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Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft

2003
978-3-8233-0279-7
Gunter Narr Verlag 
Eugenio Coseriu
Reinhard Meisterfeld

Coserius umfassendes Werk schreibt die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft als historische Identifizierung der Probleme. Dabei wird das gesamte Spektrum jener Fragen zu den Sprachen der Romania behandelt, die zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Weise und mit unterschiedlichem Erfolg gestellt und beantwortet wurden.

Der zweite Band von Coserius Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft umfasst die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Es entstehen die ersten nationalen Grammatiken in Spanien, Portugal, Italien und Frankreich, aber auch zahlreiche Traktate über die ideale Rechtschreibung und über Phonetik. Auch die ersten zweisprachigen Wörterbücher Latein-Romanisch erscheinen. Vor allem werden in England, Flandern und Deutschland Lehrbücher des Französischen, Spanischen und Italienischen geschrieben. Überlegungen zur Herkunft der romanischen Nationalsprachen begründen die Sprachgeschichte der Frühen Neuzeit. ISBN 978-3-8233-4642-5 GESCHICHTE DER ROMANISCHEN SPRACHWISSENSCHAF T Band 2 Eugenio Coseriu GESCHICHTE DER ROMANISCHEN SPRACHWISSENSCHAF T Eugenio Coseriu, Reinhard Meisterfeld 1 Von den Anfängen bis 1492 14641_Umschlag.indd 3 14641_Umschlag.indd 3 27.03.2020 15: 47: 43 27.03.2020 15: 47: 43 Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft Band 1: Von den Anfängen bis 1492 Band 2: Von Nebrija bis Celso Cittadini Band 3: Von 1601-1818 Band 4: Von 1818 bis Wilhelm Meyer-Lübke 1 Eugenio Coseriu / Reinhard Meisterfeld Geschichte der rom.anischen Sprachwissenschaft 1 Von den Anfängen bis 1492 - ~ Gunter Narr Verlag Tübingen Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ~ © 2003 • Gunter Narr Verlag Tübingen Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E•Mail: info@narr.de Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 3-8233-4641-5 (geb.) ISBN 3-8233-4631-8 (kt.) Inhalt Vorwort ............ ...... ............ .. .................. .... .................. ........... ....... ........... VII 1 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft Lage und Aufgabe ...... .... ... .. .. .. .. .. ... .. ... .. .. . .. .... .. ..... .... .. ............ 1 1.1 Die Geschichte der Sprachwissenschaft und ihr Sinn .................... 1 1.2 Die Lage in der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft 5 1.3 Die Periodengliederung in der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft .......... ......... .......... ... .. .. ........... .......... ....... ... ..... 7 1.4 Bibliographie zu Kapitel 1 ............................................................. 13 2 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania ........................................................................... 19 2.1 Die frühesten Beschreibungen des Okzitanischen ......................... 19 2.2 Die Grammatik der Leys d'Amors ................................................. 31 2.3 Die altfranzösischen Donatübersetzungen .......... ........... .......... ...... 50 2.4 Die Anfänge der französischen Lexikographie ................. ............. 53 2.4.1 Das lateinische Erbe .................................................... ...... .. ............ 53 2.4.2 Glossare mit französischem Anteil ................................... .... ......... 59 2.4.3 Die ersten lateinisch-französischen Schulwörterbücher: Abavus maior, Aalma und der Dictionarius von Firmin Le Ver ................ 63 2.4.4 Die ältesten Glossare mit französischen Ausgangslemmata ..... ..... 73 2.4.5 Das bretonisch-französisch-,lateinische Wörterbuch von Jean Lagadeuc ................................................................................ 82 2.5 Die Anfänge der okzitanischen Lexikographie .............................. 86 2.5.1 Okzitanische Glossen in einer Summa grammaticalis ................... 86 2.5.2 Die Verblisten und das Rimarium aus dem Donatz Proensals ...... 88 2.5.3 Das okzitanisch-italienische Glossar aus der Laurentiana-Handschrift ........ .. ................ ... ........ .. ..... ... .... .. .. ....... .. 92 2.5.4 Derivator, Floretus und Glossarium ............................................. 95 2.6 Bibliographie zu Kapitel 2 ............................................................. 99 3 Die Anfänge in Italien: Dante .................. ... .. .... .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. 117 3 .1 Die Bedeutung Dantes für die romanische Sprachwissenschaft .... 117 3.2 Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia ........................................... 124 3.3 Bibliographie zu Kapitel 3 ............................................................. 142 Inhalt VI 4 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus .. .. .. . .. ....... .. .. .. ... .. . .. . .. .. .. ..... .. .. . .. .. ... 149 4.1 Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins .... 149 4.2 Andere Beiträge in den Texten der Humanisten .. .. ......... ......... ...... 172 4.3 Bartolomeo Benvoglienti ............................................................... 182 4.4 Die erste italienische Grammatik ........... .. . .. ........ ..... .... ...... ............ 192 4.5 Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien .............. 201 4.5.1 Die ersten Spuren des Volgare in der lateinischen Lexikographie Italiens .................................................................... 201 4.5.2 Die ersten lateinisch-italienischen Glossare ............................ ~ ...... 203 4.5.3 Thematisch und alphabetisch geordnete Lemglossare ................... 204 4.5.4 Italienisch-neufremdsprachliche (nichtromanische) Glossare und Lehrwerke ....................... ................... .. ....... ............... .......... .. . 210 4.5.5 Glossare philologischer Intention ohne Bezug auf das Lateinische ............... .. ......................... .. .. ....................................... 219 4.6 Bibliographie zu Kapitel 4 ............................................................. 225 5 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern ...................................................................... 238 5.1 Die Arte de trovar des Grafen von Villena .................................... 238 5.2 Die Anfänge der Lexikographie auf der Iberischen Halbinsel ....... 248 5.2.1 Die ersten Glossare mit katalanischen Elementen ......................... 248 5.2.2 Die ältesten Glossare mit spanischen Anteilen .............................. 251 5.2.3 Das erste lateinisch-portugiesische Glossar ................................... 255 5.3 Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs ........ 257 5.3.1 Das Zeugnis Roger Bacons ............................................................ 257 5.3.2 Das Livre des Mestiers und seine Folgetexte ................................. 260 5.3.3 Die Orthographia gallica und der Tractatus ortographie gallicane ......... ... . .. ......... .. .............. ............ ... ...... ..... ........... ...... ...... 268 5.3.4 Die älteste englische Maniere de langage ..................................... 274 5.3.5 Die älteste französische Grammatik .............................................. 278 5.3.6 Die Anfänge der französischen Lexikographie in England ........... 283 5.4 Bibliographie zu Kapitel 5 ............................................................. 295 6 Zusammenfassung ................................................................... 307 Register ... ... .. .. .. . .. ..... .. .. .. ...... .. .. .. .. ... .. . ... .. .. .. ... .. .. ... ... .. .. .. .. .. ...... .. .. ... .... 310 Index der historischen Werke .. .. ..... ........ .................. ...... ... .... ...... .. .. .. ....... 310 Index der historischen Namen .................................................................. 319 Sachindex .. ... .. ............ ................. ............... ....... ........... .... ......... ... ......... ... 324 Wortregister .............................................................................................. 342 Index wissenschaftlicher Autoren ............ .. ...... .......... ............. ............. ..... 360 Vorwort Unter den vielen unveröffentlichten Manuskripten Eugenio Coserius haben seine Vorlesungstexte nach Umfang, Kohärenz und Grad der Elaboration einen besonderen Rang. Die Sorgfalt ihrer Niederschrift weist darauf hin, daß sie von Anfang an für eine spätere Veröffentlichung vorgesehen waren. Auf Grund der Vielzahl seiner Verpflichtungen, die er bis hinein in sein letztes von schwerer Krankheit gezeichnetes Lebensjahr auf sich nahm, war es ihrem Verfasser nicht mehr vergönnt, diese Absicht zu verwirklichen. Eine ganze Anzahl der Vorlesungen Coserius, die man zweifellos als sachlich und methodisch exemplarisch bezeichnen darf, sind allerdings durch Nachschriften über den Kreis der Hörei: seiner akademischen Lehre hinaus bekannt geworden, jedoch bei weitem nicht alle. Es war das Bedauern über die Unzugänglichkeit seiner „Werke des Hörensagens", die Coserius Schüler Brigitte Schlieben-Lange und Johannes Kabatek dazu bewog, die Deutsche Forschungsgemeinschaft um Beihilfe zur Verwirklichung eines zweifachen Plans zu bitten, nämlich ein Archiv der Handschriften Eugenio Coserius einzurichten und erste Texte daraus für die Publikation vorzubereiten. Mehrere Gesichtspunkte sprachen dafür, nach der Bewilligung eines entsprechenden Projekts zunächst den ersten Teil der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft zur Veröffentlichung zu bringen, darunter vor allem der folgende: Es handelt sich um die Rolle, welche die Geschichte der Kulturwissenschaften in der Prinzipienlehre Eugenio Coserius einnimmt. Denn das „Prinzip der Tradition" enthält für Coseriu nicht nur die ethische Verpflichtung, jede Forschung stets auf der Grundlage des schon überlieferten Wissens zu unternehmen, sondern es betrifft die Konstitution der Erkenntnis in den Geisteswissenschaften selbst. Das Wesen des Wissens von der Kultur besteht für ihn nämlich recht eigentlich in ihrer Geschichte, eine Auffassung, die er im abendländischen Denken mehrfach begründet findet, vor allem bei Hegel, aber auch bei Vico, Croce, Windelband und einigen anderen. Coserius umfangreiche Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft (die er selbst immer noch eine „Skizze" nennt) beruht auf seinen Niederschriften zu einer Folge von sechs Vorlesungen, die er zwischen 1970 und 1976 an der Universität Tübingen gehalten hat. Die betailtiefe dieser Texte nimmt mit dem chronologischen Fortgang ständig zu. So sehr-dies in der Sache selbst begründet ist (nämlich durch den bescheideneren Aufschluß der spärlichen frühen Belege selbst), so scheint der Verfasser doch auch im Laufe der Arbeit zu einer weit ausführlicheren Beschreibungsweise gelangt zu sein, als er sie in einer ersten Phase beabsichtigt hatte. Die Entwicklung des Basistexts für die Herausgabe des ersten Bandes folgte daher sowohl dem VIII Vorwort Bestreben, allen historischen Sektionen einen in etwa analogen Raum zu gewähren (wodurch das Wenige aus alter Zeit sorgsamer philologisch untersucht werden konnte), als auch der Absicht, die zahlreichen Ergebnisse der neueren Forschung zur sprachlichen Kulturgeschichte des Mittelalters zu integrieren. Die vorgenommenen Ergänzungen sind technischer, explizierender oder substanzieller Art. Zu substanziellen Einfügungen kam es unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen wurden manche erst nach der Entstehung des Manuskripts neu aufgefundene oder ins Licht gerückte Zeugnisse einbezogen; zum anderen wurden um eines möglichst lückenlosen Überblicks willen auch einige sekundäre Fakten mit geringerem Wissensertrag berücksichtigt (etwa im Bereich der Lexikographie). So entstand in lockerem Dialog mit dem Verfasser aus seiner Handschrift von 89 Halbseiten zum ersten Zeitraum der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft der vorliegende Band. 1 Eugenio Coseriu ist indes am 7. September 2002 von uns gegangen und hat das fertige Buch nur in einer vorläufigen Fassung noch gesehen. Das Erscheinen dieses Bandes hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft durch ihre Förderung des Projekts Eugenio Coseriu ermöglicht, wofür ihr aufrichtig Dank gesagt sei. Dank gilt auch den Leitern des Projekts, Frau Prof. Dr. Brigitte Schlieben~Lange, die im Jahre 2000 viel zu früh aus dem Kreise ihrer Kollegen, Freunde und Schüler schied, Prof. Dr. Peter Koch, der diese Aufgabe danach trotz der Vielzahl seiner übrigen Pflichten gern übernahm und Prof. Dr. Johannes Kabatek, der als eigentlicher Anreger und Veranlasser der Herausgabe des unveröffentlichten Werks Eugenio Coserius betrachtet werden kann. Dankbar gedenken wir aber nicht zuletzt Eugenio Coserius selbst, der seine Manuskripte, sein Archiv und seine Bibliothek zu Verfügung stellte und die Arbeit anregend und kritisch begleitete. Der freundlichen Hilfe und Unterstützung durch fast alle Mitarbeiter des Romanischen Seminars der Universität Tübingen bin ich mir in dankbarer Anerkennung bewußt. Besonders erwähnt sei der freundschaftliche Rat Klaus Böckles, der aus seinem reichen philologischen Wissen und dem Forschungsvermächtnis seines Lehrers Hans Helmut Christmann wertvolle Hinweise gab. Für die Formatierung des Textes, besonders aber für die sachkundige Erstellung der fünf Register sei Christina Bischoff herzlich gedankt. Mit Dankbarkeit genannt seien schließlich die (durchaus selbständigen) wissenschaftlichen Hilfskräfte Caterina De Bortoli, Ralf Hinderer, Franziska Küenzlen, Carolina L6pez, Uwe Reutter und Angela Zabulicä, die in verschiedenen Phasen an der Entstehung des Buches mitwirkten. R.M. 1 Zu Einzelheiten des Verfahrens bei der Elaboration des Textes vgl. Reinhard Meisterfeld, "Eugenio Coseriu und die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft'', in: Adolfo Murguia (Hg.), Sprache und Welt. Festgabe für Eugenio Coseriu zum 80. Geburtstag, Tübingen 2002, S. 141-165, wo sich auch ein Beispiel der Gegenüberstellung von Handschriftenfaksimile und entsprechendem Elaborationstext findet. 1 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft Lage und Aufgabe 1.1 Die Geschichte der Sprachwissenschaft und ihr Sinn Die Geschichte der Sprachwissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten ein ungewöhnlich großes Interesse gefunden. Es hat eine Fülle unterschiedlicher Einzeluntersuchungen gegeben, auch eine ganze Reihe von Gesamtdarstellungen; ferner Tagungen und Kongresse, und es sind sogar diesbezügliche Organisationen und thematische Zeitschriften entstanden. 1 Da die Entwicklung der modernen Linguistik aber gerade von bewußten theoretischen und methodischen Brüchen und Innovationen geprägt war, könnte dieses historische Interesse auf den ersten Blick überraschend erscheinen. Doch handelte es sich in Wirklichkeit um eine kohärente Reaktion auf die „ruckartigen" Revolutionen, welche das Band der fachlichen Tradition hatten reißen lassen, die friedliche Weitergabe von Ideen und Entdeckungen unterbrochen und Begriffe und Methoden, die schon bestätigt und gesichert schienen, dem Vergessen anheimgegeben hatten. Hierzu gesellte sich das zumindest intuitive Geschichtsbedürfnis der „familienlosen Revolutionäre" selbst, die sich auf die Suche nach Vorfahren machten, um nicht gänzlich ohne Stammbaum dazustehen. Das große Interesse an der Geschichte der Sprachwissenschaft wurde indes oft von geringen oder schwach fundierten historischen Kenntnissen getragen. Ganze Epochen der Wissenschaftsgeschichte waren vielen Linguisten nahezu unbekannt, und die Wiederaufnahme des Kontaktes mit der Tradition erfolgte nicht selten über eine naive Wiederentdeckung dessen, was anderen gut bekannt war, und womit frühere Gelehrte ohne weiteres vertraut waren. So fand man völlig verkehrte Interpretationen historischer Gedanken,2 gewisse Begriffe wurden bestimmten Linguisten zugeschrieben, welche sie jedoch einfach aus der Tradition übernommen hatten, spätere Auffassungen wurden mit früheren gleichgesetzt usf. Und ganze Geschichten der Sprachwissenschaft wurden von Autoren veröffentlicht, die zu glauben schienen, das Wichtige in dieser Geschichte falle mit ihrer zufälligen Information zu- 1 Zu den Einzelheiten vergleiche man die Bibliographie am Ende dieses Kapitels. 2 So z.B. bei Noam Chomsky, Cartesian Linguistics. A chapter in the history of rational thought, New York 1966. 2 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft. Lage und Aufgabe sammen. 3 So zeugte die Fülle der Arbeiten zur Geschichte der Sprachwissenschaft meist eher von fehlendem als von fundiertem historischem Wissen. Zudem wurde in Unkenntnis der wissenschaftsgeschichtlichen Tradition oft angenommen, die Geschichtsschreibung der Sprachwissenschaft habe erst in jüngster Zeit begonnen. 4 Und für die Theorie dieser Historie wurden oft anspruchsvolle Modelle von völlig unerfahrenen, aber gleichwohl anmaßenden Anfängern entwickelt. Ein deutscher Altphilologe hat einmal in einem anderen Zusammenhang gesagt: "Wer von der Sache nichts versteht, schreibt über Methode", und ich glaube, daß man dies mutatis mutandis in vielen Fällen ohne übermäßigen Pessimismus und allzugroße Übertreibung auf die Linguistik übertragen darf: Wer von der Sprachwissenschaft nichts weiß, schreibt über ihre Geschichte, und wer von der Geschichte der Sprachwissenschaft nichts weiß, schreibt über die Methode der Geschichtsschreibung und bestimmt, wie diese ideale, aber leider noch völlig fehlende Historie eigentlich aussehen sollte. 5 Wertvolle Beiträge zur Geschichte der Linguistik und ihrer Theorie sind dagegen oft gerade außerhalb des Leitstromes der linguistischen Historiographie in Aufsätzen zu partiellen Aspekten, in einleitenden Übersichten zu Faktenbereichen, in Rezensionen u.ä. zu finden. Andererseits stießen die Versuche, über die Geschichte der Sprachwissenschaft wieder ein Band an die Tradition zu knüpfen, auch auf ablehnende Reaktionen. Diese reichten von der abfälligen Erwähnung der „Jagd nach den Vorläufern", "nach dem, der das zuerst gesagt hat" bis hin zur Anklage des Antihistorismus gegen die Wissenschaftshistoriker, weil sie einheitliche Konzeptionen zerschnitten, Begriffe miteinander identifizierten, die in grundverschiedenen historischen Zusammenhängen entstanden seien, indem sie zum Beispiel „partielle Einflüsse" annähmen und damit gegen die Regel 3 Z.B. Milka Ivic, Pravci u linguistici, Laibach 1963, e. Ü.: Trends in / inguistics, London den Ha! ! g - Paris 1965, dt. Ü.: Wege der Sprachwissenschaft, München 1971; ebenso Georges Mounin, Histoire de / a / inguistique des origines au AXe siecle, Paris 1967, 4 1985. 4 So hat sich Hans Helmut Christmann (1929-1995), ein guter Kenner und verdienter Erforscher der Geschichte der Sprachwissenschaft, einmal zu seiner Verblüffung in die Rolle seines eigenen Vorläufers versetzt gesehen: "De fa~on que les gens qui l'ont pratiquee avant se sentent un peu etre les precurseurs d'eux memes, ce qui est plutöt bizarre". (Hans Helmut Christmann, "Quelques remarques sur l'histoire de la linguistique", in: Dieter Kremer (Hg.), Actes du XVI/ Je Congres International de Linguistique et de Philologie Romanes, Universite de Treves (Trier) 1986, 7 Bdd., Tübingen 1988-1992, Bd. 7, Tübingen 1989, S. 11-15, hier S. 11 [und schon vorher in Historiographia Linguistica 14 (1987), S. 235-241, hier S. 235]). 5 Auch Christmann lehnt in dem angeführten Beitrag solchen unangebrachten Dogmatismus ab. Außerdem bemerkt er zu Recht, daß die Erforscher der linguistischen Wissenschaftsgeschichte ebenso wie die Theoretiker dieser Geschichtsschreibung zunächst einmal durch eigene linguistische Analysen ausgewiesen sein sollten. Die Geschichte der Sprachwissenschaft und ihr Sinn 3 verstießen, nach der (wer weiß warum) jeder Einfluß eines Gedankens auf einen anderen identische Sichtweisen voraussetzen müßte. In manchen Aspekten hat es nun in den letzten Jahren durchaus Aufhellungen in diesem kritischen Bild gegeben, das wir von dem neuen historischen Selbstbewußtsein der Sprachwissenschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezeichnet haben: Es wurden zahlreiche Einzelfakten neu oder wieder entdeckt und vieles schon Bekannte konnte seinen Zusammenhängen zugeordnet werden. Noch immer aber wird in der Geschichte der Sprachwissenschaft vieles nur partiell oder isoliert betrachtet. Vor allem jedoch pflegt die aktuelle linguistische Forschung ihre Wissenschaftsgeschichte den daran interessierten Spezialisten zu überlassen und ist sich ihrer eigenen historischen Grundlagen noch viel zu wenig bewußt. Die historische Perspektive ist aber nach unserer Auffassung in wissenschaftlicher Hinsicht absolut notwendig für das Verständnis der Fragestellungen innerhalb jeder Disziplin. Denn die Fragestellungen einer Wissenschaft stehen nicht in einem leeren Raum. Sie sind nicht absolut, und sie sind nicht unzeitlich. Vielmehr entspricht jede Fragestellung einer geschichtlichen Situation und kann nur im Rahmen dieser und von dieser her richtig verstanden werden. Jede Fragestellung übernimmt im ganzen oder teilweise andere Fragestellungen, stellt sich anderen Fragestellungen gegenüber, lehnt andere Fragestellungen explizit oder implizit ab. In dieser Hinsicht ist die Geschichte eines jeden Gegenstandes Kontinuität und Anderung zugleich, d.h. Entwicklung. Was nur Kontinuität (als Beständigkeit) oder nur Änderung aufweist, hat keine Geschichte.6 Was nun die „Jagd nach den Vorläufern" angeht,7 so ist sie sinnlos sicherlich aus der Sicht der pragmatischen Geschichte, das heißt, wenn man sich auf das beziehen will, was sich im Verlauf der Entwicklung einer Disziplin als wirksam und bestimmend erwiesen hat. In der Tat ist die Entwicklung der Sprachwissenschaft in unserem Jahrhundert von Saussure bestimmt worden und nicht von Georg von der Gabelentz, der vor Saussure großenteils die gleichen Gedanken vertreten hat. Ebenso ist Ascolis Substrattheorie historisch bestimmend gewesen und nicht die seiner eventuellen Vorläufer, was schon daraus erhellt, daß man die letzteren erst ermitteln muß. Aus dieser Sicht heraus ist es denn auch nicht falsch, von den „Saussureschen" Unterscheidungen zu sprechen, obgleich die meisten clieser Unterscheidungen 6 Dies schließt keinen absoluten historischen Relativismus ein. Man stellt die Fragen zwar in einer bestimmten historischen Situation. Man stellt sie jedoch jeweils zum Universellen, zum Allgemeingültigen hin, und gewisse Ergebnisse gelten stets als endgültig gewonnen. 7 Wir nehmen hier einige Bemerkungen zu der „Vorläuferdiskussion" auf, die wir schon im Jahre 1979 anläßlich des 150. Geburtstages von Graziadio Isaia Ascoli vorgetragen haben: Eugenio Coseriu, "Gli 'antenati' di Ascoli", in: G.I. Ascoli, Attualita de/ suo pensiero a 150 anni dal/ a nascita, Florenz 1986 (= Atti de/ XIII lncontro Culturale Mitteleuropeo, Gorizia, 24-25 novembre 1979), S. 21-36. 4 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft. Lage und Aufgabe älter sind als Saussure und der Cours de linguistique generale, oder von der Substrattheorie als einer „Theorie Ascolis". Und in diesem Fall kann eine sinnvolle Untersuchung nur die wirklichen Vorläufer betreffen und nur in bezug auf die individuelle Lebensgeschichte der betreffenden Personen, insofern Persönlichkeiten wie die Ascolis und Saussures durch ihren außergewöhnlichen menschlichen und wissenschaftlichen Rang zweifellos dieses „biographische" Interesse verdienen. Gleichwohl ist es auch in diesem Fall nicht notwendig, daß die Ideen und Begriffe der Gelehrten, deren intellektuelle Biographie man schreibt, identisch mit denen ihrer Vorgänger sind. Im Gegenteil: jede Idee, die von einem denkmächtigen Geist aufgenommen wird, ist alsbald nicht mehr die gleiche. Und die absolute Identität der Begriffe ist entweder Plagiat oder Schulwissen, d.h. eben ein Fehlen von Ideen. Aber der eigentliche Sinn der Suche nach den Vorläufern ist ein ganz anderer. Es handelt sich nämlich nicht um die einzelnen Wissenschaftler, sondern um die ideelle Geschichte der Wissenschaft selbst, um die historische Identifizierung der Probleme der Disziplin, um Fragen, die zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Weise und mit unterschiedlichem Erfolg gestellt und gelöst wurden. Und unter diesem Gesichtspunkt ist es überhaupt nicht notwendig, daß für jeden. Einzelaspekt eine historisch-biographische Verbindung zwischen den „Vorläufern" und, sagen wir, Saussure besteht: die Verbindung wird oft durch die Wiederentdeckung oder durch das Aufwerfen des Problems selbst dargestellt, was übrigens ein Hinweis auf die „Realität" des betreffenden Problems ist. 8 Als Beitrag zu einem solchen ideellen Entwicklungsgang möchten wir die folgenden Ausführungen zur Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft denn auch verstehen. 8 Die deutsche Sprache verfügt über die sinnvolle Unterscheidung zwischen dem (ideengeschichtlichen) "Vorläufer" und dem (unmittelbar biographischen) "Wegbereiter". 1.2 Die Lage in der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft Für die meisten Romanisten fängt die romanische Sprachwissenschaft erst mit Friedrich.Diez (1794-1876) an, der als ihr eigentlicher Begründer gilt, genauer gesagt, mit dem Erscheinen seiner dreibändigen Grammatik der romanischen Sprachen, Bonn 1836-1843. Alles Vorausgehende gilt entsprechend als „Vorgeschichte". 9 Diese Vorgeschichte war freilich gerade in Deutschland nicht völlig unbeachtet geblieben: Der beste Überblick über die ältere romanische Sprachwissenschaft findet sich nämlich in Gustav Gröbers Grundriss der romanischen Philologie. 10 Auch der bekannte Bonner Romanist Harri Meier hat sich ausdrücklich gegen die Neigung gewandt, die romanische Sprachwissenschaft erst mit Friedrich Diez beginnen zu lassen. 11 Im allgemeinen aber wird die Entstehung der Wissenschaft von den romanischen Sprachen mit der Findung der historisch-vergleichenden Methode gleichgesetzt. 12 Wählt man nun eine bestimmte Methode zum Kriterium der · Wissenschaftskonstitution, s·o verengt man zugleich deren Phänomenbereich in willkürlicher Weise. 13 Wir möchten daher ein viel allgemeineres und un- 9 Dies sieht man zum Beispiel an Titeln wie: Antonio Viscardi, Carla Cremonesi, Ermanno Mozzati, Maurizio Vitale, Preistoria e storia degli studi romanzi, Mailand 1955; Robert Leon Wagner, "Contribution a la prehistoire du romanisme", Conferences de / 'Institut de Linguistique de Paris 10 (1950/ 51), S. 101-124. 10 Straßburg 1904-1906, Bd. 2 1, S. 1-185. 11 „Fast ununterbrochen läuft der Faden sprachwissenschaftlicher Besinnung von den lateinischen Grammatikern bis zu den heutigen philologischen Forschungen" (Harri Meier, Die Entstehung der romanischen Sprachen und Nationen, Frankfurt 1941, S. 5). 12 Ausdrücklich und entschieden hat noch in jüngerer Zeit Hans-Martin Gauger diese Auffassung vertreten: "Nach allem kann die Antwort auf die eingangs gestellte Frage [sc. 'Vor- oder Frühgeschichte? '] nur so lauten: Die Frühgeschichte der romanischen Sprachwissenschaft beginnt mit Friedrich Diez, die Frühgeschichte der Sprachwissenschaft überhaupt beginnt mit Franz Bopp, Rasmus Rask und Jacob Grimm. Was es vorher gab, erstens an philosophisch-philologischer Sprachreflexion, zweitens an grammatischer Analyse, drittens an historischer Sprachuntersuchung, all dies gehört zur Vorgeschichte der Sprachwissenschaft. Es ist nicht Teil der Geschichte der Sprachwissenschaft selbst." (Hans-Martin Gauger, "Vor- oder Frühgeschichte? ", in: Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer, Michael Metzeltin, Peter Wunderli (Hgg.), Zur Geschichte der Grammatiken romanischer Sprachen. Romanistisches Kolloquium IV, Tübingen 1991, S. 23-39, hier S. 34-35). 13 Daß man die Entstehung der romanischen Sprachwissenschaft mit dem Aufkommen der historisch-vergleichenden Grammatik identifizierte, hat andererseits zur Folge gehabt, daß oft kaum zwischen der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft und der Geschichte der Sprachwissenschaft schlechthin differenziert wurde (so z.B. in den Handbüchern von Iorgu Iordan, Benedek Elemer Vidos u.a.; vgl. die kommentierte Bibliographie am Ende dieses Kapitels). Dies geschah sicherlich nicht ganz ohne Grund, hat man doch die Romanistik ..: . auch auf Grund des Privilegs, als einzige über die gemeinsame Quelle 6 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft. Lage und Aufgabe voreingenommeneres Kriterium für den Begriff der Wissenschaft verwenden: Eine Wissenschaft existiert, sobald man Fragen in bezug auf ihren Gegenstand stellt und sie auf sinnvolle Weise zu beantworten sucht. Für uns gibt es daher keine Grenze zwischen „Geschichte" und „Vorgeschichte". Im Sinne unserer Vorstellung einer ideellen Wissenschaftsgeschichte sehen wir die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft als eine ununterbrochene Kontinuität seit den ältesten provenzalischen Grammatiken. Große Teile dieser Geschichte sind aber trotz des vermehrten Interesses, das man ihr in den letzten Jahren zugewandt hat, 14 noch immer unbekannt. Unsere Darstellung möchte daher eine erste ausführliche Skizze der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft sein. Dies bedeutet zweierlei: . Erstens kann diese (wenn auch nicht knappe) Darstellung nur als Skizze gelten. Für eine vollständige Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft fehlt nämlich noch immer sehr viel an Vorarbeiten, und zwar sowohl, was kritische Ausgaben (oder Ausgaben überhaupt), als auch, was monographische Untersuchungen betrifft. Zweitens aber will unsere Skizze (wenn auch als Skizze) ausführlich sein. Denn wir möchten nicht nur einen summarischen Überblick geben, sondern auch zur Erforschung der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft beitragen und die weitere Forschung auf diesem Gebiet·anregen. ihrer Sprachfamilie, das Lateinische, zu verfügen als die praeceptrix linguisticae angesehen. Für eine gewisse Epoche, nämlich den Zeitraum von 1870 bis 1910, ist das auch ohne weiteres zutreffend. In diese Zeit fällt nämlich die Polemik gegen die Lautgesetze (durch Hugo Schuchardt), das Aufkommen der Substratforschung (die man Graziadio Isaia Ascoli verdankt), die Entstehung der Sprachgeographie (die im wesentlichen von Jules Gillieron und Matteo Bartoli begründet wurde), der sprachwissenschaftliche Idealismus (mit Karl Voßler, Leo Spitzer, Eugen Lerch), dessen Vertreter fast alle Romanisten waren. Doch kann man weder vor noch nach dem genannten Zeitraum von einer Vorbildrolle der Romanistik sprechen: Entstanden sind die Verfahren der vergleichend-historischen Methode nämlich nicht in der Romanistik, sondern, abgesehen von einigen vorlaufenden Ansätzen, in der Germanistik und in der Indogermanistik. Und in neuerer Zeit sind der Strukturalismus und die Transformationelle Grammatik eher mit der Slavistik und der Anglistik verbunden als mit der Romanistik. 14 Vgl. etwa: Hans-Josef Niederehe, Brigitte Schlieben-Lange (Hgg.), Die Frühgeschichte der romanischen Philologie: von Dante bis Diez, Tübingen 1987 (= Beiträge zum deutschen Romanistentag in Siegen, 30.9. bis 3.10. 1985); Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer; Michael Metzeltin, Peter Wunderli (Hgg.), Zur Geschichte der Grammatiken romanischer Sprachen. Romanistisches Kolloquium IV, cit. 1.3 Die Periodengliederung in der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft In der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft unterscheidet Gröber fünf Epochen. Die Kriterien seiner Einteilung sind jedoch zum Teil allgemeinerer philologischer Natur, zum Teil erscheinen sie sogar willkürlich: 1. Vom 13. bis zum 15. Jahrhundert. Die noch vereinzelte Beschäftigung mit den romanischen Sprachen verfolgt vor allem praktische Ziele: das Verständnis und die Deutung literarischer Werke, die Beschreibung exemplarischer Ausdrucksformen, die Spracherlernung. Es entstehen die ersten Grammatiken, Glossare, Lehrbücher. 2. Vom 16. bis zum 17. Jahrhundert. Es kommen die ersten Fragestellungen im Bereich der Etymologie und der Sprachgeschichte auf, zuerst in Italien, dann auch in Frankreich und Spanien. 3. Von 1700 bis 1814. In diesem Zeitraum finden sich die Fortschritte eher auf dem Gebiet der Philologie: "Die romanische Sprachbetrachtung tritt hinter die des romanischen Schrifttums zurück." (Grundriss 2 1, S. 36). Man widmet sich dem Sammeln und der Deutung der überlieferten Texte. Das Ende dieser Periode wird durch die Einrichtung der Romanistik als Universitätsfach bezeichnet. 4. Von 1814 bis 1859. Beide Begrenzungsjahre dieses Zeitabschnitts sind in „philologischer" Hinsicht von Bedeutung. 1814 wurde die Histoire litteraire fortgeführt: Es erschien der 13. Band (mit dem 13. (1814), 14. (1817) und 15. (1820) Band konnte die Beschreibung der französischen Literatur des 12. Jahrhunderts abgeschlossen werden), 1859 aber entsteht das Jahrbuch far romanische und englische Sprache und Literatur, "durch das unter den kritisch Forschenden im In- und Auslande eine Verständigung über die geschichtliche Bearbeitung der romanischen Litteraturen und über die zu ihrem Dienst aufgerufene romanische Philologie herbeigeführt und Forscher gesammelt werden sollten, [...]" (Grundriss 2 1, S. 119): die romanische Philologie wird europäisch. 5. Ab 1859. Der letzte Abschnitt „Verfolgung gemeinsamer Ziele in den beteiligten Ländern" reicht bis in die Gegenwart Gustav Gräbers. 8 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft. Lage und Aufgabe Wir möchten Gustav Gröber nur insoweit folgen, als wir auch eine Gliederung in fünf Zeiträume annehmen. Im übrigen aber möchten wir das Kriterium der inneren Entwicklung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den romanischen Sprachen selbst für unsere Einteilung verwenden. Danach stellt sich diese wie folgt dar: 1. Vom 13. Jahrhundert bis zum Jahre 1492. Die Epoche reicht von den Anfängen bis zu dem Jahr, als die erste wichtige romanische Grammatik, Antonio de Nebrijas Gramatica de / a / engua castellana, im Druck erschien. Diese Grammatik hatte Signalwirkung für die Entwicklung in Italien und Frankreich. 2. Von 1492 bis 1601. Die Periode reicht von Antonio de Nebrija bis hin zu Celso Cittadini, der als erster den Begriff des Vulgärlateins formuliert: Trattato della vera origine, e del processo, e nome della nostra Lingua, scritto in vulgar Senese, Venedig 1601. 3. Von 1601 bis 1818. Die Epoche endet mit August Wilhelm Schlegels Observations sur la langue et / a litterature proven9ales, Paris 1818. Sie umfaßt also die Zeit zwischen der ersten und der zweiten ausdrücklichen Formulierung des Begriffs 'Vulgärlatein'. 4. Von 1818 bis 1890. Die Periode führt von Schlegel zur Veröffentlichung des ersten Bandes der Grammatik der Romanischen Sprachen Wilhelm Meyer-Lübkes, das heißt von der Formulierung eines Programms bis zu seiner bis heute nicht übertroffenen Realisierung. 5. Von 1890 bis in unsere Gegenwart. Diese Einteilung wollen wir nun noch etwas näher erläutern: 1. Bis zu der spanischen Grammatik von Antonio de Nebrija kann nur vereinzelt von romanischer Sprachwissenschaft gesprochen werden, auch nur für das Zentrum der Romania, und es fehlt die Kontinuität. Im 13. Jahrhundert wird als erste romanische Literatursprache das Provenzalische grammatisch Die Periodengliederung in der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft 9 dargestellt, und zwar zum Zwecke der Textkritik. Die ersten Grammatiken, Lo Donatz Proensals von Uc Faidit und Las Razos de trobar von Raimon Vidal sind zugleich Rhetoriken und Poetiken. Es entstehen Bearbeitungen dieser Schriften in Katalonien und Italien. In der Mitte des 14. Jahrhunderts entsteht die große Grammatik der Leys d'Amors. Im 14. Jahrhundert gibt es erste Ansätze zu einer allgemeinen Romanistik und zum Sprachvergleich. Hierbei kommt Dantes um 1305 entstandener Abhandlung De vulgari eloquentia eine zentrale Stellung zu. Dante nimmt die erste Gruppierung der romanischen Sprachen vor. Auch kann er als Begründer der italienischen Mundartforschung gelten. Das Zentrum der romanischen Sprachwissenschaft ist auch in der Folgezeit Italien. Hier findet um die Mitte des 15. Jahrhunderts die später berühmt gewordene Diskussion über die Herkunft der romanischen Sprachen (insbesondere des Italienischen) statt, die mit den Namen Leonardo Bruni, Poggio Bracciolini, Flavio Biondo, Francesco Filelfo und Guarino Veronese verbunden ist. Kaum irgendeinen Beitrag zur Grammatikographie finden wir in dieser Zeit in Frankreich. Allerdings entstehen in Frankreich aus der mittellateinischen Tradition zahlreiche Zeugnisse lateinisch-französischer Lexikographie. Aus Spanien können wir nur die fragmentarisch auf uns gekommene Abhandlung Dei arte· de trovar des Marques Henrique de Villena aus dem Jahre 1433 erwähnen. 2. Am Anfang der zweiten Epoche steht die 1492 erschienene Gramatica de la lengua castellana von Elio Antonio de Nebrija. Es handelt sich um die erste vollständige Beschreibung einer romanischen Sprache, die für lange Zeit die beste Grammatik des Spanischen blieb. Nebrija ist auch das erste umfassende Wörterbuch einer romanischen Sprache zu verdanken: Lexicon ex sermone latino in hispaniensem (und wenig später das Dictionarium ex hispaniensi in latinum sermonem). Das Zentrum der Entwicklung bleibt aber auch in diesem Zeitraum noch Italien. Zwar erschien die erste Grammatik des Italienischen erst etwas später (auch war sie nicht so gut wie die Nebrijas): Gian Francesco Fortunio, Regole grammaticali della volgar lingua, Ancona 1516. Ihr folgten jedoch bald viele weitere Grammatiken des Italienischen. Und die großen Namen jener Zeit sind alle italienisch: Pietro Bembo, Gian Giorgio Trissino, Danilo Dolce, Benedetto Varchi, Claudio Tolomei, Lodovico Castelvetro u.a. Doch auch auf der Iberischen Halbinsel entwickelt sich die romanische Sprachwissenschaft: 1535 verfaßt Juan de Valdes den Dialogo de la lengua (allerdings in Neapel). Und in Portugal schreibt Femao de Oliveira eine ausgezeichnete Grammatik des Portugiesischen, welche die erste adäquate phonetisch-phonologische Darstellung einer romanischen Sprache enthält: Gramatica da lingoagem portuguesa, Lissabon 1536. In 10 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft. Lage und Aufgabe Frankreich erscheint die erste wichtige Grammatik des Französischen: Louis Meigret, Le frette de la grammere .franzoese, Paris 1550. 15 3. Der dritte Zeitraum beginnt wie gesagt mit der Formulierung des Begriffes 'Vulgärlatein' durch Celso Cittadini im Jahre 1601: Trattato della vera origine, edel processo, e nome della nostra Lingua, scritto in vulgar Senese. Kurz darauf entstehen auch in anderen Ländern Werke zum Ursprung und zur Geschichte der romanischen Sprachen. Im Jahre 1606 erscheinen gleich zwei Werke zu dieser Thematik: Bernardo Jose de Aldrete, Origen y principio de la lengua castellana o romance que oi se usa en Espaiia (in Rom) und Duarte Nunes de Leäo, Origem da Lingua Portuguesa (in Lissabon). Es beginnt ein Streben nach historischer Erudition, und man wendet sich Fragen der Sprachgeschichte und der Etymologie zu (freilich auch solchen der "Allgemeinen Grammatik"). Welch wichtige Rolle dabei Frankreich zufällt, mögen einige Daten belegen: 1650: Gilles Menage, Dictionnaire etymologique ou Les Origines de la Langue Fran9oise; 16 1660: Die Grammaire generale et raisonee von Port-Royal; 1678: Charles du Fresne Sieur Du Cange, Glossarium ad scriptores mediae et infimae Latinitatis; 1784: Antoine de Rivarol, De l'universalite de la langue.fran9aise. Discours qui a remporte le prix a l 'Academie de Berlin; 1812: Pierre Girault-Duvivier, Grammaire des grammaires ou Analyse raisonnee des meilleurs traites sur la langue .fran9oise, Paris; 1816: Fran~ois-Juste-Marie Raynouard, Grammaire de la langue romane, Paris. 17 Aber auch in anderen Ländern fehlen bedeutende Beiträge nicht. So in Spanien: 1611: Sebastian de Covarrubias Orozco, Tesoro de la lengua castellana o espaiiola; 1626: Gonzalo Correas ifligo, Arte de la lengua espaiiola castellana; 15 Die erste grammatische Beschreibung des Französischen überhaupt war freilich schon von dem Engländer Jehan Palsgrave vorweggenommen worden: Lesc/ arcissement de / a / angue fran<; oyse, London 1530. Das Werk Champjleury von Geoffroy Tory, Paris 1529, ist keine eigentliche Grammatik, obgleich es oft als solche genannt wird; gleichwohl bezeichnet es den Anfang der französischen Sprachwissenschaft. 16 Im Jahre 1669 veröffentlicht Gilles Menage in Paris seine Origini de/ / a / ingua ita/ iana. Durch seine Beschäftigung mit dem Italienischen darf er als der erste „Romanist" gelten. 17 Sie war seinem Choix des poesies originales des troubadours, 6 Bdd., Paris 1816-1821, vorangestellt. Die Periodengliederung in der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft 11 1737: Gregorio Mayans y Siscar, Origenes de la lengua espanola. Und in Italien: 1643: Benedetto Buommattei, Della lingua toscana; 18 1785: Melchiorre Cesarotti, Saggio sopra la Lingua Italiana; Zwischen 1779 und 1811 entstehen die ersten italienischen Mundartwörterbücher. In England liefert Adam Smith im Jahre 1767 in seiner Schrift A dissertation on the origin of languages 19 eine erste typologische Beschreibung der romanischen Sprachen. In Deutschland stellt Carl Ludwig Femows Italienische Sprachlehre für Deutsche, Tübingen 1804, die erste ausführliche Grammatik einer romanischen Sprache dar. Und zwischen 1806 und 1817 erscheinen in Berlin die vier Bände Johann Christoph Adelungs, Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde. Im zweiten Band dieses Werkes aber (Berlin 1809) findet sich in den Abschnitten „Lateinischer Sprachstamm" und „Töchter des Lateins" (S. 448-610) eine Klassifizierung der romanischen Sprachen. Selbst in Rumänien gibt es einiges: 1757 schreibt Dimitrie Eustatievici seine Gramatica romaneasca. Die erste gedruckte Grammatik des Rumänischen sind die Elementa linguae dacoromanae sive valachicae von Samuil Micu (Klein) und Gheorghe ~incai aus dem Jahre 1780. 4. Das Schlüsseljahr dieses Zeitraums ist wie gesagt 1818, als August Wilhelm Schlegels Observations sur la langue et la litterature proven9ales veröffentlicht wurden. Diese Arbeit ist die erste Synthese der romanischen Sprachwissenschaft. Nun beginnt mit Diez, Schuchardt und vielen anderen die große Zeit unserer Disziplin. Das Zentrum der romanischen Sprachwissenschaft ist jetzt Deutschland. Es ist daher kaum verfehlt, die romanische Sprachwissenschaft in dieser Epoche „eine deutsche Wissenschaft" zu nennen, oder doch eine solche der deutschsprachigen Länder. 18 Das erste Buch dieses Werks wurde schon 1623 unter dem Titel Delle cagioni della Lingua Toscana in Venedig veröffentlicht und 1626 wiederum als lntroduzione a/ la lingua toscana. 19 Die Dissertation hat Adam Smith der dritten Auflage seiner Theory of moral sentiments (die zuerst 1759 und schon 1761 in zweiter Auflage erschienen war), London 1767, als Anhang beigefügt. 12 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft. Lage und Aufgabe 5. Im Jahre 1890 erscheint die Grammatik der Romanischen Sprachen von Wilhelm Meyer-Lübke, die zugleich das letzte große Werk der vergleichenden Grammatik der romanischen Sprachen darstellt. Nach Meyer-Lübke ist Deutschland nicht mehr das Zentrum dieser Wissenschaft. 20 Mit der romanischen Sprachwissenschaft beschäftigt man sich nun in verschiedenen Ländern und die bedeutenden Arbeiten dieser Disziplin entstehen nicht mehr nur in Deutschland. Auch wichtige Fachzeitschriften werden außerhalb Deutschlands gegründet. Innovative Ideen findet man jetzt in den romanischen Ländern selbst: so in Frankreich durch Gillieron, in Italien.durch Bartoli, in Spanien durch Menendez Pidal. In allgemeiner Hinsicht wird die Historische Grammatik und ihr Anspruch auf methodische Exklusivität in Frage gestellt: durch den Strukturalismus (Saussure), den Idealismus (Voßler), die Sprachgeographie (Gillieron). In der Romanistik geht die Entwicklung nun hin zur Spezialisierung und Ausdifferenzierung. Sprach- und Literaturwissenschaft, die in der romanischen Philologie zusammen aufgehoben waren, trennen sich. 21 Zugleich teilt sich die romanische Sprachwissenschaft in die Linguistik ihrer Einzelsprachen. Auch in empirischer Hinsicht gliedert man das große Fachgebiet der Romanistik in engere Sektionen. So hat man z.B. in Italien Lehrstühle für Altfranzösisch und Altprovenzalisch eingerichtet (diese dann mit den zugehörigen Literaturen). Ähnliche Entwicklungen sind in anderen Ländern zu verzeichnen. 20 Zum Teil sind es ironischerweise gerade die Schüler von Meyer-Lübke selbst gewesen, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben. 21 Ernst Gamillscheg und Gerhard Rohlfs waren die letzten großen Vertreter der philologischen Gesamtromanistik. Noch in jüngerer Zeit hat Harri Meier diese Tradition zum Teil fortgesetzt. 1.4 Bibliographie zu Kapitel 1 An dieser Stelle wollen wir zur Orientierung einige sachliche und bibliographische Hinweise geben: Den Umfang der wissenschaftlichen Tätigkeit auf dem Gebiet der Geschichte der Sprachwissenschaft kann man ermessen, wenn man sich klarmacht, daß zum Beispiel die Bibliographie Linguistique de l'annee 1997 (auf S. 68-143) 1533 theoriegeschichtliche und biographische Einträge für den Berichtszeitraum verzeichnet. Drei Sammelwerke, die um die Mitte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erschienen, sind symptomatisch für die neue Hinwendung zur Geschichte der Sprachwissenschaft: Dell Hymes (Hg.), Studies in the history of linguistics. Traditions and paradigms, Bloomington - London 1974; Thomas A. Seboek (Hg.), Current Trends in Linguistics. 13. Historiography of linguistics, 2 Bdd., den Haag 1975; Herman Parret (Hg.), History of linguistic thought and contemporary linguistics, Berlin 1976. Eine Vielzahl ähnlicher Sammelbände ist in der Folgezeit durch die Herausgabe von Beiträgen zu Tagungen und Kongressen entstanden: Seit 1978 findet alle drei Jahre die International Conference on the History of Language Sciences statt. Thematische Institutionen sind: die Societe d'Histoire et d'Epistemologie des Sciences du Langage, Paris (seit 1978); die Henry Sweet Society for the History of Linguistic ldeas, Oxford (seit 1984); die North American Associationfor the History of the Language Sciences, San Francisco (seit 1987), die ihrerseits in Zusammenarbeit mit der Linguistic Society of America alljährlich ein Kolloquium veranstaltet; die Arbeitsgruppe „ Histoire et historiographie de la linguistique " in Belgien, der Werkverband „ Geschiedenis van de Taalkunde" in den Niederlanden (beide seit 1987); der Studienkreis „ Geschichte der Sprachwissenschaft" in Münster (seit 1989); die Sociedad Espaiiola de Historiografta Lingülstica (seit 1995) u.a. Mehrere dieser Organisationen verfügen sogar über periodische Publikationsorgane; z.B. gibt die Societe d'Histoire et d'Epistemologie des Sciences du Langage die Zeitschrift Histoire Epistemologie Langage heraus (seit 1979), der Studienkreis „ Geschichte der Sprachwissenschaft" die Beiträge zur Geschichte der Sprachwissenschaft (seit 1991). Die erste unabhängige Zeitschrift dieser Disziplin war jedoch Historiographia Linguistica. International Journal for the History of the Language Sciences, herausgegeben von Ernst Frideryk Konrad Koerner, Amsterdam 1 (1974) ff., dazu die begleitende Monographienreihe Studies in the History of the Language Sciences (seit 1973). In den allgemeinen Werken zur Geschichte der Sprachwissenschaft finden wir nur wenig über unseren Gegenstand: Vilhelm Thomsen, Sprogvidenskabens historie, Kopenhagen 1902, dt. Ü.: Geschichte der Sprachwissenschaft bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Darstellung der Hauptpunkte, Halle, 1927; span. Ü. (mit einigen Ergänzungen): Historia de la lingüistica, Barcelona- Madrid 1945. - Berthold Delbrück, Einleitung in das Studium der Indogermanischen Sprachen. Ein Beitrag zur Geschichte und Methodik der vergleichenden Spracliforschung, Leipzig 6 1919 (zuerst 1880). - Holger Pedersen, Sprogvidenskaben i det nittende aarhundrede. Metoder og resultater, Kopenhagen 1924, e. Ü.: Linguistic science in the 19 th cen- I4 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschqft. Lage und Aufgabe tury, Oxford 1931; Ndr. als: The discovery of language, Bloomington (Iod.), 1962. - Antonino Pagliaro, Sommario di linguistica arioeuropea I, Cenni storici e questioni teoriche, Rom 1930. - Carlo Tagliavini, Panorama di storia della linguistica, Bologna 1963 (getrennter Separatdruck aus der 5. Auflage der Introduzione alla Glottologia), 3 1970. - Hans Arens, Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart, München 1955, 2 1970. - Robert Henry Robins, A short history of linguistics, London 1967, 2 1979, 3 1990. -(Der Jubiläumsband) 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818-1968. Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Sprachwissenschqften, Bonn 1970 (enthält Beiträge über die Romanisten Friedrich Diez (1794-1876), Wendelin Foerster (1844-1915), Heinrich Schneegans (1863-1914), Wilhelm Meyer- Lübke (1861-1936), Ernst Robert Curtius (1886-1956). - Tamara Aleksandrovna Amirova, Boris Andreevic Ol'chovikov, Jurij Vladimirovic Rozdestvenskij, Ocerki po istorii lingvistiki, Moskau 1975; dt. Ü.: Abriß der Geschichte der Linguistik. Ins Deutsche übersetzt von Barbara Meier. Herausgegeben von Georg Friedrich Meier, Leipzig 1980. - Herbert Ernst Brekle, der in seiner Einführung in die Geschichte der Sprachwissenschaft, Darmstadt 1985, bewußt einen Zugang über weniger bekannte Sprachdenker zeigen möchte, behandelt die Auffassungen von Juan Luis Vives (S. 88-115) und Benedetto Buommattei (S. 116-130). - Sylvain Auroux (Hg.), Histoire des idees linguistiques, 2 Bdd., Lüttich 1989-1992 (in Bd. 2). - Bertil Malmberg, Histoire de la linguistique. De Sumer a Saussure, Paris 1991 (bes. Kap. 18). - Giulio C. Lepschy (Hg.), Storia della linguistica, 3 Bdd., Bologna 1990-1994 (in Bd. 2, bes. in Bd. 3). - E. F. Konrad Koerner, Ronald E. Asher (Hgg.), Concise history of the language sciences. From the Sumerians to the cognitivists, Oxford- New York 1995. Pierre Swiggers, Histoire de la pensee linguistique. Analyse du langage et reflexion linguistique dans la culture occidentale de l'Antiquite au XIX siecle, Paris 1997. - Einige wichtige Beiträge zu unserer Thematik finden sich in: Sylvain Auroux, Ernst Frideryk Konrad Koerner, Hans-Josef Niederehe, Kees Versteegh (Hgg.), History of the language sciences. Geschichte der Sprachwissenschqften. Histoire des sciences du langage. An international handbook on the,evolution ofthe study oflanguagesfrom the beginnings to the present. Ein internationales Handbuch zur Entwicklung der Sprachforschung von den Arifängen bis zur Gegenwart. Manuel international sur l'evolution de l'etude du langage des origines a nosjours, (bisher 2 [3] Bdd., Berlin - New York 2000-2001 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 18,1-2 [3]). Der dritte (bisher noch nicht vorliegende) Teilband ist der Geschichte der Sprachwissenschaft im 20. Jahrhundert gewidmet, jedoch auch (im Kapitel XL) der Gesamtdisziplin: History of linguistics the field Die Geschichte der Sprachwissenschqften: Umrisse der Disziplin. Le domaine de l'histoire de la linguistique. Zur frühen Phase der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft findet sich einiges in Kap. XVIII: The development of grammatical traditions for the literary vernaculars in Europe. Die neuen Literatursprachen und die Herausbildung ihrer grammatischen Tradition. Le developpement des traditions grammaticales concernant / es vernaculaires ecrits de l'Europe, Bd. 1, S. 742- 814. - Die neue Zeitschrift Logos and Language (Tübingen 2000 ff.) hat bereits ein Heft der Geschichte der Sprachtheorie gewidmet: Topics in the Historiography of Language Theory (= 2,2 [2001]). Bibliographie zu Kapitel 1 15 Die große Geschichte der indogermanischen Sprachwissenschaft, herausgegeben von Wilhelm Streitberg im Grundriss der indogermanischen Sprach- und Altertumskunde, Straßburg, und später Berlin 1916-1936 (fünf Bände erschienen), enthält in Band I, Straßburg 1916, den Beitrag von Karl R. Ettmayer über die Forschungsgeschichte des Vulgärlateins: Vulgärlatein, S. 131-180 (sehr kurz, auf nur sechs Seiten, wird die Zeit vom 15. Jahrhundert bis Diez einschließlich angesprochen). Speziell für die romanische Sprachwissenschaft ist die älteste Darstellung: Friedrich Neumann, Die romanische Philologie. Ein Grundriß, Leipzig, 1886. Das kleine Buch von 96 Seiten (der Separatdruck eines Enzyklopädieartikels) enthält nur sechs Seiten (5-10) über die Entwicklung bis Diez und kann heute als veraltet gelten. - Immer noch wertvoll ist dagegen wie gesagt Gustav Gröber, Geschichte der romanischen Philologie, in: Gustav Gröber (Hg.), Grundriss der romanischen Philologie, Bd. I, Straßburg 1888, S. 1-139, 2 1904, S. 1-185, wo auch die ältere Romanistik ausführlich berücksichtigt ist. Immerhin sind dem Zeitraum bis 1814 in der zweiten Auflage 66 Seiten gewidmet. Beschrieben wird dort aber nicht nur die Entwicklung der romanischen Sprachwissenschaft, sondern die der romanischen Philologie als einheitlicher Disziplin, die Sprachen und Kulturen umfaßt. - Ein klassisches Werk ist immer noch Iorgu Jordan, Introducere fn studiul limbilor romanice. Evolu/ ia # starea actualii a lingvisticii romanice, Ia~i 1932; ins Englische übertragen und bearbeitet von John Orr: An introduction to Romance linguistics. Its schools and scholars, London 1937; revidiert und ergänzt "with a supplement thirty years on") von Rebecca Posner, Oxford 2 1970 (auf der englischen Bearbeitung fußt wiederum die italienische Übertragung: Iorgu Jordan, John Orr, lntroduzione alla / inguistuica romanza, Turin 1973); ins Deutsche übersetzt, überarbeitet und ergänzt von Werner Bahner: Einführung in die Geschichte und Methoden der romanischen Sprachwissenschaft, Berlin 1962; sp. Ü. (überarbeitet und ergänzt von Manuel Alvar): Lingüistica romanica. Evoluci6n, corrientes, metodos, Madrid 1967. Das Werk enthält leider nur wenige Seiten für die Zeit vor Diez (in der rumänischen Fassung 6, in der deutschen 18), und auch die Zeit danach ist ziemlich knapp geschildert: die Zeit bis Voßler wird in einem einzigen Kapitel zusammengefaßt. Außerdem wird oft der Entwicklungsgang der Sprachwissenschaft im allgemeinen behandelt, und die Probleme, welche für die romanische Sprachwissenschaft spezifisch sind, werden nicht oder nicht als solche berücksichtigt. Die zweite rumänische Ausgabe Lingvistica romanicii. Evolu/ ie, curente, metode, Bukarest 1962, ist teilweise umgearbeitet worden und zeigt marxistischen Einfluß. - Maurizio Vitale, "Sommario elementare di una storia degli studi linguistici romanzi", in: Antonio Viscardi, Carla Cremonesi, Ermanno Mozzati, Maurizio Vitale, Preistoria e storia degli studi romanzi, Mailand - Varese 1955, S. 7-169, ist ziemlich ausführlich, jedoch nur bis Diez (S. 7-91) mit gutem Material. In den letzten Abschnitten geht es eigentlich um die Geschichte der Sprachwissenschaft im allgemeinen. Der Beitrag enthält nur geringe Auskunft über Spanien, die überdies zum Teil ein verzeichnetes Bild ergibt. - Alberto Varvaro, Storia, problemi e metodi della linguistica romanza, Neapel 1968, 2 1980; sp. Ü: Historia, problemas y metodos de la lingüistica romanica, Barcelona 1988, beschreibt die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft von den ersten provenzalischen Grammatiken bis zum Aufkommen der generativen Grammatik. Das Buch handelt jedoch die Zeit vor Diez auf nur 38 Seiten ab (S. 13-50): "1. Le prime grammatiche di una lingua romanza. 2. Dante. 3. Le origini delle lingue romanze ed 16 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft. Lage und Aufgabe il metodo etimologico. 4. Grammatica e lessicografia. 5. Franyois Raynouard". Nach Diez wird die Darstellung zu einer Geschichte der Linguistik, die als Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft ausgegeben wird. - Carlo .Tagliavini, Le origini delle lingue neolatine, Bologna 6 1972; dt. Ü.: Einführung in die romanische Philologie, München 1973, durchgesehene und bibliographisch aktualisierte 2. Aufl., Tübingen 1998, behandelt im ersten Kapitel „La filologia romanza" (it. S. 1-83, dt. S. 1-61) die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft, bringt aber nur ein paar Seiten „Vorgeschichte" bis Raynouard und beschränkt sich oft auf die Aufzählung von Namen, insbesondere für die neuere Zeit. - Benedek Elemer Vidos, Handboek tot de Romaanse taalkunde, Herzogenbusch 1956; it. Ü.: Manuale di linguistica romanza, Florenz 1959 (= Biblioteca dell'.,Archivum Romanicum". Serie II: Linguistica, Vol. 28); dt. Ü.: Handbuch der romanischen Sprachwissenschaft, München 1968, enthält einen langen historischen Teil, der immerhin die ersten 5 Kapitel umfaßt (S. 23-191 der deutschen Ausgabe), der aber erst mit dem 19. Jahrhundert beginnt und gerade in den letzten Kapiteln nicht mehr die eigentlich romanische Sprachwissenschaft zum Gegenstand hat. - Auch der relativ ausführliche wissenschaftshistorische Teil in Willy Bai, Introduction aux etudes de linguistique romane. Avec consideration speciale de Ja linguistique franr.; aise, Paris 1966 (21971), S. 7- 80, ist eigentlich ein Überblick über die Geschichte der Sprachwissenschaft (trotz der Einschränkung im Untertitel). - Lorenzo Renzi, Jntroduzione allafilologia romanza, Padua 1973; (etwas modifizierte) dt. Ü.: Einführung in die romanische Sprachwissenschaft, Tübingen 1980; sp. Ü.: Introducci6n a Ja filologia romanica, Madrid 1982, versucht eine ideengeschichtliche Einordnung der romanischen Studien und enthält in Kapitel 1-III (S. 1-67) eine Geschichte des Faches (zur Frühgeschichte S. 31-50). Eine unter Mitarbeit von Gianpaolo Salvi erweiterte Fassung ist als Nuova introduzione alla filologia romanza, Bologna 1985, 2 1987, erschienen und enthält den Überblick über die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft auf den Seiten 29-121 (S. 29-42 zur Frühgeschichte). - Als Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft angelegt ist auch die Einführung in die romanische Sprachwissenschaft von Hans-Martin Gauger, Wulf Oesterreicher und Rudolf Windisch, Darmstadt 1981, wobei im zweiten Teil des Buches versucht wird, die Entwicklung des Faches durch den wissenschaftlichen Beitrag ausgewählter Persönlichkeiten zu beleuchten. Oie „Vorgeschichte" der romanischen Sprachwissenschaft wird in Kapitel III des ersten Teiles kurz behandelt (S. 30-41). - Georg Bossong, Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie in der Romania. Von den Anfängen bis August Wilhelm Schlegel, Tübingen 1990, beschränkt sich in seiner einführenden Darstellung auf die älteren Phasen der Sprachbetrachtung, nimmt aber keine Abgrenzung der eigentlich romanistischen Fragestellungen von den sprachphilosophischen und allgemein sprachtheoretischen vor. - Die Rolle der Berliner Akademie der Wissenschaften in der Geschichte der romanistischen Forschung beleuchtet die umfangreiche Habilitationsschrift von Jürgen Storost, 300 Jahre romanische Sprachen und Literaturen an der Berliner Akademie der Wissenschaften, 2 Bdd., Frankfurt/ M. 2001 (= Berliner Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. 4, 1-2). Der zweite Band enthält 211 Dokumente aus der Zeit von 1701 bis 1971. Was die frühen Phasen der romanischen Sprachwissenschaft angeht, so sei neben den erwähnten neueren Beiträgen noch auf den knappen, aber ausgezeichneten Überblick von Harri Meier, Die Entstehung der romanischen Sprachen und Nationen, Frankfurt/ M. 1941 (= Das Bibliographie zu Kapitel 1 17 Abendland Forschungen zur Geschichte europäischen Geisteslebens. Herausgegeben von Herbert Schöfller, Bd. IV), S. 6-16, verwiesen sowie auf Robert Leon Wagner, "Contribution a la prehistoire du romanisme", Conferences de ! 'Institut de linguistique de Paris, 10 (1950-1951), S. 101-124. - Wichtige Beiträge zur Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft finden sich ferner in Publikationsreihen wie Lingua et traditio, Tübingen (seit 1975), oder Romanistik in Geschichte und Gegenwart, Hamburg (seit 1975), ein Titel, der seit 1995 auf eine neue Zeitschrift des gleichen Verlages überging, zu der die frühere Monographienreihe nun als „Beihefte" weiter erscheint. - Das Lexikon der Romanistischen Linguistik widmet seinen ersten (aber erst 2001 erschienenen) Band der Geschichte des Faches Romanistik und der Methodologie: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der romanistischen Linguistik, Band 1,1, Geschichte des Faches Romanistik. Methodologie (das Sprachsystem), Tübingen 2001. Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft wird in der ersten Sektion des Bandes behandelt. Die frühen Phasen der romanischen Sprachwissenschaft betrifft Artikel 1: "Romanische Philologie von Dante bis Raynouard" mit den beiden Beiträgen: Jens Lüdtke, "Diachrone romanische Sprachwissenschaft und Sprachgeschichte" (S. 1-35) und Pierre Swiggers, "Linguistique et grammaticographie romanes" (S. 36-121). Swiggers merkt an, daß zusammenfassende Darstellungen zur Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft noch immer Desiderata sind: "II existe relativement peu d'etudes synthetiques sur l'.histoire de la linguistique romane, alors que l'histoire de la linguistique constitue, depuis un quart de siecle, un domaine de recherches intenses." (S. 38). Speziellere Geschichten der romanischen Sprachwissenschaft in bestimmten Ländern oder in bezug auf Zweige der romanischen Sprachwissenschaft sind: Louis Kukenheim, Esquisse historique de la linguistique franr; aise et de ses rapports avec la linguistique generale, Leiden 1962, 2 1966. Hierbei handelt es sich jedoch eigentlich um eine Geschichte der Sprachwissenschaft schlechthin, insofern sie sich im Bereich der französischen Sprachwissenschaft widerspiegelt. - Ciro Trabalza, Storia della grammatica italiana, Mailand 1908, Ndr.: Bologna 1963, beschreibt ausführlich die italienische Sprachwissenschaft von Dante bis Manzoni, betrifft allerdings nicht nur die Geschichte der Grammatik. Eine Sammlung neuerer Beiträge zur Geschichte des sprachwissenschaftlichen Denkens in Italien ist Paolo Ramat, Konrad Koerner, Hans-Josef Niederehe (Hgg.), The history of linguistics in Italy, Amsterdam - Philadelphia 1986 (= Studies in the History of the Language Sciences, Bd. 33). - Ein monumentales Werk für das Spanische ist „EI Conde de la Vifl.aza": Cipriano Conde de la Vifl.aza, Biblioteca historica de la filologia castellana, 3 Bdd., Madrid 1893. Es umfaßt 1112 Seiten und verzeichnet 1750 Titel zur wissenschaftlichen Beschreibung des Spanischen: 1 Dei origen y formacion de la lengua castellana; / 1 De la gramatica; / / 1 Dei diccionario. Der älteste Eintrag ist die Ortologia y ortogra.fia des Marques de Villena aus dem Jahre 1433, das erhaltene Fragment seiner Arte de trovar; der jüngste das Vocabulario de chilenismos por D. Camilo Ortuzar, de la congregacion de Salesianos: "Se estä imprimiendo en Turin y probablemente verä la luz publica ä fin del presente afio de 1893". Der Inhalt der angeführten Bücher und Beiträge wird genau geschildert und oft mit Zitaten ergänzt. Für keine andere romanische Sprache existiert ein so ausführliches bibliographisches Werk. Ein Nachdruck ist 1978 in Madrid erschienen. Die frühe Phase der spanischen Sprachwissenschaft ist jetzt erschlossen durch: Hans-Josef Niederehe, Bibliogra.fia cro- 18 Die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft. Lage und Aufgabe nologica de la lingüistica, la gramatica y la lexicografia de! espanol (BICRES 1). Desde los comienzos hasta el ano 1600, Amsterdam- Philadelphia 1995 (= Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science. Series III Studies in the History of the Language Sciences, Bd. 76); der zweite Band umfaßt den Zeitraum von 1601-1700: Hans-Josef Niederehe, Bibliografia cronologica de la lingüistica, la gramaticay la lexicografia del espanol (BICRES II). Desde el ano 1601 hasta el ano 1700, Amsterdam - Philadelphia 1999 (= Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science. Series III Studies in the History of the Language Sciences, Bd. 91). Der Verfasser sieht sich ausdrücklich in der Nachfolge der Biblioteca historica de la .filologia castellana des Conde de la Vifl.aza: "Desde esta perspectiva, se entiende bien que el prop6sito de esta Bibliografia cronologica de la lingüistica, la gramatica y la lexicografia del espanol (BICRES) no sea otro que el de reunir los datos ofrecidos en los estudios historiogräficos modemos con los que brind6 en su tiempo el conde de la Vii'l.aza [...]" (B1CRES I, S. 1). - Neuere Beiträge zur Geschichte der spanischen Sprachwissenschaft sind zusammengestellt in: Antonio Quilis, Hans-Josef Niederehe (Hgg.), The history of linguistics in Spain, Amsterdam - Philadelphia 1986 (= Studies in the History of the Language Sciences, Bd. 34). Eine Bibliographie neuerer Arbeiten zur Geschichte der Sprachwissenschaft in Spanien findet sich in: Jose Polo, Epistemologia del lenguaje e historia de la lingüistica, Madrid 1986. - In Rumänien ist auf diesem Gebiet sehr viel gearbeitet worden, jedoch hauptsächlich über rumänische Gelehrte. Vgl. etwa: B. Dimitrie Macrea, Lingvistici romtini, Bukarest 1959; Iorgu Iordan (Hg.), Jstoria lingvisticii romtine§ti, Bukarest 1978; B. Dimitrie Macrea, Contribufii la historia lingvisticii §i .filologici romtine§ti, Bukarest 1978. 2 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania 2.1 Die frühesten Beschreibungen des Okzitanischen Als erste der romanischen Sprachen ist im 13. Jahrhundert das Provenzalische (Okzitanische) ins Licht der Reflexion getreten und zum Gegenstand grammatischer Beschreibung geworden: Lo Donatz Proensals von Uc Faidit und Las Razos de trobar von Raimon Vidal sind die ältesten Zeugnisse romanischer Grammatikographie, die wir besitzen. Sie dienten zum Unterricht des Provenzalischen, dessen Kenntnis Ausländern Zugang zur provenzali: schen Dichtung verschaffen konnte diesen Zweck sollte wohl vor allem der Donatz seinen italienischen Lesern erfüllen-, aber auch, um die Normen der provenzalischen Literatursprache für die Dichter selbst zu bestimmen, eine Absicht, die bei den Razos im Hinblick auf die katalanischen Adressaten im Vordergrund gestanden haben dürfte. Lo Donatz Proensals 'Der provenzalische Donat': Metonymischer Gebrauch und Verallgemeinerung des Grammatikernamens weisen auf die vorbildhafte Stellung hin, welche der Schulgranimatik des Donatus im lateinischen Mittelalter zukam. In der Tat war „der Donat" eine der beiden berühmtesten lateinischen Grammatiken der damaligen Zeit. Aelius Donatus (in den Handschriften „Grammaticus urbis Romae" genannt) lehrte um die Mitte.des 4. Jahrhunderts in Rom. Über sein Leben ist nichts weiter bekannt. Er schrieb (neben nur aus Zeugnissen und Bruchstücken bekannten Kommentaren zu Vergil und Terenz) zwei Artes grammaticae. Die Ars minor war für den Elementarunterricht gedacht und behandelt katechismusartig in Frage und Antwort die Lehre von den acht Redeteilen: Partes orationis quot sunt? Octo. Quae? Nomen pronomen verbum adverbium participium coniunctio praepositio interiectio. Nomen quid est? Pars orationis cum casu corpus aut rem proprie comuniterve significans. Etc. Die Ars minor war sehr verbreitet und das Schulbu~h für den Grammatikunterricht 1ea-c'e~ox11v. Die Ars maior wurde für eine höhere Stufe des Grammatikunterrichts verwendet. Sie besteht aus drei Büchern. Das erste enthält die Lehre de voce, de litteris, de syllaba, de pedibus, de tonis, de posituris; das zweite wiederum die Lehre von den acht Redeteilen. Das dritte handelt 20 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania de barbarismo, de solecismo, de ceteris vitiis, de metap/ asmo, de schematibus, de tropis: eine kleine Rhetorik. Das dritte Buch wurde im Mittelalter auch der „Barbarismus" genannt, nach dem ersten Wort seines Eingangssatzes: "Barbarismus est una pars orationis vitiosa in communi sermone." Ars, die Bezeichnung des Ganzen, ist eine Verkürzung von Ars grammatica, einer Lehnübersetzung der griechischen Bezeichnung -cexvtt ypa.µµa.'tl.KT\. Die andere berühmte lateinische Grammatik ist die des Priscian. Priscianus Caesariensis, 'aus Caesarea in Mauretanien', lehrte um 500 nach Christus in Konstantinopel. Er war Verfasser eines großen Traktats in 18 Büchern, lnstitutionum Grammaticarum Libri XVIII. Es handelt sich um die größte überlieferte lateinische Grammatik und die einzige, die auch die Syntax enthält. Die Bücher I-XVI wurden im Mittelalter Maius volumen oder Priscianus maior genannt und reichten von den litterae bis zu den paftes orationis. Die Bücher XVII-XVIII, Minus volumen, Priscianus minor oder De constructione genannt, enthalten die Syntax. Eine alphabetische Wortliste mit Angaben zur Konstruktion bildet den Schluß. Das Werk Priscians hat die griechische Grammatik der alexandrinischen Zeit dem Westen überliefert. Es fand weite Verbreitung. Erhalten sind etwa 1000 Handschriften in allen westeuropäischen Ländern und eine lange Reihe von Kommentaren. Seine Termini und Klassifizierungen gingen in die abendländische Tradition ein. 1 Der provenzalische Donat also, Lo Donatz Proensals, wurde von Uc Faidit in Italien verfaßt und, wie man lange annahm, von ihm selbst synchron mit einer interlinearen lateinischen Übersetzung versehen, die Italienern die Lektüre erleichtern sollte. Heute herrscht die schon von Franyois Guessard, dem ersten Herausgeber der Schrift, vertretene Meinung vor, die Übersetzung sei eine (allerdings nicht sehr viel spätere) Hinzufügting von anderer Hand (möglicherweise aber· auch von der des Autors selbst). In einer der Handschriften (dem sog. Manuskript B, Bibliotheca Laurentiana XLI, 42), die Anfang des XIV. Jahrhunderts entstand, findet sich nach dem Text des· Donatz - und vor den darauffolgenden Razos ein kurzes provenzalischitalienisches Glossar eingefügt, das man früher für die Ergänzung eines gewissen Petrus Berzoli aus Gubbio hielt (vgl. 2.5.3). Die Razos de Trobar, die 'Regeln der Dichtkunst•2, schrieb der katalanische Dichter Raimon Vidal aus Besalu, der sich eingangs selbst vorstellt. Da 1 Zur Tradition der grammatischen Terminologie vgl. Siegfried Heinimann, "Zur Geschichte der grammatischen Terminologie im Mittelalter'', ZrP 79 (1963), S. 23-37. Zu Donat und seiner umfangreichen Wirkungsgeschichte s. Louis Holtz, Donat et la tradition de l'enseignement grammatical. Etude sur / 'Ars Donati et sa diffesion (JVe-/ Xe siecle) et edition critique, Paris 1981. Zur Entstehung der grammatischen Terminologie im Französischen vgl. die Literaturangaben zu den altfranzösischen Donatübersetzungen in unserer Bibliographie. 2 Zu den Bedeutungen von razon im Altokzitanischen und seiner Verwendung mit Bezug auf Sprache und Dichtung vgl. Emil Levy, Provenzalisches SupplementwiJrterbuch, & Bdd., Die frühesten Beschreibungen des Okzitanischen 21 er, Raimon Vidal, habe erfahren müssen, daß nur wenige die rechte Weise des Dichtens beherrschten, wolle er mit seiner Schrift zeigen und lehren, wie hierbei nach dem Vorbild der besten Troubadoure zu verfahren sei: Per so qar ieu Raimonz Vidals ai vist et conegut qe pauc d'omes sabon ni an saubuda la dreicha maniera de trobar, voill eu far aqest libre per far conoisser et saber qals dels trobadors an mielz trobat et mielz ensenhat, ad aqelz qe.l volran aprenre, con devon segre la dreicha maniera de trobar. Früher waren die Razos unter dem Titel La dreita Maniera de trobar bekannt (nach der Wendung, die in dem zitierten ersten Satz des Buches zweimal erscheint), so in Friedrich Diez' Troubadouranthologie, in Fran~ois Guessards erster Ausgabe des Textes und in italienischer Form in der Ausgabe von Giovanni Galvani: Della diritta maniera di trovare. 3 Edmund Stengel hält den Donatz für das ältere der beiden Werke. Er sei vielleicht schon Ende des XII. Jahrhunderts verfaßt worden: "Dass der Donat in Italien und für Italiener geschrieben wurde, scheint mir ausgemacht, ebenso wird man, seiner Sprache nach zu urteilen, annehmen dürfen, dass er älter als die Razos ist, also möglicherweise noch dem 12. Jh. angehört." 4 Nach anderen Autoren verhält es sich gerade umgekehrt: Die Razos seien am Anfang des XIII. Jahrhunderts entstanden, der Donatz etwas später. Paul Meyer meinte, die Razos seien „selon toute apparence" am Hofe Peres II. von Arag6n (1196-1213) geschrieben worden. 5 Stengel führt interne Merkmale zur Begründung seiner Auffassung an: "Der Verfall der alt-provenz. Declination, welchen Raimon in der Umgangssprache seiner Zeit constatiert, die Anfügung eines etymologisch unberechtigten s an Nominativformen, worin die Handschriften der Razos übereinstimmen, sprechen [...] eher für eine spätere Abfassung" (ibid., S. XXI). John Henry Marshall hat mit Hilfe der Dichterzitate, die sich in den Razos finden, eine relative Chronologie versucht und konimt zu einer ähnlichen Datierung wie Paul Meyer: „On these grounds one may tentatively place the composition of the Razos between 1190 and 1213." 6 Zur Entstehungszeit des Donatz läßt sich aus der Biographie des Autors kein Hinweis gewinnen, da von ihm nichts weiter Leipzig 1894-1924, hier Bd. 7, Leipzig 1915, S. 59-65. 3 Zur Textüberlieferung, Rezeption und Editionsgeschichte der beiden Texte vgl. die Bibliographie am Ende dieses Kapitels. 4 Edmund Stengel, Die beiden dltesten provenzalischen Grammatiken. Lo Donatz proensals und Las Rasos de trobar nebst einem provenzalisch-italienischen Glossar. Von neuem getreu nach den Hss. herausgegeben von Edmund Stengel, Marburg 1878, S. XX. 5 „Le succes l'a amene d'Espagne, ou il a selon toute apparence ete compose pour / es beaux esprits de la cour de Pierre II d'Aragon jusqu'en Italie, les deux mss. de Florence etant d'origine italienne" (Paul Meyer, "Sur quelques passages des grammaires provenvales 11", Romania 2 (1873), S. 347-350, hier S. 348 [Hervorh. v. uns]). 6 John Henry Marshall (Hg.), The Razos de trobar of Raimon Vidal and associated texts, Oxford 1972, S. LXX. 22 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania bekannt ist. Doch nennt der Verfasser nach dem Rimarium in einem lateinischen Schlußwort (nur in der Hs. A, 3569-3570) neben seinem eigenen Namen zwei Personen, um derentwillen er die Abhandlung geschrieben habe: Ugo Faiditus nominor qui Iibrum composui, precibus Iacobi de Mora et domini Cora~huchii de Sterlleto, ad dandam doctrinam vulgaris provincialis et ad dissernendum verum a falso in dicto vulgare. Die beiden Widmungsempfänger hat man nun mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus anderen historischen Quellen identifizieren können, so daß Marshall einen ziemlich engen Datierungsrahmen vorschlägt: "In fact, any date within the period 1225-45 remains possible, though the known association of the two dedicatees in 1243 makes the latter part of this period somewhat more probable." 7 Wenn wir die beiden ältesten romanischen Grammatiken, den Donatz proensals und die Razos de trobar, auf ihren intellektuellen Gehalt hin prüfen und vergleichen, so gebührt der Vorrang zweifellos den Razos: Sie sind wesentlich origineller. Das hängt vor allem damit zusammen, daß die Razos eigentlich nur beiläufig eine Grammatik sind (obwohl sich etwa drei Viertel des Werks mit Fragen der grammatischen Morphologie beschäftigen). In der Tat beansprucht der Verfasser in Titel und Einleitung seines Traktats, eine kritische Kunstlehre des Dichtens in der Sprache der Troubadoure vorzulegen, ein Anspruch, den er freilich nicht einzulösen vermag. 8 Immerhin aber erklärt sich daraus einerseits, daß seinem grammatischen Regelwerk Beispiele aus der Troubadourlyrik beigefügt sind, andererseits aber auch die Tatsache, daß dieses Regelwerk doch recht lückenhaft ist und mehr unter dem Gesichtspunkt möglicher Fehlerquellen als dem der Vollständigkeit niedergeschrieben wurde. Der Donatz lehnt sich dagegen bis in die Formulierung hinein eng an sein lateinisches Vorbild an und zeigt kaum Zügeeigenständiger Analyse. Doch liefert er uns durch seine Liste der Verben mit lateinischer Übersetzung und durch die nach ihrer Endung geordneten Wörter des Rimariums mit ihrer jeweiligen lateinischen Entsprechung zugleich zwei okzitanisch-lateinische Glossare, welche auch unter dem Gesichtspunkt 7 John Henry Marshall (Hg.), The Donatz Proensals of Uc Faidit, London 1969, S. 63. Bei der Lesung des verderbten Zitatanfangs folgen wir der Konjektur Marshalls. Die Rechtfertigung dieser Lesung gibt Marshall auf S. 339-340 seiner Ausgabe, wo sich auch eine Übersicht über die wichtigsten früheren Konjekturen findet. Eine Datierung des Donatz über die beiden Widmungsempfänger hat schon im Jahre 1884 Gustav Gröber versucht (der den Anfang des zitierten Satzes anders las und mit Stengel den Donatz fllr älter hielt als die Razos). Die Meinung Gröbers ist unlängst wieder aufgenommen und zur Geltung gebracht worden. Vgl. hierzu die Bibliographie am Ende dieses Kapitels. 8 Zu der eigentümlichen Diskrepanz zwischen Anspruch und Ergebnis der Razos vgl. John Henry Marshalls Beitrag über "Absicht und Erreichtes" des Traktats in der Einleitung zu seiner Ausgabe (S. lxxix-lxxxvi). Die frühesten Beschreibungen des Okzitanischen 23 der Geschichte der romanischen Lexikographie betrachtet werden können (vgl. 2.5.2). Beide Werke verbleiben im übrigen innerhalb der mittelalterlichen Tradition der lateinischen Grammatik. So trennen sie z.B. das Partizipium als einen gesonderten Redeteil vom Verbum, und sie behandeln den Artikel nicht, da das Lateinische ihn nicht kannte. Für die romanische Sprachwissenschaft sind bei den beiden Werken die folgenden Faktoren von Belang: 1. Das sprachliche Material selbst, das sie enthalten. Es gibt uns Auskunft über den Zustand des Provenzalischen und Italienischen dieser frühen Zeit. 2. Die verwendete grammatische Terminologie. Die Redeteile werden im Donatz proensals in der folgenden Weise adaptiert: 9 Las oit partz que om troba en gramatica troba om en vulgar proven~hal, zo es: nome, pronome, verbe, adverbe, particip, conjunctios, prepositios et interjetios. Donatz 1", 1-3, M 88 Die Kategorien des Genus und des Numerus werden so benannt: Genus es de cinq maneras: masculis, feminis, neutris, comus, omnis. Donatz 1\ 12-13, M 88 Numbres es singul[a]rs o plurals: singulars quan parla d'una causa solamen, plurals quan parla de doas o de / plusors. Donatz lb-2•, 38-39, M 90 Und die Modi und Tempora des Verbums: Cinc sun 1i modi dels verbes: endicatius, imperatius, optatius, conjunctius, infinitius. Donatz 4\ 224-225, M 106 E chascun dels .v. modi qu'eu ai dit desus deu aver .v. tems: presen, preterit non perfeit, preterit perfeit, preterit plus que perfeit, e futur. Donatz sa, 232-234, M 106 3. Der Name „proensals" für die okzitanische Literatursprache. Er war damals keineswegs allgemein üblich. Die okzitanische (provenzalische) Literatursprache wurde nämlich sonst „Limousinisch" genannt. Daher schreibt der Verfasser der Razos im ersten Teil seiner Abhandlung: La parladura francesca val mais et [es] plus avinenz a fär romanz et pasturellas, mas cella de Lemosin val mais per far vers et cansons et serventes. Et per totas 9 Wir zitieren nach den beiden kritischen Ausgaben von Marshall und führen die diesbezüglichen Seitenzahlen mit an (M). 24 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania las terras de nostre lengage son de maior autoritat li cantar de la lenga lemosina qe de neguna autra parladura; per q'ieu vos en parlerai primeramen. Razos B, 79vb, 72-76, M 6 Dabei macht Raimon Vidal klar, daß er mit der Bezeichnung „lemosi" keineswegs nur die Varietät des Limousin meint. Für den Gebrauch in der Dichtung eigne sich nämlich einerseits das Französische, andererseits die Sprache des Limousin, der Provence, der Auvergne, und von Quercy. Daher verwende er den Ausdruck „Lemosy'' für alle diese und die daran angrenzenden und dazwischen liegenden Gebiete: Totz hom qe vol trobar ni entendre deu primierament saber qe neguna parladura non es naturals ni drecha del nostre lingage, mais acella de Franza et de Lemosi et de Proenza et d'Alvergna et de Caersin. Per qe ieu vos die qe, qant ieu parlarai de „Lemosy", qe totas estas terras entendas et totas lor vezinas et totas cellas qe son entre ellas. Razos B, 80.., 59-64, M 4 Daß aber gerade der Name „Lemosy" extensiv für die Gesamtheit des Gebietes der Langue d 'oc gewählt wurde, erklärt sich nicht daraus, daß eben die Varietät des Limousin als exemplarisch gegolten hätte, sondern daraus, daß das Limousin die Heimat zahlreicher namhafter Troubadoure war (wie Bernart de Ventadour, Bertran de Born, Giraut de Borneil, Gaucelm Faidit). Aus diesem Grunde stellt der Titel Donatz proensals zunächst durchaus eine Besonderheit dar. 10 4. Einige wichtige analytische Beobachtungen zur Struktur der beschriebenen Sprache. Zum Beispiel werden nach lateinischem Vorbild vier Konjugationen angenommen. Davon ist die erste leicht zu identifizieren: Quatre conjugar; os sun. Tut aquelh verbe, l'infinitius dels quals fenis en -ar, si cum amar, chantar, ensenar, sun de la prima conjuga.yo. Donatz 5", 235-237, M 106/ 108 Bei den anderen freilich stellt man Überlagerungen fest, so daß die lateinische Klassifikation nicht ohne weiteres ins Okzitanische übernommen werden kann: De l[as] autras tres conjuga.yos sun tan confus l'infinitiu en vulgar que coven a laissar la gramatica e donar autra regla novella; per que platz a mi que aquel 10 Zum Namen des Altokzitanischen in den ältesten Grammatiken s. Heinrich Morf, "Vom Ursprung der provenzalischen Schriftsprache", Sitzungsberichte der königlich preussischen Akademie der Wissenschaften 45 (1912), S. 1014-1035, und wieder in: Heinrich Morf, Aus Dichtung und Sprache der Romanen, Bd. 3, Berlin - Leipzig 1922, S. 321-356. Morf weist darauf hin, daß die Bezeichnung proensa/ zuerst „von außen" mit Bezug auf das Okzitanische verwendet wurde (wie im Falle des Donat eben von Italien aus) und erst später im okzitanischen Sprachgebiet selbst (S. 356 des wieder abgedruckten Beitrags). Die frühesten Beschreibungen des Okzitanischen 25 verbe que lor infinitiu fan fenir in -er, si cum es aver, tener, dever, sion de la segonda conjugazo, aquelh que fenissen in -ire et aquel que fenissen in -endre, si cum dire, escrire, tendre, contendre, defendre, sion tuit de la terza, aquelh que fenissen in -ir, si cum sentir, / dormir, auchir, de la quarta. Donatz 5" -5\ 237-244, M 108 Auch beim Genus wird eine Divergenz zwischen dem Lateinischen und dem Romanischen bemerkt. So werden zwar nach traditionellem Vorbild die oben genannten fünf Genera angenommen. Es wird aber hinzugefügt, daß man im Okzitanischen das Neutrum eigentlich nicht kennt: Neutris es aquel que no perte a l'un ni a l'autre, si cum: gaur e bes; mas aici no sec lo vulgars la gramatica els neutris substantius, an se diyen aici cum se fossen masculi, si cum aici: grans es lo bes que aquest m 'a fait e grans es lo mals que m 'es venf'tz de lui. Donatz 1 , 18-23, M 90 Und in den Razos wird derselbe Sachverhalt wie folgt beschrieben: Apres ayyo devetz saber que gramatica fa v genres, yO es saber, masculi, femeni, neutre, comu, et omne. Mas en romany totas las paraulas del mon, sustantivas e aiectivas, son, axi com eu vos ay dig desus masculinas, femeninas, comunas [...]. Razos H, 26va, 141-144, M 9/ 11 Ferner werden zwar nach dem Vorbild der lateinischen Grammatik willkürlich sechs Kasus unterschieden: Li cas sun seis: nominatius, genitius, datius, acusatius, vocatius, ablatius. Donatz 2", 42-43, M 92 Gleichwohl geben beide Werke die zutreffende Beschreibung, daß der Nominativ Singular des Maskulinums auf -s auslautet, während die anderen Kasus kein -s zeigen, und daß sich dies im Plural umgekehrt verhält: E no se pot conosser ni triar l'acusatius del nominatiu sino per zo que.l nominatius singulars, quan es masculis, vol -s en la fi e li autre cas no.l volen, e.l nominatiu plural no [lo] vol e tuit li altre cas volen lo enl plural. Donatz 2", 51-54, M 92 An der Darstellung in den Razos (die Wörter werden „verlängert'' bzw. "verkürzt") wird zugleich die stilistische Differenz der beiden Werke deutlich: Hueimais deves saber qe toutas las paraulas del mon masculinas qe s'atagnon aI nomen et cella[s] qe hom / ditz en l'entendement del masculin, s[u]bstantivas et adiectivas, s'alongan en .vj. cas, so es a saber, el nominatiu [et el vocatiu] singular, el genitiu et el datiu et en l'acusatiu et en l'ablatiu plural; et s'abreuion en .vj. cas, so es a saber, el genitiu et el datiu et el acusatiu et el ablatiu singlar et el nominatiu et el vocatiu plural. Alongar apelli ieu cant hom ditz cavaliers, cavals, et autresi de totas las autras paraulas del mon. Razos B, 80vb-81'", 155-163, M 10 26 Die Arifänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania In dem Rimarium, das dem Donatz beigefügt ist, findet sich weiterhin eine interessante phonetische Unterscheidung. Bei Reimwörtern mit den Vokalen e und o wird bei der Auflistung jeweils nach dem Merkmal ! arg bzw. estreit differenziert: In -ocs larg: jocs brocs brocs ocs focs Dagegen: In -ocs estreit: bocs zocs iocus vel ludus vastesteum curas etiam ignis ircus pes ligneum propter ludum mocs sanies naris tocs tangas Rimarium 2637-2642 bzw. 2654-2658, M 222 Daß die beiden letztgenannten Phänomene in der frühesten romanischen Sprachbeschreibung von der lateinischen Schultradition abweichen und von einer entstehenden eigenständigen Beobachtung zeugen, war intuitiv vielleicht schon Raynouard bewußt. Denn er erwähnt sie ausdrücklich, als er im Jahre 1817 im zweiten Band seines· Choix des Poesies Originales des Troubadours kurz auf die beiden ältesten provenzalischen Grammatiken zu sprechen kommt: "L'un et l'autre ouvrage reconnaissent huit parties d'oraison; ils indiquent la regle qui distingue les sujets et les regimes soit au singulier, soit au pluriel" [...] "Ce qui rend le D0NATUS PR0VINCIALIS un monument tres-precieux et tres-utile, c'est qu'il y est joint un dictionnaire de rimes pour la poesie romane; non seulement il indique un tres-grand nombre de mots romans, mais encore il presente, dans la plupart des rimes, differentes inflexions des verbes et toutes les terminaisons qui fournissent les rimes sont distinguees en breves, ESTREIT, et en longues, LARG." (S. CLIII). Darin, daß er die Differenzierung zwischen ! arg und estreit im Rimarium für eine quantitative hielt, hatte sich Raynouard freilich getäuscht. Bald darauf deuteten Milä y Fontanals, Meyer und Chabaneau die Unterscheidung richtig als eine solche zwischen offener (! arg) und geschlossener (estreit) Artikulation, was übrigens dem italienischen Gebrauch von largo bzw. stretto analog ist. Auch in lateinischen Texten des Mittelalters bezeichnet stricto ore die geschlossene Aussprache. 5. Die Affirmation des Okzitanischen als Literatursprache eigenen Ranges. Die beiden ersten Traktate über das Regelwerk der Langue d'oc implizieren die Tatsache, daß man das Okzitanische für eine Literatursprache eigenen Die frühesten Beschreibungen des Okzitanischen 27 Ranges hielt, die zu kennen erstrebenswert war. Dabei konnte es im einzelnen zu Fragen der Abgrenzung von der Norm benachbarter verwandter Idiome kommen. So stellt Raimon Vidal fest, daß sich auch bei anerkannten Dichtern gelegentlich französische Formen ins „Limousinische" eingeschlichen haben. Man dürfe aber die Wörter beider Sprachen nicht vermischen: Et tug aqill qe dizon amis per amics et mei per me an fallit, et mantenir, contenir, retenir, tut fallon, qe paraulas son franzezas, et no las deu hom mesclar ab lemosinas, aqestas ni negunas paraulas biaisas. B, 83va, M 24, 461--464 Wenn man aber andererseits gewisse limousinische Wörter wie porta, pan oder vin auch in anderen Sprachen finde, 11 so bedeute dies noch nicht, wie einige fälschlich meinten, daß sie nicht gut limousinisch seien. Vielmehr seien sie in diesem Falle eben dem Limousinischen und jenen anderen Ländern gemeinsam. Dagegen handele es sich bei Wörtern, die im Limousinischen anders als in den übrigen Gebieten lauteten, um für das Limousinische spezifische: Mant home son qe dizon qe porta, ni pan ni vin non son paraolas de Lemosin per so car hom las ditz autresi en autras terras com en Lemosin. Et sol non sabon qe dizon; car totas las paraolas qe ditz hom en Lemosin [aisi com en las autras terras autresi son de Lemosin com de las autras terras, mas aquellas que hom ditz en Lemosin] d'autras gisas qe en autras terras, aqellas son propriamenz de Lemosin. B, 80'"-80'\ M 6, 77-83 Während der Donatz nach dem Zeugnis der frühen Erwähnungen nur in Italien verbreitet war, kannte man die Razos in Okzitanien, Katalonien wie auch in Italien, wenn auch dort vielleicht in etwas geringerem Maße. Die Bekanntheit und Verbreitung der Razos erhellt unter anderem aus der Tatsache, daß es schon im 13. Jahrhundert zu Nachahmungen und Bearbeitungen kam. Als eine solche „Tochter" der Vidalschen Abhandlung sind die Reg/ es de trobar von Jofre de Foixä. anzusehen. Der Autor beruft sich eingangs ausdrücklich auf sein Vorbild: "Ramons Vidals de Besuldu" habe ein Werk verfaßt, um der Unkenntnis in der volkssprachlichen Verskunst abzuhelfen. Doch setze dieses Buch Vorkenntnisse in lateinischer Grammatik voraus. Seine Absicht sei es daher, Vidals Regelwerk in allgemeinverständlicher Form darzustellen: Mas com aquell libre nulls homs no puga perfetament entendre ses saber la art de gramatica, (...] eu En laufres de Fuxa, per manament del noble e alt senyor En Iacme, per la gracia de Deu rey de S[i]cilia, qui en trobar pensa e.s adelita grantmen, studiey e pessey a dar, segons lo meu saber alcuna manera de doctrina 11 Gemeint ist vermutlich das Katalanische. 28 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania en romarn; : ; per que cells qui no.s entenen en gramatica, mas estiers han sobtil e clar engyn pusquen mils conexer e apendre lo saber de trobar. Der katalanische Verfasser Jofre (oder Jaufre) de Foixa, ein Ordensgeistlicher und Kirchendiplomat, ist in verschiedenen historischen Quellen zwischen 1267 und 1295 benannt. Da der in unserem Zitat erwähnte Jacme II. (Jakob II. von Arag6n und Sohn Peters III.) nur von 1285 bis 1291 über Sizilien herrschte, läßt sich die anzunehmende Entstehungszeit der Reg/ es durch diese Jahre begrenzen. Als Adressaten dürften katalanische Edelleute in Sizilien zu vermuten sein. Jofres Traktat ist aber nicht nur als vereinfachendes Imitat anzusehen, sondern es enthält auch hie und da eigene originelle Einsichten, vermutlich deswegen, weil gerade die Hinwendung zum weniger gelehrten Publikum das Eingehen auf den tatsächlichen Sprachgebrauch nahelegte. So scheint er als erster den Terminus Artikel auf eine .romanische Sprache angewandt zu haben (der ja in der grammatischen Beschreibung des artikellosen Lateinischen auf unklare Art und mit wechselnder Bedeutung gebraucht worden war): 12 Articles son .vij., yO es saber, li, le, la, lo (e aquests se aiusten ab nomen singular), li, las, los (aquestz s'aiusten ab nomen plural). Reg/ es H, 15'", 188-189, M 64 Jofre schildert dann, bei welchem Genus, Kasus und Numerus des Substantivs jede dieser Formen zu verwenden ist. Vereinfachend faßt er diese Regeln dann aber so zusammen: Im Nominativ Singular lauten die Formen le für das Maskulinum und li für das Femininum, in den anderen Kasus lo für das Maskulinum und la für das Femininum; beim Nominativ Plural des Maskulinums erscheint li, in den anderen Kasus los, der Artikel des Femininums lautet im Plural in allen Fällen las. Empero eu t'en diray pus breu regla. En nominatiu singular masculi ditz e met hom le, e en femeni ditz hom li. En los altres cazes del singular ditz hom lo, si es masculis, e si es femenis ditz hom la. En plural, si es nominatiu masculis, ditz hom li, e en los altres cazes ditz hom los; e si.l nom es femenis, en totz cas ditz hom las. E axi deu posar e aiustar tots homs los articles als nomens. Regles H, 15'\ 203-209, M 64/ 66 Während es Jofre bei seiner ·Bearbeitung der Razos um die bessere Verständlichkeit ging, unternahm es Terramagnino da Pisa in seiner Doctrina d'Acort, 13 die Abhandlung in provenzalische Versform zu bringen: 12 Vgl. Siegfried Heinimann, "Die·Lehre vom Artikel in den romanischen Sprachen von der mittelalterlichen Grammatik zur modernen Sprachwissenschaft. Ein Beitrag zur Geschichte der grammatischen Begriffsbildung", Vox Romanica 24 (1965), S. 23--43, hier S. 31. 13 Daß der Titel Doctrina d'Acort und nicht Doctrina de Cort zu lesen ist, wie früher manchmal angenommen, hat schon Adolf Tobler in seiner kurzen Besprechung der ersten kritischen Ausgabe des Textes durch Paul Meyer (ZrP 3 [1879], S. 310) dargelegt. Die Die frühesten Beschreibungen des Okzitanischen En lo nom de Dieu qu'es subirans, Pare, Fill e Speritz Sanz E guidanz de totz pecadors Ffauc mon Acort per.ls amadors Ques amon saber ab drechura Qals es aycella parladura Ques ha en chanz maior plaiensa E may avinen s'aiensa. 29 Zur Biographie Terramagninos kann fast nichts gesagt werden. Einige Hinweise sprechen dafür, daß er Pisaner war, auf Sardinien lebte und sein Lehrgedicht am Ende des 13. Jahrhunderts schrieb. Seine Kenntnis des Provenzalischen scheint er eher der Lektüre als der Übung in lebendiger Rede zu verdanken. Die Verbreitung seiner Arbeit blieb wohl auf einen kleinen Kreis italienischer Liebhaber der provenzalischen Verskunst beschränkt. In seinem Reimtraktat folgt Terramagnino im großen und ganzen seiner Vorlage. So hat die Regel zur Morphologie der Kasusformen aus den Razos "alongar" vs. "abreuiar'') in seiner Fassung die folgende Gestalt: La parladur' aietiva E tota la substantiva Se luoygna enls nombres amdos, E dels ses cas es la razos, So es dels singulars retz rics E de tots los plurals oblics, Quar ensemps se ressemblon; E atressi s'abreuion En tots los oblics sengulars, / Encar en los rets plurals cars, Car se semblo eyzamen. 57vb_5g'8, M 33, 165-175 Bedeutung von acort ist 'Reim', 'Reimwerk', 'Reimkunst'. Descort bezeichnet hingegen nicht einfach das dem acort Entgegengesetzte, sondern eine bewußt heterogene Komposition: Descort es dictatz mot divers, e pot haver aytantas coblas coma vers, sos assaber de v a x, lasquals coblas devon esser singulars, dezacordablas e variablas, en acort, en so et en lengatges. 'Le descort est un ouvrage fort varie; il peut avoir autant de couplets que le vers, savoir de cinq ä dix. Ces couplets doivent i! tre singuliers, discordans et differens de rimes, de chant et de langage.' Las Leys d'Amors, GAI, 342/ 343 Wir zitieren die Leys d'Amors hier wie im folgenden nach der Hs. A und der zweisprachigen Ausgabe von Felix-Adolphe Gatien-Amoult [GA], Monumens de la litterature romane. Las Flors de/ Gay Saber, estier dichas Las Leys d'Amors, Bd. 1-ill, Toulouse 1841-1843 (wobei wir die dort gegebene mittelalterliche Interpunktion um der besseren Verständlichkeit willen etwas adaptieren). Vgl. die Bibliographie am Ende dieses Kapitels. 30 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Wie Raimon Vidal in den Razos unterlegt auch Terramagnino sein Regelwerk mit Beispielen aus der Troubadourlyrik. So erläutert er die Unterscheidung von casus rectus und casus obliquus bei den femininen Nomina auf -s (wie amors, chansos, valors) unter anderen mit folgenden zwei Zitaten: Si con dis Gizbertz de [Poi]sibot: Que·s dobla valors De far ben e honors Lay on mestier han Anz q'hom quera ni deman. Bematz de Ventador le gays Qui molt avinen retrays, Dis en son chan eizamen: Ben es mortz qui d'amor no sen Al cor qalqe dosa sabor. 59'\ M 37, 283-292 Wenn sich Terramagnino generell an seine Vorlage hält, so weicht er doch auch manchmal von ihr ab (zum Beispiel, wenn er sie mißversteht); gelegentlich gelingt ihm allerdings auch eine sinnvolle Ergänzung. 14 In der Terminologie gesteht er sich hie und da eine eigene Freiheit zu. So verwendet er variars für die 'Kasus' (247), variar für die 'Deklination' (309, 365) sowie variamen ebenfalls für die 'Deklination' (376). Von den nominalen Flexionsformen spricht er als enars 'Gänge' (36) und an anderer Stelle als cors 'Verlauf (148). 14 So weist Marshall in seinem Kommentar (M 125-126) darauf hin, daß Terramagnino, 414•·\ die in den Razos (B 281-283, M 14) fehlende Rektusfonn des Obliquus baron nachträgt. 2.2 Die Grammatik der Leys d'Amors Die Wirkungslinie der Razos mündet in der Folgezeit in eine Tradition von Schriften, die eher der Rhetorik und der Poetik als der Grammatik zuzuordnen sind. Eine besondere Erwähnung wegen ihres sprachbeschreibenden Gehaltes verdienen indessen Las Leys d'Amors aus dem XIV. Jahrhundert, die in der Historiographie der Romanistik bisher noch nicht den ihnen gebührenden Platz gefunden haben, was großenteils auf die fehlende kritische Erschließung der entsprechenden Texte zurückzuführen ist. Bald nach seiner Gründung im Jahre 1323 beauftragte das Consistori de la Gaya Sciencia in Toulouse, eine Gruppe von Bürgern, die sich die Pflege der heimischen Sprache und Dichtung zum Ziel gesetzt hatte, seinen Kanzler Guilhem Molinier, eine Abhandlung über die grammatischen und poetischen Regeln der Langue d'oc zu schreiben. Das unter Beteiligung verschiedener Berater entstandene Werk trat 1356 als Leys d'Amors ans Licht der Öffentlichkeit, war aber zuvor schon intern in vorausgehenden Entwicklungsstadien und verschiedenen Fassungen in Gebrauch gewesen. Überliefert sind die Leys in einer längeren (A) und einer kürzeren Prosafassung (C) aus der Academie des Jeux Floraux, einer langen Prosafassung älteren Zustands (A 1 ), die im Arxiu de la Corona de Arag6 zu Barcelona aufbewahrt wird, und in einer Versfassung (B), die als Flors de! Gay Saber bekannt ist. Obgleich die Leys d'Amors an mehreren Stellen auf die Razos Bezug nehmen, 15 sind sie keinesfalls einfach als deren Nachfolgetext anzusehen, Vielmehr zeugen sie von einer umfassenden Kenntnis und souveränen Verarbeitung des gesamten Wissens von der Sprache im 14. Jahrhundert. Von der Tradition der höfischen Verslehre gelöst erscheinen die Leys d'Amors auch dadurch, daß sie einer städtischen Institution entstammen und sich an ein bürgerliches Publikum wenden. Innovativ sind sie schließlich durch die Ausführlichkeit ihrer Beschreibung und die Abkehr von der schematischen Übertragung der lateinischen Kategorien auf das Romanische. Themen und Disposition knüpfen freilich an die lateinische Tradition an. Im ersten Teil behandeln die Leys nach einigen Vorbemerkungen zur Kunst des Trobar Laute, Silben und Prosodie, im zweiten die Mittel und Formen der lyrischen Komposition. Im dritten kommt mit der Lehre von den Redeteilen die Grammatik zu Wort, während im vierten von Barbarismen und 15 Mit Namen genannt wird „Ramon Vidal de Bezaudu" in den Leys d'Amors, GA II, 402. An mehreren anderen Stellen gibt es Bezilge auf das in den Razos Gesagte. U.a. wird die in den Razos (B 79•\ 72-76; vgl. o. S. 23-24) vertretene Meinung zurückgewiesen, die galloromanischen Varietäten eigneten sich unterschiedlich gut für bestimmte Dichtungsgattungen (GA II, 392). Vielmehr schreibe man heute alles in der Jangue d'oc: "quar huey uza hom de totz aquestz dictatz en nostra lengatge." 32 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Figuren die Rede ist. Ein kurzer unvollendeter fünfter Teil enthält praktische Anweisungen zur Reitnfindung. Nach der einleitenden Ankündigung sollten u.a. noch eine lateinisch-romanische Übersetzungslehre, eine Theorie der lnventio und eine Dichterethik folgen. Bemerkenswert entwickelt ist die Wahrnehmung der lautlichen Fakten und ihrer Divergenz von der gleichwohl als unumgänglich angesehenen graphischen Konvention. So wird die Unterscheidung zwischen der offenen und geschlossenen Qualität der okzitanischen Vokale (die schon das dem Donatz beigefügte Rimarium kannte, wie wir gesehen haben) mit den Termini plenissonans 'vollklingend' und semissonans 'halbklingend' gemacht und dabei festgestellt, daß geschlossenes o inzwischen wie lateinisches u lautet; trotzdem sei es besser, bei der überkommenen Graphie zu bleiben und das gewohnte Schriftbild nicht zu ändern: A, e, o, sonan motas vetz dautra maniera, am petit so e mejancier, coma peza, grana, bes, devers, honors, e en ayssi dels autres lors semblans. Enpero segon art de Iati layon pauzam o semissonan, coma nom, plom e pom et ayssi dels autres: semblaria que deguessem pauzar u; quar ayssil pauza hom en Iati, et aysso pot hom vezer per aquestz vocables sum e cum. Empero uzatges y contraditz quar tostemps es acostumat descriure aytals motz ab o e no ab u; per que uzatge seguem en esta part; quar miels legem tot romans cant es escrigz segon uzatge, que no fariam per autra maniera. GAI, 16 Daß es sich bei der Unterscheidung der offenen und geschlossenen Vokalartikulation nicht nur um phonetische Normen, sondern um bedeutungsunterscheidende (phonemische) Merkmale handelt, stellt der Verfasser am Beispiel „utrisonanter" Wörter dar und zeigt so eine gewisse Intuition vom Begriff der Kommutation und des Minimalpaares. In einigen Fällen bedürfe es weder einer Veränderung der Konsonanten noch der Vokale. Allein der veränderte „Klang" der Vokale genüge, um eine Bedeutungsveränderung nach sich zu ziehen (wie bei pes „womit man geht'' und pes „womit man wiegt''): Encaras trobam que a, e, o son utrissonan; quar en un mot no qual mudar consonan ni vocal, segon quom pot ayssi vezer vas, pes, pres, tort, col, pas et en ayssi de trops autres. Enpero de ce que la vocals muda lo so, tantost se varia le significatz, coma pes: am quom va, pes am quom peza. Le premier es plenissonans, le segons semissonans; GAI, 16 Verwunderlich kann es allerdings erscheinen, daß auch itn Falle von a zwischen „vollklingender" (offener) und „halbklingender" (geschlossener) Artikulation unterschieden wird. Hierzu muß erläutert werden, daß es sich bei dem „geschlossenen" a um ein nasal beeinflußtes a handelt. Vors (bis zu einem gewissen Grade auch vor vor/ und v) warn nämlich „beweglich" (fr. „instable") und konnte auch schwinden. In diesem Falle aber beeinflußte es Die Grammatik der Leys d'Amors 33 den vorausgehenden Vokal, der folglich auch mit einem gleichen, aber unbeeinflußten Vokal keinen Reim bilden konnte. Pas < panis und pas < passus mußten also unterschieden werden. 16 Um die korrekte Lektüre sowie die korrekte Reimbildung zu erleichtern, empfehle es sich, bei der Schreibung die geschlossenen Vokale mit einem darunter gesetzten Punkt zu kennzeichnen: E quar en aytals motz hom se peca a legir, per so deu hom senhar la vocal semisonans amb un ponch dejos, segon que vezetz ayssi: Si de pres savis homes vas, Leumen no seras fols ni v~. Mays que regardes a lor pas, Ja not falhira vis ni p~. GAI, 18 Besonders die Katalanen neigten nämlich zur Verallgemeinerung der offenen Aussprache: Et adonx per esta maniera hom pot saber quora son li mot plenissonan e quoras semissonan. En aquestz motz semissonans se peccan fort Ii Catala, quar dels motz semissonans fan plenissonans motas vetz. GAI, 18 Bei der Behandlung der grammatischen Kategorien orientieren sich die Leys zwar an der lateinischen Tradition, und die lateinischen Kategorien sind der Ausgangspunkt der Beschreibung. Sie werden aber nicht mehr einfach auf das Romanische übertragen. Vielmehr werden die lateinischen und die romanischen Fakten gleichsam "kontrastiv" dargestellt, und oft wird ausdrücklich gesagt, daß die eine oder andere Kategorie im Romanischen nicht existiert oder aber im Romanischen ganz anders gestaltet ist als im Lateinischen. Daß es im Okzitanischen kein Neutrum mehr gibt, hatten schon die Verfasser des Donatz und der Razos angemerkt, wie wir gesehen haben. In den Leys wird bei der Betrachtung des Genus zwischen dem natürlichen Geschlecht, gendre real (als Eigenschaft biologischer Designata), und einem Genus der Lautgestalt (einer Formklasse), gendre vocal, unterschieden. In 16 „Dans Ja langue des troubadours a suivi dem ou de n est un a ferme (estreit); les Leys d'Amors disent que a defrancs est semissonan. [...] Cet a ferme du moyen-iige est devenu o dans de nombreux dialectes modernes." (Joseph Anglade, Grammtiire de / 'Ancien Proven~al, Paris 1921, S. 47-48). Vgl. a. Oskar Schultz-Gora, A/ tprovenza/ isches Elementarbuch, Heidelberg 6 1973, S. 61-62. Im übrigen findet sich schon in dem Reimverzeichnis, welches dem Donatz proensals folgt, eine Gegenüberstellung von Wörtern, die auf -as / arg bzw. -as estreit enden, u.a. cas < casus, cas < cadis vs. cas < canis; gras< grassus 'crassus' vs. gras< granus 'granum'; nas < nasus vs. nas < nanus; pas < passus vs. pas < panis; vas < vas 'Urne', 'Grabmal' vs. vas < vanus (1918-1962, M 198-199). 34 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschqft in der Galloromania dieser letzteren Hinsicht kenne das Okzitanische kein Neutrum. mehr. Die lateinischen Neutra seien mit den Maskulina zusammengefallen: E podetz entendre, segon los ysshemples pauzatz en lo masculi gendre vocal, que nos en romans no havem neutri gendre; quar tug li nom que mays que son segon lati de neutri gendre pronunciam en romans ayssi eo masculis, coma cel, .vergier, banc, et ayssi dels autres, en tan que deguna diferensa no fam entre masculi e neutri. GA II, 66 Von Neutra könne man dagegen bei bestimmten substantivierten Adjektiven sprechen, bei denen gleichsam das Wort „Sache" mitverstanden werde: Neutri gendre no havem si donx no es neutris sustantivats coma aysso es fayt e complit, ayzinat es ('c'est pr8t'), bo es, greu mes ('cela m'est penible'), mal mes; tug aquest vocable fayt, complit, ayzinat, bo, greu, mal son neutri sustantivat et enayssi dels autres. E son entendut aytal neutri sustantivat per aquest nom cauza. GA II, 68 Doch auch bei der Verteilung der Maskulina und Feminina ist es im Romanischen zu Änderungen gekommen. Der neue Sprachgebrauch müsse aber jetzt akzeptiert werden, und man dürfe sich keineswegs an der alten lateinischen Zuordnung orientieren: E nos deu hom meravilhar si nos no havem o no pronunciam lo gendre per aquela maniera que es en lati. Quar en lo lati es autra pronunciatios et autra aquela del Romans. Quar si hom pronunciava alcus motz en masculi ayssi quo son de masculi en lati, nos laysshariam nostre uzatge acostumat e nostra maniera de parlar coma bon amors,ferma paretz, clarafons, belajlors, e si voliam seguir lo lati deuriam dir bos amors, ferms paretz, clars fons, bels jlors e seria mal dig quar laysshariam nostre uzatge acostumat. GA II, 72 Kategorielle Änderungen werden auch beim Genus Verbi festgestellt. Die lateinische Schultradition unterschied fünf Genera: das Aktiv (wie amo), das Passiv (wie amor), das Neutrum ['Intransitivum'] (wie dormio), das Genus commune (wie amplector 'ich umfange' und 'ich werde umfangen') und das Deponens. Davon sind im Romanischen nur Aktiv, Passiv und Neutrum verblieben: Segon romans havem solamen tres gendres lactiu, le passiu, el neutri. GAIi, 232 Ebenso wie die Deponentien gibt es auch die doppelt deutbaren Formen des Genus commune nicht mehr: Be vezetz que comu ni deponen no havem; quar le comus es ditz segon la votz del lati e la maniera del significar. Quar una votz coma largior ha doas manieras de significar, so es yeu doni e soy donatz e quar en romans no havem una votz passiva que haia doas manieras de significar, so es activamen e passivamen, per Die Grammatik der Leys d 'Amors 35 so no havem verb eomu, quar en romans diversas votz son e diversas manieras de signifiear. GA II, 234 Dem Verfasser (oder den Verfassern) der Leys ist aber nicht nur das Fehlen gewisser lateinischer Kategorien im Okzitanischen bewußt, sondern auch die materielle Änderung der kategoriellen Ausdrucksverfahren. So wird im Falle des Passivums der mögliche Einwand zurückgewiesen, bei den periphrastischen Formen handele es sich eigentlich gar nicht um ein wirkliches Passivum, und zu Recht angeführt, daß schon das Lateinische in gewissen Sektionen des Passivparadigmas zusammengesetzte Formen verwendete: E segon aysso poyria hom dire que segon romans nos no havem passiu. Quar tug li passiu son supplit daquestz vers sum, es, fui et habeo, habes e dels partieips; quar si yeu die soy amatz vet aqui soy et aquest partieips amatz; tu eras amatz, vet ayssi eras et aquel meteysh particips; yeu havia estat amat ayssi ha dos verbs, havia et estat et aquest partieip amat. Et en ayssi o pot hom trobar en totz los autres moses e temps. Enpero aysso no eontrastan nos volem haver eonoysshensa dactiu e de passiu. E jaciaysso que de diverses verbs sia supplitz, ges per so nos no devem laysshar que no haiam eonoysshensa de passiu. Quar en granre de locz ysshamens vezem quel passius es supplitz segon lati, eoma amatus sum vel fui, amatus eram velfueram, et enayssi en granre dautres loez. GAIi, 236 Auch bei der Komparation werden unterschiedliche Verfahren im Lateinischen und Okzitanischen festgestellt, wobei hier allerdings der Komparativstatus der analytischen romanischen Formen unter einem Vorbehalt verbleibt "impropriamens"), vermutlich weil das synthetische Verfahren zum Teil noch fortbesteht: Le comparatius es regularmens aquela meteyssa votz del positiu, ab aquest adverbi mays o plus, eoma aquest es plus bels, ques aquel, o mays blancz, o plus longz, o mays savis, o plus certz. E segon aquesta maniera impropriamens havem nos eomparatiu en romans. Quar segon romans eant yeu die mays savis, o plus bels, aquel mays es una dictios, el savis es autra dietios. Aquo meteysh de plus bels. Quar en lo lati per aquestz dos motz es us motz solamen, eoma albior, mays blancz, felicior, plus astrucz, et enayssi de trops autres. GA II, 54 Was die Differenzierung von Subjekt und Objekt betrifft, so wird in den Leys d'Amors bemerkt, daß auch im Okzitanischen, das ja über eine Zweikasusflexion verfügt, in vielen Fällen keine Unterscheidung mit morphologischen Mitteln (cant a la votz 'was die Lautgestalt betrifft') mehr stattfindet. In diesen Fällen hat vielmehr ein Verfahren der Wortstellung die Funktion der Kasusendungen übernommen: · E quar entr el nominatiu e lacusatiu eant a la votz no podem assignar diferensa segon romans en totz los voeables que son eoma son li nom femini en a termenat 36 Die A,ifänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania coma bela, dona, taula, porta, e cum son li nom integral coma bras, pers, vers, / als et alcun pronoms cum aquel, aquest, et alcunas autras dictios que no volon s en lo nominatiu singular coma cor. Per so vos volem dar doctrina que conoscatz no solamens daquestz, mas dels autres quoras son del nominatiu, e quoras del acusatiu. Quar tostemps le nominatius saordena denan lo verb, e lacusatius apres, coma Bertranda porta Ta uferta, le capelas canta la messa. Perque Bertranda el capelas son de nominatiu e Ta uferta e Ta messa son dacuzatiu. GAIi, 10 Wenn aber der „Kasus" durch ganz andere Verfahren als die der nominalen Flexion ausgedrückt werden kann, dann lösen sich die Funktionen der grammatischen Kategorie des Lateinischen von ihrem morphologischen Paradigma. Im Zusammenhang mit diesem Ablösungsprozeß steht eine terminologische Innovation, die für die Leys d'Amors und die ihnen nahestehenden Texte charakteristisch ist. Bei der Definition des Kasus heißt es nämlich: Cas es variamens de dictios cazuals per habitutz o per votz o per la maniera del significar. 0 en autra maniera pot esser enayssi diffinitz: cas es variamens o mudamens de dictios de nom, de pronom o de particip. Lequals variamens se fay per habitutz o per votz o per la maniera del significar. GA II, 102/ 104 Der Kasus kann sich also durch die 'Lautgestalt' (votz) des Nomens (ein Kasusmorphem) darstellen oder aber ganz ohne Ausdruck nur durch die 'Art der Bedeutung', hauptsächlich aber durch die habitut. Der uns nicht geläufige grammatische Terminus habitut (< habitudo) wird von dem Autor der Leys offensichtlich nicht als Neologismus angesehen, sondern als bekannt vorausgesetzt. Denn schon im ersten Buch wird er bei der Behandlung von Hiatus und Elision ganz selbstverständlich verwendet: Can ditz Ti honest et apres Ti hueTh, vens aqui habitutz am lors cazuals: pueysh sec se lagensamens can ditz Tamic. Enpero can las vocals son unas meteysshas, coma Ti irat, li isnel: adonx los deu hom abreviar [...] GA 1, 28 Habitutz am lors cazuals ist hier offenbar zu verstehen als 'Artikel mit ihren Substantiven' . 17 Daß allerdings habitut nicht im allgemeinen einfach mit 'Artikel' zu identifizieren ist, sieht man am Fortgang der Erläuterung zur Kasusdefinition: Apres se sec en la diffinitio „lequals se fay per abitutz". Quar vezer podetz que las dictios en romans se varian mays per habitutz en lo comensamen, que per autra maniera. Quar en lo nominatiu en labitut del masculi havetz Te e daquel Te se forma labitutz del genitiu per esta maniera: Ajustatz denan Te de et ostatz ne e 17 Die cazuals, 'die dem Kasus unterliegenden Redeteile', sind Nomen, Pronomen und Partizip, wie später präzisiert wird: "Et enaysso que ditz cazuals compren lo nom, lo pronom el particip." (GA II, 104). Begriff und Terminus gehen auf die casuales der lateinischen Grammatiktradition zurück. Die Grammatik der Leys d'Amors 37 et hauretz de! . En labitut del datiu havetz al e forma se de labitut del genitiu, so es daquel de! : ostatz ne de et ajustatz a, hauretz al. GA II, 104 Der Ausdruck habitut meint folglich die das Nomen und seine Satzfunktion bestimmenden Morphemwörter, nämlich den Artikel sowie den Artikel mitsamt einer Präposition. Gegebenenfalls kommt aber auch eine Präpositi9n allein in Frage: E devetz saber que granre de locutios son que han aquesta habitut de que no son de genitiu cas, cant al significat, ans son de nominatiu o dautre cas coma mays de vertutz son en la Verges Maria, que en santa. que sia o mays ha de be en Tholosa, quen ciutat desta terra [...] GAIi, 114 Ebenso werden zur Bezeichnung des „Ablativs" per, ab, am, en als habitutz genannt: per bona conversatio, ab oratio, am lialtat, en bona diciplina (GA II, 118). Daraus aber ergibt sich, daß es Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von habitutz und eigentlichen Präpositionen geben kann: Item devetz saber que motas habitutz son pauzadas alcunas vetz per prepositios en singular et en plural, coma yeu veni de la gleyza. Aquest margues es devori. Yeu hay receubut aysso de vos. Vau a la plassa oz al hostal. Yeu soy passatz per vostra carriera. Yeu fau be per mon pro. Yeu compari per mo maestre. Yeu estau en patz. En aquest hostal vuelh estar. Dieus sia am nos et am vos. Yeu vau ab Ermengau mon companh. Totas aquestas habitutz son ayssi pauzadas per prepositios. GA II, 118 Diese Schwierigkeit kümmert den Verfasser aber nicht weiter, und er beläßt es bei der Feststellung, daß es im Romanischen eben keinen großen Unterschied zwischen beiden Kategorien gebe: Pero en Romans noy fam gran diversitat sian pauzadas per habitutz cazuals o per prepositios; quar la pronunciatios es tota una. GA II, 118 Daß die habitut als funktionelle „Einkleidung" des Nomens zu verstehen sei, wird mit einem bedeutungsentfaltenden Bild mittelalterlicher Etymologie verdeutlicht, das der Unterrichtspraxis entstammen dürfte. Mann und Frau sowie die unterschiedlichen Ordensleute erkenne man an ihrem Kleide: E vol dire habitutz aytant coma habil; quar habitz es senhals que dona conoysshensa dome et de femna. Quar si hom e femna portavo i meteysh habit o tug li religios, ja hom no conoyssheria leumen quals es homs, ni quals es femna, ni poyria saber de qual orde ni de qual religio es aquest, ni aquel, perque a labit, so es a la diversitat et a la proprietat del abit, hom pren conoysshensa dome e de femna e de lor estamen. GA II, 112/ 114 38 Die Arifänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Wenn aber Genus, Numerus und Kasus durch die habitutz ausgedrückt werden, dann liegt die Vorstellung nahe, die Alternanz der Nominalbegleiter als eine neue romanische Art der Deklination zu betrachten. Nach einiger Überlegung kommt man in den Leys jedoch zu der Auffassung, von einer Deklination könne man im „Romanischen" nicht sprechen. Denn die Deklination bestehe eben darin, "den Anfang [sc. eines Wortes] beizubehalten und das Ende abzuwandeln", 18 was aber im Romanischen gerade nicht geschehe: Segon Romans nos no havem declinatio en lo nom, ni en lo pronom, ni en lo particip, ni en lo verb. Quar declinar es lo comensamen tener e. la fi variar; e quar tug li cas no varian la fi, ni teno lo comensamen, ans lo varian tug que mays, per so no havem declinatio. GAIi, 110 Außerdem fehlen im Romanischen die für das Lateinische charakteristischen Flexionsklassen des Nomens "a-Deklination", "o-Deklination", bzw. "erste Deklination", "zweite Deklination" etc.). Wollte man daher die Alternanz der dem Nomen vorangestellten Morphemwörter als „Deklination" ansehen, so bliebe es bei einer einzigen Deklination (die man aber nicht „die erste" nennen könne, weil es keine zweite gebe): Ad aysso respondem que tug li cas que mays per habitutz se varian en Romans, sos assaber la us de lautre per una maniera, o quays per una maniera, segon laqual poyria hom assignar una declinatio. Enpero aquesta declinatios no pot esser dicha primiera, quar non es segonda, ni segon, quar no es primiera. En lo lati es per autra maniera, quar los cazes trobaras variatz diversamen, perque son diversas declinatios, et ayssi meteysh entendatz del pronom e del particip. GA II~ 112 Was aber die im Altokzitanischen wirklich erhaltenen Reste der lateinischen Nominalflexion angeht, so entscheidet man sich in den Leys für die Ökonomie der sprachlichen Beschreibung. Es handele sich um eine marginale Erscheinung, die nur die Differenzierung des Nominativs betreffe, und dies auch nur bei einigen Wörtern. Es sei daher besser, sich an der Mehrzahl der Fälle zu orientieren, wo es keine Kasusunterscheidung durch die Endungen gebe: E si vols dire que le nominatius el vocatius varian la fi coma le Reys, li Rey, ad aysso dizem que ges en totz los nominatius e vocatius no se sec aquest variamens, mas solamens en alcus. Encara mays, quar mays son dels cazes qui no varian la fi, que no son daquels que la varian, quar le genitius, datius, acuzatius, ni lablatius no varian la fi. Dome quo mays sian aquest que no varian la fi que aquel que la varian, per so es miels quom se tenga ab la major partida daquestz que nos varian en la fi. Quar si tu dizes dona per totz los cazes trobaras dona et aquo meteysh de lutz, que no y trobaras differensa, si no en labitut. Aquo 18 Vgl. Priscian, IG V, 68: "Casus est declinatio nominis vel aliarum casualiwn dictionum, quae fit maxime infine." Die Grammatik der Leys d'Amors 39 meteysh Reys, Princeps, no y a differensa, exceptat en labitut, sal dels dos cazes sobredigz sos assaber lo nominatiu el vocatiu. GAIi, 110 Die „Einkleidung" des Nomens durch die habitutz wird also in den Leys anläßlich der Kasusfunktion (und der Variation ihres Ausdrucks entsprechend den Kategorien des Genus und des Numerus) behandelt. Insofern mit den habitutz die Artikel der heutigen Terminologie gemeint sind, kommt aber auch deren eigentliche Bedeutung, nämlich die nominale Determination, zur Sprache. 19 Und zwar finden wir in dieser Hinsicht zunächst eine eigentümliche Klassifikation. Analog den Kategorien der Allgemeinnamen und der Eigennamen wird nämlich zwischen 'Allgemeinnamenbegleitem' und 'Eigennamenbegleitem' unterschieden: Item devetz saber que nos havem en romans doas manieras dabitutz: alcunas son comunas et alcunas proprias. GA II, 114 Die habitutz proprias erscheinen nur bei Eigennamen von Personen, und zwar wenn von diesen mit einer gewissen Achtung die Rede ist, weswegen sie auch habitutz honorablas genannt werden: En autra maniera son apeladas aytals habitutz honorablas, quar daquelas uza hom motas vetz per dar alcuna honor a persona, segon que auziretz enjos. GA II, 126 Die Formen lauten En und Na bzw. N' und sind als proklitische Verkürzungen von domine, domina zu erklären. 20 Sie kommen nur im Singular vor, da die Eigennamen ihrer Natur nach keinen Plural kennen. Angeführte Gegenbeispiele entkräften diese Regel nicht. Denn Ausdrücke wie „alle Wilhelms" bedeuten eigentlich nur 'alle Individuen, welche den Namen Wilhelm tragen': 21 19 Zu diesem Problemkreis vgl. unseren Beitrag "Detenninacion y entomo. Dos problemas de una lingüfstica del hablar'', Rlb 1 (1955-1956), S. 24-54; und wieder in: Eugenio Coseriu, Teoria de/ / enguaje y / ingüistica genera/ . Cinco estudios, Madrid 1962, 2 1967, Ndr. Madrid 1970, S. 282-323; d. Ü. "Detenninierung und Umfeld. Zwei Probleme einer Linguistik des Sprechens", in: Eugenio Coseriu, Sprachtheorie und allgemeine Sprachwissenschaft. 5 Studien, München 1975, S. 253-290. 20 Ein Beispiel ist uns oben schon begegnet, als wir anläßlich der Datierungsfrage der Reg/ es de Trobar von Jaufre de Foixa den König von Sizilien „En Iacme" genannt faq.den. 21 Zur neueren Diskussion um diese Frage vgl. Eugenio Coseriu, "EI plural en los nombres propios", RBF 1 (1955), S. 1-15; und wieder in: Eugenio Coseriu, Teoria de/ / enguaje y lingülstica genera/ . Cinco estudios, Madrid 1962, 2 1967, Ndr.: Madrid 1970, S. 261-281; d. Ü. "Der Plural bei den Eigennamen", in: Eugenio Coseriu, Sprachtheorie und allgemeine Sprachwissenschaft. 5 Studien, München 1975, S. 234-252. 40 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Et han loe en lo singular; quar parlar de nom propri en singular, aysso es propriamen. Quar li nom propri devo esser de singular solamen. E parlar daquels en plural, aysso es no propriamen. Quar noms propris no deu haver plural. Jaciaysso quom puesea dir tug li Guilhem desta vila volgra que aguesso mil liuras de renda. Pero aquesta loeutios es entenduda per esta maniera: Tug li Guilhems so es tug aquel qui son apelat daquest o per aquest nom Guilhem. GA II, 126 Was aber die habitutz comunas angeht, so wird dem Verfasser der Leys ihre determinative Funktion bei den beiden "Kasus" bewußt, die nicht durch Präpositionen bezeichnet werden, nämlich dem Nominativ und dem Akkusativ. In der Tat stellt er fest, daß die habitut ( der Artikel) hier stehen oder fehlen kann: Item devetz saber que ges tug li nom, pronom ni partieip no han tostemps habitut en aquestz dos eazes, en nominatiu et acuzatiu singulars o plurals. GA II, 122 Auf die Regeln für die jeweilige Setzung oder Unterlassung der habitut möchte er gleichwohl nicht im einzelnen eingehen, da dies zu umständlich und langwierig sei. Stattdessen verweist er auf den jedem geläufigen Sprachgebrauch, d.h. auf Intuition und Sprachempfmden der Sprecher: E si diziam quoras deu hom pauzar habitut, ni eoras no, en aquestz dos eazes, aysso seria trop lone. Quar assatz o pot hom haver per uzatge. GA II, 122 Denn es sei ja jedem klar, daß es Sätze gebe, die ohne Artikel falsch seien, wie etwa Maestres lieg 'Lehrer liest'; in anderen (z.B. bei Eigennamen) sei gerade die Setzung der habitut ein Fehler: Quar be vezetz que si yeu die Maestres lieg, quieu falhi ayssi, quar no doni habitut al maestre, eoma le maestres lieg. Ysshamens si yeu die le Peyres lieg, yeu falhi, quar aqui no devi pauzar habitut, mas solamen Peyres lieg, et enayssi trobaretz que aleunas vetz las dictios volon habitut, et aleunas vetz no. GA II, 122 In anderen Fällen sei es möglich, je nach der Art der beabsichtigten Aussage (segon la maniera de parlar) den Artikel zu setzen oder nicht: Enearas son aleunas dictios, quom lor pot donar habitut quis vol, o no, segon la maniera de parlar, eoma Monge van per vila, Mercadier gazanho ara, o pot hom dire, ab habitut Li monge van per la vila, Li mercadier gazanho ara. GA II, 122 Denn die Artikel bei den beiden genannten Kasus (dem Nominativ und dem Akkusativ) bezeichneten gleichsam den Bezug auf eine bestimmte intentionelle Vorstellung im Bewußtsein des Sprechers (aquo que lentendemens daquel que parla enten e porta en son coratge). Wenn wir beide ein Pferd gesehen haben, kann ich zu dir sagen: "Das Pferd wird verkauft''. Fehlte aber Die Grammatik der Leys d'Amors 41 hier der Artikel, so würde der Ausdruck unbestimmt, allgemein und unverständlich: Perque devetz saber que las habitutz daquestz dos cazes quaysh fan relatio ad aquo que lentendemens daquel que parla enten e porta en son coratge. Quar si yeu e tu havem vist j caval, yeu poyray dire a te le cavals ·es vendutz en ayssi, que aquesta habitutz le quaysh fay relatio a la cauza quom enten. Quar si aquel le no era aqui, aquela locutios seria cofuza e generals, quom re non entendria, quo si ho.m dizia cavals es vendutz. GAIi, 122 Nach dieser allgemeinen Kennzeichnung der Artikelfunktion wird aber noch einmal versucht, die Frage der Setzung oder Nichtsetzung des Artikels von ihrer negativen Seite her zu klären. Es werden nämlich fünf Gründe angeführt, die den Artikel gegebenenfalls verhindern: E devetz saber quentre las autras cauzas que tolo habitut alcunas vetz en lo nominatiu et en lo acuzatiu singulars o plurals, son aquestas v, sos assaber enterrogatios, enfinitatz, generalitatz, demostratios, certanetatz. GA II, 122 Mit enterrogatios, enfinitatz, demostratios als Hinderungsgründen ist gemeint, daß die Artikel nicht zu interrogativen, indefiniten, demonstrativen Pronomina (hier unter Einschluß der Personalpronomina) treten. Für die "Allgemeinheit'' der Aussage, die oft zum Verzicht auf den Artikel führe, nennt der Verfasser folgende Beispiele: Grans gaugz es en terra; Grans dols es en guerra; Grans caytivier sue.fre, qui no ha que manjar; Gran tristor ha, qui pert sos amix; Grans dampnatges es qui pert lo sieu, besonders bei Ausdrücken am Satzanfang: [...] et enayssi aytals locutios generals o quaysh generals, can son a comensamen de razo o de locutio, no requiero habitut. GA II, 124 Ebenso sei es auch bei der „allgemeinsten" Aussage (locutios sobregenerals) mit „unbestimmter" Referenz (cofaza): · · Ayta pauc cant la locutios es sobregenerals, coma aybres es, mayzos es, cavals es, laqual nos apelam cofuza. GA II, 124 22 Ebenso wie bei der Unbestimmtheit des Bezuges könne aber auch gerade die Bestimmtheit zum Verzicht auf den Artikel führen. Dies geschehe bei den 22 Siegfried Heinimann, "Die Lehre vom Artikel in den romanischen Sprachen von der mittelalterlichen Grammatik zur modernen Sprachwissenschaft", Vox Romanica 24 (1965), S. 23-43, hier S. 41, nimmt an, daß diese Beispiele sich auf Anfllnge von Definitionen beziehen, die in der Tat in der Sprache der Leys artikellos erscheinen. Man könnte auch an Existenzsätze denken. 42 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschqft in der Galloromania schon genannten Demonstrativa und den Eigennamen (und die als den Eigennamen vergleichbar betrachteten Unica, wie Sonne und Mond): Item certanetatz alcunas vetz tol habitut et en aquesta certanetat pot hom entendre ysshamens demostratio, els norns propris, coma Peyres lieg; Guilhelms canta; Yeu veg Tholoza; Yeu veg Narbona; Solelhs fay; Lugana fay. E dizem "alcunas vetz", quar ges totas vetz no se sec, coma le solelhs raia, la Luna appar, et en ayssi de Iors semblans. GA II, 124 Es folgen dann einige Beobachtungen zum Artikel beim Adjektiv, die nur wenig Einsicht in die sprachlichen Funktionen verraten: beim prädikativen · Adjektiv fehle er, vor attributiven Adjektiv bei Eigennamen stehe er manchmal (le valens Alexandres es mortz); beim substantivierten Neutrum fehle er (bo es, bei es), manchmal jedoch nicht (/ o remanen daquesta regla es ad autra part). Im allgemeinen aber sind die Ausführungen, die wir in den Leys d'Amors zu den habitutz finden, durchaus bemerkenswert, und zwar in dreierlei Hinsicht: erstens in Bezug auf die festgestellten sprachlichen Fakten, d.h. auf die Einsicht in die Funktionsweise der nominalen Determination, zweitens in Bezug auf die Beschreibung der habitutz als sprachliches Verfahren, drittens in Bezug auf die Wahl des Terminus habitut selbst. Was nun die Feststellung der sprachlichen Fakten angeht, so finden wir in den Leys zunächst einen Ertrag ex negativo. Denn zuweilen läßt sich in der Geschichte der Wissenschaft auch aus der unsicheren Affirmation, ja sogar aus dem Schweigen, ein gewisser Aufschluß gewinnen. 23 Um einen solchen Fall handelt es sich bei dem auf den ersten Blick enttäuschenden Eingeständnis des Verfassers, eine genaue Regelbeschreibung zum Setzen des Artikels könne er nicht geben, weil dieses einerseits zu zeitraubend, andererseits aber die angemessene Verwendung jedem Sprecher klar sei. Hinter dieser ausweichenden Haltung steht nämlich die richtige Erkenntnis, daß die intuitiv von den Sprechern ohne weiteres und mit subtiler Differenzierung gehandhabte Verwendung der Artikel auf einem komplexen Zusammenspiel von sprachlichen Kategorien, Redeumfeldern und Weltwissen beruht, das nur schwer in allen Einzelheiten zu beschreiben ist. 24 Aufgrund dieser Schwierigkeit verfügen wir denn auch trotz der kaum mehr zu überblicken- 23 Dies freilich nicht in absoluter Hinsicht (denn sonst wäre die Deutung der Wissenschaftsgeschichte einfach willkürlich), sondern nur in der Korrelation mit dem Positiven·und mit der sicheren Affirmation und dem, was aufgrund des Positiven und der sicheren Affirmation erwartbar wäre. 24 Zu dieser allgemeine Konstellation und den sie betreffenden Verfahren der Rede verweisen wir auf unseren schon in Anm. 19 genannten Beitrag „Determinaci6n y entomo. Dos problemas de una lingü[stica del hablar", R.Jb 1 (1955-1956), S. 24-54. Die Grammatik der Leys d'Amors 43 den Fülle der Veröffentlichungen zu dieser Thematik in jüngerer Zeit2 5 noch immer über keine theoretisch kohärenten und deskriptiv erschöpfenden Artikelmonographien von Einzelsprachen und nur über wenige, die diesen Zielen in achtbarer Weise nahekommen. Die zweite wichtige Beobachtung, die wir zur Funktion des Artikels in den Leys d 'Amors finden, ist die, daß er auf das Bekannte, das Bestimmte, das zwischen Sprecher und Hörer einvernehmlich als individuell Gemeinte verweist, daß er also (im Zusammenwirken mit den Umfeldern) das bewirkt, was wir „Individuierung" genannt haben. Daß der Artikel das Bekannte, das in der Situation Individuelle (Individuierte) bezeichnet, erscheint an dieser Stelle zum ersten Mal innerhalb der grammatischen Beschreibung einer romanischen Sprachen. 26 Drittens schließlich enthält der Versuch, Regeln für die Abwesenheit des Artikels zu finden, die richtige Intuition,. daß es dafür zwei verschiedene Gründe geben kann: einmal den, daß die Bestimmtheit (das Individuelle) schon durch andere Faktoren gegeben ist (wie im Falle der Eigennamen), zum zweiten den, daß gerade nicht das Bestimmte, sondern etwas anderes (das Unbestimmte, das Allgemeine) intendiert ist. Freilich verfährt der Verfasser dabei in etwas unbeholfener Weise. Es hat nämlich den Anschein, als habe er sich bei der Feststellung der fünf Gründe für das Fehlen des Artikels (enterrogatios, enfinitatz, generalitatz, demostratios, certanetatz) einfach an die Reihe der species des Nomens bei Priscian gehalten, um dann festzustellen, bei welchen dieser species kein Artikel steht. 27 Dabei werden ihm die kategoriellen, klassematischen und funktionellen Unterschiede der den Artikel entbehrenden Ausdrücke offenbar nicht bewußt. Immerhin aber bemerkt er, daß sowohl im Falle der generalitatz wie im Falle der certanetatz der Artikel fehlen kann. 25 Vgl. etwa Gottfried Kolde, Nominaldetermination. Eine systematische und kommentierte Bibliographie unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen, Englischen und FranziJsischen, Tübingen 1996. Koldes Bibliographie umfaßt immerhin 618 Seiten. 26 Darauf hat Siegfried Heinimann in seinem schon genannten Aufsatz „Die Lehre vom Artikel in den romanischen Sprachen von der mittelalterlichen Grammatik zur modernen Sprachwissenschaft. Ein Beitrag zur Geschichte der grammatischen Begriffsbildung", Vox Romanica 24 (1965), S. 23-43, hier S. 42, hingewiesen. Heinimann zeigt auch, daß die Leys hier in gewisser Weise Priscians Unterscheidung zwischen demonstratio und relatio aufuehmen (wobei die relatio den Bezug auf das schon Bekannte meint), und daß Priscian dabei wiederum Apollonios folgt. Außerhalb einer grammatischen Beschreibung hatte allerdings schon im 13. Jahrhundert Roger Bacon diese Funktion des bestimmten Artikels annähernd in Bezug auf das Französische festgestellt (vgl. 5.3.1 ). 27 „Aliae fere omnes species in nominibus inveniuntur appellativis. Sunt autem hae: adiectivum, ad aliquid dicturn, quasi ad aliquid dictum, gentile, patrium, interrogativum, infinitum, relativum vel demonstrativum vel similitudinis, collectivum, dividuum, facticium, generale, speciale, ordinale, numerale, absolutum, temporale, locale." (Priscian, JG II, 27). 44 Die A,ifänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Bemerkenswert bei der Lehre von den habitutz ist ferner ihre Betrachtung als sprachliches Verfahren. Diese kommt dort ins Spiel, wo die Frage gestellt wird, ob man eventuell in der Determination durch die habitutz eine neue Art der Deklination sehen könne. Interessant ist nun nicht so sehr die Antwort auf diese Frage (die negativ ausfä.llt, wie wir gesehen haben), wie das Aufwerfen der Frage selbst. Die Autonomie der Beobachtung und des Urteils, die allein in der Stellung dieser Frage liegt, kann man ermessen, wenn man bedenkt, wie sehr die erhaltene Zweikasusflexion als Kennzeichen der okzitanischen Mundarten, ja als das sie einende Band galt. Noch Jofre de Foixa hatte sein Werk als „Dichtkunst in den Kasussprachen" bezeichnet: E sapies que en trobar proensales se enten lengatges de Proen~a, de Vianes, d'Alvemya, e de Limosi, e d'altres terres qui llur son de pres, les quals parlen per cas. ReglesdetrobarH, 14v\M64, 175-178 In den Leys dagegen wird die Zweikasusflexion nüchtern als quantitativ marginal dargestellt (obwohl ihre morphologischen Verhältnisse recht ausführlich, GA II, S. 152-190, abgehandelt werden). 28 Was aber den Vergleich der lateinischen Kasusflexion mit den „prädeterminierenden" Morphemparadigmen angeht, so wird das materielle Verfahren von der Bedeutungsfunktion getrennt. Für diese bleibt freilich der Name „Kasus" erhalten. Auf der Ausdrucksebene aber wird jetzt das prädeterminierende Verfahren als das maßgebende anerkannt. Im Zusammenhang mit der Trennung von Bedeutungsfunktion und dem Verfahren ihres materiellen Ausdrucks steht aber, wie wir oben schon erwähnt haben, auch die eigentümliche terminologische Neuerung habitut. Lat. habitudo, eine vor allem vor- und nachklassisch belegte Variante von habitus, bedeutet wie dieses pr4'när 'die äußere Gestalt', 'das Erscheinungsbild'. In der philosophischen Literatur des Mittelalters finden wir es dann mit der Bedeutung 'Verhältnis', 'Beziehung', 'Abwandlung'. Auf bisher noch wenig bekannten Wegen gelangte das Wort in die Terminologie der Leys d'Amors, wo es die nach dem Verlust der Formen und des Begriffs der Deklination vakante Stelle des Namens für die Entsprechungen der Kasusfunktionen auf der Ausdrucksebene übernahm. 29 28 Das Nebeneinander der beiden Verfahren sieht man schön an dem einleitenden Satz zu dieser Abhandlung: "Vistas las habitutz dels cazes hora es que tractem de las termenatios daquels [...]." GA II, 152. 29 Zur Fundierung der habitut in der Verwendung des Terminus habitudo in der logischen und grammatischen Literatur des Mittelalters s. Brigitte Schlieben-Lange, "abitut. Zur Verwendung eines modistischen Terminus in den Leys d'Amors", in: Daniele Gambarara, Stefano Gensini (Hgg.), Language philosophies and the language sciences. A historical perspective in honour of Lia Formigari, Münster 1996 (= Materialien zur Geschichte der Sprachwissenschaft und der Semiotik 8), S. 49-68. Die Grammatik der Leys d'Amors 45 Abstrakter und präziser als in den Leys d'Amors wird die Bedeutung des Terminus habitut im Torsimany von Lluis de Aver~6 charakterisiert: 30 E per general concluzi6 de tots los senyals demunt ditz, axf en nombre singular posatz com en nombre plural, sapiatz que be que alguns d'elhs sien de natura preposicional, o adverbial, o qual que altra natura vulhes que hajen totz o cascu d'elhs, deuen eser apelhatz abitut, com aquesta dicci6 abitut, a mon petit viares, als no vol dir sin6 designaci6 de alguna cosa [...] Casas Horns 1956, I, 181 Die habitut, wie immer sie materiell erscheinen mag vielleicht dürfen wir sogar annehmen, daß der Verfasser auch die nichtmorphologischen Ausdrucksmittel, etwa die Wortstellung mitmeint -, 31 ist also nichts anderes als die „Kennzeichnung einer Sache", d.h. "das eine nennende Bedeutung ergänzende grammatische Funktionskennzeichen". Ausführlich und originell handeln die Leys d'Amors auch von der Wortbildung, die nach dem Vorbild Priscians unter den Nominalkategorien species (principalis, derivativa) und figura (simplex, composita, decomposita) erscheint, und von der Verbalsyntax, die als die Lehre von den möglichen Kombinationen der Tempora und Modi dargestellt wird. Freilich wird aus der Tradition auch manches Ungereimte und Unverstandene in die Leys d'Amors aufgenommen. So finden wir bei der Behandlung des Genus unvermutet nun doch den Terminus article: Das Lateinische habe noch ein sogenanntes Artikelgenus, das man nämlich an dem beigefügten Artikel erkenne, wie im Falle von hie magister, haec musa. Und die drei Pronomina hie, haec, hoc nenne man „Artikel". Eine solche Genusunterscheidung aber kenne das Romanische nicht. Hier diene nur die Kenntnis der bezeichneten Sachen und die Wortform zur Genusunterscheidung: Encaras devetz saber que segon lati alcus gendres es apelatz articulars; quar hom lo conoysh al article que lis donatz, coma hie magister, hec musa. E son apelat „article" aquest trey pronom hie, hec, hoc. Hie fay senhal de masculi, hec de femeni, hoc de neutri, hie et hec de comu, hie et hec et hoc de omne. Pero nos no havem aytal conoysshensa de gendre en romans; quar nos solamen conoysshem lo gendre a la natura de la cauza o a la votz. GA II, 68 Hier bezieht sich der Verfasser einerseits auf die Tatsache, daß das adjektivische Demonstrativum von einigen lateinischen Grammatikern articulus genannt wurde (im Gegensatz zu dem substantivisch verwendeten pronomen demonstrativum). Andererseits schwebt ihm die Erinnerung vor, daß man in 30 Der Torsimany, der 'Dolmetsch' (nämlich der okzitanischen Dichtkunst), ist ein Nachfolgewerk der Leys d'Amors in katalanischer Sprache und wird um 1370 datiert. 31 Ausgeschlossen dürfte es dagegen nach der ausdrücklichen Gegenüberstellung von habitutz und terminatios in den Leys d'Amors (s. Anm. 28) sein, daß der Verfasser des Torsimany auch die letzteren in seine allgemeine Definition einbeziehen möchte. 46 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania der lateinischen Grammatik dem genus commune ( das im Maskulinum und Femininum gleich lautete) zur Verdeutlichung das Demonstrativum beizustellen pflegte: Unde commune articulum sive articulare pronomen tarn masculini quam feminini generis assumit ut 'hie sacerdos' et 'haec sacerdos' [...] Priscian, IG V, 1, K II, 141 Im ganzen gesehen verfügen wir aber mit der Grammatik der Leys d 'Amors über ein sehr beachtliches Kompendium der Langue d'oc im 14. Jahrhundert. An vielen Stellen werden einzelne Fragen zur sprachlichen Richtigkeit, die damals kontrovers waren, aufgegriffen und entschieden, mit dem Ziel, zu einer möglichst einheitlichen, jedoch am aktuellen Sprachgebrauch orientierten Kodifizierung der zentralokzitanischen Schriftsprache zu gelangen. Die Kriterien, die dabei verwendet werden, gelten, wie wir gesehen haben, zunächst der Abgrenzung vom Lateinischen, dessen Grammatik zwar den Rahmen der Beschreibung liefert, das aber zugleich als Kontrast zu den im Okzitanischen festgestellten Fakten erscheint. Außer gegen den latinisierenden Traditionalismus wird die vorgeschlagene okzitanische Norm aber in den Leys d'Amors noch gegen zwei andere Arten von Einwänden verteidigt. Bei der ersten Art handelt es sich um das Argument der logischen Kohärenz: Ausdrücke, die mit dieser nicht vereinbar seien, müßten abgelehnt werden. 32 Allerdings tritt d,er Verfasser in diesem Konflikt nicht leichten Herzens und erst nach einigem Zögern auf die Seite des Sprachgebrauchs. So stellt er fest, daß die Unterscheidung von Aktiv und Passiv beachtet werden müsse; wo nicht, ergäben sich unangenehme Folgen. Nun werde im Falle des Reflexivums oft das Aktiv für das Passiv gesetzt. Eine Kirche könne sich ja nicht selber bauen! Gleichwohl müsse man solche Wendungen akzeptieren, weil sie häufig und schon lange üblich seien. Die Üblichkeit des Gebrauchs entschuldige die Fehlerhaftigkeit der Rede. Das Üblichere werde aber zugleich als das „Bessere" empfunden: Majormen quar haver conoysshensa de passiu nos es necessaria per so que conoguam quals locutios es activa e quals passiva. Quar si hom pauzava la una per lautra, seria cauza mot descovenabla, si donx lonx uzatges no requeria, segon que mostrarem aras ayssi. Quar si hom ditz tostemps gleyza se deu obrar delicadamen, ayssi es pauzada locutios activa per passiva, quar hom deu dir 32 Zu den mit diesem Argument zusammenhängenden Fragen vgl. unseren Beitrag Logicismo y antilogicismo en la gramatica, Montevideo 1956 und wieder in Eugenio Coseriu, Teoria de[ lenguaje y lingüistica general. Cinco estudios, Madrid 1962, 2 1967, 3 1973, S. 235- 260; s.a. Eugenio Coseriu, "Die Ebenen des sprachlichen Wissens. Der Ort des „Korrekten" in der Bewertungsskala des Gesprochenen", in: Jöm Albrecht (Hg.), Schriften von Eugenio Coseriu (1965-1987), Tübingen 1988 (= Jöm Albrecht, Jens Lüdtk: e, Harald Thun (Hgg.), Energeia und Ergon. Sprachliche Variation - Sprachgeschichte - Sprachtypologie. Studia in honorem Eugenio Coseriu, 3 Bdd., Tübingen 1988, Bd. 1), S. 327-364. Die Grammatik der Leys d 'Amors 47 tostemps gleyza deu esser obrada delicadamen. Quar cant hom ditz g/ eysa se deu obrar delicadamen, semblans es ·que la gleyza ela meteyssha se deia obrar, laquals cauza far nos pot. Enpero quar loncz uzatges o requier, aytals locutios se pot sostener segon ditz Nath de Mons, 33 can ditz Quar us acostumatz escuzafals parlar. E daytals locutios pot hom trobar tot ple, coma bo es ques fassa, so es que siafag. Aysso se pot dire ennaysi, so es, aysso pot esser dig; aysso se deufar por aytal razo, so es, deu esser fag. Degus vocab/ es nos declina segon romans, so es no es declinatz. On se ven le blatz, so es, on es vendutz. E daytal locutio uzec Nath de Mons, can dish Mas segon ques cambia luzatges de las gens, deu hom captenemens e saber cambiar. Aqui dish cambia per cambiatz, so es, actiu per passiu. E enpero segon uzatge de parlar en roman miels es dig segon ques cambia que segon ques cambiatz. GAIi, 236 Geradezu ungehalten reagiert das logische Gewissen des Verfassers, wenn er von der Unsitte berichtet, das Einerzahlwort im Plural (im Sinne von 'einige') zu verwenden. Denn daß etwas zugleich eins und zwei sei, widerspreche dem Laufe der Natur: Encaras uzam mal daquest nombre, en aquestz noms us et unas. Quar hom los pauza motas vetz en plural, segon quom pot ayssi vezer: yeu hay compratz us toalhos oz unas toalhas. Et es mot grans contrarietatz que us et unas hom diga en plural. Quar nos pot far segon cors de natura, quez aquo que naturalmen es una cauza, sia doas. GAIi, 92 Gleichwohl lenkt er auch in diesem Falle ein. Da solche Redeweise nun einmal üblich sei, könne man sie zulassen: Pero quar aytals parlars es acostumatz, se pot dir e sostener. GA II, 92 In ähnlicher Weise wird der eigentlich redundante Ausdruck „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen" (womit hätte ich es sonst sehen sollen? ) als übliche Figur zugelassen: Ysshamens cant hom ditzyeu o vi de mos huels, et am que donx o vira si no am los huelhs? Enpero totas aquestas locutios sescuzo per figuras [...] GAIi, 392 Der Achtung vor der gewachsenen Norm des Gebrauches entspricht es auch, wenn er das Ansinnen ablehnt, für alle homonymen Formen künstliche Differenzierungen zu schaffen (GA II, 212). Überhaupt aber könne der Grammatiker nicht alle Regeln der Grammatik aufschreiben. So möge man denn auch die Unvollständigkeit der vorgelegten Dichtkunst verzeihen. Die Wissenschaft sei ihrem Begriffe nach etwas Voll- 33 Es handelt sich um den Troubadour N'Ath de Mons, auf dessen Autorität sich Guilhem de Molinier mehrfach beruft. Zu der Namensform mit dem Personalartikel vgl. o., Anm. 20. 48 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania kommenes, der Mensch aber unvollkommen. Etwas Unvollkommenes könne aber das Vollkommene weder vollkommen darstellen noch verstehen: Enayssi pot hom ayssi notar, que li actor de gramatica no pogro pauzar totas las reglas de gramatica. Perque si nos no pauzam totas las reglas quom poyria pauzar quant ad aquesta sciensa de trobar, tenga nos hom per dezencuzatz. E no dupte degus nis meravilhe, perque hom no pot trobar una sciensa o pauzar perfiechamen. Quar homs es no perfieytz, e las sciensas de lor metheysshas son perfiechas, en tan que so, sciensas. Perque cauza no perfiecha no pot pauzar ni entendre so ques perfieg perfiechamen. GA II, 212 Ein zweiter Einwand gegen die Norm der Leys betrifft nun aber gerade die bei den Sprechern selbst festgestellten Fakten. Gegen die Künstlichkeit von Latinismen und logischen Überkorrektismen genügt der Hinweis auf den wirklichen Sprachgebrauch. Kann aber einfach alles gebilligt werden, was die Leute sagen? Zum Beispiel finde man in Toulouse und in der Gascogne analogisch erweiterte Formen qes synthetischen Perfekts. Folgte man auch hier der Regel vom Primat des Sprachgebrauchs vor dem Kriterium der Korrektheit, so müßte man diese Bildungen akzeptieren: Mant home son que dizo quom pot dire disshigui, figui, anegui, compregui, dissiguist, figuist, aneguist, compreguist, disshec, feguec, aneguem, disshiguem, et enayssi dels autres lors semblans: Quar per esta maniera son acostumat de dir en Tholoza e fora Tholoza en diverses locz de Gascuenha, et aysso per tant de temps que non estay memoria dome encontrari. Majormen per lauctoritat de Nath de Mons que dish quar us acostumat escuzafals parlar, donx be se sec quom los puesca dire per esta maniera. GA II, 388 Gleichwohl finden diese Formen bei Guilhem Molinier keine Gnade. Denn obwohl sie in Toulouse vorkämen, so würden sie doch dort nicht von allen Sprechern verwendet, sondern nur von einigen: Ad aysso pot hom respondre que jaciaysso quom diga en Tholoza aytals motz, enpero ges per totz aquels qui son natural de Tholoza no son dig ni pronunciat aytal mot per la dicha maniera generalmen, mas per alqus particularmen. GA II, 388 Selbst wenn aber alle Sprecher in Toulouse diese Formen verwendeten, so wäre das noch immer kein Grund, sie als regulär anzusehen, da kein Mensch außerhalb von Toulouse so spräche. Obwohl die genannten Bildungen also in Toulouse wie auch an einigen anderen Orten vorkämen, so sei dies für ihre Regularität nicht genug. Dazu müßten sie zumindest auf der Fläche einer ganzen Diözese üblich sein. Da sie aber eben nicht in allen Orten der Diözese Toulouse verwendet würden, seien sie abzulehnen: Die Grammatik der Leys d'Amors 49 E pauzat encaras ques en Tholoza hom prononcies generalmen aytals motz, encaras no valria, quar en los autres locz fora Tholoza hom nols pronuncia per aquela maniera. E jaciaysso que dins Tholoza e fora Tholoza en alqus locz hom diga aytals motz, encaras no abasta. Quar cove que per tota una diocezi sian acostumat de dire. E quar per totz los locz generalmen que son en la diocezi de Tholoza hom no ditz aytals motz, per so nos nols devem dire. GA II, 388 Auch den Hinweis auf die Verbreitung der genannten Formen in der Gaskogne, wo sie sicher auf der Fläche einer Diözese, wenn nicht auf der mehrerer Diözesen üblich seien, läßt Molinier nicht gelten. Seine Dichtkunst könne sich ja nur auf die einheimische Sprache, nicht aber auf fremde Sprachen wie das Französische, Englische, Spanische, Gaskognische, Lombardische beziehen. Da nun das Gaskognische eine fremde Sprache sei, ließen sich aus im Gaskognischen festgestellten Erscheinungen auch keine Argumente für die Korrektheit in der eigenen Sprache gewinnen: E pauzat quom diga aytals motz en Gascuenha per tota una diocezi o per motas, encaras no val quar nos no prendem en nostres dictatz en romans lunh lengatge estranh si no en la maniera dessus pauzada et apelam lengatge estranh coma ftances, engles, espanhol, gasco, lombard. E quar la lengua de Gascuenha reputam per estranha, per so nos no devem dir aytals motz, si be hom los ditz en Guascuenha. GA II, 388 Überdies neigten die Gaskogner besonders zur Entstellung von Wörtern und Formen: Quar trop mal pauzo li gasco alqus motz et alqunas paraulas que dizo segon quom pot vezer en so que dizo nagalhard, naguiraude, pay, fray et enayssi de trops autres. GA II, 388 Die schriftsprachliche Norm soll also das zu eng Lokale oder Partikuläre meiden, zugleich aber auch das zu weit Entfernte, Fremde. Bei der Bewertung einzelner Erscheinungen tritt zugleich die Frage nach der vorbildhaften Varietät ins Licht, ein Problem, das in Italien als Questione della lingua zuerst explizit formuliert und in seine Aspekte entfaltet wurde. 2.3 Die altfranzösischen Donatübersetzungen Gemessen an dem Umfang und der Gedankenfülle des großen Kompendiums, das schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Leys d'Amors aus Toulouse darstellen, erscheinen die Anfänge der französischen Grammatik als sehr bescheiden. Vor allem aber lassen sie lange auf sich warten. 34 Die älteste noch recht anspruchslose grammatische Abhandlung zum Französischen finden wir mit dem Donait fran,; ois aus dem Oxforder All Souls College (Ms. Nr. 182, f. 316r-321v) erst am Anfang des 15. Jahrhunderts. Doch sind einige frühere Spuren französischer Grammatikographie auf uns gekommen, die zwar der Didaktik des Lateinischen gewidmet sind, die aber in Teilen, indirekt oder direkt, auf das Altfranzösische Bezug nehmen. Als Charles Thurot im vorigen Jahrhundert französische Bibliotheken nach Quellen für die grammatische Lehre im Mittelalter durchforschte, fand er unter vielen lateinischen Schriften auch zwei Manuskripte aus dem 14. Jahrhundert mit Traktaten zur lateinischen Grammatik, die in altfranzösischer Sprache abgefaßt waren. Später kamen weitere Manuskripte ähnlichen Inhalts ans Licht, eins davon aus dem 13. Jahrhundert. Während Thurot diese Schriften einfach für volkssprachliche Lehrhilfen des Lateinunterrichts hielt, stellte sich bald heraus, daß es sich eigentlich um altfranzösische Übersetzungen der Ars minor des Donat handelt, die freilich in den verschiedenen Handschriften mehr oder weniger stark vom Ausgangstext abweichen. In seinem Beitrag „L'Ars minor de Donat traduit [sie] en ancien fran~ais" in den Cahiers Ferdinand .de Saussure 23 (1966), S. 49-59; hat Siegfried Heinimann die altfranzösische Übersetzung nach der ersten der beiden in dem Manuskript Nr. 3794, f. 22r-26r, der Bibliotheque Mazarine enthaltenen Fassungen (M 1) mitsamt den Interpolationen publiziert und die jeweiligen Abweichungen von der besten Überlieferung des lateinischen Textes kenntlich gemacht. Später sind alle bis dahin bekannten altfranzösischen Donatadaptationen von Thomas Städtler veröffentlicht worden: Zu den Anfängen der französischen Grammatiksprache. Textausgaben und Wortschatzstudien, Tübingen 1988 (= Beiheft 223 zur ZrP). 35 Nach dem Erscheinen der 34 Für das Fehlen früher grammatischer Beschreibungen des Französischen nennt Serge Lusignan drei Gründe (die zum Teil die zögernde Entstehung der romanischen Grammatikographie überhaupt betreffen): Einmal habe das Streben nach einer universellen (modistischen) Grammatik im Mittelalter das Wesen der Einzelsprachen der Sphäre des Alczidentellen zugewiesen; zum anderen sei das Französische nicht Ziel der Spracherlemung im Erwachsenenalter gewesen; drittens schließlich habe die Beherrschung der Volkssprachen als praktisches Wissen gegolten, das ohne theoretisches Rüstzeug schlicht durch Nachahmung erworben wurde (Serge Lusignan, Parler vulgairement. Les intellectuels et la languefran,; aise au.x Xlll' et XIV" siecles, Paris 1986, S. 86-90). 35 Bei Städtler finden sich fünf überlieferte Versionen, dazu der o.a. Donaitfran,; ois aus dem Die altfranzösischen Donatübersetzungen . 51 vergleichenden kritischen Ausgabe Städtlers sind weitere drei Handschriften alt- und mittelfranzösischer Donatübersetzungen aufgefunden und herausgegeben worden, so daß wir jetzt über insgesamt acht Versionen verfügen. 36 Was die Bedeutung dieser altfranzösischen Übersetzungen für die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft angeht, so ist natürlich vorab zu sagen, daß die Texte das Lateinische und nicht das Französische betreffen. Für unseren Zusammenhang von Interesse ist jedoch die französische grammatische Terminologie, die dort verwendet wird. So erfahren wir am Anfang des Traktats die altfranzösischen Namen für die Redeteile: Quantes parties d'oroison sont? VIII. Queles ? Li nons, li pronons, le verbe, li adverbe, li participle, la conjunction, la preposition, l'interjection. 22a, 1-3, H 53, S 98 Die Namen der Nominalkategorien sind die folgenden (wobei die feminine Form la case auffällt): Quantes choses avienent au non? VI. Queles? Qualitez, comparaison, genre, numbre, figure, case. 22b, 14-16, H 53, S 98 Und die des Verbums: Quantes choses eschieent au verbe? VII. Queles? Muef, conjugation, genre, nombre, figure, temps, persone. 23\ 86-87, H 53, S 100 Die mues ('Modi') werden alsbald erläutert: Quanz mues sont? V. Quiex? L'indicatif, l'imperatif, l'optatif, le conjunctif, l'infinitif. 23b -23C, 88-90, H 53, S 100 Weitere Elemente des metasprachlichen Schulinventars sind: senifier, se decliner, gouverner usf. Manchmal greift der Bearbeiter bei der Erklärung lateinischer Kategorien auf das Französische zurück. Dies geschieht zum Beispiel im Falle der Kasus. Wie in den provenzalischen Grammatiken Präpositionalsyntagmata als Kasus des Nomens beschrieben wurden, so werden hier umgekehrt die lateinischen Kasus durch romanische Präpositionalfügungen erklärt: Oxforder All Souls College (Ms. Nr. 182, f. 316'-321'). Wir zitieren im folgenden die von Heinimann ausgewählte Version und geben neben dem Ort in der Handschrift die Seite bei Heinimann (H) und Städtler (S) an. 36 Eine Übersicht dazu geben Brian Merrilees, Anne Dalzell, "Les manuscrits de l'Art Mineuren ancien et moyen fran~ais", Archives et documents de Ja Societe d'Histoire et d'Epistemologie des Sciences du Langage (SHESL), 2ru1o serie, n° 4 (1990), S. 46--60. Zu den Ausgaben der drei neuen Funde s. die Bibliographie am Ende dieses Kapitels. 52 Die Anfänge der romanischen Spraclrwissenschaft in der Galloromania Quantes cases de non sont? VI. Quelles? Le nominatif, le genitif, le datif, l'accusatif, le vocatif, l'ablatif. Le nominatif dit le mestre, le genitif du mestre, le datif au mestre, l'accusatif le mestre, le vocatif o tu mestre, l'ablatif par le mestre, o / e mestre, et sanz le mestre et du mestre. 22\ 51-56, H 53, S 99 Ebenso bei den pronominalen Personen: Quantes persones de pronon sont? III au singulier et III au plurier. Je est la premiere ou singulier, tu secunde, eil tierce; nous est la premiere personne au plurier, vous est la seconde, iceu/ s est la tierce. 23a -23\ 71-74, H 53, S 99 Eine weitere Quelle für unsere Kenntnis altfranzösischer grammatischer Termini sind die lateinisch-französischen Großglossare aus dem 14. Jahrhundert (vgl. 2.4). Englischer Herkunft ist eine ganze Reihe didaktischer Anleitungen zum Gebrauch des Französischen aus dem 14. und 15. Jahrhundert, darunter die um 1300 entstandene Orthographia gallica, der früheste regelformulierende Traktat zum Französischen überhaupt. Deren Behandlung wollen wir indes hier noch zurückstellen. 2.4 Die Anfänge der französischen Lexikographie 2.4.1 Das lateinische Erbe Neben der grammatischen Bedeutung, welche die dem „Sagen" in einer bestimmten Sprache eigene semantische Organisation darstellt, kennen die historischen Sprachen die lexikalische Bedeutung, welche dem „Benennen" dient, und die Beschreibung einer Einzelsprache umfaßt sowohl eine Grammatik als ein Wörterbuch. 37 Wenn wir daher den Prozeß nachzeichnen wollen, wie die auf dem Boden des Römischen Reiches entstandenen romanischen Varietäten als zu beschreibende Einzelsprachen ins Bewußtsein ihrer Sprecher traten, müssen wir auch einen Blick auf die Anfänge der romanischen Lexikographie werfen. Ebenso wie die ersten Versuche einer romanischen Grammatikographie verdanken sich die Anfänge der romanischen Lexikographie einerseits einem praktischen Bedürfnis, andererseits der antiken Tradition. Anders aber als im Falle der Grammatik, wo uns die entsprechenden lateinischen Fakten mitsamt einer sie erschließenden kategoriellen Systematik, derArs grammatica, in der Form antiker Handbücher überliefert sind, ist aus römischer Zeit kein allgemeinsprachliches Wörterbuch des Lateinischen auf uns gekommen und somit auch· keine in sich schlüssige lexikographische Methodologie. Zum Teil erklärt sich dieses sicher aus der besonderen Natur der „benennenden" Bedeutung, welche dem muttersprachlichen Sprecher einer Einzelsprache zunächst in einer primären Weise als „gegeben" und als keiner weiteren Erklärung bedürftig erscheint. Die großen lateinischen Wörterbücher sind denn auch erst im Mittelalter entstanden, als das Lateinische als Sprache der Verwaltung, der Wissenschaften und der kulturellen Kommunikation weithin dominant war, zugleich aber als Fremdsprache erlernt werden mußte. Nach dem Vorbild der rein lateinischen Glossare und Wörterbücher kommt es zu den ersten Versuchen, die1 lexikalischen Bedeutungen des Lateinischen durch vertraute Äquivalente der romanischen Volkssprache zu beschreiben, erst viel später zur lexikographischen Beschreibung der romanischen Wörter selbst. Im Gegensatz zur lexikographischen Geschichte anderer Sprachen, etwa des Arabischen, sind Verfahren und Vorgehensweise dabei 37 Das Wesen der Unterscheidung zwischen grammatischer und lexikalischer Bedeutung haben wir immer wieder und an vielen Stellen angesprochen. Vgl. insbesondere Eugenio Coseriu, "Semantik und Grammatik", in: Neue Grammatiktheorien und ihre Anwendung auf das heutige Deutsch, Düsseldorf 1970 (= Jahrbuch 1969 des IdS), S. 77-89, und wieder in: Eugenio Coseriu, Formen und Funktionen. Studien zur Grammatik, Tübingen 1987, s. 85-95. 54 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania ganz überwiegend von empirisch-tastender Art, und wenn wir sie gleichwohl etwas ausführlicher darstellen wollen, so folgen wir damit mehr einem historisch-dokumentarischen Interesse als dem historisch-strukturanalytischen Hauptanliegen, das uns bei diesem Überblick leitet. Ganz ergebnislos in letzterer Hinsicht ist dennoch, wie wir sehen werden, die Geschichte von den Anfängen der Lexikographie in der Romania nicht. Auch der muttersprachliche Sprecher einer Sprache empfindet zuweilen den Bedarf nach der Erklärung einer lexikalischen Bedeutung, und zwar in enzyklopädischer, diasystematischer, normativer oder „etymologischer'' Hinsicht. Es kann nämlich vorkommen, daß er wissen möchte, wie ein Gegenstand oder Sachverhalt, den ein Wort bezeichnet, genauer beschaffen ist; oder ob ein Wort in einer bestimmte Textverwendung „richtig" oder „geeignet" ist. Und auch bei dem Sprecher seiner Muttersprache kann es vorkommen, daß er ein Wort einfach nicht kennt, etwa weil es ziemlich selten oder veraltet ist oder einer Mundart oder einem Fachwortschatz angehört. Schließlich kann sich ein Sprecher auch fragen, warum ein bestimmtes Wort gerade der Name für diese bestimmte Sache ist, die es benennt. In der Tat sind alle diese lexikologischen Fragestellungen in der antiken Literatur bezeugt (die letztgenannte ist bekanntlich die zentrale Fragestellung der griechischen Sprachphilosophie). Wenn zu einem Wort in einem geschriebenen Text zwischen den Zeilen (interlinear) oder am Rand (marginal) eine Erklärung eingefügt wird, spricht man von einer Glosse (aus gr. y')..roCJCJa 'Zunge', 'Sprache', 'Mundart', 'ungewöhnliches, fremdartiges Wort'). 38 Die selbständige Auflistung erklärungsbedürftiger Wörter mit ihren lnterpretamenten bezeichnet man als Glossar. Die Reihenfolge der Glossen innerhalb des Glossars kann sich nach dem Vorkommen in einem bestimmten Text richten oder nach sachlichen Gesichtspunkten oder nach dem Alphabet. Werden mehrere Glossenlisten nach der alphabetischen Reihenfolge ineinander sortiert, so entstehen größere Glossare, welche zum Verständnis verschiedener Texte konsultiert werden können. Daß es im antiken Rom solche Sammlungen gab, wissen wir aus verschiedenen Quellen. Oft finden wir dabei den Hinweis, daß die Glossen vorwiegend der Erklärung archaischer Wörter und Fakten dienten (libri rerum verborumque veterum u.ä.). Überliefert aber ist uns aus klassischer Zeit nur eine einzige derartige Zusammenstellung und auch diese in einem stark reduzierten Zustand. Es handelt sich um die Schrift De verborum significatu des augusteischen Grammatikers Verrius Flaccus. Aus der von ihrem Verfasser unvollendet hinterlassenen Arbeit stellte Sextus Pompeius Festus aus Narbo um 150 n. Chr. einen verkürzten Auszug her, welcher in 38 Die lateinische Form war glossa oder glossema und bezeichnete ursprünglich das zu erklärende Wort allein oder dieses zusammen mit seinem lnterpretament. Erst später bezeichnete es die Erklärung (das Interpretament) allein. Die Anfänge der französischen Lexikographie 55 einer einzigen (wiederum stark mutilierten) Handschrift auf uns gekommen ist. Eine erneute (erhaltene) Epitome aus dem Auszug des Festus fertigte Paulus Diaconus zur Zeit Karls des Großen. Eine ganze Anzahl der Einträge bei Festus sind von jener einfachsten Art der Glossierung, bei der einem zu erklärenden Lemma ein besser bekanntes Synonym (bzw. die zur Zeit des Verfassers gebräuchlichere Form) als Interpretament zugeordnet wird: Cascum antiquum 47, L 41; Ollic illic 198, L 217; Obperiri expectare 211, L 203; Primordia principia 281, L 250. 39 Manchmal wird die fremde Herkunft eines Wortes als Grund für seine Erklärungsbedürftigkeit genannt, noch öfter aber sein archaischer Charakter: Casnar senex Oscorum Iingua 47, L 41; Calathos Graeci, nos dicimus quasillos 47, L 41; Degere antiqui posuerurit pro expectare 51, L 64; Quamde pro quam dicebant antiqui 260, L 313. Gelegentlich finden sich zutreffende Hinweise auf Verfahren der Wortbildung und Satzphonetik: Libella deminutivum est a Iibra 116, L 103; Erugere semel factum significat, quod eructare saepius. Illud enim perfectae formae est, hoc frequentadvae 83, L 73; Natare est saepius nare, ut dictitare, factitare 167, L 169; Exin metri causa.dicitur pro exinde 58, L 72. Vielfach wird eine enzyklopädische Bedeutungserklärung gegeben, entweder als einfache Gattungszuweisung ('eine Art Spiel') oder als Gegenstandsbeschreibung ('ein Topf aus Bronze zum Kochen', 'ein offener Wasserbehälter mit Henkeln'): Catampo genus est lusus 44, L 38; . Cocula vasa aenea coctionibus apta 27, L 34; Nassiterna genus vasis aquarii ansati et patentis 168, L 169. Zu manchen historischen Begriffen wird eine ausführlichere Erläuterung gegeben. Auch sind hie und da Belegstellen aus der älteren lateinischen Literatur beigefügt: Parrici[di] quaestores appellabantur, qui solebant creari causa rerum capitalium quaerendarum. Nam parricida non utique is, qui parentem occidisset, dicebatur, sed qualemcumque hominem indemnatum. Ita fuisse indicat lex Numae Pompili 39 Wir zitieren Festus nach der Paragraphen- und Seitenzahl der kritischen Ausgabe von Wallace Martin Lindsay (L) (Sexti Pompei Festi De verborum significatu quae supersunt cum Pauli epitome, Leipzig 1913 [und Ndr. Hildesheim 1965, 2 1978]). 56 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania regis his composita verbis: "Si qui hominem liberum dolo sciens morti duit, paricidas esto." 278,L247 Bei vielen Lemmata schließlich besteht das Interpretament aus einer der in der Antike üblichen spekulativen Etymologien. Bellum a beluis dicitur quia beluarum sit pemitiosa dissensio. 24, L 30 Caelibem dictum existimant, quod dignam caelo vitam agat. 44, L 38 Und besonders kurios: Aqua dicitur a qua iuvamur. 2, L 2 Es leuchtet ein, daß wir es bei dieser heterogenen Auflistung von Notabilia nicht eigentlich mit einem lateinischen Wörterbuch zu tun haben, sondern mit einer Zusammenstellung von Glossen, bei der wir nicht einmal die Gewißheit haben, daß ihre (nur dem ersten Buchstaben nach) alphabetische Anordnung auf Verrius Flaccus selbst zurückgeht. In die unmittelbare Ahnenreihe der großen lateinischen Wörterbücher dürfte die Schrift De verborum significatu daher nicht gehören und mithin auch nicht zu den Vorläufern der ersten romanischen lexikographischen Versuche. · Das gleiche kann· von .der lexikographischen Schrift De compendiosa doctrina des Nordafrikaners Nonius Marcellus (Anfang des 4. Jh. n. Chr.) gesagt werden, obwohl das Material teilweise alphabetisch angeordnet ist und insbesondere die Kapitel IV (De varia significatione sermonum) und V (De differentia similium significationum) gewisse Merkmale eines Wörterbuches aufweisen. Ein enzyklopädisches Exzerptkompendium mit eingestreuten Worterklärungsversuchen sind trotz der beiden überlieferten Titel (die eigentlich nur auf das 10. Buch zu beziehen sind) die Origines oder Etymologiae des Isidorus Hispalensis, Bischofs von Sevilla (ca. 57~36 v. Chr.), mit dem wir bereits das Mittelalter erreicht haben. Wesentlich reichhaltiger als die lateinische ist die griechische Tradition der Lexikographie. Schon Aristophanes von Byzanz (257-180 v. Chr.), der als ihr eigentlicher Begründer angesehen wird, soll das lexikalische Wissen nach sachlichen, dialektalen und historischen Merkmalen differenziert und Beobachtungen zum Bedeutungswandel gemacht haben. Wir haben Kenntnis von lexikographischen Schriften zur Synonymik und Etymologie, besonders aber zum guten attischen Sprachgebrauch, der lange Zeit als das anzustrebende Ideal rhetorischer Ausbildung galt. Von diesen „Attizistenwörterbüchern" .sind einige Fragmente auf uns gekommen, dazu das „Zehnrednerwörterbuch" des Valerius Harpokration aus Alexandria (Ae~Etc; 'trov t' PTl'topcov) aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. In byzantinischer Zeit entstehen größere lexikographische Werke wie das Wörterbuch des Photios (9. Jh.) und der sogenannte Suda oder Suidas (11. Jh.), die·sprachliche und enzyklopädische Auskunft verbinden. Die Anfänge der.französischen Lexikographie 57 Die jahrhundertelange Koexistenz der beiden großen Kultursprachen Griechisch und Latein macht es wahrscheinlich, daß es in der Antike auch zweisprachige Glossare gab, und in der Tat hat es zu deskriptiven oder praktischen Zwecken solche bilinguen Wortlisten gegeben. Den ersten Zweck verfolgten die Idiomata, welche griechische und lateinische Wörter mit charakteristischen Genus- oder Rektionskontrasten auflisteten. Der praktischen Verständigung oder der Spracherlernung dienten die sogenannten Herrneneumata ('Interpretamenta'), die aus zweisprachigen Glossaren, Lesestücken und Mustergesprächen bestanden. Teil einer solchen Schrift könnte die erst in jüngerer Zeit auf einem Papyrus gefundene älteste griechisch-lateinische Wortliste (1. Jh. v. Chr.) gewesen sein, welche die lateinischen Entsprechungen in griechischen Lettern wiedergibt: 40 7/ 8 25/ 26 52/ 53 K20-21 (X7t0Ö(i)(J(J)t ! Cp<X'tEt't<Xt 11Mov pe66aµ 'tE[ V11't0'1>p] O'l>'llVEt [reddam] [tenetur] [veni] Zwei große selbständige zweisprachige Glossare sind der (lateinisch-griechische) Pseudo-Philoxenus, der sich in einer Handschrift aus dem 9. Jahrhundert erhalten hat und der (griechisch-lateinische) Pseudo-Cyrill, den wir in einer Handschrift aus dem 7. Jahrhundert besitzen. 41 Auch von den zweisprachigen Glossaren der Antike aber führt kein unmittelbarer Weg zu den Anfängen einer Lexikographie der romanischen Sprachen. Wegen der ähnlichen Anlage (Musterdialoge und Wortlisten) könnte es allerdings eine historische Beziehung zwischen den Hermeneumata der Antike und den sogenannten Gesprächsbüchern (Manieres de langage) des 14. und 15. Jahrhunderts geben (vgl. Kap. 5), da einige antike Hermeneumata in mittelalterlichen Handschriften erhalten sind (insbesondere die sogenannten Hermeneumata Pseudodositheana). Als Voraussetzung und Grundlage der Anfänge romanischer Wortschatzbeschreibung sind dagegen die großen lateinischen Sammelglossare des Mittelalters anzusehen, obwohl sie den ersten romanischen Wörterbüchern zum Teil um Jahrhunderte vorausgehen. Zu diesen zählen das um 750 vielleicht in Spanien (nach anderen im fränkischen Gallien) entstandene Liber glossarum, das Glossarium Salomonis, die Glossare Abavus maior und Abavus minor 42 und noch einige mehr, welche sich bereits dem Status der Wörterbücher nähern. Von den verschiedenen distinktiven Merkmalen eines 40 Wir zitieren das Glossar nach Johannes Kramer, Glossaria bilinguia in papyris et membranis reperta, Bonn 1983 (K). 41 Die Namen beziehen sich auf frühere irrtümliche Annahmen der Autorschaft. Die Verfasser beider Glossare sind unbekannt. 42 Manche Glossarfamilien werden nach dem ersten Eintrag der sie konstituierenden Glossare benannt. In diesem Falle handelt es sich um das Lemma abavus 'Ururgroßvater'. 58 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Wörterbuchs, die man angeführt hat (durchgehende Lemmatisierung, alphabetische Anordnung u.ä.), ist sicher die (intentionelle, nicht faktische) Erfassung des gesamten Wortschatzes einer Sprache (bzw. einer sachlichen Sektion desselben) das bedeutendste. Charakteristisch für die Glossare ist hingegen die selektive Aufnahme von (für erklärungsbedürftig gehaltenen) Einheiten des Wortschatzes. Bei den durch alphabetische Ineinanderordnung mehrerer Glossare geringeren Umfangs geschaffenen Großglossaren kann es im Einzelfall schwierig sein, zu entscheiden, ob es sich noch um ein Glossar - oder bereits um ein authentisches Wörterbuch handelt. Als Wörterbuch angesehen werden kann jedenfalls das Elementarium doctrinae rudimentum von Papias (später auch als Papias vocabulista bekannt), obgleich sein Material zum großen Teil früheren Glossaren entstammt, insbesondere dem Liber glossarum. Über den Verfasser des um 1050 entstandenen Werkes ist wenig mehr bekannt, als daß er auch eine lateinische Grammatik kompilierte und vielleicht aus Oberitalien stammte. Das Elementarium rudimentum ist prinzipiell alphabetisch angeordnet, doch ist diese Anordnung nicht konsequent verwirklicht. Die Bedeutung der Lemmata wird durch lateinische Synonyme, Hyperonyme oder kurze Definitionen angegeben. Es erscheint nur wenig an enzyklopädischer Information (allerdings sind auch Eigennamen aufgenommen worden). Die zahlreichen erhaltenen Handschriften (und vier gedruckte Ausgaben im 15. Jahrhundert) des Papias weisen auf seine große Verbreitung in der Zeit vom 11. bis zum 15. Jahrhundert hin. Auf die Entstehung der romanischen Lexikographie hat Papias' Wörterbuch direkten Einfluß genommen: Das erste Wörterbuch des Spanischen von Alfonso Femandez de Palencia ist eine Adaptation des Papias. Der Papias ist auch (neben den Derivationen des Osbem von Glocester) eine Hauptquelle der Magnae Derivationes des Hugutio (Hugotio) von Pisa (Uguccione da Pisa), Bischofs von Ferrara, des Lehrers und Beraters Innozenz' m. Als Hugutio 1197-1201 im päpstlichen Auftrag mit der Neuordnung der bedeutenden Abtei Nonantola (Modena) beschäftigt war, hatte er den Papias in der umfangreichen dortigen Bibliothek vorgefunden und seine Bearbeitung unternommen. Die mittelalterliche lexikographische Gattung der Derivationes enthielt 'Ableitungen' von Stammwörtern, spekulative Etymologien derselben, Belegstellen ('Testimonia') und glossarähnliche 'Repetitiones' zu den Lemmata jedes Buchstabens. Das Werk des Hugutio stand lange in hohem Ansehen und wurde u.a. von Dante als Handbuch benutzt. Das Wörterbuch des Papias und die Magnae Derivationes des Hugutio wiederum gelten als die wichtigsten Quellen des berühmten Catholicon (eigentlich: Summa quae vocatur catholicon) des Dominikaners Johannes Balbus de Janua (Johannes Balbi von Genua, Giovanni Balbi da Genova), das 1286 fertiggestellt wurde. Das Werk umfaßt fünf Teile, von denen der letzte Die Anfänge der französischen Lexikographie 59 der eigentlich lexikographische ist. Der methodische Fortschritt des Catholicon gegenüber seinen Vorgängern besteht in der konsequenteren Anwendung des alphabetischen Anordnungsprinzips (obgleich das überkommene Verfahren der Beistellung der Ableitungsfamilie zum Lemma noch nicht ganz aufgegeben wird), in der Straffung der lemmatischen Makrostruktur, der ausführlicher beschreibenden Mikrostruktur sowie in der Einführung von Verweisen auf andere Lemmata. Das Werk erfuhr eine große Verbreitung und erschien schon in der Frühzeit der neuen Technik mehrmals im Druck. Das Entstehen volkssprachlicher romanischer Wörterbücher hat es wesentlich beeinflußt. 43 2.4.2 Glossare mit französischem Anteil Wenn wir den Blick von diesen drei großen Kompendien noch einmal zurück auf die weniger umfangreichen lateinischen Glossare des Mittelalters richten, so stellen wir fest, daß sich in ihren Interpretamenten schon seit dem siebten und achten Jahrhundert hie und da volkssprachliche Elemente finden, wenn auch keine romanischen. 44 Dies war schon Friedrich Diez aufgefallen. Denn in der Einleitung zu seinem kleinen Buch Altromanische Glossare berichtigt und erklärt von Friedrich Diez, Bonn 1865 (welches die Reichenauer und die Kasseler Glossen enthält), schreibt er bezüglich des Französischen: Die lateinisch-französischen Glossare und Wörterbücher, welche sich bis auf unsere Zeit erhalten haben, scheinen, wenigstens in ihrer gegenwärtigen Fassung, mit geringen Ausnahmen, das vierzehnte. Jahrhundert nicht zu übersteigen, wogegen die lateinisch-deutschen ein weit höheres Alter behaupten können, da sie in der uns überlieferten Gestalt zum Theil noch dem achten Jahrhundert angehören. S.3 Für diese Tatsache sieht Diez zwei Gründe: Einmal sei der Franzose durch die Natur seiner eigenen Sprache im frühen Mittelalter „eines solchen Hülfsmittels weit weniger benöthigt" gewesen als der Deutsche. Zum anderen aber habe dem Altfranzösischen damals noch die graphische Norm einer Literatursprache gefehlt. 43 Die Verfahren Balbis wurden von Ambrosius Calepinus aufgenommen, dessen Dictionarius (zuerst 1502) sich von einem einsprachigen lateinischen zu einem bis ins 18. Jahrhundert außerordentlich verbreiteten polyglotten Wörterbuch entwickelte. 44 Zwar hat man in der älteren Romanistik manchmal in Glossaren, in denen verschiedene Varietäten des Lateinischen erscheinen, wie etwa den Reichenauer Glossen, lateinisch-romanische Glossare sehen wollen, dies indes wohl nicht zu Recht. Denn sowohl die morphologische Latinität von Lemma und Interpretament als auch die Tatsache, daß die "volkstümlichere" Form einmal als lnterpretament, ein anderes Mal als Lemma erscheint, sprechen dafür, daß es sich um lateinisch-lateinische Glossare handelt. 60 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Im großen und ganzen gilt auch für die neuere Forschung noch die schon von Diez festgestellte Chronologie. 45 Während sich altfranzösische Textglossen seit dem Beginn des 1l.Jahrhunderts in hebräischen Texten finden (eigentümlicherweise zeilenintegriert dem hebräischen Wort folgend), gibt es hebräisch-französische Glossare erst seit dem 13. Jahrhundert. Und auch die lateinisch-französische Glossographie ist vor dem 14. Jahrhundert unbedeutend. Das älteste auf uns gekommene Glossar mit allgemeinsprachlichen französischen Wörtern stammt aus dem 12. Jahrhundert und steht in einer kleinen Handschrift aus Tours (ehemals Cathedrale de Tours, Nr. 433), welche verschiedene vorwiegend naturgeschichtliche und medizinische Aufzeichnungen enthält. Es zeigt weder eine alphabetische Anordnung, noch eine ersichtliche Sachgruppierung, so daß die Reihenfolge wahrscheinlich aus der Textbegleitung zu erklären ist. Die 138 Lemmata mit französischen Interpretamenten machen nur einen Teil des ganzen Glossars aus. Sie haben die folgende einfache Form: Frigo, frigis, frixi, id est frier. Cirogrillus id est cunis. Tribilo, las, escalder. Fex, cis, lie. Inde feculentus, ta, turn, lius. Petasus, si, grant bacun. Petasunculus, diminutivum. Exprobare, repruyer. · Lepos, ris, affatement. Facescia (/ . Facetia) curtesie, et elegantia similiter. D 328 46 Die genannte Handschrift enthält zudem ein kleines Heilpflanzenfachglossar, das teilweise französische Interpretamente aufweist. Ebenfalls noch dem 12. Jahrhundert zuzuordnen ist ein Textglossar aus England mit französischen Formen zu den Briefen des.Sidonius Apollinaris (430-486) in der Oxforder Handschrift Digby 172. Auch aus dem 13. Jahrhundert sind uns nur sehr wenige Glossare mit französischen Interpretamenten erhalten, nämlich einerseits einige auf den Bibeltext bezogene hebräisch-französische, welche auch die altfranzösischen Interpretamente in hebräischen Lettern wiedergeben; andererseits einige lateinisch-französische, von denen drei mutmaßlich in England entstanden sind (vgl. 5.3.6). Im Gegensatz zu den teilweise sehr umfangreichen hebrä- 45 Zur Entstehung der französischen Lexikographie vgl. die umfangreiche Habilitationsschrift von Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfängen bis 1600. Entstehung und typologische Beschreibung, Tübingen 1994 (= Lexicographica. Series maior 54). , 46 Wir zitieren das Glossar nach Leopold Delisle, "Note sur un manuscrit de Tours renfermant des gloses fran~aises du Xlle siecle", Bibliotheque de l'Ecole des Charles, Trentieme Annee, Sixieme serie, V (1869), S. 320-333 (D). Die Arifänge der französischen Lexikographie 61 isch-französischen Glossaren ist die Anzahl der Lemmata bei den meisten lateinisch-französischen Glossaren relativ klein. Eine Ausnahme stellt hier ein in Frankreich entstandenes Glossar dar, welches 2661 Lemmata umfaßt. Es handelt sich um die Handschrift Nr. 62 der Stadtbibliothek Douai, die in das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts datiert wird. Da die Lemmata dieses Glossars in alphabetischer Reihenfolge angeordnet sind, ist der "Abavus" 41 von Douai das älteste allgemeinsprachliche, alphabetisch angeordnete lateinisch-französische Glossar, das auf uns gekommen ist. Die alphabetische Anordnung ist freilich nicht ganz strikt durchgeführt, wie dies auch bei den rein lateinischen Vorgängerglossaren nicht der Fall war: Die meisten Lemmata scheinen aus dem Wörterbuch des Papias zu stammen, von dem sie freilich nur einen Ausschnitt darstellen. 48 Die französischen lnterpretamente bestehen in der Regel aus einem einfachen Äquivalentwort, manchmal aus einer kurzen Definition (viers ki fait soie), manchmal fehlen sie ganz, und es wird auf ein lateinisches Synonym verwiesen (buccinatuba. idem): 49 boatus bombis borith bria branchia brutus bugalus buccinare buccina [bucca buffo 200-210, R8 sons viers ki fait soie cardons mesure joe bestiaus bugles buisener tuba. idem boche] crapaus Um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert finden wir auch das erste französisch-französische Glossar, bei dem „gelehrtere" (latinisierende) französische Formen durch leichter verständliche erklärt werden: Appetent Discipline Experience Utele (utile) 47 Zu dem Namen Abavus s. Anm. 42. desirent kastiemens eprove profitable 48 Zu Herkunft, Verwandtschaft und Merkmalen des Abavus von Douai vgl. Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anflingen bis 1600, cit., S. 136-142. 49 Wir zitieren den Abavus von Douai nach Mario Roques, Recueil general des / exiques fram; ais du moyen dge (Xlle-X.Ve siec/ e). I Lexiques alphabetiques, 2 Bdd., Paris 1936- 1938, Bd. 1, Paris 1936 (R). 62 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Temporans doutans Encite ennuiet Empetrer aquerre Meist bestehen die Interpretamente jedoch aus begriffsdefinitorischen Umschreibungen: Concupiscence Demonstrisons Equivoque amourous desirs de delis de cors est une raison u uns argumens que on ne puet par raison contredire un noms qui senefie plusieurs coses iwelment 50 Insgesamt aber ist alles bisher Genannte doch recht spärlich, und die Anfänge der französischen Lexikographie sind als zaghaft zu bezeichnen. Dies ändert sich erst im vierzehnten Jahrhundert wie schon Diez richtig sah-, und zwar in dreierlei Hinsicht: Erstens wird die Anzahl der .Glossarhandschriften mit französischen Interpretamenten nun größer; zweitens finden sich jetzt die ersten umfangreicheren allgemeinsprachlichen Glossare, welche man nicht zu Unrecht als die ältesten regelrechten zweisprachigen lateinisch-französischen Wörterbücher bezeichnet hat; drittens schließlich erscheint im 14. Jahrhundert das Französische auch erstmalig als Sprache der Lemmata eines Glossars (wenn wir hier einmal von dem soeben erwähnten kleinen, mehr begriffserklärenden Glossar aus der Königlichen Bibliothek Brüssel absehen wollen, das indes auch schon nahezu dem 14. Jahrhundert zuzuordnen ist). Bei den größeren allgemeinsprachlichen alphabetischen Glossaren des 14. und 15. Jahrhunderts, welche in den Interpretamenten lateinischer Lemmata das Französische verwenden, lassen sich zwei Filiationsgruppen unterscheiden, die man nach dem Eingangslemma Abavus und Aalma 51 nennt. Vereinfachend gesagt handelt es sich bei der Abavus-Gruppe um Anpassungen des Papias-Wörterbuchs, bei der Aalma-Gruppe um Anpassungen des Catholicons von Johannes Balbi. Während aber die ältesten Abavus- Glossare (neben der Handschrift von Douai, von der wir bereits gesprochen haben, insbesondere die zweitälteste dieser Familie, die Handschrift von Evreux) nur auf dem Material des Papias beruhen, enthalten die späteren größeren Abavus-Glossare zugleich solches aus dem Catholicon. 52 Dies gilt für die Vatikanhandschrift (Vat. lat. 2748, fol. 1-136), die 5856 Lemmata so Es handelt sich um Glossen des Brüsseler Glossars KB N° 9543, das wir nach Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfängen bis 1600, cit., S. 151, zitieren. 51 Aalma stammt aus dem Hebräischen und bedeutet 'Jungfrau'. 52 Vgl. Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfangen bis 1600, cit., s. 147. Die Anfänge der französischen Lexikographie 63 umfaßt, 53 besonders aber für die beiden großen im 14. Jahrhundert entstandenen Abavus-Versionen aus Paris (BN lat. 7692) und Conches (BM n°1), 54 die über 9000 Lemmata haben. 2.4.3 Die ersten lateinisch-französischen Schulwörterbücher: Abavus maior,Aalma und der Dictionarius von Firmin Le Ver Die beiden letztgenannten Großglossare sind es, die man mit einer gewissen Berechtigung die ältesten lateinisch-französischen Äquivalenzwörterbücher genannt hat, da sie auch den Basiswortschatz (wenn auch nicht vollständig) und einige Funktionswörter verzeichnen. 55 Auch in dem großen Abavus von Paris dominiert noch die einfache Gegenüberstellung von lateinischem Lemma und französischer Entsprechung: Iactare lactere lacerare lacessire lacessere Iacertus 4725-4730, R 378-379 56 alecter tecter dessirer percer tarier bras 53 In der Vatikanhandschrift finden sich hinter den französischen Interpretamenten gelegentlich deutsche Äquivalente: · panis pain bröt panificus panetier brotbecker panpinus fueylle de vigne pannus drap düch papa pape habest 4015-4019, R 192 (Wir zitieren die Vatikanhandschrift wiederum nach Mario Roques (R), Recueil geniral des / exiquesfran<; ais Bd. 1, Paris 1936). Roques vermutet daher: "Le ms. a du passer entre les mains d'un Alsacien avant de devenir en Italie la propriete de l'humaniste Colocci." (R XX). Roques weist auch daraufhin, daß der Verfasser der deutschen Glossen möglicherweise die französischen Äquivalente nicht richtig verstand (R XXI, Anm. 1). Denn während er hinter lat. passer, afrz. passe richtig notiert: "eyn spatzelin", übersetzt er lat. passus, afrz. pas ungerührt mit „gelitten" und nicht mit „Schritt" (4045-4046, R 192). 54 Man datiert den Abavus aus der Bibliotheque Nationale um 1350, die Handschrift aus Conches kann nach dem Exp/ icit in das Jahr 1388 datiert werden. Nach einem Vergleich des Inventars beider Handschriften kommt Lindemann zu dem Schlu"[...] daß die Fassung von Conches mit leichten Veränderungen von der von Paris abgeschrieben wurde." (Die französischen Wörterbücher von den Arifängen bis 1600, cit., S. 200). 55 Eine ausfilhrliche Begründung ihrer Einstufung dieser Glossare als „Wörterbücher" gibt Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anflingen bis 1600, cit., S. 176-201. Doch sollte man den argumentativen Wert der terminologischen Distinktion zwischen „Glossar'' und „Wörterbuch" nicht überschätzen. 56 R bezieht sich wiederum aufMario Roques, Recueil general des / exiquesfrani; ais, Bd. 1, Paris 1936, wo der Abavus BN lat. 7692 S. 239-520 abgedruckt ist. 64 Die Anfänge der romanischen SpracJrwissenschaft in der Galloromania Doch wird auch schon öfter auf zwei oder mehrere französische Entsprechungen eines Lemmas verwiesen: destinare destituere destitutio 2375-2377, R310 carpere 1133, R273 destiner uel envoier defaillir uel desestablir desestablissance uel deguerpissance cherpir uel reprendere uel depesser uel prendre Wenn man denAbavus der Bibliotheque Nationale auch in gewisser Hinsicht ein lateinisch-französisches Wörterbuch nennen kann, so darf man dabei doch nicht übersehen, daß dem Französischen dabei keine gleichberechtigte, sondern nur eine untergeordnete, dem Verständnis und der Erlemung des Lateinischen dienende Stellung zukommt. 57 Dieses wird schon an vier äußeren Indizien deutlich: Erstens erscheinen auch hier einige wenige Lemmata ohne französisches Äquivalent nur mit lateinischer Erklärung: Canicularis dicitur dies augustus (1050, R 271); caritos grece, gratia latine (1119, R 273); öfter aber wird nach der Angabe eines französischen Äquivalents die Bedeutung in lateinischer Sprache genauer b~schrieben oder motiviert: philaxis bouteille et dicitur a philaxe quod est seruare (6410, R 431); patulus ouvert et non potest claudi sicut auris (6114, R 421); paradimaessample id est quod .fingitur (6063, R 420). Zweitens ist die lexikographische Beschreibungssprache das Lateinische: uel, idem est u.ä. Dritteils werden morphologische Bemerkungen (wenn überhaupt) nur bezüglich des lateinischen Eintrags gemacht, nie bezüglich des französischen Äquivalents: ferus, a, um cruel (3268, R 336); lens. tis lentille (4849, R 383); muliebris et hoc .bre ('mit der Neutrumform muliebre')-defame (5444, R 400); carbasus nef, pluraliter hec carbasa veles (1104-1105, R 272). Viertens schließlich sind an verschiedenen Stellen lateinische Merkverse eingefügt, welche bei der Memorierung der lateinischen Bedeutungen helfen sollen. So werden die oben genannten vier möglichen Bedeutungen von lat. carpo ('zupfen', 'tadeln', 'zerreißen', 'pflücken'; 1133, R 273) durch den folgenden Vers (angeschlossen durch unde uersus.) verdeutlicht: unde uersus: Carpo cum lanas traho. carpo dum reprehendo Carpo quid lanians. carpo quid accipiens. 'Carpo heißt's, zupf ich die Wolle; carpo auch, üb' ich Kritik; carpo sag' ich beim Zerreißen und carpo, wenn ich was krieg.' 57 Dieser die ganze ältere französische Lexikographie betreffende Sachverhalt ist in der zitierten Arbeit von Margarete Lindemann korrekt gezeigt und an mehreren Stellen betont worden, bezüglich des Abavus der Bibliotheque Nationale S. 188-189. Die Anfänge der französischen Lexikographie 65 Anders als die wörterbuchähnlichen Großversionen des Abavus, die nicht weit verbreitet gewesen sein dürften, war den lateinisch-französischen Wörterbüchern der Aalma-Familie großer Erfolg beschieden, wie wir an der Vielzahl erhaltener Handschriften sehen können, vor allem aber an der Tatsache, daß sie (im Gegensatz zum Abavus) nach der Erfindung des Buchdrucks alsbald auch gedruckt wurden. Wie wir schon erwähnt haben, beruhen die Aalma-Versionen auf dem Catholicon des Johannes Balbi. Wenn auch die Lemmata der Vorlage bei weitem nicht alle übernommen wurden, so ist doch das älteste auf uns gekommene Aa/ ma-Wörterbuch vom Ende des 14. Jahrhunderts (Paris BN lat. 13032) mit 13680 Einträgen um einiges umfangreicher als der Abavus (lat. 7692) der Bibliotheque Nationale mit seinen 9413. Neben der größeren Vollständigkeit nähert aber auch die größere Kohärenz der alphabetischen Anordnung die erste Aalma-Version unserer Vorstellung von einem zweisprachigen Wörterbuch weiter an. Zwar ist auch in Aalma die Beistellung der Ableitungen (eingeleitet mit inde) zum Grundwort nicht selten. Öfter aber sind abgeleitete Wörter auch schon nach dem alphabetischen Prinzip eingereiht, so daß nicht in jedem Falle zunächst das Grundwort aufgesucht werden muß. So zeigen die Lemmata 2710-2720, R II 95-96 58 die folgende Anordnung: dama, dame... Damascenlls. na. nllm Damasclls Damascena... ne Damascenllm... ni damabilis... le damno.nas .. . damnoslls.sa.sllm damnllm... ni damllla. le Daniel daim Oll dainne deDamas Damas. llne cite prunier de Damas prune de Damas damables damner Oll domagier domageux domages. et doit estre escript sens p petit daim Oll daime Danniel. propre nom Damascenus 'aus Damaskus' steht hier aus Gründen der alphabetischen Abfolge vor Damascus, von dem es abgeleitet ist (allerdings auch vor Damascena 'Damaszenerpflaumenbaum', das dann doch als zu sekundär und speziell erschien, um die Gruppe einzuleiten).· Damula aber 'kleiner Damhirsch' steht durchaus an dem vom Alphabet gebotenen Platz und nicht bei seinem Grundwort dama. 58 R bezieht sich 'wieder auf Mario Roques, Recueil general des lexiques franr; ais du moyen dge (XIIe-XVe siecle), hier Bd. 2, Paris 1938. 66 Die Arifänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Das Französische hat in Aalma in dreierlei Hinsicht an Boden gewonnen. Erstens finden wir nun viel häufiger die Nennung verschiedener französischer Äquivalenzmöglichkeiten zu dem lateinischen Lemma: 59 solicito. tas nimbus ... bi conficio ... is ... soliciter. esmouvoir. faire cusarn; : onneux pluye soudainne ou espessete de nue ou vent plegeus ou orfroy que les fernes mectent devant leurs frons confire. parfaire. defaillir. vaincre. taindre. consecrer 11484, R II 385 8034, R II 275 2241, RII 80 Zweitens sind nun auch die (hier zudem viel häufigeren) Erläuterungen der Bedeutung in französischer Sprache formuliert. So wird etwa bei der Entsprechung von dapsilis 'reichlich' hinzugefügt, daß man das Wort 'besonders in Bezug auf Speisen' verwendet: ! arges. especiaument en viandes (2726, R II 96). Die Wörter situla 'Wassereimer', eluvies 'Überschwemmung' und manica 'Ärmel', aber auch 'Handschelle', werden so erklärt: situla. Je eluuies. ei manica... ce soille. c'est vaissel a puissier yaue. siau de puiz. inundacion de yaue ou graut croissance de yauez ou destruction faicte par habundance d'yaue manche de robe ou amanecte conme chaine de fer a mectre en prison par ! es mains 11443, R II 384 3381, R II 117 7189, R II 246 Drittens ist jetzt auch die lexikographische Metasprache ganz überwiegend das Französische. Das uel, das im Abavus zwischen zwei französischen Entsprechungen stand, wurde durch ou ersetzt, und manchmal wird noch ausführlicher gesagt: signifie plusseurs choses (5391, R II 151). Auch die Hinweise auf orthographische und morphologische Besonderheiten des betreffenden lateinischen Wortes erfolgen nun in französischer Sprache. Wir haben schon gesehen, daß bei der Bedeutung von damnum (2718, R II 96) hinter der französischen Übersetzung domages davor gewarnt wird, das Wort mit p zu schreiben "et doit estre escript sens p", was sich natürlich auf damnum bezieht, das im mittelalterlichen Latein oft als dampnum er- 59 Dabei wird freilich zwischen verschiedenen möglichen Redebedeutungen eines Lemmas und Fällen von (zum Teil schon im Lateinischen eingetretener) Homonymie nicht unterschieden: pila. pile pelote. estueuf. taveme ou pilier de pont ou pile a piler fromant 9216, R II 313 Pila (mit langem i) ist im Lateinischen homonymisch und bedeutet 'Pfeiler' und 'Getreidemörser'. Außerdem ist die Form der Plural von pi/ um 'Wurfspieß'. Pila (mit kurzem i) ist ein 'Ball'. Pila 'Schenke' ist mittellateinisch. Die Anfänge der französischen Lexikographie 67 scheint). 60 Beim Lemma Zibet (6156, R II 231) wird angemerkt, daß es sich um 'ein unpersönliches Verbum' handelt und daß es 'nur in der dritten Person' vorkommt: libet il plest. verbes impersonnel et est declinez par les tierces personnes seulement ut libet... Ähnlich wird bei inquio (6021, R II 207) gesagt, daß es eine 'defektive' Morphologie aufweist: inquio, inquis, inquit je di. tu dis. cilz dit verbes deffectiz Bei der Präposition cum 'mit' (2636, R II 93) fehlt nicht der Hinweis, daß ihre Verwendung den Ablativ erfordert: cum une preposition qui sert a l'ablatiz et senefie avec Dadurch aber haben wir in der ältesten Fassung des Aa/ ma-Wörterbuchs aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts neben den altfranzösischen Donatübersetzungen eine weitere Quelle für die Entstehung einer französischsprachigen grammatischen Terminologie. Dies gilt um so mehr, als wir die grammatischen Termini nicht nur okkasionell bei der Erklärung lexikalischer Bedeutungen finden, sondern auch als eigenständige lateinische Lemmata mit ihrer französischen Entsprechung. So haben wir u.a.: aduerbium. bii adverbes 171, R II 10 coniugacio... onis conjugacion 2277, R II 81 coniunccio... onis conjunccion 2279, R II 81 genitiuus... tiui genitif. un cases 4790, R II 165 substantiuo, uas... substantiver. faire substantif 11938, R II 400 In manchen Fällen ist allerdings die grammatisch-terminologische Bedeutung nur eine unter anderen: articulus. culi uerbum... bi articles. c'est doit. partie d'oreison. fine colour rethorique. moment. pressure. manere de nombre multipli~ par dis ou partie de nostre foy parole ou verbes. c'est une partie d'oroison ou decepcion ou li filz Dieu 616, RII 24 13069, R II 436 Ganz ist indes auch in Aalma die lateinische Definition noch nicht aufgegeben worden. Sie scheint sich besonders bei fachsprachlichen Bedeutungen gehalten zu haben, so etwa beim Lemma gamo 'heiraten' und peculium 'Vieherlös': 60 So z.B. auch im Dictionarius von Finnin Le Ver, den wir anschließend vorstellen wollen. 68 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Ga/ loromania gamo grece. nubo latine. inde gamos. id est nupcie uel uxor uel mulier 4713, R II 162 peculium. lii. pecunia de pecudibus habita uel paruus census 8933, R II 304 in potestate filii uel serui Auch auf die eingestreuten lateinischen Merkverse wird nicht ganz verzichtet, beispielsweise um den Unterschied von scoba 'Reiserbesen' (klat. scopae) und scobs 'Hobel' (< klat. sccibi~ 'Abrieb', 'Sägemehl', 'Feilspäne') einzuprägen (10950, R II 369): Vilia scoba levat, sed scobs, scopis aspera levat. 'Scoba fegt Abfall hinweg, scobs, scobis glättet das Brett'. Aber gemessen an der großen Zahl der Lemmata des Aa/ ma-Wörterbuchs sind die Merkverse dort sehr selten. Neben der ältesten und umfangreichsten Handschrift von Aalma (BN Paris 13032) existieren zwölf weitere, die fast alle ins 15. Jahrhundert datiert werden (eine ins 16. Jahrhundert). Während BN Paris 13032 keinenTitel aufweist (weswegen .man das Wörterbuch eben nach dem ersten Lemma Aalma nennt), erscheinen in anderen Handschriften, wie auch in den ersten Wiegendrucken des Werks aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die Bezeichnungen Vocabularius breuidicus oder Catholicon abbreuiatum (im Kolophon oder als Titel). Als unabhängig von der Aalma-Familie betrachtet man ein in zwei Handschriften erhaltenes (Universitätsbibliothek Montpellier, sect. med. H 110 und Stockholm, Kongl. Bibl. N 78) großes lateinisch-französisches Wörterbuch, das man Aalma bis genannt hat und bei dem sich neben Balbis Catholicor{ Papias als Quelle nachweisen läßt. Als technische Neuerung fällt hier auf, daß die französischsprachigen Teile der Interpretamente stets durch Unterstreichung gekennzeichnet sind. Eine Sonderstellung innerhalb der spätmittelalterlichen lateinisch-französischen Lexikographie nimmt der Dictionarius von Firmin Le Ver ein. Denn hier haben wir es nicht mit einer nur annähernd zu datierenden anonymen Kompilation zu tun, sondern der Verfasser nennt im Explicit ausdrücklich seinen Namen, seine Herkunft und seine Stellung als Prior der Kartause Saint Honore zu Thuison bei Abbeville sowie auch die Zeit, die er für sein Werk aufgewendet hat, nämlich volle zwanzig Jahre: 61 61 Wir zitieren den Dictionarius nach der erstmaligen und einzigen Ausgabe, die er erst unlängst erfahren hat: Brian Merrilees, William Edwards (Hgg.), Firmini Verris Dictionarius. Dictionnaire Latin-Franfais de Firmin Le Ver, Turnhout 1994 (= Lexica Latina Medii Aevi. Nouveau Recueil des Lexiques latin-franfais du Moyen Age, collection dirigee par Brian Merrilees et Jacques Monfrin, Bd. 1) [= Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis. Series in -4°, I] mit Seiten- und Spaltenzahl (ME) und stellen die Spaltenzahl der Handschrift voran. Die Anfänge der französischen Lexikographie 69 Explicit liber iste qui proprie nominari debet dictionarius quia omnes dictiones seu significationes quas in Catholicon et Ugutione atque in Papia et Britone et eciam in pluribus aliis libris gramaticalibus repperire potui, ego Firminus Verris de villa Abbatisville in Pontivo Ambianensis diocesis oriundus, religiosus professus, ac huius domus beati Honorati prope dictam villam Abbatisville Cartusiensis ordinis prior indignus per viginti annorum curricula et amplius cum maxima pena et labore insimul congregavi, compilavi et conscripsi. 467'\ ME 543b Auch läßt er keinen Zweifel über das genaue Datum der Vollendung seines Werkes. Es wurde am 30. April 1440 abgeschlossen: Qui dictus dictionarius anno domini millesimo cccc 0 quadragesimo mensis Aprilis die ultimo completus fuit et finitus. 467'", ME 543b Das Resultat der zwanzigjährigen Arbeit Firmin Le Vers ist von beträchtlichem Umfang. Mit ca.45000 Einträgen ist das Werk über dreimal so groß wie die größte Aalma-Version (Paris BN lat. 13032). 62 Obwohl Le Ver in der angeführten Stelle aus dem Explicit (wie auch schon im Incipit) neben „mehreren anderen grammatikalischen Büchern" vier Hauptquellen seines Dictionarius nennt, das Catholicon Johannes Balbis, die Magnae Derivationes des Hugotio, das Wörterbuch von Papias und die Summa des Guillelmus Brito, kann doch das Catholicon von Johannes Balbi als die maßgebende Grundlage seines Wörterbuchs angesehen werden.63 Beim Aufbau des Wörterbuchs versucht Le Ver das Prinzip der alphabetischen Anordnung mit dem der Zuordnung von Derivata zu ihrem Grundwort zu verbinden: Jeder Großeintrag besteht aus einem Hauptlemma, dem fast stets eine Anzahl davon abgeleiteter Sublemmata folgt. Die Hauptlemmata sind in der Handschrift durch größere Anfangsbuchstaben (die zudem durch die Altemierung von roter und blauer Schrift hervorgehoben werden) und eine leichte Herausrückung nach links gekennzeichnet, während die Sublemmata nach gewissen aus ihrer Bildung folgenden Prinzipien angeord- 62 "[ ••• ]; il comprend 467 feuillets (sur ! es 478 du manuscrit entier), 1865 colonnes, un total de plus de 540.000 mots, dont a peu pres un sixieme en fran~ais pour tout Je texte dictionnairique." (ME VII). 63 „Das Catholicon Johannes Balbis muß als Hauptquelle der Makrostruktur von Firmin Le Vers Dictionarius betrachtet werden." (Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfangen bis 1600, cit., S. 242); gleicher Meinung sind die Herausgeber Brian Merrilees und William Edwards: "De tous ! es predecesseurs de cette tradition Iexicographique ä 1aquelle Firmin se joint et envers laquelle il reconnait explicitement son obligation, c'est Balbi en particulier qui lui fournit ! es bases de sa methodologie et Ja plus grande partie du materiau de son texte." (ME XI). Margarete Lindemann bemerkt zudem: „Der Hinweis auf die Kompilation eines lexikographischen Werks durch die Nennung von Papias, Hugotio Balbi und die anderer Autoren scheint im 15. Jahrhundert eine Konvention zu sein [...]" (ibid., S. 242). 70 Die Atifänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania net sind. 64 Neben der Bedeutungsangabe in lateinischer und französischer (öfter auch nur in lateinischer) Sprache enthalten die Artikel ausführliche Hinweise zur Morphologie und Syntax, manchmal auch zur Phonetik und Orthographie: 65 · DOLATILIS et DOLATURA - In § Dolo .las dicuntur DOLEO, doles .lui .litum doloir [ou regreter] ou estre tristes ou n regreter .i. pati dolorem, infirmari, etc. Dolens .tis dolant vel indigne ferens secundum Papiam Dolenter adverbium dolamment, tristement .i. acriter, acerbe, moleste, indigne, dolorose, tristanter - [comparatur] Dolentia .tie deullanche, dolereusetes .i. molestia, anxietas, dolor, f tristicia, etc. Doleo componitur Condoleo, condoles .i. simul dolere, compati, unde Condolesco .scis inchoativum. ltem Dedoleo .les non dolere, a dolore cessare .i. desdoloir. Item Perdoleo .les perfecte vel valde dolere .i. parfaitement doloir Doleo .les et omnia ab eo composita sunt neutra et faciunt preteritum in 'lui' et supinum in 'litum'. Item omnia corripiunt hanc sillabam 'do', ut: c6ndolet Doleo est verbum neutrum et absolutum et regit accusativum casum per sinodochen, ut: doleo ventrem vel caput. DOLIUM, dolii - .i. vas vinarium rotundum tonneau n DOLO, dolas .lavi .lare .turn - .i. doler, aplanier 1 .i. levigare, act planare et corripitur 'do', unde Dolatus .ta .turn doleis, applanies, rabotes Dolatura .ture - .i. dolatio vel id quod dolando aufertur de ligno .i. / es petites attelles qui chie[n]t du bois quant on le dole Dolatilis et hoc .tile aptum ad dolandum o 114rb-114v", ME 132" Die lexikographische Metasprache des Dictionarius ist ganz überwiegend das Lateinische, so daß wir es nicht eigentlich mit einem lateinisch-französischen Wörterbuch zu tun haben, sondern mit einem lateinischen Wörterbuch, welches das Französische zur ergänzenden und präzisierenden Erklärung mit heranzieht. 66 64 Vgl. hierzu im einzelnen Brian Merrilees, William Edwards (Hgg.), Firmini Verris Dictionarius, cit., S. XX-XXII. 65 Das Zeichen § für 'Lemma' haben die Herausgeber eingefügt. 66 „Le · DLV n'est pas un simple dictionnaire bilingue latin-franyais, c'est a dire la juxtaposition parallele de langue source et de langue cible, mais plutöt un dictionnaire latin-latin/ franyais ou le franyais est appele a doubler et a complementer le latin comme langue de definition." (Brian Merrilees, William Edwards (Hgg.), Firmini Verris Dictionarius, cit., S. XXVQ. Gegenüber Aalma mit seiner französischen Metasprache sieht Margarete Lindemann daher bei dem Dictionarius Le Vers einen „Rückschritt in der Entwicklung von der lateinischen zur französischen Lexikographie" (Die französischen Wörterbücher von den Anfllngen bis 1600, cit., S. 243). Die Anfänge der französischen Lexikographie 71 Allerdings finden wir auch ausführlichere Erklärungen in französischer Sprache wie die oben zitierte Beschreibung der Hobelspäne: "! es petites attelles qui chie[n]t du bois quant on le dole". So auch im Falle des Lemmas Scalprum 'Schabeisen des Gerbers': le grant large coutel a ii manches dont conreeurs et tenneurs reent leurs cuirs 381vb, ME 446a Manchmal wird die französische Erklärung unvermittelt in lateinischer Sprache fortgeführt: Placitator .toris plaideur, come advocat ou cheluy qui plaide et ha discort et prochies encontre aultruy et dicitur sie quasi placiti actor 325ra, ME 379b Neben .der lexikalischen und grammatischen Beschreibung der Lemmata steht in vielen Fällen am Rand noch eine Abkürzung, welche das Genus nominis und das Genus verbi betrifft, beim Nomen etwa m für masculinum, n ftir neutrum, c für commune, o für omnis generis (beim Adjektivum) bzw. beim Verbum n für neutrum ('Intransitivum'), d für deponens, act für activum ('Transitivum') etc. Am Rand (aber gelegentlich auch im Text der Mikrostruktur wie bei dem oben zitierten dolens) erscheint öfter die Quelle der lexikalischen Information, in der übergroßen Mehrheit der Fälle das Wörterbuch des Papias. 67 Dem Vorbild des Catholicon folgend verweist Le Ver vielfach auf andere Lemmata: "DOLATILIS et DOLATURA - In § Dolo .las dicuntur", 'DOLATILIS und DOLATURA sind unter dem Lemma DOLO, -as aufgeführt', was denn auch der Fall ist, wie wir gesehen haben. Wie in den Wörterbüchern der Abavus- und der Aalma-Familie finden sich auch im Dictionarius Merkverse zum richtigen Gebrauch des Lemmas (mit dem Marginalnotat versus: ), wenn auch nicht sehr häufig, so etwa beim Sublemma orbitas .tatis - .i. amissio filiorum vel eciam oculorum .i. vesvetes et perdemens d'enfans ou des yex, scilicet cecitas avugletes: lumine privatus, violenter dicitur orbus, dicitur orbatus excecatus vel viduatus, pupillus patre caret, orphanus est sine matre, orphanus at proprie magis est privatus utroque. 296v•, ME 347• ,Orbus heißt, dem man gewaltsam das Augenlicht nahm, Orbatus bedeutet 'erblindet', jedoch auch 'verwitwet', Pupillus hat keinen Vater und orphanus keine Mutter, Recht eigentlich aber nennt orphanus jemand, dem beide ermangeln.' ~7 „L'auteur qui est de loin Je plus cite dans Je DLVest Papias, dont Je nom parait 1189 fois." (Brian Merrilees, William Edwards (Hgg.), Firmini Verris Dictionarius, cit., S. XI). Nicht immer aber hält die Quellenangabe einer Überprüfung stand: "Meme apres l'analyse d'une dizaine de manuscrits de l'Elementarium et de Ja version de 1483 imprimee a Venise, il reste plus de 170 citations qui ne sont pas immediatement attribuables" (lid., ibid.). 72 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Während Finnin Le Ver in lexikographischer Methode und lateinischem Material besonders dem Catholicon verpflichtet ist, so scheint er bezüglich der französischen Interpretamente auch ein Wörterbuch der Aalma-Familie herangezogen zu haben, wie gewisse Übereinstimmungen zeigen. Weniger ergiebig als Aalma ist der Dictionarius für unsere Kenntnis der entstehenden französischen grammatischen Terminologie, was mit seiner Bevorzugung des Lateinischen als Metasprache zusammenhängt. So erscheint zum Beispiel beim Sublemma imperativus nur die allgemeinsprachliche Bedeutung in französischer Sprache, die grammatische dagegen auf Latein: Imperativus .a .um qui quemande, unde quidam modus dicitur imperativus quia precipit, ut dicitur: lege lectionem, accipe equum, comede panem, etc. 189v•, ME 220 1 Gelegentlich aber finden sich auch rein französische Interpretamente grammatischer Termini: Adiectivatus .a .um fait adjectis ou mis adjectivement .i. par adjectis, par iii genres 7'\ME s• Auf Grund des Entstehungsortes und der Herkunft des Verfassers zeigen die französischen Interpretamente des Dictionarius zahlreiche Merkmale der pikardischen Varietät, insgesamt aber entsprechen sie einer frankopikardischen Skripta. 68 Das Ergebnis seiner zwanzigjährigen Arbeit hat Firmin Le Ver für die Kartäusergemeinschaft von Saint Honore bestimmt: Cest livre est et appartient aux chartreux pres d' Abbevile en Pontieu de l' evesquiet d'Amiens. Qui l'ara le rende. Explicit. 467'8, ME 543h Die einzige Handschrift des Dictionarius Getzt Paris BN nouv. acq. fr. 1120) blieb bis zur französischen Revolution in der Kartause von Thuison, wodurch sich ihre gute Erhaltung erklärt Gedenfalls scheint die Ermahnung an allfällige Entleiher, sie zurückzugeben - Qui l'ara le rende befolgt worden zu sein). Trotzdem aber blieb ihre Kenntnis wohl nicht auf die Kartäuser von Tuison beschränkt. Ein gegen Ende des 15. Jahrhunderts (ca. 1490) im Hause Guillaume le Talleur zu Rouen gedruckter Vocabularius 68 „Des traits de dialectes centraux sont aussi presents dans le texte, et sa langue, d'apres ! es graphies, reflete une scripta plutöt franco-picarde que picarde." (Brian Merrilees, William Edwards (Hgg.), Firmini Verris Dictionarius, cit., S. XXIX). Die Anfänge der französischen Lexikographie 73 familiaris oder Vocabularius familiaris et compendiosus könnte vom Einfluß d D . ti' , 69 es zc onarzus zeugen. 2.4.4 Die ältesten Glossare mit französischen Ausgangslemmata Die ersten lateinisch-französischen Wörterbücher dienten vor allem dem Unterricht der lateinischen Sprache. Im Vorwort einer Version der Aalma- Familie (BN lat. 14748) wird dies ausdrücklich gesagt: Afin que plus tost et plus prestement les escoliers et autres puissent mettre le latin en franyois et le franyois en latin des moz de gramaire et par especial du Iivre nomme Catholicon. En ce Iivret nomme le Mirouer des nouveaux escoliers est mis le latin et apres le franyois des moz plus necessaires et acoustumez contenus ou dit Catholicon et d'aucuns autres moz. (zitiert nach Brian Merrilees, William Edwards (Hgg.), Firmini Verris Dictionarius, cit., S. XIV) Allerdings würde man nach heutiger Vorstellung zum „metre le franyois en latin" ein Wörterbuch mit alphabetisch geordneten volkssprachlichen Ausgangslemmata brauchen. Solche Lexika aber lassen zunächst noch auf sich warten, und die Tradition der lateinischen Ausgangsbasis bei der lexikographischen Beschreibung dauert an. Einen ersten Hinweis auf das entstehende Bedürfnis nach französisch-lateinischen Äquivalenzfolgen finden wir in einem Glossar aus dem 14. Jahrhundert, das sich neben verschiedenen sonstigen Textfragmenten in der Handschrift H 236 der Medizinischen Fakultät der Universität von Montpellier findet. Das Glossar ist eine Kompilation aus dem um 1250 entstandenen Bibellexikon des Franziskaners Guillelmus Brito, der Summa Britonis (in geringerem Maße aus dem unter dem Namen Graecismus bekannten Traktat des Eberhardus Bethuniensis [Evrard de Bethune]). 70 Es umfaßt 4825 alphabetisch angeordnete Lemmata (mit einer eigenen in sich alphabetisch angeordneten Sektion für die Verben), von denen etwa ein Viertel französische Interpretamente aufweisen. Die alphabetische Anordnung zeigt allerdings einige Inkohärenzen. Die Lemmata eines 69 Diesen Nachweis versuchen Brian Merrilees und William Edwards, "Le statut du fran~ais dans le dictionarius Le Ver (1420-1440) et dans un imprime derive (c. 1494)", in: Giuseppe Di Stefano, Rose M. Bidler (Hgg.), Du manuscrit a l 'imprime. Actes du colloque international Universite McGi/ 1, Montreal, 3-4 octoore 1988, Montreal 1989, (= Le moyen .franr; ais 22), S. 27-50. Später ist Merrilees von der These des direkten Einflusses des Dictionarius auf den Vocabularius familiaris et compendiosus abgerückt und möchte die Ähnlichkeiten beider lieber aus einer gemeinsamen älteren Grundlage erklären, vgl. w.u. 70 Vgl. Lloyd W. Daly, Bemadine W. Daly (Hgg.), Summa Britonis sive Gui/ / elmi Britonis Expositiones vocabulorum Biblie, Padua 1975; Johann Wrobel (Hg.), Eberhardi Bethuniensis Graecismus, Breslau 1887. 74 Die Arifänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Anfangsbuchstabens sind in durchnumerierte Paragraphen unterteilt. So lautet der neunte und letzte Paragraph der (nichtverbalen) Lemmata mit.f-: 71 IX Hec facultas, facultatis - .i. sapientia Hec facundia, facundie - .i. loquela sapientie omata Hoc fas indeclinabile gallice license Fatigatus .ta .turn participium est gallice travellie Fulvuus .va .vum gallice rous Flavuus .va .vum idem est Hoc facinus, facinoris idem est quod peccatum, gallice desloiautes Hoc fetus .toris gallice ordure Hoc fumiferum .ri gallice brouete Hoc fulcimentum .ti gallice warnissemens Fursan adverbium est idem est quod forsitan, gallice par aventure Fultus .ta .turn participium estgallice warnis 30V, G 54a-b Auch in diesem Glossar finden sich okkasionell Merkverse zur Memorierung mehrdeutiger Lemmata, so im Falle von glos, das im Mittellateinischen mit drei Bedeutungen vorkommt (während die antike Sprache nur glos, gloris 'Schwägerin', 'Schwester des Ehemannes', 'Ehefrau des Bruders' kennt): Di<S>cite quid sit glos lignum vel femina vel flos: Flos est glos, glotis, glos, glosis femina fratris, Glos gloris lignum, vetus est de nocte serenum. 'Merket: glos heißt 'Holz', 'Blume' oder auch 'Frau': Glos, glotis ist eine Blume, glos, glosis vom Bruder die Frau Glos, gloris ein alter Baumstamm, der leuchtet bei Nacht und ist faul.' 32', G 55b Das Besondere an diesem Glossar ist nun, daß man an seinem Rand ein französisches „Umkehrglossar" von zweiter Hand findet, welches es ermöglichen soll, die lateinischen Entsprechungen der angeführten französischen Wörter im Basisglossar zu finden. Auch die französischen Wörter sind alphabetisch angeordnet und zwar so, daß die Lemmata mit aauf dem Rand neben der lateinischen Lemmafolge mit astehen. Innerhalb der französischen Lemmata mit aaber folgen sie ihrem Vorkommen im lateinisch-französischen Basisteil des Glossars. Offenbar hat der Kompilator beim Durchgang durch 71 Wir zitieren das Glossar nach der einzigen, erst unlängst erschienenen Ausgabe: Anne Grondeux (Hg.), Anonymi Montepessu/ anensis Dictionarius. Le glossaire latin-fran,; ais du ms. Montpellier H 236, in: Anne Grondeux, Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), Duo glossaria, Turnhout 1998 (= Lexica Latina Medii Aevi. Nouveau Recueil des Lexiques / atin-fran,; ais du Moyen Age, collection dirigee par Brian Merrilees et Jacques Monfrin, Bd. 2) [= Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis. Series in -4°, II], S. 7-140 mit Seiten- und Spaltenzahl (G) und stellen die Spaltenzahl der Handschrift voran. Die Anfänge der.französischen Lexikographie 75 das Basisglossar die (vorgefundenen oder selbst gebildeten) : französischen Äquivalente sogleich bei den entsprechenden Lemmabuchstaben in der Reihenfolge ihres Vorkommens aufgezeichnet. Dabei hat er bei jedem : französischen Lemma den lateinischen Buchstaben, unter dem es im Basisglossar erscheint (z.B. sour B 'bei B'), sowie die Nummer des Paragraphen, unter dem die lateinische Entsprechung dort steht (z.B. viz), angegeben, so daß die : französischen Marginallemmata die folgende Form zeigen (beim Verbglossar innerhalb des Anfangsbuchstabens F): sour S faire soutilement i froterii faire umbre ii fenme foliier iii faire hastieument iii fremer-iii foursener iiii faire signe iiii flairier-vi faire estaule vi foursener ix faire jus ix 96', 0135c Es liegt auf der Hand, daß der schlichten Fertigungstechnik der französischen Glossenfolge ein nur bescheidener Gebrauchswert entspricht. Denn nicht nur müssen Ausgangs- und Zielwörter aus in sich nicht alphabetisch geordneten Eintragsgruppen herausgesucht werden, sondern es finden sich auch zahlreiche Ungenauigkeiten und Inkohärenzen beim Verweis auf das Basisglossar. Auch gibt es Mehrfacheinträge (in unserem Beispiel foursener), die zum mehrfachen Aufsuchen einer möglichen lateinischen Entsprechung nötigen. Oft fehlt aber das gewünschte : französische Lemma ganz, und der Benutzer muß sein Glück mit einem Synonym versuchen. Die Herausgeberin hat die Umkehrlemmata um die gefundenen Äquivalente ergänzt und hat diejenigen davon, die dem Basisglossar selbst entstammen, durch Fettdruck gekennzeichnet, so daß die zitierte Beispielfolge so erscheint: sourS faire soutilement i sagire froter ii scabere faire umbre ii scenofacere fenme foliier iii scortari faire hastieument iii secundare fremer iii serere foursener iiii sevire 76 Die Arifänge der romanischen Sprachwissenschqft in der Galloromania faire signe iiii signare flairier vi spirare faire estaule vi stabilire foursener ix succensere faire jus ix sulcare 96', G135° Während das Marginalglossar aus Montpellier nur einen Zusatz zum Basisglossar darstellt und nur zusammen mit diesem benutzt werden kann, haben wir in dem auf Papier geschriebenen Glossarium Gallico-Latinum (Ms. Paris, BN lat. 7684) aus dem 15. Jahrhundert das erste autonome zweisprachige Glossar vor uns, das von französischen Lemmata ausgeht. Allerdings bezieht sich 'autonom' nur auf die Möglichkeit der Nutzung (nämlich ohne die Hilfe eines Basisglossars), nicht auf die Entstehung des Glossars. Ebenso nämlich wie das Marginalglossar aus Montpellier ist das Glossarium Gallico-Latinum das Ergebnis einer „Umkehrung" eines ursprünglich lateinisch-französischen Glossars. Dafür gibt es verschiedene Indizien: Erstens bezieht sich die alphabetische Anordnung der französischen Lemmata jeweils nur auf den ersten Buchstaben. Innerhalb der Gruppe mit gleichen Anfangsbuchstaben folgen die Einträge dagegen der alphabetischen Anordnung in dem lateinisch-französischen Ausgangsglossar. So finden wir etwa beim Buchstaben P als erste Einträge Prendre accipio .pis .cepi .ceptum; Prester accomodo .das .datum. Erst eine ganze Anzahl von Lemmata später steht Paelle a frire frixorium .rii, und die letzten Lemmata des Buchstabens lauten: Playe vulnus .neris; Player, navrer vulnero .ras; Plaie, navre vulneratus .a .um. Ebenso wie bei dem älteren Marginalglossar aus Montpellier hat die Notierung der französischen Lemmata nach ihrer Abfolge in der lateinisch-französischen Vorlage auch zu Mehrfacheintragungen geführt. So finden wir die 'Bratpfanne' Paelle a frire unter P nochmals, diesmal jedoch als Entsprechung von lat. sartago, sartaginis. zweitens bildet sich auch in unserem Umkehrglossar die Tatsache ab, daß die lateinisch-französische Vorlage an vielen Stellen von der alphabetischen Anordnung abwich, um einem Lemma davon abgeleitete Wörter und Synonyme beizustellen: 72 Rosel - .i. arundo, canna .ne f Cannula .le diminutivum idem f Cannella .le diminutivum idem f 72 Wir zitieren das Glossarium Gallico-Latinum nach Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), "Glossarium Gallico-Latinum. Le glossaire fran~ais-latin Du Ms. Paris lat. 7684", in: Anne Grondeux, Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), Duo glossaria, Tumhout 1998 (= Lexica Latina Medii Aevi. Nouveau Recueil des Lexiques latin-fran<; ais du Moyen Age, collection dirigee par Brian Merrilees et Jacques Monfrin, Bd. 2) [= Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis. Series in -4°, II], S. 141-269, mit Seiten- und Spaltenzahl (MM) und stellen die Spaltenzahl der Handschrift voran. Die Anfänge der französischen Lexikographie Cannetum .ti locus ubi canne crescunt 109'", MM 254",19-22 77 n Gelegentlich kommt es dabei zu recht ausführlichen Erörterungen zu Semantik und Syntax des lateinischen Äquivalents und seiner Ableitungen, so im Falle von coitiver: Coitiver colo .lis .lui cultum habiter, orner, honnourer, amer colo civitatem .i. habito; colo terram .i. aro; colo formam .i. omo; colo deum .i. veneror; colo parentes .i. diligo ista quinque significat et componitur Acolo .lis, Excolo .lis - .i. diligenter colere, Incolo habitare, Percolo - .i. perfecte colere, Occolo .lis - .i. abscondere, Recolo - .i. rememorare, recordari, ad memoriam reducere vel iterum colere omnia sunt activa in omni significacione nisi pro habitare et arare et tune est neutrum; in aliis significacionibus omnia sunt activa. 20ra, MM 194\ 48-58 Die Dominanz der lateinisch-französischen Vorlage hat an einigen Stellen dazu geführt, daß selbst die alphabetische Grobanordnung der französischen Umkehrlemmata unversehens durchbrochen wird: Droiture equitas .tatis Donques ergo adverbium ideo, igitur, quapropter, propterea, hac de causa Ravir ou hoster eripio, eripis .pui, erepturn, et inde Ereptus .ta .turn delivre, ravi et Erepcio .onis delivrance Donner pour dieu erogo .gas .turn et componitur ab *e et *rogo Donne pour dieu erogatus .ta .turn Desrouyller erubigino .as .aturn vel erugino .as .turn Desrouylle ou fourbi eruginatus .a .um Desrouylleur ou fourbisseur eruginator .toris Desrouyllyerugineus .a .um Plain de roulle eruginosus .sa .sum Delivrer eruo .ruis 36'\ MM 208 1 , 13-29 Hie und da ist es bei der ursprünglichen Folge von lateinischem Lemma und französischem Interpretament geblieben: Adorsus .a .um araisonne 2v•, MM 181b, 30 Catus .a .um per unum 't' saige 17v•, MM 192\ 51 Publicus .a .um publique 102va, MM 251b, 9 Manchmal auch fehlt das französische Äquivalent ganz, so beim 'Tausendfüßler' (bzw. 'Hundertfiißler'): 78 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Centupeda .de genus animalis, a multitudine pedum dictum et componitur a *centum et *pes idem est quod multipes. 18'\ MM 193", 45-47 Drittens schließlich zeigt sich die Umkehrung der Folge von Lemma und Interpretament daran, daß das Glossarium längere bedeutungsbeschreibende Lemmata enthält, die leicht als ursprüngliche erklärende Interpretamente zu erkennen sind (so bei 'Reetbund', 'Schweinesuhle', 'Lab'): Chaume de quoy en quevre les maisons stipula .le .i. calamus segetis 28m, MM 201\ 40-41 Lieu couvenable a pourceaux pour eulx touiller voluptabrum .bri .i. locus cenosus et quelibet cenositas et turpitudo ubi porci volvuntur. 76m, MM 233\ 62-64 Tourneure que l'en met en lait pour prendre coagulum .li 123m, MM 263", 38-39 Auf die gleiche Weise ist es zu Lemmata gekommen, die aus Äquivalentanreihungen bestehen (also sozusagen eine lemmatisierte Mikrostruktur darstellen): Fluctuant, doubtant, incertainfluctuans .tantis [sie] 57'", MM 223°, 23 Vaciller, trembler, chanceler vacillo .as 130ra, MM 267b, 25 Espouenter, faire paour, troubler, fraper, mettre a terre percello .His, perculi, percellere, perculsum [...] 51ra, MM 219, 44-45 Manchmal ist die Umkehrung (versehentlich oder absichtlich) unterblieben: Fulcio .cis, fulci vel .civi .eire, fultum vel fulcitum sustenter, apoyer, soustenir, so~orter, soulever, gamir, fermer, aider 57 , MM 223\ 37-39 Die Deklarierung bedeutungsumschreibender Interpretamente zu Lemmata führt zu gewissen Schwierigkeiten bei der alphabetischen Einordnung. Denn man kann sich fragen, ob diese nach dem zufällig ersten Wort der Bedeutungserklärung oder nach einem semantisch relevanten Kernterminus erfolgen soll. In dieser Hinsicht ist der Verfasser des Glossars nicht zu einer kohärenten Entscheidung gelangt. Denn bisweilen verwendet er das eine, bisweilen das andere Verfahren. So erscheinen unter Q ganze Reihen von Eigenschaftsbeschreibungen als Entsprechungen lateinischer Adjektive, weil sie durch ein Relativpronomen eingeleitet sind: Die Arifänge der französischen Lexikographie Qui ne puet estre deslie insolubilis et hoc .le Qui de serf est fait franc libertus .ti Qui come en cor liticen .ticinis .i. cornicen Qui n'a que une main mancus .a .um Qui a une main coppee mancatus .a .um Qui tost et legierement se pourist ou se fletrist marcessibilis et hoc .le Qui a grans machoueres maxillatus .a .um Qui fait marveilles mirificus .a .um Qui n'a que un oeul monoculus .a .um Qui a net e pur euer mundicors .cordis 79 Qui tue souris muricida .de vel murilegus .gi et hec murilega .ge comme chat ou chatte Qui a grant nes nasosus .a .um Qui est si mauvais que il n'est pas digne d'estre nomme nefandus .a .um 107'\ MM 253\ 24-39 Ebenso steht unter L eine ganze Anzahl .von Bedeuturigserklärungen als Lemmata, weil sie mit dem bestimmten Artikel le, la beginnen: L'aube dujour-aurora .re 'Morgenröte' 73ra, MM 231", 35 L' espace qui est entre les ii sourcilz intercilium .lii 'Brauenzwischenraum' 74'", MM 231\ 63-64 La grosse piece de bois du mestier ou tissier ou il entortille le drap ou toille en tissant dicitur liciatorium .rii 'Weberbaum' 74v\ MM 232\ 33-35 Andererseits steht zum Beispiel der 'Feigenpflücker' bzw. 'Feigenverkäufer' durchaus bei dem Basiswortfigue und nicht unter C wegen 'celuy' (wodurch allerdings der einheitliche Anlaut der Lemmata unterbrochen wird): Figue ficus .cus .cui Petit figuier ficulnea .nee Celuy gui cuelle ou vant les figues ficarius .rii 56v•, MM 222b, 35-37 . Und obwohl viele Eigenschaftsbeschreibungen wegen der sie einleitenden Relativpronomen unter Q erscheinen, findet sich auch ihre Beistellung zum Grundwort: Frone frons, frontis Qui ha grant frone frontuosus .a .um 57va, MM 223b, 24-25 Wenn das Interpretament gar nicht in französischer Sprache vorlag, kann seine Einordnung in die Lemmata zu einem Eintrag führen, der den Leser zunächst etwas verblüfft. Zum Beispiel wird ihm der 'Wandermönch' vorge- 80 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschqft in der Galloromania stellt (der offenbar mit dem Zelleninventar wenig pfleglich umging); dann wird gesagt, daß sich ein Wort aus *circum und *cella zusammensetzt und dann erst, daß dieses Wort circumcellio heißt und den zuvor beschriebenen Mönch bezeichnet: Monachus qui per diversas semper vagatur cellas devastando [: nota} quicquid invenit a *circum et *cella componitur - Circumcellio .onis 77'\ MM 2348, 53-55 Das Glossarium Gallico-Latinum ist also deutlich von seiner lateinisch-französischen Vorlage gekennzeichnet. Die grammatischen Angaben beziehen sich alle auf das Lateinische, und d~e diesbezügliche lexikographische Me,tasprache ist ganz überwiegend das Lateinische. Auch finden sich gelegentlich die traditionellen Merkverse zum besseren Einprägen der verschiedenen Verwendungsweisen eines lateinischen Wortes. Wegen seines derivativen Charakters kann das Glossarium Gal/ ico-Latinum daher noch keineswegs als die Grundlage einer zukünftigen französisch-lemmatischen Lexikographie angesehen werden. Trotzdem hat das Französische im Glossarium Gallico-Latinum in dreierlei Hinsicht an Gewicht gewonnen. An erster Stelle natürlich dadurch, daß es hier erstmalig (wenn auch durch Ableitung und „Umkehrung") als die Sprache der Lemmata erscheint. Aber auch durch die (in technischer Hinsicht allerdings verfehlte) Einrückung umschreibender Erklärungen in die Lemmata wird die französischsprachige Bedeutungsbeschreibung gefestigt. Und schließlich enthalten auch die lateinischen Äquivalente wiederum oftmals erläuternde und differenzierende Zusätze in französischer Sprache, wobei Latein und Französisch oft unvermittelt ineinander übergehen: Avironner lustro .as et significat eciam purger, monder, netoier 13 6v\ MM 185\ 38-39 Manifester pando .dis, pandi, pandere, passum et significat eciam estendre, dire, raconter, ouvrir 82'\ MM 2388, 54-55 Siege municium .cii .i. ost de gens d'armes devant une ville .i. obsidio 117va, MM 259\ 30-31 Lamproye murena .ne, et inde Murenula petite lamproye et aussi murenula segnefie chienette d'or ou d'argent qui est en maniere d'une lamproye que les femmes portent en leur coul pour omement unde in Canticis: murenulas aureas faciemus tibi vermiculatas argento 74va.75vh, MM 233", 53-58 73 Avironner 'umkreisen' erscheint im übrigen unter A noch weitere drei Male, und zwar mit den Äquivalenzen 'ambio' (MM 182", 28), 'circulo' (MM 183\ 43) und 'giro' (MM us•, 3). Die Anfänge der französischen Lexikographie 81 Nach den sprachlichen Merkmalen seiner französischen Anteile dürfte das Glossarium Gallico-Latinum im Zentrum oder im Westen des Gebietes der langue d'oil entstanden sein. Nach seinen lexikographischen Merkmalen läßt es sich mit dem Dictionarius von Firmin Le Ver und dem mit ihm verwand-. ten Vocabularius familiaris et compendiosus zusammengruppieren. Während aber Brian Merrilees, als er 1994 (mit William Edwards) den Dictionarius herausgab, noch der Meinung war, die Ähnlichkeit des Glossarium mit dem Dictionarius sei aus der Nachwirkung der Arbeit Le Vers zu erklären, 74 vermutet er in der Einleitung zu der vier Jahre später (1998) entstandenen Ausgabe des Glossarium Gallico-Latinum, daß es älter sei als der Dictionarius: „L'ecriture du GGL est difficile a dater avec precision; elle est evidemment du xve siecle, et ne me parait pas tres posterieure a la fin du premier tiers de ce siecle, ce qui est tout a fait en accord avec les donnees fournies par le filigrane du papier. II y a donc des chances serieuses pour que la copie du GGL soit anterieure a la mise au net du Dictionarius latin-fran~ais de Firmin Le Ver." 75 Auf Grund eines sorgfiiltigen Vergleichs der in Dictionarius, Vocabularius familiaris et compendiosus und Glossarium Gallico-Latinum enthaltenen französischen Anteile kommen die Herausgeber des GGL zu dem Schluß, daß die drei genannten lexikographischen Arbeiten zur gleichen Familie gehören und einen Teil ihres Vokabulars einer gemeinsamen älteren Quelle verdanken, aber auch eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen. 76 74 Brian Merrilees, William Edwards (Hgg.), Firmini Verris Dictionarius, cit., "lntroduction", S. XVII. 75 Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), "Glossarium Gallico-Latinum. Le glossaire franvais-Iatin Du Ms. Paris lat. 7684", cit., "lntroduction", S. 147. 76 „Si le pourcentage de le~ns comrnunes (70-75%) ne laisse aucun doute que les trois dictionnaires apartiennent a la meme famille, il faut cependant reconnaitre que dans ! es relations du GGL et du VFC au DL V il y a plusieurs elements a considerer, et surtout que Je GGL a un caractere distinctif qui le distance des deux autres. Tout d'abord Je nombre de correspondances entre le DL V et Je GGL qui ne sont pas dues a une simple absence d'un terme ou d'une expression dans Je VFC est tres bas (moins de 3%) tandis que le pourcentage de le~ns opposant le GGL et VFC au DLVest plus solide (9-12%). Les deux premiers, malgre leur difference de taille, semblent fonner un groupe contre Je DLV, mais I'examen comparatif du vocabulaire neologique dans le GGL indique que les trois ·ont dft puiser une partie de leur vocabulaire dans une source comrnune qui predate tous ! es trois. Pour chacun des textes il faut reconnaitre que chaque compilateur travaillait selon ses propres objectifs et qu'il n'hesitait pas a emprunter ailleurs qu'a sa source principale et peut-etre souvent a fournir de son propre chef le tenne qu'il voulait. C'est Ja marque de tout bon lexicographe." Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), "Glossarium Gallico- Latinum. Le glossaire franvais-Iatin du Ms. Paris lat. 7684", cit., "Introduction", S. 173. 82 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania 2.4.5 Das bretonisch-französisch-lateinische Wörterbuch von Jean Lagadeuc Noch im 15. Jahrhundert entsteht auch das erste dreisprachige Wörterbuch mit dem Französischen als einer der Äquivalentsprachen. Es handelt sich um das bretonisch-französisch-lateinische Wörterbuch von Jean Lagadeuc. Wie im Falle des 1440 vollendeten Dictionarius von Firm.in Le Ver werden uns in dem Werk selbst (hier jedoch im lncipit) der Name des Autors und die Zeit seiner Abfassung genannt. Außerdem erfahren wir, welchen Zweck das Wörterbuch erfüllen soll: PRINCIPIO dominum rogo trinum semper et vnum vt britoni librum valeam complere nouuellorum si quid in hoc opere videaris non bene dictum. Non mox arguere studeas tanquam male pictum. Primo consulere placeat tibi sepe peritum Qui sciat instruere necnon discemere scriptum. Quoniam quidem multi scolares adhuc in limine gimnasii non habentes periciam latinitatis trahunt vocabula latina ad sensum extraneum et extortum squamas auibus et plumas piscibus apponentes alii quippe de nouo latinum fingunt ac alii barbarizant. Eciam quia quamplures britones multum indigent gallico. Idcirco Ego Johannes lagadeuc parrochie de ploegonuen diocesis trecorensis in artibus et decretis bachalarius quamuis indignus ad utilitatem pauperum clericulorum britanie vel rudium in pericia latinitatis hoc opusculum composui Primo ponens et ordinans britonicum secundum ordinem quem frater Johannes Ianuensis tenet in suo catholicon sibi addiciens gallicum et deinde latinum eiusdem significationis vt per illud britonicum poterunt ad gallici et latini pervenire cognicionem hie enim suplebitur quidquid ex huius defectu hactenus pretermissum est. Queso autem mente deuota super huiusmodi operis imperfectione veniam a scolaribus et magistris postulans vt non bene dicta corrigant defectus supp: leant ac in melius reforment ac britonicum secundum earum prolacionem hie interserant vt melius vtique conualescat. Datum die sexta decima mensis augusti anno domini millesimo quadringentesimo sexagesimo quarto. 77 'Zu ANFANG bitte ich den immer dreifaltigen und einen Gott, daß ich imstande sein möge, dies neue bretonische Buch zu vollenden. Wenn der Leser in diesem Werke etwas sieht, das nicht gut gesagt scheint, so möge er nicht alsbald behaupten, das Dargestellte sei falsch. Vielmehr befrage er zunächst einen erfahrenen Fachmann, der Schriften zu verfassen und zu beurteilen vermag. Da nun viele Schüler, die noch an der Eingangsschwelle ihrer Bildungsanstalt stehen und der nötigen Kenntnis des Lateins ermangeln, die lateinischen Wörter in einen fremden und verkehrten Sinn hineinziehen, gleichsam den Vögeln Schuppen und den Fischen federn anheftend, denn einige erfinden sich ein neues Latein, andere begehen Barbarismen; auch können viele Bretonen nur sehr mangelhaft Franzö- 77 Zitiert nach Christian-J. Guyonvarc'h (Hg.), Le CATHOLICON de Jehan Lagadeuc. Dictionnaire breton-latin-fran<; ais du XVeme siec/ e. Volume 2, Rennes 1975, "Introduction", S. XXVII. Die Anfänge der französischen Lexikographie 83 sisch; so habe Ich, Johannes Lagadeuc aus der Pfarrei Ploegonven in der Diözese Treguier, Baccalaureus der Sprachkünste und des Rechts, wiewohl unwürdig, zum Nutzen der armen bretonischen Pfarrer oder der des Lateins nur wenig Kundigen dies Werklein verfaßt, indem ich an die erste Stelle das Bretonische gesetzt und angeordnet habe, und zwar in der Reihenfolge, die Bruder Johannes aus Genua in seinem Catholicon einhält, daran das Französische gefügt und sodann das Lateinische mit gleicher Bedeutung, so daß man vom Bretonischen aus zur Kenntnis des Französischen und Lateinischen wird gelangen können; was durch Versehen des Verfassers ausgelassen wurde, möge man hinzufügen. Ich bitte aber Schüler und Lehrer demütigen Sinnes um Nachsicht für die Unvollkommenheit dieses Werkes und fordere sie auf, das darin nicht recht Gesagte zu korrigieren, das Fehlende zu ergänzen und die Form zu verbessern sowie das Bretonische nach ihrer eigenen Aussprachegewohnheit einzufügen, auf daß es besser und zweckmäßiger werde. Geschrieben am sechzehnten Tag des Monats August im Jahre des Herrn vierzehnhundertvierundsechzig.' Wir erfahren also, daß es auch hier wie bei den ersten lateinisch-französischen Wörterbüchern (und den Versuchen ihrer Umkehrung) immer noch darum geht, ein Arbeitsmittel zur Erlernung des Lateinischen bereitzustellen. Zugleich aber finden wir in der Bretagne den besonderen Umstand, daß auch die Kenntnis des Französischen bei vielen unzureichend ist, eine Tatsache, die offenbar schon bevor die Bretagne am Ende des 15. Jahrhunderts durch Heirat an die französische Krone fiel, als Mangel empfunden wurde. Unter anderem aus dieser historischen Konstellation erklärt sich die Sonderstellung als „Vorläufer", welche das Wörterbuch von Lagadeuc in dreifacher Hinsicht einnimmt. Erstens nämlich erscheint das nächste dreisprachige Wörterbuch mit französischer Sektion erst über achtzig Jahre später (die Ergänzung des lateinisch-französischen Wörterbuchs von Estienne um das Deutsche durch Frisius). Zweitens aber gehen die dreisprachigen französischenWörterbücher des 16. Jahrhunderts alle vom Lateinischen aus und nicht von einer Volkssprache. Das nächste bretonischbasige Wörterbuch schließlich finden wir sogar erst im 17. Jahrhundert. 78 Was die Anordnung der bretonischen Lemmata betrifft, so beruft sich Lagadeuc auf das alphabetische Prinzip, welches durch das Catholicon des „Bruders Johannes aus Genua" maßgebend geworden war. Der jeweils zweite Buchstabe des Lemmawortes wird zur Untergliederung des Abschnittes mit dem gleichen Anfangsbuchstaben verwendet. So haben wir beim Buchstaben D die Unterabschnitte D ante A, D ante E, D ante I, D ante 0, Dante R, Dante U. Danach heißt es: Sequitur littera E. 19 Auch für die 78 Vgl. M. Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfängen bis 1600, cit, S. 277-278; s. 284. 79 Zu Verstößen Lagadeucs gegen die steilet alphabetische Anordnung nach dem zweiten Buchstaben s. Christian-J.. Guyonvarc'h (Hg.), Le CATHOLICON de Jehan Lagadeuc. Dictionnaire breton-latin-fran9ais du XVeme siec/ e, cit., "lntroduction", S. XVI. 84 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania lateinischen Elemente, ihre grammatische Charakterisierung, die Verfahren der Ableitungsbeistellung und des Verweisens auf andere Lemmata dürfte Lagadeuc das Catholicon zu Rate gezogen ha.ben. Seine bretonische Basisstruktur aber ist völlig neu und originell. 80 Entsprechend der Zielsetzung des Wörterbuchs, das Lateinische zu lehren, werden nur die lateinischen Äquivalente morphosyntaktisch beschrieben, und die lexikographische Sprache ist das Lateinische. Zu den lateinischen Entsprechungen treten Ableitungen und bedeutungsverwandte Wörter (mit Jtem eingeleitet) und Synonyme (mit ! dem eingeleitet, wobei idem nicht allzu wörtlich verstanden werden darf), die wiederum ins Französische, seltener auch ins Bretonische übertragen werden. Betrachten wir dazu das Lemma mezz 'honte' : 81 Mezz .g. honte vergoygne .l. hec puden cia/ e. ltem pudeo/ des .n.gs. auoir honte Item pudendus/ da/ dum .g. chose honteu se. Item pudenter aduer .g. honteusement ltem pudibondus/ da/ dum .g. honteux .b. mezus. Item hie pudor/ oris .g. honte net tete / chastete de corps. Item pudorosus/ a/ um .g. vergoingneux caste Item pudora tus/ ta/ tum .g. rampli de vergoignez Item verecondor/ aris.depo.g. avoyr honte estre honteux. Idem vereor/ eris. veritus sum Item hec verecondia/ e .g. vergoingne Item verecondus/ da/ dum .g. vergoigneux. Idem verendus/ da/ dum. et gentalia dicuntur ve renda. Item veritus/ ta/ tum. g honteux. G 138" Auffiillig an der bretonischen Basislemmatisiertmg ist, daß sie ziemlich viele Adaptationen aus dem Französischen enthält. An manchen Stellen erscheint sogar statt des bretonischen Ausgangswortes einfach ein französisches: 80 „Dennoch ist es für uns von Wichtigkeit, darauf hinzuweisen, daß Lagadeuc [...] nicht einfach die Makrostruktur Balbis verkürzt, sondern eine neue aus bretonischen Wörtern bestehende erstellt und auch im lateinischen Teil das von Balbi zur Verfügung Gestellte sehr stark umarbeitet. Erst 1539, also mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Erarbeitung des Werks von Lagadeuc im Jahr 1464, erstellt Robert Estienne die erste Nomenklatur aus französischen Wörtern für ein allgemeinsprachliches Wörterbuch." (M. Lindemann, Die · französischen Wörterbücher von den Anfangen bis 1600, cit, S. 280). 81 Wir zitieren das Catholicon von Lagadeuc nach dem Faksimile der gedruckten, von Jehan Calvez herausgegebenen Ausgabe, Treguier 1499, in: Christian-J. Guyonvarc'h (Hg.), Le CAlliOLICON de Jehan Lagadeuc. Dictionnaire breton-latin-fram; ais du XVeme siecle Volume 2, Reproduction de l'edition de Jehan Calvez, Rennes 1975, S. 1-210 (G). Die Abkürzungen haben wir aufgelöst. Die Abreviaturen sind zu lesen als: aduer adverbium 'Adverb'; b briton(n)ice, 'bretonisch'; depo deponens 'Deponens' g gallice 'französisch'; 1/ atine 'lateinisch', n gs neutri generis (beim Verb) 'intransitiv'. Den Spaltenumbruch des Faksimiles haben wir an dieser Stelle erhalten. Die Anfänge der französischen Lexikographie 85 Guichet pour issir par darriere .1. hec postica/ ce. ltem hoc posticum/ ci .g. lentree par darriere. Item hec postis/ tis .g. entree vel issue secrete G 105b Andererseits fehlen bretonische Wörter des allgemeinen Sprachgebrauchs. 82 Ob diese Besonderheiten sich aus dem Bildungsstand oder der Norm des Verfassers erklären, läßt sich nicht sagen, da wir von ihm über das im lncipit Mitgeteilte hinaus nur wissen, daß er aus Morlaix stammte. 83 Das Bretonische des Catholicon von Lagadeuc kann daher nur mit Vorbehalten als repräsentativ für den tatsächlichen Zustand dieser Sprache im 15. Jahrhundert angesehen werden. Trotzdem stellt das Wörterbuch ein wichtiges Bindeglied zwischen den ältesten bretonischen Glossen und den ersten bedeutsamen Texten des 16. Jahrhunderts dar. 84 Einen gewissen Hinweis auf die Differenzierung des Bretonischen in Varietäten haben wir in der Aufforderung Lagadeucs an seine Leser (und Bearbeiter), die bretonischen Formen an die ihnen vertraute Lautung anzupassen: britonicum secundum earum prolacionem hie interserant. 82 Zu den Gallizismen und dem überraschenden Fehlen üblicher bretonischer Wörter s. Christian-J. Guyonvarc'h (Hg.), Le CATHOLICON de Jehan Lagadeuc, cit., "lntroduction", S. XXX. 83 Im Wörterbuch selbst steht nämlich unter Montrolaes: 'cest une ville unde est oriundus constructor hujus opusculi' (G 140b-14la). 84 „Si Jehan Lagadeuc n'avait pas eu l'idee de preparer une version bretonne du travail de Jean de Genes, nous aurions, dans notre connaissance du breton, un hiatus de six ä sept siecles entre les gloses vieil-bretonnes et les premiers textes importants qui sont Le Mirouer de la Mort ecrit en 1519 et Ia Passion de 1530." Christian-J. Guyonvarc'h (Hg.), Le CATHOLICON de Jehan Lagadeuc, cit., "Introduction", S. XXX. 2.5 Die Anfänge der okzitanischen Lexikographie Wir wollen nun noch kurz die ersten Versuche einer Lexikographie des Okzitanischen betrachten, dessen grammatische Beschreibung der des Französischen ja in der Geschichte um ein Beträchtliches vorangegangen war. Während aber das Französische seine Stellung in der entstehenden Lexikographie bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts zunehmend ausbaute (wenn auch fast ausschließlich im Dienste der lexikalischen Beschreibung des Lateinischen), sind nur wenige Zeugnisse okzitimischsprachiger Lexikographie auf uns gekommen. Als Grund dafür kann man einerseits (in Anlehnung an Diez' Erklärung der 'Verspätung' der romanischen Glossographie gegenüber der germanischen) vermuten, daß die ältere und konservativere Romanität der südlichen Galloromania „eines solchen Hülfsmittels weit weniger benöthigt" war. 85 Andererseits aber wird auch der zunehmende Einfluß des Französischen seit dem 15. Jahrhundert der Erarbeitung größerer lateinischokzitanischer oder okzitanisch-lateinischer Glossare abträglich gewesen sein. 2.5.1 Okzitanische Glossen in einer Summa grammaticalis In der Handschrift Paris BN, f. lat. 16671 findet sich unter anderem eine ins 13. Jahrhundert datierbare Summa grammaticalis eines gewissen Magister Guillelmus mit den Teilen De declinatione, De regimine und De dictamine. Der erste (in der Handschrift titellose) Teil, den man auch Copia nominum genannt hat, besteht aus einer Auflistung von Nomina nach den vier Deklinationen, die innerhalb der jeweiligen Deklination alphabetisch angeordnet sind, allerdings nur in Bezug auf den ersten Buchstaben. Die einzelnen Nomina erscheinen teils uninterpretieti' teils sind ihnen morphologisch oder semantisch erläuternde lnterpretamente beigegeben worden (in wenigen Fällen auch ausführlichere Beschreibungen ihrer Verwendung): 86 Aquila. avis quedam. Aqua. Amurca. fex olei. Archa. Asina. bus in dativo et in ablativo pluralibus. 85 Ein Hinweis darauf könnte sein, daß sich in einem hebräisch-französischen Glossar aus dem 13. Jahrhundert ein provenzalischer Benutzer mit roter Tinte gerade lateinische (und okzitanische) Interlinearglossen als Erklärungen der französischen Äquivalente eingetragen hat (vgl. Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfangen bis 1600, cit., S. 156--157). 86 Wir zitieren das Glossar nach der bisher einzigen Publikation von Charles Samaran, "Une Summa grammaticalis du XIII" siecle, avec gloses proven~ales", Archivum Latinitatis Medii Aevi 31 (1961), S. 157-224 (S). Die Anfänge der okzitanischen Lexikographie Asella. Asellula. Avicula. parva avis. S 165\ 13-20 87 Bei etwa 10% der ca. dreitausend Nomina erscheint nun im Interpretament statt der lateinischen Erklärung ein altokzitanisches Äquivalent, und zwar gegen Ende des Glossars häufiger als am Anfang: 87 Hec lanugo. prima barba. Hec lux. cis. Hie hec localis et hoc. le. Hec linter. ris. lin. Hoc lucar. is. Hoc lucanar. fenestra per quam lumen intrat. Hoc Iimen. is. lundar. Hie limes. tis. via. ludicus. a. um jogos. Hie ludicer. hec cris. hoc. cre. Hie hec Iunaris. et hoc. re. cursus lunaris. Hoc Iinteamen. lansol. S 205\ 2-12 -- Dabei kann man sich fragen, ob die Einfügung der okzitanischen Äquivalente einer bestimmten Absicht und Systematik entspricht, oder ob sie eher okkasionell bzw. zufällig erfolgte. Unter drei Gesichtspunkten erscheint die zweite Annahme näherliegend. Erstens nämlich macht die gesamte Auswahl der Lemmata einen eher arbiträren Eindruck, und ihre Behandlung steht mehr im Dienste der morphologischen als der lexikologischen Beschreibung. So ist denn auch kaum ersichtlich, nach welchen Prinzipien der Kompilator eine inhaltliche Erklärung hinzufügt oder glaubt, auf sie verzichten zu können. Während man· in dem o.a. Zitat bei lux 'Licht' das Fehlen eines Interpretaments der Bekanntheit des Wortes zuschreiben kann, so hätte man bei lucar 'Forststeuer', 'Forstertrag' doch eine Bedeutungsangabe erwartet. Zweitens aber sind die vorhandenen lateinischen Bedeutungserklärungen oft von recht schlichter, wo nicht unbeholfener Art. Zwar finden sich auch ziemlich treffende Interpretamente, wie in dem o.a. Zitat· lanugo. 'prima barba.' 'Flaumbart' oder (mlat.) lucanar. 'fenestra per quam lumen intrat.' 'Fenster'. Oft aber gehen die Erklärungen nicht über allgemeinste Gattungs- oder Zugehörigkeitsangaben hinaus, welche nur der zu deuten vermag, der die Bedeutung des zu erklärenden Eintrags ohnehin schon kennt: scama. (= squama) - 'piscis alicuius.' 'Schuppe' - 'eines Fisches' (S 176 8, 7); seta. - 'porcorum'. 'Borste' - 'der Schweine' (S 176\ 43); sanguisuga - 'quedam bestia' (S 176\ 5) 'Blutegel' - 'ein Tier'; scintilla. - 'ignis.' 'Funke' - 87 Wir kennzeichnen die bei Samaran durch deml-gras gekennzeichneten okzitanischen Wörter durch Unterstreichung. 88 Die Arifänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania 'Feuer' (S 176a, 13). Manchmal auch ist die Erklärung rein assoziativ: acella (= axella). - 'sub qua sunt pili.' 'Achsel' - 'worunter Haare sind'. Drittens schließlich weist die anfangs seltene, gegen Ende des Glossars dann häufigere Hinzusetzung eines okzitanischen Äquivalents darauf hin, daß es sich dabei um einen Behelf handelte, den sich der Kompilator zunächst nur zögernd gestattete (wenn ihm keine passende lateinische Bedeutungsbeschreibung zu Gebote stand), gegen Ende der Arbeit dann aber, ungeduldiger werdend, häufiger. Art einigen Stellen finden sich auch die traditionellen versartigen Memorierhilfen von Lemmata mit mehreren Redebedeutungen, so bei pecten 'Kamm' mit den Bedeutungen 'Laute' (eigentlich 'Plektron'), 'Kammuschel', 'Herdrost', 'Weberkamm', 'Haarkamm' und 'Rechen': Hie pecten. is. unde versus: Pecten dulce sonat, mensa beat, ignem obumbrat, telas discurrit, crines parat et sata verrit. id est rastel. S 206", 18 ,Pecten klingt wohl und erfreut an der Tafel, deckt das Feuer im Herd, ist Weberkamm oder Raffel, kämmt Haar glatt und rechet die Saat.' Bezeichnend für die Okkasionalität der okzitanischen Wörter in dem Glossar ist wiederum, daß nur für die letzte Redebedeutung eine okzitanische Entsprechung genannt wird. 88 Das offenbar für die schulische Lateinunterweisung gefertigte Glossar De declinatione des Meisters Guillelmus kann daher nicht eigentlich als der Beginn einer okzitanischen Lexikographie angesehen werden. Trotzdem ist es historisch in zweierlei Hinsicht von Belang: Einmal ist es der erste Beleg für das Eindringen altokzitanischer Interpretamente in die lateinischen Glossare der südlichen Galloromania. Zweitens aber stellen einige der in ihm enthaltenen okzitanischen Glossen zum Teil erste, zum Teil sogar einzige Belege altokzitanischer Wörter dar. In einigen Fällen konnte durch diese Glossen auch die Bedeutung zwar schon bekannter, in ihrem Kontext aber dunkler altokzitanischer Wörter mit Hilfe der lateinischen Entsprechung erschlossen werden. 2.5.2 Die Verblisten und das Rimarium aus dem Donatz Proensals Aus der Mitte des 13. Jahrhunderts aber hat sich auch ein viel umfangreicheres lexikalisches Korpus des Altokzitanischen (über 2500 Einheiten) erhal- 88 Allerdings hat auch rastet im Altokzitanischen (nun von der Bedeutung 'Rechen' aus) eine gewisse Polysemie zur Bezeichnung verschiedener 'rechenartiger' Gerätschaften und Vorrichtungen entwickelt (vgl. Emil Levy, Provenzalisches Supplementwörterbuch, Leipzig 1894-1924, Bd. 7, Leipzig 1915, S. 40-41). Die Anfänge der okzitanischen Lexikographie 89 ten. Denn wie wir oben schon angedeutet haben, können die nach Konjugationen geordneten Listen von Verben und die nach Endungen sortierten Wortlisten des Rimarium aus dem Donatz Proensa/ s mit ihren lateinischen Entsprechungen auch als zweisprachige Glossare betrachtet werden, obwohl sie nicht mit lexikographischer Intention, sondern in einem anderen deskriptiven Zusammenhang (dem der Grarnmatikographie bzw. Poetologie) geschaffen wurden. Indem wir uns dieses besonderen Umstandes stets als eines Vorbehaltes bewußt bleiben, können wir doch etwas Bemerkenswertes feststellen: Die beiden provenzalisch-lateinischen Glossare aus dem Donatz Proensals sind die ersten lexikographischen Arbeiten, welche nicht die lateinische, sondern die volkssprachlich-romanische Norm lehren wollen, mehr noch: in denen das Lateinische ausdrücklich im Dienste der Vermittlung dieser Norm eingesetzt wird. Dabei verbleibt dem Lateinischen die Rolle der lexikographischen Metasprache nur im lateinischen Teil, und auch dort nur bei sparsamer Verwendung und mit wenigen Formeln (ve/ , id est, idem, idem quod supra u.ä.). 89 Sehr selten sind distinktive Hinweise zur Aussprache des Lateinischen. 90 Dagegen erscheint im okzitanischen Basisteil das Okzitanische als Beschreibungssprache: dire o dir - 'dicere' (1327, M 174); .fiar, compost a.fiar, des.fiar- 'confidere' (975, M 160). Die lateinischen Äquivalenzen sind in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Einwortentsprechungen, wobei im Rimarium naturgemäß auch flektierte Verbalformen angeführt werden: · In -ora estreit: ora adora aora labora plora mora fora cora 3231-3239, M 243 In hac stricta: ora adorat modo laborat plorat morum esset quando 89 Nur ausnahmsweise finden wir bei den Verben der ersten Konjugation: corolar vel coreiar coreas ducere (875, M 156; [wir zitieren die Verblisten und das Rimarium wieder nach der schon genannten kritischen Ausgabe von John Henry Marshall (Hg.), The Donatz Proensals of Uc Faidit, London 1969, und nennen die Zeilenzahl und die Seitenzahl bei Marshall]). 90 So bei 1329, M 174, tondre tondere (media producta) 'mit langer Mittelsilbe' (wohl, weil hier ein Kontrast der lateinischen und romanischen Konjugationsklasse vorlag) und bei 1309, M 173, pendre pendere (media correpta vel producta) 'mit kurzer oder auch mit langer Mittelsilbe' (um anzudeuten, daß pendre sowohl dem transitiven lat. pendo als auch dem intransitiven pendeo entsprach). 90 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Wenn zwei lateinische Bedeutungen in Frage kommen, so erscheint zwischen ihnen vel: assaiar fondre enclaus temptare vel probare fundere vel liquefieri inclusit vel inclusus 797, M 152 1290,M 172 1844, M 196 Während aber das Rimarium den formalen Zusammenfall von inclusit und inclusus zu enclaus als 'zwei mögliche Bedeutungen' von enclaus nennt, stellt es in dem ganz ähnlichen Fall von repres und antepres einfach zwei homonyme Einträge untereinander: repres repres antepres antepres reprehensus reprehendit (preteriti) interceptus intercepit 2337, M212 2338, M212 2339,M212 2340, M212 So wird denn auch in den sonstigen Fällen der im Altprovenzalischen nicht eben seltenen Homonymie verfahren. So finden wir bei „In -eis estreit": peis peis piscis pinxit 1997, M201 1998, M 201 Und öfter kommen sogar drei verschiedene Interpretationen in Frage, so unter „In -ers larg": fers fers fers Oder unter „In -ols larg": ferrum ferus feris 2182, M207 2183, M207 2184,M207 sols solum 2664, M 223 sols soles 2665, M 223 sols solvit 2666, M 223 pols pulsus 2677, M 223 pols pulset 2678, M 223 pols pulvis 2679, M 223 Manchmal erscheinen die Homonyme auch in diskontinuierlicher Reihenfolge. So haben wir unter „In -ons larg" zwar nacheinander fons - 'fons' und fons - 'liquefacis' (2742 und 2743, M 225-226), aber erst dreizehn Lemmata später folgt/ ons - 'fundus' (2757, M 226). Die Übereinstimmung der Endsilbe wird im Rimarium öfter zum Anlaß genommen, Listen von Eigennamen zu zitieren, so die „nom provincial" unter „In -is": Die Anfänge der okzitanischen Lexikographie nom provincial: Peitavis Anjavis Paregorzis Faentis Spoletis Caersis Lemozis 2540-2547, M 218 nomina provincialia: Pictavensis Andegavensis Petragorisensis Faventinus Spoletanus Caturcensis Lemov[i]censis 91 Wenig aufschlußreich ist es allerdings, wenn die lateinische Entsprechung einfach civitas 'Stadt' lautet: 91 Folis Fortis Assis 2537-2539, M 218 civitas civitas civitas Wenn unter den lateinischen Interpretamenten auch die Einwortentsprechungen bzw. die einfachen Alternativen (wie jocs - 'iocus vel ludus') bei weitem überwiegen, so finden wir doch auch einige ausführlichere Erklärungen. Der Grund dafür kann sein, daß es sich um einen 'neuen' mittelalterlichen Inhalt handelte: arqueira 'Schießscharte' ventalha 'Visier' fenestra vel fissura ad sagitandum pars lorice que ponitur ante faciem 3192, M 241 3375,M248 In verschiedenen Fällen aber scheint ein im Lateinischen durchaus vorhandener äquivalenter Tenninus in der mittelalterlichen Norm außer Gebrauch gekommen zu sein: catiglar digitum ponere sub klat. titillo 854,M 155 'kitzeln' acella alterius ad provocandum ludere molhz illud ubi rota figitur klat. 2712,M224 'Radnabe' modiolus enbutz illud cum quo mittit klat. 3074, M237 'Trichter' vinum vel aquam in infundibulum vase estrelha ferrum, instrumentum klat. strigilis 3398,M249 'Striegel' proprium [ad] equos tergendos 91 Während man natürlich Forli und Assisi mühelos zuordnen kann, ist nicht ohne weiteres klar, was mit Fo/ is gemeint ist. Man hat an Fo/ igno gedacht. 92 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Gal/ oromania Gelegentlich wird auch die „lexikalische Solidarität" explizit gemacht, und zwar mit dem Ausdruck „pertinet ad": 92 bellar 'blöken' ad oves pertinet: bellare 833, M 154 canbiar 'wechseln' ad monetas pertinet: dare unam pro alia 852, M 155 Dagegen muß der Leser selbst erschließen, daß enalbar 'sich aufbäumen' auf Pferde bezogen ist: 93 enalbar erigere duos pedes et in duobus sustentari 2.5.3 Das okzitanisch-italienische Glossar aus der Laurentiana-Handschrift 962, M 159 Bei der Behandlung der beiden ältesten okzitanischen Grammatiken haben wir schon erwähnt, daß der Laurentiana-Kodex XLI, 42 zwischen dem Text des Donatz und dem der Razos ein kurzes okzitanisch-italienisches Glossar enthält (f. 7gr_79r). Der Schreiber des Hauptteils der ersten Sektion des Codex (f. 39-54 enthalten eine Sammlung von Vidas und Auslegungen von anderer Hand) schließt nach dem Ende der Razos de trobar seine Arbeit mit den folgenden Worten ab: Petrus Berzoli de Eugubio fecit hoc opus. Deo gratias. Amen. f. 83V, 1 Man nahm daher früher an, daß der Schreiber Pietro Berzoli aus Gubbio auch der Verfasser des in den anderen Handschriften nicht vorhandenen Glossars sei. 94 Arrigo Castellani 95 hat jedoch überzeugend nachweisen können, daß sich diese Annahme nicht halten läßt. Denn zum einen bemerkt er, daß zahlreiche Lese- und Verständnisfehler auf eine mechanische Übertragung hindeuten und Verfasser und Schreiber des Glossars somit kaum identisch sein können. So findet sich bei ostar 'wegnehmen' die unverständliche Entsprechung 'mutiere' (196, C 36 ) (statt richtig: 'tolliere'); oder bei 92 Vgl. unseren Beitrag: Eugenio Coseriu, "Lexikalische Solidaritäten", Poetica l (1967), S. 293-303. 93 Es ist daher unnötig, für „duobus" "duabus [manibus]" zu konjizieren und die Bedeutung 'auf dem Kopfe stehen' anzunehmen, ein Vorschlag aus der älteren Literatur, der seltsamerweise Eingang in Emil Levy, Provenzalisches Supplementwörterbuch, cit., Bd. 2, S. 142, gefunden hat. 94 „Der Schreiber dieser Abtheilung und zugleich muthmasslich der Verfasser des Glossars nennt sich Blatt 83c Petrus Berzoli de Eugubio." (Edmund Stengel, Die beiden ciltesten provenzalischen Grammatiken. Lo Donatz proensals und Las Rasos de trobar nebst einem provenzalisch-italienischen Glossar, cit., S. V). 95 Arrigo Castellani, "Le glossaire proven~al-italien de la Laurentienne (Ms. Plut. 41,42)", in: Lebendiges Mittelalter. Festgabe for Wolfgang Stammler. Herausgegeben von der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg Schweiz, Freiburg, Schweiz 1958, S. 1-43. Wir zitieren das Glossar nach dieser kritischen Ausgabe Castellanis (C). Die A,ifänge der okzitanischen Lexikographie 93 fils dalgatz 'dünner Faden' die Verlesung 'filo di fera' (143, C 31) (für 'filo di seta', 'Seidenfaden'). Zum anderen zeigt Castellani, daß die Varietätsmerkmale des italienischen Glossarteils nicht mit den historischen Zeugnissen der Mundart von Gubbio übereinstimmen, sondern einerseits toskanische, andererseits norditalienische Züge aufweisen. Er kommt daher zu dem Schluß, "[...] que notre glossaire est probablement d'origine septentrionale, et qu'il a ete transcrit, avant de parvenir a Pietro Berzoli, par un copiste toscan, voire florentin." (C 10). Als Quellen des Glossars nennt Castellani zunächst einmal die Verblisten und das Rimarium aus dem Donatz proensals, was sich durch deutliche Übereinstimmungen belegen läßt. So ist atai'nar - 'impedire' (Dp 813, M 153) der einzige Beleg für die Bedeutung 'hindern' (das Verb bedeutet sonst 'beunruhigen', 'kränken', 'verzögern'). 96 In dem okzitanisch-italienischen Glossar aber findet sich ebenfalls atamar - 'impedire' (27, C 19, wobei der Kopierfehler atamar als atai'nar zu lesen ist). Ebenso hat nur Dp 1343, M 174, esdemetre in der Bedeutung 'assultum facere', wiederum aber auch unser Glossar esdemetre - 'assalir' (123, C 29). 97 Die unmittelbaren textuellen Quellen vieler Lemmata des Glossars konnte Castellani ferner in Gedichten der Troubadoure Guilhem de Cabestanh, Raimbaut Vaqueiras, Peire Vidal, Raimon Vidal und Peire Cardenal identifizieren. Er vermutet daher, daß das Glossar die (nur den Anfangsbuchstaben betreffende) alphabetische Anordnung ursprünglicher Marginalglossen einer Troubadourliedersammlung war, der dann einige Lemmata aus den Glossarien des Donatz proensals beigefügt wurden. Ein Kuriosum findet sich unter dem Buchstaben C. Hier erscheint eine ganze Anzahl von Lemmata mit einem redundanten vorangestellten C. Die meisten davon stehen übrigens ohne das C an der ihrem Anfangsbuchstaben entsprechenden Stelle im Glossar: Calbir pensare 64, C 23 vs. Cassir asentare 65, C 23 vs. Cancse tempo 66, C 23 vs. passato Csazir prendere 70, C 24 vs. Csordeior pegiore 73, C24 vs. albir asir ancse sasir albitrare assettare lo tempo passato prendere contra ragione sordeior pegiore 3, C 17 5, C 17 28, C20 237, C 40 235, C40 Diese Merkwürdigkeit möchte Castellani dadurch erklären; daß ein Kopist eine Anzahl von Wörtern mit vorangestelltem Paragraphenzeichen irrtümlich 96 Vgl. Emil Levy, Provenzalisches Supplementwörterbuch, cit., Bd. l, Leipzig 1894, S. 94- 95. 97 Zu den übrigen Bedeutungen von esdemetre s. Emil Levy, Provenzalisches Supplementwörterbuch, cit., Bd. 2, Leipzig 1898, S. 462. 94 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschqft in der Galloromania als mit C beginnend gelesen und entsprechend in das Glossar eingeordnet habe (C 15). Weitere Kopierfehler sind unter anderem: Azaur statt richtig: azaut 12, C 18 Biur statt richtig: brui 35, C 20 Ereubur statt richtig: ereubut 101, C 27 Enair statt richtig: envair 121, C 29 Guifa statt richtig: guisa 140, C 31 Naffrar statt richtig: naffrat 192, C 36 Refruus statt richtig: refrims 223, C 39 Wie die Glossare aus dem Donatz proensals hat auch das kleine okzitanischitalienische Glossar überwiegend Einwortentsprechungen wie: Asaut .i. assalto 13, C 18 Brau .i. aspero 33, C20 Crim .i. peccato 51, C 22 Mom .i. pensoso 184, C 35 Re .i. cosa 222,C 39 Sopar .i. cenare 236, C40 Virar .i. volge(re) 258, C42 In einigen wenigen Fällen fehlt die italienische Entsprechnung. Bei Bedarf werden aber auch zwei oder mehr italienische Entsprechungen genannt. Bei Mais sind es sogar vier: Mais .i. pfü o assai o mai o qe magio 182, C 35 Auch finden sich einige schlichte Bedeutungsbeschreibungen: Fomir .i. dar q(ue)l ehe biso(n)g(n)a 141, C 31 Iostar .i. adunare due cose a-lato · 170, C 34 Pega .i. · p(er)sona biescia o semplece 208, C 37 Manchmal mutet die italienische Bedeutungsb_eschreibung befremdlich an. Dies rührt meist daher, daß eine kontextuell gebundene Marginalglosse in das alphabetisch geordnete Glossar übertragen wurde. So dürfte die Übersetzung von Blandir 'schmeicheln' mit 'belle parole (e) humile' (32, C 20) auf eine Textstelle verweisen, in der das Verbum als substantivierter Infinitiv verwendet wurde. Und die Glosse "Ereubur (verschrieben für Ereubut) .i. guarito" erklärt sich aus einem Kontext, in dem erebre 'entreißen' eben im Sinne von 'der Krankheit entreißen', 'heilen' verwendet worden war. 98 98 Es ist Arrigo Castellani gelungen, die Textstelle zu finden, auf welche die Glosse "Ereubut .i. guarito" zurückgehen dürfte. Es handelt sich um das Lied Deus en sia grazitz von Peire Vidal: Deus en sia grazitz Que-l francs reis es garitz ... mas la soa salutz Nos a totz ereubutz Die Anfänge der okzitanischen Lexikographie 95 Ebenso verhält es sich mit der unerwarteten Übersetzung von uffana 'Prahlerei', 'Anmaßung' mit 'Einfalt': Uffana .i. simplicita o v(er)dezza de sen(n)o 262, C 43 In seinem Lied Senher n 'Aymar chauzes de tres baros stellt der Troubadour Raimbaut de Vaqueiras die zur Schau gestellte Arroganz als Zeichen der Leichtfertigkeit und der närrischen Unbedarftheit hin: Et ufana non es mas sens leugiers / Efols cors vas [ ..j. 99 2.5.4 Derivator, Floretus und Glossarium Während die beiden Glossare aus dem Donatz proensals und das kleine provenzalisch-italienische Glossar aus dem Laurentiana-Kodex XLI, 42 eindeutig der Vermittlung okzitanischer lexikalischer Bedeutungen dienen (zumindest, was ihr Leseverständnis betrifft), scheint ein späteres Werk mit okzitanischen Basislemmata wieder das Lateinische als Zielsprache zu haben und insofern der lexikographischen Tradition der nördlichen Galloromania näherzustehen. Es handelt sich um ein okzitanisch-lateinisches Wörterbuch aus dem fünfzehnten Jahrhundert, das uns fragmentarisch in drei Manuskriptversionen erhalten ist. In den Notariatsurkunden von Lisle (Fonds Roussel) befand sich ein Band mit Schriften des Notars Johannes de Senolheto (Jean de Senolht bzw. Senolhet), der nunmehr im Archiv von Vaucluse aufbewahrt wird. Er enthält neben einem Vertragsformularium und einer Erläuterung der Meßliturgie ein okzitanisch-lateinisches Wörterbuch des genannten Notars, das der Verfasser in der Eingangsformel Derivator in breve comprehensus nennt und in das Jahr 1470 datiert. Das offenbar unvollendet gebliebene Werk ~ndet mit dem Buchstaben L. Etwa in der gleichen Zeit entstand das Ms. Paris BN f. lat. 7657, welches wiederum ein juristisches Formularium sowie ein okzitanischlateinisches Lexikon enthält: Floretus habundans in multis vocabulis et pulcris 'Blumengarten voller vieler schöner Wörter'. In dem zweispaltig geschriebenen Wörterbuch finden sich hie und da zu einzelnen Wörtern Federzeichnungen von ungeübter Hand. Nur sehr lückenhaft (133 von ursprünglich ca. 210 Folien) erhalten ist ein okzitanisch-lateinisches Glossarium (Paris BN f. lat. 7685). Alle drei Handschriften sind auf Papier geschrieben. Die beiden letzteren zeigen im Basisteil deutliche Merkmale des E tomat enjoven Mon cor e mon talen. C27 99 Die Identifizierung des Textbezugs der Glosse ist wiederum Arrigo Castellani zu verdanken (C 13). Das Gedicht Senher n 'Aymar, chauzes de tres baros findet sich bei Joseph Linskill (Hg.), The poems of the troubadour Raimbaut de Vaqueiras, den Haag 1964, S. 138-144 (mit englischer Übersetzung, kritischem Apparat und Kommentar). 96 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Provenzalischen von Marseille. Beim Vergleich der drei Versionen wird deutlich, daß sie auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen, die gleichwohl von den Kopisten jeweils etwas modifiziert wurde. 100 So erklärt sich, daß gelegentlich auf Bezugswörter verwiesen wird, die in dem betreffenden Glossar gar nicht enthalten sind. Bei einigen Beispielen aus den genannten Glossarfragmenten zeigt sich, daß die Vermutung, die gegenüber den französischen weit geringere Anzahl überlieferter okzitanischer lateinisch-volkssprachlicher Glossare sei unter anderem durch die konservativere Romanität in der südlichen Galloromania zu erklären, nicht von der Hand zu weisen ist: cor cor 'Herz' P 88, 14 corda corda 'Schnur' P 88, 19 costa costa 'Küste' P 89, 11 cura cura '·Sorge' P 90, 30 fel fel 'Galle' P 102, 5 forma forma 'Form' P 104, 8 Iima Iima 'Feile' P 113, 11 Zumindest der schriftlichen Form nach sind in diesen Fällen also Lemma und Interpretament gleich. Ähnlich verhält es sich bei vielen Verben, obwohl das Provenzalische sie im Infinitiv, das Lateinische aber traditionsgemäß in der ersten Person verzeichnet: cogitar cogito 'denken' (P 85,23). Häufig auch weicht die okzitanische Form nur geringfügig von der lateinischen ab, so daß der Zusammenhang zwischen beiden ohne weiteres transparent ist: fum fumus 'Rauch' P 105, 18 gost gustus 'Geschmack' P 108, 5 junc juncus 'Binse' P 110, 22 cors. corpus 101 'Leib' P 88, 32 favla fabula 'Erzählung' P 101, 29 pestre pistor 'Bäcker' P 127, 29 trocha tructa 'Forelle' P 147, 28 Materiell völlig verschiedene Äquivalenzen wie die folgenden sind daher durchaus in der Minderheit: wo „11 est certain que nos trois manuscrits, que nous appellerons A (Derivator de Senolht), B (Floretus), C (Glossarium), derivent d'un meme texte anterieur que nous denommerons X." (Paul Pansier, "Dictionnaire proven9al latin de Ja seconde moitie du xvme siecle", in: Id., Histoire de la langue provenr; ale a Avignon du Xlf au XIX siecle, 5 Bdd., Avignon 2 1924-1932, Bd. 5, Avignon 1932, S. 55-151, hier S. 62). Pansier hat die okzitanischen Lemmata der drei Glossare ineinander sortiert und (unter starker Reduktion der lateinischen Mikrostruktur) auf den Ss. 71-151 seines Beitrags „Dictionnaire provenyal latin de la seconde moitie du xvme siecle", cit., abgedruckt. Aus dieser Zusammenstellung zitieren wir im folgenden unsere Beispiele (mit dem Zusatz P). 101 Aber auch 'cursus' (P 88, 33). Die Anfänge der okzitanischen Lexikographie 97 brega Iis, rixa 'Streit' P 79, 24 deman cras 'morgen' P92, 8 falha deffectus 'Mangel' P 101, 10 gabar minor 'bedrohen' P 105, 30 pelvenha Cortex 'Rinde' P 126, 8 pertot ubique 'überall' P 127, 16 trufa nuga 'Scherz' P 148, 4 Bei der Beurteilung der Frage, wie „notwendig" ein okzitanisch-lateinisches Glossar war, muß allerdings nach dem Zweck der Anfertigung gefragt werden. Daß dieser die Vermittlung des Lateinischen w~, wird daran deutlich, daß zur Erweiterung des lateinischen Wortschatzes öfter Gruppen bedeutungsbenachbarter Synonyme zu dem lateinischen Äquivalent gestellt werden. 102 Das Lemma layrar 'bellen' wird sogar zum Anlaß genommen, alle tierlautbezeichnenden lateinischen Verben anzuführen: Layrar sive Japar: Jatro, canum est; rugire, Jeonum; henire, equorum; mugire, bovum; rudire, asinorum; uncare, ursorum; frendere, aprum; lineare, lincum; ululare, luporum; mugillare, onagrum; grunnire, porcorum; quirritare, verium; lorectare, arietum; belare, ovium; miclire, yrcorum; vebare, edorum; grunire, vulpium; glatire, catulorum; vagire, leporum et puerorum; drivolare, mustelarum; pipitare, murium; desticare, soricum; coaxare, ranarum; alatro, valde vel cum latrante Jatrare. P 63 Wenn Floretus und Geschwisterglossare mit der Beistellung lateinischer Synonyme, gelegentlich auch spekulativer Etymologien, indirekt an die einsprachige Lexikographie des Mittelalters anknüpfen, so enthalten sie doch andererseits deutliche Hinweise auf eine autonom erstellte okzitanische Basislemmatisierung. So wird in einigen Fällen Homonymie festgestellt, d.h. die Tatsache, daß für ein provenzalisches Wort zwei völlig verschiedene lateinische Entsprechungen in Frage kommen können: 103 Cros - 1. crux 'Kreuz'; 2. latrina,fossa 'Grube'(P 90, 9); 104 oder: Rosa l. rosa 'Rose'; 2. ras 'Tau'(P 135, 27); Neula nebula 'Wolke'; colenda ex flore farine et aqua 'Waffel' (P 120, 13). Und wenn zwei oder mehrere lateinische Synonyme als Entsprechungen genannt werden, dann handelt es sich in der Regel 102 Leicht befremdet stellt Paul Pansier, "Dictionnaire proven~al latin de la seconde moitie du xvme siecle", cit., S. 62-63, fest, mit welcher Beflissenheit die Kompilatoren sage und schreibe 33 lateinische Äquivalente für das anstößige Wort putan zusammengetragen haben. Übrigens ist auch das Rimarium aus dem Donatz proensals bei der Nennung von obscaena unbefangen. 103 Im Rimarium des Donatz proensals waren die Homonyme dagegen meistens als parallele Mehrfacheinträge behandelt worden, wie wir gesehen haben. 104 Die Etymologie des galloromanischen Wortes mit der Bedeutung 'Aushöhlung', 'Grube' (vgl. frz. creux) ist noch nicht hinreichend geklärt, doch wird keltische Herkunft vermutet. 98 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania gerade um verschiedene mögliche Redebedeutungen des provenzalischen Lemmas: esdevinement eventus, sors 'Ereignis', P 100, 11 'Geschick' liam cingla, fascia, 'Gurt', 'Schlinge', P 112, 33 laqueus 'Binde', penier atramentum, 'Tinte', 'Tintenfaß' P 126, 17 atramentariolum scortar contraho, decurto 'zusammenziehen', P 139, 2 'kürzen' Schließlich spricht für eine autonome provenzalische Lemmatisierung auch die Tatsache, daß der Kompilator ebenso wie schon Uc Faidit in seinen beiden Wortlisten gelegentlich gar keine einfache lateinische Entsprechung zu einem volkssprachlichen Wort finden konnte, sondern eine ausführlichere lateinische Erklärung gibt (weil der entsprechende Wortinhalt im Lateinischen nicht als lexikalisches Signifikat ausgebildet war, meist aber, weil es sich eben um einen Begriff aus der mittelalterlichen Lebenswelt handelte). So bei pecol 'Fruchtstiel', oliera 'Ölschlauch', palissat 'Palissade', popina 'Schaukelpüppchen', cuberta 'Prunkpferdedecke' ,fres 'Zierborte': pecol -oliera palissat popina cuberta fres pediculus qui sustinet fructum ad ramum olearium, scortia de corio facta vallum inter murum et fossam oscillum, etiam ludus quem faciunt puelle cumpopina standalium equorum cum ornatu ut proprie magnatum et cardinalium Paragaude, ornamentum palii; limbus, soarium, id est fasciola ambiens extremitatem vestis, ex filis vel auro contexta P 125, 23 P 121, 29 P 123, 20 P 131, 34 P 90, 19 P 104, 32 Die Grundlage des Floretus und seiner Geschwisterglossare könnte daher (wenn wir den Sonderfall des bretonisch-lateinisch-französischen Wörterbuchs von Jean Lagadeuc hier einmal unberücksichtigt lassen wollen) ein erstes Beispiel für ein volkssprachlich-lateinisches Wörterbuch mit autonomer volkssprachlicher Lemmatisierung in der Galloromania darstellen. Näheren Aufschluß darüber aber dürfte erst eine kritische Herausgabe der drei Glossare geben, da ihre lateinische Mikrostruktur in der von uns zitierten Zusammenstellung von Paul Pansier eine massive Kürzung erfahren hat. 2.6 Bibliographie zu Kapitel 2 Zu den frühesten Zeugnissen der romanischen Sprachwissenschaft sollen hier noch einige bibliographische und forschungsgeschichtliche Ergänzungen gemacht werden: 2.1 Zur Geschichte der lateinischen Grammatik im Mittelalter kann man immer noch konsultieren: Johann Jakob Baebler, Beiträge zu einer Geschichte der lateinischen Grammatik im Mittelalter, Halle an der Saale 1885. Der bestüberlieferte lateinische Text der beiden Artes des Donatus findet sich in Heinrich Keil (Hg.), Grammatici Latini, 1 Bdd., 1 Supplementband, Leipzig 1857-1870, Bd. 4: Probi, Donati, Servii qui feruntur De Arte Grammatica Libri ex recensione Henrici Keilii, Leipzig 1864, Ndr. Hildesheim 1961, S. 353--402, die Ars minor S. 355-366. Für den Text Donats und seine Rolle in der abendländischen Schultradition ist jetzt jedoch maßgebend: Louis Holtz, Donat et la tradition de l'enseignement grammatical. Etude sur / 'Ars Donati et sa diffusion (IVe-/ Xe siecle) et edition critique, Paris 1981. Die Grammatik des Priscian findet sich in dem genannten Werk Heinrich Keil (Hg.), Grammatici Latini, in den Bänden 2 und 3: Prisciani Grammatici Caesariensis Institutionum Grammaticarum Libri XVIII ex recensione Martini Hertzii, Leipzig 1855-1859, Ndr. Hildesheim 1961. Zu den mittelalterlichen Priscian-Kommenta,ren vgl. Geoffrey Bursill-Hall, "Medieval Priscian commentaries", Historiographia Linguistica 16 (1989), S. 89-130. Neuere Ausgaben der berühmten Summa super Priscianum des .Petrus Helias sind: James E. Tolson (Hg.), The summa of Petrus Helias on Priscianus, 2 Bdd., Kopenhagen 1978, und Leo Reilly (Hg.), Petrus Helias. Summa super Priscianum, 2 Bdd., Toronto 1993 (= Ponti.ficial Institute of Mediaeval Studies. Studies and Texts, Bd.113). Zum Einfluß Priscians im Mittelalter s. Comeille H. Kneepkens, "The Priscian tradition", in: Sten Ebbesen (Hg.), Sprachtheorien in Spätantike und Mittelalter, Tübingen 1995 (= Peter Schmitter (Hg.), Geschichte der Sprachtheorie, Bd. 3), S. 239-264. Zu allen Belangen der ältesten provenzalischen Grammatiken vgl. Brigitte Schlieben-Lange, "Okzitanisch: Grammatikographie und Lexikographie"(= Lemma 348), in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt {Hgg.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, Bd. V,2: Okzitanisch, Katalanisch, Tübingen 1991, S. 105-126. Zur Geschichte des Zusammenhanges zwischen Grammatik und Poetik s. Juan Clemente Zamora Munne, "La gramätica en las poeticas y la poetica en las gramäticas", in: Marco Femändez Rodriguez, Francisco Garcfa Gondar, Nancy Väzquez Veiga (Hgg.), Actas de/ I Congreso1nternacional de la Sociedad Espanola de Historiografia Lingüistica. A Coruna, 18-21 defebrero de 1997, 2 Bdd., Madrid 1999-2001, Bd. 1, Madrid 1999, S. 75-89 (S. 84-86 bezüglich der in diesem Band besprochenen Traktate). Die beiden ältesten provenzalischen Grammatiken wurden erstmals von Fran~ois Guessard veröffentlicht: "Grammaires romanes inedites, du treizieme siecle publiees ·d'apres les manuscrits de Florence et de Paris", Bibliotheque de l'Ecole des Chartes 1 (1839-1840), S. 125-203 (mit der lateinischen Übersetzung des Donatz, jedoch ohne die Verblisten und ohne das Rimarium); eine 2. Auflage erschien unter dem Titel Grammaires proven,; ales de Hugues Faidit et de Raymond Vidal de Besaudun. 100 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania Deuxieme edition, revue, corrigee et considerablement augmentee, Paris 1858 (nun mit den Verblisten und dem Rimarium). Ein Nachdruck dieser zweiten Auflage ist 1973 in Genf bei Slatkine erschienen. Unabhängig von Guessard und offenbar ohne Kenntnis von dessen erster Ausgabe wurden nur die Razos 1843 von Giovanni Galvani veröffentlicht: "Della diritta maniera di trovare", in: Memorie di Religione, di Morale e di Letteratura, Continazione 15, Modena 1843, S. 406--422. Guessards polemische Bemerkungen zu diesem Text hinderten ihn nicht daran, einige der Lesungen Galvanis in seine zweite Ausgabe zu übernehmen. Eine neu aufgefundene Handschrift H' der Razos publizierte Paul Meyer, "Traites catalans de grammaire et de poetique", Romania 6 (1877), S. 341-358, 8 (1879), S. 181-210, 9 (1880), S. 51- 70, hier Romania 6 (1877), S. 344-353. Bei H' handelt es sich um eine Abschrift des 18. Jahrhunderts von H, einer Hs., auf die Meyer durch Milä y Fontanals hingewiesen worden war, die aber damals als verloren galt, erst 1911 in Madrid wieder aufgefunden wurde und jetzt als Ms. 239 in der Biblioteca Central, Barcelona, aufbewahrt wird. Die erste kritische und immer noch wichtige Ausgabe ist die (oben schon erwähnte) von Edmund Stengel: Die beiden ältesten provenzalischen Grammatiken. Lo Donatz proensals und Las Razos de trobar nebst einem provenzalisch-italienischen Glossar. Von neuem getreu nach den Hss. herausgegeben von Edmund Stengel, Marburg 1878, der die Fahnenabzilge der vorgenannten Publikation von Paul Meyer hatte einsehen und mitheranziehen können. In seinem „Vorwort" (S. 1-: XXVI) handelt Stengel von der Textüberlieferung, der Rezeption und der älteren Editionsgeschichte der beiden Traktate. Die Ausgabe enthält zwei Texte des Donatz, einschließlich der Verblisten und des Rimariums (dieses nur bei einem Text), zwei Texte der Razos und den Text des provenzalisch-italienischen Glossars. Stengel war der Meinung, die lateinische Interlinearversion des Donatz sei mit dem Grundtext simultan entstanden: "Die lat. Uebersetzung ist ebenso ursprUnglich, d.h. rührt von dem gleichen Verfasser her wie der prov. Grundtext und dieser ist nicht etwa zuerst unabhängig abgefasst." (Die beiden ältesten provenzalischen Grammatiken, cit., S. 130). Nach einer weiteren entdeckten Handschrift veröffentlichte Leandro Biadene den Text der beiden Traktate: "Las Razos de trobar e lo Donatz proensals secondo la lezione del ms. Landau", Studj di filologia romanza l (1885), S. 337-402 und 2 (1887), S. 93-95. Die Handschrift L (wie Landau) wird so genannt, weil sie sich zeitweilig in der Bibliothek von Sir Horace Landau (1824-1903) zu Florenz befand, der die Rothschilds in Italien vertrat (und Kredite zur.Finanzierung der Unabhängigkeitsbewegung vermittelte), und der ein großer Sammler von Kunst und Antiquaria war. Später wurde sie in die Vereinigten Staaten verkauft und ist jetzt Ms. Nr. 831 in der Pierpont Morgan Library, New York. Neue kritische Ausgaben beider Grammatiken hat John Henry Marshall vorgelegt (wir haben schon anläßlich der Datierungsfrage daraus zitiert) und dabei die zwischenzeitlich von verschiedenen Gelehrten geäußerten Emendationsvorschläge zu den Texten Stengels einbezogen: John Henry Marshall (Hg.), The Donatz Proensals of Uc Faidit, Oxford 1969 (S. 3--61 zur Überlieferung; S. 9-10 zu den Ausgaben; S. 79-80 zur Rezeptionsgeschichte) und John Henry Marshall (Hg.), The Razos de trobar of Raimon Vidal and associated texts, Oxford 1972 (S. IX-LXXIX zur Textüberlieferung; S. XIV-XVI zu den Ausgaben). Rezensiert hat die beiden Ausgaben Marshalls Max Pfister, Vox Romanica 29 (1970), S. 144-150, und Vox Romanica 33 (1974), S. 288-295. Marshall zeigt, daß die lateinische Interlinearversion des Donatz eine Hinzufilgung sein muß: "lt follows from all Bibliographie zu Kapitel 2 101 this, that the Latin rendering of the Donatz was added by whatever band to an already existing complete Proven9al text." (The Donatz Proensals of Uc Faidit, cit., s. 19). Kritische Überlegungen zum Handschriftenstemma der Razos bringt Giuseppe Tavani: "Per il testo delle razos de trobar de Raimon Vidal" in: Jacques De Caluwe, Jean-Marie D'Heur, Rene Dumas (Hgg.), Melanges d'histoire litteraire, de linguistique et de philologie romanes ojferts a Charles Rostaing, 2 Bdd., Lüttich 1974, Bd. 2, S. 1059-1074. Das o.a. Lemma 348 in Band V,2 des LRL von Brigitte Schlieben-Lange enthält auf S. 106 eine Übersicht über die Handschriften und Editionen der beiden Traktate. Die beiden ältesten Grammatiken wurden von einer ganzen Reihe von Romanisten bewertet und ausgewertet: Fran9ois-Juste-Marie Raynouard, Friedrich Diez, Gaston Paris, Adolf Tobler, Manuel Milä y Fontanals, Paul Meyer, Camille Chabaneau u.a. Aus der Sicht der Tübinger Romanistik sei erinnert an Wildermuth [ohne Vornamensnennung, jedoch: Johann], "Über die drei ältesten süd- und nordfranzösischen Grammatiken", Programm des Gymnasiums in Tübingen zu der Feier des Geburtsfestes Seiner Majestät des Königs Wilhelm von Württemberg, Tübingen 1857, S. 1-39. (Mit der dritten Grammatik ist dort die erst viel später, nämlich 1530, erschienene französische Grammatik von Jehan Palsgrave gemeint). - Die These Gröbers zu Verfasser und Datierung des Donatz findet sich in zwei Miszellen: Gustav Gröber, "Der Verfasser des Donat proensal", ZrP 8 (1884), S. 112-117 und "Zur Widmung des Donat proensal", im gleichen Band der Zeitschrift für romanische Philologie, S. 290-293. Die Annahme Gröbers, daß Faiditus eine Korrektur späterer Hand und der Verfasser des Donatz mit dem bekannten Troubadour Uc de St. Circ (aus St. Circ im heutigen Departement Lot) identisch ist, hatte lange Zeit kaum Zustimmung gefunden. Nachdem sie von Aurelio Roncaglia und Gianfranco Polena wieder aufgegriffen worden war, hat sie in jüngerer Zeit Diether Janzarik vertreten (und ihr eine gewisse Akzeptanz verschaffi): Diether Janzarik, "Uc de St. Circauteur du Donatz proensals", ZrP 105 (1989), S. 264-275. - Von den neueren Arbeiten zu den beiden ältesten romanischen Grammatiktraktaten vgl. Anker Teilgärd Laugesen, "Las Razos de Trobar", in: Per Nykrog, Hans Sörensen (Hgg.), Etudes romanes dediees a Andreas Blinkenberg, a l'occasion de son soixantedixieme anniversaire, Kopenhagen 1963, (= Orbis Litterarum. Revue internationale d'etudes litteraires publiee par Steffen Steffens et Hans Sörensen, Tirage apart du Supplementum III (1963)), S. 84-96; Walter Keith Percival, "The grammatical tradition and the rise of vernaculars", in: Thomas A. Seboek (Hg.), Historiography of linguistics, den Haag-Paris 1975 (= Current Trends in Linguistics, Bd. 13), S. 231- .275; Elisabeth Wilson Poe, From poetry to prose in Old Provenfal, Birmingham (Alabama) 1984 (bes. S. 64-82); Vivien Law, "Originality in the Medieval normative tradition", in: Theodora Bynon, Frank R. Palmer (Hgg.), Studies in the history of Western linguistics. In honor of R. H Robins, Cambridge 1986, S. 43-55; Pierre Swiggers, "Les premieres grammaires des vernaculaires europeens gallo-romans face a la tradition latine: Strategies d'adaptation et de transformation", in: Irene Rosier (Hg.), L 'heritage des grammairiens latins de l'Antiquite aux Lumieres, Löwen 1988, S. 259-270; Pierre Swiggers, "Les premieres grammaires occitanes: Les Razos de, Trobar de Raimon Vidal et le Donatz proensals d'Uc (Faidit)", ZrP 105 (1989), S. 134-147; Pierre Swiggers, "La methode grammaticale d'Uc Faidit dans le Donatz 102 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania proensals", Revue des langues romanes 95 (1991), S. 343-350; Gilbert Dahan, Irene Rosier, Luisa Valente, "L'arabe, le grec, l'hebreu et les vemaculaires", in: Sten Ebbesen (Hg.), Sprachtheorien in Spätantike und Mittelalter, Tübingen 1995 (= Peter Schmitter (Hg.), Geschichte der Sprachtheorie, Bd. 3), S. 265-321, bes. S. 295-299. Zum Namen des Altokzitanischen in den ältesten Grammatiken vgl. den schon im Text genannten Beitrag von Heinrich Morf, "Vom Ursprung der provenzalischen Schriftsprache", in: ld., Aus Dichtung und Sprache der Romanen, Bd. 3, Berlin - Leipzig 1922, S. 321-356. Morfs Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, den er am 14. November 1912 vor der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaft zu Berlin gehalten hatte. Morf zeigt, daß man. seit dem Mittelalter immer wieder irrtümlich versucht hat, die Bezeichnung „Limousinisch" daraus zu erklären, daß die Varietät des Limousin fUr die gesamte langue d'oc exemplarisch gewesen sei. Diese Auffassung findet sich auch in dem sonst noch immer nützlichen Werk von Camille Chabaneau, Grammaire limousine, Paris 1876, bes. S. 2-4. Das ursprünglich in der Revue des langues romanes II-X, 1871....; 1876, veröffentlichte Buch ist 1980 als Nachdruck in Marseille erschienen. Zum Namen des Altokzitanischen im Mittelalter vgl. ferner: Gerard Gonfroy, "Les grammairiens occitano-catalans du moyen äge et la denomination de leur langue", La Licorne 4 (1980), S. 47-76. Zu den historischen Bezeichnungen der romanischen Sprachen im allgemeinen s. Bodo Müller, "Bezeichnungen für die Sprachen, Sprecher und Länder der Romania", in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, Bd. 11,1: Latein und Romanisch. Historisch-vergleichende Grammatik der romanischen Sprachen, Tübingen 1996, S. 134--151. Raynouard berichtet von den beiden ältesten Grammatiken des Provenzalischen in seinem Choix des Poesies Originales des Troubadours, 6 Bdd., Paris 1816-1821, Bd. 2, Paris 1817, S. C~LIV: "[...] avant d'expliquer les divers genres de leurs [sc. des troubadours] ouvrages il est indispensable de donner une idee des grammaires et des dictionnaires qu'a possedes cette ljtterature, a une epoque ou aucun monument des autres langues de l'Europe latine n'avait encore merite un rang dans l'estime publique." (S. CLI). Die 6 Bände des Choix Raynouards (die Grammaire de la langue romane in Bd. 1, S. 107-447) sind als Nachdruck (Osnabrück 1966) wieder zugänglich gemacht worden. Raynouards irrige Deutung der Unterscheidung zwischen / arg und estreit im Rimarium hat als erster (wenn auch noch nicht mit aller Entschiedenheit) Manuel Mila y Fontanals richtiggestellt, und zwar in De los trovadores en Espaiia, Barcelona 1861, S. 461. Das Buch, das 1889 in einer zweiten Auflage erschienen war, wurde 1966 in Barcelona mit neuer Paginierung nachgedruckt, jedoch mit Randnotat der Seitenzahlen der ersten und zweiten Auflage. Die richtige Deutung findet sich dann bei Paul Meyer, "Phonetique proven~ale. O", MSL 1 (1874), S. 145-161, und bei Camille Chabaneau in der schon erwähnten Grammaire limousine, wo S. 29-36 vom weiteren Schicksal der im Donatz festgestellten Unterscheidung in der Diachronie des Limousinischen die Rede ist. Die Reg/ es de trobar von Jofre de Foixa wurden zuerst von Paul Meyer unter den schon genannten „Traites catalans de grammaire et de poetique" nach der Hs. H' in der Zeitschrift Romania, hier 9 (1880), S. 51-70, (mit einer Einleitung auf S. 51-54) veröffentlicht. Überarbeitet und revidiert hat Meyers Text Lluis Nicolau d'Olwer: „Notes sobre les Regles de Trobar de Jofre de Foixa y sobre les poesies que li hari Bibliographie zu Kapitel 2 103 atribuit", Estudis Universitaris Catalans 1 (1907), S. 234--256. Jorge Rubi6 i Balaguer, "Dei manuscrit 129 de Ripoll del sigle XVIe", Revista de bibliografla catalana 5 (1905) [erschienen jedoch erst 1911], S. 285-378, publizierte den katalanischen Teil der Hs. Ripoll 129, Arxiu de la Corona de Arag6, Barcelona, darunter auch die Reg/ es de Trobar. Die erste kritische Ausgabe hat Ettore Li Gotti besorgt: Jofre de Foixa. Verse Reg/ es de trobar, Modena 1952. Zwar hatte Li Gotti die Manuskripte sorgfiiltig untersucht und verglichen, doch waren Art und Zielsetzung der Reihe, in der seine Ausgabe erschien (es handelte sich um das .Bändchen 37 der seinerzeit von Giulio Bertoni begründeten und damals von Angelo Monteverdi geleiteten Reihe Testi e manuali, die im Dienste der Hochschuldidaktik stand), dafür verantwortlich, daß er im wesentlichen nur die Lesung einer einzigen Handschrift wiedergeben konnte. Die Reg/ es von Jofre de Foixa hat John Henry Marshall als einen der „associated texts" auf S. 55-91 seiner oben genannten Ausgabe der Razos neu kritisch herausgegeben. Die Doctrina d'Acort von Terramagnino da Pisa wurde zuerst von Paul Meyer unter den schon genannten „Traites catalans de grammaire et de poetique" in der Zeitschrift Romania publiziert: Romania 8 (1879), S. 181-210. Eine jüngere (nicht ganz zuverlässige) Ausgabe stammt von Aldo Ruffinato: Terramagnino da Pisa, Doctrina d'Acort, Rom 1968. Marshall hat die Mss. neu kritisch gesichtet und die Doctrina als „associated text" auf den Ss. 27-53 seiner Ausgabe der Razos veröffentlicht. - Die Doctrina d'Acort hat in der älteren Romanistik wenig Anerkennung gefunden. Schon Paul Meyer, der erste Herausgeber der Doctrina, nennt in seiner Einleitung den Verfasser „un grammairien peu intelligent" (S. 182) und seine Arbeit „un mediocre traite" dem gleichwohl ein gewisses Interesse fllr die Geschichte der altprovenzalischen Poesie in Italien zukomme (S. 184). AdolfTobler meint in seiner Rezension der Ausgabe Meyers, das Interesse der Arbeit liege „mehr darin, dass sie ist, als in dem was sie ist." (ZrP 3 (1879), S. 310). Heinrich Morfnennt in seinem im Text zitierten Beitrag „Vom Ursprung der provenzalischen Schriftsprache", S. 333, die Doctrina eine „holprige Reimerei". Die neuere Literatur übt mehr Zurückhaltung bei der Bewertung Terramagninos. Immerhin bemerkt John Henry Marshall: "lt is difficult not to feel that in the quotations, as in the grammatical paradigms and the incidental borrowings from Donatus, we simply have a gratuitous display of not very profound erudition." (The Razos de trobar of Raimon Vida/ and associated texts, cit., S. lxxii). Vom Verhältnis der Filiationstexte zu den Razos handelt J. H. Marshall, The Razos de trobar of Raimon Vidal, S. LXVI-LXXIX. 2.2 Zur Geschichte der Jeux Floraux vgl. Fran~ois de Gelis, Histoire critique des Jeux Floraux depuis leur origine jusqu 'a / eur transformation en Academie (1323-1694), Paris 1912. Das Buch .ist als Nachdruck erschienen (Genf - Paris 1981). Von den beiden in der Academie des Jeux Floraux befindlichen Manuskripten der Leys d'Amors hat der Toulouser Gelehrte und Politiker Adolphe-Felix Gatien- Amoult (1800-1886) die längere Prosafassung überarbeiteten Zustands (A) veröffentlicht: Monumens de / a litterature romane. Las Flors de[ Gay Saber, estier dichas Las Leys d'Amors, Bd. I-III, Toulouse 1841-1843. Band I enthält Teil 1 und 2 des Werkes, Band II Teil 3, die Grammatik, und Band III Teil 4 und 5. Eine „seconde 104 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania publication" der Monumens de Ja litterature romane mit dem Titel Las Joyas de/ gay saber, Toulouse - Paris 1849, enthält eine okzitanische Gedichtsammlung aus der Zeit von 1324 bis 1498. Das zweite kürzere Manuskript (C) hat Joseph Anglade herausgegeben: Las Leys d'Amors. Manuscrit de l'Academie des Jeux Floraux, 3 Bdd., Toulouse 1919 (= Bibliotheque Meridionale, Ire serie, Tome XVII-XIX), dazu Band IV: Etudes, notes, glossaire et index, Toulouse 1920 (= Bibliotheque Meridionale, l re serie, Tome XX). Teile von C waren zuvor schon von Camille Chabaneau publiziert worden: "Extrait des Leys d' Amors", in: Histoire generale du Languedoc, Bd. 10, Toulouse 1885, S. 177-208. Joseph Anglade hat dann auch die Versfassung (B) herausgegeben: Joseph Anglade (Hg.), Las Flors de/ Gay Saber, Barcelona 1926. Eine kritische Ausgabe der Langfassung der Leys älteren Zustands aus dem Arxiu de la Corona de Arag6 hat Gerard Gonfroy in Aussicht gestellt, der schon in seiner (nie veröffentlichten) These Teile davon vorgelegt hat: Gerard Gonfroy, La redaction catalane en prose des Leys d' Amors. Edition et etude critique des trois premieres parties, 2 Bdd., Poitiers 1981. Darin ist allerdings der grammatische Teil gerade nicht enthalten. Zu Fragen der in den Leys empfohlenen sprachlichen Norm. vgl. Paul Lienig, Die Grammatik der provenzalischen Leys d'Amors, verglichen mit der Sprache der Troubadours. Erster Teil: Phonetik, Breslau 1890 [nur dieser erste Teil ist erschienen], darin S. 6-13: "Beziehungen zwischen Leys und Razos". - Zu den grammatischen Quellen der Leys d'Amors s. Joseph Anglade, "Les sources grammaticales" in dem o.a. 4. Band seiner Ausgabe des Manuskripts C: Etudes, notes, glossaire et index, Toulouse 1920 (= Bibliotheque Meridionale, 1 re serie, Tome XX), S. 71-91. Von der Grammatik der Leys d'Amors handelt neben den beiden im Text genannten Beiträgen von Siegfried Heinimann und Brigitte Schlieben-Lange auch Irene Rosier in dem o.a. Sammelbeitrag: Gilbert Dahan, Irene Rosier, Luisa Valente, "L'arabe, le grec, l'hebreu et les vernaculaires", in: Sten Ebbesen (Hg.), Sprachtheorien in Spätantike und Mittelalter, Tübingen 1995 (= Peter Schmitter (Hg.), Geschichte der Sprachtheorie, Bd. 3), S. 265-321. Der Torsimany ist nur in einem Manuskript überliefert. Herausgegeben hat es Jose Maria Casas Horns: Lluis d'Avery6, Torcimany, Barcelona 1956. Zur Kasuslehre im Torsimany und ihrer Beeinflussung durch die scholastische Grammatik s. Brigitte Schlieben-Lange, "Der Torsimany und die scholastische Grammatik", Zeitschrift für Katalanistik 9 (1996), S. 7-19. 2.3 Zu den Manuskripten der Ars minor in altfranzösischer Übersetzung vgl. die einleitenden Bemerkungen in dem zitierten Beitrag von Siegfried Heinimann, S. 49-51, sowie die Vorstellung der Handschriften in der Monographie von Städtler, S. 71-80, und dort S. 80-83 die Übersicht über die bis dahin vorliegenden Ausgaben. Eine Charakterisierung der verschiedenen Texte gibt Städtler S. 17-36. Eine aktuelle Zusammenstellung aller bisher pekannten Versionen enthält der schon genannte Beitrag: Brian Merrilees, Anne Dalzell, "Les manuscrits de l'Art Mineur en ancien et moyen franyais", Archives et documents de la Societe d'Histoire et d'Epistemologie des Sciences du Langage (SHESL), 2 nd0 serie, n° 4 (1990), S. 46-60. Den Donat G (bei Städtler S. 92-95) hat Maria Colombo-Timelli separat publiziert: Un rifacimento antico-francese dell 'Ars Minor di Donato: il manoscritto Parigi, B.N. lat. 14095 (= Memorie dell'Istituto Lombardo. Accademia di Scienze e Lettere, Classe di Lettere, Scienze Morali e Storiche, Bd. 39/ 1 (1988)). Bibliographie zu Kapitel 2 105 Die Ausgaben der drei jüngsten altfranzösischen Donattextfunde sind: Maria Colombo-Timelli, "La traduction-remaniement de l'Ars Minor de Donat du manuscrit Paris B.N. n.a.f. 4690. Introduction et edition", in: Archives et Documents de la Societe d'Histoire et d'Epistemologie des Sciences du Langage, 2 nd e serie, n° 4 (dec. 1990), S. 1-26; Brian Merrilees, Ann Dalzell, "L'Art Mineur de Vatican, Bibliotheca Apostolica Vaticana Vat. lat. MS 1479", in: Archives et Documents de la Societe d'Histoire et d'Epistemologie des Sciences du Langage, 2 nde serie, n° 4 (dec. 1990), S. 45-52; Maria Colombo-Timelli, "II rifacimento dell'Ars Minor di Donato del ms. Parigi B.N. n.a.f. 1120. Introduzione ed edizione", Annali dell'lstituto Universitario Orientale di Napoli, Sezione Romanza, 32/ 1 (1990), S. 5-27. Hierbei handelt es sich um die Ars, die sich auf f 474v-477' der einzigen Handschrift des Dictionarius von Firmin Le Ver (jetzt Paris BN nouv. acq. fr. 1120) findet. - Die in jüngerer Zeit gefundenen Donatübersetzungen werden alle in das vierzehnte Jahrhundert datiert. Maria Colombo-Timelli hat ferner eine Wiegendruckversion aus der Universitätsbibliothek Utrecht publiziert: "Une version franyaise imprimee de l'Ars Minor de Donat (incunable de la Bibliotheque de l'Universite d'Utrecht)", Archives et Documents de la Societe d'Histoire et d'Epistemologie des Sciences du Langage, 2 nd " serie, n° 7, (1992), S. 93-106. Von Maria Colombo-Timelli wird eine maßgebende kritische Gesamtausgabe aller alt- und mittelfranzösischen Donatversionen erwartet. Die von Charles Thurot gefundenen Manuskripte sind genannt in seinen Extraits de divers Manuscrits latins pour servir a l 'Histoire des Doctrines grammaticales au Moyen Age, Paris 1869, S. 51 und 53 (die Extraits sind Frankfurt 1964 als Nachdruck erschienen). Die älteste der Handschriften ist B (wie „Bern"), Nr. 439 der Berner Bürgerbibliothek, die im 13. Jahrhundert in Metz entstand. Die erhaltenen Hss. dürften jedoch nach Heinimann auf eine noch wesentlich ältere Tradition altfranzösischer Hilfen für den Lateinunterricht hinweisen: "Les plus anciens manuels rediges en franyais sont sans doute perdus, uses par des generations de maitres et d'eleves ou remplaces par des „methodes" plus modernes. Et meme si nous les possedions encore, ils seraient de toute fayon posterieurs aux premieres leyons de latin donnees, entierement ou en partie, en langue franyaise" (S. 51). - Von ähnlicher Natur und Datierung wie die altfranzösischen Donatadaptationen sind die sogenannten Metzer Grammatik-Texte, die Städtler S. 138-152 wiedergibt. Es handelt sich um fünf kürzere, zum Teil fragmentarische Darstellungen zu Fragen der lateinischen Grammatik, die sich nicht eindeutig auf eine bestimmte Quelle zurückführen lassen und thematisch etwas über der elementaren Ebene der Ars minor stehen. - Den Ertrag aller genannten Texte für unsere Kenntnis der altfranzösischen grammatischen Terminologie hat Städtler in einem Glossar zusammengefaßt, das den zweiten Teil seiner Arbeit bildet (S. 153-300). Einen Überblick zur jüngeren Forschung auf diesem Gebiet gibt Brian Merrilees, "Les debuts de la terminologie grammaticale en franyais. Apropos de quelques travaux recents", Romania 109 (1988), S. 397-411. Aus der Art der Zusammenfassung verschiedener Traktate zu Codices läßt sich ein gewisser Aufschluß über den Aufbau der mittelalterlichen Unterweisung in Sprache und Grammatik gewinnen: Brian Merrilees, "L'Art mineur en franyais et le curriculum grammatical", Histoire Epistemologie Langage 12, 2 (1990), S. 15-29. Zur mittelalterlichen Auffassung bezüglich des Französischen und seiner Beschreibung 106 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania vgl. Serge Lusignan, Par/ er vulgairement. Les intellectuels et la langue franfaise au XIII' et XIV" siecles, Paris 1987. 2.4.1 Zur Geschichte der arabischen Lexikographie s. den Überblick von John A. Haywood, "Arabic Lexicography", in: Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hgg.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, 3 Bdd., Berlin - New York 1989-1991 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 5, 1-3), Bd. 3, Berlin-New York 1991, S. 2438-2448. Zur Geschichte der Glossographie ist noch immer maßgebend: Georg Goetz, "Glossographie", in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen herausgegeben von Georg Wissowa und Wilhelm Kroll. Dreizehnter Halbband, Fornax bis Glykon, Stuttgart 1910, Sp. 1433-1466; ebenso vgl. man zur antiken und mittelalterlichen (insbesondere griechischen) Lexikographie: Johannes Tolkiehn, "Lexikographie", in: Paulys Realencyclopädie, Vierundzwanzigster Halbband, Legio bis Libanon, Stuttgart 1925, Sp. 2432-2482. Zur antiken Glossographie s. jetzt auch die kompakte Synthese von Louis Holtz, "Glossaires et grammaire dans l'antiquite", in: Jacqueline Hamesse (Hg.), Les manuscrits des lexiques et glossaires de l'antiquite tardive a la fin du moyen äge. Actes du Colloque international organise par le „Ettore Majorana Centre for Scientific Culture" (Erice, 23-30 septembre 1994), Louvain-La-Neuve 1996 (= Federation Internationale des Instituts d'Etudes Medievales (Hg.), Textes et Etudes du Moyen .Age, 4), S. 1-21. Ein Kapitel „Überblick über die lateinische lexikographische Tradition bis zum Ende des 14. Jahrhunderts" findet sich in: Klaus Grubmüller, Vocabularius Ex quo. Untersuchungen zu lateinisch-deutschen Vokabularen des Spätmitte/ alters, München 1967, S. 13-44; ebenso (in knapperer Form) im ersten Teil des Artikels: Dietfried Krömer, "Lateinische Lexikographie", in: Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hgg.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, 3 Bdd., Berlin - New York 1989-1991 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 5, 1-3), Bd. 2, Berlin-New York 1990, S. 1713- 1722. Die einzige Handschrift der Festus-Epitome stammt aus dem 11. Jahrhundert und wird Farnesina-Handschrift genannt, weil sie sich zeitweilig in der Bibliothek des Kardinals Farnese befand. Bei ihrer Auffindung im 15. Jahrhundert fehlten bereits die ersten sieben ihrer ursprünglich 16 Quaternionen, und auch danach gingen noch weitere Teile verloren. Eine Faksimileausgabe der erhaltenen Teile ist: Aemilius Thewrewk (Hg.), Codex Festi Farnesianus XLJJ tabulis expressus. Consilio et impensis Academiae Litterarum Hungaricae, Budapest 1893. Unter Benutzung dieses Faksimiles entstand die schon im Text genannte kritische Ausgabe von Wallace Martin Lindsay, der die Epitome des Paulus Diaconus synoptisch beifügt: Sexti Pompei Festi De verborum significatu quae supersunt cum Pauli epitome, Leipzig 1913. Ein Nachdruck dieser Ausgabe erschien 1965 (und 2 1978) in Hildesheim. Wallace Martin Lindsay hat auch Nonius Marcellus (Nonii Marcelli compendiosa doctrina, 3 Bdd., Leipzig 1903) und Isidors Etymologiae (lsidori Hispalensis Episcopi Etymologiarum sive Originum libri XX, 2 Bdd., Oxford 1911) herausgegeben. Zu Nonius Marcellus s. jetzt: Paolo Gatti, "Nonius", in: Jacqueline Hamesse Bibliographie zu Kapitel 2 107 (Hg.), Les manuscrits des lexiques et glossaires de l'antiquite tardive a la fin du moyen äge, cit., S. 79-91, sowie Antonio Lufs Llorente, "Tue lemmatic arrangement ofthe fourth book ofthe Compendiosa doctrina ofNonius Marcellus according to its manuscript transmission", ibid, S. 93-100. Zu Isidor von Sevilla vgl. Max Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, 3 Bdd., München 1911 (Ndr. 1959), Bd. 1, S. 52-70 (zu den Etymologiae S. 60-70); Carmen Codofi.er, "Isidore de Seville: differences et vocabulaires", in: Jacqueline Hamesse (Hg.), Les manuscrits des lexiques et glossaires de l'antiquite tardive a lafin du moyen äge, cit., S. 57-77. Eine neue Ausgabe des Zehnrednerwörterbuchs von Harpokration ist John J. Keaney (Hg.), Valerius Harpocration, Lexeis of the ten orators, Amsterdam 1991. Das Lexikon des Photios hat Samuel Adrian Naher herausgegeben: Photii patriarchae lexicon, rec., adnotationibus instruxit et prolegomena addidit S. A. Naher, 2 Bdd., Leiden 1864-1865. Von einer neuen kritischen Ausgabe sind bisher zwei Bände erschienen: Christos Theodoridis (Hg.), Photii patriarchae lexicon, Bd. 1: A- D, Berlin 1982; Bd. 2: E-M, Berlin 1998. Der Suda wurde zuerst 1514 bei Aldo Manuzio in Venedig gedruckt und dann immer wieder, zum Teil mit lateinischer Übersetzung oder als lateinische Bearbeitung. Neuere Ausgaben sind: Gottfried Bemhardy (Hg.), Suidae Lexicon. Graece et latine, 2 Bdd., Halle - Braunschweig 1834-1853 und Ada Adler (Hg.), Suidae lexicon, 5 Bdd., Stuttgart 1928-1938, Ndr.: 1967-1994. Die Zusammenstellung antiker zweisprachiger Glossare von Johannes Kramer haben wir schon im Text genannt: Johannes Kramer (Hg.), Glossaria bilinguia in papyris et membranis reperta, Bonn 1983 (= Papyrologische Texte und Abhandlungen 30), das zitierte Glossarfragment P. Berol. 21246 S. 19-24. Zuerst vorgestellt und beschrieben wurde es von William M. Brashear, "A Greek-Latin vocabulary", in: Roger S. Bagnall (Hg.), Proceedings of the sixteenth International Congress of Papyrology, New York 24_; __31 july 1980, Chico (Calif.), 1981, S. 31-41. Zu den zweisprachigen spätantiken Glossarpapyri vgl. Johannes Kramer, "1 glossari tardoantichi di tradizione papiracea", in: Jacqueline Hamesse (Hg.), Les manuscrits des lexiques et glossaires de l'antiquite tardive a lafin du moyen äge, cit., S. 23-55. Aus der Vielzahl der überlieferten mittelalterlichen lateinischen Glossare hat Georg Goetz das Wichtigste zusammengefaßt und als Corpus glossariorum latinorum herausgegeben: Corpus glossariorum latinorum a Gustavo Loewe inchoatum auspiciis Academiae Litterarum Saxonicae composuit recensuit edidit Georgius Goetz, 1 Bdd., Leipzig 1888-1923. Der zuletzt erschienene (Leipzig - Berlin 1923) erste Band enthält einen Forschungsbericht von Georg Goetz: De glossariorum latinorum origine et fatis. Der zweite B.and Glossae latinograecae et graecolatinae (Leipzig 1888) enthält u.a. den Pseudo-Philoxenus (S. 1-212) und den Pseudo-Cyrill (S. 213-484). Der dritte Band (Leipzig 1892) enthält die sogenannten Hermeneumata Pseudodositheana. Das Corpus glossariorum latinorum wurde 1965 in Amsterdam erneut als unveränderter Nachdruck veröffentlicht. Ein weiteres Glossensammelwerk ist Wallace Martin Lindsay u.aa: (Hgg.), Glossaria latina, 5 Bdd., Paris 1926-1931 (Ndr. Hildesheim 1965) mit dem Liber glossarum im ersten Band. Zum Liber glossarum vgl. Georg Goetz, "Liber glossarum", in: Abhandlungen der philologisch-historischen Classe der Königlich-Sächsischen Gesellschqft der Wissenschaften (Leipzig) 13 [1891-]1893, S. 213-288. Zur Geschichte der Herausgabe der mittelalterlichen lateinischen Glossarcorpora s. A. C. Dionisotti, "On the nature 108 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Gal/ oromania and transmission of Latin glossaries", in: Jacqueline Hamesse (Hg.), Les manuscrits des lexiques et glossaires de l'antiquite tardive a lafin du moyen age, cit., S. 205- 252. Das Papias-Wörterbuch ist 1483 in Venedig gedruckt worden. Ein Nachdruck der Ausgabe Venetiis 1496 ist 1966 in Turin erschienen. Eine kritische Ausgabe, welche nur den Buchstaben A umfaßt, hat V. De Angelis vorgelegt: Papiae Elementarium littera ~ ', 3 Bdd., Mailand 1977-1980. Zu Textüberlieferung und Wirkungsgeschichte des Elementarium vgl. die „lntroduzione" dieser Ausgabe, Bd. 1, Mailand 1977, S. 1-LII, wo sich auch bibliographische Angaben zur Forschungsgeschichte finden (S. VIII-X). Zur Abfolge der Einträge bei Papias vgl. Sylviane Lazard, "La structuration du lexique dans le vocabularium de Papias", Revue de Linguistique Romane 66 (2002), S. 221-243. Die Magnae Derivationes von Hugutio sind nie im Druck erschienen. Allerdings ist eine Handschrift als Faksimile publiziert worden: Uguccione da Pisa, Magnae Derivationes of Uguccione da Pisa: a reproduction of MS Laud 626 in the Bodleian Library, Oxford, New York 1925 (= The Modern Language Association of America. Collection of photographic facsimiles, n° 30). Zu den Mss. s. Aristide Marigo, I codici manoscritti delle 'Derivationes' di Uguccione Pisano, Rom 1936. Vgl. a. Giuseppe Cremascoli, "Uguccione da Pisa, Saggio bibliografico"; Aevum 42 (1968), S. 123-168, und in Bezug auf die Etymologien: Roswitha Klinck, Die lateinische Etymologie des Mittelalters, München 1969. Zur Bedeutung Hugutios für die Romanistik s. Claus Riessner, Die 'Magnae Derivationes' des Uguccione da Pisa und ihre Bedeutung für die romanische Philologie, Rom 1965 (= Temi e testi 11). Zu Johannes Balbus s. Alessandro Pratesi, "Balbi, Giovanni", in: Istituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Dizionario biografico degli italiani, Rom 1960 ff., Bd. 5, Rom 1963, S. 369-370. Der erste Teil des Catholicon handelt von der Orthographie, der zweite vom Akzent, der dritte von Etymologie und Syntax, der vierte von den rhetorischen Figuren. Der fünfte Teil handelt dem Titel nach von der „Prosodie", enthält aber daneben weitere Überlegungen zur Orthographie, Etymologie, Semantik sowie ein außerordentlich reichhaltiges Glossar, welches eben das uns als Catholicon bekannte bemerkenswerte Dokument der mittelalterlichen Lexikographie ist. Sollte Balbis Catholicon wirklich schon 1460 im Druck erschienen sein, so wäre es wohl das erste gedruckte weltliche Buch (nach den Gutenberg-Bibeln). Zur Frage der Datierung des Drucks vgl. Curt F. Buhler, "Was the Mainz Catholicon printed in 1460? ", in: Stephen Spector (Hg), Essays in paper analysis, Washington - London 1987, S. 29-33. Die Ausgabe Mainz 1460 ist, Westmead (England) 1971, als Nachdruck veröffentlicht worden. Zur Geschichte des Catholicon vgl. Gerhardt Powitz, „Le Catholicon esquisse de son histoire", in: Jacqueline Hamesse (Hg.), Les manuscrits des lexiques et glossaires de l 'antiquite tardive a Ja fin du moyen age, cit., s. 299-336. Neben Papias, Hugutio und Balbi dient den mittelaterlichen Lexikographen meist das Bibeilexikon des Guillelmus Brito als Referenz. Vgl. Lloyd W. Daly, Bemadine W. Daly (Hgg.), Summa Britonis sive Guillelmi Britonis &positiones vocabulorum Biblie, Padua 1975. . 2.4.2 Zur mittelalterlichen Lexikographie s. neben dem schon im Text genannten Forschungsbericht von Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbü- Bibliographie zu Kapitel 2 109 eher von den Anfängen bis 1600. Entstehung und typologische Beschreibung, Tübingen 1994 (= Lexicographica. Series maior 54): Claude Buridant, "Lexicographie et glossographie medievales. Esquisse de bilan et perspectives de recherche", in: Id. (Hg.), La lexicographie au Moyen Äge, Lille 1986 (= Lexique 4), S. 9-46; Jacques Monfrin, "Lexiques latin-franyais du moyen äge", in: Olga Weijers (Hg.), Actes du colloque 'Terminologie de la vie intellectuelle au moyen dge '. Leyde/ La Haye 20-21 septembre 1985, Turnhout 1988 (= C/ VICAMA 1), S. 26-32; Olga Weijers, "Lexicography in the Middle Ages", Viator 20 (1989), S. 139-153, sowie den schon genannten Sammelband: Jacqueline Hamesse (Hg.), Les manuscrits des lexiques et glossaires de l'antiquite tardive a lafin du moyen dge, Louvain-La-Neuve 1996. - Zur Geschichte der alphabetischen Anordnung der Lemmata in der Lexikographie s. Lloyd W. Daly, Contributions to a history of alphabetization in Antiquity and the Middle Ages, Brüssel 1967 (= Collection Latomus 90); Karin Miethaner-Vent, "Das Alphabet in der mittelalterlichen Lexikographie", in dem soeben genannten von Claude Buridant herausgegebenen Sammvelband La lexicographie au Moyen Age, S. 83-112. -Zur Geschichte der lexikographischen Terminologie im Mittelalters. Olga Weijers, Dictionnaires et repertoires au moyen dge: une etude du vocabulaire, Tumhout 1991 (= Etudes sur le vocabulaire intellectuel du moyen dge 4). Eine erste Zusammenstellung früher französischer Wörterbücher hat Charles Beaulieux vorgelegt: "Liste des dictionnaires, lexiques et vocabulaires franyais anterieurs au« thresor » de Nicot (1606)", in: Melanges de philologie o.fferts a Ferdinand Brunot, Paris 1904 (Ndr.: Genf 1972), S. 371-398. Er nennt allerdings im wesentlichen nur gedruckte Werke aus dem 16. Jahrhundert, deren genetische Gliederung er nicht kennt. Zu den Anfängen der französischen Glossographie und Lexikographie s. Laurent Bray, "La lexicographie franyaise des origines a Littre", in: Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hgg.), Wörterbücher. Dictionaries; Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, 3 Bdd., Berlin - New York 1989-1991 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 5, 1-3), Bd. 2, Berlin - New York 1990, S. 1788-1818, vor allem aber: Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfängen bis 1600, cit., S. 120-174, insbesondere die Zusammenfassung „Überblick über die ältesten Glossare mit französischen Formen", S. 161- 170. Das Glossar der Handschrift aus Tours (ehemals Cathedrale de Tours, Nr. 433), ist nach der von uns im Text zitierten Veröffentlichung in der Bibliotheque de l'Ecole des Chartes (1869) nicht wieder gedruckt worden. Die Veröffentlichung von· Leopold Delisle enthält auch die 65 mit französischen lnterpretamenten versehenen Lemmata des erwähnten Heilpflanzenglossars (S. 330-332). Zu den hebräisch-französischen Glossaren s. Arsene Darmesteter, "Glosses et glossaires hebreux-franyais du moyen äge", Romania 1 (1872), S. 146-176. Schon Darmesteter (1846-1888) hatte erkannt, welch interessanter Aufschluß über Lautstand und Aussprache des Altfranzösischen sich aus seiner hebräischen Transkription gewinnen ließ. Sein Plan, ein Glossenwörterbuch der hebräisch transkribierten altfranzösischen Wörter zu schreiben, wurde durch seinen frühen Tod vereitelt und erst viel später verwirklicht: Raphael Levy, Contribution a la lexicographie franfaise selon d'anciens textes d'originejuive, Syracuse (NY) 1960, wo sich (S. 23-603) 815 mit philologischem Kommentar versehene altfranzösische Lemmata finden. Levy hat 110 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania danach eine Konkordanz aller bisher aufgefundenen hebräisch transkribierten Wörter veröffentlicht, in der lediglich das altfranzösische Lemma, seine neufranzösische Entsprechung, seine Quellen sowie ein bibliographischer Hinweis auf seine allfällige bisherige Kommentierung verzeichnet sind: Raphael Levy, Tresor de la / angue des juifsfranfais au moyen age, Austin(Tx) 1964. Vom ältesten der hebräisch-französischen Glossare (Universitätsbibliothek Basel A. III. 39) existiert eine kritische Ausgabe: Le glossaire de Bale. Edite et annote par Menahem Bannit, Jerusalem 1972 (= Corpus glossariorum biblicorum hebraico-gallicorum medii aevi 1). Der Abavus von Douai wurde schon im 19. Jahrhundert zweimal von Enee- Aimee Escallier (der ihn zunächst Guillelmus Brito zuschreiben, jedenfalls aber ins 14. Jahrhundert datieren wollte) herausgegeben: Enee-Aime Escallier, Remarques sur le patois suivies du vocabulaire latin-franfais de Guillaume Briton (X/ Ve siecle), Douai 1851; Enee-Aime Escallier, Remarques sur le patois, suivies d'un vocabulaire latin-franfais inedit du XIV" siecle, avec gloses et notes explicatives pour servir a l'histoire des mots de la languefranfaise, Douai 1856. Mario Roques hält die Wiedergabe der Handschrift in beiden Fällen für unzuverlässig. Bezüglich der Datierung bemerkt er folgendes: "M. Charles Samaran, qui a bien voulu examiner ce ms. avec moi, l'attribue a l'epoque de Philippe Je Bel et plutöt a 1285 qu'a 1300." (Recueil general des lexiques franfais du moyen age (Xlle-XVe siecle). 1 Lexiques alphabetiques, Bd. 1, Paris 1936, S. XVII). Der Abavus von Douai ist das erste der in Roques' Recueil general abgedruckten „lexiques" und umfaßt S. 3-68 des ersten Bandes. Das andere der beiden im dreizehnten Jahrhundert in Frankreich entstandenen lateinisch-französischen Glossare (neben dem Glossar aus Douai) ist ein mir 55 Lemmata umfassendes Kleinglossar, das auf Blatt 106' der in Paris befindlichen Handschrift BN lat. 8246 steht, und das von Paul Meyer (zusammen mit einem Glossar aus der British Library) veröffentlicht wurde: "Anciennes gloses fran9aises", Romania 24 (1895), S. 161-173 (das kommentierte Glossar aus der Bibliotheque Nationale S. 170-173). Das um 1300 datierte älteste erhaltene französisch-französische Glossar ist abgedruckt bei Frederic Auguste Ferdinand Thomas de Reiffenberg (Hg.), Gualterus <Tornacensis>, Roman en vers de Gilles de Chin, seigneur de Berlaymont. Poeme de Gautier de Tournay, Brüssel 1847 (= Monuments pour servir a l'histoire des provinces de Namur, de Hainaut, et de Luxembourg. Recueillis et publies pour Ja premiere fois par le Baron de Reiffenberg, Bd. 7), S. XCII-XCV. Die Handschrift von Evreux (BM n° 23) wird in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert. Erhalten sind 853 Lemmata (ab cloaca), der Anfang ist verloren. Sie ist im 19. Jahrhundert zweimal von Alphonse Antoine Louis Chassant herausgegeben worden (der sie ins 13. Jahrhundert datieren wollte): Petit vocabulaire latin-franfais du Xllf siecle, extrait d'un manuscrit de la Bibliotheque d'Evreux, Paris 1857 und unter dem gleichen Titel nochmals Paris 1877. Mario Roques druckt das Glossar in seinem Recueil general des lexiques jranfais du moyen age (Xlle-XVe siecle). 1 Lexiques alphabetiques, Bd. 1, Paris 1936, als zweites ab (S. 69-91). Auch in diesem Falle hält er die vorausgehenden Publikationen des Glossars für fehlerhaft (Recueil general, Bd. 1, S. XX). Bibliographie zu Kapitel 2 111 2.4.3 Der Abavus der Vatikanhandschrift (Vat. lat. 2748) aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist bisher nur bei Mario Roques Recueil general, cit., Bd. 1, S. 93-237, im Druck veröffentlicht worden. Der Abavus der Bibliotheque Nationale ist abgedruckt bei Mario Roques Recueil general, cit., Bd. 1, S. 239-520, wo die Abweichungen der Fassung von Conches mit angeführt sind. Zu seiner Filiation, Stellung und Beschreibung s. Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Arifängen bis 1600, cit., S. 176-201. Die älteste Version von Aalma (Paris BN lat. 13032) macht den gesamten zweiten Band von· Mario Roques, Recueil general des lexiques fram; ais du moyen äge (Xlle-XVe siecle). I Lexiques alphabetiques, Tome II, Paris 1938, aus. (Bei den zwei Bänden ist es geblieben). Eine Auflistung der übrigen Mss. der Familie findet sich dort in der Einleitung, S. XVII. Geringfügig modifiziert ist die diesbezügliche Übersicht bei Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Arifängen bis 1600, cit., S. 217. Der Abdruck von Aalma (Paris BN lat. 13032) bei Roques, Recueil II, ist allerdings insofern nicht vollständig, als der Herausgeber die morphosyntaktischen Angaben der Hs. zu den lateinischen Lemmata sehr verkürzt hat. Den Plan einer Konkordanz der gesamten französischen lnterpretamente aus Aalma hat Helene Nais vorgestellt: "Presentation d'une future concordance de l'Aalma", in: Claude Buridant (Hg.), La )exicographie au Moyen Age, Lille 1986 (= Lexique 4), S. 187-196. Zum Catholicon abbreviatum vgl. Margarete Lindemann, "Le Vocabularius nebrissensis latin-fran9ais et les debuts de la lexicographie fran9aise", in: Anthonij Dees (Hg.), Actes du / Ve Colloque international sur le Moyen Franr; ais, Amsterdam 1985, s. 55-85. Zu Aalma bis vgl. Pierre Nobel, "La traduction du Catholicon contenue dans le manuscrit H 110 de la Bibliotheque Universitaire de Montpellier (section medecine)", in: Claude Buridant (Hg.), La lexicographie au Moyen Age, Lille 1986 (= Lexique 4), S. 157-183. Die einzige Handschrift des Dictionarius von Firmin Le Ver verblieb bis zur Zwangsauflösung der Klosterbibliothek im Jahre 1790 im Besitz der Kartause Saint Honore und war dann eine Zeitlang in Privatbesitz, bis sie 1878 aus dem Nachlaß des bibliophilen Verlegers Ambroise Firmin Didot von der Bibliotheque Nationale angekauft und als BN nouv. acq. fr. 1120 registriert wurde. Der Dictionarius umfaßt f 1'- 467'. Auf f 468'-478v stehen grammatische Traktate, darunter (f 474v-477') die oben erwähnte französische Fassung der Ars minor von Donat (vgl. M. Colombo-Timefli 1990). Zu allen Belangen des Dictionarius von Le Ver vergleiche man jetzt die "Introduction" in Brian Merrilees, William Edwards (Hgg,), Firmini Ve"is Dictionarius. Dictionnaire Latin-Franr; ais de Firmin Le Ver, Tumhout 1994 (= Lexica Latina Medii Aevi. Nouveau Recueil des Lexiques latin-franr; ais du Moyen Age, collection dirigee par Brian Merrilees et Jacques Monfrin, Bd. 1) [= Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis. Series in -4°, I], S. V-XXXIV. Rezensiert (und zwar anerkennend) hat die Ausgabe des Dictionarius lrene Rosier Catach (Historiographia Linguistica 22 (1995), S. 415-419). - Zum Vocabularius familiaris s. außer dem im Text genannten Beitrag von Brian Merrilees und William Edwards noch: Brian Merrilees, "Un dictionnaire incunable: Le Vocabularius familiaris de Guillaume de Tailleur", in: Monique Ornato, Nicole Pons (Hgg.), Pratiques de la culture ecrite en 112 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania France au XVe siec/ e (= Textes et Etudes du Moyen Äge 2), Louvain-la-Neuve 1995, s. 390-402. Zur Rolle der Merkverse und der Versgrammatiken (wie das Doctrinale des Alexandre de Villedieu und der Graecismus des Evrard de Bethune) im Lateinunterricht des Mittelalters, bei dem die Schüler ja meist ohne eigenes Lehrbuch auskommen mußten, s. Friedrich Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Mit besonderer Rücksicht auf den klassischen Unterricht, 2 Bdd., Leipzig 3 1919-1921 (die erste Auflage einbändig 1885), Bd. 1, Leipzig 1919, S. 46-51; Klaus Grubmüller, Vocabularius Ex quo. Untersuchungen zu lateinisch-deutschen Vokabularen des Spätmitte/ alters, München 1967, S. 16-17; Dorothea Klein, "Wortsammlung und Versgrammatik. Das 'Speculum grammaticae' Hugo und Konrad Spechtsharts aus Reutlingen und seine Quellen", in: Klaus Grubmüller (Hg.), Schulliteratur im späten Mittelalter, München 2000, S. 99-164; Manfred Fuhrmann, Latein und Europa. Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland Von Karl dem Großen bis Wilhelm II, Köln 2001, S. 20-28; besonders aber: Ame Holtorf, (Artikel) "Merkdichtung'', in: Gert Ueding (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Band 5: L-Musi, Tübingen 2001, Sp. 1078-1081, und die dort verzeichnete Literatur. 2.4.4 Die Handschrift H 236 der Medizinischen Fakultät der Universität Montpellier scheint an einer pikardischen Bildungsanstalt in Gebrauch gewesen zu sein, bevor sie über die Bibliothek der burgundischen Magistratsfamilie Bouhier 1804 in die Sammlung der Ecole de medicine von Montpellier gelangte (wahrscheinlich, weil sie auch Teile eines pferdemedizinischen Traktats enthält). Zu allen Belangen des darin enthaltenen Glossars s. die „lntroduction" in Anne Grondeux (Hg.), Anonymi Montepessulanensis Dictionarius. Le glossaire latin-franr; ais du ms. Montpellier H236, in: Anne Grondeux, Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), Duo glossaria, Tumhout 1998 (= Lexica Latina Medii Aevi. Nouveau Recueil des Lexiques latin-franr; ais du Moyen Age, collection dirigee par Brian Merrilees et Jacques Monfrin, Bd. 2) [= Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis. Series in -4°, II], S. 7-140, hier S. 9-31. Auf die „Introduction" folgen drei Faksimiletafeln der Handschrift (f. 10•, f. 82•, f. 3'). Das Glossarium gallico-latinum, Ms. Paris BN lat. 7684, war über die letzten zweihundertfünfzig Jahre hinweg bekannt und unbekannt zugleich. Einerseits nämlich wurde es von verschiedenen Gelehrten dieses Zeitraums genannt und zitiert. So führt Dom Pierre Carpentier in seinem Glossarium novum ad scriptores medii aevi cum latinos tum gallicos, seu Supplementum ad auctiorem glossarii Cangii editionem, Paris 1766, zahlreiche Lemmata daraus an. Noch ausgiebiger zitiert Frederic Godefroy das Glossarium gallico-latinum in seinem Dictionnaire de l'ancienne languefranr; aise, Paris 1881-1902. Über Godefroy sind dann viele Belege aus dem Glossarium gallico-latinum in die großen etymologischen Wörterbücher des Französischen gelangt; Eine knappe Beschreibung des Glossars gibt Emile Littre in seinem Beitrag „Glossaires", Histoire litteraire de la France 22 (1852), S. 1-38, hier S. 30- 32, wo er auch einige (allerdings gekürzte) Einträge daraus wiedergibt. In seinen Observations sur l'orthographe ou ortogra.fiefranr; aise suivies d'une histoire de la reforme orthographique depuis le XP" siec/ e jusqu 'a nos jours, Paris 2 1868, nennt Bibliographie zu Kapitel 2 113 Ambroise Firmin Didot (den wir schon als den letzten privaten Besitzer der einzigen Handschrift des Dictionarius von Firmin Le Ver erwähnt haben), S. 105-106, 22 französische Lemmata aus dem Glossarium gallico-latinum in Synopse mit den entsprechenden Formen des Dictionarius von Le Ver und eines lateinisch-französischen Glossars zur Illustrierung der Orthographie des Französischen im 15. Jahrhundert. Andererseits aber kannten die einzige Handschrift des unpublizierten Glossars naturgemäß nur wenige, und über seine Merkmale, seinen Umfang sowie seine Stellung in der Geschichte der französischen Lexikographie war nahezu nichts bekannt. Bis in die allerjüngste Zeit galt daher noch die Feststellung Gustav Gröbers: "Der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gehört ein noch ungedrucktes Glossarium gallico-latinum (s. Didot a.a.O. [sc. die genannten Observations sur l'orthographe ou ortogra.fie franfaise] S. 105) an, über dessen Beschaffenheit und Zweck nähere Kunde fehlt." (Gustav Gröber, "Geschichte der romanischen Philologie", in: Gustav Gröber (Hg.), Grundriss der romanischen Philologie, Band 1, Straßburg 2 1904-- 1906, S. 1-185, hier S. 9). Noch 1994 mußte sich Margarete Lindemann in ihrer großen Monographie Die französischen Wörterbücher von den Arifängen bis 1600. Entstehung und typologische Beschreibung, cit., S. 152, mit einem kurzen Hinweis auf das wenige bei Littre 1852 Gesagte begnügen. Inzwischen aber verfügen wir über die ausgezeichnete kritische Ausgabe des Glossarium gallico-latinum, aus der wir im Text zitiert haben: Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), "Glossarium Gallico- Latinum. Le glossaire fran9ais-latin du Ms. Paris lat. 7684", in: Anne Grondeux, Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), Duo glossaria, Turnhout 1998 (= Lexica Latina Medii Aevi. Nouveau Recueil des Lexiques latin-franfais du Moyen Age, collection dirigee par Brian Merrilees et Jacques Monfrin, Bd. 2) [= Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis. Series in -4°, II], S. 141-269. Zu allen Belangen des Glossarium gallico-latinum kann nunmehr auf die „Introduction" (S. 143- 180) dieser Ausgabe verwiesen werden. Der Band: Anne Grondeux, Brian Merrilees, Jacques Monfrin (Hgg.), Duo glossaria, Turnhout 1998, wurde rezensiert von Johannes Kramer (ZrP 117 (2001), S. 671-673). 2.4.5 Das bretonisch-französisch-lateinische Catholicon von Jean Lagadeuc ist in einer Handschrift (Paris BN, fonds latin 7656) und in drei frühen gedruckten Ausgaben überliefert. Das einzige erhaltene Manuskript ist jedoch kein Autograph des Autors, sondern eine Abschrift vier verschiedener Schreiber, die überdies unvollständig ist (die Schrift der vierten Hand endet beim Lemma Pres). Auf eine andere Vorlage als das erhaltene Manuskript muß die älteste gedruckte Ausgabe des Catholicon des Verlegers Jehan Calvez (Treguier 1499) zurückgehen, da sie bei Incipit und Lemmafolge von diesem abweicht. Während das erhaltene Manuskript des Wörterbuchs keinen Titel aufweist, heißt es bei Jehan Calvez Catholicon en troys langaiges: Cy est le Catholicon en troys langaiges Scauoir est breton franczoys et latin selon / ordre de la b. c. d. &rl. Im Explicit der im Hause Calvez gedruckten Ausgabe wird als Autor des Werkes der Kanonikus von Treguier Auffret de Quoatqueveran genannt, weil er das Vorwort verfaßt und möglicherweise ein in seinem Besitz befindliches Manuskript fl1r die Publikation zur Verfügung gestellt hatte. Aus diesem Grunde nahm man in der älteren Literatur an, Lagadeuc sei nur einer von drei Verfassern gewesen (als dritten betrachtete man den im Explicit der Ausgabe von Calvez in bretonischer Sprache erwähnten Setzer Euzen Roperz), etwa in dem schon zitier- 114 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Galloromania ten Beitrag von Charles Beaulieux, "Liste des dictionnaires, lexiques et vocabulaires fram; : ais anterieurs au« thresor » de Nicot (1606)", in: Melanges de philologie offerts a Ferdinand Brunot, Paris 1904 (Ndr.: Genf 1972), S. 371-398. Dagegen sieht man auf Grund der Evidenz der Einleitung der Handschrift (und der Tatsache, daß Quoatqueveran in seinem Vorwort die Verfasserschaft nicht für sich in Anspruch nimmt) heute keinen Grund mehr, daran zu zweifeln, daß Jean Lagadeuc der alleinige Autor des Wörterbuchs war. Von dem Wiegendruck aus dem Haus Calvez haben sich vier Exemplare erhalten. Zwei befinden sich in der Bibliotheque Nationale, Paris (eins davon ist stärker beschädigt), je eines in den Stadtbibliotheken von Quimper und Rennes. Schon 1867 publizierte Rene-Fran9ois Le Men eine transkribierte Version des Wiegendrucks aus dem Jahre 1499: Le Catholicon Iehan de Lagadeuc. Dictionnaire breton, franfais et latin publie par R F. Le Men, d'apres l'edition de M Auffret de Quoetqueveran imprimee a Treguier chez Iehan Caluez en MCCCCXCIX, Lorient o.J. [1867] (Documents pour servir a l'etude de l'histoire et de la langue bretonnes), die allerdings ungekennzeichnete Kürzungen der Mikrostruktur enthielt. Der Druck von Calvez kann jetzt in der Faksimile-Ausgabe konsultiert werden, die wir im Text schon genannt haben: Christian-J. Guyonvarc'h (Hg.), Le CATHOL/ CON de Jehan Lagadeuc. Dictionnaire breton-latin-franfais du XVeme siecle, Volume 2, Reproduction de l'edition de Jehan Calvez, Rennes 1975 (= Supplement a OGAM - TRADITION CELTIQUE, tome 27, 1975; CELTICVM 22). Der Ausgabe von Guyonvarc'h liegt das Exemplar der Bibliotheque Municipale de Rennes {n° 15203) zugrunde. Zu allen Belangen des Wörterbuchs von Jehan Lagadeuc vergleiche man die umfangreiche „lntroduction" von Christian-J. Guyonvarc'h (S. IX-CLII}. Neben der Ausgabe des Hauses Calvez gab es eine nicht datierbare des. Verlegers Jehan Corre aus Treguier, von der ein Exemplar erhalten ist (Paris, BN Reserve X 946), sowie eine durch das Explicit in das Jahr 1521 zu datierende des Pariser Druckers Yves ·Quillevere, von der ebenfalls nur ein Exemplar existiert (Paris, BN Reserve X 2059). Guyonvarc'h hatte ursprünglich die Publikation aller vier Quellen des Wörterbuchs (der Handschrift und der drei gedruckten Ausgaben) sowohl als Faksimile wie in Transkription mit einem zusätzlichen Kommentarband geplant (s. "Introduction", S. XIV), und zwar in einer vorab bestimmten Reihenfolge, nach welcher der im Jahre 1975 erschienene Band mit dem Faksimile der Ausgabe von Calvez eben „Band 2" war. 2.5.1 Die Kargheit der überlieferten Spuren altokzitanischer Lexikographie (gegenüber denen der altfranzösischen) war schon 1905 Antoine Thomas aufgefallen: Antoine Thomas, "Gloses proven9ales inedites tirees d'un ms. des Derivationes d'Ugucio de Pise (Paris, Bibi. Nat., Lat., 7622)", Romania 34 (1905), S. 177-205, hier S. 177: "Les monuments de la lexicographie proven9ale que nous a laisses le moyen äge sont beaucoup moins nombreux que ceux de la lexicographie fran9aise." Thomas zitiert und kommentiert in seinem Beitrag ca. 50 altokzitanische Glossen aus einer 1297 in Sarlat (Dordogne) entstandenen Abschrift der Derivationes des Hugutio (dazu einige wenige indirekte Belege aus einem verlorenen Glossar aus Saint Andre de Villeneuve-les-Avignon). Die einzige Veröffentlichung der Summa grammaticalis aus dem 13. Jahrhundert {Paris BN, f. lat. 16671), in deren erstem Teil sich einzelne altokzitanische Glossen finden, ist die von uns im Text zitierte von Charles Samaran, "Une Summa gramma- Bibliographie zu Kapitel 2 115 ticalis du XIII• siecle, avec gloses proven9ales", Archivum Latinitatis Medii Aevi 31 (1961), S. 157-224, das von Samaran De declinatione genannte Glossar S. 165-212; De regimine, S. 212-215, De dictamine, S. 215-221. Auf den Ss. 222-224 hat Samaran ein alphabetisches Verzeichnis aller in dem Glossar vorkommenden altokzitanischen Glossen zusammengestellt. Von früheren Erwähnungen der Summa grammaticalis handelt er in der Einleitung zu seinem Beitrag, S. 157, von den bis dahin unbelegten bzw. ungedeuteten Lemmata S. 160-162. - Über die altokzitanischen Glossen des Ms. Paris BN, f. lat. 16671 hatte Samaran schon 1932 in der Academie des Inscriptions et Belles-Lettres vorgetragen und danach mit Mario Roques vereinbart, die Summa grammaticalis in einen von diesem geplanten Sammelband Lexiques latins du moyen tige aufzunehmen. Das übersandte Manuskript tauchte erst 1961 im Nachlaß von Mario Roques wieder auf, der am 8. März 1961 verstorben war, und wurde im gleichen Jahr von Samaran im Archivum Latinitatis Medii Aevi veröffentlicht. 2.5.2 Die Verblisten stehen in der maßgebenden kritischen Ausgabe: John Henry Marshall (Hg.), The Donatz Proensals of Uc Faidit, Oxford 1969, S. 152-179, das Rimarium S. 186-255; der Kommentar zu den Verblisten S. 277-295, der Kommentar zum Rimarium S. 297-339. S. 371-373 druckt Marshall ein Reimlistenfragment aus der Landau-Handschrift ab. Ein alphabetisch geordnetes Glossar aller in die Verblisten und das Rimarium aufgenommenen Lemmata hat Marshall auf den Ss. 384--419 seiner Ausgabe zusammengestellt. 2.5.3 Das provenzalisch-italienische Glossar aus der Laurentiana-Handschrift XLI, 42 wurde vollständig zuerst von Edmund Stengel, Die beiden ältesten provenzalischen Grammatiken. Lo Donatz proensals und Las Razos de trobar nebst einem provenzalisch-italienischen Glossar. Von neuem getreu nach den Hss. herausgegeben von Edmund Stengel, Marburg 1878, S. 88-91, publiziert, jedoch ohne jeden erläuternden Kommentar. Maßgebend ist jetzt die von uns zitierte kritische Ausgabe Castel! anis in der Festschrift Stammler: Arrigo Castellani, "Le glossaire proven9alitalien de la Laurentienne (Ms. Plut. 41, 42)", in: Lebendiges Mittelalter. Festgabe für Wolfgang Stammler. Herausgegeben von der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg Schweiz, Freiburg Schweiz 1958, S. 1-43. Zu Stengels Abdruck des Glossars bemerkt Castellani zurückhaltend: "[...] et son exactitude, il faut bien le dire, n'est pas absolue" (S. 1). Castellani hat in vielen Fällen die Textquellen der Glossen identifizieren können und und gibt zu jedem Lemma weitere Belegstellen an (falls es sie gibt). 2.5.4 Einen Auszug aus dem Floretus (BN 7657) und dem Glossarium (BN 7685) hatte Alphonse Blanc zusammen mit einer Einleitung veröffentlicht: "Vocabulaire proven9al-Iatin", Revue des langues romanes 35 (1891) [Ndr.: Nendeln 1970], S. 29-87 (vorlaufende Erwähnungen beider Glossare S. 29, der Glossarauszug auf den Ss. 53-87), wobei er bei der Auswahl der Lemmata ziemlich willkürlich verfahren war: "Mots, formes et sens donnes par ! es mss. 7657 et 7685 qui ne se trouvent pas dans Raynouard" (S. 53). Diese Willkür, verschiedene Fehllesungen sowie sein Interesse an den mittellateinischen Formen (mit Vorschlägen, auf der Basis der beiden Manuskripte das Glossarium Mediae et Infimae Latinitatis von Du 116 Die Anfänge der romanischen Sprachwissenschaft in der Ga/ loromania Cange korrigieren zu wollen) kritisiert Paul Pansier an Blancs Veröffentlichung: „Dictionnaire provenyal latin de la seconde moitie du xvm• siecle", in: ld., Histoire de la langue provem; ale a Avignon du XIf au XDt siecle, 5 Bdd., Avignon 2 1924- 1932, Bd. 5, Avignon 1932, S. 55-151, hier S. 69-70. Pansier nimmt das Glossarfragment des Notars Jean de Senolht als Basis und ordnet die darin nicht enthaltenen Wörter des Floretus und des Glossarium in die Lemmafolge ein, wobei er sie durch* (Floretus) und** (Glossarium) kennzeichnet. Pansiers Hauptanliegen ist die Dokumentation des provenzalischen Wortschatzes im 15. Jahrhundert, so daß er die lateinischen Interpretamente vernachlässigt. So erwähnt er zwar in der Einleitung (S. 63), daß der Verfasser des Derivator das provenzalische Wort layrar 'bellen' zum Anlaß nimmt, sämtliche ihm bekannten lateinischen Verben zur Bezeichnung tierischer Laute anzuführen, wie wir im Text gesehen haben; in der Glossarzusammenstellung aber erscheint nur: "lairar, sive japar, latro (aboyer)." (P 111). In Hinsicht auf die Geschichte der okzitanisch-lateinischen Lexikographie ver: fährt also auch Pansier willkürlich verkürzend. 3 Die Anfänge in Italien: Dante 3.1 Die Bedeutung Dantes für die romanische Sprachwissenschaft Wir wollen den Blick nun nach Italien lenken. Denn trotz der Fülle und der durchaus selbständigen Interpretation ihrer Materialien stand doch auch die große Grammatik der Leys d 'Amors noch in der Tradition der lateinischen Handbücher. In Italien aber wurden schon zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts, unabhängig von (oder nur in indirektem Zusammenhang mit) der normativen Anleitung, die ersten wissenschaftlichen Fragen nach der Natur der romanischen Sprachen gestellt. Und Italien blieb auch vom ausgehenden Mittelalter an über längere Zeit hinweg das Zentrum der entstehenden Romanistik. Eine Schlüsselstellung kommt hierbei Dantes Abhandlung De vulgari eloquentia zu. Diese Schrift Dantes ist in der Tat für unsere Thematik in dreifacher Hinsicht von Bedeutung: Erstens in Hinsicht auf die Sprachtheorie im allgemeinen und die Theorie der Einzelsprache im besonderen, zweitens in Hinsicht auf die romanischen Sprachen und die Erforschung ihrer Mundarten, drittens in Hinsicht auf die italienische Sprache und die sogenannte Questione della lingua. Die Bezeichnung Questione della lingua 'Sprachenfrage' oder 'Sprachdisput' ist weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannt geworden und steht für eine kulturhistorische Diskussion, welche die Italiener seit den Zeiten Dantes fast bis in unsere Tage hinein beschäftigt hat. Es handelt sich um die Frage nach der italienischen Literatur- und Nationalsprache. Indem wir uns gestatten, die oft komplexen Gedankengänge dieser Auseinandersetzung etwas zu vereinfachen, zugleich aber übersichtlicher zu machen, können wir drei Phasen der Fragestellung unterscheiden: Ist das Lateinische oder das Volgare vorzuziehen? Wenn man das Volgare anerkennen kann, ist es dann in seiner toskanischen (florentinischen) Form vorzuziehen oder in einer anderen? Wenn das Toskanische gewählt wird, soll dann das traditionelle oder das aktuelle Toskanisch (Florentinisch) zur Orientierung dienen, das Toskanische als Schriftsprache oder als gesprochene Sprache? Und wenn wir die Antworten auf diese Fragen wiederum in nüchterner Weise verkürzen dürfen, so laufen sie im Grunde auf die folgende Lösung hinaus: Zu wählen ist das Volgare, und zwar das Toskanische (Florentinische); und dieses wiederum in der Form seiner schriftlichen Tradition. 118 Die Anfänge in Italien: Dante Gerade unter diesem letzten Aspekt ist als Zentrum und Ausgangspunkt dieser Questione der Dichter Dante Alighieri (1265-1321) anzusehen, schon durch sein großes Werk selbst, das Vorbild und Richtpunkt der italienischen Literatursprache wurde. Andererseits aber war es wiederum Dante, der auch die theoretische Erörterung dieses Gegenstandes begründete. Äußerungen Dantes zu sprachlichen und sprachwissenschaftlichen Fragen finden sich in der Vita nuova, im Convivio, besonders aber in De vulgari eloquentia, einer Schrift, die ganz diesem Thema gewidmet ist, und die zugleich als Beginn der „Romanistik" betrachtet werden darf. Was die Datierung von De vulgari eloquentia angeht, so fehlt uns zu Zeit und Ort der Entstehung eine äußere historische Auskunft. Doch enthält die Schrift selbst zwei Hinweise, die uns Terminus ante quem und Terminus post quem liefern. Den ersten finden wir an der Stelle, an der von dem Markgrafen Giovanni di Monferrato (Johannes) als kriegführendem Feldherrn gesprochen wird: Quid nunc personat tuba novissimi Frederici, quid tintinabulum secundi Karoli, quid cornua Johannis et Azonis marchionum potentum, quid aliorum magnatum tibie, nisi: "Venite camifices, venite altriplices, venite avaritie sectatores"? DVEI, 12, 5 'Was lassen nun die Trompeten des letzten Friedrich, was die Schellen des zweiten Karl, was die Hörner der mächtigen Grafen Johannes und Azzo, was die Pfeifen der übrigen Magnaten anderes erklingen als: "Kommt her, ihr Schlächter, kommt, ihr Doppelzüngler und kommt, ihr Jünger der Raffgier! "' Der Markgraf aber verstarb im Februar 1305. Der zweite besteht in der Klage Dantes über sein Exil: Nos autem, cui mundus est patria velut piscibus equor, quanquam Samum 1 biberimus ante dentes et Florentiam adeo diligamus, ut, quia dileximus, exilium patiamur iniuste, rationi magis quam sensui spatulas nostri iudicii podiamus. DVEI, 6,3 'Wir aber, deren Heimat die Welt ist, wie den Fischen das Meer, obgleich wir Arnowasser vor dem Zahnen tranken und Florenz so lieben,. daß wir um dieser Liebe willen zu Unrecht die Verbannung leiden, wollen die Schalen unseres Urteils mehr nach der Vernunft als nach dem Gefühl senken.' Da Dante im Jahre 1302 seiner Heimatstadt verwiesen wurde, läßt sich die Niederschrift der Abhandlung mit großer Wahrscheinlichkeit den Jahren 1303-1304 zuordnen. Unser Text von De vulgari eloquentia beruht auf drei Handschriften: T, Mailand, Biblioteca Trivulziana, n°. 1088 (Ende des 14. bis Anfang des 15. 1 Gemeint ist der Arno, den Dante einer irrigen Tradition folgend mit dem bei Vergil, Aeneis VII, 738 genannten Sarnus verwechselt. Die Bedeutung Dantes für die romanische Sprachwissenschaft 119 Jh.); G, Grenoble, Bibliotheque Civique, n°. 580 (Ende des 14. bis Anfang des 15. Jh.); B, Berlin, Staatsbibliothek, Preußischer Kulturbesitz, Codex Latinus Folio 437 (Mitte des 14. Jahrhunderts). Das Ms. B wurde erst 1917 von dem Bibliothekar, Privatgelehrten und Humanismusforscher Ludwig Bertalot (1884-1960) in der Staatsbibliothek zu Berlin, vormals Königliche Preußische Bibliothek, entdeckt, die den Codex unbekannter Herkunft im Jahre 1878 von einem Antiquar erworben hatte. Während T und G Schwesterhandschriften sind, die auf eine gemeinsame Vorlage verweisen, ist die Version B wiederum als Schwester dieser Vorlage und auf Grund ihres Alters und ihrer Qualität als die beste Überlieferung des Danteschen Textes zu betrachten. Die Wirkungsgeschichte der Abhandlung weist eine merkwürdige Lücke auf. Für lange Zeit nach Dantes Tod blieb sie nahezu unbekannt. Offenbar hatte der Dichter sich während der Abfassung anderen Interessen zugewandt und das unvollendete Werk nicht zur Publikation bestimmt. Zwar kann es im 14. und 15. Jahrhundert nicht als völlig verschollen geltenimmerhin stammen die erhaltenen Handschriften aus dieser Zeit doch führte es eine verborgene Existenz. Erst im 16. Jahrhundert (um 1514) entdeckte es der Dichter und Philologe Gian Giorgio Trissino in Padua wieder und stellte es ins Licht der öffentlichen Diskussion um die Questione della lingua. De vulgari eloquentia will eigentlich eine Abhandlung über die Redekunst im Volgare sein, also eine Art Rhetorik. Zugleich aber widmet sich die Schrift der Aufgabe, die Stellung des Italienischen gegenüber dem Lateinischen zu verteidigen und zu behaupten. Zu der Auffassung, die er hier verficht, ist Dante freilich nur langsam und allmählich gelangt. Bis in seine Lebenszeit hinein war nämlich das Lateinische die literarische Sprache schlechthin. Und die beiden neu entstandenen Dichtersprachen, das Französiche und das Provenzalische, genossen auch in Italien ein größeres Prestige als das heimische Volgare. So schreibt der Florentiner Brunetto Latini (ca. 1220-1294? ) sein Werk Li Livres dou Tresor in französischer (pikardischer) Sprache und begründet dies folgendermaßen: Et si aucuns demandoit pour quoi cis livres est escris en romany, selonc le raison de France, puis ke nous somes italien,je diroie que c'est pour II raisons, l'une ke nous somes en France, l'autre por yOU que la parleure est plus delitable et plus commune a tous langages. I, 1, 7 2 Während aber Brunetto Latini, der jahrelang in Frankreich lebte, für die Verwendung des Französischen zusätzlich den nicht unerheblichen Grund 2 Li Livres dou Tresor ist eine mittelalterliche Wissenskompilation. Es handelt sich um das erste „enzyklopädische" Werk, das in einem romanischen Vo/ gare verfaßt wurde. Wir zitieren nach der kritischen Ausgabe von Francis J. Carmody, Berkeley - Los Angeles 1948, Ndr. Genf 1975, S. 18. 120 Die Anfänge in Italien: Dante anführen kann, "ke nous somes en France", daß sein Werk mithin zunächst einmal an französische Leser gerichtet ist, beruft sich der venezianische Chronist Martin da Canal (oder Martino da Canale) in der Einleitung seiner Estoires de Venise ganz auf die ästhetischen Qualitäten und die überregionale, ja „internationale" Geltung des Französischen, die es für die Verbreitung und das Überdauern der Kunde von den Res gestae Venedigs am geeignetesten erscheinen lassen: En l'enor de nostre seignor Jesu Crist et de sa douce Mere, nostre dame sainte Marie, et dou precios evangeliste monseignor saint Marc et de tos autres sains et saintes, et por l'enor de mesire Renier li noble dus de Venise et por henor de cele noble cite que l'en apelle Venise et por henor de la gentilesse et dou peuple venesiens, je Martin da Canal sui entremis de translater de latin en franceis les henorees victoires que ont eües les Veneciens au servise de sainte Yglise et au servise de sa noble cite. Et por ce me sui je entremis de ceste euvre que je veul que eile ne soit onques mais obliee et que il soit en remenbrance a tosjors mais a tos ciaus qui sont orendroit au siecle et a tos ciaus qui doivent avenir: porce que li un meurent et li autre naissent, si ne les poroit savoir se il ne les trovoient en escrit. Et porce que lengue franceise cort parmi le monde et est la plus delitable a lire et a orr que nule autre, me suis je entremis de translater l'anciene estoire des Veneciens de latin en franceis, et les euvres et les proeces que il ont faites et que il font. 3 Aus ähnlichen Gründen schreiben auch andere Italiener in französischer und provenzalischer Sprache. Zum Beispiel wurde der als Milione bekannte Reisebericht Marco Polos (eigentlich: Le livre demesser Marco Polo, citoyen de Venise, appele Milion, ou sont decrites / es Merveilles du monde), von Rustichello da Pisa, seinem Mitgefangenen in Genua, in französischer Sprache niedergeschrieben. Das beeindruckendste Werk der franko-italienischen Epik ist die Entree d'Espagne eines unbekannten Verfassers aus Padua mit über 15000 Versen, eine phantasievolle Anknüpfung an den Rolandstoff. Lyrische Dichtung in provenzalischer Sprache verfaßten u.a. die italienischen „Troubadours" Rambertino Buvalelli aus Bologna, Lanfranco Cigala aus Genua, Sordello aus Goito, dem Dante im sechsten Gesang des Purgatorio ein Denkmal gesetzt hat, und der Venezianer Bartolomeo Zorzi, von dem sich 18 Gedichte erhalten haben, darunter eine Klage über den Tod des letzten Staufers Konradin. 3 Die Behauptung des Chronisten (der wohl in die Lagunenstadt zugezogen war und vielleicht 1275 verstarb, da mit diesem Jahr sein Bericht endet), er habe eine vorliegende Chronik aus dem Lateinischen ins Französische „übersetzt", darf nicht allzu wörtlich genommen werden. Eher handelt es sich um eine Art Kompilation. Benutzt wurde vor allem das sogenannte Chronicon Altinate, das von den An: fängen bis zur Zeit des Dogen Ranieri Zeno (1253-1268) reicht (Buch 1). Daran schließt der Verfasser einen Bericht über die neueste, von ihm selbst miterlebte Zeit an, der von scharfsinniger Beobachtung zeugt und ein wertvolles Zeitdokument ist (Buch II). Die Bedeutung Dantes fiir die romanische Sprachwissenschaft 121 Demgegenüber nimmt sich : pante vor, den Rang des Italienischen nicht nur gegenüber dem Lateinischen, sondern auch gegenüber dem Französischen und Provenzalischen zu behaupten. In der Vita Nuova rechtfertigt er jedoch das Volgare zunächst nur für die Liebesdichtung, und zwar dadurch, daß sonst gerade die Frauen, die Adressaten und „Gegenstände" dieser Dichtung, sie nicht verstünden: E lo primo ehe eomincio a dire si eome poeta volgare, si mosse pero ehe volle fare intendere le sue parole a donna, a la quale era malagevole d'intendere li versi latini. Vita Nuova 16, 6 Einen Schritt weiter geht Dante im Convivio, einer Schrift, die als Folge von vierzehn Canzoni mit jeweils daran anschließenden Kommentartraktaten angelegt war (vollendet wurden aber nur vier dieser Sequenzen). Im Proömium geht der Dichter ausführlich auf die Frage ein, warum er das Italienische als Sprache gewählt und „sein Brot mit Futterhafer statt mit Weizenmehl gebacken habe". Zur Rechtfertigung führt er drei Gründe an: Er möchte die Inkohärenz vermeiden, die bei der lateinischen Kommentierung volkssprachlicher Gedichte entstünde, er möchte als : freigebiger Spender seiner Lehre erscheinen und schließlich auch seiner natürlichen Liebe zur vertrauten Sprache Ausdruck verleihen: Poi ehe purgato e questo pane da le maeule aeeidentali, rimane ad eseusare lui da una sustanziale, cioe da l'essere vulgare e non latino; ehe per similitudine dire si puo di biado e non di frumento. E da eio brievemente lo seusano tre ragioni, ehe mossero me ad [el]eg[ge]re innanzi questo ehe l'altro: l'una si muove da eautela di diseonvenevole ordinazione; l'altra da prontezza di liberalitade; la terza da lo naturale amore a propria loquela. II Convivio I, 5, 1-2 Was den ersten Gesichtspunkt angeht, so bleibt Dante : freilich hier noch der traditionellen Wertung verhaftet, wenn er anmerkt, die dienende Funktion des Kommentierens volkssprachlicher Gedichte gebühre sich nicht für das Lateinische, das vielmehr selbst Souverän sei: Dunque, a fuggire questa disordinazione, eonviene questo eomento, ehe e fatto inveee di servo a le 'nfraseritte eanzoni, esser subietto a quelle in eiaseuna sua [eondi]zione ed essere eonoseente del bisogno del suo signore e a lui obediente. Le quali disposizioni tutte li maneavano, se latino e non volgare fosse stato, poi ehe le eanzoni sono volgarL Che, primamente, non era subietto ma sovrano, e per nobilita e per vertu e per bellezza. II Convivio I, 5, 6-7 · Freigebig aber sei die Tugendlehre in der Volkssprache, weil sie einen größeren Leserkreis erreiche, weil sie etwas spende, das der Empfänger auch verwenden könne und schließlich, weil sie ihre Gabe spontan und ungebeten schenke: 122 Die Anfänge in Italien: Dante Puotesi adunque la pronta liberalitate in tre eose notare, Ie quali seguitano questo volgare e lo Iatino non averebbero seguitato. La_prima e dare a molti; la seeonda e dare utili eose; la terza e, sanza essere domandato lo dono, dare quello. II Convivio 1, 8, 2 Drittens möchte Dante mit seinem Verzicht auf das Lateinische zeigen, wie sehr er seine Muttersprache liebt. Und was man liebt, das ehrt, hütet und verteidigt man: Dieo ehe lo naturale amore prineipalmente muove l'amatore a tre eose: l'una sie a magnifieare l'amato; l'altra e ad esser geloso di quello; l'altra e a difendere lui, si eome eiaseuno puo vedere eontinuamente avvenire. E queste tre eose mi feeero prendere lui, eioe lo nostro volgare, lo qual naturalmente e accidentalmente amo ehoamato. II Convivio 1, 10, 6 Lob und Ehrung erfährt die Sprache in ihrer vorbildhaften Verwendung selbst: [...] e questa grandezza do io a questo amieo, in quanto quello elli di bontade avea in podere e oeeulto, io Io fo avere in atto e palese ne la sua propria operazione, ehe e manifestare eoneeputa sentenza. II Convivio 1, 10, 9 Empörung und Verachtung gelten den Italienern, die eine fremde romanische Volkssprache, lo volgare altrui, vorziehen und die eigene verachten. Ihr Verhalten kann nur durch Charaktermängel wie Urteilsschwäche, Ausflucht, Eitelkeit, Neidgefühl oder Minderwertigkeitsempfinden erklärt werden: A perpetuale infamia e depressione de li malvagi uomini d'Italia, ehe eommendano lo volgare altrui e lo loro proprio dispregiano, dieo ehe la loro mossa viene da einque abominevoli eagioni. La prima e eeehitade di discrezione, la seeonda, maliziata eseusazione; la terza, eupidita di vanagloria; la quarta, argomento d'invidia; 1a quinta e ultima, vilta d'animo, cioe pusillanimita. II Convivio 1, 11, 1-2 Von der Zukunft der eigenen Volkssprache hat der Dichter dagegen eine hymnische Vision: Questo sara luee nuova, sole nuovo, Io quale surgera 1a dove l'usato tramontera, e dilra lume a eoloro ehe sono in tenebre e in oscuritade, per lo usato sole ehe a loro non luce. II Convivio I, 13, 12 Wenn Dante sich in der Vorrede zum Convivio auch wortreich darum bemüht, seine Verwendung des Volgare in argumentativen Texten zu rechtfertigen, so geht er doch auf die Natur der Sprache im allgemeinen und die des Lateinischen und der romanischen Volkssprachen im besonderen nur indirekt und unthematisch ein. Daß hierzu noch manches zu bedenken und zu erörtern wäre, ist ihm wohl schon bei der Abfassung dieser Vorrede bewußt ge- Dantes Schrift De Vu/ gari Eloquentia 125 Beide Anforderungen seien nun im sprachlichen Zeichen erfüllt, das durch seine Lautnatur sinnlich, durch seine Bedeutung aber geistig sei: Hoc equidem signum est ipsum subiectum nobile de quo loquimur: nam sensuale quid est, in quantum sonus est; rationale vero, in quantum aliquid significare videtur ad placitum. DVEl,3,3 Was den Ursprung der Sprache angeht, so vertritt Dante die mittelalterliche Auffassung des „ursprünglichen Hebraismus". Die Sprache sei dem ersten Menschen als Geschenk Gottes gegeben worden: Redeuntes igitur ad propositum, dicimus certam formam locutionis a Deo cum anima prima concreatam fuisse. Dico autem „formam" et quantum ad rerum vocabula et quantum ad vocabulorum constructionem et quantum ad constructionis prolationem. DVEl,6,4 Diese erste Sprache habe Adam und hätten seine Nachkommen bis zum Turmbau von Babel gesprochen. Danach sei sie nur den Nachkommen Hebers, den Hebräern, vorbehalten geblieben, damit der Erlöser, der seiner menschlichen Natur nach aus jenem Volke hervorgehen sollte, nicht in einer Sprache der Verwirrung, sondern in der der Gnade würde sprechen können: Hac forma locutionis locutus est Adam; hac forma locutionis locuti sunt omnes posteri eius usque ad edificationem turris Babel, que 'turris confusionis' interpretatur; hanc formam locutionis hereditati sunt filii Heber, qui ab eo dicti sunt Hebrei. Hiis solis post confusionem remansit, ut Redemptor noster, qui ex illis oriturus erat, secundum humanitatem, non lingua confusionis, sed gratie frueretur. DVEI, 6, 5-6 Jene erste Sprache der Schöpfung sei also das Hebräische gewesen: Fuit ergo hebraicum ydioma illud quod primi loquentis labia fabricarunt. DVEI,6, 7 Während er vom Hebräischen annimmt, daß es die Zeiten unverändert überstand, erklärt Dante die Vielheit der Sprachen mit der Bibel durch die babylonische Sprachverwirrung, die er ausführlich beschreibt (DVE I, 7). Später, in der Divina Commedia, vertritt er allerdings eine ganz andere Meinung. Als der Dichter nämlich im achten Himmel des Paradieses Adam trifft, hat er an diesen vier Fragen, die ihm Adam, ohne daß sie in Worten gestellt würden, aus dem Bewußtsein liest: Wann geschah die Schöpfung? compilando, ab aliis" (DVE, I, l, 1). Hier bezieht er sich auf mehrere Stellen bei Thomas von Aquin. Die einzelnen Quellen und Bezüge unseres Zitats hat Pier Vincenzo Mengaldo in seiner kommentierten Ausgabe, Mailand - Neapel 1979, S. 39-40, nachgewiesen (vgl. unsere Bibliographie). 126 Die Arifänge in Italien: Dante Wie lange dauerte die Zeit der menschlichen Unschuld? Welcher Art war die Ursünde? Welches war die erste Sprache? Tu vuogli udir quant'e ehe Dio mi puose ne l'eccelso giardinö, ove costei a cosl lunga scala ti dispuose, e quanto fu diletto a li occhi miei e la propria cagion del gran disdegno e l'idYoma eh' usai e ehe fei. DC, Par. 26, 109-114 Wie lang es her ist, willst du wissen, daß mich der Herr in den erhabnen Garten setzte, wo diese dich zum großen Flug beschwingte; wie lang der Garten mir das Aug erfreute, und was der wahre Grund des großen Zornes und welche Sprache ich ersann und brauchte. (Dante Alighieri. Die Göttliche Komödie. Deutsch von Karl Voßler, München 1969, S. 489) Zu den ersten drei Fragen gibt Adam vergleichweise lakonisch Bescheid. Dagegen beantwortet er die Frage nach der Ursprache ausführlicher: La lingua ch'io parlai fu tutta spenta innanzi ehe al'ovra inconsummabile fosse la gente di Nembrot attenta: ehe nullo effetto mai razi"onabile per lo piacere uman ehe rinovella seguendo il ciclo, sempre fu durabile. Opera natural e ch'uom favella; ma cosi, o cosl, natura lascia poi fare a voi secondo ehe v'abbella. Pria c'i'scendessi a l'infemale ambascia, / s'appellava in terra il sommo bene onde vien la letizia ehe mi fascia; e EI si chiamo poi: e cio convene, ehe l'uso d'i mortali e come fronda in ramo, ehe sen va e altra vene. DC,Par.26, 124-138 Die Sprache, die ich brauchte, war schon ganz und lang erloschen, ehe Nimrods Volle zum Bau, der nie vollendet wird, sich schickte; denn niemals hat noch ein erdachtes Werk unwandelbar gedauert, weil des Menschen Geschmack sich ändert nach des Himmels Drehung. Natur bewirkt wohl, daß die Menschen sprechen, ob so, ob anders aber, dieses läßt sie euch selbst nach eurem Wohlgefallen machen. Die Bedeutung Dantes für die romanische Sprachwissenschaft 123 worden. Denn er kündigt ausdrücklich an, daß er diesem Gegenstand eine eigene Abhandlung widmen werde: Di questo si parlera altrove piu compiutamente in uno libello ch'io intendo di fare, Dio concedente, di Volgare Eloquenza. II Convivio l, 5, 10 3.2 Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia Das angekündigte "Büchlein" hat Dante dann in der Tat in lateinischer Sprache geschrieben (wenn auch nicht zu Ende), und es ist nach dem oben erwähnten Überlieferungsschicksal unter dem Namen De Vulgari Eloquentia auf uns gekommen. Den Inhalt dieser für die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft so wichtigen Schrift wollen wir nun etwas näher betrachten und sehen, was dort zum Wesen der Sprache im allgemeinen, zur Romania und den romanischen Sprachen, zu den italienischen .Dialekten und zu der Questione della lingua gesagt wird. Zum Wesen der Sprache gehört es, daß sie ein Charakteristikum des Menschen ist. Nur der Mensch spricht: [...] nam eorum que sunt omnium, soli homini datum est loqui, cum solum sibi necessarium fuerit. DVEI, 2, 1 Weder Engel noch Tiere sprechen. Nicht einmal Gott. Denn obgleich wir annehmen dürfen, daß das erste Wort des Menschen „Gott" gewesen sei, das er antwortend an Gott richtete, so braucht darum Gott nicht zuvor mit menschlicher Sprache gesprochen haben, da er über andere Mittel verfügt, seinen Willen kundzutun: Ad quod quidem dicimus quod bene potuit respondisse Deo interrogante, nec propter hoc Deus locutus est ipsa quam dicimus locutionem. DVEl,4,6 Der Mensch bedarf der Sprache. Die Sprache sei ihm notwendig, weil er conceptiones mitzuteilen habe. Da es gelte, Inhalte aus dem Verstande aufzunehmen und in den Verstand zu übertragen, müsse das Mittel dieser Übertragung einerseits geistiger Natur sein. Da aber von einem Verstand in einen anderen nichts ohne die Vermittlung der Sinne gelangen könne, müsse das Mittel der Übertragung zugleich sinnlich sein: Oportuit ergo genus humanum ad comunicandas inter se conceptiones suas aliquod rationale signum et sensuale habere: quia, cum de ratione accipere habeat et in rationem portare, rationale esse oportuit; cumque de una ratione in aliam nichil deferri posset nisi per medium sensuale, sensuale esse oportuit. Quare, si tantum rationale esset, pertransire non posset: si tantum sensuale, nec a ratione accipere nec in rationem deponere potuisset. DVEI, 3, 2 4 4 Gleich am Anfang seiner Schrift teilt Dante mit, daß er bei der Abfassung nicht nur aus der eigenen Eingebung zu schöpfen gedenke, sondern auch aus den Quellen der Tradition: „non solum aquam nostri ingenii ad tantum poculum haurientes, sed, accipiendo vel Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia Bevor ich in die Not der Hölle sank, war i der Laut, mit dem man rief auf Erden das höchste Gut, die Quelle meiner Freuden. EI hieß es dann. Und so gehört es sich; denn Menschenbrauch ist wie das Blatt am Zweige, das welkt und : fällt und andre kommen nach. 5 (Karl Voßlers Übertragung, a.a.O., S. 390) 127 Hier wird also ausdrücklich gesagt, daß sich Adam seine Sprache selbst schuf. Ebenso wird die Wandelbarkeit auch des Hebräischen von Anfang an behauptet und als Beispiel dazu sogar der Name Gottes angeführt. 6 Im übrigen findet sich auch in De Vulgari Eloquentia selbst in dieser Hinsicht ein innerer Widerspruch. Dante vertritt nämlich zugleich die Meinung, daß in Wirklichkeit jede Sprache, mit Ausnahme der göttlichen (des Hebräischen), eine menschliche Schöpfung sei. Die babylonische Sprachverwirrung sei eigentlich nur als ein Vergessen der ursprünglichen Sprache Dante läßt Horaz anklingen: Ut silvae foliis pronos mutantur in annos, prima cadunt: ita verborum vetus interit aetas, et iuvenum ritu florent modo nata vigentque. Ars poetica 60-62 6 Der Sinneswandel Dantes ist von seinen Interpreten seit je bemerkt worden. Meist hat man darin eine Lösung vom Mythos und eine Hinwendung zur rationalen Beobachtung der sprachlichen Fakten sehen wollen, die ja (abgesehen von der Spekulation über die Entstehung der Sprache) gerade die wissenschaftliche Errungenschaft von De vulgari eloquentia ·darstellt. In jüngerer Zeit hat Mirko Tavoni vor einer zu schematischen Trennung von rationalem und theologischem Denken bei Dante gewarnt: "Eviterei, in linea generale, una contrapposizione schematica di due elementi (entrambi mal definiti) ehe si dovranno semmai presumere cooperanti nella mentalitä di Dante, nella sua idea di ricerca della verita dei fatti." (Mirko Tavoni, "Contributo all'interpretazione di De vulgari eloquentia l 1-9", Rivista di Letteratura Italiana 5 (1987), S. 386-453, hier S. 443). Zu Tavonis Versuch, die von Dante bezüglich der Sprache verwendeten Termini voneinander abzugrenzen und der darauf folgenden Kontroverse s. die Bibliographie am Ende dieses Kapitels. Zur Meinungsänderung Dantes über die Natur des Adamitischen vgl. auch: Angelo Mazzocco, " 'La lingua ch'io parlai fu tutta spenta': Dante's reappraisal ofthe Adamic language (Paradiso XXVI, 124-138)", in: Id., Linguistic theories in Dante and the Humanists. Studies of language and intellectual history in late Medieval and early Renaissance Italy, Leiden 1993 (= Brill's Studies in Intellectual History, Bd. 38), S. 159-179. Mazzocco zeigt, auf welchem Wege Dante möglicherweise zu der auch damals keineswegs üblichen Annahme einer göttlichen Schöpfung der Sprache Adams kam, und daß die Revision seiner Meinung eine Angleichung an die scholastische Lehre bedeutete, derzufolge der Mensch bei der Schöpfung zwar die allgemeine Fähigkeit zur Sprache, nicht aber schon eine bestimmte Sprache empfangen habe. Zum weiteren geschichtlichen Rahmen der Ideen vom Ursprung der Sprache und der Einzelsprachen s. das große Werk von Arno Borst, Der Turmbau von Babel. Geschichte der Meinungen über. Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker, 4 Bdd. (davon Bd. II und m mit je zwei Teilbänden), Stuttgart 1957-1963, zu Dante S. 869- 875 (in Bd. II, 2, Stuttgart 1959 [die Seitenzählung ist bandübergreifend]). 128 Die Anfänge in Italien: Dante zu interpretieren, worauf sich die Menschen „a beneplacito" verschiedene Sprachen geschaffen hätten. Cum igitur omnis nostra loquela preter illam homini primo concreatam a Deo sit a nostro beneplacito reparata ('wiederhergestellt') post confusionem illam que nil fuit aliud quam prioris oblivio [...] DVEI, 9,6 Daß aber die Sprachen (einmal abgesehen vom Sonderfall des .von Gott selbst geschaffenen Adamitischen) sich verändern, ist für Dante selbstverständlich, und er hält es nicht für verwunderlich. Jede Sprache unterliege dem Sprachwandel. Der Wandel sei das Normale in der Sprache, ebenso wie dies bei anderen menschlichen Einrichtungen der Fall sei. Dies entspreche schlicht dem Wesen des Menschen: (die Stelle schließt an das vorausgehende Zitat an) [ ... ] et homo sit instabilissimum atque variabilissimum animal, nec durabilis nec continua esse potest [loquela], sed sicut alia que nostra sunt, puta mores et habitus, per locorum temporumque distantias variari oportet. DVEI, 9, 6 Im Vergleich zu der alten Idee von der Unveränderlichkeit der Sprache gelangt Dante damit zu einer sehr wichtigen Einsicht. Wir finden hier keine abfällige Bewertung des Sprachwandels durch Worte wie „Verfall", "Degenerierung" o.ä. 7 Die Veränderung der Sprache führt zur Differenzierung sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Und regionale Verschiedenheit findet sich nicht nur zwischen auseinanderliegenden Gegenden Italiens, sondern sogar in derselben Stadt, wie etwa in Bologna zwischen den Bewohnern des Borgo San Felice und denen der Strada Maggiore: [...] et, quod mirabilius est, sub eadem civilitate morantes, ut Bononienses Burgi Sancti Felicis et Bononienses Strate Maioris [discrepant in loquendo]. DVEI, 9, 4 Und was die zeitliche Differenzierung betrifft, so läßt sich ohne weiteres behaupten, daß Bewohner Pavias früherer Zeiten, könnten sie denn auferstehen, mit ihren jetzigen Landsleuten in fremder Zunge sprächen: Quapropter audacter testamur quod si vetustissimi Papienses nunc resurgerent, sermone vario vel diverso cum modemis Papiensibus loquerentur. DVEI, 9, 7 7 Noch im Convivio hatte Dante allerdings das Volgare als „leicht verderblich" gegenüber dem scheinbar dauerhaften Latein bezeichnet: "[...] perche lo latino e perpetuo e non corruttibile e lo volgare e non stabile e coruttibile." / / Convivio, I, 5, 7. Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia 129 Die zweite wichtige Beobachtung Dantes in diesem Zusammenhang betrifft die Langsamkeit der Sprachveränderung. Wir bemerken sie nicht, so wie wir auch das Altern des Menschen nicht wahrnehmen. Eine sehr langsame Bewegung wird von uns als Stillstand aufgefaßt. Und im Vergleich zu den Wandlungszyklen der Sprache ist unsere Lebensspanne zu kurz: Nec aliter mirum videatur [...] quam percipere iuvenem exoletum quem exolescere non videmus: nam que paulatim moventur, minime perpenduntur a nobis; et quanto longiora tempora variatio rei ad perpendi requirit, tanto rem illam stabiliorem putamus. Non etenim ammiramur, si extimationes hominum qui parum distant a brutis putant eandem civitatem sub invariabili semper civicasse sermone, cum sermonis variatio civitatis eiusdem non sine longissima temporum successione paulatim contingat, et hominum vita sit etiam, ipsa sua natura brevissima. DVEI, 9, 8-9 Die Mißlichkeit eingeschränkter Verständigung über Raum und Zeit aber sei schließlich der Anlaß für die Grammatiker gewesen, auf Abhilfe zu sinnen. Sie hätten eine fixierte Sprache geschaffen, die auf dem Einverständnis einer großen Gemeinschaft beruhte und daher nicht willkürlich von einzelnen veränderbar war: Hinc moti sunt inventores gramatice facultatis: que quidem grani.atica nichil aliud est quam quedam inalterabilis locutionis ydemptitas diversibus temporibus atque locis. Hec cum de comuni consensu multarum gentium fuerit regulata, nulli singulari arbitrio videtur obnoxia, et per consequens nec variabilis esse potest. DVEI, 9, 11 So ist die doppelte Gestalt der Sprache entstanden, die Dante gleich zu Anfang seiner Abhandlung erwähnt, als er zwischen locutio vulgaris und locutio secundaria, zwischen Umgangssprache und Gemeinsprache (Literatursprache) unterscheidet. Die erste ist diejenige, die man einfach durch Nachahmung als Kind lernt. Die zweite ist die fixierte, durch eine Grammatik beschriebene Sprache oder einfach die grammatica: [ ... ] dicimus [ ... ] quod vulgarem locutionem appellamus eam qua infantes assuefiunt ab assistentibus cum primitus distinguere voces incipiunt; vel, quod brevius dici potest, vulgarem locutionem asserimus quam sine omni regula nutricem imitantes accipimus. Est et inde alia locutio secundaria nobis, quam Romani gramaticam vocaverunt. DVEI, 1, 2-3 Eine solche fixierte sekundäre Sprache existiert nicht überall. Außer den Römern haben sie die Griechen und noch andere Völker, aber nicht alle. Auch gelangen nur wenige Menschen zu ihrer vollen Beherrschung, weil ihr Regelwerk nur durch erheblichen Zeitaufwand und beständige Übung erlernbar ist: 130 Die Anfänge in Italien: Dante Hanc quidem secundariam Graeci habent et alii, sed non omnes: ad habitum vero huius pauci perveniunt, quia non nisi per spatium temporis et studii assiduitatem regulamur et doctrinamur in illa. DVEI,I,3 Der Vorrang gebührt für Dante jedenfalls der locutio vulgaris, und zwar weil sie die erste Sprache für alle ist, weil sie überall existiert, wenn auch in nach Wörtern und Lauten unterschiedlicher Gestalt, und schließlich, weil sie für uns natürlich ist, die locutio secundaria aber eher künstlich. 8 · Harum quoque duarum nobilior est vulgaris: turn quia prima fuit humano generi usitata; turn quia totus orbis ipsa perfruitur, licet in diversas prolationes et vocabula sit divisa; turn quia naturalis est nobis, cum illa potius artificialis existat. DVEI, 1,4 Von der Romania und den romanischen Sprachen zeichnet uns Dante das folgende Bild. Zunächst werden in Europa drei Sprachgebiete unterschieden. Nach der babylonischen Sprachverwirrung hätten die eurc: ,päischen Völker (die entweder damals nach Europa einwanderten oder aber von dort ausgezogen waren, und nun zurückkamen) eine dreifache Sprache, ein ydioma tripharium, mitgebracht. Und einem Teil dieser Einwanderer sei der Süden Europas zugefallen, dem anderen der Norden, während die dritte Gruppe, die wir heute als Griechen kennen, sich teils in Europa, teils in Asien niederließ: Sed sive advene tune primitus advenissent, sive ad Europam indigene repedassent, ydioma secum tripharium homines actulerunt; et afferentium hoc alii meridionalem, alii septentrionalem regionem in Europa sibi sortiti sunt; et tertii, quos nunc Grecos vocamus, partim Europe, partim Asie occuparunt. DVEI, 8,2 Das erste dieser Gebiete reiche von der Mündung der Donau oder vom Assowschen Meer (Meotis) bis hin zum westlichen Rand Englands und werde durch Italien, das Frankenreich und den Ozean begrenzt. Hier habe es anfangs nur eine Ursprache gegeben, die sich später in verschiedene Vulgaria der Sclavones, Ungari, Teutonici, Saxones, Anglici und anderer Völker aufgespalten habe, wobei als Zeichen des gemeinsamen Ursprungs die fast allen gemeinsame Bejahungspartikeljo zurückgeblieben sei: Nam totum quod ab hostiis Danubii sive Meotidis paludibus usque ad fines occidentales Anglie Ytalorum Francorumque finibus et Oceano limitatur solum unum obtinuit ydioma, licet postea per Sclavones, Ungaros, Teutonicos, Saxones, Anglicos, et alias nationes quamplures fuerit per diversa vulgaria dirivatum hoc solo fere omnibus in· signum eiusdem principii remanente, quod quasi predicti omnes io affirmando respondent. DVEI, 8,3 8 Vgl./ / Convivio I, 5, 14: "lo volgare seguita uso e lo latino arte". Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia 131 Östlich der ungarischen Grenze beginne das Gebiet einer anderen Sprache (der griechischen), die den Osten Europas umfasse und noch darüber hinausreiche: Ab isto incipiens ydiomate, videlicet a finibus Ungarorum versus orientem, aliud occupavit totum quod ab inde vocatur Europa, nec non ulterius est protractum. DVEl, 8,4 Das übrige Gebiet Europas falle dem dritten ydioma zu, das seinerseits wiederum dreifach gegliedert sei. Denn bei den Yspani werde oc, bei den Franci oi"l, und bei den Latini werde si zur Bejahung verwendet: Totum vero quod in Europa restat ab istis, tertium tenuit ydioma, licet nunc tripharium videatur: nam alii oc, alii oi1, alii si affirmando locuntur, ut puta Yspani, Franci et Latini. DVEl, 8, 5 Dabei war die Sprachenkennzeichnung nach der Bejahung durch oc bzw. oi1 zu Dantes Zeit schon traditionell. Die Gruppe der mit si Bejahenden fügt er selbst hinzu. Die oc-Sprache umfaßt Südwesteuropa von der „genuesischen" Westgrenze Italiens an, die si-Sprache Italien und Sizilien, die oi1-Sprache den Norden von den Grenzen des alemannischen Siedlungsgebiets bis hin zum "englischen" Meere und im Süden bis zu den Pyrenäen (montes Aragonie), den Provenzalen und dem Apenninenbogen: 9 Istorum vero proferentes oc meridionalis Europe tenent partem occidentalem, a Ianuanesium finibus incipientes. Qui autem si dicunt a predictis finibus orientalem tenent, videlicet usque ad promuntorium illud Ytalie qua sinus Adriatici maris incipit, et Siciliam. Sed loquentes oi1 quodam modo septentrionales sunt respectu istorum: nam ab oriente Alamannos habent et ab occidente et septentrione anglico mari vallati sunt et montibus Aragonie terminati; a meridie quoque Provincialibus et Apenini devexione clauduntur. DVEl, 8; 6 Spanien wird hier ganz offensichtlich als oc-Gebiet aufgefaßt. Dies kann sich freilich nur auf die literarische Sprache in Arag6n und Katalonien beziehen.10 Was die linguistische Einheit der drei genannten Sprachen angeht, so stammen sie für Dante offensichtlich von einem und demselben Idiom ab, da sie für viele Begriffe die gleichen Wörter verwenden: 9 Zu den geographischen Ungereimtheiten dieser Stelle, die zum Teil auf die mittelalterliche Kartographie zurückzuführen sind, vgl. man den ausführlichen Kommentar in der Ausgabe von Pier Vincenzo Mengaldo, Mailand-Neapel 1979, S. 68-70 (s. unsere Bibliographie). 10 Vgl. DVE II, 12, 3: Hoc [carmine] etiam Yspani usi sunt et dico Yspanos qui poetati sunt in vulgari oc. Auch finden sich Belege der geographischen Bezeichnung Hispania fllr Gebiete nördlich der Pyrenäen. 132 Die Anfänge in Italien: Dante Signum autem quod ab uno eodemque ydiomate istarum trium gentium progrediantur wlgaria, in promptu est, quia multa per eadem vocabula nominare videntur, ut „Deum", "celum", "amorem", "mare", "terram", "est", "vivit", "moritur", "amat'', alia fere omnia. DVEI, 8,6 Dieses ursprüngliche Idiom ist für Dante jedoch nicht das Lateinische, das ja kein Volgare ist. Er stellt sich die Beziehung eher folgendermaßen vor: Latein, (ars) 1 Ydioma tripharium (wlgare) ~~ oil si Da Dante aber als Vorgängerin der drei Stämme eine gemeinsame locutio vulgaris annimmt, kann man ihm vielleicht schon eine erste wenn auch noch sehr vage - Intuition vom Begriff des Vulgärlateins zuschreiben. Wenn man nun die drei Sprachen miteinander vergleiche, meint Dante, dann sei es nicht leicht zu entscheiden, welcher der Vorrang gebühre. Immerhin aber entspreche die italienische Bejahung si derjenigen, welche auch die Begründer der „Grammatik" für gut befunden hätten, nämlich sie. Hieraus lasse sich eine gewisse Vorzugsstellung des Italienischen herleiten: Triphario nunc existente nostro ydiomate, ut superius dictum est, in comparatione sui ipsius, secundum quod trisonum factum est, cum tanta timiditate cunctamur librantes quod hanc vel istam vel illam partem in comparando preponere non audemus, nisi eo quo gramatice positores inveniuntur accepisse „sie" adverbium affirmandi: quod quandam anterioritatem erogare videtur Ytalis, qui si dicunt. DVEI, 10, 1 Im übrigen aber mache jede der drei Sprachen besondere Vorzüge für sich geltend. So nehme das Französische wegen seiner flüssigen und dem Ohr gefälligen Art die beste Eignung für die Prosa, für Geschichte, Sage, Erzählung, Lehrbuch in Anspruch: Allegat ergo pro se lingua oi1 quod propter sui faciliorem ac delectabiliorem wlgaritatem quicquid redactum est sive inventum ad wlgare prosaycum, suum est: videlicet Biblia cum Troianorum Romanorumque gestibus compilata et Arturi regis ambages pulcerrime et quamplures alie ystorie ac doctrine. DVEI, 10,2 Die Langue. d 'oc verfügt dagegen über das Privileg, die erste romanische Dichtersprache zu sein: Pro se vero argumentatur alia, scilicet oc, quod wlgares eloquentes in ea primitus poetati sunt tanquam in perfectiori dulciorique loquela, ut puta Petrus de Alvemia et alii antiquiores doctores. DVEI, 10, 2 Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia 133 Für das Italienische, ·die Sprache der „Latini", werden zwei Gründe der Überlegenheit angegeben. Zum einen sind ihm die Dichter des Dolce Stil Novo zu Diensten, wie Cino da Pistoia „und sein Freund" (als den sich Dante hier selbst zur Erwähnung bringt): Primo quidem quod qui dulcius subtiliusque poetati vulgariter sunt, hii familiares et domestici sui sunt, puta Cynus Pistoriensis et amicus eius. DVEI, 10,2 Zweitens aber, weil es dem Lateinischen, der „gemeinsamen grammatica", 'näher steht' (innititur), ein Argument, dem sich die Vernunft nicht verschließen kann: Secundo quia magis videntur inniti gramatice que communis est, quod rationabi- Iiter inspicientibus videtur gravissimum argumentum. DVEI, 10,2 Was Dante zu den italienischen Dialekten sagt, ist für diese frühe Zeit durchaus ungewöhnlich, und man geht sicher nicht zu weit, wenn man ihn den ersten italienischen Dialektologen nennt. Auch wenn er von den Mundarten meist abwertend und nur in Hinsicht auf ihre (in der Regel verneinte) Eignung als Literatursprache handelt, ist seine Leistung doch bemerkenswert, besonders wenn man sich klarmacht, daß er für Jahrhunderte eigentlich der einzige blieb, der sich überhaupt (zumindest in dieser Ausführlichkeit) mit den italienischen Dialekten beschäftigt hat, nämlich solange, bis Graziadio Isaia Ascoli im 19. Jahrhundert die wissenschaftliche Dialektologie des Italienischen begründete.II Falsch ist freilich Dantes Annahme einer dialektalen Hauptgrenze, nämlich der Appenninenkette, mit einem dextrum und einem sinistrum Latium: Dicimus ergo primo Latium bipartitum esse in dextrum et sinistrum. Si quis autem querat de Iinea dividente, breviter respondemus esse iugum Apenini [...] DVEI, 10,4 11 Zur dialektalen Konstellation im mittelalterlichen Italien vgl. Giuseppe Vidossi, "L'ltalia dialettale fmo a Dante", in: Antonio Viscardi, Benno e Tilde Nardi, Giuseppe Vidossi, Felice Arese (Hgg.) (con la collaborazione di Gian Luigi Bami, Luigi Brusotti, Don Giuseppe de Luca, Tullio Gregory, Luigi Ronga), Le Origini. Testi latini, italiani, provenzali e franco-italiani, Mailand - Neapel 1956, S. XXXIII-LXXI. Dort findet sich auf den Seiten LID-LVII eine Übersicht über die italienischen Dialekttexte aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Zu der Frage, wie sich die Darstellung Dantes im Vergleich mit den modernen Überlegungen zur Klassifikation der romanischen Sprachen ausnimmt, s. Elmar Temes, „La classification des langues romanes d'apres Dante reconsideree aujourd'hui", in: Dieter Kremer (Hg.), Actes du XVII! Congres International de Linguistique et de Philologie Romanes. Universite de Treves (Trier) 1986, Bd. VII(= Section XIV-XVI), Tübingen 1989, s. 64-79. 134 Die Anfänge in Italien: Dante Richtiger ist seine Einteilung in einzelne Mundarten: In utroque quidem duorum laterum, et hiis que secuntur ad ea, lingue hominum variantur: ut lingua Siculorum cum Apulis, Apulorum cum Romanis, Romanorum cum Spoletanis, horum cum Tuscis, Tuscorum cum Iantiensibus, Ianuensium cum Sardis; nec non Calabrorum cum Anconitanis, horum cum Romandiolis, Romandiolorum cum Lombardis, Lombardorum cum Trivisianis et Venetis, horum cum Aquilegiensibus, et istorum cum Ystrianis. DVEI, 10,6 Abgegrenzt werden also die Mundarten der Siculorum, Apulorum-Calabrorum, Romanorum, Spoletanorum, Tuscorum, Januensium, Sardorum, Anconitanorum, Romandiolorum, Lombardorum, Trivisianorum et Venetorum, Aquilegiensium, Ystrianorum. Wenn die Apuli und Calabri im Süden Italiens zusammengenommen werden, ergibt die Differenzierung Dantes allein in Italien vierzehn verschiedene Vulgaria: Quare adminus XIIII vulgaribus sola videtur Italia variari. DVEI, 10, 7 Es fehlen hier: Piemont mit Turin, Alessandria (wir werden noch sehen, aus welchem Grund), die Venezia Tridentina, Korsika. Wahrscheinlich faßt Dante Korsika mit Sardinien zusammen. 12 Bemerkenswert ungenau ist die Dantesche Klassifizierung vor allem im Süden. Dort unterscheidet er nur zwei Mundarten. Und „Apulien" umfaßt für ihn ganz Süditalien, bis Rom, Spoleto und Ancona. Der Wirklichkeit viel näher kommt seine Einteilung im nördlichen Italien. Die fundamentale Dreiteilung der italienischen Dialektlandschaft in: Norditalien - Toskana, Umbrien, Rom - Süditalien (mit Ancona) hat Dante freilich nicht erkannt. 13 Aufschh1~reich und bemerkenswert an Dantes Darstellung der italienischen Mundarten sind ferner seine folgenden Einzelbeobachtungen: 1. Er stellt fest, daß die unterschiedlichen Dialekte in sich wiederum weiter differenziert sind. So sei innerhalb des Toskanischen das Senesische vom Aretinischen verschieden; und in der Lombardei spreche man in Ferrara anders als in Piacenza: 12 Das Altkorsische stand tatsächlich dem Sardischen nahe. Doch schon seit dem 11. Jahrhundert wurde die (seit 1289 genuesische) Insel kulturell und sprachlich von der Toscana, insbesondere der Republik Pisa, beeinflußt, und zu Dantes Zeit war sie sc): 10n sprachlich "pisanisiert". Die heutigen Mundarten Korsikas sind eindeutig toskanischer Natur. 13 Vgl. Erich von Richthofen, "II trattato di Dante alla luce della geografia Iinguistica modema", Homenaje a Fritz Krüger, Band II, Mendoza, 1954, S. 71-84. Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia 135 Que adhuc omnia vulgaria in sese variantur, ut puta in Tuscia Senenses et Aretini, in Lombardia Ferrarenses et Placentini. DVEI, 10, 7 1 Ja sogar in der gleichen Stadt gebe es, wie er schon in einem anderen Zusammenhang erwähnt habe, zuweilen dialektale Unterschiede: Nec non in eadem civitate aliqualem variationem perpendimus, ut superius in capitulo inmediato posuimus. DVEI, 10, ? 1 4 Wollte man daher alle Varietäten, die primären, sekundären und subsekundären Italiens aufzählen, so würde man allein in diesem Winkel der Welt nicht nur auf tausend unterschiedliche Mundarten kommen, sondern noch auf weit mehr: Quapropter, si primas et secundarias et subsecundarias vulgaris Ytalie variationes calculare velimus et in hoc minimo mundi angulo non solum ad millenam loquele variationem venire contigerit, sed etiam ad magis ultra. DVEI, 10, 9 2. In Rom wird zur Zeit Dantes noch die alte bodenständige Mundart gesprochen und nicht die spätere toskanisierte, 15 ein historischer Sachverhalt, den wir bei dem Dichter aus einer für die Römer keineswegs schmeichelhaften Bewertung gewinnen müssen. Denn er hält ihr Idiom für das abstoßendste. ganz Italiens, das übrigens mit den üblen Sitten und Angewohnheiten der dortigen Bevölkerung (darunter der undifferenzierten Duzerei) im Einklang stehe, weswegen es sich von vorbildhafter literarischer Verwendung von selbst ausschließe. Da die Römer nun immer und überall an der Spitze stehen wollten, sei es nur recht und billig, ihren Dialekt auf dieser Liste der „Unkräuter" ganz oben anzuführen: Sicut ergo Romani se cunctis preponendos existimant, in hac eradicatione sive discerptione non inmerito eos aliis preponamus, protestantes eosdem in nulla vulgaris eloquentiae ratione fore tangendos. Dicimus igitur Romanorum non vulgare, sed potius tristiloquium, ytalorum vulgarium omnium esse turpissimum; nec mirum cum etiam morum habituumque deformitate pre cunctis videantur fetere. Dicunt enim Messure, quinto dici? DVEI, 11,2 14 Es handelt sich um das I, 9, 4 angeführte Beispiel vom Unterschied der bolognesischen Varietäten des Borgo San Felice und der Strada Maggiore, das wir oben (S. 128) erwähnt haben. 15 Vgl. Gerhard Ernst, Die Toskanisierung des römischen Dialekts im 15. und 16. Jahrhundert, Tübingen 1970 (= Beihefte zur ZrP, Bd. 121). 136 Die Anfänge in Italien: Dante 3. Aquileia und Istrien gehören zu Dantes Zeit offensichtlich zum friaulischen Sprachgebiet, da ihnen die friaulische Wendung Cesfas-tu? 'ehe fai? ', 'Was tust du? ' zugeschrieben wird (DVE I, 11, 6). 16 4. Dem Sardischen räumt Dante. eine Sonderstellung in gewissem Abstand vom Italienischen ein. Die Sarden hätten auch eigentlich kein Volgare, sondern ahmten einfach „wie die Affen" die „Grammatik" nach: Sardos etiam, qui non Latii · sunt sed Latiis associandi videntur, e1c1amus, quoniam soli sine proprio vulgari esse videntur, gramaticam tanquam simie homines imitantes: nam domus nova et dominus meus locuntur. DVEI, 11, 7 Die Beispiele sind zwar falsch (auch ist die Lesung der Handschriften an dieser Stelle umstritten), 17 doch ist offensichtlich von der konservativen Natur des Sardischen, von seiner Ähnlichkeit mit dem Lateinischen die Rede. S. Die Dialekte von Trient, Turin und Alessandria gehören für Dante eigentlich überhaupt nicht zu den italienischen Varietäten. Sie lägen zu nahe an den Grenzen Italiens, wo es zwangsläufig zur Sprachmischung komme. Schon aus diesem Grunde könnten sie, selbst wenn sie schöner wären als sie tatsächlich sind, nicht als italienische Literatursprachen in Frage kommen. Quare cribellum cupientes deponere, ut residentiam cito visamus, dicimus Tridentum [...] quod puras nequeunt habere loquelas; ita quod si etiam quod turpissimum habent vulgare, haberent pulcerrimum, propter aliorum commixtionem esse vere latium negaremus. Quare, si latium illustre venamur, quod venamur in illis inveniri non potest. DVEI, 15, 7 Dante hat hier offenbar die Intuition, daß sich die Mundarten Piemonts schon vom italienischen Sprachtypus entfernt haben. Im Falle Trients könnte er sich auf den Einfluß des Deutschen oder den ladinischen Charakter der Mundarten beziehen. 6. Bei der Prüfung der italienischen Dialekte auf ihre Tauglichkeit für die Literatur nimmt Dante eine Klassifikation vor. In einem ersten Durchgang werden die Mundarten von Rom, Ancona (Marche), Spoleto, Mailand, Bergamo, Aquileia, Istrien, Sardinien ausgeschieden, und natürlich diejeni- 16 In Wirklichkeit lautet die Wendung Ce Jas-tu? Durch das ces will Dante offenbar übercharakterisierend auf die diesen Mundarten eigentümliche Erhaltung des auslautenden s aufinerksam machen. 17 Zu den Einzelheiten vgl. man von Pier Vincenzo Mengaldo, (Lemma) "Sardegna", in: lstituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Encic/ opedia Dantesca, Bd. V, Rom 1976, S. 31-35. Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia 137 gen abgelegener Gebirgstäler und ländlicher Gebiete, die mit ihrem groben Klang das Ohr des Stadtbewohners kränken: Cumque hiis montaninas omnes et rusticanas loquelas eicimus, que semper mediastinis civibus accentus enormitate dissonare videntur, ut Casentinenses et Fractenses. DVEI, 11, 6 Dante faßt also in dieser ersten Gruppe (wenn auch mit Ausnahmen) gerade die am weitesten vom Toskanischen entfernten Mundarten zusammen, vor allem aber diejenigen ohne Literatur. Erst bei der zweiten Auswahl geht er auf die Mängel der übrigen ein. 7. Über eine gewisse direkte Kenntnis der italienischen Mundarten scheint Dante zu verfügen. In einigen Fällen versucht er den phonischen Habitus der Dialekte zu charakterisieren. So spricht er von der „schleppenden" Artikulation "non sine quodam tempore profertur") des einfachen Volkes in Sizilien (I, 12, 6), der „Weichheit" der Mundart von Imola "lenitas atque mollities"; I, 15, 3), der „Kratzigkeit" des Modenesischen und Ferraresischen "garrulitas")1 8, die er beiläufig für ein Relikt der Langobarden hält (1, 15, 3). An anderen Stellen führt er einzelne Beispiele für Merkmale an, allerdings für solche, die er als häßlich ablehnt. Sein Beispiel für das Friaulische ce(s) Jas tu? und das Römische Messure, quinto dici? haben wir schon genannt. In Parma ist ihm aufgefallen, daß man monto statt molto sagt (1, 15, 4). Aus der Romagna zitiert er die Bejahungspartikel deusci (I, 14, 3). 19 In treffender Weise bemerkt er die Reduktion der Endungen -atum und -atem (mercatum > merco) in Padua, die in der Tat ein wichtiges Merkmal des Altpaduanischen ist: [...] nec non Paduanos turpiter sincopantes omnia in "-tus" participia et denominativa in "tas" ut merco et honte. DVEI, 14, 5 Korrekt beschreibt er auch eine Erscheinung in der alten Mundart von Treviso (die hierin mit der von Brescia und Umgebung übereinstimme), das Verstummen der Auslautvokale außer -a und die folgende Entsonorisierung von-v: 20 18 Das klat. garrulus 'schwatzhaft' und (von Vögeln gesagt) 'zwitschernd' findet sich im mittelalterlichen Latein in Anlehnung an Kontexte mit „heiseren" Vogelstimmen und durch Kreuzung mit graculus 'Dohle' oft mit der Bedeutung 'krächzend', so daß Dantes Ausdruck garrulitas ähnlich wie das gleich darauf verwendete acerbitas (1, 15, 4) so etwas wie 'Krächzigkeit', 'Kehligkeit', 'Rauheit' bedeuten dürfte. · 19 Das s von si ist durch folgendes i palatalisiert und das Adverb durch dio verstärkt, ein Bildungstyp, für den das Italienische noch weitere Beispiele aufweist. 20 Das Trevisianische gehörte damals zu den Mundarten der östlichen Lombardei. Später geriet es in den Einflußbereich des Venezianischen. 138 Die Anfänge in Italien: Dante Cum quibus et Trivisianos adducimus, qui more Brixianorum et finitimorum suorum u consonantem per f apocopando proferunt, puta nofpro „novem" et vif pro „vivo": quod quidem barbarissimum reprobamus. DVEI, 14, 5 Von eher oberflächlicher Beobachtung zeugt dagegen die Bemerkung, das Adverb magara finde sich in Brescia, Verona und Vicenza (1, 14, 5). Außerdem bringt Dante Satzbeipiele für die toskanischen Varietäten von Florenz, Pisa, Lucca, Siena und Arezzo (I, 13, 2) und zitiert Zeilen, die wir teils überlieferten Gedichten zuordnen können, teils nicht. Wenn wir uns nun Dantes zentralem Anliegen, der Questione della lingua, zuwenden, also der Frage, welcher Varietät des Italienischen die Rolle der Literatursprache, der Rang des Volgare illustre, gebühre, so müssen wir dabei unterscheiden zwischen dem, was Dante behauptet und dem, was seine Behauptungen eigentlich besagen. · Das Volgare illustre existiert nach Dantes Meinung bereits, und zwar als eine Art Idealsprache, deren „Geruch" sich überall bemerkbar mache, die aber nirgends fest anzusiedeln sei: [...] quod in qualibet redolet civitate nec cubat in ulla. DVE l, 16,4 21 In der Tat tauge zum Beispiel das Sizilianische trotz der großen sizilianischen Dichter nicht als Vorbild, da die Sprache des einheimischen Volkes, die man ja als Maßstab nehmen müsse, und die der Literatur zu stark verschieden seien: Et dicimus quod, si vulgare sicilianum accipere volumus secundum quod prodit a terrigenis mediocribus, ex ore quorum iudicium eliciendum videtur, prelationis honore minime dignum est, quia non sine quodam tempore profertur; ut puta ibi: Tragemi d'estefocora, se t'este a bolontate. DVEI, 12, 6 Das Bolognesische habe aus den Nachbarmundarten manche Merkmale aufgenommen, sei so zu einer löblichen Ausgeglichenheit gelangt und könne zweifellos als das schönste Volgare Italiens gelten: Dicimus ergo quod forte non male opinantur qui Bononienses asserunt pulcriori locutione loquentes [...] DVEI, 15,2 21 Dante nimmt hier das kurz zuvor eingeführte Bild vom Panther wieder auf: Postquam venati saltus et pascua sumus Ytalie, nec pantheram quam sequimur adinvenimus, ut ipsam reperire possimus rationabilius investigemus de illa ut, solerti studio, redolentem ubique et necubi apparentem nostris penitus irretiamus tenticulis. DVE,l, 16, 1 Die lange rhetorische Tradition dieses Bildes reicht zurück bis zur Antike. Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia 139 Gleichwohl könne auch das Bolognesische nicht den Rang des Volgare illustre einnehmen. Sonst wären nämlich große Dichter aus Bologna wie Guido·Guinizelli, Guido Ghislieri und Fabruzzo ed Onesto nicht bewußt von der heimischen Zunge abgewichen: Non etenim est quod aulicum et illustre vocamus: quoniam, si fuisset, maximus Guido Guinizelli, Guido Ghisilerius, Fabrutius et Honestus et alii poetantes Bononiae nunquam a proprio divertissent qui doctotes fuerunt illustres et vulgarium discretione repleti. DVEI, 15, 6 Selbst die toskanischen Städte erhöben zu Unrecht Anspruch auf die Vorbildrolle und nur ein verwirrter Sinn könne das Volgare illustre mit den regionalen Varietäten von Florenz, Pisa, Lucca, Siena oder Arezzo gleichsetzen: Et quoniam Tusci pre aliis in hac ebrietate baccantur, dignum utileque videtur municipalia vulgaria Tuscanorum sigillatim in aliquo depompare. Locuntur Florentini et dicunt: Manichiamo introcque ehe noi non facciamo altro. Pisani: Bene andonno li / anti de Fiorensa per Pisa; Lucenses: Fo voto a Dio ke in grassarra eie lo comuno de Lucca. Senenses: Onche renegata avess 'io Siena. Ch 'ee chesto? Aretini: Vuo' tu venire ovelle? DVE I, 13, 2 22 Das Volgare illustre, das Dante sucht und unter den italienischen Mundarten nicht gefunden hat, ist aber dennoch existent. Es findet sich in der Sprache (und im Stil! ) der Dichter des Dolce Stil Novo. Wenn man das Sizilianische nämlich in der Form nehme, wie sie dem Munde der besten Sänger entströmt sei, dann unterscheide es sich in nichts von jener idealen Sprache, die das höchste Lob verdiene: Si autem ipsum accipere volumus secundum quod ab ore primorum Siculorum emanat, ut in preallegatis cantionibus perpendi potest, 23 nichil differt ab illo quod laudabilissimum est, sicut inferius ostendemus. DVEI, 12, 6 Nicht aber sei die Sprache Siziliens oder Apuliens schlechthin für ganz Italien vorbildhaft, sondern nur das bewußt von dieser abweichende Idiom der 22 Die Beispiele bedeuten etwa 'Mangiamo intanto ehe non facciamo altro', 'Dann essen wir, solange wir nichts anderes tun'; 'I fatti di Firenze andarono bene per Pisa', 'Die Florentiner Ereignisse trafen sich· gut flir Pisa'; 'Giuraddio ehe il comune di Lucca nuota nell'abbondanza', 'Gottseidank schwimmt die Gemeinde Lucca im Überfluß'; 'Avessi una volta rinegata Siena! Che e questo? ', 'Ich hätte Siena je verleugnet! Was soll das? '; 'Vuoi venire da qualche parte? ', 'Willst du irgendwo hin? '. 23 Bei den „ vorgenannten Gesängen" handelt es sich um die Anfangszeilen Ancor ehe / 'aigua per / o foco / assi und Amor, ehe lungiamente m 'hai menato von Guido delle Colonne, die Dante in D VE I, 12, 2 zitiert hat. 140 Die Anfänge in Italien: Dante großen Dichter aus dem Süden (wie dem aufmerksamen Leser klarwerden müsse): Quapropter superiora notantibus innotescere debet nec siculum nec apulum esse illud quod in Ytalia pulcerrimum est vulgare, cum eloquentes indigenas ostenderimus a proprio divertisse. DVEI, 12, 9 Selbst in der Toskana hätten viele Dichter ihren hohen Anspruch verfehlt und seien in der sprachlichen Regionalität befangen geblieben: so Guittone d' Arezzo, Bonagiunta da Lucca, Gallo Pisano und andere (I, 13, 1). Zum Range des Volgare illustre erhöben sich dagegen unter den Florentinern Guido [Cavalcanti], Lapo [Gianni] und „ein anderer" [Dante selbst] sowie Cino aus Pistoia, "den wir zu Unrecht wohl, doch auch nicht ohne Grund am Ende nennen": Sed quanquarn fere omnes Tusci in suo turpiloquio sint obtusi, nonnullos vulgaris excellentiarn cognovisse sentimus, scilicet Guidonem, Lapum et unum alium, Florentinos, et Cynum Pistoriensem, quem nunc indigne postponimus, non indigne coacti. DVEI, 13, 4 Daß Dante aus Bologna Guido Guinizelli und einige andere zu den Auserwählten zählt, haben wir schon gesehen. Das anzustrebende Volgare ist also die Sprache der großen Dichter in verschiedenen Gegenden Italiens: Hoc enim usi sunt doctores illustres qui lingua vulgari poetati sunt in Ytalia, ut Siculi, Apuli, Tusci, Romandioli, Lombardi et utriusque Marchie viri. DVEI, 19, 1 Es sei von allen Mängeln und engen Regionalismen frei und vor allem auch die Sprache seiner eigenen Gedichte "der des Freundes von Cino da Pistoia"): Magistratu quidem sublimatum videtur, cum de tot rudibus Latinorum vocabulis, de tot perplexis constructionibus, de tot defectivis prolationibus, de tot rusticanis accentibus, tarn egregium, tarn extricatum, tarn perfectum et tarn urbanum videamus electum ut Cynus Pistoriensis et arnicus eius ostendunt in cantionibus suis. DVEI, 17, 3 Dieses Vulgare sei illustre, cardinale, aulicum, et curiale, werde zu Recht Latium vulgare genannt und verdiene, die Sprache ganz Italiens zu sein: Hoc autem vulgare quod illustre, cardinale, aulicum esse et curiale ostensum est, dicimus esse illud quod vulgare latium apellatur. DVEI, 19, 1 Eigentlich trage es jedoch selbst dazu bei, die Einheit der Italiener zu erwirken. Denn wenn ein Königshof dem ganzen Reich gehöre und über alle seine Teile gebiete, so habe dort auch alles seinen Platz, das gleichfalls allen ge- Dantes Schrift De Vulgari Eloquentia 141 meinsam eigen sei und keinem Teil allein. Dies aber gelte für das gesuchte und nun gefundene Volgare: Nam si aula totius regni comunis est domus et omnium regni partium gubematrix augusta, quicquid tale est ut omnibus sit comune nec proprium ulli, conveniens est ut in ea conversetur et habitet, nec aliquod aliud habitaculum tanto dignum est habitante: hoc nempe videtur esse id de quo loquimur vulgare. DVEI, 18, 2 Nachdem wir Dante auf dem Weg zum Volgare illustre gefolgt sind, wollen wir noch einen kurzen aber kritischen Blick auf das erreichte Ziel werfen und sehen, was Dantes Behauptungen zur italienischen Schriftsprache eigentlich besagen. Beim Blick auf die volkssprachlichen Varietäten, die auf dem Boden Italiens entstanden sind, schließt Dante von der Anwartschaft auf überregionale Geltung zunächst diejenigen aus, die es nicht zu einer erwähnenswerten Literatur gebracht haben. Doch auch die Heimatmundarten großer Dichter könnten nicht in Frage kommen, da diese sich in der Sprache ihrer Werke bewußt davon distanziert hätten. Gelobt werden besonders die Florentiner Dichter des Dolce Stil Novo, ja eigentlich wird das Volgare illustre mit der Sprache dieser Dichter identifiziert. Wenn wir nun noch in Rechnung stellen, daß Dante die Gedichte der großen Sizilianer und Bologneser in toskanisierten Handschriften kannte, 24 so wird deutlich, daß er als italienische Literatursprache keineswegs eine vorgebliche „Idealsprache", sondern eben das Toskanische vorschlägt, und zwar in seiner Florentiner Form, allerdings ohne einige rein lokale Merkmale dieser Mundart. 24 „La fortuna e la interpretazione dei Siciliani sono legate anzitutto alla conoscenza e allo studio dei manoscritti toscani ehe ce ne hanno trasmesso le opere in veste toscaneggiata. Le piu antiche raccolte di rime, tutte dell'ultimo Duecento e del primo Trecento, posteriori quindi d'oltre un cinquantennio alla primitiva fioritura poetica e trascritte quando il processo di assimilazione era ormai molto avanzato, rispecchiano questo ampio processo di assimilazione linguistica e di annessione culturale e rappresentano gia una prospettiva storiografica, nella quale ai Siciliani sono strettamente uniti i loro continuatori toscani, talora con la presenza iniziale e sporadica dei Stilnovisti." (Gianfranco Folena"Cultura e poesia dei Siciliani", in: Emilio Cecchi, Natalino Sapegno (Hgg.), Storia de/ la Letteratura ltaliana, 9 Bdd., Mailand 1965---69, Bd. I: Le origini eil Duecento, Mailand 1965, S. 271- 347, hier S. 338). 3.3 Bibliographie zu Kapitel 3 Zum Beginn des Nachdenkens über die romanischen Sprachen in Italien und zu der zentralen Rolle, die dabei Dante zufiillt, wollen wir noch einige bibliographische Erläuterungen anfügen: 3.1 Hingewiesen sei zunächst auf Ciro Trabalza, Storia della grammatica italiana, Mailand 1908, Ndr. Bologna 1963, sowie auf die zahlreichen Werke zu der sogenannten Questione della lingua. Die wichtigsten davon sind die folgenden: Maurizio Vitale, La questione della lingua, Palermo 1960, 2 1962, unter dem gleichen Titel, jedoch nach umfassender Neubearbeitung: Nuova edizione, Palermo 1978, und wieder: Palermo 1984 (mit einer reichhaltigen Bibliographie anderer Arbeiten zu diesem Thema); Therese Labande-Jeanroy, La question de la langue en Italie, Straßburg 1925 (= Publications de la Faculte des Lettres de l'Universite de Strasbourg 27); Robert A. Hall Jr., The Italian Quesiione della Lingua. An interpretative essay, Chapel Hill 1942 (= University of North Carolina. Studies in The Romance Languages and Literature 4); Bruno Migliorini, "La questione della lingua", in: Attilio Momigliano (Hg.), Problemi ed orientamenti critici, Bd. 3: Questioni e correnti di storia letteraria, Mailand 1949, S. 1-75; Hans Wilhelm Klein, Latein und Volgare in Italien, München 1957 (= Münchener Romanistische Arbeiten, Heft 12); Oronzo Parlangeli, La nuova questione della lingua, Brescia 1971; Peter Koch, "Italienisch: Externe Sprachgeschichte. a) Externe Sprachgeschichte I", in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, Bd. IV: Italienisch, Korsisch, Sardisch, Tübingen 1988, S. 343-360; Larissa G. Stepanova, Ital'janskaja lingvisticeskaja mysl' XIV-XVI vekov. (Ot Dante do pozdnego Vozroidenija) ['Das italienische Sprachdenken des 14. bis 16. Jahrhunderts. (Von Dante bis zur Spätrenaissance)'], St. Petersburg 2000. Eine Auswahl mittelalterlicher französischer und provenzalischer Texte, die von Italienern verfaßt wurden, findet sich in: Antonio Viscardi, Benno e Tilde Nardi, Giuseppe Vidossi, Felice Arese (Hgg.) (con la collaborazione di Gian Luigi Bami, Luigi Brusotti, Don Giuseppe de Luca, Tullio Gregory, Luigi Ronga), Le Origini. Testi latini, italiani, provenzali e .franco-italiani, Mailand - Neapel 1956 (S. 985- 1045 provenzalische Texte, S. 1059-1219 französische Texte). Zu der frankoitalienischen Literatur s. Antonio Viscardi, Letteratura .franco-italiana, Modena 1941. Zu Brunetto Latini s. Bianca Ceva, Brunetto Latini: l'uomo e l'opera, Mailand 1965; Julia Bolton Holloway, Brunetto Latini: an analytical bibliography, London 1986 (= Research bibliographies and checklists 44). - Die Estoires de Venise wurden 1845 von Filippo Luigi Polidori und Giovanni Galvani zusammen mit dem Chronicon Altinate im Archivio Storico Italiano als „Cronique des Veneciens" veröffentlich, wo sie Band VIII der Serie prima darstellen. Eine neue kritische Ausgabe ist: Martin da Canal, Les Estoires de Venise. Cronaca veneziana in lingua francese dalle origini al 1275. A cura di Alberto Limentani, Florenz 1972 (= Civilta Veneziana. Fonti e testi XII, Serie terza, 3). Zur Sprache der Estoires de Venise vgl. Paulette Catel, "Studi sulla lingua della 'Cronique des Veneciens'", Rendiconti Bibliographie zu Kapitel 3 143 dell'Istituto Lombardo, classe di lettere 71 (1938), S. 305-348. - Die Entree d'Espagne hat Antoine Thomas kritisch herausgegeben: L 'Entree d'Espagne, chanson de geste franco-italienne, pub/ iee d'apres le manuscrit unique de Venise, 2 Bdd., Paris 1913. Von der Sprache der Entree d'Espagne handelt Günter Holtus in seiner Habilitationsschrift Lexikalische Untersuchungen zur Interferenz: die frankoitalienische „Entree d'Espagne", Tübingen 1979 (= Beihefte zur ZrP, Bd. 170), der auch die Handschrift eingesehen hat und einige Korrekturen zur Lesung von Thomas anführt. - Zum Einfluß des Französischen auf die nördlichen Varietäten des Altitalienischen s. Günter Holtus, "L' influsso del francese sull'italiano settentrionale antico", in: Elementi stranieri nei dialetti italiani 1. Atti de/ XIV Convegno de/ Centro di Studio per Ja Dialettologia Italiana (Ivrea 17-19 ottobre 1984), Pisa 1986, S. 1-19. -Zu Leben und Werk des Troubadours Sordello vgl. Cesare De Lollis, Vita e poesia di Sordel/ o di Goito, Halle 1896 (= Romanische Bibliothek 11 ). 3.2 Den Text von Dantes De vulgari e/ oquentia (bzw. Teile davon) überliefern neben den o.a. drei Mss. noch zwei weitere Codices: Bibliotheca Vaticana, Codex Reginensis latinus 1370 (V 1) und Bibliotheca Vaticana Lat. 4817 (V 2 ), die jedoch beide auf T zurückgehen. Bei V 1 handelt es sich um die im 16. Jahrhundert von Pietro Bembo veranlaßte Abschrift des Trivulziana-Ms. V 2 ist ein kurzer von Colocci Brancuti verwendeter Auszug aus Buch II. Zum ersten Mal gedruckt erschien der lateinische Text 1577 in Paris auf der Basis der Hs. G und unter Vergleich mit einer schon zuvor veröffentlichten italienischen Übersetzung De la volgare eloquenzia (Vicenza 1529), die Trissino nach T gefertigt hatte. Die Übersetzung Trissinos hat Fredi Chiappelli, Mailand 1965, erneut herausgegeben. Die erste kritische Ausgabe von Dantes De vulgari eloquentia ist: II trattato „ De vulgari e/ oquentia" di Dante Alighieri, per cura di Pio Rajna, Florenz 1896. Ludwig Bertalots Ausgabe auf der Basis der neu entdeckten Hs. B erschien als Dantis Alagherii de vulgari e/ oquentia / ibri II, recensuit L. Bertalot, •Friedrichsdorf apud Francofortum ad M. 1917 und nochmals Genf 1920. Bertalot hat dann die Handschrift B zusammen mit einer Beschreibung des Codex auch als Faksimile zugänglich gemacht: "II codice B del 'De vulgari eloquentia"' in der Zeitschrift La Bibliofilia 24 (1922- 1923), S. 261-264, mit der Abbildung von 94v_98v des zweispaltig geschriebenen Ms. In Bezug auf die Publikation des Textes von B ist es zwischen Bertalot und dem Dantespezialisten Pio Rajna, dem das Manuskript zuvor in Berlin bei eigenen Nachforschungen entgangen war, zu einiger Verstimmung gekommen. Die verstreuten Arbeiten Ludwig Bertalots ,hat der um die kritische Edition humanistischer Texte verdiente Renaissanceforscher .Paul Oskar Kristeller (1905- 1999) erneut herausgegeben: Ludwig Bertalot, Studien zum italienischen und deutschen Humanismus, 2 Bdd., Rom 1975 (= Storia e Letteratura. Raccolta di studi e testi 129 und 130), wo Bd. I, S. 303-306, auch die Beschreibung des Codex Latinus F~lio 437 und darauf folgend das Faksimile von Dantes De vulgari eloquentia aus La Bibliofilia 24 wiedergegeben ist. Die Handschrift B befindet sich übrigens schon seit Jahrzehnten wieder in Berlin (und nicht mehr in der Universitätsbibliothek Tübingen, wie manchmal fiilschlich angegeben wird), und zwar gegenwärtig in der Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Tiergarten, Potsdamer Straße 33, wo sie zu den üblichen Konditionen eingesehen werden kann. - Deutsche Übersetzungen des Traktats sind 144 Die Anfänge in Italien: Dante (bzw. sind enthalten in): Karl Ludwig Kannegiesser (Hg.), Dante Alighieris prosaische Schriften mit Ausnahme der „ Vita Nuova ". Übersetzt von Karl Ludwig Kannegiesser, Leipzig 1845; Franz Dornseiff, Joseph Balogh (Hg.), Dante Alighieri, Über das Dichten in der Muttersprache. De vulgari eloquentia. Aus dem Lateinischen übersetzt und erläutert von Franz Dornseiff und Joseph Balogh, Darmstadt 1925; Ndr.: Darmstadt 1966. Englische Übersetzungen sind A. G. Ferrers Howell (Hg.), Dante 's treatise „De Vulgari Eloquentia". Translated into English with explanatory notes by A. G. Ferrers Howell, London 1890; Warman Welliver, Dante in Hell. The De Vulgari Eloquentia. Introduction, text, translation, commentary, Ravenna 1981. Die französische Fassung findet sich in: Andre Pezard (Hg.), Dante Alighieri. CEuvres completes. Traduction et commentaires par Andre Pezard, Paris 1965 (= Bibliotheque de la Pleiade 182), S. 551--630. Die maßgebende Ausgabe von Dantes De vulgari eloquentia (lateinischer Text, italienische Übersetzung und ausführlicher Kommentar) ist weiterhin: De vulgari eloquentia. Ridotto a miglior lezione, commentato e tradotto da Aristide Marigo. Con introduzione, analisi metrica della canzone, studio della lingua e glossario. Terza edizione, con appendice di aggiornamento a cura di Pier Giorgio Ricci, Florenz 1957 (die erste Auflage war 1938 erschienen, die zweite 1948). Dazu stelle man jetzt auch die kritische Ausgabe: Dante Alighieri, De vulgari eloquentia. Introduzione e testo a cura di Pier Vincenzo Mengaldo, Padua 1968 (= Bd. 3 der von Gianfranco Folena herausgegebenen Reihe Vulgares Eloquentes). Die Ausgabe Mengaldos ist in revidierter Form und mit umfangreichem Kommentar erneut in Band II der Opere minori Dantes (zusammen mit Monarchia, Epistole, Egloge und Questio de aqua et terra) im Verlag Ricciardi, Mailand - Neapel 1979, S. 1-237, erschienen. Man vgl. ferner: Bruno Panvini (Hg.), Dante Alighieri, De vulgari eloquentia. Testo curato, tradotto e annotato da Bruno Panvini, Palermo 1968. Eher divulgativen Charakter haben: Claudio Marazzini, Concetto Dei Popolo (Hgg.), Dante Alighieri, De vulgari eloquentia. Traduzione e saggi introduttivi di Claudio Marazzini e Concetto Dei Popolo, Mailand 1990; Vittore Coletti (Hg.), Dante Alighieri, De vulgari eloquentia. Introduzione, traduzione e note di Vittore Coletti, Mailand 1991. - Zu Handschriften, weiteren Editionen, Wirkungsgeschichte und Interpretation des Textes vgl. man die Einführungen der genannten Ausgaben, insbesondere das umfangreiche Vorwort Aristide Marigos in seiner erwähnten Ausgabe, S. XV-CLVI, ebenso die ausführliche „lntroduzione" von Pier Vincenzo Mengaldo, S. VII--CII, und die „nota al testo", S. CIII--CXXI seiner Ausgabe sowie die Synthese des gleichen Autors „De vulgari eloquentia", in: Istituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Enciclopedia Dantesca, 6 Bdd., Rom 1970-1978, Bd. II, Rom 1970, S. 399-415. Die übrige hermeneutische Bibliographie zu Dantes De vulgari eloquentia ist sehr umfangreich (vgl. die Angaben bei Maurizio Vitale, La questione della lingua, 2 1962, S. 224-225; in der Neubearbeitung des Werkes, Palermo 1978 (und 1984) findet sich die Bibliographie zu De vulgari e/ oquentia S. 27-29). Die oben angeführten Werke zur Geschichte der italienischen Grammatik und zur Questione de/ la lingua enthalten je einen Abschnitt über Dantes De vulgari eloquentia: C. Trabalza, Storia del/ a grammatica italiana, S. 22-31; M. Vitale, La questione de/ la lingua, 2 1962, S. 10-16, in der Neubearbeitung 1978 und 1984, S. 15-20; Th. Labande- Jeanroy, La question de la langue en Italie, S. 37-59; H. W. Klein, Latein und Volgare in Italien, S. 18-47. Eine kurze Vorstellung der Schrift findet sich in: Hans- Bibliographie zu Kapitel 3 145 Martin Gauger, Wulf Oesterreicher, Einführung in die romanische Sprachwissenschaft, Darmstadt 1981, S. 40-42 (dort unter der Rubrik „Vorgeschichte"). Die scharfsinnigste Interpretation des Textes (die freilich an manchen Stellen schon über ihn hinausweist) dürfte immer noch die von Antonino Pagliaro sein: "1 'primissima signa' nella dottrina linguistica di Dante", Quaderni di Roma 1 (1947), S. 485-501, und wieder in: Nuovi saggi di critica semantica, Messina - Florenz 1956 (= Biblioteca di Cultura Contemporanea Bd. LI), 2 1971, S. 213-246. Pagliaro hat das Thema später noch einmal aufgenommen und seine Deutung in Teilen revidiert: Antonino Pagliaro, "Comunita linguistica e lingua comune nella dottrina linguistica di Dante", in: Comitato Nazionale per Je Celebrazioni del VII Centenario della Nascita di Dante [Adalgisa e Pietro Borrano] (Hg.), Dante e l'ltalia Meridionale. Atti del Congresso Nazionale di Studi Danteschi a cura de/ Seminario di Studi Danteschi di Caserta sotto gli auspici della Societa Dantesca ltaliana e della Societa Nazionale „ Dante Alighieri ", Caserta - Benevento - Cassino - Salerno - Napoli 10-16 ottobre 1965, Florenz 1966, S. 115-129. Zu Einzelheiten der Interpretationen Pagliaros vgl. u.a. den Forschungsbericht von Ileana Pagani. - Das LRL behandelt die Schrift Dantes in zwei Einträgen: Thomas Krefeld, "Italienisch: Sprachbewertung", in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, Bd IV: Italienisch, Korsisch, Sardisch, Tübingen 1988, S. 312-326, und Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt, "Italienisch: Sprache und Literatur", ibid., S. 326-343; dazu vgl. man den im Zusammenhang mit der Questione della lingua schon genannten Eintrag von Peter Koch, "Italienisch: Externe Sprachgeschichte. a) Externe Sprachgeschichte I", ibid., s. 343-360. Weitere Kommentare und Deutungen sind (oder finden sich in): Benvenuto Terracini, "Natura ed origine del linguaggio humano nel 'De vulgari eloquentia"', in: Id., Pagine e appunti di linguistica storica, Florenz 1957, S. 237-246. - Gustavo Vinay, "Ricerche sul De Vulgari Eloquentia", Giornale Storico della Letteratura Italiana 136 (1959), S. 236-257. - Silvio Pellegrini, "De vulgari eloquentia, Libro I, capp. 10-19" in: Saggi di .filologia italiana; Bari 1962 (= Biblioteca di Filologia Romanza 6), S. 68-77 (auf den Seiten 78-88 folgt als Anhang Dantes lateinischer Text der Stelle). - Karl-Otto Apel, Die Idee der Sprache in der Tradition des Humanismus von Dante bis Vico, Bonn 1963, 2 1975. - Bruno Migliorini, "Dante und die italienische Sprache", in dem Sammelband: Hans Rheinfelder, Bruno Migliorini, Gerhard Rohlfs, Franz Rauhut, Kurt Ruh, Raffaello Ramat, Werner Goez, Harald Keller, Umberto Baldini, Martin Gosebruch, Dante Alighieri, Würzburg 1966 (= Persönlichkeit und Werk, Bd. 2), S. 31-45. - Siegfried Heinimann, "Die Muttersprache im Denken und Wirken Dantes", in: Dante Alighieri. Vorträge der Universität Bern, Bern 1966, S. 50-66 (beide Bände erschienen aus Anlaß des 700. Geburtstags Dantes im Jahre 1965). - Giuliano Bonfante, "II 'volgare illustre' di Dante eil volgare dei lirici siciliani", Bollettino de/ Centro di studi.filologici e linguistici siciliani 10 (1969), S. 18-28. Bonfante gab schon damals zu bedenken, daß über Dantes De vulgari eloquentia möglicherweise bereits zu viel geschrieben worden sei. - Cecil Grayson, Cinque saggi su Dante, Bologna 1972. - Gustav Ineichen, "Das Verhältnis Dantes zur Sprache", Deutsches Dante-Jahrbuch 48 (1973), S. 63-78. - Werner Bahner, "Dantes theoretische Bemühungen um die Emanzipation der italienischen Literatursprache", in: Id., Formen, Ideen, Prozesse in den Literaturen der romani- 146 Die Anfänge in Italien: Dante sehen Völker, 2 Bdd., Berlin 1977, Bd. 2, S. 9---47. - Pier Vincenzo Mengaldo, Linguistica e retorica di Dante, Pisa 1978 (= Saggi di varia umanita, Nuova Serie 21). Das Buch enthält Beiträge Pier Vincenzo Mengaldos zu Dantes De vulgari eloquentia und benachbarten Themen aus den Jahren 1965-1976. - Fausta Drago Rivera, De Vulgari Eloquentia. La questione della lingua da Dante a domani, Mailand 1980. - Wilhelm Theodor Elwert, Die italienische Literatur des Mittelalters. Dante, Petrarca, Boccaccio, München 1980. - Maria Corti, Dante a un nuovo crocevia, Florenz 1981 (= Societa Dantesca Italiana. Centro di Studie Documentazione Dantesca e Medievale, Quaderno 1). Maria Corti nimmt einen starken Einfluß der modistischen Sprachphilosophie auf Dante an, insbesondere der Modi signi.ficandi sive Quaestiones super Priscianum maiorem des Boethius de Dacia. Daß Dantes forma locutionis (DVE 1, 6, 4) sich auf Boethius von Dacia berufe, hatte Maria Corti schon in einem zuvor verfaßten Beitrag angemerkt: Maria Corti, "Les notions de 'langue universelle' et de 'langue poetique' chez Dante Alighieri", in: Horst Geckeler, Brigitte Schlieben-Lange, Jürgen Trabant, Harald Weydt (Hgg.), Logos Semantikos. Studia Linguistica in honorem Eugenio Coseriu (1921-1981), Berlin - New York 1981, Bd. 1, S. 31-39. Dort möchte sie im übrigen zeigen, daß sowohl die Inventores gramatice wie der die Dichter des Volgare illustre inspirierende Liebesgott nach Wiedergewinnung der adamitischen Universalität der Sprache strebten. Cortis Ausführungen zum modistischen Einfluß auf Dante in Dante a un nuovo crocevia sind alsbald auf Vorbehalte und Ablehnung gestoßen, so in der sorgfältigen Rezension des Buches von Alfonso Maieru, "Dante al crocevia? ", Studi Medievali (Spoleto) 24,2 (1983), S. 735-748: "In generale, Boezio e Dante non sono vicini se non talora e per accidens" (S. 745). Maien) bemerkt auch, Cortis Untersuchung mache den Eindruck eiliger Fertigung: "esso appare realizzato in fretta, con una marcata tendenza a semplificare i problemi" (S. 747). Vgl. dazu auch Franco Lo Piparo, "Dante linguista antimodista", in: Federico Albano Leoni, Daniele Gambarara, Franco Lo Piparo, Raffaele Simone (Hgg.), Italia linguistica: idee, storia, strutture, Bologna 1983, S. 9-30; Franco Lo Piparo, "Sign and grammar in Dante. A non-modistic language-theory", in: Paolo Ramat, Hans-Josef Niederehe, Konrad Koemer (Hgg.), The history oflinguistics in Italy, Amsterdam-Philadelphia 1986 (= Studies in the History of the Language Sciences 33), S. 1-21. Verteidigt wurde die Perspektive Maria Cortis dagegen von Marianne Shapiro, die neuerlich Argumente für den Einfluß der modistischen Sprachphilosophie auf die Schrift Dantes zusammengestellt hat: Marianne Shapiro, "Dante and the grammarians", ZrP 105 (1989), S. 498-528. - Wieder außerhalb dieser Kontroverse Gedoch mit einem Anhang zu dem Buch Maria Cortis: "Appendice. A proposito di un'interpretazione recente", S. 253- 273) s. ferner: Ileana Pagani, La teoria linguistica di Dante, Neapel 1982; vgl. dazu die ausführliche (anerkennende) Rezension von Peter Wunderli, Deutsches Dante- Jahrbuch 59 (1984), S. 135-154. Paganis Buch ist ein kritischer Forschungsbericht zu Dantes Aussagen über die Rolle des Lateins, die Beziehung zwischen Latein und Volgare und die Theorie des Volgare illustre.· Die Interpretationen Antonino Pagliaros werden S. 43-60 behandelt. - Richard Baum, "Dante fabbro del parlar matemo", in: Richard Baum, Willi Hirdt (Hgg.), Dante Alighieri 1985. In memoriam Hermann Gmelin, Tübingen 1985 (= Romanica et Comparatistica, Bd. 4), S. 65-88. -Emesto Grassi, "'Verbum' und 'res' bei Dante", in: ld., Einführung in die philosophischen Probleme des Humanismus, Darmstadt 1986 (21991 unter dem Titel: Ein- Bibliographie zu Kapitel 3 147 fiihrung in die humanistische Philosophie), S. 18-26. - Günter Holtus, "Zur Sprach- und Wortgeschichte von 'latino' und 'volgare' in Italien", in: Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer, Michael Metzeltin (Hgg.), Latein und Romanisch. Romanistisches Kolloquium I, Tübingen 1987, S. 340-354. - Anthony Nicastro, "Dante and the Latin origin of the Romance languages", in: Gene H. Bell-Villada, Antonio Gimenez, George Pistorius (Hgg.), From Dante to Garcia Marquez. Studies in Romance / iterature and linguistics presented to Anson Conant Piper by former students, col/ eagues, and friends, Williamstown (Mass.) 1987, S. 1-11. - Mirko Tavoni, "Contributo all'interpretazione di De vulgari eloquentia l 1-9", Rivista di Letteratura Italiana 5 (1987), S. 385-453 [publiziert aber erst 1988] (eine vorausgehende (aber später erschienene) kürzere englische Fassung dieses Beitrags ist: Mirko Tavoni, "'Ydioma tripharium' (Dante, De Vulgari Eloquentia, 1,8-9)", in: Hans- Josef Niederehe, Konrad Koemer (Hgg.), History and historiography of linguistics. Papers from the Fourth International Coriference on the History of the Language Sciences (ICHoLS IV), Trier, 24-28 August 1987, 2 Bdd., Amsterdam - Philadelphia 1990 (= Studies in the History of the Language Sciences 51), Bd. 1, S. 233-247) hat in seinem (schon im Text genannten) Beitrag versucht, die von Dante in Bezug auf die Sprache verwendeten Termini lingua, locutio, loquela, vulgare, ydioma genauer semantisch zu differenzieren, als dies die bisherigen Kommentatoren des Textes getan hatten, und ist dadurch zum Teil zu interessanten (zum Teil auch zu weniger annehmbaren) neuen Interpretationen gekommen. Auf Tavonis Artikel hat Pier Vincenzo Mengaldo, dessen Verdienste um Herausgabe, Übersetzung und Kommentierung der Danteschen Schrift wir schon erwähnt haben, mit Betroffenheit und Schärfe reagiert: Pier Vincenzo Mengaldo, "Un contributo all'interpretazione di 'De vulgari eloquentia' 1, i-ix", Belfagor. Rassegna di varia umanita 44,5 (1989), S. 539-558. Nun seinerseits verstimmt hat Mirko Tavoni dazu eine Replik geschrieben: "Ancora su De vulgari eloquentia l 1-9", Rivista di Letteratura Italiana 7 (1989), S. 469-496, wo er allerdings einräumt, sich im Falle seiner Interpretation von ydioma als -'una forma particolare di espressione', 'un determinato tipo linguistico' 'ehe [...] non esprime l'idea di lingua come entita strutturata autosufficiente' getäuscht zu haben (S. 477-482) und somit auch bei der interpretativen Annäherung der beiden unterschiedlichen Aussagen Dantes zur Natur des Adamitischen (S. 479). Gleichwohl bleibt Tavoni bei seiner Auffassung vom Zusammenwirken von rationalem und theologischem Denken bei Dantes Suche nach der Wahrheit (S. 492). - Wieder außerhalb des genannten Zusammenhangs s. weiterhin: Aniello Fratta, "Discussioni esegetiche sul I libro del De vulgari eloquentia", Medioevo Romanzo 13 (1988), S. 39-54 (zu dem Gegensatz natura/ is vs. artificia/ is; zu den Begriffen signum und gramatica; zum Adamitischen und der. Vielheit der Sprachen). - Günter fioltus, Wolfgang Schweickard, "Rhetorik und Poetik", in: August Buck (Hg.), Die italienische Literatur im Zeitalter Dantes und am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance, 2 Bdd., Heidelberg 1987-1989 (= Grundriß der Romanischen Literaturen des Mittelalters, Bd. X), Bd. 2, Heidelberg 1989, S. 21-48, (zu Dantes De vulgari eloquentia S. 35-48). - Günter Holtus, "Das 'vulgare illustre' als Modell einer italienischen Kunstsprache: Standard, Substandard und Varietät in Dante Alighieris Traktat 'De vulgari eloquentia' (1305)", in: Günter Holtus, Edgar Radtke (Hgg.), Sprachlicher Substandard II Standard und Substandard in der Sprachgeschichte und in der Grammatik, Tübingen 1989, S. 1-13. - Elmar Temes, "La classification 148 Die Anfänge in Italien: Dante des langues romanes d'apres Dante reconsideree aujourd'hui", in: Dieter Kremer (Hg.), Actes du XVIII' Congres International de Linguistique et de Philologie Romanes. Universite de Treves (Frier) 1986, Bd. VII(= Section XIV-XVI), Tübingen 1989, S. 64-79. -Marcel Danesi, "Latin vs Romance in the Middle Ages: Dante's de vulgari eloquentia revisited", in: Roger Wright (Hg.), Latin and the Romance languages in the early Middle Ages, London 1991, S. 248-258. - Umberto Eco, "The quest for a perfect language (Blackwell Lectures, Oxford, January 1991)", Versus. Quaderni di studi semiotici 61/ 63 (gennaio dicembre 1992), S. 9-45 (S. 11-22 zu Dantes De vulgari eloquentia). Nach Eco hat Dante in seiner Schrift schon alle wichtigen Gesichtspunkte der jahrhundertelangen Suche nach einer „idealen Sprache" in die Diskussion eingebracht. - Ernst Pulgram, "Dante as linguist'', in: Ruth M. Brend (Hg.), The Eighteenth LACUS Forum 1991, Lake Bluff(Ill.) 1992, S. 41-60. - Angelo Mazzocco, "Dante's notion of illustrious vernacular'', in: Id., Linguistic theories in Dante and the Humanists. Studies of language and intellectual history in late Medieval and early Renaissance Italy, Leiden 1993 (= Brill's Studies in Intellectual History, Bd. 38); Mazzoccos vergleichende Interpretation "'La lingua ch'io parlai fu tutta spenta': Dante's reappraisal of the Adamic language (Paradiso XXVI, 124-138)", in dem gleichen Band, S. 159-179, haben wir in Anm. 6 schon zitiert. - Diego Poli, "Unita e pluralita di lingue in Dante", in: Rafaella Bombi (Hg.), Lingue speciali e interferenza. Atti de/ Convegno Seminariale, Udine, 16-17 maggio 1994, Rom 1995, S. 299-314. lgnazio Baldelli, Dante e la lingua italiana, Florenz 1996 (Accademia della Crusca). - Ladssa G. Stepanova, Ital'janskaja lingvisticeskaja mysl' XIV-XVI vekov. (Ot Dante do pozdnego Vozrozdenija}, St. Petersburg 2000, cit. Stepanova beschäftigt sich mit Dante im ersten Teil ihrer Untersuchung und unternimmt eine sorgfältige Interpretation der Begriffe Vulgare illustre, cardinale, aulicum und curiale. Zur Disposition und zum Stil der Schrift s. Hans Rheinfelder, "Dantes Stilkunst in seinem Büchlein von der italienischen Kunstsprache", in: Günter Reichenkron, Mario Wandruszka, Julius Wilhelm (Hgg.), Syntactica und Stilistica. Festschrift für Ernst Gamillscheg zum 70. Geburtstag, 28. Oktober 1957, Tübingen 1957, S. 481- 493, und wieder in Hans Rheinfelder, Dante-Studien. Herausgegeben von Marcella Roddewig, Köln - Wien 1975, S. 51-63. Ricarda Liver, "'Rationale signum et sensuale'. Concezione linguistica e stile nel primo libro del De vulgari eloquentia", Vox Romanica 51 (1992), S. 41-55. Hinweise auf neuere Literatur finden sich ferner in den Bibliographien der drei jüngeren Ausgaben des Danteschen Textes, der von Pier Vincenzo Mengaldo, Padua 1968, S. CXXII-CXXV, und in den Opere minori, Mailand - Neapel 1979, S. 22.: .. 25 "Bibliografia essenziale"); der von Claudio Marazzini und Concetto Dei Popolo, Mailand 1990, S. LI-LIV; der von Vittore Coletti, Mailand 1991, S. XXVIII-XXX. 4 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus 4.1 Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins Mehr als hundert Jahre nach Dantes De vulgari eloquentia gerät die romanische Sprachwissenschaft wieder in Bewegung, und zwar im Milieu des italienischen Humanismus. Und diesmal haben wir es nicht mehr nur mit vereinzelten, isolierten Ansätzen zu tun, sondern mit einem ganzen Strom, der nicht mehr versiegt. Kontinuität kennt die romanische Sprachwissenschaft also seit dem 15. Jahrhundert. Als Ausgangspunkt der neuen Strömung kann man das Jahr 1435 ansehen. Im Monat März dieses Jahres fand nämlich, wie wir aus einem Brief von Flavio Biondo an Leonardo Bruni erfahren, in Florenz im Vorzimmer des Papstes Eugen IV., der zwischen 1434 und 1443 wegen politischer Wirren dort und nicht in Rom residierte (dann in Bologna, Ferrara, wieder Florenz und Siena), eine denkwürdige Diskussion statt, an der die päpstlichen Sekretäre Antonio Loschi, Cencio Romano, Andrea Fiocchi, Poggio Bracciolini, Flavio Biondo und (anfangs) Leonardo Bruni teilnahmen: Memoria tenes, ut opinor, apud summi pontificis Eugenii auditorium, et pro ipsis forme cubiculi foribus, cum viri doctissimi Antonius Luscus, Poggius, Cintius et Andreas Florentinus, apostolici secretarii, te collegii nostri decus adeuntes, tuam rei, de qua loqui coeptum est, rogassent sententiam, varias pro temporis brevitate singulos protulisse opiniones. II, 12, N 117, T 198 1 Es ging um die Frage, ob c; lie Römer als normale Umgangssprache das "grammatische" Latein oder aber eine Vulgärsprache gesprochen hätten: Magna est apud doctos aetatis nostrae homines altercatio, et cui saepenumero interfuerim contentio, materno ne et passim apud rudern indoctamque multitudi- „De verbis romanae ·tocutionis Blondi ad Leonardum Aretinum". Der Brief ist abgedruckt in Bartolomeo Nogara (Hg.), Scritti inediti e rari di Biondo Flavio, Rom 1927 (=Studie Testi 48), S. 115-130. Er findet sich auch im Textanhang bei Mirko Tavoni, Latino, grammatica, volgare. Storia di una questione umanistica, Padua 1984 (= Medioevo e umanesimo 53), S. 197-215. Wir nennen beim Zitat neben der Abschnitts- und Satzzahl die Seitenzahl bei Nogara (N) und Tavoni (T). 150 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus nem aetate nostra vulgato idiomate an grammaticae artis usu, quod latinum apellamus, instituto loquendi more Romani orare fuerint soliti. 1, 8, N 116, T 198 Und auf diese Diskussion beziehen sich dann in einzelnen Schriften direkt Leonardo Bruni und Flavio Biondo, indirekt Poggio Bracciolini, Francesco Filelfo und Leon Battista Alberti. In der Diskussion werden zwei verschiedene Thesen verfochten, die eine von Leonardo Bruni, die andere vor allem von Flavio Biondo. Leonardo Bruni aus Arezzo (1370-1444) wurde nach humanistischen Studien in Florenz Apostolischer Sekretär in Rom und war von 1427 bis zu seinem Tode Kanzler der Republik Florenz, deren Bürger er 1416 geworden war. Er war ein guter Kenner des Griechischen, ein glänzender lateinischer Stilist und gehörte zu den herausragenden Gestalten des Geisteslebens seiner Zeit. Neben Übersetzungen aus dem Griechischen schrieb er zahlreiche Werke in lateinischer und italienischer Sprache, vor allem historischer Art, darunter die Historiarum Florentini populi libri XII. Zwischen 1424 und 1426 entstand sein übersetzungstheoretischer Traktat De interpretatione recta, ein wertvolles Dokument der linguistischen und historischen Begriffsbildung in der Zeit des Humanismus.2 Flavio Biondo (1392-1463) aus Forli war nach juristischer Ausbildung in Cremona und Piacenza zunächst in den Kanzleien verschiedener Herren und Kommunen Oberitaliens tätig und vervollkommnete daneben seine humanistische Bildung. 1432 wurde er Notar der Apostolischen Kammer, 1434 päpstlicher Sekretär und 1436 Schreiber der Apostolischen Kanzlei, ein Amt, das er mit einer kurzen Unterbrechung bis zu seinem Tode versah. Während dieser Zeit widmete er sich zugleich historischen und antiquarischen Studien und verfaßte umfangreiche historische Arbeiten: Historiarum ab inclinatione Romani imperii Decades 3 (1438-1453; 1462-1463); Roma instaurata (1444-1446), eine Erkundung der erhaltenen Bausubstanz und der Zivilisation des antiken Roms; Italia illustrata (1448-1453), eine historische Topographie der Apenninenhalbinsel; Roma triumphans (1457-1459), ein Überblick über die politischen, militärischen und kulturellen Institutionen im alten Rom. Leonardo Bruni vertrat nun die These, es habe in Rom, so wie dies auch jetzt der Fall sei, zwei völlig verschiedene Sprachen gegeben: eine Sprache der Gebildeten oder der Literatur, die Schriftsprache, und eine Volkssprache oder gesprochene Sprache: 2 Unter anderem erscheint hier der später in viele Sprachen als Lehnwort oder Lehnbildung übernommene Terminus traducere erstmalig mit der Bedeutung 'übersetzen'. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 151 Ego autem, ut nunc est, sie etiam tune distinctam fuisse vulgarem linguam a litterata existimo. 2, M 62, T216 Wir erfahren dies aus seinem Brief an Flavio Biondo: Leonardus Flavio Foroliviensi S. Quaerit an vulgus et literati eodem modo per Terentii Tulliique tempora Romae locuti sint. 3 Die „grammatische" Sprache sei für das Volk einfach zu schwierig gewesen. Wie hätten denn Ammen, Hausfrauen, die kleinen Leute, gleichsam von Geburt an und ganz ohne Ausbildung die Sprache der lateinischen Schriftsteller sprechen und die Komödien der lateinischen Dichter verstehen können, eine Fertigkeit, welche die Heutigen, wenn überhaupt, erst nach den Bemühungen vieler Schulmeister und langer Übung erlangten? Dies anzunehmen, wäre doch völlig absurd: Tu ne quaeso, Flavi, cum sis vir doctus ac litteris expolitus, vel alii, qui tecum sentiunt, animum inducere potestis ut credatis nutrices et mulierculas et huiusmodi turbam ita tune nasci, ut quae nos tot magistris, tanto usu vix tenemus, illi nullis magistris assequerentur, ut eo modo loquerentur, quemadmodum hi qui latine litterateque loquuntur, intelligerentque poetarum comoedias nullo prius eos docente? Profecto valde absurdum est ita credere. 31, M 65-66, T 218-219 Denn die lateinische Schriftsprache unterscheide sich in vieler Hinsicht von derjenigen, die das einfache Volk verwende, vornehmlich aber bei den Endungen, der Flexion, der Bedeutung, der Syntax, der Betonung: Atque latina lingua a vulgari in multis differt, plurimum tarnen terminatione, inflexione, significatione, constructione et accentu [...] 32, M 66, T 219 Daher hätten die genannten einfachen Hausfrauen und Ammen, wenn von einem Gerät die Rede war, im Nominativ die Form supellex verwenden müssen, bei Besitz- oder Herkunftsrelationen aber die Form supellectilis und ebenso bei entsprechender Bedeutungsabsicht die Form des Dativs supellectili, oder des Akkusativs supellectilem, dazu noch im Falle des Plurals entsprechend die Formen supellectilia, supellectilium, supellectilibus. Da müsse doch jeder einsehen, daß damit Unmögliches vorausgesetzt werde: Mulierculae igitur illae ac nutrices tuae, si de supellectili recte dicendum erit, supellex dicent. Rursus vero si inclinandum, ita ut possessionem vel generationem significet, supellectilis dicent, et si poscat intentio supellectili, supellectilem variabunt, eaedemque cum pluraliter dicendum erit, supellectilia variato genere 3 Der Brief ist abgedruckt in Lorenzo Mehus (Hg.), Leonardi Bruni Aretini Epistolarum libri VIII, II, Florenz 1741, Ep. VI, Kap. 10, S. 62-68. Er findet sich auch im Textanhang des in Anm. 1 genannten Buches von Mirko Tavoni, S. 216-221. Wir nennen beim Zitat neben der Satzzahl die Seitenzahl bei Mehus (M) und Tavoni (T). 152 Die romanische Sprachwissenschaft im. Zeitalter des italienischen Humanismus pronunciabunt, et supellectilium, et supellectilibus. Per Deum immortalem, nonne videtis impossibilia vos credere? 4 33, M 66, T 219 Beim Verbum fero seien die unregelmäßigen Formen zu beachten; bei der Perfektform cecidi sei die vorletzte Silbe lang, wenn sie vom Verbum caedere 'fällen', kurz dagegen, wenn sie vom Verbum cadere 'fallen' gebildet sei. Und solcher Unterscheidungen sollten Frauen und das einfache Volk fähig sein? Fero verbum est, a quo tuli, latum, sustuli, sublatum. Cado, cecidi, si casum significet: si caedem cecidi media producta. Ita quaeso intemoscent mulieres et turba, atque ita Ioquentur? 35-36, M 66, T 219 Den Einwand, daß die Komödien des Terenz und des Plautus ja wohl in der sprachlichen Form aufgeführt wurden, in der sie schriftlich überliefert seien, und daß dies ein Zeichen dafür sei, daß das Volk damals eben diese Sprache gesprochen habe, läßt Leonardo Bruni nicht gelten. Das Volk habe damals allenfalls soviel davon verstanden, wie die Leute seiner eigenen Zeit von der lateinischen Schriftlesung oder von der Liturgie der Messe. Denn auch das ungebildete Volk verstehe manches, das es selbst in dieser Form nicht ausdrücken könne, weil es nun einmal bei weitem leichter sei, die fremde Rede zu verstehen, als sie selbst zu sprechen: Praeterea Terentii Plautique comoediae recitabantur ad populum ea ipsa Iingua qua scriptae sunt, idque signum esse ais quod eodem modo vulgus loquebatur. Quomodo enim delectarent, nisi intellegerentur? Hae tibi firmissimae probatio~es videntur ac certissima argumenta opinionis tuae. Ego autem non maiora ista puto quam nunc sint Evangelia Missarumque solemnia latine ac Iitterate in audientium turba pronunciari. Intellegunt enim homines, licet inlitterati sint, nec tarnen ipsi ita loquuntur nec illo modo loqui scirent, Iicet intellegant, propterea quod longe facilius est intellegere alienum sermonem quam proferre. 6-8, M 62-63, T 216 Was aber die in lateinischer Sprache überlieferten Reden angehe, so müsse man zunächst einmal eine Unterscheidung treffen. Daß die Redner im Senat und vor Gericht die lateinische Schriftsprache verwendet hätten, könne man als Argument nicht gelten lassen. Denn bei diesen Gelegenheiten hätten sie es ja mit einem gebildeten Publikum zu tun gehabt: 4 Das Beispiel Leonardo Brunis ist nicht ganz glücklich gewählt (weshalb er denn auch einlenkt: Difficile nomen capis, inquies 'Da hast du aber gerade ein schweres Wort herausgesucht, wirst du sagen'). Das feminine Substantiv (die Grammatiker nennen als Ablativformen supellectile und supellectili) erscheint mit partikulärer und kollektiver Bedeutung und kennt im antiken Latein keinen Plural. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 153 Primum igitur oratores quod in senatu iudiciisque latine litterateque loquerentur, nichil opinionem tuam adiuvat. Erat enim in senatu et iudiciis ad homines litteratos oratoris sermo. Itaque haec duo loca nichil ad rem pertinent tuam. 11, M 63, T 216-217 Aber auch wenn die Reden auf Volksversammlungen gehalten worden seien, hätten sie ja keineswegs nur einfaches ungebildetes Volk als Adressaten gehabt, sondern auch gebildete Leute. Und natürlich habe sich der Redner vor allem an diese gewandt. Die einfachen Bäcker oder Metzger aber hätten die Reden nur in dem Maße verstanden wie Leute gleichen Standes heute die lateinische Liturgie: Restat concio, in qua ad doctos simulque indoctos habebatur oratio. Neque enim appellatione populi turba solum et infunae sortis homines, sed nobiles et ignobiles, doctique et indocti significabantur. ltaque non ad pistores tantum et lanistas, sed multo magis ad eos qui in reipublicae gubematione versabantur, et quorum intererat quid populus decemeret, orator loquebatur. Praestantes igitur homines oratorem latine litterateque concionantem praeclare intelligebant, pistores vero et lanistae et huiusmodi turba sie intelligebant oratoris verba ut nunc intelligunt Missarum solemnia. 12-14, M 63, T 217 Ferner müsse man die Tatsache berücksichtigen, daß die antiken Redner ihre Reden für die schriftliche Fassung zu überarbeiten pflegten. Was in der Öffentlichkeit um der Verständlichkeit willen vielleicht in üblichen schlichten Worten gesagt worden war, wurde später stilistisch verfeinert und syntaktisch konzentriert: Nam illud nos latere non debet, oratores ipsos aliter scripsisse orationes suas quam dixerant, quod et apud Graecos et apud Latinos exploratissimum est, non quod diversum scriberent, sed quod omatius et comptius id ipsum quod dixerant litteris mandabant, ut quaedam in concione dicta verbis forsan vulgatis et apertis et ad intelligentiam accomodatis, limatius postea contractiusque scripta legantur. 15, M 63, T 217 Bei seinen Überlegungen geht es Leonardo Bruni aber nicht, wie man annehmen könnte, um den Ursprung oder die Herkunft des Volgare. Vielmehr nimmt er zwei unveränderliche Sprachen an: die grammatica und die Volkssprache, wobei die letztere für ihn wohl mit det späteren italienischen Volkssprache gleichzusetzen ist. Die entgegengesetzte These vertritt Flavio Biondo (1388-1463) in seinem eingangs genannten Brief De verbis Romanae locutionis Blondi ad Leonardum Aretinum. Zwar leugnet Biondo nicht, daß es bei der Kenntnis der allen gemeinsamen Schriftsprache im alten Rom große Unterschiede zwischen den Gebildeten und der ungebildeten Masse gegeben habe: Velim tarnen cum certaturis mecum omnibus illud fore imprimis mihi commune, ut litterata orationis latinitate, quam Romanis omnibus femellis pariter cum viris 154 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus unicam fuisse constanter assevero, doctos longe multum indoctam multitudinem praestitisse concedam. VII, 37, N 120, T 202 Biondo beruft sich hier auf Cicero, der im Orator (in bezug auf die rhythmische Gestaltung) drei Formen der Sprache unterscheidet, die dichterische, die rednerische und die umgangssprachliche: M. Cicero, latinitatis illustrator, et idem orator eximius, in Oratoris libro [...] sie inquit: "quia nec numerosa esse ut pofma, neque extra numerum, ut sermo vulgi est, debet oratio; alterum nimis est iunctum, ut de industria factum appareat, alterum nimis dissolutum, ut pervagatum ac vulgare videatur." VIII, 38, N 120, T 203 5 Der dritten Art habe sicher die grammatische Regularität gefehlt und da sie vom einfachen Volk verwendet worden sei, das zu weiterem nicht fähig war, habe man sie „volkstümlich"; vulgaris genannt: [...] nulla [...] arte, nullis habebatur regulis, sed dissolutum ac pervagatum erat, cumque in vulgi possessione remaneret, maiora illa attingere non valentis, vulgare appellabatur. VIII, 42, N 120, T 203 Gleichwohl seien die Unterschiede nur graduell und die Volkssprache sei ihretwegen nicht etwa bar jeder Latinität, vielmehr im Grunde dieselbe Sprache wie die der Gebildeten gewesen: Nec tarnen ideo non latinum vel, quale nostra habent tempora. vulgare, omni Iatinitate carens erat [...] IX, 43, N 121, T 203-204 Die Volkssprache der Römer war also nach der Ansicht Flavio Biondos keineswegs von der Art des Vo/ gare seiner Zeit oder gar mit diesem identisch. Mehr noch, die „ungezwungene dritte Art" sei dem Volke, den Dichtern und den Rednern gemeinsam gewesen und habe die Grundlage der beiden geregelten Sprachformen gebildet: 5 Die Stelle bei Cicero, Orator, 195, lautet: Nec enim effugere possemus animaduersionem, si semper isdem uteremur, quia nec numerosa esse, ut poi! ma, neque extra numerum, ut sermo vulgi, esse debet oratio alterum nimis est vinctum, ut de industria factum appareat, alterum nimis dissolutum, ut pervulgatum ac vulgare uideatur. Cicero wiederum orientiert sich an den drei ox: 11111: mx 'ti\'i Ä.e~ecoi; bei Aristoteles. (Rhet. Ill, 8): "Co lie oxfuux 'tiji; Ä.~ecoi; liet µ.irte eµ.µ.e"pov etvai µ.irte äppu&µ.ov· "Co µ.ev yap CX7tt8avov, 7tE7tA.IX08<Xt yap lioicet, lC<Xt äµ.a lC<Xt E~t0"'t1JO"l" [ ... ] "CO lie äpp'U8µ.ov CX7tep<XV"COV, liet ÖE 1te1tepav8at µ.ev, µ. T\ Jl.E'tpcp lie. a11liec; yap JC(Xt äyvCOO"COV "CO ä1tetpov. [ ... ] AtO p(l8µ.ov liet exew "COV 'J..6yov, Jl.E'tpov lie µ.ir 7t011\Jl.<X yap EO""C<Xt. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 155 Abiectum vero genus tertium tamquarn natura ipsa omnibus in commune datum [...] VIII, 42, N 120, T 203 Die Sprache der Römer sei trotz ihrer inneren Verschiedenheit einheitlich gewesen. Auch wenn je nach Bildung und Lebensumständen die Ausdrucksfähigkeit unterschiedlich entwickelt gewesen sei, so hätten sich doch alle in gleicher Weise lateinischer Wörter bedient, Männer wie Frauen, Sklaven wie Freie, Gebildete und Ungebildete: [...] omnes pariter latinis verbis usos, mulieres et viros, servos et liberos, doctos et litterarum ignaros [...] XV, 64, N 123, T 207 Andererseits habe auch die lateinische Volkssprache ihre Regelmäßigkeit und ihre Normen gehabt, freilich nicht genau dieselben wie die Literatursprache. Denn auf die rhetorische Frage, ob denn nun die ungebildeten Sprecher das gesamte morphologische und syntaktische Regelwerk des Lateinischen beherrscht hätten oder aber nichts davon (das erste sei ja wohl unmöglich und im zweiten Falle: wo bliebe dann die Latinität ihres Redens? ) antwortet er, die ungebildete Menge habe zwar nicht jede Feinheit der grammatischen Kongruenz beherrscht, doch sei ihre Latinität auch nicht allzufern von der schriftsprachlichen Korrektheit geblieben: Cui velim una satisfaciat responsio: nec didicisse, nec naturae aut bonae consuetudinis munere regulas indoctam multitudinem scivisse, quibus grammaticarn orationem omni ex parte congruam faceret, neque etiarn tarn longe a variationibus inclinationibusque et reliqua grammaticae orationis compositione illius latinitatem abfuisse, quin litterata, qualem mediocriter aetate nostra docti habent, oratio et videretur et esset. XXI, 93, N 127, T 212 Im Zusammenhang damit steht aber zugleich der Gedanke, daß auch das italienische Volgare sozusagen „grammatikfähig" sei; denn die Verwendung der grammatischen Kategorien je nach Umständen und Sinn folge auch hier gewissen Normen: [...] omnibus ubique apud Italos corruptissima etiarn vulgaritate loquentibus idiomatis natura insitum videmus, ut nemo tarn rusticus, nemo tarn rudis tamque ingenio hebes sit, qui modo loqui possit, quin aliqua ex parte tempora casus modosque et numeros noverit dicendo variare, prout narrandae rei tempus ratioque videbuntur postulare. XXII, 100, N 128, T 213 Wenn wir die Auffassung Flavio Biondos in diesem Disput auf ihren wissenschaftsgeschichtlichen Gehalt hin prüfen, so stellen wir fest, daß sie drei wichtige Errungenschaften enthält: 156 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus 1. Die grammatica wird gegenüber der volkstümlichen Ausdrucksart nicht mehr als eine völlig verschiedene Sprache angesehen. Damit läßt Biondo die mittelalterliche Auffassung, der wir auch noch bei Dante begegnet sind, hinter sich. 2. Es wird festgestellt, daß die historische Sprache eine innere Variation aufweist, die jedoch die grundsätzliche Einheit der jeweiligen Sprache nicht beeinträchtigt. 3. Biondo sieht die theoretische Möglichkeit einer Grammatik des italienischen Volgare. In einer solchen Grammatik ginge es eben darum, die ihm seiner Natur nach innewohnende Regelmäßigkeit (natura idiomatis insitam) aufzuweisen. 6 Eine vierte Errungenschaft besteht schließlich in einer neuen historischen Fragestellung. Da Biondo die Identität von lateinischer und italienischer Volkssprache leugnet, muß er erklären, wie es zur Entstehung der letzteren kam: Extremam mihi restare video responsionem: qua ratione quibus temporibus causisque factum credam, ut vulgaritatem hanc nostram cum universae multitudinis latinitate, quam ostendere conatus sum apud priscos fuisse, permutaverimus. XXV, 110, N 129, T 214 Einen Anhaltspunkt für die Erklärung findet Biondo bei Cicero, der mit Bezug auf die Zeit von C. Laelius und P. Scipio schreibt, damals sei der Sprachgebrauch im allgemeinen von einer natürlichen Korrektheit gewesen, abgesehen von den seltenen Fällen meist von außen hereingetragener Barbarismen. Später sei die Kontamination der Sprache (sowohl des klassischen Lateins Roms wie des attischen Griechisch Athens) durch Zuwanderung stärker geworden (wodurch die Sprachpflege für den Redner an Bedeutung gewann): 6 Zwar findet sich schon im Priscian-Kommentar des Petrus Helias (12. Jh.) die Bemerkung, es gebe so viele Arten der Grammatik wie Sprachen, so daß man sich auch ohne weiteres eine französische Grammatik vorstellen könne: "Et possunt huius artis species crescere, hoc est plures esse, ut si grammatica tractaretur in gallica lingua, quod possit fieri facile." ('Und die Arten dieser Gattung können vermehrt, d.h. zahlreicher werden, wie wenn etwa eine Grammatik in französischer Sprache abgefaßt würde, was leicht zu bewerkstelligen wäre'). Doch scheint Petrus Helias zwischen beschreibender und beschriebener Sprache nicht hinreichend begrifflich zu differenzieren, und es ist nicht klar, ob er sich wirklich auf eine grammatische Beschreibung der französischen Sprache bezieht. S. Serge Lusignan, Par/ er vulgairement. Les intellectuels et la langue fran<; aise aux Xllf et XIV" siecles, Paris 1986, S. 21-22. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 157 Mitto C. Laelium, P. Scipionem; aetatis illius ista fuit laus tamquam innocentiae sie Latine loquendi (nec omnium tarnen, nam illorum aequales Caecilium et Pacuuium male locutos uidemus); sed omnes turn fere, qui nec extra urbem hanc uixerant neque eos aliqua barbaries domestica infuscauerat, recte loquebantur. Sed hanc certe rem deteriorem uetustas fecit et Romae et in Graecia. Confluxerunt enim et Athenas et in hanc urbem multi inquinate loquentes ex diuersis locis. Quo magis expurgandus est sermo et adhibenda tamquam obrussa ratio, quae mutari non potest, nec utendum prauissima consuetudinis regula. Cicero, Brutus, 258 Um wieviel verderblicher mußte sich, meint Biondo, der fremde Einfluß in Rom auswirken, als es von Goten und Vandalen erobert wurde, die sich dann dort niederließen. Durch die Misqhung mit den Barbarensprachen sei es daher zu der neuen Volkssprache gekommen, die zu seiner Zeit gesprochen werde: Postea vero quam urbs a Gothis et Vandalis capta inhabitarique coepta est, non unus iam aut duo infuscati, sed omnes sermone barbaro inquinati ac penitus sordidati fuerunt; sensimque factum est, ut pro romana latinitate adulterinam hanc barbarica mixtam loquelam habeamus vulgarem. XXV, 107, N 129, T 214-215 An dieser Stelle macht Biondo also die Gothi und Vandali für die Verderbnis der römischen Sprache verantwortlich. Später, in seiner Italia illustrata, schreibt er den Übergang von der romana locutio zum vulgare italicum dem Einfluß der Langobarden zu: Nam longobardi omnium qui Italiam inuaserint extemorum superbissimi, Romani imperii & Italiae dignitatem euertere, ac omnino delere conati, leges nouas quae alicubi in ltalia extant condidere: mores ritus gentium & vocabula rerum immutauere: ut affirmare audeamus locutionis Romanae latinis uerbis qua nedum Italia sed Romano quoque imperio subiecti plerique populi utebantur, mutationem factam in uulgarem Italicam nunc appellatam, per longobardorum tempora inchoasse. Blondi Flavii Forliviensis Opera, Basel 1559, S. 374 Das habe er seinerzeit, als er den Brief an Leonardo Bruni schrieb, noch nicht gewußt. Erst später, als er sich mit Gesetzen und Institutionen der Langobarden beschäftigt habe, seien ihm die zahlreichen legislativen, administrativen und terminologischen Veränderungen aufgefallen, welche diese ganz bewußt am römischen Recht und an der römischen Verwaltung vorgenommen hätten. Selbst die lateinische Schrift hätten sie nicht unangetastet gelassen: Idque incognitum nobis quando opus de locutione Romana ad Leonardum aretinum dedimus: postea didicimus uisis longobardorum legibus, in quibus de mutatione facta multarum rerum uocaboli tituli tractatusque sunt positi. Quinetiam publicae administrationis & priuatim uiuendi instituta accuratissime ab eisdem sunt mutata, & eo usque ipsius gentis processit insania ut Romanorum charactere 15 8 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Iitterarum penitus postposito, nouas ipsi & sua ineptia gentis barbariem indicantes cifras pro Iitteris adinuenerint. lbid Damit treffen wir in der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft auf den ersten Versuch einer historischen Erklärung der Entstehung des Romanischen aus dem Lateinischen. 7 Was nun das Verhältnis zwischen Latein und Romanisch angeht, so haben wir bisher drei Auffassungen vorgefunden: Für Dante steht die künstlich fixierte grammatica einem vulgare latinum gegenüber, das sich durch natürlichen Sprachwandel weiterentwickelt und schließlich in das in der Gegenwart vorgefundene vulgare latinum einmündet: Grammatica 1 Vulgare latinum 1 i i i i i Vulgare latinum 2 > Italienisch „natürlicher'' Sprachwandel Nach Leonardo Brunis Auffassung hat es die Zweiheit und Diskrepanz von grammatica und vulgare, die er zu seiner Zeit feststellt, in gleicher Weise schon in der Antike gegeben, so daß beide Systeme seither praktisch unverändert weiterbestehen: Grammatica ------➔ -------- (Rom) Vulgare (ohne Veränderuni} (Italienisch) Nach Flavio Biondos Meinung gab es im Rom der Antike eine lateinische Literatursprache und eine lateinische Umgangssprache des Volkes, die bei allen Unterschieden im einzelnen doch als eine einheitliche Sprache anzusehen waren. Aus beiden entstand durch den Einfluß der "Barbaren" das zu · seiner Zeit in Italien gesprochene Volgare: Lat. Literatursprache } Lat. Volkssprache Einfluß der Barbaren l l l 1l Vulgare it. 7 Zwar hatte schon Dante beiläufig erwähnt, daß er die „Kratzigkeit" des Modenesischen und Ferraresischen "garrulitas") für ein Relikt der Langobarden halte (DVE I, 15, 3), wie wir in Kap. 3, S. 137, gesehen haben, doch ist dies gegenüber der These Biondos eine marginale Anmerkung. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 159 Die Auffassung Dantes hat in dieser Form in der weiteren Geschichte der Sprachwissenschaft keine Fortsetzung gefunden. Harri Meier hat allerdings darauf hingewiesen, daß wir Dantes Prinzip der Veränderung alles Menschlichen in Raum und Zeit auch bei den Versuchen der Erklärung des Sprachwandels in moderner Zeit als konstanten Topos wiederfinden, und hat die Zeitauffassunf Saussures und die „Generationentheorie" Meillets als Beispiel genannt. Antoine Meillet vertrat nämlich die Meinung, für den Sprachwandel sei in erster Linie der Diskontinuitätsfaktor bei der Weitergabe der Sprache an die Folgegeneration verantwortlich. Die nächste Generation übernehme die Sprachkompetenz der Älteren nie vollständig und intakt. 9 Die Meinung Leonardo Brunis ist in der Folgezeit nur noch selten vertreten worden: Lodovico Castelvetro (ca. 1505-1571) hat sich in seinen zwischen 1549 und 1563 entstandenen Giunte alle Prose de/ Bembo (die aber erst 1572 postum von seinem Bruder Giovanni Maria in Basel veröffentlicht wurden) ähnlich geäußert und noch später der Jurist, Philosoph und Literat Gian Vincenzo Gravina (1664-1718) im zweiten Buch seines Werkes Della Ragion Poetica (1708). 10 Großer Erfolg war hingegen der Auffassung Flavio Biondos beschieden, unter anderem auch deshalb, weil sie den Versuch einer authentischen historischen Erklärung darstellt. Sie wurde von vielen Forschem direkt oder indirekt übernommen und lebte in fast unveränderter Form bis Adam Smith und August Wilhelm Schlegel fort. Bekannt wurde sie unter dem Namen "Barbarenthese" oder „Germanenthese" (und was speziell Italien betrifft: „Langobardenthese"). Die moderne wissenschaftliche Form dieser These ist die von Walther von Wartburg entwickelte Superstrattheorie. 11 8 Harri Meier, Die Entstehung der romanischen Sprachen und Nationen, Frankfurt/ M. 1941 (= Das Abendland Forschungen zur Geschichte europäischen Geisteslebens. Herausgegeben von Herbert Schöffler, Bd. IV), S. 8-9. 9 Vgl. Antoine Meillet, "Comment ! es mots changent de sens", in: Id., Linguistique historique et linguistique generale, Bd. 1, Paris 1921, S. 230--271, bes. S. 235-236; Antoine Meillet, "Le developpement des langues", in: Id., Linguistique historique et linguistique generale, Bd. 2, Paris 1936, S. 7-83, bes. S. 73-76. Zum aktuellen Stand der diesbezüglichen Argumentation vgl. Clemens Knobloch, "Spracherwerb und Sprachwandel: Zweckehe oder ge: fährliche Liebschaft? ", in: Kennozuke Ezawa, Wilfried Kürschner, Karl H. Rensch, Manfred Ringmacher (Hgg.), Linguistik jenseits des Strukturalismus. Akten des II. Ost- West-Kol/ oquiums, Berlin 1998, Tübingen 2002, S. 105-122. 10 Vgl. Hans Wilhelm Klein, Latein und Volgare in Italien, München 1957 (= Münchener Romanistische Arbeiten, Heft 12), S. 56; Maurizio Vitale, La questione della lingua, Nuova edizione, Palermo 1984, S. 235. 11 „Den Begriff des Superstrats habe ich zum erstenmal am Romanistenkongress in Rom, Frühling 1932, verwendet. Er bildet die notwendige Ergänzung des Terminus Substrat. Wir werden von Superstrat dann sprechen, wenn ein später in ein Land eingerücktes Volk (meist Eroberer und also militärisch überlegen) allmählich die Sprache des älteren im Lande verbliebenen (und meist kulturell überlegenen) Volkes annimmt, ihr aber zugleich 160 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Was aber den von uns hier behandelten Zeitraum angeht, so wird dieselbe (oder doch eine sehr ähnliche Auffassung) auch von den anderen italienischen Humanisten, die wir eingangs erwähnt haben, vertreten. Einer davon ist der Universalgelehrte Leon Battista Alberti (1404-1472). Alberti, der seit 1432 in der päpstlichen Kanzlei in Rom tätig war, ist dem weniger Spezialisierten hauptsächlich durch die von ihm entworfenen Bauten und durch sein Werk De re aedificatoria als der „Florentinische Vitruv" bekannt. Doch umfaßt sein ungewöhnlich reiches schriftstellerisches Werk (von dem freilich vieles verloren ist) fast alle Wissensgebiete seiner Zeit von philosophischen Fragen bis hin zur Technik. Während der Jahre des Papstexils (1434-1443) folgte Alberti Bugen IV. nach Florenz, wo er in freundschaftlichem Gedankenaustausch mit den berühmten Künstlern und Gelehrten stand, die zu jener Zeit dort lebten. Zur Pflege und Aufwertung der Volkssprache veranstaltete er zusammen mit Piero di Cosimo de' Medici im Jahre 1441 einen Dichterwettbewerb, den Certame Coronario. Von seiner Meinung zum Verhältnis von Latein und Volgare spricht Leon Battista Alberti in dem 1437 geschriebenen Briefproömium zum dritten Buch seiner Schrift Delta famiglia, 'Über den Hausstand', die noch vor der Abreise von Rom entstanden war. In der klassischen Form der Anamnese eines Gesprächs früherer Jahre wirft er die Frage auf, wie es neben dem Verlust des Römischen Reiches, der sich ja durch den Freiheitsdrang der Völker immerhin erklären ließ, auch zur Aufgabe der lateinischen Sprache kommen konnte: 12 E forse non era da molto maravigliarsi se le genti tutte da natura cupide di liberta suttrassero se, e contumace sdegnorono e fuggirono editti nostri e leggi. Ma chi stimasse mai sia stato se non propria nostra infelicita cosi perdere quello ehe niun ce lo sottrasse, niun se lo rapi? E pare a me non prima fusse estinto lo splendor del nostro imperio ehe occecato quasi ogni lume e notizia della lingua e lettere latine. Proemio 4-5, P 5-6, RT 185-186 Die These Leonardo Brunis hält Alberti allerdings für abwegig und ungeeignet zur Erklärung dieses Verlusts. Denen dürfe man kein Gehör schenken, die behaupteten, die damalige Umgangssprache sei schon die gleiche gewesen wie die heutige, weil sie nicht glauben könnten, die Frauen hätten damals das komplizierte Regelwerk des Lateinischen beherrscht, das heute selbst den Gebildeteten Schwierigkeiten mache, und die lateinische Schriftsprache gewisse neue Tendenzen verleiht." (Walther von Wartburg, Die Ausgliederung der romanischen Sprachräume, Bern 1950, S. 155, Anmerkung 1). 12 Wir zitieren den Text nach' der kommentierten Ausgabe: Giuseppe Patota (Hg.), Leon Battista A/ berti, Grammatichetta e altri scritti su/ volgare, Rom 1996 (P) und nennen zusätzlich die Seitenzahl von: Leon Battista Alberti, / libri dellafamiglia. A cura di Ruggiero Romano e Alberto Tenenti, Turin 1969, 2 1972 (RT). Das Vorwort findet sich auch im Textanhang des genannten Buches von Mirko Tavoni, Latino, grammatica, volgare, in anderen Textausgaben von L. B. Alberti sowie in verschiedenen Sammelbänden. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 161 sei eine Schulerfindung, welche die breite Masse allenfalls verstanden habe, nicht aber habe aktiv verwenden können: Ne a me qui pare da udire coloro, e quali di tanta perdita maravigliandosi, affermano in que' tempi e prima sempre in ltalia essere stata questa una qual oggi adoperiamo lingua commune, e dicono non poter credere ehe in que' tempi le femmine sapessero quante cose oggi sono in quella lingua latina molto a' bene · dottissimi difficile e oscure, e per questo concludono la lingua in quale scrissero e dotti essere una quasi arte e invenzione scolastica piu tosto intesa ehe saputa da' molti. Proemio 9, P 7, RT 186 Für Alberti gab es im öffentlichen wie im privaten Leben nur eine lateinische Sprache: E domanderei chi in publico o privato alcuno ragionamento mai usasse se non quella una, quale perche a tutti era commune, pero in quella tutti scrivevano quanto e al popolo e tra gli amici proferiano. Proemio 11, P 8, RT 186-187 Es hat den Anschein, daß Leon Battista Alberti diese eine Sprache einfach mit dem literarischen Lateinischen, einer nunmehr verlorenen cultissima ed emendatissima lingua, identifiziert. Wenn diese Deutung zutrifft, so geht er damit über den Standpunkt Flavio Biondos hinaus, der bei der Annahme einer einheitlichen lateinischen Sprache doch eine gewisse innere Differenzierung zwischen Umgangssprache und Schriftsprache eingeräumt hatte. Schuld am Niedergang dieser Sprache seien die Barbaren. Mehrfach hätten sich fremde Völker in Italien niedergelassen: Gallier, Goten, Vandalen, Langobarden und andere unkultivierte Stämme. Notgedrungen oder freiwillig hätten sich nun die Leute um erhoffter Vorteile willen die eine oder andere Sprache der Invasoren angeeignet, umgekehrt auch die Zuwanderer die vorgefundene, freilich mit mancherlei Barbarismen durchsetzt und mit fehlerhafter Aussprache. Durch diesen Mischungsvorgang sei die vorher so gepflegte Sprache im Verlaufe der Zeit verwildert und verdorben: Pu Italia piu volte occupata e posseduta da varie nazioni: Gallici, Goti, Vandali, Lop.gobardi, e altre simili barbare e molto asprissime genti. E, come necessita o volonta inducea, i popoli, parte per bene essere intesi, parte per piu ragionando piacere a chi essi obediano, cosi apprendevano quella o quell'altra lingua forestiera, e quelli strani e avventizii uomini el simile se consuefaceano alla nostra, credo con molti barbarismi e corruttela del proferire. Onde per questa mistura di di in di insalvatichi e viziossi la nostra prima cultissima ed emendatissima lingua. Proemio 7-8, P 6-7, RT 186 Die Meinung, daß die einfachen Leute im Altertum kein korrektes Latein gekonnt hätten, scheint auch in Ferrara umgegangen zu sein. Denn der dort wirkende illustre Gräzist Guarino Veronese (Guarinus Veronensis) (1374- 162 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus 1460) sieht sich im Jahre 1449 gehalten, den Fürsten Leonello d'Este, dessen wissenschaftlicher Lehrer er gewesen war, von diesem Irrtum abzubringen. In seinem Brief Guarinus Veronensis Ill. Principi Leonello Marchioni Esten.si de lingue latine differentiis vertritt er die Auffassung Flavio Biondos, die er jedoch mit den Argumenten des geschulten Grammatikers noch besser zu begründen weiß. In der Geschichte des Lateinischen unterscheidet er in Anlehnung an Isidorus vier Phasen. Nachdem das Latein in der dritten Phase seine volle literarische Blüte entfaltet hatte, begann die Verderbnis. In mehreren schmutzigen Wellen schwappte das Barbarentum ins Land und besudelte unwiderruflich den vormals makellosen Glanz der Sprache: Quarta deinde mixta quaedam emersit seu potius immersit lingua, quam rectius corruptelam linguae quis dixerit. lrrumpentibus nanque per varias tempestates gentibus in Italiam, quaedam sicuti colluvio sordium et polluta barbaries confluxit inquinate loquentium; unde romani sermonis prophanata est puritas et prior illa maiestas velut e senatu deiecta degeneravit, infundentibus modo se Gallis nunc Germanis alias Gotthis et Longobardis, quorum indeleta vestigia luculentum illum romanae suavitatis splendorem macularunt et instar faecis obscenarunt. 20-21, T 231 13 Im gleichen Jahre, in dem Guarino seinen Brief an den Fürsten Leonello verfaßte, spielt auch das (reale oder fiktive) Gespräch, das Poggio Bracciolini darstellt: Utrum priscis Romanis Latina lingua omnibus communis fuerit, an alia quaedam doctorum virorum, alia plebis et vulgi, tertiae convivalis historiae disceptatio (1450). Gian Francesco Poggio Bracciolini (1380-1459) ist auch den weniger mit der Zeit des Humanismus Vertrauten als der Entdecker vieler antiker Texte bekannt. Nach humanistischen und juristischen Studien in Florenz brachte ihn seine kalligraphische Fertigkeit in Kontakt mit Coluccio Salutati und Leonardo Bruni, durch deren Empfehlung er als apostolischer Schreiber, dann als Sekretär, an die Kurie in Rom gelangte. In unruhiger Zeit stand er in den Diensten mehrerer Päpste. In der Zeit des Konstanzer Konzils (1414- 1418) glückten ihm bei der Durchforschung der Klosterbibliotheken in der Schweiz, Frankreich und Deutschland viele seiner spektakulären Handschriftenfunde. Nach fünf weniger glücklichen Jahren in England (1418- 1423) trat er erneut in den päpstlichen Dienst, der ihm die Fortführung seiner humanistischen und antiquarischen Studien gestattete sowie die Verfassung einer Reihe von Schriften, die ihn als scharfsinnigen Beobachter der Menschen und ihrer Institutionen erweisen. In fortgeschrittenen Jahren heiratete er (1436), nicht ohne diesen Entschluß in dem Dialog An seni sit uxor ducenda zu rechtfertigen. 1453 übernahm er das Kanzleramt von Florenz, 13 T bezieht sich wiederum auf den Textanhang des genannten Buches von Mirko Tavoni, Latino, grammatica, volgare, wo der Brief Guarinos S. 228-238 abgedruckt ist. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 163 das vor ihm die humanistischen Gelehrten Coluccio Salutati, Leonardo Bruni und Carlo Marsuppini (1398-1453) innegehabt hatten. Ermüdet von Auseinandersetzungen und Kritik zog er sich 1458 ins Privatleben zurück und verstarb am 30. Oktober 1459 in seinem Landhaus in der Nähe seines Heimatortes. In seinem Dialog über die Sprache im alten Rom nimmt Poggio Bracciolini wieder Bezug auf den Brief Leonardo Brunis an Flavio Biondo. Ja, Leonardo habe ihm sogar einmal gesagt, er habe den Brief unter anderem deshalb geschrieben, um ihn, Poggio, zu einer Antwort auf seine These herauszufordern, was indes die vielen anderen Pflichten bislang verhindert hätten: Leonardum quippe memini dixisse mihi etiam se conscripsisse epistolam, quo me alliceret ad respondendum. Et certe is mihi animus semper fuit, ut aliquid contra suam sententiam scriberem, sed variae occupationes fuere hactenus impedimento. 10, PFO 52-53, T 240 14 Nun aber sei einmal die nötige Muße vorhanden, um dieser Aufforderung nachzukommen. Und obwohl nach der Kunstregel eigentlich zuerst die gegnerische Behauptung zu widerlegen und erst dann die eigene zu begründen sei, wolle er in diesem Falle umgekehrt verfahren und zuerst die vielen Hinweise auf den tatsächlichen Gebrauch des Lateins bei den Menschen im alten Rom benennen. Einen ersten habe man schon in dem Namen lingua / atina selbst. Denn offenkundig habe man ja damit die Sprache der in Latium wohnenden Bevölkerung bezeichnet. Ebenso wie man jetzt französisch, spanisch, deutsch, italienisch oder griechisch die Sprache nenne, welche jeweils von Franzosen, Spaniern, Deutschen, Italienern, Griechen gesprochen werde, so müsse auch die lingua latina eben jene Sprache gewesen sein, die bei den Latinern gesprochen wurde: Nam sicut linguam dicimus gallicam, hispanam, germanam, italam, qua Galli, Hispani, Germani, Itali loquuntur, item de graeca et reliquis, eodem modo et latinam linguam eam fuisse oportet, quae in communi erat usu apud Latinos. 14, PFO 53, T 240 . Wenn aber die Leute damals etwas anderes gesprochen hätten als Latein, dann hätten sie dafür auch einen Namen gehabt. In der Überlieferung sei aber immer nur von lingua latina die Rede. So sei die lingua latina nach den Latinern benannt, weil sie allein und niemand sonst sie gesprochen habe. Äußerst verwunderlich sei daher die Auffassung derer, die da meinten, die 14 Wir nennen die Satzzahl, die Seitenzahl der Baseler Ausgabe: Poggii Florentini opera, Basileae 1538 (PFO) und die Seitenzahl im Textanhang von Mirko Tavoni, Latino, grammatica, volgare (T). 164 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus alten Römer hätten sich gemeinhin anders als in lateinischer Sprache verständigt: Si enim alia loquela usi forent, et illa suum aliquod nomen nacta fuisset. Sed solam Iinguam latinam legimus illorum vemaculum sermonem extitisse. ltaque a Latinis Iingua est dicta latina, qua hi turn soli, non alii, utebantur; quanquam non parum admiror illorum doctrinam, qui alio quam latino sermone priscos Romanos vulgo locutos volunt. 17, PFO 53, T 241 Poggio führt dann einige Beispiele für die Erhaltung sonst aufgegebener lateinischer Wörter in der römischen Mundart, besonders im Sprachgebrauch der Frauen, an. Auch ist ihm aufgefallen, daß die spanische Sprache, die doch auf weit von der Hauptstadt entfernt siedelnde Kolonisten zurückgeht, ganz überwiegend bei dem lateinischen Wortgut geblieben ist, ja daß sie in manchen Fällen lateinische Etyma und Endungen bewahrt hat, die im italienischen Volgare ersetzt worden sind. Nachdem er die Namensevidenz und die Relikte als Argumente angeführt hat, belegt Poggio seine Auffassung, daß das Lateinische zweifellos die Sprache der alten Römer war, ausführlich und kenntnisreich aus den literarischen Quellen. An erster Stelle beruft er sich auf die Einleitung zu Quintilians Institutio Oratoria. Dort werde nämlich darauf hingewiesen, wie wichtig es für die künftigen Redner sei, daß sie sich schon im Vorschulalter in einer Umgebung bewegten, in der ein korrektes Latein gesprochen werde, so daß sie von Anfang an Norm und Grundlage der Beredsamkeit in sich aufnähmen. Dieser Ratschlag aber wäre ja überflüssig gewesen, wenn das Lateinische damals nur durch die Schulmeister gelehrt worden wäre und nicht durch den gemeinsamen Gebrauch im Hause von Kindesbeinen an: Sed in primis non videntur praetereunda quae a Quintiliano traduntur in sui operis primordio, cum Ioquitur de pueris ad artem oratoriam educandis. Vult enim turn nutrices, turn caeteros quibuscum pueri versantur elegi qui recte Ioquantur Iatine, ut ea Iingua pure et eleganter simul cum lacte nutricis percipiatur, ut domi habeant a quibus bene Ioquendi normam et initia eloquentiae a teneris annis imbibant. Quod consilium supervacaneum esset, si Iingua latina tune in scholis a praeceptoribus tradita extitisset, et non domestica loquela communi ab ipsa infantia suscepta. 30-32, PFO 54, T 242 Freilich läßt Quintilians Mahnung zugleich vermuten, daß man unter den Hausangestellten oft Personen antraf, bei denen es mit der sprachlichen Korrektheit nicht so gut bestellt war. Poggio führt denn auch eine weitere Stelle an, wo Quintilian bemerkt, manche Sprecher wüßten nicht, nach welcher Deklination das Wort senatus zu flektieren sei. Einfach nur lateinisch zu sprechen und das Lateinische grammatisch korrekt zu sprechen, sei daher zweierlei: Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 165 Idem in primo sui operis libro, cum de grammatica disputat: "Quid" inquit „de aliis dicam, cum senatus, senatus, senatui, an senatus, senati, senato faciat, incertum sit? Quare mihi non invenuste dici videtur aliud esse latine, aliud grammatice loqui." 15 37, PFO 55, T 243 Für seine Argumentation schließt Poggio hieraus, daß die Fähigkeit, lateinisch zu sprechen, alle besaßen; aber nur die Gebildeten (welche das Wort senatus richtig der vierten und nicht fälschlich der zweiten Deklination zuordneten) hätten auch die Fähigkeit gehabt, es-grammatisch korrekt zu sprechen. Denn nur sie hätten durch Regelkenntnis beurteilen können, was die übrigen sich unreflektiert durch den Gebrauch angeeignet hätten: Quibus constat verbis omnes latine, sed non omnes grammatice loqui solitos, cum latinam linguam omnibus tribuat, grammaticam, hoc est loquendi doctrinam, literarum peritis. Latine igitur omnes, sed emendatius docti loquebantur, a quibus senatum quartae declinationis dici affirmat, ab indoctis secundae. Docti enim ratione iudicabant quod alii usu assequebantur, nulla suorum verborum ratione habita. 38-39, PFO 55, T 243 Poggio bringt dann noch zahlreiche weitere Belege aus der römischen Literatur, welche die Meinung, das uns überlieferte Latein sei wirklich die Sprache der Menschen im alten Rom gewesen, unabweisbar machen. Daß das Lateinische im Rom der Antike tatsächlich gesprochen wurde, bekräftigt in zwei Briefen auch Francesco Filelfo (1398-1481 ). Filelfo, der aus Tolentino in der Provinz Macerata stammte, wurde schon in jugendlichem Alter zum akademischen Lehrer berufen. Seit 1420 war er Bürger der Republik Venedig, die ihn in diplomatischer Mission nach Konstantinopel sandte, wo er sich dem Studium des Griechischen widmete und die Großnichte des Begründers der griechischen Studien in Italien, Manuel Chrysoforas, heiratete. Eine angebotene Griechischprofessur führte ihn 1427 zurück in die Lagunenstadt, doch konnte er die Stellung durch unglückliche Umstände (in Venedig wütete die Pest) nicht antreten. Nachdem er in Florenz, Siena und Bologna gelehrt (und sich in Auseinandersetzungen verwickelt) hatte, fand er 1439 Anstellung in Mailand, wo er in den Diensten der Visconti, dann der Sforza, über vierzig Jahre verbleiben sollte. Ständig aber war seine ökonomische Lage prekär (aus drei Ehen hatte er zwölf Söhne und zwölf Töchter), und bis in seine letzten Lebensjahre war er auf der Suche nach einer auskömmlichen Position. Mit über achtzig Jahren wurde er endlich auf einen wohldotierten Lehrstuhl in Florenz berufen, doch überlebte er die Anreise nicht. 15 Quintilian, lnstitutio oratoria l, 6, 27. Um es sich dienstbar zu machen, löst Poggio. das Quintilianzitat allerdings aus seinem Zusammenhang (der Analogiediskussion). Hierauf hat Mirko Tavoni, Latino, grammatica, volgare, cit., S. 243, hingewiesen. 166 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Filelfos Hang zu Parteinahme und Polemik sind für die Wechselfälle seines Lebens sicher mitverantwortlich. Zweifellos aber gehört er zu den großen Humanisten des 15. Jahrhunderts. Sein umfangreiches (bis heute nur zum Teil erschlossenes) Werk umfaßt neben Reden, Kommentaren und Didaktika Übersetzungen aus dem Griechischen, Biographien, verschiedene Traktate, lyrische Arbeiten u.a.m. Von Bedeutung sind die Convivia Mediolanensia (1443), die Satyrae (1431-1449), De morali disciplina (1473), besonders aber seine Briefe (darunter 110 in griechischer Sprache), die im 16. Jahrhundert mehrfach im Druck erschienen. Zum Verhältnis von Latein und Volgare äußert sich Filelfo in zwei Briefen. Den ersten schrieb er 1451 an den jungen Sforza, den zweiten ausführlicheren 1473 an Lorenzo de' Medici in der (wiederum vergeblichen) Hoffnung, an das Florentiner Studio berufen zu werden. 16 In beiden Briefen erwähnt er neben den konträren Meinungen Leonardo Brunis und Flavio Biondos auch den Beitrag Poggio Bracciolinis, den er freilich nicht zu seinen Freunden zählte. Für Filelfo wurde im alten Rom nur ein Latein gesprochen, die Sprache des Volkes und die der forensischen Rede waren eine und dieselbe: Nulla, inquam, alia oratione universum romanum populum usum arbitror, quam ipsa illa quam solet hie idem Cicero forensem popularemque appellare. FPSS 4, T 274 17 Die philosophische Fachsprache wie auch die Sprache der Dichtung hätten allerdings manche Besonderheit gezeigt. überhaupt gebe es natürlich in allen Kultursprachen gewisse Unterschiede zwischen dem sermo litteralis und dem sermo matemus, nicht aber solche, die diese beiden Formen durch unterschiedliche Grundmerkmale voneinander zu trennen vermöchten: Quod, ut certo credam, cum alia plaeraque argumenta possunt adduci, turn illud in primis: novimus Hebraeos et Graecos, audimus item Aegyptios, Arabas, Assyrios, Persas, et eodem modo reliquas omnis nationes quibus propria est suaque grammatica, cum alio sermone uti litterali et alio vulgari, litteralis limatior est fortassis et proprius magis quam matemus, non alius tarnen omninoque diversus quo ad dictionum variationem, declinationem, enunciationem, desinentiam. FPSS9, T275 Was aber Leonardo Brunis Argument angeht, die komplizierte Flexion des klassischen Lateins sei für das einfache Volk zu schwer gewesen, auch Poggio hatte ja eingeräumt: omnes latine, sed non omnes grammatice loqui 16 Nach anderen ging es um eine Anstellung in Pisa. Zu Filelfos Bewerbung um einen Lehrstuhl in Florenz vgl. Jill Kraye, "Francesco Filelfo's lost letter 'De Ideis'", Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 42 (1979), S. 236-249. 17 Wir nennen die Satzzahl des Briefes Franciscus Philelphus Sphortiae Secundo (FPSS), des Briefes Franciscus Philelphus Laurentio Medici (FPLM) und die Seitenzahl im Textanhang der Monographie von Tavoni (T). Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 167 solitos so kann Filelfo auf eigene Erfahrungen während seines langen Aufenthalts in Konstantinopel und auf seine praktische Kenntnis der dort gesprochenen griechischen Verkehrssprache verweisen: Die einfachen Leute sprächen durchaus mit korrekter Morphologie. Wenn Leonardo und Poggio das Griechische in seiner schrift- und umgangssprachlichen Form beherrscht hätten, wäre ihnen ihr Irrtum nicht unterlaufen: Si et Leonardus et Poggius graecam litteraturam vulgaremque linguam tenuissent, nunquam in tantum cecidissent erroris. Sed litteraturam Leonardus mediocriter tenebat, quam Poggius ignorabat omnino; at linguam vulgarem sciebat neuter. Mediusfidius mulierculae ipsae graecae et declinabunt nomina per omnis casus ac numeros, et variabunt verba per omnia tempora ac modos, servatis personis, numeris ac temporibus longe melius quam uterque ipsorum ea, quae nostrae sunt aut latinitatis aut litteraturae: quos constat in plaerisque minus aliquando diligentis fuisse, et praesertim Poggium. 18 FPLM87-88, T 294 Als Beleg für die Tatsache, daß das überlieferte Latein im alten Rom tatsächlich das übliche Verständigungsmittel war, führt Filelfo eine Anzahl von Stellen aus der lateinischen Literatur an, die größtenteils schon von Flavio Biondo und Poggio Bracciolini herangezogen worden waren. Völlig abwegig aber erscheint ihm die These, die Römer hätten als Volkssprache das italieni- 18 Was_ das in Konstantinopel gesprochene Griechisch angeht, so kann Filelfo allerdings auf Grund seines langen Aufenthaltes in der Stadt aus eigener Erfahrung sprechen. Gleichwohl hat den Einfall, das gesprochene Griechisch als Argument in die Diskussion einzubringen, nicht er, sondern Guarino Veronese zuerst gehabt (Guarinus Veronensis III. Principi Leonello Marchioni Estensi de lingue latine differentiis 44--45), der ebenfalls in Konstantinopel gewesen war (vgl. M. Tavoni, Latino, grammatica, volgare, cit., S. 176). Bezeichnend filr Filelfos philologische Akribie, aber auch filr seine Animosität und argumentative Engherzigkeit ist es, daß er seinen Widersachern in beiden Briefen einen Übersetzungsfehler vorwirft (FPSS 32, T 279-280; FPLM 91-93, T 294-295). Wo nämlich Leonardo Bruni bemerkt, das einfache Volk im alten Rom habe das Schriftlatein in etwa so verstanden wie die Sprecher des Volgare die lateinische Meßfeier, verwendet er den Ausdruck Missarum solemnia. Diese Übersetzung von gr. i..1wto1>pyia tadelt Filelfo als unkorrekt "neque latine dictum reor, nec grammatice"), weshalb er vorschlägt, sie durch celebrationes corporis Christi (FPSS 32) bzw. sacrum obsequium (FPLM 93) zu ersetzen. Doch hat Filelfos grammatisches Raisonnement "Verum quid Missas mihi Leonardus aut Poggius appellat, quas nemo unquam doctus in universa ecclesia christiana ex omni antiquitate nominavit? Nec congrue quisquam dicat: missa enim participium est, quod per sese stare sine substantivo non potest. Nam quod in fine huius consecrationis a sacerdote dicitur: «Ite missa est», «ad Christum oratio» intelligatur necesse est") bekanntlich die (schon im 4. Jahrhundert belegte und seit dem 6. Jahrhundert übliche) Verwendung des Ausdrucks missa 'Messe' nicht unterbinden können. Bezüglich der elliptischen Natur und der Erklärungsbedürftigkeit von missa hat Filelfo allerdings Recht, und die bis in die jüngere Zeit diskutierte Frage fand ihre Lösung erst in einer meisterhaften Untersuchung Pagliaros, welcher gezeigt hat, daß das elliptische Subjekt von missa eben die (zu den abwesenden Brüdern gesandte) Eucharistie selbst war: Antonino Pagliaro, "La formula «ite, missa est»", in: Id., Altri saggi di critica semantica, Messina-Florenz 1961, S. 127-182. 168 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus sehe Volgare benutzt. Denn wäre dies der Fall gewesen, so müßten doch auch Schriften in dieser Sprache die Zeiten überdauert haben, ebenso wie es in der Gegenwart neben der lateinischen Literatur eine volkssprachliche gebe: Et omnium primum illud mihi videor indubitato posse ac dilucide affirmare, nihil magis abhorruisse a communi loquendi Romanorum consuetudine, quam hanc vulgarem linguam qua nunc omnis utitur Italia. Nam, si huiusmodi sermone prisci Romani illi essent usi, extarent aliqua eorum scripta, aliqui libri, aut versu aut soluta oratione, qualia videmus hac tempestate volumina plurima perdocte et eleganter scripta ab iis qui proximis temporibus claruere: duobus Guidonibus florentinis, Dante Aldigerio, Francisco Petrarca, Ioanne Boccacio, et Asculano Ciccho aliisque quam plurimis, quorum monimenta nulla unquam memoria obscurabit. ' · FPLM3--4, T281 Daher habe die gegenwärtig in ganz Italien (wenn auch je nach Gegend in unterschiedlich schäbiger Gestalt) gesprochene Volkssprache überhaupt nichts mit jener ehrwürdigen Sprache gemein, welche zu Ciceros Zeiten im Gebrauche war. Und dies sei nicht verwunderlich. Habe doch der Einbruch mannigfacher Barbarenvölker Sprache, Sitten sowie Kunst und Würde der Rede verwirrt und in den Schmutz gezogen: ltaque lingua haec vulgaris qua nunc universa loquitur Italia, tametsi in alia quam in alia eius regione deterius, nihil habet omnino commune cum vetusto illo sermone qui Ciceronis memoria erat in usu. Et ne id quidem mirum, cum tot deinceps barbarae gentes in Italiam irruerunt. Vandali, Hunni, Gotthi, Longobardi, Germani, Burgundiones, Britanni, Franci, Belgae et aliae atque aliae nationes, quae et linguam ipsam et mores doctrinamque omnem maiestatemque dicendi confuderunt atque inquinarunt. FPLM5-6, T281 Filelfo erklärt die Entstehung des Volgare also wie Flavio Biondo durch die „Barbarenthese". Doch greift er auch den von Cicero, Flavio Biondo und Poggio Bracciolini angeführten Gedanken auf, daß Roni im Laufe seiner Geschichte viele fremdsprachige Völker integriert habe, wodurch sich verstehen lasse, daß manche Sprecher bei gewissen Flexionsparadigmen fehlerhafte Formen verwendeten (FPLM 64-72, T 290-292). Filelfos „Barbaren" sind daher zum Teil Substrat-, zum Teil Superstratvölker. Aufs ganze gesehen übertreibt Filelfo offensichtlich bei der Annahme einer weitgehenden Deckungsgleichheit von Literatursprache und Volkssprache im alten Rom. Andererseits aber überzeichnet er die Distanz und Unversöhnlichkeit zwischen der lateinischen Volkssprache und dem italienischen Volgare seiner Zeit. Vom Verhältnis zwischen Latein und Volgare hat auch der streitbare Humanist Lorenzo Valla (Laurentius Vallensis) (1407-1457) gesprochen. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 169 Nach Studien in Rom wurde er alsbald auf den Lehrstuhl für Rhetorik von Pavia berufen, den er nach Auseinandersetzungen mit den dortigen Juristen nach knapp zwei Jahren wieder verließ. Von 1435 bis 1448 war er Sekretär Alfons' V. von Arag6n in Neapel, danach Apostolischer Sekretär und seit 1450 zugleich Professor für Rhetorik in Rom. Im Schulwissen behauptet Lorenzo Valla seinen Platz vor allem durch seinen um 1440 entstandenen (aber erst 1517 von Ulrich von Hutten herausgegebenen) Nachweis, daß es sich bei der sogenannten Konstantinischen Schenkung um eine historische Fälschung handelt: De / also credita et ementita Constantini donatione declamatio. Valla verfaßte Übersetzungen aus dem Griechischen, philosophische, theologische und historische Schriften: De voluptate (1431); De libero arbitrio (1437); Dialecticae libri tres, seu reconciliatio totius dialecticae et fundamentorum universalis philosophiae (1439); In Novum Testamentum ex diversorum utriusque linguae codicum collatione adnotationes (1449); Historiarum Ferdinandi regis Aragoniae libri III (1445-1446) u.a.m. Berühmt waren seine Elegantiarum latinae linguae libri VI, die zwischen 1435 und 1444 geschrieben wurden, 1471 im Druck erschienen und bis zum Jahre 1536 schon 59 Ausgaben erfahren hatten. Valla ist der erste Vertreter eines neuen kritischen und wissenschaftlichen Humanismus. Sein Ziel war die Erneuerung der lateinischen Schriftsprache, die Wiedergewinnung der besten Latinität der klassischen Autoren. Dadurch aber geriet er in Gegensatz zu den vorwiegend empirisch verfahrenden Humanisten der ersten Generation, die ihren lateinischen Sprachgebrauch seiner Ansicht nach nicht streng genug von der mittelalterlichen Latinität abgrenzten. Besonders brachte er den um siebenundzwanzig . Jahre älteren Poggio Bracciolini gegen sich auf, und zwischen 1451 und 1453 kam es zwischen den beiden Gelehrten zu einem erbitterten Streitschriftengefecht, bei dem auch persönliche Verunglimpfungen nicht fehlten: 0 caput asininum! 0 stolidam ac praeduram cervicem! 0 cerebrum omni sale vacuum! Hie latrator furibundus verba fundit insani more, quicquid in buccam venit expuit ex tenpore tanquam pueri solent cum quid nimis calidum degustarint. Poggio Bracciolini, Oratio II, 231 In diesem Zusammenhang steht auch Vallas Stellungnahme zu der Florentiner Kontroverse aus dem Jahre 1435. In seinem Dialog Apologus II hat er sich nämlich die Widerlegung und den Verriß der Tertiae convivalis historiae disceptatio Poggio Bracciolinis vorgenommen, ein Ziel, dem sein eigentliches Interesse an den sprachlichen Verhältnissen im alten Rom durchaus nachgeordnet ist. 19 Im großen und ganzen aber leuchtet ihm die 19 Dies hat Angelo Mazzocco unlängst zu Recht bemerkt: "Given these many flaws, Apologus Il cannot be considered a fundamental contribution to the Florentine debate as contemporary scholarship argues." (Angelo Mazzocco, Linguistic theories in Dante and the Humanists. Studies of language and intel/ ectual history in / ate Medieval and early Re- 170 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Auffassung Leonardo Brunis mehr als die seiner Gegner ein. Wie diesem erscheint es ihm absurd, daß die Kinder in der Antike mühelos und spielerisch die Beherrschung des Lateinischen erlangt hätten, die bei den Heutigen selbst nach langjährigen Bemühungen nur unzureichend sei: Sed qui fieri potest ut quod nos tanto studio ac labore, instantibus preceptoribus, pedagogis, patribus, in assidua scholarum ac condiscipulorum consuetudine, intra tot annos nequimus assequi loquor de grammatice fando id illi infantes inter lusum, nullo instante, intra biennium ex quo ceperant posse verba proloqui, assequerentur, ita ut oratores ac poetas intelligerent, quos vix nos intellegere exacta pueritia possumus? Apologus II, 81, T 272 Um aber den stichhaltigen Einwänden gegen Brunis Identifizierung von moderner und antiker Volkssprache zu entgehen, nennt er diese eine Unterstellung. Bruni habe gar nicht bestritten, daß auch die Volkssprache eine Art des Lateinischen gewesen sei. In diesem Sinne werde übrigens bis in die Gegenwart in Rom noch Lateinisch gesprochen, wenn auch ein ziemlich verändertes: LAU. Ego vero etiam hodie Romanos loqui latine fateor. Po. At multum differenter a priscis. LAU. Et istud quoque fateor [...] Apologus II, 73, T 271 Ebenso äußert sich Valla im Antidatum 1, einer vorausgehenden Streitschrift (in der er Poggios Kritik an seinen Elegantiae zurückweist). Sicher müsse man auch die heute in Rom gesprochene Sprache Latein nennen, wenn auch ein sehr degeneriertes. Denn es sei ja nicht anzunehmen, daß von irgendwoher eine andere Sprache gekommen sei und die dort angestammte aus ihren Rechten verdrängt, in die Verbannung geschickt und auf ferne Inseln verbracht habe. In ähnlicher Weise habe sich übrigens auch das grammatisch verwendete Latein gewandelt, so daß Cicero, käme er unter die Lebenden zurück, es kaum wiedererkennen würde: Certe que nunc lingua in usu Romanis est Latina appellanda est, et si multum degeneravit ab illa prisca. Non enim credibile est aliam quandam nescio unde venisse linguam et illam veterem e possessione deiecisse et in exilium relegasse atque in insulas deportasse; cum videamus idem contigisse in lingua grammatice loquentium, quam tu Latinam vocas, que adeo ab illa veteri differt ut vix eam Cicero si a mortuis redeat queat intellegere. Antidotum I, II, 186 naissance Italy, Leiden 1993 (= Brill's Studies in Intel/ ectual History, Bd. 38), S. 206). Mirko Tavoni und einige andere Interpreten der jüngeren Zeit hätten sich dagegen von Vallas polemischer und zum Teil sophistischer Argumentation hinters Licht führen lassen. Die Florentiner Debatte zum Wesen des gesprochenen Lateins 171 Indem Valla die Volkssprache Latein nennt, wenn auch ein stark heruntergekommenes, sieht er immerhin das Lateinische als Grundlage des Italienischen (und eventuell anderer romanischer Sprachen) an. Das Wesen und die Herkunft der Volkssprache aber interessieren Valla eigentlich nicht. Seine ganze Zuwendung gilt der Wiedergewinnung und der Pflege des klassischen Lateins. Im Gegensatz zu anderen Humanisten hat er das Volgare nicht literarisch verwendet. Durch die „Barbarenthese" erklärt Valla denn auch an erster Stelle den Verlust der Schriftkultur, während er für die Verderbnis der Sprache beiläufig die Völkermischung verantwortlich macht: Nam postquam hae gentes [sc. Gothi et Vandali] semel iterumque Italiae influentes Romam ceperunt, ut imperium eorum ita linguam quoque, quemadmodum aliqui putant, accepimus, et plurimi forsan ex illis oriundi sumus. Argumento sunt codices gothice scripti quae magna multitudo est; quae gens, si scripturam romanam depravare potuit, quid de lingua praesertim relicta subole putandum est? ELLL, Praef LIII, LVO 80, G 610 20 20 Das Zitat steht in der Vorrede zu Buch m der Elegantiarum linguae latinae libri. Wir zitieren die Elegantiarum libri nach der Gesamtausgabe Laurentii Vallae opera, nunc primo non mediocribus vigiliis et iudido quorundam eruditissimorum virorum in unum volumen collecta, et exemp/ aribus variis collatis, emendata, Basel 1543 (LVO). Die Elegantiarum libri stehen auf den Ss. 1-235 des über tausendseitigen Foliobandes. Die Vorreden zu den Elegantiarum libri sind ferner abgedruckt in Eugenio Garin (Hg.), Prosatori latini de! Quattrocento, Mailand - Neapel 1952, S. 594--631; wir nennen auch die Seitenzahl bei Garin (G). 4.2 Andere Beiträge in den Texten der Humanisten Die Debatte der Humanisten um die wirklich gesprochene Sprache des Volkes im alten Rom hat aber noch einiges andere für das entstehende Wissen vom historischen Wesen der romanischen Sprachen eingetragen. Insbesondere Poggio Bracciolini kommt zu interessanten, wenn auch nicht völlig klaren Gedanken. Denn bei seiner kenntnisreichen Widerlegung der Brunischen Thesen aus den Quellen der lateinischen Literatur möchte er einem möglichen Einwand begegnen: Wenn ohnehin jeder im alten Rom Latein konnte, warum galt dann die Fähigkeit zur klaren lateinischen Rede als besonderes Verdienst? Und warum wandte man didaktische Mühe daran, sie zu erlangen? Dicet quispiam fortasse: si latine loquebantur omnes, quae tanta laus erat eorum qui pure, splendide, et latinis solum verbis loquerentur? Cur opus arte aut disciplina ad elimandam orationem? 73, PFO 58, T 249 Darauf entgegnet Poggio folgendes: Bekanntlich seien schon kurz nach ihrer Gründung und dann über lange Zeit hinweg Menschen fremder Zunge in die Stadt Rom eingewandert: Sabiner, Herniker, Vejer, Samniten, Umbrer, Etrusker, Osker. Der Dichter Ennius habe sich der Beherrschung dreier Sprachen gerühmt. Die Etrusker hätten eine andere Sprache und eine andere Schrift gehabt. Ganz zu schweigen von den Galliern, Germanen, Afrikanern, Hispaniern und anderen unterworfenen Völkern, deren Menschen später in der Stadt Aufnahme gefunden hätten, Wörter ihrer Muttersprache ins Lateinische getragen und damit seine Reinheit verdorben hätten: Scimus multos ac varios in urbem romanam populos, et ab initio conditae urbis, et longo etiam post tempore, qui sua lingua et verbis vemaculis utebantur, fuisse translatos: Sabinos, Hemicos, Veientes, Sannites, Umbros, Etruscos, Oscos, quibus varia a latino sermone loquendi forma inerat. Ennius gloriari solitus est se tria habere corda, hoc est tribus loqui linguis: graeca, latina, osca. Hetruscis et literae et verba fuere diversa ab Latinis. Mitto Gallos, Germanos, Aphros, Hispanos ac diversarum nationum gentes in servitutem redactas, quorum lingua inter se dissidens erat, qui omnes in urbe recepti, necesse fuit ut suis verbis latinam linguam inquinarent ex frequenti usu. 75-78, PFO 58, T 249-250 So seien etruskische und anderssprachige Wörter in Gebrauch gekommen, so daß das Lateinische einen durchmischten und verworrenen Charakter angenommen habe: Andere Beiträge in den Texten der Humanisten 173 Ita ut plura a Tuscis reliquisque nationibus verba ·in usum reciperentur praeter latina, ut sermo latinus, ex tarn variis verbis commixtus, confusior esse videretur. 79, PFO 58, T 250 Anders als bei der „Barbarenthese" wird hier also nicht nur der Einbruch der Germanen für den Verlust des bis dahin makellosen klassischen Lateins verantwortlich gemacht. Vielmehr nimmt Poggio wieder die Position Ciceros ein, die wir aus dem Brief Flavio Biondos kennen: Daß die sprachliche Reinheit eigens als Ziel der rhetorischen Ausbildung genannt wird, erklärt sich eben aus der Gefahr der Überfremdung. Über Cicero hinausgehend aber erkennt Poggio die Lehnwortaufnahme durch Sprachkontakt als ständiges Phänomen in der Geschichte der lateinischen Sprache. Wir finden bei Poggio also schon, wenn auch noch undeutlich, die Ansicht, daß Substratvölker auf die römische Latinität verändernd einwirkten und so zum späteren Entstehen der romanischen Sprachen beitrugen: Röm. Latein j j 1 1 1 1 Subsiatvölker "-..-.,~ i, ~c romanische Sprachen Diese Auffassung vertritt er zwar an erster Stelle für das Italienische, und im Zusammenhang mit seiner schon erwähnten Bemerkung zur Umgangsspra- · ehe in Rom stellt er fest, daß dort trotz der Völkermischung der lateinische Anteil am Wortschatz enorm groß geblieben sei: Turn hodie quoque magna ex parte, romanis praesertim mulieribus, incorruptior loquendi consuetudo permansit qua latina verba proferantur, ut mirum sit in tanta urbis vastitate, tanta diversarum quae urbem occuparunt gentium colluvione, tanta inundatione barbarorum qui urbe permanserunt, adhuc linguae latinae portionem vulgo in urbe resedisse. Longum esset referre latina verba quae nunc in eorum vulgari sermone sunt pene infinita. 18-19, PFO 53, T 241 Er erwähnt aber auch andere romanische Völker: zum einen die Hispani. Bei ihnen ist ihm aufgefallen, daß sie, obwohl ihnen das Lateinische einst indirekt und fern von Rom durch Siedler vermittelt wurde, manche lateinischen Wörter und Endungen bewahrt haben, die im Volgare Italiens verloren sind, wie cano, comer, malo, -s: Quid dicemus de Hispanis, tarn longe ab urbe remotis, quorum verbis maxima pars loquelae latinae permansit a colonis romanis, qui eo abierunt, perceptae? Multa ad verbum latine proferunt, quae ego in Curia ab his quibuscum consuevi prolata summa cum diligentia notavi: "Habeo capillos canos", senem dicentem 174 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus audivi, "aio comedendo aviculas", "in malas horas cremare", pluraque praeterea quae a memoria abierunt. 21 23-24, PFO 54, T 241-242 Von italienischen Reisenden hat Poggio zum anderen erfahren, daß sich selbst im fernen Sarmatien, wo unter Trajan eine römische Provinz bestand, die aber bald wieder aufgegeben wurde, mitten in ganz barbarischer Umgebung lateinische Wörter erhalten haben. Hieraus lasse sich ersehen, daß die damalige Kolonie lateinischer Sprache gewesen sei: Apud superiores Sannatas colonia est ab Traiano, ut aiunt, derelicta, quae nunc etiam inter tantam barbariem multa retinet latina vocabula ab Italis qui eo profecti sunt notata. Oculum dicunt, digitum, manum, panem, multaque alia quibus apparet ab Latinis qui coloni ibidem relicti fuerant manasse, eamque coloniam fuisse latino Sermone usam. 27-28, PFO 54, T 242 Dies ist also die erste Erwähnung der Rumänen als romanisches Volk. 22 Ernst Walser, Poggius Florentinus. Leben und Werke, Leipzig 1914, interpretiert diese Ausführungen so, als habe Poggio das Lateinische als die Quelle der verschiedenen romanischen Sprachen erkannt und glaubt daher, ihn als Wegbereiter der modernen romanischen Sprachwissenschaft betrachten zu dürfen: · "Poggio unternahm es in seinem III. Tischgespräch, die Deszendenz des Italienischen vom Latein zu beweisen." Und: "Das Neue und wahrhaft Epochemachende dabei aber ist, dass er völlig induktiv von den zeitgenössischen romanischen Sprachen und dem Dialekt der Stadt und Umgebung Roms auf die antike Sprache zurückschliesst" (S. 260). Ferner: "Indem Poggio aus vulgärsprachlichen Wörtern auf lateinische Etyma zu- 21 Noch vor Poggio hatte aber Guarino Veronese von der konservativen hispanischen Romanität gesprochen: Documento sunt romanarum coloniarum in hanc usque aetatem retentae reliquiae. Nuper cum subiratus et excandescens quidam herus in famulum inclamaret, erat autem ex lberia peregrinus in hoc ferrarinsi gymnasio: "vade, inquit, in malas horas cum carnes assadas anseres et anserinos." Quid latinius fere dici potest? Alter gentis eiusdem dixerat: "esta civitat habe formosas mulieres", cum in singulari numero diceret: "esta e formosa mulier" et „dico res honestas". (Guarinus Veronensis Jll. Principi Leonello Marchioni Estensi de lingue latine differentiis 50-51, T 236) 22 Vgl. Giuliano Bonfante, "'Note romene', Le prime parole attestate delle lingua romena", Revue des Etudes roumaines 5-6 (Paris 1960), S. 130-131. Die Latinität der Rumänen wurde jedoch schon früher (1200-1203) von Innozens m. in seiner Korrespondenz mit Jonitä (Kaloian), Kaiser der Bulgaren und Walachen, ausdrücklich behauptet, und noch früher, im 11. Jahrhundert, von dem byzantinischen Historiker Kekaumenos; vgl. Bonfante, a.a.O. Von den frühen Belegen der Kenntnis, daß das Rumänische auf das Lateinische zurückgeht, handelt dann ausführlicher: Giuliano Bonfante, "L'idea dell'origine latina de! Romeno nei diplomi e negli scrittori da! secolo VII al secolo XVIII", in: Id., Studii romeni, Rom 1973, S. 305-344. Andere Beiträge in den Texten der Humanisten 175 rückschliesst, treibt er recht eigentlich romanische Philologie" (S. 261 ). Carlo Tagliavini scheint Walser beizupflichten: "Ebenso erkannte er [sc. Poggio Bracciolini], daß direkt vom Lateinischen das Italienische und andere romanische Sprachen abstammten." 23 Diese Auffassung ist nun sicherlich übertrieben. Denn von einer Abstammung der romanischen Sprachen vom Lateinischen ist bei Poggio überhaupt nicht die Rede. Die Sprachmischung, die Poggio annimmt (und die übrigens ausschließlich den Wortschatz betrifft), ist eine rein mechanische: Die Sprachen, die er erwähnt, sind für ihn unter andere Sprachen gemischtes Latein, wobei der Anteil des Lateinischen (linguae latinae portio) auch weit geringer als der der anderen Sprachen sein kann. Die Kontinuität vom Lateinischen zum Romanischen ist Poggio weit weniger klar als zum Beispiel Lorenzo Valla, der diese Kontinuität, zumindest für das Italienische, ausdrücklich feststellt. Freilich darf man auch Vallas Einsicht in die tatsächlichen historischen Verhältnisse nicht überbewerten. Interessante Beiträge zum Wissen von den romanischen Sprachen haben ferner Paolo Pompilio und Aldo Manuzio geliefert. Paolo Pompilio, der nur 37 Jahre alt wurde (1454-1491), stammte aus Rom, wo er bereits in jungen Jahren hohes Ansehen als Humanist und Lehrer der Grammatik genoß. In einem Brief, den Ottavio Cleofilo 1474 an seine Freunde in-Ferrara schreibt, wird er schon mit kaum 20 Jahren unter den wichtigsten römischen Humanisten genannt. 24 In zwei Texten, die um das Jahr 1485 entstanden sind, knüpft er noch einmal an den Gegenstand der Diskussion aus dem Jahre 1435 an: Ex libro primo notationum Pauli Pompilii. De antiquitate linguae latinae. Caput vicesimum. - Item ex libro tertio notationum. Latinum sermonem olim promiscuum faisse. Caput sextum. 25 Paulo Pompilio wußte, wie es scheint, in Bezug auf die romanischen Sprachen viel mehr als andere Humanisten. Ausdrücklich erwähnt er die aus dem Lateinischen entstandene Sprache in Dakien: 23 Carlo Tagliavini, Einfahrung in die romanische Philologie. Aus dem Italienischen übertragen von Reinhard Meisterfeld und Uwe Petersen, Tübingen - Basel 2 1998, S. 5. 24 Vgl. Carlo Dionisotti, Gli umanisti e i/ volgare fra quattro e cinquecento, Florenz 1968, S. 27-37. 25 Die Stücke finden sich unter den Inedita, die Giovanni Mercati herausgegeben hat: "Paolo Pompilio e Ja scoperta del cadavere intatto nell'Appia nel 1485", jetzt in: Id., Opere minori, Bd. 4, Rom 1937, S. 268-286. Die Teile, welche die altercatio über die Sprache im alten Rom betreffen, sind unter den oben genannten Titeln in dem Textanhang von Mirko Tavoni, Latino, grammatica, volgare, S. 297-301, abgedruckt. Unsere Zitate folgen Tavonis auf Grund der Handschrift kritisch revidiertem Text {T). 176 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Addam nunc que a viris dignissimis quibus fides adhibeatur accepi, aliquot esse populos ad arctos, 26 qui etiam latine loquuntur: inter quos maxime clarent quos Vallachos nunc dicunt, olim puto Dacos appellatos. 1, 16, T 299 Einen Kaufmann mit langer Afrikaerfahrung hat er nach der dortigen Latinität befragt, und er stellt dabei Ähnlichkeiten derselben mit der Sprache Sardiniens fest, die er aus eigener Erfahrung kennt: Venit nuper ad urbem mercator quidam exploratae fidei a Tunete, homo Gerundensis, nomine Riaria; quem cum multa de Aphrica interrogassem, rettulit se maximam illius partem peragrasse, idque spatio triginta annorum, vidisseque in agro Capsensi regionem multis pagis habitatam, cui nomen est arabice Niczensa, et in montanis Gibel Oresc, ubi pagani integra pene latinitate loquuntur et ubi voces latinae franguntur, turn in sonum tractusque transeunt sardinensis sermonis, qui, ut ipse novi, etiam ex latino est. 27 IIl,1, T 301 Weiterhin vergleicht Pompilio das Französische und Spanische mit dem Italienischen, wenngleich nur in sehr allgemeiner Weise. Aber· auch ihm ist aufgefallen, daß das Spanische in mancher Hinsicht konservativer ist als das Toskanische: Galli et Hispani certe latina utuntur, corruptiore tarnen quam Latini, licet Hispani ulteriores et articulatius quam faciant ipsi Hetrusci loqui contendant. 1, 19, T299 Ja, er berichtet sogar von dem Plan, eine Art Wörterbuch der romanischen Sprachen zusammenzustellen: [...] vastum opus omnium vocabulorum per naturas rerum, addens nova vocabula perpolite conficta, quae a vulgaribus a septingentis annis hactenus per ltaliam, Galliam et Hispaniam et alias nationes latini nominis suborta sunt. D 35 28 In seiner Schrift De accentibus, Rom 1488, macht Pompilio ferner eine Reihe interessanter Beobachtungen über die Aussprache des Lateinischen in verschiedenen Ländern und versucht, einzelne Lautphänomene zu beschreiben. Die fehlerhafte Aussprache des Lateinischen sei durch den Umgang mit 26 Zu der irrtümlichen auf der mittelalterlichen Kartographie beruhenden Annahme, die Donaumündung liege im „hohen Norden", s. Mirko Tavoni, Latino, grammatica, volgare, S. 299, Anm. zu 16-17, und die dort verzeichnete Literatur. 27 Bei Niczensa handelt es sich möglicherweise um eine Verschreibung. Zu den Geographica s. den Kommentar bei Tavoni, Latino, grammatica, volgare, S. 301. Zur Nähe der sardischen und der afrikanischen Latinität s. Benvenuto Terracini, "Gli studi linguistici sulla Sardegna preromana", in: Id., Pagine e appunti di linguistica storica, Florenz 1957, S. 128-131; Max Leopold Wagner, La lingua sarda. Storia, spirito eforma, Bern 1951, Tübingen 3 1993, S. 129-130. 28 Zitiert nach Carlo Dionisotti, G/ i umanisti e il vo/ gare fra quattro e cinquecento, S. 35. Andere Beiträge in den Texten der Humanisten 177 den Barbaren nach .Italien und nach Rom selbst gelangt, und von den Provinzbewohnern sei der Klang des lateinischen Wortes verderbt worden. So sei besonders die Artikulation von E, 0 und U stark verändert worden: 29 Plurima pronuntiationis vitia in Italiam ipsamque urbem barbarorum commercio convecta sunt, et a provincialibus latinitatis sonus vitiatus est. Nam vocalium tenor, praesertim E, 0, U, varius et interdum triplex, ut multum alibi, alibi parum aperto ore pronuncientur. D35 Die Franzosen zum Beispiel hätten die Gewohnheit angenommen, 'das U gleichsam mit I zu mischen', eine Erscheinung, die bis zu den Galli Cisalpini in Oberitalien vorgedrungen sei: Galli U ita enunciant ut exufflare et cum I miscere velle videantur, ut cum US dicere volunt, dicant IUS ex I consono, ut ex Lucanus faciant Lucanius, enuntiantes emissivis labiis. Quod ad Cisalpinos Gallos etiam penetravit. D35 Offensichtlich will Pompilio damit sagen, daß die Galli U als Ü, also 'Lucanus' als [Lykanys] aussprechen. Bei den Katalanen werde C kaum noch von S unterschieden und das L mit interdentaler Zunge realisiert (offenbar eine Anspielung aufkat. / - > llim Anlaut: lliure, lluna): Catalani gens hispana vix sonum C a sono S dignoscunt, et L, posita inter dentes lingua, efferunt, quod olim labdacismum dixerunt. D35 Im übrigen Hispanien seien mannigfache Aussprachemängel anzutreffen. So . werde statt 'forsan' forsam gesagt. Im übrigen aber werde der Auslaut auf -M immer als -N realisiert, wie virun und verun für 'virum' und 'verum'. Es scheint, daß Pompilio sich hier auf die Nasalisierung im Portugiesischen bezieht: Ulterior Hispania plurimis vitiis abundat, utforsam pro forsan et dictiones finitas M semper cum N enuntient, ut virun bonun et verun est pro virum et verum. D35 Auch habe man sich in der Baetica eine häßliche Vokalhinzufügung vor stangewöhnt, während man ipse zu isse assimiliere (sp. estar < stare; ese < ipse): lnformes et illae additiones, ut pro sto esto dicatur, quod nunc maxime Bethicum est, et isse pro ipse. D36 Die Franzosen setzten die Akzente in gehörbeleidigender Weise falsch, betonten zum Beispiel bei stomachum die Mittelstatt die Eingangssilbe: 29 Wir zitieren die Schrift nach Dionisotti, a.a.O. (D). 178 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Illud peculiare Gallorum ut accentus acutos faciant ubi minus decet ingrato offendibilique sono, ut stomachum dicant media syllaba intensa. D36 Pompilio spricht zwar hier von romanischen Lauterscheinungen, dies jedoch nur indirekt; denn eigentlich bezieht er sich auf die Aussprache des Lateinischen. Daher geht er auch auf die Aussprachefehler anderer, nicht-romanischer Völker ein. Zum Beispiel hätten die Germani häufig die Unart, den sonoren Anlaut stimmlos zu verhärten, und sagten tominum für dominum und finum für vinum: Germanis frequens vitium teum pro deo proferre et tominum pro domino, et V consonum in F vertunt semper, ut Fendere pro Vendere, Finum pro Vino. D36 Die Engländer und Iren dagegen sprächen E anstelle von I und wiederum umgekehrt I anstelle von E: · Britanni et qui Nivemam colunt E pro I et I loco E emittunt ambigente auditore, utficet pro fecit et pescis loco piscis. D36 Diese und ähnliche Mängel aber seien für den Redner zu meiden wie die Pest: Haec omnia et plura his similia diserto viro ut pestes sermonis vitanda sunt. D36 Eine wichtige Bemerkung zum Romanischen verdanken wir auch dem großen Humanisten und Verleger Aldo Manuzio (1449-1515). Aldo Manuzio stammte aus Bassiano (Velletri) in Latium und erhielt in Rom seine erste humanistische Unterweisung. Dann widmete er sich in Ferrara dem Studium des Griechischen bei Battista Guarino, dem Sohn des Guarino Veronese. Nach einigen Jahren als Erzieher bei der Fürstenfamilie Pio ging er 1490 nach Venedig, um dort einen Druckverlag zur Publikation griechischer Werke zu begründen, ein Vorhaben, das durch das rege griechische Kulturleben der Emigranten in Venedig nach dem Fall Konstantinopels begünstigt wurde. In den Jahren zwischen 1494 und 1514 veröffentlichte er in dichter Folge fast alle wichtigeren erhaltenen Werke aus dem Kulturschatz der griechischen und lateinischen Antike in hoher kritischer und ästhetischer Qualität, dazu die großen Florentiner und Werke seiner eigenen Zeit. Seine Dante- Ausgabe aus dem Jahre 1502 zeigt zum ersten Male den berühmten von einem Delphin umwundenen Anker mit den beidseitigen Silben AL-DUS als Signum. Durch seine Entwicklung der Kleinformate mittels eigens geschaffener Typensätze kann Aldo Manuzio in gewisser Hinsicht als der Erfinder des modernen Buches gelten. Manuzio war aber auch selbst als Schriftsteller tätig und verfaßte neben zahlreichen Vorreden zu seinen Ausgaben auch Andere Beiträge in den Texten der Humanisten 179 lateinische Gedichte, zwei Biographien (von Arat und Ovid), eine lateinische und eine griechische Grammatik, eine Metrik und Übersetzungen. Im August 1496 publizierte Aldo Manuzio eine Sammlung griechischer grammatischer Schriften: Thesaurus Comucopiae et Horti Adonidis, die von Varino Favorino Camerte zusammengestellt worden war. In seinem Vorwort vergleicht er die beiden klassischen Sprachen Griechisch und Latein, wobei er feststellt, daß die erstere dem Lateinischen durch ihren Formenreichtum und ihre Flexibilität bei weitem überlegen sei. Damit wird die Rolle des klassischen Lateins als unveränderliches rhetorisches Ideal ausdrücklich in Frage gestellt. Die dialektale .Vielfalt des Griechischen betrachtet Manuzio gerade als einen großen Vorteil. In dieser Hinsicht vergleicht er unbefangen und ohne besondere Bevorzugung des Toskanischen die Dialekte des italienischen Volgare. Die Varietäten von Rom, Neapel, Kalabrien, und Sizilien seien verschieden. In Florenz spreche man anders als in Genua. Zwischen Venedig und Mailand, zwischen Brescia und Bergamo gebe es große Unterschiede von Sprache und Aussprache: 30 Imitamur tarnen hanc linguarum varietatem et copiam lingua vulgari. Non eadem est Romanis lingua quae Parthenopaeis, quae Calabris, quae Siculis. Aliter Florentini loquuntur, aliter Genuenses. Veneti a Mediolanensibus lingua et pronuntiatione multum intersunt. Alius Brixianis, alius Bergomatibus sermo. D2 Zur Illustrierung dieses Unterschiedes macht Manuzio dann einige mundartliche Beobachtungen, die denen Dantes deutlich überlegen sind. Das lateinische caput erscheine in der Volkssprache von Rom als capo, im Venezianischen dagegen entfalle das intervokalische p, so daß die Form cao laute. In der Poebene werde ao wiederum zu o verschmolzen, so daß das Wort zu eo werde. Und ähnlich sei es bei cenatus, cenao, ceno und in zahllosen anderen Fällen: Quod latine caput, vulgo Romani capo appellant. Veneti vero abiectione p litterae per concisionem dicunt cao. At qui Padum accolunt, ex ao crasin facientes, eo. Item cenato, cenao, ceno, et idem genus innumera. D2 Ebenfalls aus Venedig und aus der Zeit des Manütius stammt eine Charakterisierung der italienischen Dialekte von Marcantonio Coccio, genannt Sabellico (1436-1506). Sabellico, aus Vicovaro in Latium (daher „Sabellico"), wirkte als Lehrer der Rhetorik in Udine, dann in Venedig, und verfaßte neben verschiedenen humanistisch-philologischen Schriften vor allem zwei umfangreiche historische Werke, die Re'rum venetarum ab urbe condita ad Marcum Barbadicum libri XXXIII (Venedig 1487) und die 30 Wir zitieren wiederum nach C. Dionisotti, Gli umanisti e il volgare jra quattro e cinquecento (D). 180 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Enneades sive Rapsodiae historiarum, eine am Vorbild Flavio Biondos orientierte Universalgeschichte vom Anfang der Welt bis hin zu seiner eigenen Zeit. Nachdem er 1498 die ersten 63 in sieben Neunergruppen (Enneaden) unterteilten Bücher veröffentlicht hatte, schloß er das Werk 1504 unter Verzicht auf die letzten sieben Bücher der elften Enneade ab: Secunda pars enneadum Marci Antonii Sabellici ab inclinatione romani imperii usque ad annum MD/ III cum epitome omnium librorum et indice litterarum ordine digesto. Im Vorwort zur elften Enneade schreibt Sabellico das folgende zu den Dialekten Italiens: Italicus sermo neque ille est qui olim fuit, nec ab eo omnino diversus, sed barbaris vocibus plus minusve adulteratus, ut haec aut illa regio fuit extemis gentibus magis obnoxia. Littoralis Histriae ora Veneta plurimum utitur lingua, quae compta est et gravis pluriumque linguarum flore conflata quod facile contigit in frequentissimo italicarum gentium commercio. Olim multo simplicior fuit ac minus auribus grata. Camicus sermo plures sonat linguas ac nescio quid ab italico diversum. Dulcior auditu quo Tarvisium, Patavium, Verona, Vicentia, Mantua, Ferrara utuntur; sed in bis urbicus gratior agresti. Cisalpina Gallia extemum quendam et a nostro alienum sonat. Nulla alioqui gens cultior aut urbium apparatu aut victus frugalitate. Ravennae, Arimino, Pisauro, Faventiae, Bononiae et universae Aemiliae Flaminiaeque venustus sermo. Tuscis brevis ac velut laconicus, in alieno quam suo ore gratior. Quod Romae nuper offendebat, commercio gentium in dies magis excolitur. Picenis et Sabinis et Marsis crassior, castigatior Umbris. Appulis, Lucanis, Brutiis, Samnitibus et coeterae Italiae rudior lingua ac minus peregrinis imbuta, praeter Neapolim ubi plerique Hispanicum affectant. Quod si quis altius spectet atque in universum iudicet, nulla est civitas, nullus populus qui non aliquid a finitimis differat. D 16-17 31 'Die Sprache Italiens ist weder dieselbe, die sie einst war, noch von jener gänzlich verschieden, vielmehr ist sie durch barbarische Wörter mehr oder weniger verderbt, je nach dem Ausmaß, in dem diese oder jene Region fremden Völkern preisgegeben war. Die istrischen Gestade bedienen sich zumeist des Venezianischen, das klangvoll ist und ausdrucksreich und Ausgewähltes vieler Sprachen eingeschmolzen hat, wie es beim regen Handelsaustausch der Stämme Italiens dort sich leicht erklärt. Früher war es viel schlichter und weniger dem Ohr gefällig. Die karnische Sprache läßt viele Arten erklingen und etwas vom Italienischen Abweichendes. Wohlklingender ist die Redeweise von Treviso, Padua, Verona, Vicenza, Mantua, Ferrara; aber hier ist die städtische Art angenehmer als die des Umlands. Die Gallia Cisalpina läßt etwas Ausländisches und uns Fremdes anklingen. Doch ist sonst kein Stamm kultivierter in der Anlage seiner Städte und in der Wohlgeordnetheit seiner Lebensumstände. Ravenna, Rimini, Pesaro, Faenza, Bologna, und die ganze Emilia-Flaminia haben eine schöne Mundart. Die der Toskaner ist knapp und gleichsam lakonisch und klingt in fremdem Munde bes- 31 Wir zitieren die Stelle wieder nach C. Dionisotti, Gli umanisti e il vo/ gare fra quattro e cinquecento (D). Andere Beiträge in den Texten der Humanisten 181 ser als in ihrem eigenen. Was uns am Römischen noch unlängst störte, kultiviert sich durch den Umgang mit anderen Landsleuten zusehends. Die Mundart der Pizenter, Sabiner und Marser ist schwülstiger, die der Umbrer straffer. Die der Apulier, Lukaner, Bruttier, Samniten und die des übrigen südlichen Italiens ist bodenständiger und weniger mit Fremdem durchsetzt außer in Neapel, wo sich die meisten das Spanische aneignen. Wenn man dies im ganzen überblickt und in allgemeiner Hinsicht beurteilt, so gibt es keine Stadt und keinen Volksstamm, der sich nicht von seinen Nachbarn [sprachlich] irgendwie unterschiede.' Auffällig an der an sich recht pauschalen Darstellung Sabellicos ist gleichwohl das folgende: 1. Die knappe Abfertigung des Toskanischen, dem der Verfasser offenbar keine privilegierte Rolle zubilligen möchte. 32 2. Die Bevorzugung gemischter Kommunikationssprachen wie die Venedigs und Roms. 3. Die Beobachtung, daß der noch bei Dante so heftig krititisierte alte Dialekt Roms zu dieser Zeit zunehmend unter auswärtigen (vornehmlich toskanischen) Einfluß geriet. 4. Die Feststellung zweier großer Zonen schriftsprachlich entwickelter Mundarten in Oberitalien: (Venedig, Treviso, Padua, Verona, Vicenza, Mantua, Ferrara) und (Ravenna, Rimini, Pesaro, Faenza, Bologna, Emilia). 33 32 Daß das Toskanische in fremdem Munde noch erträglicher klinge als im einheimischen, mag auf die auch von Dante erwähnte Tatsache anspielen, daß es flir den überregionalen Gebrauch nur in einer von den krudesten Lokalismen befreiten Form in Frage kam. 33 Dionisotti weist daraufhin, daß flir Sabellico bei dieser Bewertung neben der Parteinahme flir seine langjährige Wahlheimat auch maßgebend gewesen sein dürfte, daß die genannten Regionen am Ausgang des 15. und Beginn des 16. Jahrhunderts die sogenannte letteratura cortigiana geprägt und bestimmt haben (G/ i umanisti e i/ volgare fra quattro e cinquecento, S. 17-18). 4.3 Bartolomeo Benvoglienti In seinem Buch Gli umanisti e il volgare fra quattro e cinquecento hatte Carlo Dionisotti schon 1968 angedeutet, daß sich zur Frage der Entstehung des Volgare möglicherweise auch außerhalb der eigentlich humanistischen Schriften bei dem einen oder anderen „Theologen oder Philosophen" des 15. Jahrhunderts etwas finden lasse. Einen solchen Fund hat er denn auch kurz darauf vorgestellt. Es ist die kleine Schrift De analogia huius nominis „ verbum " et quorundam aliorum, et latina lingua graecam antiquiorem non esse des Geistlichen Bartolomeo Benvoglienti, welche dieser seiner philosophischen Abhandlung De luce et visibili (1481) als Anhang beigefügt hatte. 34 Von dem Verfasser ist nur wenig mehr bekannt, als daß er in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts in Siena geboren wurde, dort als Kanonikus wirkte, möglicherweise auch am Studio von Siena Theologie lehrte und am 26. Januar 1486 in Siena verstarb. Neben der erwähnten Abhandlung hinterließ er eine Schrift De origine et antiquitate Senarum urbis, die in seinen beiden letzten Lebensjahren entstand. In seinem Anhang De analogia [ ..] möchte Benvoglienti die wahre Herkunft des Wortesverbum erklären, ein Anliegen, das durchaus mit dem philosophischen und theologischen Sinn seines vorausgehenden Traktats über das Wesen der Erkenntnis im Einklang steht. Aus Anlaß dieser Erklärung kommt Benvoglienti in assoziativer Weise zu einer Fülle von Beobachtungen und Bemerkungen zu Erscheinungsformen des sprachlichen Wandels, wobei er neben dem Lateinischen und dem Griechischen ganz selbstverständlich auch das italienische Volgare zu Belegzwecken heranzieht. Diesbezüglich aber schlägt er vorab eine terminologische Neuerung vor. Italice werde er eine Ausdrucksweise nennen, die man auf der ganzen italienischen Halbinsel antreffe, vulgariter aber eine solche seiner heimatlichen Mundart. Die Vulgaria Italiens werden hier also erstmals auch terminologisch zusammengefaßt, eine Tatsache, die für die Entstehung einer Gemeinsprache nicht unerheblich ist: 34 Vorgestellt hat Dionisotti seinen Fund in „Per una storia delle dottrine linguistiche de! Rinascimento", Filosojia, n.s. 21 (1970), S. 15-24. Fünf Jahre später erschien die sorgfiiltige kritische und kommentierte Ausgabe der Schrift von Mirko Tavoni: / / discorso linguistico di Bartolomeo Benvoglienti, Pisa 1975 (= Biblioteca degli Studi Mediolatini e Volgari, Nuova Serie, 3). Wir zitieren die Schrift nach der Satzzählung Tavonis und geben die Seitenzahl der Ausgabe an (T). Bartolomeo Benvoglienti 183 Huius tantum monere lectorem volo, per hanc dictionem „italice", ubi eam invenerit, Italie pene totius publicum loquendi morem, per hanc vero dictionem "vulgariter" mee patrie vemaculum significare me velle. 5, T 12 Die traditionelle antike und mittelalterliche Erklärung von verbum aus verberatus aer '[vom Klang] gepeitschte Luft' weist er als völlig unplausibel zurück. Eine mögliche sinnerschließende spekulative Etymologie scheint ihm vielmehr verum bonum zu sein, habe doch Aristoteles die Wörter als 'note earum que in anima passionum' 35 bezeichnet, die Fähigkeit der 'wahren' Rede aber sei dem Menschen von der Natur geschenkt und ihre Ausübung werde von der Heiligen Schrift ausdrücklich verlangt. Mehr aber als für die spekulative antike und mittelalterliche Etymologie interessiert sich Benvoglienti für die zweite Möglichkeit der Herleitung eines Wortes, welche die Tradition seiner Zeit kennt, nämlich die „Analogie", die darin besteht, "von Ähnlichem Ähnliches abzuleiten", wie Varro sagt (a similibus similia declinare), 36 und die, anders als die recht willkürlich und assoziativ verfahrende spekulative Etymologie, ein gewisses methodisches Vorgehen erfordert. Auch in dieser Hinsicht möchte er verbum wiederum von verum ableiten, nun jedoch über die Zwischenstufe ve-ru-us, wozu er andere Bildungen auf -u-us wie mutuus u.ä. vergleicht. 37 Vorvokalisches u sei dann konsonantisch geworden, eine Entwicklung, die gleichsam von den Umständen der artikulatorischen Phonetik vorgegeben sei: V vero vocalis, altera vocali subeunte, in u consonantem facile concinneque, non Iitterario studio, sed natura mutatur. Nam cum protensioribus summisque labiis proferatur u vocalis, paulo contractioribus amittit sonum et sequenti iungitur vocali, ad quam loquentis intentio festinans propinquius invenit u consonantem quam vocalem, que extrema est omnium litterarum, et pene extra os pronuntiatur. 30, T 17-18 Indem er als weiteres Beispiel für diese Erscheinung die (falsche) Herleitung von torvus aus taurus anführt, bemerkt er zugleich den Übergang von lat. au zu it. o: 35 Angespielt wird auf Aristoteles, De interpretatione 16a: "Ecn: 1 µev ouv -ca ev 'tfj q,covft -cii>v ev -cfi 'l'"XTI 1ta.811}1tx'trov o-i>µ~oÄ.a., tca.l -ca ypa.q,6µeva. -cii>v ev -cn q,covfi. 36 De lingua latina 8, 39. 37 Zu den wirklichen etymologischen Verhältnissen von mutuus s. Alois Walde, Julius Pokorny, Vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen Sprachen, Bd. 2, Berlin - Leipzig 1927, S. 247-248 (v. meit(h)-); Alois Walde, Johann Baptist Hofmann, Lateinisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 3 1954, Bd 2, S. 140 (v. mutuus); Alfred Ernout, Antoine Meillet, Dictionnaire etymologique de la langue latine, Paris 4 1960, S. 426 (v. muto); zu lat. seruus (bzw. seruo) vgl. Benjamin Garcfa-Hernändez, "Lat. seruo. Anälisis estructural e investigaci6n hist6rica", in: Bruno Bureau, Christian Nicolas (Hgg.), Moussyllanea. Melanges de linguistique et de litterature anciennes ojferts a Claude Moussy, Louvain - Paris 1998 (= Bibliotheque d'Etudes Classiques 15), S. 169-178. 184 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Toruus a taurus: nam diphthongus au facile fit o, sicut italice pro auro dicimus oro, mauro moro, tauro toro [...] 34, T 19 38 Im Zusammenhang mit dem Wandel von vokalischer zu konsonantischer Qualität bringt Benvoglienti auch die Fälle zur Sprache, wo lateinischem u im Volgare „eing vorangestellt" wird, d.h. wo im Volgare durch Kreuzung mit germanischen Etyma gu für lateinisch u erscheint (bzw. wo gu überhaupt für das w eines germanischen Etymons steht): Hec etiam interiectio dolentis uae illa est quam Greci scribunt et pronuntiant oucx.\, et italice transivit in nomen, videlicet guai. Nam pro „vae tibi" dicimus "guai a te", et „ille substinet molti guai", m diphthongo divisa, ut apud Virgilium aulai et pictai, et preposita g, quod in aliis plerisque fit, sicut a uadum uadi in plerisque locis Italie dicitur guadare pro uadare, et guadagno, id est uadaneum lucrum auxiliantium ad transvadandum. Guada quoque rete piscatorium quod sistitur agiturque uado. Et Lombardi pro euangelio dicunt guagnelo, et iurant "alle sancte Dio guagnele". Guastare quoque pro uastare, et guerso seu guercio, oculis euersus. 38-39, T 20-21 39 Als weiteren Parallelbeleg für seine Konjektur verbum < *veru-um bringt Benvoglienti dann eine (wiederum falsche) Herleitung von protervus aus proteru-us. Im Anschluß daran aber gelingt ihm die (offenbar hier zum ersten Male belegte) richtige etymologische Erklärung von anziano als Ableitung von ante. Aus dieser Präposition möchte er dann allerdings auch gleich die bis in die jüngste Zeit gesuchte und umstrittene Etymologie von it. andare (sozusagen als „farsi avanti") gewinnen, wobei er das Phänomen der Sonorisierung erwähnt: 40 Et pro-te-ru-us a greco 1tp61: epo<; descendit, quod esse prior impudenter velit. In qua significatione dicere vulgariter solebamus ab ante antianus quod iam exolevit; et ab eadem prepositione habemus italice andare, d pro t pronuntiantes, quod fit in multis. 40, T 21 Im Zuge weiterer Beispiele bringt er auch die Tatsache zur Sprache, daß dem lateinischen s häufig im Griechischen der Spiritus asper entspricht, 41 wobei 38 Die schon in der Geschichte des Lateinischen selbst festzustellende Alternanz von au und o war allerdings bereits von Priscian (JG I, 52) benannt worden. Benvoglienti kommt 154, T 50, erneut auf die Erscheinung zu sprechen: "Nam au transit in o frequenter[ ... ]". 39 Benvoglientis Etymologien sind natürlich falsch, zeigen aber eine beachtliche historischsemantische Intuition (vgl. hier w.u. S. 190). 40 Zu der außerordentlich komplexen und schwierigen Etymologie dieses Wortes und zu allen Belangen ihrer Erforschung und der betreffenden Literatur ist jetzt maßgebend: Max Pfister, Lessico etimologico italiano, Volume IT (albus apertura), Wiesbaden 1987, (Lemma: ) "ambulare 'muoversi, camminare"', Spalte 596-750. 41 Vgl. Priscian, JG I, 22; I, 42. Barto/ omeo Benvoglienti 185 ihm die lateinischen Formen eleganter und klarer erscheinen (42--45). Der Behauchung ähnlich sei aber das halbvokalische u, weswegen man auch beides als Übergangslaut zur Vermeidung des vokalischen Hiatus finde, wobei allerdings die zweite Lösung (welche it. Giovanni erklärt) die wohlklingendere sei: Similiter in consuetudinem venit ut Ioannes aspiretur velut a Theutonibus, qui vehementer pronuntiant Johannes aspiratione crassa, qualis ut puto Grecis est dasea, 42 idest densa. Itali vero, qui non tanto spirito abundant, vocibusque formatioribus utuntur, plerunque pronuntiant Iouannes. 48, T24 Anläßlich seines Vergleichs verschiedener lateinischer Etyma mit den entsprechenden griechischen stellt Benvoglienti den humanistischen Disput über den Vorrang der lateinischen oder der griechischen Sprache auf eine genetische Grundlage und kommt zu der überraschend abgeklärten Feststellung, keineswegs sei das Lateinische etwa aus dem Griechischen hervorgegangen oder die griechische Sprache auch nur älter als die lateinische. Vielmehr gingen beide Sprachen auf eine gemeinsame frühere Sprache zurück und seien daher als Schwestern anzusehen: Quod autem a dictionibus grecis quasdam nominum formas Latini derivarint, que illis aut non sunt, aut non tales, indubitato ut arbitror argumento est verba illa primaria plus, aut non minus, fuisse nostra quam Graecorum, illisque a Latinis aut tradita aut dimissa, grecanque linguam non modo non genuisse nostram, sed nec antecessisse, potius a priori aliqua genitam utranque, ut sint non illa parens et hec nata, sed sorores. 57, T26 Den überkommenen Mythos von der Babelischen Sprachverwirrung und die durch diese begründete Wandelbarkeit der Sprachen nimmt ·Benvoglienti zum Anlaß, eine ganze Reihe von Beispielen für die nicht nur lautlichen, sondern auch inhaltlichen Veränderungen anzuführen, welche lateinische Wörter im italienischen Volgare erfahren haben, wobei der Wandel allmählich und nicht abrupt erfolge. So sei aus lat. .frigidum durch Synkope it. .fredo oder.freddo entstanden, in Oberitalien auch.frezo, ähnlich wie dort der 'grüne Kohl', brassice virides, verze 43 genannt werde. Irrtümlich meint er freilich, hier auch gleich einen weiteren Wandel von .frezo zu .fresco (das hingegen auf germ. .frisk zurückgeht) annehmen zu dürfen, und da das „Kalte" zuweilen auch das „Frische" sei, wie im Falle des „frisch geschöpften Wassers", werde nun das „frische" Brot, das in Wirklichkeit „warm" aus dem Ofen komme, .fresco, also eigentlich „kalt" genannt, während man es zu seiner Jugend noch recente genannt habe. 42 Gemeint ist die 6cxaetcx n: poacp6tcx (< 6cx<roc; 'dicht', 'rauh'), der 'Spiritus asper'. 43 Woraus sich dt. Wirsing herleitet. 186 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Vocabulaque nonnulla non tantum in dissimiles, quin et in contrarias significationes, non saltu, sed veluti passibus, concedunt. Utputa frigidum italice dicitur per concisionem fredo aut freddo, et alicubi, propter similitudinem d cum z, dicitur frezo, presertim a Lombardis, veluti brassice uirides verze, et frezo transmutatur in fresco fere ubique. Et quoniam recentia quedam frigida sunt, ut vinum et aqua nuper hausta, fresco ponitur pro recens, et pro viride propter viriditatem recentium herbarum, et per metaphoram a virentibus significat novum et iuvenem. Nam uiride etiam latine ita transumitur, ut apud Virgilium: "Sed cruda Deo viridisque senectus." 44 Hinc novus panis e clibanoque nunc tractus dicitur fresco, idest frigidus, cum sit calidus, et repudiatum est recens, quod etate mea in usu vulgari frequens erat. 61-64, T 27-28 Richtig erklärt Benvoglienti venezianisch liago 'Sonnenterrasse' aus gr. ,iAtaK6v. Wiederum aber möchte er irrtümlich ein italienisches Wort germanischen Ursprungs, loggia mit seinen Ableitungen, 45 zu dem gleichen Etymon stellen und damit die sprachliche Ausstrahlungskraft Venedigs (und anderer Zentren Italiens) belegen: Ab T\AtO<; fit i\Amic6v, hoc est solarium, quo nomine quedam in Italia gentes, et potissimum Veneti, utuntur, sed corrupte, videlicet liago. Hinc, transpositis litteris, logia significat solarium in nostro potissimum vulgari. Ime quoque porticus vocantur logie, quia plurimum soli patent, ibique nonnunquam apricamur; et quia diversoria fere omnia, presertim extra urbes, porticus habent, ire in diversorium, quod est subire porticum, dicitur a/ logiare, quod significat stabulari. Qua similitudine stationes militares a/ loggiamenta vocantur. Vide ab uno Venetorum vocabulo quam diverse significationes et verba sint per omnem Italiam diffusa. A preclaris enim urbibus Jate disperguntur Jocutiones et mores quia nemo dedignatur imitari. 67-69, T 28-29 Durch derartige Ausstrahlungsphänomene komme es oft zum Ersatz herkömmlicher Ausdrücke durch neue. Nicht geringer beim Prozeß der sprachlichen Veränderung sei aber das Phänomen der Sprachmischung. Das fremde Wort übe einen eigentümlichen Reiz aus und werde oft dem gewohnten einheimischen vorgezogen. So daß das Wort 'fremd' selbst in der Volkssprache die Bedeutung 'edel', 'elegant' angenommen habe: 46 Talibus propagationibus transfigurationibusque verborum prisci continue sermones occidunt, novi oriuntur. Non minores efficit varietates permixtio linguarum. 44 Aeneis, VI, 304, wo von Charon gesagt wird: / am senior sed cruda deo viridisque senectus 'Greis wohl, doch Göttern ist grün und kraftvoll das Alter'. 45 Loggia geht über französische Vermittlung aufgerm. laubja zurück. 46 Zu dieser Bedeutung von it. pellegrino, die man tatsächlich in den literarischen Texten feststellen kann, vgl. Georg Weise, "Maniera und pellegrino: zwei Lieblingswörter der italienischen Literatur der Zeit des Manierismus", RJb 3 (1950), S. 321-403 (zu pellegrino S. 376-403), der die ersten Belege von pellegrino im Sinne von 'singolare' schon bei Petrarca findet. Barto/ omeo Benvog/ ienti 187 Nam, veteribus obliteratis, nova sectamur, spemimusque vemacula delectati peregrinis que videntur pulchriora. Unde translatum est ut peregrinum vulgariter significet decorum et venustum. 71-72, T29 Etwas unvermittelt und übergangslos kommt Benvoglienti dann zum Wandel der lateinischen Nexus di [dj], ti [tj] zu it. z, wobei er feststellt, daß man hier zwischen stimmhafter und stimmloser Aussprache (mollis, aspera) unterscheiden müsse. 47 So werde z in mozzo 'Getreidemaß', 'Radnabe' < lat. modius (heute: moggio) stimmhaft gesprochen, stimmlos aber in mozzo 'verstümmelt' (< vlat. *mutius < klat. mutilus): Modius mensura est, et ob similitudineril dicuntur modii quibus infiguntur radii rotarum, et vulgariter mozi, molliter pronuntiando. Aspere autem mozo significat mutilatum et truncum: apocopatur enim mutilum et t transit in z. 75, T 30 Eine bedeutungsdifferenzierende Lautdifferenz stellt er auch bei betontem geschlossenen bzw. offenem o fest [o < ö, u; : > < ö], wobei er freilich (auf Grund seiner zweisilbigen pänultimatonigen Beispiele) den Unterschied zwischen betonter und unbetonter Silbe mit dem zwischen „syllaba prior" und „syllaba postrema" verwechselt: Sed in bis nominibus mozo et rozo, o quoque in prioribus syllabis differentiam facit. Italicus enim sermo duobus modis pronuntiat o, scilicet pleno sono, et remisso ac ad u inclinato, hoc est medio inter o et u, et hoc in prioribus syllabis. Nam in postremis fere semper inclinatur ad u. 82, T 31 Zwanglos schließt Benvoglienti dann einige andere Gedanken an, die ihm zum Wandel der Sprachen gekommen sind: His aliisque modis continue labimur in alias loquelas. Wörter einer alten gemeinsamen Vorgängersprache hätten Griechisch und Latein in jeweils eigener Weise umgebildet. Einige davon aber, die im Lateinischen aufgegeben worden seien, seien gerade im Italienischen bewahrt worden, wobei die Kontinuität eine solche des sermo rusticus sei: Qui Ioquendi modus ab eruditis repudiatus fuit forsan ut minus urbanus quod apud rusticos remansisset: sicut vostris et voltis que servamus adhuc. 84, T32 So verhalte es sich eben mit den Artikeln, die im Lateinischen fehlten, im Italienischen aber vorhanden seien, wobei Benvoglienti gerade auch eine weitgehende materielle Identität des italienischen Artikels mit dem griechischen annehmen möchte. Denn die italienischen Formen lauteten eigentlich 47 Tavoni hat in seinem Kommentar darauf hingewiesen, daß Benvoglienti bei diesem Passus vieles Priscian,IG 1, 31 verdankt. 188 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus o, a für den Singular und i, e für den Plural. Das l des italienischen Artikels aber leitet er nicht etwa von lat. ille ab, sondern erklärt es aus euphonischen Gründen: Da die Artikel häufig mit Präpositionen verbunden würden, erscheine l zur Hiatusvermeidung, z.B. de+ l + o > delo. Wiederum aber falle, besonders in Oberitalien, oft der Auslautvokal, so daß del entstehe. Im Falle des Nominativs und Akkusativs füge man dem Artikel lediglich um der Euphonie willen ein l hinzu, so daß man lo padre und li padri sage. Meist aber werde einfach das d der Genitivform weggelassen, um die Bedeutung des casus rectus und des Akkusativs zu erzielen, so daß die entsprechende Artikelform el laute (85-93, T 32-33). Sinnreicher als diese morphologische Akrobatik ist Benvoglientis Bemerkung zur Bedeutung des bestimmten Artikels: Er bezeichne das Einzelvorkommen oder die Bekanntheit eines Gegenstandes, eine Differenzierung, deren Fehlen für das Lateinische mißlich sei: Hanc enim vim habet el seu lo, cuiusdam singularitatis aut notitie indicativam. Qua loquendi commoditate non sine magno detrimenti Latini carent. 90, T33 Daraus entstünden gewisse Schwierigkeiten bei der Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische. So habe ein Übersetzer (es handelt sich um Leonardo Bruni) das Aristotelische -eo a.ya.86v 'das Gute' aus Verlegenheit mit summum bonum übersetzt, während das Volgare über die zutreffende Entsprechung el bene oder lo bene verfüge. Sicut in principio Ethicorum 1: 0 a: ya.86v, quod latinus interpres non bene meo iudicio vertit in „summum bonuin". Nam italice diceremus el bene, seu lo bene. Hoc autem latine non exprimitur, ut credo, melius quam dicendo „quod est bonum" vel „ipsum bonum", idest quod est vere ac absolute bonum. [...] Eaque de causa laboravit interpres, querens quo pacto rem significaret forsan eandem, sed proprietatem aut expressionis modum verbo non reddidit. 89-90, T 33 Beim Vergleich von Wörtern aus den beiden genetischen Schwestersprachen Griechisch und Latein stellt Benvoglienti dann weiter fest, daß die primäre ältere Form (die er dadurch identifiziert, daß er ihr eine seiner Meinung nach davon „analogisch" abgeleitete gegenüberstellt) in manchen Fällen im Griechischen, in anderen im Lateinischen erhalten sei. Und auch zwischen dem Griechischen und dem Volgare stellt er Übereinstimmungen fest, von denen einige richtig identifizierte italienische Gräzismen sind, wie it. ciotola 'Napf < 1e6-cu11.oc; (vielleicht nach Kreuzung mit cyathus); it. dial. botino < ß68uvoc; 'Grube'; tosk. botro 'Erdvertiefung', 'Rinne'< ß68poc; ; trapano 'Bohrer'< -cp-61ta.vov u.a. Schließlich aber besinnt sich Benvoglienti: Sed fortasse iam longius quam oportuit sum evagatus (131, T 42) und kommt wieder auf sein eigentliches Anliegen, die Erklärung der Herkunft des Wortes uerbum aus ueru- Bartolomeo Benvoglienti 189 um, zurück. Den Übergang von konsonantisch gewordenem u zu b erklärt er durch das schon in der Antike beschriebene Phänomen des „Betazismus". 48 Durch die artikulatorische Verwandtschaft von u (v) und b komme es jedoch auch zu dem umgekehrten Wandel: Contrario vero modo u pro b ut aufero pro abfero iuxta Priscianum, 49 et italice avere pro habere, provare pro probare, f avola pro fabula, favellare pro fabulari. Tusci dicimus triticum calvellum pro albellum, 50 crivellum pro cribellum, cerevellum pro cerebellum. 137, T 45 Seines guten Vorsatzes uneingedenk fügt Benvoglienti noch einige Assoziationen an und spricht aus Anlaß seiner (irrtümlichen) Herleitung von it. gabella 'Steuer', 'Akzise' aus lat. caput von der Sonorisierung in den oberitalienischen Mundarten: Lombardi et transpadani dicunt gabellam, duriores litteras languidius aliquando pronuntiantes, ut b pro p, d pro t, g pro c. 152, T 49 In diesem Zusammenhang (similiter pro closa dicunt glosa 152, T 49) kommt er bei der Erklärung von it. chiosa 'Glosse' 51 aus clausa zur Beschreibung des Lautwandels von lat. cl-,pl- (jl-) zu it. [/ g'-], [pj-], ([0-]): Nam au transit in o frequenter, et / in iota, et ita dicimus pro clauo chiovo, pro clauso chioso, et pro incluso inchiuso, plano piano, claue chiave, pluit piove, claustro chiostro, clausa chiosa. 154, T 50 Benvoglienti beschließt seine Überlegungen mit einem Versuch, die Doppelbedeutung von uerbum als 'Wort' im allgemeinen und 'Verbum' im besonderen zu rechtfertigen: Eigentlich könne man nur Nomen und Verbum als partes orationis im vollen Sinne betrachten. Für das Nomen aber gebe es immerhin als Entsprechung sinnlich faßbare Gegenstände in der Welt, die Bedeutung des Verbums aber sei rein geistiger Natur, weswegen es 'Wort' 1Ccx-t'i~ox11v genannt werden könne: Merito igitur solum verbum appellationem hanc precipue sortitum est, quia totum sit et pendet a mente, et de ipso nihil est aliud in natura, quam verbum. 160, T 51 48 Vgl. Priscian, IG 1, 23. 49 Gemeint ist wieder IG 1, 23. Bei der Betrachtung ähnlicher Lautübergänge erwähnt Benvoglienti ebenso wie Paolo Pompilio (s.o., S. 178), daß die Deutschen dazu neigten, anlautende Sonorität stimmlos werden zu lassen: "Unde per contrarium Theutones pro uinum dicuntphinum" (144, T 47). 50 Tosk. calvello 'Weizen', 'Kahlähre' (d.h. 'Ähre ohne Grannen'), leitet sich in Wirklichkeit von lat. calvus 'kahl' her und ist daher hier als Beispiel nicht geeignet. 51 Bei chiosa nimmt man eine Entstehung aus der Kreuzung von gr. y'MJ: ,crcm und lat. clausa an. I 90 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Wenn die locker gebundene Gedankenreihe Benvoglientis auch vieles historisch Falsche und manches recht Naive enthält, so ist sie doch in dreierlei Hinsicht bemerkenswert: erstens in Hinsicht auf die historische Natur der Sprachen im allgemeinen, zweitens bezüglich der Entstehung des Italienischen aus dem Lateinischen und drittens durch die Identifizierung einzelner Phänomene des sprachlichen Wandels selbst. Was das Verhältnis von Griechisch und Lateinisch angeht, so erkennt Benvoglienti, daß man beim Vorliegen ähnlicher Formen nicht ohne weiteres die Priorität der älteren Kultursprache einräumen darf, daß diese Ähnlichkeit sich vielmehr einleuchtender durch die Annahme einer gemeinsamen Vorgängersprache erklärt; ja, daß es überhaupt nicht sinnvoll ist, bei ähnlichen Formen ohne historischen Zusammenhang die eine auf die andere zurückzuführen. Wenn 'du' im .Lombardischen ti laute, im dorischen Dialekt des Griechischen aber 'tU, hätten dann etwa die Dorer ihre Form aus der Lombardei? : Nunquid Lombardi docuerunt Dores? (96, T 34). Benvoglienti zeigt somit schon eine gewisse Intuition von genetischer Sprachverwandtschaft und vergleichender Methode. Bezüglich der Aufnahme von Lehnwörtern in die sprachlichen Varietäten hat Benvoglienti eigene Beobachtungen gemacht. Er erkennt die Rolle, die dabei die kulturelle Ausstrahlung gewisser Zentren spielt, sowie den psychologischen Reiz, den das „edle Fremde" auf die Sprecher ausübt. Andererseits sieht er, daß man bei der Annahme einer Entlehnung auch die Bedeutung des betreffenden Wortes berücksichtigen muß. Wäre lat. ego aus gr. eyro entlehnt worden, wie hätten denn die Lateiner vorher den unentbehrli- .chen Inhalt 'ich' ausgedrückt? : Nihil est in locutione prius hac persona prima ego, sine qua vix quicquam loquimur. An igitur non loquebantur Latini antequam litteras a Grecis mutuati essent [...]? 97,T 34-35 Auffällig ist die Mühe, wel~he Benvoglienti auf die semantische Erklärung seiner (freilich meist falschen) Etymologien verwendet, besonders wenn man bedenkt, daß dieser Aspekt selbst in der neuzeitlichen „wissenschaftlichen" Etymologie nicht selten vernachlässigt wurde. Mirko Tavoni weist in seinem Kommentar zu Recht darauf hin, daß Benvoglienti, obwohl er sich natürlich bei seinem Versuch der Herleitung der rein germanischen Etyma guadagno (< *waidanjan), guada (< *wada), guercio (< thwairs) aus dem Lateinischen täuscht, doch in seiner Erklärung von guadagno als 'Furtquerhelferlohn', guada als 'Furtfischernetz' und guercio als 'verdrehtäugig' eine beachtliche historisch-semantische Intuition zeigt; ebenso, als er it. gabella 'Steuer, Akzise' (das in Wirklichkeit arabischen Ursprungs ist) auf lat. caput 'Haupt' zurückführen will, weil früher bei der Wareneinfuhr in eine Stadt ein „Kopf'', "Stück", "Scheit" o.ä. der Ladung als Wegzoll abgeliefert werden mußte. Bartolomeo Benvoglienti 191 Sein etymologisches Interesse führt ihn bis hin zur sachlichen Beschreibung von Gegenständen: Et significat illis [sc. Lombardis] piva musicum utrem cum tribus cannis, una inflatoria et fistulatoriis duabus, et ideo recte bifora vocatur. 144, T47 Was aber das italienische Volgare angeht, so überrascht der unvoreingenommene Gleichmut, mit dem es Benvoglienti neben die beiden klassischen Sprachen stellt. Ausdruck dafür ist der neue Terminus italicus für das den Vulgaria der Halbinsel Gemeinsame: Sed et dictiones plurime tum italice tum latine utrisque promiscue faere [...] [sc. die im Lateinischen, Italienischen und Griechischen ähnlichen Etyma] (94, T 33). In historischer Hinsicht zeigt sich nun die Ebenbürtigkeit des Italienischen mit dem Lateinischen und Griechischen daran, daß es in gewissen Merkmalen gerade mit dem Griechischen und der archaischen Latinität übereinstimmt (z.B. hat es o statt u als Kennvokal der zweiten Deklination und in gewissen anderen Wörtern). Hierin sieht Benvoglienti eine rustikale Kontinuität, von der sich lediglich die klassische Latinität habe distanzieren wollen (ab eruditis repudiatus fait ut minus urbanus, 84, T 32). Bei der Behandlung des Lautwandels vom Lateinischen zum Italienischen kann sich Benvoglienti zwar in einigen Fällen auf schon bei Priscian Erwähntes stützen, wie wir gesehen haben (au> o, v > b, ti-, di > z). Darüber hinaus aber bemüht er sich um eine artikulatorische Präzisierung und Erklärung der Phänomene (30, T 17-18) und gibt Priscians statischer Gegenüberstellung alternierender Formen eine diachronische Wende. Und verschiedene Erscheinungen beschreibt er nach eigener Beobachtung, wie w > [gw], cl > [kj], gd > [dd] sowie die phonematische Unterscheidung von [dz] vs. [ts] und [o] vs. [o]. Der geistige Hintergrund der Schrift De analogia ist freilich noch der mittelalterliche (mit der Babylonischen Sprachverwirrung als Ausgangspunkt allen sprachlichen Wandels), und Benvoglienti steht in dieser Hinsicht Dante näher als den Humanisten. Offen gibt er denn auch zu, daß seine Kenntnis des Griechischen nicht sehr groß ist (ego, qui vix tria verbula grece novi, 94, T 33). Während wir aber bei den Humanisten nur okkasionell und spärlich eingestreute Bemerkungen zum italienischen Volgare finden, breitet Benvoglienti eine Fülle von diesbezüglichen Beobachtungen aus. Offenbar verdanken wir sein erstaunliches Interesse an den Erscheinungen der Volkssprache seiner Zeit gerade der Tatsache, daß er kein Humanist war. 52 52 „II fatto e ehe gli umanisti possedevano si „l' attrezzatura tecnica e l' attitudine linguistica", ma non possedevano le motivazioni culturali su cui fondare l'autonomia di un discorso come il De analogia. [...] II Benvoglienti ha potuto scrivere questo sorprendente trattato perche non era un umanista." (Mirko Tavoni, II discorso / inguistico di Bartolomeo Benvog/ ienti, S. 101-102 [die Hervorhebung ist von Tavoni; das Zitat im Zitat ist von Carlo Dionisotti, G/ i umanisti eil volgarefra quattro e cinquecento, S. 37]). 4.4 Die erste italienische Grammatik Im humanistischen Milieu entstanden ist dagegen die erste italienische Grammatik. Ihre Verfertigung entspricht dem von Flavio Biondo geäußerten Gedanken der prinzipiellen „Grammatikfähigkeit" des Volgare. Es handelt sich um eine als Handschrift erhaltene (und erst in neuerer Zeit gedruckte) Grammatik aus dem 15. Jahrhundert mit dem Titel Regole della lingua fiorentina. Diese Handschrift ist schon für das Jahr 1495 in der Privatbibliothek der Medici bezeugt. Heute ist sie nur noch in einer Abschrift aus dem Jahre 1508 erhalten. Diese befindet sich in dem Codex Vaticanus Reginensis latinus 1370, den wir oben schon im Zusammenhang mit Dantes Schrift De vulgari eloquentia erwähnt haben (vgl. Kap. 3, S. 124). Gedruckt erschien diese Grammatik zuerst als Anhang in Ciro Trabalza, Storia della grammatica italiana, Mailand 1908 (Ndr.: Bologna 1963), S. 535-548, unter der Überschrift: " Regole della lingua fiorentina "]. Della thoscana senza autore. (Dal Cod. Vat. Reg. 1370 cc 1-16). Ausgezeichnete neue Ausgaben sind: Cecil Grayson (Hg.), Leon Battista Alberti, La prima grammatica della lingua volgare, Bologna 1964; Giuseppe Patota (Hg.), Leon Battista Alberti, Grammatichetta e altri scritti sul volgare, Rom 1996. Die Verfasserschaft der Schrift war jahrelang umstritten. Luigi Morandi hat sich zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in drei Beiträgen mit dieser Frage befaßt und gemeint, in Lorenzo de' Medici den Autor sehen zu dürfen, da sich unter den Notizen Leonardo da Vincis ein Hinweis auf eine „Grammatica di Lorenzo de' Medici" findet. Dann hatte er aber auch an den Dichter des Ritterepos 11 Morgante Luigi Pulci (1432-1484) gedacht und sogar an Leonardo da Vinci. 53 Vittorio Cian brachte den großen Humanisten und Poeten Angelo Poliziano ins Spiel, Girolamo Mancini den Humanisten, Rhetorik- und Poetiklehrer, Kanzler der Signoria und Dantekommentator Cristoforo Landino (1424-1498). 54 Schon 1905 hatte hingegen Filippo Sensi die Meinung vertreten, Leon Battista Alberti sei der Verfasser der kleinen Grammatik gewesen. 55 Und während Ciro Trabalza sich bei der Publikation der Grammatik im Jahre 1908 noch einer eigenen Stellungsnahme bezüglich der vermuteten Autorschaft enthalten hatte, schloß er sich dann auf Grund eines neu entdeckten 53 Von einer entsprechenden schriftlichen Mitteilung Morandis berichtet Ciro Trabalza, Storia del/ a grammatica italiana, Mailand 1908 (Ndr.: Bologna 1963), S. 15, Anm. 1. 54 Zu den bibliographischen Angaben verweisen wir auf unsere Bibliographie am Ende dieses Kapitels. ss In dem knappen Beitrag „Un libro ehe si credeva perduto (L. B. Alberti grammatico)", Fanfal/ a del/ a domenica 27 (1905), S. 34. Zu weiteren Bibliographica s. unsere Bibliographie. Die erste italienische Grammatik 193 Beleges, der seiner Ansicht nach für Alberti als Verfasser sprach, der Meinung Filippo Sensis an. 56 In jüngerer Zeit entdeckte Carmela Colombo in der Biblioteca Riccardiana zu Florenz ein Blatt von der Hand Leon Battista Albertis, das als Vorstudie für die Buchstabentafel (Ordine delle lettere), welche die Grammatichetta einleitet(§ 2-3), kenntlich ist. 57 Nach dem Fund Carmela Colombos und der kritischen Sichtung aller Hinweise und Argumente durch Cecil Grayson kann heute als sicher gelten, daß der Verfasser der ältesten italienischen Grammatik Leon Battista Alberti war. Die wichtigsten Argumente, welche diese Annahme stützen, sind die folgenden: 1. In seinem um 1466 entstandenen Traktat De componendis cifris diskutiert Alberti die Vorkommensfrequenz der verschiedenen Konsonanten und Vokale und kommt dabei auf den phonetischen Unterschied zwischen u und v zu sprechen, die damals noch beide durch den Buchstaben u wiedergegeben wurden, wobei er erwähnt, er habe „alibi", 'an anderer Stelle', wo er „de litteris et caeteris principiis grammaticae" handele, eine orthographische Unterscheidung dieser Laute vorgeschlagen. Sensi hat nun darauf hingewiesen, daß eben diese Unterscheidung in der Tat in der genannten Buchstabentafel am Anfang der Grammatichetta erscheint, wenn auch nicht im Text. 2. Die Handschriften Leon Battista Albertis und die Grammatichetta weisen ähnliche (aus dem Griechischen übernommene) diakritische Innovationen auf. 3. Die Ähnlichkeit gewisser Ausdrücke der Grammatichetta mit solchen in anderen Werken Albertis. 4. Das eigenhändig geschriebene Blatt des cod. Moreni 2 aus der Biblioteca Riccardiana. Was das Entstehungsdatum der Schrift angeht, so hatte schon Ciro Trabalza bemerkt, daß, falls sie im Sinne der Argumentation Filippo Sensis von Leon Battista Alberti verfaßt worden sein sollte, wegen des Verweises in De componendis cifris jedenfalls das Jahr 1466 als terminus ante quem gelten müsse. Cecil Grayson hatte in der Einleitung zu seiner kritischen Ausgabe die Entstehung der Grammatichetta zwischen 1434 und die ersten Jahre nach 56 „Una singolare testimonianza sull'Alberti grammatico". Der ursprünglich 1912 in Miscellanea Torraca erschienene Beitrag wurde wieder abgedruckt in: Ciro Trabalza, Dipanature critiche, Bologna-Triest 1920, S. 41-71. 57 Carmela Colombo, "Leon Battista Alberti e la prima grammatica italiana", Studi Linguistici ltaliani 3 (1962), S. 176-187. 194 Die romanische Spracmvissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus der Papstrückkehr nach Rom (1443) angesetzt. Später verschob er seine Datierung etwas und nahm nun das Jahr 1454 als terminus ante quem an. 58 Daß Alberti die Grammatik schrieb, als er schon wieder mit dem Papst nach Rom zurückgekehrt war, wird nach Grayson an einem Sprachbeispiel deutlich. Alberti schreibt nämlich: Hanno e Toscani in voce uno preterito quasi teste, 59 quale in questo verbo si dice cosi: Sono, sei, e stato; plurale: siamo, sete, sono stati. E dicesi: Hierifui ad Hostia; hoggi sono stato a Tibuli. 49, G49,P 26 Daß der Verfasser die Namen der zwei bei Rom gelegenen Ortschaften Ostia und Tivoli gewählt habe, mache es wahrscheinlich, daß er sich bei der Niederschrift eben in Rom befand. Guglielmo Gomi hat dagegen zu Recht bemerkt, daß dies ein ziemlich oberflächliches und schwaches Indiz ist. Viel bedeutsamer sei der biographisch-historische Zusammenhang der Niederschrift der Grammatik mit jener Zeit im Leben Albertis, als ihm die Aufwertung des Volgare am Herzen lag und er den Florentiner Dichterwettbewerb Certame Coronario vorbereitete. Gomi datiert die Schrift daher ins vierte Jahrzehnt des fünfzehnten Jahrhunderts: "Al di fuori di quella stagione il progetto di una Grammatica toscana sarebbe di un'inconcepibile stravaganza." 6 ° Für Gomis Datierung spricht auch die Tatsache, daß der einleitende Satz der Grammatichetta ganz offensichtlich auf die These Leonardo Brunis und die Humanistendiskussion des Jahres 1435 Bezug nimmt und im übrigen auch bis in den Wortlaut an Albertis 1437 geschriebenes Proemio zum dritten Buch seiner Schrift Della famiglia erinnert (vgl. o. s. 160): 61 Que' ehe affermano la lingua latina non essere stata comune a tutti e 62 populi latini, ma solo propria di certi docti scolastici, come hoggi la vediamo in pochi, 58 In: Cecil Grayson (Hg.), Leon Battista Alberti, Opere volgari III, Rom - Bari 1973, wo er die Textausgabe erneut wiedergibt. Der modifizierte Datierungsvorschlag findet sich dort in der „Nota sul testo", S. 299-433, hier S. 363. 59 Bei dem „preterito quasi teste" handelt es sich um das italienische passato prossimo. 60 In Guglielmo Gomis Rezension von: Cecil Grayson (Hg.), Leon Battista Alberti, Opere volgari III, Rom.,.. Bari 1973, in: Studi Medievali, m serie, 14 (1973), S. 246-258, hier S. 252. Daß der genannte Beispielsatz möglicherweise mit dem Aufenthaltsort des Verfassers gar nichts zu tun haben könnte, hatte selbst Grayson schon 1964 in der „Introduzione" zu seiner Ausgabe eingeräumt: "Allo stesso tempo bisogna riconoscere ehe esso [sc. l'esempio] potrebbe forse spiegarsi altrimenti, riferendolo cioe strettamente alla serie di altri esempi classici o meglio romani citati nella grammatichetta come «Roma supero Cartagine», «Questo Scipione suppero quello Annibal», ecc." 61 Wir zitieren die Grammatichetta mit Satzzählung und den Seitenzahlen der Ausgaben von Grayson (G) und Patota (P). 62 Zu der Artikelform e (statt 1) im Florentinischen des 15. Jahrhunderts s. die schon genannte Ausgabe von Giuseppe Patota, Grammatichetta e altri scritti sul volgare, S. L Vll-L VIII. Die erste italienische Grammatik 195 credo deporranno quello errore, vedendo questro nostro opuscholo, in quale io racolsi l'uso della lingua nostra in brevissime annotationi. 1, G 39, P 15 'Diejenigen, die behaupten, die lateinische Sprache sei nicht allen römischen Leuten gemeinsam zu eigen gewesen, sondern nur gewissen gelehrten Gebildeten, wie wir sie heute bei wenigen sehen, werden, so glaube ich, von diesem Irrtume ablassen, wenn sie unser Werklein sehen, in dem ich den Gebrauch unserer Sprache in ganz kurzen Notizen zusammengefaßt habe.' Für die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft ist die kleine Grammatik von Leon Battista Alberti unter mehreren Gesichtspunkten von Bedeutung. Zunächst einmal handelt es sich um die erste wirklich originelle Grammatik einer romanischen Sprache. Auch wenn die Darstellung im großen und ganzen dem traditionellen Leitfaden der Redeteile folgt, zeigt sie doch eine souveräne Beobachtung des Sprachgebrauchs und ist den ersten provenzalischen und französischen Donatadaptationen weit überlegen. Zweitens enthält die Arbeit Albertis die erste systematische grammatische Terminologie in italienischer Sprache, welche zwar zumeist aus Italianisierungen lateinischer Termini besteht (nach den lnstitutiones Priscians), aber auch einige Innovationen aufweist (wie anormale, assertivo, troncare): adverbio 'Adverb', anormale 'unregelmäßig', appellativo 'Appellativum', articholo 'Artikel', assertivo, asseverativo 'Konditionalis', caso 'Kasus', composito 'zusammengesetzt', 'präfigiert', compositione 'Zusammensetzung', coniunctione 'Konjunktion', con(g)iugazione 'Konjugation', gerundio 'Gerundium', impersonale 'Impersonale', monosillabo 'einsilbig', nome proprio 'Eigenname', numero 'Numerus', passivo 'Passiv', preporre 'voranstellen', preterito 'Präteritum', preterito perfetto 'Passato remoto', relativo 'Relativum', subienctivo 'Konjunktiv', troncare 'verkürzen' . 63 Bedeutsam ist drittens, daß Alberti in seiner Grammatik die Florentiner Umgangssprache seiner Zeit beschreibt, nicht die Sprache der großen Autoren des '300. So schreibt er alchuni (4), anchora (28), chostui, choloro (35); als Formen des bestimmten Artikels im Maskulinum nennt er el, e (9, 44) und als Futurum von avere haro (64); stattfossi,fosti wählt er die (analog zu .fid, fu gebildeten) Formen .fussi, fusti (48, 51 ); neben eravamo und eravate läßt er savamo und savate gelten, gegenüber siete gibt er sete den Vorzug u.ä. 64 Viertens finden wir in der Grammatichetta die ersten genauen phoni- 63 Viele der von Alberti verwendeten Termini stellen für das Italienische Erstbelege dar. Zur Entstehung der italienischen grammatischen Terminologie und den frühesten Belegen vgl. Salvatore Claudio Sgroi, "Retrodatazioni di tennini grammaticali quattro e cinquecenteschi", Studi Linguistici Italiani 18 (1992), S. 251-269. 64 Eine ausführliche Prüfung der Frage, inwieweit das in der Grammatichetta beschriebene Florentinisch tatsächlich dem Sprachgebrauch im Florenz des 15. Jahrhunderts (soweit wir 196 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus sehen Unterscheidungen für das Italienische. Fünftens schließlich unterstreicht der Verfasser die Selbständigkeit seiner Muttersprache, indem er sie lingua toseana nennt. Schwierigkeiten hat Alberti allerdings mit den homophonen Formen seiner Sprache, die er nicht recht zu unterscheiden weiß. So stellt er bei ehe, das im Italienischen als Interrogativpronomen, Relativpronomen und Konjunktion verwendet wird, fest, daß es Unterschiedliches bedeute, je nachdem, ob es dem Verbum voran- oder nachgestellt werde: Che, praeposto al verbo, significa quanto presso a e Latini quid et quantum e quale, come: Che dice? Che leggi? Che huomo ti paio? Che ti costa? Che, postposto al verbo, significa quanto apresso e Latini ut et quod, come dicendo: I' voglio ehe tu mi legga; Scio ehe tu me amerai. 25-26, G 44, P 20-21 Ebenso hält er e / , lo, la und die entsprechenden Pluralformen für dasselbe Wort, das einmal als Artikel, dann wieder als Pronomen erscheine: E et el, lo e la, le e gli, quali, giunti a' nomi, sono articoli, quando si giungono a e verbi, diventano pronomi, e significano quello, quella, quelle etc. et dicesi: / o la amai, Tu le biasimi, Chi gli vuole? 44, G48, P 25 Eine irritierende Mehrdeutigkeit bemerkt er auch bei ne, das einerseits als Negation (ne ne'), andererseits als Form von in (nel, nella), dann wieder als Adverbialpronomen (ne < lat. inde) vorkommt: Et questo ne ha vario significato e vario uso: se si prepone simplice a' nomi, a' verbi, a' pronomi, significa negatione, come qui: ne tu ne io meritiamo invidia. Et significa in; ma, agiuntovi / , serve a' singolari masculini e femminini, e, senza / , serve a' plurali quali comincino da consonante. [...] Et questo ne, se sara subiuncto a nome o al pronome significa di qui, di questo, di quello, secondo ehe l'altre dictioni vi si adatteranno, come chi dice Cesare ne va, Pompeio ne viene. 89-90, G 59, P 36 Andererseits aber macht Alberti auch überraschend scharfsinnige Beobachtungen. So unterscheidet er in seinem „Ordine delle lettere" zwischen [e] und [s] (geschrieben e und e) und [o] und [o] (geschrieben ö und o) und verdeutlicht diesen Unterschied durch den spielerischen Beispielsatz: Et volse porei a' porei qu'ello eh 'e e pella pelle. Dabei unterscheidet er seltsamerweise auch noch zwischen e als Konjunktion, Verb und Artikel (wobei die Form von essere durch ein darübergesetztes Halbkreuzchen kenntlich es aus anderen Quellen kennen) entspricht, findet sich in Giuseppe Patota (Hg.), Leon Battista Alberti, Grammatichetta e altri scritti sul volgare, cit., S. LI-LXXXIV: "II fiorentino del quattrocento, il fiorentino descritto nella Grammatichetta e il fiorentino dell'Alberti" (= Kapitel 2 der „Introduzione"). Die erste italienische Grammatik 197 gemacht ist). Weiterhin bemerkt er, daß alle toskanischen Wörter auf Vokal auslauten: Ogni parola e dictione toscana finisce in vocale: solo alchuni articholi de' nomi in l et alehune prepositioni finiscono in d, n, r. 4,G40,P 16 Zum grammatischen System des Toskanischen stellt Alberti folgendes fest: - Das Toskanische hat nur zwei nominale Flexionsformen, Maskulinum und Femininum: Non hanno e Toseani fra enomi altro ehe maseulino e feminino; [...] 6, G40, P 17 Dazu merkt er an, daß die Kasus durch die Artikelformen (el, de/ , al, el) dargestellt werden, wobei er beim Maskulinum auf die allomorphe Form lo hinweist (bei Anlaut mit Vokal und s impura): 'E casi de' nomi si notano eo' suoi artieoli, de i quali sono varii e maseulini da e feminini. Item, e maseulini ehe eomineiano da eonsonante hanno certi artieoli non fatti eome quando e eominciano da voeale. 7,G41,P 17 - Eigentliche Kasusformen stellt er nur bei den Pronomina io, tu, esso fest: Non troverrai in tutta la lingua toseana easi mutati in voee altrove ehe in questi tre pronomi: io, tu, esso. 33, G46, P 22 - Das italienische passato prossimo versucht er durch den Terminus preterito quasi teste semantisch zu beschreiben und führt zur Abgrenzung gegenüber dem passato remoto das Beispiel an, das wir anläßlich der Datierungsfrage der Grammatichetta schon betrachtet haben: Hanno e Toseani in voee uno preterito quasi teste, quale in questo verbo si diee eosf: Sono, sei, e stato; plurale: siamo, sete, sono stati. E dieesi: Hieri fui ad Hostia; hoggi sono stato a Tibuli. 49, G49, P 26 - Einen neuen Terminus "asseverativo") führt Alberti auch zur Bezeichnung eines italienischen Modus ein, "den die Römer nicht hatten" (es handelt sich um denKonditionalis): Hanno e Toseani eerto modo subienetivo in voee, non notato da e latini; e parmi da nominarlo asseverativo, come questo: sarei, saresti, sarebbe; pluraliter saremo, saresti, sarebbero. E dirassi eosf: s 'tu fussi docto, saresto pregiato; se fussero amatori della patria, e sarebbero piufelici. 58, G 50-51, P 28 198 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus - Bei der verbalen Flexion unterscheidet Alberti zwei Konjugationen, eine mit-a und eine mit-e als Kennzeichen der dritten Person Singular. Und zwar gelange man zu dieser dritten Person, indem man vom lateinischen Gerundium die letzten drei Buchstaben entferne: Le congiugationi de' verbi activi in lingua toscana si formano dal gerundio latino, levatone le ultime tre lettere: -ndo; e quel ehe resta si fa terza persona singulare indicativa e presente. Ecco l'exemplo: amando. Levane -ndo: resta ama; scrivendo: resta scrive. Sono adonque due coniugationi, una ehe finisce in -a, l'altra finisce in -e. 59, G 51, P 28 - Er bemerkt, daß bestimmte Adverbien mit Hilfe des bestimmten Artikels substantiviert werden können und daß so regelmäßig beim Infinitiv verfahren wird: Usa la lingua toscana questi adverbii in luogo di nomi giuntovi l'articolo, e dice: el bene, de/ bene etc. Qual cosa ella anchora fa degli infiniti e dicono el legere, de/ legere. 84, G 58, P 35 - Bei den Präpositionen unterscheidet er zunächst solche, die nur „getrennt" (seiuncte) gebraucht werden können: Sequitano le prepositioni. Di queste, alchune non caggiono in compositione, e sono queste: oltre, sino, dietro, doppo, presso, verso, 'nanzi, faori, circa. 79, G 56-57, P 33-34 Dagegen könnten de, ad, con, per, di, in, sotto, sopra, entro, contro sowohl „in compositione" als auch „seiuncte" gebraucht werden (79-81, G 57, P 34). Nur „in compositione" kämen re, sub, ob, se, am, tras, ab, dis, ex, pre, circum vor (82, G 57, P 34). Alberti faßt also Präpositionen und Präfixe zusammen. - Bei den Possessiva bemerkt er, daß die bestimmten Artikel, die sie sonst im Italienischen begleiten, bei bestimmten Verwandtschaftsnamen gleichwohl fehlen: In uso, s'adoprano questi pronomi non tutti a un modo. E derivativi, giunti a questi nomi: padre, madre,fratel/ o, zio e simili, si pronuntiano senza articolo, e dicesi: mio padre, nostra madre e tuo zio, etc. 41, G 47, P 23-24 Was die historische Grammatik und die Sprachgeschichte des Italienischen angeht, so hat er folgendes beobachtet: - Bei vielen toskanischen Lexemen ist das lateinische Etymon gut kenntlich geblieben: Die erste italienische Grammatik 199 Le chose, in molta parte, hanno in lingua toscana que' medesimi nomi ehe in latino. 5, G 40, P 17 - Von den drei Genera des Lateinischen hat das Italienische nur zwei bewahrt; das Neutrum ist im Maskulinum aufgegangen: Non hanno e Toscani fra e nomi altro ehe masculino e feminino; e neutri latini si fanno masculini. 6, G40, P 17 - Die italienischen Nominalendungen erklärt sich Alberti als Bewahrung der Ablativformen: Pigliasi in ogni nome latino lo ablativo singulare, e questo s'usa in ogni caso singulare, cosi al masculino come al femminino. 6, G40,P 17 - Unter den „vizi del favellare", welche Alberti im Anklang an die Behandlung des „Barbarismus" in den antiken Grammatiken am Ende seines Traktats kurz anspricht, erwähnt er auch einige germanische Lehnwörter im Toskanischen seiner Zeit: Alieni sono in Toscana piu nomi barberi, lasciativi da gente Germana, quale piu tempo milito in Italia, come elm, vulasc, sacoman, bandier e simili. 65 95, G60,P 37 - Manche Veränderungen der Aussprachegewohnheiten möchte der Verfasser jedoch nicht nur nicht tadeln, sondern ausdrücklich billigen, da sie die Sprache flüssiger und geschmeidiger machten: Ma questi vitii, in alchune dictioni e prolationi, rendono la lingua piu apta, come chi, diminuendo, dice spirto pro spirito, et maxime l'ultima vocale e dice Papi et Zanobi pro Zanobio, credon far quel ben. Onde s'usa ehe a tutti gl'infiniti, quando Joro segue alchuno pronome in i, allhora si getta l'ultima vocale, e dicesi: farti, amarvi, starci, etc. 97, G 61, P 38 Über weitere Beschäftigung mit der Grammatik des Italienischen, und zwar im Veneto, haben wir nur indirekte Auskunft. So habe der wegen seiner Gelehrsamkeit berühmte Trifone Gabriele "il Socrate della citta") (ca. 1470-1549) eine Institutione della grammatica volgare geschrieben, und 65 Gemeint sind elmo 'Helm', fiasco 'umwundene Flasche', saccomanno 'Troßknecht', bandiera 'Fahne'. Zu den germanischen Elementen im Italienischen s. jetzt: Arrigo Castellani, "Capitoli di un'introduzione alla grammatica storica italiana. II: L'Elemento germanico", Studi Linguistici Jtaliani 11 (1985), S. 1-26; 151-181. 200 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Giovanni Aurelio Augurello (ca. 1440-1524) habe zwischen 1476 und 1524 in Padua, Venedig und Treviso italienische Grammatik unterrichtet. 66 66 Vgl. Ciro Trabalza, Storia della grammatica italiana, Bologna 2 1963, S. 46. 4.5 Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien Wir wollen nun noch kurz die Entstehung volkssprachlicher Lexikographie in Italien betrachten. Die allgemeinen Umstände der ersten lexikographischen Versuche, die wir im Zusammenhang mit der Galloromania etwas ausführlicher beschrieben haben, sind in der westlichen Romania im wesentlichen die gleichen und gelten somit auch für Italien: die Basisrolle der mittelalterlichen Lexikographie des Lateinischen, die zunächst sporadische, dann systematische Heranziehung volkssprachlicher Elemente im Dienste der Beschreibung des Lateinischen, die erst sekundär und relativ spät erscheinende „Umkehrung" der Abfolge lateinisches Lemma romanisches Interpretament. Andererseits aber gab es in Italien drei kulturhistorische Sonderfaktoren, welche die Anfänge der volkssprachlichen Lexikographie mitbestimmten: die lange praktische Vitalität des mittelalterlichen Lateins und die führende Rolle der italienischen Humanisten bei der Wiederbelebung der klassischen Latinität, die starke mundartliche Differenzierung des Landes und die Bedeutung, welche die internationalen Kontakte dort hatten. Daher zeigen die ersten Versuche, volkssprachige Wortbedeutungen aufzuzeichnen, dort auch einen anderen Charakter als in der Galloromania. 4.5.1 Die ersten Spuren des Volgare in der lateinischen Lexikographie Italiens Die ersten Spuren des italienischen Volgare finden sich schon in den erwähnten drei großen lateinischen Wortschatzkompendien des Mittelalters, dem Elementarium doctrinae rudimentum von Papias, den Magnae derivationes von Uguccione und dem Catholicon von Giovanni Balbi (vgl. Kap. 2), die ja alle auf der Apenninenhalbinsel entstanden sind. So heißt es bei Papias, 95 ( dA I, 180): 67 alietos avis qui smirlius dicitur vel sparaverius Das mittellateinische Wort alietos (aus gr. cxA.1.0te'to~, urspr.: 'Seeadler', dann: 'Steinadler', 'Falke', 'Bussard') hat also die Bedeutung von klat. accipiter nisus 'Sperber' und wird durch die volkssprachlichen Entsprechungen smirlio (it. smeriglio) bzw. sparaverio (it. sparviero, sparviere) interpretiert, die beide letztlich germanischer Herkunft sind (sparviere ist wohl durch das Altokzitanische vermittelt worden). 67 Wir zitieren das Elementarium nach der schon in Kap. 2 genannten kritischen Ausgabe des . Buchstabens A: V. De Angelis (Hg.), Papiae Elementarium littera 'A ', 3 Bdd., Mailand 1977-1980 (dA). 202 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Die volkssprachlichen Formen werden oft durch vulgariter dicitur bzw. vulgo dicitur eingeführt. Gleichwohl sind sie im Bewußtsein des Verfassers nicht stets eindeutig von den lateinischen abgegrenzt. So kommt es, daß etwa bei fimus 'Mist' einerseits hinzugefügt wird: Item dicitur laetamen (vgl. it. letame), andererseits aber laetamen selbst als Lemma erscheint, und zwar mit dem etymologischen Erklärungsversuch: dictum eo quod suo nutrimento laeta reddat gramina 'wird so genannt, weil er durch seine Düngung die Pflanzen üppig macht' . 68 Insgesamt aber sind die volkssprachlichen Elemente bei Papias eher selten. Eine ganze Anzahl von volkssprachlichen Elementen enthalten die Magnae Derivationes von Hugotio (Uguccione). 69 So wird bei LUCEO zur 'Nachtigall' bemerkt: Luscinia -e que mane canere incipit, scilicet quedam avis sie dicta quia in cantu suo significat ortum diei [...] Hec vulgo dicitur rusignolus. ARB 116 70 Zahlreich· sind die lexikalischen Romanismen auch im Catholicon von Giovanni Balbi, teils durch Übernahme aus den lexikographischen Vorlagen, teils durch Neueinfügung. So wird bei pera, perae 'Reisequersack' (ein Wort, das schon das antike Latein aus dem Griechischen entlehnt hatte) die folgende Erklärung gegeben: Pera re, idest sacculus qui tasca vulgo dicitur; ARB 117 Auch wenn die Volgare-Wörter im Catholicon nicht eben selten sind, so bleibt ihre Erwähnung doch eher beiläufig und okkasionell. Dagegen finden sie sich in dem um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen Declarus von Angelo Senisio (1305-1386) (der sich im wesentlichen auf die Magnae Derivationes Ugucciones stützt) schon mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Die volkssprachlichen Wörter und Wendungen erscheinen hier gleichsam als selbstverständliche Entsprechung des lateinischen Lemmas, und zwar in der sizilianischen Mundart des Verfassers, oft vom Artikel begleitet und stets ohne den einleitenden Zusatz „vulgariter", so daß man in dem Declarus mit 68 Nach Alda Rossebastiano Bart (ARB), "Alle origini della lessicografia italiana", in: Claude Buridant (Hg.), La lexicographie au Moyen Age, Lille 1986, S. 113-156, hier S. 114--115. 69 Claus Riessner, Die 'Magnae derivationes' des Uguccione da Pisa und ihre Bedeutung fiir die romanische Philologie, Rom 1965 (= Temi e testi 11) -wir haben das Buch schon im zweiten Kapitel zitiert hat 111 Vorkommen zusammengestellt. Unser Beispiel entstammt der in Anm. 217 genannten Arbeit von Alda Rossebastiano Bart (ARB). 70 Das erste Element von klat. luscinia wird heute meist aus der Wurzel c/ u- 'hören' erklärt (vgl. gr. 1e; \: um). Die romanischen Bezeichnungen des Vogels vom Typ 'rusignolus' auf der Basis des Diminutivs lusciniolus (frz. rossignol, it. (l) 'usignolo etc.) sind wohl durch das aprov. rosinhol vermittelt. Zur Erklärung von l > r hat man an Dissimilation oder Einfluß eines anderen Etymons gedacht. Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 203 Recht ein Übergangsstadium der Entwicklung vom lateinischen Glossar (mit gelegentlichen volkssprachlichen Elementen) zum regelrechten zweisprachigen Wörterbuch Latein-Volgare gesehen hat. 71 Amodo, adverbium... idest deinceps, da chi innanti vel da chi in reri; Atramentarius rii, masculini generis, idest vas scriptoris, quod dicitur lu calamaru; Brace carum ... li brachi, quia breves sunt, idest a renibus usque ad ienua; Galea lee ... la cappelina de lu aczaru; Pera re .. . item ... dicitur sportella, scharcella, sacculum, pautunera, et proprie que portatur a peregrinis sub assilla; Pica ce ... avis est sie dicta, vel que dicitur carcaraza; ARB 117 Neben den genannten existieren noch einige andere bisher nicht edierte lateinische Vokabularien, in denen sich Äquivalente iri italienischem Volgare finden. 4.5.2 Die ersten lateinisch-italienischen Glossare Am Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts erscheinen auch die ersten textbegleitenden bzw. thematisch angeordneten lateinisch-italienischen Glossare. Während die ersteren die erklärungsbedürftigen Wörtereines Textes der Rezeption erschließen sollen, dienen die letzteren gleichsam projektiv der Erweiterung des Wortschatzes in Bezug auf bestimmte Sachgruppen. Innovativ gegenüber den überkommenen lateinischen lexikographischen Werken des Mittelalters ist der zunehmende Verzicht auf die Anführung der von einem Basislemma abgeleiteten Wörter (derivatio) und der mit ihm zusammen gebildeten (compositio) zugunsten der einfachen Gegenüberstellung von lateinischem und volkssprachlichem Lexem, welche nun die Funktion der lateinischen Bedeutungsbeschreibung (expositio) übernimmt. Das älteste bekannte Beispiel für die erste Gruppe steht auf den Blättern 92v-96r des Cod. B 56 der Gemeindebibliothek Perugia. Es handelt sich um ca. 1100 lateinische Lemmata mit Angaben zur Flexion und italienischen (zum Teil aber auch lateinischen) Interpretamenten. Die schlichte Form erinnert an die ersten lateinischen Glossare mit französischem Anteil (nur daß das Glossar von Perugia etwa zweihundert Jahre später, nämlich um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert entstanden ist): 71 „La forte caratterizzazione dei volgarismi, onnai quasi costantemente accompagnati dall'articolo, la loro frequenza e la loro collocazione in funzione talvolta di glossa immediata, nön piu introdotta da! prudenziale vulgariter, pongono questo repertorio in posizione nettamente diversa da quelli precedentemente descritti, facendone quasi un vocabolario latino-volgare o almeno un ponte tra questi ultimi e quelli latini piu antichi." (Alda Rossebastiano Bart, "Alle origini della lessicografia italiana", cit., S. 118). 204 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus hoc flabellum, i ('Wedel')- / a paramosca, hec fabula, le lafola ('Märchen'), flo, as per sopiare, scabidosus, sa, sum ('räudig') rognoso, for, isloquor, hec balista, te ('Wurfmaschine')- / a balestra ('Armbrust'), hec alea, e ludus, hec caligo, nis ('Trübheit') quedam obscuritas, hec balena, ne quidam piscis, hec hara, e ('Schweinekoben')- / o albio da porci ('Schweinetrog'), hec tenia, e la cordella de/ capo delle donne ('Haarband'). ARB 120 Von eher marginalem Rang (wenn auch nicht ganz ohne dokumentarischen Wert) und offenbar aus okkasionellem Anlaß entstanden sind auch zwei kleine Glossare aus dem 15. Jahrhundert. Das eine (um 1440 verfaßte) ist unter dem Namen Lucidina bekannt und stammt von dem Mailänder Hofschreiber Bartolomeo Sachella; das andere (ca. 1490) ist eine lateinische Wortliste, die sich Leonardo da Vinci angelegt und mit italienischen Entsprechungen versehen hatte: cuiusque di qualunque; excipitur si toglie via; nequam cattivo homo etc. Die italienischen Interpretamente dieser frühen Zeugnisse sind nun stets regional charakterisiert (wenn auch nicht in jedem Fall eindeutig bezüglich ihrer Zuordnung). 72 4.5.3 Thematisch und alphabetisch geordnete Lernglossare Ebenso verhält es sich bei der ungleich wichtigeren Gruppe der sachlich gegliederten Schulwörterbücher, einer Gattung, welche in früher Zeit gerade für Italien charakteristisch ist. Wie oben angedeutet, ging die humanistische Wiederbelebung des klassischen Lateins, nicht nur als geschriebene, sondern auch als gesprochene Sprache, von Italien aus, so daß ein Bedarf an Arbeitsmitteln zu seiner Erlemung bestand. Dies erklärt den vorwiegend praktischen Charakter seiner grammatischen wie lexikalischen Beschreibung in Italien. 73 72 So hat man in dem Glossar aus Perugia einerseits emilianische, andererseits süditalienische Merlonale feststellen wollen, während das Italienische der Lucidina lombardischer Varietät ist. Die italienischen Äquivalente des „Vocabolario latino-volgare" von Leonardo sind florentinisch. Vgl. Alda Rossebastiano Bart, "Alle origini della lessicografia italiana", cit., s. 120-121. 73 „On n'etudiait la grammaire qu'en vue de parler et d'ecrire correctement le latin, on s'inquietait peu des theories grammaticales et de l'explication des faits. [...] Ce qu'on ne rencontre que tres rarement dans les grammaires elementaires de l'Europe du Nord, ils traduisent beaucoup de mots et de phrases en langue vulgaire; ils enseignent souvent la maniere de tourner en latin une phrase italienne, ou comme ils disent, un theme. Ainsi: Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 205 Das älteste (wenn auch nicht vollständig) auf uns gekommene sachlich gegliederte lateinisch-italienische Glossar ist das des Grammatiklehrers Goro d'Arezzo aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (lr-13v des Cod. Panciatichi 68 der Nationalbibliothek Florenz). Die Erweiterung dieses Glossars durch Goros Schüler und Schwiegersohn Domenico di Bandino (oder Bandini) (ca. 1335-1418) ist in zwei Versionen überliefert: Cod. a.V.9.1 der Biblioteca Estense, Modena (Ende 14. oder Anfang 15. Jh.) und Landau 260 der Nationalbibliothek Florenz (1447 nach dem Zeugnis der Handschrift selbst). Die erweiterte Fassung enthält ca. 1500 Lemmata. Die Sinngruppen bezeichnen den Menschen und sein konkretes Lebensumfeld, wie etwa die folgenden abschnitteinleitenden Lemmata zeigen: Hie vir -ri, l 'omo; commedo, is, per mangiare; hie campus -pi, el campo; hie hortus -ti, l'orto; hec oliva -vae, l'olivo; hec silva -vae, la selva; hec domus -mi, la casa; hoc gausape -pe vel gausapum, la tovaglia; hie presbiter -ri, el prete; hie cerdo -nis, calfolao; ARB 127 Weitere Sachgruppen betreffen die verschiedenen (vor allem· handwerklichen) Berufe Kriegswesen, Verwandtschaftsnamen, Jahreseinteilung etc. Die Nomina sind (fast) stets mit dem bestimmten Artikel, die verbalen Infinitive durch das einleitende per kenntlich gemacht. In der Version von Bandini findet sich öfter die Zusammenfassung sinnverwandter lateinischer Wörter unter einem italienischen Äquivalent; so wird für 'hoc celum -li', 'hie polus -li' und 'hie olimpus -pi' zusammen 'el cielo' als Entsprechung genannt (ARB 128). Vereinzelt finden sich auch die traditionellen Merkverse zur Unterscheidung homonymer oder klangverwandter lateinischer Wörter: hie capo -is, el cappone, hie caupo -is, el tavernaio unde versus: cantat nocte capo, vinum vult vendere caupo ARB 128 (KK 11) Nota quod thema datum in activa significatione quandoque oportet fieri per passivum, ut in his exemplis: Questo malato guarira, iste eger liberabitur vel sanabitur ....." (Charles Thurot, "Notices et extraits de divers manuscrits latins pour servir a l'histoire des doctrines grammaticales au Moyen A.ge". Notices et extraits des mss. latins de la Bibliotheque Nationale, XXII, 2, Paris 1868 [Ndr.: Frankfurt/ M 1964], S. 91, 92). 206 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Eine gewisse regionale Bekanntheit erreichte das Anfang des 15. Jahrhun- . derts (vermutlich 1417-1418) entstandene Vocabularium breve des Grammatiklehrers Gasparino Barzizza (1359-1431), das zwischen 1509 und 1563 immerhin siebenmal im Druck erschien. Die volkssprachlichen. Interpretamente entsprechen der italienischen Varietät des Veneto mit einigen Merkmalen des Bergamaskischen und spiegeln wahrscheinlich den Gebrauch des Verfassers wieder, dessen Familie aus dem DorfBarzizza in der Val Seriana bei Bergamo stammte: Fistula, la ziaramella, cioe istromento da sonare facto di canule; ['Schalmei'] Jugum, el zovo da zonzer li bovi; ['Joch'] Lanx, la basia o el tagliero largo over el piatello; ['Speisenplatte'] Orcestra, la carrega de lo gentilhomo; ['Rang des Edelmannes'] Tabula, la tola del povero; ['Armentafel'] Vespertillus, el rato ehe vola. ['Fledermaus'] 0 76 74 Seine spekulativen Etymologien entnimmt Barzizza der antiken und mittelalterlichen Tradition: Avis, -is, foe. gen. lo ucelo: ab a, quod est sine vio [sie], quia certam in volando viam non tenet ARB 123 Zwar ist Gasparino Barzizza dem Kreis der humanistischen Grammatiker zuzurechnen, doch pflegt er bei der Auswahl der lateinischen Lemmata keineswegs klassischen Purismus. "Non di raro il latino di questo vocabulario e inquinato di volgarismi", meint Ornella Olivieri: 75 Bernatium, el bemazo, quasi prunatium ['glühende Asche' < lat. pruna 'glühende Kohle'] Herpicus, l'erpego dadenti; [lat. irpex, -icis 'Zugrechen', 'Egge', it. erpice] Perponcta, la perponta; ['Steppwams', 'Steppdecke' < lat. *(vestis) perpuncta] Scarlegia, la scarlegia; [lat. salvia sclarea 'Muskatellersalbei', it. scarlea] Sorca, lo ratto sive el sorego. ['Maus', lat. sorex, -icis 'Spitzmaus', it. sorcio 'Maus'] 076 74 Wir zitieren das Vocabularium breve nach Ornella Olivieri, "1 primi vocabolari italiani", Studi di Fi/ ologia Italiana 6 (1942), S. 64--192 (0), bzw. nach Alda Rossebastiano Bart, „Alle origini della lessicografia italiana", cit. (ARB). Ornella Olivieri bemerkt bezüglich der Bedeutungsangabe von orcestra: "La spiegazione della parola orcestra ci fornisce un esempio della vaga approssimazione di cui si accontentavano, circa i significati delle voci, le scuole di allora." Die mittelalterliche Bedeutung von orchestra (ursprünglich der Tanzraum im attischen Theater) leitet sich vermutlich von der historischen Tatsache her, daß im römischen Theater die Senatoren ihre Plätze in der orchestra hatten. 75 „1 primi vocabolari italiani", cit., S. 76. Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 207 Gelegentlich kommen ihm allerdings Zweifel, ob man ein im mittelalterlichen Latein übliches Wort akzeptieren dürfe ('sed caret auctoritate'): Puina, la mascherpa, sed caret auctoritate ['Quark', it. mascarpa, mascarpone] 076 Die Sachgruppen in Barzizzas Vocabularium sind Spiegel einer praktischen Kosmologie: Rerum divinarum; Rerum elementalium; Rerum volatilium; De muscis et apibus et similibus generibus volantibus; De fructibus erborum [sie]; De seminibus; (Legumen, nis )7 6 De herbis et oloribus ortorum; De animalibus sylvestribus; De animalibus domesticis; De edificiis; De instrumentis rusticis; De edificiis et instrumentis urbanis; De supellectilibus et vasis domesticis secundum ordinem partium domus; De supellectilibus camere; De utensilibus et rebus convenientibus; De instrumentis et utensilibus coquinae; De utensilibus et vasis dispensae et aliis rebus; De homine et partibus eius; De interioribus corporis humani; De omamentis vestium et calciamentis. ARB 123 Bergamaskischer Mundart sind die italienischen Äquivalente eines lateinisch-volkssprachlichen Glossars (2134 Einträge) im Codex 534 der Universitätsbibliothek Padua, der aus dem frühen 15. Jahrhundert stammt. Im Gegensatz zum Vocabularium von Barzizza finden sich hier keine Angaben zu grammatischem Status, zu Ableitungen oder Etymologien der lateinischen Lemmata. Die substantivischen italienischen Äquivalente erscheinen mit dem bestimmten Artikel, die verbalen mit dem Zusatz per. Die thematische Anordung beginnt mit dem Menschen, den Teilen des menschlichen Körpers und seinen Krankheiten: 77 homo vir mas, masculus l'omo e la dona l'omo lo masgio 76 Im Falle der 'Gemüsesorten' fehlt die thematische Überschrift. 77 Wir zitieren das Glossar nach J. Etienne Lorck, Altbergamaskische Sprachdenkmti/ er (IX.- XV. Jahrhundert), Halle, S. 1893 (L). 208 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus mulier, femina maritus uxor coniunx virgo infans puer infantia puella pueritia adolescens, iuvenis 1-15, L 96 la femena ol marid lamoyer ol marid e la moyer ol virgen e la virgena ol fanti e la fantina ol put la edad de-1 fanti la puta la edad de-1 put ol zoven e la zovena Die weiteren thematischen Bereiche betreffen das zivilisatorische Umfeld des Menschen: De vestibus et suis pertinentibus; De bello et pertinentibus ad bellum; De domo et pertinentibus ad domum; De oreo et pertinentibus ad oreum; 78 De camera et pertinentibus ad cameram; De caminata et pertinentibus ad caminatam; 79 De coquina et pertinentibus ad coquinam; De penu et suis pertinentibus; 80 De stabulo et pertientibus ad stabulum; De li pegori over de li bestij piceni; De torculari et suis pertinentibus; De orto et pertinentibus ad ortum; De planta et suis pertinentibus; De civitate et suis pertinentibus; De arte et eius pertinentibus. Auf einen sukzessiven Ausbau des Glossars hindeuten könnte die abweichende Volgare-Überschrift: Deli pegori over deli bestij piceni, dieseltsamerweise nur ein einziges (und noch dazu unpassendes) Lemma aufweist: armentum ol trop de-1 besti grossi. An die letzte Sektion der Sachgruppen schließt sich mit neuer Blattzählung ein Synonym- und Homonymglossar an, das wahrscheinlich von einem anderen Verfasser stammt. 81 Einerseits finden sich hier undifferenzierte Auflistungen möglicher volkssprachlicher Redebedeutungen lateinischer 78 De horreo 'vom Getreidespeicher'. 79 'Vom Speisezimmer (und den Mahlzeiten)'. 80 'Vom Vorrat', 'Von der Speisekammer'. 81 Lorck bemerkt hierzu: "[...] sprachliche Unterschiede [berechtigen] zu der Annahme, dass das Glossar und die Synonymik verschiedenen Verfassern angehören. Es möchte somit der Abschreiber des erstem zugleich der Verfasser des letztem sein." Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 209 Wörter mit sehr allgemeiner lexematischer Bedeutung, so im Falle von lat. fero: fero 1955-1964, L 158 perporta permostra per sustenir per da peravir per desiderar perpurgar permenar pervenir per combater Andererseits aber finden sich auch Beispiele für den Versuch einer sinnvollen Bedeutungsdifferenzierung (der lateinischen Lemmata). So wird der Unterschied zwischen den beiden Adjektiven, welche im Lateinischen das fehlende Sehvermögen bezeichnen, so dargestellt: orbus colu chi a fora li ogi cecus colu chi a hogi e non a la luce 1751 und 1754, L 151 Und bei der Bedeutung des 'Verlangens' wird zwar festgestellt, daß sowohl lat. peto, als auch posco wie flagito im Volgare durch per domanda wiedergegeben werden können; ein Zusatz erklärt aber, durch welchen Zug die lateinischen Verben sich jeweils voneinander unterscheide11: peto posco flagito 2100-2102, L 162 per domanda cosa grata per domanda cosa debuta per domanda cum pregera Neben den drei sachthematisch geordneten Glossaren, die wir bisher genannt haben, gibt es noch eine Anzahl anderer mit Äquivalenten in verschiedenen dialektalen Varietäten des Italienischen: Ein weiteres lateinisch-bergamaskisches Glossar von ca. 800 Lemmata findet sich in dem 1429 geschriebenen Codex 'I'. V, 11 (5) der Gemeindebibliothek Bergamo. Der Duktus dieses Glossars ist etwas traditioneller als der der Handschrift aus der Universitätsbibliothek Padua, insofern es spekulative Etymologien zu den lateinischen Lemmata enthält. Überwiegend lombardischer Mundart (amita, -te la sor de lo paire)8 2 sind die italienischen Äquivalente eines Substantivglossars für Schüler (nomina necessaria scolaribus), das von einem gewissen Jacobus de Calcinia stammen könnte und in dem Miszellenkodex Z 478 (1661) der Marciana zu Venedig enthalten ist (f 76r-78\ 82v-83r). 82 ARB 126. 210 Die romanische Spracliwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus In mehreren dialektalen Versionen ist ferner ein lateinisch-volkssprachliches Glossar überliefert, dessen Niederschriften ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert stammen (Cod. 30 der Gemeindebibliothek Fabriano und Cod. 121 der Gemeindebibliothek Fermo, Mundart der Marken; Cod. Magliabechiano I. 72 der Nationalbibliothek Florenz, Toskanisch; Cod. 660 der Gemeindebibliothek Assisi, Emilianisch). Seine Sachgliederung orientiert sich deutlich an den vier „Elementen" der antiken Tradition (Wasser, Feuer, Erde, Luft). Zu erwähnen ist schließlich noch ein Sachgruppenglossar des humanistischen Grammatiklehrers Giovanni Battista Valentini, genannt Cantalicio (aus Cantalice bei Rieti, ca. 1450-1515), mit Äquivalenten in der reatinischen Varietät des Volgare (ca. 600 Lemmata), das gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstand. Das schon in der lateinischen Lexikographie des Mittelalters entwickelte Verfahren der alphabetischen Anordnung der Einträge wird für die lateinisch-volksspr~chlichen Glossare Italiens nach dem Declarus von Angelo Senisio erst ein Jahrhundert später wieder angewandt: im "Aaron, Abbas, Abbatissa" aus dem Cod. 13857 der Nationalbibliothek Wien (1448), dem Glossar aus dem Cod. 642 der Inguibertine von Carpentras und dem des Cod. 1329 der Universitätsbibliothek Padua (beide aus der zweiten Hälfte des 15. Jh), wobei der Verfasser des Glossars aus Padua allerdings das alphabetische Prinzip durch eine Wortartensortierung unterbricht. Alphabetisch angeordnet sind auch der (nur dem Namen nach 'kirchliche') Vocabolista Ecclesiastico latino-volgare des Bruders Giovanni Bemardo aus Savona, der schon 1479 im Druck erschien, aber sicher früher verfaßt wurde, und das bescheidene Schulglossar des Notars und Grammatiklehrers Jacopo Ursello da Roccantica vom Ende des 15. Jahrhunderts. Ebenso wie bei den Anfängen der französischen Lexikographie erscheint die Volkssprache auch im Falle des Italienischen erst später und sekundär als Sprache der Ausgangslemmatisierung, so bei einem nur handschriftlich überlieferten Wörterbuch (Hs. Nr. 1205 der Ricciardiana, Florenz), das man früher der Autorschaft des lombardischen Humanisten Nicodemo Tranchedino zuschrieb Getzt mit größerer Wahrscheinlichkeit der seines Zeitgenossen Petrus Candidus Decembrius [1399-1477]) oder bei dem Schulwörterbuch Vocabularium vulgare cum latino apposito von Nicola Valla da Girgenti vom Ende des 15. Jahrhunderts, dessen Volgare sizilianischer Varietät ist und das 1500 (und dann noch vier weitere Male im 16. Jahrhundert) gedruckt wurde. 4.5.4 Italienisch-neufremdsprachliche (nichtromanische) Glossare und Lehrwerke Die ersten italienisch-neufremdsprachlichen Glossare entsprechen praktischen Bedürfnissen und setzen wie schon die romanisch-bairischen Kas- Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 211 seler Glossen aus dem 9. Jahrhundertdie Tradition der antiken Hermeneumata fort: Dem Reisenden soll eine Verständigungshilfe angeboten werden. Das älteste Beispiel für ein Glossar dieser Art mit italienischer Basis ist das kleine italienisch-griechische Glossar von Monza aus der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts, das erst vor wenigen Jahrzehnten entdeckt wurde. Es handelt sich um 65 an den Rand bzw. zwischen den Text eines Hymnus von Hrabanus Maurus geschriebene italienische Wörter mit ihren frühneugriechischen Entsprechungen in lateinischen Buchstaben. Die Lemmata umfassen gebräuchliche Wörter wie Körperteile, Kleider, Wochentage u.ä.: 83 17.pede poda [7t66or.] 19. digito daptulo [6a.1C'tUÄ.o(v)] 60. lonis ['lunedf'] deftera [6eu'tepor.] Wenn das Glossar auch zu den okkasionellen Notaten zählt und (außer der gattungsmäßigen) keine lexikographische Bedeutung hat, so ist es doch ein aufschlußreiches Dokument der entstehenden Schriftnorm des Italienischen und des demotischen Griechisch der damaligen Zeit. In der gleichen Linie der Tradition Gedoch nach einem großen Zeitintervall) steht ein 217 Lemmata umfassendes italienisch-arabisches Glossar aus dem 15. Jahrhundert. Eine bedeutende Entfaltung erlebt die Gattung der 'Sprachführer' im Italien des 15. Jahrhunderts, und zwar in Bezug auf das Italienische und das Deutsche. Zentrum der Begegnung dieser beiden Sprachen war damals Venedig, wo die deutsche Kolonie im Fondaco dei Tedeschi ihren Mittelpunkt hatte. In der Nähe dieses 'Deutschen Hauses' ('sul campo de San Bartolomaio, apresso el fontego di Theodeschi') 84 soll ein gewisser Georg von Nürnberg jungen italienischen Kaufleuten Deutschunterricht erteilt haben. Dieser gilt als Verfasser der Basisversion eines italienisch-deutschen Sprachlehrwerks, das sich in mehreren Bearbeitungen als Handschrift erhalten hat. Die älteste und umfangreichste der erhaltenen Versionen ist der Kod. 12514 der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, der auf das Jahr 1424 (16. Februar 1423 nach altvenezianischer Zeitrechnung) datiert ist und als Ausgangssprache das Venezianische in der Form einer oberitalienischen Koine aufweist. Das Werk gliedert sich in einen lexikalischen, einen grammatischen (morphologischen) und einen phraseologischen Teil. Der lexikalische Teil umfaßt etwa 4000 Lemmata, die thematisch gegliedert sind: Gott und Kos- 83 Wir zitieren das Glossar nach der Ausgabe von Willem J. Aerts, "The Monza vocabulary", in: W. F. Bakker, A. F. van Gemert, W. J. Aerts (Hgg.), Studia Byzantina et Neohellenica Neerlandica, Leiden 1972, S. 36-73. Die Zahlen beziehen sich auf die dort erscheinende Zählung der Lemmata. 84 Cod. it. 261 f. 108v (Bayerische Staatsbibliothek, München), zit. nach Alda Rossebastiano Bart, Antichi vocabulari plurilingui d'uso popolare: la tradizione del «So/ enissimo Vochabuo/ ista», Turin 1984, S. 27. 212 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus mos, Wasser, Wetter, Zeiteinteilung, Zahlen, Körperteile, Kleidung, Hausrat, Nahrungsmittel, Waren und Gewerbe, soziale Institutionen, Völkernamen etc. Die Substantive sind (zur Genuskennzeichnung) vom Artikel begleitet und oft auch von den zugehörigen Pluralformen (wohl wegen der Unregelmäßigkeit der deutschen Entsprechungen): 85 P 116 EI tetto daz dach ly tetti .die decher P 140 la spada daz swert le spade die swert Die Adjektive erscheinen in einer gewissen Sektion (43v-46C, P 169-173) mit ihren Komparationsformen, dem abgeleiteten Abstraktum und dem Adverb: 44', P 170, 27-33 Chativo pöz {'böse'] piu chativo pözzer Molto chativo gar pöz Massa chativo ze pöz Epiu chativo Aller pöst la chativieria die poshait chativamente pözleich Auch die Pronomina werden in (allerdings nicht kohärenten) Paradigmata angeführt (46r-46v, P 173-174). Von der Morphologie des Verbums werden zunächst nur Imperativ, Infinitiv und Partizip Perfekt genannt: 47', P 174 lolda lob loldare loben loldado gelobt Später aber finden sich fast vollständige Paradigmata einer ganzen Anzahl von Verben, angefangen mit dem Verbum 'sein': 64', P 201-202 E Son Ich Pin Tue du pist Quello e der ist Nui semo wir sein Vui sidi Ir seit Quelli sono die sein Es folgen dann die Paradigmen des indicativo imperfetto (lo era - Ich waz), des passato prossimo (Io son stado - Ich bin gebesen), des condizionale passato (Io seraue stado - Ich wer gebesen), desfuturo semplice (Io sero - Ich wird sein), jeweils durch alle Personen flektiert. Die empirische Konsti- 85 Wir zitieren das Sprachlehrwerk nach der diplomatischen Ausgabe von Oskar Pausch, Das älteste italienisch-deutsche Sprachbuch. Eine Überlieferung aus dem Jahre 1424 nach Georg von Nürnberg, Wien 1972 (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Denkschriften, 111. Band) (P). Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 213 tution der Paradigmata wird allerdings an ihrer Unvollständigkeit deutlich: Es fehlen congiuntivo presente, passato und trapassato, trapassato prossimo und .futuro anteriore. Daß passato remoto (und natürlich auch trapassato remoto) nicht erscheinen, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß diese Tempora in den oberitalienischen Varietäten der mündlichen Sprache schon nicht mehr angehörten. 86 Der okkasionellen Notierung ist wohl zuzuschreiben, daß condizionale presente und condizionale passato manchmal nur alternativ, manchmal aber auch beide zusammen aufgeführt werden. 87 Der didaktischen Zielsetzung des Werkes entspricht es, daß die Folge der thematisch geordneten Wortlisten öfter durch Satzbeispiele unterbrochen wird. So wird anläßlich der Tageszeiten und der Wörter für 'früh' folgender Beispielsatz genannt: E me son anchuo leuado piu abonora cha eri per to amor 3', 16-17, P 104 Ich pin heut fruer aufgestanden ben gestern durich dein billen 'Ich bin heute deinetwegen früher aufgestanden als gestern' Und die Bedeutung von debile plod wird wie folgt erläutert: Chete in scontrado chetue si debile anchuo? 26V, 19-20, P 142 Waz ist dir wider fam daz du alzz chranck heut pist? In mehreren Fällen sind die Beispielsätze idiomatischer oder sprichwörtlicher Natur, gehören also zur 'wiederholten Rede'. So aus Anlaß von matto: un matto fa zento matti 24V, 12, P 139 Oder bei taser 'schweigen': Chi olde vede etase puo uiver in paxe 67V, 28-29, P 208 Ein nar macht hundert narm wer hort siecht und sweigt den selben den frid belait Oder im Zusammenhang mit den Vogelnamen: Quando chanta el girlingo, chia rio signor mudar lo puo Wenn die geuch gucken, wer pösen herren hat, der mag in verrocken, 86 „A partire del XIV secolo se ne [sc. 'del passato remoto'] puo qui [sc. 'in vaste zone del Settentrione'] osservare la lenta ritirata di fronte aI passato prossimo." Gerhard Rohlfs, Grammatica storica della lingua italiana e dei suoi dialetti, 3 Bdd., Turin 1966-1969, hier Bd. 2, Turin 1968, S. 312 (§ 567). 87 So haben wir in dem o.a. Paradigma 'sein' nur: Io seraue stado - Ich wer gebesen, in dem dann folgenden Paradigma 'werden' aber sowohl E deuenteraue - Ich wurd, als auch: E seraue deuentado - Ich wer borden. 214 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Ma quando canta el ferlingiulo, bon o rio tiente a quello 32v, 11-14, P 151 aber wenn der funck singt, guet oder pös, pey yrn hinck Der letzte Teil des Sprachlehrwerks besteht (neben einer abschließenden locker aufgereihten Sammlung von Redewendungen in beiden Sprachen) aus zwei ausführlichen Handelsdialogen zwischen einem deutschen Tuchhändler (D) und seinem italienischen Geschäftspartner (B): D Io te Salve Bartolamio got gruß dich bortholme. B Omisier vuj sil ben vegnudo O herr Yr seit got wilchum Eie asay chio non ue ho uezudo Ez ist lang daz ich euch nicht D B D B D B D B D B D B Oue sy uui sta tanto chio no ue ha uezudo? In qua in Ia in asai Iuogi Quando uignissi uui? Eri sera da mezo note Vegni vui adesso dalemagna? Mefe sy io Che nouelle e adesso in allemagna? Bone, frar caro Ebona pase adesso in allemagna? Si in tal Iuogo e in tal Iuogo no Adoncha no se ua ben seguro? Eie arisego Emoria adesso in allamagna? D Non adesso Eie ben sta gran moria Maele basta Lolda sia dio [ ... ] 86', 1-24, P 239 hangesehen Wo seit rr alz lang ge wesen daz ich euch nicht han gesehen? hin und her an vil enten Wenn seit ir chumen? Nechten zw miter nacht Chumt rr ieczunt von deuczen landen? Trewn Jo ich waz mer ist yeczund in deuczen landen? Guete mein lieber brueder Ist gueter frid yeczund in deuczen landen? Jo an etleicher stat vnd an etleicher nicht So fert man nicht Wol sicher? Ez ist gebagt. Stirbt ez yeczund in deuczen landen? 88 Nain ez yeczund Ez hat wol fast gestorben Aber ez hat auff gehort gelobt sey got [ ... ] Wenn das italienisch-deutsche Sprachlehrwerk des Georg von Nürnberg auch einer durchaus praktischen Intention entspricht, mehr noch, auf „den Bedarf niederer städtischer Volksschichten" 89 zugeschnitten ist, so ist es doch für die Geschichte der romanischen (in diesem Falle italienischen) Sprachwissenschaft durch drei Faktoren von Belang: 88 Offenbar eine Anspielung auf die Pestepidemie, die Anfang des 15. Jahrhunderts Mitteleuropa heimsuchte. 89 Oskar Pausch, Das älteste italienisch-deutsche Sprachbuch, cit., S. 57. Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 215 1. lexikographisch: durch die selbstverständliche Autonomie (und den enormen Umfang) der Basislemmatisierung im Vo/ gare; 2. grammatikographisch: durch die morphologische und kategorielle Kontrastierung grammatischer Strukturen des Italienischen und Deutschen; 3. phraseologisch: durch die Einsicht, daß für pragmatisch und phraseologisch fixierte sprachliche Manifestationen komplexe Äquivalente in der fremdsprachigen Norm gefunden werden müssen. Dem italienisch-deutschen Lehrwerk des Georg von Nürnberg war im 15. Jahrhundert viel Erfolg beschieden, wie sich an seiner relativ großen Verbreitung erweist. Während der Cod. ital. 261 der Bayerischen Staatsbibliothek zu München im wesentlichen eine Wiedergabe des Wiener Codex von gleicher Hand darstellt, sind sechs weitere erhaltene Handschriften mehr oder weniger starke Bearbeitungen, darunter eine mit zusätzlichen lateinischen und tschechischen Äquivalenten. Besondere Bedeutung hat eine Fassung aus dem Jahre 1467, da sie eine Anpassung an die toskanische Sprachnorm zeigt und (zumindest indirekt) als mögliche Quelle der späteren (unter dem Namen So/ enissimo Vochabuolista bekannten) Druckfassungen gelten könnte, deren älteste die Inkunabel des Adam von Rottweil darstellt. Im Jahre 1477 erschien in Venedig ein Wiegendruck ohne Frontispiz, der mit dem folgenden Satz eingeleitet wird: 90 Questo <e'l> libro el quale si chiama introito e porta de quele ehe voleno imparare e comprender todescho *o latino, cioe taliano: el quale e vtilissimo per quele ehe vadeno apratichando per el mundo, el sia todescho o taliano. 041 Dis puch haiset ein pfort oder ein anweisung zu lernen teutsch oder welsch, das da fast not vnd nutzpar ist den, die in vil lande<n> handeln wellen, er sei teutsch oder welsch. 042 90 Wir zitieren das Sprachlehrwerk nach Vito Reno Giustiniani (Hg.), Adam von Rottweil. Deutsch-Italienischer Sprachfahrer, Tübingen 1987 (= Lingua et Traditio, Bd. 8) (G). < > und * bezeichnen Emendationen (Einfügungen und Änderungen) des Herausgebers. Die älteste Inkunabel aus dem Jahre 1477 (bei Giustiniani A genannt) enthält als deutsche Entsprechung der italienischen Einleitungsworte einen stark von diesen abweichenden Text. Wir stellen der italienischen Fassung von A daher die deutsche aus dem einige Jahre jüngeren Druck E gegenüber. 216 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Im Explicit heißt es dann: Explicit vocauolarius [A]priegate Dio per me im pagamento Compiuto Per meistro Adamo de Roduila 1477 a di 12 augusto 0121 Pitat Oot für mich zd Ion Volpracht Durch Maister Adam vonRodueil Daß Adam von Rottweil nicht nur der Drucker, sondern auch der Verfasser des Sprachführers war, ist durch keinen Hinweis zu belegen, und bezüglich der Originalität des Werkes dürfte die Meinung Adolf Mussafias der Wahrheit nahekommen: "[...] frühzeitig muss sich für derlei Zusammenstellungen eine Formel gebildet haben, welche dann jeder einzelne Bearbeiter nach Gutdünken modificirte." 91 Namengebend für die Nachfolgefamilie der Inkunabel Adams von Rottweil wurden die ersten Worte (Solenissimo vochabuolista) der zweiten Druckausgabe von Domenico de Lapi „stampada d'Aprile 1479" zu Bologna: Solenissimo vochabuolista e utilissimo a imparare legere per queli ehe desiderase<n> senza andare a schola, como e' artesani e done. Anchora puö imparare todescho el talian, e'l todescho puö imparare talian, perche in questo libro si ze tuti nomi, vocaboli e parole ehe se posino dire in piu modi. 041 Disem aller[er]wirdigosten vnd nützesten vocabulario ze lernen durch d<a>z du betrachtest sunder zd schül ze gon*, als wie hantwerckzlüt. vnd darinn mag lernen ein tütscher welsch vnd ein welscher tütsch, wan warumb in diesem büch sind alle nämen vnd allerlei wort, die man mag sprechen in mäncherlei weg. 041 Von dem als Solenissimo vochabuolista bekannten Werk haben sich neun Wiegendruckversionen aus den Jahren zwischen 1477 und 1500 erhalten. Der Sprachführer umfaßt etwa 3000 nach Sachgruppen geordnete Lemmata, von denen ca. 2000 in einem 'ersten Buch' (mit 55 thematischen 'Kapiteln' von De dio e de la trinita e de la potencia e richeza - Von got vnd von der heiligen driualtikait von mechtikait vnd reichtum (l) bis zu Dei granaro e de li grani - Von dem kornhaus vnd von weicz vnd korn (55)) und etwa 900 in einem 'zweiten Buch' erscheinen, das den Eindruck einer wenig organischen Anfügung ergänzender Notate macht. Noch mehr gilt dies für das abschließende „Heft", in dem man noch allerlei findet, "was sunst mangelt im p: ö,ch": 91 Adolf Mussafia, "Beitrag zur Kunde der norditalienischen Mundarten im XV. Jahrhunderte", Denkschriften der Wiener Akademie 22 (1873), S. 103-224, hier S. 103. Die Arifänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 217 In questo quademo si truouano de onge chose, cio ehe mancha, chi non fosse schripto qui auanti. G 117 Gelegentlich werden die Lemmata durch Sätze erläutert. So wird aus Anlaß der Zahlwörter folgender Beispielsatz angeführt: E' ho dao vn ducato per parte ich hab einen guldein daran geben 'Ich habe einen Gulden als Anzahlung gegeben' G64 Gegenüber dem Werk Georgs von Nürnberg ist die phraseologische und grammatische Information des Vochabuolista indessen äußerst dürftig. Dem bescheidenen Anspruch des Lehrbuchs, das sich an 'Handwerker und Hausfrauen' wendet, 92 entspricht seine vergleichsweise geringe Relevanz für die Historiographie der Romanischen Sprachwissenschaft. Festzuhalten sind gleichwohl zwei Aspekte (neben dem der Dokumentation dialekthistorischer Fakten des Italienischen), ein innerer und ein äußerer. In der ersten Hinsicht ist es die weitere Profilierung der Idee des zwischeneinzelsprachlichen Kontrastes durch die Reversibilität der Betrachtungsrichtung. Obwohl das Lehrwerk ursprünglich für· italienische Sprecher entworfen worden sein dürfte wie schon die italienische Basislemmatisierung zeigt-, wird nun ausdrücklich gesagt, es könne auch für Deutsche zum Erlernen des Italienischen dienen: "e'l tedesco puo imparare talian" - "vnd darinn mag lernen ein tütscher welsch". In diesem Zusammenhang werden eingangs einige Bemerkungen zur Aussprache der Schriftzeichen ('Buchstaben') für die italienischen und die deutschen Leser gemacht, und es wird festgestellt, daß die gleichen graphischen Zeichen in den beiden Sprachen ziemlich unterschiedlichen Fakten der phonischen Norm entsprechen, Beobachtungen, die den Phänomenbereich einer kontrastiven Graphemik bzw. Phonetik ante litteram betreffen. Allgemein wird zu den italienischen Lesern folgendes gesagt: Chi voia* mo' ben intendere e comprendere questi doi lenguazi, besongera a sapere le diferencie de le letere e del ABC, come si truouerai de qua *drio schripto in questo libro presento. G41 Und zu den deutschen: 92 Der Adressatenkreis des gedruckten Vochabuolista sei gegenüber dem des Lehrwerks des Georg von Nürnberg nochmals herabgestuft worden und habe nun geradezu die Ebene des Marktplatzes erreicht, meint Alda Rossebastiano Bart: "Siamo evidentemente ormai giunti al gradino piu basso dei possibili lettori: dalla scuola di tedesco per futuri mercanti alla stessa piazza del mercato." (Alda Rossebastiano Bart, "Alle origini della lessicografia italiana", cit., S. 141). 218 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Aber es ist etleich vnderschait im ABC, vnd wer die nit wais, der kan nit wol wälhisch lesen. di [di] vind man hie hernach geschriben. G42 Ein Hinweis auf den stark velaren Charakter des a in der beschriebenen deutschen Varietät ist es, wenn es heißt, ein geschriebenes a müsse in deutschen Wörtern stets wie o gelesen werden, es sei denn, es trage ein 'darübergesetztes Zeichen' (titulo): La prima letera sia, el a: dovechi to truouera' el a, non lezelo per a, ma lezelo per o, saluo si tu <'l> truoue per titulo, chomo to'l vedi qui: ä, lezelo per a. G41 Auch soll der italienische Leser wissen, daß das Graphem <v> im Schriftbild des Deutschen der damaligen Zeit vor Vokal als [f] gelesen werden muß ('von'), vor Konsonant aber als [u] ('vnd'): Item, doue tu truoua el v dauanti de vno vocha[uo]lo, chomo sia el a, e, i, o, lezelo per/ , saluo si tu <'l> truoue pres<s>o de vna altra letera come si sia in ABC, lezelo per v. G42 Resignieren muß der Verfasser allerdings bei der Aufgabe, dem italienischen Leser die lautlichen Entsprechungen der deutschen Buchstabenverbindungen "figuri") eh und sch ([~] bzw. [x] und [11) zu beschreiben, welche in der ihm bekannten Varietät des Italienischen nicht vorkommen. Die richtige Aussprache lasse sich mit der „Schreibfeder" nicht erklären, sondern nur durch den „Mund" eines des Schreibens und Lesens kundigen Muttersprachlers: Item anchuora, <nota> Je defrencie in questi doi figuri eh, sch, le quale non se puose deschiarare con ela pena, ma bexongia deschiarar cun ela buocha. ciascauno todesco chi se scriuere e lezer, e'lsa<per>a* dischiarare. G42 Die Anweisungen für den deutschen Leser zeigen die umgekehrte Perspektive des Kontrasts. Das palatale a des Italienischen gleiche seinem ä ( einem 'ä-Silben', einem 'ä-Buchstaben') wogegen das offene italienische o so wie sein a auszusprechen sei: Heb wier an am a. wo du vindest ein a, so les es nit für ein a, sunder les es. für disen ä-silm. ltem, wo du findest ein o, das leß für ein a in wälhisch. G42 Als Entsprechung des vorvokalischen <v> des Italienischen wird der Lautwert des (allerdings damals und bis in die jüngere Zeit bilabial realisierten) deutschen <w> angeben; <x> sei [s] zu lesen (in der Tat schreibt der Vochabuolista: caxa 'casa', 'Haus'; cuxina 'cucina', 'Küche', G 96); und Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 219 <eh> als [k] (c a,o,u wird im Vochabuolista <c> oder <eh> geschrieben, meist aber <eh>); sowie <sch> als [sk]: Item, wo du vindest ein v vor einem lauten püchstab, so leß in für ein w. Item, wo du vindest ein x, das leß für eins. Item, wo du vindest eh, das leß für ein k. Item, wo du vindest sch, das leß für disen silm sc. G 42--43 In äußerer Hinsicht besteht die Bedeutung des Druckwerks Adams von Rottweil in seiner enormen Nachwirkung, die es trotz seiner Vorläufigkeit und Unvollendetheit hatte. Über 150 Jahre hinweg entstanden auf Grund und in Nachbildung des Vochabuolista ca. achtzig Ausgaben zwei- oder mehrsprachiger Sprachführer. Wegweisend war dabei vor allem das Prinzip der Darstellung des fremdsprachlichen Wortschatzes nach Sachgruppen selbst. Bezüglich der Vollständigkeit, Kohärenz und Disposition gelangte man im Laufe der Zeit zu verschiedenen bessernden Modifikationen. Besonders aber kam es in den fünf großen Filiationsfamilien des Werkes zu einer Vermeh- ·rung der Anzahl der berücksichtigten Sprachen. Während eine erste Familie von Nachfolgeausgaben noch bei dem Sprachenpaar Italienisch - Deutsch blieb (im Jahre 1502 erschien allerdings eine Bearbeitung, bei der statt des Italienischen das Katalanische als Ausgangssprache fungierte), erweiterte man die Anzahl der berücksichtigten Sprachen bald über vier und fünf auf bis zu acht, die vergleichend nebeneinandergestellt wurden: Griechisch, Lateinisch, Flämisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Englisch, Deutsch. 93 Es entstand ein Vocabularius valde necessarius per mundum versari cupientibus. 94 4.5.5 Glossare philologischer Intention ohne Bezug auf das Lateinische Texterschließende Glossare mit Interpretamenten im Volgare finden sich auch in Bezug auf andere Sprachen als das Lateinische, wenngleich in weit geringerem Maße. Ebenso wie in Frankreich unternahm man es auch in Italien (im Bereich der jüdischen Gelehrsamkeit), hebräische Texte in der Volkssprache zu glossieren. Überliefert ist uns ein Glossario filosofico ebraico-italiano, das man an das Ende des 13. Jahrhunderts datiert und Moses von Salerno oder seinem Sohn Isaias zuschreibt. Wie bei den hebräisch-französischen Glossaren des Mittelalters erscheinen die romanischen 93 Berücksichtigt man alle vorkommenden Zusammenstellungen, so erscheinen sogar insgesamt zwölf Sprachen, nämlich zusätzlich zu den acht schon genannten noch: Tschechisch "Böhmisch"), Ungarisch, Polnisch und Katalanisch. 94 Quinque linguarum vtilissimus Vocabulista Latine, Tusche, Ga/ lice, Hyspane et Allemanice, Valde necessarius per mundum versari cupientibus heißt es im Frontispiz der 1526 von Francesco Garrmie zu Venedig gedruckten Ausgabe. 220 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Äquivalente in hebräischer Transliteration. Das gleiche gilt für ein hebräischneapolitanisch-arabisches Bibelglossar eines französischen oder katalanischen Verfassers, das unter dem Titel Maqre Dardeqe ['Kinderleselehre'] bekannt ist und 1488 in Neapel gedruckt wurde. Einern okkasionellen Anlaß im klösterlichen Leben des 14. Jahrhunderts scheint sich ein griechisch-sizilianisches Glossar (362 Lemmata) zu verdanken, das in einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert überliefert ist. Belangvoller für die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft sind diejenigen lexikographischen Zeugnisse, bei denen die interpretierte Basis der italienischen Glossen selbst romanischer Natur ist. Von dieser Art ist das provenzalisch-italienische Glossar zum Donat Proensa/ aus der Laurentiana-Handschrift, das wir im zweiten Kapitel bereits behandelt haben. Etwa aus der gleichen Zeit (der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts) stammt ein kleines etwa fünf Dutzend Lemmata umfassendes französisch-venezianisches Glossar (im Cod. 2511 der Bibliotheque de l'Arsenal, Paris) zu dem im 13. Jahrhundert entstandenen medizinischen Traktat Le regime du corps des Arztes Alebrant von Siena (Aldobrandino da Siena) (t 1287). Der Schreiber. möchte unverständliche Wörter des Textes für oberitalienische Leser übersetzen: 95 En questo libro e scrito. paraule en roman90 le qual eo no entendo, et per90 cui no lo sa (et) cui no lo entende 9erca i(n) quisti capitoli qua de soto (et) lo savera. La o tu troverai scrito Farne echatee val ta(n)to q(ant)o femena graveta. Le foie val ta(n)to a dir q(ant)o lo figato. 1-6, B 158-159 Als Äquivalenzformeln erscheinen hier also: val tanto quanto, bzw. val tanto a dir quanto 'bedeutet das gleiche wie'. Meist aber verwendet der Schreiber sie 'ist so wie': Sauge si e salbia. 35, B 159 Cha(m)pingner si e fonzi. 37, B 159 Crachet le sanc si e qua(n)do se sputa lo sangue. 44, B 159 Das Französische des kleinen Glossars ist an mehreren Stellen verderbt. So ist in der oben zitierten Zeile 5 (B 159) statt fame echatee wohl fame en9ainte zu lesen; und wenn es in Zeile 9 (B 159) heißt: Pam (de) sole sie 95 Wir zitieren das Glossar nach dem Abdruck bei lgnazio Baldelli, "Un glossarietto francese-veneto del Trecento", Studi / inguistici italiani 2 (1961), S. 155-162 (B). Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 221 segala, so steht 'pam de sole' für 'pain de soile' 'Roggenbrot'. Das intuitive Vorgehen des Verfassers zeigt sich auch daran, daß ihm gelegentlich Vermengungen von Ausgangs- und Zielsprache unterlaufen, etwa, wenn er statt der Äquivalenzformel 'si e' 'est' verwendet: Bren est semola (9, B 159); oder wenn schon im Ausgangslemma eine italianisierte Form erscheint: Pains alis de formento si e pan agimo (14, B 159) statt: Pains alis de fourment. In zwei Fällen (19 und 21) hat er die Bedeutung eines Terminus nicht feststellen können und daher den Platz hinter si e ( aus seiner Sicht: "zunächst") offen gelassen. Da die italienischen Anteile in der entstehenden Lexikographie der Apenninenhalbinsel entsprechend der ausgeprägten diatopischen Varietätengliederung meist deutlich dialektal gekennzeichnet sind, sollte man bei zunehmendem schriftlichen Gebrauch der Volkssprache auch erste Versuche einer interdialektalen italienischen Glossographie erwarten. Diese finden sich allerdings, wenn auch sehr spärlich. Denn bei aller dialektalen Varietät kam es auch in Italien im Bereich des Geschriebenen zur Bevorzugung einer zunächst venezianisch-oberitalienischen, dann mehr toskanisch beeinflußten überregionalen Koine. Das älteste bekannte Beispiel zwischenmundartlicher italienischer Glossographie ist ein kleines 1428 entstandenes Textglossar zu den Lauden des Jacopone da Todi (1230-1306), welches umbrische Formen durch Einwortentsprechungen für Mailänder Leser verständlich machen will: Padiglione pavayone; putiglosapu99olente; famiglia-fameya etc. 96 Aufschlußreicher und bedeutsamer sind die mailändisch-florentinischen Glossen, welche wir der Feder des Reisenden, Diplomaten; Berichterstatters und Chronisten Benedetto Dei (1418-1492) verdanken. Dei, der ein begeisterter Sammler von Namen, Daten und Fakten war, 97 hat dreimal begonnen, Wörter in mailändischer Mundart zusammenzustellen, zuletzt in einer auf das Jahr 1485 datierten Liste, welche 167 Lemmata umfaßt. Es handelt sich meist um konkrete Termini des täglichen Lebens (darunter viele Marktwaren, insbesondere Lebensmittel), welche mit dem unbestimmten Artikel angeführt werden: 98 F 126 un gniffignerre e una charota F 128 una Jughanigha e una salsiccia 96 Wir zitieren das Glossar nach Alda Rossebastiano Bart, "Alle origini della lessicografia italiana", cit., S. 142. 97 Er habe einem Hang zur Auflistung gefrönt, meint Gianfranco Folena: "[...] aveva Ia mania di elencare e mettere in Iista [...]" (Gianfranco Folena, "Vocaboli e sonetti milanesi di Benedetto Dei", Studi difilologia italiana 10 (1952), S. 83-144, hier S. 84). 98 Wir zitieren das Glossar nach der maßgebenden Ausgabe von Gianfranco Folena (F), die wir schon in der vorangehenden Anm. benannt haben. Folena hat die drei erhaltenen Wortlisten Deis in eine alphabetisch geordnete Abfolge integriert. 222 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus F 135 unraverin Selten sind (formelhafte) Wortverbindungen: F 124 non mifar galletti F 127 F 139 i mi scento inr; uchao 'ich fühle mich erkältet' fammi scenr; a e un charderugio 'cardello', 'Distelfink' non mi solleticare 'kitzel mich nicht! ' essere infredato famelo a sapere 'sag's mir' Obwohl das Glossar Benedetto Deis recht aleatorisch zusammengefügt ist und mehrere Verständnisfehler enthält, stellt es doch einen Merkpunkt in der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft dar. Es scheint nämlich, daß wir es hier mit dem ersten lexikographischen Zeugnis eines rein dokumentarischen Interesses an der unterschiedlichen Natur der italienischen Volgare- Varietäten zu tun haben; 99 und daß dieses Interesse, das im Mediceischen Florenz des 15. Jahrhunderts entstand, als Keimphänomen einer entstehenden „philologischen" Beschäftigung mit den romanischen Sprachen angesehen werden kann. Dies zeigt sich u.a. an Deis (wenn auch unbeholfenen) Bemühungen um die Wiedergabe dialektaler Lautmerkmale in der Schrift. Das (gerundete) ö des Mailändischen (wie in morid3ö 'Maus') gibt er in Übereinstimmung mit einem schon bestehenden Brauch durch uo wieder: F 119 F 131 F 136 un chavagnuo un moriggiuo (< muriculus) una robiuola e un panerur; olo e un topo e formagio 'kleiner Schafskäse' Dagegen bleibt es im Falle von ü bei der einfachen Wiedergabe durch u, so etwa bei dem o.a. Beispiel: una lughanigha [lyganiga] e una salsiccia (F 128). 100 Den Verlust der Auslautvokale -o, -u, -e im Lombardischen verzeichnet Dei nur sporadisch (so bei den Maskulina auf -in, -on; vgl. das o.a. Beispiel raverin_ 'Distelfink' (F 135)). Gelegentlich wird die Länge durch Doppelschreibung kenntlich gemacht: bruoo 'Garten' (< gall. brogilos 'eingehegtes Gehölz') (F 117). Auch die Ergebnisse des konsonantischen Lautwandels im mailändischen Lombardisch (Palatalentwicklung, -t- > -d- > @ u.a.) versucht Dei graphisch abzubilden, wenn auch nicht stets kohärent. 99 „II loro carattere [sc. "delle diverse raccolte"] e documentario e il Dei [...] vuol dare semplicemente una caratterizzazione sommaria del parlare dei Milanesi [...]." (Gianfranco Folena, "Vocaboli e sonetti milanesi di Benedetto Dei", cit., S. 92, Hervorh. von uns). 100 Maßgebend hierfür dürfte die Allgemeinheit des Wandels u > ü im Mailändischen sein (während offenes o nur unter dem Ton und in freier Silbe sowie vor gewissen Palatalnexus zu ö wurde). Die Anfänge volkssprachlicher Lexikographie in Italien 223 Was das Florentinische angeht, so verdanken wir Deis Unbefangenheit (bzw. seiner geringen Kenntnis des gehobenen Schulwissens seiner Zeit) ein wichtiges phonetisches Zeugnis. Es scheint nämlich, daß er uns den ersten graphischen Beleg für die sogenannte Gorgia (d.h. tosk. -k- > -h-) liefert: una lova di paniho (für panico) «una panocchia» 'Hirsekolben' (F 128). Die zweite um 1470 entstandene mailändische Wortliste Benedetto Deis, welche keine florentinischen Entsprechungen enthielt, ist uns auch in einer Abschrift von Giovanni df Tommaso Ridolfi (1458-1522) überliefert. Ridolfi fügte die fehlenden Äquivalente hinzu und nahm einige Ergänzungen und Korrekturen vor. Von historischem Interesse aber ist seine Version vor allem deshalb, weil er vermutlich zum ersten Mal in einem Glossar des italienischen Volgare die betonten Vokale durch Akzente kennzeichnete, und zwar nach dem Vorbild des Griechischen durch den Gravis im Auslaut und durch den (freilich seltener und mehr nach distinktivem Gutdünken gesetzten) Akut im Inneren des Wortes. 101 Wie wir in dem mailändisch-florentinischen Glossar Benedetto Deis einen ersten „philologisch" motivierten Versuch einer horizontalen (diatopischen) vergleichenden inneritalienischen Lexikographie sehen können, so finden wir im gleichen Jahrhundert auch ein Vokabular, welches der vertikalen, zwei verschiedene Ebenen des italienischen Wortschatzes vergleichenden Perspektive entspricht. Es handelt sich um den Vocabolista von Luigi Pulci. Pulci stellte eine Liste von ca. 700 Wortschatzlatinismen (mit den geläufigeren Termini als Äquivalenzen) zusammen, welche im literarischen Volgare seiner Zeit verwendet wurden. Viele davon gehören heute ohne weiteres dem italienischen Wortschatz an: 102 fecundo 089 fremito 090 osceno 092 abondante romore scellerato e brutto it. fecondo 'fruchtbar' it. fremito 'Erbeben', 'Brausen', 'Gebrüll' it. osceno 'obszön' Andere gelten auch heute als nur literarisch, gesucht oder archaisch wie: 101 „Si tratta, a quanto mi risulta, della prima utilizzazione dell'accento in un glossario volgare e di una delle prime estensioni all'italiano del sistema greco." (Gianfranco Folena, "Vocaboli e sonetti milanesi di Benedetto Dei", cit., S. 91). 102 Wir zitieren den Vocabolista nach den Auszügen bei Ornella Olivieri, "1 primi vocabolari italiani fino alla prima edizione della Crusca", cit., (0). Nach seiner Art ist der Vocabolista mit dem (im 2. Kapitel erwähnten) kleinen Brüsseler Glossar vom Beginn des 14. Jahrhunderts zu vergleichen, welches latinisierende französische Wörter durch volkstümliche erklärt. 224 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus laniato 091 stracciato it. lit. laniato 'zerfetzt' Wieder andere schließlich sind im Italienischen überhaupt nicht heimisch geworden und nur für den Kenner des Lateinischen verständlich: frugi uomo con tutte le lat. frugi 'rechtschaffen' 0 90 virtu forica la fogna lat. forica 'öffentliche Toilette' 090 In der Geschichte der italienischen Lexikographie verweist der Vocabo/ ista Pulcis auf die Vergangenheit und auf die Zukunft zugleich: Einerseits nämlich nimmt er die antike Tradition der Glossierung des Alten und Seltenen (nun innerhalb des literarisch verwendeten Volgare) auf. Andererseits aber bahnt er den Weg zum einsprachigen Wörterbuch des Italienischen als Schriftsprache. 4.6 Bibliographie zu Kapitel 4 Zu dem im vierten Kapitel Gesagten wollen wir nun noch einige bibliographische und forschungsgeschichtliche Anmerkungen stellen: 4.1 Zum Sprachdenken der Humanisten des 15. Jahrhunderts vgl. manneben den schon im Zusammenhang mit Dante und der Questione della lingua genannten Werken: Carlo Dionisotti, Gli umanisti e il volgare fra quattro e cinquecento, Florenz 1968 (= Bibliotechina del Saggiatore 29); Paul Oskar Kristeller, "Latein und Vulgärsprache im Italien des 14. und 15. Jahrhunderts", Deutsches Dante- Jahrbuch 59 (1984), S. 7-35; Francesco Bruni, "L'unificazione del volgare lettererario nel Rinascimento", in: Id., L 'Italiano. Elementi di storia della lingua e della cultura, Turin 1984, S. 43-80; Silvia Rizzo, "11 latino nell'Umanesimo", in: Alberto Asor Rosa (Hg.), Le questioni, Turin 1986 (einem Band der seit 1982 von Asor Rosa herausgegebenen Folge Letteratura italiana), S. 379-408; Mirko Tavoni, "La linguistica rinascimentale", in: Giulio C. Lepschy {Hg.), Storia della linguistica, 3 Bdd., Bologna 1990-1994, Bd. 2, Bologna 1990, S. 169-312, mit ausführlicher Bibliographie auf den Seiten 275-312; Mirko Tavoni, "Gli umanisti e il volgare", in: Id., II Quattrocento, Bologna 1992, S. 57-83 (/ / Quattrocento gehört zu der von Francesco Bruni herausgegebenen Monographienreihe Storia della lingua italiana); Andrea Fausel, Jochen Hafner, Franziska Küenzlen, "Sprechen über Sprache und Geschichte. Mittelalterliche und humanistische Entwürfe zur Sprachgeschichtsschreibung", in: Cora Dietl, Dörte Helschinger (Hgg.), Ars und Scientia im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Ergebnisse interdisziplinärer Forschung, Tübingen 2002, S. 193-214. - Ein knapper Überblick ist: Brian Richardson, "Renaissance linguistics: Italian tradition", in: Ronald E. Asher (Hg.), The Encyclopedia of Language and Linguistics, 10 Bdd., Oxford- New York- Seoul-Tokio 1994, Bd. 7, S. 3544-3548. Eine kurze Gesamtwürdigung des Beitrages der Renaissance zur Entwicklung des sprachwissenschaftlichen Denkens liefert Giovanni Nencioni, "La vivente eredita della linguistica rinascimentale", in: Luciano Giannelli, Nicoletta Maraschio, Teresa Poggi Salani, Massimo Vedovelli (Hgg.), Tra Rinascimento e strutture attuali. Saggi di Linguistica / taliana, Turin 1991 (= Atti de/ Prima Convegno della Societa Internazionale di Linguistica e Filologia ltaliana, Siena, 28-31 marzo 1989, Bd. 1 [Si(fi 1,1]), S. 11-22. Laufende Beiträge zum Geistesleben des 15. Jahrhunderts finden sich in der von Mario Martelli herausgegebenen Zeitschrift Interpres. Rivista di Studi Quattrocenteschi, Rom 1978 ff. (Band 16 (1997) ist zugleich Band 1 der „II serie"). Zu der Gesprächsrunde im Jahre 1435, dem Disput der italienischen Humanisten über die Natur des gesprochenen Lateins in der Antike und den Ursprung des Volgare s. Maurizio Vitale, "Le origini del volgare nelle discussioni dei filologi del Quattrocento", Lingua Nostra 14 (1953), S. 64-69, und wieder in: Maurizio Vitale, La venerandafavella, Neapel 1988, S. 155-166; Riccardo Fubini, "La coscienza del latino negli umanisti. «An latina lingua Romanorum esset peculiare idioma»", Studi medievali, S. 3, 2 (1961), S. 505-550; Mirko Tavoni, "The fifteenth century controversy on the language spoken by the Ancient Romans. An inquiry into Italian 226 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Humanist concepts of 'Latin'., 'Grammar', and 'Vemacular', Historiographia Linguistica 9 (1982), S. 237-264, besonders aber die schon im Text genannte Monographie desselben Autors Latino, grammatica, volgare. Storia di una questione umanistica, Padua 1984 (= Medioevo e umanesimo 53). Der Textanhang umfaßt die Ss. 195...: .300. Tavoni erhebt nicht den Anspruch einer „kritischen" Präsentation der Texte, doch hat er die Lesung der Vorlagen überprüft und schlägt eine Anzahl von Korrekturen vor (zu den Einzelheiten vgl. die „Nota ai testi", S. 302-304); Angelo Mazzocco, Linguistic theories in Dante and the Humanists. Studies of language and intellectual history in late Medieval and early Renaissance Jtaly, Leiden 1993 (= Brill 's Studies in lntellectual History, Bd. 38). Das Buch Mazzoccos enthält als „Appendix three" eine ausführliche Besprechung der Monographie Tavonis: "A recent contribution to the Florentine debate of 1435: Mirko Tavoni's Latino, grammatica, volgare. Storia di una questione umanistica'' (S. 189-208). - Larissa Stepanova handelt von der Sprachauffassung der Humanisten im zweiten Teil .ihres Buches: Jtal'janskaja lingvisticeskaja mysl' XIV-XVI vekov. (Ot Dante do pozdnego Vozrozdenija) ['Das italienische Sprachdenken des 14. bis 16. Jahrhunderts. (Von Dante bis zur Spätrenaissance)'], St. Petersburg 2000, das wir im Zusammenhang mit Dante und der Questione della lingua (vgl. Kap. 3) schon genannt haben. - Zur Stellung der Frage in der italienischen Sprachgeschichte s. Claudio Marazzini, Storia e coscienza della lingua in ltalia, Turin 1989. Zu Leben und Werk Leonardo Brunis vgl. man die inhaltsreiche Synthese von Aldo Mazzacane, "Bruni, Leonardo", in: Istituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Dizionario Biogra.fico degli Italiani, Rom 1960 ff., Bd. 14, Rom 1972, S. 618-635. Zum Wirken Brunis in Florenz s. Paolo Viti, Leonardo Bruni e Firenze. Studi sulle fettere pubbliche e private, Rom 1992. - Werkausgaben sind: Hans Baron (Hg.), Leonardo Bruni Aretino. Humanistisch-philosophische Schriften mit einer Chronologie seiner Werke und Briefe, Leipzig - Berlin 1928 (ein reprographischer Nachdruck dieser Ausgabe ist Wiesbaden 1967 erschienen); Paolo Viti (Hg.), Leonardo Bruni. Opere letterarie e politiche, Turin 1996 (mit einer „Nota biografica" auf den Ss. 43-47). Die Ausgabe Vitis enthält das gesamte überlieferte Werk Leonardo Brunis mit Ausnahme der historischen Schriften, der wenigen poetischen und narrativen Texte, der Übersetzungen aus dem Griechischen und der Briefe. Die Historiarum Florentini populi libri XII Leonardo Brimis erschienen 1476 in Venedig in der italienischen Übertragung von Donato Acciaiolo. Ein von Eugenio Garin herausgegebener Faksimilenachdruck dieser Übersetzung findet sich in: Leonardo Bruni, Poggio Bracciolini, Storie Fiorentine, Arezzo 1984 (zusammen mit der italienischen ·Übertragung von Poggio Bracciolinis Historiae Florentini populi). Zu den Briefen Leonardo Brunis s. Paolo Viti, "Sulla struttura dell'epistolario di Leonardo Bruni", lnterpres 9 (1989), S. 7-34. Zu Leben und Werk Flavio Biondos vgl. man Riccardo Fubini, "Biondo Flavio", in: lstituto della Enciclopedia ltaliana (Hg.), Dizionario Biogra.fico degli ltaliani, Rom 1960 ff., Bd. 10, Rom 1968, S. 536-559. Alle größeren Schriften Flavio Biondos erschienen 1531 zu einem Folioband zusammengefaßt in Basel bei Frohen. Zu Flavio Biondos / talia illustrata vgl. die Züricher Dissertation von Ottavio Clavuot, Biondos „Italia illustrata". Summa oder Neuschöpfung? , Tübingen 1990. Der Brief von Leonardo Bruni an Flavio Biondo stellt die Antwort auf dessen (bei uns aus argumentativen Gründen an zweiter Stelle besprochene) These vom 1. Bibliographie zu Kapitel 4 227 April 1435 dar und ist auf den 7. Mai des gleichen Jahres datiert. Wie wir schon erwähnt haben, ist er abgedruckt in der Ausgabe des Florentiner Geistlichen und Gelehrten Lorenzo Mehus, Leonardi Brun~ Aretini Epistolarum libri VIII, II, Florenz 1741, Ep. VI, Kap. 10, S. 62-68. Mehus (gest. 1791), der Bibliothekar an der Laurentiana war, hat eine ganze Reihe von Texten aus der Zeit des Humanismus mit Kommentar und Vorwort herausgegeben. Bei Mirko Tavoni, Latino, grammatica, volgare. Storia di una questione umanistica, Padua 1984 (= Medioevo e umanesimo 53), ist der Brief auf den Ss. 216-221 des Textanhangs wiedergegeben. Der Brief „De verbis romanae locutionis Blondi ad Leonardum Aretinum" ist in vier Codices der Bibliotheca Vaticana überliefert: Vat. lat. 1071, Vat. lat. 4575, Ott. lat. (Fondo Ottoboniano) 2153, Ott. lat. 1279 (dort im Anschluß an Flavio Biondos Roma instaurata). In den Codices Vat. lat. 1071, Vat. lat. 4575 und Ott. lat. 2153 sind Brief Flavio Biondos und Antwort Leonardo Brunis zusammen enthalten. Herausgegeben wurde der Text von Girolamo Mignini, "La epistola di Flavio Biondo 'De locutione romana'", II Propugnatore, Nuova Serie 3 (1890), S. 135-161, mit einer Einleitung (S. 135-143); danach in Bartolomeo Nogara (Hg.), Scritti inediti e rari di Biondo Flavio, Rom 1927 (= Studi e Testi 48), S. 115-130. Die Ausgabe Nogaras ist 1973 in Rom als reprographischer Nachdruck erschienen. Zu Leben und Werken Leon Battista Albertis vgl. Girolamo Mancini, Vita di Leon Battista Alberti, Florenz 1911, und wieder als: "Seconda edizione completamente rinnovata con figure illustrative", Rom 1967; Cecil Grayson, "Alberti, Leon Battista", in: Istituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Dizionario Biografico degli Italiani, Rom 1960 ff., Bd. 1, Rom 1960, S. 702-709 (das architektonische Schaffen Albertis behandelt dort anschließend ein gesonderter Artikel); Luca Boschetto, Leon Battista Alberti e Firenze. Biografia, storia, letteratura, Florenz 2000. - Von der Stellung Leon Battista Albertis in der Geschichte der italienischen Sprache handeln: Maurizio Dardano, "Leon Battista Alberti nella storia della lingua italiana", in: Atti de/ Convegno internazionale indetto nel V Centenario di Leon Battista Alberti, Rom 1974 (Accademia Nazionale dei Lincei, Quaderno 209), S. 261-272, und wieder in: Maurizio Dardano, Studi sulla Prosa Antica, Neapel 1992, S. 287-308; Angelo Mazzocco, "The Florentine debate, Alberti, and the reaffirmation of the questione della lingua", in: Id., Linguistic theories in Dante and the Humanists, S. 82-105; Giuseppe Patota, "Leon Battista Alberti nella storia della lingua italiana", in: Id. (Hg.), Leon Battista Alberti, Grammatichetta e altri scritti sul volgare, Rom 1996, S. XI-LI. - Zu dem Certame Coronario s. Antonio Altamura, II certame coronario, Neapel 1952; Guglielmo Gorni, "Storia del Certame Coronario", Rinascimento 12 (1972), S. 135-181; Guglielmo Gorni, "Certame Coronario", Lingua Nostra 37 (1976), S. 11-14. Die Texte des Certame hat Lucia Bertolini herausgegeben: De vera amicitia. I testi de[ primo Certame coronario, Modena 1993. Zu Guarino Veronese vgl. Remigio Sabbadini, La scuola e gli studi di Guarino Guarini Veronese, Catania 1896; Giulio Bertoni, Guarino da Veronafra letterati e cortigiani a Ferrara (1429-1460), Genf 1921 (= Biblioteca dell"Archivum Romani~ cum", serie 1, 1). Die Briefe von Guarino Veronese hat Remigio Sabbadini herausgegeben: Guarino Veronese. Epistolario. Raccolto, ordinato e illustrato da R. Sabbadini, 3 Bdd., Venedig 1915-1919. Die Ausgabe ist 1959 in Turin als Nachdruck erschienen. Der Brief Guarinus Veronensis Ill. Principi Leonello Marchioni 228 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Estensi de lingue latine di.fferentiis findet sich dort in Band II, Venedig 1916, als ep. 813, S. 503-511. Dieser Vorlage folgt der bei Tavoni wiedergegebene Text. Zu Leben und Werk Poggio Bracciolinis vgl. Armando Petrucci, "Bracciolini, Poggio", in: Istituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Dizionario Biografico degli Jtaliani, Rom 1960 ff., Bd. 13, Rom 1971, S. 640-646; Ernst Walser, Poggius Florentinus. Leben und Werke, _Leipzig - Berlin 1914 (= Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance 14). Das Buch ist 1974 in Hildesheim als Nachdruck erschienen. Die Werke Poggii>s sind zugänglich in: Riccardo Fubini (Hg.), Gian Francesco Poggio Bracciolini. Opera Omnia, 4 Bdd., Turin 1964-1969 (= Monumenta politica et philosophica rariora 4-7). Der erste Band davon ist ein reprografischer Nachdruck der Baseler Ausgabe: Poggii Florentini opera, Basileae 1538 apud Henricum Petrum. Der kleine Beitrag von Giuliano Bonfante, der sich mit den bei Poggio zitierten rumänischen Wörtern befaßt, ist jetzt besser zugänglich unter dem Titel "Le prime parole attestate della lingua romena", in: Giuliano Bonfante, Studii romeni, Rom 1973 (= Societa Accademica Romena, Collana di Studi e Saggi VI), S. 293-294. Zur weiteren Geschichte der Kenntnis des Rumänischen in Westeuropa vgl. auch unseren Sammelband: Eugenio Coseriu, Von Genebrardus bis Hervas. Beiträge zur Geschichte der Kenntnis des Rumänischen in Westeuropa, Tübingen 1981 (= Lingua et Traditio, Bd. 2). Zu Leben und Werk Francesco Filelfos vgl. Paolo Viti, "Filelfo, Francesco", in: Istituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Dizionario Biografico degli Italiani, Rom 1960 ff., Bd. 47, Rom 1997, S. 613-626 (mit ausführlicher Bibliographie). Ausgaben seiner Briefe sind u.a.: Epistole Francisci Philelphi; ex toto epistolarum volumine conquisite, Nürnberg 1517; Epistolare Francisci Philelphi, Basel 1550. Zu Leben und Werk Lorenzo Vallas vgl. Girolamo Mancini, Vita di Lorenzo Valla, Florenz 1891; Salvatore I. Camporeale, Lorenzo Valla, Florenz 1972; Mariangela Regoliosi (Hg.), "Introduzione", in: Ead. (Hg.), Laurentii Valle Antidotum in Facium, Padua 1981, S. XIII-CLXXIII; Ottavio Besomi, Mariangela Regoliosi (Hgg.), Lorenzo Valla e l'umanesimo italiano. Atti de/ Convegno Internazionale di Studi Umanistici (Parma 18-19 ottobre 1984), Padua 1986; Mariangela Regoliosi, Nel cantiere del Valla. Elaborazione e montaggio delle 'Elegantie ', Rom 1993. - Zu der Polemik zwischen Lorenzo Valla und Poggio Bracciolini s. Ari Wesseling, "lntroduzione alla polemica fra Poggio Bracciolini e Lorenzo Valla", in: Id. (Hg.), Antidotum primum. La prima apologia contro Poggio Bracciolini. Edizione critica con introduzione e note, Assen - Amsterdam 1978; Lucia Cesarini Martinelli, "Note sulla polemica Poggio - Valla e sulla fortuna delle «Elegantiae»", Interpres 3 (1980), S. 29-79. - Zur Interpretation der Thesen Vallas bezüglich der altercatio s. Mirko Tavoni, "Valla e iI volgare", in: ld., Latino, grammatica, volgare, S. 199-216, und die skeptischere, aber überzeugendere Einschätzung von Angelo Mazzocco, "The Florentine debate and the unique position of Valla", in: Id., Linguistic theories in Dante and the Humanists, S. 69-81, sowie ld., "A recent contribution to the Florentine debate of 1435: Mirko Tavoni's Latino, grammatica, volgare. Storia di una questione umanistica", ibid., S. 189-208. - Die Werke Vallas sind zugänglich als: Lorenzo Valla, Opera omnia, 2 Bdd., Turin 1962 (mit einem Vorwort von Eugenio Garin). Insofern die Koexistenz von Latein und Volgare (und die Humanistendiskussion über Volks- und Literatursprache im alten Rom) unter dem Gesichtspunkt der Bibliographie zu Kapitel 4 229 „Diglossie" betrachtet werden kann, vgl. Charles A. Ferguson, "Diglossia", Word 15 (1959), S. 325-340, und die erneute Stellungnahme desselben Autors zu der jahrzehntelangen Diskussion um diesen Begriff: "Diglossia revisited", SWJL 10 (1991), S. 214-234. Vgl. auch: Georges Lüdi, "Situations diglossiques en Catalogne", in: Günter Holtus, Georges Lüdi, Michael Metzeltin (Hgg.), La Corona de Arag6n y las lenguas romanicas, Tübingen 1989, S. 237-265 (mit ausführlicher Bibliographie). Zur inflationären Verwendung des Terminus und zu seiner dadurch verursachten begrifflichen Unschärfe s. Peter Koch, "Diglossie in Frankreich", in: Winfried Engler (Hg.), Frankreich an der Freien Universität. Geschichte und Aktualität, Stuttgart 1997 (= Zeitschrift für französische Sprache und Literatur, Beihefte, Neue Folge, Heft 23), S. 219-249, hier S. 219-228. 4.2 Zu Paolo Pompilio s. den schon im Text genannten Beitrag des Kardinals Giovanni Mercati: "Paolo Pompilio e Ja scoperta del cadavere intatto nell' Appia nel 1485", jetzt in: Id., Opere minori, Bd. 4, Rom 1937, S. 268-286; Carlo Dionisotti, "Ottavio Cleofilo e Paolo Pompilio", in: Id., G/ i umanisti e il volgare fra quattro e cinquecento, Florenz 1968, S. 27-37 (= Kap. III); Mirko Tavoni, "Paolo Pompilio e Ja situazione romana", in: ld., Latino, grammatica, volgare, cit., S. 182- 193. Mit Aldo Manuzio hat sich in besonderer Weise Carlo Dionisotti beschäftigt, der auch das Lemma „Manuzio, Aldo" in dem von Vittore Branca herausgebenen Dizionario critico della letteratura italiana (4 Bdd., Turin 2 1986) verfaßt hat. Vier frühere Beiträge aus den Jahren 1960-1975 enthält Carlo Dionisotti, Aldo Manuzio. Umanista e editore, Mailand 1995 (= Documenti sulle arti de! libro 18). Es handelt sich um „Aldo Manuzio umanista" (ursprünglich in: Lettere italiane 12 (1960), S. 375- 400, dann nochmals in dem Sammelband Carlo Dionisotti, Umanesimo Europeo e Umanesimo Veneziano, Venedig - Florenz 1963, S. 213-243); "Aldo e i Greci" (ursprünglich: Rivista storica italiana 75 (1963), S. 165-173); "Questioni aperte su Aldo Manuzio" (ursprünglich in: Atti de! quinto Congresso lnternazionale di Bibliofili, Venezia, ottobre 1967, Verona 1970, S. 95-108); "Aldo Manuzio editore" (ursprünglich als Einleitung zu: Giovanni Orlandini, Aldo Manuzio editore, Mailand 1975, Bd. 1, S. XI-L). Das Buch enthält ferner die Faksimilia der drei Editionskataloge des Hauses Manutius aus den Jahren 1498, 1503 und 1513 (zum Teil mit Preisvermerken am Rand von Aldos Hand selbst) sowie die Abbildung einer handschriftlichen Seite der (in griechischer Sprache verfaßten) griechischen Grammatik von Aldo Manuzio (f. 45 des Ambrosiana-Ms. P 35 sup.) und die beiden graphischen Versionen des Delphinankers. In seinem schon genannten Buch Gli umanisti e il volgare fra quattro e cinquecento behandelt Dionisotti „Aldo Manuzio" im ersten Kapitel (S. 1-14). Man vgl. auch das schon genannte Werk: Giovanni Orlandini, Aldo Manuzio editore, Mailand 1975, sowie Martin Lowry, The world of Aldus Manutius. Business and scholarship in Renaissance Venice, Oxford 1979. - Zum griechischen Geistesleben im Venedig der damaligen Zeit s. Deno John Geanakoplos, Greek scholars in Venice. Studies in the dissemination of Greek learning from Byzantinum to Western Europe, Cambridge (Mass.) 1962, und zu den Beziehungen zwischen byzantinischer und italienischer Renaissance Deno John Geanakoplos, Constantinople and the West. Essays on the late Byzantine (Palaeologan) and Jtalian Renaissances and the Byzantine and Roman churches, Madison (Wisc.) 1989. 230 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus 4.3 AufBartolomeo Benvoglienti hat, wie schon erwähnt, zuerst Carlo Dionisotti hingewiesen: "Per una storia delle dottrine linguistiche del Rinascimento", Filosofia 21 (1970), S. 15-24. Eine Zusammenfassung des über Benvoglienti Bekannten ist der Artikel von Piero Craveri, "Benvoglienti, Bartolomeo" in: Istituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Dizionario Biografico degli Italiani, Rom 1960 ff., Bd. 8, Rom 1966, S. 698. Einige Ergänzungen hierzu finden sich in der Einleitung der kommentierten Ausgabe der Schrift De analogia von Mirko Tavoni, II discorso linguistico di Bartolomeo Benvoglienti, Pisa 1975, S. 5-10. Die Arbeit Tavonis enthält auch eine sorgfiiltige Identifizierung der möglichen Quellen Benvoglientis. 4.4 Zu den Anfängen der italienischen Grammatikographie s. Teresa Poggi Salani, "Italienisch: Grammaticographie. Storia delle grammatiche", in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, Band 4: Italienisch, Korsisch, Sardisch, Tübingen 1988, S. 774--786 (zu der Grammatichetta Vaticana S. 776, Spalte a), sowie Claudio Marazzini, "Early grammatical descriptions of Italian", in: Sylvain Auroux, Ernst Frideryk Konrad Koerner, Hans-Josef Niederehe, Kees Versteegh (Hgg.), History of the language sciences. Geschichte der Sprachwissenschqften. Histoire des sciences du langage. An international handbook on the evolution of the study of languages from the beginnings to the present. Ein internationales Handbuch zur Entwicklung der Spracliforschung von den Anfängen bis zur Gegenwart. Manuel international· sur l 'evolution de l 'etude du langage des origines a nos jours, (bisher 2 [3] Bdd., Berlin - New York 2000-2001 (= Handbücher zur Sprach-und Kommunikationswissenschaft, Bd. 18,1- 2 [3]), Bd. 1, Berlin- New York 2000, S. 742-749. Die einzige erhaltene Handschrift der Grammatichetta ist das erste Stück in dem M.iszellencodex Vaticanus Reginensis latinus ·1370, in den man sechs Schriften eingebunden hat. Das zweite ist die von Pietro Bembo veranlaßte Abschrift des Trivulzianamanuskripts von Dantes De vulgari eloquentia, welche wir als Handschrift V 1 kennengelernt haben. Die erste und noch immer maßgebende Beschreibung der Handschrift findet sich denn auch in Pio Rajnas Ausgabe der Danteschen Schrift: II trattato De Vulgari Eloquentia, Florenz 1896, auf den Ss. XLIV-XLVIII. Die beiden maßgebenden neuen Ausgaben von Cecil Grayson und Giuseppe Patota haben wir im Text genannt. Rezensiert haben die Ausgabe Graysons: Ghino Ghinassi, Lingua Nostra 26 (1965), S. 31-32; Robert Weiss, Italian Studies 20 (1965), S. 109-110. Die Rezension der Ausgabe Graysons in den Opere vulgari III von Guglielmo Gorni haben wir schon zitiert (Gornis Rezension steht, wie o.a., in den Studi Medievali, III serie, 14 (1973), S. 246-258, und nicht (wie in der Bibliographie der Ausgabe von Giuseppe Patota irrtümlich angegeben) in Giornale Storico della Letteratura Italiana 138). Zu dem Codex vgl. Cecil Grayson, "II codice vaticano reginense latino 1370", S. XI-XVII der „Introduzione" zu seiner Ausgabe. Die Ausgabe Graysons enthält die Faksimilia der gesamten Grammatichetta-Handschrift sowie des aufgefundenen autographischen Blattes von Leon Battista Alberti aus dem Codex Moreni 2 der Riccardiana. Patota bildet nur dieses und die erste Seite der Gramatichetta ab. Die Handschrift und die Geschichte des Textes bespricht Giuseppe Patota sehr ausführlich in seiner (fast ausschließlich der Grammatichetta gewidmeten) "Nota ai testi" (S. 55-81 seiner Ausgabe). Bibliographie zu Kapitel 4 231 Zur Medici-Bibliothek s. Ennea Piccolomini, "Delle condizioni e delle vicende della libreria medicea privata dal 1494 al 1508", Archivo Storico ltaliano, serie III, 19 (1874), S. 101-129; Ennea Piccolomini, "Inventario della libreria medicea privata compilato nel 1495", Archivo Storico Italiano, serie III, 20 (1874), S. 51- 94. Von seinen Hypothesen bezüglich des Verfassers handelt Luigi Morandi in den folgenden Beiträgen: "I primi vocabolari e le prime grammatiche della nostra lingua", Nuova Antologia (1 agosto 1905), S. 438--443; Lorenzo il Magnifico, Leonardo da Vinci e la prima grammatica italiana, Citta di Castello 1908; "Per Leonardo da Vinci e per la 'Grammatica di Lorenzo de' Medici"', Nuova Antologia (1 ottobre 1909), S. 429--449. Vittorio Cian äußerte seine Meinung in: "Le 'Regole della Lingua Fiorentina' e le Prose Bembine", Giornale Storico della Letteratura Jtaliana 54 (1909), S. 120-130, hier S. 129, Anm. 1: "Invece, secondo me, tutto induce a credere ehe l'operetta sia stata composta, sia pure «a istigazione» del Magnifico, da un umanista suo cliente, poniamo iI Poliziano; tanto ehe non sarebbe affatto da stupire, se domani, per esempio, iI dott. Di Pierro ci desse l'annuncio ehe nei zibaldoni da lui felicemente rintracciati, si trovano gli appunti per queste «annotationi»." Girolamo Mancini denkt an Landino als Verfasser der Grammatichetta in seiner Vita di Leon Battista Alberti, Florenz 1911, S. 372-373 (ibid. in der zweiten Auflage des Buches) "oppure ad altro continuatore della nobile iniziativa assunta eo! Certame coronario dall' Alberti fattosi campione della lingua italiana disprezzata dagl'idolatri della latina" (S. 373). Für Leon Battista Alberti als Verfasser der Grammatik ist Filippo Sensi in den folgenden Beiträgen eingetreten: "Un Iibro ehe si credeva perduto (L. B. Alberti grammatico)", Fanfulla della domenica 27 (1905), S. 34, wieder abgedruckt in: La Bibliofllia 7 (1906), S. 211-212; "Ancora su L. B. Alberti grammatico", Rendiconti del Reale Istituto Lombardo di Scienze e Lettere 42 (1909), S. 467--475. Den Beitrag, in dem Carmela Colombo ihren Autographenfund publiziert, haben wir schon erwähnt. Zu Form und Anordnung der Buchstaben auf dem Blatt Albertis aus der Handschrift Moreni 2 der Riccardiana s. Guglielmo Gomi, „Leon Battista Alberti e le lettere dell'alfabeto", Interpres 9 (1989), S. 257-266. Die zahlreichen Arbeiten Cecil Graysons über Leon Battista Alberti sind jetzt zusammengestellt in: Cecil Grayson, Studi su Leon Battista Alberti, Florenz 1998; zu unserem Zusammenhang s. insbesondere „Leon Battista Alberti and the beginnings of Italian grammar" (1963), S. 193-213. - Zur schriftlichen Wiedergabe des Italienischen in der Renaissance s. Bruno Migliorini, "Note sulla grafia italiana nel Rinascimento" (1955), in: Id., Saggi linguistici, Florenz 1957, S. 197-225. - Zum Einfluß der grammatischen Tradition auf Albertis Grammatichetta vgl. Edoardo Vineis, "La tradizione grammaticale latina e la grammatica di Leon Battista Alberti", Atti del Convegno dell'Accademia dei Lincei (Roma - Mantova - Firenze, 25-29 aprile 1972), Rom 1974, S. 289-303. Zur Kritik an einer zum Teil übermäßig "bemühten" Vergleichung mit Priscian bei Vineis s. Giuseppe Patota, S. XXXVI- XXXVII (= Anm. 88) seiner „Introduzione" in der genannten Ausgabe. Zur allgemeinen Interpretation s. Paolo Bongrani, "Nuovi contributi per la 'Grammatica' di Leon Battista Alberti", Studi di Filologia Italiana 40 (1982), S. 65-106, wo auch die ältere Literatur angeführt ist. - Zur Entstehung der italienischen grammatischen Terminologie s. neben dem schon im Text genannten Beitrag von Salvatore Claudio Sgroi, „Retrodatazioni di termini grammaticali qua~ro e cinquecenteschi", auch: Max Pfister, "Gli 'scritti linguistici' di Trissino, dei suoi critici e predecessori come fonte 232 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus di retrodatazioni per la terminologia grammaticale italiana", in: Gianpaolo Borghello, Manlio Cortelazzo, Giorgio Padoan (Hgg.), Saggi di linguistica e di letteratura in memoria di Paolo Zolli, Padua 1991, S. 333-341; Ivano Paccagnella, "La terminologia nella trattatistica grammaticale del primo trentennio del Cinquecento", in: Luciano Giannelli, Nicoletta Maraschio, Teresa Poggi Salani, Massimo Vedovelli (Hgg.), Tra Rinascimento e strutture attuali. Saggi di Linguistica ltaliana, Turin 1991 (= Atti de! Primo Convegno della Societa Internazionale di Linguistica e Filologia ltaliana, Siena, 28-31 marzo 1989, Bd. 1 [Si(fi 1,1]), S. 119-130; Giuseppe Patota, "II «libretto», il fascicolo Be le 'Prose della volgar lingua' di Pietro Bembo", Studi Linguistici Italiani 19 (1993), S. 216-226, hier S. 223-226. - Zum Toskanischen von Florenz im 15. Jahrhunderts. Paola Manni, "Ricerche sui tratti fonetici e morfologici del fiorentino quattrocentesco", Studi di Grammatica ltaliana 8 (1979), S. 115-171; Massimo Palermo, "Sull'evoluzione del fiorentiilo nel Tre-Quattro„ cento", Nuovi Annali della Facolta di Magistero dell' Universita di Messina 8-10 (1990-1992), s. 131-156. Zu Trifone Gabriele s. Vittorio Cian, Un decennio della vita di m. Pietro Bembo, Turin 1885, S. 50; S. 120-121. Zu Giovanni Aurelio Augurello s. Augusto Serena, Attorno a G. A. Augurello, Treviso 1904; Giuseppe Pavanello, Un maestro del quattrocento, Venedig 1905. 4.5 Zu den Anfängen der italienischen Lexikographie ist noch immer unentbehrlich: Omella Olivieri, "1 primi vocabolari italiani fino alla prima edizione della Crusca", Studi di filologia italiana 6 (1942), S. 64-192. Man vgl. zusätzlich: Clara Messi, "Contributi alla storia della piu antica lessicografia italiana (a proposito di uno studio di Omella Olivieri)", Atti de! Reale lstituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti 102 (1942-43), S. 589-620. Von einigen wenig bekannten Latein-Vo/ gare- Glossaren berichtet Ignazio Baldelli, "L'edizione dei glossari latino-volgari dal secolo XIII al XV", VIII Congresso internazionale di studi romanzi, Firenze 3--8 aprile 1956. Atti, Florenz 1960, S. 757-770. Ein knapper historischer Überblick findet sich in: Giovanna Massariello Merzagora, La lessicografia, Bologna 1983, S. 13-16. Gunnar Tancke, der sich in seiner Dissertation Die italienischen Wörterbücher von den Anfängen bis zum Erscheinen des «Vocabolario degli Accademici della Crusca» (1612). Bestandsaufnahme und Analyse, Tübingen 1984 (= Beihefte zur ZrP, Bd. 198) "die vollständige Erfassung der gedruckten Glossare und Wörterbücher vom ausgehenden 15. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts" (S. 7) vorgenommen hat, behandelt einleitend kurz die "Manuskripttradition der Lexikographie in Italien" (S. 13-20). Eine ausführlichere Synthese zu den frühesten Phasen der italienischen Lexikographie gibt Alda Rossebastiano Bart, "Alle origini della lessicografia italiana", in: Claude Buridant (Hg.), La lexicographie au Moyen Age, Lille 1986 (= Lexique 4), S. 113-156, ein Beitrag, den wir schon im Text zitiert haben und an dem wir unsere Darstellung im großen und ganzen orientieren. Man vgl. auch: Max Pfister, "Die italienische Lexikographie von den Anfängen bis 1900", in: Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hgg.), · Wörterbücher, Dictionaries, Dictionnaires, cit., Zweiter Teilband, Berlin - New York 1990, S. 1844-1863 (= Artikel 187). 4.5.1 Die einzige erhaltene Handschrift des Declarus befindet sich in der Biblioteca Nazionale, Palermo. Zu seinen möglichen Quellen und den in ihm enthal- Bibliographie zu Kapitel 4 233 tenen volkssprachlichen Elementen s. Augusto Marinoni, Da/ «Declarus» di A. Senisio. I vocaboli siciliani, Palermo 1955 (Pubblicazioni de/ centro di studi.filologici e linguistici siciliani). Vgl. auch: Filippa Trapani, "Gli antichi vocabolari siciliani (Senisio, Valla, Scobar)", Archivio storico per la Sicilia 7 (1941), S. 1-101; 8 (1942), S. 129-284, und Giuseppe Cremascoli, "Sul «Declarus» di Angelo Senisio", in: Jacqueline Hamesse (Hg.), Les manuscrits des lexiques et glossaires de l 'antiquite tardive a la .fin du moyen age. Actes du Colloque international organise par le „Ettore Majorana Centre for Scientific Culture" (Erice, 23-30 septembre 1994), Louvain-La-Neuve 1996 (= Federation Internationale des Instituts d'Etudes Medievales. Textes et Etudes du Moyen Äge, 4), S. 337-352 (mit Vorschlägen fllr eine zukünftige Edition des Textes). 4.5.2 Das Glossar von Perugia wird erwähnt bei Ciro Trabalza, Storia della grammatica italiana, Mailand 1908 (Ndr.: Bologna 1963), S. 39, Anm. 3. (nicht dagegen in dem o.a. Beitrag von Ornella Olivieri, "I primi vocabolari italiani"). Es ist bis heute noch nicht kritisch herausgegeben worden. Einiges Beispielmaterial daraus ist abgedruckt in dem o.a. Beitrag von Clara Messi (S. 597--601), die seinerzeit eine Herausgabe geplant hatte: "Che mi riservo di pubblicare fra breve, integralmente" (a.a.O., S. 597, Anm. 1). Alda Rossebastiano Bart, "Alle origini della lessicografia italiana", cit., behandelt es S. 119-120. Zur Lucidina s. Augusto Marinoni, "Vocaboli volgari da un glossario latino di Bartolomeo Sachella", in: Saggi e ricerche in memoria di Ettore Li Gotti, 3 Bdd., Palermo 1962, Bd. 2, S. 226-259. Marinoni verzeichnet (S. 234-259 seines Beitrags) eine alphabetisch geordnete Liste ausgewählter Volgare-Wörter zusammen mit dem jeweiligen Kontext, in dem sie in Sachellas Glossar erscheinen, wobei er allerdings gerade auf volkssprachliche Interpretamente mit typischem Mailänder Kolorit verzichtet. Zu der Wörterliste Leonardo da Vincis s. Luigi Morandi, Lorenzo il Magnifico, Leonardo da Vinci, e la prima grammatica italiana, Citta di Castello 1908 (eine Arbeit, auf die wir schon anläßlich der Grammatichetta von Leon Battista Alberti hingewiesen haben); Augusto Marinoni, Gli appunti grammaticali e lessicali di Leonardo da Vinci, 2 Bdd., Mailand 1944-1952, insbes. Bd. 1, Mailand 1944, S. 50--61. 4.5.3 Ein weiteres Nachfolgemanuskript des Glossars von Goro d'Arezzo findet sich im Cod. Harleianus 6513 der British Library, f. 5-37. Einleitend (f. 4') rühmt sich der Schreiber seiner Ergänzungen: "Hie incipiunt vocabula magistri Gori de Aretio quibus ego Johannes Bini Benedicti de Sancto Angelo in Colle multa vocabula adiunxi accepta a Jacobo Paltonio iuvene doctissimo Senensi." (Zitiert nach . Paul Oskar Kristeller, Jter Jtalicum. A .finding / ist of uncatalogued or incompletely catalogued humanistic manuscripts ofthe Renaissance in Italian and other libraries, 7 Bdd., London -Leiden 1977-1997, Bd. 4, London-Leiden 1989, S. 188\ wo der Cod. Harl. 6513 kurz beschrieben wird). Das Glossar von Goro d'Arezzo und die erweiterte Version von Domenico Bandini wurden unlängst von Cinzia Pignatelli herausgegeben: Cinzia Pignatelli (Hg.), "Vocabula Magistri Gori de Aretio", Annali Aretini 3 (1995), S. 273-339; Cinzia Pignatelli (Hg.), "Vocabula magistri Dominici de Aretio", Annali Aretini 6 (1998), S. 35-166. Zu allen Belangen der Glossare von Goro und Bandini (Quellen, Wirkungsgeschichte, Anordnung u.ä.) s. jetzt: Cinzia Pignatelli, "Les glossaires bilingues medievaux: entre tradition latine et developpe- 234 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus ment du vulgaire", RLingR 65 (2001), S. 75-111, wo trotz der Allgemeinheit des Titels gerade nur von diesen beiden Glossaren die Rede ist. Zu Domenico Bandini vgl. A. Teresa Hankey, "Bandini, Domenico (Domenico di Bandino)", in: lstituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Dizionario Biografico degli ltaliani, Rom 1960 ff., Bd. 5, Rom 1963, S. 707-709. Zu Gasparino Barzizza s. Guido Martellotti, "Barzizza, Gasperino (Gasparinus Barzizius; G. Bergomenis o Pergamensis)", in: Istituto della Enciclopedia Italiana (Hg.), Dizionario biografico degli italiani, Rom 1960 ff., Bd. 7, Rom 1965, S. 34- 39. Barzizza war u.a. Lehrer von Francesco Filelfo, der ihn während seines zeitweiligen Aufenthalts beim Konzil in Konstanz in Padua vertrat. Zu den gedruckten Ausgaben des Vocabularium breve vgl. Gunnar Tancke, Die italienischen Wörterbücher, cit., S. 237 (wo allerdings die Rubrizierung unter „volkssprachlichlateinisch" den irrigen Eindruck vermitteln könnte, Barzizzas Vocabularium habe eine volkssprachliche Basislemmatisierung). Das lateinisch-bergamaskische Glossar aus dem Codex 534 der Universitätsbibliothek Padua wurde zuerst von Giusto Orion veröffentlicht (allerdings ohne den Synonymanhang): "II pozzo di S. Patrizio", Il Propugnatore 3 (1870), S. 80-88. Mit dem Synonymanhang sowie einem aufschlußreichen dialektologischen Kommentar hat es dann Etienne Lorck unter dem Titel "Lateinisch-bergamaskisches Glossar'' in seinem kleinen Buch Altbergamaskische Sprachdenkmäler (IX-XV. Jahrhundert), Halle, S. 1893 (= Band X der von Wendelin Foerster herausgegebenen Romanischen Bibliothek), S. 95-163 und 167-220 herausgegeben (S. 167-220 der Kommentar: „Der Wortbestand des Glossars"). Lorck stützt seine Ausgabe auf eine Abschrift der Handschrift, die Wendelin Foerster im Jahre 1880 vorgenommen hatte. Kritik an der bei Lorck publizierten Lesung (wegen des fehlenden Direktbezugs auf die Handschrift) hat Gianfranco Contini geäußert: "Reliquie volgari della scuola bergamasca dell'Umanesimo", L 'Italia dialettale 10 (1934), S. 231-240. Zu dem Glossar aus dem Codex 'I'. V, 11 (5) der Gemeindebibliothek Bergamo vgl. den soeben genannten Beitrag von Gianfranco Contini. - Auf das Glossar aus dem Miszellenkodex Z. 478 hat Ignazio Baldelli, "L'edizione dei glossari latinovolgari dal secolo XIII al XV", VIII Congresso internazionale di studi romanzi, Firenze 3-8 aprile 1956. Atti, Florenz 1960, S. 757-770, hingewiesen (S. 759). Alda Rossebastiano Bart, "Alle origini della lessicografia italiana", cit., stellt es S. 125- 126 vor. - Eine kleine okkasionell entstandene lateinisch-trientinische Wortliste aus dem Staatsarchiv Innsbruck hat Wolfram von Zingerle veröffentlicht: "Eine wälschtirolische Handschrift. (Um das Jahr 1400)", ZrP 24 (1900), S. 388-394. - Die toskanische Version der Glossarfamilie vom Beginn des 15. Jahrhunderts, Cod. Magliabechiano 1. 72 der Nationalbibliothek Florenz, wurde beschrieben von Clara Messi, „Contributi alla storia della piu antica lessicografia italiana", cit., S. 601--604. - Das Glossar von Cantalicio hat Ignazio Baldelli herausgegeben: "II glossario latino-reatino del Cantalicio", Atti dell'Accademia Toscana di Scienze, Lettere ed Arti «La Colombaria» 18 (1953), S. 369-408 und wieder in: lgnazio Baldelli, Medioevo volgare da Montecassino all'Umbria, Bari 1971, S. 195-238. Zu Cantalicio s. Benedetto Croce, "Sulla vita e le opere del Cantalicio", Archivio storico napoletano, n. s., 10 (1926), S. 155-191. Auf die alphabetisch angeordneten Glossare aus Wien, Carpentras und Padua hat Ignazio Baldelli hingewiesen: "L'edizione. dei glossari latino-volgari dal secolo XIII al XV", cit., S. 762 bzw. S. 758. - Zum Vocabulista Bibliographie zu Kapitel 4 235 Ecclesiastico s. Ornella Olivieri, "1 primi vocabolari italiani", cit., S. 81-83. Das Glossar von Jacopo Ursello da Roccantica hat Ugo Vignuzzi herausgegeben: / / g/ ossario latino-sabino di ser Jacopo Urse/ lo da Roccantica, Perugia 1984. - Zu weiteren kleinen Glossaren mit didaktischer Zielsetzung s. lgnazio Baldelli, "L'edizione dei glossari latino-volgari dal secolo XIII al XV", cit., und Alda Rossebastiano Bart, "Alle origini della lessicografia italiana", cit., S. 132-133 (zu einem Homonymglossar im Cod. 258 = F 551258 der Gemeindebibliothek Foligno). - Zu dem früher Tranchedino zugeschriebenen Wörterbuch und der Frage der Autorschaft s. Mechtild Bierbach, "Frühe volkssprachlich-lateinische Zeugnisse humanistischer Lexikographie in der Romania", ZrP 110 (1994), S. 64-116, hier S. 103-110. Bierbach hat gezeigt, daß Tranchedino durch sein Wappen auf der ersten Seite der Hs. eher als ihr Besitzer denn als ihr Verfasser anzusehen ist. - Zu dem Vocabularium vulgare cum latino apposito von Nicola Valla da Girgenti s. Filippa Trapani, "Gli antichi vocabolari siciliani (Senisio, Valla, Scobar)", cit., S. 43-85; Ornella Olivieri, "1 primi vocabolari italiani fino alla prima edizione della Crusca", cit., S. 85. 4.5.4 Das Glossar von Monza wurde von Bernhard Bischoff entdeckt und zuerst publiziert von Bernhard Bischoff, Hans-Georg Beck, "Das italienisch-griechische Glossar der Handschrift e 14 (127) der Biblioteca Capitolare in Monza", in: Heinrich Bihler, Alfred Noyer-Weidner (Hgg.), Medium Aevum Romanicum. Festschrift.für Hans Rheinfelder, München 1963, S. 49-62. Viele Lesungen klären und verbessern konnte Francesco Sabatini, "II glossario di Monza. II testo. La localizzazione. II compilatore", Atti de/ la Accademia de/ le Scienze di Torino. Classe di Scienze Morali, Storiche e Filologiche 98, 1963-1964, Turin 1964, S. 51-84, und dann Oronzo Parlangeli, "II glossario monzese", Atti della Accademia Pontaniana, Nuova Serie 15 (1965-1966), Neapel 1966, S. 241-269. Den ausführlichsten Kommentar gibt: Willem J. Aerts, "The Monza vocabulary", in: W. F. Bakker, A. F. van Gemert, W. J. Aerts (Hgg.), Studia Byzantina et Neohellenica Neerlandica, Leiden 1972, S. 36-73. Nach Bischoff und Sabatini hat Arrigo Castellani für seine erneute Ausgabe des Textes noch einmal die Handschrift konsultiert: Arrigo Castellani, / piu antichi testi italiani. Edizione e commento, Bologna 1973, S. 39-57. - Das italienisch-arabische Glossar aus dem 15. Jahrhundert wurde herausgegeben von Emilio Teza, Un piccolo glossario ita/ iano e arabico de/ Quattrocento, Rom 1893 (Reale Accademia dei Lincei). Zu den ersten ltalienisch-Didaktika s. den Überblick von Claudio Marazzini, "The teaching of ltalian in the 15 th and 16 th century Europe", in: Sylvain Auroux et all. ·(Hgg.), History of the language sciences. Geschichte der Sprachwissenschaften. Histoire des sciences du langage. An international handbook on the evolution of the study of languages from the beginnings to the present. Ein internationales Handbuch zur Entwicklung der Sprachforschung von den Anfängen bis zur Gegenwart. Manuel international sur l 'evolution de l 'etude du langage des origines a nos jours, Bd. 1, Berlin - New York 2000, S. 699-705. Zur Frage der Datierung der handschriftlich überlieferten frühen italienisch-deutschen Sprachführer s. Alda Rossebastiano Bart, „Per la storia dei vocabolari italiano-tedeschi. Localizzazione e datazione di un ramo della tradizione manoscritta", La ricerca dialettale 3 (1981), S. 289-302. Die Ausgabe des Sprachbuchs Georgs von Nürnberg von Oskar Pausch haben wir im Text schon zitiert: Oskar Pausch, Das älteste italienisch-deutsche Sprachbuch. Eine 236 Die romanische Sprachwissenschaft im Zeitalter des italienischen Humanismus Überlieferung aus dem Jahre 1424 nach Georg von Nürnberg, Wien 1972 (= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Denkschriften, 111. Band). Es handelt sich um eine diplomatische Ausgabe der auf Papier geschriebenen Handschrift des Kodex 12514 der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien. Die abweichenden Lesarten der Münchener Pergamenthandschrift von gleicher Hand (Cod. ital. 261 der Bayerischen Staatsbibliothek) hat Pausch auf den Seiten 264-289 seiner Ausgabe zusammengestellt. Den lexikalischen Teil einer Familie von vier verwandten Handschriften des Werks (es sind neben den beiden schon genannten die Mss. ex H. 5. 20 der Biblioteca Estense, Modena, und Pal. Germ. 657 der Universitätsbibliothek Heidelberg) hat Alda Rossebastiano Bart herausgegeben: Alda Rossebastiano Bart (Hg.), Vocabolari veneto-tedeschi del secolo XV, 3 Bdd., Savigliano 1983. Auf der Basis der Wiener und der Münchener Handschrift hat Adolf Mussafia den historisch-dialektologischen Befund des Lehrwerks bezüglich des Italienischen beschrieben: "Beitrag zur Kunde der norditalienischen Mundarten im XV. Jahrhunderte", Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschqften, Phil.-Hist. Klasse, Bd. 22, Wien 1873, S. 103-224 (und als Separatdruck, Wien 1873, 128 Ss.). Die noch immer wichtige Arbeit wurde mit einem Vorwort von Carlo Tagliavini und den drei Indices "Formen", "Sachen", "Etyma"), welche Fritz Gysling, ein Schüler Jakob Juds, in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts dazu erstellt hatte, 1964 in Bologna erneut veröffentlicht (Arnaldo Forni editore). Zu den Musterdialogen des Lehrwerks vgl. Alda Rossebastiano Bart, I dialoghi di Giorgio da Norimberga, Savigliano 1984. - Die älteste Inkunabel des Adam von Rottweil aus dem Jahre 1477 ist mit einer Einleitung von Alda Rossebastiano Bart 1971 in Turin als anastatischer Nachdruck erschienen. Man kennt inzwischen neun Wiegendrucke des Werkes (zwei weitere sind bezeugt). Vito Reno Giustiniani hat in seiner Ausgabe: Adam von Rottweil. Deutsch-Italienischer Sprachfahrer, Tübingen 1987 (= Lingua et Traditio, Bd. 8) den Wortlaut des ältesten davon (Adam von Rottweil, Venedig 1477) und des jüngsten (Giovanni Bati: ista de Sessa, Venedig 1500) nebeneinandergestellt. Giustinianis Ausgabe enthält neben Einleitung und Kommentar vier nützliche Indices: "Lista alfabetica dei termini italiani del 'Vochabuolista'" (S. 151-238); "Alphabetisches Wörterverzeichnis des Vochabuolista (Deutsch)" (S. 239-325); "Lista alfabetica degli equivalenti moderni italiani. Dall'italiano moderno all'antico" (S. 327- 334); "Lista alfabetica degli equivalenti moderni tedeschi. Vom Neuhochdeutschen zum Frühneuhochdeutschen" (S. 335-341) (die beiden letzteren allerdings ohne Textverweise, so daß sie nur im Zusammenhang mit den beiden ersteren als Indices fungieren können). Die dialektologischen Merkmale des Druckwerks hat Adolf Mussafia in seine o.a. Untersuchung „Beitrag zur Kunde der norditalienischen Mundarten im XV. Jahrhunderte" einbezogen. Zu der umfangreichen Entwicklungsgeschichte des Vochabuolista vom bescheidenen italienisch-deutschen Promptuarium hin zum vergleichenden Sprachführer der wichtigsten Sprachen Europas vgl. die Monographie von Alda Rossebastiano Bart, Antichi vocabulari p/ urilingui d 'uso popolare: Ja tradizione de/ «Solenissimo Vochabuolista», Alessandria 1984. Der letzte Eintrag dort trägt die Nummer 89 und bezieht sich auf einen Dictionnaire des six langages. C'est a s~avoir Latin, Flamen, Fran~ois, Espagnol, Italien & Ang/ ois, der 1636 von David Ferrand in Rouen gedruckt wurde. Durch die Arbeiten von Giustiniani und Rossebastiano Bart ist die kurze Behandlung des Vochabuolista und Bibliographie zu Kapitel 4 237 seiner Folgetexte bei Annamaria Gallina, Contributi alla storia della lessicografia italo-spagnola dei secoli XVI e XVII, Florenz 1959 (= Biblioteca dell'«Archivum Romanicum», Serie I, Bd. 58), Kap. II: "Il 'Libro el quale si chiama introito e porta' e i vocabolarietti da esso derivati", S. 25-40, überholt. 4.5.5 Zu dem hebräisch-italienischen Philosophieglossar vgl. die umfangreiche Monographie (Text und Untersuchung) von Giuseppe Sermoneta, Un glossario filosofico ebraico-italiano de! XIII secolo, Rom 1969. - Zum Maqre Dardeqe s. Morse Schwab, "Le Maqre Dardeqe", Revue des etudes juives 16-18 (1888/ 89), S. 253-298; Giuliana Fiorentino, "Note lessicali al Maqre Dardeqe", AG/ 29 (1957), S. 138-160. Von dem· hebräisch-italienisch-arabischen Maqre Dardeqe existiert auch eine alphabetisch lemmatisierte hebräisch-französische Version aus dem 14. Jahrhundert (BN, Paris hehr. 1243), welche bisher nicht publiziert wurde. Vgl. hierzu: Morse Schwab, "Le Maqre Dardeqe", cit., sowie Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfängen bis 1600, cit., S. 152-153. - Das griechisch-sizilianische Glossar aus dem 14. Jahrhundert wurde herausgegeben von Salvatore Frasca, "Glossario greco-siciliano del secolo XIV", Cultura neolatina 9 (1949), S. 129-135. -Auf das kleine französisch-venezianische Glossar aus dem 14. Jahrhundert hatten schon die Herausgeber des Regime du corps Alebrants von Siena hingewiesen: Louis Landouzy, Roger Pepin (Hgg.), Le regime du corps. Alebrant (Maftre Aldebrandin de Sienne), Paris 1911. Von der Ausgabe ist 1978 in Genf ein Nachdruck erschienen. Den kommentierten Abdruck des Glossars von Ignazio Baldelli in den Studi linguistici italiani 2 (1961) haben wir zitiert. Baldelli gibt dort außer dem Glossar eine Anzahl ebenfalls venezianischer Glossen wieder (S. 160- 162), welche aus der gleichen Zeit, aber von anderer Hand stammen und den Text des Regime du corps selbst begleiten (wie citroules t; o e cogomari longi). - Das kleine umbrisch-lombardische Glossar zu Jacopone steht auf einem Blatt des Cod. Laur. XC inf., Florenz, und wurde von Annibale Tenneroni publiziert: "Antico glossarietto umbro-lombardo", Rivista critica della letteratura italiana 5 (1888), S. 28-30. - Die maßgebende Ausgabe der mailändisch-florentinischen Glossare Benedetti Deis von Gianfranco Folena in den Studi di filologia italiana 10 (1952) haben wir im Text genannt. - Der Vocabolista von Luigi Pulci wurde zuerst publiziert von Guglielmo Volpi, "Il vocabolista di L. Pulci", Rivista delle biblioteche e degli archivi 19 (1908), S. 8-15, 21-38; dann von Edmondo Solmi, "Nuovi contributi alle fonti dei manoscritti di Leonardo da Vinci", Giornale storico della letteratura italiana 58 (1911), S. 297-357. Das Glossar L. Pulcis wurde von Leonardo da Vinci herangezogen, als er für den eigenen Gebrauch weniger bekannte Wörter zusammenstellte. Zu den Wortlisten Leonardos s. Luigi Morandi, Lorenzo il Magnifico, Leonardo da Vinci e la prima grammatica italiana, Citta di Castello 1908; Omella Olivieri, "Gli elenchi di voci volgari nei codici di Leonardo da Vinci", Lingua Nostra 3 (1941), S. 29-32; Augusto Marinoni, Gli appunti grammaticali e lessicali di Leonardo da Vinci, 2 Bdd., Mailand 1944-1952; Dante Olivieri, "Leonardo da Vinci ed i primi tentativi di vocabolari italiani", Nuova Antologia 154 (1952), s. 358-368. 5 . Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern 5.1 Die Arte de trovar des Grafen von Villena Wenn wir nun noch einen Blick auf das übrige Europa werfen, um zu sehen, ob auch dort die entstandene Realität der romanischen Sprachen ins kulturelle Bewußtsein trat und zu ihrer Beschreibung und zur Reflexion über ihre Entstehung Anlaß gab, so finden wir in unserem ersten Zeitraum nur weniges. Auch wenn das Wirken Alfons' des Weisen (1221-1284) zweifellos als Meilenstein in der Geschichte der spanischen Sprache angesehen werden darf, so findet sich doch unter seinen Schriften keine diesbezügliche theoretische Abhandlung. Vereinzelt steht daher in Spanien die fragmentarisch erhaltene Arte de trovar des Enrique de Arag6n, Grafen von Villena da, die wir als ersten Eintrag der Biblioteca hist6rica de la filologia castellana des Conde de la Vifiaza in der Bibliographie zum ersten Kapitel schon erwähnt haben. Eben diese Isoliertheit wird es vor allem gewesen sein, die Marcelino Menendez y Pelayo dazu bewog, dem Text eine besondere Bedeutung beizumessen: "Cada letra de este pequefio retazo merece ser pesada y considerada atentamente." 1 Aus diesem Grunde wollen auch wir es etwas näher betrachten. Dem Verfasser, Enrique aus dem Hause Arag6n (1384-1434), war Zeit seines Lebens wenig Genugtuung vergönnt. Er widersetzte sich den Erwartungen seiner Familie, als er die militärische Karriere ausschlug und die Auflösung der ihm verordneten Ehe betrieb. Seine ganze Zuwendung galt der Wissenschaft. Daß er sich u.a. mit Alchimie und Astrologie beschäftigte, trug ihm alsbald den Vorwurf der Hexerei und Nigromantie ein. Nach seinem Tode wurde die Verbrennung seiner Werke verfügt. Der Tatsache, daß man dieses Verdikt zum Teil umging, verdanken wir es, daß uns einige seiner Arbeiten erhalten sind: spanische Übersetzungen von rhetorischen Texten Ciceros, von Vergils Aeneis und Dantes Divina Commedia, Los doce trabajos de Hercules sowie die „Vorschneidekunst", welche das hoftafelge- 1 Marcelino Menendez y Pelayo, Antologia de poetas liricos caste/ lanos, Santander 2 1944, Bd. 2 (= Edici6n nacional de las obras completas dirigida por Miguel Artigas, Bd. 18), S. 50. Die Arte de trovar des Grafen von Villena 239 rechte Tranchieren und Bedienen bei Tische behandelt: Arte cisoria 6 tratado de/ arte de cortar de/ cuchillo (1423). Die fragmentarisch erhaltene Abhandlung De la Gaya Sciencia 6 arte de trovar ist eine spanische Bearbeitung provenzalisch-katalanischer Troubadourlehren. Insbesondere dürfte Lo miraylls de trovar o de versificar o de rimar des Beringuer de Noya (1358) als Vorlage gedient haben. Der Traktat entstand, als der verarmte Graf sich in seinen letzten Lebensjahren auf sein bescheidenes Landgut Iniesta bei Cuenca zurückgezogen hatte und wehmütig der Zeit gedachte, da er selbst den Jocs jlorals in Barcelona vorstand, die man dort nach Toulouser Vorbild veranstaltete. Bei dem erhaltenen Fragment handelt es sich um Exzerpte des Toledaner Humanisten Alvar G6mez de Castro, dessen antiquarisches Interesse wie das der meisten spanischen Humanisten nicht nur der Antike, sondern ebenso dem spanischen Mittelalter galt. Der vollständige Text hat vermutlich noch Quevedo vorgelegen, der in einem Brief aus dem Jahre 1629 schreibt, er sei im Besitz eines Manuskriptcodex mit Werken des Grafen von Villena, von denen er gerade das über die Gaya ciencia besonders lobt. Excelentfsimo Sefior, en mi poder tengo un Iibro grande del infante don Enrique de Villena, manuscrito, digno de grande estimaci6n; infante ä quien Ia ignorancia popular ha welto el tumulo de piedra que tiene su cuerpo en San Francisco desta corte, en redoma. Entre otras obras suyas de grande utilidad y elegancia hay una de la Gaya ciencia, que es Ia arte de escribir versos: dotrina y trabajo digno de admiraci6n, por ver con cuänto cuidado en aquel tiempo se estudiaba la lengua castellana, y el rigor y diligencia con que se pulian las palabras y se facilitaba la pronunciaci6n, cuando por mal acompafiadas vocales sonaban äsperas u eran equivocas u dejativas ä Ia lengua 6 al numero, afiadiendo y quitando Ietras; estudio de que no hay en otro Iibro noticia, y que sin ella mal se puede dar razon de las voces tan afectuosas de Las Partidas. 2 2 Quevedo schreibt dies in seinem Pr6/ ogo a las obras de Fray Luis de Leon, den er an den Conde-Duque de Olivares sendet: Francisco de Quevedo y Villegas, Obras, 3 Bdd., Madrid 1852-1877, Ndr.: Madrid 1946-1953, Bd. 2, Madrid 1951: Discursos asceticos y filosoficos (= Biblioteca de Autores Espaiioles 48), S. 488. Antonio Torres-Alcalä meint dagegen, möglicherweise habe auch Quevedo schon nur das uns bekannte Fragment vorgelegen (bzw. daß die ursprüngliche Abhandlung kaum mehr als das uns durch das Humanistenexzerpt Bekannte umfaßte): "Quevedo habla de haber conocido <<un libro grande» del Arte de trovar (l,o de Don Enrique? ); sin embargo, las noticias que sobre el mismo nos suministra son las que ya conocemos del extracto que queda. Lo mäs probable es que «grande» se refiera al manuscrito que contenfa «otras obras» de Don Enrique, ademäs de! Arte de trovar, y de que la extensi6n total de! original fuera lo que hoy nos ha llegado a traves del toledano Alvar G6mez de Castro.'' (Antonio Torres-Alcalä, Don Enrique de Villena. Un Mago al dintel de/ Renacimiento, Madrid 1983, S. 91). Unseres Erachtens spricht die Tatsache, daß Quevedo die Arte de trovar als eines der Werke in einem Kodex mit Schriften des Conde de Villena nennt (während wir das Fragment als Teil eines Kodex mit Exzerpten des Humanisten Alvar Gomez de Castro kennen) für die (auch von Sanchez 240 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern Das humanistische Exzerpt der Arte de trovar wurde zuerst von Gregorio Mayans y Siscar im zweiten Band seiner Origenes de la lengua castellana, compuestos por varios autores (1737) veröffentlicht. Auch wenn einiges Unverständliche in dem von Mayans vorgelegten Text in der späteren Ausgabe von Francisco J. Sanchez Cant6n durch eine bessere Lesung geklärt werden konnte,3 bleibt doch das von der Arte de trovar des Grafen von Villena Erhaltene ziemlich dunkel und enthält mancherlei Ungereimtheiten. So zeugen die einleitenden Bemerkungen über die ersten provenzalischen Troubadourlehren und die Geschichte des Consistori de la Gaya Sciencia in Toulouse von Unkenntnis und Verwechslungen. 4 Unverständlich bleibt, was Don Enrique mit seiner Unterscheidung von semisonante und plenisonante bei den Vokalen a, e, o im Spanischen sagen möchte: e algunas uezes las tres vocales a e o suenan de otra manera con son semisonante, o menos sonante puestas en medio de diyi6n e fin, asi como quien dize proeza, grana, honor, que la e en la primera diyi6n es semisonante, e la a en la segunda, e la segunda o en la teryera; esto les acaeye por la conjunyi6n de las preyedentes letras, que se lian e encorporan con el son de la uocal, en composiyi6n de bozes: e por eso la uocal pierde parte de su lleno son. Estas tres vocales puestas en mitad de diyi6n sin mudar la postrimera letra, tienen a uezes lleno son, y otras medio; quien dize vas da medio son, e si dixese paz dariale lleno; diziendo vos es semisonante, diziendo pos es plenisonante. e si dixese pres aquella e es plenisonante; e si dixese tres es semisonante. e porque gozan de amos los sones seg(m el ayuda del principio dizense vtrisonantes. SC 174-175 Argumentation, Termini und Beispiele kommen uns freilich nicht ganz unbekannt vor. In der Tat folgt der Graf an dieser Stelle zweifellos der Unterscheidung zwischen 'vollklingenden' und 'halbklingenden' Vokalen (und der Erkenntnis ihres phonematischen Wertes), die wir aus den Leys d 'Amors kennen (vgl. Kap. 2, S. 32-33). Allerdings führt ihn die Übertragung dieser Unterscheidung auf das ganz anders strukturierte Vokalsystem des Kastilischen in die Irre und veranlaßt seine inkohärenten und unverständlichen Versuche der Erklärung. 5 Cant6n vertretene) Meinung, daß Quevedo noch den ganzen Traktat kannte (welchen Umfang dieser auch gehabt haben mochte). 3 Francisco J. Sänchez Cant6n, "EI «Arte de trovar» de Don Enrique de Villena", Revista de Filo/ ogia Espailo/ a 6 (1919), S. 158-180. Wir zitieren das Fragment nach dieser Publikation (SC). Zur Editionsgeschichte des Textes s. die Bibliographie am Ende dieses Kapitels. 4 So wird u.a. gesagt, Raimon Vidal aus Besalu (der Verfasser der Razos de trobar, der um 1215 verstarb) habe (gut hundert Jahre nach seinem Tode! ) das Consistori de Ja Gaya Sciencia in Toulouse begründet (1323/ 1324). 5 „11 est hors de doute que Villena s'est inspire des Leys, la seule comparaison des exemples en donne la preuve. 11 a commis ici l'erreur de vouloir conserver, pour les voyelles castillanes, une nomenclature utilisee par son predecesseur pour rendre compte du contraste phonologique voyelle ouverte / voyelle fermee, inexistant en castillan. Entraine Die Arte de trovar des Grafen von Villena 241 Andererseits finden sich in dem Fragment der Arte des Grafen de Villena interessante phonetische Beobachtungen. Zunächst einmal stellt er die Organe der sprachlichen Artikulation vor. Es sind sechs: Lunge, Gaumen, Zunge, Zähne, Lippen und Luftröhre: E acatando seis instrumentos, si quiere 6rganos, que forman en el hombre bozes articuladas, e literadas. Es a saber: Pulm6n con su continuo mouimiento sistolando, e diastolando: re9ibiendo ayre fresco hazia a si, e lan9ando el escalentado fuera del cuerpo por muchas partes, espe9ialmente por la tracharchedia, que es la canna del resollo. et, percude si quier o fiere el ayre. el segundo, paladar. el tercero, lengua. el quarto, dientes, que por compresi6n fazen zizilar, a atenuar el son, si quiere adelgazar. el quinto, los be9os. el sesto, la trachearchedia. SC 169 Obwohl die Organe der Artikulation allen Menschen gemeinsam eigen sind, hätten sie doch, meint Don Enrique, je nach Klima und Landstrich eine besondere Ausprägung erhalten. So erkläre es sich, daß Art und Anzahl der artikulierten Laute bei den Völkern unterschiedlich seien: Eine 'Erweiterung der Luftröhre' habe bei einigen zu einer 'kehligen' Aussprache geführt; eine 'vergrößerte Mundhöhle' habe bei anderen 'aufgeblasene' Laute hervorgebracht; andere Völker wiederum hätten sich durch ihre 'Trägheit der Kinnladen' (varillas) eine 'zischelnde' Aussprache zugelegt; und so verhalte es sich auch bei den übrigen Unterschieden der Artikulation in den Sprachen: No son las bozes articuladas en igual numero 9erca de todas las gentes: porque la dispusici6n de los ayres, e sitio de las tierras disponen estos instrumentos por diuersa manera. A vnos dilatandoles la canna, e por eso fablan de garguero; a otros faziendoles la boca de grant oquedat, e por eso fablan ampuloso; e a otros faziendo las varillas de poco mouimiento, e por eso fablan zizilando: e ansi de las otras diuersidades. SC 169 Für das Spanische stellt Villena vierundzwanzig Alphabetlettern fest, die für ihn zugleich (mit Ausnahme der beiden sinos: h [wenn es nur Schreibzeichen par les mots, Villena s'est engage dans des explications qui, etant sans objet, restent confuses, voire m~me incoherentes." (Francis Tollis, "L'orthographe du castillan d'apres Villena et Nebrija", RFE 54 (1971), S. 53-106, hier S. 68). Im übrigen sind Villenas Bemerkungen von den „voll-" bzw. "halbklingenden" Vokalen Teil seiner Lehre vom 'syntagmatischen' Lautwert der Buchstaben, und zwar der Vokale und der Konsonanten. In allgemeiner Weise habe nämlich jeder von ihnen seinen „vollen" Klang nur am Anfang eines Wortes; in der Mitte sei diese Fülle schon nur noch halb gegeben und am Ende sei sie noch geringer. In besonderer Weise aber komme es dann je nach Einwirkung der lautlichen Umgebung zu gewissen Klangveränderungen (wobei in Hinsicht auf die Vokale das oben Zitierte gesagt wird). 242 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern ist] und tilde) Laute (bozes) sind. Zur Beteiligung der Organe an deren Artikulation bemerkt er folgendes: - Die Lunge bilde das (aspirierte) h. - Die Luftröhre durch unterschie91iche Atemstärke a, e und i. - Die Gaumenhöhlung o und k, wobei im Falle von o die Lippen mitwirkten. - Die Zunge bilde durch den Aufschlag auf den Gaumen r, durch den Aufschlag auf die Zähne d und t und / ; y bei Mitwirkung von Gaumen und Zähnen und n, indem sie 'sanft auf die halbgeschlossenen Zähne treffe'. - Die geschlossenen Zähne bildeten 'zischend' z, x und g, wobei im Falle der beiden letzten Laute die Zunge etwas mitwirke. - Die Lippen bildeten aus Verschluß und Öffnung b, f, m, p und q [kw]; und v [w], 'indem sie sich, sich zuspitzend ein wenig öffneten und sich zusätzlich der Ausatmung bedienten'. - Einige hätten aber die Aussprache des o ganz den Lippen zuteilen wollen, weil diese sich bei seiner Artikulation zuspitzten und rundeten; gleichwohl halte er die Beteiligung der Gaumenhöhle für bedeutsamer und habe den Laut daher diesem Artikulationsorgan zugewiesen: La h. EI pulm6n con su aspiraci6n forma la h. La trachearchedia forma la a e la e e la i, e la diferenyia que entre ellas se faze, es por menos respiraci6n; que la a se pronunyia con mayor, e la e con mediana, e la i conmenor. EI paladar, con su oquedat, forma la o e la k. pero la o ayudase con los beyos. La lengua forma la r firiendo en el paladar, e la d e la t e la / firiendo en los dientes; e la y griega ayudändose con paladar e dientes; e la n e tilde firiendo muellemente en los dientes medio cerrados. E los dientes forman la z, apretados zizilando. e Ia x e la g ayudändose un poco con la lengua. Los beyos con clausura e aperiyi6n forman la b,f, m e Ia p e la q. e la v aguzando con alguna poca abertura, e ayudändose de Ia respiraci6n. Algunos quisieron atribuyr la pronunyiaci6n de la o a los beyos, porque se aguzan e abren en forma circular, pero mayor operaci6n faze en ello el paladar, e por eso a el fue asignada de suso. SC 171 Da Villena die Artikulation von g „den Zähnen" zuschreibt, muß er hier die sonore palatoalveolare affrikate bzw. frikative Entsprechung diese Graphems ([d3] bzw. [3]) vor e, i im Sinne haben. Im folgenden spezifiziert er die beiden phonischen Entsprechungen des graphischen Zeichens g ([g] und [d3] bzw. [3]) dann genauer (wenngleich nicht vollständig und auch nicht ganz Die Arte de trovar des Grafen von Villena 243 korrekt). 6 Wenn g bei einem Vokal wie a und u stehe, dann habe es einen "sanften" Klang wie bei plaga, Dragon, daga; und bei e in llegue, pague; und bei u in guardar, guiar. Dagegen klinge es „stark" bei e und i, wie in linagge, giron, gircon~a; und im Auslaut auch bei fehlendem e: pug, Alberic. 1 Quando al g con vocal se junta, asf como a e u tiene son suaue: como quien dize plaga, Dragon, daga, e esto es con la a: e con la e asi como llegue, pague: con la u asi como guardar, guiar; pero quando se junta con e e con i entonyes suena fuerte: como quien dize linagge, giron, girconfa, en el fin quitan la e pug, Alberic. SC 175 Jedenfalls dürfen wir den beiden Bemerkungen Villenas zur Aussprache von g entnehmen, daß es vor Palatalvokal zu seiner Zeit als palatoalveolarer Reibelaut realisiert wurde, wenn wir auch nicht genau zu sagen vermögen, ob als [d3] oder als [3]. 8 Nur auf graphische Konventionen scheint sich zu beziehen, was Villena zum Unterschied von c, k, und qu (alle für das Phonem / k/ ) verlauten läßt: So wird nicht gesagt, daß geben vor velarem bzw. palatalem Vokal jeweils anders klingt; es fehlt die Bemerkung, daß u in den Nexus gue und gui stumm bleibt. Die eigentümliche Kennzeichnung dieses Klangunterschieds als suave vs. fuerte scheint Villena wiederum den Leys d 'Amors zu verdanken, wo sie sich als suavmen vs. fortmen findet (vgl. GA I, 32). Die Unterscheidung von Lauten „starker'' und „sanfter'' bzw. .,straffer'' und „lockerer'' Artikulation (man findet noch einige andere Gegensatzpaare) geht in der Geschichte der Sprachwissenschaft der zwischen stimmlosen und stimmhaften Lauten voraus und ist von anderer Art, obwohl die erste Unterscheidung mit der zweiten in gewissen Sektionen zusammenfällt: "No conocfan los humanistas, de! siglo XVI una distinci6n entre sonoras y sordas segun el saber moderno; pero, de otro modo y con otro agrupamiento, tenfan un conocimiento välido de la diferencia, o de otra diferencia fonematica igualmente funcionando. Ellos veian tambien dos series de consonantes, y en ellas dos grados categ6ricamente separados de energfa articulatoria; de un lado, las fuertes, o apretadas, o espesas, o recias, o de sonido entero, y de! otro, las flojas, o blandas, o suaves, o de medio sonido. Tal repartici6n no equivalfa simplemente al lado impresionista de una correlaci6n de sonoridad, sino que el principio de agrupaci6n era otro, de consistencia propia y aplicado a parejas de consonantes de diversas correlaciones. Segun el, p. ej., la rr fuerte se oponfa a la r debil, ambas sonoras, lo mismo que lass fuerte (sorda) y las debil (sonora). Pero es lo cierto que las parejas con correlaci6n de sonoridad entraban, y muy especialmente, en el campo de ese principio clasificador, las sordas como fuertes y las sonoras como debiles. Eso es lo que da validez completa de testimonio a las descripciones de nuestros antiguos gramaticos." (Amado Alonso, De la pronunciacion medieval a la moderna en espaiiol, Bd. II, Madrid 1969, S. 145). Offenbar fällt also im konsonantischen Bereich der Unterschied zwischen „vollklingend" und "halbklingend" mit dem zwischen „starker" und „sanfter" Artikulation (und bis zu einem gewissen Grade mit dem zwischen Stimmlosigkeit und Stimmhaftigkeit) zusammen. Verschiedene Meinungen hierzu referiert Francis Tollis, "L'orthographe du castillan d'apres Villena et Nebrija", cit., S. 73, Anm. 1. 244 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern La q e la c conuienen en son en principio de dici6n; quantidad se escriue con q; calidad se escriue con c; la k conuiene con este son diziendo karidad, pero tiene esta especialidad la k: que no se puede poner sino en principio de dici6n e todavia es plenisonante. SC 175 Die Inkohärenz dieser Konvention ist Villena bewußt, und sie wird von ihm ausdrücklich benannt: P6nense unas letras por otras: [...] c por k; [ .•. ] por la k se pone c, como quien dize cauallo; [...] la q por c, como en quantidad. [...] cantar pronunyia k e no se pone; [...] SC 176 Andererseits hat das Graphem c neben der velaren phonischen Entsprechung auch die einer dentalen Affrikata, wobei es mit den Schreibungen 9 und z konkurriert. Was Villena hierzu bemerkt, ist allerdings schwer verständlich: [...] la c se muda en z: Zamora, Gormaz, Gormaf; SC 176 La z algunas uezes en el fin tiene son de c: pec por pescado, que se escriue con c e tiene son de z; otras vezes es semisonante prez. SC 176 Besonders die zweite Bemerkung hält Amado Alonso für inkohärent und offenbar verderbt. Da im Kastilischen am Wortende stets -z erscheine (im Aragonesischen dagegen -9) schlägt er folgende Änderung der Stelle vor: "pez (für pescado), das sich mit -z schreibt, obwohl dieses hier wie 9 ausgesprochen wird." Jedenfalls könne es zwischen den jeweiligen Auslauten von pez und prez keinen Unterschied gegeben haben. 9 Insgesamt dürfen wir vermuten, daß zu der Zeit Villenas zwischen [ts] und [dz] unterschieden wurde und daß dieser Unterschied prinzipiell durch die Graphien 9 und z kenntlich gemacht wurde; dies allerdings nicht durchgehend und konsequent, so daß etwa [ts] je nach graphischer Konvention als c, 9 oder z erscheinen konnte. Wenig aufschlußreich ist auch, was Villena über den Buchstaben x in der graphischen Konvention schreibt, daß er nämlich teils für c, teils auch für g eintreten könne: 9 „Este pasaje parece estar maltrecho. Los castellanos escribian solo -z en final; los aragoneses -<; ; pero aquf Villena describe lo castellano. Quiza el texto clijera al reves: «Pez, por pescado, que se escribe con -z e tiene son de r; .» De todos modos entre pez y prez no podia haber cliferencia alguna, porque prez era forma apocopada de precio; en ambas palabras la z representaba a una -<; ablandada por fmal, pero no sonorizada." (Amado Alonso, De la pronunciacion medieval a la moderna en espanol, Bd. I, Madrid 2 1967 [Ndr.: 1976], S. 343, Anm. 295). Die Arte de trovar des Grafen von Villena 245 La x nunca es plenisonante, doquier que se ponga; antes muda algunas vezes su son: a vezes en c, a vezes eng; asi como quien dize bux,jlux, que se escriuen con x y fazen son de g; fix escriuese con x y faze son de c. SC 176 Wiederum orientiert sich Villena an den Leys d'Amors, wo wir lesen: X es de tal natura que alcunas vetz se muda en g et alqunas vetz en c. En g coma vax e lonx e destrix e lor semblan cum pex, mendix, per vaga par longa, destriga e aquestzpega, mendiga. [...] En c se muda x segon que par en aquestz ysshemples: Sos assaber per grex e blanx, Adonx e tox e rix e franx. Et appar be per greca, blanca, Adoncas, toca, rica, franca. GAl,44 Hier wird also gesagt, daß die Schreibung x für auslautendes es ( das zum Teil auf im Auslaut entsonorisiertes gs zurückgeht) eintritt: · Et en aysshi appar que aytal mot sescrivo ab x segon art jaciaysso que segon romans hom los deia escriure ab c s. Si cum vezetz pacs, decs e Iones rics e mendics, blancs et adoncs Et cels quom per lor pot entendre. GAl,44 Welche phonisch-graphische Entsprechung Villena für das Spanische kenntlich machen möchte, wird dagegen nicht ganz klar. Francis Tollis hält es für nicht ausgeschlossen, daß wir es hier mit dem ältesten Beleg für die Einebnung der Unterscheidung von [f] und [d3] zw. [3] im Spanischen zu tun haben. I 0 Aus den Beispielen, die Villena gibt, dürfte sich Tollis' Schlußfolgerung indes kaum begründen lassen; denn im Auslaut war die Unterscheidung zwischen Stimmlosigkeit und Stimmhaftigkeit jedenfalls zugunsten der Stimmlosigkeit aufgehoben.II Im Falle der beiden Realisierungen von r im Spanischen ('r' vs. 'r doble') kommt Villena mit Hilfe seiner Übertragung der Begriffe 'vollklingend' und 'halbklingend' zu einer adäquaten Beschreibung, wobei er richtig sieht, daß 10 L 'orthographe d'apres Villena et Nebrija, cit., S. 78. Die Meinungen bezüglich der Datierung dieses Lautwandels referiert Tollis, ibid., S. 76-78. 11 Bei Amado Alonso, De la pronunciacion medieval a la moderna en espaflol, Bd. II, Madrid 1969, S. 172, lesen wir zu der Stelle: "En la pareja x -j la oposici6n floja apertada no era compaiiera de la oposici6n sonora sorda en el sentido en que lo era en el caso de s ss, z f. Mientras en estas dos parejas la sonoridad llevava consigo el caracter flojo, y la sordez el caracter apretado, en la parejaj x ocurria lo contrario: laj, originariamente africada, era sonora y apretada; la x, fricativa, era sorda y floja. En posici6n implosiva final, la flojedad y ensordecimiento de la j obligan a sentirla como x; '' (Der Kommentar stammt in diesem Fall von dem Herausgeber des Bandes Rafael Lapesa). 246 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern der 'vollklingenden' Aussprache nicht immer eine 'gedoppelte' Schreibung entspricht. So gebe man die 'Semisonanz' zwar in der Regel mit einem einfachen, die 'Plenisonanz' dagegen mit einem doppelten r graphisch wieder. Doch klinge das r am Wortanfang voll und werde gleichwohl nur einfach geschrieben ebenso wie auch in gewissen Eigennamen: Quando la r es semisonante no se dobla ara, ira, quando es plenisonante d6blase, error. En prin9ipio de di9i6n es plenisonante, no se dobla, Rey, Roque, Ro~in. en los nombres propios, en medio de di9i6n es plenisonante y no se dobla, Enrique, Ferando. SC 175 Bei dem Laterallaut / ist für Villena die palatalisierte (prädorsale) Variante [Ä], welche graphisch als Doppelschreibung erscheint, "plenisonant". Am Wortende komme dieser Laut im Spanischen nicht vor, wohl aber im "Limousinischen": La / se dobla para hazer la plenisonante al principio, y al medio. En el fin nunca se dobla, sino en la lengua limosina. SC 175 Einen Hinweis auf den Stand der Lautentwicklung können wir darin sehen, wenn Villena anmerkt, daß p und b „in einigen Fällen gleichlauten": La p e la b algunas uezes fazen vn mesmo son, como quien dixese cabdinal, que tambien se puede decir capdinal. SC 175 P6nense vnas letras por otras: [...] b por p: cabdinal, capdinal; [...] lap se muda en b, como quien dize cabdillo, quese auia de poner con.p; [...] SC 176 Den Äußerungen Villenas dürfen wir entnehmen, daß zu seiner Zeit zweifellos cabdinal, cabdillo gesprochen wurde, auch wenn er dies bedauert "que se auia de poner con p"). 12 Ebenso stellt Villena für auslautendes romanisches -d (< lat. -t-) im Spanischen seiner Zeit -d und -t als Aussprachemöglichkeiten fest (während „am Wortanfang" auf die korrekte Unterscheidung von t und d zu achten ist): E t e d eso mesmo conuienen en son, en fin de dici6n; asf como quien dize cibdad, que se puede fazer con de con t; en principio son disonantes. SC 175 d [se muda] en t: cibdad, cibdat; [...] en lugar de d se pone t en fin de dici6n: breuedat; [...] SC 176 12 Zu der Entwicklung: capita/ e > *cabida/ > cabda/ > cauda/ s. Ram6n Menendez Pidal, Manual de gramatica hist6rica espanola, Madrid 13 1968, § 60.1, S. 161-162. Die Arte de trovar des Grafen von Villena 247 Die übliche Aussprache dürfte [t] gelautet haben. Daß dieses -t zum Teil aspiriert realisiert wurde, zeigt die Tatsache, daß man auch die Schreibungen -th und -z findet. 13 Villena bemerkt auch, daß die Orthographie zuweilen aus etymologischen Gründen von der Aussprache abweicht. Bei dem Wort sciencia bleibe dass stumm, bei psalmo das p: sciencia p6nese s y no se pronuncia; psalmo p6nese p e no se pronunyia [...] SC 176 Der Schreibung nicht gesprochener Lautzeichen billigt Don Enrique immerhin einen gewissen Sinn zu. Sie könnten nämlich für das Leseverständnis hilfreich sein: e aquellas letras que se ponen e no se pronunyian seg(m el comun vso, algo ai'iaden al entendimiento e significaci6n de la diyi6n donde son puestas. SC 177 In dem Abschnitt „P6nense unas letras por otras'', aus dem wir schon mehrere Angaben zitiert haben, findet sich sogar eine Beobachtung Villenas, welche die historische Grammatik des Spanischen betrifft .. Er sagt nämlich "lateinisches u werde im Kastilischen immer zu o": lau latina siempre se muda en castellano en o [...] SC 176 Natürlich trifft es nicht zu, daß lateinisches u in jedem Falle zu spanischem o wird. Bemerkenswert und wichtig an der Aussage Villenas ist jedoch, daß er ohne weiteres und in selbstverständlicher Weise eine Kontinuität der Lautentwicklung vom Lateinischen zum Spanischen annimmt. 13 Vgl. Amado Alonso, De / a pronunciacion medieval a la moderna en espanol, cit., Bd. 12, s. 63-64. 5.2 Die Anfänge der Lexikographie auf der Iberischen Halbinsel 5.2.1 Die ersten Glossare mit katalanischen Elementen Wie das Französische, Okzitanische und Italienische erscheint auch das Katalanische zunächst sporadisch in den Glossen zu lateinischen Werken oder in den Interpretamenten (prinzipiell) lateinisch-lateinischer Glossare. Die Aufzeichnung volkssprachlicher Elemente steht also auch hier zunächst ganz im Dienste des Lateinunterrichts und erfolgt meist okkasionell und zu praktischen Zwecken. So etwa bei einem lateinisch-katalanischen Glossar vom Ende des 14. Jahrhunderts aus dem Ms. 139 Ripoll, das der Feder eines Schülers entstammen dürfte. Die meisten der 300 Einträge sind Adverbien: 14 presertim honorifice multipharie enormiter horribiliter 165-169, CH 148 majorment hondradament en moltas maneras leyament orresament Aus dem 14. und 15. Jahrhundert sind uns noch einige weitere Dokumente überliefert (Wortartenlisten, Lernglossare u.ä.), die sich als Vorformen einer Lexikographie mit katalanischen Anteilen deuten lassen. Bezugspunkt bleibt dabei aber stets das Lateinische (zum Teil das Hebräische). 15 Dies gilt auch für das umfangreiche (immerhin 166 dreispaltig beschriebene Folien umfassende) Liber Elegantiarum vom Ende des 15. Jahrhunderts, obwohl in diesem Falle das Katalanische die Sprache der Basislemmata ist. Ein Hinweis darauf ist schon der Titel des Werkes, der offensichtlich auf die Elegantiarum latinae linguae libri VI von Lorenzo Valla Bezug nimmt (vgl. Kap. 4). Als Verfasser des 1489 in Venedig gedruckten Liber 14 Wir zitieren das Glossar nach der Ausgabe von Josep Maria Casas Horns, "Glossari llaticatala medieval", in: Consejo Superior de lnvestigaciones Cientificas (Hg.), Miscelanea Filol6gica dedicada a Mons. A. Griera, 2 Bdd., Barcelona 1955-1960, Bd. 1, Barcelona 1955, S. 139-158 (CH). 15 Anders verhält es sich bei zwei Rimarien vom Ende des 14. Jahrhunderts (das eine von Jaume March, das andere aus dem in Kap. 2 schon erwähnten Torsimany des Lluis d'Aven; : 6), die aber wegen der fehlenden oder mißverständlichen Bedeutungsangaben der Geschichte der Lexikographie noch ferner stehen als das Rimarium aus dem Donatz proensals (vgl. 2.5.2). Die Anfänge der Lexikographie auf der Iberischen Halbinsel 249 Elegantiarum gibt sich im Explicit der Notar Joan Esteve (Johannes Stephanus) aus Valencia zu erkennen: 16 Explicit liber elegantiarum Johannis Stephani viri eruditissimi ciuis Valentiani regie [sie] auctoritate notarii publici, latina et valentiana lingua, exactissima diligentia emendatus: Opera atque impensa Paganini de paganinis Brixiensis Venetiis impressus. Inno[centio] viij. summo pontifice. Augustino Barbadico Venetiarum principe. v. vero. no. Octobris. M7 Seine Absicht sei es gewesen, "einige Regeln und Beispiele guten lateinischen Stils" (nonnulla benedicendi precepta latinaque documenta, M 8) zusammenzustellen, wie er dem Anreger des Werkes, dem Mathematiker und Arzt Ferrer Torrella, in der Widmung versichert. Dieser Zielsetzung entsprechen in seinen Augen unterschiedliche Einträge, vom Einzelwort über Syntagmen bis hin zu Sätzen und Textfragmenten. Trotz der prinzipiell alphabetischen Anordnung dieser Einträge (allerdings nur bezüglich der ersten beiden Buchstaben) dürfte die gezielte Konsultation des Buches schwierig und zeitaufwendig gewesen sein. Denn zum einen erscheinen als Äquivalente eines katalanischen Eintrags zuweilen Scharen undifferenzierter lateinischer Synonyme. Zum anderen bezieht sich ein genanntes lateinisches Äquivalent oft nur auf eine partikuläre Kontextbedeutung des Ausgangslemmas. Besonders merkwürdig (und die Benutzung erschwerend) aber ist eine Erscheinung, die wir schon anläßlich der Behandlung des Glossarium gallico-latinum kennengelernt haben. Es handelt sich um die alphabetische Zusammengruppierung komplexer Einheiten nach dem jeweiligen okkasionell am Anfang stehenden Funktionswort (wie Artikel, Pronomen u.ä.). So muß der 'Hausherr' nicht unter 's' (wie senyor) gesucht werden, sondern unter 'l' (wie der dabeistehende Artikel / o): Lo senyor dela casa Los trossos M Faks. zw. S. 24 u. 25 Herus. heri Fragmenta Ebenso stehen mit Interrogativ- oder Relativpronomen eingeleitete Teilsätze zusammen: · Quin gest o aparencia Qui pregant impetra Qui per for~a pren los bens d'altri Qui perverteix la iusticia Qui prest d6na son assentiment Quis status Exorator Extortor, Rapax Legum contortor Assentaneus 16 Wir zitieren nach Francisco de Borja Moll, EI „Liber Elegantiarum ", Barcelona 1960 (M). 250 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern Qui mostra o descriu la mesura de la terra o del mon M14 Geometer Auf mehr als 30 Seiten stehen unter dem Buchstaben 'Y' mit Yo 'ich' beginnende Sätze wie: Yoli so molt obligat. Yot tinch en tanta stima certament mes que tot altre. Yot dich ma opinio. Yo so molt cert, Yo he delliberat anar asaludar Io papa. Yot prech me certifiques si has rebut ! es mies Ietres o no. M Faks. 'ZW. S. 40 u. 41 Ego sum ei plurimis beneficiis obstrictus. Tanto te semper fecerim ac faciam ut pluris certe neminem. Sententiam meam tenes. Est mihi exploratissimum. Ego institui ad pontificem salutatum accedere. Rogo te ut me facias certiorem acceperisne mes epistolas an minus acceperis. Auf Grund dieser Umstände hat das Liber Elegantiarum recht wenig mit der Vorstellung gemein, die wir heute mit einem neusprachlich-lateinischen Wörterbuch verbinden. Zudem ist darauf hingewiesen worden, daß in dem Werk gut die Hälfte der damals gebräuchlichsten katalanischen Wörter überhaupt nicht vorkommen. 17 Man wird daher nicht ohne Vorbehalte zustimmen können, wenn es eines der ältesten, wenn nicht sogar das älteste größere Wörterbuch einer romanischen Sprache genannt wird. 18 Eher handelt es sich um ein Beispielrepetitorium zur lateinischen Stilistik mit dem Katalanischen als Zugangssprache. 19 Der Verfasser hat dazu klassischlateinische (aber auch humanistische) Texte der verschiedensten Art nach der Schulgewohnheit der Zeit exzerpiert, die Exzerpte jeweils mit der katalanischen Übersetzung 17 Francisco de Borja Moll, EI „Liber Elegantiarum ", cit., S. 15. 18 „Probablemente es el mäs antiguo diccionario de una lengua neolatina, si entendemos como tal un libro lexicogräfico de extensi6n considerable y de contenido superior a la mera equivalencia de unos centenares de voces de una lengua con las de otra (que es lo que suele designarse con el nombre mäs modesto de vocabulario)." (Francisco de Borja Moll, EI "Liber Elegantiarum ", cit., S. 5); "[...] eines der ersten zweisprachigen Wörterbücher einer romanischen Sprache, das wegen seines Umfanges diesen Namen verdient." (Guenther Haensch, "Katalanische Lexikographie", in: Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hgg.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, 3 Bdd., Berlin - New York 1989-1991 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 5, 1-3), Bd. 2, Berlin-New York 1990, S. 1770-1788, hier S. 1771). 19 Dies hat Mechtild Bierbach in zutreffender Weise dargelegt und das Liber Elegantiarum in den Kreis einiger ähnlicher Werke der gleichen Epoche gestellt: "Frühe volkssprachlichlateinische Zeugnisse humanistischer Lexikographie in der Romania", ZrP 110 (1994), S. 64-116. Die Anfänge der Lexikographie auf der Iberischen Halbinsel 251 versehen und die Übersetzungen in einer grobalphabetischen Reihenfolge mit ihren Ausgangsäquivalenten aufgezeichnet. Für die Geschichte der Romanistik ist das Kompendium des Joan Esteve dennoch nicht ohne Bedeutung. Denn einer Vorgeschichte der romanischen Lexikographie läßt es sich ohne weiteres zuordnen: Wie bei einem zweisprachigen Wörterbuch soll die (freilich noch inkonsequente) alphabetische Disposition der Einträge den Zugang zu den lateinischen Äquivalenten erleichtern. Auch finden sich nicht nur Gruppen unspezifizierter lateinischer Interpretamente, sondern auch Beispiele differenzierend beschriebener Synonyme. In dieser Hinsicht steht Esteve allerdings in der Tradition der lateinischen Schulsynonymie. 20 Schließlich hat das Katalanische im Liber Elegantiarum durchaus eine gewisse Autonomie gewonnen. Die Übertragungen der lateinischen Textstellen zeigen deutlich das Bedürfnis nach stilistischer Emanzipation vom Original. Und der Autor nennt sich stolz zwar: "latina", aber auch „valentiana lingua exactissima diligentia emendatus". 5.2.2 Die ältesten Glossare mit spanischen Anteilen Wenn wir von den frühen textintegrierten Glosas Emilianenses und Glosas Silenses (10.-11. Jahrhundert) hier einmal absehen wollen, so beginnt die Geschichte der spanischen Lexikographie ebenso wie die der bisher betrachteten romanischen Sprachen mit dem Einrücken der Volkssprache in die Interpretamentkolumnen lateinischer Glossare. Im Gegensatz zu Frankreich aber ist diese Gattung in Spanien nur mit wenigen Dokumenten vertreten, nämlich mit dreien aragonesischer Herkunft, deren Handschriften vom Ende des 14. Jahrhunderts, bzw. aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen.21 überdies gibt es einige Hinweise darauf, daß in diese Glossare Material aus Glossensammlungen der Galloromania eingegangen ist. Es handelt sich um das Glosario de Toledo, das G/ osario de Palacio und das Glosario de/ Escorial. Das am sorgfältigsten gearbeitete und umfangreichste der drei ist das Glosario de/ Escorial, dessen Handschrift aus dem 15. Jahrhundert stammt. Etwas älter scheint das Glossar von Toledo zu sein; das kleinste ist das Glosario de Palacio mit 553 Lemmata. Insgesamt überliefern uns die drei Glossare 6128 spanisch glossierte lateinische Wörter. Das Lateinische der Glossen zeigt auch für mittelalterliche Verhältnisse nur mäßige Qualität und enthält verschiedene Abschreibfehler und Entstel- 20 Man vergleiche dazu etwa die Bücher 4 und 5 der Elegantiae von Lorenzo Valla. 21 Allerdings dürfte es noch eine ganze Anzahl bisher unerschlossener Glossenbelege geben. So enthält ein unlängst publiziertes lateinisches Sachwörterbuch aus San .Millän de la Cogolla (10. Jhdt.) zahlreiche romanische lnterpretamente: Claudio Garcfa Turza, Javier Garcia Turza (Hgg.), EI c6dice emilianense 46 de la Real Academia de la Historia, primer diccionario enciclopedico de la Peninsula Jberica, Logrofio 1997. Den Hinweis auf die bibliophile Ausgabe verdanken wir Hansbert Bertsch. 252 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern lungen. In den spanischen Interpretamenten ist fzumeist bewahrt, und wir finden: fablar,fambre,fazer,foja usw. (nsp.: hablar, hambre, hacer, hoja). 22 Die Anlautverstärkung von rwird im Glossar von Toledo (zum Teil auch im Glosario de Palacio, nicht aber im Glosario de/ Escorial) durch Doppelschreibung verdeutlicht: 23 hie angulus, -i por rryncon [rinc6n 'Winkel'] T 25, C 1 hie vomer, uel -mjs por rreja [reja 'Pflugschar'] T 500, C 15 hoc gremium, -mi por rrega~o [regazo 'Schoß'] T 1240, C 35 Charakteristisch für den Einfluß des Romanischen auf das mittelalterliche Latein ist es nun, daß die graphische Doppelung auch bei lateinischen Ausgangslemmata erscheint: 24 hec rres, -y hec rruyna, -e hec rreuolucio, -is hec rrepmisio, -is hec rrota, -e por cosa porcayda por rrebuelta porperdon por rrueda T914,C27 T915, C 27 T916, C27 T917, C 27 T918, C 27 Der Wortschatz der Glossare ist relativ allgemein und betrifft vorwiegend das Konkrete. Die Anordnung erfolgt in T und E nach Wortarten und innerhalb der Wortarten (annähernd) alphabetisch. 25 Es erscheinen nur wenige grammatische Angaben zu den lateinischen Lemmata: neben der (durch die Anordnung gegebenen) Wortart elementare Hinweise zu Genus und Flexion. Eigentümlich ist die Betonung der „Substanzbedürftigkeif' der Adjektive (nomina communia) durch den Zusatz cosa: jnpetuosus, scabiosus, vacuus, iratus, sordidus, por cosa arrebatada por cosa sarnosa por cosa vazia por cosa sannuda por cosa suzia 22 Zum Wandel f- > him Spanischen s. Ram6n Menendez Pidal, Or{genes de/ espaiiol, Madrid 10 1986, S. 198-233. In Arag6n blieb fim ganzen Mittelalter erhalten. Menendez Pidal zitiert einen Beleg zur unterschiedlichen Lautung des Wortes 'Fenchel' (sp. hinojo < foeniculu-) im Kastilischen und im Aragonesischen: "Arag6n conserv6 Ja fen toda Ja Edad Media. Cuando hacia 1492 el aragones Pedro Marcuello escribfa un panegfrico de los Reyes Cat61icos, simboliz6 reiteradas vezes Ja uni6n de Arag6n y de Castilla en la planta hinojo: «Llamala Castilla ynojo I qu'es su letra de Ysabel... llämala Arag6n fenojo I qu'es su letra de Fernando»" (ibid., S. 232). 23 Wir kennzeichnen die Glossare durch T (Toledo), P (Palacio) und E (Escorial) und zitieren nach Zeilenzählung und Seitenzahl der Ausgabe von Americo Castro, Glosarios latinoespaiioles de la edad media, Madrid 1936 (= Revista de Filologla Espaflola. Anejo XXII). 24 "[ ••• ] el fonetismo de este latfn [sc. estaba] afectado de las mismas tendencias que seguian vivas en el romance en los filtimos siglos de la Edad Media." (Americo Castro, Glosarios latino-espaiioles de la edad media, cit., S. XXVII). 25 Das Glossar P folgt keinem erkennbaren Anordnungsprinzip und dürfte textbegleitenden Ursprungs sein. Die Anfänge der Lexikographie auf der Iberischen Halbinsel 253 molestus, por cosa triste E 2240-2245, C 119 Die spanischen Äquivalente sind in T und E fast stets durch die Gleichstellungspräposition por 'für', 'anstelle von' eingeleitet. Es handelt sich ganz überwiegend um Einwortentsprechungen. Die Übersetzungen sind im großen und ganzen annehmbar, obwohl sie öfter die Bedeutung des lateinischen Wortes nur vage erfassen (wie bei dem o.a. E 2245 molestus triste, bei E l l 45 framea espada con que guarda el angel oder T 883 pecus animal que non puede arar) und gelegentlich befremdlich wirken: machina qualquier cosa redonda (T 845). Das elementare Lateinbuch mit dem Titel: lntroductiones Latinae, das Elio Antonio de Nebrija 1481 in Salamanca veröffentlichte (es handelt sich übrigens um Nebrijas erstes gedrucktes Werk), enthält in einem übergangslos angefügten Anhang (Bogen f 2 ff.) auch ein Verzeichnis der in dem Traktat vorkommenden Wörter. Die Bedeutungen werden zwar vorwiegend auf Latein erklärt, zuweilen (bei gut 150 Lemmata) aber auch in spanischer Sprache: 26 Crater uas potorium copa. Crepundia infantium ornamenta. Creta insula eminens mari aegeo. Cretaceus a creta pro argilla. Crates uulgo dicitur el zarzo. Crapulari est ebrietati operam dare. Criticus latine dicitur iudex. Cucumis pepino o melon o cohombro. Cupido amoris deus et ipsa cupiditas. Nebrijas Verfahren der selektiven Bedeutungsbeschreibung in romanischer Sprache ist nun historisch nicht weiter bemerkenswert, da ihm (fast) vollständig spanisch interpretierende Glossare schon vorausgehen. Vielmehr entspricht es in dieser Hinsicht eher einer humanistischen Rückwendung zum rein lateinischen Glossar. Bedeutsam ist das Glossar indes als Dokument der wissenschaftlichen Biographie Nebrijas selbst. Es bezeichnet eben den Wendepunkt zur Gewinnung der gegenständlichen Autonomie des Lateinischen und des Romanischen, wie sie sich (lexikographisch gesehen) bald darauf in seinen Werken Lexicon ex sermone latino in hispaniensem (1492) und Dictionarium ex hispanensi in latinum sermonem (1495) darstellt. Zwei Jahre aber noch vor 1492, dem Grenzjahr unserer ersten Periode der romanischen Sprachwissenschaft, erscheint das Universal vocabulario en latin y en Romance collegido por el cronista Alfonso de Palentia (Alfonso Fernandez de Palencia [1423-1492]), Sevilla 1490, das erste ausführliche 26 Die im Original undifferenzierten spanischen Elemente sind von uns hervorgehoben worden. 254 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern lateinisch-spanische Wörterbuch und (vielleicht abgesehen von Finnin Le Vers Dictionarius) überhaupt das erste ausführliche Wörterbuch einer romanischen Sprache. Die Zielsetzung des Werkes beschreibt der Verfasser in seiner Vorbemerkung (Argumento de la obra emprendida): Excellentissima domina Helisabeth Castelle legionis Aragonie atque Sicilie regina: inter innumera que mortalibus perhibuit suarum. immortalium virtutum documenta: hoc etiam superaddere voluit: vt iussu tante celsitudinis Alfonsus Palentinus gestorum hispaniensium scriptor subiret onus interpretandi vocabula lingue latine secundum hispani ydiomatis (quod romanicum dicitur) explicationem. Qum probe nosset rerum vtilissimarum inuentrix magnam difficultatem inesse quibuscumque. mediocriter latinitatem attingentibus hispanis; vbi per ignotiora vocabula specularent ignota. Fuit proculdubio hec potentissime imperatricis apprime commoda viris eligentibus religionem. Qui dediti diuino cultui nequeunt accuratius vocabulorum elegantias perscrutari; nisi secundum matemam linguam interpretatio fiat. La muy excelente sefiora dofia ysabel Reyna de castilla; y de leon; de aragon; et de siyilia; enter las innumerables demonstraciones que ha fecho alos mortales de sus inmortales virtudes; quiso tambien afiadir aquesto; que por mandado de su tan notable alteya Alfonso de palencia cronista delos fechos de espafia tomasse cargo de interpretar los vocablos dela lengua latina segund la declarayion del vulgar castellano (que se dice Romanye). Sabiendo bien la mesma inuentora de cosas muy prouechosas; la grand difficultat que incurren los de espafia mediana mente principiados enla latinidad; quando por vocablos latinos menos conoscidos buscan de entender los no conoscidos. Fue sin dubda aquesta diligencia dela muy poderosa Reyna quelo mando especial mente prouechosa alos varones que eligieron religion. Los quales empleados enel culto diuino; no pueden mas ala estrecha escudrifl.ar las elegancias et propriedades delos vocablos latinos se non se interpretassen segund la lengua materna. Alfonso de Palencia soll also im Auftrag der Königin ein Wörterbuch schaffen, in dem die lateinischen Bedeutungen in spanischer Sprache erklärt werden, damit die mäßigen Lateinkenntnisse des niederen Klerus verbessert werden können. Dazu verfährt er in der folgenden Weise: Neben ein einsprachig lateinisch interpretiertes Wörterbuch stellt er in einer zweiten Kolumne den gleichen Text, nun aber mit der spanischen Übersetzung der lateinischen Interpretamente. Dabei werden die mittelalterlichen Etymologien ohne weiteres übernommen: Aquila avis ab acumine oculorum dicta quod inreuerberatu visu solem inspicit. Aquila es ave dicha por la agudez de los oios que mira el sol syn que le ofenda la reverberacion la vista. Auch der traditionelle Brauch der Beistellung von Ableitungen wird beibehalten: Die Anfänge der Lexikographie auf der Iberischen Halbinsel Deus dentis masculini generis. lnde dentulus; et denticulus et dentosus dentosa dentosum idest dentibus plenus et dentatus dentibus armati.is; et hoc dentale pars aratri prima in qua inducitur vomer quasi dens; et dentrix dentricis Feminini generis genus piscis habens multos dentes et dentaria dentarie ferrum quo medici dentes extrahunt. Deus. del genero masculino es diente; dende los diminutivos dentulus et denticulus et dentosus que es lleno de dientes; et dentatus que es armado de dientes; et dentale que es la primera parte del arado en que se encaxa la reia como diente. Et del genero feminino dentrix, dentricis vn linaie de pexe que tiene muchos dientes que dizimos dentones. et viene dentaria rie. que es la ferramienta con que los medicos echan fuera los dientes dannados. 255 Obwohl die spanische Übersetzung hin und wieder eine Bedeutungspräzisierung hinzufügt, 27 steht sie also ganz i.m Dienste eines primären lateinischlateinischen Wörterbuchs mittelalterlicher Tradition, dessen Verständnis sie erleichtern soll. Dieses Wörterbuch hat Alfonso de Palencia offenbar bereits vorgefunden und übersetzt, und man hat es in jüngerer Zeit auch identifizieren können: Es handelt sich um eine Fassung des Elementarium doctrinae rudimentum von Papias (vgl. Kap. 2). 28 5.2.3 Das erste lateinisch-portugiesische Glossar Für das Portugiesische verfügen wir (zumindest im Bereich der bisher wissenschaftlich beschriebenen Dokumente) nur über einen lexikographischen Beleg aus älterer Zeit. Es ist ein lateinisch-portugiesisches Verbglossar aus Alcobac; a mit 2930 Einträgen, das man in die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert. Die annähernd alphabetisch angeordneten lateinischen Verben werden von einigen morphologischen und klassifikatorischen Angaben begleitet. Oft sind über den lateinischen Lemmata zur Erklärung noch lateinische Synonyma eingetragen. Mehrere Lemmata bleiben ohne portugiesische Ent- 27 So enthält etwa die lateinische Kolumne beim LemmaAlec (< klat. allec - 'Fischsud') nur die vage Erklärung: piscis est 'ist ein Fisch', während die gemeinte Art in der spanischen Version genau bezeichnet wird ('Hering'): Alec es pescado que dizen arenque. 28 Dies hat Hans-Josef Niederehe überzeugend gezeigt: "Das 'Universal Vocabulario' des Alfonso Fernändez de Palencia (1490) und seine Quelle", in: Antonio Quilis, Hans-Josef Niederehe (Hgg.), The history of linguistics in Spain, Amsterdam - Philadelphia 1986 (= Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science, Series III, Studies in the History of the Language Sciences, Bd. 34), S. 39-54. 256 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern sprechung. Die portugiesischen Entsprechungen bestehen meist aus Einzelwörtem: 29 97 459 1451 adipiscor cogo inflamo guanhar constranger acender 2693 tego cobrir Die deskriptive Präzision der portugiesischen Interpretamente bleibt nicht selten hinter derjenigen der lateinischen Basiswörter zurück: 313 amoveo mover 456 conscio saber 905 diripio tirar Dies dürfte auf die vorausgesetzte Verständnisergänzung durch die Texte verweisen. Die Mehrfachentsprechungen bei schulbekannten Polysemen (wie carpo, tollo) entstammen der lateinischen Tradition: 394 carpo 2729 tollo arrincar, reprender, jilhar, spedafa~ carpear alfar, rremouer, jilhar, aportar Ziemlich selten sind kurze Bedeutungsumschreibungen: 352 beo ben auenturar 632 consulo dar, demandar conselho 671 coniuntor antremeter ensembra Für die Entwicklung des lexikographischen Wissens kommt dem lateinischportugiesischen Verbglossar aus Alcoba~a also keine besondere Bedeutung zu. Als Dokument seiner Gattung für das Portugiesische und als sprachhistorisches Zeugnis ist es gleichwohl erwähnenswert. 29 Wir zitieren das Glossar nach der Lemmazählung der Ausgabe von Henry Rare Carter, "A fourteenth-century Latin - Old Portuguese verb dictionary'', Romance Philology 5 (1951- 1952), s. 71-103. 5.3 Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 5.3.1 Das Zeugnis Roger Bacons Zur grammatischen Beschreibung des Französischen finden wir in Frankreich selbst außer den wenigen indirekten Spuren in den altfranzösischen Donatübersetzungen und dem, was in den ersten lexikographischen Werken enthalten ist im ersten Zeitraum der romanischen Sprachwissenschaft nichts. Dagegen gibt es in der genannten Zeit eine ziemlich rege Beschäftigung mit dieser Sprache in England, und zwar aus einsichtigen historischen Gründen. Der mittelalterliche Philosoph Roger Bacon aus Ilchester (ca. 1220 ca. 1292) betrachtet das (durch die Normannen nach England getragene) Französische neben dem Englischen (und dem Lateinischen) als seine Muttersprache. Bacon bemerkt dies aus Anlaß seiner Unterscheidung dreier Stufen der Sprachbeherrschung, der muttersprachlichen, der weniger vollkommenen eines Übersetzers und der am leichtesten zu erwerbenden Fähigkeit, bestimmte Fachtexte zu verstehen. Die Beherrschung fremder Sprachen, namentlich des Griechischen, Hebräischen, Arabischen und „Chaldäischen" ('Aramäischen') ist für ihn notwendig, um zu den wahren Quellen des Wissens zu gelangen: Prima igitur est scientia linguarum sapientalium a quibus tota Latinorum sapientia translata est; cujusmodi sunt Graecum, Hebraeum, Arabicum et Chaldaeum. Non tarnen intellego ut quilibet sciat has linguas sicut matemam in qua natus est, ut nos loquimurAnglicum, Gallicum, et Latinum; [...] Roger Bacon, Compendium studii philosophiae, in: John Sheron Brewer (Hg.), Fr. Rogeri Bacon. Opera quaedam hactenus inedita, Bd. l, London 1859, S. 393- 519, hier S. 433. 'An erster Stelle steht die Kenntnis der wissenstragenden Sprachen, aus denen das ganze Wissen der Lateiner übertragen wurde, nämlich das Griechische, Hebräische, Arabische und das Chaldäische. Doch meine ich das nicht so, als ob einer diese Sprachen so können müßte wie die Muttersprache, in die er hineingeboren wurde, so wie wir zum Beispiel Englisch, Französisch und Lateinisch sprechen.' Denn die gesamte Heilige Schrift stamme aus dem Griechischen und Hebräischen und die Philosophie aus diesen beiden Sprachen und dem Arabischen; der treffende Ausdruck eines Gedankens aber könne bei der Übertragung in eine andere Sprache nicht bewahrt werden: 258 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern Nam totus textus sacer a Graeco et Hebraeo transfusus est, et philosophia ab his et Arabico deducta est; sed impossibile est quod proprietas unius linguae servetur in alia. Roger Bacon, Opus maius, III, in: John Henry Bridges (Hg.), The 'Opus Majus' of Roger Bacon, Bd. 1, Oxford 1900, S. 66. Zur Verdeutlichung seiner Argumentation zieht Bacon nun das ihm wie auch dem Adressaten seines Werkes, dem aus Frankreich stammenden Papst Clemens IV, vertraute Französische als Beispiel heran: 30 Nam et idiomata ejusdem linguae variantur apud diversos, sicut patet de lingua Gallicana, quae apud Gallicos et Picardos et Normannos et Burgundos multiplici variatur idiomate. Et quod proprie dicitur in idiomate Picardorum horrescit apud Burgundos, immo apud Gallicos viciniores: quanto igitur magis accidet hoc apud linguas diversas? Quapropter, quod bene factum est in una lingua, non est possibile ut transferatur in aliam ·secundum ejus proprietatem quam habuerit in priori. Jbid., S. 66-67 (das Zitat schließt an das vorangehende an) 'Denn selbst die Dialekte der gleichen Sprache weichen regional voneinander ab, wie man am Französischen sehen kann, das in der Ile de France, der Pikardie, der Normandie und in Burgund ganz unterschiedliche Mundarten aufweist. Und was im Pikardischen richtig ist, flillt im Burgundischen störend auf, ja sogar in der weit näheren Mundart von Paris. Wie sehr mag dies erst zwischen verschiedenen Sprachen der Fall sein? Daher kann das in einer Sprache zutreffend Gesagte nicht mit der besonderen Eigenheit, die es in dieser hatte, in eine andere übertragen werden.' Im Zusammenhang mit der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft sind an der Bemerkung Bacons zum Französischen folgende Gesichtspunkte bedeutsam: 1. Die Selbstverständlichkeit, mit der Bacon die romanischen Volksmundarten als Idiome eigenen Rechts neben die klassischen Kultursprachen stellt. 2. Die Erkenntnis, daß die Varietäten der Langue d'oi"l bei aller Verschiedenheit doch einer übergeordneten Einheit, dem Französischen, angehören. 3. Daß als besondere Repräsentantin dieser französischen Sprache (der lingua gallicana) auf Grund der fast gleichen Bezeichnung gallicus bis zu einem gewissen Grade schon die Varietät der Gallici in der Gegend um Paris 30 Die Erläuterung der eigentlichen Unübersetzbarkeit bestimmter einzelsprachlicher Gedanken durch die Verschiedenheit regionaler Varietäten einer Sprache erscheint im Werk Bacons an mehreren Stellen. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 259 (die an einer anderen Stelle auch puri Gallici genannt werden) angesehen werden kann. Bei seiner Begründung der Notwendigkeit, die Quellensprachen wichtiger Texte zu studieren, kommt Bacon auch auf ein Strukturmerkmal des Französischen zu sprechen, das es mit dem Griechischen, nicht aber mit dem Lateinischen gemeinsam hat. Geraume Zeit vor der Grammatik der Leys d 'Amors und lange vor den Diskussionen der Humanisten beschreibt er die Funktion des bestimmten Artikels im Französischen: Nam hoc est de proprietate articuli ut veritatem rei designet. Sed hoc non apparet in Latino, quia Latini non habent articolum. Nam satis innotescit in Gallico. Unde cum dicitur Parisius Li reis vent, iste articulus li designat proprium et verum regem talis Ioci, quasi reg<ni> Franciae. Et non sufficeret hoc ut denotaret adventum regis Angliae. Nullus enim diceret de rege Angliae veniente Parisius, Li reis vent, sed adjungeret alius dicens, Li reis de Engletere vent. Et ideo articolus solus sufficit ad veritatem et proprietatem rei de qua est sermo designandam. Roger Bacon, Opus maius, III, cit., S. 76-77; <> bezeichnen eine vom Text des Herausgebers abweichende Konjektur. 'Denn es gehört zum Wesen des Artikels, daß er die Wirklichkeit der Sache bezeichnet. Am Lateinischen kann man das allerdings nicht sehen, da die Lateiner keinen Artikel haben. Im Französischen wird es indes hinreichend klar. Wenn man nämlich in Paris sagt: Li reis vent, 'Der König kommt', so bezeichnet der Artikel li den einzigen und wirklichen König dieser Stadt als den Frankreichs. Dieser Ausdruck würde aber nicht genügen, um die Ankunft des Königs von England zu bezeichnen. Denn kein Bewohner von Paris würde von dem eintreffenden König von England sagen: Li reis vent 'Der König kommt', sondern er würde noch etwas hinzufügen und sagen: Li reis de Engletere vent, 'Der König von England kommt'. So genügt allein der Artikel, um die Wirklichkeit und Individualität der Sache, von der die Rede ist, zu bezeichnen.' Bacon bemerkt also, daß der bestimmte Artikel im Französischen (wie in anderen Sprachen) im Zusammenhang mit dem empirischen Kontext das Individuelle (das in diesem Kontext allein in Frage kommende Individuum) bezeichnet. 31 Daß er dabei das „individuell Gemeinte" mit dem „wirklich Existierenden" "Wahren") identifiziert, mag man ihm nachsehen, da diese Verwechslung bis in die heutige Zeit hinein anzutreffen ist. 31 Vgl. unseren Beitrag „Detenninaci6n y entorno. Dos problemas de una lingüistica del hablar", Rlb 1 (1955-1956), S. 24--54; und wieder in: Eugenio Coseriu, Teoria de/ / enguaje y lingüistica genera/ . Cinco estudios, Madrid 1962, 2 1967, Ndr. Madrid 1970, S. 282-323; d. Ü. "Determinierung und Umfeld. Zwei Probleme einer Linguistik des Sprechens", in: Eugenio Coseriu, Sprachtheorie und allgemeine Sprachwissenschaft. 5 Studien, München 1975, S. 253-290. 260 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern 5.3.2 Das Livre des Mestiers und seine Folgetexte Was Roger Bacon über das Französische schreibt, ist unthematisch und wird in seinem Werk nur beiläufig und zur Illustration anderer Gedankengänge angemerkt. Eben dadurch ist es allerdings symptomatisch für das zu seiner Zeit vorhandene (oder vorausgesetzte) Wissen über diese romanische Sprache. In England aber erscheint das Französische in dem von uns betrachteten Zeitraum auch thematisch und als Gegenstand der Beschreibung, allerdings mit der Mehrzahl der Texte etwas später und vor allem in praktischer Hinsicht und mit durchaus praktischer Zielsetzung: dem Unterricht des Französischen und· der Korrektheit seiner Verwendung. Besonders um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert bemühte man sich darum, die muttersprachlich kaum noch vorhandene Kenntnis des Französischen durch gezielten Unterricht zu erwerben, da es als Sprache des Klerus, der Juristen (und natürlich des Handels mit dem Festland) weiterhin gebraucht wurde, darüber hinaus aber auch als Verkehrssprache der oberen Schichten der Bevölkerung sowie als europäische Kultursprache in hohem Ansehen stand. Zu diesem Zwecke griff.man auf in früheren Zeiten entstandene Lehrmaterialien verschiedener Art zurück (Wortlisten, Morphologietraktate, Orthographieanleitungen u.ä.) und stellte sie zu Didaktikcodices zusammen, von denen sich einige erhalten haben. 32 Zusätzlich aber entstand nun ein weiterer Typ von Lehrtexten zum · Unterricht der gesprochenen Sprache. Es sind die „Gesprächsbücher", Sammlungen situationsgebundener Konversationsbeispiele, welche unter dem Namen Manieres de langage bekannt sind und in (unmittelbarem oder mittelbarem) historischem Zusammenhang mit dem Dialogteil der spätantiken Hermeneumata betrachtet werden können (vgl. 2.4.1). Das älteste uns bekannte Beispiel eines solchen Gesprächsbuches zum Französischen allerdings stammt nicht aus England, sondern aus Flandern. Es ist das Livre des Mestiers aus Brügge. Ebenso wie in Norditalien entstehen am nordwestlichen Rand der Romania sprachfiihrerartige Lehrwerke zur Erleichterung der germanisch-romanischen Handelskontakte. Nur ist diese Gattung hier gut zwei Menschengenerationen älter 33 und steht im Gegensatz zu den norditalienischen Sprachführern primär im Dienste der nichtromanischen Sprecher. Das französisch-flämische 'Buch der Gewerbe' entstand um 1340 in Brügge durch die Hand eines unbekannten Autors, vermutlich eines Schulmeisters. Das Französische des kleinen Werkes ist pikardischer Varietät, die 32 Vgl. Andres Max Kristol, "L'enseignement du fran~ais en Angleterre (XIIr-XV 0 siecles): les sources manuscrites", Romania 111 (1990), S. 298-330. 33 Allerdings könnte auch die entsprechende Tradition im venezianischen Raum älter sein als die uns bekannten Belege. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 261 flämische Entsprechung erscheint in einer zweiten Spalte daneben. Den Titel Livre des Mestiers schlägt der Verfasser in seinem Schlußwort selber vor: 34 Chest livre Sera nommeis LE LIVRE DES MESTIERS, lequel est mout proufitable a tous enfans aprendre, si vous commans et enjoing, comme maistre, et que vous mettes toute vo eure en le aprendre et retenir, car mout grant pourfit vous en porra venir. 24 V, G 51 Desen bouc werd gheheeten DE BOUC VANDEN AMBACH- TEN, dewelke es harde profitelec allen kindren te leeme, sodat ic u bevele ende lade, als meestre ende dat ghi legt al uwen neerenst in te leeme ende te onthoudene, want heerde groot profijt mach er u of comen. Der Titel ist nicht unzutreffend, da die verzeichneten Wörter und Beispielsätze sich in der Tat zum großen Teil auf Berufe, Gewerbe und Waren beziehen. Zunächst aber erfährt man verschiedene Redewendungen zur Begrüßung: «Sire, Dieux vous gard» C'est le plus brief que on puet saluer les gens en saluant. Et on ha en usage que on respond: «Sire, boinjour vous doinst Dieus. Dame, boinjour ou boine nuit vous soit donnee. Que faites vous? ou: Comment vous est il? » 1'-IV, G 5-6 "Heere, God beware u" Het es t'cortste dat men mach groeten die lieden groetende. Ende ril.en heeft in usagen dat men andword: "Heere, goeden dach gheve u God. Vrouwe, goeden dach of goede nacht si u ghegheven. Wat doet ghi? of: Hoe eist met u? " Dann kommt der Verfasser auf Familienmitglieder, Haus, Hausrat, Kleidung, Körperteile, Nahrungsmittel, Tiere, Pflanzen u.ä. zu sprechen. Überhaupt hat er sich vorgenommen, den wichtigsten Wortschatz aus der konkreten, sozialen und religiösen Erfahrungswelt der Menschen seiner Zeit zur Sprache zu bringen. Anders aber als bei den thematisch geordneten Vokabularen und Wortlisten (Nominalia) der frühen Lexikographie Italiens, wie auch bei dem (freilich umfangreicheren) Sprachführer des Adam von Rottweil, werden die Wörter und ihre Äquivalente nicht einfach nach Themenbereichen zusammengestellt, sondern es wird versucht, sie in einen diskursiven Rahmen einzubinden. So werden die Namen der Familienmitglieder im Anschluß an die Grußformeln eingeführt (indem man sich nach ihrem Befinden erkundigt), 34 Wir zitieren das Livre des Mestiers nach Jean Gessler (Hg.), Le Livre des Mestiers et ses derives. Quatre anciens manuels de conversation, Brügge 1931 (G). 262 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern die Bezeichnungen der Körperteile und der Kleidungsstücke bei der Beschreibung der Morgentoilette, 35 die Fleischarten beim Markteinkauf und die Jahreseinteilung durch Abfrage des Gelernten bei Kindern und Dienstboten. Öfter aber wird der fiktive Diskursverlauf doch brüchig, und der. Autor tritt mit eigenen Bemerkungen aus dem Hintergrund: Nun müsse man noch von verschiedenem anderen sprechen; oder: Wie könne man sich darauf einlassen, ein solches Werk zu schreiben, wenn nicht die folgenden Bezeichnungen noch erwähnt würden? Mais comment que je m'en suis melles de faire ehe Iivre si ne sai je mie nommer toutes les choses qui sont necessaire [sie] a chescun ouvrier. Sv, G 19 Maerhoedat ic mi bewinde te makene desen bouc, nochtan en can ic niet nomen alle de dinghen die sijn noodsakelic elken weercman. So werden denn auch manche Sinngruppen unvermittelt und ohne rechten Zusammenhang eingeführt: "Nun will ich, so Gott will, verschiedene Länder aufzählen": Ore nommerai, si Dieu plaist, divers pays 9', 020 Nu sal ic noemen, of God wille, diverse landen Schließ1ich macht der Verfasser seine Leser zum Mitwisser eines Darstellungsprinzips, das es ihm gestattet, noch vieles anzufügen, das er bisher nicht unterbringen konnte. Er wolle nämlich jedem Buchstaben des Alphabets einen Personennamen zuweisen und diesem Namen einen Beruf: Et pour ehe que pluiseurs mots kerront, qui ne sont point chi devant eschript si vous escrirai jou diverses materes de toutes coses entremellees, ore de l'un, ore de l'autre; ouquel capitle je vuel conclure noms d'hommes et de femmes selon l'ordene de l'a b c, Ende ommedat menegherande woerden sullen vallen, die niet en sijn hiervoren ghescreven zo sal ic u scriven diveerse materien van allen dinghen onderminghet nu vanden eenen, nu vanden andren; in t'welke capitle ic welle besluten namen van mannen ende van wiven na der ordinanche vanden a b c, 35 Wobei eigentümlicherweise das Waschen der verschiedenen Körperteile nach dem Ankleiden beschrieben wird (G 10). Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 263 et le noms des mestiers, si eomme vous poes oyr. 9v_l0', G 21 ende den namen vanden ambaehten, ghelijc ghi moeght horen. Die Berufe werden dann durch die Art der Tätigkeit oder ein damit verbundenes Ereignis charakterisiert: Silvestres, li porkiers, perdi une truie, et li berkiers perdi une brebis, que li leus lui estrangla; pour ehe dist on que, par maise warde, chye le leu laine. 20v, G43 Silvester, die swijnheerdere verloes een zueghe, ende de scaepheerdere een scaep, dat de wulf hem verworghede; daeromme zeegt men dat, bi quader hoede, seijt de wulfwulle. Nach der Nennung so vieler Berufe und ihrer Arbeitsgeräte, von Adam, dem Reitknecht, über Lyon, den Handschuhmacher, und Mabile, die Näherin, bis hin zuZacharias, dem Wiesenmäher, ist der Lehrbuchschreiber erschöpft: Je suis tous lasses de nommer tant de noms et tant de mestiers; si m'en voeil reposer. 22V, G48 1c ben al moede te noemene sovele namen ende sovele amboehten; so dat ie's mi wille rusten. Allerdings bleibt ihm noch genug Kraft, um einige Wörter hinzuzufügen, die Gott und Religion betreffen: Eneore dont, pour alongier ehou que j'ai commenchiet, dirai jou matere qui sera de Dieu 22v, G48 Nochtanne, omme te lang tghone dat ie hebbe begonnen zal ie segghen materie die sal wesen von Gode Er kommt dann zum Schluß seiner Ausführungen, wobei er (offenbar unter dem Eindruck des langen Exkurses über die Berufe) für sein Werk den Titel Livre des Mestiers vorschlägt, wie wir gesehen haben. Die Ermahnung, alles Aufgezeichnete mit Sorgfalt zu lernen (denn 'wer nichts lernen wolle, sei eher den Tieren als den Menschen zuzurechnen': ne devroit point estre conte entre ! es gens, mais entre ! es biestes ne ware niet sculdich te sine gherekent onder die lieden, maer onder de beesten) läßt er indes versöhnlich ausklingen. Man könne nicht alles wissen, und was der eine nicht wisse, wisse eben ein anderer. Im übrigen habe der schon genug gelernt, der sich vor Sünden hüte: Et ja soit ehe que on ne puet mie toute cose savoir non pourquant son Ende al eistt'sake dat men niet ne mach alle dinghen weten nochtanne sijn 264 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern totes coses seues: chou que li uns ne sceit, sceit uns autres, et chieus ha asses aprins, qui se garde de pechiet, dont Dieux [nous] voeille warder et tous nos amis. Amen. 24v, G 51-52 alle dinghen gheweten: tghone dat d'eene niet ne weit, weet een andre, ende dieghone ghenouch gheleert die hem wacht van sonden waerof ons God moete wachten ende alle onse vrienden. Amen. Der Hinweis auf die Beschränktheit alles menschlichen Wissens am Ende seines Traktats· entspricht im übrigen einem Vorbehalt, den der Verfasser schon in den einleitenden Worten für sich in Anspruch genommen hat. Er wolle ein Buch zusammenstellen, das es ermöglichen solle, Romanisch und Flämisch recht zu verstehen. Doch könne das Buch nicht alles e,nthalten, was zu reden möglich sei. Das Fehlende möge man daher in anderen Büchern aufsuchen: Ounomdu Pere, du Fil et du Saint Esperit, voel jou commenchier et ordener un livre, par lequel on porra raisonnablement entendre rommans et flamenc d' autant comme ychils escris porra contenir et estendre; car il ne puet comprendre tout chou qu'on puet dire et parler de bouche mais ehe que on ne trouvera declairiet en chestui, porra on trouver ailleurs en autres livres et livrets I', G 5 In den name des Vaders, des Soens, ende des Helichs Gheests, wil ic beghinnen ende ordineren eenen bouc, bi denwelken men sal moghen redeliken verstaen Walsch ende Vlaemsch van al sovele als dit ghescrifte sal moghen inhouden ende strecken; want hi ne mach niet begripen al dat men mach segghen ende spreken met monde; maer dat men niet sal vinden verclaert in desen, sal men moghen vinden eldre in andren bouken ende boucskine. Das Livre des Mestiers ist der Versuch, die in der Rede gegebene Solidarität thematischer Wortschatzgruppen mit gewissen Diskurskonstellationen zu didaktischen Zwecken nachzubilden. Auch wenn dies nur t~ilweise gelingt (und das Gerüst der Wortliste mehrmals kaum verkleidet zu Tage tritt), ist das Ergebnis doch für seine Zeit bemerkenswert. Daß seine Darstellung nur ein Fragment des in der Rede Möglichen abbilden kann, ist dem Autor bewußt, und er verschweigt es nicht. Dieser Vorbehalt entspricht zugleich der Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 265 Intuition, daß der Wortvorrat der Sprachen ein großes (und zum Teil offenes) Inventar ist. 36 Beachtlich ist schließlich die Leistung des Verfassers des Livre des Mestiers bei der Teilung der fiktiven Diskurse (unter Einschluß der metadiskursiven Stücke) in einzeln lernbare Segmente und der präzisen Zuordnung der anderssprachigen Äquivalente zu diesen Segmenten. In allgemeiner historischer Hinsicht aber ist das Livre des Mestiers das älteste auf uns gekommene Lehrbuch zur praktischen Erlernung des Französischen überhaupt. In der Tradition des Livre des Mestiers steht ein Gesprächbüchlein romanisch und flämisch aus dem Historischen Archiv zu Köln. Die französische Varietät ist auch hier das Pikardische, das Flämische entspricht einer östlichen (dem Deutschen benachbarten) Mundart. Der in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts datierte Text ist insgesamt um ein Drittel kürzer als das Livre des Mestiers und in der Diskurseinkleidung knapper. Während etwa das Livre des Mestiers bei der Abfolge der Namen und Berufe jeweils eine summarische Tätigkeitsbeschreibung gibt (manchmal sogar eine kleine Anekdote dazu erzählt), finden wir in dem Gesprächbüchlein nur eine Aufzählung: 37 Tieris li coroiers, Tumas li cuveliers, Willames li merchiers, Wautiers li tuneliers, Cristian li archiers, Ywain li arbalestriers, Zacaries li broutiers. 16V, G25 Dieric der riemmaker, Thomaes der cuper, Willem der mersman, Wouter der cufer, Kerstiaen der bogemaker, Ywein der seilscotmaker, Zacharias de cordewagencruder. Anders als das Livre des Mestiers enthält das Gesprächbüchlein einen ausführlichen Abschnitt über die Zahlwörter. Die Zahlen von eins bis hundert werden alle (mitsamt den entsprechenden römischen Ziffern) genannt. Für 'siebzig', 'achtzig' und 'neunzig' erscheinen septante, witante, nonante: septante septante & un septante & dues septante & trois septante & quatre septante & chiunc septante & sys LXX LXXJ LXXIJ LXXIIJ LXXIIIJ LXXV LXXVJ seventech ein unde seventech twei unde seventich [sie] drie unde seventich vier unde tseventich [sie] vijfunde tseventich ses unde tseventich 36 In allgemeiner Hinsicht ist freilich die „Ergänzungsbedürftigkeit" des Werkes ein Topos der mittelalterlichen Lehrbuchschreiber (den wir in den Leys d'Amors schon angetroffen haben). 37 Wir zitieren das Gesprächbüchlein nach der genannten Ausgabe von Jean Gessler (Hg.), Le Livre des Mestiers et ses derives (G). Gessler beginnt jeden seiner vier Texte mit neuer Seitenzählung. 266 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern septante & sept septante & wyt septante & nuef witante 18'-ISv, G 28 LXXVIJ LXXVIIJ LXXIX LXXX seven unde seventich achte unde seventech neghen unde seventich tachtentich Der Verfasser fügt aber hinzu, daß 'beim Kaufen' nach Überschreiten der Zahl 'sechzig' auch das Zählen nach Zwanzigern üblich sei und nennt die Zahlen bis 'zweihundert': et on acate a le fois parvins, et commenche volontiers, puis que on passe le conte de sissante, si que on dist: quatre vins, chiunc vins, et puis aprez sis vins, sept vins, wytvins, nuefvins, dis vins, Ch'est dues cens, et eh' est asses. 19'-19V, G 29 unde mer koopt somtijt bi twenteghen, unde beghent gheeme, naerdat men lijt t' getael van sestech, soedat men seecht: vierwerf twentech, vijfwerf twentech, unde dan daema seswerf twentech, sevenwerf twentech, achtwerftwentich, [sie] neghewerf twentich, tienwerf twentich, dat is twee hondert, unde het is genoech. Die nicht besonders einleuchtende thematische Abfolge endet unvermittelt mit der Nennung der Wochentage: Lesjours. Dimenge, mardi, joedi, et samedei. Chi prent fin. 22v, 034 lundi, merkerdi, venredi Derdaghe. Sündach, Dinxdach Dondersdach unde Saterdach. Hier nemet inde. Maendach, Goensdach, Vriendach Eine besondere Erwähnung verdient indes noch der Prolog des Gesfirächbüchleins, welcher keine Entsprechung im Livre des Mestiers hat. 8 Der Verfasser beginnt nämlich mit der Frage, wie man den Wert der Gesprächslehrbücher beurteilen könne, von denen es offenbar damals schon verschiedene Versionen unterschiedlicher Qualität und Zuverlässigkeit gab. An erster 38 Ebenso wie ein Dialogstück zwischen Hausfrau und Magd, in dem sich diese über die Annäherungsversuche des Knechtes beschwert. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 267 Stelle weist er den Aberglauben zurück, man könne sich nach dem Vorhandensein oder Fehlen der einleitenden Bitte um göttlichen Segen richten. Ausschlaggebend müsse vielmehr die Qualität des Textes sein und diese müsse ein guter Kenner beider Sprachen beurteilen. Wiederum aber dürfe man nicht danach gehen, ob die Äquivalente in beiden Sprachen wörtlich aufeinander bezogen seien. Sondern es müsse im Romanischen wie im Niederländischen der Ausdruck stehen, der in der jeweiligen Situation von den Sprechern üblicherweise verwendet werde: car il convient estre escript on romans, a l'usage de lor parole et ehe meismes comme li Alemans ont acostumet 2'-2v, G 7 want het moet sijn ghescreven indem Walsche terpleghe van here tale unde dat selve alsoe der Dutsche haen gheploen Das verdeutlicht er zunächst an einem lateinischen Beispiel: Als Morgengruß sage man auf Latein: Bona dies sit vobis. Wörtlich entspreche dem das romanische: Boin jour vous soit. Nun wisse aber jeder gut, daß man auf Romanisch in Wirklichkeit sage: Diex vous doinst boin jour. Und wenn man diesen Gruß wiederum wörtlich ins Lateinische übersetze, so müsse man sagen: Deus det vobis bonam diem, was aber nicht gebräuchlich sei. Ebenso frage man im Romanischen nach dem Befinden mit folgender Formel: Comment vous est? Wer die Frage nun nach der Weise des Flämischen (Hoe staet met u? ) stellen wollte, müßte dagegen (fälschlich) sagen: Comment est ilh aveuc vous? . Man müsse also bei der Übersetzung in jedem Falle Gebrauch und Gewohnheit der beiden Sprachen berücksichtigen: si comme par exemple vous monstray au latin premiers. On dist en latin, quant on salue aucuuin au mattin: «Bona dies sit vobis»; c'est en romans: «Boinjour vous soit». Vous sachiez bien que en romans on dist: «Diex vous doinst boinjour», et qui selonc le romans le diroit also als bi exemplen ich u sal toghen in dem Latine eerst. Me seicht in dem Latine, als men gruetet yment s'morghens: 'Bona dies sit vobis'; dat is in Walsche: 'Goeden dach si u.' Ghir weit wael dat men in dem Walsche seit: Godgheveu goeden dach, inde die't naer dem Walsche solde segghen 268 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern on latin, on diroit: «Deus det vobis bonam diem», si que ce seroit hors le usage. On dist en romans: «Comment vous est? » Qui le diroit selonc lez Almans, ilh convenroit dire: «Comment est ilh aveuc vous? » si qu'il convient tenir Je usage et costume de dues parolez. zv_3', G 7 in dem Latine, men solde segghen: Godgheveu goeden dach, so dat het ware uter usagen. Men seit in dem Walsche: Hoe eest met u? Die't seide na dem Dutsche, me soude moeten segghen: Hoe staet metu? sodat men moet holden de usage unde costume vanden tween spraken. Wir haben also hier eine schon sehr deutliche Intuition jener besonderen Regularitäten der Sprachverwendung vor uns, für welche wir den Begriff der Norm eingeführt haben. 39 Eine weitere französisch-flämische Version des Livre des Mestiers wurde um 1501 in Antwerpen von dem Drucker Roland vanden Dorpe unter dem folgenden Titel veröffentlicht: Vocabulair pour aprendre Romain et Flameng. Vocabulaer om te leerne Watsch ende Vlaemsch. Der Text zeigt große Ähnlichkeit mit der schon 1483 von William Caxton veröffentlichten französisch-englischen Bearbeitung des Sprachbuchs: ,Tres bonne doctrine pour aprendre briefment fransoys et engloys. Ryght good lernyng for to lerne shortly frenssh and englyssh. Man vermutet daher, daß die Tres bonne doctrine und das Vocabulair auf eine gemeinsame Vorlage relativ direkter Filiation zurückgehen, während das Gesprächbüchlein eine entferntere Seitenlinie der Überlieferung des Livre des Mestiers vertritt. 5.3.3 Die Orthographia gallica und der Tractatus ortographie gallicane Wenn wir uns nach diesem Exkurs wieder Britannien zuwenden, so finden wir als ältestes Dokument der englischen Anleitungen zum Unterricht des Französischen die Orthographia gallica. Sie ist um 1300 entstanden und damit die früheste regelbeschreibende Darstellung zum Französischen überhaupt. Es handelt sich um eine wenig systematische Folge von lateinischen Anweisungen zur französischen Rechtschreibung, deren Anzahl in den ver- 39 Vgl. Eugenio Coseriu, "Sistema, norma y habla", in Id., Teor{a de/ lenguaje y / ingü{stica general. Cinco estudios, Madrid 1962, 2 1967, S. 11-113; d. Ü.: "System, Norm und Rede", in: Eugenio Coseriu, Sprachtheorie und allgemeine Sprachwissenschaft, München 1975, s. 11-101. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 269 schiedenen Handschriften des Traktats variiert, und die in einer Handschrift durch französische Regeln ergänzt sind. Die erste kritische Textausgabe der Schrift verdanken wir Jakob Stürzinger: Orthographia Gallica. Ältester Traktat über französische Aussprache und Orthographie. Nach vier Handschriften zum ersten Mal herausgegeben von J. Stürzinger, Heilbronn 1884. 40 Über den Verfasser der Abhandlung ist nichts bekannt. Zur Datierung bietet sich daher vor allem der beschriebene Sprachzustand an. Stürzinger kommt in seiner ausführlichen Einleitung aufgrund interner Kriterien zu dem Schluß, "dass die Orthographia Gallica von einem Engländer ziemlich lange nach der Mitte des 13. und vor der Mitte des 14. Jahrhunderts, wahrscheinlich um die Wende der beiden Jahrhunderte verfasst wurde mit der Absicht, die Orthographie des Anglonormannischen, die mehr und mehr der volkstümlichen Aussprache nachfolgte und daher in starkes Schwanken geriet, nach französischem Vorbild zu regeln" (S. XLV). Dadurch aber erfahren wir aus der Schrift zugleich etwas über den Sprachzustand der damaligen Zeit. Denn einerseits beziehen sich die angegebenen Regeln zwar durchaus auf die graphischen Normen des damaligen Französischen. Zum Beispiel habe man que und qui früher mit k geschrieben, nun aber werde stattdessen q gesetzt, außer bei Eigennamen: Item que vel qui consuevit olim scribi cum k secundum usum veterem, sed secundum modemos commutatur k in q exceptis propriis nominibus et cognominibus verbi gracia Kateryne de Kyrkeby. XII, T 10, St 25 Oder sie betreffen sogar technische Aspekte der in Frankreich üblichen lateinischen Kalligraphie, wie Wortabstand oder Silbentrennung: Notandum quod spacium inter dicciones continebit latitudinem huius littere n. XXI, T 22, St 29 'Man achte darauf, daß der Wortabstand der Breite des Buchstabens n entspreche.' Item in fine linee, si necesse fuerit, potest diccio dissillabari, sed sillaba nullo modo separatur. XXII, T 23, St 29 40 Wir bezeichnen bei den Zitaten die Seitenzahl dieser Ausgabe mit 'St'. Die Formel verbi gracia wird in der Orthographia zur Einführung von Belegwörtern verwendet: 'zum Beispiel'. - Die älteste Handschrift T, das sogenannte Towerdokument, enthält nur 27 Regeln in lateinischer Sprache, die Hs. C enthält 100, die Hs. 0: 98. H, das Har/ eyan Manuscript, British Museum Nr. 4971, enthält 27 lateinische und 70 französische Regeln, die zum Teil den Charakter eines Kommentars zu dem lateinischen Text haben: Mais ceste reule est ausques obscure pur jeosne gentz, purceo est mester qe/ e soit pluis overtement clarifiez [. .. ] 'Aber diese Regel ist ziemlich obskur für junge Leute; deswegen muß sie deutlicher erklärt werden' II, H 7, St 4. · 270 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern 'Am Zeilenende kann ein Wort bei Bedarf nach Silben getrennt werden, die Silbe aber wird keinesfalls getrennt.' Andererseits aber enthält die Mahnung zur korrekten Schreibung oft Hinweis~ auf die übliche Aussprache der damaligen Zeit. So werden wir Zeugen des Lautwandels von s vor t, das sich zu einem (später verstummten) Hauchlaut entwickelt hat: Item quando aliqua sillaba pronunciatur quasi cum aspiracione, illa sillaba debet scribi cum s et t in loco aspiracionis, verbi gracia est, cest, plest. V, H 91, CO 18, St 8 'Wenn ein Buchstabe wie behaucht ausgesprochen wird, dann muß zur Wiedergabe der Behauchung s und t geschrieben werden, wie bei est, cest, plest.' Noch genauer kennzeichnet der französische Schreiber das Lautphänomen: Et quant s est joynt [a la t] ele avera le soun de h, come est, plest serront sonez eght, pleght. V,H35, St 8 'Und wenn s zu t tritt, so klingt es wie h, so daß est, plest wie eght, pleght klingen.' Die Zulassung verschiedener Schreibungen zeigt, daß sich der Lautwandel des Französischen regional in unterschiedlichen Phasen befindet; so bei dem aus geschlossenem e entstandenen Diphthong ei (> oz): Item moi, toi, soi,foi, Roi et similia possunt scribi per o vel per e indifferenter per diversitatem et usum lingue Gallicane. X, T 14, St 19 'Moi, toi, soi,foi, Roi und ähnliche Wörter können mit e oder o geschrieben werden, je nach Mundart und Gebrauch der gallikanischen Sprache.' An manchen Stellen verläßt das Regelwerk ganz die Ebene der Schrift und wandelt sich zur Aussprachelehre, etwa bei der Beschreibung einer satzphonetischen Erscheinung, dem Verstummen des Auslautkonsonanten eines Wortes vor nachfolgendem konsonantischen Anlaut: Item quocienscunque diccio incipiens cum consonante sequitur immediate diccionem in consonante terminantem, dum tarnen sine pausa pronuncietur, consonans ultima diccionis anterioris debet pronunciando pretermitti, verbi gracia mieuzvautboir[e]apresmanger que devant. VIII, T 12, St 17-18 'Wenn ein mit Konsonant anfangendes Wort unmittelbar auf ein mit Konsonant endendes folgt, so muß, wenn keine Sprechpause eintritt, der letzte Konsonant des vorausgehenden Wortes bei der Aussprache entfallen, zum Beispiel mieuzvautboir[e]apresmanger que devant.' Manchmal werden syntaktische Varianten (de bouche, od le bouche) der Orthographie zugerechnet: Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs Et altrefoithe escriverez de en lieu de ad come de bauche pur adle bauche VII, H 59, St 14 271 Und mehrmals werden grammatische Regeln als Schreibanweisungen dargestellt: Item in accusativo casu singulari scribetur me, in reliquis casibus may. Item quandocumque accusativus casus ponitur cum signo tune debet scribi may ut si rien (thinge) sait devers may. X, CO 58-59, St 20 Daher ist die Orthographia Gallica nicht nur die erste Rechtschreiblehre mit Bezug auf eine romanische Sprache, sondern zugleich ein wichtiges Zeugnis zum Französischen im ausgehenden Mittelalter. Knapp hundert Jahre jünger ist der Tractatus ortographie gallicane, die Bearbeitung einer älteren Vorlage 41 durch den „Kanonikus und Doktor beider Rechte" M. T. Coyfur~lly. Gegenüber der Orthographia Gallica ist diese Schrift argumentativ wesentlich entwickelter und kohärenter (obwohl die beschriebenen Phänomene auch hier intuitiv und bis zu einem gewissen Grade willkürlich ausgewählt sind). Nach Aufzählung der Laute durch die Buchstaben des Alphabets und der Vorstellung des Unterschieds zwischen Vokalen und Konsonanten 42 werden zu den meisten Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge (A, B, C, E, G, H, I, K, L, N, P, Q, R, S, T, U, X, Y, Z) einige Bemerkungen bezüglich ihrer orthographischen Behandlung und ihrer richtigen Aussprache gemacht. Öfter geht es dabei um die Tatsache, daß ein noch geschriebener Laut nunmehr in der Aussprache stumm bleibt. So ist bei vorkonsonantischem s nun auch nicht mehr (wie in der Orthograghia Gallica) von einem Hauchlaut die Rede, der an seiner Stelle erscheint: S vero simplex in medio diccionis non debet sonari, si consonans immediate sequatur, ut tresdoubte, tresnoble, tresgracious. S 19, 1-2 Ebenso ist geschriebenes -p (und -t) in der Aussprache verstummt, es sei denn bei Liaison: 41 Bezüglich dieser (erhaltenen) Vorlage und der Frage ihrer Datierung vgl. die Bibliographie am Ende.dieses Kapitels. 42 Natürlich ist diese Unterscheidung keineswegs eine Errungenschaft Coyfurellys oder des Verfassers seiner Vorlage, wie Albert Streuber zu meinen scheint: "Die Laute teilt er schon richtig in Vokale und Konsonanten ein." "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlemung des Französischen in England und den Niederlanden bis zum 16. Jahrhundert", Zeitschrift far französische Sprache und Literatur 72 (1962), S. 37-86, S. 186-211, hier S. 199). Vielmehr stammt sie aus den antiken Grammatiken, auf die sich der mit dem Lateinischen gut vertraute Autor auch sonst bezieht (etwa beim lautlichen Status von q und bei der Betrachtung von u als Halbvokal). 43 . Wir zitieren den Tractatus ortographiae gallicanae nach Edmund Stengel, "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlemung der französischen Sprache", Zeitschriftfar neufranzösische Sprache und Literatur 1 (1879), S. 1--40, hier S. 16-24 (S). 272 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern P vero posita in fine diccionis, consonante immediate sequente, sonum suum penitus amittere debet, verbi gracia ne massez ja trop grand avoir, exceptis propriis nominibu in p desinentibus ut Philip; set si vocalis immediate sequatur, sonum suum plenarie reservabit, ut mieulx vaut assez que trop avoir. S 18, 24--28 Als stumm verzeichnet die Ortographia gallicana natürlich auch das hromanischer Erbwörter, während es bei den Wörtern germanischer Herkunft „Zeichen der Behauchung" (nota aspirationis) ist (S 17, 21-24). Interessant ist die Beschreibung des instabilen Status von -r, das offenbar in manchen Fällen als (später teils verstummter, teils zu -r restituierter) laminoalveolarer Frikativlaut "z") realisiert wurde: R autem in fine diccionis indifferenter potest sonari quasi z vel r, utj 'en ai grand mal ou euer, j'en ay bon quer. Set dulcior est sonus quasi z in lingua gallica quam quasi r. Tarnen hec regula non tenet in omnibus ut in hiis diccionibus quar, querir,ferir etferrer, in quibus et proprie debet sonari et sie de similibus. S 18, 50-54 'R am Wortende kann sowohl als z wie auch als r ausgesprochen werden, so bei: j'en ay grand mal ou cuer,j'en ay bon quer. Angenehmer aber klingt im Gallischen die Aussprache als z. Doch gilt diese Regel nicht für alle Wörter, wie etwa die folgenden: quar, querir,ferir undferrer, bei denen die eigentliche Aussprache notwendig ist, so auch bei anderen ähnlicher Art.' Zur Aussprache mancher Buchstaben liefert der Tractatus eine bemerkenswert differenzierte Kasuistik, besonders im Falle von s (wo er allerdings weitgehend die Beschreibung des Vorlagetextes aufnimmt). Öfter berichtet er von kontroversen Meinungen bezüglich der richtigen Schreibung und nimmt dazu in der einen oder anderen Weise Stellung. So verteidigt er die „historische" Schreibung doubter gegenüber douter, weil b 'im Inneren des Wortes' ja im allgemeinen gesprochen werde (eben mit der Ausnahme von debtee, doubter etc.), nicht aber im Falle von ad (statt a < habet), weil d im Auslaut niemals phonisch erscheine: Unde errant qui scribunt doubtee, tresdoubtee et huiusmodi sine b in medio, ut doutee, tresdoutee. Item iste dicciones a et ena que unum et idem representant, quia capiuntur pro hoc verbo: habet simpliciter per se debent scribi sine pluribus literis eisdem connexis. Unde errant, qui scribunt huiusmodi dicciones cum d in fine, ut ad, enad, ex quo sonus istius litere d ibidem nunquam habeatur. S 16, 34--37-17, 1-2 Einleuchtender und origineller ist die Argumentation des Verfassers, wenn er die Meinung ablehnt, zur Vermeidung von Mißverständnissen müsse man Abweichungen von der allgemeinen Schreibregel zulassen. So seien einige dafür, die Homonyme dis (Partizip von dire 'sagen') und dis (Zahlwort 'zehn') durch die Schreibungen ditz und dis zu unterscheiden. Dann aber müsse man konsequenterweise bei allen der sowohl im Lateinischen wie im Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 273 Französischen nicht seltenen und oft viel mehr als zwei Bedeutungen aufweisenden Homonyme unterschiedliche Schreibungen einführen, was aber nicht geschehe (S 20, 24-33). Bei dem Bemühen um die gültige „gallikanische" Norm gelangt der Verfasser indirekt zur Identifizierung des Französischen als Einheit unter den auf dem Boden des antiken Galliens zu seiner Zeit existierenden Varietäten mit einer gewissen Schrifttradition. Denn öfter weist er in der Praxis vorgefundene Schreibungen als „nicht französisch" zurück. Die nicht als gallicanus bzw. gallicus betrachteten Sprachen lateinischer Herkunft grenzt er dabei im wesentlichen negativ ab. So werden etwa die Formen averai, enaverai (statt französisch aurai, enauraz), welche „die Gaskogner und einige andere" verwendeten, als nicht Gallicum, sondern Romanicum bezeichnet: Item iste dieeiones: aurai, enaurai sine e in medio seribi debent et sonari. Tarnen Vaseoniei et alii e in huiusmodi semper sonant atque seribunt in medio, ut averai, enaverai, quod non est Gallieum, ymmo Romanicum. S 17, 4-6 Andererseits werden auch Formen nördlicher Varietäten des Galloromanischen (des Pikardischen, des Wallonischen, des Anglonormannischen) "romanisch" und nicht „französisch" genannt: K eeiam in Iingua romaniea, non autem in lingua gallieana, nomine et loeo c et h seribi debet et sonari, ut kival i. galliee chival, kien i. chien, vake i. vache et aliquando q, ut quesne i. chesne, neenon loco c debent seribi c et h seeundum Romanicos, ut pour chou vel pour cheu i. gallice pource vel pourceu, decha i. deca, tresdouche i. tresdoulce et sie de aliis eonsimilibus. S 17, 35--40 Wenn es dem Herausgeber des Tractatus auch nur um die Feststellung der „gallikanischen" Norm geht, so gesteht er doch bis zu einem gewissen Grade auch anderen Varietäten der Galloromania eine Existenz eigenen Rechts (mit eigener Norm der Aussprache und der Schrift) zu. So seien die Pronominalformenje,jeo,jo,jou 'ich' und ce, ceo, cou, chou 'dies' alle ohne weiteres zulässig, sofern sie das jeweils Übliche „der verschiedenen Sprachen" richtig abbildeten: Item iste diceiones videlieet je,jeo,jo,jou; ce, ceo, cou, chou seeundum modum et rectum sonum diversarum linguarum, prout hie evidenter patet, scribi debent et sonari. S 17, 6-8 Mit Unverständnis betrachtet der Verfasser die (im übrigen inkohärenten oder inkohärent wiedergegebenen) Reste der Zweikasusflexion, die er im „Romanischen" 44 bemerkt. Er hält nämlich die entsprechenden Formen bei 44 Einige Merkmale der Beispiele verweisen hier auf das Anglonormannische. 274 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern Bezeichnungen für Würdenträger für Pluralia Maiestatis und möchte stattdessen den kürzeren und gefälligeren „Singularformen" des Französischen den Vorzug geben: Item Romanica (1. ci)4 5 nomina dignitatis (a)ut officii, que sunt singularis numeri, scribunt pluraliter in effectu, ut lui papes de Rome, l'empereurs d'Alemaigne, lui rois d'Engleter et de France, lui chauncellers du saint peres, lui tresorerers mons. lui duques de Launcastre, lui recevours madame la roigne, lui sainz esperes vous garde; ubi vero Gallici sine s scribunt huiusmodi nomina Singulariter, quod pulcrius et brevius est, ut le pape de Rome, l'empereur de R., le Roy de l 'Engleterre et sie de ceteris. S 17, 40-46 Mit Ausnahme dieser Bemerkung beschränkt sich der Tractatus ortographie gallicane auf Anweisungen zu Rechtschreibung und Aussprache. Als Kriterien für die Beurteilung kontroverser Fälle dienen Maßgeblichkeit der „gallikanischen" (französischen) Varietät, Adäquatheit und Kohärenz. Bezüglich der Aussprache wird gelegentlich das Argument des „ästhetisch Akzeptableren" (dulcior, pulcrior) herangezogen. Dieses findet sich einmal sogar bezüglich des Schriftbildes. Der Buchstabe y stehe stets für denselben Laut wie i (wodurch er eigentlich entbehrlich wäre). Doch müsse er zuweilen „um der Zierde der Schrift willen" an dessen Stelle treten, besonders bei Eigennamen: Y habet sonum i in omni loco et debet scribi in pluribus locis loco i causa omatus scripturae et principaliter in propriis nominibus civitatum, virorum et cognicionibus (l. cognominibus) virorum et mulierum ac eciam in nominibus dignitatis, ut Gunnyngton, Guynton, Guylliam de Boyton. S 22, 4-8. 5.3.4 Die älteste englische Maniere de langage Die englischen Gesprächsbücher zum Französischunterricht scheinen ohne direkten Bezug zum flandrischen Livre des Mestiers und seiner Tradition entstanden zu sein (wenn wir von Caxtons Right good lernying hier einmal absehen wollen). Die älteste (und bei weitem umfangreichste) Maniere de langage aus England, die auf uns gekommen ist, stammt aus dem Jahre 1396. Das Abfassungsdatum erfahren wir am Ende des Schlußworts, das der Autor an seinen Förderer richtet, der die Schrift von ihm erbeten habe: 46 45 Korrigierende Anmerkung von Edmund Stengel: "lege 'lies': Romanid'. 46 Wir zitieren die Schrift nach Andres Max Kristol (Hg.), Manieres de / angage (1396, 1399, 1415). London 1995 (= Anglo-Norman Texts LIIl) (K). Kristol publiziert die Version der Hs. Cambridge, University Library Dd. 12. 23, ff. 67v-87' (CD). Die Zitate mit einstelliger Foliumzahl stammen aus dem Anhang (S. 37-45), in dem Kristol Textstücke aus LH (London, British Library, Harley 3988, ff. 1 '-26'), die nicht in CD enthalten sind, beigibt. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 275 „Escript a Bury Saint Esmon en la veille de Pentecost l'an du grace mil trois cenz quatre vinz et sesze." K45 Trotz der Widmung hat man über den Autor der Schrift nichts in Erfahrung bringen .können. Allerdings läßt sich dem Schlußwort entnehmen, daß der Verfasser Engländer war und seine Französischkenntnisse auf dem Kontinent vervollkommnet hatte: Mon treshonurree et tresgentil sire, ore Dieux en soit regraciez, j'ay achevee cest traitis au reverence et instance de vous, et a mon escientje l'ai traitee et compilee sicomme j'ay entendu et apris es parties dela mer. 2, 67V,K45 Überraschend ist die lebendige, "mündliche" Natur der konstruierten Dialoge. So bei der Erkundigung nach Zeit und Ort: Beau sir, Dieu vous esploit. Dites moy se vous plaist, que heure deljoure est il? Sir,je pense que est dis. Que dea, 47 mettes le chapron, paillarde, com tu parles a prodome! Et dites, coment est anomme ceste ville, et ou demurt Guillam Rorane? Sir, il ne demourt pas icy maintenant. Ore ou luy troveray je donques? Sir, vous luy troveres demourant en le haut rieu a l'autre couste del moustre. 15, 82', K 26, 19-27 Oder beim Feilschen um den Preis von Enten auf dem Markt: Quantbien me costera ces trois anes de rivere? Sire vous me donnrez dis deniers. Mon amy, c'est trop chere bien pres la moitee. Savez vous que vous ferez? Vous me donnrez pour ces trois madlardes de rivere noef deniers, car ils ·sont bien bons, gros et gras, et je me fais fort que vous ne mangastes, sentistes, ne maniastez au deux ans passez du millours qu'ils ne sont. [...] Oil dea, je le veoi bien, mais vrayement vous demandez trop. Par la mort biau sire, si je eusse voluje eusse eu huy ou matinee pour mesmes les anes .x. d. Ore me croiez se vous vuillez. [...] 4.6, 7'-7v, K 38, 8-18 Den Ausbau des Vokabulars möchte der Verfasser mit seiner Gesprächslehre verbinden. Ähnlich wie in verschiedenen thematisch geordneten Glossaren (Nominalia) des Mittelalters (und noch heute in manchem Grundwortschatzlehrwerk) werden gleich zu Anfang die Namen der Körperteile vorgestellt: 47 Die in den Manieres häufig erscheinende Partikel dea bezeichnet Erstaunen oder Verstärkung (oil dea! ) und leitet sich von den Imperativen dis va her. 276 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern Et pur ce que homme est le plus noble et le plus digne creature que soit en siele, et que Dieux a ordigne d'estre soveraigne et maister dez toutz autrez creaturs et choses que sont desoubz luy, je commencerai a declarere et pleinement determinere de lui et dez lez membres de son corps et des autrez chosez que lui apparteignent ou aveignent. 2, 68', K 3, 14--18 Aber auch die eigentlichen Dialoge werden (in den einzelnen Handschriften in unterschiedlichem Ausmaß) zum Anlaß genommen, um Listen von Gattungsnamen einzubringen. Zum Beispiel das durch die Fülle der Fischnamen freilich etwas wirklichkeitsfeme - Verkaufsgespräch auf dem Markt: He, mon amy, je su certein que vous ne veistes unques jour de vostre vie si grant plentee de pesyon fresk si bien de maer com de le river com il en a present, qar verrament vous y troverez de tout maner de pesyon a vendre auxi bien de l'un com de l'autre, c'est assavoir harank sor et blanc, leyng, codlyng, troit, grelet, samone, carpes, bremes, whytying, makerels, luces, brochelers, pikerels, anguilles, lamprons, lampreis, merlynge, esperlyng et menus, roches, perches, gemons, plays, barbels, pesyon salei, estorgeon, rayes, espineis, turbiller, espelankes, carboletz, platone, mulet, muleuel, breem de maer, gojone, tendale, geleis, tauntpee, oistrees, mules, crivys et crabbes, cokkez, le broch id est: le chien de maer le pourpeys, dolfyn et la baleyne et beaucope dez autrez pesyonz que fort serront trestout numer. 4.6, 72v_73r, K 11, 5-16 Bei vielen Gelegenheiten stellt der Autor mehrere Varianten möglicher Redewendungen vor. Dabei werden die alternativen Ausdrucksmöglichkeiten mit der metasprachlichen Formel 'oder so: ' (lateinisch vel sie: oder französisch ou si: ) angefügt. So bei der Frage nach dem Preis einer Ware: Biau Sire comment faitez vous de cecy ? Vel sie: Belle dame, pour quantbien me donnrez vous cecy? Vel sie: Que vos donnrai je de cy? Vel sie: Quantbien me costera ces trois anes de riviere? 4.6, 7', K 38, 6-8 Oder wenn es darum geht, ein weinendes Kind zu trösten: Quant vous orres ou verres un enfant plorer ou gemyr, vous dirres ainsi: Qu'as tu, mon enfant? Ou si: Qu'aves vous, mon amy? Ou si: Qui te meffait, beau fils? Ou si: Qui t'a fait plorer, beau doulx enfant? 11, 81', K 24, 2--4 Auch wird auf die Anrededifferenzierung ('Falls du aber jemand mit 'du' anredest') hingewiesen: Lors venra la dame de l' ostel ou la damoiselle et dira en ce maniere a signeur: Mon signeur, vous estez tresbien venu. Vel sie: Mon signeur, bien soiez venu. Si vero tuizaveris aliquem, hoc modo responsionem tuam procul dubio reserabis: Bial amy, bien sois venu. Hierauf kann man erwidern: Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 277 Dame, comment vous est iI ? Vel sie: Dame, comment faitez vous? Vel sie, si sit domina: Ma dame, comment vous avez vous portee depuis que je ne vous vi mais? 4.7, 8', K 39, 9-16 Als mögliche Leser (und Lerner) der ältesten englischen Manieres de langage hat man im allgemeinen Kaufleute und Beamte betrachtet, die sich mit dem Französischen als Fremdsprache vertraut machen mußten. Andres M. Kristol hat dagegen in jüngerer Zeit die Auffassung vertreten, daß diese Texte möglicherweise zu den letzten einer autochthonen anglonormannischen Tradition gehörten und ein Publikum voraussetzten, das durchaus über einige im Lande selbst erworbene Grundkenntnisse des Französischen verfügte, die allerdings verbesserungsbedürftig waren. Für diese Annahme könnten mehrere Gesichtspunkte sprechen. Erstens sind die frühen englischen Gesprächsbücher (anders als die flämischen) einsprachig ohne übersetzte Äquivalenzen abgefaßt. Zweitens sind die Texte (insbesondere die Maniere aus dem Jahre 1396) sprachlich durchaus anspruchsvoll und entsprechen nicht dem Niveau eines Anfängerunterrichts. Und so sehr die Gespräche in ihrer thematischen Ausrichtung im großen und ganzen auf Alltagsbedürfnisse ausgerichtet sind, so enthalten sie doch auch einige erzählende und lyrische Passagen. Schließlich könnten vielleicht gerade die Anglizismen, die man in den Manieres feststellt, nicht etwa als individuelle Interferenzphänomene der englischen Verfasser, sondern als Ausdruck eines insularen Regionalfranzösisch erklärt werden. 48 Wie die Manieres de langage den richtigen mündlichen Gebrauch der französischen Sprache in verschiedenen Situationen lehren sollten, so gab es auch Anleitungen zum korrekten schriftlichen Gebrauch des Französischen in Urkunden und Briefen. Es handelt sich um volkssprachliche Versionen der mittelalterlichen Artes notariae und Artes dictaminis, von denen sich einige erhalten haben. 49 48 „II est vrai que les textes contiennent certains anglicismes. Cela ne signifie pourtant pas, a priori, que leurs auteurs aient ete incapables d'ecrire le 'bon fran~ais'; au contraire, les manuels conserves attestent que les professeurs anglais etaient plutöt bien informes sur la variation dialectale du fran~ais continental de leur epoque. Nous pensons donc que leur langue reflete simplement un fran~ais regional caracteristique, dont ils avaient moins 'honte' que ne l'ont cru certains chercheurs modernes" (A. M. Kristol, Manieres de langage (1396, 1399, 1415), cit., S. XX). 49 Die mittelalterliche Ars dictaminis (eigentlich: 'Textverfassungslehre') bezog sich auf die Kunst des Briefeschreibens, wobei die „Briefe" allerdings auch offizieller Art sein konnten (Anträge, Bescheide, Verfügungen u.ä.). Die belegbare Geschichte der Gattung erstreckt sich im wesentlichen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, obwohl ihre Wurzeln älter sind. Die ersten Beispiele volkssprachlicher Dictamina finden sich im 13. Jahrhundert in Italien. Unter den überlieferten englischen Materialien zur Erlernung des Französischen befindet sich eine ganze Anzahl von Briefanleitungen, Musterbriefsammlungen und Einführungen in die Urkundensprache. 278 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern 5.3.5 Die älteste französische Grammatik Die in England entstandenen Lehrmaterialien zum Französischen enthalten auch einige Anleitungen zum Grammatikunterricht (Listen von Pronomina, Konjugationstafeln u.ä.) sowie verschiedene Donats. Der wichtigste davon (und der älteste uns erhaltene) ist der Donait fran9ois aus dem All Souls College zu Oxford (Ms. N°. 182 der Codrington Library, ff. 316rb_321va) vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Es handelt sich zugleich um die „älteste regelrechte Grammatik der französischen Sprache". 50 Die Gründe für die Niederschrift des Werkes nennt der Auftraggeber in der Einleitung: Die Engländer hätten das Bedürfnis, sich des Französischen in Wort und Schrift korrekt bedienen zu können, und zwar einerseits um der Verständigung mit den Angehörigen des kontinentalen Nachbarvolkes willen; andererseits aber auch, weil das Französische die Sprache der englischen Gesetze, mancherlei nützlicher Literatur und der Korrespondenz unter den Personen von Stande in England sei. Daher habe er, Johan Barton (ausgebildet in Paris, aber gebürtig aus der Grafschaft Chester) auf seine Kosten eine kurze grammatische Einführung in das Französische der Pariser Varietät durch einige gute muttersprachliche Schullehrer dieser Sprache anfertigen lassen: 51 Pour ceo que les bones gens du roiaume d'Engleterre sont enbrasez a si; : avoir lire et escrire, entendre et parler droit frani; : ois, a fin q'ils puissent entrecomuner bonement ove lour voisins, c'est a dire les bones gens du roiaume de France, et ainsi pour ce que les leys d 'Engleterre pour le graigneur partie et aussi beaucoup de bones choses sont misez en frani; : ois, et aussi bien pres touz les seigneurs et toutes les dames en mesme roiaume d'Engliterre volontiers s'entrescrivent en romance, tres necessaire je cuide estre aus Engleis de si; : avoir la droite nature de frani; : ois. A le honneur de Dieu et de sa tres doulce miere et toutz les saintez de paradis, je Johan Barton, escolier de Paris, nee et nourie toutez voiez d'Engleterre en la conte de Cestre, j 'ey baille aus avant diz Anglois un Donait frani; : ois pur les briefment entreduyr en la droit language du Paris et de paYs la d'entour, laquelle language en Engliterre on appelle 'doulce France'. Et cest Donait je le fis la fair a mes despenses et tres grande peine par pluseurs bons clercs du language avantdite. [...] 316'\ ST 128, SW 240 50 Edmund Stengel, "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlemung der französischen Sprache", cit., S. 25. 51 Wir zitieren den Donaitfram; ois nach der Ausgabe von Thomas Städtler, Zu den Anfängen der französischen Grammatiksprache. Textausgaben und Wortscha~studien. Tübingen 1988 (= Beihefte zur ZrP, Bd. 223), S. 128-137 (ST), und verzeichnen zusätzlich die Seitenzahl bei Pierre Swiggers, "Le Donait franfois: La plus ancienne grammaire du fran\)ais. Edition avec introduction", RLaR 89 (1985), S. 235-251 (SW). Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 279 Nach Darstellungsform und Disposition lehnt sich das (nicht vollendete}5 2 kleine Werk an sein lateinisches Vorbild an. Die Abfrageform der Ars Minor findet sich auch bei der Lautlehre (die bei Donat in der Ars Minor nicht behandelt wird). Das katechismusartige Schema der Vorlage wird aber alsbald durch eine realistischere Nachbildung von Unterrichtsdialogen aufgelockert. So kommt auch der fiktive Schüler mit Ergänzungsfragen zu Wort, die dann beantwortet werden: Ditez, n'est il plus que quinse consonantz? Ne my, mais il avient que i et u se tournent ascun foitz en guise et en force des consonantz. 316v•, ST 128, SW241 'So gibt es nicht mehr.als : fünfzehn Konsonanten? ' 'Nein, aber manchmal verhalten sich «i» und «u» nach Art und Funktion wie Konsonanten.' Und öfter kommt es zu Exkursen des Lehrers durch ausgedehnte Regelaufzählungen "Ci endroit il fault s~avoir belcoup de bones rieulis" - 'In diesem Zusammenhang muß man viele wichtige Regeln kennen'), so bei den kombinatorischen Normen der Aussprache in Wort und Satz (316vb_317ra, ST 129, SW 241-242). Auch warnt der erfahrene Schulmeister mit deutlichen Worten vor möglichen Fehlern: Cy endroit il fault prendre garde qu'en parlant fran9ois on ne mette pas une persone pour une aultre, sicome font les sottez gens disantz ainsi: je ferra pour je ferre{, <eilferray> pour eilferra, et tielez semblables. 317v, ST 130, SW 243 'Hier muß man darauf achen, daß man im Französischen nicht eine Person mit der anderen verwechselt, wie es Dummköpfe tun, wenn sie sagen «je ferra» statt «je ferrey», «eil ferray» statt «eil ferra», oder Ähnliches.' Ebenso müsse man sich vor Verwechslungen beim Gebrauch der Tempora und Modi hüten~ "sicome font les ydios" (317va, SW 245). Dem assoziativen Vorgehen des mündlichen Unterrichts scheint es zu entsprechen, wenn an drei verschiedenen Stellen des Traktats die morphologischen Merkmale des Femininums angesprochen werden: im Zusammenhang mit der Aussprache der Wortauslaute (317ra, ST 129, SW 242), bei der Behandlung des Genus (31Sra, ST 131, SW 243-244) und des Adjektivs (319r\ ST 133, SW 246- 247). In diskursivem Ton auch wird auf später Behandeltes verwiesen: Se vous veulliez estre plus garni de la diversite des ces cinq meufs et leurs temps, s9aches bien doncques le chapitre des verbes que icy auvant est escript. 318va-31s•\ ST 132, SW245 52 Die Darstellung bricht bei der Morphologie des Verbums (32P•) unvermittelt ab. 280 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern 'Wenn ihr noch besser über den Unterschied der fünf Modi und ihrer Zeiten Bescheid wissen wollt, dann lest das Kapitel über die Verben genau, das hier im folgenden aufgeschrieben ist.' Der praxisorientierte Charakter des Traktats zeigt sich aber nicht nur am Stil der Darstellung, sondern auch an den beschriebenen Gegenständen und Kategorien selbst. So wird zwar von Vokalen und Konsonanten in der aus den antiken Schriften bekannten Weise gehandelt (im Falle der Vokalei und u in konsonantischer Funktion sogar mit den überlieferten lateinischen Beispielen). Dazu aber wird eine Charakterisierung der Vokale nach ihren Artikulationsorten versucht: Le premier vouyel est a, et serra sonne en la poetrine. Le seconde est e, et serra sonne en la gorge. Le tiers est i, et serra sonne entre les joues. Le quart est o, et serra sonne au palat de la bouche. Le quint est u, et serra sonne entre les levres. 316'b, ST 128, SW240 Und auch wenn das thematische Gliederungsgerüst der abendländischen Tradition entspricht (Species, Figura, Numerus, Genus, Casus mit le, du und au als „Kasuszeichen" etc.), so finden sich in der Behandlung der einzelnen Kategorien doch auch zahlreiche aus dem Umgang mit dem Romanischen gewonnene authentische Intuitionen, etwa bei der Beschreibung der Personal- und Demonstrativpronomina oder der Impersonalia, deren Formen und Verwendung mit (manchmal dialogischen) Satzbeispielen erklärt werden. So wird zur Syntax der Personalpronomina folgendes angemerkt: 53 Oultre syachez que ja soit ce, gramoire par nature demande que le accusatif case doit s'ensuir son verbe, toutez vois pour tant la guise de droit füinyois met tousjours ces quatre mos moy, toy, soy, luy, et les pronoms des leurs puliers entre le verbe et son nominatif case, si come je me force et je luy ai dit que nous vous gratons et vous vousforcez. 320'\ ST 134, SW 248 'ferner wisset, daß, obwohl die Grammatik naturgemäß verlangt, daß der Akkusativ seinem Verb folgen muß, doch des ungeachtet die Weise des rechten Französischen die vier Wörter «moy», «toy», «soy», «luy» und die Pronomenformen ihrer Plurale zwischen das Verb und seinen Nominativkasus setzt, wie <ge me force» und <tje luy ai dit que nous vous gratons» und «vous vous forcez».' Und zur Stellung des Personalpronomens bei Frage und Antwort: 53 Die Deutung Swiggers', der hierin die „premiers signes de la reconnaissance de la voix pronominale en frani; : ais" sehen möchte "Le Donait fran<; ois", cit., S. 236), fiihrt vielleicht ein wenig über den Text hinaus. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 281 Et sachez que, quant on demande aucune chose, le pronom que est nominatif case serra mis apres son verbe, sicome dis je bien? , Le as tu? et aussi respondant a la chose avant dite, si come Jaitez banne chere? , tu dois respondre si Joi je, aussi non vousdesplese? , et tu dois respondre nonJait-il et non pas il nonJait. 320'b_32ov•, ST 135, sw 249 Bezeichnend für die Emanzipation der grammatischen Beschreibung vom Vorbild der Ars minor (und zugleich ein Hinweis auf spätmittelalterliche Unterrichtsverfahren) ist die Darstellung der Proformen des Verbs bei der Antwort: Zunächst müsse man darauf achten, welches das Verbum der Frage gewesen sei; ob es sich nämlich entweder um eines der beiden Verben „sein" oder „haben" (je suis oder je ay) gehandelt habe oder aber um irgendein anderes. Denn im ersten Falle müsse die Antwort wiederum diese Verben enthalten, im zweiten aber vertrete faire alle übrigen Verben. Und bei der Antwort müsse vor dem Verbum stets das Demonstrativ ce erscheinen und danach die Affirmativpartikel mon. 54 Es folgen dann Beispiele für entsprechende bejahende und verneinende Antworten: 55 Oultre si; achez que quant vous vouldrez o[trier ou] nier ce que un aultre a dit, donc il vous fault escouter que est son verbe, se il soit cest verbe je suis ou cest verbeje ay ou un aultre, quelque il soit, car s'il soit cest verbeje suis, ouje ay, tu respondras par le mesmes verbe. Mais s'il soit un aultre verbe, donques tu respondras par cest verbe je Jois, tu Jois, et tousjours tu mettras devant le verbe cest mot ce et apres le verbe cest mot mon, si come es cestz exemples: le meistre est en la escolle, tu respondras, ottroiant ce est mon, ou nient ce n 'est mon; aussi les desciples sont ove le meistre, tu respondras: ce sont mon ou ce ne sont mon; aussi le meistre a belcoup d'argent, tu respondra[s] ce a mon ou ce ne a mon; aussi nous avons bonnes reg/ es; tu respondras ce avez mon ou ce ne avez mon; aussi le meistre nous ensaigne bien, tu respondras ce Jait mon ou ce ne Jait mon; aussi mes compaignons apreinnent bien, tu respondras ce Jont mon ou ce ne Jont mon, et aussi par toutz le autres verbes. 320v"-32lra, ST 136, SW 250 Auch die Form der erstaunten Rückfrage wird zur Sprache gebracht (wiederum im Kontrast zur verneinenden Antwort): Derechief, quant vous estez esbay ou en doute de ce que aultre a dit, donques vous luy demandrez par un de ces trois verbesje suis ouje ay oujeJois, si come es cestz exemples: le meistre est courous, tu respondras ainsi demandant est? ; aussi le meistre a banne cause d'estre marry, tu respondras a? ; aussi le meistre par courous batJort ses disciples, tu respondrasJait? . Et si tu auras voulu de le 54 'Fürwahr' o.ä. Als Etymologie dieser im Altfranzösischen geläufigen Partikel wird im allgemeinen lat. munde 'sauber', 'klar' angenommen. 55 Die Bemerkung Margarete Lindemanns bezüglich der ältesten Sprachlehrwerke des Französischen (Die französischen Wörterbücher von den Anfängen bis 1600, cit., S. 20): "Angaben zur Syntax fehlen in den ältesten Grammatiken völlig" trifft daher nicht zu. 282 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern nyer, donques tu respondras ce n 'est mon, ce ne a mon, ce ne fait mon come devant, ou ainsi non est, non a, nonfait, lequel que tu vouldras. 321'", ST 136, SW 250-251 Neben dem Vorrat der abendländischen grammatikographischen Überlieferung und Erträgen des praktischen Unterrichts sind auch einige Elemente des mittelalterlichen sprachphilosophischen Wissens in den Donait aus Oxford eingegangen, zum Beispiel die Unterscheidung zwischen suppositio materialis und suppositio formalis (zwischen metasprachlicher und objektsprachlicher Auffassung eines Zeichens). Ein Wort könne auf zwei Weisen verwendet werden; zum einen „materiell", nämlich nur auf seinen Ausdruck bezogen (wie «OID> in dem Satz: "Das Wort ou hat vielerlei Verständnismöglichkeiten"); zum anderen aber „persönlich" 56, in seiner Bedeutung aktueller Rede (wie in dem Satz: Ou alez vous? 'Wohin geht ihr? '). Dazu werden grammatische (freilich auf das Lateinische bezogene) Merkmale der metäsprachlichen Verwendung genannt: En quantz maniers peut un mot estre parle(r)? Endeux. En quelx? En un manier, materialment, .c'est a dire quant le mot ne moust[r]e pas sa signification, mais sa voix seulement, si come cest mot «ou» [a] belcoup des entendemens. 51 Et en un autre manier personelement, c'est a dire quant un mot ne parle pas de sa voix seulement, mais de son entendement, si come ou alez vous? . Et svaches que quant un mot est tenu materialment, il serra tenu nomnellement, neutrelment, indeclinablement, substantivalment et en la force de la troisiesme personne. 319ra, ST 132-133, SW 246 Will man daher von dem unterrichtsbezogenen Charakter des Traktats (und der Tatsache, daß es unvollendet geblieben ist) einmal absehen, so kann man Ferdinand Brunot ohne weiteres zustimmen, wenn er zu John Bartons Donait fran<; ois bemerkt: Son traite, quelque bref qu'il soit, est interessant, il donne des theories assez claires, et en general assez justes. La terminologie m8me y est suffisante, etant directement fondee sur la terminologie latine, et ce Donat, dont je ne voudrais pas surfaire la valeur, ouvre convenablement la serie de nos grammaires. Ferdinand Brunot, Histoire de la langue franfaise. Des origines a nos jours. Nouvelle edition. Tome I, De l'epoque latine a la Renaissance, Paris 1966, S. 394. 56 Der hier verwendete Terminus personelement zur Bezeichnung der suppositio forma/ is ist eigentümlich isoliert. 57 Wir folgen an dieser Stelle weder der Lesung Swiggers' noch der Städtlers und betrachten cest mot «ou» [a] be/ coup des entendemens insgesamt als (durch si come eingeleiteten) Beispielsatz. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 283 5.3.6 Die Anfänge der französischen Lexikographie in England In England finden wir auch erste lexikographische Versuche zum Französischen. Ebenso wie auf dem Festland stehen diese zunächst im Zusammenhang mit der Unterweisung im Lateinischen. So sind denn schon unter den ältesten lateinisch-französischen Glossaren einige, die in England entstanden sind (vgl. 2.4.2), 58 namentlich zwei nach Sachgruppen angeordnete aus Glasgow und Oxford, die ins 13. Jahrhundert datiert werden. Eigentümlich heterogen (aber aufschlußreich bezüglich spätmittelalterlicher Verfahren bei der Gewinnung von Unterrichtsmaterial) ist das Sammelglossar aus der Hs. Hunter 292 (vormals U 6.10, R 7.14) der Universitätsbibliothek Glasgow. Einer Reihe von 18 scheinbar wahllos zusammengestellten Verben folgt ein Fachglossar De herbis, das durch ein französischlateinisches Vokabular unterbrochen wird. Nach dem zweiten Teil der Pflanzennamen findet sich ein lateinisch-französisches Sachgruppenglossar mit 18 Bedeutungssektionen, welche den Menschen und sein Lebensumfeld betreffen (De menbris et de visceribus; Ad domum pertinent; De suppe/ lectilibus; De animalibus domesticis; De animalibus silvestribus etc.). Die französischen Äquivalente bestehen fast stets aus einzelnen Wörtern (die gelegentlich zwei lateinische Lemmata zusammenfassen). Etwas interessanter ist das eingeschobene Synonymglossar, da es französische Basislemmata verwendet, die jeweils mit mehreren lateinischen Äquivalenten versehen sind. Die Synonyme sollten offenbar die Wortwahl beim Verfassen lateinischer Texte erleichtem: 59 · Ententif sedulus -la -lum sollicitus -ta -turn curiosus -sa -suril operosus -sa -sum studiosus -sa -sum Hie et hec et hoc diligens HI408 Große Ähnlichkeit mit dem thematischen Vokabular aus Glasgow zeigt das lateinisch-französische Glossar aus der Hs. Douce 88 (S.C. 21662), f. 147va_ 152va, der Bodleian Library, Oxford, an das sich (f. 153r-154v) eine französisch-lateinische Verbzusammenstellung von der Art des soeben beschriebenen Synonymglossars anschließt. 58 Allerdings handelt es sich nicht um alle, die sich heute in englischen Bibliotheken befinden. So ist zum Beispiel das Glossar in dem Ms. British Library, Harley 2742, aus dem 13. Jahrhundert kontinentalen Ursprungs. 59 Wir zitieren das Glossar nach Tony Hunt, Teaching and learning Latin in J3th-century England, 3 Bdd., Cambridge 1991, Bd. 1 (H 1). 284 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern Viel reicheres glossographisches Material zum Französischen als die überlieferten Wortlisten enthalten allerdings die Texte selbst, die in England zum Lateinunterricht verwendet wurden. Eine besondere Rolle kommt hier den Wortschatzlehrtraktaten zu, die man (wie bis zu einem gewissen Grade auch die Gesprächsbücher)als „Vokabulare in gebundener Rede" 60 betrachten kann. Die älteste Schrift dieser Art ist De utensilibus des Adam von Balsham, genannt Adam du Petit Pont oder Adam Parvipontanus (ca. 1090 ca. 1159). Der Verfasser lehrte lange in Paris und ist hauptsächlich durch seine Ars di~serendi (1132) bekannt. Der Traktat De utensilibus gibt sich als Beschreibung eines englischen Landgutes mit Feldern, Vieh, Geräten, Ausrüstung und Einrichtung, welche durch den sparsam ausgeführten Erzählungsrahnien der Rückkehr des Autors aus Frankreich zusammengehalten wird. Nachdem man die Garküche besichtigt hat, wobei alle dort befindlichen Gerätschaften aufgezählt wurden, heißt es: 61 Inde egressi, ad palatium regrediinur. Brat autem sarcitectoris, non cementarii, artificio ex scindulis non lapidibus per succedines et epiros iunctum atque compactum. 'Quid ergo', inquit consobrinorum qui aderant unus, 'cum sis nascione. Anglicus, patria Balsamiensis et genere Bellvacensis, mansione, iam diutiore quam voluissem, Parisiensis, numcquid alicubi rurale edificium huic simile vidisti? ' 14v, HI 175 'Wir verließen die Küche und gingen zum Gutshaus zurück. Dieses war durch des Zimmermanns, nicht des Maurers Kunst gefertigt und aus Brettern, nicht aus Steinen, durch Pflöcke und Nägel verbunden und gefügt. "Na", sprach einer meiner umstehenden Vettern, "du bist ja von Geburt Engländer aus Balsham, deiner Abstammung nach aber aus Beauvais, und durch einen Aufenthalt, der länger dauerte, als mir lieb war, auch Bürger von Paris, hast du denn je irgendwo ein so schönes Landhaus gesehen? "' Die erhaltenen Handschriften des Traktats stammen vorwiegend aus dem 13. Jahrhundert und enthalten zahlreiche Wortschatzglossen in anglonormannischer (seltener in mittelenglischer oder lateinischer) Sprache. So finden wir zu den soeben zitierten Sätzen in den verschiedenen Manuskripten folgende Glossen: 62 60 „Alexander Neckam's Treatise de Utensibilis [sie! (= De nominibus utensilium)], John de Garlande's Dictionarius, and Walter de Bibbesworth's Treatise are vocabularies in continuous discourse." (Gabriele Stein, The English dictionary before Cawdrey, Tübingen 1985 (= Lexicographica, Series Maior 9), S. 44). 61 Wir zitieren den Traktat De utensilibus wiederum nach Tony Hunt, Teaching and learning Latin in l 3th-century England, cit., Bd. l (H 1), welcher den Text der Hs. London, British Library, Add. 8092, ff. l lv-16' wiedergibt. 62 Wir zitieren die Glossen nach Tony Hunt, Teaching and learning Latin in l 3th-century England, cit., Bd. 2, G/ osses, (H II). Die Handschriftsiglen sind wie folgt zu lesen: A: Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs sarcitectoris: de charpunter (L) cementarii: mason (C); massun (D); maisun (A); de masun (L); masun (0) cindulis: sendlez, lates (C); cendelis (D); cendles (LO) arti.ficio: engin (D) per succedines: kevilis (D); chiveles (L); par le severunde (O); pans (A) epiros: clowis (D); cheveruns (L) compactum: aseble fetez (L) patria: par pays (0) Belvacensis: de Beuvey (C); Beweys (D); de Beveys (L); de Beuvers (O); beauvaisin (A) mansione: mise (L) diutiore: plu loynss (D) Parisiensis: parisien (0) ruralem [sie] edi.ficium: mise de champ (L) rurale: de champ (C) edi.ficium: herberge (0) H II, 48 285 Die Wortschatzglossen der verschiedenen Handschriften stimmen zum Teil jeweils weitgehend überein (wie oben im Falle von cimentarius mason, masun u.ä.), zum Teil aber divergieren sie auch je nach Varietät und Synonymwahl bei den französischen Entsprechungen, oder aber durch die Unkenntnis des Glossators bedingt. So ist die Erklärung von per succedines durch par le severunde (0) offensichtlich auf ein Mißverständnis zurückzuführen (mfrz. sevronde = 'partie du toit en saillie pour jeter les eaux pluviales hors du mur'); ebenso dürfte bei der Glosse "~ansione: mise (L)" eine Fehldeutung von lat. mansio vorliegen, das hier temporal (' Aufenthalt') gemeint ist, und nicht konkret ('Landsitz'; anglonorm. mees, mise 'estate', 'farm'). Obwohl die Schrift des Adam du Petit Pont stilistisch recht anspruchsvoll ist (auch mehrere gelehrte Verweise auf Isidor, Gellius, Varro u.a. enthält), deutet ihre vielfache Glossierung darauf hin, daß sie ausgiebig als schulischer Unterrichtstext benutzt wurde. Vor allem aber wurde sie zum Vorbild weiterer, nun pragmatischer angelegter Wortschatzlehrtraktate, die im 13. Jahrhundert entstanden, insbesondere Alexander Nequams De nominibus utensilium und John Garlands Dictionarius und Commentarius. Alexander Nequam (mit anglisierter Namensform Neckam, Neckham) (1157-1217) war Dichter, Naturwissenschaftler und Theologe und hinterließ ein umfangreiches und vielseitiges Werk, innerhalb dessen sein Wortschatztraktat nur einen bescheidenen Rang einnimmt. Die offenbar für den Unter- London, British Library, Add. 8092, ff. 11•-16'; C: Cambridge, Gonville and Caius College 136, pp. 21-30; D: Dublin, Trinity College 270, ff. 169•-177'; L: Lincoln Cathedral Chapter Library 132, ff. 53ra-64'\ 0: Oxford, Bodleian Library, Rawlinson G 99 (S.C. 15462), ff. 149•-155•_ Außer den Textglossen enthalten verschiedene der Handschriften noch Kommentarglossen, die Hunt ebenfalls in Bd. 2 seines Werkes veröffentlicht hat. 286 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern richt bestimmte Schrift verzichtet auf literarisches Beiwerk und kommt unmittelbar zu den Gegenständen: Qui bene vult disponere familie sue et rebus suis, primo provideat sibi in utensilibus et in supellectilibus. H 1, 181 'Wer Familie und Besitz recht eimichten will, der sorge zuvörderst für Werkzeug und Hausrat.' Nach diesem einleitenden Satz folgt gleich die Aufzählung der Küchengeräte, und in wenig systematischer Folge handelt der Autor dann von Speisekammer, Reiseausrüstung, Kleidung, Festungsbau etc. Zu den Schreibutensilien wird u.a. folgendes gesagt: Scriptor habeat rasorium sive novaculum ad radendum sordes pergameni vel membrane. Habeat etiam pumicem mordacem et planulam ad purgandum et equandum superficiem pergameni. Plumbum habeat et linulam, quibus lineatur pergamenum, margine circumquaque tarn ex parte tergi quam ex parte carnis existente libera. Assit etiam quatemus non quatemio dico, qui quartam partem exercitus significat. Cedula sive appendice tarn in superiori parte quam in inferiori folia habeat coniuncta, et registrum et punctorium de quo dicere possit 'punxi non pupugi'. Scripturus autem in cathedra resideat, ansis utrimque elevatis, pluteum sive asserem sustinentibus, scabello apte sub pedibus posito. HI, 188-189 'Der Schreiber braucht ein Schabmesser, rasorium auch novaculum genannt, um die Unreinheiten des Pergaments (der membrana) abzuschaben. Er braucht auch einen griffigen Bimsstein und eine Abziehklinge, um die Oberfläche des Pergaments zu reinigen und zu glätten. Er braucht ein Blei und eine Schnur, um das Pergament zu linieren, wobei auf der Oberseite, wie auf der Innenseite rundum ~in freier Rand zu belassen ist. Er braucht ferner ein Quartheft ich sage hier quaternus und nicht quaternio, was vielmehr den vierten Teil eines Heeres bedeutet. Er halte die Blätter mit am oberen und unteren Ende angebrachten Bindestreifen (welche cedulae oder appendices heißen) zusammen und habe ein Schnurlesezeichen (registrum) und einen Punktstichel (punctorium), wobei 'ich stach' punxi heißt und nicht pupugi. Wer etwas schreiben will, nehme auf dem Stuhl Platz, klappe die Armstützen, welche das Schreibbrett (pluteum oder asser) halten, beidseitig hoch und stelle sich einen passenden Schemel unter die Füße.' Der Text möchte also sprachlich und sachlich zugleich belehren, wobei die sprachliche Belehrung nicht nur die lexikalischen Termini enthält, sondern auch Synonyme, Paronyme, die Anlaß zur Verwechslung geben können, und Warnungen vor häufig vorkommenden morphologischen Fehlern. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 287 Auch der Traktat Alexander Nequams wurde ausgiebig glossiert, zum Beispiel bezüglich des soeben zitierten Passus durch die folgenden Glossen: 63 rasorium: rasour (C) novaculum: id. (= rasour) vel coureour (C) novacle, rasur (D) novacle (L) pumice: pomiz (C) une pumice (D) punce (L) ad abradendum: awey rere (D) planulam: plane (CL) une plane (D) membrane: parchemeyn (C) pel (D) superficiem: la autesse (L) plumbum: plum (D) quaternus: quaer (C) quayer (D) linietur: seyt rule (D) seyt riulee (L) tergi: del dos (L) existente: parmeynant (D) seant (L) exercitus: del oust (L) cedula: angniz (D) agnice (L) sedula: croue, vel apendice: agniz (C) apendice: englu (DL) inferiori parte: bas partie (L) registrum: cordam libri vel clavun (D) punctorium: poyntur, poynterole (C) resideat: se syt (L) ansis: le braces (C) bracis (D) bras (L) pluteum: dese [sie] (C) deske (DL) asserem: bes (DL) scabello: une furm(ur)e (D) H II, 79 Die Sprache der Glossen ist ganz überwiegend das Französische, doch erscheinen im Bedarfsfall auch lateinische Erklärungen (cordam libn) und englische (deske), zuweilen sogar englisch-französische Hybridverbindungen (awey rere 'abschaben'). Noch technischerer Natur ist der Dictionarius von John Garland (John of Garland, Johannes de Garlandia, 1195-1272), der eigentlich (trotz einiger persönlicher Reminiszenzen des Verfassers an Paris und Toulouse) nichts anderes als eine syntaktisch gebundene Wortliste darstellt. John Garland bezeichnet die um 1220 entstandene kleine Schrift denn auch einfach als Grundwortschatz für die Schüler: Dictionarius dicitur libellus iste a dictionibus magis necessariis, quas tenetur quilibet scolaris, non tantum in scrinio de Iignis facto, sed in cordis armariolo 63 Die Handschriftensiglen beziehen sich wieder auf die in Anm. 50 benannten Codices C, D und L, nun aufpp. 3-20 (C), ff. 157'-169v (D), ff. 36vb-5lra (L). 288 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern retinere, ut ad faciliorem constructionem orationis et enunciationem possit [p]e[r]venire. HI, 196 'Wörterbuch heißt dieses Büchlein, weil darin die nötigsten Wörter stehen, die jeder Schüler nicht nur in der hölzernen Lade, sondern im Schränklein seines Gedächtnisses aufbewahren soll, damit er seine Rede leichter zusammenfügen und kundtun kann.' Die Themen des um 1220 entstandenen Dictionarius (Körperteile, Kleidung, vor allem aber Waren und Berufe) lassen an das Livre des Mestiers und die Gesprächsbücher denken, die in dieser Hinsicht eben an die vorausgehende lateinische Schultradition anknüpfen dürften. Auch der Dictionarius. ist mit volkssprachlichen Glossen überliefert, wobei die mittelenglischen etwas zahlreicher sind als in den zwei zuvor genannten Schriften. Ob John Garland auch als Autor der Glossen betrachtet werden darf, kann bisher nicht eindeutig gesagt werden. 64 Jedenfalls aber ist von ihm ein weiterer terminologischer Traktat überliefert, bei dem zahlreiche französische Äquivalente in den Textfluß integriert wurden. Es ist Sein Commentarius, welcher den Wortschatz aus dem Lebensumfeld des Adels und der Geistlichkeit behandelt. Die vorgestellten Wörter sind hier stellenweise so sparsam syntaktisch eingebunden, daß sie als schlichte Folge von Wörterbucheinträgen erscheinen. Zum Beispiel wird zu den Termini der Tür und ihres Verschlusses folgendes gesagt: Hie gunfus gallice gun. Hec vertevella, -le vertevele. Hie vectis et hoc verrolium veroyl. Hec sera, -re, cuius pars est pessulum, -li [gallice perle, B]. Hec tricatura la garde. Hec clavis clef. Hec clava mazue. HI, 211 'Hie gunfus 'Angel', französisch gun. Hec vertevella, -le 'Scharnier', vertevele. Hie vectis und hoc verrolium 'Riegel', veroyl. Hec sera, -re 'Vorlegebalken' mit dem pessulum, -li 'Riegelbolzen', französisch perle. Hec tricatura 'Schloßsperre', la garde. Hec clavis 'Schlüssel', clef. Hec clava 'Keule', mazue.' Daß die Lateindidaktika im England des 13. Jahrhunderts überwiegend in anglonormannischer Sprache glossiert wurden, obwohl das Französische als Muttersprache dort stetig an Boden verlor, scheint einer bemerkenswerten sprachhistorischen Intuition des englischen Schulunterrichts zu entsprechen: Die Rolle des anglonormannischen Französisch als Brückensprache in der didaktischen Triglossie Englisch - Französisch - Latein 65 setzte die still- 64 In einer Handschrift des Dictionarius (Dublin, Trinity College 270, ff. 14ra-24rb) heißt es im Explicit: "Explicit Dictionarius magistri Johannis de Garlandia. Textum huius libri fecit Parisius, glosas vero Tholose." (Zitiert nach Tony Hunt, Teaching and learning Latin in 13th-century England, cit., Bd. 1, S. 191). 65 Bis zu einem gewissen Grade kann hiermit die dreisprachige didaktische Korrelation in der Bretagne verglichen werden (vgl. 2.4.5). Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 289 schweigende Annahme voraus, es stehe dem Lateinischen wesenstypisch und genetisch näher als das Mittelenglische. Für diese Auffassung gibt es im übrigen explizite historische Belege. Am Anfang des 14. Jahrhunderts berichtet der Oxforder Dominikaner Robert Holcot über Wilhelm den Eroberer (allerdings in polemischer Absicht), er habe angeordnet, daß die Schüler zuerst im Französischen zu unterweisen seien und mit dessen Hilfe dann im Lateinischen, "welch beides bis heute eingehalten wird": 66 et ideo ordinavit quod nullus in curia regis placitaret nisi in gallico, et iterum quod puer quilibet ponendus ad litteras addisceret gallicum, et per gallicum latinum, que duo usque hodie observantur. Und in der zweiten Hälfte des gleichen Jahrhunderts bezeichnet es Thomas Sampson in seiner Ars notaria ausdrücklich als pädagogisch sinnvoll, die Schüler über das Französische zum Lateinischen hinzuführen: 67 Nepurquant, a cause qe je, Thomas S[ampson], enformer d'icel art, ay conceu qe plusours enfants sont si tenuement lettrez, je ferray la prologe devant en franceis, a cause qe lez escolers qi sont si tenuement lettres, purront le pluys legerement entendre les reulez en fraunceys q'en latin. 'Indes, da ich, Thomas Sampson, als Ausbilder in dieser Fertigkeit, bemerkt habe, daß mehrere Kinder große schriftsprachliche Schwächen haben, so werde ich die Einführung zuvor auf Französisch geben, da die schriftsprachlich schwachen Schüler die Regeln leichter auf Französisch als auf Latein werden verstehen können.' Darüber hinaus aber wird an der umfassenden Integration des Französischen in die Schulpraxis deutlich, daß es nunmehr als autonome überregionale Kultursprache betrachtet wurde, deren Kenntnis auszubauen oder zu erwerben als lohnend galt (vgl. 5.3.2). Einen frühen Beleg dafür, daß man nach diesem Ziel auch ohne den Bezug auf den Lateinunterricht trachtete, sieht man in dem Tretiz pur aprise de 66 Die Stelle findet sich in Holcots Lectiones in Librum Sapientiae Sa/ omonis ('Vorlesungen zum Buch der Weisheit Salomos') XI. Wir zitieren nach Beryl Smalley, English.friars and antiquity in the early fourteenth century, Oxford 1960, S. 326 [das offensichtliche Versehen as litteras bei Smalley haben wir zu ad litteras geändert; die Hervorhebung ist von uns]. 67 Wir zitieren nach Andres Max Kristol, "L'enseignement du fran9ais en Angleterre (XIII 0- XV0 siecles). Les sources manuscrites", Romania 111 (1990), S. 289-330, hier S. 300. Kristol zitiert Sampsons Schrift Comen que par comen ordre de fair~ charters escriptz aus dem Codex London, British Library, Lansdowne 560, f 3or_34r, hier f 30'. Bei der Zusammenstellung der beiden Belege folgen wir Kristol, a.a.O. Der Beleg von Robert Holcot findet sich auch bei Michael Richter, Sprache und Gesellschaft im Mittelalter. Untersuchungen zur mündlichen Kommunikation in England von der Mitte des elften bis zum Beginn des vierzehnten Jahrhunderts, Stuttgart 1979 (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 18), S. 37. 290 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern langage des Walter von Bibbesworth aus Essex, 68 der um 1250 (nach anderen um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert) entstand und bald zu einem außergewöhnlich beliebten und verbreiteten Schultext wurde. 69 Es handelt sich um ein paarig gereimtes Wortschatzlehrgedicht von 1140 achtsilbigen Versen, das mit englischen Interlinearglossen versehen ist. Die Zielsetzung seiner Schrift nennt der Verfasser in einem einleitenden Brief an seine Auftraggeberin, der in mehreren der überlieferten Manuskripte enthalten ist: 70 Chere soer, pur ceo ke vous me pryastes ke jeo meyse en ecryst pur vos enfaunz acune apryse de fraunceys en breues paroles, jeo l'ay fet soulum ceo ke jeo ay apris, e soulum ceo ke les paroles me venent en memore, ke les enfauns pusent saver les propretez de choses ke veent e kaunt deyvent dyre moun et ma, toun et ta, soun e sa, le e la, moy e jeo. 'Liebe Schwester, da Ihr mich darum gebeten habt, in kurzen Worten ein Französischlehrstück für Eure Kinder aufzuschreiben, habe ich es getan, so wie ich es gelernt habe und so, wie mir die Wörter einfallen, damit die Kinder die richtigen Namen der Dinge wissen, die sie sehen, und wann sie moun und ma, toun und ta, soun und sa, le und la, moy undjeo sagen müssen.' Die Schüler sollen also den französischen Grundwortschatz (wohl auch dessen Orthographie) und den richtigen Genusgebrauch lernen. Das Lehrwerk beginnt mit der Geburt eines Kindes (Femme ke aproche sun teins ... ), das sich entwickelt und beim Sprechenlernen alsbald mit den französischen Benennungen der Gegenstände vertraut werden soll, angefangen mit den Namen der Körperteile. Auf das zunehmende kindliche Kennenlernen der Lebenswelt im ländlichen England des Mittelalters wird dann immer wieder Bezug genommen, zum Beispiel bei den Bezeichnungen der Kleidungsstücke, der Tiere, der Ernte und der dazu nötigen Geräte: 71 Ore aloms as pres e as champs Pur enformer vos enfaunz. De faus fauchez un andenne de pre; 68 Nach den Worten des Prologs heißt das Werk: Le tretiz ki munseignur Gauter de Bitheswey fist a ma dame Dyonise de Mountechensi pur aprise de langage. Auf Grund historischer Quellen kann als Name des Verfassers Bibbesworth angenommen werden, obwohl die Handschriften Bithesway oder Bibelesworthe überliefern. 69 „A en juger d'apres le nombre de manuscrits et de fragments conserves, il s'agit [...] du texte individuel le plus populaire et le plus repandu panni tous les traites didactiques qui ont vu le jour en Angleterre ä la fin du moyen äge." (Andres Max Kristol, "L'enseignement du fran~ais en Angleterre (XIIl 0 -XV" siecles): les sources manuscrites", cit., S. 294). 70 Wir zitieren den Brief nach Annie Owen (Hg.), Le traite de Walter de Bibbesworth sur la languefranr; aise. Texte publie avec introduction et glossaire, Paris 1929, S. 44 (ohne die dort verzeichneten Varianten der verschiedenen Hss.). 71 Wir zitieren den Tretiz nach Zeilenzählung und Seitenzahl bei William Rothwell (Hg.), Walter de Bibbesworth. Le Tretiz, London 1990 (= Anglo-Nonnan Text Society. Plain Text Series 6) (R). Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs De faucil siez unjavele de ble. 326-330, R 10 'Nun gehen wir hinaus in Wiesen und Felder Um Eure Kinder zu unterweisen. Mit der Sense mäht ihr einen Schwaden Gras; Mit der Sichel schneidet ihr einen Armvoll Weizen.' 291 Die Sachgruppengliederung des Traktats ist in einem Teil der Überlieferung durch Überschriften gekennzeichnet. So steht über dem soeben zitierten Abschnittsbeginn: Ore le fraunceis du pre e du chaumpe e de carier les blez Vor 326, R 10 'Nun das Französische von Wiese und Feld und vom Getreideeinfahren' Und beim Wortschatz der Weiherfischerei heißt es: Ore pur peschour en viver ou en estauncke le fraunceis Vor513,R 15 Allerdings wird die thematische Abfolge der Termini immer wieder durch die vergleichende Beistellung von Homonymen und Paronymen unterbrochen, um möglichen Verwechslungen vorzubeugen, wobei die Tradition der Merkverse aus der lateinischen Lexikographie des Mittelalters aufgenommen wird. Gleich bei der ersten Wortschatzsektion (den Körperteilen) und dem ersten genannten Terminus (dem Kopf) beginnt die erste didaktische Digression. La greve ist 'der Scheitel' des Kopfes und der im Haar; beide aber dürfen nicht mit dem ähnlich lautenden Wort la grive 'die Wacholderdrossel' (die man verspeisen kann) verwechselt werden: Ma teste ou moun chef: La greve de moun chef; Faites la greve au laver Et mangez la grive au diner. 29-32,R4 In demselben Kontext werden von toup sogar fünf Bedeutungen genannt: neben den thematisch hierher gehörenden 'Haarschopf und 'Scheitelbein' ('Stirnbeinkuppe'), noch 'Büschel', 'Kreisel' und 'Rammbock': Moun toup, vous prie, estauchez: En vostre chefvous avez toup, E serencez de lin le toup; En la rue jouez au toup; E[n] la lute desrenes le toup. 33-38, R4 'Toup heißt er, schere mir den 'Schopf; Toup ist der 'höchste Teil vom Kopf, 292 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern Man hechelt toup, vom Flachs den 'Zopf'; Toup auf der Straß': der 'Kreiseltopf'; Und toup, den 'Rammbock', vorwärts lopfl' Was die mittelenglischen Interlinearglossen angeht, die sich in der wohl besten Handschrift des Traktats aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts finden, so darf man die einleitende Feststellung des Schreibers: "Dount tut dis troverez vous prirnes le fraunceis e puis le engleise arnount" ('Dazu findet ihr stets zuerst das Französische und dann darübergeschrieben das Englische') nicht allzu wörtlich nehmen. Denn an den meisten Stellen werden die englischen Verständnishilfen nur sparsam gegeben, ähnlich wie man heute bei den für den Unterricht bestimmten Textauswahlen zu verfahren pflegt, welche eine elementare Kenntnis der entsprechenden Fremdsprache schon voraussetzen. Zwar finden sich einige ausführlicher glossierte Zeilen, wie die oben angeführte von Sense und Grasmahd: De faus fauchez un andenne de pre; (328), zu der es heißt: sithe mowe. a swathe of mede. Meist aber läßt es der Glossator bei Einworterklärungen bewenden. Zum Beispiel beginnt der Abschnitt über die Witterungsphänomene so: Ore pleut, ore geele; Ore remet, ore regele. Pur la geie avez vous glace E par la glace avez vous vereglace, E si n'est pas bon trop hastere Sur vereglace pur vereglacere. 572-577, R 16 'Bald regnets, bald friert es; Bald taut es und friert wieder. Vom Frost habt ihr Eis Und durch das Eis die Glätte, So ists nicht gut, zu sehr zu eilen Auf Glatteis, um nicht auszugleiten.' Die einzige englische Glosse zu diesem Passus betrifft die (im Alt- und Mittelfranzösischen übliche) Redebedeutung von remetre 'schmelzen', 'tauen': Ore remet, ore regele. 573, R 16 thaweth Es scheint also, daß die englischen Materialien zum Französischunterricht zur Zeit des Tretiz- und zum Teil bis an die Schwelle des 15. Jahrhunderts eher dem Ausbau als dem Aufbau der Kenntnis dieser Sprache dienten. Die Beschreibung des Französischen außerhalb Frankreichs 293 Gleichwohl kann auf Grund dieses Befundes nicht ohne weiteres auf eine großflächige und langandauernde Einwurzelung des Französischen als Muttersprache auf englischem Boden geschlossen werden. 72 Denn einerseits waren die auf uns gekommenen Lehrmaterialien zuvörderst für die Hand des Unterrichtenden bestimmt, der zusätzliche Verständnishilfen in englischer Sprache gegeben haben dürfte. Andererseits aber finden sich ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch dreisprachige (lateinisch-französischenglische) Glossare (wenngleich nur wenige) und im 14. und 15. Jahrhundert auch erste (allerdings wiederum wenige) rein „volkssprachliche" (französisch-englische). Insbesondere aber werden die lexikalischen Lehrmaterialien zum Französischen ab dem 14. Jahrhundert zunehmend mit englischen Äquivalenten versehen. So enthält das Nominale sive Verbale in Gallicis cum expositione eiusdem in Anglicis (um 1340), welches auf dem Wortschatzmaterial des Tretiz beruht, durchweg englische Entsprechungen. Und der unter dem Namen Femina bekannte Wortschatztraktat aus dem Jahre 1415 ist eine zweisprachige Bearbeitung des Lehrgedichts des Walter von Bibbesworth: 73 Beau enfant pur apprendre en franceis, deuez bien entendre Ffayre childfor to lerne In frensh ye shal wel onders{ande Coment vous parlerez bealment, Et deva1.1nt lez sages naturalment. How ye schal speke fayre, And afore thyze wyzemen kyndely. 72 „Only a closed linguistic community willing to practise exclusively intermarriage amongst its own members has any chance of keeping its vemacular alive in a strange land. There is no evidence to suggest that the descendants of William's followers came into this rare category. In fact, there is firm evidence to the contrary. [...] To postulate therefore the general retention of French as a vemacular in England a century and a half after the Battle of Hastings (i.e. about five or even six generations) is to fly in the face of common linguistic experience and historical evidence" (William Rothwell, "The role of French in thirteenth century England", Bulletin of the John Rylands University Library Manchester 58 (1975-1976), S. 445-466, hier S. 449.) 73 Der Titel des Traktats lehnt sich an den Eingang des Tretiz an und wird im ersten Satz so erläutert: Lyber iste vocatur femina quia sicut femina docet infantem loqui matemam sie docet iste liber Iuvenes rhetorice loqui gallicum prout onfra patebit. 'Dies Buch heißt Femina, weil es, so wie eine Frau ihr Kind die Muttersprache, die jungen Leute lehrt, das Französische textrichtig zu sprechen, wie aus dem folgenden hervorgeht.' Der Traktat enthält nach dem diskursiven Teil eine Wortliste, ein paar Bemerkungen zu den Pronomina sowie einige Konjugationstafeln. Wir zitieren nach Annie Owen (Hg.), Le traite de Walter de Bibbesworth sur / a / angue fram; aise. Texte pub/ ie avec introduction et glossaire, Paris 1929, Anhang: "Extraits de Nominalia", S. 145-149, hier S. 147. 294 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern William Caxtons Dialogues in French and English: Ryght good lernying for to lerne shortly frenssh and englyssh vom Ende des 15. Jahrhunderts haben wir im Zusammenhang mit den Nachfolgetexten des Livre des Mestiers schon erwähnt (vgl. 5.3.2). 74 74 Zu den drei bzw. vier Phasen der (abnehmenden) Vitalität des Französischen in England mit der ihnen entsprechenden didaktischen Komplementarität vgl. Andres Max Kristol, "L'enseignement du fran,; : ais en Angleterre (XIII"-XV" siecles): les sources manuscrites", Romania 111 (1990), S. 298-330, insbes. S. 299-301; Douglas A. Kibbee, For to speke Frenche trewely. The French language in England, 1000-1600: lts status, description and instruction, Amsterdam - Philadelphia 1991 (= Studies in the History of the Language Sciences, Bd. 60), passim. 5.4 Bibliographie zu Kapitel 5 Die im fünften Kapitel behandelten Themen wollen wir nun noch um einige bibliographische und forschungsgeschichtliche Angaben ergänzen: 5 .1 Zur Renaissance in Spanien s. Aubrey Fitz Gerald Bell, Luis de Leim. (A study of the Spanish Renaissance), Oxford 1925; Victor Klemperer, "Gibt es eine spanische Renaissance? ", Logos 16 (1927), S. 139-161; Nicholas G. Round, "Renaissance culture and its opponents in fifteenth century Castille", MLR 57 (1962), S. 204-215. Zur Rolle Alfons' des Weisen in der spanischen Sprachgeschichte vgl. Hans- Josef Niederehe, Die Sprachauffassung Alfons des Weisen. Studien zur Sprach- und Wissenschaftsgeschichte, Tübingen 1975 (= Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, Bd. 144). Von Leben und Werk des Grafen von Villena handeln: Manuel Serrano y Sanz, „El Mägico Villena", Revista de Espana 142 (1892), S. 303-311; Emilio Cotarelo y Mori, Don Enrique de Villena: su vida y obras, Madrid 1896; Tomas Crame, Don Enrique de Villena, Madrid 1944; Martin de Riquer, "Don Enrique de Villena en la Corte de Martin 1", in: Miscelanea en homenaje de Mons. Higinio Angles, Barcelona 1958-1961, S. 717-721; Antonio Torres-Alcalä, Don Enrique de Villena. Un mago al dintel de[ Renacimiento, Madrid 1983. - Zu den Versuchen, das poetische und dramaturgische Schaffen des Grafen zu rekonstruieren s. Alan Deyermond, "Enrique de Villena como poeta y dramaturgo: bosquejo de una polemica frustrada", NRFH28 (1980), s. 57-85 . .Das erhaltene Fragment der Arte de trovar des Grafen von Villena steht in einem Kodex, den der B~bliotheksleiter D. Juan Iriarte im Jahre 1736 in Zaragoza von einem Buchhändler kaufte. Weil darin der Dialogo de la lengua von Juan de Valdes enthalten war, informierte er Gregorio Mayans y Siscar (1699-1781), der damals Bibliotecario de Palacio war und an seinen Origenes de la lengua castellana, compuestos por varios autores arbeitete. Mayans veröffentlichte im folgenden Jahr (1737) seine Origenes unter Einschluß des Dialogo und des Auszugs aus der Arte de trovar des Don Enrique (im zweiten Band). Auf diesem Text beruhten die späteren Ausgaben: in der zweiten von Juan Eugenio Hartzenbusch eingeleiteten und mit Anmerkungen von Eduardo de Mier versehenen einbändigen Auflage der Origenes, Madrid 1873, S. 269-284; in der Antologia de poetas liricos castellanos von Marcelino Menendez Pelayo, Band 5, Madrid 1894 [Ndr.: Madrid 1944], S. 4-16; der im zweiten Band (Ortologia, prosodia y metrica) der Biblioteca historica de la filologia castellana des Conde de la Vifiaza (Madrid 1893 [Ndr.: Madrid 1978]), S. 387-391, wiedergegebene Wortlaut. Der Kodex mit dem von Mayans veröffentlichten Auszug gelangte später nach Madrid und ist 1875 im Katalog der spanischsprachigen Manuskripte des British Museum, London, verzeichnet. 1916 fand Francisco Jose Sänchez Cant6n in der Escorialbibliothek die Vorlage des von Mayans veröffentlichten (nunmehr in London befindlichen) Textes in der Handschrift des Humanisten Alvar G6mez de Castro selbst (Ms. Escurialense K III - 31, füll. 69-89) und gelangte so zu einer kohärenteren Lesung. 1919 legte er einen kritischen Text vor, 296 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern indem er die Abweichungen der Londoner Handschrift und des von Mayans gewählten Wortlauts mit seinem Fund verglich: "EI «Arte de trovar» de Don Enrique de Villena", Revista de Filologia Espaiiola 6 (1919), S. 158-180. In der Einleitung (S. 158-160) sind dort die vorlaufenden historischen Erwähnungen des Werkes genannt. Sänchez Cant6n hat dann den Text mit Einleitung und Anmerkungen, jedoch nun ohne die Anführung der Varianten, auch gesondert veröffentlicht: Francisco Jose Sänchez Cant6n (Hg.), Don Enrique de Villena, Arte de trovar, Madrid 1923, und diese Ausgabe ist 1993 erneut erschienen: Enrique de Villena, Arte de trovar. Edici6n, pr6logo y notas de F. J. Sänchez Cant6n. Prospecto de Antonio Prieto, .Madrid 1993. Der erhaltene Auszug der Arte de trovar findet sich auch in: Enrique de Villena, Obras completas. Edici6n y pr61ogo de Pedro M. Cätedra, Bd. 1, Madrid 1994. Zusammen mit dem Cancionero des Juan Alfonso de Baena und der Brevis editio de arte predicandi von Pedro Ciruelo ist das Fragment in jüngster Zeit noch einmal publiziert worden: Enrique de Arag6n, Marques de Villena, Juan Alfonso de Baena, Pedro Ciruelo, Artes de poesia y de prosa: (entre el cortesano y el predicador, siglos XV y XVI). Edici6n al cuidado de Juan Miguel Valero Moreno, Salamanca 1998 (= Publicaciones de! Seminario de Estudios Medievales y Renacentistas, SEMYR. Prospectos y manuales 2). - Die Datierung der Arte de trovar auf das Jahr 1433 stützt sich auf die im erhaltenen Text selbst stehende Bemerkung: "[...] e la era de nuestro salvador corre aora MCCCC e XXXIII, [...]" (SC 170). Gleichwohl hat man auch Argumente für eine frühere Abfassung (zwischen 1416 und 1427) geltend gemacht (wobei dann zum Teil 1433 nur als das Jahr der Übersendung der eigentlich schon früher entstandenen Schrift an den Grafen von Santillana angesehen wird); zu den Einzelheiten dieser Diskussion vgl. man das schon genannte Buch: Antonio Torres-Alcala, Don Enrique de Villena. Un mago al dintel de! Renacimiento, Madrid 1983, S. 30, Anm. 30, und S. 88. Nach der heute vorherrschenden Meinung ist die Arte de trovar im Jahre 1433 entstanden und damit die letzte Schrift des Marques. - Zu der intellektuellen Affinität, in der sich Quevedo mit dem Marques de Villena sah, vgl. Pablo Jauralde Pou, Francisco de Quevedo (1580-1645), Madrid 1998, S. 420-421. - Zu dem aus der Arte de trovar des Marques de Villena erschließbaren Lautbefund des Kastilischen im XV. Jahrhundert vgl. man den schon im Text zitierten Beitrag von Francis Tollis, "L'orthographe du castillan d'apres Villena et Nebrija", RFE 54 (1971), S. 53-106, bes. S. 62-78. Zur Rekonstruktion der historischen Phasen der Aussprache des Kastilischen ist immer noch maßgebend das ebenfalls oben schon erwähnte letzte große (postum erschienene) Werk von Amado Alonso, De la pronunciaci6n medieval a la moderna en espaiiol. Ultimado y dispuesto para la imprenta por Rafael Lapesa, Bd. 1, Madrid 1955, 2 1967, Ndr.: 1976 (= Biblioteca Romanica Hispanica 1, 5, 1) und Bd. 2, Madrid 1969 (= Biblioteca Romanica Hispanica 1, 5, 2). Insbesondere vom Fragment des Marques de Villena ist die Rede in Bd. 1, S. 342-345 (innerhalb des Kapitels „La c; y la Z"). Zur historischen Phonologie des Spanischen vgl. den Überblick von Emilio Alarcos Llorach, "Fonologia diacr6nica" in seinem Buch Fonologia Espaiiola, Madrid 1950, 4 1965, Ndr.: [u.a.] 1983, 1991, S. 209-281. 5.2.1 Zu den ersten Zeugnissen des Katalanischen in der Geschichte der Lexikographie vgl. die diesbezüglichen Passagen in den beiden Handbuchartikeln: Guenther Haensch, "Katalanische Lexikographie", in: Franz Josef Hausmann, Oskar Bibliographie zu Kapitel 5 297 Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hgg.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, 3 Bdd., Berlin - New York 1989-1991 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 5, 1-3), Bd. 2, Berlin - New York 1990, S. 1770-1788; Albert Rico, Joan Sola, "Lexicografla", in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, Bd. V, 2: Okzitanisch, Katalanisch, Tübingen 1991, S. 281-310. Ausführlicher ist die Darstellung bei Germa Colon, Amadeu-J. Soberanas, Panorama de la lexicografia catalana. De ! es glosses medievals a Pompeu Fahra, Barcelona 1985 (= Biblioteca Universitaria 7), S. 11-54. -Das lateinische und romanische Wortmaterial der frühen mittelalterlichen Quellen Kataloniens wird nach und nach erschlossen durch Mariano Bassols de Climent, Bastardas Parera u. aa., Glossarium mediae latinitatis Cataloniae. Voces latinas y romanicas documentadas en .fuentes catalanas de/ aiio 800 al 1100, Barcelona 1960 ff. Das Liber Elegantiarum ist als Faksimileausgabe veröffentlicht worden: Germa Colon Domenech (Hg.), Joan Esteve, Liber Elegantiarum (Venecia, Paganino de Paganinis, 1489), Castello de la P4Lna 1988. Die Arbeit von Mechtild Bierbach, welche das Werk in den Kontext seiner historischen Gattung stellt, haben wir im Text schon genannt: "Frühe volkssprachlich-lateinische Zeugnisse humanistischer Lexikographie in der Romania", ZrP 110 (1994), S. 64-116, hier S. 64-85. Zu den Quellen des Liber Elegantiarum vgl. neben dem schon genannten Vortrag von Francisco de Borja Moll, EI «Liber Elegantiarum», (Leccion profesada el dia 9 de abril de 1959 en la Catedra Mila y Fontanals), Barcelona 1960, den Artikel des gleichen Autors: Francesc de Borja Moll, "Les sources du «Liber Elegantiarum» de Joan Esteve", Boletim de Filologia 19 (1960), S. 105-111. 5.2.2 Zu den Anfangen der spanischen Lexikographie findet sich nur sehr wenig in den beiden folgenden Handbuchartikeln: Guenther Haensch, "Spanische Lexikographie", in: Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hgg.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, 3 Bdd., Berlin - New York 1989-1991, Bd. 2, Berlin - New York 1990 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 5, 2), S. 1738-1767; Manuel Alvar Ezquerra, "Spanisch: Lexikographie", in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, Band VI, 1: Aragonesisch/ Navarresisch, Spanisch, Asturianisch/ Leonesisch, Tübingen 1992, S. 636-651. Man vergleiche jedoch auch: Tomas Gonzälez Rolän, Pilar Saquero Suärez-Somonte, Latin y castellano en documentos prerrenacentistas, Madrid 1995. Einen Überblick über das spärliche frühe Material gibt Lidio Nieto in seiner unlängst erschienenen Arbeit: "Vocabularios y glosarios del espafi.ol de los siglos XIV al XVI", Revista de Filologia Espaiiola 80 (2000), S. 155-180, hier S. 155-163. Die Ausgabe der drei mittelalterlichen lateinisch-spanischen Glossare haben wir schon genannt: Americo Castro, Glosarios latino-espaiioles de la edad media, Madrid 1936 (= Revista de Filologia Espanola. Anejo XXII). Sie enthält neben dem Text der drei Glossare (S. 1-148) eine Einführung (S. V-LXXXVII), ein integriertes alphabetisches Gesamtverzeichnis aller Einträge (S. 149-314) und einen alphabeti- 298 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern sehen Index aller spanischen Interpretamente (S. 315-348). Die Ausgabe Castros ist 1991 in Madrid als Nachdruck erschienen. Nebrijas Intro_ductiones Latinae war großer Erfolg beschieden. Der Verfasser schrieb drei Versionen des Schulbuchs. Von der ersten Version (Salamanca 1481) erschien schon 1482 die zweite und 1483 die dritte Auflage. Die zweite Version wurde fünfmal aufgelegt, ab der zweiten Auflage (um 1487) in lateinischer und spanischer Sprache (wobei auf das Glossar verzichtet wurde). Die dritte und endgültige Version der Introductiones (1495) enthielt wieder ein (nun ausführlicheres) Glossar, das freilich nicht in allen folgenden Auflagen enthalten ist und in einigen davon alphabetisch, in anderen thematisch angeordnet wurde. Anläßlich der fünfhundertjährigen Wiederkehr der Erstveröffentlichung der Introductiones wurde 1981 in Salamanca eine Faksimileausgabe der ersten Auflage in 2000 numerierten Exemplaren publiziert. Eine Übersicht über alle spanischen lnterpretamente der ersten Version der Introductiones liefert Antonio Quilis, "Las palabras espafiolas contenidas en el vocabulario de las Introductiones latinae de Antonio de Nebrija", Revista de Filologfa Espanola 80 (2000), S. 181-191. Quilis vermerkt dort auch, ob und wo diese spanischen Entsprechungen in die beiden Wörterbücher Nebrijas (Lexicon ex sermone latino in hispaniensem und Dictionarium ex hispaniensi in latinum) Eingang gefunden haben. Das lateinisch-spanische Wörterbuch von Alfonso Fermindez de Palencia, das nur in wenigen Exemplaren erhalten ist, wurde als Faksimilenachdruck zugänglich gemacht: Comisi6n permanente de la Asociaci6n de Academias de la Lengua Espafiola (Hg.), Alfonso de Palencia. Universal vocabulario en lat{n y en romance. Reproduccionfacsimilar de la edicion de Sevilla 1490, 2 Bdd., Madrid 1967. Durch die von Alfonso de Palencia verwendete Technik ist die gezielte Konsultation der spanischen Elemente des Wörterbuchs außerordentlich schwierig, wo nicht unmöglich. Bis zu einem gewissen Grade erschlossen ist diese Information durch John M. Hili, " Universal vocabulario" de Alfonso de Palencia: registro de voces espanoles, Madrid 1957. Der Beitrag Niederehes zur Quelle des Universal vocabulario sei hier noch einmal genannt: "Das 'Universal Vocabulario' des Alfonso Fernändez de Palencia (1490) und seine Quelle", in: Antonio Quilis, Hans-Josef Niederehe (Hgg.), The history of linguistics in Spain, Amsterdam - Philadelphia 1986 (= Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science, Series III, Studies in the History of the Language Sciences, Bd. 34), S. 39-54. 5.2.3 Zu den Anfängen der portugiesischen Lexikographie s. Dieter Woll, "Portugiesische Lexikographie", in: Franz Josef Hausmann, Oskar Reichmann, Herbert Ernst Wiegand, Ladislav Zgusta (Hgg.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie, 3 Bdd., Berlin - New York 1989-1991, Bd. 2, Berlin - New York 1990 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 5, 2), S. 1723-1738; Telmo Verdelho, „Portugiesisch: Lexikographie", in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der Romanistischen Linguistik, Band VI, 2: Galegisch, Portugiesisch, Tübingen 1994, S. 673-692. - Das lateinisch-portugiesische Verbglossar aus dem 14. Jahrhundert befindet sich in der Biblioteca Nacional, Lissabon (/ nventario dos Codices Alcobacenses IV, 257). Die einzige Ausgabe ist die zitierte von Henry Hare Carter, "A fourteenth-century Latin - Old Portuguese verb Bibliographie zu Kapitel 5 299 dictionary", Romance Philology 5 (1951-1952), S. 71-103. Carters Publikation enthält auf den Ss. 99-103 ein alphabetisches Verzeichnis der in dem Glossar verzeichneten altportugiesischen Wörter. 5.3.1 Die Ausgaben der Werke Roger Bacons, aus denen wir zitiert haben, sind schon im Text genannt worden. Die Ausgabe des Opus maius, von John Henry Bridges, Oxford 1900, ist, Frankfurt 1964, als Nachdruck erschienen, die von John Sheron Brewer der Opera quaedam hactenus inedita, London 1859, wurde 1965 in Nendeln nachgedruckt. Zu Bacons Bemerkungen bezüglich des Französischen s. Serge Lusignan, "L'amorce d'une reflexion philologique: le cas Roger Bacon", in Id., Par/ er vulgairement. Les intellectuels et la langue franfaise au Xllr et XIV" siedes, Paris - Montreal 1986, S. 62-77; Irene Rosier-Catach, "Roger Bacon and Grammar'', in: Jeremiah Hackett (Hg.), Roger Bacon and the sciences, Leiden - New York-Köln 1997 (= Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 57), S. 67-102; Andrea Fausel, Jochen Hafner, Franziska Küenzlen, "Sprechen über Sprache und Geschichte. Mittelalterliche und humanistische Entwürfe zur Sprachgeschichtsschreibung", in: Cora Dietl, Dörte Helschinger (Hgg.), Ars und Scientia im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Ergebnisse interdisziplinärer Forschung, Tübingen 2002, S. 193-214, hier S. 195-198. 5.3.2 Zur Geschichte des Französischunterrichts in den Niederlanden s. Komelis-Jacobus Riemens, Esquisse historique de l 'enseignement du franfais en Hollande du xvr au XIX' siede, Leiden 1919. - Die einzige Handschrift des Livre des Mestiers stammt aus dem 14. Jahrhundert und befindet sich in der Pariser Nationalbibliothek (Fonds neerlandais, Colbert 2497). Der Text wurde zuerst von dem "Conservateur adjoint a la Bibliotheque nationale" Henri Victor Michelant herausgegeben: Le Livre des Mestiers. Dialogues franfais-flamands composes au XIV" siecle par un maitre d'ecole de Ja ville de Bruges, Paris 1875. Diese Ausgabe war jedoch von Anfang an eine nur wenigen Bibliophilen zugängliche Rarität, da sie in gerade einmal 85 Exemplaren aufgelegt worden war. Jean Gessler veröffentlichte die Schrift dann erneut zusammen mit drei Folgetexten der gleichen Gattung: Le Livre des Mestiers de Bruges et ses derives. Quatre anciens manuels de conversation, Brügge 1931. Auch diese Ausgabe erfuhr wegen ihrer beschränkten Auflage keine große Verbreitung. Ein kurzer Auszug aus dem Livre des Mestiers findet sich bei Barbara Kaltz (Hg.), Le moyen franfais au quotidien: Un recueil de textes du XIV" au XVf siede, Bonn 1997, S. 23-34 (nach Gessler (Hg.) 1931, Teil M [= Livre des Mestiers], S. 21-35,jedoch ohne die flämischen Äquivalente). Das Gesprächbüchlein wurde zuerst von Heinrich Hoffmann von Fallersleben in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Horae Belgicae 9 (1854), S. 61-99, veröffentlicht (weswegen es bis heute unter diesem deutschen Titel bekannt ist und zitiert wird). Danach wurde es in den genannten von Jean Gessler herausgegeben Band, Le Livre des Mestiers de Bruges et ses derives (zusammen mit der Tres bonne doctrine pour aprendre briefment fransoys et engloys von Caxton und dem Vocabulair pour aprendre Romain et Flameng aus Antwerpen) als einer der Folgetexte des Livre des Mestiers aufgenommen. 300 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern 5.3.3 Zum Status des Französischen im mittelalterlichen England und zu den frühen englischen Anleitungen zum Französischen s. Jakob Stürzinger, "Zur Geschichte der französischen Grammatik in England", S. 1-XXIII seiner im Text genannten kritischen Ausgabe der Orthographia Gallica; Edmund Stengel, "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlernung der französischen Sprache", Zeitschrift für neujranzösische Sprache und Literatur 1 (1879), S. 1--40. Der Beitrag Stengels enthält nur Texte aus dem Ms. 182 der Codrington Library des All Souls Colleges, Oxford, mit kurzem Kommentar, und zwar neben dem ersten Abdruck des Donait franfois (S. 25--40; vgl. 5.3.4): Ergänzungen zu Paul Meyers Ausgabe der ältesten Maniere de langage (S. 1-10; s. 5.3.3); Un petit livre pour enseigner ! es enfantz de leur entreparler comunfrancois (S. 10-15); Tractatus ortographie gallicane per M T. Coyfurelly, canonicum, Aurelianum doctorem utriusque juris, de novo editus secundum modum etformam parisius (S. 16-24). Ferdinand Brunot, "Le franyais en Angleterre"; in: ld., Histoire de la langue franfaise. Des origines a nos jours, (11905), Nouvelle edition, Tome I, De l'epoque latine a la Renaissance, Paris 1966, S. 384-397. Dietrich Behrens, "Beiträge zu einer Geschichte der französischen Sprache", Zeitschrift.für französische Sprache und Literatur 45 (1919), S. 157-234, hier S. 177-182 (mit ausführlichen Angaben zur älteren Literatur). Einen Überblick über die ältesten grammatischen Beschreibungen des Französischen bietet jetzt Andres Max Kristol, "Les premieres descriptions grammaticales du franyais", in: Sylvain Auroux, Ernst Frideryk Konrad Koerner, Hans-Josef Niederehe, Kees Versteegh (Hgg.), History of the language sciences. Geschichte der Sprachwissenschqften. Histoire des sciences du langage. An international handbook on the evolution of the study oflanguagesfrom the beginnings to the present. Ein internationales Handbuch zur Entwicklung der Sprachforschung von den Anfängen bis zur Gegenwart. Manuel international sur l'evolution de l'etude du langage des origines a nosjours, (bisher 2 [3] Bdd., Berlin -New York 2000-2001 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 18,1-2 [3]), S. 764-770. Man vgl. ferner: Kathleen Lambley, The teaching and cu/ tivation of the French language in England during Tudor and Stewart times, Manchester 1920; Albert Streuber, "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlernung des Französischen in England und den Niederlanden bis zum 16. Jahrhundert", Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 72 (1962), S. 37-86, S. 186--211; 73 (1963), S. 97-112, S. 189-208; 74 (1964), S. 59-76; William Rothwell, "The role of French in thirteenth century England", Bulletin of the John Rylands University Library Manchester 58 (1975-1976), S. 445--466; Michael Richter, Sprache und Gesellschaft im Mittelalter. Untersuchungen zur mündlichen Kommunikation in England von der Mitte des elften bis zum Beginn des vierzehnten Jahrhunderts, Stuttgart 1979 (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 18); Serge Lusignan, Par/ er vulgairement. Les intellectuels et Ja langue franfaise au XIII et XITI' siecles, Paris - Montreal 1986, cit., bes. Kap. 3: "Langue franyaise, grammaire et societe: L'Angleterre et la France au. XIV" siecle", S. 91-127; Douglas A. Kibbee, For to speke French trewely. The French language in England, / 000-1600. Jts status, description and instruction, Amsterdam - Philadelphia 1991 (= Studies in the History of the Language Sciences 60). Die kritische Ausgabe der Orthographia Gallica von Jakob Stürzinger ist, Darmstadt 1967, als Nachdruck erschienen. Neuerlich hat Ronald Carlyle Johnston die Bibliographie zu Kapitel 5 301 Schrift herausgegeben: Orthographia Gallica, London 1987 (= Anglo-Norman Text Society, Plain Text 5). Von den Handschriften und Fragen ihrer Datierung handelt Stürzinger in seiner Ausgabe der Orthographia, S. XXIV-XLVI. Die Handschrift T, das „Towerdokument", hatte Stürzinger bei der Vorbereitung seiner Ausgabe nicht mehr auffinden können und sich daher in diesem Fall auf den Wortlaut des schon 1840 von Thomas Wright veröffentlichten Textes berufen müssen. Die handschriftlichen Quellen der englischen Anleitungen zum Französischunterricht hat Andres Max Kristol unlängst neuerlich gesichtet und beschrieben: "L'enseignement du fran9ais en Angleterre (XIIt-xve siecles). Les sources manuscrites", Romania 111 (1990), S. 289-330. Stürzingers Hs. T "version breve" der Orthographia Gallica) ist danach jetzt in London als Lincoln 's Inn, Mise. 173 (nicht Mise. 178, wie manchmal fälschlich angegeben) registriert (Kristol 1990, S. 316, Anm. 48). Die Handschrift C befmdet sich noch in Cambridge, University Library, als Ee 4.20, wie bei Stürzinger angegeben. Das Harleyan Manuscript ist weiterhin als Harley 4971 C, jetzt in der British Library, registriert. Die Handschrift 0, für die Stürzinger verzeichnet hatte: „Oxford, Magdalena College, Ms. 188", ist jetzt als Rawlinson C 507, in der Bodleian Library, Oxford, aufzusuchen. - Neben den von Stürzinger berücksichtigten ältesten vier Handschriften verzeichnet Kristol (1990, S. 324) noch fünf weitere aus dem 15. Jahrhundert: Cambridge, Corpus Christi College 335; Dublin, Trinity College 605; London, British Library, Sloane 513; Oxford, Bodleian Library, Magdalen 188; Warminster, Longleat House, Longleat 37, sowie eine noch spätere: London, British Library, Harley 4993. Der Tractatus ortographie gallicane von M. T. Coyfurelly liegt bisher nur in provisorischer Ausgabe in dem erwähnten Sammelbeitrag von Edmund Stengel vor: "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlemung der französischen Sprache", Zeitschrift.für neufranzösische Sprache und Literatur 1 (1879), S. 1-40, hier S. 16-23. Die von M. T. Coyfurelly benutzte Vorlage, der Tractatus Orthographiae des „T. H., Parisii studentis", ist erhalten (London, British Library, Additional 17716, f 88•-91) und wurde von Mildred K. Pope herausgegeben: "The 'Tractatus Orthographiae' of T. H., Parisii studentis", The Modern Language Review 5 (1910), S. 185-193. Eine zweite Handschrift (Cambridge, Trinity College, B 14.39/ 40, f. 155•-157') war Pope offenbar nicht bekannt. Über die Datierung dieser Vorlage besteht keine Einigkeit. Mildred K. Pope hält den Text für ziemlich alt und möchte ihn in die Entstehungszeit der Orthographia gallica datieren (wobei sie deren archaischere Merkmale für philologische Fehldeutungen hält), ja möglicherweise noch vor diese Zeit: "Since then T. H.'s work contains no rule attesting a pronunciation more modern than that described in the Orthographia Gallica, and one certainly based on earlier orthographical custom, it is not unreasonable to conclude that his treatise was the first in the field, and that it is to T. H., the Parisian student, that we must ascribe the honours of having compiled the first orthographical treatise in Northem French." (M. K. Pope, The Modern Language Review 5 (1910), S. 88-89). Andres Max Kristol, „L'enseignement du fran9ais en Angleterre (Xllt-xve siecles). Les sources manuscrites", cit., S. 324, datiert sowohl die Bearbeitung des M. T. Coyfurelly wie deren Vorlage (zumindest nach dem Handschriftenbefund) ins 15. Jahrhundert, während Pierre Swiggers, "Linguistique et grammaticographie romanes" in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (Hgg.), Lexikon der romanistischen Linguistik, Band 1, 1: Geschichte des Faches Romanistik. Methodologie (das Sprach- 302 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern system), Tübingen 2001, S. 36-121, hier S. 46, für den Tractatus Orthographiae des "T. H., Parisii studentis", (wie Pope) "vers 1300" verzeichnet. Uns scheint die jüngere Datierung überzeugender. · 5.3.4. Von Handschriften, Inhalt und Sprache der ältesten Maniere handelt Andres Max Kristol (Hg.), Manieres de langage (1396, 1399, 1415), London 1995 (= Anglo-Norman Text Society, No. LIII [for 1995]) S. XX-XXXII. Die fünf erhaltenen Handschriften gliedern sjch in zwei Familien. Die erste umfaßt die beiden Mss. LH (London, British Library, Harley 3988, 1r-26 ') und OA (Oxford, All Souls College 182, 305ra-316r•; 372r• -373ra). Die zweite besteht aus den Mss. CD (Cambridge, University Library Dd. 12.23, 67v-87'), LA (London, British Library Addit. 17716, 106r-111 J und PN (Paris, Bibliotheque Nationale, Nouv. acq. lat. 699, 114-128v). Die Hss. der zweiten Gruppe sind in Details ausführlicher und enthalten mehr Dialogbeispiele. Da die beiden Hss. der ersten Familie jedoch als einzige die Widmung am Ende des Traktats bringen (und nur LH auch Ort und Datum: „Escript a Bury Saint Esmon en la veille de Pentecost l'an du grace mil trois cenz quatre vinz et sesze"), ist zu vermuten, daß diese erste Familie die „bessere" (dem Original nähere) Überlieferung darstellt. Die älteste Maniere de langage wurde zuerst von Paul Meyer herausgegeben: "La maniere de langage qui t'enseignera bien adroit parler et escrire doulz francois selon l'usage et la coustume de France", Revue critique d'histoire et de litterature, 5,2 (1870) [aber faktisch: 1873], S. 373--408. Meyer nahm zunächst an, der von ihm veröffentlichte Text der Hs. LH sei die einzige erhaltene Version. Edmund Stengel, "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlernung der französischen Sprache", Zeitschrift für neu.französische Sprache und Literatur 1 (1879), S. 1--40, hier S. 1-10, hat die Lesung Meyers überprüft, die Version von OA kollationiert und den Text um Stücke aus OA ergänzt. Jean Gesslers Ausgabe (La maniere de langage qui enseigne a bien parler et ecrire le franfais, Brüssel - Paris 1934) beruht ebenfalls auf LH. Die zweite Familie scheint dagegen eine weitere Ausarbeitung der ursprünglich für den persönlichen Gebrauch bestimmten Gesprächssammlung zur schulischen Verwendung zu sein. Diese Annahme würde auch den Verzicht auf die Widmung erklären. Gerade aus diesem Grunde aber hält Kristol diese Familie für aufschlußreicher und legt seiner Ausgabe CD zugrunde: „Nous publions donc ici la version de CD qui presente un texte „nouveau", aux antipodes de LH, et qui permet de mieux cerner certains courants de l'enseignement du franyais en Angleterre vers la fin du moyen äge." (S. XXII). In einem Anhang fügt Kristol die wenigen Passagen an, die in LH, nicht aber in CD enthalten sind. Auf S. XXIII seiner Ausgabe findet sich eine Inhaltssynopse aller Handschriften. - Die Maniere aus dem Jahre 1399 wurde zuerst von Edmund Stengel herausgegeben unter dem (nach dem Textanfang gewählten) Titel: Un petit livre pour enseigner / es enfantz de leur entreparler comun francois, in dem genannten Sammelbeitrag „Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlernung der französischen Sprache", Zeitschriftfiir neu.französische Sprache und Literatur 1 (1879), S. 1--40, hier S. 10-15. - Die Maniere aus dem Jahre 1415 wurde zuerst von Paul Meyer in einem Sammelbeitrag veröffentlicht: "Les manuscrits franyais de Cambridge. III - Trinity College", Romania 32 (1903), S. 18-120, hier S. 47-58. Unter dem (etwas irreführenden) Titel Liber Donati wurde sie 1993 nach einer anderen Handschrift (Cambridge, Univ. Lib. Dd 12.23) erneut publiziert: Brian Merrilees, Beata Sitarz-Fitzpatrick (Hgg.), The Bibliographie zu Kapitel 5 303 Liber Donati. Afifteenth-century manual of French, London 1993 (= Anglo-Norman Text Society, Plain Text 9). Der Titel Liber Donati erscheint zwar im Explicit in der genannten Handschrift, verweist aber hier nicht, wie sonst üblich, auf ein Grammatiktraktat, sondern auf eine Zusammenstellung heterogener Unterrichtsmaterialien des Oxforder Schulmeisters William ofKingsmill, darunter die Maniere. Zu der interessanten Frage, ob sich aus Spuren in überlieferten Texten vergangene „Mündlichkeit" rekonstruieren läßt, s. Andres Max Kristol " 'Que dea! Mettes le chapron, paillard, com tu parles a prodome! ' La representation de l'oralite dans les Manieres de langage du XIV"/ XV" siecle", Romanistisches Jahrbuch 43 (1992), S. 35--64. Zum Umkreis dieser Frage vgl. a. Franz Lebsanft, Studien zu einer Linguistik des Grußes. Sprache und Funktion der altfranzösischen Grußformeln, Tübingen 1988 (= Beihefte zur ZrP 217). Zu den allgemeinen Merkmalen der spätmittelalterlichen Gesprächsbücher s. Barbara Kaltz „Etudes historiographiques des Manieres de langage", in: Anders Ahlqvist (Hg.), Diversions of Galway. Studies in the History of the Language Sciences 68, Amsterdam - Philadelphia 1992, S. 123- 133. Zur Gattung der mittelalterlichen Ars dictaminis und zu der diesbezüglichen Forschungsbibliographie s. Martin Camargo, Ars dictaminis, ars dictandi, Turnhout 1991 (= Typologie des Sources du Moyen Äge Occidental, fase. 60). Camargo unterscheidet zwischen der Ars dictaminis, welche vorzugsweise der doctrina, und der Ars dictandi, welche vorzugsweise den exempla gewidmet ist. Von der Diskurspragmatik der italienischen Dictamina handelt die bisher unveröffentliche Habilitationsschrift von Peter Koch, Distanz im Dictamen. Zur Schriftlichkeit und Pragmatik mittelalterlicher Brief- und Redemodelle in Italien, Freiburg 1987. - Zu den französischen Dictamina in England s. Albert Streuber, "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlernung des Französischen in England und den Niederlanden bis zum 16. Jahrhundert", cit., S. 186-191. Eine Zusammenstellung der bisher registrierten Handschriften, welche französische Artes dictaminis bzw. Briefsammlungen aus England enthalten, findet sich bei Andres Max Kristol, "L' enseignement du franyais en Angleterre (XIII"-XV" siecles). Les sources manuscrites", cit., S. 324-325. 5.3.5 Der Text des Donait franr; ois aus Oxford wurde zuerst von Edmund Stengel in seinem schon erwähnten Sammelbeitrag, "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlemung der französischen Sprache", Zeitschrift für neufranzösische Sprache und Literatur 1 (1879), S. 1-40 (hier S. 25-40) veröffentlicht, und zwar unter dem (aus der Einleitung entnommenen) Titel Donaitfrancois pur briefment entroduyr / es Angloys en la droit language du Paris et de pais la d'entour fait aus despenses de Johan Barton par pluseurs bons clercs du language avandite. Eine neuere Ausgabe hat Pierre Swiggers besorgt: "Le Donait franyois: La plus ancienne grammaire du franyais. Edition avec introduction", Revue des Langues romanes 89 (1985), S. 235- 271. (Eine kurze Charakterisierung der Schrift hatte Swiggers schon zuvor gegeben: "La plus ancienne grammaire du franyais", Medioevo Romanzo 9 (1984), S. 183- 188). Der Text des Donait franr; ois findet sich auch in der schon genannten Heidelberger Dissertation von Thomas Städtler, Zu den Anfängen der französischen Grammatiksprache. Textausgaben und Wortschatzstudien, Tübingen 1988 (= Beiheft 223 zur ZrP), S. 128-137. Städtler korrigiert eine ganze Anzahl von Swiggers' Lesungen und weist auf Unachtsamkeiten hin, "die die Ausgabe im Vergleich zu der 304 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern älteren von Stengel [...] nicht unbedingt als Fortschritt erscheinen lassen." (Städtler 1988, S. 83). Einen Überblick über die bis dahin vorliegenden Beschreibungen, Interpretationen und Bewertungen des Oxforder Donait franr; ois gibt Städtler 1988, s. 66-68. 5 .3 .6 Von den Anfängen der lexikographischen Beschreibung des Französischen in England aus der Sicht der Geschichte der englischen Lexikographie handeln Gabriele Stein, The English dictionary before Cawdrey, Tübingen 1985 (= Lexicographica, Series Maior 9), S. 44-52; Werner Hüllen, English dictionaries 800-1700. The topical tradition, Oxford 1999, S. 87-104 (unter „topical" versteht Hüllen „thematisch angeordnet"). Das Sammelglossar in der Hs. Hunter 292 der Universitätsbibliothek Glasgow hat Paul Meyer beschrieben: "Notices et extraits de manuscrits conserves au Musee Hunterien a Glasgow", Archives des missions scienti.fiques et litteraires 4 (2e serie) (1867), S. 156-167. Margarete Lindemann, Die französischen Wörterbücher von den Anfängen bis 1600, cit., behandelt das Glossar S. 129-131, bezieht sich aber nur auf den von Meyer veröffentlichten Auszug und nicht auf den vollständigen Abdruck bei Tony Hunt, Teaching and learning Latin in l 3th-century England, 3 Bdd., Cambridge 1991, hier Bd. 1, S. 401--419. Zu dem Glossar Douce 88 (S.C. 21662) der Bodleian Library, Oxford, vgl. Josef Priebsch, "Ein anglonormannisches Glossar", in: Bausteine zur romanischen Philologie. Festgabe für Adolfo Mussafia zum 15. Februar 1905, Halle 1905, S. 534-556. „Das Nominale, von dem ich hier einen Auszug, etwa die Hälfte der Worte, zur Kenntnis bringe [...]" (J. Priebsch 1905, S. 534) ist jetzt ebenfalls vollständig zugänglich in: Tony Hunt, Teaching and learning Latin in l 3th-century England, cit., Bd. 1, S. 420--432. Zu Adam du Petit Pont s. Lorenzo Minio Paluello, "The Ars Disserendi of Adam ofBalsham 'Parvipontanus"', Mediaeval and Renaissance Studies 3 (1954), S. 116- 169. Eine Zusammenstellung der bisherigen gedruckten Ausgaben der Schrift De utensilibus findet sich bei Tony Hunt, Teaching and learning Latin in l 3th-century England, cit., Bd. 1, S. 165, Anm. 4. Bei Hunt steht der Text Bd. 1, S. 172-176. Zu Alexander Nequam s. Richard WiHiam Hunt, The schools and the c/ oister. The life and writings of Alexander Nequam (1157-1217). Ed. and rev. by Margaret Gibson, Oxford 1984. Der Text des Traktats De nominibus utensilium wurde zuerst von August Seheier im Jahrbuch für romanische und englische Literatur 7 (1866), S. 58-74 und 155-173, veröffentlicht (und wieder in: Id., Lexicographie latine.du X/ Je et du Xllle siec/ e, Leipzig 1867, S. 84-118). Bei T. Hunt findet er sich op. cit., Bd. 1, S. 181-189. Ein weiteres lexikographisches Werk von Nequam ist der Sacerdos ad altare (vgl. T. Hunt, op. cit., Bd. 1, S. 250-273). Zu den bisherigen gedruckten Ausgaben des Dictionarius von John Garland s. Tony Hunt, op. cit., Bd. 1, S. 191, Anm. 1. Bei Hunt steht der Text Bd. 1, S. 196- 203. Die anglonormannische Glossierung lateinischer Lehrschriften beschränkt sich nicht auf die Wortschatztraktate. So wurde die am Ausgang des 10. Jahrhunderts in altenglischer Sprache geschriebene Lateingrammatik von Aelfric schon seit dem 11. Jahrhundert anglonormannisch glossiert. Weitere Lateindidaktika mit ihren Glossen Bibliographie zu Kapitel 5 305 finden sich in dem genannten Werk von Hunt, dessen nützlicher Indexband zugleich als Wörterbuch benutzt werden kann. Eine kritische Ausgabe des Tretiz Walters von Bibbesworth ist: Annie Owen (Hg.), Le traite de Walter de Bibbesworth sur la languefran~aise. Texte publie avec introduction et glossaire, Paris 1929. Das Buch ist 1977 bei Slatkine in Genf als Nachdruck erschienen. Zahlreiche Fehler der Ausgabe Owens hat William Rothwell richtiggestellt: ,; A mis-judged author and a mis-used text: Walter de Bibbesworth and his 'Tretiz"', Modern Language Review 77 (1982), S. 282-293. Rothwell hat dann nach der besten (auch von Owen als Basis benutzten) Handschrift selbst einen Text des Tretiz veröffentlicht, aus dem wir zitiert haben: William Rothwell (Hg.), Walter de Bibbesworth. Le Tretiz, London 1990 (= Anglo-Norman Text Society. Plain Text Series 6). Eine maßgebende vergleichend-kritische Ausgabe der Schrift steht noch aus. - Zur Datierung des Traktats und zu seiner Stellung in der Geschichte des Französischunterrichts in England s. Douglas A. Kibbee, For to speke French trewely. The French language in England, 1000-1600., cit., S. 41-47. Die ältesten dreisprachigen (lateinisch-französisch-englischen) Lexicographica sind fachsprachlich-thematische, meist pflanzenkundliche Glossare. Kristol verzeichnet je zwei für das 13., 14., und 15. Jahrhundert "L'enseignement du fran~ais en Angleterre (XIII"-XV" siecles). Les sources manuscrites", cit., S. 322): London, British Libracy, Harley 978 (13. Jh., Pflanzen, Mineralien); London, British Libracy, Sloane 146 (13. Jh., Heilpflanzen); London, British Libracy, Sloane 5 (14. Jh., Pflanzen); London, Westminster Abby 34/ 11 (14. Jh., Fragmenta varia); Oxford, Bodleian Libracy, Magdalen 188 (15. Jh.); London, British Libracy, Harley 219 (s.d.). Zu den Pflanzennamenglossaren s. Gabriele Stein, The English dictionary before Cawdrey, cit., S. 44-52 (mit Auszügen). - Das Glossar aus dem Magdalen College, das sich jetzt in der Bodleian Libracy befindet, enthält Namen von Kleidung und Gerätschaften. Zitate daraus finden sich bei Annie Owen (Hg.), Le traite de Walter de Bibbesworth sur la langue fran~aise, cit., Anhang: "Extraits de Nominalia", S. 145- 149, hier S. 145-146. Zwei französisch-englische Glossare aus dem 14. Jahrhundert finden sich in den Codices Cambridge, St. John College E 17 (Bäume und Vögel) und London, British Libracy, Harley 4971 (Haushaltsführung). Das im Text erwähnte Nominale sive Verbale in Gallicis cum expositione eiusdem in Anglicis (Universitätsbibliothek Cambridge Ee 4.20) gehört zu den diskursiv eingebetteten Wortschatzlehren. Herausgegeben hat es Walter William Skeat, "Nominale sive verbale in gallicis cum expositione eiusdem in Anglicis", Transactions of the Philosophical Society 1903- 1906, Supplement, London - Straßburg 1906, S. 1-50. Das zweisprachige Lehrgedicht Femina wurde nach der einzigen erhaltenen Handschrift (in dem Codex B 14. 39/ 40, Cambridge, Trinity College, welcher neben einigen Gedichten in lateinischer und englischer Sprache noch eine Anzahl weiterer Didaktika enthält) herausgegeben von William Aldis Wright, Femina, Cambridge 1909 (Publications of the Roxburghe Club). Daß es sich um eine Bearbeitung des Tretiz handelt, hat Emile-Jules Amould gezeigt: "Les sources du Femina nova", Studies in French language and medieval literature presented to M K. Pope, Manchester 1939, S. 1-9. Zur Bewertung des Traktats in seinem kulturhistorischen Zusammenhang s. Douglas A. Kibbee, For to speke French trewe/ y. The French 306 Die Betrachtung der romanischen Sprachen in den übrigen Ländern language in England, 1000-1600., cit., S. 75-78; William Rothwell, "The place of Femina in Anglo-Norman studies", Studia Neophilologica 70 (1998), S. 55-82. Den William Caxton zugeschriebenen Konversationstraktat hat Henry Bradley herausgegeben: Dialogues in French and English by William Caxton. (Adapted from a fourteenth-century book of dialogues in French and Flemish). Edited from Caxton's printed text with an introduction, notes, and word-lists by H. Bradley, London 1900 (= Early English Text Society, Extra Series 79). Er findet sich auch in dem schon genannten Band: Jean Gessler (Hg.), Le Livre des Mestiers de Bruges et ses derives. Quatre anciens manuels de conversation, Brügge 1931 (als Teil C [= "Caxton"]). Nachdem es der Universitätsbibliothek Cambridge im Jahre 1960 gelungen war, eines der vier erhaltenen Exemplare des Caxtonschen Druckes zu erwerben, erschien eine Faksimile-Ausgabe: John C. T. Oates, Lewis C. Harmer (Hgg.), A facsimile of Caxton 's edition c. 1480 with introductions by J. C. T. Oates and L. C. Harmer, Cambridge 1964. Harmer hält es für wahrscheinlich, daß Caxton nicht nur der Drucker, sondern auch der Verfasser des englischen Textes war, und zwar gerade wegen der vielen Interferenzfehler im Englischen (Se vous aves de quoy- Yfye haue whereo.f), die für die Übersetzungen Caxtons wegen seines langen Auslandsaufenthaltes charakteristisch gewesen seien. - Zu Art und Bedeutung von Caxtons Dialogues s .. Albert Streuber, "Die ältesten Anleitungsschriften zur Erlernung des Französischen in England und den Niederlanden bis zum 16. Jahrhundert", cit., Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 72 (1962), S. 45-71; Werner Hüllen, English Dictionaries 800-1700. The topical tradition, Oxford 1999, cit., S. 93-104. 6 Zusammenfassung Wir wollen nun die erste Phase der Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft noch einmal kurz im Überblick betrachten, um gleichsam über der Fülle der „Bäume" (der einzelnen Phänomene und Dokumente) nicht den "Wald" (den in diesem Zeitraum bezüglich der romanischen Sprachen gewonnenen Kenntnisstand) aus den Augen zu verlieren. Dabei kommen wir zu den folgenden Feststellungen: 1. Es finden sich kaum beschreibende Darstellungen der romanischen Sprachen, und die wenigen, die doch auftauchen, sind aus rein praktischen Gründen entstanden: Man möchte Normen für das Schreiben aufstellen oder Ausländern eine Anleitung zur Spracherlernung geben. Das Modell der Beschreibung liefert die lateinische Grammatik. Vor der Anwendung dieses Modells aber steht die Frage, ob die jungen Volkssprachen überhaupt in der gleichen Weise grammatisch beschrieben werden können, wie das Lateinische. Die Frage wird im Kreis der italienischen Humanisten ausdrücklich gestellt und affirmativ beantwortet. Die Kategorien der Beschreibung sind zunächst die lateinischen, und ihre Bezeichnungen liefern die Grundlage der entstehenden volkssprachlichen Grammatikterminologie. Es werden aber auch schon kategorielle Unterschiede zwischen dem Lateinischen und dem Romanischen bemerkt und benannt. Und es kommt zu ersten Versuchen, die Funktion neuer Kategorien des Romanischen zu charakterisieren, etwa im Falle des Artikels. Die Anfänge der romanischen Wortschatzbeschreibung entwickeln sich aus den Bedürfuissen des Lateinunterrichts und auf der Basis der mittellateinischen Lexikographie. Die diesbezüglichen Verfahren sind weitgehend empirisch gewonnen und entbehren einer systematischen Methodologie. Doch findet sich in den romanischen (meist anteilig romanischen) Glossaren des Mittelalters in dreifacher Hinsicht ein sprachwissenschaftlicher Ertrag: Erstens enthalten sie auch einige interpretierte Lemmata der grammatischen Terminologie; zweitens zeigen sie, daß gewisse Einheiten des Wortschatzes idiomatisch komplex sind, bzw. idiomatisch komplex interpretiert werden müssen (und auch, daß manche lexikalische Einheiten nicht ohne Kontext interpretiert werden können); drittens schließlich verweisen sie öfter auf unterschiedliche Merkmale einzelner Wortbedeutungen und bezeugen dadurch (freilich nach dem Vorbild der differenzierenden Synonymik der lateinischen Schultradition) eine Intuition von der deskriptiven Analysierbarkeit der lexikalischen Inhalte. 308 Zusammenfassung 2. Historische Probleme werden kaum angesprochen. Wir finden nur die Gegenüberstellung Romanisch - Latein, und zwar besonders hinsichtlich der Affirmation bzw. Ablehnung des Romanischen als Literatursprache (dies im übrigen auch nur in Italien). Bezüglich der Herkunft des Romanischen hat man eine erste vage Vorstellung davon, daß es zu einem „volkstümlichen" Latein in einer irgendwie gearteten Beziehung stehen könnte. Wenn es als aus dem klassischen Latein entstanden betrachtet wird, so werden für seine „Verderbtheit" die Integration vorrömischer Völker "Substrat") und die Barbareninvasionen der Spätantike "Superstrat") verantwortlich gemacht. Andererseits aber treffen wir auch auf die vorausgesetzte oder ausgesprochene Einsicht, daß die Sprachen stetem Wandel unterliegen. Was einzelne sprachliche Phänomene betrifft, so finden wir erste Versuche (bei B. Benvoglienti), die Herkunft der Wörter nicht „spekulativ" (sinnerschließend), sondern historisch zu erklären. 3. Ein Vergleich der romanischen Sprachen untereinander findet kaum statt. Auch haben wir keinen Hinweis auf eine umfassende Kenntnis der Zusammenhänge zwischen ihnen. Unterschieden werden höchstens (wie bei Dante) drei romanische Sprachen: die der südlichen und die der nördlichen Galloromania und die Italiens. Diese drei gelangen auch bereits (in verschiedenen Bereichen und Epochen) zu einer gewissen Profilierung als überregionale Kultursprachen. Eine rudimentäre Kenntnis der Mundarten ist bezeugt, wiederum jedoch nur in Italien. Daß über den Varietäten eine übergeordnete Einheit angenommen werden muß (gegenüber der sich die Varietäten konstituieren), wird in Italien und in der Galloromania schon zum Teil bewußt. Und es kommt . zu Versuchen der Identifizierung und Beschreibung einer exemplarischen Vertreterin dieser übergeordneten Einheit. Bei der Beurteilung der Korrektheit verschiedener umlaufender Formen findet sich gelegentlich die Feststellung, daß sie anderen Varietäten als der gemeinten exemplarischen entsprächen, daß sie aber innerhalb dieser anderen ohne weiteres „richtig" seien (daß also auch diese anderen Varietäten über eine "Richtigkeit" eigenen Rechts verfügten). 4. Was die Länder betrifft, so beginnt die Beschäftigung mit den romanischen Sprachen in Okzitanien und Katalonien. Hier stand sie im Dienste der Kodifizierung und Vermittlung der ersten romanischen Literatursprache, des Okzitanischen (Provenzalischen). Davon zeugen die Razos de trovar und der Donatz proensals aus dem 13. Jahrhundert, die frühesten grammatikographischen Versuche mit Bezug auf eine romanische Sprache überhaupt, sowie die um ein gutes Jahrhundert jüngere große inhaltsreiche Grammatik der Leys d 'Amors aus Toulouse. Zusammenfassung 309 Eine herausragende Rolle kommt in unserem Zeitraum Italien zu, dem ersten modernen Land Europas,. der Wiege des Humanismus und der Renaissance, Hier entsteht der wissenschaftliche Diskurs um die Natur der romanischen Sprachen. Schon Dante versucht sich an einer ersten Einteilung der Romania, an einem Überblick über die Mundarten Italiens und an der Identifizierung einer exemplarischen italienischen Varietät. Und ein Jahrhundert später fragt man im Kreis der Humanisten nach der Herkunft des Romanischen und nach seinem Verhältnis zur klassischen Latinität. Im Italien des 15. Jahrhunderts auch findet man erste historische Fragen zu einzelnen sprachlichen Phänomenen. Schließlich kann als die erste wirklich originelle Grammatik einer romanischen Sprache die toskanische Grammatichetta von Leon Battista Alberti angesehen werden. England gewinnt seine Rolle im ersten Zeitraum der romanischen Sprachwissenschaft in einer besonderen historischen Konstellation. Wenn das Französische auf der Insel auch kaum je den Status einer unumschränkten zweiten Muttersprache erringen konnte, so blieb es doch über eine lange Zeit hinweg die Sprache von Kultur und Bildung. Daher verdanken wir dem englischen Bemühen die ersten Denkmäler der französischen Grammatiko- . graphie. Register Index der historischen Werke Fettgedruckte Ziffern betreffen die Paragraphennennung; a bezieht sich auf Fußnotennennung. Aalma Aalma bis Aalma-Gruppe Aaron, Abbas, Abbatissa Abavus maior Abavus minor Abavus-Gruppe Aeneis, Vergil Amor, ehe lungiamente m 'hai menato, 2.4.3 68, 111 62, 65, 68, 70a, 71, 72, 73 210,235 2.4.3, 57 57 62, 71 118a, 186a, 238 Guido delle Colonne 139a An seni sit uxor dueenda, Poggio Bracciolini Aneor ehe l 'aigua per lo foeo lassi, Guido delle Colonne Antidatum, Valla Apologus II, Valla Ars disserendi, Adam du Petit Pont Ars grammatiea, Donat Ars maior, Donat, s. Ars grammatiea Ars minor, Donat, s. Ars grammatiea Ars notaria, Thomas Sampson Ars poetiea, Horaz Arte cisoria 6 tratado del arte de eortar del euehillo, Conde de Villena Arte de trovar, Conde de Villena Artes dietaminis Artes notariae Attizistenwörterbücher Brevis editio de arte predieandi, Pedro Ciruelo 162 139a 170-171,228 169-170 284,304 19,50,99, 105,279,281 19,99 19, 50, 99, 104, 105, 111, 279, 281 289 127a 239 5.1, 9 277,303 277 56 296 Index der historischen Werke Brüsseler Glossar Brutus, Cicero Buch der Gewerbe, s. Livre des Mestiers 61-62, 110 156-157 5.3.2, 274,288,306 296 68, 111 311 Cancionero, Juan Alfonso de Baena Catholicon abbreuiatum Catholicon, Balbi 58-59,62,65,68,69, 72, 73,83,84 85, 108, 201, 202 Chronicon Altinate Commentarius, John Garland Compendiosa doctrina, Nonius Marcellus Compendium studii philosophiae, Roger Bacon Conches, Abavus von Convivia Mediolanensia, Filelfo Convivio, Dante De analogia, Benvoglienti De accentibus, Pompilio De componendis cifris, Alberti De constructione, Priscian De declinatione, Meister Guillelmus De / also credita [. .. ] Constantini donatione, Valla De interpretatione recta, Bruni De interpretatione, Aristoteles De la Gaya Sciencia 6 arte de trovar, 120a 285,288 56, 106, 107 257 63, 111 166 118, 121, 123, 128a, 130a 182-191,230 176-178 193 20 86-88 169 150 183a Conde de Villena 239 De libero arbitrio, Valla 169 De lingua latina, Varro 183a De luce et visibili, Benvoglienti 182 De morali disciplina, Filelfo 166 De nominibus utensilium, Nequam 285-287, 304 De origine et antiquitate Senarum urbis, Benvoglienti 182 De re aedi.ficatoria, Alberti 160 De utensilibus, Adam du Petit Pont 284-285, 304 Deus en sia grazitz, Peire Vidal 94a De verbis romanae locutionis, Biondo 149-150, 153-157, 227 De voluptate, Valla 169 De vulgari eloquentia, Dante 3.2, 9, 117-119, 149, 158a, 192,230 Declarus, Angelo Senisio 202-203, 210, 233 312 Della famig/ ia, Alberti Della Ragian Paetica, Gravina Derivatar Dia/ ecticae libri tres, Valla Dialaga de / a / engua, Valdes Dia/ ogues in French and English, s. Tres banne dactrine, Caxton Dictianarium ex hispanensi in latinum sermanem, Nebrija Dictianarius, Ambrositis Calepinus Dictianarius, Finnin Le Ver Dictianarius, John Garland Divina Camedia, Dante Dactrina d'Acart, Terramagnino da Pisa 160-161, 194 159 2.5.4 169 295 268,274,294,299,306 253,298 59a 2.4.3, 81, 105, 254 284a, 287-288, 304 125-127,238 28-30, 103 112 5.3.5, 50, 300 2.3, 111 Register Dactrina/ e, Alexandre de Villedieu Danait.fran9ais Donatübersetzungen, altfrz. Danatz Praensa/ s, Uc Faidit 9, 19,20-27,32,33,88-89,92,93, 94,95,97a,98,99-102, 115,220, 248a, 308 Douai, Abavus von Dreita maniera de trabar, Raimon Vidal, s. Razas de Trabar Elegantiarum latinae / inguae / ibri VI, 61, 62, 110 21 Valla 169, 170,171,228,248, 251a Elementarium dactrinae rudimentum, Papias 58, 68, 71, 108, 201, 255 Enneades sive Rapsadiae histariarum, Sabellico 180-181 Entree d'Espagne 120, 143 Estaires de Venise, Martin da Canal 120, 142 Etymalagiae, Isidor von Sevilla (s. Origines Evreux, Abavus von Ex libro prima natatianum Pauli Pampilii Farnesina-Handschrift, s. Verbarum significatu Femina Festus-Epitome, s. Verbarum significatu 56, 106, 107 62, 110 175-176 106 293,305-306 54-55, 106 Index der historischen Werke Floretus Flors del Gay Saber Franciscus Philelphus Laurentio Medici Franciscus Philelphus Sphortiae Secundo Gesprächbüchlein romanisch und flämisch Giunte alle Prose de/ Bembo, Ludovico Castelvetro Glosario de Palacio Glosario de Toledo Glosario de/ Escorial Glosas Emilianenses Glosas .Silenses Glossar, frz.-frz., Brüssel, s. Brüsseler 2.5.4 31 166-168 166 265-268,299 159 251-253,297-298 251-253,297-298 251-253,297-298 251 251 Glossar 61-62, 110 Glossar, frz.-lat., Montpellier 73-76, 309 Glossar, frz.-venet., z. Le regime du corps Glossar, gr.-sizilian. Glossar, hebr.-neapolitan.-arab., s. Maqre Dardeqe Glossar, it.-arab. Glossar, it.-gr., Monza Glossar, lat.-bergamask., Bergamo Glossar, lat.-bergamask., Padua Glossar, lat.-frz., s. Vatikanhandschrift, Abavus d. 220-221, 237 220,237 220,237 211,235 211,235 209,234 207-209,234 62,110 Glossar, lat.-frz., Conches, s. Conches, Abavus v. 63, 111 Glossar, lat.-frz., Evreux, s. Evreux, Abavusv. Glossar, lat.-frz., Glasgow Glossar, lat.-frz., Harley 2742 Glossar, lat.-frz., Hs. Digby 172 Glossar, lat.-frz., Oxford Glossar, lat.-it., Goro d'Arezzo Glossar, lat.-it., Inguibertine von Carpentras Glossar, lat.-it., Jacopo Ursello da Roccantica 62, 110 283,304 283 8 60 283,304 205,233-234 210,235 210,235 313 314 Glossar, lat.-it., Padua Glossar, lat.-it., Perugia Glossar, lat.-kat., Ms. 139 Ripoll Glossar, lat.-lombard., Jacobus de Calcinia Glossar; lat.-pt., Alcoba~a Glossar, lat.-trientin. Glossar, okz.-it., Laurentiana-Handschrift Glossar, umbr.-lombard., z. den Lauden des Jacopone da Todi Glossare, älteste lat.-it. Glossare, frz.-engl. Glossare, hebr.-frz. Glossare, hebr.-kat. Glossare, lat.-frz. Glossare, lat.-frz., Tours Glossare, lat.-frz.-engl. Glossare, lat.-volgare, 15. Jh. Glossare, mail.-florentin., Benedetto 210,235 203,233 248 209 5.2.3 234 2.5.3, 20, 95, 100, 220 221,237 4.5.2 305 60, 86a, 109-110 248 60,61,62, 109,110 60,109 293,305 207-210,234 Dei 221-223,237 Glossario .filosofico ebraico--italiano, Moses von Salemo; Isaias von Salemo Glossarium Glossarium Ga/ lico--Latinum Glossarium Salomonis Graecismus, Evrard de Bethune Grammatichetta, Alberti Hermeneumata Hermeneumata Pseudodositheana 219,237 2.5.4 76-81, 112-113,249 57 73,112 4.4, 227, 233 57,211,260 57, 107 Historiarum ab inclinatione Romani imperii Decades 3, Flavio Biondo 150 Historiarum Ferdinandi regis Aragoniae libri III, Valla Historiarum Florentini populi libri XII, Bruni ldiomata lll. Principi Leonello Marchioni Estensi, Guarino Veronese 11 Morgante, Pulgi 169 150,226 57 162, 167 8 , 174 8 ,227-228 192 Register Index der historischen Werke In Novum Testamentum adnotationes, Valla 169 lnstitutio oratoria, Quintilian 164, 165a lnstitutione della grammatica volgare, Trifone Gabriele 199-200 lnstitutiones, Priscian lntroductiones Latinae, Nebrija It.-dt. Sprachlehrwerk, Georg von Nürnberg ltalia illustrata, Flavio Biondo Kasseler Glossen Lauden, Jacopone da Todi Laurentiana-Handschrift, s. Glossar, okz.-it. Laurentii Vallae opera Lectiones in Librum Sapientiae Salomonis, Holcot 20, 38a, 43a, 99, 184a, 187a, 189a, 195 253,298 211-215, 236 150, 157-158,226 59, 210-211 221 2.5.3, 95 171a 289a 253,298 315 Lexicon ex sermone latino in hispaniensem, Nebrija Leys d'Amors 2.2, 9, 29a, 50, 117, 240, 243a, 245, 259, 265a, 308 Livres dou Tresor, Brunetto Latini 119 Liber Donati, s. Manieres de langage 302-303 Liber Elegantiarum, Joan Esteve 248-251, 297 Liber glossarum 57, 58, 107 Livre des Mestiers 5.3.2, 274,288,306 Lo miraylls de trovar o de versificar o de rimar, Beringuer de Noya 239 Los doce trabajos de Hercules, Conde de Villena 238 Lucidina, Bartolomeo Sachella 204, 233 Magnae Derivationes, Hugotio 58, 69, 108, 114,201,202 Mail. Wortliste, Benedetto Dei 223,237 Maius volumen, Priscian 20 Maniere de langage, älteste engl. 5.3.4, 300, 302 Manieres de langage 57,260,277,300, 302-303 Maqre Dardeqe 220,237 Milione, Rustichello da Pisa 120 Minus volumen, Priscian 20 Montpellier, Glossar v. 73- 76, 112 316 Nominale sive Verbale in Gallicis cum expositione eiusdem in Anglicis Opus maius, Bacon Oratio, Poggio Bracciolini Orator, Cicero Origines, Isidor von Sevilla Orthographia gallica Papias vocabulista, s. Elementarium doctrinae rudimentum Paris, Abavus von Perugia, Glossar von Poggii Florentini opera Priscian-Kommentar, Petrus Helias Priscianus maior Priscianus minor Pr6logo a las obras de Fray Luis de Le6n, Quevedo Pseudo-Cyrill Pseudo-Philoxenus Purgatorio, Dante Quaerit an vulgus [. .. ], Leonardo Bruni Quinque linguarum [. .. ] Vocabulista (s. Vocabularius valde necessarius Razos de trobar, Raimon Vidal Regime du corps, Aldobrandino da Siena Reg/ es de trobar, Jofre de Foixa Regole della lingua.fiorentina Reichenauer Glossen Rerum venetarum [. .. ] libri XXXIII, Marcantonio Coccio (Sabellico) Rhetorica, Aristoteles Ryght good lemying, s. Tres bonne doctrine, William Caxton Rimarium, Donatz proensals Rimarium, Jaume March Roma instaurata, Flavio Biondo Roma triumphans, Flavio Biondo 293,305 258,259,299 169 154 56, 106, 107 5.3.3, 52 58,108 63, 65,110 203,233 163,228 99, 156a 20 20 239a 57, 107 57, 107 120 150-153 219a Register 9, 19,20-27,31,33,92,99-102, 104, 115, 240 8 , 308 220-221,237 27-28, 39a, 44, 102-103 192 59 179 154a 268,274,294,299,306 2.5.2, 22, 26, 32, 93, 97a, 99, 100, 248a 248a 150 150 Index der historischen Werke Sachgruppenglossar, lat.-volgare, Giovanni Battista Valentini Sachwörterbuch, lat., San Millan de la Cogolla Satyrae, Filelfo Senher n 'Aymar, chauzes de tres 210,234 251a 166 baros, Raimbaut de Varqueiras 95 Solenissimo vochabuolista, s. Sprachführer, dt.-it., Adam von Rottweil 215-219, 236--237 Sprachführer, dt.-it., Adam von Rottweil Suda Suidas, s. Suda Summa Britonis, Guillelmus Brito Summa grammaticalis, Guillelmus Summa grammaticalis, okz. Glossen in der Summa quae vocatur catholicon, 215-219,236-237,261 56,107 56, 107 69, 73, 108 2.5.1 2.5.1 Balbi (s. Catholicon) 58 Summa super Priscianum, s. Priscian- Kommentar, Petrus Helias 99 Tertiae convivalis historiae disceptatio, Poggio Bracciolini 162, 163-165, 169, 172-175 Thesaurus Cornucopiae et Horti Adonidis 179 Torsimany, Lluis d' Aver~o 45, 104, 248a Tours, Glossare von 60, 109 Tractatus orthographie gallicane 5.3.3 Tres banne doctrine, William Caxton 268,274,294,299,306 Tretiz pur aprise de langage, Walter von Bibbesworth 284a, 289-293, 305 Un petit livre pour enseigner ! es enfantz de leur entreparler comun francois 300 Universal vocabulario, Alfonso de Palencia 58, 253-255, 298 Vatikanhandschrift, Abavus der 62, 110 Verblisten, Donatz Proensals 2.5.2, 99, 100 Verborum significatu, Verrius Flaccus 54-56 Vidas 92 Vita nuova, Dante 118, 121, 144 317 318 Vocabolario latino-volgare, Leonardo da Vinci Vocabolista Ecclesiastico latinovolgare, Giovanni Bemardo Vocabolista, Luigi Pulci Vocabulair pour aprendre Romain et Flameng Vocabularium breve, Gasparino Barzizza Vocabularium vulgare cum latino 204,233,237 210,235 223-224,237 268,299 206-207,234 apposito, Nicola Valla da Girgenti 210,235 Vocabularius breuidicus 68 Vocabularius familiaris et compendiosus 72-73, 81, 111 Vocabularius valde necessarius per mundum versari cupientibus 219 Vochabuolista, s. Sprachführer, dt.-it., Adam von Rottweil 215-219, 236-237 Wörterbuch, breton.-frz.-lat., Jean Lagadeuc 2.4.5 Zehnredner-Wörterbuch, Valerius Harpokration 56, 107 Register Index der historischen Namen Alternativ belegte Namensformen erscheinen eingerückt; a bezieht sich auf Fußnotennennungen; fettgedruckte Ziffern betreffen die Paragraphengliederung. Adam du Petit Pont Adam Parvipontanus Adam von Balsham Adam von Rottweil Alberti, Leon Battista Aldobrandino da Siena Alebrant von Siena Alexandre de Villedieu Alexander de Villa Dei Alfons der Weise Alfons V. von Arag6n Arat Aristophanes von Byzanz Aristoteles Augurello, Giovanni Aurelio Bacon, Roger Balbi, Johannes Balbi, Giovanni Balbus, Johannes Barton, Johan Barzizza, Gasparino Bembo, Pietro Benvoglienti, Bartolomeo Beringuer de Noya Bernardo, Giovanni Bernart de Ventadour Bertran de Born Berzoli, Pietro Biondo, Flavio Boccaccio, Giovanni Bonagiunta da Lucca Bruni, Leonardo 284-285,304 215-219,236-237,261 4.4, 150, 160-161,227,233,309 220-221, 237 112 238,295 169 179 56 154a, 183 200,232 5.3.1, 43a 58-59, 62, 65, 68, 69, 84a, 108,201, 202 278,282,303 206-207,234 9,143,159,230,232 4.3, 308 239 210,235 24 24 20,92-93 9, 149-151, 153-159, 161, 162, 163, 166,167,168,173,180, 192,226-227 168 140 9, 149-153, 157, 158-159, 160, 162, 163, 166, 167a, 170, 172, 188, 194, 226-227 320 Buvalelli, Rambertino Laelius, Gaius L. Calepinus, Ambrosius Camerte, Vaiino Favorino Castelvetro, Giovanni Maria Castelvetro, Lodovico Caxton, William Chrysoloras, Manuel Ciccho, Asculano Cicero, Marcus Tullius Cigala, Lanfranco Cino da Pistoia Ciruelo, Pedro Cleofilo, Ottavio Coyfurelly, M. T. Dante Alighieri Decembrius, Petrus Candidus Dei, Benedetto Dolce, Danilo Domenico de Lapi Domenico di Bandino (Bandini) Donatus, Aelius Dorpe, Roland vanden Ennius, Quintus Esteve, Joan Estienne, Robert Bugen IV., Papst Evrard de Bethune Eberhardus Bethuniensis Fabruzzo ed Onesto Faidit, Uc Ferrer Torrella Festus, Sextus Pompeius Filelfo; Francesco Fiocchi, Andrea Firmin Le Ver Fortunio, Gian Francesco Garland, John Johannes de Garlandia 120 156 59a 179 159 9,159 268,274,294,299,306 165 168 Register 154,15~157,166, 168,170,173,238 120 133, 140 296 175,229 271,300,301 3, 9, 17, 58, 149, 156, 158-159, 168, 178, 179, 181, 191, 192, 225, 226, 230,238,308,309 210 221-223,237 9 216 205,233,234 19-20,50,99, 103, 104-105, 111, 279,281 268 172 248-251,297 83, 84a 149,160 73,112 139 9, 19, 20, 98, 101 249 54-55, 106 9,150, 165-168,228,234 149 2.4.3, 81, 82, 105, 113, 254 9 284a,285,287-288,304 Index der historischen Namen Garrone, Francesco Gaucelm Faidit Gellius, Aulus Georg von Nürnberg Ghislieri, Guido Giovanni di Monferrato Giraut de Borneil G6mez de Castro, Alvar Goro d'Arezzo Gravina, Gian Vincenzo Guarino, Battista Guarino Veronese Guido [Cavalcanti] Guido delle Colonne Guilhem de Cabestanh Guilhem Molinier Guillaume le Tailleur Guillelmus Brito Guinizelli, Guido Guittone d'Arezzo Harpokration, Valerius Helias, Petrus Holcot, Robert Horatius Flaccus, Quintus Hrabanus Maurus Hugutio von Pisa Hugotio von Pisa Uguccione da Pisa Hutten, Ulrich von Innozens III., Papst Isaias von Salerno Isidor von Sevilla Jacme II. von Arag6n Jacobus de Calcinia Jacopo Ursello da Roccantica Jacopone da Todi Jofre de Foixa Jaufre de Foixa Johannes de Senolheto Jean de Senolht Jean de Senolhet 219a 24 285 211-215,217,236 139 118 24 239,295 205,233-234 159 178 9, 161-162, 167a, 174a, 178, 227-228 140 139a 93 31-48 72, 111 69, 73, 108, 110 139, 140 140 56,107 99, 156a 289 127a 211 58,69, 108,114,201,202 169 58 219 56, 106-107 28 209 210,235 221,237 27-28,39a,44, 102-103 95 321 322 Juan Alfonso de Baena Kekaumenos Lagadeuc,Jean Landino, Cristoforo Lapo [Gianni] Latini, Brunetto Leonardo da Vinci Lluis d' Aver~o Loschi, Antonio Magister Guillelmus Manuzio, Aldo Manutius, Aldus March, Jaume Marsuppini, Carlo Martin da Canal Martino da Canale Medici, Lorenzo de' Medici, Piero di Cosimo de' Molinier, Guilhem Moses von Salerno Nebrija, Elio Antonio de Nequam, Alexander Neckham, Alexander Nonius Marcellus Osbern von Glocester Ovidius Naso, Publius Palencia, Alfonso de Papias Paulus Diaconus Peire Cardenal Petrarca, Francesco Photios Pisano, Gallo Plautus, Titus Maccius Poggio Bracciolini, Gian Francesco Poliziano, Angelo Polo, Marco Pompilio, Paolo Priscianus Caesariensis Pulci, Luigi 296 174a 2.4.5, 98 192,231 140 119, 142 204,233,237 45, 104, 248a 149 86-88 107,175, 178-179,229 248a 163 120,142 166,192,231 160 31-49 219 8,9,253,298 284a, 285-287, 304 56, 106, 107 58 179 58,253-255,298 Register 58, 61, 62, 68, 69, 71, 108, 201, 202, 255 55, 106 93 168, 186a 56, 107 140 152 9, 149, 150, 162, 165, 166, 167, 168, 169, 172-175,226,228 192 120 175-178, 189a, 229 20, 38 8 , 43, 45, 46, 99, 156a, 184a, 187a, 189a, 191,195,231 192,223-224,237 Index der historischen Namen Quevedo y Villegas, Francisco G6mez Quintilianus, Marcus Fabius de Raimbaut de Vaqueiras Romano, Cencio Rustichello da Pisa Sabellico Coccio, Marcantonio Sachella, Bartolomeo Salutati, Coluccio Sampson, Thomas Scipio, Publius Cornelius (Aemilianus minor) Senisio, Angelo Sidonius Apollinaris Sordello Terentius Afer, Publius Terramagnino da Pisa Thomas von Aquin Tolomei, Claudio Tommaso Ridolfi, Giovanni di Tranchedino, Nicodemo Trifone, Gabriele Trissino, Gian Giorgio Uc de St. Circ Valdes, Juan de Valentini, Giovanni Battista ·Cantalicio Valla da Girgenti, Nicola Valla, Lorenzo Laurentius Vallensis Varchi, Benedetto Varro, Marcus Terentius Vergilius Marcus, Publius Verrius Flaccus, Marcus Vidal, Peire Vidal, Raimon Villena, Marques de Walter von Bibbesworth Zorzi, Bartolomeo 323 239, 240 8 , 296 164, 165 8 93,95 149 120 179-181 204,233 162,163 289 156 202-203,210,233,235 60 120,143 19, 152 28-30, 103 125 8 9 223 210,235 199,232 9, 119, 143, 232 101 9,295 210,234 210,235 168, 169-171, 175,228,248,251 8 9 183,285 19, 118a, 186, 238 54-56 93,94 8 9, 19, 20, 21, 24, 27, 30, 93, 101, 240 8 5.1, 9, 17 284 8 ,289-292,293,305 120 Sachindex Fettgedruckte Ziffern beziehen sich auf die Paragraphengliederung, a bezieht sich auf Fußnotennennungen. Abfrageform in der Ars Minor Ablativ acort Adamitische Sprache Adjektiv substantiviertes - Artikel beim omnis generis Adverb, als Redeteil Adverbialpronomen Adverbio, tt. it. Affirmativpartikel, frz. Akkusativ Aktiv Akzente, graphische im lt. Alphabetische Anordnung, in Glosso- und Lexikographie Analogie Analysierbarkeit der Wortbedeutungen Analytischer vs. synthetischer Ausdruck von Kategorien Anglistik Anglizismen in den Manieres de langage Anglonormannisch Anrededifferenzierung Appellativa, tt. it. Apulisch Arabisch Aramäisch Archaismen Ars grammatica Artes dictaminis 19,279 35,37 28, 29a 126-128 . 34,188 42,188 70,71 19,23 196 195 181, 275a 40,41, 188 34,46 223 54, 56, 58, 59, 60, 61, 65, 69 73, 74, 76, 78,83,86,93,210,249,251,252, 255 183, 188 307 35 6a 277,306 269,273,277,284,293,309 135,276,277 195 139 53, 106,211,257 257 54,55 19, 20, 53 277,303 Sachindex Artes notariae articholo, tt. it. article, tt. okz., in den Leys d'Amor articulus, tt. lat. Artikel - Beleg des tt. fehlende Behandlung - Funktion - Funktion und Form im lt. imOkz. Artikulatorische Phonetik Artikulatorische Unterschiede assertivo, tt. it. asseverativo, tt. it. Attizistenwörterbücher Aussprache, Art, klimatisch bedingt Aussprache des Frz. des lt. des Lat. Babylonische Sprachverwirrung bandiera Barbarenthese Barbarismus, Priscian Barbarismus Bedeutungsdifferenzierende Lautunterschiede Bedeutungswandel Begrüßungsformeln Bejahung, frz. Bejahungspartikel Beredsamkeit Bergamaskisch Berufsbezeichnungen Beschränktheit menschlichen Wissens, Topos der Betazismus "Böhmisch" Bolognesisch Bretonisch 277,289 195 45 45 28 23 40-43, 188,259,307 187, 188, 196, 198 28, 36,37, 39, 40-43, 45 183,191,241,242,280 26,32 195 195 56 241 271,272,274,280 199,217-219 176-178 12~ 127,130,185,191 199 157, 158, 159, 161, 162, 168, 171, 173,177,308 20 31,199 187 185 261,267,303 281 130-132, 137 152,154,164 179,206,207,209 261,263,265 264 189 219a 138, 140, 141, 180 2.4.5 325 326 Brückensprache, Frz. als Burgundisch caso, tt. it. Certame Coronario certanetat "Chaldäisch" claritas compositio compositione, tt. it. composito, tt. it. con(g)iugazione, tt. it. conceptiones coniunctione, tt. it. Consistori de la Gaya Sciencia cors, tt. okz. Deklination it. lat. okz. Demonstrativpronomina frz. lat. Deponens derivatio descort Deutsch Deutschunterricht Diacritica, graphische b. Alberti Dichterethik dictum vulgare Diglossie Dolce Stil Novo Emilianisch enars, tt. okz. Englisch Erkenntnis, Wesen der Estreit, tt. okz. Etymologie Etymologien etymologische Fragestellung, Anfänge der Euphonie 288 258 195 160,194,227 41,43 257 172 203, 195 195 195 124 195 31, 103-104, 240 30 35-38,44,86,280 197 38,166 21,35-38 280,281 45 34 203 29a 136, 4.5.4 211-219 193-196 32 22 228-229 133, 139, 141 180, 204a, 210 30 219,283-294 182 26 7, 10, 37 37, 56, 58, 4.3, 308 7, 10, 182, 308 188 Register Sachindex expositio Fachglossare Femininum Ferraresisch figura Figuren, rhet. fiktiver Dialog Fingierte Mündlichkeit Fischnamen Flämisch Fondaco dei Tedeschi Franci franco--italienische Literatur Französisch - Autonomie - Brückensprache - Einheit oberhalb der Varietäten exemplarische Varietät des ~en - Grammatikfähigkeit des ~en in Italien internationale Geltung - Kultursprache - Literatursprache - Schriftsprache - Sprachbezeichnung - Sprache der Gesetzgebung - Varietäten - Verhältnis zum Italienischen - Verhältnis zum Lateinischen Französischlehrbuch, ältestes Französischunterricht Fremdsprachendidaktik Friaulisch gallicanus Galli Gallici gallicus gallikanische Varietät Gemeinsprache 203 60,283 34 137, 180 45 32 214,279 303 276 219, 5.3.2, 299 211 131 119-120 2.3, 2.4, 119, 120, 176,177,219, 220-221, 248, 5.3 258,273,289 288-289 258,273 258,273-274 156a 119, 120 120,289 289,309 24,59, 119,120,278 59,278 258,273 278 258,273 132 66,288-290 265 5.3 52, 83, 89, 203, 204, 4.5.3, 4.5.4, 5.3.2, 5.3.3, 5.3.4, 5.3.5, 288-289, 290,291,292,307 136, 137 258,271-274 176,177 258 258,273 273,274 129 327 328 gendre real vs. gendre vocal generalitat Generationentheorie Genus verbi commune Genus it. lat. okz. roman. german. Etyma im lt. Germanenthese Germanistik gerundio, tt. it. Gesprächsbücher Glossare vs. Wörterbücher Glosse, tt. Glossographie, s. Glossare Glossographie, germanische vs. romanische Gorgia toscana griechische Grammatikographie griechische Lexikographie grammatica "Grammatikfähigkeit" der roman. Volkssprachen Grammatikographie, Anfänge der französischen italienischen okzitanischen spanischen grammatikographische Terminologie s. Terminologie, grammatische Grammatikunterricht grammatische vs. lexikalische Bedeutung Grapheme dt. sp. Graphemik 33 41, 43 159 34,35,46 199 25,199 23,25,28,33,34,38,45 33 184,186,190,199,201 159 6a 195 57, 4.5.4, 5.3.2, 5.3.4 2.4, 2.5, 4.5, 5.2, 5.3.6 57,58 54 59,86 223 20 56,57, 107 129, 130, 156, 158 . 155, 156, 192, 307 Register 7-9, 10, 19,22,50,53, 192,257,278, 308 2.3, 5.3.5 4.4 2.1, 2.2 5.1 19,20,50,260,278 53 218 241-242 217 Sachindex Graphie im Französischen im Okzitanischen im Spanischen Gräzismen, im lt. Griechisch habitudo habitut Hebräisch Heilige Schrift Hermeneumata Hiatus Historische Grammatik historische Sprache Homonyme Homonymendifferenzierung Homonymglossare Homophonie Humanismus Humanistendebatte Hybridbildungen, engl.-frz. Hyperonyme Idealismus Identität der Begriffe ldiomata Imola, Mundart von Impersonale, tt. it. Impersonalia, frz. Individuierung, durch den Artikel Indogermanistik interdialektale Glossographie Interjektion Interrogativpronomen, it. kat. lnventio italicus Italienisch, Volgare italiano 5.3.3 32,33 240-247 188 329 20, 56, 57, 107, 129, 130, 131, 156, 167, 179, 182, 184, 185, 186, 187, 188, 189a 190, 191, 211, 220, 257, 259 44 36-45 109-110, 125,127,219,220,257 125-128, 183, 257 57,211,260 36,188 12 156 47,66a,90,97,208,235,272,273, 291 47,273 208-209 196 4,309 4,160,194,307 287 58 6a, 12 4 57 137 195 280 43,259 6a 221-224 19,23 196 249 32 182, 191 3,~117, 119,121,122,129, 13~ 140-141, 153, 154, 156, 157, 158, 330 - Aufwertung - Aussprache - Bewertung - Ebenbürtigkeit mit dem Lateinischen, Griechischen - Entstehung - Exemplarische Varietät - Gemeinsprache - Grammatikfähigkeit - Graphie - Koine - Literatursprache Register 160, 164, 167-168, 170, 171, 176, 180, 182, 184, 191, 4.4, 4.5, 248 121, 160, 194 199,217-219 132, 133, 180, 181 182,191 153,156,157,158,171,182,190, 198-199 138-141, 309 182 155, 156, 192 193,196, 197,217,222-223 221 117, 118, 121, 133, 136, 138-141, 171,223 - Nationalsprache 117 - Regularität 155, 156 - Schriftsprache 141, 181, 224 - Sprachbezeichnung 182, 191 - Sprachgebrauch, Beobachtung des 195 - Varietäten 124, 128, 133-138, 179-181, 191, - Verhältnis zum Französischen - Verhältnis zum Griechischen - Verhältnis zum Lateinischen - Verhältnis zum Provenzalischen - Verschriftlichung Italienischunterricht Jocs jlorals Kalabrisch Kasus it. okz. Katalanisch Kodifizierung des Okz. Kohärenz, logische Kommutation Komparation Komplexe Lexien Konditional, it. 201,217,221,222,223,309 121, 122, 132 187,188 119,121,122,132,160, 166-168, 170 121, 122, 132 141,221 4.5.4 239 179 25, 28, 29, 35, 36, 38, 39, 44, 51, 52 197 25,28,29,44 19,20,27,28,33, 103,104,177,219, 239, 5.2.1 19, 46,308 46 32 35,212 307 197 Sachindex Kongruenz, des Genus, Numerus, Kasus Konjugation Konjugatiönsklassen it. lat. okz. Konjugationstafeln Konjunktion Konjunktiv, it. Konservative Romanität des Okzitanischen des Rumaänischen des Spanischen Konstantinische Schenkung Konstantinopel, Fall von Konstanzer Konzil Kontamination des Lat. Körperteile, Bezeichnungen der Kulturzentren Ladinisch Lautgesetze Lautlehre Langobardenthese Langued'oc Larg, tt. okz. largo, tt. it. Latein - Aussprache - Barbarismen - Einheitlichkeit - Erneuerung im Humanismus forensische Rede - Geschichte des Lateinischen gesprochene Sprache grammatica, ,grammatische Sprache', ,Kunstsprache' - Grammatikagraphie - Graphie - Korrektheit 28 24,183,191,241,280 198 24,25 24,25 278, 293a 19,23, 196 195 96 174 164, 173, 174a, 176 169 178 162 156,157,161,162,168,171,172, 175,180 211,212,261,262,275 190 136 6a 331 31,193,196, 197,217-219,241-247, 279 157, 158, 159 24, 26, 31, 46, 132 26 26 4.1 89,161, 176-178, 183-184 20, 156, 161 4.1 169,171,201,204,249,254 152, 154, 164, 166 162,173 4.1, 172 129,149,151,153,156, 158j 170 19-20 157,171,269 154-156, 161,164,165 332 - Kultursprache - Lexikographie literarische Blüte - Literatursprache mündlicher vs. schriftlicher Gebrauch - Niedergang - Regelhaftigkeit des vulgare - Reinheit - Schriftsprache - Sprachbeherrschung - Sprache der Lexikographie - Sprache der Gebildeten - Sprache der Verwaltung - Sprache der Wissenschaft - Sprachgebrauch - Sprachpflege - Stil - Umgangssprache - Variation - Verderbnis - Verhältnis zum Griechischen - Verhältnis zum Volgare italiano - Vulgärsprache, Vulgare Lateinunterricht Latini Latinismen Latinität Latium vulgare Lautwandel Lehnwortaufnahme lemosi Lemglossare lexikalische Bedeutung ihre Natur unterscheidende Züge 53 53-56 162 Register 119, 150, 152, 154-155, 158, 161, 166,167,168,228,308 152-153 82,160,161,170, 171-173 151, 152, 154, 155 173 150-153, 155, 160 151, 152, 153, 160, 161, 170, 194, 195 2.4 132,150, 152-154, 165,194,195 53 53,166 156, 163, 164, 165 156, 171 150,171,249,250 149,158,163,173,194,195 156, 161 157, 161, 162, 168, 171, 172, 177, 180,308 185, 187, 188, 190 121, 132, 133, 153, 156, 158-159, 160,166,170,174,175 8,9, 132, 149-156, 158,166,167, 168,170,171,172,308 19,50,53,64, 73,83,84,88,97,204, 248,254283,284,288,289,307 131, 133 48,61,62,223,224 154, 155, 161, 169,191,309 140, 141 179,185, 18~ 189,191,222,247 173, 175, 186, 190 23-24 4.5.3, 248 53,54,307 71,209,307 Sachregister 333 Lexikographie - Anfänge der Anfänge der frz. Anfänge der it. Anfänge der kat. Anfänge der okz. Anfänge der roman. Anfänge der sp. einsprachige 7,9,53,54,57,58,62,82-83,251,307 9, 2.4, 5.3.6 Geschichte der romanischen gr. lat. Methodologie der Limousinisch Linguistische Historiographie s. Sprachwissenschaft, Geschichtsschreibung Literarische Gattungen Literaturwissenschaft locutio secundaria locutio vulgaris Logizismus Lombardisch Lyrik, italienische Mailändisch Manieres de langage s. Gesprächbücher 4.5 5.2.1 2.5 23 9, 5.2.2 53-59,61,62,97,223,224 23,54,57,86,95 56 53-59 53 23-24,27,246 lla, 23-24, 31, 120 7, 12 129,130 129, 130, 132 46,47 134, 190, 204a, 209, 221 121, 139-141 179 Marken, Mundart der 210 Merkverse 64, 68, 71, 74, 88, 112, 291 Metadiskurs in den Gesprächbüchern 262-268 Metasprache, grammatische s. Terminologie, grammatische Metasprache, lexikalische 64, 66, 70, 72, 80, 89,253,282 metasprachliche vs. objektsprachliche Bedeutung 282 Minimalpaar 32 Modellhaftigkeit der antiken Lexikographie der Ars minor der lateinischen Grammatik der Razos de trobar des Donatz proensals 53 19, 22,279,281 23, 26, 31, 33, 307 31 27 334 Modenesisch Modisten modo asseverativo, tt. it. Modus monosillabo, tt. it. Morphologietraktate Musterdialoge, s. Hermeneumata, Gesprächbücher nasal beeinflußte Vokale im Okzitanischen Natur d. roman. Sprachen Neapolitanisch Neutrum [,Intransitivum'] Neutrum nome proprio Nomen Nominaldetermination Nominalia Nominalkategorien Nominativ Norm, deskriptiv Norm, präskriptiv Norm vs. System numero, tt. it. Numerus, Okz. Objektsprache Obliquus oc, Bejahung oi"l, Bejahung Okzitanisch - Sprache der Dichtung - Verhältnis zum Lateinischen Orthoepie frz. okz. Orthographie anglonorm. frz. it. - Kriterium der Adäquatheit - Kriterium der Ästhetik 137 50a, 282 197 23,45,51,279 195 260 32 118, 122, 124, 309 179 34 25,33,34 195 19, 23, 28, 36, 37, 189 39,40,42,43,44 260,261,275,293 51 38, 40, 41 Register 27, 28, 34, 46, 47, 48, 56, 89, 156, 194,267,268,273,277,279 46-49, 164 268 195 23,28,38 282 25,20,38 131 131 2.1, 2.2, 2.5 8, 19,23,24,26,29, 119,120,132,308 20,24,25,35,36,38,46,96 270 270,271,274 32,33 52,59,307 269 5.3.3 211 274 274 Sachregister - Kriterium der Exemplarität - Kriterium der Kohärenz - Kriterium der Tradition Orthographieanleitungen Paduanisch Papstexil Paris, Mundart von Paronyme partes orationis s. Redeteile Partizip Passiv Passiva, tt. it. Perfekt, okz. periphrastische vs. synthetische Formen Personalpronomina, Syntax frz. "philologisches" Interesse für die ro~ 274 274 32, 260, 5.3.3 137, 180 149,160 258 286,291 19, 23 35,25,46 195 48 35 280,281 manischen Sprachen, erste Symptome 222 Philosophie 44, 50a, 182,257,282 phon.-graph. Entsprechungen im Französischen im Sp. Phonetik, Anfänge der Phonologie Phraseologismen Piemontesisch Pikardisch Plenisonante, tt. sp. plenissonans, tt. okz. Plural Pluralis maiestatis Poetik Polnisch Portugiesisch, Anfänge d. Gramma- 270,271,272,274 ,242-247 9 32 213,214,215,217,222,276,307 136 72,119,258,260,265,273 240,245-246 32-33 23,47 274 9, 19, 20, 22, 27, 29, 31, 32, 49, 89 219a tikographie 9 Portugiesisch, Anfünge d. Lexikographie 5.2.3 Prädetermination 44 Präfixe, it. 198 Präposition 19, 23, 37, 45, 51 it. 198 - und habitut 37 preterito, tt. it. 195 335 336 preterito perfetto, tt. it. preterito quasi teste, tt. it. Prinzip der Veränderung, Dante Priscian-Kommentare proensals Proformen des Verbs Pronomen Prosodie Provenzalisch, s. Okzitanisch Questione della lingua Reatinisch Rectus Redeteile it. Redeumfelder Reflexivkonstruktionen Regelbeschreibung Reimbildung relativo, tt. it. Relativpronomen Repetitiones Rhetorik Rolandsstoff Romagnolisch romana locutio romanr; romanicus Romanisch - Autonomie - Dreiteilung d. Sprachgebietes - Einheit - Entstehung - Exemplarische Varietäten - Grammatik der Roman. Sprachen - Herkunft - Klassifizierung - Kodifizierung - Korrektheit - Kultursprachen - Literatursprache - Varietäten - Verhältnis zum Lateinischen 195 194,197 125-129, 159 20,99 23,24 281 19, 23, 41, 43, 196, 293a 31 Register 49, 117-119, 124, 138-141, 142 210 25, 30, 38 19, 20, 23, 26, 31, 51, 189, 195 195 42 46-47 47,52,268,272,279 22,26,32,33 195 196,249 58 9, 20-21, 31, 119, 152, 154, 164 120 137 157 28, 119 273 130 258 131-133,308,309 308 10, 158, 130, 132, 173 308 8, 12 9,132,170,171, 174-175,308,309 9, 11, 308, 309 308 308 308 8,132,308 308,309 309 Sachregister Römisch Rumänisch Sachgruppen des Wortschatzes - Commentarius, John Garland - De nominibus utensilium, 135, 137, 164, 179, 180, 181 11, 174-176 288 Alexander Nequam 285-287 - De utensilibus, Adam de Balsham 284-285 - Dictionarius, John Garland 287-288 lat.-bergamask. Glossar (Padua) 207,208 lat.-it. Glossar, Goro d'Arezzo 205 lat.-volkssprachl. Glossar (Fabriano, Fermo, Florenz, Assisi) 210 - Livre des mestiers 261-265 - Solenissimo vochabuolista, Adam von Rottweil - Sprachlehrwerk, Georg von Nürnberg - Tretiz pur aprise de langage, Walter von Bibbesworth - _Vocabularium, Barzizza Sachgruppenglossare Sammelglossare Sardisch Satzphonetik Scholastik Schulgrammatik, lateinische Schulwörterbücher Semisonante, tt. sp. sermo litteralis sermo maternus sermo rusticus Sexus 216-217 211-212 289-293 207 54,203, 4.5.3, 251a, 283 54,57 136, 176 55,270 127a 19 2.4.3, 4.5.3, 5.2.1 240,245-246 166 166 187 33 131 23,47 337 si, Bejahung Singular si-Sprache Sizilianisch Slavistik Spanisch 131 137,138,139,141,179,202,210,220 6a - Autonomie - Graphie - Phonie species 164, 176,181,219, 5.1, 5.2.2 253 240-247, 252 240-247 43,45 338 Sprachbeherrschung, Stufen der Sprache, Ursprung der - Veränderlichkeit der - Wesender Sprachgeschichte Sprachvergleich - Anfänge d. ~s gr.-lat.-vo/ g. it. gr.-lat. it.-dt. lat.-roman. zwischen den Dialekten zwischen den roman. Sprachen Sprachwandel - Erscheinungsformen natürlicher - und Kontinuität - und Spracherwerb Sprachempfinden Sprachenvielfalt Sprachführer Sprachgeographie Sprachkontakt Sprachliches Zeichen Sprachmischung Sprachphilosophie, griechisch Sprachphilosophie, ma. Sprachtheorie, allgemeine Sprachtheorie, einzelsprachliche Sprachüblichkeit Sprachwissenschaft - Begriffsbildung - Entwicklung und Kontinuität - Frühgeschichte - Geschichte - Geschichtsschreibung - Historisches Bewußtsein der - Historische Grammatik - Historische Perspektive - Idealismus - Ideelle Geschichte - Mundartforschung, Anfänge der 257 125 128,159,172,185,190 124,172,190 7, 10, 17, 142 9, 4.3 191 179,185,188,190,191 215,217-219 33,308 133-141, 179,223 Register 9, 12,132,133,176,217,223,308 128, 158, 159, 4.3, 247, 308 129, 182, 185, 186, 190, 191 128,158,159 175,187,247 159 40 125, 128 57,211-219,260,261 6a,12 173 125 186 54 50a, 282 117, 124, 127a 117, 124 267 150 3, Sa, 149 Sa 1.1, Sa 2 2, 3 12 3, 10,156, 15t 159,191,308,309 6a, 12 4 9,117,124, 133-135, 179-181 Sachindex - Roman. Philologie - Sprachgeographie - Strukturalismus - Substratforschung - Substrattheorie - Superstrattheorie - Transformationnelle Grammatik - Vorgeschichte Stilistik stretto, tt. it. stricto ore, tt. lat. Strukturalismus subienctivo, tt. it. Substantivierung des Adj. okz. it. Substrat Superstrat suppositio formalis suppositio materialis Synonyme Synonymglossare synthetische vs. analytischer Ausdruck von Kategorien Tempus Terminologie, grammatische it. lat. okz. Testimonia Toskanisch Transliteration des Griechischen ins Griechische ins Hebräische Trevisanisch Trientinisch Triglossie Troubadourlehren Troubadourlyrik 7, 12,222 6 3 , 12 6a, 12 6a 3,4 159 6a Sa 249,250 26 26 6 3 , 12 195 34,42 198 6 3 , 168,173,308 168,308 282 282 58,251,283,286 208-209,255,283 35 23,45,279 20 3 ,23,50-52,67, 72,307 4.4 19-20 2.1, 2.2 58 93,117,134,135,137, 13~ 139, 140, 141, 179, 180, 181, 4.4, 204, 210,215,221-222,223 211 57 60,220 137, 180 136 288 2.1, 2.2, 5.1 22, 30, 2.5.2, 120 339 340 Tschechisch 1: e: x; v11 ypcxµµcx1: 1.1e11 u vs. v, orthographisch Übergangslaut Überkorrektismus Übersetzungslehre, lat.-roman. Übersetzungstheorie Umbrisch Ungarisch Ursprache Ursprünglicher Hebraismus utrisonans, tt. okz. valentiana lingua variamen, tt. okz. variar, tt. okz. variars, tt. okz. Variation der historischen Sprache Venezianisch Verb Verbalkategorien Verbalparadigma Verblisten Verneinung, frz. Veronesisch Verwandtschaftsbezeichnungen im lt. vizi de/ favellare Vochabuo/ ista, Filiationsfamilien des Volgare literario Vo/ gare illustre Völkermischung Vorläufer Vorrömische Völker Vulgare ita/ icum Vulgaria vulgaris vulgariter Vulgärlatein, Begriff des Wallonisch Wandel der Ausdrucksverfahren Wegbereiter vs. Vorläufer 215, 219a 20 193 185 48 31 150 180, 181, 221 219a 125, 126, 130 125 32 251 30 30 30 156 Register 179, 180, 181,186,206,211,220, 221 19,23, 189, 196,212-213 51, 195 212 89,93 281 180 198 199 215-216,219 223 138-141 173 4a 172 157 134 154 182 8, 10 273 35 4a Sachindex Weltwissen Wiederholte Rede Wissenschaft, Begriff der - Konstitution - Phänomenbereich Wissenstragende Sprachen Wochentage Wortarten s. Redeteile Wortartenlisten, lateinisch-katalanische Wortbildung Wörterbuch des Romanischen Wörterbücher einsprachige romanische lat.-frz. lat.-volg. it. mehrsprachige - Metasprache der vs. Glossare Wortlisten s. Nominalia Wortschatzlehrtraktate Wortstellung ydioma tripharium Yspani Zahlwörter Zweikasusflexion im Französischen im Okzitanischen 42 213,222 6 5, 6 5 257 266 189 248 45,55 176 57-58,63 224 2.4.3, 73, 83 4.5.2 59a, 2.4.5, 215, 219 56, 72, 73,80,84,89 57,58 5.3.6 35,45 130, 131, 132 131 265-266 25,26,30,35,38,44,273 273 21,35,44 341 Wortregister Die Wörter sind in den im Text erscheinenden Formen genannt. Die in· der Regel mittelalterliche Natur der Belege [wie altitalienisch, mittellateinisch u.ä.] ist nicht eigens bezeichnet. <XA. t<XE "CO<; (gr.) 201 alietos (lat.) 201 TJA.to<; (gr.) 186 alloggiamenta (it.) 186 11A.UXK6v (gr.) 186 allogiare (it.) 186 abondante (it.) 223 ambio (lat.) 80 3 abscondo (lat.) 77 amer (frz.) 77 accipio (lat.) 76 amita (lat.) 209 accomodo (lat.) 76 amodo (lat.) 203 acella (lat.) 88 amoveo (lat.) 256 acender (pg.) 256 amurca (lat.) 86 acerbe (lat.) 70 ancse (okz.) 93 acolo (lat.) 77 andare (it.) 184 acriter (lat.) 70 angniz (ano.) 287 ad abradendum (lat.) 287 angulus (lat.) 252 adiectivatus (lat.) 72 ansis (lat.) 287 adipiscor (lat.) 256 ante (lat.) 184 adolescens (lat.) 208 antepres (okz.) 90 adora (okz.) 89 antianus (lat.) 184 adoral (lat.) 89 antremeter ensembra adorsus (lat.) 77 (pg.) 256 aduerbium (lat.) 67 anxietas (lat.) 70 adverbes (frz.) 67 anziano (it.) 184 affatement (frz.) 60 aora (okz.) 89 a.fiar (okz.) 89 apendice (lat.) 287 agnice (ano.) 287 apendice (lat.) 287 agniz (ano.) 287 aplanier (frz.) 70 aider (frz.) 78 cx1to3coacot (gr.) 57 alatro (lat.) 97 aportar (pg.) 256 albellum (lat.) 189 apoyer (frz.) 78 albio da porci (it.) 204 appeter (frz.) 61 albir (okz.) 93 aqua (lat.) 56 albitrare (it.) 93 aqua (lat.) 86 al~ar (pg.) 256 aquerre (frz.) 62 alea (lat.) 204 aquila (lat.) 254 alec (lat.) 255 aquila (lat.) 86 alecter (frz.) 63 araisonne (frz.) 77 Wortregister 343 archa (lat.) 86 awey rere (ano.) 287 aro (lat.) 77 azaur (okz.) 94 arqueira (okz.) 91 habest (dt.) 63a arrebatado (sp.) 252 bacun (frz.) 60 arrincar (pg.) 256 balena (lat.) 204 articles (frz.) 67 balestra (it.) 204 articulus (lat.) 67 balista (lat.) 204 artificio (lat.) 285 bandiera (it.) 199 arundo (lat.) 76 bas partie (ano.) 287 asaut (okz.) 94 beauvaisin (ano.) 285 aseble fetez (ano.) 285 belare (lat.) 97 asella (lat.) 87 bellar (okz.) 92 asellula (lat.) 87 bellum (lat.) 56 asentare (it.) 93 Belvacensis (lat.) 285 asina (lat.) 86 ben auenturar (pg.) 256 asir (okz.) 93 beo (lat.) 256 aspero (it.) 94 bernatium (lat.) 206 assai (it.) 94 bernazo (venez.) 206 assaiar (okz.) 90 bestiaus (frz.) 61 assalir (it.) 92 Beweys (ano.) 285 assalto (it.) 94 biur(okz.) 94 assentaneus (lat.) 249 blandir (okz.) 94 asserem (lat.) 287 boatus (lat.) 61 assettare (it.) 93 boche (frz.) 61 atainar (okz.) 93 bombis (lat.) 61 atamar (okz.) 92 ß68p°'; (gr.) 188 atramentariolum (lat.) 98 ß68t>voc; · (gr.) 188 atramentarius (lat.) 203 borith (hebr./ lat.) 61 atramentum (lat.) 98 botino (it. dial.) 188 aube du Jour (frz.) 79 botro (tosk.) 188 aufero < abfero (lat.) 189 bouteille (frz.) 64 aulai (lat.) 184 brace (lat.) 203 auro (lat.) 184 brachi (it.) 203 aurora (lat.) 79 bracis (ano.) 287 autesse (ano.) 287 branchia (lat.) 61 avec (lat.) 67 bras (ano.) 287 avere (it.) 189 bras (frz.) 63 avicula (lat.) 87 brassica viridis (lat.) 185, 186 avir (berg.) 209 brau(okz.) 94 avironner (frz.) 80 brega (okz.) 96 avis (lat.) 206 bria (lat.) 61 avugletes (frz.) 71 bröt(dt.) 63a 344 Register brotbecker (dt.) 63a caste (frz.) 84 brouete (frz.) 74 catampo (lat.) 55 brutto (it.) 223 catiglar (okz.) 91 brutus (lat.) 61 cattivo homo (it.) 204 bucca (lat.) 61 catus (lat.) 77 buccina (lat.) 61 caupo (lat.) 205 buccinare (lat.) 61 cayda(sp.) 252 buffo (lat.) 61 cecitas (lat.) 71 bugalus (lat.) 61 cecus (lat.) 209 bugles (frz.) 61 cedula (lat.) 287 buisener (frz.) 61 celum (lat.) 205 caelibem (lat.) 56 cementarius (lat.) 285 calamaru (siz.) 203 cenare (it.) 94 calathos (lat.) 55 cendelis (ano.) 285 cal<; olao (it.) 205 cendles (ano.) 285 caligo (lat.) 204 centupeda (lat.) 78 calvellum (tosk.) 189 cerdo (lat.) 205 calvus (lat.) 189a cerebellum (lat.) 189 campo(it.) 205 cerevellum (tosk.) 189 campus (lat.) 205 cha(m)pingner (prov.) 220 canbiar (okz.) 92 chanceler (frz.) 78 canicularis (lat.) 64 charderugio (florent.) 222 canna (lat.) 76 charota (florent.) 221 cannella (lat.) 76 charpunter (ano.) 285 cannetum (lat.) 77 chastete (frz.) 84 cannula (lat.) 76 chativamente (it.) 212 capo (lat.) 205 chativieria (it.) 212 cappelina de lu aczaru chativo (it.) 212 (it.) 203 chavagnuo (mail.) 222 cappone (it.) 205 cherpir (frz.) 64 caput (lat.) 189, 190 cheveruns (ano.) 285 carbasa (lat.) 64 chiave (it.) 189 carbasus (lat.) 64 chiosa (it.) 189 carcaraza (siz.) 203 chioso (it.) 189 cardons (frz.) 61 chiostro (it.) 189 caritos (gr.) 64 chiovo (it.) 189 carpear (pg.) 256 chiveles (ano.) 285 carpo (lat.) 256 cielo (it.) 205 carpo (lat.) 64 cingla (lat.) 98 casa (it.) 205 ciotola (it.) 188 cascum (lat.) 55 circulo (lat.) 80a casnar (lat.) 55 circumcellio (lat.) 80 Wortregister 345 cirogrillus (lat.) 60 contraho (lat.) 98 civitas (lat.) 91 copa (sp.) 253 claue (lat.) 189 cor (lat) 96 clauo (lat.) 189 cor (okz.) 96 clausa (lat.) 189 cora (okz.) 89 clausa (lat.) 189 corda (lat.) 96 clauso (lat.) 189 corda (okz.) 96 claustro (lat.) 189 coreas ducere (lat.) 89a clava (lat.) 288 coreiar (okz.) 89a clavis (lat.) 288 cornicen (lat.) 79 clef(frz.) 288 corolar (okz.) 89a clowis (ano.) 285 corpus (lat.) 96 coagulum (lat.) 78 cors (okz.) 96 coaxare (lat.) 97 cortex (lat.) 97 cobrir (pg.) 256 cosa (it.) 94 cocula (lat.) 55 cosa (sp.) 252 cogitar (okz.) 96 costa (lat.) 96 cogito (lat.) 96 costa (okz.) 96 cogo (lat.) 256 coureour (ano.) 287 cohombro (sp.) 253 crapaus (frz.) 61 coitiver (frz.) 77 crapulari (lat.) 253 colo (lat.) 77 cras (lat.) 97 combater (berg.) 209 crater (lat.) 253 commedo (lat.) 205 crates (lat.) 253 compactus (lat.) 285 crepundia (lat.) 253 compati (lat.) 70 creta (lat.) 253 concupiscence (frz.) 62 cretaceus (lat.) 253 condoleo (lat.) 70 cribellum (lat.) 189 condolesco (lat.) 70 crim (okz.) 94 conficio (lat.) 66 criticus (lat.) 253 confidere (lat.) 89 crivellum (tosk.) 189 confire (frz.) 66 cros (okz.) 97 coniugacio (lat.) 67 croue (ano.) 287 coniunccio (lat.) 67 cruel (frz.) 64 coniuntor (lat.) 256 crux (lat.) 97 coniunx (lat.) 208 cuberta (okz.) 98 conjugacion (frz.) 67 cucumis(lat.) 253 conjunccion (frz.) 67 cuiusque (lat.) 204 conscio (lat.) 256 cum (lat.) 67 consecrer (frz.) 66 cunis (frz.) 60 constranger (pg.) 256 cura (lat.) 96 consulo (lat.) 256 cura (okz.) 96 346 Register curiosus (lat.) 283 de! oust (ano.) 287 curtesie (frz.) 60 delivrance (frz.) 77 cusan<; onneux (frz.) 66 delivre (frz.) 77 da (berg.) 209 delivrer (frz.) 77 da chi in reri (siz.) 203 deman (okz.) 97 da chi innanti (siz.) 203 demandar conselho dach (dt.) 212 (pg.) 256 dagh (fläm.) 266 demonstrisons (frz.) 62 daim (frz.) 65 dens (lat.) 255 dainne (frz.) 65 depesser (frz.) 64 dama (lat.) 65 desdoloir (frz.) 70 damabilis (lat.) 65 dese [sie] (ano.) 287 damables (frz.) 65 desestablir (frz.) 64 Damas (frz.) 65 desestablissance (frz.) 64 damascena (lat.) 65 desfiar (okz.) 89 damascenum (lat.) 65 desiderar (berg.) 209 damascenus (lat.) 65 desirer (frz.) 61 Damascus (lat.) 65 deske (ano.) 287 damner (frz.) 65 desloiautes (frz.) 74 damno (lat.) 65 desrouylle (frz.) 77 damnosus (lat.) 65 desrouyller (frz.) 77 damnum (lat.) 65 desrouylleur (frz.) 77 damula (lat.) 65 desrouylly (frz.) 77 dapsilis (lat.) 66 dessirer (frz.) 63 daptulo [füxK't'l>A.O(v)] desticare (lat.) 97 (ngr.) 211 destiner (frz.) 64 dar conselho (pg.) 256 destino (lat.) 64 dea! (frz.) 275a destituo (lat.) 64 de Beuvers (ano.) 285 destitutio (lat.) 64 de Beuvey (ano.) 285 deullanche (frz.) 70 de Beveys (ano.) 285 di qualunque (it.) 204 de champ (ano.) 285 dicere (lat.) 89 debile (it.) 213 dictitare (lat.) 55 decurto (lat.) 98 digito (it.) 211 dedoleo (lat.) 70 diligens (lat.) 283 defaillir (frz.) 64 diligo (lat.) 77 defaillir (frz.) 66 dimenge (pikard,) 266 deffectus (lat.) 97 dinxdach (fläm.) 266 deftera [6eu'tepot] (ngr.) 211 dir (okz.) 89 degere (lat.) 55 dire (frz.) 67 deguerpissance (frz.) 64 dire (frz.) 80 del dos (ano.) 287 dire (okz.) 89 Wortregister 347 diripio (lat.) 256 ego (lat.) 190 discipline (frz.) 61 eyro (gr.) 190 diutior (lat.) 285 el bene (it.) 188 doit (frz.) 67 elegantia (frz.) 60 dolamment (frz.) 70 elmo (it.) 199 dolant (frz.) 70 eluvies (lat.) 66 dolatilis (lat.) 70 empetrer (frz.) 62 dolatilis (lat.) 70 en (okz.) 39 dolatio (lat.) 70 en moltas maneras dolatura (lat.) 70 (kat.) 248 dolatura (lat.) 70 enair (okz.) 94 dolens (lat.) 70 enalbar (okz.) 92 dolenter (lat.) 70 enbutz (okz.) 91 dolentia (lat.) 70 encite (frz.) 62 doleo (lat.) 70 enclaus (okz.) 90 doler (frz.) 70 engin (ano.) 285 dolereusetes (frz.) 70 englu (ano.) 287 dolium (lat.) 70 ennuiet (frz.) 62 dolo (lat.) 70 enormiter (lat.) 248 dolo (lat.) . 70 ententif(frz.) 283 doloir (frz.) 70 envoier (frz.) 64 dolor (lat.) 70 epirus (lat.) 285 dolorose (lat) 70 eprove (frz.) 61 domages (frz.) 65 equitas (lat.) 77 domageux (frz.) 65 equivoque (frz.) 62 domagier (frz.) 65 erebre (okz.) 94 domanda (berg.) 209 erepcio (lat.) 77 domina (lat.) 39 ereptus (lat.) 77 domine (lat.) 39 ereubur (okz.) 94 domus (lat.) 205 ergo (lat.) 77 dona (berg.) 207 eripio (lat.) 77 dondersdach (fläm.) 266 erogatus (lat.) 77 donques (frz.) 77 erogo (lat.) 77 doubtant (frz.) 78 erpego da denti doutans (frz.) 62 (venez.) 206 drap (frz.) 63a erubigino (lat.) 77 drivolare (lat.) 97 eructare (lat.) 55 droiture (frz.) 77 erugere (lat.) 55 düch (dt.) 63a eruginator (lat.) 77 edad de-/ / anti (berg.) 208 eruginatus (lat.) 77 edad de-/ put (berg.) 208 erugineus (lat.) 77 edi.ficium (lat.) 285 erugino (lat.) 77 348 Register eruginosus (lat.) 77 faire soutilement (frz.) 75 eruo (lat.) 77 faire umbre (frz.) 75 escalder (frz.) 60 falha (okz.) 97 esdemetre (okz.) 92 fame (frz.) 64 esdevinement (okz.) 98 fame echatee (prov.) 220 esmouvoir (frz.) 66 fameya (mail.) 221 espouenter (frz.) 78 famiglia (umbr.) 221 essample (frz.) 64 / anti (berg.) 208 esse (lat.) 89 fantina (berg.) 208 estendre (frz.) 80 Jas (lat.) 74 estre tristes (frz.) 70 fascia (lat.) 98 estrelha (okz.) 91 fatigatus (lat.) 74 estueuf(frz.) 66a favellare (it.) 189 euangelio (lat.) 184 favla (okz.) 96 euersus (lat.) 184 favola (it.) 189 eventus (lat.) 98 feculentus (lat.) 60 excipitur (lat.) 204 fecundo (it. lit.) 223 excolo (lat.) 77 fel (lat.) 96 exercitus (lat.) 287 fel (okz.) 96 exin (lat.) 55 femena (berg.) 208 exinde (lat.) 55 femena graveta (it.) 220 existente (lat.) 287 femina (lat.) 74 exorator (lat.) 249 femina (lat.) 208 expectare (lat.) 55 fenestra (lat.) 91 experience (frz.) 61 fenmefoliier (frz.) 75 exprobare (lat.) 60 feris (lat.) 90 extortor (lat.) 249 fermer (frz.) 78 fabula (lat.) 189 fero (lat.) 209 fabula (lat.) 204 ferrum (lat.) 90 fabula (lat.) 96 fers (okz.) 90 fabulari (lat.) 189 ferus (lat.) 64, 90 facescia (l.facetia) (lat.) 60 fetus (lat.) 74 facinus (lat.) 74 fex (lat.) 60 factitare (lat.) 55 jiar (okz.) 89 facultas (lat.) 74 jiasco (it.) 199 facundia (lat.) 74 jicarius (lat.) 79 faire adjectis (frz.) 72 .ficulnea (lat.) 79 faire estaule (frz.) 75 .ficus (lat.) 79 faire hastieument (frz.) 75 .figato (it.) 220 faire jus (frz.) 75 jigue (frz.) 79 faire paour (frz.) 78 .figuier (frz.) 79 faire signe (frz.) 75 jilhar (pg.) 256 Wortregister 349 .fi/ har (pg.) 256 .fres (okz.) 98 .filo difera (it.) 93 .fresco (it.) 185, 186 .fils dalgatz (okz.) 93 .frezo (it.) 185, 186 filz dieu (frz.) 67 .frier (frz.) 60 .fimus (lat.) 202 .frigidum (lat.) 185 .fissura (lat.) 91 .frigo (lat.) 60 .fistula (lat.) 206 .frisk (germ.) 185 flabellum (lat.) 204 .frixorium (lat.) 76 flagito (lat.) 209 frone (frz.) 79 flairier (frz.) 75 .frons (lat.) 79 flavuus (lat.) 74 .frontupsus (lat.) 79 jlo (lat.) 204 .froter (frz.) 75 jlos (lat.) 74 .frugi (it. lit.) 224 fluctuans (lat.) 78 fueylle de vigne (frz.) 63a fluctuer (frz.) 78 fulcimentum (lat.) 74 fogna (it.) 224 fulcio (lat.) 78 foie (prov.) 220 fultus (lat.) 74 fola (it.) 204 fulvuus (lat.) 74 fondre ( okz.) 90 fum (okz.) 96 fons (lat.) 90 fumiferum (lat.) 74 fons (okz.) 90 fumus (lat.) 96 fonzi (it.) 220 fundere (lat.) 90 for (lat.) 204 fundus (lat.) 90 fora (okz.) 89 furm(ur)e (ano.) 287 forica (it. lit.) 224 fursan (lat.) 74 forma (lat.) 96 gabar ( okz.) 97 forma ( okz.) 96 gabella (it.) 189,190 formagio (florent.) 222 galea (lat.) 203 fornir ( okz.) 94 gamo (gr.) 67, 68 forsitan (lat.) 74 garde (frz.) 288 fossa (lat.) 97 garnir (frz.) 78 fourbi (frz.) 77 gausape (lat.) 205 fourbisseur (frz.) 77 gausapum (lat.) 205 foursener (frz.) 75 genitif( frz.) 67 .fragmenta (lat.) 249 genitiuus (lat.) 67 .framea (lat.) 253 geometer (lat.) 250 .fraper (frz.) 78 giro (lat.) 80a .freddo (it.) 185, 186 g/ atire (lat.) 97 .fredo (it.) 185,186 y')...rocma (gr.) 189 .fremer (frz.) 75 glos (lat.) 74 .fremito (it. lit.) 223 gniffignerre (mail.) 221 .frendere (lat.) 97 goensdach (fläm.) 266 350 Register gost(okz.) 96 honteux (frz.) 84 gratia (lat.) 64 honteux (frz.) 84 gremium (lat.) 252 horribiliter (lat.) 248 greve (frz.) 291 hortus (lat.) 205 grive (frz.) 291 hoster (frz.) 77 grunire (lat.) 97 ideo (lat.) 77 grunnire (lat.) 97 igitur (lat.) 77 guada (it.) 184,190 ignis (lat.) 87 guadagno (it.) 184,190 il plest (frz.) 67 guadare (it.) 184 illic (lat.) 55 guagnelo (it.) 184 impedire (it.) 92 guai (it.) 184 imperativus (lat.) 72 guanhar (pg.) 256 incertain (frz.) 78 guarito (it.) 94 inchiuso (it.) 189 guastare (it.) 184 inclusit (lat.) 90 uastare (lat.) 184 incluso (lat.) 189 guercio (it.) 184, 190 inclusus (lat.) 90 guerso (it.) 184 incolo (lat.) 77 guichet (frz.) 85 indigne (lat.) 70 guifa (okz.) 94 in/ ans (lat.) 208 gun (frz.) 288 infantia (lat.) 208 gunfus (lat.) 288 inferiori parte (lat.) 287 gustus (lat.) 96 infirmari (lat.) 70 habere (lat.) 189 inflamo (lat.) 256 habiter (frz.) 77 inpetuosus (lat.) 252 habito (lat.) 77 inquit (lat.) 67 habitudo (lat.) 44 insolubilis (lat.) 79 habitus (lat.) 44 intercepit (lat.) 90 hac de causa (lat.) 77 interceptus (lat.) 90 hara (lat.) 204 intercilium (lat.) 79 henire (lat.) 97 inundacion de yaue herberge (ano.) 285 (frz.) 66 herpicus (lat.) 206 Ioannes (lat.) 185 herus (lat.) 249 iocus (lat.) 91 hes (ano.) 287 iostar (okz.) 94 11Mov (gr.) 57 iratus (lat.) 252 homo (lat.) 207 iudex (lat.) 253 hondradament (kat.) 248 iugum (lat.) 206 honnourer (frz.) 77 iuvenis (lat.) 208 honorifice (lat.) 248 japar (okz.) 97 honte (frz.) 84 jocs (okz.) 91 honteusement (frz.) 84 joe (frz.) 61 Wortregister 351 joedi (pikard.) 266 libra (lat.) 55 jogos (okz.) 87 license (frz.) 74 jour (pikard.) 266 liciatorium (lat.) 79 junc (okz.) 96 lignum (lat.) 74 juncus (lat.) 96 lima (lat.) 96 kastiemens (frz.) 61 lima (okz.) 96 kevilis (ano.) 285 limbus (lat.) 98 KO't'l>A.0~ (gr.) 188 timen (lat.) 87 Kp<X'tEt'tcxt (gr.) 57 limes (lat.) 87 labora (okz.) 89 / in (okz.) 87 laborat (lat.) 89 lineare (lat.) 97 lacerare (lat.) 63 linietur (lat.) 287 lacertus (lat.) 63 linteamen (lat.) 87 lacessere (lat.) 63 / inter (lat.) 87 lacessire (lat.) 63 liquefacio (lat.) 90 lactare (lat.) 63 liquefieri (lat.) 90 lactere (lat.) 63 lis (lat.) 96 laetamen (lat.) 202 liticen (lat.) 79 lamproye (frz.) 80 lo bene (it.) 188 laniato (it. lit.) 224 loben (dt.) 212 lansol (okz.) 87 localis (lat.) 87 lanugo (lat.) 87 loggia (it.) 186 lanx (lat.) 206 loldare (it.) 212 laqueus (lat.) 98 lonis (it.) 211 ! arges (frz.) 66 loquor (lat.) 204 lates (ano.) 285 lorectare (lat.) 97 latrina (lat.) 97 lova di paniho (florent.) 223 latro (lat.) 97 lucanar (lat.) 87 laubja (germ.) 186a lucar (lat.) 87 layrar (okz.) 97 ludicer (lat.) 87 le braces (ano.) 287 ludicus (lat.) 87 legum contortor (lat.) 249 ludus (lat.) 91 lens (lat.) 64 ludus (lat.) 204 lentille (frz.) 64 lughanigha (mail.) 221 lepos (lat.) 60 lughanigha (mail.) 222 levigare (lat.) 70 lunaris (lat.) 87 leyament (kat.) 248 lundar (okz.) 87 liago (venez.) 186 lundi (pikard.) 266 liam (okz.) 98 luscinia (lat.) 202 libella (lat.) 55 lustro (lat.) 80 libertus (lat.) 79 lux (lat.) 87 libet (lat.) 67 machina (lat.) 253 352 Register maendach (fläm.) 266 modo (lat.) 89 magio (it.) 94 moggio (it.) 187 mai (it.) 94 moleste (lat.) 70 mais (okz.) 94· molestia (lat.) 70 maisun (ano.) 285 molestus (lat.) 253 majorment (kat.) 248 molhz (okz.) 91 mancatus (lat.) 79 moment (frz.) 67 manche de robe (frz.) 66 monder (frz.) 80 mancus (lat.) 79 monoculus (lat.) 79 mangiare (it.) 205 mora(okz.) 89 manica (lat.) 66 moriggiuo (mail.) 222 manifester (frz.) 80 morn (okz.) 94 mansio (lat.) 285 moro (it.) 184 marcessibilis (lat.) 79 morum (lat.) 89 mardi (pikard.) 266 mostra (berg.) 209 marid (berg.) 208 mover(pg.) 256 maritus (lat.) 208 moyer (berg.) 208 mas (lat.) 207 mozo (it.) 187 mascherpa (venez.) 207 mozzo (it.) 187 masculus (lat.) 207 mugillare (lat.) 97 masgio (berg.) 207 mugire (lat.) 97 mason (ano.) 285 muliebris (lat.) 64 massun (ano.) 285 mulier (lat.) 208 masun (ano.) 285 mutier (lat.) 68 matto (it.) 213 muliere (it.) 92 mauro (it.) 184 multipharie (lat.) 248 maxillatus (lat.) 79 mundicors (lat.) 79 mazue (frz.) 288 municium (lat.) 80 melon (sp.) 253 murena (lat.) 80 membrane (lat.) 287 murenula (lat.) 80 menar (berg.) 209 muricida (lat.) 79 merkerdi (pikard.) 266 murilega (lat.) 79 mesure (frz.) 61 murilegus (lat.) 79 mettre a terre (frz.) 78 mutilus (lat.) 187 mezus (bret.) 84 *mutius (vlat.) 187 mezz (bret.) 84 mutuus 183 miclire (lat.) 97 na(okz.) 39 minor (lat.) 97 najfrar (okz.) 94 mirificus (lat.) 79 nare (lat.) 55 mise (ano.) 285 nasosus (lat.) 79 mise de champ (ano.) 285 nassiterna (lat.) 55 modius (lat.) 187 natare (lat.) 55 Wortregister 353 navre (frz.) 76 orresament (kat.) 248 navrer (frz.) 76 orto (it.) 205 nebula (lat.) 97 osceno (it. lit.) 223 nef(frz.) 64 oscillum (lat.) 98 nefandus (lat.) 79 ostar (okz.) 92 nequam (lat.) 204 oi>at (gr.) 184 netoier (frz.) 80 o'l>T}v21. [veni] (lat.) 57 nettete (frz.) 84 ouvert (frz.) 64 neula (okz.) 97 ouvrir (frz.) 80 nimbus (lat.) 66 padiglione (umbr.) 221 novacle (ano.) 287 paelle afrire (frz.) 76 novaculum (lat.) 287 pain (frz.) 63a nubo (lat.) 68 pains alis de formento nuga (lat.) 97 (prov./ ! t) 221 nupcie (lat.) 68 palissat (okz.) 98 obperiri (lat.) 55 pam (de) sole (prov.) 220 obscuritas (lat.) 204 pan agimo (it.) 221 obsidio (lat.) 80 pando (lat.) 80 occolo (lat.) 77 paneru9olo (florent.) 222 olearium (lat.) 98 panetier (frz.) 63 8 oliera (okz.) 98 pani.ficus (lat.) 63 8 olimpus (lat.) 205 panis (lat.) 63a oliva (lat.) 205 pannus (lat.) 63a olivo (it.) 205 panocchia (mail.) 223 ollic (lat.) 55 panpinus (lat.) 63a omo (berg.) 207 pans (ano.) 285 omo (it.) 205 papa (lat.) 63a operosus (lat.) 283 pape (frz.) 63a ora (lat.) 89 par aventure (frz.) 74 ora (okz.) 89 par le severunde (ano.) 285 orbatus (lat.) 71 paradima (lat.) 64 orbitas (lat.) 71 paragaude (lat.) 98 orbus (lat.) 71 paramosca (it.) 204 orbus (lat.) 209 parchemeyn (ano.) 287 orcestra (lat.) 206 parfaire (frz.) 66 ordure (frz.) 74 parisien (ano.) 285 ornamentum palii (lat.) 98 Parisiensis (ano.) 285 orner (frz.) 77 parmeynant (ano.) 287 orno (lat.) 77 parole (frz.) 67 oro (it.) 184 parrici[di] (lat.) 55 orphanus (lat.) 71 partie d'oreison (frz.) 67 orphanus (lat.) 71 pas (frz.) 63 8 354 Register passe (frz.) 63 8 petasunculus (lat.) 60 passer (lat.) 63 8 petasus (lat.) 60 passus (lat.) 63 8 peto (lat.) 209 pati dolorem (lat.) 70 philaxis (lat.) 64 patria (lat.) 285 piano (it.) 189 patulus (lat.) 64 pica (lat.) 203 pautunera (it.) 203 pictai (lat.) 184 pavayone (mail.) 221 pila (lat.) 66a pays (ano.) 285 pilier de pont (frz.) 66a peccato (it.) 94 pinxit (lat.) 90 peccatum (lat.) 74 piove (it.) 189 pecol ( okz.) 98 pipitare (lat.) 97 pecten (lat.) 88 piscis (lat.) 204 peculium (lat.) 67,68 piscis (lat.) 90 pecus (lat.) 253 pistor (lat.) 96 pede (it.) 211 piu (it.) 94 pega(okz.) 94 placitator (lat.) 71 pegiore (it.) 93 plaideur (frz.) 71 peis (okz.) 90 plaie (frz.) 76 pel (ano.) 287 plain de roulle (frz.) 77 pellegrino (it.) 186 8 planare (lat.) 70 pelote (frz.) 66a plane (ano.) 287 pelvenha (okz.) 97 plano (lat.) 189 pendeo (lat.) 89a planulam (lat.) 287 pendo (lat.) 89 8 playe (frz.) 76 pendre (okz.) 89 8 player (frz.) 76 penier ( okz.) 98 plod(dt.) 213 pensare (it.) 93 plora ( okz.) 89 pensoso (it.) 94 plorat (lat.) 89 pepino (sp.) 253 plu loynss ( ano.) 285 pera (lat.) 202,203 pluit (lat.) 189 percello (lat.) 78 plum (ano.) 287 percer (frz.) 63 plumbum (lat.) 287 percolo (lat.) 77 pluteum (lat.) 287 perdoleo (lat.) 70 poda [1t66a] (ngr.) 211 perdon (sp.) 252 pols (okz.) 90 perle (frz.) 288 polus (lat.) 205 perponcta (lat.) 206 pomiz (ano.) 287 perponta (venez.) 206 popina (okz.) 98 pertot ( okz.) 97 porta (berg.) 209 pessulum (lat.) 288 posco (lat.) 209 pestre ( okz.) 96 poshait ( dt.) 212 Wortregister 355 postica (lat.) 85 pulset (lat.) 90 posticum (lat.) 85 pulsus (lat.) 90 postis (lat.) 85 pulvis (lat.) 90 poynterole (ano.) 287 pumice (ano.) 287 poyntur (ano.) 287 pumice (lat.) 287 pöz (dt.) 212 punce (ano.) 287 pözleich (dt.) 212 punctorium (lat.) 287 prendere (it.) 93 pupillus (lat.) 71 prendre (frz.) 64 purgar (berg.) 209 prendre (frz.) 76 purger (frz.) 80 presbiter (lat.) 205 put(berg.) 208 presertim (lat.) 248 puta (berg.) 208 pressure (frz.) 67 putan (okz.) 97 8 prester (frz.) 76 putiglosa (umbr.) 221 prete (it.) 205 quaer (ano.) 287 primordia (lat.) 55 quamde (lat.) 55 principia (lat.) 55 quando (lat.) 89 probare (lat.) 189 quapropter (lat.) 77 probo (lat.) 90 quatemus (lat.) 287 profitable (frz.) 61 quayer (ano.) 287 propterea (lat.) 77 quemander (frz.) 72 1tp6'tepoc; (gr.) 184 quirritare (lat.) 97 *proteru-us (lat.) 184 raconter (frz.) 80 protervus (lat.) 184 rapax (lat.) 249 provare (it.) 189 rasorium (lat.) 287 prune de Damas (frz.) 65 rasour (ano.) 287 prunier de Damas (frz.) 65 raste/ (okz.) 88 publicus (lat.) 77 rasur (ano.) 287 publique (frz.) 77 ratto (venez.) 206 pu~~olente (mail.) 221 raverin (mail.) 222 pudencia (lat.) 84 ravi (frz.) 77 pudendus (lat.) 84 ravir (frz.) 77 pudenter (lat.) 84 re (okz.) 94 pudeo (lat.) 84 recens (lat.) 186 pudibondus (lat.) 84 recolo (lat.) 77 pudor (lat.) 84 recordari (lat.) 77 pudora (lat.) 84 peööcxµ [reddam] (lat.) 57 pudorosus (lat.) 84 re.fruus (okz.) 94 puella (lat.) 208 registrum (lat.) 287 puer (lat.) 208 regreter (frz.) 70 pueritia (lat.) 208 rememorare (lat.) 77 puina (lat.) 207 reprehendit (lat.) 90 356 Register reprehensus (lat.) 90 sarcitector (lat.) 285 reprender (pg.) 256 sarnoso (sp.) 252 reprendere (frz.) 64 sasir (okz.) 93 repres (okz.) 90 saterdach (fläm.) 266 repruver (frz.) 60 sauge (prov.) 220 resideat (lat.) 287 scabello (lat.) 287 rixa (lat.) 96 scabidosus (lat.) 204 robiuola (mail.) 222 scabiosus (lat.) 252 rognoso (it.) 204 scalprum (lat.) 71 romore (it.) 223 scama (lat.) 87 ros (lat.) 97 scarlegia (lat.) 206 rosa (lat.) 97 scarlegia (venez.) 206 rosa (okz.) 97 scellerato (it.) 223 rosel (frz.) 76 scharcella (it.) 203 rous (frz.) 74 scindulus (lat.) 285 rozo (it.) 187 scintilla (lat.) 87 rrebuelta (sp.) 252 scoba (lat.) 68 rrega<; o (sp.) 252 scobs (lat.) 68 rreja (sp.) 252 scortar (okz.) 98 rremouer (pg.) 256 se syt (ano.) 287 rrepmisio (lat.) 252 seant (ano.) 287 rres (lat.) 252 sedula (lat.) 287 rreuolucio (lat.) 252 sedulus (lat.) 283 rrota (lat.) 252 segala (it.) 221 rrueda (sp.) 252 sein (dt.) 212 rruyna (lat.) 252 selva (it.) 205 rryncon (sp.) 252 sendlez (ano.) 285 rudire (lat.) 97 senyor dela casa (kat.) 249 rugire (lat.) 97 ser (it.) 212 ruralem edificium (lat.) 285 sera (lat.) 288 ruralis (it./ lat.) 285 seta (lat.) 87 rusignolus (it.) 202 seyt riulee (ano.) 287 saber (pg.) 256 seyt rufe ( ano.) 287 saccomano (it.) 199 si toglie via (it.) 204 saige (frz.) 77 siege (frz.) 80 salbia (it.) 220 silva (lat.) 205 salsiccia (florent.) 221 simplicita (it.) 95 salsiccia (florent.) 222 situla (lat.) 66 samedei (pikard.) 266 smirlius (it./ lat.) 201 sanguisuga (lat.) 87 soarium (lat.) 98 sannudo (sp.) 252 soille (frz.) 66 sapientia (lat.) 74 so/ es (lat.) 90 Wortregister 357 soliciter (frz.) 66 'te[VTt'tO'l>p] [tenetur] solicito (lat.) 66 (lat.) 57 sollicitus (lat.) 283 tecter (frz.) 63 sols (okz.) 90 tego (lat.) 256 so/ um (lat.) 90 tempo passato (it.) 93 solvit (lat.) 90 temporans (frz.) 62 sons (frz.) 61 tempto (lat.) 90 sopar (okz.) 94 tenia (lat.) 204 sopiare (it.) 204 tergi (lat.) 287 sorca (lat.) 206 tetto (it.) 212 sordeior (okz.) 93 *thwairs (germ.) 190 sorego (venez.) 206 ti (lomb.) 190 sors (lat.) 98 tirar (pg.) 256 soulever (frz.) 78 'to aya.86v (gr.) 188 souporter (frz.) 78 tollo (lat.) 256 soustenir (frz.) 78 tondere (lat.) 89a spada (it.) 212 tondre (okz.) 89a sparaverius (it/ lat.) 201 tonneau (frz.) 70 spatzelin (dt.) 63a topo (florent.) 222 speda9ar (pg.) 256 toro (it.) 184 stipula (lat.) 78 toruus (lat.) 183,184 stracciato (it.) 224 toup (frz.) 291 studiosus (lat.) 283 tovaglia (it.) 205 substantiuo (lat.) 67 trapano (it.) 188 substantiver (frz.) 67 travellie (frz.) 74 succedinis (lat.) 285 trembler (frz.) 78 summum bonum (lat.) 188 tribilo (lat.) 60 sündach (fläm.) 266 tricatura (lat.) 288 superficiem (lat.) 287 tristanter (lat.) 70 sustenir (berg.) 209 triste (sp.) 253 sustenter (frz.) 78 tristement (frz.) 70 suzio (sp.) 252 tristicia (lat.) 70 swert (dt.) 212 trocha (okz.) 96 tabula (lat.) 206 trossos (kat.) 249 taindre (frz.) 66 troubler (frz.) 78 tarier (frz.) 63 tructa (lat.) 96 tasca (it.) 202 trufa (okz.) 97 taser (it.) 213 'tp'U1t<X.VOV (gr.) 188 tauro (lat.) 184 't'U (gr.) 190 taurus (lat.) 183, 184 tuba (frz.) 61 tavernaio (it.) 205 uadaneum (lat.) 184 taverne (frz.) 66a uadare (lat.) 184 358 Register uae (lat.) 184 vergoingne (frz.) 84 uas potorium (lat.) 253 vergoingneux (frz.) 84 ubique (lat.) 97 vergoygne (frz.) 84 ucelo (venez.) 206 veritus (lat.) 84 ujfana ( okz.) 95 veroyl ( frz.) 288 uiride (lat.) 186 verrolium (lat.) 288 ululare (lat.) 97 vertevele (frz.) 288 uncare (lat.) 97 vertevella (lat.) 288 utele (frz.) 61 *veru-um (lat.) 184, 188, uxor (lat.) 68,298 189 v(er)dezza de sen(n)o verze (venez.) 185,186 (it.) 95 vespertillus (lat.) 206 vaciller (frz.) 78 vesvetes ( frz.) 71 vacillo (lat.) 78 vir (lat.) 205 vacuus (lat.) 252 vir (lat.) 207 vagire (lat.) 97 virar (okz.) 94 vaincre ( frz.) 66 virgen (berg.) 208 vazio (sp.) 252 virgena (berg.) 208 vebare (lat.) 97 virgo (lat.) 208 vectis (lat.) 288 volge(re) (it.) 94 veles (frz.) 64 voluptabrum (lat.) 78 veneror (lat.) 77 vomer (lat.) 252 venir (berg.) 209 vriendach (fläm.) 266 venredi (pikard.) 266 vulneratus .a .um (lat.) 76 ventalha (okz.) 91 vulnero (lat.) 76 verbes (frz.) 67 vulnus (lat.) 76 verbum (lat.) 67, 182- *wada (germ.) 190 184, 188- *waidanjan (germ.) 190 189 warnis (frz.) 74 verecondia (lat.) 84 warnissemens (frz.) 74 verecondor (lat.) 84 Wirsing (dt.) 185a verecondus (lat.) 84 zarzo (sp.) 253 verendus (lat.) 84 ziaramella (venez.) 206 vereor (lat.) 84 zoven (berg.) 208 vergoigneux (frz.) 84 zovena (berg.) 208 Wortregister 359 Abkürzungen: ano. anglonormannisch berg. bergamaskisch bret. bretonisch dt. deutsch fläm. flämisch florent. florentinisch frz. französisch germ. germanisch gr. griechisch it. italienisch it. lit. italiano literario kat. katalanisch lat. lateinisch mail. mailändisch ngr. neugriechisch okz. okzitanisch pg. portugiesisch pikard. pikardisch prov. provenzalisch siz. sizilianisch sp. spanisch umbr. umbrisch venez. venezianisch vlat. vulgärlateinisch Index wissenschaftlicher Autoren Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten Ca auf Erwähnungen in den Anmerkungen). Kursive Seitenzahlen betreffen die bibliographischen Forschungsberichte. Adler, Ada Aerts, Willem J. Ahlqvist, Anders Alarcos Llorach, Emilio Albano Leoni, Federico Albrecht, Jörn Alonso, Amado Altamura, Antonio Alvar Ezquerra, Manuel Alvar, Manuel Amirova, Tamara Aleksandrovna Anglade, Joseph Apel, Karl-Otto Arens, Hans Arese, Felice Arnould, Emile-Jules Ascoli, Graziadio Isaia Asher, Ronald E. Asor Rosa, Alberto Auroux, Sylvain Baebler, Johann Jakob Bagnall, Roger S. Bahner, Werner Bakker, W. F. Bal, Willy Baldelli, lgnazio Baldini, Umberto Balogh, Joseph Bannit, Menahem Barni, Gian Luigi Baron, Hans Bartoli, Matteo Bassols de Climent, Mariano Baum, Richard Beaulieux, Charles 107 211a, 235 303 296 146 46a 243a, 243, 245a, 247a, 296 227 297 15 14 33a, 104 145 14 133a, 142 305 3, 4, 6a, 133 14,225 224 14,230,235,300 99 107 15,145 211a, 235 16 148,220a,232,234,235,237 145 144 110 133a, 142 226 6a, 12 297 146 109,114 Index wissenschaftlicher Autoren Beck, Hans-Georg Behrens, Dietrich Bell, Aubrey Fitz Gerald Bell-Villada, Gene H. Bernhardy, Gottfried Bertalot, Ludwig Bertolini, Lucia Bertoni, Giulio Bertsch, Hansbert Besomi, Ottavio Biadene, Leandro Bidler, Rose M. Bierbach, Mechtild Bihler, Heinrich Bischoff, Bernhard Blanc, Alphonse Bombi, Rafaella Bonfante, Giuliano Bongrani, Paolo Bopp, Franz Borghello, Gianpaolo Borrano, Adalgisa Borrano, Pietro Boschetto, Luca Bossong, Georg Bradley, Henry Branca, Vittore Brashear, William M. Bray, Laurent Brekle, Herbert Ernst Brend, Ruth M. Brewer, John Sheron Bridges, John Henry Bruni, Francesco Brunot, Ferdinand Brusotti, Luigi Buck, August Buhler, Curt F. Bureau, Bruno Buridant, Claude Bursill-Hall, Geoffrey Bynon, Theodora 235 300 295 147 107 119,143 227 103,227 251a 228 100 73a 235, 250a, 297 235 235 116 148 145, I14a.228 231 Sa 232 145 145 227 16 306 229 107 109 14 148 251,299 258,299 225 282,300 133a, 142 147 108 183 8 109,111, 202a, 232 99 101 361 362. Register Camargo, Martin 303 Camporeale, Salvatore 1. 228 Carmody, Francis J. 119a Carpentier, Dom Pierre 112 Carter, Henry Hare 256a, 298, 299 Casas Horns, Josep Maria 45,104, 248a Castellani, Arrigo 92, 93, 94 8 , 95a, 115, 199 8 , 235 Castro, Americo 252 8, 297, 298 Catedra, Pedro M. 296 Catel, Paulette 142 Cecchi, Emilia 141a Ceva, Bianca 142 Chabaneau, Camille 26,101,102,104 Chassant, Alphonse Antoine Louis 110 Chiappelli, Fredi 143 Chomsky, Noam la Christmann, Hans Helmut 2a Cian, Vittorio 192,231, 232 Clavuot, Ottavio 226 Codofier, Carmen 107 Coletti, Vittore 144, 148 Colombo, Carmela 193,231 Colombo-Timelli, Maria 104, 105, 111 Colon Domenech, Germa 297 Conde de la Vifiaza, Cipriano 17, 18, 238, 295 Contini, Gianfranco 234 Cortelazzo, Manlio 232 Corti, Maria 146 Coseriu, Eugenio 3a, 39a, 46a, 53a, 92a, 146, 228, 259a, 268a Cotarelo y Mari, Emilia 295 Crame, Tomas 295 Craveri, Piero 230 Cremascoli, Giuseppe 108,233 Cremonesi, Carla Sa, 15 Croce, Benedetto 234 Curtius, Ernst Robert 14 D'Heur, Jean-Marie 101 d'Olwer, Lluis Nicolau J02 Dahan, Gilbert 102, 104 Dahmen, Wolfgang 5 8 , 6a, 147 Daly, Bemadine W. 73 8 ,108,109 Daly, Lloyd W. 73a, 108 Index wissenschaftlicher Autoren Dalzell, Anne Danesi, Marcel Dardano, Maurizio Darmesteter, Arsene De Angelis, V. De Caluwe, Jacques De Lollis, Cesare Dees, Anthonij Del Popolo, Concetto Delbrück, Berthold Delisle, Leopold Deyermond, Alan Di Stefano, Giuseppe Didot, Ambroise Finnin Dietl, Cora Diez, Friedrich 51a, 104, 105 148 229 109 108, 201a 101 143 111 144,148 13 60a, 109 295 73a 111,113 225,299 5, 6a, 11, 14, 15, 16, 21, 59, 60, 62, 86, 101 363 Dionisotti, Carlo 107, 175a, 176a, 177a, 179a, 180a, 181a, 182, 191a, 225,229, 230 Domseiff, Franz 144 Drago Rivera, Fausta 146 Dumas, Rene 101 Ebbesen, Sten 99, 102, 104 Eco, Umberto 148 Edwards, William 68a, 69a, 70a, 71a, 72a, 73, 81, 111 Elwert, Wilhelm Theodor 146 Engler, Winfried 229 Emout, Alfred 183a Ernst, Gerhard 135a Escallier, Enee-Aimee 110 Ettmayer, Karl R. 15 Ezawa, Kennozuke 159a Fallersleben, Heinrich Hoffinann von 299 Fausel, Andrea 225, 299 Ferguson, Charles A. 229 Femandez Rodriguez, Marco 99 Fiorentino, Giuliana 237 Foerster, Wendelin 14,234 Polena, Gianfranco 101, 141a, 144, 221a, 222a, 223a, 237 Frasca, Salvatore 237 Fratta, Aniello 147 Fubini, Riccardo 225, 226, 228 364 Fuhrmann, Manfred Gabelentz, Georg von der Gallina, Annamaria Galvani, Giovanni Gambarara, Daniele Gamillscheg, Ernst Garcia Gondar, Francisco Garcia-Hernandez, Benjamin Garcia Turza, Claudia Garcia Turza, Javier Garin, Eugenio Gatien-Arnoult, Adolphe Felix Gatti, Paolo Gauger, Hans-Martin Geanakoplos, Deno John Geckeler, Horst Gelis, Fran~ois de van Gemert, A. F. Gensini, Stefano Gessler, Jean Ghinassi, Ghino Giannelli, Luciano Gibson, Margaret Gillieron, Jules Gimenez, Antonio Giustiniani, Vito Reno Godefroy, Frederic Goetz, Georg Goez, Werner Gonfroy, Gerard Gonzalez Rohin, Tomas Gorni, Guglielmo Gosebruch, Martin Grassi, Ernesto Grayson, Cecil Gregory, Tullio Grimm, Jacob Grion, Giusto Gröber, Gustav Grondeux, Anne Grubmüller, Klaus Guessard, Fran~ois 112 3 237 21,100,142 44a, 146 12a 99 183a 251a 251a 171a, 226, 228 29a, 103 106 5a, 16,145 229 146 103 211a, 235 44a 261a, 265a, 299, 302, 306 230 225,232 304 6a, 12 147 215a, 236, 237 112 106, 107 145 102,104 297 194, 227, 230, 231 145 146 145,192,193,194,227,231 133a, 142 5a 234 5, 7, 8, 15, 22a, 101,113 74a, 76a, 112,113 106,112 20,21,99,100 Register Index wissenschaftlicher Autoren Guyonvarc'h, Christian-J. Gysling, Fritz Hackett, Jeremiah Haensch, Guenther Hafner, Jochen Hall Jr., Robert A. Hamesse, Jacqueline Hankey, A. Teresa Harmer, Lewis C. Hartzenbusch, Juan Eugenio Hausmann, Franz Josef Haywood, John A. Heinimann, Siegfried Helschinger, Dörte Hill, John M. Hirdt, Willi Hofmann, Johann Baptist Holcot, Robert Holloway, Julia Bolton Holtorf, Ame Holtus, Günter Holtz, Louis Howell, A. G. Ferrers Hüllen, Werner Hunt, Richard William Hunt, Tony Hymes, Dell Ineichen, Gustav Iordan, Iorgu Iriarte, D. Juan Ivic, Milka Janzarik, Diether Jauralde Pou, Pablo Johnston, Ronald Carlyle Jud,Jakob Kaltz, Barbara Kannegiesser, Karl Ludwig Keaney, John J. Keil, Heinrich Keller, Harald Kibbee, Douglas A. 82a, 83a, 84a, 85a, 114 236 299 250a, 296, 297 225,299 142 106,107,108,109,233 234 306 295 106,109,232,250a,296,297,298 106 365 20a, 28a, 41a, 43 3 , 50, Sla, 104,105, 145 225,299 298 146 183a 289 142 112 Sa, 6a, 17, 99, 102, 142,143,145, 147, 229,230,297,298,301 20a, 99, 106 144 304,306 304 283a, 284a, 285a, 288a, 304, 305 13 145 Sa, 15, 18 295 2a 101 296 300 236 299,303 144 107 99 145 294a, 300, 305 366 Klein, Dorothea Klein, Hans Wilhelm Klemperer, Victor Klinck, Roswitha Kneepkens, Comeille H. Knobloch, Clemens Koch, Peter Koemer, Ernst Frideryk Konrad Kolde, Gottfried Kramer, Johannes Kraye, Jill Krefeld, Thomas Kremer, Dieter Kristeller, Paul Oskar Kristol, Andres Max Kroll, Wilhelm Krömer, Dietfried Küenzlen, Franziska Kukenheim, Louis Kürschner, Wilfried Labande-Jeanroy, Therese Lambley, Kathleen Landouzy, Louis Lapesa, Rafael Laugesen, Anker Teilgärd Law, Vivien Lazard, Sylviane Le Men, Rene-Fran~ois Lebsanft, Franz Lepschy, Giulio C. Lerch, Bugen Levy, Emil Levy, Raphael Li Gotti, Ettore Lienig, Paul Lindemann, Margarete Lindsay, Wallace Martin Linskill, Joseph Littre, Emile 112 142, 144, 159 8 295 108 99 159 8 142,145,229,303 13,14,17,146,147,230,300 43 8 5 8 , 6 8 , 57a, 107,113,147 166a 145 2 8 , 133 8 , 148 143,225,233 Register 260a, 274 8 , 277, 289a, 290 8 , 294 8 , 300, 301,302,303,305 106 106 225,299 17 159a 142,144 300 237 245 8 , 296 101 101 108 114 303 14,225 6a 20a, 88a, 92a, 93 8 109,110 103 104 60a, 61a, 62a, 63a, 64a, 69a, 70 8 , 83a, 84 8 ,86 8 ,108,109,111,113,237, 281 8 , 304 55a, 106,107 95a 112,113 Index wissenschaftlicher Autoren Liver, Ricarda Llorente, Antonio Luis Lo Piparo, Franco Lorck, J. Etienne Lowry, Martin Luca, Don Giuseppe de Lüdi, Georges Lüdtke, Jens Lusignan, Serge Macrea, B. Dimitrie Maieru, Alfonso Malmberg, Bertil Mancini, Girolamo Manitius, Max Manni, Paola Maraschio, Nicoletta Marazzini, Claudio Marigo, Aristide Marinoni, Augusto Marshall, John Henry Martelli, Mario Martellotti, Guido Martinelli, Lucia Cesarini Mazzacane, Aldo Mazzocco, Angelo Mehus, Lorenzo Meier, Barbara Meier, Georg Friedrich Meier, Harri Meillet, Antoine Meisterfeld, Reinhard Menendez Pelayo, Marcelino Menendez Pidal, Ram6n Mengaldo, Pier Vincenzo Mercati, Giovanni 148 107 146 207 a, 208a, 234 229 133a, 142 229 17, 46a 50a, 106, 156a, 299, 300 18 146 14 192, 227, 228, 231 107 232 225,232 144,148,226,230,235 108,144 233,237 21, 22,23 8 , 30a, 89 8 ,100,103, 115 225 234 228 226 127 8 , 148, 169 8 , 226,227,228 151 8 , 227 14 14 5, 12 8 , 16, 159 159, 183a 175 8 238,295 12, 246 8 , 252 8 125 8 , 13 la, 136a, 144, 175a, 229 146,147,148 367 Merrilees, Brian 51 8 , 68a, 69a, 70 8 , 71a, 72a, 73, 74 8 , 76a, 81,104,105,111,112,113,302, Merzagora, Giovanna Massariello 232 Messi, Clara 232, 233, 234 Metzeltin, Michael 5 8 , 6 8 , 17, 99,102,142,145,147,229, 230, 297, 298, 301 368 Meyer, Paul Meyer-Lübke, Wilhelm Michelant, Henri Victor Mier, Eduardo de Miethaner-Vent, Karin Migliorini, Bruno Mignini, Girolamo Mila y Fontanals, Manuel Moll, Francesc de Borja Momigliano, Attilio Monfrin,Jacques Monteverdi, Angela Morandi, Luigi Morf, Heinrich Mounin, Georges Mozzati, Ermanno Müller, Bodo Mussafia, Adolf Naher, Samuel Adrian Nars, Helene Nardi, Benno Nardi, Tilde Nencioni, Giovanni Neumann, Friedrich Nicastro, Anthony Nicolas, Christian Niederehe, Hans-Josef Nieto, Lidio Nobel, Pierre Nogara, Bartolomeo Noyer-Weidner, Alfred Nykrog, Per Oates, John C. T. Oesterreicher, Wulf Ol'chovikov, Boris Andreevic Olivieri, Dante Olivieri, Ornella Orlandini, Giovanni Ornato, Monique Orr, John Register 21, 26, 28a, 100, 101, 102, 103, 110, 300,302,304 8, 12, 14 299 295 109 142,145,231 227 26,100,101,102 249a, 250a, 297 142 68a, 74a, 76a, 81a, 109,111,112,113 103 192,231,233,237 24a, 102, 103 2a Sa, 15 102 216, 236, 304 107 111 133a, 142 133a, 142 225 15 147 183a 6a, 14, 17, 18, 146, 147, 230, 255a, 295, 298,300 297 111 149a, 227 235 101 306 16,145 14 237 206,223a,232,233,235,237 229 111 15 Index wissenschaftlicher Autoren Ortuzar, Camilo Owen,Annie Paccagnella, Ivano Padoan, Giorgio Pagani, Ileana Pagliaro, Antonino Palermo, Massimo Palmer, Frank R. Paluello, Lorenzo Minio Pansier, Paul Panvini, Bruno Parera, Bastardas Paris, Gaston Parlangeli, Oronzo Parret, Herrn.an Patota, Giuseppe Paulsen, Friedrich Pausch, Oskar Pavanello, Giuseppe Pedersen, Holger Pellegrini, Silvio Pepin, Roger Percival, Walter Keith . Petersen, Uwe Petrucci, Armando Pezard, Andre Pfister, Max Piccolomini, Ennea Pignatelli, Cinzia Pistorius, George Poggi Salani, Teresa Pokomy, Julius Poli, Diego Polidori, Filippo Luigi Polo, Jose Pons, Nicole Poe, Elisabeth Wilson Pope, Mildred K. Posner, Rebecca Powitz, Gerhardt Pratesi, Alessandro Priebsch, Josef 369 17 290 8 , 293 8 , 305 232 232 145,146 14, 145, 146, 167 8 232 101 304 96a, 97 a, 98, 116 144 297 101 142,235 13 160 8, 192, 194a, 196a, 227,230,231,232 112 212 8 , 214 8 , 236 232 13 145 237 101 175 8 228 144 100, 184 8 , 232 231 233,234 147 225,230,232 183 8 148 142 18 111 101 301,302,305 15 108 108 304 370 Prieto, Antonio Pulgram, Ernst Quilis, Antonio Radtke, Edgar Rajna, Pio Ramat, Paolo Ramat, Raffaello Rask, Rasmus Rauhut, Franz Raynouard, Fran~ois-Juste-Marie Regoliosi, Mariangela Reichenkron, Günter Reichmann, Oskar Reiffenberg, Frederic Auguste Ferdinand Thomas de Reilly, Leo Renzi, Lorenzo Rensch, Karl H. Rheinfelder, Hans Ricci, Pier Giorgio Richardson, Brian Richter, Michael Richthofen, Erich von Rico, Albert Riemens, Kornelis-Jacobus Riessner, Claus Ringmacher, Manfred Riquer, Martin de Rizzo, Silvia Robins, Robert Henry Roddewig, Marcella Rohlfs, Gerhard Romano, Ruggiero Roncaglia, Aurelio Ronga, Luigi Roques, Mario Rosier-Catach, Irene Rossebastiano Bart, Alda 296 148 18, 255a, 298 147 143,230 17,146 145 Sa 145 10, 16, 26,101,102,115 228 Register 148 106,109,232,250a,296-297,298 110 99 16 159a 145,148 144 225 289a, 300 134a 297 299 108, 202a 159 3 295 225 14 148 12a, 145, 213 3 160 101 133 3 , 142 6la, 63 3 ,65 3 ,110,111,115 101,102,104,111,299 202a, 203a, 204a, 206a, 211a, 217a, 221a, 232,233,234,235,236,237 Rothwell, William 290a, 293a, 300, 305, 306 Round, Nicholas G. 295 Rozdestvenskij, Jurij Vladimirovic 14 Index wissenschaftlicher Autoren Rubi6 i Balaguer, Jorge Ruffinato, Aldo Ruh, Kurt Sabatini, Francesco Sabbadini, Remigio Salvi, Gianpaolo Samaran, Charles Sanchez Cant6n, Francisco Jose Sapegno, Natalino Saussure, Ferdinand de Scheler, August Schlegel, August Wilhelm Schlieben-Lange, Brigitte Schmitt, Christian Schmitter, Peter Schneegans, Heinrich Schöffler, Herbert Schuchardt, Hugo Schultz-Gora, Oskar Schwab, Morse Schweickard, Wolfgang Seboek, Thomas A. Sensi, Filippo Serena, Augusto Sermoneta, Giuseppe Serrano y Sanz, Manuel Sgroi, Salvatore Claudio Shapiro, Marianne Simone, Raffaele Sitarz-Fitzpatrick, Beata Skeat, Walter William Smalley, Beryl Soberanas, Amadeu-J. Sola, Joan Solmi, Edmondo Sörensen, Hans Spector, Stephen Spitzer, Leo Städtler, Thomas Steffens, Steffen Stein, Gabriele 371 103 103 145 235 227 16 86a, 87 a, II 0, 114, 115 239a,240,295,296 141 3, 4, 12, 159 304 8, 11, 159 6a, 44a, 99,101,104,146 17,99,102,142,145,230,297,298,301 99,102,104 14 17, 159a 6a, 11 33a 237 147 13,101 192,193,231 232 236 295 195a, 232 146 146 302 305 289a 297 297 237 101 108 6a 50, 51, 104, 105, 278a, 282a, 303,304 101 284a, 304, 305 372 Stengel, Edmund Stepanova, Larissa Starost, Jürgen Streitberg, Wilhelm Streuber, Albert Stürzinger,Jakob Suarez-Somonte, Pilar Saquero Swiggers, Pierre Tagliavini, Carlo Tancke, Gunnar Tavani, Giuseppe Tavoni, Mirko Tenenti, Alberto Tenneroni, Annibale Ternes, Elmar Terracini, Benvenuto Teza, Emilio Theodoridis, Christas Thewrewk, Aemilius Thomas,Antoine Thomsen, Vilhelm Thun, Harald Thurot, Charles Tobler, Adolf Tolkiehn, Johannes Tollis, Francis Tolson, James E. Torres-Alcala, Antonio Trabalza, Ciro Trabant, Jürgen Trapani, Filippa Ueding, Gert Valente, Luisa Valero Moreno, Juan Miguel Värvaro, Alberto Vazquez Veiga, Nancy Vedovelli, Massimo Verdelho, Telmo Register 21, 22a, 92a, 100, 1'15, 271a, 274a, 278a, 300,301,302,303,304 142,148,226 16 15 271a,300,303,306 269,300,301 297 14, 17, 101, 278a, 280a, 282a, 301, 303 14,16, 175,236 232,234 101 127 8 , 147, 149a, 151 8 , 160a, 162a, 163 8 , 165 8 , 166a, 167a, 170a, 175 8 , 176a, 182a, 187a, 190, 191a, 224,225,226, 227,228, 230 160a 237 133a, 147 145, 176a 235 107 106 114,143 13 46a 50, 105, 205 8 28a, 101,103 106 241a, 243a, 245,296 99 239 8 , 295, 296 17,142,144,192, I93,200a,233 146 233,235 112 102,104 296 15 99 225,232 298 Index wissenschaftlicher Autoren Versteegh, Kees Vidos, Benedek Elemer Vidossi, Giuseppe Vignuzzi, Ugo Vinay, Gustavo Vineis, Edoardo Viscardi, Antonio Vitale, Maurizio Viti, Paolo Volpi, Guglielmo Voßler, Karl Wagner, Max Leopold Wagner, Robert Leon Walde, Alois Walser, Ernst Wandruszka, Mario Wartburg, Walther von Weijers, Olga Weise, Georg Weiss, Robert Welliver, Warman · Wesseling, Ari Weydt, Harald Wiegand, Herbert Ernst Wildermuth, Johann Wilhelm, Julius . Windisch, Rudolf Wissowa, Georg Woll, Dieter Wright, Roger Wright, Thomas Wright, William Aldis Wrobel, Johann Wunderli, Peter Zamora Munne, Juan Clemente Zgusta, Ladislav Zingerle, Wolfram von 14,230,300 Sa, 16 133a, 142 235 145 231 Sa, 15, 133a, 142 Sa, 15,142,144, 159a, 225 226,228 237 6a, 12, 15, 126, 127 176a Sa, 17 183a 174,175,228 148 159, 160a 109 186a 230 144 228 146 106, 109, 232, 250a, 297, 298 101 148 16 106 298 148 301 305 73a Sa, 6a, 146 99 106,109,232,250a,297,298 234 373 ZEIT OKZITANIEN FRANKREICH ITALIEN KATALONIEN 10.Jh. Glossar von Monza (it.-gr.; l. H. 10. Jh.) 11.Jh. Französische Glossen in Papias: Elementarium (um 1050) hebräischen Texten 12.Jh. Glossar von Tours 13.Jh. Uc Faidit: Lo Donatz Erste frz. Donat- Hugutio von Pisa: Magnae Derivationes Proensals Übersetzungen (A. 13. Jh.) Raimon Vidal: Las Glossar Abavus von Dante: Vita Nova (1283-1293/ 95) Razos de trobar Douai (E. 13. Jh.) Giovanni Balbi: Catholicon (1286) Guillelrnus: Brüsseler Glossar Summa grammaticalis (E. 13. Jh.) Moses von Salerno/ Isaias von Salemo: Rimarium Glossario .filoso.fico ebraico-italiano (E. 13. Jh.) Okz.-ital. Glossar (Laurentiana-Kodex) 14.Jh. Leys d'Amors (1356) Abavus von Evreux Dante: De vulgari eloquentia (1303/ 04) lateinisch- (A. 14. Jh.) Dante: Convivio (1303-1308) katalanisches Glossar Glossar Vatikanhand- Frz.-venez. Glossar (l. H. 14. Jh.) (E. 14. Jh.) schrift (1. H. 14. Jh.) Lluis d' Aven; : 6: Abavus von Paris Angelo Senisio: Declarus (M. 14. Jh.) Torsimany (Abavus maior; um 1350) Goro d' Arezzo (Erw. v. Domenico di Bandino): Jaume March: Abavus von Conches lat.-it. Glossar (M. 14. Jh.) Rimarium (1388) Glossar von Perugia (Wende 14./ 15. Jh.) Aalma (Paris BN lat. Gr.-siz. Glossar 13032; E. 14. Jh.) Glossar von Montpellier Aalma bis 15.Jh. Derivator in breve Donaitfranqois Themat. Lemglossare lat.-volg. (Barzizza, comprehensus (1470) Firmin Le Ver: 1417/ 18; Cantalicio, E. 15. Jh. u.a.) Floretus Dictionarius (1440) It.-neufremdsprachl. Lehrwerke (Georg von Okz.-lat. Glossar Glossarium Gallico- Nürnberg, 1424; Adam von Rottweil, 1477) Joan Esteve: Liber Latinum Interdialektale Glossare (Mail.-umbr. Glossar, elegantiarum (1489) Jean Lagadeuc: breton.- 1428; Benedetto Dei: mail.-florentin. Glossar, frz.-lat. Wörterbuch 1470, 1485) Vocabularius familiaris et Debatte um die it. Volkssprache (1435-73; compendiosus (1490) Biondo, Bruni, Alberti, Guarino, Poggio, Filelfo, Valla) Luigi Pulci: Vocabolista (erstes „einsprachiges" it. Wörterbuch) Paolo Pompilio: Ex libro prima notationum Pauli Pompilii [. ..] (1435) Alberti: Grammatichetta (um 1440) Benvoglienti: De analogia [ ...] (1481) Maqre Dardeqe (hebr.-neap.-arab. Glossar, 1488) Aldo Manuzio: Thesaurus Cornucopiae et Horti Adonidis (1496) Marcantonio Coccio (Sabellico): Enneades sive Rapsodiae historiarum (1498-1504) Erste Glossare mit it. Basis (Decembrius, M. 15. Jh.; Valla da Girgenti, E. 15. Jh.) Schulglossar des Jacopo Ursello de Roccantica (E. 15. Jh.) SPANIEN ENGLAND FLANDERN PORTUGAL Oxforder Glossar Französische Glossen zu: Adam du Petit Pont: De utensilibus Alexander Nequarn: De nominibus utensilium (2. H. 12. Jh.) John Garland: Dictionarius (um 1220) John Garland: Commentarius (um 1246) Walter von Bibbesworth: Tretiz (1250) Glossar von Glasgow (M. 1.3. Jh.) Glossar von Oxford (M. 13. Jh.) Roger Bacon: Compendium studii philosophiae; Opus maius (E. 13. Jh.) Glosario de Toledo Orthographia gallica (um 1300) Livre des Mestiers (1340) Glosario de Palacio Nominale sive Verbale in Gallicis cum Gesprächbüchlein romanisch Lateinisch-portugiesisches expositione eiusdem in Anglicis (um 1340) undflämisch (2. H. 14. Jh.) Verbglossar aus Alcoba,; a Maniere de langage (1396) (M. 14. Jh.) Thomas Sampson: Ars notaria Glosario del Escorial M. T. Coyfurelly: Tractatus ortographie Vocabulair pour aprendre Enrique de Arag6n, Conde gallicane (um 1400) Romain et Flameng. Vocabulaer de Villena: Arte de trovar Johan Barton: Donatfram; ois (A. 15. Jh.) om te leerne Walsch ende (um 1423) Femina (1415) Vlaemsch (1501) Elio Antonio de Nebrija: William Caxton: Tres banne doctrine pour Introductiones Latinae (1481) aprendre briefmentfransoys et engloys. Ryght good lernyngfor to lerne shortlyfrenssh and Alfonso de Palencia: englyssh (1483) Universal vocabulario en latin y en Romance collegido por el cronista Alfonso de Palentia (1490) ZEITTAFEL Eugenio Coseriu Geschichte der Sprachphilosophie Von den Anfängen bis Rousseau Neu bearbeitet und erweitert von Jörn Albrecht Mit einer Vor-Bemerkung von Jürgen Trabant UTB 2266 M, 2003, XX, 410 Seiten, div. Tab.,€ 24,90/ SFr 42,- UTB-ISBN 3-8252-2266-7 Coserius breit angelegte Darstellung der Geschichte der Sprachphilosophie zeigt ein faszinierendes Panorama des sprachphilosophischen Denkens von den Anfängen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Auf grundsätzliche theoretische Erläuterungen folgt eine chronologisch geordnete Übersicht, die sowohl die wichtigsten Stationen markiert als auch die sprachphilosophisch relevanten Äußerungen der behandelten Autoren sammelt und interpretiert. Damit ist der Band eine unentbehrliche Textsammlung zur europäischen Sprachphilosophie. Das Spektrum der vorgestellten Autoren reicht von namhaften Vertretern der klassischen Antike bis zu den Philosophen der Aufklärung. »Hier ereignete sich tatsächlich die Vermählung der Philosophie mit der Philologie, die als >Liebe zur Sprache< wieder Glanz, Weite und Tiefe bekam.« Süddeutsche Zeitung A. Francke Der zweite Band von Coserius Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft umfasst die Epoche der Renaissance und des Humanismus. Es entstehen die ersten nationalen Grammatiken in Spanien, Portugal, Italien und Frankreich, aber auch zahlreiche Traktate über die ideale Rechtschreibung und über Phonetik. Auch die ersten zweisprachigen Wörterbücher Latein-Romanisch erscheinen. Vor allem werden in England, Flandern und Deutschland Lehrbücher des Französischen, Spanischen und Italienischen geschrieben. Überlegungen zur Herkunft der romanischen Nationalsprachen begründen die Sprachgeschichte der Frühen Neuzeit. ISBN 978-3-8233-4642-5 GESCHICHTE DER ROMANISCHEN SPRACHWISSENSCHAF T Band 2 Eugenio Coseriu GESCHICHTE DER ROMANISCHEN SPRACHWISSENSCHAF T Eugenio Coseriu, Reinhard Meisterfeld 1 Von den Anfängen bis 1492 14641_Umschlag.indd 3 14641_Umschlag.indd 3 27.03.2020 15: 47: 43 27.03.2020 15: 47: 43