frau Ehre in der Meißnerstrophe nur punktuell auftaucht, lässt die descriptio des Mantels bei Rumelant im Verlauf der Strophe ein deutlicheres Bild vor Augen erstehen. Die Kleidermetaphorik ist auch für mein drittes Beispiel relevant, eine Strophe Suchensinns, dessen Œ uvre wohl auf das Ende des 14. Jahrhunderts zu datieren ist. Für meineArgumentation ist Strophe 1 des vierstrophigen Frauenpreises von Belang, auf die ich mich im Folgenden konzentrieren werde: 93 O BJARTEL , Georg: Der Meißner (1977), S. 182 f. Herrlich hin zu Gott, Herr aller Christen, | herrliche Wohlgezogenheit besitzt er. | Vornehm, kraftvoll, berühmt | kann Hermann gut anführen. | Sein Gemüt [ist] mehr als Mann und männlich, | ein mildtätiger Mann, | er hält seinen Reichtum nicht zurück, | [sondern] tut das Werk eines Mannes, | deshalb gebührt ihm die Krone. | Hermann kann drei Heere | gut anführen: | [Es sind dies] guter Rat, Treue und Frieden ohne das Gegenteil. | Ein vornehmes Wesen | passt zu männlicher Tugend. | Wohin er sich auch wendet, | folgt ihm Frau Ehre. | Er gehört zur Gefolgschaft in ihrem Heer. | Mit einer solchen Heerschar | zieht der Herr von Kamin. (Übersetzung EL). 94 B UMKE , Joachim: Mäzene im Mittelalter (1979), S. 260. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 161 Herkent ich alle bl ů men blang und vernem aller vogel sang und wust ich aller wurze 95 gang daruß so wolt ich tichten ein lop der hochsten wirdikeit, die got zu frauwen hat bereit. e was ein großer underscheit, den must ein wip verrichten. lobliche wat will ich dir, fraw, anschniden, lob ist die allerbeste wat, die frauwen er gesponnen hat, lop reinen frauen baß anstat dann sammit oder siden. ( 1 Suchs/ 2a) 96 In der Strophe schildert der Dichter sein Vorhaben, der angesprochenen frauwe ein lop zu dichten. Dazu ist es allerdings notwendig, dass er über umfassende Kenntnis (erkennen/ sehen - hören - wissen) verfügt, um die Aufgabe angemessen zu erfüllen. Der Akt des Dichtens wird dabei, wie häufig auch anderswo in der Sangspruchdichtung, mit Handwerksmetaphern umschrieben: lopliche wat will ich dir, fraw, anschniden (V. 9). Um die allerbeste wat, die einer Frau zustehen kann, zu schneidern, bedient sich der Dichter des Stoffes, der von Frau Ehre gesponnen wurde. Das übergreifendeThema dieser ersten Strophe im Frauenpreis Suchensinns ist also eine Reflexion über Angemessenheit: einerseits über die Kunst des Dichters, die dem Gegenstand angemessen sein muss, andererseits über den Stoff des von Frau Ehre gesponnen Kleides, das reinen Frauen angemessen ist. Die von H ÜBNER postulierte Ambiguität des lop- Begriffes lässt sich in der Suchensinnstrophe nicht beobachten: Lop meint hier in jeder Erwähnung hauptsächlich ‹ Lobrede › , die Strophe verhandelt das dem Gegenstand adäquate Dichten. Rumelants Strophe VIII,12 gewinnt gegenüber den erwähnten Strophen aus zwei Gründen an Profil. Zum einen fällt die bereits erwähnte ungewöhnlich körperliche Beziehung zwischen den beiden zobel/ Zabel und Frau Ehre gerade vor dem Hintergrund der Strophen in Reinmars Frau-Ehren-Ton auf, in denen die personifizierte Ehre auftritt ( 1 ReiZw/ 1/ 46; 1 ReiZw/ 1/ 71 - 75; 1 ReiZw/ 1/ 247). Selbst wenn die Strophen nicht vor teilweise erotisch konkretem Vokabular zurückschrecken und vereinzelt Zärtlichkeiten der Frau Ehre geschildert werden, unterscheiden sich Reinmars Strophen dadurch von Rumelants Strophe, dass sie Körperlichkeit meist aus einer negativen Perspektive heraus formulieren; Frau Ehre lât sich nicht behuoren, heisst es in 1 ReiZw/ 1/ 73 97 . Und selbst in 1 ReiZw/ 1/ 46, die von allen Reinmarstrophen wohl am explizitesten Frau Ehre als Geliebte, die im der bâbest niht verbieten mac, beschreibt und in V. 5 die 95 RSM 5 (2010), S. 413 paraphrasiert den Vers mit «den Weg aller würme wüßte». Dies entspricht nicht C RAMER s Lesart (vgl. C RAMER , Thomas: Die kleineren Liederdichter 3 [1982], S. 298) des Verses in der Kolmarer Liederhandschrift (cgm 4997, fol. 812 v ), die ich teile. 96 C RAMER , Thomas: Die kleineren Liederdichter 3 (1982), S. 298. Würde ich alle weissen Blumen kennen, | jeden Vogelsang vernehmen | und wüsste ich, wie alle Wurzeln verlaufen, | wollte ich [aus diesen Eindrücken] | der höchsten Herrlichkeit, | die Gott als Frau gebildet hat, ein Lob dichten. | Früher gab es eine grosse Trennung, | die eine Frau überwinden musste. | Löbliche Kleidung will ich dir, Frau, schneidern, | Lob ist die beste Kleidung, | die Frau Ehre je gesponnen hat, | Lob steht reinen Frauen besser | als Samt oder Seide. (Übersetzung EL). 97 R OETHE , Gustav: Reinmar von Zweter (1887), S. 447. 162 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Zärtlichkeiten benennt, 98 bleibt in der gesamten Strophe im Irrealis und bezeichnet den Geliebten unbestimmt als ein[en] man (V. 1) bzw. swelch man (V. 7). Dieses Vorgehen unterscheidet sich massgeblich von Rumelants Strophe: Indem die zabel, mit denen Frau Ehre ir bruste mit bedecket (V. 4) in V. 9 f. als Zabel von Reddichsdorp und Zabel von Plawe identifiziert und namentlich genannt werden, zeichnet Rumelant ein durchaus irritierendes Bild zweier am Kragen baumelnder mecklenburgischer Ritter. Der Doppelcharakter der Personifikation zwischen Begriff und Figur ermöglicht es ihr, in Interaktion mit anderen Figuren zu treten. Es ist also, über andere Phänomene übertragener Rede hinaus, nicht nur nach der Position im Text und ihrerAusbreitung oder nach spezifischen Zeichenrelationen zu fragen, sondern auch nach «dem Verhältnis zu anderen Figuren.» 99 Das Verhältnis von Frau Ehre und den beiden Rittern von Zabel lässt sich in VIII,12 allerdings kaum bestimmen: Es bleibt durchwegs unklar, wer eigentlich wen aufwertet. In der oben zitierten Reinmarstrophe ( 1 ReiZw/ 1/ 74) stellt es sich deutlicher dar: Die Personifikation wird als Minnedame beschrieben. Beim Meißner folgt die Ehre dem Bischof Hermann von Kamin auf dem Fuss und in Suchensinns Strophe präsentieren sich die gelobte Frau und der von Frau Ehre gesponnene Stoff im Sinne einer Äquivalenzrelation zueinander. Dagegen dienen die beiden zabel dem Mantel in Rumelants Strophe zwar als Zier, 100 müssen aber wiederum selbst durch den Kuss der Trägerin zum Schutz vor Milbenfrass gewissermassen ‹ imprägniert › werden, so dass sich ästhetische Aufwertung und Schutz vor moralischer Verwerflichkeit wechselseitig bedingen. 101 Über die nd. Namensgleichheit und die Übernahme von Attributen (riche [V. 2, V. 10]) bleibt die Zuschreibung von tierischen Zobeln und menschlichen ‹ Zabeln › in der Schwebe. Ebenso unbestimmt bleibt die textinterne Hierarchie von personifizierter Ehre und den beiden Fürsten. Im Gegensatz zur Metapher des truwen anker unde kabel (V. 11), seit Reinmar zum topischen Inventar des Fürstenpreis gehörend, 102 ist das Verhältnis von Subjekt und Objekt im Bild des zobelgeschmückten Mantels nicht klar zu benennen. Diese Ausführungen sollen nun keineswegs den Schluss nahelegen, bei Rumelants Strophe VIII,12 handle es sich um eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der Fürstenlobdichtungen des 13. Jahrhunderts. Vielmehr hat der vergleichende Ausblick gezeigt, dass sowohl die Strategie 98 R OETHE , Gustav: Reinmar von Zweter (1887), S. 433 f. 99 K IENING , Christian: Personifikation (1994), S. 358. 100 Zobel wird in der mhd. Literatur als kostbarster Pelzbesatz besonders in Beschreibungen prachtvoller Mäntel verwendet, vgl. die zahlreichen Belege für die höfische Epik bei B RÜGGEN , Elke: Kleidung und Mode in der höfischen Epik (1989), S. 60 f. 101 M ICHEL , Paul: Alieniloquium (1987) zählt die folgenden «Funktionen von Personifikations-Allegorien» auf (S. 588 - 594): 1) Die Auslagerung von Gefühlen auf die abstrakt-konkrete Instanz der Personifikation. Wenn etwa im Minnesang «die Dame der Spielregel gemäss nicht am Minneleid des Sängers schuld sein» (S. 590) darf, werde dies der personifizierten Minne übertragen; 2) «ästhetische Effekte», wenn Personifikationen «als Handlungsträger eine eigene Erzählwelt konstituieren» (S. 591); 3) ein didaktischer Effekt, weil «[d]as Gefällige [. . .] in der Regel eingängiger» (S. 591) sei; 4) die «E i n o r d n u n g eines (bereits bekannten) abstrakten Begriffs in ein Bezugsnetz» (S. 593, [Hervorh. im Original]). Die Frau-Ehre- Personifikation in Rumelants Strophe lässt sich m. E. nicht eindeutig einer dieser Funktionen zuordnen. 102 Vgl. zur weiteren Verwendung des Bildes R OETHE , Gustav: Reinmar von Zweter (1887), S. 229, Anm. 288. Zobel und Anker werden in einem unmittelbaren Zusammenhang in der Gahmuret-Rüstungsbeschreibung genannt: diu gap von r œ te alsolhez prehen, | daz man sich drinne mohte ersehen. | ein zobelîn anker drunde. (L ACHMANN , Karl: Wolfram von Eschenbach Parzival ( 6 2018), 71,1 - 3). Poetologisch ist das Bild des Ankers in den Wartburgkrieg-Texten zu verstehen, wo Wolfram Klingsor mangelndes Ankern im See der kunst vorwirft, vgl. K ELLNER , Beate / S TROHSCHNEIDER , Peter: Poetik des Krieges (2007), S. 349 f. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 163 der etymologisierenden Begriffsherleitung als auch der Auftritt der personifizierten Frau Ehre - im Zusammenhang mit Kleidungsmetaphorik - sich auch bei anderen Gattungsvertretern beobachten lassen. Doch rückt bei Rumelant nicht nur die Demonstration technischer Brillanz durch Sprachspielerei in den Vordergrund, wie es H ÜBNER (s. o.) vorgeschlagen hat. Die Strophe greift mit ihren reimgestützten erotischen Konnotationen - die Wortreihe brust - lust - gekust - vielmehr über den Kern der panegyrischen Sangspruchdichtung hinaus auf andere Bildfelder aus und öffnet zusätzliche Bedeutungsebenen in Richtung der Minnethematik. Gattungshaft typische Elemente wie das Auftreten der personifizierten Frau Ehre oder autorspezifische Charakteristika wie die Begriffsexplikation werden auf eine erotische Dimension gewendet. In der gezielten Grenzüberschreitung wird die Aufmerksamkeit des Rezipienten gerade auf die Gattungsmerkmale zurückgerichtet. 4.1.2 Polemik Mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung ist häufig geprägt von Auseinandersetzungen zwischen einzelnen - fiktiven oder historisch bezeugten - Sängern. Längst ist Forschungskonsens, dass diese Dichterfehden nur vordergründig als Rivalität um die materielle Gunst der Gönner aufzufassen sind, und die Polemik «[i]n ihrem Kern [. . .] vielmehr literarischer Streit um literarische Geltung» 103 ist. 104 Auf die Spitze getrieben wird der Dichterwettstreit bekanntlich in den Texten des Wartburgkrieg-Komplexes, in denen die Möglichkeiten und Grenzen der Gattung programmatisch verhandelt werden, indem beispielsweise im Rätselstreit zwischen Wolfram und dem meisterpfaffen Klingsor die Kompetenzen der laikalen Sänger gegenüber theologisch Gebildeten auf die Probe gestellt werden. 105 Doch auch die Autor œ uvres der grossen Liederhandschriften überliefern verschiedene Strophen, in denen sich Sängerkonkurrenten kritisch-polemisch miteinander auseinandersetzen - namentlich und anonym, spezifisch und grundsätzlicher auf die Frage nach ‹ richtigem › und ‹ falschem › Singen hin. Polemik als Untergattung der Sangspruchdichtung zu bezeichnen, ist gleichermassen naheliegend wie verfehlt. Zum einen ist für mittelalterliche Texte immer nur von Polemik avant la lettre zu sprechen, 106 denn der Begriff selbst wird erst im 18. Jahrhundert aus dem Französischen übernommen und erst in einem sehr viel spezifischeren Sinn verwendet, nämlich für das theologische Streitgespräch. 107 Zum anderen bietet auch der Polemikbegriff der 103 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 303. Vgl. grundlegend zum Geltungsbegriff für die mediävistische Literaturwissenschaft den Band von K ELLNER , Beate / S TROHSCHNEIDER , Peter / W ENZEL , Franziska (Hgg.): Geltung der Literatur (2005). 104 E GIDI , Margreth: Sängerpolemik (2007), S. 47 differenziert diese Annahme: Konstitutiv für das Verständnis polemischer Strophen sei nicht nur, dass sie als literarisch verstanden würden, sondern «außerdem ein Rollenbewusstsein [Hervorh. im Original] für das Streitspiel. Innerhalb eines solchen kommunikativen Rahmens hätte der literarische Streit durchaus eine Verbindlichkeit, gäbe es gewisse Lizenzen, wären auch heftige Attacken akzeptierbar und könnten zugleich mit einem gewissen ‹ Ernst › kommuniziert werden - eben weil sie nicht auf die ‹ Person › des Anderen als integrale Einheit bezogen werden, sondern auf ihn in seiner Rolle als Gegner. Es wäre dann auch nicht einfach alles ‹ nur literarisches Spiel › [. . .].» 105 Vgl. zum Verständnis der Wartburgkrieg-Texte als Gattungspoetologie der Sangspruchdichtung etwa die kommunikationstheoretischen Überlegungen von S TROHSCHNEIDER , Peter: Der Oberkrieg (2001), vgl. auch Kapitel 1.1. 106 Vgl. S OUTHCOMBE , George / S UERBAUM , Almut / T HOMPSON , Benjamin: Introduction (2015), S. 1 f. 107 Vgl. S CHEICHL , Sigurd Paul: Art. ‹ Polemik › ( 3 2007), S. 118. 164 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität modernen Forschung eine gewisse Unschärfe: Sie stellt keine Gattung dar, sondern vielmehr einen spezifischen Argumentationstyp, eine Redeweise, 108 die aber wiederum nicht über ein ausdifferenziertes Regelwerk verfügt. 109 Die Nähe zur Parodie und Ironie 110 erschwert die Sache zudem. Weiter stellt sich die Frage, wie mit der Polemik im Kontext der Rhetorik umgegangen werden muss, wenn die Polemik selbst zwar keinen rhetorischen Terminus darstellt, polemische Redeformen aber durchaus an Systemstellen der Rhetorik angesiedelt sind und von den antiken Rhetoriken verhandelt werden (etwa im Rahmen der vituperatio, confusatio sowie der accusatio). 111 Gleichwohl hat die germanistisch-mediävistische Forschung den Begriff für die Sängerfehden der Minnesänger und Sangspruchdichter in Anspruch genommen. 112 In dieser Tradition gehe ich für meine Überlegungen von den folgenden Kriterien einer ‹ polemischen › Strophengruppe aus: 1) die agonale Struktur der Strophe, 2) eine direkte Gegneradressierung, die allerdings auch die Rezipienten miteinbeziehen kann, 3) aggressives Vokabular, Kampfmetaphorik, 4) Autoritätsbekundungen des Sängers bei gleichzeitiger Abwertung des Gegners sowie 5) Wahrheitsbehauptungen. 113 Für das Textkorpus Rumelants von Sachsen können dementsprechend mindestens zehn Strophen in den Kontext des Sängerstreits eingeordnet werden: die Scheltstrophen auf die Sängerkonkurrenten Marner (IV,4 - 7), die ja im Kontext der Überlegungen zur ‹ sentenzhaften Rede › im Spruch IV,22 eine Rolle gespielt haben (vgl. Kapitel 2.4), und Heralt (IV,26), die vier Strophen des Rumelant-Singûf-Rätselstreits (VIII,2 - 3; XI,1 - 2, vgl. Kapitel 3.4.5) sowie die Gegenstrophe auf Frauenlob V,106 im Rahmen des wîp-vrouwe-Streits (XII,1). Strophe VI,12 gehört ebenfalls zum Textbestand Rumelants, den J überliefert, allerdings stellt die Strophe eine Polemik von einem anderen, nicht näher zu bestimmenden Dichter auf Rumelant selbst dar. 114 Es fällt auf, dass es vor allem im Ton IV zu einer Häufung der polemischen Strophen kommt. Neben den Polemiken, die über Namensnennungen oder Tonverwendung einen konkreten Adressaten aufweisen, gibt es jedoch einige Strophen, die generell Kritik am falschen Singen, übermässigen (Selbst)rühmen (VIII,9) oder gar am falschen Register äussern (vgl. Kapitel 2.4, IV,22) oder die Konkurrenten, die sich als gelerte[] leiebere[] pfaffen gerieren, als wanpropheten 108 Vgl. z. B. S CHEICHL , Sigurd Paul: Art. ‹ Polemik › ( 3 2007), S. 117. 109 Vgl. S TAUFFER , Hermann: Art. ‹ Polemik › (2003). 110 Davon zeugt etwa der von Cora D IETL , Christoph S CHANZE und Friedrich W OLFZETTEL herausgegebene Sammelband Ironie, Polemik und Provokation (2014), der Ironie, Polemik und Parodie zwar strukturell trennt, diverse Beiträge aber unter dem Titel ‹ Polemik und Provokation › versammelt. 111 Vgl. S TAUFFER , Hermann: Art. ‹ Polemik › (2003). 112 Günther S CHWEIKLE s Anthologie Parodie und Polemik (1986), die sich als «Ausgangspunkt für die Erörterung terminologischer Fragen im Umkreis der Begriffe ‹ Parodie › , ‹ Persiflage › , ‹ Travestie › [und] ‹ Polemik › » (S. XI) versteht, versammelt grösstenteils mittelhochdeutsche lyrische Beispiele. Ausnahmen stellen ein lateinisches Gedicht Seifried Helblings sowie Ausschnitte aus dem Welschen Gast Thomasins von Zerklære dar. Auch W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973) konzentriert sich in seiner «Forschungskritik» (S. 95 - 101) eher auf die Unterscheidung von ausdrücklicher und nicht nachweisbarer Polemik als auf eine ausdrückliche Begründung seiner Auswahl polemischer Strophen. 113 Basierend auf den von S OUTHCOMBE , George / S UERBAUM , Almut / T HOMPSON , Benjamin: Introduction (2015), S. 6 vorgeschlagenen Merkmalen polemischer Rede. 114 Ob es sich dabei um ein Versehen des Kompilators der Handschrift oder, wie R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 258 f. erwägt, um eine «Replik auf eine Provokation in einem verlorenen Text» handelt, wie es für J auch für die Strophen im Rumelant-Singûf-Rätselstreit belegt ist (vgl. Kapitel 3.4.5), kann nicht zweifelsfrei entschieden werden. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 165 schelten (III,3). 115 Burghart W ACHINGER hat grundlegend formuliert, was auch autorspezifisch für das Textkorpus Rumelants gilt: Von kunst ist zwar vielfach die Rede, und zwar in dem umfassenden Sinn, den der Begriff im 13. Jahrhundert hat: von formalen und spezifisch dichterischen Fähigkeiten [. . .], aber auch von Wahrheit und Bedeutsamkeit des Inhalts, von Bildung und Gelehrsamkeit. Und doch ist es meist schwer zu sagen, was an realer Einschätzung von Leistungen und Schwächen des Gegners hinter den Äußerungen steht. Das liegt teils an dem ironischen Schillern der polemischen Texte, teils daran, daß der Kampf um die meisterschaft meist gar nicht als ein Wettkampf der meisterlichen Leistungen geführt wird, sondern als ein Streit um Selbsteinschätzungen, bei dem dauernd moralische Kategorien durchschlagen. Meisterlicher Hochmut ist der am häufigsten geäußerte Vorwurf, sei es in direkter Schelte, sei es versteckt in ironischem Lob. Moralische und künstlerische Beurteilung eines Rivalen sind fast nie zu trennen. Die ironisch gefärbte Anerkennung der Gelehrsamkeit des Gegners kann bereits unausgesprochen den Vorwurf des Gelehrtendünkels und den Zweifel an der Echtheit dieser Gelehrsamkeit enthalten. 116 Dass es sich bei den zehn namentlich zuordenbaren Sprüchen Rumelants um einen vergleichbar kleinen prozentuellen Anteil des Autor œ uvres handelt, das insgesamt 108 Strophen umfasst, erstaunt angesichts der vorherigen Ausführungen. Auch wenn nicht von den Verhältnissen innerhalb eines Einzel œ uvres auf die gesamte Gattung rückgeschlossen werden kann, stellt sich dennoch die Frage, weshalb Sängerpolemik als ein Kriterium gewertet wird, das die Gattung um 1300 substantiell prägt. 117 Gert H ÜBNER und Dorothea K LEIN , die in ihrem Sammelband die gattungsspezifischen Konstellationen am Wendepunkt der Lyrik im Spätmittelalter 118 aufzeichnen, halten den «auffällig intensiven Geltungsanspruch, mit denen die Sangspruchdichter dieser Zeit die Relevanz ihrer kunst behaupten» 119 , fest. Die Demonstration eigener meisterlicher Fähigkeiten geht dabei Hand in Hand mit der Abwertung von Konkurrenten und dem beständigen Verhandeln darüber, was den Verbund der meister ausmacht. 115 Vgl. L ÖSER , Freimut: Von kleinen und großen Meistern (2007), S. 381. 116 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 306 [Hervorh. im Original]. 117 Darüber hinaus ist auch bei einigen Zeitgenossen Rumelants der Anteil sängerpolemischer Strophen im Gesamt œ uvre gering, exemplarisch sei hier nur auf Boppe und den Meißner verwiesen. Blickt man für eine Übersicht über Boppes altüberlieferten Bestand (zur Terminologie vgl. K ORNRUMPF , Gisela: Art. ‹ Boppe › [1978], Sp. 954) etwa auf die in C überlieferten Strophen, fällt der Grossteil nicht in den Bereich der Sängerpolemik, sondern ist Rätselstrophen, Fürstenlob und -schelte, Marienpreis oder Begriffsexplikation etc. zuzuordnen ( 1 Bop/ 1/ 1 - 20; 1 Bop/ 4/ 1; 1 Bop/ 5/ 1 - 6; 1 Bop/ 7/ 1 - 4; 1 Bop/ 8/ 1, 1 Frau/ 4/ 2b, 5 b, 16 a, 17, 18). Einzig die im Meißnerton I abgefasste Strophe 1 Bop/ 3/ 2 liesse sich klar als Sängerpolemik (gegen einen nicht mehr identifizierbaren Konkurrenten) verstehen. Ähnliches gilt auch für das in J überlieferte Strophenmaterial, wobei hier einige Strophen grundsätzliche Kritik am falschen Singen äussern (z. B. 1 Bop/ 1/ 25). In den Strophen des Meißners in J sind ebenfalls nur drei Strophen(komplexe) überliefert, die einen Sängerkonkurrenten direkt angreifen: 1 Mei/ 2/ 18 (Namenspolemik gegen den Marner), 1 Mei/ 12/ 1 - 4 (die Auseinandersetzung mit dem Marner über Physiologuswissen) und 1 Mei/ 13/ 3 (gegen einen nicht näher bekannten Konrad). Allenfalls liessen sich generelle Scheltstrophen wie diejenige gegen die loterritter in 1 Mei/ 20/ 1 - 2 ebenfalls zu den Sängerpolemiken zählen. Doch bleibt es dabei, dass der Strophenbestand in J grösstenteils aus Sprüchen mit anderer Thematik - beispielsweise Gottes- und Marienlob, Fürstenlob und -schelte, Frauenpreis, Minne- und Ehelehre, Strophen mit der Thematik ‹ Wirt und Gast › oder Dichterklagen - besteht und die polemischen Strophen einen geringen Anteil am Gesamtkorpus ausmachen. 118 Vgl. dazu K ÖBELE , Susanne (Hg.): Transformationen der Lyrik im 13. Jahrhundert (2013). 119 H ÜBNER , Gert / K LEIN , Dorothea: Vorwort (2015), S. VII. 166 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Dass den polemischen Strophen in der literaturwissenschaftlichen Forschung eine grundlegende Rolle zugewiesen wurde, gründet stärker als in der mengenmässigen Verbreitung der Strophen in ihrer Rezeption: Der Sängerkrieg in den Texten des Wartburgkrieg-Komplexes ist über Richard Wagners Tannhäuseroper auch im 21. Jahrhundert noch fest im kulturellen Gedächtnis verankert. 120 In gleicher Weise hat Frauenlobs Selbstrühmung (GAV,115) nicht nur zeitgenössische Kritiker auf den Plan gerufen, 121 sondern auch das Autorbild der Forschung - jenseits der Echtheitsdebatte 122 - nachhaltig beeinflusst. Alle diese Faktoren spielen zusammen, so dass Sängerpolemik das Bild der Gattung Sangspruchdichtung sowohl im Spätmittelalter als auch der (post)modernen Forschung prägt. Es ist daher nicht vermessen, Rumelants Strophen, die sich polemisch mit Konkurrenten oder Sängertypen auseinandersetzen, als ebenso gattungskonstituierend und gattungshaft zu bewerten wie die panegyrischen Strophen in Kapitel 4.1.1. Polemische Strophen im Rumelant œ uvre Wie bereits erwähnt, lassen sich die polemischen Strophen im Textkorpus Rumelants nach ihren unterschiedlichen ‹ Adressaten › arrangieren: Sprüche, die an den Marner, an Heralt, an Singûf und an Frauenlob gerichtet sind, stehen dabei neben einer grösseren Anzahl Strophen mit grundsätzlicher Kritik, bei der ein konkreter Sängerkonkurrent nicht (mehr) ausgemacht werden kann. Darüber hinaus lassen sich die Strophen aber auch nach thematischen Gesichtspunkten kategorisieren: z. B. Strophen, die den Vorwurf des Hochmuts zum Gegenstand haben (III,3; IV,6; VIII,2 - 3; ), die das Verhältnis von eigener gegenüber gegnerischer kunst thematisieren (IV,4 - 5; IV,7; IV,18; noch einmal VIII,2 - 3; XI,1 - 2), genauer: die falsche Art des Lobens (III,5; IV,26; VIII,9) sowie die Klage über den Verlust eines singerlins 123 in der Rumelant fälschlich zugeschriebenen Strophe VI,12. Einzig die Strophe in Frauenlobs Langem Ton nimmt als eine Auseinandersetzung um den semantischen und sozialen Gehalt der Begriffe wip/ vrouwe eine Sonderstellung innerhalb der polemischen Strophen im Rumelantkorpus ein. Inwiefern lässt sich nun für diese thematisch und adressatenbezogen vielfältigen Strophen von einer kohärenten Gruppe polemischer Sangsprüche innerhalb des Rumelantkorpus sprechen? Finden sich auch hier - analog zu den Überlegungen in Kapitel 4.1.1 - Phänomene übertragener Rede, die Rumelant in den polemischen Strophen besonders häufig nutzt? Gemeinsam ist allen Strophen, dass sie jeweils verhandeln, wie sich die Gruppe der meister konstituiert, wer dazugehört und wer nicht, welche Qualitäten meisterlich sind etc. 124 Wenn 120 Vgl. zur Wartburgkrieg-Rezeption in Chronistik und Hagiographie H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › (2015), S. 286 - 338; Überlegungen zur literarischen Kanonbildung und ‹ Traditionsgenerierung › u. a. am Beispiel der Meistersinger-Rezeption durch Cyrianus Spangenberg bietet neuerdings auch R OLING , Bernd: Skalden, Barden, Meistersinger (2019). 121 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 247 - 269. 122 Vgl. R ETTELBACH , Johannes: Abgefeimte Kunst (1996). 123 Der Begriff ist unikal bei Rumelant belegt und hat der Forschung daher einiges an Kopfzerbrechen bereitet, vgl. die Forschungsübersicht zur Stelle bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 552. Es ist erwogen worden, ob darunter eine Art Singschüler zu verstehen sei. 124 Seit Burghart W ACHINGER s grundlegender Studie zum Sängerkrieg (1973) haben sich zahlreiche Arbeiten mit den Auseinandersetzungen der Sänger mit dem Ideal der meisterschaft beschäftigt. Exemplarisch seien hier K ELLNER , Beate: Meisterschaft (2009); G RUBMÜLLER , Klaus: Autorität und meisterschaft (2009); L ÖSER , Freimut: Mein liebster Feind (2002); ders.: Von kleinen und großen Meistern (2007) genannt. Auch in der jüngsten Forschung wird die Frage immer noch lebhaft diskutiert, wie zuletzt die Arbeiten von B URKARD , 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 167 auch der Begriff nicht immer explizit genannt wird - das Konzept steht im Zentrum. Das Ausloten der Grenzen von meisterschaft in den genannten Strophen Rumelants umfasst, wie bereits erwähnt, die Kritik an falschem - sprich: vermessenem - Wissen (III,3), an falschem - d. h. unangemessenem - Lob (III,5) sowie am unpassenden (bildsprachlichen? ) Register (IV,22). Diskutiert werden sämtliche Aspekte der sängerischen Palette: musikalisches und metrisches Wissen (IV,6), Sprachkenntnisse (IV,4 - 5), das Verständnis von mitunter komplexen theologischen und kosmologischen Gegebenheiten (IV,6) sowie die Findigkeit als Rätsellöser bzw. -steller. Damit speist sich das Konzept der meisterschaft in Rumelants Œ uvre, wie dies grundlegend Klaus G RUBMÜLLER festgehalten hat, sowohl aus «einer - wie auch immer erworbenen, zumeist einfach vorgeführten - Sachkenntnis» als auch aus «der Beherrschung aufwendiger künstlerischer Gestaltungsmittel» 125 und umfasst den Aspekt der Urheberschaft gleichermassen wie auch denjenigen der Könnerschaft. 126 In diesem Sinn lässt sich nur dann von einer kohärenten Gruppe polemischer Strophen bei Rumelant sprechen, wenn darunter nicht ein thematisch eng zusammengehöriger Strophenverbund verstanden werden soll, sondern lose verbundene Strophen, die - um das Ideal der meisterschaft kreisend - dieses jeweils unterschiedlich akzentuieren. Auch lässt sich keine einheitliche Bildsprache polemischer Strophen ausmachen. Zwar wiederholen sich gewisse Bildfelder, doch lassen diese sich nicht in allen Strophen beobachten, sondern weisen meist nur Übereinstimmungen zwischen zwei Strophen auf: Die Strophen IV,7 und IV,18 verwenden beide Tiermetaphorik, doch haben die Überlegungen oben gezeigt (vgl. Kapitel 4.1.1), dass diese durchaus auch in panegyrischen Sprüchen eingesetzt wird. Sowohl die Polemik auf Heralt (IV,26) wie auch die Strophe IV,22, die dunkel bleibt, spielen auf das Element des verkêren an. Heralt wird als ein singer gescholten, dessen m ů t so v ů rkeret sei, dass er den bosen herren lob unde schalt die g ů ten. (IV,26,1 f.). Demgegenüber beginnt Strophe IV,22 mit einer ‹ sentenzhaften › Formulierung: Man m ů chte ein bilde malen an die want mit eime nacke, | daz sunder antliz were, wollte manz v ů rkeren. (IV,22,1 f.) Doch wird eine solche Wortrekurrenz kaum interpretatorisch allzu stark belastet werden können. Häufig wird in den polemischen Strophen Rumelants derjenige bildspendende Bereich verwendet, der für den Meisterschaftsbegriff an sich prägend ist: 127 Handwerk im weitesten Sinn (hier: Malerei/ Bildhauerei [IV,22; VI,12], Müllerei [IV,4 - 5], Musik [IV,6], Architektur [IV,18]). Freilich zieht sich diese Handwerksmetaphorik weder durch alle Strophen, die ich oben ‹ polemisch › genannt habe, noch Mirjam: Sangspruchdichter unter sich (2012) und W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012) sowie dies.: Transpersonale Meisterschaft (2016) gezeigt haben. 125 G RUBMÜLLER , Klaus: Autorität und meisterschaft (2009), S. 690. 126 So auch W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), die Meisterschaft einerseits als eine «historische, auf die Dichtkunst bezogene überindividuelle Vorstellung» (S. 44) begreift, sie andererseits auch als einen «literarische[n] Anspruch» beschreibt, der sich «aus einem wirkenden Erneuern zwischen Tradition und Artistik speist.» (S. 45) Vgl. zudem K ELLNER , Beate: Meisterschaft (2009). Anders als W ENZEL nutze ich den Meisterschaft-Begriff nicht dezidiert als «neutralisiert[e]», weil in den «Handschriften genutzte[] und reflektierte» (S. 43) Alternative zu dem für die vormoderne Literatur bekanntlich höchst problematischen Autorbegriff (vgl. Kapitel 1.1). 127 W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 44 sieht die Tatsache, dass «die Metaphernsprache bezogen auf die Meisterschaftsentwürfe durch solche bildspendenden Bereiche geprägt ist, die die Unmittelbarkeit des Handelns imaginieren und Handwerk, Körper, körperliche Auseinandersetzung (Streit) und Natur umfassen» in ihrer «handwerklichen» oder «wirkenden» Funktion begründet. 168 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität scheint es mir zulässig, sämtliche Handwerksmetaphorik innerhalb der Sangspruchdichtung ausschliesslich poetologisch zu verstehen (vgl. Kapitel 1.1). Marnerpolemiken: Rumelant von Sachsen, Boppe, Meißner Aber könnte - statt von einer grösseren kohärenten Gruppe polemischer Strophen - nicht vielleicht von kleineren kohärenten Strophengruppen gesprochen werden? Gibt es gar eine Art der kohärenten adressatengerichteten oder thematischen Polemik? Eine spezifische Redeweise, 128 die gewählt wird, um - autorunabhängig - polemisch auf einen spezifischen Sängerkonkurrenten zu verweisen? Für diejenigen Strophen, in denen sich Sangspruchdichter mit dem Marner auseinandersetzen, 129 liesse sich ein kurzes Gedankenexperiment wagen: Rumelant von Sachsen: IV,4 - 7 J führt die Strophen aus dem Rumelant œ uvre, die sich polemisch mit dem Marner auseinandersetzen (IV,4 - 7), in unmittelbarer Folge unter Ton IV. 130 Zumindest die Kompilatoren von J verstanden die Strophen demnach als zusammengehöriges Konvolut innerhalb des Textkorpus (vgl. dazu auch Kapitel 3) - nicht nur formal (Tongleichheit), sondern auch thematisch. Es lassen sich wiederkehrende inhaltliche Schwerpunkte ausmachen: Das hohe Alter des Marner wird in fast allen Strophen erwähnt (IV,4; IV,5; IV,7), doch wird nicht etwa mit dem Alter einhergehende Weisheit beschrieben, sondern der Marner wird als seniler Greis gezeichnet, als ein wunderkint, das treit graer varwen stopelhar of kindes kinne (IV,7,9 f.). Darüber hinaus kritisieren sämtliche Strophen Verstösse des Marner gegen das Gebot der mâze, dies sowohl in einem ästhetischen als auch in einem moralischen Sinn. Soweit ich die dahingehende Forschung überblicke, wurde diese Gemeinsamkeit der Strophen bis anhin nicht in dieser Deutlichkeit betont. 131 Dabei schilt Rumelant den alten mulnere bereits in IV,4 nicht 128 Den Begriff verstehe ich hier nicht in einem engeren rhetorischen Sinne als elocutio, d. h. als Bezeichnung für die sprachliche Gestaltung eines zuvor gefundenen und geordneten Gedankens, sondern entschieden funktionsgebunden, so dass ‹ Redeweise › hier auch synonym zu ‹ Register › verwendet werden könnte (vgl. dazu Kapitel 2.4). 129 Der Marner steht im Mittelpunkt verhältnismässig vieler polemischer Strophen im ausgehenden 13. Jahrhundert, in denen er namentlich genannt wird oder auch mehr oder weniger gut aus den Anspielungen zu rekonstruieren ist. Antwortstrophen des Marner selbst auf die Polemiken sind jedoch nicht überliefert. Zum Vergleich die Übersicht über Namensnennungen in Sangsprüchen vom 12. bis zum 14. Jahrhundert, vgl. die schematische Darstellung von B URKARD , Mirjam: Sangspruchdichter unter sich (2012), S. 368. 130 W o , bei dem von einer engen Verwandtschaft zu J ausgegangen werden kann (vgl. B ECK , Wolfgang: Fragmente [2010]) beinhaltet von den polemischen Marnerstrophen nur Bruchstücke der Strophe IV,7 auf dem ersten Streifen einer als Einbandhandschrift verwendeten Liederhandschrift. In C dagegen ist einzig die Rätselstrophe IV,7 überliefert. Die Strophe befindet sich in C zwischen einer allgemeinen Ermahnung an die Herren (I,7) und einer - vermutlich unbestimmten - Sängerpolemik (IV,18). Zur Identifizierung eines konkreten Sängerkonkurrenten in IV,18 vgl. die folgenden Ausführungen. 131 So bemerkt etwa R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 221 - 226 zwar die Kritik Rumelants an der «unmaßvolle[n] Anwendung» (S. 222) der Kunst des Marner in IV,4 - 5 sowie die Kritik an dessen «übermäßige[n] Zur-Schau-Stellung [. . .] künstlerische[r] Fähigkeiten» (S. 225), betont allerdings nicht die kohärenzbildende Funktion dieses Merkmals für die Strophen IV,4 - 7. Ähnlich verbindet K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 388 auch nur den Tadel gegen die «Anmaßung des ‹ alten Müllers › » in IV,4 - 5 mit der Polemik über die mangelnde zuht in IV,7; ebenso W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 169. Hingegen sieht H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 43 - 46, hier S. 45 den Vorwurf der Masslosigkeit v. a. in den beiden allegorischen Strophen IV,4 - 5 gegeben: «Soll gesagt 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 169 wegen mangelnder Kunstfertigkeit, sondern im Gegenteil wegen seiner ubervl ů te (IV,4,5), die den Damm mit ungev ů ch (IV,4,6) zum Brechen bringt. Hier spielt der Sangspruchdichter gekonnt mit der Semantik von mhd. vuoge, die sowohl in einem handwerklichen Kontext das richtige ‹ Aneinandergefügtsein › von zwei Elementen bezeichnet 132 als auch - wie Annette G EROK -R EITER unlängst gezeigt hat - eine relationale Stilkategorie darstellt, die den «Bezug der ‹ Bauelemente › untereinander, die angestrebten proportiones, die jeweiligen Relationen, die consonantia» 133 meint. In diesem Sinn könnte man vielleicht auch Anklänge an Walthers Lied L 64,31 ausmachen, wenn man das Lied als Reflexion über «die Gesangsqualität als solche, d. h. die spezifische Gemachtheit des Singens in seiner jeweiligen Art und Weise» 134 versteht. Besonders das Bildfeld der Mühle und des Müllers bei Rumelant erinnert an Walthers dritte Strophe (L 65,9), wobei der Mühlstein bei Walther durch seinen Lärm das rehte singen stört, wohingegen die Mühlräder bei Rumelant positiv gewendet gewissermassen die drei ‹ Alleinstellungsmerkmale › des Marner bezeichnen, die allerdings allesamt nur eingeschränkt zu loben sind. Anders als z. B. bei Konrads von Würzburg vielzitiertem Spruch 32,301 ( 1 KonrW/ 7/ 21, vgl. Kapitel 2.4) meint vuoge bei Rumelant auch nicht dezidiert menschlichkünstlerisch geformte Techniken in Opposition zu einer unverfälscht göttlich inspirierten Aussage. 135 Trotz dieser Motivübereinstimmungen liesse sich der Bezug zwischen Walther und Rumelant keinesfalls als direktes Zitat fassen, sondern allenfalls als (intendierte oder zufällige) Allusion. Ebenso wahrscheinlich könnten in beiden Texten Verweise auf biblische Topoi ausgemacht werden. 136 Für Rumelants Text wird dem Rezipienten spätestens zum Beginn der unmittelbar darauffolgenden Strophe IV,5 klar, dass der Vorwurf, die ubervl ů te liesse den Damm mit ungev ů ch brechen, als Kritik an der Sängerpraxis des Konkurrenten zu werten ist, wenn die Bildbestandteile aus IV,4. allegorisch ausgedeutet werden: Welich ist din wach? daz ist der sin, der dir zu herzen vliuzet (IV,5,1). Mit dem in IV,4 beschriebenen starken Wasserstrom, über den der alte Müller verfügt, ist also der sin gemeint, hier wohl zu verstehen als ‹ künstlerisches Vermögen › . 137 Der übermässige sin des Marner wird zudem kontrastiert mit einer generellen Aussage über das angemessene Singen: swer daz mit vuoge erwerbet, daz man im daz beste sprichet | des ist genuoch (IV,4,7 f.). 138 Der nächste Vorwurf der Unmässigkeit folgt auf dem Fuss: sein, daß ein Zuviel an sin zur Zerstörung eines einheitlichen Sinngefüges im Spruch führe oder aber - wofür das Weitere spricht - , daß ein Zuviel an sin zur ungevuogen Überheblichkeit gegenüber schwächeren Kollegen verleitet? » [Hervorh. im Original]. 132 Vgl. Art. ‹ vuoge › , in: L EXER III, Sp. 572. 133 G EROK -R EITER , Annette: Die ‹ Kunst der vuoge › (2015), S. 108 [Hervorh. im Original]. Der Begriff wird im Rumelant œ uvre freilich nicht durchgängig als Stilkategorie verwendet, vgl. beispielsweise III,4, wo der Lehrmeister des heidnischen Königs vor unvuoge (V. 9) warnt, womit wohl ganz allgemein «unanständiges Verhalten» (so die Übersetzung von R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 72) gemeint ist. 134 G EROK -R EITER , Annette: Die ‹ Kunst der vuoge › (2015), S. 107. 135 Vgl. zu dieser Lesart S CHNYDER , Mireille: Heidnisches Können in christlicher Kunst (2014), S. 166 f. 136 Etwa Ecl 12. Für Rumelants Strophen IV,4 - 5 wäre der biblische Hintergrund neben den motivischen Parallelen (Mühlrad 12,5 - 6; Alter 12,2) auch wegen der in Ecl 12,9 - 11 erwähnten Thematik (die Weisheit der Prediger) plausibel. Zur Rezeption der biblischen Weisheitsbücher in der Sangspruchdichtung vgl. S TACKMANN , Karl: Salomônes lêre (2004), vgl. überdies Kapitel 2.3. 137 Vgl. zum Verständnis von sin als ingenium auch die Belege bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 379 f. 138 Ich zitiere die beiden Verse nach R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 77, der - analog zu den früheren Herausgebern - den Wortlaut der Handschrift J (boste) zu beste konjiziert. Peter K ERN s Vorschlag, die handschriftliche Lesart zu belassen und die beiden Verse als «zwischengeschaltete Bemerkung» 170 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Die drei Mühlräder, die der sin antreibt, haben keinen Nutzen. Weder das erste Rad, das die Lateinkenntnisse 139 des Marner hervorbringt (IV,5,3 f.), noch das zweite Rad, welches das schwäbische Deutsch produziert, das allerdings zu ‹ überdreht › 140 sei, noch das dritte Rad, das hohe Alter. Denn dieses habe dazu geführt, dass die kunst des Marner nun verkunstet sei. Diese Wortneuschöpfung Rumelants lässt sich nun unterschiedlich übersetzen: So versteht Peter K ERN die Passage im Sinne von «jetzt [im hohen Alter] hat deine Kunst aufgehört, Kunst zu sein» 141 im Anschluss an Friedrich P ANZER , der die Nähe von verkunstet zu Frauenlobs verkindet kint (VII,17), d. h. dem Kind, das aufgehört hat, Kind zu sein, herausstellt. 142 Doch liesse sich der Vers auch ganz anders verstehen, nicht als Kritik am «Mißverhältnis zwischen dem Anspruch des Gegners und seiner tatsächlichen dichterischen Leistung» 143 oder als Hinweis darauf, dass seine Lateinkenntnisse keinen Grund darstellen würden, den Marner zu bewundern, 144 sondern vielmehr als Vorwurf, dass die kunst des gegnerischen Sängers sich im Alter zu einer übersteigerten Künstlichkeit entwickelt hätte. 145 Der Verstoss gegen das Prinzip der mâze aufzufassen, «mit der Rumelant die Art seiner Antwort auf die überhebliche Kollegenschelte des Marner selbst kommentiert, nämlich als eine Replik, die dessen ungev ů ch vermeidet und stattdessen mit v ů ge reagiert» (K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 379), kann ich nicht nachvollziehen. K ERN s Übersetzung von IV,4,7 f. - Wenn einer das auf gebührende Weise erreicht, daß man ihm [scil. dem literarischen Gegner] das Schlechteste nachsagt, | ist das genug [d. h.: dann hat seine Kritik ihr Ziel erreicht] - scheint mir kaum mit meiner Lesart der Strophen IV,4 - 5 zu vereinbaren. 139 Es lässt sich aus der Rumelantstrophe m. E. nicht schliessen, ob mit dem Latein-Mühlrad die Möglichkeit eines bilingualen Œ uvres oder bloss (passive) Lateinkenntnisse des Sängerkonkurrenten angesprochen sind. Sicher ausgeschlossen werden kann die die Vorstellung einer sprachmischenden Lyrik (vgl. K ÜHNE , Udo: Überlegungen zum Marner [1996], S. 278, anders nur B EATIE , Bruce A.: Macaronic Poetry [1967]). Zur Frage, wie die Passage bei Rumelant für die Beurteilung der Möglichkeit eines zweisprachigen Marner œ uvres zu gewichten sei, vgl. K ÜHNE , Udo: Überlegungen zum Marner (1996) sowie die Replik von H AUSTEIN , Jens: Überlieferung und Autorschaft (1997). Kritisch zu H AUSTEIN s Thesen auch W ILLMS , Eva: Der Marner (2008), S. 18 - 25. Die Forschungskontroverse über die Echtheit der lateinischen Strophen hat Jens H AUSTEIN unlängst noch einmal rekapituliert (Der Marner [2019], S. 373 f.). Die Lateinkenntnisse des Marner erwähnt auch Hugo von Trimberg im Renner: doch rennet in allen [her Reinmar, her Peterlîn und von Wirzburch Kuonrâden] der Marner vor, | der lustic Tiutsch und sch œ n Latîn | als ein frischen brunnen und starken wîn | gemischet hat in süeze ged œ ne. (E HRISMANN , Gustav: Hugo von Trimberg Der Renner [1970 (1908 - 11)], V. 1229 - 1232). 140 Die diversen Übersetzungsvorschläge hat H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 45 gegeneinander abgewogen, wobei er den Vorschlag von T ERVOOREN ( ‹ überhastet › ) präferiert. Mit meinem Übersetzungsvorschlag versuche ich dem Prinzip von IV,4 - 5 Rechnung zu tragen, dass Bild- und Auslegungsebene sogar auf der Ebene des Einzelwortes in eins fallen. Indem die etymologische Verwandtschaft von dræte mit dem Verbum drejen im Neuhochdeutschen bestehen bleibt, widerspiegelt auch die Übersetzung den Status des Begriffs zwischen Bild und Auslegung. 141 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 89. 142 Vgl. P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), S. 65. 143 O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), S. 214. 144 So etwa L ÖSER , Freimut: Von kleinen und großen Meistern (2007), S. 374. 145 Die Vorsilbe verkann im Mittelhochdeutschen neben dem Verlust oder Verderben auch ein ‹ zu viel › oder ‹ zu lange › bezeichnen (etwa: veralten, verladen, vermezzen, sich verligen), vgl. BMZ III, Sp. 299 b. H ÖVER , Werner / W ILLMS , Eva: Deutsche Lyrik 1 (1978), S. 375 übersetzen dementsprechend: «Nun ist deine Kunst zur Künstlichkeit übersteigert.» Auch K ÜHNE , Udo: Überlegungen zum Marner (1996), S. 279 paraphrasiert die Verse, dass sie eine Art des «Stillstands durch Routine im Alter» beschreiben, «so daß leicht einmal Künstlichkeit an die Stelle von Kunst trete.» R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 224 erwägt sowohl übersteigerte Künstlichkeit als auch Kunst, die aufgehört hat, zu existieren, hält aber fest, dass beide Übersetzungsmöglichkeiten auf das Gleiche hinauslaufen. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 171 wäre also auch in IV,5 angesprochen, allerdings lässt sich aus der Strophe nicht zweifelsfrei erschliessen, was das ‹ Zuviel › an kunst ausmacht. Ist es ein ‹ Zuviel › von rhetorischer ‹ Gedrechseltheit › , eine Rüge, dass ein Übermass von künstlerischer Geformtheit in Unverständlichkeit mündet? Darauf wird noch zurückzukommen sein. Erst einmal zu IV,6: In dieser Strophe verhandelt Rumelant sowohl sängerische als auch moralische Aspekte des Masshaltens. Denn Rumelant gesteht dem Konkurrenten durchaus zu, der beste diutische singer (IV,6,1) zu sein. Als solcher habe dieser die museken an der hant, die sillaban an dem vinger | gemezzen (IV,6,3 f.). Bereits Konrad B URDACH hat festgestellt, dass damit die Praxis der Solmisation angesprochen ist, d. h. das Verfahren, Tonstufen des Hexachordsystems mittels der sogenannten Guidonischen Hand zu bezeichnen und zu memorieren. 146 B URDACH versteht die Passage dementsprechend als Verweis auf den Gegensatz kunstloser weltlicher und gelehrter geistlicher Musik. 147 In dieser Folge zielen alle weiteren Lesarten der Strophe IV,6 148 auf die Opposition zwischen dem (im Rahmen der artes liberales) 149 musikalisch gebildeten Marner und Rumelant, der sich als Laie geriert. Dies ist mit Blick auf den weiteren Strophenverlauf nicht von der Hand zu weisen. Doch klingt über das Verbum mezzen derAspekt, dass die Versform im Mittelalter als Abbild der nach Mass, Zahl und Gewicht geordneten göttlichen Schöpfung (Sap 11,21) gilt, zumindest an. 150 Dass einzelne Sangspruchdichter die Analogie zwischen poeta artifex und deus geometra zumindest künstlerisch produktiv machen, hat die Forschung bereits ausführlich an Frauenlobs Selbstbezeichnung als wercman in Strophe V,13 diskutiert. 151 Das Silbenmessen in Rumelants Strophe IV,6 ist freilich nicht mit Frauenlobs bekannter Äusserung ich forme, ich model, ich mizze (GA V,13) zu vergleichen, denn die Verse bei Rumelant verweisen wohl auf das In-Bezug-Setzen einzelner Tonsilben unter 146 Vgl. B URDACH , Konrad: Reinmar der Alte (1880), S. 139, 174 f. 147 Vgl. B URDACH , Konrad: Reinmar der Alte (1880), S. 174. 148 Vgl. die Übersicht über die Deutungen der Verse bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 386. 149 Zur Stellung der Musik innerhalb des Quadriviums vgl. H AAS , Max: Musikalisches Denken im Mittelalter ( 2 2007), S. 55 - 85. 150 Vgl. W EHRLI , Max: Literatur im deutschen Mittelalter (1984), S. 184 f. So führt L EXER I, Sp. 2129 für mezzen neben der Grundbedeutung ‹ (ab)messen › etwa auch ‹ dichten › und ‹ bilden › . 151 Bereits H AUSTEIN , Jens: Autopoietische Freiheit (1997), S. 108 hat auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Frauenlob in V,13 eine «Analogie von Gott als Baumeister der Welt und dem Dichter als Schöpfer eines literarischen Werkes» anspreche. Diese Überlegungen hat K LEIN , Dorothea: Poeta artifex (2017) aufgegriffen, wobei sie mit Rekurs auf die mittelalterliche Theologie die These zweier miteinander «konkurrierende[r] Schöpfungskonzepte[]» (S. 253) vertritt. O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995) liest die wercman-Metapher in der Frauenlobstrophe dagegen kategorisch anders: «Allerdings beschreibt auch sie lediglich, daß der Dichter zunächst eine Idee von seinem Gedicht hat, die er schließlich in Sprache umsetzt; sie sagt nichts darüber aus, wie er zur Idee kommt - der eigentliche kreative Akt bleibt von der Darstellung ausgespart.» (S. 335). Auch H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000), S. 274, Anm. 157 warnt davor, die Passage zu stark zu belasten. Vgl. darüber hinaus zur Thematik auch C RAMER , Thomas: Solus Creator est Deus (1986) sowie - in Bezug auf Konrad von Würzburg, den sie als von Gott inspirierten «Wiederschöpfer» zeichnet - B AUSCHKE , Ricarda: Der Dichter als Schöpfer (2013), S. 116. Bei Rumelant klingt die göttliche meisterschaft in VII,1 sowie in VIII,1 im Kompositum meisterscheffer an (in der Handschrift getrennt geschrieben, zur Begründung vgl. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 260, dem ich hier folge). Göttliche und meisterliche Schöpfung rücken etwa auch in 1 Ehrb/ 2/ 4 - dennoch wird die Differenz stets markiert, so macht etwa Rumelant in Strophe VI,6 deutlich, dass die kunst von Gott komme. Differenzsstrategien zwischen göttlicher und meisterlicher Schöpfung hat M ÜLLER , Jan-Dirk: Überwundern - überwilden (2018), S. 193 für Konrad von Würzburg aufgezeigt. 172 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Zuhilfenahme der Guidonischen Hand, d. h. auf die Praxis der Solmisation. 152 Daher fasst auch Peter K ERN für die Verse Du has die museken an der hant, die sillaban an dem vinger | gemezzen (IV,6,3 f.) die erwähnten sillaban als die unterschiedlichen Tonbuchstaben auf und übersetzt recht umständlich mit Du hast die Melodien an der Hand, die Silben an dem Finger gemessen (Du hast dich bei der Komposition der Melodien an der [Guidonischen] Hand, bei der Festlegung der [durch Silben bezeichneten] Töne [und damit auch der Tonintervalle] am Finger [an der Lage der - durch Buchstaben - an den Fingergliedern markierten Töne] orientiert). 153 Das mezzen der museken an der hant und der sillaban an dem vinger meint eine Art der massvollen Komposition, in der die guidonischen Tonsilben, die relative Tonhöhen bezeichnen, zueinander ins richtige Verhältnis gesetzt werden. 154 Der Fähigkeit des Marner, das rechte Mass im Tonverhältnis zu finden, stellt Rumelant dann allerdings die moralische Verfehlung des Gegners entgegen. Ähnlich wie in III,3 kritisiert Rumelant, auch der gelehrte Marner wisse nicht alles, daz got v ů rmac (IV,6,5), denn die gerechte Verteilung der Fähigkeiten obliege nur Gott. Und der habe sowohl dem Sachsen (Rumelant) als auch dem Schwaben (Marner) helfe unde rat (IV,6,8) zukommen lassen. Mit dem Verweis auf die Autorität der Heiligen Schrift schliesst die Strophe bilanzierend: Daz sunte Pawel in der pisteln hat gesprochen | («got git nach sinem willen»), la daz ungerochen! (IV,6,9 f.). Auch hier geht es also wieder um das rechte Mass, jedoch befindet sich nun Gott - und nicht etwa der Sänger - in der Rolle desjenigen, der die unterschiedlichen Fähigkeiten massvoll und gerecht verteilt. 155 Haec autem omnia operatur unus atque idem Spiritus dividens singulis prout vult (I Cor 12,11). Hier und auch bereits zuvor in I Cor 12,1 - 10 verhandelt der Bibeltext die Verteilung verschiedener Gaben durch den einen Gott nach dessen Ermessen; in diesem Sinne haben die Sänger etwa beide mit I Cor 12,8 die Fähigkeit, Weisheit mitzuteilen. Rumelant betont dabei besonders die Gleichwertigkeit des Schwaben und des Sachsen, die in der gerechten Verteilung der göttlichen Gaben gründet. So steht in IV,6 dem Lob des massvollen Silbenmessens die Kritik am vermessenen Verhalten des Gegners gegenüber. 156 Die Möglichkeit einer gemeinsamen Aufführung der drei Strophen IV,4 - 6 hat die Forschung häufig erwogen. 157 Dagegen ist für die Rätselstrophe IV,7 fast immer der Status einer 152 Wahrscheinlich ist mit diesem Passus noch nicht auf die dichterische Praxis des Silbenzählens angespielt, die in der Übergangszeit von Sangspruch zu Meistersang ab dem 14. Jahrhundert häufig eine Rolle spielt. Vgl. etwa die erste Strophe eines Meisterliedbars in Boppes Hofton, in der inhaltliche und formale Aspekte verbunden werden ( 1 Bop/ 1/ 549): Sie wizzen den grunt, silben zal mit hovelichen dingen. Vgl. auch die anderen Belege bei B OESCH , Bruno: Die Kunstanschauung in der mittelhochdeutschen Dichtung (1936), S. 15 f., Anm. 25 und 26. Auch wenn Christoph M ÄRZ von einer Lesart der Verse als Verweis auf die Solmisation ausgeht, gibt er doch zu bedenken, dass die Passage bereits von mittelalterlichen Rezipienten (falsch) als Hinweis auf das Silbenzählen hätte verstanden werden können, vgl. M ÄRZ , Christoph: Der silben zall (2000), S. 77, Anm. 14. 153 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 91. 154 Vgl. T HORAU , Christian / S MITS VAN W AESBERGHE , Joseph: Art. ‹ Handzeichen › (2016). 155 Vgl. zu diesem Gedanken auch Strophe VIII,7, wobei Rumelant dort gerade betont, dass die Verteilung der Gaben ungleich geschehen sei: Got hat in allen nicht gegeben | gelich den herren herlich leben; | jo ne hat her armen liuten nicht | geliche selde erzeiget. (VIII,7,1 - 4, K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 200). 156 Diese Gegenüberstellung bringt insofern eine gewisse Paradoxie mit sich, als der regelhafte Zugang zur musica über didaktische Vermittlung an sich bereits das Ziel der Vermeidung von Ablenkung hat, d. h. einer potentiell gefährlichen Abweichung. Vgl. dazu L EACH , Elizabeth Eva: Grammar and Music in the medieval Song-School (2009), S. 195 - 211. 157 Vgl. etwa T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 230 f. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 173 Einzelstrophe behauptet worden, die erst im Sammlungskontext der vorhergehenden Trias angehängt wurde. 158 ‹ Ren-ram › -rint - rechte raten r ů ch nach meisterlicher orden: wie mac daz wunderliche wunder sin genennet? Ez was ein kint unde wart ein man und ist ein kint geworden; daz wunder ist v ů r wunder wunderliche erkennet. Ez ist ein ren der wildicheit, ein ram der unbehende, der zucht ein rint. Von alter get ez hinder sich, sin lob hat widerwende. daz wunderkint Treit graer varwen stopfelhar of kindes kinne. ez ist genant - nu rat! bistu des namen inne? (IV,7) 159 Für meine Frage nach einer kohärenten Marnerpolemik soll nun aber nicht diskutiert werden, welche Merkmale für oder gegen eine Lesart als Strophenkomplex sprechen, sondern ob es sich wiederholende Motive und Bildfelder gibt, die für eine übergreifendere Kohärenz der Untergattung Marnerpolemik sprechen könnten. Auf den ersten Blick wirkt IV,6 doch sehr verschieden von den vorherigen drei Strophen. Es handelt sich dabei um eine Rätselstrophe, die den Namen des Marner verschlüsselt. In IV,6 behandelte Rumelant das Silbenmessen, in IV,7 wird der Name des Konkurrenten in seine Silbenbestandteile zerlegt. Burghart W ACHINGER hat die Differenz zwischen IV,4 - 6 und IV,7 bemerkt: «Und die Grobheit des Spottes hier sticht [. . .] von dem gemäßigteren Ton der anderen Strophen ab.» 160 Von derartigen ästhetischen Wertungen abgesehen fügt W ACHINGER aber an, dass sich durchaus wiederkehrende Elemente beobachten lassen: «[H]ier wird dem Marner unbehende und mangelnde zucht, dort wird ihm ungevuoc vorgeworfen.» 161 Genauer werden in IV,7 die drei alliterierenden Tiernamen aus dem Eingangsvers in IV,5 f. in Genitivkonstruktionen zusammen mit normierenden Schlüsselbegriffen aufgegriffen: Ez ist ein ren der wildicheit, ein ram der unbehende, | der zucht ein rint. Über die Übersetzung der Tiernamen ist bereits debattiert worden, 162 doch interessieren mich dabei weniger die Wortneuschöpfungen Rumelants als deren Kombination 158 Vgl. den Forschungsüberblick bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 388. 159 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 92. ‹ Ren-ram › -Rind - bemühe dich, mit Kunstverstand richtig zu raten: | Wie kann dieses merkwürdige Wunderwesen genannt sein? | Es war ein Kind und wurde ein Mann und ist ein Kind geworden; | dieses Wunderwesen gilt in seiner Staunen erregenden Art als mehr denn ein Wunder (als Wunder, das andere Wunder übertrifft). | Es ist ein ‹ Ren › (Rentier) hinsichtlich der Wildheit, ein ‹ Ram › (Widder) hinsichtlich der Ungeschicklichkeit, | ein Rind hinsichtlich der Zucht (des wohlerzogenen Verhaltens). | Wegen des Alters geht es rückwärts (kerht sich seine Entwicklung um), sein Ruhm nimmt ab. | Das verwunderliche Kind | trägt Stoppelhaare von grauer Farbe auf Kindes Kinn. | Es ist genannt - nun rate! Kennst du den Namen? (Übersetzung K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtungs Rumelants von Sachsen [2014], S. 93.) Vgl. zur Strophe auch Kapitel 2.4. 160 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 169. 161 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 169 [Hervorh. im Original]. 162 Vgl. auch den Vorschlag von W ILLMS , Eva: Der Marner (2008), S. 393, Anm. 150. 174 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität mit wildicheit, unbehende und zuht, 163 die allesamt Normen bzw. die Abweichung davon bezeichnen. Am augenfälligsten ist das vielleicht für den Begriff der wildicheit. Die Semantik von wilde und wildekeit hat zuletzt Wolfgang H AUBRICHS in einer onomasiologischen und semasiologischen Untersuchung aufgearbeitet und dabei gezeigt, dass die ursprüngliche Bedeutung von wilde als ‹ undomestiziert › im Mittelhochdeutschen ausgreift und «die Bezirke des ‹ Fremden › , von der Norm Abweichenden [. . .] und der Entfremdung, aber auch des Unbekannten, Unheimlichen, daneben auch im psychischen Sinne Sinnbezirke der Heftigkeit, der Verwilderung, auch der Vernunftabgewandtheit [infiziert].» 164 Dass der Begriff nicht nur den Gegenstand, sondern auch den Erzählmodus bezeichnen kann, 165 ist etwa für die narrative Umsetzung des Wilden bei Wolfram von Eschenbach beschrieben worden. 166 Und wird zu Beginn von Konrads Klage der Kunst das Ich des Textes von Frou Wildekeit in den Wald an einen Brunnen geführt, meint dies - so H AUBRICHS - die «Personifikation eines erzählkünstlerischen Prinzips des Autors.» 167 Doch ohne Kontext bleibt der Begriff leer, schliesslich bewegen sich die Belege bei H AUBRICHS im breiten Spannungsfeld von neutraler bis positiver Bewertung, von inszenierter und kalkulierter wilde(keit) bis hin zum Vorwurf unbeabsichtigter, dilettantischer wilder rede. Und wie verhält es sich bei Rumelants Vorwurf an den Marner? Liest man das ren der wildicheit vor dem Hintergrund von IV,4 - 5 und dem überfliessenden sin des Marner, liesse sich die wildicheit nicht etwa als Verweis auf die Fremdheit des schwäbischen Marner verstehen, die ja durchaus an anderer Stelle angesprochen wird, sondern wie in IV,5 als Kritik an der übermässigen Künstlichkeit der gegnerischen Redeweise. 168 Auch der zweite Vorwurf, der Marner sei ein ram der unbehende weist in eine ähnliche Richtung, übersetzt man mhd. unbehende etwas freier mit ‹ unpassend › . 169 Der dritte Vorwurf, der Marner sei rint der zuht zielt im Gegensatz zu wilde und unbehende klar auf eine moralische Masslosigkeit des Marner. Rumelant sieht für den Marner die von mâze geprägte «Übereinstimmung von innerer Gesinnung und äußerem Benehmen» 170 verletzt. Dass zuht dabei als Gegenbegriff zur wilde gefasst werden kann, schliesst den Kreis: Die wildicheit des Gegners ist so gross, dass ihr nur die mangelhafte zuht eines Rinds entspricht. 163 B URKARD , Mirjam: Sangspruchdichter unter sich (2012), S. 219 - 230 hat auf allfällige intertextuelle Beziehungen mit der bekannten polemischen Marnerstrophe hingewiesen ( 1 Marn/ 3/ 3), die sich gegen Reinmar von Zweter richtet. Der Marner erwähnt drei wundertier, die bei Reinmar wohnen - gît, haz unde nît. 164 H AUBRICHS , Wolfgang: wild, grimm und wüst (2018), S. 38. 165 Vgl. dazu den Sammelband von K ÖBELE , Susanne / F RICK , Julia (Hgg.): wildekeit (2018). 166 Vgl. S CHULER -L ANGE , Larissa: Wildes Erzählen (2014). Für einen Vertreter der Lyrik liesse sich etwa das Attribut wild im Autornamen des ‹ Wilden Alexanders › poetologisch auf den geblümten Stil der Strophen beziehen, vgl. S CHMOLINSKY , Sabine: Wie dunkel ist wilde rede? (1996). 167 H AUBRICHS , Wolfgang: wild, grimm und wüst (2018), S. 49. 168 Rumelant verwendet den Begriff ansonsten nicht. In einem anderen Kontext steht das in V,2 erwähnte tiure wiltbrete (vgl. Kapitel 3.3). 169 Vgl. den Eintrag zum Adjektiv unbehende in L EXER II, Sp. 1754: «ohne die hand zu gebrauchen; nicht gut zu handhaben, schwer beweglich; unpassend, unbequem, ungeschickt, unverständig, unangenehm, hart, grob.» 170 W EDDIGE , Hilkert: Mittelhochdeutsch ( 8 2010), S. 137. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 175 Boppe ( 1 Bop/ 3/ 2) Doch wie sieht es mit einer autor œ uvre-übergreifenden Kohärenz spezifisch marnerpolemischer Strophen aus? Mit dieser Frage stösst man bereits dann an seine Grenzen, wenn entschieden werden soll, welche Strophen sich polemisch auf den Marner beziehen und welche nicht. Dazu kommt - in einigen Fällen - die Schwierigkeit, gewisse Strophen eindeutig einem Autorkorpus zuzuordnen. Ein solcher Grenzfall ist Boppes Strophe im Ton I des Meißner in C: Hoert ir ’ z, her esel, her dunkelguot, her êrennîdinc, her galgenswenkel, † w ē d ir warst † her niemansvriunt, her glîdinc, ir sît wol des witehopfen gnôz. iu gebristet an rechter kunst, an êren und an muote. sigels und stiure, der habt ir nicht, ir vliezet âne ruote. her swalwennest, iuwer schal der ist ze grôz. waz sol der küeje lüejen, waz sol der vrösche schrîen, der hennen gagzen? swelch schalc im selben dunret, † d ē schal der hagel svs sicht ma¯ slaht ī slahtes flegzen † . hoert ir ’ z, her entensnabel, her sniudel, her sürtel und ouch ir, tôre, her sniudel, waz sniudelt ir uns an? waz sol ein wolf ze kôre, her affenzagel, her schandendeckeblôz? ( 1 Bop/ 3/ 2) 171 Der Schwall an Beschimpfungen, 172 der hier auf den nicht namentlich genannten Gegner niedergeht, hat die Forschung gemeinhin als Antwort auf die in C vorangehende Strophe gesehen. Diese ist in C unter dem Namen Boppes, in J hingegen im Corpus des Meißner überliefert, welchem sie auch allgemein zugerechnet wird. 173 Einzig Fedor B ECH hat bisher die Auffassung vertreten, bei der Strophe handle es sich nicht um eine Auseinandersetzung mit dem Meißner, sondern um eine Polemik des Meißner gegen den Marner. 174 1 Bop/ 3/ 2 würde dementsprechend keine Replik auf die in C vorangehende Strophe ( 1 Mei/ 1/ 12) darstellen, sondern wäre eine Fortsetzung dieser. B ECH s These ist vielfach und entschieden zurückgewiesen worden, da sich für alle seine Argumente auch ebenso viele Gegenargumente und entsprechende Belegstellen finden lassen: Dass die Aussage der Strophe, der Gescholtene fahre ohne Segel, Steuer und Ruder, als direkter Verweis auf den Marner zu verstehen sei, bleibt spekulativ sowohl angesichts der unklaren Semantik des Autornamens als auch angesichts der 171 A LEX , Heidrun: Der Spruchdichter Boppe (1998), S. 94. Hört ihr ’ s, Herr Esel, Herr Scheinheiliger, Herr Ehrabschneider, | Herr Galgenschwengel, † † Herr Niemandsfreund Herr Schreihals, | ihr gleicht völlig einem Wiedehopf. | Euch mangelt es an richtigem Können, an Ansehen und an rechter Gesinnung. | Segel und Steuer, die besitzt ihr nicht, ihr treibt ohne Ruder. | Herr Schwalbennest, euer Getöse ist zu laut. | Was soll das Brüllen der Kühe, was soll das Geschrei der Frösche, das Gegacker der Hennen? | Welcher Bösewicht sich selber donnert † | Hört ihr ’ s, Herr Entenschnabel, Herr Rotzer, Herr Nichtsnutz und auch ihr, Tor, | Herr Rotzer, was rotzt ihr uns an? Was hat ein Wolf im Chor zu suchen, | Herr Affenschwanz, Herr Schandaufdecker? (Übersetzung A LEX , Heidrun: Der Spruchdichter Boppe [1998], S. 95). 172 Vergleichbar ist die Aneinanderreihung der Beschimpfungen, die alle an einen einzigen Adressaten gerichtet sind, beispielsweise mit 1 ReiZw/ 1/ 250. Vgl. dazu (mit einer Edition der Strophe) S CHANZE , Frieder: Scharfe Schelte (2009), S. 112 - 116. 173 Zur Echtheitsthematik der Boppe-Strophen bereits in den alten Liederhandschriften vgl. A LEX , Heidrun: Der Spruchdichter Boppe (1998), S. 8. Das RSM verzeichnet die bei A LEX als III,1 geführte Strophe Boppes unter 1 Mei/ 1/ 12. 174 Vgl. B ECH , Fedor: Zum Marner (1877), S. 356. 176 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität poetologischen Seefahrtstopoi, die - auf antike Muster zurückgehend - auch in der deutschen mittelalterlichen Dichtung (so bereits in Otfrieds Evangelienbuch) verbreitet sind. 175 Für Belege innerhalb der Gattung ist besonders an Rumelants Strophe VI,3 zu denken, in der sich das Sänger-Ich über neidische Konkurrenten beklagt, die auf seinen Untergang hoffen würden: Ob ich vluzze, des v ů rdruzze mine valschen vrunde; | wente sie hoffen, daz ich sinken z ů der grunt beginne. | min heil schif gestozen het of ir nidic stein, | Ne werez nicht in selden banden | mit geluckes rat vast gebunden. (VI,3,4 - 8) 176 In der Aufzählung der diversen Tiernamen sieht B ECH einen Hinweis auf die Physiologusstrophe des Marner ( 1 Marn/ 7/ 15), auf die der Meißner bereits reagiert hatte ( 1 Mei/ 12/ 1 - 4), obwohl die dort erwähnten Tiere - Löwe, Elefant, Strauss, Adler, Phönix und Pelikan - keineswegs mit den in 1 Bop/ 3/ 2 genannten Tiernamen übereinstimmen. Schliesslich sind auch die Anklänge an den Marner im schrîen der Frösche ( 1 Marn/ 6/ 6) sowie im swalewennest - über den Rekurs auf die (angebliche) Marnerpolemik Rumelants in IV,18 (s. u.) - vorsichtig zu bewerten. Auch Walther klagt über Sänger, deren Gelärm das Singen der Nachtigall übertönt (L 65,21) und ebenso wahrscheinlich wie der Rumelant-Bezug ist es, dass die Nennung des Schwalbennestes auf die Meißnerstrophen 1 Mei/ 20/ 1 - 2 anspielen, in denen die loterritter mit Schwalben verglichen werden, die ihr Nest im Winter im Stich lassen. 177 Derartige Ausführungen zielen auf ein Grundproblem der Beschäftigung mit Sangspruchdichtung: Weil sich die Dichter stets im Modus der Überbietung auch auf vorhandene Traditionsmuster beziehen und spezifische Diskurse immer wieder neu aufgenommen und umgeformt werden, sind im Einzelfall konkrete intertextuelle Bezüge kaum von Referenzen auf allgemeine Topoi zu unterscheiden. Dementsprechend kann es nicht die Lösung sein, einzelne Bildfelder allzu stark zu belasten und beispielsweise alle Frosch-, Esel- oder Schwalbenstrophen unmittelbar miteinander in Bezug setzen zu wollen. Vielmehr gilt es zu überlegen, ob sich Funktionsspezifika der Strophen herausarbeiten lassen, die sich auch in anderen Strophen finden, beispielsweise den spezifischen Einsatz unterschiedlicher Elemente bildhafter Rede. Der Meißner ( 1 Mei/ 13/ 3) Das lässt sich an einer Strophe des Meißner untersuchen. Obwohl hier derAdressat der Polemik kaum deutlicher als in 1 Bop/ 3/ 2 zum Vorschein kommt, wird er zumindest namentlich genannt. Ein snellez rat lief unde rat. 178 daz selbe rat trieb C ů nrat, der b ů ch unrat. g ů t was der rat. nu rat den rat mit m ů zen. Zucht angeleit ist g ů t geleit. zucht kan irwenden herzeleit. 175 Vgl. K OHL , Katrin: Poetologische Metaphern (2007), S. 20 f. 176 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 251 hat allerdings auch hier aufgrund des Bildfeldes ‹ Seefahrt › einen Verweis auf den «Dauerkonkurrenten» Marner erwogen. 177 Für einen Bezug zwischen den Strophen würde auch die Häufung von Schimpfwörtern in 1 Mei/ 20/ 2 sprechen. 178 Es wäre zu überlegen, ob an dieser Stelle O BJARTEL s Interpunktion zweifelsfrei zu folgen ist und rat dementsprechend als verkürze Form von radete verstanden werden kann, oder ob die Passage nicht auch lauten könnte: Ein snellez rat lief. unde rat: | daz selbe rat trieb C ů nrat [. . .]. Nach diesem Interpunktionsvorschlag würde sich allerdings die Rateaufforderung doppeln (vgl. V. 4). 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 177 swem sunde ist leit, got den hie leit, den wir ouch vorchten m ů zen. Ich brach den arm, des wart ich arm. eines wazzers arm stunt stete Unde m ů l diz stat, da stunt ein stat, dar nu nicht stat unstete. Waz des was, man gebuwete wider. ich vurlos zwe schaf unde einen wider. den schaden klage ich stete. ( 1 Mei/ 13/ 3) 179 Mit den Equivoca des Meißner ist ein C ů nrat adressiert, den die Forschung teilweise mit dem Marner identifiziert hat, hauptsächlich wohl basierend auf den Zuschreibungen der Meistersinger des 16. Jahrhunderts. 180 Ob in 1 Mei/ 13/ 3 tatsächlich der Marner angesprochen sei oder ob Konrad von Würzburg, von dem ein Minnelied überliefert ist, das mit zahlreichen grammatischen Reimen operiert, 181 oder ob «irgend ein unbekannter Konrad» gemeint sei, hat bereits Burghart W ACHINGER zu bedenken gegeben. 182 Nehmen wir für einen Moment an, es sei tatsächlich der Marner angesprochen: Was lässt sich aus einer solchen Prämisse für die Lektüre der Meißnerstrophe gewinnen? Müsste man die Strophe dann mit den deutlich als Marnerpolemiken klassifizierbaren Strophen im Hintergrund lesen? Für Rumelants Mühlenallegorie IV,4 - 5 würden die zahlreichen Wiederholungen von rat in unterschiedlichen Bedeutungsvarianten in der Meißnerstrophe einen solchen Konnex vielleicht erlauben, obwohl auch hier zu fragen wäre, wie die Bildlogiken der unterschiedlichen Strophen miteinander in Verbindung zu bringen sind. In Rumelants Strophen ist es offenbar der sin, der aus dem Herzen des angesprochenen Müllers fliesst und die Mühlräder in Bewegung setzt. Diese drei Mühlräder stellen im Mahlvorgang gewissermassen das ‹ Endprodukt › her: Latein, Schwäbisch und das hohe Alter. Bereits in Rumelants Strophen ist die Logik von Bild und entsprechender Auslegung nicht einfach zu verstehen, obwohl die Eindeutigkeit der Bezüge zwischen Bild- und Auslegungsebene über das hoc-est-Schema sprachlich deutlich gemacht wird (vgl. Kapitel 3.2). Strophe IV,4 schliesst mit der Aussage, dass die Mühle leer bleibt; freilich wird nicht klar, weshalb das der Fall ist. Die übervlüete hat den Deich zum Einsturz gebracht (IV,4), aber die Mühlräder in IV,5 können sich dennoch drehen. Es könnte auch sein, dass die mangelnde Qualität des Produktes (die Nutzlosigkeit des Lateins, das Schwäbisch, das ze dræte sei, die übermässige Künstlichkeit im 179 O BJARTEL , Georg: Der Meißner (1977), S. 210. Ein schnelles Rad lief und drehte sich. | Dieses Rad trieb Konrad an, | der Bücherschaden. Der Rat war gut. | Nun löse das Rätsel mit Musse. | Wer sich Zucht anlegt, ist gut beschützt. | Zucht kann Herzschmerz abwenden. | Wen Sünde schmerzt, den leitet Gott hierher, | [Gott], den wir fürchten müssen. | Ich brach den Arm, | deshalb wurde ich arm. | Ein Flussarm stand beständig | und trug das Ufer ab; | [an diesem Ufer] stand eine Stadt, | die nun nicht mehr unbeständig steht. | Was damals war, das hat man wieder aufgebaut. | Ich verlor [damals] zwei Schafe und einen Widder. | Den Schaden beklage ich ständig. (Übersetzung EL). 180 So auch HMS IV, S. 524: «Er [der Marner, EL] war ein S c h w a b e und hieß mit Vornamen K o n r a d , wie seine Zeitgenossen Rumsland und Meissener andeuten, und die Meistersänger bestätigen, welche ihn zwar auch Ludwig und Hans Ludwig nennen [. . .].» [Hervorh. im Original]. 181 S CHRÖDER , Edward: Konrad von Würzburg Kleinere Dichtungen III ( 2 1959), S. 29 f. 182 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 161 f. 178 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Alter) der Grund für das Leerbleiben der Mühle ist. Bei der Meißnerstrophe gestaltet sich das Bild wiederum anders. Hier ist es der angesprochene Konrad, der das Rad antreibt und damit den Büchern/ der Literatur schadet. 183 Doch wird weder klar, um welches Rad es sich handelt, noch erschliesst sich, weshalb der das Rad antreibende Konrad ein b ů ch unrat sei. Wenn es mir auch nicht angemessen scheint, so streng wie Sonja W ÜRTEMBERGER zu urteilen, «[d]as semantische Material [sei] für dieses Lehrstück nur Füllung zum Zeigen der eigenen technischen Meisterschaft» 184 , lässt sich doch überlegen, inwiefern die «Aufmerksamkeitsverschiebung» 185 , die Manuel B RAUN für den Minnesang des 13. Jahrhunderts feststellen will, auch für den zeitgleichen Sangspruch zu beobachten wäre. Obwohl B RAUN eine strenge Form-Inhalt- Dichotomie explizit ausschliesst, 186 nimmt er an, dass das Paradox der Hohen Minne in der Liebeslyrik des 13. Jahrhunderts nicht mehr - wie im 12. Jahrhundert - syntaktisch und semantisch komplex dargestellt wird, sondern er hält die Schwächung des Inhalts zugunsten der Akzentuierung der Effekte auf der Textoberfläche fest. 187 B RAUN s entschieden rezeptionsästhetischer Ansatz scheint mir jedoch schwerlich mit der Meißnerstrophe zu vereinbaren: Sicherlich ist zu bemerken, dass es für den modernen Rezipienten nicht (mehr) möglich ist, die Strophe zweifelsfrei zu entschlüsseln. Das mag einerseits daran liegen, dass sie als Ganzes nicht kohärent wirkt, sondern vielmehr in «mehrere inhaltlich völlig selbstständige Stücke» 188 zerfällt. Die rührenden Anfangs-, In- und Endreime finden sich in der gesamten Strophe, wobei die inhaltlichen Einzelteile nur die Variation eines einzelnen Lexems aufweisen (Varianten von rat - zuht - leit - arm - stat). Ein weiterer Grund, weshalb sich die Strophe kaum entschlüsseln lässt, ist die Tatsache, dass die äquivoken Begriffe bewusst offen halten, ob sie wörtlich oder übertragen zu verstehen sind: Wie ist dementsprechend etwa V. 9 - Ich brach den arm, | des wart ich arm - zu übersetzen? Ist hier die Rede von einem Knochenbruch oder einem Unterbrechen eines Flussarms? Aber die Tatsache, dass die Strophe dem modernen Rezipienten Schwierigkeiten bereitet, bedeutet ja gerade nicht, dass die Inhaltsseite gegenüber dem Formaspekt zurückgestellt wird, dass sie gar semantisch leer wäre. Abgesehen davon, dass Form und Inhalt in einer wechselseitigen Beeinflussung zu denken sind, ist es für 1 Mei/ 13/ 3 schlichtweg nicht (mehr) zu entscheiden, ob es sich bei der gesamten Strophe um ein kunstvoll verschlüsseltes Rätsel handelt oder ob die einzelnen Strophenbestandteile tatsächlich nur für sich gesehen Sinn ergeben (vgl. auch Kapitel 3.4). Auch wenn der Eindruck einer zusammengehörigen Strophe durch das durchgängige formale Prinzip, die Variation jeweils unterschiedlicher Lexeme - nicht durch die Repetition von einzelnen Leitwörtern, wie dies ansonsten häufig der Fall ist - 183 Zu dieser Übersetzung sowie anderen Möglichkeiten, die Wendung der b ů ch unrat zu verstehen, vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 161. 184 W ÜRTEMBERGER , Sonja: Sängerstreit in Sangspruch und Sprechgesang (2008), S. 140. 185 B RAUN , Manuel: Aufmerksamkeitsverschiebung (2013). 186 Vgl. B RAUN , Manuel: Aufmerksamkeitsverschiebung (2013), S. 210. 187 So etwa B RAUN , Manuel: Aufmerksamkeitsverschiebung (2013), S. 229: «Der Minnesang des 13. Jahrhunderts - genauer gesagt: sein artistischer Zweig - setzt weit stärker auf Form und Klang, als das der des 12. Jahrhunderts im Durchschnitt tut. Demgegenüber gerät die Inhaltsseite der Texte eher ins Hintertreffen. Der Begriff der Aufmerksamkeitsverschiebung scheint mir deswegen so gut geeignet, diese Evolution des literarischen Systems ‹ Minnesang › [= das verstärkte Setzen auf Form und Klang im 13. Jahrhundert, EL] zu beschreiben, weil er falsche Oppositionen vermeiden hilft - auch die Texte, die in erster Linie auf Form oder auf Euphonie setzen, sind beispielsweise nicht asemantisch - und weil er sich jener ästhetischen Wertungen enthält, die dem Verständnis dieser Kunst vielfach geschadet haben.» 188 W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 161. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 179 entsteht, lässt sich nicht von einer Aufwertung der Form zugunsten des Inhalts sprechen. Der Inhalt ist schlichtweg nicht entschlüsselbar. Das Prinzip, nach der in 1 Mei/ 13/ 3 Formkunst ausgestellt wird, sowie die (vermeintliche) Selbstständigkeit von Strophenteilen erinnern an die bekannte Meißnerstrophe 1 Mei/ 2/ 18, die sich an den Marner richtet. Ähnlich wie in Rumelants Strophe IV,7 wird der gegnerische Name in seine Silbenbestandteile zerlegt: M a r n was sin vleisch, groz was sin e r e heisst es in Strophe V. 9: Aleke bat Cunzen dem ein friunt gab hechte in Kreken lant man nam of pant quam rechte Schalkes tat vur Xristofer ym z ů selbe sprach. Diz liet aller b ů che b ů chstabe besliuzet. sliez of den sin, din kunst des wol geniuzet. Paris, Padouwe, Salerne e des selben jach. In disem liede s ů chet lere. ein wiser man der hat vurloren sinen namen. Marn was sin vleisch, groz was sin ere. swer mir den nennet, der ne darb sich des nicht schamen. Ein itzlich kunster rate in disem liede: wie hiez der man? der snepfe in deme riede wil wilde sin, des mac man selten in gezamen. ( 1 Mei/ 2/ 18) 189 Neben dem bereits erwähnten Zerlegen des Namens in die Silbenbestandteile sind in dieser Meißnerstrophe weitere dichterische Strategien zu beobachten, die den zuvor behandelten Marnerpolemiken ähneln. So stellt sich auch hier - wie zuvor in 1 Mei/ 13/ 3 - die Frage nach dem stropheninternen Zusammenhang. Die abecedarischen Verse stehen scheinbar isoliert am Strophenbeginn und es wird nicht klar, worauf sich die Aufforderung sliez of den sin (V. 4) bezieht: auf die vorangehenden Verse oder auf das nachfolgende Namensrätsel? Und falls damit das Silbenrätsel angesprochen wäre, diente das Abecedarium als ‹ blosse › Kunstdemonstration und hätte keinen Bezug zum Abgesang? Wie lässt sich die formale Trennung der Kanzonenstrophe in Auf- und Abgesang mit der inhaltlichen Trennung vereinbaren? Zuletzt liesse sich auch der Strophenschluss im Kontext anderer polemischen Strophen verorten, die sich gegen den Marner richten. Mit der unbezähmbaren Schnepfe 190 , die wilde sein will, ist der 189 O BJARTEL , Georg: Der Meißner (1977), S. 178. Aleke bat Konradchen, dem ein Freund Hechte gab. | In Griechenland nahm man Pfand auf, | kam die rechte Schalktat hervor. | Christopher sprach zu sich selbst. | Dieses Lied umfasst alle Buchstaben. | Erschliesst du den Sinn, zieht deine Kunst daraus wahrlich Nutzen. | Paris, Padua und Salerno sagten schon dasselbe. | In diesem Lied sucht Lehre | ein weiser Mann, der seinen Namen verloren hat. | Mürbe war sein Fleisch, gross war seine Ehre. | Wer auch immer mir den [Namen] nennt, der braucht sich dessen nicht zu schämen. | Jeder, der kunst besitzt, rate in diesem Lied: | Wie hiess der Mann? Die Schnepfe im Ried | will ein Wildvogel sein, deshalb kann man sie niemals zähmen. (Übersetzung H ÖVER , Werner / K IEPE , Eva [Hgg.]: Das deutsche Gedicht [1978], S. 403). 190 Die Schnepfe ist beim Meißner - abgesehen von Einträgen in Glossarien (vgl. Art. ‹ snepfe › , in: BMZ II, Sp. 448) - unikal belegt, allerdings kennen die Sängerpolemiken der Zeit zahlreiche Beschimpfungen, die eine klangliche Ähnlichkeit aufweisen (Beginn mit sni-, sna-). Vgl. etwa den Vorwurf Nasions gegenüber Klingsor im Rätselspiel des Wartburgkriegs: Du bist ein leie snippensnav (H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › [2015], S. 371). 180 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Verwurf der Masslosigkeit angesprochen, die bereits in den verschiedenen Strophen Rumelants begegnete. Trotz der immer wieder beobachtbaren Gemeinsamkeiten zwischen den Strophen, die sich mehr oder weniger explizit an den Marner richten, muss die Frage nach einer bildsprachlich kohärenten Untergattung der Marnerpolemik wohl verneint werden. Zu unterschiedlich sind die Strategien, die eingesetzt werden, um den Gegner abzuwerten und gleichzeitig das eigene Dichten herauszustellen: Allegorisierung, Verrätselungen, Metaphorisierungen. Dazu kommt, dass die Bildfelder stets auf Unterschiedliches verweisen können - ob in verschiedenen Strophen oder sogar innerhalb derselben Strophe, wie etwa die diversen Varianten von rat in 1 Mei/ 13/ 3 gezeigt haben. Bezieht man zusätzlich auch die Auseinandersetzung zwischen dem Meißner und dem Marner über die richtige Tierallegorese (s. o.) in die Analyse mit ein, 191 ergibt sich noch einmal ein anderes Bild, denn in den Strophen des Meißner versucht dieser nicht, den Konkurrenten durch kunstvoll geformte Polemik abzuwerten, sondern spielt einen anderen Strang der Physiologus-Tradition gegen die Auslegung des Marner aus. 192 Neben der Inkonsistenz der Bildsprache ist zu bedenken, dass die thematischen Bezüge grösstenteils zu generell sind, um abschliessende Aussagen über eine kohärente Marnerpolemik treffen zu können. Auch das mâze-Kriterium, das in sämtlichen Rumelantstrophen auszumachen ist, die sich polemisch mit dem Marner auseinandersetzen, ist nicht ausschliesslich in diesen Strophen zu beobachten. Neben Strophen, in denen der planvoll messende deus geometra geschildert wird (z. B. I,5 und VII,1), wählt Rumelant etwa auch in IV,13 das übertriebene Schwanzwedeln eines Hundes als Bild für die Hinterlist eines Heuchlers: Mir zagelweifet sumelich hunt vriuntlichen ane maze, | der mich doch unv ů rschuldes wilen gerne bizze (IV,13,1 f.). Es fällt jedoch auf, dass zumindest in den Strophen Rumelants - und punktuell auch beim Meißner ( 1 Mei/ 2/ 18) - das Verhandeln von ‹ richtiger › Dichtung als massvoll geformter Dichtung eine grössere Rolle spielt als in anderen sängerpolemischen Strophen des ausgehenden 13. Jahrhunderts. Doch lassen sich für derartige Beschreibungen immer nur Tendenzen formulieren. Dabei muss es sich freilich nicht um eine Kritik handeln, die ausschliesslich dem Marner zugewiesen wird, jedoch akzentuiert Rumelant die ästhetische Dimension des mâze-Kriteriums in den Strophen IV,4 - 7 gegenüber anderen Aspekten. Wenn hingegen in der oben erwähnten Lobstrophe auf Ludwig II. von Bayern (VI,9,1 - 3) die Unzulänglichkeit einer spezifischen argumentativen Praxis verhandelt wird, indem es heisst: Ich enkan des vursten edelicheit geliche nicht gemezzen | z ů tieren noch z ů w ů rmen noch z ů vogelen noch z ů vischen, | sit daz er ist ein mensch, ein man, ein ritter und ein helt [. . .], ist damit nicht wie in den Marnerpolemiken das Kriterium der mâze als das ‹ Massvolle › angesprochen, sondern aptum als Beurteilungskriterium der Dichtung - ‹ angemessen › . 193 Dieses «grundlegende regulative Prinzip der Rhetorik» 194 hat Sabine O BERMAIER als einen der thematischen Schwerpunkte von ‹ Dichtung über Dichtung › festgesetzt. 195 Rumelants Marnerpolemiken verhandeln nun aller- 191 Vgl. dazu ausführlich Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 103 - 107. 192 Vgl. G RUBMÜLLER , Klaus: Überlegungen zum Wahrheitsanspruch des Physiologus (1978), S. 171. 193 Ich trenne im Folgenden nicht inneres und äusseres aptum, da sie mir kaum voneinander losgelöst zu denken sind. Darüber hinaus wird das Begriffspaar auch nicht in den antiken und mittelalterlichen Rhetoriken unterschieden, vgl. A SMUTH , Bernhard: Art. ‹ Angemessenheit › (1992). 194 U EDING , Gert / S TEINBRINCK , Bernd: Grundriß der Rhetorik ( 4 2005), S. 220. 195 Vgl. O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), S. 342 f. O BERMAIER hält fest, dass das «aptum für sich genommen eine rein äußerliche Kategorie darstellt und nicht als solches zu einer positiv 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 181 dings gerade nicht das intrikate Verhältnis von Sänger/ Autor, behandeltem Gegenstand und Rezipient, das in sich angemessen, d. h. klanglich, inhaltlich und stilistisch einander entsprechend sein sollte, 196 sondern kritisieren die mangelnde produktionsseitige mâze - sei es ästhetisch-quantitativ als Vorstellung einer harmonisch angeordneten Musik- und Dichtkunst oder ethisch-qualitativ als das richtige Verhalten innerhalb des Normsystems der Sangspruchdichtung. 197 Dass diese beiden Aspekte des mâze-Konzeptes durchaus voneinander getrennt gedacht werden können, zeigt IV,6. Hier spielt Rumelant beide gegeneinander aus: Ästhetische mâze spricht er dem Gegner nicht ab, vielmehr rügt er die mangelnde moralische mâze, die sich im Vorwurf des Hochmuts äussert, und die, ebenso wie das massvolle Silben- und Tönezählen, durchaus lernbar wäre. 198 Die Marnerpolemiken Rumelants sind gewiss nicht die einzigen Spruchstrophen, in denen mâze behandelt wird. Doch finden sich weitere Belegstellen meist im Kontext von Sprüchen, die vor unmâze (in Liebe und Leid, in finanziellen Bereichen etc.) mahnen. Walther erinnert daran, beim Trinken Mass zu halten ( 1 WaltV/ 8/ 14), fast zwei Jahrhunderte später warnt Heinrich von Mügeln mit dem Exempel von Dädalus und Ikarus davor, zu hoch zu fliegen und empfiehlt das Fliegen in des mittels ziel ( 1 HeiMü/ 236 - 238 a). Für Frauenlob ist mâze gar als «irdisch erlernbare Qualität» 199 Ursprung aller Tugenden ( 1 Frau/ 2/ 113). Auch im sprachlichen Kontext wird mâze thematisiert, etwa bei Hermann Damen, der massvolles Reden mit verdahte[m] reden gleichsetzt und zum Strophenende hin bilanziert: ze maze reden swer daz kann, | unde ouch ze maze swiget, | den kleidet maze in eren wat [. . .] 200 ( 1 Damen/ 3/ 6, V. 15 - 17). Als Strategie der Sängerpolemik ist der Vorwurf der Masslosigkeit zwar bekannt, 201 allerdings ist die Häufigkeit, mit der das Argument in den Strophen Rumelants auftaucht, bemerkenswert. Indes lassen es auch diese Beobachtungen nicht zu, von einer thematisch fixierten, autor œ uvreübergreifenden Untergattung der Marnerpolemiken zu sprechen. Gleichwohl zeigt sich die Strategie des Sängers, einerseits die mangelnde mâze des Gegners zu kritisieren und bewerteten Dichtung führt.» (S. 343). Dass der Begriff «inhaltliche[r] Füllung» (ebd.) bedarf und nicht losgelöst von Bezugspunkten operieren kann, leuchtet ein; hierbei ähnelt der Begriff auch dem mâze- Konzept, das ich für die Rumelantstrophen zu beschreiben versucht habe. Meist thematisieren die Strophen explizit, in welchem Bereich es dem Marner an mâze mangelt. 196 Damit unterscheiden sich die marnerpolemischen Strophen Rumelants auch von Strophen wie IV,24 - 25, die das Verhältnis von angemessenem Singen und entsprechender - angemessener - milte des Gönners thematisieren, oder der Polemik auf Heralt (IV,26), welche die ethische Angemessenheit der gegnerischen Lob- und Scheltstrophen kritisiert (eventuell in Verbindung mit IV,27). 197 Vgl. H AUSTEIN , Jens: mâze und Lebenswelt (2012), S. 74. B RAUN , Manuel: Kunst (2019), S. 266 sieht v. a. den «stilistischen» Aspekt der Kritik an einer «Kunst, die jedes Zuviel zu vermeiden sucht», allerdings nur in Bezug auf die Strophen IV,4 - 5. 198 Vgl. H AUSTEIN , Jens: mâze und Lebenswelt (2012), S. 76: «Die Einsicht in richtiges Maßhalten, in rechte Mäßigung ist lehr- und lernbar, sie beruht auf lebensweltlicher Erfahrung und sie führt zu einem ausgeglichenen muot, der für unsere Lebensführung förderlich ist.» 199 W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 226. Ähnlich wie Frauenlob argumentiert auch 1 JohR/ 7, V. 9 f.: du maze ist ganzer tugende urspring, | so kann unmaze brechen glukes gunde. (KLD III, S. 97). 200 HMS III, S. 165 f. 201 Auf diese Weise sind vielleicht die Verse im Fürstenlob des Wartburgkrieges nach J zu verstehen - Heinrich von Oftendingen swich | unde mizze kegen ein ander nicht, daz ungemezzen si! ( 1 Wartb/ 1/ 1b,6,12) - , die in C anders lauten: Heinrich von Oftertingen swic | und prise gegen ein ander niht, daz ungeliche si! ( 1 Wartb/ 1/ 1a,6,12) (H ALLMANN , John: Studien zum Mittelhochdeutschen Wartburgkrieg [2015], S. 522). 182 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität andererseits gleichzeitig selbst die eigene übervlüete gewissermassen performativ vorzuführen, in vielen der Strophen, die sich polemisch mit dem Marner auseinandersetzen. Verschränkung von Sprechakten: Zur Kohärenz der polemischen Sangsprüche Was gewinnt die Analyse von Überlegungen, die von einer kohärenten Untergattung der Marnerpolemik ausgehen? Abseits von biographischen Rekonstruktionsversuchen und der zuverlässig wieder auftauchenden Frage nach dem lateinischen Œ uvre des Marner erlaubt ein solcher Fokus einen Perspektivenwechsel: Der Gegenstand der verschiedenen Strophen (der Marner als Ziel der Streites) bietet einen Vergleichspunkt, an dem sich zeigen lassen konnte, auf wie differente Art und Weise in den Sprüchen polemisch über den Marner gesprochen wird. Zu überlegen ist dabei, was die spezifische Poetik polemischer Strophen ausmacht. Nimmt man etwa den anderen Pol der Dichtung über Dichter innerhalb der Sangspruchdichtung in den Blick und zieht man einen Vergleich zur Totenklage, die Rumelant auf den Marner verfasst (I,9), fallen auch Gemeinsamkeiten zwischen den (marner-)polemischen Strophen und dem Nachruf auf. 202 Die Forschung hat zwar stets den Wandel im Tonfall betont, 203 doch zeigte sie diesen Wandel meist an Elementen der Totenklage auf, die Ähnlichkeiten zu den polemischen Strophen aufweisen. So erwähnt Rumelant auch in I,9 das hoheAlter des Marner: Schentlicher mort, der wart noch nie begangen | an eime kranken, blinden, alten manne (I,9,7 f.). Die Reihung der Attribute, die Rumelant hier dem (einstigen) Konkurrenten zuordnet, lässt sich auf den ersten Blick schwerlich mit den durch den Gattungshorizont geforderten Anspruch auf laudatio vereinbaren. 204 Die Verse rufen das in IV,5 geschilderte hohe Alter in Erinnerung, das dazu geführt hatte, dass die kunst des Marner zu blosser Künstlichkeit erstarrt sei. Doch das Alter, das in der polemischen Strophe auch übertragen-poetologisch zu verstehen ist, 205 ist in I,9 durchaus proprie gemeint und dient dazu, die besondere Schändlichkeit des Mordes hervorzuheben. 206 Zudem tritt auch die Strategie der rätselhaften Namensver- 202 So hält etwa O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern (1995), S. 195 fest: «Totenklage und Polemik bilden zwei Seiten einer Medaille, beide gehören sie in den Rahmen der Dichterkritik.» 203 Fast alle Studien, die sich mit der Totenklage beschäftigen (vgl. die Übersicht bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 272), merken den Meinungswandel Rumelants an, exemplarisch z. B. W ILLMS , Eva: Der Marner (2008), S. 389: «Dieser Nachruf [. . .] hebt sich auf anrührende Weise ab von dem Ton, den man zu Lebzeiten des Marner angeschlagen hat.» 204 Vgl. K IENING , Christian: Art. ‹ Totenklage › ( 3 2007). 205 M ERTENS , Volker: Alter als Rolle (2008) hat darauf hingewiesen, dass «wir Aussagen zum Alter in literarischen Texten zuerst auf die Poetologie hin zu verstehen haben.» (S. 412) M ERTENS geht in seinen Ausführungen von einer gattungsabhängig verschiedenen Topik des Alters aus und stellt fest: «Alter ist für den Sangspruchdichter ein positives Qualitätsmerkmal, anders als für den Minnesänger, der erst gegen das stereotype Urteil anzutreten hat, alte Männer sollten keine Liebesdichtung verfassen.» Für das von M ERTENS besprochene Walther œ uvre mag dies durchaus zutreffen, wenn etwa in 1 WaltV/ 17/ 3 Alter gleichrangig mit Adel und Weisheit steht, doch im Kontext von Sängerpolemik und generellen Scheltstrophen häuft sich das Motiv des alten Toren (z. B. 1 Rum/ 2/ 3). Vgl. zum Alter als Gegenstand der Sangspruchdichtung zwischen Literarizität und lebensweltlicher Referenzialität auch K ERTH , Sonja: Alter(n) in der Sangspruchdichtung (2017). 206 Es wäre zu überlegen, inwiefern die Strategie, die Wehrlosigkeit des Ermordeten derart stark zu betonen, zum topischen Inventar Rumelants gehört. In dieser Hinsicht ähnelt die Totenklage nämlich dem Strophenkomplex X,3 - 5, der Schilderung der Ermordung des dänischen Königs. Erik V. Klipping wurde auf einem Jagdausflug in Finderup in Jylland in der Nacht zum 22. November 1286 mit 56 Messerstichen im Schlaf getötet. Die Mörder, eine Gruppe hochrangiger Adliger um Jakob von Halland, wurden bereits im folgenden Jahr vom dänischen Reichsrat verurteilt, allerdings besteht bis heute Unklarheit über ihre 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 183 klausulierung, die sowohl der Meißner als auch Rumelant in ihren polemischen Strophen verwenden, in derTotenklage auf. Hier wird in V. 7 unbestimmt ein marner genannt und es wird erst im weiteren Strophenverlauf deutlich, dass es sich dabei um ‹ den › Marner handelt 207 - ähnlich wie im Namensrätsel IV,7 (ein ren der wildicheit, ein ram der unbehende). Die Verknüpfung der Reimworte 208 marner : warner ermöglicht das Personenlob nach dem argumentum a nomine-Prinzip, 209 das hier - im Vergleich zum polemischen Namensrätsel - positiv gewendet wird. Zuletzt wäre zu fragen, wie die ‹ Überformtheit › der Totenklage als Gattungsmerkmal, 210 wie sie sich in I,9 etwa in der kunstvollen Verflechtung von kreuzgereimten Ganz- und Halbversen zeigt, im Vergleich zu den polemischen Strophen, die ja ihrerseits versuchen, den gegnerischen Sänger auf möglichst kunstvolle Art und Weise zu verspotten, zu bewerten ist. Auch wenn der ironische Gehalt von Dichtertotenklagen nachträglich nicht immer zweifelsfrei eingeschätzt werden kann, will man kaum behaupten, bei Rumelants Strophe I,9 handle es sich um eine indirekte Verspottung des Marner. Wenn sich nun die Themen der Strophen und die bildsprachlichen Strategien nicht spezifisch in polemischen Strophen auszumachen sind (auch wenn sich Häufungen gewisser poetischer Mittel beobachten lassen), wenn weder klanglich 211 noch metrisch oder semantisch klare Grenzen gezogen werden können, ist zu überlegen, durch welche Elemente sich polemische Strophen von Totenklagen unterscheiden lassen. Und davon ausgehend lässt sich fragen, ob polemische Strophen als kohärente Untergattung verstanden werden können. Gemeinsam ist allen Strophen die Aussagestruktur. Sie sind geprägt durch einen antagonistischen Aufbau und ein agonales Schema, das sich durch Aggressivität auszeichnet, wobei tatsächliche Schuldigkeit (vgl. S KOVGAARD -P ETERSEN , Inge: The Danish kingdom [2003], S. 363 - 368). Wenn die Datierung von S CHRÖDER , Reinhold: Rumelant von Sachsen (1997), S. 31 auf der Strophenabfassung im Kontext der Verurteilung der Königsmörder (April/ Mai 1287) korrekt ist, handelt es sich bei den Sangsprüchen Rumelants um einen der frühesten Belege für den Königsmord. Rumelant berichtet recht eingehend über die Geschehnisse und nennt Details, die sich in den späteren Quellen nur noch vereinzelt finden (vgl. S CHRÖDER , Reinhold: Rumelant von Sachsen [1997], S. 31, Anm. 32; vgl. zudem die Zusammenstellung der diversen Quellenbelege bei Y RWING , Hugo: Kungamordet i Finderup [1954], S. 146 - 148). Dabei hebt Rumelant in X,3,8 f. hervor, dass der König im Bett geschlafen habe, als er von den Mördern überrascht wurde. 207 Vgl. B URKARD , Mirjam: Sangspruchdichter unter sich (2012), S. 199. 208 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 34 druckt die Strophen des ersten Tons dreizehnzeilig (im Gegensatz zu R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 51, der sie zweiundzwanzig Zeilen aufteilt), nach K ERN s Abdruck handelt sich also um Binnenreime: Got hette einen marner lange vristet, | der was maniges warner. nu hat in vûrlistet (I,9,4 f.). 209 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 275 sowie W ITTSTRUCK , Wilfried: Dichterischer Namensgebrauch (1987), S. 154. 210 Vgl. K ÖBELE , Susanne: Ironische Heterochronien (2018), S. 453: «Dichtertotenklagen tendieren als ‹ Überkunstwerke › in einem doppelten Sinn einerseits zu Metakunst (Dichtung über Dichtung), anderseits zu Überbietungskunst im Spannungsfeld von Topik und Novation.» 211 Zuletzt wurde von Seiten der mediävisitischen Musikwissenschaft versucht, auch dem semantischen Gehalt von Spruchmelodien Rechnung zu tragen: Zuerst S PECHTLER , Franz Viktor / W AECHTER , Hans: Psalmodie und Sangspruchlyrik (2000), in der Folge auch beispielsweise V LHOVÁ -W ÖRNER , Hana: Die Spruchsang-Melodien (2015) sowie H OPE , Henry: Zur Performanz von Frauenlobs Spruchmelodien (2017). Auch wenn den Melodien durchaus eine «eigenständige Rolle jenseits der Strukturbildung» (H OPE , S. 263) zugeschrieben werden kann, haben die Studien auch gezeigt, dass die Ergebnisse keinesfalls verallgemeinert werden dürfen. Von spezifisch polemischen Tönen kann also nicht gesprochen werden und auch die im Kontext der Sängerpolemik verbreitete Praxis der Verwendung ‹ gegnerischer › Töne kann kaum als ausschliesslich polemische Strategie verstanden werden. 184 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität sich nicht zwingend zwei Gegner gegenüberstehen müssten: Genauso möglich ist es, dass sich die Auseinandersetzung zwischen Gruppen von mehreren Sängern abspielt (vgl. z. B. den Wartburgkrieg) oder dass der Gegner selbst gar nicht zu Wort kommt. Selbst wenn der Konkurrent häufig sogar namentlich angesprochen wird (etwa in einer Verballhornung des Sängernamens), ist über den gegnerischen Sängerkonkurrenten hinaus auch immer eine Adressierung an das Publikum zu bedenken. 212 Diese wird zwar nicht explizit gemacht, doch sind beispielsweise mit dem in Rumelants Strophe IV,7 angesprochenen du (nu rat! bistu des namen inne? [V. 10]) auch die Rezipienten aufgefordert, sich als Rätsellöser zu beteiligen. Schliesslich teilen sich alle Strophen einen Referenzrahmen: Das Wertesystem der meisterschaft, das allerdings nicht als starres Bezugssystem immer schon vorhanden ist, sondern sich in den Texten selbst konstituiert und immer neu verhandelt wird. Mit dieser gemeinsamen Aussagestruktur ist die Möglichkeit einer ‹ pragmatischen Kohärenz › angesprochen. Sonja G LAUCH und Florian K RAGL haben unlängst darauf hingewiesen, dass «uns mit der Pragmatik der entscheidende textkonstitutive Faktor nicht greifbar ist» und deshalb «alles Nachdenken über Textkonstitution und Textzusammenhang notwendig zu einem voraussetzungsreichen hermeneutischen Prozess» geraten muss. 213 Damit scheinen G LAUCH / K RAGL v. a. die konkrete Aufführungspraxis im Blick zu haben. Sicherlich ist der Einwand berechtigt, dass die Pragmatik des Vortrags für moderne Rezipienten nicht mehr greifbar ist, und gewiss verunmöglicht es dieses fehlende Wissen letztlich, gültige Aussagen über die Bildung textueller Einheiten zu treffen. Doch ein Konzept von Pragmatik, das nicht bloss die - nicht länger rekonstruierbare - Vortragssituation meint, sondern den spezifischen Sprechakt, wie er sich im überlieferten Textmaterial selbst niederschlägt, bezeichnet, kann m. E. als Kohärenzindex für disparat scheinende Sprüche dienen. 214 So kann Polemik selbst freilich nicht als Gattung bezeichnet werden, innerhalb der Sangspruchdichtung lässt sich jedoch eine kohärente, durch eine spezifische Pragmatik ausgezeichnete Gruppe polemischer Strophen ausmachen, die ich als Untergattung verstehe. Kohärenz der Inkohärenz? Beobachtungsparadoxien Die Untergrenzen der Gattung Sangspruchdichtung treten immer dann besonders deutlich hervor, wenn die Transgression des Grenzbereichs ausgemacht werden kann. Ob es sich allerdings - wie Martin S CHUBERT meint - um ein «bewusste[s] Ausnutzen einer Interferenz» handelt, das ein Gattungsbewusstsein manifest werden und auf ein «poetologisches Ver- 212 Vgl. S CHEICHEL , Sigurd Paul: Art. ‹ Polemik › ( 3 2007), S. 117 - 120, hier bes. S. 118. 213 G LAUCH , Sonja / K RAGL , Florian: Wo ist da der Text? (2019), S. 87. 214 Für einen anderen Gattungszusammenhang, die volkssprachigen Predigten Meister Eckharts, hat H ASEBRINK , Burkhard: Formen inzitativer Rede (1992) die Kategorien der thematischen und der pragmatischen Kohärenz als Methode der Textbeschreibung fruchtbar gemacht. Dabei beschreibt H ASEBRINK «das Handlungsprofil der Predigt als Zuordnung singulärer Sprechhandlungen mit divergierenden illokutionären Rollen zu einer leitenden Textfunktion», d. h. als «pragmatisch kohärent» (S. 43). Damit fasst er pragmatische Kohärenz also nicht als eine rezipientenseitige Kategorie auf (wie etwa «Textwirkung»), sondern verortet sie produktionsseitig. Vgl. grundlegend zum Problem den Band von H ERBERICHS , Cornelia / K IENING , Christian (Hgg.): Literarische Performativität (2008). 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 185 ständnis» der Sangspruchdichter schliessen lässt, 215 ist zu diskutieren - gerade weil sich die Dichotomie von bewusst/ unbewusst für den modernen Rezipienten als eine schwerlich zu rekonstruierende erweist. Doch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass sich in den polemischen Sprüchen Interferenzen mit anderen (Unter-)Gattungen beobachten lassen. Ob es sich bei solchen Ausgriffen tatsächlich um Grenzmarkierungen eines Untergattungssystems handelt, kann an Rumelants Strophe IV,18 beispielhaft geprüft werden. Inwiefern lassen sich an den Stellen, an denen IV,18 auf andere Gattungszusammenhänge übergreift, Rückschlüsse auf die Untergattung ‹ polemische Sangspruchdichtung › ziehen? Die swalewe vet die mucken v ů r den valken, des sie baget; den ertvl ů ge unde den swippersweif kan sie baz ů ben. Ir arme quitel, zwitter, schorfen, snarz ouch sange laget, sie wil mit listen aller vogele done pr ů ben. die lereche und ouch die nachtegal, die m ů zen von der swalewen v ů rdulden spot. Daz ist mir leit, ich klagez me dan ob die louber valewen. ach, herre got, Wie sol ein tore werden wis, der sich v ů rgizzet? der zirket vremede kunst, e danne her sine mizzet. (IV,18) 216 Rumelant zeichnet in der Strophe das Bild einer Schwalbe, die gegenüber dem Falken mit den im erdnahen Flug gefangenen Mücken prahlt, mit grellen und plappernden Lauten die Gesangsweise der Singvögel imitieren will und damit Nachtigall und Lerche zu verachten glaubt. Dass die Schilderung übertragen zu verstehen ist als Kritik Rumelants an unbegabten Sängerkollegen, die sich in Überschätzung ihrer Fähigkeiten den wirklich Kunstbegabten überlegen fühlen, wird spätestens mit der ‹ sentenzhaften › Wendung zum Strophenende hin deutlich: Mit den Verben zirket und mizzet in V. 10 ist nicht nur das Beurteilen fremder Kunst angespro- 215 S CHUBERT , Martin: Hügeliet - zügeliet - rüegliet (2000), S. 108. 216 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 114. Die Schwalbe fängt die Mücken besser als der Falke, damit rühmt sie sich; | den erdnahen Flug und den schnellen Richtungswechsel kann sie besser vollführen. Ihr armseliges Quitteln, Zwitschern, Klappern, Schnarren ist bemüht, auch Gesang zu sein. | auf schlaue Weise will sie die Gesangweisen aller Vögel nachahmen. | Die Lerche und auch die Nachtigall, die müssen von der Schwalbe | Spott ertragen. | Das betrübt mich, ich beklage es mehr, als wenn die Blätter verwelken. | Ach, Herrgott, | wie soll ein Tor klug (einsichtig) werden, der sich falsch einschätzt? | Der misst eher die Kunst anderer mit dem Zirkel, als dass er die eigene nachmisst. (Übersetzung basierend auf K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 115). Holger R UNOW : Rumelant von Sachsen (2011), S. 91 fasst vet in V. 1 als von vêhen ( ‹ befehden › , ‹ kämpfen › ) abstammend auf, setzt das Komma nach mücken und übersetzt dementsprechend: «Die Schwalbe kämpft mit Mücken und prahlt damit vor den Falken.» Die Interpunktion und daraus folgende Übersetzung hat K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 435 kategorisch ausgeschlossen: Der Vers verweise auf die einzige besondere Fähigkeit der Schwalbe, nämlich im Flug Mücken zu fangen - nicht auf einen Kampf zwischen Schwalbe und Mücke. Doch scheint mir der Vorschlag von R UNOW mindestens erwägenswert, ordnet man die Strophe in den Kontext des Sängerwettstreits ein. Der einzige Kampf, den die Schwalbe dann erfolgreich bestreiten würde, wäre derjenige gegen die Mücken, nicht den Gesangswettstreit mit den sehr viel fähigeren Singvögeln. Für V. 10 übernehme ich anstelle einer freieren Übersetzung von zirken als ‹ beurteilen › die wörtlichere Bedeutung, die K ERN angibt. Somit bleiben die oben erwähnten Anklänge an den deus geometra auch in der Übersetzung erhalten. 186 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität chen, 217 sondern es klingt auch der deus geometra an, der die Welt mit Hilfe von Zirkel und Winkelmass geschaffen hat (vgl. Rumelants Strophe I,5) - ein Programm, wie es bereits bei Rumelants Marnerpolemiken IV,4 - 7 begegnete. Die Strophe steht in J (ebenso wie in W o ) nach einer Strophenfolge von Herrenlehre, -lob und -schelte (IV,15 - 17). In J folgt auf IV,18 eine Exempelstrophe, die sich allerdings nicht an das Vorhergehende zurückbinden lässt. 218 In C hingegen steht die Strophe im unmittelbaren Kontext des polemischen Namensrätsels IV,7. 219 Das hat die Forschung dazu bewogen, anzunehmen, dass es sich auch in IV,18 um eine Kritik am Marner handle, 220 so fasst etwa Helmut T ERVOOREN den Spruch als eine «zeitlich verschiedene Ausprägung[]» 221 der gleichen Dichterfehde wie in den Strophen IV,4 - 7. W ACHINGER hat mit gutem Grund dagegen argumentiert, dass Rumelant dem Konkurrenten in den übrigen Polemiken durchaus Respekt zolle und nicht - wie in IV,18 - durchgehend abwerte. 222 Folglich sei die Strophe als Kritik an einem Sängertypen, nicht an einem bestimmten Rivalen zu verstehen. Für den modernen Rezipienten ist die Frage kaum abschliessend zu beantworten, die entscheidende Leerstelle bleibt, der fehlende Zugang zurAufführung, und es kann nur spekuliert werden, ob die Position der Strophe im Umfeld der Marnerpolemik in C «dem Ordnungswillen des Sammlers dieser Handschrift zuzuschreiben [ist], der beide Strophen unter dem Gesichtspunkt der Dichterpolemik nebeneinander gestellt hat» 223 , oder ob der Schreiber von J die Bezüge auf den Marner und demnach eine thematische Kohärenz zwischen den Strophen nicht mehr ausmachen konnte. 224 Dass die Strophe im Kontext der Sängerpolemik zu verorten ist oder zumindest Sängerkunst thematisiert, wird nicht nur über den recht offensichtlichen Strophenschluss deutlich, sondern auch durch die zahlreichen Anspielungen im Strophenverlauf. Tiervergleiche sind etwa als polemische Mittel in der Sangspruchdichtung weit verbreitet, so sind sie zuvor bereits bei den Marnerpolemiken begegnet. Dass der Falke in Rumelants Strophe durchwegs negativ gezeichnet wird, entspricht den übrigen Belegstellen innerhalb der Gattung. 225 In seinem zweistrophigen Spruch über die loterritter ( 1 Mei/ 20/ 1 - 2) wirft der Meißner diesen vor, dass sie 217 Dementsprechend wäre, wie dies sowohl K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 438 als auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 236 vorschlagen, mhd. zirke(l)n mit ‹ beurteilen › zu übersetzen, vgl. auch die Bedeutungen bei L EXER III, Sp. 1134 («die runde machen, patrouillieren»). 218 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 231. 219 Reihenfolge der Rumelantstrophen in C: II,10 (nach der Zählung von R UNOW ); II,5 - 8; V,2 - 3; I,11; I,5; I,7; IV,7; IV,18, IV,1 - 3; IV,16; die drei Minnelieder XIII,1 - 3, XI,1 - 3 und XV,1 - 3 sowie unter Walthers Namen auf fol. 141 rv I,1 - 4. Vgl. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 5 - 7. 220 Vgl. F RANZ , Kurt: Studien zur Soziologie des Spruchdichters (1974), S. 85; H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 46, Anm. 81; HMS IV, S. 682; P ANZER , Friedrich: Meister Rûmzlant (1893), S. 19; RSM 5, S. 317; S TRAUCH , Philipp: Der Marner (1876), S. 2; T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 231 f. 221 T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 232. 222 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 169; in dieser Folge auch K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 432; R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 235 und noch einmal W ACHINGER , Burghart: Deutsche Lyrik (2010), S. 791. 223 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 432. 224 Vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? (1967), S. 232. 225 Vgl. die bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 435 f. genannten Belege. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 187 sich baz der swalwen art verhalten würden: sie vliuget hin unt schiuzet her wider. 226 Doch der Meißner kritisiert mit seinem Schwalbenvergleich nicht nur «ethisches und moralisches Versagen im Lobpreis und Ratschlag», sondern spricht ihnen «zugleich auch die grundsätzliche sozial-rechtliche und moralische Diensttreue» ab. 227 Bei Rumelant dagegen ist die Schwalbe klar als Bild für den Sänger eingesetzt, darauf verweist u. a. die onomatopoetische Reihe der Laute, die dem Vogel zugeordnet werden: quitel, zwitter, schorfen, snarz. 228 Darauf lassen zudem die Erwähnungen der Lerche und der Nachtigall als Antagonisten der Schwalbe schliessen - beide sind aus dem Minnesang als herausragende Singvögel gut bekannt und werden gattungsintern als Vergleichstiere für besonders kunstfertige Sänger genutzt. 229 Die Gegenüberstellung von Schwalbe und Nachtigall hat sich bereits um 1200, etwa mit Heinrichs von Morungen Nachtigallenlied (MF 127,34), innerhalb des Minnesangs etabliert. Allerdings stellen sich die Verhältnisse in Morungens Lied umgekehrt zu denjenigen, die in Rumelants Spruch geschildert werden, dar: Der Sänger in MF 127,34 zieht gerade die Schwalbe der Nachtigall vor, denn die Schwalbe singe in Freude wie in Leid, wohingegen letztere schweige, swanne sî ir liep volendet. In der Sangspruchdichtung des ausgehenden 13. Jahrhunderts spielen Nachtigall und Lerche hingegen nur eine untergeordnete Rolle, im Gegensatz zum Falken, dessen Qualität als 226 HMS III, S. 109 f. 227 L AUER , Claudia: Ästhetik der Identität (2008), S. 245 - 247, hier S. 247. 228 Die Begriffe, die Rumelant für den ‹ Gesang › der Schwalbe verwendet, sind teilweise doppeldeutig gehalten und liessen sich auch für die Beschreibung menschlichen Sprechens verwenden, etwa mhd. quitteln = ‹ plappern › (L EXER II, Sp. 328), zwitzen = ‹ klaffen, schwatzen › (L EXER III, Sp. 1222). Eine ähnliche Doppeldeutigkeit findet sich in Strophe IV,21, in welcher der Hahn zur Erinnerung an Christi Kreuzestod sowohl singet (V 5) als auch r ů fet (V. 9). 229 Die Nachtigall entwickelt sich im späten 12. Jahrhundert geradezu zu einer «habitualisierte[n] Metapher» (K RAGL , Florian: Schwalbengesang [2011], S. 75) für den (Minne)sänger, worauf etwa die Bezeichnung Reinmars und Walthers als nahtegalen im Literaturexkurs in Gottfrieds von Straßburg Tristan verweist (vgl. B ENNEWITZ , Ingrid: Von Nachtigallen, Krähen, Hühnern und Sängern [2000]). Sowohl in der Dichtung der Romania - die sich für die mittelhochdeutsche Lyrik als prägend erweist - als auch in der mittellateinischen Dichtung der Zeit finden sich zahlreiche Belegstellen, in denen die Nachtigall jeweils unterschiedlich funktionalisiert wird: So zählen die Carmina Burana z. B. ganze 22 Erwähnungen der Nachtigall (ausschliesslich in den Liebensliedern) - eingesetzt als klagender Vogel, als jubilierende Frühlingsbotin oder als Sängerin wollüstiger Melodien (vgl. L UFF , Robert: philomena [2002], S. 46 - 51). Die Nachtigall als poetologische Metapher ist nicht auf profane Texte beschränkt, sondern wird in der Tradition Konrads von Megenberg, der den Vogel mit den rehten maister[n] der geschrift, die tag und naht mit überigem grôzem gelust lesent die geschrift und tihtent new lêr alsô vast, daz irs leibes kraft abnimt und ir antlütz plaich wirt [. . .] (L UFF , Robert / S TEER , Georg: Konrad von Megenberg Buch der Natur [2003], II B. 62) gleichsetzt, auch geistlich-tropologisch ausgelegt (vgl. L UFF , Robert: philomena [2002], S. 42). Trotz ihres fast habitualisierten Status kann die Nachtigall auch in der mittelhochdeutschen Dichtung ganz unterschiedlich funktionalisiert werden, äusserst ungewöhnlich heisst es beispielsweise in Konrads von Würzburg Partonopier-Prolog, die Nachtigall singe - im Unterschied zur Lerche - auch dort, wo sie niemand höre: Kunst um ihrer selbst willen (vgl. K ARTSCHOKE , Dieter: Elfenbein und Nachtigall [2000], S. 54 f.). Innerhalb der mittelhochdeutschen Liebeslyrik ist die Metapher sehr verbreitet: Robert L UFF zählt für die deutsche Lyrik 54 Nachtigall-Belege aus dem 12. und 13. Jahrhundert, wobei die Hälfte allein auf Neidhart entfällt (vgl. L UFF , Robert: philomena [2002], S. 64). Ist der Singvogel auch «Hauptbildfeld des Minnesangs» (O BERMAIER , Sabine: Von Nachtigallen und Handwerkern [1995], S. 328), wird die Metapher darüber hinaus aber auch in anderen Gattungskontexten eingesetzt, etwa in Streitgedichten, wo sie als locus amoenus-Marker fungiert (vgl. P FEFFER , Wendy: The Change of Philomel [1985], S. 185 - 212). Aus dem Bereich der Sängerpolemik in der Sangspruchdichtung ist auf Konrads ironisches Meißner-Lob zu verweisen, über den Konkurrenten merkt dieser an: er d œ net vor uns allen sam diu nahtegal vor gîren ( 1 KonrW/ 7/ 20). 188 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Jagd- und Beizvogel dort häufig poetologisch auf die Fähigkeiten der Sänger hin gedeutet wird. 230 Diese ästhetischen (Ab-)Wertungen des unbekannten Sängerkollegen fallen in der Strophe nun mit einer moralischen Wertung in eins. Denn mit dem Vorwurf, die Schwalbe würde sich gegenüber dem Falken - in der mittelhochdeutschen Literatur bekannt als guter Flug- und Jagdvogel - rühmen, klingt der Vorwurf des Hochmuts an, wie er in der Sangspruchdichtung bekanntlich häufig begegnet. Ob auch das done pr ů ben in diesem Kontext zu verorten ist, d. h. als Verweis auf den doenediep-Vorwurf, 231 wie er beispielsweise im Kontext der Auseinandersetzung zwischen dem Marner und dessen Sängerkollegen Reinmar von Zweter auftaucht, kann kaum entschieden werden: Statt wie K ERN und R UNOW pr ů ben als ‹ nachahmen › aufzufassen, wäre auch eine zurückhaltendere Übersetzung - im Sinne von ‹ Töne hervorbringen › - zu erwägen. Hingegen wird mit der Aussage, dass der Sänger den Spott gegenüber Nachtigall und Lerche stärker beklage dan ob die louber valewen, ein deutlicher Minnesangbezug eröffnet. Obwohl die Strophe demnach durch ihre antagonistische Struktur als Sangspruch im Kontext der Sängerpolemik zu verstehen ist, werden die Gattungsgrenzen vereinzelt überschritten. Doch neben der blossen Feststellung von Minnesangbezügen ist auch nach derer Position innerhalb der Strophe sowie nach ihrer Funktionalisierung zu fragen. Vergleicht man IV,18 etwa mit einer anderen Strophe Rumelants, die Minnesanganklänge aufweist, fallen die Unterschiede deutlich ins Auge: Der bereits oben besprochene Fürstenpreis auf Ludwig II. von Bayern beginnt mit einem Natureingang (vgl. Kapitel 4.2.1), doch bereits mit dem Einsatz des zweiten Stollens werden die Bestandteile der Naturschilderung analog gesetzt zu den reichspolitischen Verhältnissen: Der himel, der sich nach swarze[r] nacht allmählich grau verfärbt, steht dafür für Beierlant, das durch den Pfalzgrafen gezieret ist mit liechter sunnen glaste. 232 Dagegen bleiben in IV,18 die intertextuellen Verweise auf die andere lyrische Gattung doch relativ punktuell, die Signalwörter lereche und nachtegal sowie das Fahlwerden der Blätter erscheinen zudem - im Unterschied zu II,13 - erst im Abgesang. Diese müssten nicht zwingend als Gattungszitat verstanden werden, sondern man könnte einwenden, dass damit konkrete - für den modernen Rezipienten nicht mehr fassbare - Sänger oder ein spezifisches sängerisches Repertoire (bestehend aus Minnesang und Sangspruch) angesprochen sein könnten. Es stellt sich die Frage, ob Martin S CHUBERT s These, dass das Vorhandensein von (Unter-)Gattungsinterferenzen auf die Reflexion von Gattungskonventionen rückschliessen lässt, 233 für sämtliche Gattungsinterferenzen gleichermassen gilt. Sind Allusionen, die über einzelne 230 Vgl. die Belege bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 435 f. Darüber hinaus schildert Frauenlob in 1 Frau/ 2/ 43, wie der Atem von Krähen und Raben den Falken verderbe. Poetologisch ist 1 Frau/ 2/ 34 zu verstehen: Der Sänger setzt jeweils unterschiedliche Lockstoffe ein, um den valken spehen sinnes bzw. den valken weichen sinnes zu locken - für Ersteren setzt er das Fleisch seiner vünde ein, für den Anderen reicht slechtes und weiches. Auch Klingsor eröffnet das Quaterrätsel im Wartburgkrieg mit einer Wendung, die Falke und Kunstaussage eng zusammenbindet: min hohe kunst im stiget für in valken art. ( 1 Wartb/ 2/ 1a,18, H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › [2015], S. 363). 231 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 436. 232 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 337 hat auf die Ähnlichkeit der Passage mit dem Preis des Tannhäusers auf Herzog Friedrich II. hingewiesen: Uns kumt ein wunneclichiu zit, | des fröut sich allez, daz dir ist, | diu manegem hochgemüete git. | so wol dir, meie, daz du bist | So rehte wunnecliche komen, | daz ist mines herzen spil! 233 Vgl. S CHUBERT , Martin: Hügeliet - zügeliet - rüegliet (2000), S. 108. 4.1 Gattungsinterferenzen als Kunstdemonstration 189 Wörter aufgerufen werden (wie in IV,18), gleich zu bewerten wie gattungstypische Stropheneingänge, die den Rezipienten erst einmal auf die falsche Fährte locken (wie in II,13): Ich würde annehmen, dass durchaus Unterschiede auszumachen sind. So wäre die Strophe IV,18 nicht wegen der Minnesangzitate interessant, sondern trotz dieser - nämlich als Beispiel dafür, wie trotz Gattungsinterferenzen die Zugehörigkeit zur Untergattung der Sängerpolemiken nicht in Frage gestellt wird. 234 Die Agonalität der Strophe und die Strategie, sich durch explizite Abwertung eines - hier nicht näher bestimmten Gegners - implizit selbst aufzuwerten sind offensichtlich als Untergattungsmerkmale derart schlagend, dass sie durch die Anklänge an andere Gattungszusammenhänge nicht erschüttert werden. Die Gattungszitate wären vor diesem Hintergrund als Kunstfertigkeitsausweis zu verstehen, indem im bewussten Übertreten der Grenzen sowohl die Kenntnis von Gattungskonventionen als auch die Fähigkeit, unterschiedliche textuelle Einheiten zu einem kohärenten Ganzen zu verbinden, demonstriert wird. 235 Damit ist die vermeintliche gattungstypologische Inkohärenz der Strophe eigentlich Ausweis der Kohärenz der Untergattung. 4.2 ‹ Sangspruchhaft › ? Begründungsaporien 4.2.1 Kohärenz zwischen Autorschaft, Überlieferung und produktiver Rezeption: Rumelants Minnelieder in C Die alte Frage der mediävistischen Forschung nach der Kohärenz der thematisch offenen Gattung Sangspruchdichtung ist unter neuen Vorzeichen insbesondere dann zu verhandeln, wenn sie am Œ uvre Rumelants oder anderer Autoren, von denen sowohl Sangsprüche als auch Minnelieder überliefert sind, erprobt wird. Dies gilt etwa für Konrad von Würzburg, den Marner, den Meißner und den Kanzler. Denn zumindest die Handschrift C zeichnet kein einheitliches Gattungsprofil, sondern überliefert gattungsübergreifende Strophensammlungen, die durch ein Autorbild eingeleitet werden. Dementsprechend liesse sich argumentieren, dass anstatt der Frage nach der Kohärenz der Gattung vielmehr diejenige nach der Kohärenz des Autor œ uvres oder nach einem handschriftenspezifischen Autorprofil, nach «Autorkonturen» 236 , gestellt werden müsse. Im Folgenden möchte ich zwar versuchen, nach der Kohärenz des Minnesangkorpus Rumelants in C zu fragen und davon ausgehend Rückschlüsse über die Kohärenz der Gattung Sangspruch zu ziehen, daran anschliessend aber auch die Frage nach der Kohärenz des Autor œ uvres in den Blick nehmen. Dafür sollen die Interferenzen zwischen den Minneliedern und Sangspruchstrophen nicht nur auf formal-struktureller oder überlieferungsbedingter Ebene, sondern auch sprechaktbezogen, thematisch und bildsprachlich analysiert werden. Lässt sich eine Trennung von Minnesang und Sangspruchdichtung noch aufrecht- 234 Dies hat ja auch die Forschung nie bezweifelt, deren Diskussion vielmehr darum kreiste, zu bestimmen, ob es sich bei IV,18 um eine allgemeine Kritik an einem Sängertypus handle oder ob damit konkret der Marner angesprochen sei, vgl. Kapitel 2.4, Anm. 136. 235 Ein inszeniertes Übertreten der Gattungsgrenzen lässt sich auch in Strophe V,5 beobachten, wenn die Rezipienten zum Strophenbeginn erst auf die falsche Fährte eines weltlich-panegyrischen Sangspruchs gelockt werden, dann im Strophenverlauf aber deutlich wird, dass ein drivaltic vurste (V,5,13) angesprochen ist. 236 M ÖCKLI , Andrea: Autorkonturen (2019), S. 18, passim. 190 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität erhalten, wenn die Überlieferung selbst kaum einen Unterschied zwischen den beiden Gattungen macht oder sie zumindest mischt? Wenn sich in Abgrenzung von der älteren Forschung eine explizite Unterscheidung von selbstreferentiellen Minneliedern und ‹ didaktischem › Sangspruch nicht mehr halten lässt und die drei Hauptgattungen mittelhochdeutscher Lyrik - Minnesang, Sangspruch und Leich - im 13. Jahrhundert auf vielfältige Weise ineinandergreifen, 237 gibt es dann andere Kriterien, die zur Gattungsunterscheidung herangezogen werden können? Neben den 108 Sangspruchstrophen Rumelants überliefert C bekanntlich auch drei dreistrophige Minnelieder. 238 Damit stellt Rumelant aber wie gesagt keineswegs eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der Handschrift C dar. Auch andere Autoren, die in Minnesang und Sangspruchdichtung produktiv waren, haben mit beiden Gattungen - z.T. auch mit Leichs - Eingang in die Sammlung gefunden. 239 Auffällig ist höchstens, dass der Gattungswechsel zwar durch seine Position - die Liedstrophen beschliessen das Autorkorpus - , nicht aber durch Besonderheiten im Handschriftenlayout markiert ist. 240 Im Gegensatz dazu sind z. B. die drei Sangspruchstrophen des Wilden Alexanders ( 1 Alex/ 1 - 3 b), dessen Autorkorpus in C unmittelbar vor demjenigen Rumelants steht, 241 durch einen Wechsel der Initialfarbe 242 von Blau zu Rot gekennzeichnet. Rumelants Lieder weisen zwar gewisse syntaktische Schwierigkeiten 243 auf, die das Verstehen erschweren und zum einen wohl auf Überlieferungsdefekte, zum anderen auch auf ihre ‹ geblümte › Redeweise zurückzuführen sind, doch bleiben sie in ihrer Thematik und Bildsprachlichkeit verhaftet im Rahmen des «andere[n] Paradigma[s]», das Franz Josef W ORSTBROCK für die Minnelyrik des 13. Jahrhundert gezeichnet hat: Die thematische Konzentration auf die «Komponenten der Konstanten ‹ Natureingang › und ‹ Aufbruch/ Appell zur fröide › ». 244 Lied 1 ist ein Frauenpreis, der mit einem Natureingang beginnt: Der Mai verdrängt den Winter und bringt Freude. Die erste Strophe (XIII,1) schliesst mit der bilanzierenden Aussage, dass nur diejenigen Freude haben, die auf Gott vertrauen, denn Gott gebe seine wunne 237 Vgl. K ÖBELE , Susanne: Einleitung (2013). Dass sich die «Experimente mit der Gattungsdifferenz [. . .] im 13. Jahrhundert häufen», hat etwa die Arbeit von Margreth E GIDI (Höfische Liebe [2002], hier S. 46) eingehend gezeigt. 238 Das Minnesangkorpus der Sänger mit einem die Gattungen übergreifenden Textkorpus im ausgehenden 13. Jahrhundert ist meist deutlich kleiner als das Spruchkorpus. Eine Ausnahme stellt der Kanzler mit 48 Sangspruchstrophen und 12 Liedern dar. Ebenfalls weisen die Strophen Wizlavs von Rügen - der vermutlich etwas später als Rumelant um die Jahrhundertwende herum produktiv war - einen «ungewöhnlich hohen Anteil an Minnesang für einen Berufsdichter» (W ACHINGER , Burghart: Art. ‹ Wizlav von Rügen › [ 2 1999], Sp. 1294 f.) auf. 239 Vgl. zuletzt auch H ENKES -Z IN , Christiane: Überlieferung und Rezeption (2004), S. 2: C präferiere weder «bestimmte Gattungen oder Genres noch Autoren.» Zu den Ordnungsprinzipien der Lyriksammelhandschriften vgl. einschlägig H OLZNAGEL , Franz-Josef: Wege in die Schriftlichkeit (1995). 240 Vgl. Anhang, Abb. 1. 241 Fol. 412 r - 413 r . 242 Holger R UNOW : Rumelant von Sachsen (2011), S. 6 weist darauf hin, dass Tonwechsel in C ansonsten mit einem Wechsel der Initialfarbe angezeigt werden. 243 Vgl. den Kommentar von R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 285 - 290 zu den Minneliedern, der zahlreiche Schwierigkeiten benennt, die sowohl auf Schreiberfehler (z. B. kunst in XIV,2,1 statt wie - wegen des Reims auf gewin sinnvoll - sin) als auch auf mögliche Defekte in der Vorlage (verschiedene Numerusbzw. Kasusinkongruenzen) zurückgehen könnten. 244 W ORSTBROCK , Franz Josef: Verdeckte Schichten (2004 [2001]), S. 96. 4.2 ‹ Sangspruchhaft › ? Begründungsaporien 191 freigiebig denjenigen her, die danach verlangen. Strophe XIII,2 knüpft daran an, gewichtet allerdings gegenüber der vorhergehenden Strophe stärker die Rolle der zwîvelære, denen ihr Besitz mehr wert sei als minne und êre. Auf die Bitte hin, dass solche zwîvelære von der Gunst der vrouwen verschmäht würden, endet die Strophe mit einem Perspektivenwechsel vom Allgemeinen ins Konkrete: Die Minnedame, die herzen[s] künigin, sorge dafür, dass alle Sorgen des Sängers vertrieben werden. Zum Abschluss mündet das Lied in einen Preis auf die in XIII,2 erwähnte Minnedame, in dem verschiedene Minnesang-Topoi abgearbeitet werden (besondere güete und Makellosigkeit in Bezug auf die Gesinnung, schöne Gestalt und rot-weiss gemischte Farbe sowie die Unfähigkeit des Sängers, die wirde der Minnedame angemessen wiederzugeben). Auch Lied 2 beginnt mit einem Natureingang: Der Mai hat sich angekündigt und alles, was sich freuen kann, freut sich. Dann leitet Strophe XIV,1 mit einem Frauenpreis in die folgende Strophe über, die mit einem Unfähigkeitstopos beginnt. Das Ich beteuert, dass es, selbst wenn es den Verstand sämtlicher meister hätte, doch niemals gelungenes frowen lop vorbringen könne. Der ‹ sentenzhafte › Schluss von XIV,2 führt zur Minnereflexion in XI,3, welche die Wichtigkeit thematisiert, richtig zu minnen und sich nicht der Sünde auszusetzen - ein Anschlusspunkt an das im vorhergehenden Lied XIII Geschilderte. Schliesslich beginnt auch Lied 3 mit einem Natureingang. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Liedern handelt es sich hier freilich um ein Winterlied: Der Sänger erkennt den grauen Reif als Boten des nahenden Winters, folgert dann aber zum Strophenende, dass es wichtig sei, im Sommer beizeiten eine Frau zu finden, die auch den Winter über vreude spenden kann. Davon ausgehend führt XV,2 in einen Frauenpreis. Die letzte Strophe des Rumelant-Korpus in C beschreibt das Liebespaar aus XV,1 als nur vermeintlich keusch, denn die beiden haben ihre Decke bereits im Sommer in Unordnung gebracht und lassen sich von der winterlichen Kälte nicht davon abhalten, das fortzuführen. In der Reihenfolge, welche die Handschrift nahelegt, lassen sich die Strophen schlüssig aufeinander beziehen, wie auch Holger R UNOW festgestellt hat, der darin sogar einen «Minnezyklus» sieht, der - so R UNOW - allerdings keineswegs produzentenseitig intendiert sein muss, sondern vielmehr auch Resultat eines Überlieferungszufalls oder einer «planvolle[n] Komposition der Redaktoren von C» sein kann. 245 Liest man die drei Minnelieder im Zusammenhang, ergibt sich vielleicht eine Art kleiner Minnezyklus: Lied 1 erzählt vom aufkommenden Frühling als Zeit der Freude, in der das Ich seine Herzenskönigin findet. Lied 2 preist gute Frauen und sinniert über das Wesen der Liebe. Lied 3 schließlich handelt vom Ende der schönen Zeit, aus der nur derjenige die Freude bewahren kann, der im Sommer eine gute Frau gefunden hat. In dieser Reihung ist man bei dem zuletzt beschriebenen Liebespaar geneigt, an Lied 1 zurückzudenken, an die Herzenskönigin, die das Ich für sich gewinnen konnte - und die ihm nun den Winter versüßt. 246 Als Charakteristikum der Minnelieder stellen Christoph H UBER und Holger R UNOW eine «typisch spruchmeisterl[iche] Brechung der Gattung» 247 fest. Dieser Eindruck lässt sich m. E. hauptsächlich auf die folgenden Merkmale zurückführen, die für den Rumelantschen Minnesang zu beobachten sind. 245 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 290. Vgl. auch K ROPIK , Cordula: Strophenreihe und Liebesroman (2009), die die «zyklischen Tendenzen» in Meinlohs von Sevelingen Liedern als Rezeptionsphänomen des 13. Jahrhunderts wertet. 246 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 290. 247 H UBER , Christoph / R UNOW , Holger: Art. ‹ Rumslant (von Sachsen) › ( 2 2011), S. 108. 192 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Sängerrollen Die germanistisch-mediävistische Forschung hat in der Folge der Diskussion um den «Minnesang als Aufführungsform» 248 längst festgestellt, dass liebeslyrisches Singen als Rollenlyrik verstanden werden muss, wobei die Rollenhaftigkeit innerhalb der volkssprachigen Lyrik eine besondere Zwischenstellung einnimmt: Minnesang ist zwar nicht biographisch zu verstehen, dennoch ist er nicht bloss selbstreferentiell, sondern entwickelt durch einen ganz eigenen Realitätsbezug eine spezifische Form der Fiktionalität. 249 Diese «lebenspraktische Auffassung» 250 gilt für die Sangspruchdichtung in besonderem Masse, und zwar nicht etwa im Sinne eines biographischen Verständnisses der Gattung, sondern durch die stärkere Situationsgebundenheit der Texte. Nine M IEDEMA hat für die Sangsprüche Konrads von Würzburg den «Dialog» zwischen Sänger und Publikum im Rahmen der textinternen Sprechsituation analysiert und u. a. darauf hingewiesen, dass sich das Rollenrepertoire des Sangspruchdichters deutlich von demjenigen des Minnesängers unterscheidet: Der Sangspruchdichter zeige sich als «Berichterstatter» oder als «Lehrer», der «Wissen oder Erfahrung weitergibt», aber - im Gegensatz zum Minnesang - nicht diskutiert, «sondern autoritativ zur Kenntnis gibt.» 251 Doch auch wenn die konstatierende Wiedergabe von Allgemeingültigem spätestens seit Karl S TACKMANN als ein Gattungscharakteristikum der Sangspruchdichtung gilt (vgl. Kapitel 2.2), argumentiert auch der Minnesänger mit absolutem Wissen. 252 Auch in Rumelants Minneliedern lassen sich einige Verse finden, die auf eine Übereinstimmung von Sängeraussage und Publikumsmeinung zielen. Besonders deutlich wird dies in ‹ sentenzhaften › Passagen, die sich - wie in Kapitel 2.3 vorgeschlagen - durch Aspekte wie Kürze, Prägnanz, Eigenständigkeit, Festigkeit der Form, die Einbindung in das übrige textuelle Umfeld, den apodiktischen Redegestus sowie Strategien der Konsenserzeugung auszeichnen. Die ‹ sentenzhaften › Strukturen in den drei Minneliedern sind z. T. auch aus anderen Texten als Sprichwörter belegt 253 und sind an verschiedenen Stellen innerhalb der Strophen positioniert. Für Rumelants Minnelyrik lässt sich zwar kein ‹ sentenzhafter › Stropheneingang ausmachen, der sich für die Sangsprüche als so charakteristisch gezeigt hat, dennoch finden sich ‹ sentenzhafte › Passagen in den Liedern an auffälligen Positionen (z. B. am Strophenschluss). Überdies werden Sentenzen vereinzelt sogar durch einen sprachlichen Zusatz explizit als allgemeiner Wissenstand gekennzeichnet, so etwa in der Passage XIV,1,10 - 12, in der der Frauenpreis in alliterierender Reihung pointiert abgeschlossen wird: die guoten frowen sint sô guot, al der werlde güete | gelîchet guoten frowen niht, | des man in giht. Durch die Häufung solcher ‹ sentenzhaften › Passagen auch in Rumelants Minnelyrik und weil in den Liedern die «(Inszenierung von) Subjektivität und das ästhetisierte Leiden des ‹ klassischen › Minnesangs 248 Angeregt durch die Gedanken von Hugo K UHN (Minnesang als Aufführungsform [1973 [1968]) hat die Diskussion v. a. in den 1990er Jahren viel Raum in der mediävistischen Forschung eingenommen. Exemplarisch sei hier nur auf Peter S TROHSCHNEIDER s bilanzierenden Beitrag (Aufführungssituation [1993]) sowie den von Jan-Dirk M ÜLLER herausgegebenen Sammelband ( ‹ Aufführung › und ‹ Schrift › in Mittelalter und früher Neuzeit [1996]) verwiesen. Vgl. Kapitel 1.1. 249 Vgl. M ÜLLER , Jan-Dirk: ir sult sprechen willekomen (2001 [1994]). 250 M ÜLLER , Jan-Dirk: ir sult sprechen willekomen (2001 [1994]), S. 8. 251 Vgl. M IEDEMA , Nine: Ein Sangspruchdichter im Dialog (2003), hier S. 196. Ähnlich auch S CHOLZ , Manfred Günter: Inkompetente Instanzen, defizitäre Tugenden (2009). 252 Vgl. G RUBMÜLLER , Klaus: Ich als Rolle (1986). 253 Vgl. den Strophenschluss XV,1,12 f. (s. u.). 4.2 ‹ Sangspruchhaft › ? Begründungsaporien 193 fehlt» 254 und sich v. a. auf allgemeinen Frauenpreis und Minnereflexion konzentriert, erwecken die minnelyrischen Strophen durchaus einen ‹ sangspruchhaften › Eindruck. Auch in der Strophe XIV,2 lassen sich Anklänge auf eine Redeweise ausmachen, die auf den ersten Blick eher der Sangspruchdichtung zuzuordnen wäre. Het ich aller meister ‹ sin › 255 , die man wîse nennet dannoch kunde mir der grunt niemer werden kunt an guoter frowen heil gewin, wie man guot erkennet (das vollesprichet niemer munt), frowen lob gesunt. es muos wol gesunde sîn, es ist unverhowen. der wunsch ob aller creatûre, das sind reine frowen. schône frowen unde guot vrewet mannes muot. (XIV,2) 256 Das Signalwort meister und gerade die Erwähnung einer Gemeinschaft der meister kann auf den Sangspruch hindeuten, auch wenn der Begriff durchaus im Minnesang verbreitet ist, sei es als produktionsseitige Selbstbezeichnung (so etwa Reinmar der Alte: Des einen und dekeines mê | wil ich ein meister sîn [MF 163,5]) oder als rezeptionsseitige Zuschreibung in den Autorbildern in C - die wiederum vor dem Hintergrund des sich entwickelnden Meistergesangs im 14. Jahrhundert zu betrachten sind. Darüber hinaus erinnert aber auch die stropheneinleitende Argumentation, dass selbst eine Gemeinschaft von höchst kunstverständigen und fähigen Autoritäten nicht in der Lage wäre, dem Gegenstand des Lobes angemessen beizukommen, an 254 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 285. Es wäre zu überlegen, inwiefern sich Rumelants Minnelieder hier zum von W ORSTBROCK , Franz Josef: Lied VI des wilden Alexander (2004 [1996]) festgestellten grundlegenden «Prozeß der Gattung» hin zu einer «Atrophie des Ich» und der «Defiktionalisierung des Liedganzen» (S. 196) verhalten. Sicherlich ist der von W ORSTBROCK benannte Prozess nicht als eine gerade verlaufende, auf Konrad von Würzburg zielende Entwicklungslinie zu verstehen, denn es finden sich die herausgearbeiteten Merkmale nicht durchgängig. So folgt beispielsweise im Lied VIII des Marner nach dem Natureingang in Strophe 1 erst einmal die Schilderung einer individuellen Minneerfahrung (Wan daz ich wol halber tobe, | ich geswige ir gar | ie der frouwen mîn [. . .] [VIII,2,1 - 3]), die sich im weiteren Verlauf des Liedes zu einer allgemeinen Minnereflexion in einer Aneinanderreihung ‹ sentenzhafter › Strukturen abstrahieren lässt (z. B. VIII,3,1 - 6: Swer nû sîner frouwen treit | holdez herze, den | wil ich lêren, daz | Er sî frô, dar zuo gemeit, | sich niht sêre sen | ûf der valschen haz. [H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien [1995], S. 145 f.]). 255 R UNOW hat VON DER H AGEN s Konjektur von kunst zu sin - wegen des Reimwortes gewin in V. 4 - übernommen, da die beiden «Begriffe - gerade im Kontext meisterlicher Dichtung - von einem Schreiber leicht verwechselt werden konnten.» (S. 288). 256 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 157. Hätte ich den Verstand aller Meister, | die man weise nennt, | so könnte ich doch nie ganz | alle Vorzüge des Heils verstehen, | das man an einer guten Frau erfährt, | oder wie man das Gute erkennt und | (kein Mund kann das vollständig aussprechen) | ein gelungenes Frauen-Lob. | Uneingeschränkt muss es sein, denn das Ansehen der Frau ist ungeschmälert. | Makellose Frauen sind die höchsten Geschöpfe, die man sich wünschen kann. | Auf schöne Weise erfreuen Frauen und Gutes | den Mann. (Übersetzung R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 157). 194 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Strategien aus Rumelants Sangsprüchen, etwa an das Bruneswîch-Kryptogramm (II,12). Allerdings werden in dieser Fürstenlobstrophe zahlreiche antike Gelehrte namentlich aufgezählt, d. h. der Bescheidenheitsgestus ist in sich schon eine Kunstdemonstration. Dabei handelt es sich natürlich nicht um eine gattungsspezifische Strategie, schliesslich kennt auch der Minnesang den Unsagbarkeitstopos (bei Reinmar etwa in MF 165,8 und 165,32) und auch über die Grenzen der Lyrik hinaus bewegen sich viele poetologische Passagen mittelhochdeutscher Literatur im Spannungsfeld von Bescheidenheitstopoi und der Ausstellung artistischer Brillanz. So äussert sich Konrad im Prolog der Goldenen Schmiede zu seiner Unfähigkeit, die Gottesmutter angemessen zu loben: nû bin ich an der künste liden | sô meisterlichen niht bereit | daz ich nâch dîner werdekeit | der zungen hamer künne slahen [. . .] (V. 10 - 13). Es scheint also nicht möglich, dezidiert einzelne Elemente als gattungsfremd für Rumelants Minnesang zu identifizieren. Doch zeigt sich an der zweiten Strophe des Minneliedes XIV,2,1 - 3, dass sich die ‹ Gattungsbrechung › in Rumelants Minnelyrik-Korpus gerade nicht an Einzelaspekten, sondern im Zusammenspiel verschiedener Sangspruch-Allusionen offenbart. Die Strophe beginnt mit einem Verweis auf die Gemeinschaft der meister und endet mit der recht knappen ‹ sentenzhaften › Äusserung schône frowen unde guot | vrewet mannes muot (XIV,2,11 f.). Ein weiterer Anklang auf Rumelants Sangsprüche wäre auszumachen, verstünde man frowen lob in V. 8 nicht als Beschreibung einer Textsorte, sondern als Verweis auf den jüngeren Sängerkonkurrenten Frauenlob, vielleicht sogar als intertextuelle Referenz auf Rumelants Strophe im wip-frouwe-Streit (XII,1). 257 Dafür würde zum einen sprechen, dass das Adjektiv (un)verhouwen, das unmittelbar im folgenden Vers genannt wird, im Rumelant œ uvre nur ein weiteres Mal belegt ist - im wip-frouwe-Streit und hier ebenfalls im Kontext der Frage über das richtige Frauenlob heisst es: der pris nie wart v ů rhouwen (XII,1,12). 258 Die Namensnennung im Minnelied wäre folglich als Markierung einer anderen, sprich polemischen, Redeweise zu verstehen, die auf charakteristische Rollenmuster der Sangspruchdichtung verweist. Dabei ist jedoch anzumerken, dass die Strophe XII,1 nur in J überliefert ist, und zwar im Textkorpus Frauenlobs auf die Frauenlob zugeschriebene Herausforderungsstrophe folgend. Die Minnelieder Rumelants sind hingegen, wie bereits erwähnt, in dieser primär auf Sangspruchdichtung konzentrierten Sammlung nicht enthalten, sondern nur in C. 259 257 Vgl. die Forschungsübersicht zu der Rumelant zugeschriebenen Strophe in Frauenlobs Langem Ton bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 661. 258 So auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 288, der zudem darauf hinweist, dass dem Unsagbarkeitstopos in V. 7 auf diese Weise «damit vielleicht ein ganz besonderer Witz zu[käme].» 259 Ohne auf die komplexen Zuordnungsfragen im wip-frouwe-Streit eingehen zu wollen, wäre an dieser Stelle auch zu erwähnen, dass aus einem allfälligen, die Grenzen des einzelnen Handschriftenbestands übersteigenden, intertextuellen Verweis im Minnelied XIV,1 - 3 nicht nur Konsequenzen für die Lektüre von XIV,2 resultieren würden - der Aspekt der Polemik würde in den Minnekontext hineinspielen - , sondern er auch die Bewertung von Rumelants Reaktion auf Frauenlobs Herausforderungsstrophe (wieder einmal) in Frage stellt. Liesse sich tatsächlich Peter K ERN s Vorschlag folgen, die Strophe nicht wie gemeinhin angenommen als ‹ Gegenstrophe › zu Frauenlob (etwa K ELLNER , Beate: ‹ Vindelse › [1998], S. 266; RSM 3 [1986], S. 326; R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 282; W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess [2012], S. 140), sondern als wîp-Preis gegenüber dem vrouwen-Preis, zu verstehen? K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 663 macht diese Argumentation u. a. am ersten Vers in XII,1 fest (Der wibe name grozer ist den vrouwen lob), indem er grozer nicht im «quantitativem» sondern im «qualitativem Sinn» versteht: «als ‹ umfassender › , und das heißt: Das Lob der wibe schließt das Lob der vrouwen ein, die ja wib seien [. . .]. Indem eine strenge Trennung zwischen wib und vrouwen vermieden wird (Vers 6), bestätigt Rumelant die Meinung Frauenlobs (V,106,5 f.).» 4.2 ‹ Sangspruchhaft › ? Begründungsaporien 195 Eine Sängerrolle, die keinerlei Überschneidungen zum Minnesang zulässt, findet sich in den Sangsprüchen nicht. Und dennoch ist es nicht so, dass hier sich ein Sangspruchdichter gewissermassen im Themenfeld des Minnesangs ausprobiert, denn die Lieder unterscheiden sich in ihrer Anlage grundlegend von Sangsprüchen mit Minnethematik, die sich durch ganz eigene Realisierungen des Themenbereichs ‹ höfische Liebe › auszeichnen. 260 Vergleicht man die Sängerrollen in XIII - XV mit einer Sangspruch-Minnelehre wie beispielsweise die des Marner ( 1 Marn/ 7/ 18), so fällt auf, dass in den Minneliedern nur punktuell auf die Redeweise der Sangspruchdichtung zurückgegriffen wird, wohingegen in den Sangsprüchen die Inhalte fast durchgehend in einem belehrenden, erklärenden oder mahnenden Gestus präsentiert werden. 261 Bildsprachlichkeit Der Eindruck ‹ blosser › Konventionalität 262 , wie sie die Forschung für die Minnelieder in abwertender Tendenz festgestellt hat, lässt sich auf einzelne Signalwörtern und topischen bildsprachlichen Phänomenen bzw. Rumelants Umgang mit ihnen zurückführen: etwa die stete Wiederholung der fröide in XIII,1 und - als Entsprechung - die Abwertung der zwîvelære in XIII,2 oder die Schönheitsbeschreibung, in welcher der Körper der vrouwe nach dem Modell des hohen Sangs gleichsam «fragmentiert, schematisiert, auf konventionalisierte liebreizende Stereotype reduziert» 263 wird. Auch die vogellîn (XIV,1,5) gehören zum topischen Inventar 264 des Natureingangs, auf den noch zurückzukommen sein wird, sie stellen innerhalb der Strophe zwar ein Element zur Markierung des Frühlings dar, werden aber nur punktuell anzitiert und nicht etwa kontrastiv (oder korrespondierend) zur Liebeserfahrung des Ich ausgestaltet. Weitere Elemente sind weniger deutlich der Minnelyrik zuzuordnen, finden sie sich doch darüber hinaus in verschiedenen anderen Gattungen. Dies ist etwa der Fall bei der Metapher der Strasse, auf der die zwîvelære gehen: reine frowen hêre | wünschet in swære, | den ûf zwîvels strâssen, | die hânt zwîvels muot (XIII,2,5 - 8). Bereits Gottfried von Neifen hat der fröiden strâze auch einen riuwen pfat gegenübergestellt, 265 doch ruft die Stelle innerhalb des Rumelant œ uvres auch entfernt Erinnerungen an die Exempelstrophe VI,4 auf, die das Motiv des homo viator in bivio 266 behandelt. Das Hineingiessen der Freude in das Liebespaar wiederum (Wol in wol, | 260 Vgl. dazu grundlegend: E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002). 261 Dabei nutzen die Sangspruchdichter durchaus das Bildmaterial des Minnesangs, so etwa 1 Buch/ 3, der den Jagdfalken mit der Rolle der Frau innerhalb der Minnebeziehung in Analogie setzt. Ähnliches lässt sich auch für eine Strophe des Jungen Meißner in C beobachten: Wa lieplich liep bi herzenliebe luzet, | die minne alsam ein vederspil sich muzet: | sie reret leit unt kleidet an sich lieplich gevider in werents liep. (IV,2,1 - 3) Die Liedstrophe weist so viele Sangspruch-Anklänge auf, dass der Editor Günter P EPERKORN : Der Junge Meißner (1982), S. 148 sie als «Spr[u]ch[] in Liedform» bezeichnet. 262 Vgl. zum Begriff Kapitel 3.2.3, Anm. 59. 263 B AUSCHKE -H ARTUNG , Ricarda: Kohärente Tabubrüche (2019), S. 121. 264 Vgl. zum Topik-Begriff den forschungsgeschichtlichen Überblick bei S CHIRREN , Thomas: Einleitung (2000). 265 Vgl. H AUPT , Moriz: Die Lieder Gottfrieds von Neifen (1851), S. 9. 266 Wobei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 520 die Strophe nicht als Verweis in auf das biblische Exempel der zwei Menschen am Scheideweg liest (vgl. H ARMS , Wolfgang: Homo viator in bivio [1970]), d. h. die Entscheidung nicht als Wahl zwischen einem mühsamen (aber lohnenswerten) und einem angenehmen (aber) ins Verderben führenden Weg versteht - im Gegensatz zu Y AO , Shao-Ji: Exempelgebrauch (2006), S. 144 und R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 252 - , sondern als vernünftige Entscheidung, sich nicht aufgrund von falschen Verlockungen auf einen schlechten Weg zu begeben. 196 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität vreuden vol | hât si Got gegossen [XV,3,1 - 3]) erinnert an mariologische Bildmuster, wie sie z. B. auch in die Spruchstrophe VI,1 Eingang gefunden haben. Das gezielte Anzitieren anderer Gattungszusammenhänge muss dabei nicht ausschliesslich der Kunstausstellung des Sängers dienen, sondern kann auch als Nobilitierungsstrategie (der Spruchstrophe wie auch des Gelobten) eingesetzt werden. Diese kurzen Ausführungen zeigen bereits, wie schwierig es ist, bildsprachliche Phänomene zu bestimmen, die sich einer einzigen Gattung zuordnen lassen. Das ist allerdings keinesfalls eine Beobachtung, die sich nur für das lyrische Werk Rumelants treffen lässt, sondern sie stellt wohl eine Tendenz spätmittelalterlicher ‹ Doppel œ uvres › dar, also Texte von Autoren, die in beiden Gattungen produktiv waren. So hat auch Jens H AUSTEIN für das Minnelied des Kanzlers festgehalten, dass es «dem Spruch, trotz Natureingang und liedhafter Form, die ihm bleiben, soweit angenähert [wird], daß etwa Bilder oder Vergleiche hier wie dort verwendet werden können, weil das, was hier gilt, auch dort richtig sein wird.» 267 Ein gattungsabhängiger Metapherngebrauch, wie H AUSTEIN ihn etwa für Konrad von Würzburg erwogen hat, 268 lässt sich für Rumelant kaum nachweisen - dies vielleicht auch deshalb, weil die Vergleichslage gegenüber Konrads breitem lyrischen und epischen Œ uvre denkbar schlechter ist - , auch wenn punktuelle bildsprachliche Phänomene ins topische Inventar der jeweiligen lyrischen Untergattung verweisen. Natureingang Wie bereits erwähnt, beginnt jedes der drei Minnelieder Rumelants mit einem Natureingang, der entweder den Frühling preist (XIII,1 und XIV,1) oder den herannahenden Winter beklagt (XV,1) . Der durchgängige Natureingang wird nicht verwundern, ist doch die fast schon serielle Natureingang-Produktion bei den ‹ nachklassischen › Liederdichtern 269 der Forschung seit längerem aufgefallen. Es wird allerdings zu diskutieren sein, inwiefern das von Susanne K ÖBELE ausgemachte «Symptom» 270 der Lieddichtung des 13. Jahrhunderts auch für die Minnelieder Rumelants gilt. Lässt sich hier eine Häufung des Natureingangs und der gleichzeitige produktive Umgang damit feststellen? Auch wenn der Natureingang - bereits vor und nach Neidhart, der ihn zu einem «nahezu obligatorischen Element seiner Lieder» 271 gemacht hat - als Gattungsmerkmal des Minnesangs gilt, 272 breitet sich seine Verwendung auch über die Grenzen der Liebeslyrik u. a. in den Sangspruch aus. Dabei ist nicht so weit zu gehen wie Burghart W ACHINGER , der in dieser «bewußte[n] Überschreitung der Gattungskonventionen» eine Emotionalisierung derThemen der Sangspruchdichtung sieht, 273 vielmehr gilt der Natureingang als einer von verschiedenen 267 H AUSTEIN , Jens: Gattungsinterferenzen (2007), S. 186. Vgl. dazu auch Kapitel 4. 268 Vgl. H AUSTEIN , Jens: êren zol und schanden clôse (2017). 269 Als prototypischer Fall kann der «Minnesang d[es] Spruchdichters» (H ÜBNER , Gert: Versuch [1994], S. 93) Konrad von Würzburg gelten. Konrads Lieder werden fast durchgängig - mit Ausnahme einzelner Tagelieder - durch Natureingänge eingeführt. Auch die Minnelieder des Kanzlers weisen fast durchgehend Natureingänge auf (vgl. H AUSTEIN , Jens: Gattungsinterferenzen [2007], S. 174). 270 K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 50. 271 H ÜBNER , Gert: Minnesang im 13. Jahrhundert (2008), S. 48. 272 Vgl. auch grundlegend E DER , Daniel: Der Natureingang im Minnesang (2016), der auch die Forschungsgeschichte aufarbeitet. 273 Vgl. W ACHINGER , Burghart: Natur und Eros (2011), S. 69. 4.2 ‹ Sangspruchhaft › ? Begründungsaporien 197 Punkten, an denen das Übergreifen auf andere Gattungen zu beobachten und fallabhängig zu bewerten ist. Auf die Natureingänge in Rumelants Sangspruchdichtung habe ich zuvor bereits im Kontext der panegyrischen Strophen verwiesen (vgl. Kapitel 4.1.1). 274 Dass sich gerade der Natureingang häufig in Herrscherlobstrophen findet, 275 erstaunt nicht, wenn man sich noch einmal vergegenwärtigt, wie auch in anderer Hinsicht panegyrische Strophen immer wieder auch von minnesangspezifischer Metaphorik durchzogen sind. Zwei Fälle sind besonders schlagend: II,13 und VI,5 - beide sind allerdings nicht im Bestand der Handschrift C überliefert, sondern unikal in J. In beiden panegyrischen Strophen treten die Minnesang-Interferenzen so deutlich hervor, dass sie viel enger mit dieser volkssprachigen lyrischen Gattung als mit den durch die Tradition des antiken Preisgedichtes vorgeformten poetischen Mitteln verbunden scheint. Rumelant führt die Strophe II,13, ein Fürstenlob auf Ludwig von Bayern, mit einer Naturschilderung im 1. Stollen ein: Der helle Tag bricht durch die schwarze Nacht hervor und ziert den Himmel mit lichter sunnen glaste. Im 2. Stollen und in der ersten Hälfte des Abgesangs wird der Natureingang in Analogie gesetzt mit der Person Ludwigs von Bayern und der Situation in Beigerlant. Wie der Himmel mit den Strahlen der Sonne, so ist auch Bayern mit seinem Fürsten geschmückt, der alsam die luft an alle trube ist. Die Strophe endet mit einem Verweis auf Ludwigs Rolle - der zum Strophenschluss auch namentlich genannt wird - als Pfalzgraf bei der Königswahl. 276 Der Vergleich des gelobten Subjekts mit der Sonne und die Anbindung an dieTageszeit (der hereinbrechende Morgen) sind aus dem Minnesang bereits gut bekannt. Dort ist es die Minnedame, die wie etwa bei Heinrich von Morungen 277 der Sonne gleich diu triube wolken hell färbt (MF 122,1). 278 Wohingegen aber Morungens Lied seine Wirkkraft über die paradigmatische Verknüpfung verschiedener Assoziationen und über metaphorische Umbesetzungen entwickelt, 279 bleibt der Natureingang bei Rumelant eine sowohl zeitliche als auch räumliche Momentaufnahme, die dazu dient, ein ‹ Bildarsenal › bereitzustellen, aus dem sich für den folgenden Vergleich bedient werden kann. Ebenfalls durch einen Natureingang eingeleitet wird Rumelants Fürstenpreis auf den Braunschweiger Herzog Albrecht I. (VI,5). Doch trotz der Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Sangspruch-Untergattung sowie der Position innerhalb der Strophe ist die Naturschil- 274 Der Natureingang im panegyrischen Kontext ist nicht nur für die Sangspruchdichtung belegt, so der Verweis bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 337 auf Tannhäusers Leich I (Preis auf Herzog Friedrich II. von Österreich). 275 Die Strophen IV,15 und VIII,6 beginnen ebenfalls mit Naturschilderungen (IV,15: Wir liden in der sumerzit vil heizer sunnen blicke | daz pr ů b ich, daz ein kalder winter dar nach diget; VIII,6: Der herren hulde ist sam ein is), die aber im Kontext der jeweiligen in der Strophe geschilderten Exempla stehen und daher im Folgenden nicht als Natureingänge besprochen werden. 276 Vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 338 f., gegen das Verständnis der Stelle bei R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 66. 277 Dass sich in Thüringen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts eine lokale Morungen-Tradition hält, ist für den Minnesang (Kristian von Hamle, Kristan von Luppin, Heinrich Hetzbold von Weißenseee, Der Düring) bereits beschrieben worden, vgl. L EMMER , Manfred: Thüringen (1981) sowie K ÖHLER , Christoph: Morungen- Rezeption (2017). Vgl. auch zu Frauenlobs «faszinierte[r] Morungen-Rezeption» K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 71 f., hier S. 72. 278 Vgl. E DER , Daniel: Der Natureingang im Minnesang (2016), S. 161, Anm. 184 mit weiteren Belegen sowie dem Verweis auf die mariologischen und christologischen Implikationen des Sonnenvergleichs (S. 161, Anm. 185). 279 Vgl. K ELLNER , Beate: Spiel der Liebe (2018), S. 77 - 82. 198 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität derung in Bezug auf ihre Funktion und Einbettung innerhalb der Strophenarchitektur recht verschieden von II,13: Die Fürstenlobstrophe auf Albrecht von Braunschweig ist aus einer personalen Perspektive formuliert. Das Sänger-Ich erblickte einen Stern 280 - bei Tageslicht! - und hält diesen für Merkur, was ihn folgern lässt: ich sol werden rich. Mit dem Verweis auf Merkur ist die Suggestion eines Minnelieds in Ich-Perspektive rasch durchbrochen, denn die Erwähnung des «Schutzgott[es] der Reisenden und Kaufleute» 281 macht deutlich, dass rich keineswegs auf die Gewährung des Minneglücks durch eine Dame abzielt, sondern durchaus ökonomisch gedacht ist. 282 Die Erwartung des Reichtums hält allerdings nicht lange an, bereits im 2. Stollen schiebt sich ein wolken swarz vor den Stern und entzieht dem Sänger-Ich seinen Anblick. Im Abgesang wechselt die präteritale Rede zur präsentischen: Das Ich hält den Stern für stark genug, die Wolken zu durchbrechen, und äussert den Ratschlag, Rache an den verdunkelnden Wolken zu nehmen, in einer alliterierenden Reihung: so rat ich, daz er v ů rtelge valsche wolken vreche. Was der Minnesang als Bildformel bereits kennt, nämlich die Verhandlung von (gestörter, getrübter) Sichtbarkeit der vrouwe - auch hier sind wieder Morungens Lieder besonders prägnant, in denen sich die trübe Wolke als Verkörperung der huote-Instanz (MF 136,25) oder der Trennung (MF 133,13) vor die strahlende Geliebte schiebt 283 - , wendet Rumelant für sein Fürstenlob ins Ökonomische. Der Sänger bittet statt um hulde um milte, doch der Anspielungsrahmen des Minnesangs, den der Natureingang mit der Frage um Sichtbarkeit eröffnet hat, kann für den Rezipienten auch in einem anderen Gattungszusammenhang latent vorhanden bleiben. 284 280 Einen ähnlichen Vergleich mit einem Stern nutzt auch Konrad von Würzburg in der Lichtenbergerstrophe ( 1 KonrW/ 7/ 25), der allerdings dort diverse Lichtbilder aneinanderreiht, die allesamt über die Technik der similitudo mit dem Fürsten verbunden werden. 281 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 254; ebenso K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 524. Beide erwähnen 1 Mei/ 10/ 7 als Parallelstelle, eine Dichterklage, in der Merkur angerufen wird. 282 Erst der Strophenschluss - und der Reim rich : Bruneswich - machen deutlich, an welche Person die lôn- Erwartung Rumelants geknüpft ist. 283 Vgl. auch die komparatistisch auf die romanischen Lieder ausgreifenden Beispiele für «Licht und Dunkelheit: Tag und Nacht, Wolke, Finsternis» in: F RINGS , Theodor / L EA , Elisabeth: Das Lied vom Spiegel und von Narziss (1965), S. 95 - 97. Grundsätzlich zur Spezifik von Morungens Sprachbildlichkeit vgl. L EUCHTER , Christoph: Dichten im Uneigentlichen (2003). 284 In anderen Sangsprüchen, die durch einen Natureingang eingeleitet werden, ist dieser vielmehr Markierung für ‹ Dichtung über Dichtung › , genauer für Dichtung über Minnesang. Beim dreistrophigen Komplex des Kanzlers ( 1 Kanzl/ 4/ 1 - 3) nimmt der «Natureingang mit Winterschelte und Tanzmotiven» (RSM 3 [1986]) die gesamte erste Strophe ein und dient der Argumentation des Sängers: Auch wenn dieser - wie in Strophe 1 demonstriert - über die ‹ Minnesang-Kompetenz › verfügt, d. h. sowohl das thematische und topische Material kennt als auch fähig ist, dieses zu kunstvollen Reimen zu formen, drängen ihn unmittelbarere Bedürfnisse und er muss die mangelnde milte der Herren beklagen: lützel fröit mich heide breit | unde ir kleit | grüene und weit, | swie siz sneit, | sît die herren sint verzeit | hiure an miltekeit ( 1 Kanz/ 4/ 2,15 - 20, in: KLD I, S. 204). Ähnlich bereits bei drei Strophen Konrads von Würzburg, auf den sich der Kanzler ja häufiger bezieht (vgl. die Heidelberger Dissertation von Sophie K NAPP , die 2021 unter dem Titel «Intertextualität in der Sangspruchdichtung» erscheint). Den Sänger betwing[t] ein ander nôt, so dass er mit ged œ ne | liehte bluomen sch œ ne niht geprîsen mac ( 1 KonrW/ 2/ 1,4 - 6, S CHRÖDER , Edward: Konrad von Würzburg Kleinere Dichtungen III [ 2 1959], S. 37), sondern stattdessen wie bester Essig auch sûr gegenüber seinen geizigen Herren wird. Ebenfalls im Kontext der Dichterklage über geizige Herren - und formal sehr ähnlich wie 1 Kanz/ 4/ 1 - 3 - verwendet Konrad in 1 KonrW/ 3/ 1 - 3 einen Natureingang, setzt ihn allerdings - anders als in 1 KonrW/ 2/ 1 - 3 - als Synonym für die dichterische Produktion, die unter der kerge der Herren leidet: Jârlanc treit | heide breit | mange nôt und arebeit: | si was âne leit, | dô si fröude erstreit | unde rôsen 4.2 ‹ Sangspruchhaft › ? Begründungsaporien 199 Demgegenüber zeichnet der Natureingang in Rumelants Minneliedern ein zeitliches (der Mai als zît vol wunne, XIII,1,3 285 ) und räumliches Tableau, das es zwar ermöglicht, die fröide immer wieder zu verhandeln, in dem aber kein eigentliches Minnegeschehen stattfindet. Selbst in XV,1, dem einzigen Natureingang, der die Naturschilderung aus der Ich-Perspektive beschreibt, wird die Minnehandlung selbst ins Allgemeingültig- ‹ Sentenzhafte › verschoben; mit dem Schluss, der wohl eine auf die Minnebeziehung gewendete Variante der Aussage ‹ Wer im Sommer nicht arbeitet, leidet im Winter Mangel › darstellt: 286 Dô man sach meien dach, blüete manger hande, das hât wandelunge sîner liehten varwe genomen, rîfen grâ sach ich dâ bestrout ûf dem sande, dâ gedâhte ich: winter kalt, nû wilt du aber komen, du hâst botten vür gesant, die hân ich vil wol erkant: mich friuset. wol im, der den sumer ein vil reines wîb erkiuset, dem mag si den winter lang an allen fröiden fromen. (XV,1) 287 willeclichen bar. | grüeniu cleit | unde weit | ir der liehte sumer sneit, | âne gunterfeit: | diu sint nû verseit | ir von schedelicher n œ te gar ( 1 KonrW/ 1/ 1,1 - 12, S CHRÖDER , Edward: Konrad von Würzburg Kleinere Dichtungen III [ 2 1959], S. 40). Den Einfluss Konrads von Würzburg auf die Verwendung des Natureingangs in der spätmittelalterlichen Minnelyrik gerade auf die Lieder Heinrichs von Mügeln hat K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 103 - 112 beschrieben (vgl. auch dies.: Umbesetzungen [2000], S. 220). 285 In allen drei Minneliedern Rumelants korrespondieren vröide und Frühling sowie (drohendes) trûren und der nahende Winter. Anders etwa im Lied VII des Marner, dazu H AUSTEIN , Jens: Marner-Studien (1995), S. 145: «Ebenso wie am Ende des Liedes die Gefährdung der Minnebeziehung durch die ambivalente Natur, die ihre Blüte durch den rîfe selbst zu vernichten droht, gespiegelt ist, so stehen sich auch in Str. 1 und 2 Ich und Natur nicht einfach parallelisiert, sondern eher ‹ zeitverschoben › gegenüber: der Sommer kommt, aber das Ich ist noch traurig; die Vögel singen und bringen den anderen Freude, das Ich beobachtet diesen Vorgang eher mit Verhaltenheit.» 286 Vgl. die zahlreichen Belege im TPMA 13 (2002), S. 119 f. Vgl. ähnlich auch 1 Marn/ 1/ 1, der die Sentenz moralisch wendet: Wie die Ameise, die im Winter Vorräte sammelt, solle auch der Mensch zu Lebzeiten für das ewige Leben im Paradies vorsorgen. Für das Rumelant-Lied wäre zu diskutieren, ob von einem generellen Konnex zwischen alimentärem Bildprogramm und Minne ausgegangen werden kann, wie ihn der Minnesang kennt, oder ob nicht das Gefälle zwischen Liebesklage und konkret-profaner spîse- Metaphorik auch Komikeffekte evozieren kann. Zur Verbindung von Minne (bzw. Tod) und Nahrung vgl. bereits Gottfrieds Tristan-Prolog (V. 233 - 240); für Wolframs Parzival hat B LEULER , Anna Kathrin: Essen - Trinken - Liebe (2016) die poetischen Funktionen des Alimentären beschrieben. 287 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 159. Wo man [vorher] überall | die Blütendecke | des Mai sah, | da hat sich die helle Farbenpracht verwandelt. | Grauen Reif | sah ich dort auf die Erde hingestreut. | Da dachte ich mir: Kalter Winter, nun wirst du wieder kommen. | Du hast Boten vorausgesandt, | ich habe sie wohl erkannt. | Ich friere. | Wohl dem, der im Sommer eine gute Frau findet: | Sie kann ihm den Winter über alle erdenklichen Freuden bringen. (Übersetzung R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 159). 200 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Lied XV zeigt sich - trotz der Ich-Perspektive - nicht als Ich-Lied des hohen Sangs, sondern epochenspezifisch als komplexes Form-Experiment, das den kunstvollen Wechsel von Kurz- und Langversen und gesperrten Reimen geradezu ausstellt. 288 Hier bleibt, wie auch in den übrigen Minneliedern Rumelants, der Natureingang auf die erste Strophe beschränkt, die Aspekte des Motivbestandes aus Signalwörtern und Topoi des Minnesangs (klê, gras und tan spriessen, diu vogellîn sint ellenthaft, gehäufte Verwendung von wunne und fröide) werden nicht wieder aufgegriffen. Wenn auch der Natureingang liedintern nicht zur Stärkung von Kohärenz zwischen den Einzelstrophen genutzt wird, so dient er für das Autorkorpus in C - das wie gesagt die beiden Fürstenlobstrophen mit Natureingang nicht überliefert - als deutliche Gattungsmarkierung. Denn unmittelbar vor dem ersten Minnelied steht in C eine allgemeine Lobstrophe auf die milte der Herren im vierten Ton (IV,16). 289 Das bekannte Thema der Strophe wird jedoch in einer Art und Weise präsentiert, die Minnesang-Anklänge aufruft: Der lieben, s ů zen, milten herren angesicht mich vreuwet, daz ich von herzelicher liebe m ů z irschricken; Min herze huppet manigen sprunc, mir ist vil ungedreuwet, swen ich gese getruwer herren ougen blicken, So dunket mich, daz firmament, planeten unde sterne mir nahen sin, Daz ich getruwer herren milten ougen se so gerne. der sunnen schin Mich vreuwet nicht so wol in sumerlicher stunde alsam ein gr ů z von eines suzen herren munde. (IV,16) 290 Das Vokabular des Frauendienstes wird für den Herrendienst zweckentfremdet. Statt über den Anblick der Minnedame äussert der Sangspruchdichter seine Freude über [d]er lieben, s ů zen, milten herren angesicht (V. 1), anstelle der Hoffnung auf den gruoz der Dame erwartet er denjenigen aus suzen herren munde (V. 16) 291 - und klingt in der Strophenmitte nicht auch 288 Vgl. K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 35 f. 289 Die Strophe lässt sich in einem antithetischen Verbund mit der in J und W o unmittelbar folgenden kerge- Schelte IV,17 denken (vgl. T ERVOOREN , Helmut: Einzelstrophe oder Strophenbindung? [1967], S. 234). C überliefert hingegen nur IV,16, die deswegen in diesem Argumentationskontext auch als Einzelstrophe behandelt wird. Auch IV,15, die mit ihrer Schilderung von Windhunden, die den Sommer über gut gefüttert werden müssen, um im Winter nicht geschwächt zu sein, durchaus motivische Parallelen mit XV,1 aufweist, ist in C nicht überliefert. 290 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 110. Der Anblick lieber, freundlicher und freigiebiger Herren freut mich so sehr, | dass ich vor herzlicher Freude aufschrecken muss; mein Herz hüpft manch einen Sprung, ich bin frei von ängstlicher Sorge, | sobald ich treuer Herren Augen strahlen sehe, | so dünkt mich, dass mir das Firmament, Planeten und Sterne | nahe seien, | weil ich treuer Herren freundliche Augen so gerne sehe. | Der Schein der Sonne | erfreut mich nicht so sehr im Sommer, | wie ein Gruss von eines freundlichen Herren Mund. (Übersetzung basierend auf K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 111). Für V. 2 erschricken übernehme ich nicht K ERN s etwas freieren Vorschlag ‹ mich regen › , sondern bleibe - wie R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 89 - bei der wörtlicheren Bedeutung, die mir besser mit dem Folgenden (mein herze hupfet) zu vereinbaren scheint. 291 Vgl. die diversen Belege für Parallelstellen im Minnesang bei K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 426 - 428. 4.2 ‹ Sangspruchhaft › ? Begründungsaporien 201 Steinmars Herbstlied an? 292 Im Zusammenhang dieser Strophe würde ich allerdings nicht von einer «Übertragung der Minnesang-Topoi auf die Lebenssituation der Sangspruchdichter» 293 sprechen, sondern vielmehr vom Transfer von charakteristischen Motiven und Redeweisen von einer lyrischen Gattung auf eine andere durch einen Autor, der sich in beiden Bereichen bewegen konnte. Wie zuvor in den Fürstenlobstrophen II,13 und VI,5 ist auch hier zu überlegen, inwiefern die Minnesang-Anklänge als oszillierende Konnotationen dazu fruchtbar gemacht werden können, einerseits die Kunstfertigkeit des Sängers auszustellen, andererseits aber auch den angesprochenen Fürsten zu erhöhen, dem unter Umständen ja auch selbst an einer ‹ Literarisierung › gelegen war. 294 Ob die Strophe von den Redaktoren der Handschrift C bewusst an diese Scharnierstelle platziert wurde, lässt sich nur spekulieren. Festhalten lässt sich dagegen neben einer formalen Kohärenz und der Kohärenz des Handschriftenlayouts auch die Nähe des Redegestus und des Motivbestandes zwischen IV,16 und den Minneliedern. Ein deutlich markierter Natureingang könnte dabei die Gattungsgrenze einziehen, die zuvor in zahlreichen Interferenzen überschritten wurde. Diese Gattungsmarkierung gilt freilich nur auf der Ebene des Rumelantkorpus in C, ist also strikt auf den Bestand der Handschrift bezogen. Auch abgesehen von der Frage einer produktionsseitig angelegten oder aus der Rezeption der Sammler resultierenden Zyklizität der Lieder lässt sich aus diesem Blickwinkel von einer relativ gleichförmigen Sammlung von Minneliedern sprechen - auch wenn die Strophenform und die Reimschemata jeweils variieren, ähneln sich die Lieder hinsichtlich ihres Umfangs (drei mal drei Strophen), der Länge der einzelnen Strophen sowie des Natureingangs zu Beginn jedes Liedes. Aber ist es legitim, die Minnelieder aus C abgetrennt von den Sangsprüchen zu lesen? Meint Kohärenz, wenn sie im Sinne von Gleichförmigkeit verstanden wird, auch zwangsläufig, dass die Liebeslyrik Rumelants unabhängig von der unter diesem Namen überlieferten Sangspruchdichtung betrachtet werden muss? Oder gilt es umgekehrt, die Strophen als Minnelieder eines Sangspruchdichters zu lesen? Weitet man den Blick vom Korpus auf das Œ uvre Rumelants, liegt diese Möglichkeit angesichts der mengenmässigen Überlegenheit der 108 Spruchstrophen gegenüber den drei Liedern nahe. ‹ Sangspruchhafte › Aspekte der Lieder wie die konstatierende Sprecherrolle oder spezifische Bildfelder mögen dann besonders ins Auge fallen. Dabei ist genau zu differenzieren, was unter ‹ spruchhaften › oder ‹ liedhaften › Elementen zu verstehen sein soll. Am Beispiel des Natureingangs hat sich gezeigt, dass auch Phänomene, die gemeinhin als ‹ gattungskonstituierend › für den Minnesang angenommen werden, nicht als blosse Gattungszitate in den Sangspruch aufgenommen werden, sondern dass sie im neuen Gattungskontext auch neu funktionalisiert werden und ein ‹ Eigenleben › entwickeln. Dass dazu die Bildlogiken des ‹ klassischen › Minnesangs gar nicht so sehr transformiert werden, als dass Personal ausgetauscht wird - an die Stelle der Minnedame tritt der Fürst - , tut dieser Neufunktionalisierung keinen Abbruch. Für den Rezipienten kann die Herkunft des Natur- 292 Vgl. S CHIENDORFER , Max: Schweizer Minnesänger (1990), S. 280: mîn sêle û feime rippe stât | wâffen! | diu von dem wîne darûf gehüppet hât. 293 K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 427. 294 H AUSTEIN , Jens: Autopoietische Freiheit (1997), S. 111, merkt an, dass einzelne Gönner durchaus Interesse daran hatten «literarisiert zu werden, Gegenstand eines Lobes zu werden, in dem nicht reale Eigenschaften hervorgehoben sind, sondern in dem sie auf dem Weg über den Vergleich und die Metapher in allgemeinere Zusammenhänge gestellt werden.» 202 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität eingangs präsent bleiben, beispielweise können auch die Minnesang-Allusionen erkannt werden, sie müssen es aber nicht: Die panegyrische Strophe ist auch ohne Kenntnis des Anspielungshorizonts verständlich und in ihrem neuen Funktionszusammenhang durchaus schlüssig. Trotz der unterschiedlichen Gattungsinterferenzen lässt sich jedoch gerade nicht von einem gattungsübergreifenden Natureingangs-Gebrauch im Œ uvre Rumelants sprechen, zu unterschiedlich wird er eingesetzt. Dies gilt zum einen gattungsintern sowie andererseits auch in Bezug auf das Gesamt œ uvre. Für die Sangsprüche greift Rumelant auf das Bildmaterial aus der Tradition Morungens 295 zurück - auch wenn die Stellen bei Rumelant freilich nicht als direktes Morungen-Zitat verstanden werden dürfen - , nutzt Lichtmetaphorik und verhandelt Sichtbarkeit. Rumelant nimmt damit Bezug auf Gattungstraditionen und zitiert nicht etwa seine eigenen Minnelieder. Dabei verwendet er die Naturbilder über die gesamte Strophe hinweg sowohl zur Beschreibung des Fürsten (II,13) als auch zur Schilderung der Situation des Sänger- Ich. Der Stellenwert des Natureingangs in Rumelants Minneliedern variiert ebenfalls. Er dient beispielsweise in XIII,1 dazu, den Frühlingsbeginn und damit die Zeit der vreude des Liebenden (bzw. der Gemeinschaft der Liebenden) anzuzeigen, wohingegen in XV,1 der Winter sich bereits ankündigt und die Naturschilderungen gerade nicht mehr mit der Liebeserfahrung des Ich übereinstimmen. Für den Rezipienten, der C vor sich hat, bietet sich daher ein völlig anderer Natureingang als für denjenigen, der J liest. Von einem ‹ Minnesang-Natureingang › gegenüber einem ‹ Sangspruch-Natureingang › lässt sich jedoch nicht sprechen. Die Beschäftigung mit einem Œ uvre wie demjenigen Rumelants, das sowohl Sangsprüche als auch Minnelieder überliefert (ganz zu schweigen von den Meisterliedern und lateinischen Strophen unter Rumelants Namen, vgl. Kapitel 4.3), macht noch einmal die Rolle des Rezipienten für die Kohärenzherstellung bewusst: Die Erwartung eines kohärenten Autorœ uvres (handschriftenübergreifend oder auf eine Handschrift konzentriert) mag dazu zu verleiten, von ‹ didaktischen › Minneliedern und ‹ emotionalen › Sangsprüchen zu sprechen. Mit der Vorstellung eines einheitlichen Liedkorpus Rumelants, das die Sangspruchdichtung nicht beachtet, werden die Minnelieder vielleicht vorschnell als ‹ bloss konventionell › und deshalb uninteressant abgewertet, statt dem gezielten Einsatz von Gattungsinterferenzen Rechnung zu tragen. Es gilt daher, die Kohärenz der Sangspruchdichtung nicht als von intertextuellen Einflüssen abgeschlossen zu verstehen, sondern die produktive Rezeption von Minnesang- Elementen als Gattungsmerkmal zu erfassen. 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 4.3.1 Kohärenz und Kontrafaktur: Rumelantrezeption in der Augsburger Cantionessammlung Noch einmal neu stellt sich die Frage nach Gattungskohärenz, wenn der Fall einer Cantio in der Augsburger Cantionessammlung in den Blick genommen wird, weil Ton- und Textautor 295 Die Anklänge der Strophe an Morungens Lied MF 133,13 bemerkt neuerdings auch K LEIN , Dorothea: Fürstenlob und Heische (2019), S. 287 ebenso wie die «Anleihen beim Tagelied» in II,13. Vgl. die Beispiele für den Natureingang im Fürstenpreis bei E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002), S. 50, Anm. 201. 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 203 auseinandertreten und nicht, wie in den bisherigen Beispielen aus C und J, in der Instanz des meisters zusammenfallen. In der Handschrift Cod.II.1 o 10 finden sich zwei Strophen in Rumelants Ton I, 296 die erste Strophe ist mit dem Titel Estas de purificatione in melodia Roumlant überschrieben. Ebenfalls im Gegensatz zu den grossen Lyrikhandschriften C und J handelt es sich bei der Augsburger Cantionessammlung nicht um eine Sammelhandschrift, die sich einem besonderen Anspruch auf Vollständigkeit verpflichtet sieht, sondern um einen Faszikel in einer aus zehn Teilen sekundär zusammengesetzten Handschrift. 297 Die übrigen Handschriftenteile versammeln in deutscher und lateinischer Sprache unterschiedliche Wissensbestände (Theologie, Liturgie, Astronomie etc.) und Textsorten (Traktat, Regel, Chronik etc.) und umfassen eine zeitliche Spannbreite des Entstehungszeitraums vom ausgehenden 13. bis ins 15. Jahrhundert sowie eine geographische von Oberitalien bis Süddeutschland. Der Quinternio mit den lateinischen cantiones nimmt somit durch seine lyrische Form und den Inhalt eine Sonderstellung innerhalb der Handschrift ein, die als solche freilich selbst kein formal und thematisch einheitliches Bild zeigt. Nur auf der Layoutebene präsentiert sich die Lyriksammlung - wie Udo K ÜHNE festgehalten hat - «nahezu wie ein wissenschaftlicher Text» 298 ; die Strophen «sind mit schlichter Gebrauchskursive in zweispaltiger Anordnung geschrieben ohne feingliedrige buchtechnische Auszeichnungen der Liedstrukturen und unter Verzicht auf Melodien.» 299 Der Inhalt der Sammlung lässt sich grob in drei Teile gliedern: Einen ersten Teil aus 12 «leichartigen» 300 Liedern, die Michael C ALLSEN als planvoll konstruierte Einleitung (eingeführt durch eine Art Natureingang) versteht, einen zweiten aus 26 Liedern in Tönen mittelhochdeutscher Meister des 13. Jahrhunderts sowie eine Gruppe von 27 Liedern, die Mischformen aus Kanzonenstrophen, unstolligen und leichartigen Formen darstellen. Da die Sammlung mitten in einem Lied abbricht, kann von Textverlust ausgegangen werden. 301 In welcher Form der Schluss der Sammlung geplant gewesen wäre - C ALLSEN erwägt analog zum Eingang der Sammlung einen ähnlich konstruierten Schluss 302 - , muss spekulativ bleiben. Die Augsburger Cantionessammlung hat H ÄGELE auf den Übergang vom 14. zum 15. Jahrhundert datiert. Ob die Verfasser der Handschrift jedoch auf eine Vorlage zurückgegriffen haben, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei belegen, wenn auch Michael B ALDZUHN aufgrund der Setzung der Rubriken und der Zusammenstellung des Tonkorpus in der Handschrift annimmt, dass ihr eine «mindestens ein halbes Jahrhundert ältere Vorlage zugrunde lieg[e].» 303 Auch die Cantiones selbst stammen sehr wahrscheinlich nicht aus dem 14. oder gar dem 15. Jahrhundert und lassen sich zwei Gruppen zuordnen: Einer jüngeren aus dem böhmisch-schlesischen Raum im 14. Jahrhun- 296 Kleine Abweichungen im metrischen Schema sind zwar auszumachen, doch hält R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 300 fest, dass «[e]in Vortrag auf die in J überlieferte Melodie [. . .] gleichwohl ohne weiteres möglich sein [sollte].» Zudem weist bereits die mittelhochdeutsche Strophe I,11 metrische Unreinheiten auf, vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen (2014), S. 237. 297 Vgl. H ÄGELE , Günter: Lateinische mittelalterliche Handschriften (1996), S. 114 - 122. 298 K ÜHNE , Udo: Entwicklungen der lateinischen Lyrik (2007), S. 79. 299 K ÜHNE , Udo: Entwicklungen der lateinischen Lyrik (2007), S. 79. 300 H ÄGELE , Günter: Art. ‹ Augsburger Cantionessammlung › ( 2 2004), Sp. 174. Auch C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 11 schliesst sich H ÄGELE s Bewertung an: Für «echte Leichs» seien die Texte zu wenig variantenreich, für strophische Lieder zu «ungleichmäßig». 301 Vgl. C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 10 - 15. 302 Vgl. C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 15. 303 B ALDZUHN , Michael: Vom Sangspruch zum Meisterlied (2002), S. 106. 204 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität dert 304 sowie einer älteren, die sich über Gönnerverweise um ca. 1300 bestimmen lässt. Zu letzterer Gruppe zählt auch Estas, derTextautor, der in Rumelants Ton I dichtet. Als einziger der Autoren in der Augsburger Cantionessammlung ist er auch in einem anderen Zusammenhang erwähnt, clm 5539 nennt einen fahrenden Dichter, Estas vagus. 305 Aufgrund der von ihm gedichteten Totenklage auf Bolko I. von Schweidnitz-Jauer ( † 1301), in der auch dessen gleichnamiger Sohn aufgeführt wird, ist Estas recht unmittelbar im zeitlichen Kontext Rumelants zu vermuten. 306 Da die Augsburger Cantionessammlung primär nach Tonautoren gliedert, finden sich Estas Strophen in Rumelants Ton auf fol. 239 r in der Folge einer Strophensammlung in einem Marnerton. Estas de purificatione in melodia Roumlant Mirum mirandum miraculosum, mirabilis deus dum mirabile famosum mirabilizavit re rarissima, virgo novo more dum pregnabat. Stelleo nata splendore patrem generabat dote, quam datavit, precarissima. Ante Luciferum qui generatus, filius dei mundo iam illuxit, magnus et parvulus nobis donatus, quem virgo sacratissima produxit. O fons quadrifusus graciarum, per te serpens est illusus, quod valebit parum. Lux illuminavit te, sanctissima. O lux luminosa, lux preclara gracieque graciosa presentans in ara ulnis Symeonis dei filium. 304 Vgl. H ÄGELE , Günter: Art. ‹ Augsburger Cantionessammlung › ( 2 2004), Sp. 178. 305 Vgl. K ORNRUMPF , Gisela: Eine Melodie zu Marners Ton XIV (1978). 306 Vgl. H ÄGELE , Günter: Art. ‹ Augsburger Cantionessammlung › ( 2 2004), Sp. 176. 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 205 Luminosum lumen prelucescens, numinosum rigans flumen, purgavit florescens te iam summis thronis vallis lilium. Nobili onere stans onerata, ponderosissimum gestans thesaurum, Precio seculique sarcinata nostre redempcionis portans aurum. O vox turturina nature nostre placens in aure divina. Gentis tue postre fons purgacionis, sis humilium. ( 1 ZYEstas/ 3) 307 . Bezieht man die beiden Strophen aus der Augsburger Cantionessammlung in die Frage nach einer Autorpoetik Rumelants mit ein, ist zumindest die Autorschaftsproblematik grundlegend anders gelagert: Für die bisherigen Überlegungen hat sich ja gerade der gemeinsame Autorname als das kohärenzstiftende Prinzip gezeigt, denn zumindest in rezeptionsästhetischer Hinsicht rücken durch die Überlieferung unter demselben Namen unterschiedliche Gattungen zusammen. Dagegen wird in der Augsburger Cantionessammlung der Tonvom Textautor getrennt und das über die durchgängigen Rubriken innerhalb der Sammlung deutlich gemacht. Anders als etwa beim Marner, 308 ist bei Rumelant ein zweisprachiges Œ uvre auszuschliessen, und auch der Verfasser der Strophen wird in der Augsburger Cantionessammlung im Titel genannt: Estas. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Handschrift, wie bereits erwähnt, dem Ton eine vorrangige Ordnungsfunktion zuspricht und nur auf einer nachfolgenden Ebene Textautorengruppen bildet. 309 Für die Rezipienten präsentieren sich zwar 307 C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 186 und 188. Strophe 1: Estas über die Erlösung in einer Melodie Rumelants | Ein wunderliches | bewundernswertes Wunder, | als der wunderbare Gott | wunderbar ein erstaunliches | Wunder wirkte | durch einzigartige Tat, | als auf neue Weise | eine Jungfrau schwanger ging. | Eine Tochter von sternenhaftem Glanz | gebar ihren Vater | durch das Geschenk, das er ihr bat, | das allerliebste. | Schon vor Luzifer erschaffen, | erschien der Sohn Gottes der Welt, | groß und doch als Knäblein uns geschenkt, | den die heiligste Jungfrau gebar. | Oh vierquelliger Fluss | der Gnaden, | durch dich wurde die Schlange getäuscht, | sodass sie nichts vermögen wird. | Das Licht erleuchtete | dich, Heiligste. Strophe 2: Oh leuchtendes Licht, | hellstrahlendes Licht | der Gnade und gnadenvoll, | das im Tempel | in den Armen Simeons | Gottes Sohn zeigt. | Lichtvolles Licht, | hervorleuchtend, | das den göttlichen Fluss lenkt, | blühende Lilie des Tals, | dich reinigte er schon | auf dem höchsten Thron. | Mit edler Last stehst du beladen, | trägst den so schweren Schatz | und bist mit dem Preis der Welt belastet, | das Gold unserer Erlösung tragend. | Oh täubchenhafte Stimme | unserer Natur, | du schmeichelst dem göttlichen Ohr. | Deines nachfolgenden Geschlechts | Quelle des Heils, | sei gnädig. (Übersetzung C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones- Sammlung [2015], S. 187 und 189). 308 Zur strittigen Frage nach der Zweisprachigkeit des Marner- Œ uvres vgl. Anm. 139. 309 Die Handschrift gruppiert allerdings nicht alle Töne eines Tonautors in direkter Nachbarschaft, wie exemplarisch ein Blick auf Frauenlob zeigen kann: Strophen von Mersburg und Tylo im Langen Ton finden sich zum Beginn des Mittelteils der Sammlung auf fol. 235 v , weitere Strophen in Frauenlobs Minne und 206 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität textuelle Einheiten von mehreren Strophengruppen, die durch die Verwendung des gemeinsamen Tons als zusammengehörig verstanden werden können, die in den Rubriken genutzten Formulierungen weisen aber zudem darauf hin, dass der Ton bereits bekannt ist, und damit - zumindest indirekt - auch darauf, dass ausserhalb der Handschrift weitere tongleiche Strophen bestehen. Die Strophen in Rumelants Ton I nehmen innerhalb der Sammlung insofern eine Sonderstellung ein, als die erste Strophe nicht nur in Bezug auf die metrische Form, sondern auch inhaltlich eine Kontrafaktur der in C 310 und J überlieferten Strophe I,11 darstellt. Got, der aller wunder wunder wundert, der hât sunderlîch besunder wunder ûz gesundert, daz vür alle wunder michel wunder ist. sunder sünden schimel wunderære, Got ob allen himelen himel, dû bist wunderbære mitten, oben und under, umme durch dîn list. mit listen her aller liste list verliste, dô sich Got reine in menschen vleisch gevleischte, dâ er mit list sich vierzich wochen vriste. sô grôzer wunder list ich nie gevreischte, daz ein maget gebære sünden vrîe ein kint, daz ir vater wære. süeze maget Marîe, Gotes flammen zunder dû mit wundere bist. (I,11) 311 Welt-Ton, im Goldenen Ton sowie im Würgendrüssel stehen unmittelbar vor dem Abbruch des Textes (fol. 241 v , in direkter Folge). Als Ordnungskategorie der Handschrift dient demnach nicht der Tonautor, sondern der Ton. 310 In C steht die Strophe zwischen V,2 - 3 (Einhornallegorese) und der Schöpfungslehre I,5, d. h. im unmittelbaren Kontext zu thematisch ähnlich gelagerten Strophen (Inkarnation und Trinität). 311 Die Strophe zitiere ich nach R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 53 und nicht (wie etwa die Strophe I,10 in Kapitel 2.3.3) nach der Ausgabe von K ERN . Da R UNOW die Zeilen zweiundzwanzigzeilig abdruckt (statt wie K ERN in dreizehn Zeilen), ergibt sich so eine bessere Vergleichsmöglichkeit mit der Estas-Strophe nach der Edition von C ALLSEN . Gott, der alle die allergrössten | Wunder gewirkt hat, | hat ein Wunder ganz besonders | vor allen anderen Wundern | herausgehoben, das das grösste Wunder von allen ist. | Wunderwirker | ohne Sündenmakel, | Gott, du Himmel über allen Himmeln, | durch deine Kunst bist du | durch und durch | und rundherum wunderbar. | Seine Kunst hat aller Künste Kunst überkünstet, | als Gott völlig rein im Menschenfleisch zu Fleisch | wurde, | wo er kunstreich vierzig Wochen blieb. | Von so großer Wunderkunst habe ich nie gehört | wie der, dass eine Jungfrau | ohne Sünde | ein Kind gebar, das ihr Vater war. | Gute Jungfrau Maria, | auf wunderbare Weise | bist du der Zunder für die Flamme Gottes. (Übersetzung basierend auf R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 53). Nur in V. 7 folge ich dem Vorschlag von K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 207 Unter einer Kontrafaktur verstehe ich - mit der recht allgemeinen Definition von Theodor V ERWEYEN und Günther W ITTING - «ein Verfahren der Textproduktion [. . .], bei dem konstitutive Merkmale der Ausdrucksebene eines Einzeltextes oder mehrerer Texte zur Formulierung einer eigenen Botschaft übernommen werden.» 312 Dementsprechend lässt es bereits die Tonübernahme zu, die beiden Estas-Strophen in derAugsburger Cantionessammlung als Kontrafakturen zu klassifizieren. Dass die Melodie dabei über den Paratext explizit einem anderen als dem Textautoren zugewiesen wird - Estas de purificatione in melodia Roumlant - ist für die mittelalterliche Handschriftenpraxis nicht ungewöhnlich; man denke nur im Kontext der polemischen Strophen, in denen die Tonübernahme ein gängiges Mittel darstellt, an die Beischrift zu Walthers Reinmar-Polemik in C (L 111,22). 313 Allerdings gestalten sich die jeweiligen Strategien der Tonübernahme je nach Gattung und zeitlicher Einordnung jeweils anders: Auch wenn die Frage nach Tonnamen, etwa in der Bewertung der chvrenbergere wise (MF 8,5), die die Minnesangforschung immer noch umtreibt, 314 sind die minnesangspezifischen Gegebenheiten nicht analog zu setzen zu denjenigen der Sangspruchdichtung, in der sich die gemeinschaftliche Tonnutzung durch mehrere (Text)autoren bereits viel früher etabliert. Ebenfalls ist der Fall der Augsburger Cantionessammlung, welche die mittelhochdeutschen Sangspruchtöne zeitlich unmittelbar entlehnt, nicht zu vergleichen mit den Strophen, die in Tönen alter Meister in den spätmittelalterlichen Liederhandschriften überliefert sind, bei denen «der Tonautorname den Anschluß an eine verbindliche Tradition [garantierte] und [. . .] damit Legitimation des eigenen Dichtens bedeutete» 315 . Eine explizite Benennung des Tonnamen ist indes in der Sangspruchdichtung des ausgehenden 13. Jahrhunderts nicht zwingend notwendig, wie beispielsweise die unterschiedlichen Polemiken im Rumelants- Œ uvre zeigen (vgl. Kapitel 4.1.2): Die beiden Strophen Sachsen (2014), S. 39 und übersetze sünden schimel weniger allgemein als R UNOW (ähnlich wie VIII,12,16 milewen rust). Abgesehen von den Abweichungen in der Interpunktion in V. 4 - 6 unterscheidet sich K ERN s Verständnis der Strophen v. a. in zwei Punkten von demjenigen R UNOW s: 1) Das semantisch vielfältige mhd. list fasst K ERN als die «Weisheit gründende Fähigkeit Gottes, so zu sein und so zu handeln, daß es menschlichem Verstand nicht faßbar ist» (S. 284) und übersetzt entsprechend mit Varianten von ‹ Weisheit › und ‹ weise Kunst › . Für verliste (V. 13, bzw. V. 7 nach der Zählung von K ERN ) übersetzt K ERN folglich ‹ weise übertraf › . Das Verb nutzt Rumelant noch ein weiteres Mal, ebenfalls im Ton I in der Totenklage des Marner: nu hat in v ů rlistet mortliche todes vallen. (I,9,5 f.) Hier kommt eine andere Facette des Begriffs list zum Tragen - der Aspekt des Überlistens. 2) R UNOW bezieht sünden vrîe V. 18 (V. 11 nach K ERN s Zählung) auf die Jungfrau Maria, wohingegen K ERN die doppelte Sündlosigkeit - sowohl die Befreiung Marias von allen Sünden noch vor der Empfängnis als auch die Sündlosigkeit des Kindes, dessen menschliches Fleisch vom Heiligen Geist gereinigt ist - angesprochen sieht (vgl. S. 286). Dieses Verständnis spiegelt sich in K ERN s Übersetzung der Passage, die die Zuschreibungen offenlässt: «daß eine Jungfrau ein Kind gebar, frei von Sünden, | das ihr Vater war.» 312 V ERWEYEN , Theodor / W ITTING , Günther: Art. ‹ Kontrafaktur › ( 3 2007), Sp. 337. Ausführlicher zum Thema vgl. auch dies.: Die Kontrafaktur (1987). Damit unterscheidet sich meine Begriffsverwendung etwa von derjenigen von C ALLSEN , Michael: Lateinischer Sangspruch (2017), der die «bewusste» Rezeption deutschsprachiger Sangspruchdichtung von «bloßen Kontrafakturen» abgrenzt, die sich durch eine «gewissermaßen zufällige Rezeption deutschen Materials» auszeichnet (S. 310). 313 Vgl. B AUSCHKE -H ARTUNG , Ricarda: Die ‹ Reinmar-Lieder › Walthers von der Vogelweide (1999), S. 59 - 76. 314 Vgl. W ORSTBROCK , Franz Josef: Der Überlieferungsrang der Budapester Minnesang-Fragmente (2004 [1998]); dazu auch B ENZ , Maximilian: Minnesang diesseits des Frauendienstes (2014), S. 581 f. 315 K ORNRUMPF , Gisela / W ACHINGER , Burghart: Alment (1979), S. 356 - 411, hier S. 359. Zur Formentlehnung in Spätmittelalter und früher Neuzeit vgl. auch grundlegend B RUNNER , Horst: Formgeschichte der Sangspruchdichtung (2013). Vgl. auch die Ausführungen in Kapitel 4.3.2. 208 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Rumelants im Rätselstreit mit Singûf, die in dessen Ton I (XI,1 - 2) verfasst sind, sowie die an Rumelant gewandte Polemik in Rumelants Ton VI (VI,12). Die Verfasser von J ordnen freilich die Strophen den Tonautoren zu, wobei durch die Marginalie zumindest im Fall des Rumelant- Singûf-Streits deutlich wird, dass XI,1 - 2 auch von den Schreibern und Kompilatoren als Rumelantstrophen erkannt wurden. Ob dies bei VI,12 auch der Fall war und ob es sich bei der Praxis, «Strophen von Fremdtonverwendern an das Corpus des Tonerfinders an[zu]häng [en]» 316 , um eine gängige Strategie in J handelt, lässt sich kaum letztgültig entscheiden. Doch selbst in Fällen, in denen der Tonautor oder -name nicht direkt genannt wird, hat die Forschung - gerade für die Kontrafakturen von Trouvèreliedern oder geistlichem Liedgut - immer wieder erwogen, ob der Prätext, bzw. die ‹ Prämelodie › , von den Rezipienten erkannt wurde. Entsprechend würde in der Aufführungssituation der Melodie eine «Verweisfunktion» 317 zukommen, die einen Anspielungsraum 318 eröffnet und den Rezipienten beim Erkennen der intertextuellen Bezüge einen «performative[n] Mehrwert» 319 bietet, selbst wenn die Strophe auch ohne dieses Wissen um den Prätext in sich stimmig ist. Im Moment der Aufführung würden dann zwei zeitliche Ebenen zusammenfallen und der Rezipient Erinnertes und Dargebotenes simultan wahrnehmen. 320 Es wären Kohärenzphänomene über den Einzeltext hinaus zu beobachten, die sich jedoch nur demjenigen erschliessen, der die Anspielung auch zu erkennen vermag. 321 Die beiden Strophen in Rumelants Ton I in derAugsburger Cantionessammlung können diese Annahmen stützen. Sie sind nicht nur als formale Kontrafaktur zu verstehen, sondern weisen auch grosse inhaltliche Ähnlichkeiten auf, auch wenn es sich dabei weniger um Übersetzungen im modernen Sinne als um Retextualisierungsphänomene handelt. 322 So orientiert sich der erste Stollen der ersten Estas-Strophe stark an Rumelants Marienpreis und überträgt nicht nur die charakteristischen Paronomasien ins Lateinische, sondern versucht auch dem mittelhoch- 316 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 258. 317 Z OTZ , Nicola: Intégration courtoise (2005), S. 238. 318 Vgl. z. B. für die Kontrafaktur geistlicher Texte VON B LOH , Ute: Spielerische Überschneidungen (2014). 319 M ERTENS , Volker: Kontrafaktur als intertextuelles Spiel (1998), S. 273. 320 H OLZNAGEL , Franz-Josef: Habe ime wîs und wort (2004), S. 52 - 54 hat die Rezeption solcher «Retextualisierungs»-Phänomene, für die das «Mithören der Prätexte konstitutiv ist», in Verbindung gebracht mit der von Max B LACK entwickelten Interaktionstheorie zur Funktionsweise von Metaphern: «Als wichtigstes Ergebnis dieses Ansatzes lässt sich die Beobachtung festhalten, dass die ‹ uneigentliche › Redeweise darauf beruht, den Widerspruch, der auf der Denotatsebene zwischen einem metaphorischen Term und seiner Umgebung auftritt, durch den Transfer von semantischen Merkmalen aufzulösen, die auf der Ebene der Konnotationen und der emotiven Bedeutungen angesiedelt sind. In ähnlicher Weise müsste eine semiotische Theorie der Bearbeitung untersuchen, wie die Einsicht der Rezipienten, dass Retext und Prätext in einigen Hinsichten ähnlich sind, in anderen Hinsichten dagegen divergieren, zu einem ständigen Vergleich zwischen beiden führt und wie (durch diesen Vergleich angeregt) Transfers von konnotativen und emotiven Merkmalen zustande kommen, die den Retext semantisch gewissermaßen aufladen und die dann für die Erzeugung von sehr unterschiedlichen literarischen Effekten genutzt werden können.» (S. 53). 321 Dass die gemeinsame Rezeption von lateinischen und volkssprachigen lyrischen Texten zumindest in der Handschriftenpraxis angedacht war, zeigt Frauenlobs Marienleich in der Wiener Leichhandschrift, in dem (fragmentarische) Versionen des deutschen und lateinischen Leichs unmittelbar aufeinander folgen, vgl. K ÜHNE , Udo: Latinum super cantica canticorum (2002). 322 So auch H OLZNAGEL , Franz-Josef: Habe ime wîs und wort (2004), vgl. dazu grundlegend W ORSTBROCK , Franz Josef: Wiedererzählen und Übersetzen (1999). 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 209 deutschen Verb wundern (I,11,2) in der Bedeutung ‹ Wunder wirken › 323 zu entsprechen, indem sie die Wortneubildung mirabilizavit (V. 5) einführt. 324 Indes überträgt der Verfasser des lateinischen Textes andere Besonderheiten der mittelhochdeutschen Strophe nicht, so etwa die figura etymologica in V. 16 (vleisch gevleischte). Michael C ALLSEN hat die unregelmässige Silbenzahl im ersten Stollen des lateinischen Textes - im Gegensatz zum Rest der Strophen - damit zu erklären versucht, dass es dem lateinischen Textautor wohl eher darauf angekommen sei, zum Strophenanfang den Rumelantspruch auch formal sehr genau nachzubilden, wohingegen der weitere Strophenverlauf eher auf eine «inhaltliche Anlehnung» 325 ziele. Doch der Ton setzt sich auch im zweiten Stollen sowie in der Schwellenrepetition und im Abgesang fort - bereits auf diese Weise ist eine formale Übereinstimmung zwischen dem lateinischen und dem volkssprachigen Text gewährleistet, darüber hinaus schliessen beide Strophen mit einer Metapher aus dem Bildfeld ‹ Licht › / ‹ Feuer › . 326 Vom gemeinsamen Thema ‹ Marienlob › abgesehen weisen die Strophen jedoch signifikante Unterschiede auf. 1) In der lateinischen Kontrafaktur berichtet der Sänger in den ersten beiden Stollen und der Schwellenrepetition über das Inkarnationswunder und spricht über Gottvater und -sohn sowie die Jungfrau in der dritten Person Singular. Erst im Abgesang wird Maria direkt angesprochen. Dagegen führt bereits der zweite Stollen der mittelhochdeutschen Strophe eine Apostrophe an Gott, den wunderære. 2) Die charakteristischen Wiederholungen des Lexems list, die den Abgesang der mittelhochdeutschen Strophe prägen - ein Begriff, den Rumelant auch an anderer Stelle als Ausdruck für göttliche Weisheit und Kunst nutzt - 327 versucht der Dichter der lateinische Strophe im Gegensatz zu den Paronomasien zum Stropheneingang nicht nachzubilden. Die semantische Vielfalt von mhd. list, ein Begriff, der ja neben Klugheit und Weisheit auch Hinterlist meinen kann, schlägt sich im lateinischen Text aber in der Schlange nieder, die von Maria getäuscht und ihrer Macht beraubt wurde (V. 19: per te serpens est illusus). 328 3) Abgesehen von der bereits erwähnten Lichtmetaphorik, die in der lateinischen wie auch in der volkssprachigen Strophe bestehen bleibt und nur in ihrer Ausgestaltung variiert wird, ergänzt Estas zahlreiche mariologische und christologische Bilder in seiner Cantio. Vers 9 323 Vgl. Art. ‹ wundern › , in: L EXER III, Sp. 991. 324 Das Verfahren der Verbbildung mit dem Suffix -izare ist für das Mittellateinische häufig belegt, gerade für Verben, die dem Typus ‹ x hervorbringen › entsprechen, vgl. S TOTZ , Peter: Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters II (2000), S. 385 - 390, besonders S. 388 (§ 104.10). 325 C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 323. 326 Mit der Rede von Maria als Zunder für die göttliche Flamme, ein bekannter Bildtypus (vgl. K ERN , Peter: Trinität, Maria, Inkarnation [1971], S. 99 f. sowie S ALZER , Anselm: Die Sinnbilder und Beiworte Mariens [1967 [1885 - 1894]], S. 80 f.), ist auch auf das mariologische Bild des brennenden Dornbuschs angespielt (vgl. K ERN , Peter: Die Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen [2014], S. 287). R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 300 erwägt ausserdem, dass die Lichtmetaphorik zusammen mit der Rubrik der lateinischen Strophen als Hinweis auf den Aufführungskontext - zur Lichtmessfeier - gelesen werden könnten. 327 Vgl. VII,1,9 f.: din wisheit aller sinne list | gemerket hat sowie VIII,1,16: Got aller scheffenunge list | kan unde weiz. In diesem Kontext nutzt etwa auch eine Meisterliedstrophe der Dresdner Handschrift M 13 in Frauenlobs Neuem Ton den Begriff, vgl. 1 Frau/ 8/ 511,4,9 - 12: hoch, dieff, weid und die lengi, | und wider zendrum wie die sterne liffen | und was got schuff in kurczer frist, | kund was es im in maisterlist. (GA- Supplement 1, S. 278). 328 Dementsprechend übersetzen sowohl C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 187 als auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 183 illusus mit ‹ getäuscht › , vgl. auch G EORGES 2 ( 8 1918), Sp. 53. 210 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität (stelleo nata splendore) ruft trotz differenter Verstehensmöglichkeiten 329 Anklänge an verbreitete Marienanrufungen auf (Ave maris stella 330 und Ave regina caelorum, 331 ebenso wie an das apokalyptische Weib nach Apc 12,1 - 2). Im gleichen kosmologischen Bildfeld bleibt V. 14 f. bestehen (Ante Luciferum qui generatus, | filius dei mundo iam illuxit), folgt man für die Übersetzung von Luciferum dem Vorschlag R UNOW s ( ‹ Morgenstern › ), 332 der die Passage spezifisch auf die in Spr 8,22 - 30 formulierte Vorstellung von der Präexistenz Jesu vor der Erschaffung der Welt stützt. Das Marienattribut des vierfachen Gnadenquell, typologisch zurückweisend auf den vierteiligen Paradiesstrom in Gn 2,10, stellt ebenfalls eine Neuerung der lateinischen Kontrafaktur dar. 333 Mit diesen bildsprachlichen Veränderungen gegenüber dem mittelhochdeutschen Text bietet die lateinische Strophe 4) ein neues heilszeitliches Konstrukt. Stehen sich im mittelhochdeutschen Text bloss vergangenes Geschehen (Inkarnation) und Gegenwärtigkeit des Gottes- und Marienpreises entgegen, synchronisiert die lateinische Strophe die in der Vortragssituation konstruierte Vergangenheit - die ewig gedachte Vorzeitlichkeit, in der der Sohn in einer co-aeternitas mit dem Vater aber bereits existiert, die Zeit des Sündenfalls (die Überwindung der Erbsünde, d. h. das Täuschen der Schlange) und schliesslich die Zeitebene der Inkarnation - und lässt über den Apokalypse-Bezug der Maria aus Sternenstaub auch die Zukunft anklingen. Folglich lassen sich trotz vieler klanglicher, formaler und inhaltlicher Übereinstimmungen, die besonders deutlich am Stropheneingang wahrzunehmen sind, für die erste Estas-Strophe spezifische Eigenheiten beobachten, so dass die lateinische Strophe die volkssprachliche nicht ersetzt, sondern transformiert und ergänzt. Ähnliches gilt für die zweite Strophe, die in Rumelants Ton I in der Augsburger Cantionessammlung überliefert ist, jedoch ist m. E. auch hier nicht C ALLSEN s These beizupflichten, dass eine formale Anlehnung einer inhaltlichen weiche. Sowohl formal als auch inhaltlich stiftet in dieser Strophe die durchgängige Lichtmetaphorik Kohärenz zwischen dem mittelhochdeutschen und dem lateinischen Text, die in der zweiten Strophe besonders augenfällig durch die wiederholten Paronomasien - auch das ein Kennzeichen der Rumelant-Strophe - inszeniert ist (lux luminosa, luminosum lumen). Diese Elemente sind aber nicht nur Merkmale, die den Anschluss an I,11 ermöglichen, sondern sie verbinden die Strophe mit der vorhergehenden. Wird Maria in der ersten lateinischen Strophe nur als mittelbar erleuchtet bezeichnet (1,21 f. Lux illuminavit | te, sanctissima), ist sie in der zweiten Strophe das Licht selbst. Das Bildfeld Licht/ Feuer besteht in beiden Strophen, die Metapher ist jedoch jeweils unterschiedlich ausgestaltet. Mit dem Hinzuziehen des mittelhochdeutschen Spruchs verstärkt sich diese Vielfalt noch: Maria ist Gotes flammen zunder (I,11,22) und damit weder Licht noch Erleuchtete, 329 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 300 fasst den Vers anders als Michael C ALLSEN auf und interpungiert eine Klammerbemerkung, die nata als Partizip und nicht wie bei C ALLSEN als Substantiv versteht. R UNOW s Übersetzung lautet entsprechend ‹ (sie selbst aus Sternenlicht geboren) › . 330 So auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 300. 331 Vgl. B ÖCHER , Otto: Art. ‹ Licht und Feuer › (Kapitel III.3.1. ‹ Licht und Feuer in Mythos und Vision › ; ‹ Gott, Messias, Christus › ). 332 Vgl. G EORGES 2 ( 8 1918), Sp. 709 f. Für die restliche Übersetzung von V. 14 f. scheint mir der Vorschlag von C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 187 allerdings präziser: ‹ Schon vor Luzifer erschaffen, | erschien der Sohn Gottes der Welt › . Auch C ALLSEN bemerkt für die Versen mit Kol 1,15 - 18 den Verweis auf die Präexistenz Christi. 333 Vgl. S ALZER , Anselm: Die Sinnbilder und Beiworte Mariens (1967 [1885 - 1894]), S. 552. 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 211 sondern fungiert als Verstärkung des göttlichen Lichts. 334 Darüber hinaus schliesst die zweite Strophe O lux luminosa mit der Erwähnung zweier Signalwörter an Strophe 1 an. Preclara rekurriert auf die Marienbezeichnung preclarissima, 335 und auch die Bezeichnung fons für Maria wiederholt sich, allerdings mit der entscheidenden Varianz, dass Maria nicht nur selbst als Quelle des Heils (fons purgacionis, 2,21), sondern zuvor auch als diejenige bezeichnet wird, die den göttlichen Strom lenkt. Als signifikante Veränderung sowohl gegenüber der ersten lateinischen Strophe als auch gegenüber der volkssprachigen Rumelantstrophe fällt neben den aus dem Fundus des Hohelieds übernommenen Bildern, d. h. der Lilie (Ct 2,1) und der Turteltaube (Ct 2,12), besonders der prominent im ersten Stollen platzierte Bezug auf Simeon ins Auge. Mit der Prophezeiung im Tempel sind aber im lateinischen Text nicht die Passion Christi und Marias noch zu erwartende Schmerzen angesprochen, wie es in der Tradition gängig ist und worauf sich beispielsweise ein Rumelant zugeschriebenes Meisterlied konzentriert (XX,4, vgl. Kapitel 4.3.2), sondern der Simeon-Verweis nimmt die Lichtmetaphorik in den Fokus: Ist nach Lc 2,32 jedoch Christus das Licht, das die Heiden erleuchtet, wird im Kontext mit dem vorhergehenden und nachfolgenden Stropheninhalten deutlich, dass es sich bei dem angesprochenen leuchtenden Licht um die Muttergottes handelt. Solche gleitenden Zuschreibungen zwischen den Instanzen lassen sich auch an anderen Stellen zeigen. So wird in Strophe 1 Maria selbst noch - neben Gott - als Wunderwirkerin gezeichnet, doch wird mit zunehmendem Fortschreiten der beiden Strophen ihre Rolle als Mediatrix mediatoris augenfälliger, bis sie mit der expliziten Aufforderung zur gnädigen Vermittlung im Abgesang der zweiten Strophe auf die Spitze getrieben wird. Gerade durch diesen Aspekt der direkten Ansprache unterscheidet sich die zweite Strophe der Augsburger Cantionessammlung kategorial vom mittelhochdeutschen Spruch, der vor allem das Wunder der Inkarnation und die Trinitätsparadoxie behandelt und für den die Darstellung dieser Themenbereiche zusammen mit einem allgemeinen Marienpreis zentral sind. Diese Detailbeobachtungen zeigen in der Summe mehr als deutlich, dass es sich bei den lateinischen Strophen weder um wörtliche noch um direkte sinngemässe Übertragungen handelt, und dass sie trotz deutlicher Anlehnungen an den mittelhochdeutschen Text ohne die volkssprachliche Hintergrundfolie zu verstehen sind. Der Frage nach der Kohärenz der Augsburger Cantionessammlung könnte nur in einer umfassenden vergleichenden Studie nachgegangen werden, einem Systemvergleich, der sämtliche lateinische Strophen und die entsprechenden mittelhochdeutschen Strophen und Töne in den Blick nimmt. 336 Ohne das an 334 L EXER III, Sp. 1176. 335 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011) hält hier das häufig bezeugte Marienattribut praeclarissima für wahrscheinlich und ändert dementsprechend praecarissima ab (vgl. S. 300). C ALLSEN : Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 324 hält hingegen fest, dass «[g]erade der Umstand, dass praecarissima ein weniger gebräuchlicher Ausdruck ist, [. . .] es im Zusammenhang dieses Liedes und seines gesuchten Vokabulars zur lectio difficilior [mache].» Obwohl es mir nicht unproblematisch scheint, ungewöhnliche Wortverwendungen zu einer Spezifik des rumelantschen ‹ Stils › in dieser Strophe zu machen, folge ich der Variante von C ALLSEN entsprechend dem Wortlaut der Handschrift. 336 Auch der Beitrag von Michael C ALLSEN , der sich v. a. auf die lateinischen Sangspruchstrophen in der Sterzinger Miszellaneenhandschrift (Sterzing, Stadtarchiv, ohne Signatur) und die Basler Sammlung lateinischer Gedichte (Basel, Universitätsbibliothek, Cod. D IV 4) konzentriert, kann nur eine punktuelle Analyse bieten, obwohl er sich zum Ziel setzt, das «genuin Lateinische [. . .], das zu der Gattung des 212 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität dieser Stelle leisten zu können, lassen sich dennoch einige allgemeine Punkte formulieren: Gewiss ist für diese Textsammlung eine einheitliche Bearbeitungspraxis auszuschliessen, vielmehr zeigen die Strophen der Handschrift die ganze Vielfalt des Gebrauchs volkssprachiger Töne in lateinischer Dichtung, wie sie Gisela K ORNRUMPF beschrieben hat: «formgetreue Übertragungen, formgetreue freie Pendants zu Texten oder Typen, geistliche Kontrafakturen, Pendants zu geistlichen Kontrafakturen, schließlich der von inhaltlichen Mustern gelöste Tönegebrauch» 337 . Eine einheitliche Bearbeitungspraxis weist die Sammlung zwar nicht auf, doch könnte die Demonstration ihrer Vielfalt als gemeinsames Prinzip der Strophen gelten. Darüber hinaus zeigen sich abgesehen von der Art und Weise des Tönegebrauchs und der Verwendung intertextueller Zitate formale, thematische und stilistische Gemeinsamkeiten innerhalb der Bearbeitung der Sammlung, die Michael C ALLSEN in der Beschreibung zu seiner Edition festgehalten hat: u. a. der Schwerpunkt auf geistliche und politische Thematik, das Vorherrschen der Kanzonenstrophe, die Möglichkeit der Verbindung von Einzelstrophen zu grösseren Komplexen sowie eineTendenz zu einem autoritativen Gestus, der sich im Gegensatz zu den swer-Formeln der mittelhochdeutschen Sangspruchdichter in einem «nackten Imperativ» zeige und somit den Anspruch erhebe, «auch ohne weitere Begründung seiner Dignität allein vermittels seiner Rolle als Dichter und als der lateinischen Sprache Mächtiger ein qualifizierter Ratgeber zu sein.» 338 Diese Merkmale hat die Forschung stets als Gattungskriterien des mittelhochdeutschen Sangspruchs formuliert: v. a. der thematische Fokus auf Politisches und Moralisches sowie der konstatierende Gestus (u. U. in einer etwas anderen Ausprägung). Ob sich dementsprechend von einem eigenen Gattungsbewusstsein des lateinischen Sangspruchs sprechen liesse, ob sich gar die Hypothese eines Autorenverbunds innerhalb der Augsburger Cantionessammlung, der sich im gemeinsamen Gebrauch von Sonderzeichen manifestiert, halten lässt, 339 kann nur in einem übergreifenden Kontext untersucht werden; ebenso die Frage, inwiefern der Begriff ‹ lateinischer Sangspruch › überhaupt angemessen ist, sowie Aussagen darüber, welche Texte und Autoren als ‹ rezeptionswürdig › in den Kanon aufgenommen wurden. Ein exemplarischer Vergleich wie derjenige zwischen den zwei lateinischen Estas-Strophen und der mittelhochdeutschen Rumelant-Strophe vermag den Blick darauf zu lenken, was die Praxis der Kontrafaktur über die Gattung der mittelhochdeutschen Sangspruchdichtung aussagt, welche charakteristischen Muster übertragen und wie diese im konkreten Fall im neuen Kontext funktionalisiert werden. Dabei zielt die Analyse auf den ‹ gattungshaften Kern › mittelhochdeutscher Sangspruchdichtung. Bekanntlich lautet die Rubrik in der Augsburger Cantionessammlung: Estas de purificatione in melodia Roumlant, und die lateinischen Strophen übertragen neben der metrischen Form (und der Melodie) auch rhetorische Charakteristika. Neben der Lichtmetaphorik, die wie bereits erwähnt Rückschlüsse über den Aufführungskontext der Strophen ermöglichen könnte, sind es aber spezifische (sprach)klangliche deutschen Sangspruchs hinzutritt» auszumachen, ebenso wie das «genuin Sangspruchhafte [. . .], das zur Tradition lateinischer Lyrik hinzutritt» (C ALLSEN , Michael: Lateinischer Sangspruch [2017], S. 309). 337 K ORNRUMPF , Gisela: Deutschsprachige Liedkunst (2005), S. 115. 338 C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 28. 339 Zu möglichen Bedeutungen der Abkürzung pna, die in der Handschrift in verschiedenen Autorkorpora insgesamt viermal vorkommt vgl. C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 35 - 37. 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 213 Merkmale, die dem Rezipienten gleich zu Beginn der Strophe die Verbindung der lateinischen Strophe mit der Rumelantstrophe erlauben. Das gelingt im gesungenen Vortrag über die Kombination von kennzeichnender Melodie 340 und Sprachklang, jedoch auch in der Rezeption der Strophen als Lesetext durch die vorangestellte Auszeichnung. Sogar die charakteristischen Paronomasien verweisen aber gerade nicht - wie in der Rubrik angegeben - auf den Ton, sondern auf eine bestimmte Einzelstrophe in diesem Ton. 341 Es liesse sich entsprechend von Kohärenz auf zwei Ebenen sprechen: gerade nicht von einer formalen und einer inhaltlichen Kohärenz (ohnehin eine heikle Distinktion, denn schliesslich ist auch die Paronomasie eine formale Massnahme), sondern von einer metrisch-musikalischen Kohärenz auf der Ebene des Tons und einer sprachklanglich-metaphorischen Kohärenz auf der Ebene der Strophen. Dass diese Beobachtung der Transposition klanglich-metaphorischer Elemente freilich nur für den Einzelfall des Rumelant-Beispiels gilt und nicht verallgemeinert werden kann, zeigt bereits der vergleichende Blick auf eine lateinische Kontrafaktur der Boppe-Priamel ( 1 Bop/ 1/ 30a), die in einer lateinischen Umdichtung auch in der Vorauer Handschrift 401 ( 1 Bop/ 1/ 30d) und ebenfalls - Mersburg zugeschrieben - in der Augsburger Cantionessammlung überliefert ist ( 1 ZYMersb/ 8a) . Die Rubrik oberhalb der Strophe lautet Mersburch in eadem melodia, wobei sich eadem melodia auf die davorstehende Strophe von Henricus Scriptor ( 1 ZYHeinrSc/ 1) bezieht, die ebenfalls in Boppes Hofton verfasst ist (die Rubrik dazu lautet: Heinricus Scriptor melodia Popponis). In den beiden lateinischen Strophen übernehmen die Autoren die Eingangseröffnung sowie die Schlusspointe, ersetzen aber den höfischen Tugendkatalog in der Mitte der Strophe mit Wissensbeständen aus dem scholastisch-wissenschaftlichen Bereich. Heidrun A LEX hat zu bedenken gegeben, dass sich «[m]it dem Wechsel zwischen Latein und Volkssprache verbunden, [. . .] hier ein durch ein anderes Publikum bedingtes Interesse an Literatur zeigt.» 342 Entsprechend ist auch für die beiden Estas-Strophen in Rumelants Ton zu überlegen, ob sich für die Rezipienten, die den intertextuellen Konnex zwischen der Kontrafaktur und dem mittelhochdeutschen Spruch erkennen, tatsächlich «Assoziationsräume» 343 eröffnen oder ob nicht gerade die Lichtmetaphern quer zueinander verlaufen und schwerlich miteinander zu vereinbaren sind, so dass statt einer weiteren Sinndimension eher Verwirrung entsteht. Das würde die These stützen, dass mit dem Sprachwechsel auch ein kompletter Publikumswechsel einhergehen würde. 340 Da die Augsburger Cantionessammlung keine Melodien überliefert, erwägt C ALLSEN , Michael: Die Augsburger Cantiones-Sammlung (2015), S. 24 f. die Frage, ob die Texte überhaupt zum gesungenen Vortrag bestimmt waren, oder ob es sich bei der Bezeichnung melodia nicht um «die Übersetzung der im Deutschen nicht eindeutigen Vokabel ton handeln» könnte, kommt aber zum Schluss, dass «von einer musikalischen Präsentation der Texte ausgegangen werden» könne. Diese Feststellung deckt sich mit der allgemeineren Annahme K ORNRUMPF s, Gisela: Deutschsprachige Liedkunst (2005), S. 118, dass «auch bei lateinischen Liedern, zu denen eine Formentsprechung in der deutschsprachigen Lieddichtung nachweisbar ist und die ohne Melodie überliefert und aufgezeichnet sind, Melodieübernahme die Regel» sei. 341 Das Bildfeld Licht/ Feuer spielt zwar in Ton I in Strophe I,3 ebenfalls eine zentrale Rolle, doch wird hier das Feuer als eines der vier Elemente dezidiert auf die Passion Christi hin ausgelegt, Maria kommt nicht vor (vgl. Kapitel 4.1). 342 A LEX , Heidrun: Der Spruchdichter Boppe (1998), S. 144; vgl. zur Strophe auch K ÜHNE , Udo: Latinum super cantica canticorum (2002), S. 2 f. 343 V ON B LOH , Ute: Spielerische Überschneidungen (2014), S. 259. 214 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität 4.3.2 Zugeschriebene Kohärenz: Meisterlieder im Geschwinden Ton Zuletzt ermöglicht der Blick auf die Rumelant zugeschriebenen Meisterlieder eine weitere Perspektive auf die Frage nach Gattungskohärenz. In k, einer konsequent nach Tönen und Tonautoren geordneten Handschrift, findet sich auf fol. 776 r die rubrizierte Überschrift Im geswinden ton meinster Rumslant Etlich sprechen Wolframs. 344 Es zeugt also bereits diese Überschrift von einer Zuschreibungsunsicherheit bezüglich der Tonautorschaft, die sich mit dem von späterer Hand in schwarz ergänzten Satz noch kumuliert: Hort dem frawenlob z ů ist sein thon. 345 Selbst wenn man Johannes R ETTELBACH s Vorschlag folgt, den Ton aufgrund der Melodiestruktur auf die Zeit des ausgehenden 13. Jahrhunderts zu datieren, kann für den Geschwinden Ton die Autorschaft Rumelants von Sachsen nicht zweifelsfrei belegt werden. 346 Und auch die Zuschreibung an Wolfram ist ausserhalb dieser Stelle in k in keiner anderen Handschrift nachweisbar. 347 Daher erwägt Holger R UNOW eine Übersetzung der rubrizierten Überschrift, welche die Möglichkeit der Autorschaft Wolframs zwar erwähnt, diese aber als falsch darstellt. 348 Die nachträgliche 349 Überschrift hingegen, die den Ton Frauenlob zuweist, steht vermutlich im Kontext der ab dem 14. Jahrhundert verbreiteten Strategie, Töne bekannteren Namen unterzuschieben, wobei Frauenlob als einer der Zwölf alten Meister eine besonders starke Ausweitung des Tonkorpus erfährt. 350 Dass sich in der Berliner Meisterliederhandschrift Mgq 414 eine Überschrift findet, die den Geschwinden Ton Frauenlob zuordnet, könnte ein Grund für die Korrektur in k sein. 351 Damit unterscheidet sich die Fremdtonverwertung in den drei Meisterliedern von Phänomenen zeitgleicher Rezeption wie den lateinischen Strophen der Augsburger Cantionessammlung: Wird in Letzterer zwar als Tonerfinder explizit Rumelant genannt, aber auch Estas als Verfasser der Marienlobstrophen erwähnt, tritt in k der Strophenautor anonym hinter den Namen des Tonverfassers zurück, auch wenn über diesen selbst einige Unsicherheit herrscht. Denn neben den Überschriften der Handschrift, die auf Rumelant, Wolfram oder Frauenlob hinweisen, haben die Verfasser des RSM darüber hinaus erwogen, dass der in k erwähnte Rumslant nicht zwangsläufig mit Rumelant von Sachsen identifiziert werden könne, sondern dass auch der oberdeutsche Rumelant von Schwaben gemeint sein könne. 352 Allerdings hat Holger R UNOW bereits auf die sprachlichen Merkmale in den Meisterliedern hingewiesen, die 344 Fol. 776 r - 778 r . Gemäss S CHANZE , Frieder: Meisterliche Liedkunst I (1983), S. 39 lassen sich die Strophen des Geschwinden Tons der jüngeren Schicht der Handschrift zurechnen. 345 Vgl. Anhang, Abb. 4. 346 Vgl. R ETTELBACH , Johannes: Variation - Derivation - Imitation (1993), S. 287. 347 Vgl. B RUNNER , Horst: Die alten Meister (1975), S. 151, Anm. 293. 348 Vgl. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 291, Anm. 2: «Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Rumelant tatsächlich als Textautor angegeben wird. Sein Name steht im Nominativ, Wolframs hingegen im Genitiv. Man könnte die Rubrik ggf. also auch verstehen im Sinne von ‹ Im Geschwinden Ton [folgen jetzt Texte von] Meister Rumslant, viele sagen [der Ton sei die Erfindung] Wolframs. › » 349 B RUNNER , Horst: Die alten Meister (1975), S. 78 erwägt vorsichtig, Wickram als die «unbekannte Hand des 16. Jahrhunderts» zu identifizieren. 350 Insgesamt sind unter dem Namen Frauenlob 39 Töne belegt, die Göttinger Frauenlob-Ausgabe klassifiziert allerdings davon nur zehn als echt. Rumelant selbst wird in den Dichterkatalogen ebenfalls genannt, vgl. R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2019), S. 407. 351 Dementsprechend führt auch das Töneverzeichnis des RSM 2.1 (2009), S. 55 den Ton unter Frauenlobs Namen. 352 Vgl. RSM 5 (1991), S. 229. 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 215 ins «(ost-) mitteldeutsche Sprachgebiet weisen» und die «eher für eine md. Rezeption des md. Älteren Meisters» 353 sprechen. Die Meisterlieder im Geschwindem Ton kreisen allesamt um theologische Themenkomplexe: Trinität und Inkarnation im ersten Lied, Maria im zweiten und dritten Lied, d. h. ein Lied von den fünf Schmerzen (XX,4 - 8) sowie den sieben Freuden Mariens (XX,9 - 15). Es handelt sich also im Fall der beiden Marienlieder um zeitgenössisch populäre Themenbereiche. 354 Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, inwiefern im ersten Lied Anklänge an das Spruch œ uvre Rumelants festzustellen sind 355 : Man fraget hoch, wo Got behuset were ee himel oder erde wart, luft, waßer, fuwer, wint. ich weiß nit, wo er was, der wunderere, der bücher bin ich ungelart alz wenig alz ein kint. wist ich, wie hoch, wist ich, wie tieff, wist ich, wie wit, wist ich, wie breit - der sinne bin ich gar ein gieff, zu red in die gotheit. ee was ein Got gewesen fri, der ist herjunget worden, sünder, durch dinen orden. ein junger von dem alten kam gar lobesam, der jung wart zam, ein meit er nam gar one sünd und one wee, sagen personen dri. (XX,1) Luft, waßer, wint, des himels für und erde: und wie daz Got geformet hat? die sin gotheit es fant. 353 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 291. 354 Als Vergleich könnte etwa das in k überlieferte fünfstrophige Schmerzenslied in Konrads von Würzburg Morgenweise ( 1 KonrW/ 6/ 510) herangezogen werden, in dem allerdings andere Schmerzen aufgezählt werden als im Meisterlied im Geschwinden Ton: Statt der Abfolge der Schmerzen wie in XX,4 - 8 (Prophezeiung Simeons im Tempel - Suche nach dem zwölfjährigen Jesus - Gefangennahme Jesu - Kreuzigung und Tod - Kreuzabnahme und Grablegung) handeln die Strophen in Konrads Ton folgende Themen ab: Jesu Gefangennahme und Geisselung - Kreuztragung und Kreuzigung - Lanzenstich, Tod und Kreuzabnahme - Trauer Marias - Grablegung, Höllenfahrt, Auferstehung. Weitere Schmerzenslieder in k: 1 Marn/ 7/ 506 (drei Strophen im Langen Ton, nur knapper Hinweis auf die Schmerzen in Strophe 2); 1 KonrW/ 6/ 100 (Strophen 11 - 13 eines umfassenderen Mariengrusses), 1 NachtK/ 6/ 1 (sieben Schmerzen); 1 PeterA/ 1/ 2; 1 ReiBr/ 509. Lieder über die Freuden Marias in k sind seltener, allenfalls zu nennen wäre 1 Frau/ 2/ 518. Vgl. S CHROEDER , Mary Juliana: Mary-Verse in Meistergesang (1942). 355 Die Praxis, ältere Sangspruch-Einzelstrophen oder einzelne Verse in mehrstrophige Einheiten einzubinden, ist im Meistersang verbreitet, vgl. S TACKMANN , Karl: Wiederverwerter Frauenlob (1998). 216 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität und daz hat alz geschicket der vil werde, so daz der zirckel umbe gat schon in des meisters hant. ee was ein Got, teilt sich in dri: Got vatter, son, heiliger geist, den wont ein reine maget bi, alz du es, herr, wol weist. und kriegen der planeten lauff, die sternen gar besunder, und ist daz ‹ Gotes wunder › ? nein, es ist wunder der mentscheit, daz si geseit. sin wirdikeit uns nie verschneit, er hat so meinsterlich enzunt die welt on argen kauff. (XX,2) Man sagt uns vil von wunder: was ist wunder? Got hat kein wunder nie getan, mentsch, der gelaub ist min. wers prüfen kan, die welt get uff und under. nu mercka, witzig, wiser man, waz wunder mag gesin: wer sine ding zu hoh an nimpt, volgeet daz, da ist wunder bi. dem alle ding zu tune zimpt, den heiss ich wunders fri, ich han es vür kein wunder nicht, waz Got ie hat gemachet, und wer es recht besachet: nu ist es als der sin gewalt so manigvalt. mentschlich gestalt, biß nit zu balt, ob dir von Gottes hantgetat uff erden heil beschicht. (XX,3) 356 356 R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 165 - 167. XX,1: Man fragt danach, wo Gott sich befunden habe, | bevor Himmel oder Erde, | Luft, Wasser, Feuer und Wind entstanden. | Ich weiß nicht, wo er war, der Wunderwirker. | In diesen Büchern bin ich so wenig gelehrt | wie ein [einfältiges] Kind. | Wüsste ich, wie hoch und wie tief, | wüsste ich, wie weit und wie breit - | doch meine Sinne sind zu beschränkt, | um über die Beschaffenheit Gottes zu reden. | Einst war ein einziger, unbeschränkter Gott, | der ist verjüngt worden, | Sünder, um deinetwillen. | Auf herrliche Weise | kam ein Junger von dem Alten. | Der Junge wurde gezähmt, | er nahm eine Jungfrau | ohne Sünde und Schmerz. So sagen es die drei Personen. XX,2: Luft, Wasser, Wind, Himmelsfeuer und Erde: | Wie Gott das alles geschaffen hat? | Sein göttliches Wesen hat es ersonnen. | Der Höchste hat es alles so eingerichtet, | dass der Zirkel in der Hand des Meisters | ebenmäßig herumgeht. | Einst war ein Gott, der teilte sich in drei: | Gottvater, Sohn und Heiliger Geist; | bei denen war eine unberührte Jungfrau, | wie du, Herr, es genau weißt. | Die gegenläufigen Planetenbahnen | und jeder einzelne Stern, | ist das ein Wunder Gottes? | Nein, es ist ein Wunder für die Menschheit, | das muss gesagt werden. | 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 217 Die drei Strophen in k weisen eine gewisse Nähe zu mindestens zwei Sangspruchstrophen Rumelants von Sachsen auf, beide ebenfalls mit Trinitäts- und Inkarnationsthematik: I,5 und I,11. 357 Doch den Preis des göttlichen Wunders in I,11, nämlich die Tatsache, dass Gott(vater? ) als derjenige, der Wunder schafft, als der wunderbære wunderære, wiederum - in seiner menschlichen Form - selbst sein eigenes grösstes wunder ist, nimmt der Verfasser des Meisterliedes im Geschwinden Ton gerade nicht auf: Got hat kein wunder nie getan (XX,3,2), denn die Unermesslichkeit Gottes erscheine nur demjenigen als wunder, der nicht über die nötigen geistigen Fähigkeiten verfügt - sprich: auch die entsprechende Buchgelehrsamkeit, von der das Sänger-Ich behauptet, sie nicht zu haben - , die göttliche Unermesslichkeit als solche zu erkennen. 358 Diese ungewöhnliche Perspektivierung zeichnet das Lied aus, das so von Meisterliedern mit ähnlicher Thematik in k, beispielsweise von den drei Strophen im Langem Ton abweicht: Denn trotz aller Gemeinsamkeiten, die 1 Marn/ 7/ 543 gegenüber den Rumslant- Strophen aufweist - etwa die Beschreibung Gottes als Weltarchitekt, der alles (wild und zam) mit einem Zirkel geschaffen habe - , unterscheiden sich die Marner-Strophen mit ihrer durchgängigen Betonung der Wunderhaftigkeit göttlichen Wirkens insofern von denjenigen im Geschwinden Ton, als Erstere das wunder als für den menschlichen Verstand prinzipiell nicht erkennbar definieren, nicht aber das wunder prinzipiell negieren: Schliesslich heisst es ausdrücklich, dass got mit got gewundert ( 1 Marn/ 7/ 543,2,1) habe. 359 Demgegenüber ist es in XX,1 - 3 gerade diese mangelnde Erkenntnisfähigkeit der Menschen, welche die göttliche Schöpfung als Wunder auffassen lässt. Der semantischen Vielschichtigkeit von mhd. wunder 360 Seine hohe Würde | hat uns nie getäuscht. | Er hat die Welt ohne jeden Betrug meisterhaft ins Werk gesetzt. XX,3: Man sagt uns viel über Wunder. Was ist ein Wunder? | Gott hat nie ein Wunder vollbracht, | Mensch, das ist mein Glaube. | Für die Verständigen: Die Welt entsteht und vergeht. | Pass auf, gescheiter, weiser Mann, | was wohl ein Wunder heißen mag: | Wenn einer sich etwas zu Hohes vornimmt, | und das wird vollbracht, dann geschieht dabei ein Wunder. | Aber den, der alles vollbringen kann, | nenne ich frei von Wunder. | Was Gott je gemacht hat, | halte ich nicht für ein Wunder, | und auch keiner, der es genau betrachtet. | Es untersteht ja alles | seiner umfassenden Gewalt. | Mensch, | sei nicht zu voreilig [mit deinen Schlüssen], | wenn dir von einem Geschöpf Gottes auf Erden etwas Gutes geschieht. (XX,3) (Übersetzung R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen [2011], S. 165 - 167). 357 So auch R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 291. 358 Vgl. K IENING , Christian: Literarische Schöpfung (2015), S. 155, wobei K IENING die Strophen offensichtlich als aus dem 13. Jahrhundert stammende Sangsprüche Rumelants auffasst (wie auch T AYLOR , Ronald J.: The Art of the Minnesinger [1968], S. 173 f.), was mir nicht einleuchten will. Einerseits ist zu bemerken, dass XX,1 - 3 unikal in k überliefert ist, andererseits im gleichen Ton wie das Schmerzens- und das Freudenlied steht, die beide stark im Entstehungskontext der Handschrift verhaftet sind und für die eine Autorschaft Rumelants von Sachsen (gegen Ende des 13. Jahrhunderts) wohl ausgeschlossen werden kann. Die Barform von XX,1 - 3 lässt darüber hinaus auf eine spätere Entstehungszeit des Liedes schliessen, auch wenn sich für Rumelant vielleicht schon in der älteren Überlieferung eine Tendenz zur Bildung drei- und mehrstrophiger Komplexe beobachten lässt. In der Kombination lassen die Beobachtungen zumindest daran zweifeln, ob XX,1 - 3 tatsächlich ohne weiteres als Werk des «zwei Generationen vor Heinrich [von Mügeln] dichtenden Rumelant» (S. 155) identifiziert werden kann. 359 Vgl. G ADE , Dietlind: Wissen - Glaube - Dichtung (2005), S. 26 - 38. 360 Nach L EXER III, Sp. 987 - 989, umfasst wunder neben den Bedeutungen ‹ Wunder › und ‹ Verwunderung › auch den Gegenstand, über den sich gewundert oder der bewundert werden kann, weil er aussergewöhnlich ist. So hat neuerdings R HINISPERGER , Selena: Von wundern und âventiuren im Artusroman (2019) Wunder innerhalb der höfischen Erzählliteratur als «integrale[n] Bestandteil von âventiuren» (S. 76) betrachtet, dem prinzipiell die Funktion der Aufmerksamkeitslenkung zukommt. Dass sich der ‹ Wunder › -Begriff darüber hinaus auch im Spannungsfeld von Geistlichem und Weltlichem bewegt und dass darüber auch religiöse Allusionen in ‹ profanen › Texten aufgerufen werden, klammert R HINISPERGER aus. Anders die 218 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität trägt der Text im Geschwinden Ton Rechnung, wenn zum Beginn der Strophenfolge Gott als wunderere (XX,1,4) bezeichnet wird und die damit anklingenden intertextuellen Verweise - etwa handschriftenintern auf Parallelstellen wie 1 Marn/ 7/ 543 oder epochen- und gattungsübergreifend auf Rumelants Sangspruchstrophe I,11 - die Lesart eines wundertätigen Gottes nahelegen. Im weiteren Verlauf des Bares expliziert der Verfasser, dass keineswegs Gotes wunder 361 gemeint sei, sondern im Gegenteil bloss das wunder der mentscheit (XX,2,13 f.). XX,3 schliesslich bietet auf die Frage was ist wunder (XX,3,1) eine Wunderdefinition, die auf die erste Strophe rekurrierend deutlich macht, dass es sich bei der Bezeichnung Gottes als wunderere um eine übertragene Zuschreibung handelt: Um die Unermesslichkeit Gottes zu erfassen, reiche der Wunderbegriff als genuin menschliches - und das heisst auch genuin immanentes - Konzept nicht aus. Daher lassen sich in dem Meisterlied aus k nicht zwingend intertextuelle Verweise auf Rumelants Spruchstrophe I,11 ausmachen. Vielmehr ist der wunder-Begriff in einem jeweils unterschiedlichen gattungsgeschichtlichen Zusammenhang zu betrachten: Die Spruchstrophe reflektiert eine ästhetische und epistemologische Kategorie, die mit Konrad von Würzburg 362 Eingang in diverse Sangspruchstrophen des 13. Jahrhunderts gefunden hat, 363 wohingegen die Meisterliedstrophen im Kontext spätmittelalterlicher Wunderkritik zu verstehen sind, die den Begriff in zahlreichen wunder-Paronomasien oder Anaphern (mich wundert) geradezu ausstellen. 364 Weitere inhaltliche und formale Korrespondenzen zwischen dem Meisterlied in Rumslants Ton und dem Sangspruch œ uvre Rumelants von Sachsen zeigen sich im Bild Gottes als Weltarchitekt. Dabei heisst es in XX,2,4 - 6, Gott habe alles so angeordnet, dass es innerhalb eines Zirkelschlages Platz finde, wohingegen der Verfasser der Sangspruchstrophe I,5 gerade umgekehrt argumentiert, Gott habe nämlich den Zirkel so angesetzt, dass damit alles umfangen sei. Daneben erinnert die Aufzählung der verschiedenen Elemente an den vierstrophigen Komplex, der das Rumelant- Œ uvre in J eröffnet und in dem die einzelnen Elemente auf die Passion Christi hin ausgelegt werden (vgl. Kapitel 4.1). Dem Rezipienten, der die wunder- Ausführungen von K ÖBELE , Susanne / Q UAST , Bruno: Perspektiven (2014), S. 17, die etwa zur Charakterisierung Erecs als der wunderære (S CHOLZ , Manfred Günter: Hartmann von Aue Erec [2007], V. 11045) anmerken: «Handelt es sich um übertragene Rede? Wirkt Erecs Heilssouveränität wie ein göttliches Wunder, wunder-analog, oder erzählt Hartmann tatsächlich (proprie) ein Wunder, in dem Geschehen und Beweiskraft dasselbe sind? » Im Kontext der beschriebenen Meisterlied- und Sangspruchstrophen geht es ja aber gerade nicht um die Interaktion von Religiösem und Säkularem, sondern um eine Entgegenstellung von unterschiedlichen, aber jeweils in ihrer eigenen Weise auf die Transzendenz zielenden wunder- Begriffen. Damit ist der wunder-Begriff in diesem Kontext zu unterscheiden vom Signalwort wunder im Rätselkontext (vgl. Kapitel 3.4.3). 361 Die Handschrift überliefert an dieser Stelle got besunder, R UNOW , Holger: Rumelant von Sachsen (2011), S. 166 konjiziert wegen des identischen Reimes zu Gotes wunder, B ARTSCH , Karl: Meisterlieder (1862), S. 547 f. hingegen ändert den Vers ab zu und ist daz got dar under? Als rekonstruierte Frage auf die Antwort in XX,2,14 (nein, es ist wunder der mentscheit) scheint mir R UNOW s Vorschlag plausibler. 362 Vgl. M IEDEMA , Nine: In Theothonico (2015), S. 162. Dass sich der wunder-Begriff für die Dichtung Konrads von Würzburg in unterschiedlichen Gattungszusammenhängen zeigt, hat unlängst M ÜLLER , Jan-Dirk: Überwundern - überwilden (2018), S. 173 beschrieben. Spezifisch für Konrads Goldene Schmiede vgl. die Arbeiten von K ÖBELE , Susanne: Zwischen Klang und Sinn (2012) und P RICA , Aleksandra: wildez wunder (2012). 363 Vgl. z. B. 1 Bop/ 1/ 10 - 11; 1 Damen/ 3/ 2; 1 Damen/ 4/ 2; 1 KonrW/ 7/ 1; 1 Marn/ 6/ 3; 1 Mei/ 4/ 2; 1 Mei/ 6/ 1; 1 Mei/ 7/ 1. 364 Vgl. z. B. 1 Frau/ 2/ 526; 1 KonrW/ 7/ 504; 1 Marn/ 7/ 513; 1 Marn/ 7/ 543; 1 ReiZw/ 1/ 230. 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 219 Paronomasien aus I,11 noch im Ohr hat (vgl. Kapitel 4.3.1), mögen die Alliterationen in XX,1,7 f. und XX,3,1 bekannt vorkommen; wer mit Rumelants Marnerpolemik oder mit der Strophe III,3 vertraut ist, kennt die Selbststilisierung als ungelehrter Laie. Doch all diese Detailbeobachtungen können interpretatorisch kaum fruchtbar gemacht werden, denn gerade in der Sangspruchdichtung und im Meistergesang, deren gemeinsames Charakteristikum ja der stete Rückbezug auf Traditionen ist, scheint es mehr als schwierig, direkte Bezugnahmen auf Prätexte nachzuweisen. Es muss daher offen bleiben, ob eine Stelle wie Man sagt uns vil von wunder (XX,3,1) tatsächlich auf Rumelants Marienlobstrophe referiert oder ob sie eine generelle Aussage darstellt. Somit sind für die Meisterlieder in k weder direkte Begriffsnoch Formzitate festzustellen, denn beim Geschwinden Ton handelt es sich ja, wie bereits erwähnt, nicht um eine metrische oder musikalische Form, die für das Rumelant-Korpus aus J, C sowie den beiden Fragmenten bekannt wäre. Eine Verbindung zwischen diesen Strophen und den Meisterliedern in k stellt einzig die Zuschreibung des Tons (an Rumelant, Wolfram oder Frauenlob) dar. So unterscheidet sich die Beischrift ausserdem von anderen Zuschreibungen im Rumelant œ uvre, etwa von der Replik im wîp-vrouwe-Streit oder den Antwortstrophen auf Singûfs Rätsel, in denen Randnotizen die Sprüche zwar Rumelant zuweisen, die Strophen allerdings in beiden Fällen im Ton der Bezugstexte verfasst sind. Franziska W ENZEL hat für die Frage nach dem handschriftenspezifischen Tonzusammenhang Beischriften als kohärenzbildendes Mittel beschrieben. So will sie etwa für J zeigen, dass die Beischrift Meister über die Markierung eines thematischen Wechsels hinaus auch den «formalen Wechsel», d. h. einen «anderen Modus der Rede» anzeigt. 365 Könnte man also sagen, dass zwischen dem Meisterlied aus k und dem Strophenbestand der älteren Liederhandschriften durch den Namen Rumslant Kohärenz gestiftet wird? Gilt dementsprechend Autorschaft als Kohärenzindex? 366 Eine solche Annahme setzt ein Autorschaftsverständnis voraus, das den Tonautor dem (anonymen) Textautoren überordnet. Damit scheint es mir aber gerade nicht möglich, an Franziska W ENZEL s Kriterium der «Tonautorschaft» anzuknüpfen, die aus einer strikt rezeptionsästhetischen Perspektive argumentiert, dass den zeitgenössischen Rezipienten das frauenlobsche Spezifikum über die Rezeption des Tons - und genauer: über die Rezeption des Tons innerhalb einer einzelnen Handschrift - vorAugen gestellt werde. 367 Zu different sind die Meisterlieder im Geschwinden Ton in k; zwischen den drei Strophen zum Inkarnations- ‹ Wunder › und dem fünfstrophigen Lied über die Schmerzen bzw. den sieben Strophen über die Freuden Marias lassen sich weder Wortrekurrenzen noch thematische Wiederholungen oder Motivbzw. Metaphernübereinstimmungen ausmachen; tatsächlich bleibt die einzige Gemeinsamkeit die Einheit des Tons. Das Rumelantbild, das sich dem Rezipienten von k präsentiert, ist also ein äusserst uneinheitliches, das gerade nicht eine prozesshafte Entwicklung einzelner Konzepte aufzeigt, wie W ENZEL dies für die diversen, handschriftenspezifischen Meisterschaftsentwürfe beobachten will, sondern unter der Überschrift des Geschwinden Tons Disparates versammelt. In der Folge lässt sich überlegen, ob nicht mit der Erwähnung Rumslants eine Autorvorstellung aufgerufen wird, die nicht ausschliesslich handschriftenintern konstruiert wird, 365 W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), hier S. 56. 366 Vgl. K ÖBELE , Susanne / L OCHER , Eva / M ÖCKLI , Andrea / O ETJENS , Lena (Hgg.): Lyrische Kohärenz (2019), S. 20. 367 Vgl. W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), S. 37 f. 220 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität sondern gewissermassen auf ein aussertextuelles Autorkonstrukt referiert, das im kollektiven Gedächtnis vorhanden ist, auf eine vage Vorstellung einer rumelantschen (oder wolframschen, frauenlobschen) Poetik. Damit liesse sich erklären, weshalb - wenn doch das Weiterdichten in alten Tönen als konstitutives Merkmal des Meistersangs gilt 368 - gerade nicht in einem alten Ton gedichtet wird, sondern in einem neuen Ton, d. h. zumindest einem Ton, der davor noch nicht belegt ist, 369 der aber alten Meistern zugeschrieben wird. Es stellt sich die Frage nach der Signifikanz dieser Beobachtung: Handelt es sich dabei um eine blosse Strategie der Rezipienten, also der Kompilatoren der Handschrift k, über den Rückgriff auf die Autornamen der alten Meister die neuen Texte zu legitimieren? Oder bietet darüber hinaus die Nennung Rumslants auch die Möglichkeit, thematische und sprachlich-formale Kontinuität zu unterstreichen und den Blick auf ein Spezifikum der Meisterlieder (oder zumindest des ersten Meisterliedes) zu richten, das als rumelanttypisch identifiziert wird? Somit stünde weniger die Kohärenz der metrischen oder melodischen Form im Mittelpunkt, sondern der Anschluss an ein autorspezifisches poetisches Programm, das allerdings genauer zu beschreiben wäre. Die These gerät ins Wanken, zieht man den Wortlaut der Rubrik in Erwägung, der ja bereits von einer Unsicherheit zeugt: Weisen die Lieder tatsächlich eine Rumelantspezifik auf oder doch eine Wolfram- oder gar Frauenlobspezifik? Für das Frauenlob œ uvre hat die Forschung im Anschluss an die von der editionsphilologischen Auseinandersetzung initiierten Echtheitsdebatten die Frage nach dem Charakteristikum frauenlobscher Dichtung bereits ausgiebig verhandelt 370 und hat Tendenzen einer «autorspezifische[n] Stilhaltung, [. . .] ein[es] individuelle[n] Sprach- und Formverhaltens» 371 formuliert, die z. B. deutlich hervortritt, wenn sie in parodistischer Weise aufgenommen wird. Auch für das Wolfram œ uvre ist immer wieder versucht worden, werkübergreifend eine Autorpoetik, einen «Personalstil» 372 , zu formulieren. 368 So K ORNRUMPF , Gisela: Vom Codex Manesse zur Kolmarer Liederhandschrift I (2008) bereits im Vorwort (S. V). 369 Der Geschwinde Ton ist neben cgm 4997 ausschliesslich in Handschriften des 16. und 17. Jahrhunderts belegt: Die Handschrift Berlin Staatsbibliothek Mgf 24 ist nur allgemein auf das 16. oder 17. Jahrhundert zu datieren (vgl. D EGERING , Hermann: Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften [1925], S. 20), Breslau Stadtbibliothek, Ms. 1009 auf 1588 mit Nachträgen bis 1598 (vgl. RSM 1 [1994], S. 94), Nürnberg, Landeskirchliches Archiv Fen 4 o V. 182 auf ca. 1590/ 1595 (vgl. B RUNNER , Horst: Die alten Meister [1975], S. 117 - 127) und Nürnberg, Will. III. 792 wird erst nach 1672 abgeschlossen (vgl. RSM 1 [1994], S. 238). 370 Exemplarisch sei hier nur verwiesen auf: E GIDI , Margreth: Höfische Liebe (2002); H UBER , Christoph: Wort sint der Dinge zeichen (1977); K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003); W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973). Eine andere Linie, die den Autorbegriff zugunsten einer tonspezifischen Analyse der vier Hauptüberlieferungsträger zurückstellt, verfolgt W ENZEL , Franziska: Meisterschaft im Prozess (2012), s. o. In eine ähnliche Richtung zielend, aber nicht Bezug nehmend auf die Thesen W ENZEL s, vgl. S UERBAUM , Almut: Zwischen Stimme und Schrift (2017). 371 K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 31. 372 Zuletzt hat F UCHS -J OLIE , Stephan: Metapher und Metonymie bei Wolfram (2015) den charakteristischen wolframschen Zeichengebrauch als «kontrastive Überblendung» (S. 418) beschrieben. Dabei gibt er zu bedenken, dass Aussagen über den Personalstil immer nur in Abgrenzung von anderen getroffen werden können. Dementsprechend formuliert F UCHS -J OLIE , dass Gottfried die «Evidenz der Metaphern [nutze], um die Sinnpotenzen sukzessive zu entfalten», Wolfram dagegen «die Sinnpotenzen ineinander gleiten und in aporetischer Überblendung verharren» lasse (S. 421). Dass F UCHS -J OLIE aber in seinen Überlegungen doch wieder auf die Echtheitsfragen zurückgeworfen wird, gegen die er anschreibt, zeigt sich in der Auswahl seines Textkorpus, das sich auf die Erzähltexte Parzival, Willehalm und Titurel konzentriert. Sein Vorhaben, «ein charakteristisches Profil jener Texte, die mit der Signatur ‹ Ich, Wolfram aus Eschenbach › überliefert sind» (S. 414) zu zeichnen, berücksichtigt weder - wie er einräumt (vgl. S. 425) - die 4.3 Rezeption als Kohärenzindikator 221 Doch ist der Zusatz Etlich sprechen Wolframs vermutlich nicht auf den Verfasser des Parzivals hin zu verstehen, sondern vielmehr im Kontext weiterer, Wolfram zugeschriebener Strophen 373 innerhalb der Kolmarer Liederhandschrift zu verorten. Die Strophen in Wolframs Goldenen Ton sowie in der Mühlweise befinden sich in der Nähe des Geschwinden Tons 374 zum Schluss der Handschrift, die eine Häufung von Strophen in Tönen Reinmars von Zweter, Wolframs, Walthers und des Tugendhaften Schreibers aufweist und somit die verschiedenen Protagonisten des Wartburgkriegs (bis auf Biterolf ) gemeinsam versammelt. 375 Mit Wolfram in der Rubrik der Meisterlieder im Geschwinden Ton ist also die Wolfram-Figur der Wartburgkrieg- Texte gemeint, die nicht mit dem Erzähler des Parzivals in eins gesetzt werden kann. 376 Auf die Frage nach Gattungskohärenz gewendet hat der direkte Vergleich zwischen den Meisterliedern im Geschwinden Ton (besonders XX,1 - 3) und dem Sangspruchkorpus Rumelants zwar gezeigt, dass formale Veränderungen wie der Wechsel von tendenzieller Einstrophigkeit zur Barform und inhaltliche Neuperspektivierungen v. a. in Bezug auf den wunder- Begriff zu beobachten sind, doch wurde auch deutlich, dass der Anschluss an die Sangspruchdichtung über die Autornamen geradezu programmatisch ausgestellt wird. Offenbar ist das Demonstrieren des Traditionsbezugs, die Betonung einer kontinuierlichen Gattungsentwicklung, in dem beschriebenen Fall wichtiger als das tatsächliche Dichten in den Tönen alter Meister. Rumelant selbst hat es mit den aus den älteren Überlieferungsträgern bekannten Tönen nicht in die Kolmarer Liederhandschrift geschafft, sein Name - Rumslant, wie er auch in C genannt wird 377 - dient nur im Geschwinden Ton als Chiffre, die auf Vergangenes verweist. Ob sich die Funktion des Autornamen allerdings in der blossen Legitimierung durch die Auswolframsche Lyrik, noch diejenigen Wartburgkrieg-Texte, in denen Wolfram als Sänger auftritt. Damit operiert F UCHS -J OLIE mit einem Autorbegriff, der die Vorstellung einer historischen Autorperson um 1200, die von Wolfram-Nachfolgern abzugrenzen ist, zumindest evoziert und nicht mit einem dezidiert überlieferungsbasierten Zugang, der die Unterscheidung echt/ unecht bzw. neu/ alt ausblendet. 373 Vgl. RSM 5 (1991), S. 579. 374 1 Wolfr/ 2/ 1a und 1 Wolfr/ 2/ 2a auf fol. 730 r - 731 r ; 1 Wolfr/ 4/ 2 auf fol. 739 r - 740 r ; 1 Rums/ 1 - 3 auf fol. 776 r - 778 r . 375 Das ist insofern aussergewöhnlich, als k auch Töne aufnimmt, die Autoren zugeschrieben werden, die ansonsten in der Meisterliedertradition des 15. Jahrhunderts keine grosse Rolle spielen, so beispielsweise Reinmar und Walther, vgl. K ORNRUMPF , Gisela: Die Kolmarer Liederhandschrift (1990), S. 157 f.; H ALLMANN , Jan: Studien zum mittelhochdeutschen ‹ Wartburgkrieg › (2015), S. 52. Der Schluss der Handschrift ist allerdings nicht durchgängig den Wartburgkrieg-Autoren zugeordnet, sondern führt u. a. auch den Hofton Reinmars von Brennenberg (fol. 669 r - 679 v ) oder Stolles Alment (fol. 708 r - 716 v ). Eine Übersicht über den Inhalt bietet die Handschriftenbeschreibung von S CHNEIDER , Karin: Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München (1996), besonders S. 440 f. 376 Für die bekannte ‹ Selbstrühmung › Frauenlobs, die das Autorbild der Forschung lange negativ geprägt hat, kommt bereits W ACHINGER , Burghart: Sängerkrieg (1973), S. 247 - 261 zum Schluss, dass mit ‹ Wolfram › nicht der Verfasser des Parzivals, sondern Wolfram als Spruchdichter, wie er aus den Wartburgkrieg-Texten bekannt ist, angesprochen sei. Der These, dass Frauenlobs Dichtung ein Wolframbild transportiert, das über jüngere Texte vermittelt ist, folgt auch S TACKMANN , Karl: Frauenlob und Wolfram (1989), S. 84: «Die Namen Wolfram, Reinmar und Walther sind bloße Chiffren, von Frauenlob in s e i n e r Inszenierung des Rangstreits der Dichter verwendet [. . .].» Vgl. zu den spannungsreichen Beziehungen zwischen Prätext und neuem Kontext, in welche die Figuren in diesem «interfiguralen Transfer» treten können, B ULANG , Tobias: Intertextualität und Interfiguralität (2015), S. 144 [Hervorh. im Original]. 377 Fol. 413 v . In der Forschung hat sich - im Gegensatz zu Friedrich P ANZER s Monographie, die noch den Titel ‹ Meister Rûmzlants Leben und Dichten › trägt - der Autorname Rumelant durchgesetzt, der in J sowohl durch die Bezeichnung des Autorkorpus ( Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Ms. El. f. 101, fol. 47 v : Meister Rvmelant) als auch durch die Apostrophe An Rumelande in der an Rumelant gerichteten Strophe in dessen Ton VI belegt ist (VI,12); vgl. Kapitel 1.1. 222 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität strahlung erschöpft, bleibt fraglich, wenn man bedenkt, dass gerade diejenige der drei Liedeinheiten, bei der man vorsichtig von Anklängen an das Sangspruch œ uvre Rumelants von Sachsen sprechen könnte, prominent an erster Stelle platziert ist und damit vielleicht doch ein Nachdichten im Rumelant-Stil für das gesamte nachfolgende Textkorpus suggeriert wird. Durch die dreifache Zuschreibung ist es kaum möglich, von einem kohärenten Personalstil zu sprechen, der in Sangsprüchen und Meisterliedern gleichermassen zum Tragen käme. Es könnte vielmehr ein gemeinsamer Nenner angesprochen sein, der den Stil Wolframs, Frauenlobs und Rumelants gleichermassen beschreibt, denn die Beischrift in k lässt offenbar eine Vorstellung von Stilkohärenz erkennen, die nicht auf einen einzelnen Autor beschränkt ist, die aber auch nicht einer Gattungskohärenz gleichzusetzen ist. Die Zuordnung des Tones durch die Rezipienten (d. h. der Schreiber der Handschrift k ebenso wie der Verfasser der Nachschrift) dient also nicht nur einem generellen Traditionsbezug, sondern rückt auch eine Epochensignatur in den Fokus. Denn mindestens mit den Autornamen Wolfram und Frauenlob ist auf den geblümten Stil 378 verwiesen, als dessen exemplarische Vertreter die beiden für die Rezipienten des 15. Jahrhunderts gelten mögen. 379 So ist mit der Rubrik vielleicht die Tendenz zu einer «besonders kunstvolle[n] Sprachverwendung» 380 angesprochen, auf die die Aufmerksamkeit des Rezipienten gelenkt werden soll, in der die Bedeutung des Strophengegenstands «durch den Glanz der Ausdrucksformen» 381 dargestellt wird. 4.4 Noch einmal: Rumelant im Kontext. Resümee Wer die Frage, inwiefern die - thematisch uneinheitliche und auch formaler Varianz unterworfene - Sangspruchdichtung überhaupt eine Form von Gattungskohärenz aufweist, zu beantworten versucht, bewegt sich im Spannungsfeld von Autorschaft, Überlieferung und produktiver Rezeption. Gilt als ‹ Autor › die innerhalb einer Handschrift bezeichnete Autorfigur, bietet sich für Rumelant von Sachsen je nach Handschrift ein recht differentes Bild: Ein umfangreiches, ausschliesslich aus Sangsprüchen bestehendes Textkorpus in J, ein kleineres Mischkorpus aus Sangspruchdichtung und Minnesang in C, drei Meisterlieder in k, eine lateinische Cantio in der Augsburger Cantionessammlung. Insofern kann Rumelant jeweils als Sangspruchdichter, Minnesänger oder Meisterlieddichter rezipiert werden. Wird dagegen das gesamte Œ uvre betrachtet, das unter dem Namen Rumelants überliefert ist, richtet sich die Aufmerksamkeit auf Sangspruchhaftes in den Minneliedern, Spezifika des mittelhochdeutschen Sangspruchs in den lateinischen Texten, den Übergang zwischen Sangspruchdichtung und Meistergesang. Dabei lässt sich ein gattungsabhängiger Gebrauch bildhafter Rede weniger ausmachen als vielmehr eine spezifische Funktionalisierung einzelner Merkmale bzw. Merkmalsbündel im neuen Gattungskontext. So gehören Schwalbe und 378 Vgl. zum Stilbegriff für den ‹ Blümer › -Kontext K ÖBELE , Susanne: Frauenlobs Lieder (2003), S. 9: «Eine Stiltendenz mehr als eine Stilart, forciert das ‹ Blümen › auf allen textkonstitutiven Ebenen, auf der phonetischen, metrischen, syntaktischen, lexikalisch-semantischen Ebene, die Abweichung und die Häufung.» Vgl. zum Begriff auch Kapitel 1.1. 379 Aus einer rezeptionsästhetisch orientierten Perspektive verstehe ich das ‹ Blümen › somit an spezifische Autoren gebunden und nicht - wie H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000) - als funktionstypische Stilistik. 380 S TACKMANN , Karl: Redebluomen (1975), S. 300. 381 H ÜBNER , Gert: Lobblumen (2000), S. 217. 4.4 Noch einmal: Rumelant im Kontext. Resümee 223 Nachtigall, die beide in Rumelants Strophe IV,18 erwähnt werden, zwar zum topischen Inventar des Minnesangs, auf die pragmatische Funktion des Sangspruchs, die polemische Konkurrentenschelte, hat dies freilich keinen Einfluss. Auch wenn Rumelant beispielsweise den Natureingang als Bildarsenal für seine Fürstenlobstrophen nutzt, zitiert er Gattungstraditionen des Minnesangs. Auffällig ist, dass er diese in seinen Minneliedern selbst gerade nicht verwendet; die Natureingänge, mit denen Rumelant jedes seiner drei Minnelieder in C einführt, unterscheiden sich stark vom Natureingang in Rumelants Fürstenlob, in dem die Bildsprache Morungens anklingt. Erweitert man das Œ uvre um die Meisterlieder im Rumelant zugeschriebenen Geschwinden Ton und die Cantio im Ton I, wird zudem deutlich, dass die Einheit von Text- und Tonautor, die für die Sangspruchdichtung in den grossen Lyriksammelhandschriften kaum in Frage gestellt wird, durchaus auseinandertreten kann. Autorschaft als kohärenzstiftendes Prinzip zu verstehen, wird so ungleich schwieriger - und noch schwieriger wird es, zu entscheiden, ob es sich z. B. bei den bildsprachlichen Übereinstimmungen in der Strophe der Augsburger Cantionessammlung und Rumelants Spruch I,11 um einen Ausdruck der ‹ Sangspruchhaftigkeit › beider Texte oder um eine gattungs- und sprachgrenzenübergreifende Tonautorsignatur handelt. Schliesslich zeigt ein Fall wie der Rumelant zugeschriebene Ton in der Meisterliederhandschrift k die Grenzen auf, nach denen Autorschaft als Kohärenzindex gelten kann: Wenn es nämlich die dreifache Namensnennung (Frauenlob, Wolfram und Rumelant) nicht erlaubt, die Zuschreibung in der Rubrik als Hinweis auf einen spezifischen (Ton- oder Text-)Autoren zu verstehen, sondern vielmehr nahe legt, sie als Epochensignatur zu fassen. Wird in den untersuchten Texten auf andere lyrische Gattungen und Redeweisen Bezug genommen, kann der Anspielungshorizont dem Rezipienten bekannt sein - und so für eine zusätzliche Sinndimension sorgen - , er muss es aber nicht: Die Rezeption der panegyrischen Strophe ist problemlos möglich, ohne dass die minnesangspezifische Metaphorik als solche erkannt wird. Auch die lateinischen Strophen sind ohne die volkssprachliche Hintergrundfolie zu verstehen und sind wiederum, wie im letzten Kapitel bereits das Horaz-Zitat in der Nebukadnezarstrophe der Augsburger Cantionessammlung gezeigt hat, in ihrem jeweils eigenen sprachlichen Bezugsrahmen situiert und vielleicht auch an einen anderen Rezipientenkreis gerichtet. Auf der produktionsseitigen Ebene hat sich für die Untergattungen der Sangspruchdichtung und für Minnesang und Sangspruchdichtung gezeigt, dass Gattungsinterferenzen als Ausweis meisterlicher Kunstfertigkeit eingesetzt werden können. Gezieltes Anzitieren anderer Gattungszusammenhänge kann zudem dazu genutzt werden, die Sangsprüche selbst zu nobilitieren: mit Verweisen auf den Minnesang ebenso wie als Referenz auf mariologische Bildmuster. Somit wird gerade das Überschreiten der Gattungsgrenzen wiederum zum poetischen Programm der Gattung und paradoxerweise selbst wieder zu einem Gattungsmerkmal. 224 4 Gattungskohärenz und allusive Intertextualität Fazit: Rumelants Sangspruchdichtung im Spannungsfeld zwischen Produktion, Aufführung, Verschriftlichung und sinnstiftender Rezeption Im Zentrum meiner Überlegungen stand die Frage, wie sich für die mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung Phänomene übertragener Rede, verstanden als Spezifikum poetischer Rede, bewerten lassen. Ausgehend von der paradox scheinenden Beobachtung, dass Sangsprüche sowohl von dem Bemühen geprägt sind, eindeutige Sprechakte zu formulieren, mit denen konkrete pragmatische Funktionen verbunden sind (Heische, Klage, Schelte etc.), aber andererseits gerade im ausgehenden 13. Jahrhundert in einem Überbietungsgestus präsentiert werden, welcher die wîsheit der meister programmatisch ausstellt und zu diesem Zweck mit kunstvoll inszenierter Bildsprachlichkeit experimentiert, zielte meine Fragestellung auf das Verhältnis der beiden asymmetrischen Begriffe Kohärenz und Mehrdeutigkeit zur Beschreibung einer Autorpoetik Rumelants und weiter einer spezifischen Epochenpoetik der Gattung. Die Vielfalt der medialen Konstellationen, die für die vormoderne Lyrik zu berücksichtigen sind, stellt die Kohärenzfrage jedoch vor nicht unwesentliche Schwierigkeiten. Bereits die Tatsache, dass die Strophen heute nur in ihrer schriftlichen Form rezipiert werden können und dass dieser Prozess der Verschriftlichung teilweise mit einiger zeitlicher und räumlicher Distanz zum mutmasslich aufgeführten Text stattgefunden hat, hat unmittelbare Konsequenzen: Denn um das Textualitätsmerkmal Kohärenz überhaupt näher beschreiben zu können, muss ein Text vorausgesetzt werden, der als solcher ja gar nicht ohne Weiteres gegeben ist. Gerade für die mittelhochdeutsche Sangspruchdichtung bleibt unklar, was ‹ Text › meint, ob damit etwa die in den Handschriften als Einzelstrophe ausgewiesene Einheit bezeichnet ist oder grössere Strophenkomplexe, die vielleicht als Aufführungseinheiten konzipiert gewesen sein könnten. Und selbst wenn nur die handschriftliche Überlieferung in den Blick genommen wird, die als Zeugnis der Rezeption der Sangspruchdichtung zum Zeitpunkt der Verschriftlichung aufgefasst wird, stösst die Frage nach der Einheit ‹ Text › auch hier spätestens dann an ihre Grenzen, wenn sich der Handschriftenbestand uneinheitlich präsentiert, wenn z. B. das Layout von C die Reimpaarstrophen 1 Sperv/ 16 als eine abgeschlossene Einheit ausweist, die gleichen Verse in der Zimmerischen Chronik aber nicht graphisch abgehoben werden (vgl. Kapitel 2.3.1); oder wenn in Rumelants fünftem Ton die Handschrift J den Strophenkomplex V,1 - 3 überliefert, C hingegen nur V,2 - 3 (vgl. Kapitel 3.3). In solchen Situationen sind die Grenzen des Textes fallabhängig zu bestimmen. Entsprechend galt es in einem ersten Schritt ‹ textuelle Einheiten › - die Einzelstrophe, Strophenkomplexe und sogar die Gattung Sangspruch - zu veranschlagen, die durch unterschiedliche produktions- und rezeptionsseitige Kriterien als solche verstanden werden können, und davon ausgehend immer neu zu bestimmen, in welchem Grad und auf welcher Ebene Kohärenz zu beobachten ist. Somit ist Kohärenz immer relational zu beschreiben, die unterschiedlichen Ebenen Metrik, Bildsprache, Klang etc. sind zu differenzieren, und sie ist nicht in einer strikten Unterscheidung von ‹ kohärent › und ‹ inkohärent › , sondern skalierbar zu denken. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Sangsprüche, mögen sie auch nur schriftlich tradiert sein, an erster Stelle aufgeführte und gesungene Kunstwerke sind. Für das Sangspruch œ uvre Rumelants sind alle Melodien erhalten, denn J zeichnet sämtliche Tonmelodien in römischer Quadratnotenschrift auf, so dass mit dieser Kenntnis über die metrisch-musikalischen Bauformen beispielsweise das Verhältnis von syntaktischen Textelementen und melodiegliedernden Elementen offenbar wird und die Tonfolge nachvollzogen werden kann. So gut die Überlieferungslage auch ist, die Aufführungspraxis kann freilich nicht rekonstruiert werden. Mit dieser performativen Lücke muss eine wesentliche Dimension derTexte aussen vor bleiben, wenn auch die Textpragmatik greifbar ist (vgl. Kapitel 4.1.2). Hingegen bleibt die Sprachklanglichkeit der Texte auch den modernen Rezipienten erhalten. Beispielsweise wurde an verschiedenen Beispielen deutlich, wie die Wiederholung einzelner Leitbegriffe (vgl. Kapitel 3.2) oder ‹ Leitkonzepte › (vgl. Kapitel 3.3) als Kohärenzindex gelten kann, dass die wiederholten Lexeme jedoch nicht zwingend auf das Gleiche referieren, sondern im Gegenteil gerade dafür genutzt werden, die semantische Vielfalt höfischer Zentralbegriffe zu demonstrieren (vgl. Kapitel 2.3.1). Die metrische Struktur und die Melodie (insofern sie überliefert ist) sind aber für die Analyse relevant, weil es insbesondere für die Sangspruchdichtung, die diverse Einzelstrophen unter einem Ton versammelt, möglich ist, diese als Zitat, als Anspielung auf bereits Dagewesenes zu lesen. Durch dieToneinheit ist eine Gemeinsamkeit zwischen den Strophen gegeben. Das bedeutet indes weder eine Rückkehr zu den Überlegungen der älteren Forschung, die Sangspruchtöne als liedhafte Einheiten verstanden haben wollte, noch stimmt die metrisch-musikalische Tonkohärenz zwingend und im gleichen Masse mit der semantisch-thematischen Kohärenz überein. Nicht alle Töne Rumelants sind auf sämtlichen Ebenen also gleichermassen kohärent: So unterscheidet sich Ton IX, in dem alle drei Strophen klanglich kongruent auftreten und auch über die Wiederaufnahme und Verklammerung der unterschiedlichen Zeitebenen als zusammengehörig markiert sind (vgl. Kapitel 3.5), grundlegend von Ton IV, dessen 28 Strophen nur schon thematisch eine grosse Bandbreite abdecken: Marnerpolemiken (vgl. Kapitel 4.1.2) ebenso wie die allegorische Auslegung des Nebukadnezar-Traums nach Daniel (vgl. Kapitel 3.2). Wenn aber die beiden lateinischen Strophen in der Augsburger Cantionessammlung nicht nur das Tonschema von Rumelants Strophe I übernehmen, sondern den Ton auch in der Rubrik explizit diesem zuweisen (vgl. Kapitel 4.3.1), kann die Strophenform durchaus sinnstiftend verstanden werden: als Verweis auf einen Tonautoren ebenso wie als Gattungszitat des mittelhochdeutschen Sangspruchs um 1300 in seiner formalen und bildsprachlichen Spezifik. Eine strikte Form- Inhalt-Dichotomie kann in diesem Sinne nicht aufrechterhalten werden. Dabei zeigt sich, dass die Erkenntnisse keineswegs vorschnell verallgemeinert werden dürfen, sondern jedes Beispiel auch in seiner Besonderheit betrachtet werden muss: Kontrafakturen, wie die lateinischen Strophen in der Augsburger Cantionessammlung verweisen durch metrische Anlage und inhaltliche Parallelen intertextuell auf ihre Prätexte (vgl. Kapitel 4.3.1), wohingegen die Rumelant zugeschriebenen Meisterlieder in k (vgl. Kapitel 4.3.2) sowohl aufgrund ihrer thematischen und bildsprachlichen Verfasstheit als auch durch die dreifache Zuschreibung (Rumelant, Frauenlob und Wolfram) als Verweis auf die Stilpraxis der ‹ Blümer › gelten kann. In dieses Spannungsfeld von Produktion, Performanz und Verschriftlichung tritt nun der Rezipient. Denn Kohärenz ist nicht nur produktionsseitig angelegt - sei es als vom Autor/ Sänger konzipierte Aufführungseinheiten wie auch als von den Kompilatoren der Handschrift, 226 Fazit die genau genommen auf der Systemstelle zwischen Produktion und Rezeption stehen, angeordnete Strophenkomplexe. Ebenso wird in einem rezeptionsseitigen Prozess Kohärenz hergestellt. Das wird besonders deutlich, wenn mehrere Strophen in den Blick genommen werden, in denen sich je nach Lektüreentscheidung des Rezipienten, der einzelne Textaspekte präferiert, unterschiedliche Strophenkomplexe bilden lassen. Dies wurde hinsichtlich Rumelants Strophen V,1 - 3 offenbar (vgl. Kapitel 3.3), wo sich die verschiedenen Bedeutungsebenen in der Kombination der Einzelstrophen zu einem grösseren Komplex entfalteten. Dass der Bestand der Handschriften differiert, zeugt von der Flexibilität der Bezugnahmen. Weiter muss die dichotome Struktur von Allegorie und Rätsel - Allegorie und Auslegung bzw. Rätsel und Lösung - nicht in jedem Fall damit einhergehen, dass die unterschiedlichen Teile jeweils auf unterschiedliche Strophen (vgl. Kapitel 3.2.2) oder unterschiedliche Strophenteile (vgl. Kapitel 3.2.1) verteilt werden. Die literarische Allegorie im Sangspruch erschöpft sich nicht im blossen hoc-est-Schema, auch wenn sich freilich für diejenigen Sangspruchstrophen, welche die Auslegung des Traumbilds Nebukadnezars zum Gegenstand haben, gezeigt hat, dass die Sangspruchdichter sich an die theologische Exegese angelehnte Formeln nach dem Muster ‹ x bedeutet y › zu Nutze machen, um ihre eigene (moralische, politische) Deutung neben der biblisch autorisierten Danielauslegung zu positionierten und damit zu legitimieren (vgl. Kapitel 3.2). Dass der ‹ sangspruchhafte › , ‹ didaktische › Redegestus (vgl. Kapitel 4), der auf unmittelbare Verstehbarkeit zielt, nicht notwendigerweise bedeutet, dass komplexe Inhalte mittels einfacher Bildformeln vermittelt werden, sondern dass gerade das Auffächern verschiedener allegorischer Aussagen die Möglichkeit bietet, so umfassende theologische Konzepte wie die Trinität auf verknapptem Platz darzustellen und darüber hinaus mit der Inkarnation zusammenzubringen, zeigte sich am Beispiel der Einhornallegorie in Kapitel 3.3. Eine rezeptionsästhetische Perspektive auf die Sangspruchdichtung kommt letztlich nicht um produktionsästhetischen Fragestellungen herum: Für den Rezipienten einer Handschrift wie J, die nur die Sangsprüche Rumelants überliefert, präsentiert sich zwangsläufig ein anderes Autorbild als für den Rezipienten des Textkorpus aus Sangspruch und Minneliedern in C oder der Rumelant zugeschriebenen Meisterlieder in k. Sogar für einen modernen Rezipienten stellt sich mit der Entscheidung für eine der beiden Editionen auch die Grundsatzfrage, ‹ welchen › Rumelant man lesen möchte - den Sangspruchdichter (K ERN )? Oder sämtliche Strophen, welche die Handschriften unter Rumelants bzw. Rumslants Namen überliefern (R UNOW )? Der Blick auf das Rumelantkorpus in C hat gezeigt, dass gerade die Sangspruchstrophen, an denen deutliche Gattungsinterferenzen mit dem Minnesang zu beobachten sind, in der Handschrift unmittelbar vor dem Einsetzen der Minnelieder platziert sind (vgl. Kapitel 4.2.1). Die Frage nach der Autorpoetik ist damit stets mit der Frage nach einer Handschriftenpoetik engzuführen, wobei aus einem solchen Zugriff ja wiederum Fragen nach dem Verhältnis von Autor und Kompilator erwachsen. Sich einer Autorpoetik Rumelants von Sachsen zu nähern, die vor dem Hintergrund des Verhältnisses zwischen (poetischer) Mehrdeutigkeit und Kohärenz zu skizzieren ist, kann nur über den konsequenten Vergleich gelingen. Nur so lassen sich die Befunde im Kontext umfassenderer Kriterien einer ‹ Sangspruch-Redeweise › prüfen, wobei die Relation von Einzelbefund und Verallgemeinerbarkeit, von Innovation und Tradition immer neu beleuchtet werden muss. Auf diese Weise haben die Analysen beispielsweise gezeigt, dass die Natureingänge, die Rumelant in seinen panegyrischen Sangsprüchen nutzt und die wohl ebenso der Fazit 227 sängerischen Kompetenzdemonstration wie der Nobilitierung des Gegenstands dienen, sich deutlich von den Natureingängen unterscheiden, mit denen Rumelant jedes seiner drei Minnelieder in C einleitet, und vielmehr auf bildsprachliche Muster nach dem Vorbild Heinrichs von Morungen zurückgreift (vgl. Kapitel 4.2.1). An der panegyrischen Strophe auf die beiden Fürsten von Zabel wird ferner deutlich (vgl. Kapitel 4.1.1), dass es sich bei der etymologischen Namensherleitung zwar um eine Strategie handelt, die Rumelant häufig verwendet, keineswegs jedoch um ein Autorcharakteristikum: Die Besonderheit liegt vielmehr in den erotischen Allusionen, die in Rumelants Spruch aufgerufen werden. Dieses Beispiel macht die Doppelreferenz des Sangspruchs greifbar, wie sie sich auch in anderen Texten niederschlägt, so z. B. in geistlicher bzw. weltlicher Panegyrik oder auch in der Polemik gegen Sängerkonkurrenten: Einerseits sind die Sprüche in konkreten Aufführungssituationen zu verorten und historisch referentialisierbare Lesarten sind möglich. Doch erschöpft sich das Potential der Strophen nicht darin - wie sich an der Zabel-Strophe gezeigt hat, deren Pointe im intrikaten Gegeneinander-Ausspielen von wörtlicher und übertragener Beobachtung liegt. Die Überlieferung panegyrischer Strophen in zeitlichem und geographischem Abstand zum gelobten Fürsten legt nahe, dass eine solche zeitenthobene Rezeption darauf zurückzuführen ist, dass die Gönnernennungen durchaus nach ästhetischen Prinzipien literarisiert sind. Kaum zu entscheiden ist, ob diese jedoch darin gründen, dass die sprachliche Form dem Gegenstand angemessen sein muss (im Sinne des rhetorischen aptum-Prinzips) oder ob nicht die Literarisierung des Gönnerlobs den überzeitlichen Ruhm miteinkalkuliert. Ähnliches lässt sich für die Kritik an Sängerkonkurrenten beobachten: So sind beispielsweise auch die verschiedenen Strophen, die den Marner kritisieren (vgl. Kapitel 4.1.2), weder ausschliesslich auf die historischen Hintergründe des Sängerstreits hin zu befragen, noch als blosse zweckentbundene Spielerei zu verstehen, sondern stets neu zwischen diesen Polen zu positionieren. An den autor œ uvreübergreifenden Marnerpolemiken zeigt sich schliesslich, dass selbst ein den unterschiedlichen Strophen gemeinsamer Gegenstand nicht dazu führt, dass die Redeweise der Marnerpolemiken kohärent wäre. Vieles spricht also dafür, dass es sich bei dem intrikaten Zusammenspiel von Kohärenz und Mehrdeutigkeit um ein Kennzeichen der Gattung handelt, das im 13. Jahrhundert besonders hervortritt. So auch bei Rumelant von Sachsen, in dessen Œ uvre sich Mehrdeutigkeit auf verschiedenen Ebenen beobachten lassen hat: Kunstvoll inszenierte Bildsprachlichkeit, in denen die meister ihre gelehrten und artistischen Fähigkeiten im wechselseitigen Verrätseln und Deuten ausstellen, steht neben Passagen, die durch Alteritätseffekte wie fehlende historische Referentialisierungen oder durch Überlieferungsdefekte nicht (mehr) auf einen eindeutigen Sinn zu reduzieren sind. Die Grenzen zwischen diesen Bereichen können fliessend sein. Die Überlegungen haben immer wieder gezeigt, dass sich Kohärenz im Kontext der Sangspruchdichtung des 13. Jahrhunderts nicht als ‹ Eindeutigkeit › fassen lässt, sondern dass sich die Epochenspezifika gerade in der Dynamik von Sinnpluralisierung und Kohärenzstiftung herauskristallisieren. Daher ist die Beobachtung, von der die Arbeit Ausgang genommen hat, doch nur vermeintlich paradox. Unterschiedliche Kohärenztypen - formale (z. B. metrische), klangliche, narrative, thematische, bildsprachliche, pragmatische, sprachliche - können mittels Analogien oder über Gegenteile Kohärenz herstellen, aber in Einzelfällen eben auch unterlaufen. In diesem Sinn kann Rumelant als ein exemplarischer Fall einer äusserst produktiven Umbruchphase der Gattung gelten. 228 Fazit Abkürzungsverzeichnis DVjs = Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte GAG = Göppinger Arbeiten zur Germanistik GRM = Germanisch-Romanische Monatsschrift JOWG = Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft LiLi = Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik MTU = Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters PBB = Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur PhStQu = Philologische Studien und Quellen RUB = Reclam Universal-Bibliothek WdF = Wege der Forschung ZfdA = Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur ZfdPh = Zeitschrift für deutsche Philologie Literaturverzeichnis Handschriften A = Kleine Heidelberger Liederhandschrift. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 357. Digitalisat: http: / / digi.ub.uni-heidelberg.de/ diglit/ cpg357 [Letzter Zugriff: 28.8.2021]. Augsburger Cantionessammlung = Augsburger Cantionessammlung. Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. II.1.2° 10. B = Weingartner Liederhandschrift. Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB XIII 1. Digitalisat: http: / / digital.wlb-stuttgart.de/ sammlungen/ sammlungsliste/ werksansicht/ ? no_cache=1&tx_dlf%5Bi d%5D=3919&tx_dlf%5Bpage%5D=1 [Letzter Zugriff: 29.8.2021]. C = Große Heidelberger Liederhandschrift / Codex Manesse. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 848. Digitalisat: http: / / digi.ub.uni-heidelberg.de/ diglit/ cpg848 [Letzter Zugriff: 29.8.2021]. cgm 4871 = München, Bayrische Staatsbibliothek, cgm 4871. clm 5539 = München, Bayrische Staatsbibliothek, clm 5539. Digitalisat: http: / / daten.digitale-sammlungen. de/ ~db/ 0004/ bsb00042722/ images/ index.html [Letzter Zugriff: 29.8.2021]. cpg 345 = Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 345. 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Ab Band 9 unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter zusammen mit Gundolf K EIL / Kurt R UH / Werner S CHRÖDER / Franz Josef W ORSTBROCK hg. von Burghart W ACHINGER . 14 Bände, Berlin/ New York 1978 - 2008. 268 Literaturverzeichnis Anhang 1 Rum/ 4/ 1 - 3 1 Marn/ 7/ 11 1 Kel/ 1/ 1 1 Wizl/ 2/ 7 - 8 1 ZX/ 3/ 1 1 ZYMersb/ 3 Dn 2,31 - 45 Gold houbet (V. 3) houbt (V. 4) eyne werlt, die was so schone | von golde (V. 2 f.) hoybet (V. 5) caput (Dn 2,32) Silber brust (V. 4) arme (V. 4) arm (V. 5) brust (V. 5) Diu ander [werlt] luter silber was | vil gar ân alle hone (V. 5 f.) arme (V. 7) brachia pectus (Dn 2,32) Eisen buch (V. 5) bein (V. 6) ein Teil der Arme und/ oder Brust (V. 5) Diu dritte [werlt] was sich ysenin, | die irsact yn zu deme troume. (V. 9 f.) brust (V. 8) corda (V. 14) tibiae (Dn 2,33) Stahl die (V. 5) ein Teil der Arme und/ oder Brust (V. 5) dee (V. 11) Kupfer So mac sie [= die werlt] nu wol kopfer syn (V. 11) buch (V. 10) venter femora (Dn 2,32) Ton füeze (V. 6) vötze (V. 13) Ton/ Eisen v ů ze (erdin und isenin) (V. 7) pedum (Dn 2,33) Staub regna orbis omnia (V. 12) nicht spezifisch bezeichnet Golt silber îsen | kopfer erde was sîn [= das bilde in V. 1] schîn (V. 6 f.) Tab. 1: Zuordnung der Materialien zu Statuenbestandteilen in Nebukadnezar-Strophen Abb. 1: Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 848, fol. 414 v - 415 r Rumelantkorpus in C, Einsatz des Minnesangteils 270 Anhang Anhang 271 Abb. 2: Paris, Bibliothèque Nationale de France, cod. fr. 24428, fol. 63 v La nature de lunicorne, drei Szenen des Leben Christi 272 Anhang Abb. 3: München, Bayrische Staatsbibliothek, cgm 4997, fol. 168 r Meisterliedstrophe in Frauenlobs Vergessenem Ton in k ( 1 Frau/ 7/ 503) Anhang 273 Abb. 4: München, Bayrische Staatsbibliothek, cgm 4997, fol. 776 r Geschwinder Ton in k (u. a. Rumelant von Sachsen zugeschrieben) 274 Anhang Register Anonymus 1 ZX/ 3/ 1 76, 79 f., 90, 95 Michel Beheim 1 Beh/ 1 152 1 Beh/ 69 152 Boppe 1 Bop/ 1/ 10 219 1 Bop/ 1/ 11 219 1 Bop/ 1/ 25 166 1 Bop/ 1/ 30 214 1 Bop/ 1/ 510 98 1 Bop/ 1/ 549 173 1 Bop/ 3/ 2 166, 176 f. Der von Buchein 1 Buch/ 3 196 Cantiones aus der Augsburger Cantionessammlung 1 ZYEstas/ 3 31, 204 ff., 208 ff., 224 1 ZYHeinrSc/ 1 214 1 ZYMersb/ 3 76, 84 ff., 94, 137, 224 1 ZYMersb/ 8 214 1 ZYTilo/ 6 98 Hermann Damen 1 Damen/ 2/ 4 31 1 Damen/ 3/ 1 152 1 Damen/ 3/ 2 219 1 Damen/ 3/ 6 182 1 Damen/ 4/ 1 152 1 Damen/ 4/ 2 219 1 Damen/ 4/ 8 152 1 Damen/ 5/ 1 65 1 Damen/ 5/ 2 66 1 Damen/ 5/ 3 66 Der Ehrenbote 1 Ehrb/ 1/ 502 82 1 Ehrb/ 2/ 4 172 Fegfeuer 1 Fegf/ 1/ 9 118 ff. Hans Folz 1 Folz/ 82 31 Frauenlob 1 Frau/ 2/ 10 116 1 Frau/ 2/ 11 165 1 Frau/ 2/ 18 66 1 Frau/ 2/ 19 66 1 Frau/ 2/ 20 66 1 Frau/ 2/ 21 66 1 Frau/ 2/ 22 66 1 Frau/ 2/ 23 66 1 Frau/ 2/ 34 189 1 Frau/ 2/ 43 189 1 Frau/ 2/ 55 167 1 Frau/ 2/ 100 172 1 Frau/ 2/ 113 182 1 Frau/ 2/ 518 216 1 Frau/ 2/ 526 219 1 Frau/ 4/ 5 159 1 Frau/ 4/ 7 159 1 Frau/ 4/ 107 159 1 Frau/ 7/ 101 152 1 Frau/ 7/ 503 103 f., 273 1 Frau/ 8/ 103 152 1 Frau/ 8/ 511 210 1 Frau/ 9/ 525 113 Friedrich von Sonnenburg 1 FriSo/ 1/ 42 57 Heinrich von Mügeln 1 HeiMü/ 236 182 1 HeiMü/ 237 182 1 HeiMü/ 238 182 Der Höllefeuer 1 Hölf/ 1 152 Der Junge Meißner 1 JungMei/ 2/ 1 157 Der Kanzler 1 Kanzl/ 4/ 1 199 1 Kanzl/ 4/ 2 199 1 Kanzl/ 4/ 3 199 Kelin 1 Kel/ 1/ 1 76, 80 f., 88, 94 f., 137 1 Kel/ 3/ 3 159 1 Kel/ 3/ 4 159 Konrad von Würzburg 1 KonrW/ 2/ 1 199 1 KonrW/ 3/ 1 199 1 KonrW/ 3/ 2 199 1 KonrW/ 3/ 3 199 1 KonrW/ 6/ 100 102 f., 216 1 KonrW/ 6/ 510 216 1 KonrW/ 7/ 1 219 1 KonrW/ 7/ 16 81 1 KonrW/ 7/ 20 188 1 KonrW/ 7/ 21 67 f., 170 1 KonrW/ 7/ 25 155, 199 1 KonrW/ 7/ 504 219 1 KonrW/ 10/ 3 159 Der Marner 1 Marn/ 1/ 1 200 1 Marn/ 3/ 3 175 1 Marn/ 4/ 2 57 1 Marn/ 6/ 3 219 1 Marn/ 6/ 6 177 1 Marn/ 6/ 14 157 1 Marn/ 6/ 502 159 1 Marn/ 7/ 11 76, 82 ff., 89, 94 f., 137 1 Marn/ 7/ 12 42 1 Marn/ 7/ 15 105, 177 1 Marn/ 7/ 18 196 1 Marn/ 7/ 506 216 1 Marn/ 7/ 513 219 1 Marn/ 7/ 543 218 f. Der Meißner 1 Mei/ 1/ 1 152 1 Mei/ 1/ 12 176 1 Mei/ 2/ 8 166 1 Mei/ 2/ 13 125 1 Mei/ 2/ 18 155, 180 f. 1 Mei/ 4/ 2 219 1 Mei/ 4/ 4 159 1 Mei/ 6/ 1 219 1 Mei/ 7/ 1 219 1 Mei/ 10/ 7 199 1 Mei/ 12/ 1 166, 177 1 Mei/ 12/ 2 166, 177 1 Mei/ 12/ 3 166, 177 1 Mei/ 12/ 4 166, 177 1 Mei/ 13/ 3 166, 178 ff. 1 Mei/ 17/ 11 157 1 Mei/ 20/ 1 166, 177, 188 1 Mei/ 20/ 2 166, 177, 188 Georg Morgenstern 2 Morg/ 1 113 Muskatblut 1 Musk/ 2/ 20 159 Konrad Nachtigall 1 NachtK/ 5/ 2 31 1 NachtK/ 6/ 1 216 Peter von Arberg 1 PeterA/ 1/ 2 216 Regenbogen 1 Rebg/ 1/ 511 159 1 Regb/ 1/ 540 113 1 Regb/ 4/ 525 101 f. 1 Regb/ 5/ 2 57 Reinmar der Fiedler 1 ReiFi/ 3/ 1 150 Reinmar von Brennenberg 1 ReiBr/ 509 216 Reinmar von Zweter 1 ReiZw/ 1/ 46 159 f., 162 f. 1 ReiZw/ 1/ 71 159, 162 1 ReiZw/ 1/ 72 157, 159, 162 1 ReiZw/ 1/ 73 160, 162 1 ReiZw/ 1/ 74 159 f., 162 f. 1 ReiZw/ 1/ 75 162 1 ReiZw/ 1/ 84 81 1 ReiZw/ 1/ 186 120 1 ReiZw/ 1/ 230 219 1 ReiZw/ 1/ 247 159, 162 1 ReiZw/ 1/ 250 176 Rum/ 10/ 1 9 Rumelant von Sachsen 1 Rum/ 1/ 1 30, 67, 145 f., 187 1 Rum/ 1/ 2 30, 145 f., 187 1 Rum/ 1/ 3 30, 145 f., 187 1 Rum/ 1/ 4 30, 145 f., 187 1 Rum/ 1/ 5 65, 145 f., 181, 187, 207, 218 1 Rum/ 1/ 6 152, 157 1 Rum/ 1/ 7 152, 154, 169 1 Rum/ 1/ 8 82, 152, 160 1 Rum/ 1/ 9 32, 56, 155, 183 f. 1 Rum/ 1/ 10 56, 58 ff. 1 Rum/ 1/ 11 56, 131, 187, 207, 209 ff., 218 f., 224 1 Rum/ 2/ 1 52 1 Rum/ 2/ 2 52 1 Rum/ 2/ 3 52, 183 1 Rum/ 2/ 4 152 1 Rum/ 2/ 5 30, 73, 131, 187 1 Rum/ 2/ 6 73, 187 1 Rum/ 2/ 7 73, 187 1 Rum/ 2/ 8 73, 157 1 Rum/ 2/ 9 131, 155 276 Register 1 Rum/ 2/ 10 73, 155 1 Rum/ 2/ 11 98 1 Rum/ 2/ 12 152 ff., 158 f. 1 Rum/ 2/ 13 152 f., 158, 189 f., 198 f., 202 f. 1 Rum/ 2/ 14 152 f. 1 Rum/ 2/ 15 152 f. 1 Rum/ 3/ 1 132 1 Rum/ 3/ 2 132, 135 1 Rum/ 3/ 3 57, 152, 166 ff., 173 1 Rum/ 3/ 4 170 1 Rum/ 3/ 5 167 f. 1 Rum/ 4/ 1 65, 76, 88, 90 ff., 132, 137 f., 187, 226 1 Rum/ 4/ 2 65, 76, 88, 91 ff., 132, 137 f., 187, 226 1 Rum/ 4/ 3 65, 76, 91 ff., 132, 137 f., 187, 226 1 Rum/ 4/ 4 32, 62 f., 67, 145, 165, 167 ff., 173 ff., 178, 187 1 Rum/ 4/ 5 32, 63, 67, 145, 165, 167 ff., 172 ff., 178, 183, 187 1 Rum/ 4/ 6 32, 63, 67, 165, 167 ff., 172 ff., 187 1 Rum/ 4/ 7 30, 32, 63, 155, 165, 167 ff., 173 ff., 180, 185, 187 1 Rum/ 4/ 8 30, 117 1 Rum/ 4/ 9 117 1 Rum/ 4/ 10 117 1 Rum/ 4/ 11 115 ff., 152 1 Rum/ 4/ 12 59 1 Rum/ 4/ 13 181 1 Rum/ 4/ 14 145, 152 1 Rum/ 4/ 15 30, 152, 187, 201 1 Rum/ 4/ 16 30, 187, 201 1 Rum/ 4/ 17 30, 187, 201 1 Rum/ 4/ 18 30, 32, 63, 145, 167 ff., 177, 186 ff., 224 1 Rum/ 4/ 19 187 1 Rum/ 4/ 20 125 1 Rum/ 4/ 21 63, 188 1 Rum/ 4/ 22 62 ff., 68 ff., 145, 168 1 Rum/ 4/ 23 63, 152, 160 1 Rum/ 4/ 24 134, 145, 152, 182 1 Rum/ 4/ 25 134, 182 1 Rum/ 4/ 26 145, 165, 167 f., 182 1 Rum/ 4/ 27 182 1 Rum/ 4/ 28 145 1 Rum/ 4/ 29 152 1 Rum/ 5/ 1 95, 97 ff., 105 f., 131, 138, 150 f., 207, 225, 227 1 Rum/ 5/ 2 30, 67, 73, 95, 97 ff., 105 f., 131, 138, 150, 175, 187, 207, 225, 227 1 Rum/ 5/ 3 30, 67, 73, 95, 97 ff., 105 f., 138, 150, 187, 207, 225, 227 1 Rum/ 5/ 4 95, 98 1 Rum/ 5/ 5 155, 190 1 Rum/ 5/ 6 131 1 Rum/ 5/ 7 152 1 Rum/ 5/ 8 152 ff. 1 Rum/ 6/ 1 135, 197 1 Rum/ 6/ 2 157 1 Rum/ 6/ 3 67, 177 1 Rum/ 6/ 4 196 1 Rum/ 6/ 5 152 f., 198 f., 202 1 Rum/ 6/ 6 30, 172 1 Rum/ 6/ 7 30 1 Rum/ 6/ 8 152 1 Rum/ 6/ 9 152 f., 156 ff., 161, 181, 189 1 Rum/ 6/ 10 59, 152 1 Rum/ 6/ 11 118 1 Rum/ 6/ 12 31 f., 69, 167 f., 209 1 Rum/ 7/ 1 151, 172, 181, 210 1 Rum/ 7/ 2 145 1 Rum/ 7/ 3 67 1 Rum/ 7/ 4 152 1 Rum/ 7/ 5 67, 82, 152 1 Rum/ 8/ 1 32, 145, 151, 160, 172, 210 1 Rum/ 8/ 2 31 f., 139, 145, 155, 165, 167 1 Rum/ 8/ 3 31 f., 120 ff., 125 ff., 130 f., 139, 145, 165, 167 1 Rum/ 8/ 4 120 ff., 125 ff., 130 f., 152 f., 157, 160 1 Rum/ 8/ 5 42, 134 1 Rum/ 8/ 6 42 f., 134, 152, 160 1 Rum/ 8/ 7 42, 134, 152, 155, 173 1 Rum/ 8/ 8 145 1 Rum/ 8/ 9 165, 167 1 Rum/ 8/ 10 152 f., 160 1 Rum/ 8/ 11 65 1 Rum/ 8/ 12 152 ff., 158 ff., 228 1 Rum/ 9/ 1 132 ff., 151, 226 1 Rum/ 9/ 2 132 ff., 226 1 Rum/ 9/ 3 132 ff., 155, 226 1 Rum/ 10/ 1 10, 46, 145 1 Rum/ 10/ 2 145 1 Rum/ 10/ 3 134, 152, 183 1 Rum/ 10/ 4 134, 152, 183 1 Rum/ 10/ 5 152, 183 1 Rum/ 11/ 1 30 ff., 110, 120 ff., 125 ff., 130 f., 139, 145, 165, 167, 209 Register 277 1 Rum/ 11/ 2 30 ff., 110, 120 ff., 125 ff., 130 f., 139, 145, 165, 167, 209 Minnelied XIII 30, 73, 187, 191 ff., 196 f., 202 f., 224 Minnelied XIV 30, 187, 191 ff., 202 f., 224 Minnelied XV 30, 187, 191 ff., 196 f., 202 f., 224 Rumelant von Sachsen in Frauenlobs Langem Ton 1 Frau/ 2/ 11 30, 167, 195 Rumslant in der Kolmarer Liederhandschrift 1 Rums/ 1 31, 215 ff., 226 1 Rums/ 2 216, 224, 226 1 Rums/ 3 216, 224, 226 Hans Sachs 2 S/ 515 76 2 S/ 1153 113 2 S/ 1318 76 2 S/ 3920 77 Der Schulmeister von Esslingen 1 Schulm/ 4/ 1 56 Sigeher 1 Sigeh/ 5/ 1 152 1 Sigeh/ 6/ 1 152 1 Sigeh/ 6/ 3 113 f., 116, 138 Singûf 1 Singuf/ 1 121 1 Singuf/ 2 121 1 Singuf/ 3 31 f., 110, 120 ff., 125 ff., 139, 145 1 Singuf/ 4 31 f., 110, 120 ff., 125 ff., 139 Spervogel 1 Sperv/ 5 117 1 Sperv/ 9 54 1 Sperv/ 14 54 1 Sperv/ 16 44 ff., 225 Spervogel-Anonymi 1 SpervA/ 1/ 11 45 1 SpervA/ 2/ 2 65 Johann Spreng 2 Spr/ 32 113 Daniel Steichelein 2 Stch/ 17 113 Suchensinn 1 Suchs/ 2 162 Der Unverzagte 1 Unv/ 2/ 1 67 Walther von Breisach 1 WaltBr/ 2/ 1 152 1 WaltBr/ 2/ 2 152 Walther von der Vogelweide 1 WaltV/ 7/ 8 76, 78 f., 82, 137 1 WaltV/ 7/ 9 78 1 WaltV/ 7/ 10 78 1 WaltV/ 8/ 2 52 f. 1 WaltV/ 8/ 14 52, 54, 182 1 WaltV/ 8/ 15 53 ff. 1 WaltV/ 8/ 18 51 1 WaltV/ 8/ 20 51, 54 f. 1 WaltV/ 9/ 3 152 1 WaltV/ 9/ 7 60 1 WaltV/ 9/ 12 156 1 WaltV/ 9/ 14 152 1 WaltV/ 14/ 1 152 1 WaltV/ 14/ 2 152 1 WaltV/ 14/ 11 64 1 WaltV/ 17/ 3 183 1 WaltV/ 22/ 3 50 Wartburgkrieg (Fürstenlob) 1 Wartb/ 1/ 1a,23 22, 182 1 Wartb/ 1/ 1b,22 22, 182 1 Wartb/ 1/ 1f,23 22 1 Wartb/ 1/ 2 65 1 Wartb/ 1/ 3 57 1 Wartb/ 1/ 100 128 f. Wartburgkrieg (Schwarzer Ton) 1 Wartb/ 2/ 1 129, 189 1 Wartb/ 2/ 2 129 1 Wartb/ 2/ 100 129 Wernher (Bruder Wernher) 1 Wern/ 1/ 6 47 ff. 1 Wern/ 1/ 8 117 1 Wern/ 1/ 18 159 Otmar Wetter 2 Weter/ 1 77 Der Wilde Alexander 1 Alex/ 1 191 1 Alex/ 2 191 1 Alex/ 3 191 Wizlav von Rügen 1 Wizl/ 1/ 1 152 1 Wizl/ 2/ 7 76, 87 ff., 94 f., 137 1 Wizl/ 2/ 8 76, 87 ff., 94 f., 137 Wolfram von Eschenbach 1 Wolfr/ 2/ 1 222 1 Wolfr/ 2/ 2 222 1 Wolfr/ 4/ 2 222 Zilies von Sayn 1 Zil/ 2/ 1 82 278 Register Bibliotheca Germanica Handbücher, Texte und Monographien aus dem Gebiete der germanischen Philologie herausgegeben von Udo Friedrich, Susanne Köbele und Henrike Manuwald Die Buchreihe Bibliotheca Germanica wurde im Jahre 1951 von Friedrich Maurer, Heinz Rupp und Max Wehrli im Francke-Verlag Bern (jetzt: Tübingen) begründet. Seither versammelt die Bibliotheca Germanica Arbeiten der germanistisch-mediävistischen Grundlagenforschung in Texteditionen, materialerschließenden Monographien und textanalytisch-kulturhistorischen Studien. In enger Verbindung von Überlieferungsgeschichte, Textphilologie, kulturwissenschaftlicher Theoriebildung und komparatistischen Interessen vermitteln die in der Bibliotheca Germanica erscheinenden Arbeiten innovative Einsichten in die Textentstehungsprozesse, die Typenspezifik und die poetologischen Besonderheiten der deutschen Literatur der Vormoderne. Aktuelle Bände: http: / / www.narr-shop.de/ reihen/ b/ bibliothecagermanica.html 45 André Schnyder Das geistliche Tagelied des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit Textsammlung, Kommentar und Umrisse einer Gattungsgeschichte 2004, XIV, 832 Seiten €[D] 124,- ISBN 978-3-7720-2036-0 46 Jörg Seelhorst Autoreferentialität und Transformation Zur Funktion mystischen Sprechens bei Mechthild von Magdeburg, Meister Eckhart und Heinrich Seuse 2003, 410 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-7720-2037-7 47 Michael Stolz Artes-liberales-Zyklen Formationen des Wissens im Mittelalter (2 Bände) 2003, XX, 992 Seiten €[D] 248,- ISBN 978-3-7720-2038-4 48 Bruno Quast Vom Kult zur Kunst Öffnungen des rituellen Textes in Mittelalter und Früher Neuzeit 2003, 237 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-7720-8019-7 49 Sandra Linden Kundschafter der Kommunikation Modelle höfischer Kommunikation im ‹Frauendienst› Ulrichs von Lichtenstein 2004, X, 451 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8045-6 50 Andreas Kraß Geschriebene Kleider Höfisches Identität als literarisches Spiel 2006, X, 421 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-7720-8129-3 51 Annette Gerok-Reiter Individualität Studien zu einem umstrittenen Phänomen mittelhochdeutscher Epik 2006, X, 350 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-7720-8169-9 52 Henrike Manuwald Medialer Dialog Die «Große Bilderhandschrift» des Willehalm Wolframs von Eschenbach und ihre Kontexte 2008, X, 638 Seiten €[D] 148,- ISBN 978-3-7720-8260-3 53 Justin Vollmann Das Ideal des irrenden Lesers Ein Wegweiser durch die ‹Krone› Heinrichs von dem Türlin 2008, X, 272 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-7720-8311-2 54 Bernd Bastert Helden als Heilige Chanson de geste-Rezeption im deutschsprachigen Raum 2010, X, 492 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8356-3 55 Balázs J. Nemes Von der Schrift zum Buch - vom Ich zum Autor Zur Text- und Autorkonstitution in Überlieferung und Rezeption des ‹Fließenden Lichts der Gottheit› Mechthilds von Magdeburg 2010, X, 555 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-7720-8362-4 56 Tanja Mattern Literatur der Zisterzienserinnen Edition und Untersuchung einer Wienhäuser Legendenhandschrift 2011, X, 446 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-7720-8375-4 57 Rachel Raumann Fictio und historia in den Artusromanen Hartmanns von Aue und im «Prosa-Lancelot» 2010, X, 330 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8376-1 58 Christiane Krusenbaum-Verheugen Figuren der Referenz Untersuchungen zu Überlieferung und Komposition der ‹Gottesfreundliteratur› in der Straßburger Johanniterkomturei zum ‹Grünen Wörth› 2013, X, 685 Seiten €[D] 128,- ISBN 978-3-7720-8476-8 59 Stefan Matter Reden von der Minne Untersuchungen zu Spielformen literarischer Bildung zwischen verbaler und visueller Vergegenwärtigung anhand von Minnereden und Minnebildern des deutschsprachigen Spätmittelalters 2013, XII, 569 Seiten, 48 Farbtafeln €[D] 128,- ISBN 978-3-7720-8477-5 60 Astrid Lembke Dämonische Allianzen Jüdische Mahrtenehenerzählungen der europäischen Vormoderne 2013, 400 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8498-0 61 Coralie Rippl Erzählen als Argumentationsspiel Heinrich Kaufringers Fallkonstruktionen zwischen Rhetorik, Recht und literarischer Stofftradition 2014, XII, 390 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8528-4 62 Anna Kathrin Bleuler Essen - Trinken - Liebe Kultursemiotische Untersuchung zur Poetik des Alimentären in Wolframs ‹Parzival› 2016, X, 351 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-7720-8541-3 63 Hans Rudolf Velten Scurrilitas Das Lachen, die Komik und der Körper in Literatur und Kultur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit 2017, 538 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-7720-8541-3 64 Susanne Bernhardt Figur im Vollzug Narrative Strukturen im religiösen Selbstentwurf der ‹Vita› Heinrich Seuses 2016, 330 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8543-7 65 Cordula Kropik Gemachte Welten Form und Sinn im höfischen Roman 2018, 380 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8559-8 66 Daniel Eder Der Natureingang im Minnesang Studien zur Register- und Kulturpoetik der höfischen Liebeskanzone 2016, 458 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8592-5 67 Henrike Manuwald Jesus und das Landrecht Zur Realitätsreferenz bibelepischen Erzählens in Hoch- und Spätmittelalter 2018, 469 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-7720-8593-2 68 Margit Dahm-Kruse Versnovellen im Kontext Formen der Retextualisierung in kleinepischen Sammelhandschriften 2018, 392 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8646-5 69 Ramona Raab Transformationen des dû im Text Predigten Meister Eckharts und ihr impliziter Adressat 2018, 182 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-7720-8633-5 70 Thomas Poser Raum in Bewegung Mythische Logik und räumliche Ordnung im ›Erec‹ und im ›Lanzelet‹ 2018, 238 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8645-8 71 Bent Gebert Wettkampfkulturen Erzählformen der Pluralisierung in der deutschen Literatur des Mittelalters 2019, 510 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-7720-8653-3 72 Linus Möllenbrink Person und Artefakt Zur Figurenkonzeption im ›Tristan‹ Gottfrieds von Straßburg 2020, 514 Seiten €[D] 108,- ISBN 978-3-7720-8707-3 73 Verena Spohn Vom Du erzählen Die Du-Anrede als narrative Strategie in volkssprachlichen religiösen Texten des späten Mittelalters noch nicht erschienen 74 Hannah Rieger Die Kunst der ›schönen Worte‹ Füchsische Rede- und Erzählstrategien im Reynke de Vos (1498) 2021 ca. 282 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8736-3 75 Eva Locher Kohärenz und Mehrdeutigkeit Vergleichende Fallstudien zur Poetik der Sangspruchdichtung Rumelants von Sachsen 2021, 278 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8752-3 76 Laura Velte Sepulkralsemiotik Grabmal und Grabinschrift in der europäischen Literatur des Mittelalters 2021, 264 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-7720-8753-0 In Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk Rumelants von Sachsen wird eine differenzierte Autorpoetik des Dichters im ausgehenden 13. Jahrhundert gezeichnet. Darüber hinaus werden durch synchrone und diachrone Vergleiche mit anderen Sangspruch-Autoren gattungstypische Merkmale poetischer Rede aufgezeigt. Im Mittelpunkt steht das asymmetrische Begriffspaar Kohärenz und Mehrdeutigkeit: Modellanalysen zeigen, wie sich die Strophen in einem Spannungsfeld von einerseits auf unmittelbare Verstehbarkeit zielenden Sprechakten und andererseits artifizieller Sinnpluralisierung verorten lassen. Dabei wird deutlich, wie Mehrdeutigkeit Kohärenz herstellen, aber auch stören kann. Untersucht werden Prozesse der Kohärenzbildung auf Produktions- und Rezeptionsseite mit Blick auf die Frage der Texteinheit in einem Geflecht von Produktion, gesungener Aufführung, Verschriftlichung und Rezeption. ISBN 978-3-7720-8752-3