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Der zentrale Wortschatz des Deutschen

2002
978-3-8233-3005-9
Gunter Narr Verlag 
Ulrich Schnörch

Was gehört zum Kernbereich des deutschen Wortschatzes? Vor allem Sprachdidaktiker, Lexikografen und Lexikologen suchen eine Antwort auf diese Frage, und sie bedienen sich dabei unterschiedlicher, zumeist sehr kontrovers diskutierter quantitativer und qualitativer Methoden. Die jeweils erzielten Resultate sind oft nicht minder umstritten und sofern sie als bloße Wortlisten publiziert werden, scheint es darüber hinaus kaum angemessen, von einer Grundwortschatzlexikografie zu sprechen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, einen Weg aus dieser unbefriedigenden Situation aufzuzeigen.

Studien zur Deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Ulrich Schnörch Der zentrale Wortschatz des Deutschen Strategien zu seiner Ermittlung, Analyse und lexikografischen Aufarbeitung gnw Gunter Narr Verlag Tübingen STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE 26 Studien zur Deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRÄCHE Herausgegeben von Ulrike Haß-Zumkehr, Werner Kallmeyer und Bruno Strecker Band 26 ■ 2002 Ulrich Schnörch Der zentrale Wortschatz des Deutschen Strategien zu seiner Ermittlung, Analyse und lexikografischen Aufarbeitung gnw Gunter Narr Verlag Tübingen Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schnörch, Ulrich: Der zentrale Wortschatz des Deutschen : Strategien zu seiner Ermittlung, Analyse und lexikografischen Aufarbeitung / Ulrich Schnörch - Tübingen : Narr, 2002 (Studien zur Deutschen Sprache ; Bd. 26) ISBN 3-8233-5156-7 © 2002 • Gunter Narr Verlag Tübingen Dischingerweg 5 ■ D-72070 Tübingen Das Werk einschheßlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: Volz, Mannheim Druck und Bindung: Hubert&Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0949-409X ISBN 3-8233-5156-7 Inhalt Vorbemerkung 7 1. Die Ausgangslage 11 1.1 Die Suche nach dem lexikalischen Zentrum der deutschen Sprache. Historische und aktuelle Aspekte der Grundwortschatzforschung: Grundlegende theoretische und praktische Probleme 11 1.2 Ziel(e) der vorliegenden Arbeit: Materialgrundlage, Auswahlkriterien und Vorgehensweise im Überblick 55 2. Der Untersuchungsgegenstand 61 2.1 Istvän Kosaras (1980): ‘Grundwortschatz der deutschen Sprache. Einsprachiges Wörterbuch’ 61 2.2 J. Alan Pfeffer (1970): ‘Grunddeutsch. Basic (Spoken) German Dictionary’ 63 2.3 Arno Ruoff (1981): ‘Häufigkeitswörterbuch der gesprochenen Sprache’ 116 2.4 Inger Rosengren (1972-1977): ‘Ein Frequenzwörterbuch der deutschen Zeitungssprache’ 129 2.5 Gerhard Augst ( 2 1985): ‘Kinderwort. Der aktive Kinderwortschatz (kurz vor der Einschulung)’ 144 2.6 Deutscher Volkshochschul-Verband/ Goethe-Institut (Hg.) ( 5 1992): ‘Das Zertifikat Deutsch als Fremdsprache’ 168 2.7 Dieter Krohn (1992): ‘Kompaktliste/ Testlexikon’ 183 3. Die Wortschatzanalyse 189 3.1 Vorbedingungen 189 3.2 Die Datenverarbeitung: Anlage und Aufbau 194 3.3 Zu einigen Aspekten der quantitativen Analyse des Gesamtmaterials - Eingrenzung der Untersuchungsschnittmenge 219 6 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 3.4 Die Wortschatzanalyse am Beispiel der Untersuchungsschnittmenge ‘Kosaras (K)/ Pfeffer (p)/ Ruoff (G)/ Rosengren (R)’ 226 3.4.1 Detail-Analyse 226 3.4.1.1 Vorüberlegungen: Sememe als Zähl- und Analyseeinheiten 226 3.4.1.2 Grundsätzliche Erläuterungen zur Vorgehensweise bei der Detail-Analyse der Untersuchungsschnittmenge 230 3.4.1.3 Allgemeine Analyseschritte, die wortartenübergreifend in der gesamten Untersuchungsschnittmenge durchgeführt wurden 231 3.4.1.4 Besondere Analyseschritte, die wortartenspezifisch in den Teilmengen der Untersuchungsmenge durchgeführt wurden 235 3.4.1.4.1 Morphologie und Grammatik 236 3.4.1.4.2 Synonymie (Hyperonymie) - Gegensatzrelationen 257 3.4.1.5 Quantitative Auswertung der Untersuchungsschnittmenge 263 3.4.2 Stichproben-Analyse 280 3.4.2.1 Wortbildung 280 3.4.2.2 Fremdspracheneinflüsse 311 3.4.2.3 Relationale Aspekte 336 4. Resümee und Ausblick 379 5. Verzeichnis der im Text (beim Zitieren) verwendeten Abkürzungen 383 6 Literatur 385 Vorbemerkung Die Auswahlverfahren bilden aus nahe liegenden Gründen eine Säule der Grundwortschatzforschung: Im Laufe der Zeit wurde ein recht umfangreiches Set an äußerst kontrovers diskutierten Methoden entwickelt: Es reicht von Frequenzerhebungen über pragmatisch begründete Auswahlverfahren und Schnittmengenbildungen bis hin zu sprachimmanenten Kriterien, welche auf die verstärkte Berücksichtigung der Paradigmatik, Syntagmatik, Wortbildung u.a. hinzielen. Letzteres ist insbesondere für didaktisch ausgerichtete Grundwortschätze von großer Bedeutung, bislang allerdings kaum berücksichtigt worden. Was die Frage nach der ‘richtigen’ Vorgehensweise betrifft, so herrscht inzwischen bestenfalls Einigkeit darüber, dass es eine allgemein verbindliche Methode zur Ermittlung des definitiven Grundwortschatzes nicht gibt. Zugleich kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass dieses Thema den Forschungsgegenstand einseitig beherrscht und so den Blick auf andere wichtige Ansätze und Aspekte verstellt: Auffälligster Beleg hierfür sind zahlreiche, als reine Wortlisten konzipierte Veröffentlichungen, die das Bild vom Grundwortschatz lange Zeit prägten (und z.T. immer noch prägen): Ergebnisse, die einer sich als Grundwortschatzlexikografie verstehenden Disziplin kaum angemessen erscheinen. Obgleich einzelne Verlage mittlerweile um Korrekturen bemüht sind, vermisst man von Seiten der Wissenschaften) empirisch belegte, fundierte, integrative und interdisziplinär ausgerichtete Ansätze zur lexikografischen Aufarbeitung und Darbietung eines Grundwortschatzes. Die vorliegende Arbeit ist ein erster Schritt in diese Richtung. Ausgehend von der aktuellen Forschungslage habe ich sieben Wortschatzerhebungen ausgewählt, die trotz ihrer Verschiedenartigkeit jeweils einen zentralen Bereich des deutschen Wortschatzes erfassen. Sie werden ausführlich vorgestellt, d.h., das jeweilige Ergebnis wird vor dem Hintergrund des Wechselspiels zwischen Zielsetzung und gewählter Methode kritisch unter die Lupe genommen, wobei darüber hinaus auch relevante lexikografische Schwerpunkte thematisiert werden. 8 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Die Wortschatzerhebungen genauer: die auf deren Grundlage erstellte PC- Datenbank bilden zugleich die Materialbasis für meine eigene lexikalische Analyse unter vorwiegend semantischen und grammatischen Gesichtspunkten. Speziell für diese Zwecke habe ich eine Untersuchungsschnittmenge gebildet. Bei deren Analyse stehen nicht wie bisher Lexeme, Wörter oder Stichwörter im Mittelpunkt, sondern deren Sememe bzw. Lesarten. Nur so lassen sich die bislang oft reichlich hypothetischen Kommentare über die Verwendung einzelner, nicht disambiguierter Wortkörper vermeiden bzw. relativieren; erst auf diese Weise kann man den tatsächlichen Gebrauchsrahmen bestimmen, also die semantischen und grammatischen Strukturen freilegen. Die eigentliche Analyse erfolgt in zwei Etappen, einer (semantischen und grammatischen) Detailanalyse aller Sememe der Untersuchungsschnittmenge und einer Stichprobenanalyse mit den Schwerpunkten ‘Wortbildung’, ‘Fremdspracheneinflüsse’ und ‘relationale Aspekte’ (unter zusätzlicher Berücksichtigung des Gesamtmaterials). Mein Ziel ist es zu zeigen, dass der Grundwortschatz v.a. in seiner didaktischen Ausrichtung nicht länger nur von seiner formalen Seite, also von Wortkörpern her verstanden werden sollte, sondern dass er eine, wenn nicht die integrative Instanz beim Fremdsprachenlernen darstellt. Hier greifen beispielsweise die Bereiche Semantik und Grammatik ineinander, hier ist auch nach Konzepten zu suchen, die es ermöglichen, die alphabetische Ordnung eines Wörterbuches zu Gunsten einer begrifflichen, thematischen, i.w.S. relationalen aufzugeben. Meine Überlegungen und Analysen sind von der Idee gesteuert, eine als solche verstandene Grundwortschatzlexikografie aus dem Dornröschenschlaf zu befreien, indem ich einzelne Ansätze kritisch hinterfrage, Konzepte vorstelle, Vorschläge unterbreite und nicht zuletzt eigene Analysen durchführe, die zukünftig einen Rahmen für weiter reichende Untersuchungen bilden (können). So gesehen verstehe ich meinen Beitrag zur Erforschung des Grundwortschatzes als Vorarbeit, als den ersten einer Reihe noch erforderlicher Schritte auf dem Weg zu einer echten Grundwortschatzlexikografie. Dem als Buch veröffentlichten Text steht das von mir zusammengestellte und analysierte Material gleichwertig zur Seite, das Interessierten unter http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html Vorbemerkung 9 zugänglich ist. Bei dem Buch und der Materialerhebung handelt es sich um eine behutsam überarbeitete und leicht aktualisierte Fassung meiner ursprünglich zweibändigen Dissertation, die im Juli 1999 an der Universität Augsburg eingereicht wurde. Zu Dank verpflichtet bin ich Herrn Prof. Wellmann, der den Fortgang meiner Arbeit in Augsburg unterstützt hat und Herrn apl. Prof. König, der das Zweitgutachten übernahm. Darüber hinaus danke ich den Herausgebern Herrn Prof. Kallmeyer, Herrn Prof. Strecker und Frau Prof. Haß-Zumkehr für die Aufnahme des Manuskripts in die Reihe ‘Studien zur deutschen Sprache’. Dank auch allen namentlich nicht Erwähnten, die ihren Beitrag geleistet haben, meinen Freunden, meiner Freundin und Partnerin sowie herzlichst meinen Eltern, denen ich diese Arbeit auch widme. Ulrich Schnörch, Mannheim 1. Die Ausgangslage 1.1 Die Suche nach dem lexikalischen Zentrum der deutschen Sprache. Historische und aktuelle Aspekte der Grundwortschatzforschung: Grundlegende theoretische und praktische Probleme Vor nunmehr über hundert Jahren erschien die erste empirisch erfasste, d.h. sprachstatistisch gewonnene Frequenzerhebung des Deutschen: Das ‘Häufigkeitswörterbuch der deutschen Sprache’ von Friedrich Wilhelm Kaeding (1897-98), „dessen Frequenzangaben auf einem Corpus geschriebener deutscher Sprache aus dem 19. Jahrhundert mit fast 11 Millionen laufenden Wörtern basieren. Dieses Unternehmen sollte in erster Linie Grundlagen für eine Verbesserung und Rationalisierung der Stenographie liefern und listete nur die Wortformen [d.h. einzelne Flexionsformen, U.Sch.] auf 1 (Schumacher 1978, S. 41). Trotz seiner klar definierten und deshalb auch eingeschränkten Zielsetzung ist Kaedings Häufigkeitswörterbuch Grundlage und Ausgangspunkt für eine ganze Reihe nachfolgender sprachstatistischer Arbeiten, mit denen gleichzeitig versucht wird, das Verfahren zu übertragen und somit das Anwendungsspektrum zu erweitern (vgl. ausführlicher dazu Njock 1973, S. 23ff.). Zu dieser Entwicklung meint Kühn: Kaeding wäre sicherlich nicht schlecht erstaunt darüber, mit welcher Arglosigkeit und Naivität seine auf stenographische Zielsetzungen und Belange ausgerichteten Ergebnisse für sprachpädagogische und lexikographische Zwecke umfunktioniert und als äußerst brauchbar angesehen werden (1984, S. 243). Eine wohl entscheidende Ursache hierfür dürfte die Forderung der Sprachdidaktik nach einem Grundwortschatz sein, die durchaus gerechtfertigt ist: Angesichts der erdrückenden Stoffmenge, die zur sicheren Beherrschung einer Fremdsprache durch geeignete Methoden vermittelt, vom Schüler durchschaut und in gewissen Bereichen bis zur freien Verfügbarkeit geübt werden muß, ist es nur allzu verständlich, daß das Bestreben des Didaktikers dahin geht, dem Fremdsprachenunterricht eine überschaubare, in einem begrenzten Zeitraum erlernbare ‘Material'-Menge zugrunde zu le- 12 Der zentrale Wortschatz des Deutschen gen. Das bedeutet, daß der zu vermittelnde Stoff in allen Sprachbereichen, in denen das gefahrlos möglich erscheint, reduziert werden muß (Kaufmann 1968, S. 11). Im Gegensatz zu den weitestgehend geschlossenen Systemen der Lautung, der Morphologie und in bestimmtem Maße auch der Syntax, wird demgegenüber die Lexik als einzige Komponente angesehen, die quantitativ reduzierbar ist, obgleich gerade sie die materiale bzw. instrumentale Grundlage der Kommunikation bildet (vgl. ebd., S. 1 lf.). Eine objektive Methode zur Reduzierung des Wortschatzes glaubte man nun in den Frequenzuntersuchungen gefunden zu haben, ein folgenreicher Umstand, denn: Durch diesen Bezug auf die Häufigkeitsuntersuchungen wurde eine verhängnisvolle Gleichung in die Grundwortschatzbestimmung hineingetragen, die sich bis auf den heutigen Tag standhaft hält ...: Die sprachstatistisch häufig vorkommenden Wörter werden mit den sprachpädagogisch brauchbarsten identifiziert (Kühn 1984, S. 244). Die Weichen für die Suche nach dem lexikalischen Zentrum der deutschen Sprache waren damit fürs Erste gestellt. Faßt man diese erste Phase der Grundwortschatzlexikographie zusammen, so zeigt sich, daß die Idee der Grundwortschatzbestimmung für den Fremdsprachenunterricht mit dem Beginn der großen Häufigkeitszählungen zusammenfallen. Grundwortschätze entstehen als Abfallprodukt der beginnenden Frequenzforschung; schon rein äußerlich zeigt sich die enge Verbindung und Abhängigkeit der Grundwortschätze mit den Häufigkeitswörterbüchern: Es sind ‘nackte’ Wortlisten, die entweder alphabetisiert oder nach einzelrang- oder gruppenrangmäßigen Häufigkeiten geordnet sind ... (ebd., S. 245). Hält man sich weiter an die von Kühn vorgeschlagene Periodisierung, so kann die zweite Phase der Grundwortschatzlexikografie überschrieben werden mit: „Einsicht in die Unzulänglichkeiten der frequenzorientierten Häufigkeitsuntersuchungen oder Die Differenzierungen und Modifizierungen der Wortfrequenz“ (ebd., S. 247). Nach der ersten Phase der auf manueller Basis erstellten Häufigkeitszählungen war es ganz normal, daß sich die Methoden der qualitativen Wortschatzerhebungen verfeinerten. Die Berücksichtigung der mathematischen Statistik im Bereich der Lexikographie führte einerseits zur Aus- Die Ausgangslage 13 arbeitung der Lexikostatistik ... und andererseits zu einer zunehmenden Differenzierung und Modifizierung der Frequenzwörterbücher (Kühn 1984, S. 248f.). Dazu hat sicherlich auch die verstärkte Berücksichtigung der gesprochenen Sprache beigetragen; dies wurde wiederum möglich, nachdem die technischen Voraussetzungen gegeben waren, also etwa die Möglichkeiten in Zusammenhang mit Tonbandaufzeichnungen. Aber auch dieser zweiten Phase steht Kühn äußerst kritisch gegenüber: Trotz oder gar wegen der Differenzierung der statistischen Methodik mit der Angabe quantitativer und qualitativer Auswahlkriterien dreht sich die Grundwortschatzlexikographie ... insofern im Kreis, als (1) alle Grundwortschatzlisten prinzipiell auf dem quantitativen Kriterium der Wortfrequenz beruhen (2) alle zusätzlichen qualitativen Kriterien lediglich angeführt werden, um die Unzulänglichkeiten der Häufigkeitszählungen mehr oder weniger erfolgreich zu beseitigen (3) Problemlösungsversuche im methodischen Bereich der Lexikostatistik steckenbleiben und nicht auf ein grundlegend neues theoretisches Konzept abzielen (ebd., S. 250). Das grundlegend neue theoretische Konzept scheint mit dem „Einzug der Pragmatik in die Grundwortschatzlexikographie“ (ebd., S. 251) gefunden zu sein, wodurch auch die nach Kühn dritte Phase eingeleitet wird. Der Neuansatz besteht im Wesentlichen darin, (a) die potentiellen Grundwortschatzbenutzer, (b) die Kommunikationssituationen, (c) die Handlungsmuster, (d) die Themen und (e) die verschiedenen Kommunikationsmodi als Faktoren einer zielorientierten Wortschatzbeschränkung (ebd., S. 252) heranzuziehen. Obgleich diese Verfahrensweise äußerst viel versprechend anmutet, bleibt Kühn bei seiner Beurteilung eher skeptisch: Die Berücksichtigung dieser pragmatischen Kriterien bei der Grundwortschatzbestimmung bedeutet einen grundsätzlichen Einschnitt: Zwar könnte man den Einzug der Pragmatik in die Grundwortschatzlexikographie als Erscheinung einer allgemeinen Pragmatisierung linguistischer 14 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Ansätze und Methoden in den siebziger Jahren abtun, dennoch ergeben sich gegenüber der herkömmlichen Grundwortschatzkonzeption grundlegende Neuerungen: (1) Frequenzuntersuchungen bilden nicht mehr Ausgangs- und Bezugspunkt der Grundwortschatzbestimmung, sondern die kommunikative Verwendung gilt als Maßstab der Bestimmung. (2) Die ‘Objektivität’ der Grundwortschatzbestimmung wird als unerreichbar angesehen und gilt als ein nicht mehr anzustrebendes Ziel. Die pragmatisch orientierte Grundwortschatzbestimmung setzt sich dabei scheinbar dem Vorwurf der Subjektivität aus. In Wirklichkeit ist diese Art der Grundwortschatzbestimmung jedoch relativ, d.h. ob ein Wort zum Grundwortschatz gehört oder nicht, ist abhängig von den zugrundegelegten pragmatischen Kriterien. In der Praxis zeigt sich auf der anderen Seite jedoch sehr schnell, daß der Interpretationsspielraum bei der Zuordnung in den Grundwortschatz äußerst groß wird (Kühn 1984,8.252). Daraus ergibt sich letztlich eine paradoxe Situation: Durch die pragmatische Grundwortschatzbestimmung kann die Wortauswahl zwar kommunikativ begründet, jedoch nicht quantitativ bestimmt und beschränkt werden. Dabei war die Begrenzung des Wortschatzes für das Erlernen einer Sprache gerade Ausgangspunkt und Legitimation für die Erstellung von Grundwortschätzen. Der Grundwortschatz wird somit zur lexikographischen Fiktion (ebd., S. 253). So ernüchternd dieser sicherlich überspitzt formulierte - Befund auf den ersten Blick auch erscheinen mag, so nachdrücklich muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass er nur vor dem Hintergrund einer konkreten, wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung zu sehen ist: der sekundärsprachlichen Grundwortschatzlexikografie. Man sollte ihn also nicht vorschnell verallgemeinern. Ferner dürfen der Methodenstreit bzw. einzelne unbefriedigende Ergebnisse nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass nach wie vor die grundsätzliche Notwendigkeit besteht, die zentralen Lexeme einer Sprache zu ermitteln. Es wäre zu pauschal, die Grundwortschatzforschung nur auf den skizzierten Ausschnitt einschränken zu wollen, obgleich er gewiss eine zentrale Stellung einnimmt. Der nachfolgende, von Kühn übernommene Stammbaum vermittelt einen ersten Eindruck, wie sich ‘der’ Grundwortschatz im Hinblick auf die Wortauswahl, Zielsetzung und Darbietungsform weiter auffächern lässt: Die Ausgangslage 15 muttersprachlich ohne Wortmit Worterklärung erklärung „Wortliste“ „Wörterbuch“ Abb. 1: Arten von Grundwortschätzen (nach Kühn 1981, S. 176) Auch zahlreiche Doubletten zeugen von dem Bemühen, das Anwendungsspektrum zu verbreitern; obgleich die Akzente durchaus verschieden gesetzt sind, beziehen sie sich im Wesentlichen jedoch alle auf das Gleiche: ‘Grundwortschatz’, ‘Kernwortschatz’, ‘Grundvokabular’, ‘Allgemeinwortschatz’, ‘Häufigkeitsliste’, ‘Mindestwortschatz’, ‘Alltagswortschatz’, ‘Standardvokabular’, ‘Minimalwortschatz’, ‘Grunddeutsch’, ‘GebrauchsWortschatz’, ‘Bedarfswortschatz' „sind alles Bezeichnungen für einen systematisch reduzierten Wortschatz einer Sprache, die die unterschiedlichen Erkenntnisinteressen an diesem Objektbereich widerspiegeln“ (Kühn 1979a, S. 23). 1 1 In diesem Zusammenhang ist abschließend auf die Arbeit von Ogden (1932) hinzuweisen; der Titel ‘Basic English' kann nämlich leicht zu Verwechslungen führen: „BASIC war ja ein Abkürzungswort, und 'Basic English' ein Mißverständnis. Es handelte sich ja nicht um Englisch, sondern um eine künstliche Sprache mit englischen Vokabeln“ (Köpke 1964, 16 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Das zentrale Anliegen der Grundwortschatzforschung ist zweifelsohne die Reduzierung des Gesamtwortschatzes auf eine überschaubare Menge von Lexemen. Dies ist zugleich der strittigste Punkt, denn über die hierbei anzuwendenden Methoden gehen die Meinungen weit auseinander; die verschiedenen Ansätze waren nicht zuletzt ausschlaggebend für die von Kühn vorgenommene Periodisierung (s.o.). Welche Vorschläge prinzipiell zur Diskussion stehen und wie sie ggf. zu bewerten sind, sei deshalb nachfolgend nochmals zusammengestellt. An erster Stelle der Kriterien zur Bestimmung eines Grundwortschatzes wären sprachstatistische Untersuchungen anzuführen, also Frequenzerhebungen. Auf diese Weise scheint eine Methode gefunden, die eine objektive Reduzierung des Wortschatzes ermöglicht, zumal die Listen der absoluten Frequenz inzwischen durch weitere sprachstatistische Parameter modifiziert werden: z.B. Repräsentativität, Frequenzgewichtung, Distribution, Dispersion und Disponibilität (vgl. die Ausführungen und Kritik bei Kühn 1979a, S. 24ff.; zu weiteren Auseinandersetzungen mit sprachstatistisehen Methoden und Frequenzwörterbüchern: Alexejew 1973, Hammerl 1984, Martin 1990, Muller 1972, Piirainen 1969; zur praktischen Umsetzung Rosengren 1972-77, bes. Bd. I, S. XXVff.). Um Zufälligkeiten bei der frequentativen Wortschatzauswahl nicht nur von statistischer Seite her möglichst gering zu halten, wurde im Laufe der Zeit ein Katalog sprachimmanenter Kriterien entwickelt, der zur Modifizierung des Grundwortschatzes herangezogen werden könnte. Er umfasst nach Kühn die folgenden Punkte: S. 113). Ergänzend meint Stötzel: „Ogden ging allerdings nicht nach Häufigkeitskriterien vor, sondern er wollte mit 850 Wörtern eine englische Einfachsprache konstruieren; diese Einfachsprache sollte der Kern einer internationalen Verkehrssprache sein“ (Stötzel 1970, S. 197; Hervorhebung von U. Sch.). Auch Schumacher weist darauf hin: „Mit Basic English kann man allerdings kaum umgangssprachliche englische Texte produzieren, weil praktisch keine Verben aufgenommen wurden. Stattdessen gibt es 18 ‘Operatoren’ wie make, get, put, die mit 20 Richtungselementen kombiniert werden können. Statt to ask muß man to put a question verwenden oder to count durch to get a number ersetzen. Außer den 850 Wörtern mußten auch die zugelassenen Kombinationsmöglichkeiten und die Ableitungen bei den Nomina erlernt werden. Der Hauptnachteil ist jedoch, daß diese Kunstsprache sowohl Sprecher als auch Hörer überforderte“ (Schumacher 1978, S. 43). Die Ausgangstage 17 ‘Die stilistische Neutralität’ (vgl. Kühn 1979a, S. 27): Gemeint ist damit die Orientierung des Grundwortschatzes an der Norm, d.h. an der Standardbzw. Hochsprache, also der Ausschluss von diasystematischen Varianten. - ‘Die Grundbegrifflichkeit’ (vgl. ebd., S. 25): Beispiele wären etwa Jahr, Luft, Wasser, lernen, schlagen, schön, zwei usw. - ‘Die semantische Expansionsfähigkeit’ (vgl. ebd., S. 27f.): Sie kennzeichnet die Fähigkeit eines Wortes, in übertragener Bedeutung verwendet zu werden. - ‘Die Kompositionsbzw. Derivationsfähigkeit’ (vgl. ebd., S. 26f.): Eine lexikalische Einheit gehört speziell dann in einen Grundwortschatz, „wenn sie als Basis für die weitere Wortbildung geeignet ist. Dies bedeutet, daß alle diejenigen Einheiten zum lexikalischen Basisinventar gehören, die mit Hilfe von Suffixen, Präfixen, Infixen und geeigneten Kompositionselementen neue lexikalische Elemente bilden können“ (ebd., S. 26). - ‘Die Fähigkeit zur idiomatischen Verwendung’ (vgl. ebd., S. 28f.): Beispiele wären u.a. Körperteilbezeichnungen, wie Auge, Hand, Fuß etc. - ‘Die Unentbehrlichkeit und Gebrauchswichtigkeit’ (vgl. ebd., S. 29): Dieser letzte Punkt bildet auf Grund seiner Unschärfe und Vagheit gleichsam ein Sammelbecken für alle bisher noch nicht berücksichtigten aber ‘wichtigen’ Wörter. Die Anwendung dieses Kriterienkatalogs ist sehr eng an die Frequenzmethode gebunden, der somit eine übergeordnete Position zukommt: Sie hat gleichsam für die Vorauswahl zu sorgen (vgl. dazu auch die nur geringfügig abweichende Zusammenstellung von Benes 1976, S. 337ff. und die Ausführungen zum Thema ‘Reichweite’ von Krohn 1992, S. 73f. und S. 97ff.). Obgleich die Einsicht, dass die Gebräuchlichkeit, mithin der fremdsprachendidaktische Nutzen eines Wortes, nicht nur an seiner Frequenz abzulesen ist, gibt Krohn zu bedenken. 18 Der zentrale Wortschatz des Deutschen ... daß die Praktikabilität dieser Selektionskriterien konsequent und systematisch für einen Grundwortschatz noch keineswegs erwiesen ist. Die empirische Präzisierung der Relevanzbereiche und der Nachweis der Operationalisierbarkeit der einzelnen Kriterien stellt eine wichtige Forschungsaufgabe der künftigen Grundwortschatzlexikographie dar (Krohn 1992,8.99). Was den ersten Punkt angeht, so ist Krohn zuzustimmen, was jedoch den zweiten Punkt betrifft, so hat Buchbinder bereits 1973 einen ernst zu nehmenden Vorschlag gemacht, der eindeutig in diese Richtung geht: [Er] beruht auf einem vielseitigen komplexen Ermitteln der wesentlichen Eigenschaften der LE [= lexikalische Einheiten, U. Sch.] und ihrer Beziehungen untereinander: des semantischen Wertes, der Bindefähigkeit, der Polysemie, der Struktur-, wort- und textbildenden Fähigkeit sowie der stilistischen Restriktionsfreiheit (S. 301). Das diese Faktoren berücksichtigende operationale Verfahren (vgl. ebd., S. 302ff.) ist m.W. allerdings noch nicht an einem Korpus praktisch erprobt worden. Trotz oder sogar wegen dieser Vielfalt zweitrangiger, an der Gebräuchlichkeit bzw. Reichweite orientierter Auswahlgesichtspunkte, die wiederum die primär frequentativ gewonnene Auswahlbasis mehr oder minder stark modifizieren, weichen die einzelnen Endergebnisse, also die auf jene ‘traditionelle Weise’ gewonnenen Grundwortschätze z.T. ganz erheblich voneinander ab. Das betrifft nicht nur die formale Aufbereitung, sondern vor allem das jeweils aufgenommene Wortmaterial (vgl. u.a. die Gegenüberstellungen bei Kühn 1979a, S. 48; Bolten 1989). Diese Tatsache ist der augenfällige und entscheidende Ausgangspunkt für die Kritik an lexikostatistischen Arbeiten: Die Gründe für die Nichtübereinstimmung mehrerer Grundwortschatzausschnitte liegen aus lexikostatistischer Sicht an der Applikation der Statistik auf den Wortschatz, an der zugrundeliegenden ausgezählten Textbasis, an der Gewichtung von Frequenz, Distribution, Dispersion, Disponibilität und anderen lexikostatistischen Parametern und nicht zuletzt an der latenten Methodendiskrepanz (Kühn 1979b, S. 36). Die Ausgangstage 19 Mit anderen Worten: Frequenzerhebungen besitzen keineswegs den Grad an Objektivität, der ihnen anfangs zugesprochen wurde daran können letztlich auch die angesprochenen modifizierenden Parameter nur sehr wenig ändern. Im Einzelnen lassen sich die Schwächen und Unzulänglichkeiten der traditionellen, maßgeblich auf dem Häufigkeitskriterium basierenden Grundwortschatzbestimmungen nach Kühn in folgende Bereiche aufgliedern und zusammenfassen: (1) Lexikostatistische Probleme ergeben sich bei der mathematischstatistischen Erfassung des lexikalischen Materials und betreffen die Behauptung, daß die brauchbarsten lexikalischen Einheiten mit den statistisch häufigsten identisch sind. Eine kritische Betrachtung dieses Problemgebiets hat jedoch gezeigt, daß Wortlisten auf Frequenzbasis durch (a) die Applikation der Statistik auf die Lexik, (b) die Forderung nach strenger Synchronizität und Repräsentativität des zugrundeliegenden Textmaterials, (c) die Gewichtung von Frequenz, Distribution, Disponibilität, Familarität und anderen Indizes, (d) die Definition der statistischen Zähleinheiten und (e) die allgemeine Methodendiskrepanz zu ganz verschiedenen Resultaten geführt haben, so daß es zweifelhaft erscheint, daß die häufigsten Wörter einer Sprache mit den brauchbarsten übereinstimmen. Allgemeinverbindlichkeit, Zuverlässigkeit und Brauchbarkeit sprachstatistischer Grundwortschatzerhebungen müssen daher in Frage gestellt werden. (2) Lexikosemantische Probleme ergeben sich aus der Interpretation der einzelnen Lexikoeinheiten auf der semantischen Ebene und betreffen besonders die mannigfachen Bedeutungsbeziehungen, die in einer einzelnen lexikalischen Einheit und zwischen mehreren lexikalischen Einheiten auftreten können. Die unzureichende Berücksichtigung lexikalischer Bedeutungsstrukturen gibt keinen Anlaß zu glauben, daß derjenige, der einen auf Frequenzbasis erstellten Grundwortschatz beherrscht. Deutsch verstehen und sich auf Deutsch hinreichend verständlich machen kann ... (3) Lexikosyntaktische Probleme ergeben sich aus der Beobachtung syntaktischer Konstellationsmöglichkeiten, in der lexikalische Einheiten Vorkommen können, und beziehen sich auf die Begriffe Valenz und Satzbauplan. In diesem Zusammenhang erhält der verbale Mindestwortschatz aufgrund seiner semantisch-syntaktischen Fügungspotenz eine besondere Bedeutung. Die Aufnahme eines Verbs in den Grundwortschatz sollte notwendigerweise die von diesem Verb dependenten Lexikoeinheiten nach sich ziehen, damit produktive Satzstrukturen gebildet werden können. 20 Der zentrale Wortschatz des Deutschen (4) Lexikomorphologische Probleme ergeben sich aus der Berücksichtigung von Wortbildungsregularitäten. Zusammensetzungen und Ableitungen, die wegen ihres relativ einsichtigen Aufbaus aus morphologischen Grundmustern leicht identifiziert und produziert werden können, gehören nicht zu den listennotwendigen Lexemen und sollten in Grundwortschatzwörterbüchem nicht aufgeführt werden. (5) Lexikopragmatische Probleme ergeben sich aus der Interpretation der Lexikoneinheiten als grundlegende Mittel jeder sprachlichen Kommunikation. Diese lexikopragmatische Kritik am traditionellen Verfahren der Grundwortschatzbestimmung geht von der These aus, daß die häufigsten Wörter nicht unbedingt mit den kommunikationsnotwendigsten lexikalischen Einheiten übereinstimmen ... (Kühn 1980, S. 231f.; vgl. ausführlicher: Kühn 1979a, S. 41-59; hierzu auch Raasch 1972, bes. S. 235- 239). Speziell der zuletzt angesprochene Punkt weist in eine Richtung, aus der dann auch jene neuen und maßgebenden Anstöße für die Grundwortschatzbestimmung kommen. Ausgehend vom ‘Problem des Grundwortschatzes im Deutschunterricht’ (vgl. Benes 1976) und der ‘Kritik an der bisherigen Grundwortschatzlexikographie’ (vgl. Kühn 1979b) suchte man schon früher ‘neue Wege zu einem Grundwortschatz’ (vgl. Raasch 1972) und findet schließlich in den ‘pragmatischen Aspekten der Grundwortschatzbestimmung’ (vgl. Kühn 1980) den erhofften Ansatz; Das Set der Kriterien einer funktionalen lexematischen Reduktion läßt sich ... allgemein durch die nachfolgende Frage aufzeigen: Welches lexikalische Material ... benötigt ein Sprecher/ Schreiber ..., um in der Situation ... über das Thema ... in der Rolle ... die kommunikative Intention ... mithilfe des Kommunikationsmodus ... erfolgreich durchzuführen? (S. 234). An diese Fragestellung gekoppelt, erarbeitet Kühn zwei wichtige Basispostulate: (1) Der Grundwortschatz muß zweck- und zielorientiert festgelegt werden. Die Bestimmung des Grundwortschatzes als Funktionswortschatz bedingt die Berücksichtigung alltäglicher Kommunikationsfaktoren wie Thema, Intention oder Situation für die Festlegung des grundlegenden Wortbestandes... (2) Der Grundwortschatz muß in seiner Darstellung ... überschaubar und in einem zeitlich begrenzten Rahmen lernbar sein. Die- Die Ausgangslage 21 se Überschaubarkeit des zu erlernenden Wortschatzes wurde dabei bisher durch das Prinzip der quantitativen Reduktion erreicht. Will man aus der Not eine Tugend machen, und die beiden Kriterien ‘Zielorientierung' und ‘Lernbarkeit’ miteinander kombinieren, so ergeben sich nur zwei Möglichkeiten: Ich erhalte entweder einen Wortschatz, der aufgrund der quantitativen Reduktion lernbar ist und nehme in Kauf, daß der ausgewählte Wortschatz kommunikativen Zielsetzungen nicht entspricht oder gar widerspricht, oder ich gewinne einen Wortschatz, der zwar funktionalen Kriterien entspricht, für den Schüler aber aufgrund der mangelnden quantitativen Reduktion schwer oder nicht lernbar bleibt (Kühn 1981, S. 167). Als Kompromiss schlägt Kühn nun vor, ... daß für die Feststellung des Grundwortschatzes die funktionale Zielvorgabe als Grundpostulat beibehalten und das Postulat der Lern- und Überschaubarkeit durch ein anderes Kriterium als das der quantitativen Reduktion erreicht werden muß (ebd., S. 168). Welches Kriterium damit gemeint ist, lässt er (zunächst) offen. Um diesen Vorschlag jedoch in die Praxis umsetzen zu können, ist es vor allem nötig, den Gebrauchswert von Grundwortschätzen festzustellen, zumal dieser Aspekt der Wörterbuchbenutzerforschung bisher kaum berücksichtigt wurde. So verwundert es auch nicht, wenn Kühn auf Grund einer kleineren Fragebogenauswertung (vgl. ebd., S. 168ff.) zu einem wenig befriedigenden Ergebnis kommt: Der Gebrauchswert von [traditionellen, U. Sch.] Grundwortschatzbüchern ist .... falls überhaupt vorhanden, sehr gering. Der in der Befragung zu konstatierende Gebrauchswert erstreckt sich lediglich auf das Übersetzen literarischer und einiger journalistischer Texte. Dabei wird sogar noch Kritik laut (ebd., S. 172). Das kann allerdings auch nicht der eigentliche Sinn eines Grundwortschatzes sein. Die Verbesserungsvorschläge seitens der Befragten lassen sich in zwei kurzen Thesen zusammenfassen: These 1: Der Grundwortschatz ist als Funktionswortschatz zu bestimmen. 22 Der zentrale Wortschatz des Deutschen These 2: Der Grundwortschatz ist als Lern- und Übungsbuch zu bestimmen (Kühn 1981, S. 173). Den weiteren Überlegungen Kühns zufolge ... bleibt als dominierender Gebrauchswert für das Grundwortschatzbuch ... die Bestimmung als Lern- und Übungsbuch. Aus der Funktion als Lernwörterbuch ergeben sich neben der Ausrichtung auf die kommunikativen Bedürfnisse bei der Bestimmung - Konsequenzen für die praktische Wörterbuchgestaltung ...: (1) Als Lernwörterbuch muß ein Grundwortschatzbuch nach dem Prinzip allgemeinsprachlicher Bedeutungswörterbücher semantische Informationen über die Struktur und den Gebrauch der Wortschatzeinheiten enthalten. (2) Um den zu lernenden und einzuübenden Wortschatz übersichtlich und ... überschaubar zu machen, muß im Grundwortschatzbuch die qualitativ reduzierte, alphabetische Ordnung zugunsten einer systematischen Ordnung in Wortgruppen aufgegeben werden (ebd., S. 177). 2 Damit sind die wesentlichen Punkte vorgestellt, die im Zuge der ‘pragmatischen Wende’ in die sekundärsprachliche Grundwortschatzforschung eingebracht wurden. Die entscheidende Neuerung ist demnach die zunehmende Ziel- und Zweckorientierung. 3 2 Auf die unzulängliche Art und Form der Bedeutungsexplikation in Grundwortschätzen ist Kühn bereits früher eingegangen: „Neben die mangelhafte Berücksichtigung und Erklärung der Bedeutungsstrukturen tritt in ein- und mehrsprachigen Wortlisten eine ungenügende Beschreibung lexikalischer Bezeichnungsstrukturen. Hierbei geht es um die Frage, welche Lexikoneinheiten in engerer semantischer Beziehung zueinander stehen und um die Art dieser Beziehung ... Die Alphabetisierung des Wortschatzes trägt wesentlich zur Verfestigung des asemantischen Charakters bisheriger Wortlisten bei“ (Kühn 1979b, S. 37f.). 3 In diesen Rahmen wäre der Vorschlag von Raasch einzuordnen: „Statt eines vage gewählten Corpus, das Grundlage für die statistische Ermittlung von Wortlisten ist, die dann im Hinblick auf das Lernziel modifiziert werden, projektieren wir, die streng lemzielorientierte Erstellung eines Corpus zu erproben, das dann statistisch zu verarbeiten und linguistisch zu beschreiben ist“ (Raasch 1972, S. 242). ln eine ähnliche Richtung gehen auch die Überlegungen von Benes: „Unter ‘Grundwortschatz’ verstehe ich hier den zur Erreichung eines bestimmten Lernziels erforderlichen Mindestwortschatz“ (Benes 1976, S. 334) und weiter: „Die FSD [= Fremdsprachendidaktik, U.Sch.] benötigt eine gezielte und differenzierte Wortzählung“, d.h. „eine lernzielgerechte Wahl des Corpus und seiner Gliederung“ (ebd., S. 340). Die Ausgangstage 23 Die zentrale Frage zu Beginn dieser Ausführungen war, wie der Gesamtwortschatz zu reduzieren sei. Die Suche nach möglichen Antworten verläuft in drei größeren Phasen. In jedem dieser Abschnitte werden bestimmte Methoden entwickelt bzw. verschiedene Kriterien angesetzt. Das Hauptproblem der traditionellen Grundwortschatzforschung lag vor allem in der mangelnden Differenzierung dieser Methoden, d.h., die Zielvorgabe wurde allzu schnell aus den Augen verloren bzw. die Ergebnisse zu wenig auf einen Anwendungszweck zugeschnitten. Andererseits hat man daraus etwas gelernt und in jüngerer Zeit auch klarere Zielvorstellungen gewonnen; bei der funktional-kommunikativ orientierten Grundwortschatzforschung entsteht jetzt aber leicht der Eindruck, die Auswahlkriterien könnten nicht mehr kanalisiert werden, weil nahezu keine Methode von der Kritik verschont blieb. Die Fremdsprachendidaktik hat es aber keineswegs nur mit Problemen der Wortschatzreduzierung zu tun. Ein solches Bild würde die tatsächlichen Verhältnisse sogar verzerren, denn es geht mindestens in gleichem Maße um Methoden der systematischen Wortschatzarbeit; diese sind allerdings über einen langen Zeitraum hinweg stark vernachlässigt worden (s.u.). Streng genommen sollten Wörter nämlich nicht völlig isoliert dargeboten und erlernt werden: In diesem Sinne weisen u.a. Kaufmann (1968 und 1977) Benes (1975) Czochralski (1989) und Sommerfeldt (1991) ausdrücklich auf die Vernetzung von Wortschatz und Grammatik hin. Ein lexikalisches Minimum wäre demnach durch ein grammatisches Minimum zu ergänzen, denn Kaufmann betont, „daß die Qualität eines sprachlichen Minimums desto höher sein wird, je mehr in ihm der Funktionszusammenhang zwischen Lexik und Grammatik Berücksichtigung findet“ (1977, S. 49). Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Auswahl von (zentralen) Lexemen keineswegs nur für den engeren Bereich der Fremdsprachendidaktik von Bedeutung ist. Aus der von Kühn weiter oben übernommenen Zusammenstellung war bereits zu ersehen, dass beispielsweise auch beim Erstspracherwerb Grundwortschätze eine Rolle spielen: Sog. Rechtschreibgrundwortschätze standen immer wieder in der Diskussion (vgl. Augst 1989, Dehn 1983, Mahlstedt 1985, Menzel 1983, Plickat 1980, Weisgerber 1983); man denke in diesem Zusammenhang auch an die Kontroversen bei der Neuregelung der deutschen Orthografie. 24 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Wissenschaftliche Aufsätze und Bücher, die in einer Fremdsprache abgefasst sind, werfen ebenfalls die Frage nach ‘Minimalkenntnissen für das Leseverständnis von Fachtexten’ auf (vgl. Aldenhoff/ Hartmann/ Kefer 1987, bes. S. 40ff.; de Loecker 1980). In der allgemeinsprachlichen Lexikografie können Frequenzuntersuchungen nützliche Hinweise geben für Zusatzmarkierungen, wie ‘Stilfärbung’, ‘Häufigkeitsangaben’ und ‘Gebrauchsangaben’ (vgl. Schaeder 1983 zur Rolle von Frequenzuntersuchungen für zeitliche Markierungen im einsprachigen Wörterbuch). Ein ausgewählter Teilwortschatz kann zudem vor allem auch als Erklärungswortschatz eingesetzt werden (s.u.). Auf diese Weise können dann auch allgemeinere, rein sprachstrukturelle Aspekte in den Vordergrund rücken. Der ‘Grundwortschatz’, so lässt sich zusammenfassen, ist also kein homogenes Gebilde, das sich mit lediglich einem fest definierten Set an Verfahren bestimmen ließe: Er ist nur insoweit in sich geschlossen, als versucht wird, seinen Umfang zu begrenzen; offen ist er zwangsläufig im Hinblick auf die anderen Ebenen des sprachlichen Systems. Was seine Anwendbarkeit betrifft, so lassen sich zumindest die genannten Bereiche unterscheiden; diese Differenzierung in verschiedene Grundwortschätze verlangt allerdings eine stärkere Einbindung der Zielvorgaben und demgemäß eine klare, d.h. zweckgerichtete Auswahl der entsprechenden Methoden sowie Transparenz bei der Vorgehensweise. Der Begriff ‘Grundwortschatz’ ist somit nur als relative Größe zu verstehen: Die Sprache ist kein mathematisches Gebilde, dessen Mittelpunkt sich genau errechnen lässt. Infolgedessen kann es den allgemein verbindlichen Grundwortschatz auch nicht geben, sondern lediglich einen Grundwortschatz (von mehreren möglichen), der nur für ein ganz bestimmtes, vorab definiertes Anwendungsgebiet Gültigkeit besitzt. Aus diesem Blickwinkel ist auch die von Kühn und anderen vorgetragene Kritik an Frequenzerhebungen mitunter zu einseitig. In seiner Rezension zu Kühn (1979a) weist auch Doerfer darauf hin: Der Kritik des Vf. an der angeblich unzureichenden statistisch-mathematischen Bestimmung des Grundwortschatzes (GWS.) kann ich nicht Die Ausgangslage 25 durchweg zustimmen; in anderen Fällen wiederum ist sie zwar berechtigt, aber zu destruktiv ... Laut Vf. sei der GWS. hauptsächlich untersucht worden, um „das Erlernen der Primär- oder einer Sekundärsprache zu rationalisieren“. Wäre das nicht eine ziemliche Verengung der wissenschaftlichen Bemühungen um die Erkenntnis des GWS. ...? Es ging (und es geht) ... keineswegs nur um didaktisch-praktische Dinge, um Sprachvermittlung, sondern (wie ich meine, primär) um Sprachkenntnis (Doerfer 1982, S. 349f.). Es mag also durchaus stimmen, dass Frequenzerhebungen nicht zu den erwünschten Ergebnissen für didaktische Anwendungszwecke führen, dennoch; Häufigkeitszählungen sollten als Grundvoraussetzung aufgefasst werden, auf deren Basis man ganz allgemeine Einblicke in ein Sprachsystem gewinnen kann. Werden nun von außen falsche oder überhöhte Implikationen von einem Wissenschaftszweig (Sprachdidaktik) auf einen anderen (Lexikometrie) übertragen, und kommt es dabei fast zwangsläufig zu unbefriedigenden Ergebnissen, so ist dieser Umstand weniger der Lexikometrie anzulasten, sondern eher der Sprachdidaktik; (zu) lange Zeit hatte man versäumt, sich ein eigenes, den spezielleren Belangen angepasstes Methodengerüst zu erstellen. Stattdessen griff man weitgehend unreflektiert auf Auswahlverfahren zurück, die ursprünglich zu anderen Zwecken entwickelt wurden. Die Ergebnisse ließen zu wünschen übrig. Und aus dieser Enttäuschung heraus ist es zwar verständlich, jedoch nur wenig konstruktiv, die Methode der Frequenzzählung in der Folge gänzlich abzulehnen. Als Zwischenbilanz lässt sich festhalten, dass Grundwortschätze prinzipiell eine Reihe unterschiedlicher Aufgaben erfüllen können und entsprechend durch eine Anzahl verschiedener Methoden bestimmt werden können. Grundwortschätze sind deshalb nicht automatisch gleichzusetzen mit Frequenzwortschätzen. Das Frequenzwörterbuch charakterisiert Rosengren demnach mit den Worten: Es ist eine Widerspiegelung der Anwendung des Wortschatzes und der Wortbildungsregeln einer bestimmten Sprechergruppe in einer oder mehreren abgrenzbaren und definierbaren Situationen. Die Frequenzen sind deshalb ein integrierter und notwendiger Teil des Wörterbuchs. Sie spiegeln die mit den Wörtern im Lexikon des idealen Sprechers verbundene Wahrscheinlichkeit wider (1986, S. 156). 26 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Folgerichtig betont Rosengren: „Für die Erstellung eines Grundwortschatzes sind sie [d.h. Frequenzwörterbücher, U. Sch.] eine notwendige Voraussetzung“ (1986, S. 162). Frequenz und Distribution sind somit wichtige Faktoren, um einem Lexem das Attribut ‘zentral’ zu bescheinigen, obgleich ggf. natürlich noch weitere (sprachimmanente) Kriterien, etwa der Gebrauchswert bzw. die ‘Reichweite’ (vgl. Krohn 1992, S. 73f. und S. 97ff.), zu berücksichtigen wären. Diesen einfach klingenden Sachverhalt gilt es zu beachten, wenn man von ausgewählten, d.h. reduzierten Wortschätzen spricht: Hier sollte stärker differenziert werden, was auch durch einen Vorschlag von Hoffmann zum Ausdruck kommt: - Der häutigste Wortschatz umfaßt die lexikalischen Einheiten, die mit großer Regelmäßigkeit in nahezu allen Texten einer Sprache oder einer ihrer Subsprachen wiederkehren. - Der Grundwortschatz ist aus linguistischer Sicht sehr unterschiedlich definiert worden ... Gemeinsam ist all diesen Definitionen die Vorstellung von einem relativ beständigen, in der Sprachgemeinschaft weitverbreiteten, produktiven lexikalischen Zentrum, an das sich periphere, weniger beständige, im Geltungsbereich eingeschränkte, sekundär abgeleitete Wortschätze, z.B. Fachwortschätze, anlagern. - Ein lexikalisches Minimum ist die Menge lexikalischer Einheiten, die zur Lösung bestimmter Kommunikationsaufgaben unbedingt erforderlich ist und deshalb das Kernstück des FU [= Fremdsprachenunterricht, U. Sch.] ausmacht ... Mit anderen Worten: Ein Minimum soll die nützlichsten lexikalischen Erscheinungen enthalten, mit deren Flilfe sich der Lernende in kürzester Zeit ein möglichst hohes Maß an Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten aneignen kann (1984, S. 225). Sieht man einmal von den terminologischen Abweichungen bei der Benennung ab, so ist die Unterscheidung dieser drei Mengen durchaus nützlich; sie sind nämlich keineswegs gleichzusetzen: Sowohl der häufigste Wortschatz als auch der Grundwortschatz stehen zum lexikalischen Minimum in der Beziehung der Inklusion, d.h. sie sind Bestandteil des Minimums, das aber außer ihnen noch andere ... Elemente enthält. Zwischen häufigstem Wortschatz und Grundwortschatz besteht Die Ausgangslage 21 keine so eindeutige Relation, weil bei der Ermittlung des Grundwortschatzes neben dem quantitativen Kriterium der Häufigkeit eine ganze Reihe recht unterschiedlicher qualitativer Kriterien ins Spiel gebracht werden ... (Hoffmann 1984, S. 226). Erst solche oder ähnliche Differenzierungen tragen zu einer Sensibilisierung im Umgang mit dem Begriff ‘Grundwortschatz’ bei, beugen vorschnellen Gleichsetzungen vor und ermöglichen es, einzelne Verfahren vor dem Hintergrund entsprechend unterschiedener Ergebnisse zu beurteilen. Auf diesem Weg gelangt Hoffmann beispielsweise auch zu einer ausgewogeneren und insgesamt positiven Bewertung des Häufigkeitsprinzips (vgl. ebd., S. 226f.). Ich breche den maßgeblich in Anlehnung an Kühn nachgezeichneten und von Kühn (1989) nochmals bestätigten und zusammengefassten Überblick an dieser Stelle ab. Bereits nach dieser ersten allgemeinen Annäherung an die Grundwortschatzforschung ist man geneigt, Wolski zuzustimmen, wenn er befindet: Es ist ein undankbarer und eigentlich elender Gegenstand ...; man kann kaum anders darüber urteilen, wenn man sich ausgiebig mit den Grundwortschatzproblemen beschäftigt hat. ..: Mit einem Bein steht man im lexikographischen Bereich (und kann in allerlei Fettnäpfchen treten); mit dem anderen gerät man in das leider viel zu oft schwammige Gewässer didaktischer Auseinandersetzungen. Die lexikographische Seite des Themas ist recht bescheiden und schnell erfaßt; die didaktische Seite erschöpft sich meist in theoretisch unbedarften Darlegungen, ist aber der Sache nach für die Erfassung des Themas zentral. Überall in den einschlägigen Schriften trifft man auf Mängelbeschreibungen und zahlreiche Forderungen dazu, wie man nun den Grundwortschatz ... für jeweilige Ziele besser als bislang bestimmen sollte (1995, S. 339). Eine gewisse Brisanz kann dem Thema also nicht abgesprochen werden, die auch daraus resultiert, dass v.a. in den zitierten Disziplinen lange Zeit versucht wurde, an eine eigentlich nur auf interdisziplinärer Ebene zu lösende Aufgabe heranzugehen, ohne jedoch auf eine verstärkte Zusammenarbeit hinzuwirken. Dass dies ebenso nötig wie Erfolg versprechend ist, wird offenkundig, wenn man sich einige Einzelergebnisse und Mängel vor dem Hintergrund der Fremdsprachendidaktik bzw. der Lexikografie vergegenwärtigt. 28 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Bei der vorausgehenden Diskussion des Grundwortschatzes ist die fremdsprachendidaktische Ausrichtung immer wieder als zentral in den Vordergrund gerückt worden, obschon der eigentliche Stellenwert des Wortschatzes bzw. der Wortschatzarbeit überraschenderweise von Seiten der Didaktik erst in den letzten Jahren wieder erkannt und entsprechend gewürdigt worden ist. Noch 1977 formulierte Hoberg: „Weder in linguistischen, noch in (fremd)sprachdidaktischen Arbeiten der letzten Jahre stehen Fragen der Wortschatzforschung und -Vermittlung im Vordergrund (Hoberg 1977, S. 62). Er nennt hierfür zwei Gründe: Ausgehend von der These, daß der Satz die sprachliche Grundeinheit bildet, hat sich die Forschung weitgehend auf grammatikalische Probleme konzentriert ... Es fehlt an theoretisch fundierten Detailuntersuchungen, und dies auch deshalb, weil man nicht so recht weiß, wo man anfangen und wo man aufhören soll (ebd., S. 63). Vor diesem Hintergrund geht Hoberg nachfolgend auf „einige grundsätzliche Überlegungen zur Bedeutung des Wortschatzes im Fremdsprachenunterricht“ ein, auf „Probleme der Wortschatzauswahl“ sowie auf „Methoden der Vermittlung“ (ebd., S. 63, vgl. ausführlicher S. 63ff.). Er betont nachdrücklich, „daß im Fremdsprachenunterricht nichts so wichtig ist, wie das Erlernen von Wörtern, genauer: Wortbedeutungen, d.h. das Erlernen des richtigen Gebrauchs der Wörter“ (ebd., S. 64). Seiner Forderung hält Hoberg jedoch folgenden Befund entgegen: Unterrichtsinhalte sind vor allem Rechtschreibung, Aussprache, Grammatik, Textlektüre, Konversation und verschiedene Formen der schriftlichen Übungen. Freilich spielt bei all diesen Übungsformen der Wortschatz eine Rolle, aber seine Ausweitung und Differenzierung geschieht sehr unsystematisch: Wörter werden gelernt, weil sie in Aussprache- und Grammatikübungen oder in bestimmten Texten Vorkommen. Auch wenn einem Lehrprogramm ein bestimmter Grund- und Aufbauwortschatz ... zugrundeliegt, werden die Wörter im Unterricht nicht in semantischen Strukturzusammenhängen, sondern isoliert eingeführt (ebd., S. 67). Von dieser Beobachtung ist es jetzt nur noch ein kleiner Schritt zur darstellenden bzw. vermittelnden Komponente des Wortschatzes: Wörter werden im Fremdsprachenunterricht ... normalerweise so gelernt, wie sie in bestimmten Sätzen oder Texten Vorkommen, d.h. sie sind eingebettet in syntagmatische Strukturen, nicht jedoch in paradigmatische ... Wörter werden also weiterhin so gelernt werden, wie sie in geschriebenen Die Ausgangstage 29 oder gesprochenen Texten Vorkommen. Daneben sollten sie in ihren paradigmatischen Strukturzusammenhängen vorgeführt werden (Hoberg 1977,8.72). Hoberg weist jedoch ausdrücklich darauf hin, ... daß die Wörter nicht losgelöst von Kontexten etwa in der Form des Stammbaums oder der Matrix -, sondern immer in Sätzen, die wirklich in einer Sprache Vorkommen oder verkommen können, behandelt werden, damit neben den paradigmatischen auch die syntagmatischen Beziehungen deutlich werden (ebd., vgl. auch Heyer/ Pohl 1977, Lieber 1985, Reinecke 1985). Auf der Grundlage derartiger Überlegungen wird zugleich und nahezu unausweichlich die umfassendere und äußerst kontrovers diskutierte Frage nach der ‘richtigen’ Methode des Fremdsprachenlehrens bzw. -lernens aufgeworfen. Mit ihrer Beantwortung befassen sich eine ganze Reihe von Disziplinen, angefangen mit der Fremdsprachendidaktik, der Sprachlehrforschung über Teildisziplinen der Angewandten Linguistik, der Psycholinguistik, der Soziolinguistik, der Erziehungswissenschaft, der Lerntheorie und Literaturwissenschaft bis hin zur Kultur- und Landeswissenschaft (vgl. hierzu die einschlägigen Aufsätze in den Sektionen Al und A2 in Bausch u.a. (Hg.) 1989). Die jeweils gestellten Anforderungen und Zielsetzungen sowie die vielschichtigen Wechselbeziehungen tragen nicht unbedingt zur Erleichterung bei, wenn es gilt, wenigstens einen groben Überblick zu erhalten. 4 Nimmt man die von Hoberg geäußerte Kritik zum Ausgangspunkt, so lässt Löschmanns Buch mit dem aussagekräftigen Titel ‘Effiziente Wortschatzarbeit’ (Löschmann 1993) einen klaren Paradigmenwechsel erkennen, der sich auch in der Zusammenstellung von insgesamt vier Positionen der Wortschatzarbeit widerspiegelt, die ihrerseits in gewisser Weise auch wissenschaftsgeschichtliche Eckpfeiler darstellen: - Die Hauptsache sind die grammatischen Strukturen. Beherrscht man sie, erwirbt man den Wortschatz mit dem Hören und Lesen, Sprechen und Schreiben mehr oder weniger ad hoc (S. 18). 4 Vgl. allgemein zu dieser Thematik u.a. auch Bachmayer 1993, Bausch/ Kasper 1979, Heyd 2 1991, Lewandowski 1991, Mitchell/ Myles 1998, Seliger/ Shohany 2 1990, Wenden/ Rubin (Hg.) 1987. 30 Der zentrale Wortschatz des Deutschen - Die Arbeit am Wortschatz wird mehr oder weniger isoliert von den anderen Kenntnis- und Handlungsbereichen betrieben (S. 19). - Die Arbeit am Wortschatz wird zwar im Hinblick auf ein bestimmtes kommunikatives Ziel vollzogen, aber dieses Ziel wird für den Lerner erst in der Anwendungsphase sichtbar. Die didaktisch-methodische Maxime dieser Auffassung lautet: Erfassen - Einprägen - Einüben - Anwenden (S. 20). - Nach dieser Position, die sich in Theorie und Praxis mehr und mehr durchsetzt, verbindet sich die WSA [= Wortschatzarbeit] eng mit der Entwicklung der Zieltätigkeiten Hören und Sprechen, Lesen und Schreiben, d.h., die Wortschatzvermittlung und -aneignung wird mit Textarbeit verknüpft. Innerhalb des jeweils gegebenen textualen Gefüges ist allerdings Wert auf gezielte systemorientierte WSA zu legen, die sich kognitiv wie emotional, intralingual wie interlingual, intrakulturell wie interkulturell ausrichtet (S. 20, vgl. auch ebd., Kap. 3). Wie die letzte Position ein zunehmend integratives Konzept verfolgt, darf auch der Wortschatzerwerb selbst nicht mit bloßem Bedeutungserwerb gleichgesetzt werden: In erster Annäherung lassen sich eine phonetisch-phonologische mit ihrer graphisch-graphemischen Entsprechung, eine lexikalisch-semantische und eine grammatische Ebene unterscheiden. Das folgende Schema führt diese erste Ebenenzuordnung aus und markiert so die wesentlichen lexikalischen Anforderungskomponenten (K) (ebd., S. 22, vgl. auch Helbig 1988). Lexikalische Einheit sehe K Abb. 2: Mehrdimensionalität der lexikalischen Einheiten (nach Löschmann 1993, S. 22) Die Ausgangslage 31 Den komplexen Lernanfordemngen, wobei paradigmatische und syntagmatische Lexikbeziehungen in dem Schema allenfalls angedeutet sind, steht wiederum ein differenziertes Lernziel gegenüber, denn aus der Unterscheidung zwischen produktivem, rezeptivem und potenziellem, d.h. eigentlich unbekanntem aber erschließbarem Wortschatz ... läßt sich zusammenfassend eine dreifache Aufgabenstellung ableiten: Erstens muß ein Teil des Wortschatzbestandes einer Sprache so gelernt werden, daß er in mündlichen bzw. schriftlichen Texten erkannt und verstanden wird; zweitens muß ein kleinerer Teil des Wortschatzes so angeeignet werden, daß er zur Generierung mündlicher und/ oder schriftlicher Äußerungen verwendet werden kann; und schließlich müssen drittens der produktive und der rezeptive Wortschatz sowie weitere Sprachkenntnisse, metasprachliche eingeschlossen, so erworben werden, daß ein möglichst großer Zuwachs an potentiellem Wortschatzbesitz erreicht werden kann (Löschmann 1993, S. 32f.). Vergegenwärtigt man sich die äußerst komplexen Verhältnisse, welche für die Lernanforderungen und -ziele charakteristisch sind, so liegt es auf der Hand, dass eindimensionale Methoden zu ihrer Umsetzung bzw. Erreichung diesen Anforderungen nicht gerecht werden können, und dass der Wortschatzarbeit also völlig zu Recht wieder verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Eine Methodenvielfalt, um nicht zu sagen ein Methodenstreit, ist ob der skizzierten Verhältnisse nahezu unausweichlich. Dagegen scheint hinsichtlich dessen, was im Endeffekt erreicht werden soll, weit eher ein kleinster gemeinsamer Nenner erkennbar zu sein. Neben der grundsätzlichen Kritik betonte Hoberg (1977) die darstellende bzw. vermittelnde Komponente speziell eines zentralen Wortschatzausschnitts. In diesen Kontext lassen sich auch die Überlegungen von Mecner einreihen, der in seinem Aufsatz ‘Die semantische Komponente im Deutschunterricht’ hervorhebt; er analysiert „einige Semantisierungsverfahren im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit“ (Mecner 1984, S. 85) und geht dabei im Einzelnen ein auf die Bedeutungserklärung durch Abbildungen (vgl. ebd., S. 85f.), durch die Definition in der Fremdsprache (vgl. ebd., S. 86f.), durch Angabe von Synonymen (vgl. ebd., S. 87f.) sowie durch das zweisprachige Verfahren. Letzteres favorisiert Mecner und gibt dann zu bedenken: 32 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Aufgrund der konfrontativen Untersuchungen kann man vermuten, daß die Entwicklung des Sprachkönnens behindert werden kann, wenn semantische Kontraste nicht hinreichend unterschieden und die Wörter in der Zielsprache überwiegend in gleichwertiger semantischer Relation zur Ausgangssprache betrachtet werden. Es scheint also die Vermutung gerechtfertigt, daß die zweckmäßige Berücksichtigung semantischer Kontraste wesentlich zur Effektivierung des Fremdsprachenunterrichts beitragen kann (Mecner 1984, S. 92, vgl. auch Eppert 1981, Marion 1992, Pütz 1991). Calus sieht gleichfalls in der ‘Wortschatzarbeit eine unabdingbare Aufgabe der Fremdsprachendidaktik’. Er richtet sein Hauptaugenmerk allerdings darauf, „die Erschließung von Fachtexten zu effektivieren“ (Calus 1984, S. 74). Im Zuge dessen stellt er fest: „Die Bedeutungserschließung kann auf der Wortebene, der Satzebene, der Textebene erfolgen“ (ebd., S. 78), wobei in jedem Fall Wortschatz-Strukturen eine wichtige Rolle spielen (vgl. ebd., S. 78ff. ausführlicher hierzu). Seine Gedanken zu ‘Measures of Vocabulary Size and Vocabulary Aquisition’ hat auch Woloszyn in einem Aufsatz niedergelegt. Er geht ausführlich auf Methoden ein, den aktiven wie auch den passiven Primär-Wortschatz von Kindern wie auch von Erwachsenen zu messen, sowie den Fremdsprachen-Wortschatz von Lemem (vgl. Woloszyn 1983, S. 33ff.). Woloszyn gelangt schließlich zu der Auffassung: „The vocabulary acquisition is a stepby-step process and it should never be overexaggerated“ (ebd., S. 37). Der Behauptung, „the teenage learner's ability to acquire new words as 15-20 per lesson“ setzt er entgegen: This is probably an overestimate considering such factors as durability, constancy, readiness and selectivity of the learner's memory. The loss of memory which amounts to 20% of the acquired load in one month is smaller when the learner is not overloaded with new vocabulary. His vocabulary size can be expanded if the new items are associated or linked with things already known. Therefore it is easier to teach new vocabulary on the basis of a certain fundamental lexis to be extended and built up progressively (ebd., S. 37f.). Wesentliche Mängel bei der traditionellen ‘Auswahl, Anordnung und Aufbereitung des Sprachstoffes zur Entwicklung des Sprechens’ versucht Passov aufzudecken, um anschließend sieben methodologische Prinzipien herauszuarbeiten, die helfen sollen, diese zu beseitigen. Bemerkenswert scheint mir der dritte, vom Verfasser beobachtete Mangel, „daß eine fremdsprachenme- Die Ausgangslage 33 thodische Fragestellung aus der Sicht der Linguistik oder Psycholinguistik untersucht wurde (Passov 1980, S. 38). „Unabhängig davon“ fährt er fort, „wird man zugeben müssen, daß es methodologisch bedenklich ist, bei der Lösung derartiger Fragestellungen nicht von der Fremdsprachenmethodik selbst, sondern von einer anderen Wissenschaft auszugehen. Wobei selbstverständlich die oben erwähnten Wissenschaften bezüglich ihres Kenntnisstandes zu berücksichtigen sind“ (ebd.). Obgleich gewiss einiges für diese Feststellung spricht, bin ich der Meinung, dass gerade auf dem Gebiet der (Grund-)Wortschatzforschung ein verstärkt interdisziplinäres Vorgehen der bessere Weg wäre als ein allzu sehr auf Trennung und Abgrenzung bedachter. Dazu ist es freilich nötig, vorab ein gemeinsames Ziel zu definieren und dementsprechend die Aufgaben zu verteilen. Von den insgesamt sieben Prinzipien möchte ich ferner das erste, und dann das vierte herausgreifen. ‘Das Prinzip der Orientierung auf das System der Rede und nicht auf das System der Sprache’ (vgl. Passov 1980, S. 38f.) ist wegweisend. Dieser Grundsatz, erklärt Passov, ... hängt mit dem kommunikativen Ansatz zusammen: Wenn als Ausbildungsziel nicht die Aneignung des Sprachsystems, sondern die Entwicklung der Redetätigkeit angesehen wird, so muß man auch eine adäquate linguistische Grundlage haben, was bedeutet, daß diese Grundlage im System der Rede selbst zu suchen ist (ebd., S. 38). Verschiedene Häufigkeitsverteilungen legen diese Trennung und Umorientierung nahe (vgl. ebd., S. 38L). Was das ‘Prinzip der Adäquatheit des Modellinhalts im Verhältnis zur Kommunikationssphäre’ (vgl. ebd., S. 40f.) betrifft, gibt Passov zu bedenken: Die Auswahl, Anordnung und Aufbereitung des Sprachstoffes erfolgt traditionell auf thematischer Grundlage ... Die Schüler, selbst solche, die in der Lage sind, Dialoge über verschiedene Themen unter den Bedingungen des Unterrichts zu führen, zeigen sich hilflos, wenn die Kommunikation unter realen Bedingungen stattfindet. Darüber sollte man sich nicht wundern, denn die thematische Grundlage ist inadäquat. Den Inhalt des realen Kommunikationsprozesses bilden sehr selten bestimmte Themen in ihrer sozusagen ursprünglichen Gestalt; ... Die notwendigen Komponenten 34 Der zentrale Wortschatz des Deutschen kann man ... nur unter Berücksichtigung der Tätigkeitssphären und -bereiche des Menschen finden, die durch das System ‘bedient’ werden. Dazu sind in erster Linie die Tätigkeitssphären in Hauptbereiche menschlicher Tätigkeit einzuteilen“ (Passov 1980, S. 40f.). Diese in den Achtzigerjahren angesiedelte Diskussion steht stellvertretend für eine Reihe wichtiger und wegweisender Überlegungen, Anregungen und Tendenzen, die vielfach leider oder erfreulicherweise auch heute noch aktuell sind. Die kommunikative (Neu-)Orientierung im Fremdsprachenunterricht hatte zur Folge, dass man in Fachkreisen Überlegungen zu ‘Stoffauswahl und -aufbereitung unter kommunikativem Aspekt’ (Hellmich 1978) anstellte, und dass man eine grundsätzliche und differenzierte Bestandsaufnahme des Lernziels ‘Kommunikative Kompetenz’ (Picht 1990) vomahm. ln kritischen Auseinandersetzungen mit diesem Neuansatz wird die anfängliche Euphorie relativiert und zugleich die Konzeption als solche präzisiert durch Fragen wie: ‘Kommunikative Orientierung des Unterrichts DaF. Was heißt das? Was bringt sie ein? ’ (Löschmann 1990). Darüber hinaus werden aber auch konkrete Vorschläge unterbreitet zur Lösung des Problems ‘Wortschatz lernen aber wie? ’, in diesem Falle ‘ein kurstragendes Wortschatzprogramm für studienbegleitenden DaF-Unterricht’ (Tütken 1995), das entstanden ist als unmittelbare Reaktion auf Hausmanns bewusst provokativ formulierte These: „Der deutsche Wortschatz ist nicht lernbar. Es ist dies keine Besonderheit des deutschen Wortschatzes. Kein Wortschatz ist lernbar. Und da die Sprache in erster Linie Wortschatz ist, ist auch keine Sprache lernbar, jedenfalls nicht als Fremdsprache“ (Hausmann 1993b, S. 471). Nur vordergründig in eine ähnliche Richtung geht die von Tittel (1991) in den Raum gestellte (rhetorische) Frage: ‘Die jahrhundertelange Suche nach der wirkungsvollsten Art, eine Fremdsprache zu lernen und immer noch keine ‘optimale’ Methode? ’. Die Warnung vor ‘drei Gefahren für die Sprachlehrforschung’ (Rosier 1993) sowie die Abfassung allgemeiner ‘vermittlungmethodischer Thesen’ (Beirat ‘Deutsch als Fremdsprache’ des Goethe-Instituts (Hg.) 1997) können jedoch eindeutig als methodische Leitlinien i.w.S. aufgefasst werden. Was die Methodik der Lexikvermittlung im engeren Sinne angeht, weisen zahlreiche Arbeiten darauf hin, der Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht den ihr gebührenden Platz einzuräumen, so Busse (1991), und er- Die Ausgangstage 35 gänzend aus dem angelsächsischen Raum - Gairns/ Redman ( 8 1993). Vor allem aber konzentrieren sich viele Verfasser auf effizientere Wortschatzübungen, so etwa Segermann ( 1994), die in ihrer ‘Typologie des fremdsprachlichen Lernens’ auch Übungstypen für Lexik zusammenstellt (vgl. hierzu auch Löschmann 1993, Kap. 6). Esser/ Nowak (1986) und Kempter (1981) betonen die ‘Verbesserung der Lexiklernleistung durch effektivere Nutzung und Training von Lernstrategien’ (vgl. auch Löschmann 1993, Kap. 4); Köster (1994) und Müller, B.-D. (1994) stellen Wortschatzarbeit und Bedeutungsvermittlung ins Zentrum ihrer Überlegungen (vgl. auch Löschmann 1993, Kap. 5). Trotz der erfreulichen Entwicklungen sieht Hohmann einen Bereich davon ausgespart: „So ergibt sich die Situation, daß einerseits perfektionistische Lehrsysteme auf der Basis umfangreicher fachdidaktischer Theorie entwickelt werden, während andererseits der für die Spracherlernung essentielle Bereich der Aneignung des neuen lexikalischen Materials weithin durch Systemlosigkeit gekennzeichnet ist“ (Hohmann 1987, S. 23); Hohmann bezieht sich in diesem Zusammenhang v.a. auf Wörterverzeichnisse, die den Lehrwerken begleitend zur Seite gestellt werden (zur Lehrwerkskritik i.w.S. vgl. auch Löschmann 1993, Kap. 8; Kast/ Neuner (Hg.) 1994). Die ‘Wortschatzarbeit vom Lerner her betrachtet' überschreibt Quetz seinen Beitrag, in dem er auf den Methodenstreit der einsprachigen vs. zweisprachigen Semantisierung aus der Perspektive des Lemers eingeht, wobei er gleichfalls die Brücke zu i.w.S. kognitiv ausgerichteten Untersuchungen schlägt: Man muß bei der Wortschatzarbeit in einer L2 [~ Fremdsprache, U. Sch.] davon ausgehen, daß mit dem Erwerb der LI [~ Muttersprache, U. Sch.] ein komplexes semantisches System entstanden ist, das jetzt den Dreh- und Angelpunkt aller Vestehensprozesse in der L2 bildet. Im Grunde basieren ja auch alle einsprachigen und zweisprachigen Verfahren der Bedeutungsvermittlung darauf, daß sie ein vorhandenes Konzept im Lernenden aktivieren, das mit der neuen Wortform verknüpft wird. Erst in einem zusätzlichen Schritt werden die akzidentiellen kulturspezifischen Merkmale addiert. Es wird also nur dann ein völlig neues Konzept entwickelt, wenn ein solches in der LI nicht vorhanden ist; ansonsten wird eine neue Form unter Bezug auf vorhandenes Weltwissen ‘semantisiert’ (1990, S. 190, vgl. auch Weisgerber 1989, bes. S. 29Iff.). 36 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Während von didaktischer Seite in erster Linie Fragen der Semantisierung und Methoden der Wortschatzvermittlung und damit einhergehend Fragen zur Aufbereitung des lexikalischen Materials in den Vordergrund rücken, bemüht man sich von kognitiver Seite her in erster Linie darum, nach Möglichkeiten zu suchen, welche die Effizienz des (Wortschatz-)Lernens erhöhen, d.h. das Hauptaugenmerk wird auf die Erforschung mentaler Strukturen gerichtet, die sich bei entsprechender Berücksichtigung beispielsweise in Lehrwerken positiv auf Lern- und Behaltensleistungen auswirken können. Für die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht haben also zunehmend Arbeiten aus dem ‘kognitiven Sektor’ an Bedeutung gewonnen, deren vielfach theoretischer Status allerdings häufig spekulative Züge aufweist; eine allgemeine Annäherung bieten: Bleidistel (1992), Bömer/ Vogel (Hg.) (1994), Butzkamm ( 2 1993, bes. Kap. 14), Engelkamp (1995), Klix (1984), Rohrer (1987), Schwarz ( 2 1996) und Steinberg ( 7 1992). In seinen Arbeiten widmet sich Götze (1992 und 1995) dem Thema ‘Hirnhemisphären - Textstrukturen - Grammatikkenntnis’ und der Kontroverse zwischen Sprachlehr- und Zweitspracherwerbsforschung, indem er der Fragestellung ‘Lernt oder erwirbt man eine Fremdsprache? ’ nachgeht. Wolff (1996), Rohrer (1985 und 1990) und Scherfer (1994) wägen ab, welche Konsequenzen aus Erkenntnissen auf kognitivem Gebiet möglicherweise für die Lexikvermittlung gezogen werden könnten, Bartsch (1993) geht an der Grenze zur Semantiktheorie der Frage nach, ‘What is the (Mental) Lexicon? ’ und Nowak (1989) sowie Teschmer (1989) legen ihren Schwerpunkt ausgehend von empirischen Studien auf das Verhältnis von Sprache und Gedächtnis. Abschließend sei noch auf die Arbeiten von Pohl, l./ Pohl J. (1994) und Blei (1995) hingewiesen, die die Nutzbarmachung von seit alters her bekannten Mnemotechniken auch für den Lexikerwerb hinterfragen. Wie der skizzierte Überblick zeigt, mangelt es keinesfalls an Ideen, Konzepten und Vorschlägen, die mehr oder minder empirisch gestützt ein breites Spektrum an Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft eröffnen. Fragen zum Wortschatz, zu seiner Reduzierung und Semantisierung verlangen aus der Perspektive der unmittelbar auf Anwendung bedachten Fremdsprachendi- Die Ausgangslage 37 daktik jedoch nach sehr konkreten Antworten. Immerhin scheint man sich in all den angeführten Arbeiten inzwischen darauf geeinigt zu haben, dass der Lexik(-Vermittlung) in Zukunft mehr Beachtung zu schenken ist, dass das sog. Paarassoziationslernen ein längst überholtes Relikt des klassischen Fremdsprachenunterrichts ist, und dass folglich neue Methoden nicht nur theoretisch erarbeitet, sondern auch praktisch erprobt und hinsichtlich ihrer Tauglichkeit ausgewertet werden müssen. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass auch die ‘alten Vokabellisten’ eigentlich ausgedient haben sollten, um neu konzipierten begleitenden Lernwörterbüchern Platz zu machen, die den modernen Lemanforderungen und -zielen gerecht werden. Von Seiten der Sprachdidaktik ist es streng genommen allerdings vermessen, von einer Grundwortschatzlexikografie zu sprechen, da allzu lange reine Wortlisten im Mittelpunkt standen, und um lexikografische Probleme im eigentlichen Sinn ein weiter Bogen geschlagen wurde: Die Crux besteht ja bereits darin, daß bloße Wortlisten (durch Frequenzuntersuchungen zustande gekommen oder auch nach didaktischen Gesichtspunkten aufbereitet) noch keine Wörterbücher sind und somit gar nicht in den Gegenstandsbereich der Wörterbuchforschung fallen (Wolski 1995,8.339). Dieser unmittelbare Anwendungsbereich vermittelt den Eindruck, dass es vielfach an der Bodenhaftung mangelt, d.h. dass die steigenden Ansprüche der Theorie(n) die Praxis sehr oft vor schier unlösbare Aufgaben stellt, die zu meistern das eigentliche Ziel sein müsste. Der theoretische Fortschritt sollte daher stärker von praktischer Basisarbeit begleitet werden. In den angeführten Arbeiten sind die Bemühungen erkennbar, den Wortschatz bzw. einzelne Wortschatzbereiche unter einem speziellen Gesichtspunkt zu betrachten, vor allem hinsichtlich der systematischen Aufarbeitung, die ihrerseits einer verbesserten Darstellung und Vermittlung der Lexik dienen kann. Allerdings gewinnt man den Eindruck, dass hinsichtlich der Probleme bei der Wortschatzreduzierung über den weiter oben skizzierten Stand der Dinge hinaus wenig Neues auszumachen ist. Fragen der Wortschatzauswahl sind in den Hintergrund getreten, womöglich aus einer gewissen Resignation heraus, was durchaus verständlich wäre; gelöst sind sie damit allerdings noch lange nicht. Das Nachdenken über zweck- und zielgerichtetes Aufarbeiten des lexikalischen Materials kann aber auch zur Folge haben, dass von dieser Seite her. also über einen Umweg, neue Er- 38 Der zentrale Wortschatz des Deutschen kenntnisse gewonnen werden können. Eine Konsequenz ist sicherlich die Einsicht, dass es nicht nur auf das Was, sondern in gleichem Maße auf das Wie ankommt. Von diesem, auf praktische Umsetzung ausgerichteten Teilbereich, lässt sich nun auch eine Beziehung hersteilen zu der allgemeineren Lexikologie-Lexikografie-Diskussion und den in jenem Kontext anzusprechenden Problemenkreisen, Ansätzen und Vorstößen hinsichtlich einer Neuorientierung. Hier geht es gleichfalls v.a. um Fragen des lexikalischen Systems, seiner Gliederung und Darstellung. Auf einen sehr einfachen Nenner gebracht, ließe sich das Hauptanliegen etwa wie folgt formulieren: Es genügt in vielen Fällen den modernen Ansprüchen an ein Wörterbuch längst schon nicht mehr, einen Wortschatz bloß nach alphabetischen Gesichtspunkten aufzuarbeiten, anzuordnen und ihn im Zuge dessen ‘irgendwie’ zu erklären (vgl. auch Kap. 3.4.2.3 in dieser Arbeit). Im Bereich der Grundwortschatzforschung lässt sich besonders gut veranschaulichen, wie Zweck- und Benutzerfragen das Vorgehen bestimmen und damit allgemein verbindliche Grundsätze nur bedingt zulassen. Wie der Wortschatz reduziert, wie er vermittelt und dargeboten werden soll, lässt sich letztlich nur entscheiden, wenn man weiß, wozu und für wen das geschehen soll. Hier liefen im Idealfall Theorie und Praxis zusammen, bzw. hätten sich gegenseitig zu ergänzen. Aber auch das Zusammenspiel einzelner wissenschaftlicher Disziplinen müsste verstärkt miteinfließen. Nimmt man die Sprachwissenschaft zum Ausgangspunkt, so befassen sich Semantik und Lexikologie ganz allgemein mit ‘dem Wortschatz’. In diesen Bereichen gelangt man zu eigenständigen Ergebnissen, und diese lassen sich in begrenzterem Umfang speziell auch für die Grundwortschatzforschung nutzbar machen. Deren Untersuchungen können wiederum unmittelbar einen Beitrag leisten für die Fremdsprachendidaktik, und diese kann wiederum Rückmeldungen geben, beispielsweise an die Lexikografie. Auf jene stark vereinfacht dargestellte Weise könnten detailliertere Problemstellungen systematisch eingekreist werden, also z.B. auch die Anlage eines Lernbzw. Lernerwörterbuchs. Eine, vielleicht die zentrale Anwendungsmöglichkeit eines lexikalischen Minimums besteht in seiner Verwendung als fremdsprachendidaktisches Instrument (vgl. etwa Pfeffer 1970, Kosaras 1980). Im Zuge dessen rücken nun Fragen der Ökonomisierung, Darstellung, Gliederung etc. in den Vor- Die Ausgangslage 39 dergrund und damit eventuell auch korrigierende Eingriffe. Das heißt, solche Fragestellungen müssen speziell im Hinblick auf diese Zielsetzung diskutiert werden. Um Lösungen zu finden, werden in jedem Falle u.a. linguistische, didaktische sowie psychologische und kognitive Aspekte zu berücksichtigen sein. Der Grundwortschatz wurde bisher relativ einseitig vor dem Hintergrund der Ökonomisierung und Darstellbarkeit für fremdsprachendidaktische Zielsetzungen gesehen. Er kann jedoch, wie bereits angedeutet, vom Standpunkt der Lexikografie aus betrachtet, eine weitere Anwendung erfahren, nämlich dann, wenn er selbst darstellende Funktion innerhalb eines einsprachigen Wörterbuchs erlangt, d.h. zur Erklärung der Lemmata herangezogen wird. Durch den Brückenschlag zur Lexikografie erfährt das bisher Gesagte zusätzliche Aktualität, denn: Bei der Zusammenstellung eines so verstandenen Erklärungs(grund)wortschatzes wird man schwerlich auf die bisherigen, zumeist im didaktischen Bereich gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen verzichten können. Auch er muss vorab ausgewählt, erklärt, definiert und somit dargestellt werden, und zwar in einer Form, die möglichst viele, für das Lexikon im zweifachen Sinne relevanten Aspekte berücksichtigt. Erst dann kann ein Definitionswortschatz selbst wiederum erklärend und darstellend eingesetzt werden. Zweifelsohne sollten v.a. sprachliche Komponenten, also lexikalische Bedeutungen und Relationen, im Mittelpunkt stehen; Aspekte des sog. Weltwissens, also enzyklopädische Informationen, wären als zweitrangig anzusehen (zur Unterscheidung vgl. u.a. Wiegand 1994). Dieser Ansatz wird auch immer wieder in der Literatur diskutiert. Schierholz (1986) hat in seiner Untersuchung ‘Bedeutungswörterbücher als Grundlage empirischer Wortschatzuntersuchungen’ u.a. die Häufigkeit von Substantiven bezüglich ihrer Verteilung auf Lemmata und Wortartikelstruktur mittels der ‘Kernkonstituenten-Methode’ untersucht. 5 Die Analyse des Taschen- 5 Diese Methode umschreibt Schierholz wie folgt: „Zum Zwecke der beabsichtigten Untersuchung sollen ... die Kernkonstituenten aus den Bedeutungsangaben isoliert werden. Eine Kernkonstituente entspricht genau dem Erklärungswort, das sich in dem folgenden Einsetztest unmittelbar auf das jeweilige Lemma beziehen läßt: (ein/ eine) ‘L‘ ist (ein/ eine) ‘E’ ‘L’ ist das Lemma, ‘E’ ist das Erklärungswort bzw. die Kemkonstituente.“ (Schierholz 1986, S. 464). 40 Der zentrale Wortschatz des Deutschen buch-Wahrigs (Wahrig 4 1981) führt zu einem Ergebnis, das kaum befriedigen kann, „weil ein Wörterbuchbenutzer, der ein Erklärungswort nicht verstanden hat, jedes dritte Mal vergeblich nach einem lemmatisierten Substantiv suchen würde“ (Schierholz 1986, S. 267). 6 Ausgehend von einem solchen Befund sind Verbesserungen unbedingt nötig. Bereits einige Jahre früher plädierte Henne für einen ErklärungsWortschatz: Sofern die Bedeutung sprachlicher Zeichen komplex ist und mittels sprachlicher Zeichen(kombinationen) derselben Sprache in semantische Merkmale dekomponierbar ist, verfällt die semantische Beschreibung notwendig der Zirkularität, da die das Signifikat beschreibenden (monosemierten) Sprachzeichen in der Funktion semantischer Merkmale selbst wieder Objekte der semantischen Beschreibung sein müssen ... Dieser Zirkularität könnte man partiell ausweichen, indem man einen elementaren semantischen Grundwortschatz G konstruiert, der als definierender (oder erklärender) Bestandteil nicht zirkulär oder durch eine ‘fremde’ Sprache erklärt wird (1976, S. 106). Dies scheint umso dringlicher, da Wörterbuchbenutzer und -benutzerinnen, die sich in jene Zirkularität verstricken und in den Sog des ‘Lawineneffekts’ geraten, häufig nicht einmal befriedigt werden (s.o.). Auch Kempcke spricht sich angesichts der lexikografischen Wirklichkeit für einen Erklärungswortschatz aus: Unveränderbar dürfte im Hinblick auf den Benutzer auch die Praxis der Paraphrasierung mit Hilfe von Objektsprache sein ... Man sollte daher den neuerdings wiederholt geäußerten Vorschlag ernst nehmen, ein gesondert definiertes Grundvokabular zu schaffen, das als Definitionssprache ver- 6 Der detailliertere Befund von Schierholz lautet: „Betrachtet man den gesamten Wortschatz der untersuchten Wörter (12.612 Wörter), so beträgt der Anteil der Kemkonstituenten, die selbst nicht erklärt werden, immerhin runde 41 Prozent. Da jedoch 3.493 Lemmata nie als Kernkonstituente auftreten, muß diese Anzahl substrahiert werden, damit man den Gesamtwortschatz der Erklärungswörter errechnen kann. Teilt man diesen in lemmatisierte und nicht lemmatisierte Kernkonstituenten auf, so erhält man 3.928 lemmatisierte Substantive und 5.191 Substantive, die nicht lemmatisiert sind. Vom Wortschatz der Erklärungswörter sind also 57% der Wörter nicht im Wörterbuch erklärt. Bezieht man die Häufigkeiten mit ein, relativiert sich dieses Bild zu Gunsten der Erklärungswörter, die auch als Lemma im Wörterbuch stehen. Dann gibt es 15.887 Erklärungswörter, die selbst erklärt werden, und 7.926 Erklärungswörter, die nicht erklärt werden“ (Schierholz 1986, S. 467). Die Ausgangslage 41 wendet werden kann (Kempcke 1983, S. 161, vgl. allgemein hierzu Michiels/ Noel 1984, Neubauer 1989). Während es in der deutschsprachigen Lexikografie bisher nur bei dieser gut gemeinten Forderung geblieben ist, wurde für die englische Sprache bereits der Versuch unternommen, ein Wörterbuch unter Zuhilfenahme eines Erklärungswortschatzes zu konzipieren. Es handelt sich hierbei um das ‘Longman Dictionary of Contemporary English’ (Proctor 1978, im Folgenden abgekürzt und zitiert als LDOCE), wobei allerdings zu bedenken ist, dass einsprachige, einbändige sog. Lernerwörterbücher im Englischen eine längere Tradition haben. Die an jenem praktischen Beispiel gewonnenen Erkenntnisse hat Herbst in seinem Aufsatz ‘Defining With a Controlled Defining Vocabulary in Foreign Learners' Dictionaries’ ausführlich abgehandelt (vgl. hierzu auch Jansen/ Mergeai/ Vanandroye 1987): Herbst beschäftigt sich darin mit dem im LDOCE angewandten Verfahren und gelangt zu der Auffassung: ... LDOCE has convincingly proved two points: 1. that a policy of basing definitions on a controlled defining vocabulary need not be restricted to elementary learners' dictionaries with a relatively limited number of entries and 2. that even in a large-scale dictionary such a policy can result in definitions that fulfil both the conditions of semantic accuracy and easy comprehensibility (1986, S. 112). Herbst betont grundsätzlich: „... the existence of the defining vocabulary forced the compilers of LDOCE to think twice before they decided to use a ‘difficult’ word, i.e. such words would only have been used deliberately and with a special reason“ (ebd., S. 113). Er resümiert: Thus the main advantage of the approach taken in LDOCE may well lie in the fact that the defining vocabulary provides an instrument to enforce lexicographical discipline and that as such it contributes to giving the meanings of the words in ‘plain, simple, unambiguous language’ (ebd.). Die von Herbst erarbeiteten ‘Principles for establishing a defining vocabulary’ bieten sich als akzentuierte Zusammenfassung förmlich an: 42 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 1. It is obvious that the defining vocabulary must only contain items the foreign user of the dictionary can reasonably be expected to be familiar with. 2. The units of a defining vocabulary of a dictionary for foreign learners should be words of the language and not abstract semantic components. Although the use of semantic components is sometimes seen as a way of avoiding circularity in definitions, the componential approach does not seem applicable to a general learners dictionary ... 3. The limitation of the vocabulary to be used in dictionary definitions to a restricted list of words is in itself relatively pointless. It is absolutely necessary to prescribe in which meanings the words of the defining vocabulary may be used ... Obviously, in accordance with principle (1), the defining vocabulary should only contain meanings of words the user could be expected to know ... 4. As far as derivatives and compounds are concerned there are no objections to permitting these in definitions as long as the user can be expected to be able to deduce their meanings from the respective elements of the defining vocabulary ... Word formations whose meanings are not easily derivable ought to be listed as separate elements of the defining vocabulary ... 5. For the purpose of a general learners' dictionary the size of the defining vocabulary appears to be relatively irrelevant. Firstly leaving aside a possible effect in advertising there is little point in pretending that the defining vocabulary used is smaller than it actually is ... Secondly ... it is far more important for the defining vocabulary to be sufficiently large to provide clear and semantically accurate definitions than to keep the number of items artificially low ... 6. The selection of the items to be included in the defining vocabulary should be based on a combination of the criteria of ‘expected familiarity’ (principle 1) and ‘lexicographical usefulness’ ... Frequency lists (and also analyses of the vocabulary introduced in textbooks) will serve as important sources to determine what these items are. In some cases, the criterion of frequency should however be overruled by other considerations: (a) In the case of a defining vocabulary for a German dictionary, for example, it would seem sensible to include such words as akzeptieren, Prinzip or Intention rather than the possible more common abnehmen, Grundsatz or Absicht on the grounds that foreign learners of German (especially if they know English or a Romance language) might be more familiar with the former than the latter. Die Ausgangslage 43 There is no reason why this potential ‘Fremdwörter’ should not be exploited to the full in lexicography. (b) Similarly, there is no point in excluding words from the defining vocabulary without which the definition of other words would become unnecessarily complicated ... (c) On the other hand words with a relatively high frequency ought nevertheless to be excluded from the defining vocabulary if they can serve no useful purpose in definitions. This definitely applies to synonyms where one of two (or more) synonymous words suffices. Furthermore, it may be worth considering whether there might not be cases where words that can easily be defined through other words of the defining vocabulary and that are themselves not really necessary for defining purposes could be excluded with the effect of increasing consistency in the classifications made in the dictionary ... [das betrifft vor allem die Hyponymie-Relation(en), U. Sch.]. 7. The defining vocabulary should not be applied too rigorously. Whenever semantic accuracy would suffer by keeping the definition within the framework of the controlled vocabulary, other words must be used in definitions as well ... It could be argued that the decision of whether to strictly keep a definition within the limits of the defining vocabulary could also be based on assumption concerning the ‘Wörterbuchbenutzersituation’ by considering whether the word to be defined is likely to be looked up by someone with a rather profound competence of the language (because the word predominantly appears in ‘difficult’ texts) or by a not very advanced learner. Especially in the latter case an attempt should be made to explain the word(s) used from outside the defining vocabulary in the definition ..., which will increase the intelligibility of the definition for the user. Nevertheless, it would be wrong to avoid using words from outside the defining vocabulary also because they fulfil the function of cross-references ... (Herbst 1986, S. 113ff.). Nach dieser Zusammenstellung gelangt Herbst abschließend zu dem Resümee: In view of the large number of variables types of user, ‘Wörterbuchbenutzungssituationen’ etc. it may however be impossible to establish more concrete criteria even if this means admitting that despite all linguistic and metalexicographical research the writing of a dictionary remains an art after all (ebd., S. 117). 44 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Am Beispiel des Definitionswortschatzes sollte angedeutet werden, wie ein integratives Konzept mit genauen Zielvorgaben und entsprechend abgeleiteter Methodik konsequent in die Tat umgesetzt wurde, d.h., wie sich Theorie und Praxis einzelner Wissenschaftszweige an einer größer angelegten Arbeit gegenseitig befruchten, aus den Erfahrungen lernen und schließlich ein wirklich neues Produkt vorlegen können, das freilich wiederum als Grundlage für weitere Forschungen herangezogen werden kann. Solche oder vergleichbare Unternehmungen wären v.a. aus der Sicht der Grundwortschatzforschung als Vorstoß aufzufassen und dementsprechend zu beachten. In eine ganz ähnliche Richtung gehen auch die Überlegungen von Zillig: Mit Blick auf die Sprachwissenschaft besteht die Aufgabe darin, festzulegen, welche ‘Wörter’ notwendig sind, um die Bedeutung möglichst vieler anderer, semantisch komplexerer Wörter paraphrasierend bestimmen zu können. Dabei ist es unerheblich, ob das praktische Ziel die Erstellung eines einsprachigen Wörterbuchs mit ‘Bedeutungsangaben' ist oder ob es darum geht, mit handhabbaren Definitionen die Verwendungsweise von ‘wichtigen Wörtern’ zu präzisieren. Dass es Verbindungen zwischen dieser innerlinguistischen Aufgabe und den Zielen der Didaktik gibt, liegt auf der Hand: Die für Paraphrasen wichtigen Wörter und Wendungen können dazu verwendet werden, um die, die eine Sprache lernen, in den Stand zu setzen, möglichst viel mit möglichst wenigen Wörtern ausdrücken zu können (2000, S. 94). Krohn (1992) hat in seiner umfangreichen Untersuchung zum deutschen Grundwortschatz vergleichbaren übergreifenden Aspekten kaum Bedeutung zugemessen. Er wandelt so gesehen auf eher traditionellen Pfaden, wenn er seine Ausführungen allein in den Kontext der Fremdsprachendidaktik einbettet. In insgesamt sieben Kapiteln, die weitgehend der Klärung theoretischer Probleme dienen, schafft Krohn die Vorraussetzungen für den empirischen Vergleich, d.h. für die Bildung der Schnittmengen, die er schließlich im achten Kapitel in Form von nach Wortarten getrennten Wortlisten und Kommentaren zusammenstellt. Für die Belange meiner Arbeit ist es nicht nötig, nochmals all die Themenkreise zu rekapitulieren, die Krohn in den ersten sieben Kapiteln behandelt und dankenswerterweise am Ende jedes Kapitels zusammenfasst: die Diskussion um Kommunikationsmodelle und um den Kompetenzbegriff (vgl. Krohn 1992, Kap. 1), die Erfassung des empirischen Profils von Wortlisten (vgl. ebd., Kap. 2), die Bestandsaufnahme der Grundwortschatzforschung (vgl. ebd., Kap. 4), die ausführliche Be- Die Ausgangslage 45 sprechung der Selektionskriterien ‘Thema’, ‘Situation’ und ‘Intention’ (vgl. Krohn 1992, Kap. 5), 7 die Anmerkungen zur Struktur und Funktion von Grundwortschätzen (vgl. ebd., Kap. 6) und die Ausführungen zur Darstellung und zum Vergleich von Wortlisten (vgl. ebd., Kap. 7; vgl. auch die beiden Aufsätze von Krohn 1993 und 1994, die das Wesentliche zusammenfassen sowie die Rezensionen von Koller 1994, Schröder 1995 und Wolski 1995). Ein großer Verdienst von Krohn besteht sicherlich darin, dass er sich die Mühe gemacht hat, vorhandenes Material zur Gänze zusammenzustellen und durch die Methode der Schnittmengenbildung zu konfrontieren, auszuwerten und zu kommentieren. Er richtet sein Augenmerk allerdings nicht wie bisher meist geschehen primär auf die Divergenzen in den unterschiedlichen Korpora, sondern auch auf Konvergenzen, um schließlich der Frage nachzugehen, welche Konsequenzen sich aus den entsprechenden Befunden nutzbringend für die zukünftige Arbeit ziehen lassen. Die Methode hatte zwar Jorgensen (1985) bereits angewandt und eine ‘Combined, Basic German Vocabulary List’ generiert, welche gleichfalls auf der Gegenüberstellung einer Reihe einschlägiger Grundwortschatzsammlungen basiert, er hatte jedoch darauf verzichtet, seine Ergebnisse eingehender zu analysieren. Für Krohn stehen zweifelsohne das K(leinste) G(emeinsame) V(ielfache) der sechs ausgewählten Listen im Mittelpunkt des Interesses, also die sog. Kompaktliste (auf die ich in Kap. 2.7 dieser Arbeit nochmals zurückkomme) sowie die Interpretation der Hapaxlegomena, also jener Wörter, die nur in jeweils einem Korpus Vorkommen und mit deren Hilfe dessen thematisches 7 Hierbei trifft Krohn folgende Unterscheidung: „Nach welchen Kriterien werden welche Themen, Situationen und Intentionen aus der Gesamtmenge möglicher Themen, Situationen und Intentionen ausgewählt? (INTER- THEMATISCHE SELEKTION). Nach welchen Kriterien geschieht die lexikalische Belegung der als kommunikationsrelevant erkannten Themen. Situationen und Intentionen, d.h. welche Lexeme bzw. Wortgruppenlexeme werden aus der Gesamtmenge der einem Thema, einer Situation oder einer Intention zugeordneten Lexeme ausgewählt? (INTRATHEMATISCHE SELEKTION). Nach welchen Kriterien werden Synsemantika ausgewählt und die Autosemantika, die sich keinem spezifischen Thema, keiner spezifischen Situation oder Intention zuordnen lassen? (EXTRATHEMATISCHE SELEKTION)“ (Krohn 1992, S. 93). 46 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Profil genauer erfasst werden kann (vgl. Krohn 1992, Kap. 8). In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die überwiegende Mehrheit der nur in den pragma-kommunikativen Korpora vorkommenden Substantive „sich den Themen/ Frame [sic! ] ‘Essen/ Trinken’, ‘Reise/ Tourismus/ Verkehr’ und ‘Krankheit’ zuordnen lassen“ (ebd., S. 301). Es handelt sich dabei offenkundig um ein sehr eingeschränktes Spektrum, das zum einen verdeutlicht, in welchem Maße sich die Auswahl auf Bereiche konzentriert, die zwar für (Kurz-)Urlauber interessant und wichtig sein mögen, für einen längeren Aufenhalt in Deutschland aber viel zu kurz greifen. Zum anderen wird deutlich. dass die Kritik an Frequenzerhebungen aus dem ‘pragma-kommunikativem Lager’ in ihrer Ausschließlichkeit nicht in dem Ausmaß begründet scheint. Über diese Befunde gelangt man schließlich auf einer abstrakteren Ebene zu einem Kembereich der Arbeit von Krohn: Die auf Grund der Schnittmengenuntersuchung getroffene Unterscheidung von Synsemantika, themenunspezifischen und themenspezifischen Autosemantika. Das Verhältnis dieser Mengen zueinander hat Krohn in einer Grafik dargestellt: THEMENSPEZIFISCHE THEMENUNSPEZIFISCHE SYNSEMANTIKA AUTOSEMANTIKA AUTOSEMANTIKA Abb. 3: Drei funktional unterscheidbare Lexemklassen (nach Krohn 1992, S. 113) In dieser Graphik repräsentieren die Synsemantika als relativ geschlossene und weitgehend grammatisch definierbare Lexemklasse den inneren Kern der Kompaktwortliste ... Die beste Gewähr für einigermaßen verläßliche Aussagen über Anwendungsbreite und den kommunikativen Gebrauchswert von Synsemantika dürften Frequenzuntersuchungen leisten ... Die themenunspezifischen Autosemantika, d.h. die Lexeme, deren (proto (typische Verwendung nicht auf ein textspezifisches Thema/ eine Situation festgelegt werden kann, repräsentieren eine relativ offene Lexem- Die Ausgangslage 47 klasse von Substantiven, Verben, Adjektiven und bestimmten Partikeln; sie fungiert... als erste Kernumschichtung oder Schale und besteht aus einer Vielzahl von Segmenten, deren Lexeme auf konkrete und abstrakte Referenzbereiche verweisen ... Auch in diesem Sektor der Lexik dürften mögliche Wortauswahlkriterien Nutzen aus entsprechenden Frequenzuntersuchungen ziehen ... Die themenspezifischen Autosemantika, d.h. die Lexeme, deren Verwendung im Sinne der Frame-Theorie mit einem bestimmten Thema/ Frame assoziiert werden, repräsentieren eine prinzipiell offene Lexemklasse, die als zweite Kernumschichtung oder Schale ebenfalls aus einer[,] wenn auch wesentlich größeren Anzahl von Segmenten besteht, die jeweils ein Thema bzw. ein Subthema bilden. Die intrathematische Belegung der einzelnen Segmente repräsentiert die sprachlich-lexikalischen Mittel der thematischen Kompetenz ... Didaktisch notwendige Beschränkungen im interthematischen und intrathematischen Bereich sollten sowohl aus kommunikativ begründeten Lernzielvorgaben als auch aus der frequentiellen Auswertung themenspezifischer Textkorpora abgeleitet werden (Krohn 1992, S. 114f.). Die Grafik ist in ihrer rechteckigen Form ungewohnt, stellt man sie sich hingegen in Form von konzentrischen Kreisen vor, so erinnert das Modell grundsätzlich, wenngleich mit gewissen Akzentverschiebungen, stark an das Zentrum-Peripherie-Modell der Prager Schule. Es ... trägt der Inhomogenität sprach! . Klassen bzw. Kategorien und ihren fließenden Grenzen Rechnung. Während die Elemente aus dem Zentrum über alle klassenspezif. Eigenschaften verfügen, ist die Pferipherie] durch einen unvollständigen Merkmalssatz gekennzeichnet, dessen Defektivität mit zunehmender Enfernung vom Zentrum ansteigt (Glück (Hg.) 1993, S. 458). Bei eingehender Betrachtung beinhaltet das von Krohn erarbeitete Konzept einige Fragen und Unklarheiten. Die Menge der Synsemantika bleibt hinsichtlich der darin enthaltenen Elemente weitgehend unscharf, da sie Krohn weder in Bezug auf Kriterien für die mögliche Unterscheidung von Partikeln, Modalwörtern und Adverbien genau definiert, noch abdruckt. Durch die Ermittlung von Synsemantika und vorwiegend themenunspezifischen Autosemantika mit Hilfe einer sechs Korpora umfassenden Schnittmengenbildung wird das eigentliche Problem, nämlich die Auswahl von themenspezifischen Autosemantika, nicht wirklich gelöst, sondern nur auf eine andere Ebene verschoben. Einen Lösungsansatz sieht Krohn darin, 48 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Texte als Basis für die Auswahl themenspezifischer Autosemantika heranzuziehen. Nun ist der Umgang mit Texten im Fremdsprachenunterricht nichts Neues auch und gerade zum Zwecke der Lexikerweiterung (vgl. u.a. Harweg 1991, Krusche 1993, Pötschke 1989, Rosandic 1991, Stojanova-Jovceva/ Marinova-Gerceva 1988). Krohns Vorschlag basiert demgegenüber auf einer elaborierten Form des Textdeckungstests. Solche Tests wurden fast schon traditionellerweise in vielen fremdsprachendidaktischen Grundwortschatzsammlungen zur Eigenwerbung herangezogen: Demzufolge ließen sich so lautet in etwa der etwas marktschreierisch anmutende Tenor mit den 2000 Wörtern 80% eines durchschnittlichen Textes abdecken bzw. sogar verstehen. Über die Fragwürdigkeit eines solchen Tests und daraus abgeleiteter Folgerungen ist sich Krohn durchaus bewusst (vgl. Krohn 1992, S. llöff.). Hier genügen daher einige Anmerkungen. In der einfachen Formel ‘Der Grundwortschatz umfasst 80% der Wörter, die in einem durchschnittlichen Text verkommen’ wird nicht darauf hingewiesen, dass es sich dabei in der Mehrzahl um Funktionswörter handelt, also um Pronomina, Artikel, Präpositionen, usw., d.h. um sog. Synsemantika. Eine weitgehend unbeantwortete Frage ist ferner die nach der Festlegung eines Schwierigkeitsgrads für Texte, welcher die Wortschatzauswahl ganz erheblich steuern sollte. Zieht man nur Textdeckungstests zu Rate, kommt es einerseits zu einem Zirkelschluss: ‘Ein schwerer Text besitzt viele unbekannte Wörter’ —» ‘Ein Text, der viele unbekannte Wörter besitzt, ist schwer’. Andererseits ist ein unzureichendes Textverständnis nicht allein das Ergebnis fehlenden Vokabulars, sondern es kann vielfach auch zurückgeführt werden auf die mangelnde Kenntnis methaphorischen Sprachgebrauchs, phraseologischer Einheiten und syntaktischer Konstruktionen etc. Über rein sprachliche Kriterien hinaus kann natürlich auch die Argumentationsstruktur selbst (vgl. Toulmin 1975) zu Schwierigkeiten und damit zu Verständnisproblemen führen (vgl. zu Kriterien und Verfahren bei der Messung der Textschwierigkeit auch die differenzierte und fassettenreiche Erörterung von Nebe 1990). Krohns eigener Ansatz zur Ermittlung themenspezifischer Autosemantika hat mit solchen, allzu stark vereinfachenden Test-‘Methoden’ nichts gemeinsam. Sein Ansatz ist, auf das Wesentliche verkürzt, der folgende: Die Ausgangslage 49 Aus dem intuitiven GesamtVerständnis des Textinhaltes leiten wir die Formulierung des (Sub)textthemas ab, das sich aus der integrativen Interpretation der einzelnen Propositionen ergibt ... Der zweite Schritt besteht darin, dieses [,] aus der Zerlegung des Originaltextes in eine Reihe von Propositionen gewonnene Textthema wieder in die Oberflächenstruktur des konkreten Textes zu transponieren und in Form einer Isotopiekette semantisch-lexikalisch zu konkretisieren (Krohn 1992, S. 122f. vgl. hierzu auch Simon-Rutloff 1993). Prinzipiell ist gegen dieses Vorgehen gewiss nichts einzuwenden. Trotzdem scheinen schon bei der konkreten Textauswahl Probleme vorprogrammiert zu sein: Darf man einen Text/ eine näher zu definierende Textsorte zu einem bestimmten Thema gewissermaßen als prototypisch ansehen? Wenn ja, wie ist dies objektiv zu begründen, wenn nein, wie viele Texte sind dann nötig und wie ist der daraus gewonnene themenspezifische Wortschatz einzugrenzen, womöglich frequenziell? Welchen Umfang sollten die Texte besitzen, warum? Welche Themen sind zu berücksichtigen, wie erfolgt deren Auswahl? Gibt es überhaupt zu allen Themen adäquate Texte? Auf welche Weise soll die gesprochene Sprache berücksichtigt werden? Wie ist der letztlich exzerpierte Wortschatz zu präsentieren? Lässt sich mit diesem Wortschatz ein bestimmtes Thema wirklich sprachlich bewältigen? Darf man zudem über die Tatsache hinwegsehen, dass die Isotopieketten vorwiegend aus substantivischen Gliedern bestehen? Überspitzt formuliert stellt Krohns Vorgehen einen Methodenmix dar zwischen der frequentativ und der kommunikativ begründeten Auswahl von Lexemen, denn: Es werden Texte/ Themen zu Grunde gelegt und auf themenspezifische Autosemantika und Isotopieketten hin untersucht. Aber aut diesem Wege wird u.U. eine große Anzahl von Wörtern herausgefiltert, die für das Thema wichtig sind, sonst aber alle weiteren Anforderungen eines Grundwortschatzes im erweiterten Sinne nicht erfüllen; man denke beispielsweise an das auch von Krohn thematisierte Stichwort Reichweite bzw. Gebräuchlichkeit (vgl. Krohn 1992, S. 73f. und S. 97ff.), wobei unklar bleibt, auf welcher Ebene/ welchen Ebenen es greifen soll. Es kommt im schlimmsten Fall zu einer Anhäufung sehr spezieller Termini, die nochmals gefiltert werden müssen: Geschieht diese Auswahl erneut mittels der Frequenz oder durch die kollektive Entscheidung einer Gruppe? 50 Der zentrale Wortschatz des Deutschen In größerem Stil bedarf die praktische Umsetzung des in den Grundzügen dargestellten Verfahrens also noch der Klärung zahlreicher Fragen. Neben den gestellten gehört dazu auch eine Präzisierung der Begriffe: Thema, Frame, Szene, Situation, auf die Krohn zwar im theoretischen Teil seiner Arbeit ausdrücklich eingeht (vgl. Krohn 1992, Kap. 5), woraus sich jedoch keine Konsequenzen für die praktische Untersuchung ergeben, denn er verwendet sie vielfach synonym. Flinzu kommt, dass es bei der nach Wortarten getrennten thematischen Untersuchung der Schnittmengen, insbesondere der Hapaxlegomena, wenig Sinn macht, von Frames zu sprechen, da diese gerade durch die wortartenübergreifende, assoziative Vernetzung gekennzeichnet sind. Abgesehen davon scheint mir die rein assoziativ gewonnene thematische Zusammenstellung von Wörtern (in diesem Falle einer Wortart) zwar den Ansprüchen tendenzieller Analysen zu genügen, für fremdsprachendidaktische Belange ist sie jedoch unzureichend. Gerade auf diesem Feld kommt es darauf an, klare Strukturierungsprinzipien zu erarbeiten, die den Lernenden auch entsprechend zu vermitteln sind: mit anderen Worten: Es wäre vorteilhaft, jene durch die Textdeckungstests ermittelte Lexik, die einen versprach]ichten Ausschnitt des Weltwissens repräsentiert, nachfolgend nach sprachimmanenten Kriterien zu gliedern. Ein solcher Schritt in Richtung einer Grundwortschatzlexikografie erfordert konsequenterweise die Abkehr von reinen Wortlisten, d.h. die Berücksichtigung der Bedeutungen oder Sememe. Auch bei Krohns Konzept ist es übrigens nur deshalb möglich, in dieser kategorischen Form von themenunspezifischen und themenspezifischen Autosemantika zu sprechen, weil nicht monosemierte Lexeme den Ausgangspunkt bilden. Ein einfacher Gedankengang vermag dies zu illustrieren: Der Grad polysemer Autosemantika ist insbesondere im Kernbereich sehr hoch (vgl. Kap. 3.2, 3.4.1.5 in dieser Arbeit und meine Materialzusammenstellung unter http: / / www.idsmannheim. de/ lexik/ personal/ schnoerch. html). Von daher mag der Terminus ‘themenunspezifisch’ insofern Berechtigung haben, als die entsprechenden Wörter nicht in unspezifischen, sondern in sehr vielen, mehr oder minder spezifischen Themenbereichen Anwendung finden können. Sobald man jedoch ein (extrem) polysemes Wort in seine unterschiedlichen Bedeutungen auffächert, wird auch sein Anwendungsbereich bzw. der seiner Sememe weiter eingeschränkt, da die betreffenden Lesarten i.d.R. eben doch einem gewissen Themenspektrum zugeordnet werden können. Die Ausgangslage 51 Das Problem der unzureichenden bzw. völligen Missachtung der Semantik in der bisherigen Grundwortschatzdiskussion versucht also auch Krohn nicht zu lösen, im Gegenteil: Seine Theorie der themenspezifischen vs. themenunspezifischen Autosemantika ist streng genommen nur dann haltbar, wenn man den Schwachpunkt der nicht durchgeführten Lesartendisambiguierung in Kauf nimmt. Im Zuge der bisherigen Ausführungen ist ein nicht unumstrittener Terminus stillschweigend vorausgesetzt bzw. akzeptiert worden: das Lexem. Speziell im Hinblick auf die Reduzierung des Gesamtwortschatzes ist es ein vorrangiger Aspekt, die Zähleinheit zu definieren, ob man sie in diesem Kontext nun ‘Lexem’ oder auch allgemeiner ‘Wort’ nennt. Die Zähleinheit ist als operationalisierbare Größe zu begreifen, zumal die Obergrenzen für Minimalwortschätze stets mit einer mehr oder minder konkreten Zahl von ‘Wörtern’ (meist 2000) angegeben wird. Kaufmann weist auf diese ebenso einfache wie grundlegende Tatsache hin: „Dringend erforderlich ist die Erarbeitung einer linguistischen Theorie, in der hinreichend definiert wird, was bei statistischen Erhebungen als zählbare (lexikalische) Einheit zu gelten hat“ (Kaufmann 1968, S. 15f.). Hoffmann schlägt vor: „Grundeinheit lexikalischer Häufigkeitsuntersuchungen und somit statistisches Element ist das Wort“ (Hoffmann 1972, S. 39). Daran wäre eigentlich nichts auszusetzen, gäbe es nicht folgendes Problem: Obwohl nun aber ‘die Sprachwissenschaft ohne den Begriff des Wortes schwerlich auskommen kann’, obwohl sie in der Praxis sehr häufig mit ihm arbeitet besonders in der Lexikologie -, obwohl der ‘gesunde Menschenverstand’ und die ‘unmittelbare Wahrnehmung' für die Akzeptierung des Wortes als sprachliche Einheit sprechen, verfügt die Sprachwissenschaft ähnlich wie beim Satz noch heute über keine allgemein anerkannte Definition des Wortes (ebd.). Hoffmann hat eine ganze Palette verschiedener Definitionsansätze zusammengestellt; ein Wort kann demnach definiert werden: als äußerstes Minimum des Satzes ...; als minimale syntaktische Einheit (Variante: als minimale substituierbare oder bedeutungsdifferenzierende Komponente des Satzes)...; als minimale (Variante: vorletzte in der Reihenfolge der abnehmenden Kompliziertheit) Bedeutung tragende Einheit der parole ...; 52 Der zentrale Wortschatz des Deutschen als Einheit phonetischer, semantischer und grammatischer Merkmale als Bezeichnung eines Elements der Wirklichkeit als selbständiges und ganzheitliches Element der Rede ... Berücksichtigen wir weiter die Aufspaltung des Wortbegriffs, so ist die Frage zu entscheiden, welcher Aspekt bei einer Analyse der lexikalischen Einheiten und morphologischen Besonderheiten ... in den Vordergrund zu rücken ist: das ‘phonetische’, das ‘graphische’, das ‘lexikalische’, das ‘grammatische’ (flektive) oder das ‘ganzheitliche’ Wort? (Hoffmann 1972, S. 40f.). Hoffmann erörtert noch die Eigenheiten jener unterschiedenen Betrachtungsweisen (vgl. ebd., S. 4Iff.) und schlägt dann selbst eine Definition vor: Das Wort ist eine in Morpheme gegliederte relativ selbständige Graphemkette, die durch Lücken begrenzt - und in bestimmten Fällen geteilt wird, als Träger einer einheitlichen grammatischen Bedeutung auftritt und als Lexem repräsentiert werden kann (ebd., S. 44). Andererseits gelangt Kaufmann im Zuge seiner Überlegungen zu folgendem Ergebnis: Aus didaktischer Sicht scheint folgendes Vorgehen die beste Lösung zu bieten: Als zählbare lexikalische Einheit sind alle jene Einheiten zu betrachten, die auf der Satzstruktur-Ebene nicht weiter zerlegt werden können, ohne daß dadurch eine Aussage über das syntaktische Verhalten dieser Einheiten unmöglich gemacht würde (Kaufmann 1968, S. 16). Durch die Gegenüberstellung dieser beiden Definitionen wird deutlich, dass auch hier die Perspektive entscheidend ist. Den Auswahlkriterien eines Grundwortschatzes vergleichbar, ist auch die ‘Zähleinheit’ nicht absolut zu setzen, d.h., ihre Bestimmung hängt weitgehend von den Zielvorgaben ab. Die Vorschläge seitens der Sprachstatistik bzw. -didaktik mögen für ihren Bereich zufrieden stellend sein, dennoch erweisen sie sich in vielerlei Hinsicht ebenfalls ‘nur’ als Kompromisslösung: die Schwierigkeiten bei der Erfassung von Wortgruppenlexemen bleiben beispielsweise weitgehend ausgeblendet. Da die Zähleinheit in den unterschiedlichen, von mir erfassten und untersuchten Korpora des Untersuchungsgegenstandes bereits definiert worden ist, wird es also darauf ankommen, an den betreffenden Stellen auf Die Ausgangstage 53 Eigentümlichkeiten und Unterschiede bei der Definition des ‘Wortes’ hinzuweisen. Stellt man die Problematik der Zähleinheiten in den übergeordneten Rahmen der Lexikografie, so konnte man 1982 noch zu folgender Einschätzung gelangen: Im Gegensatz zu der theoretisch begründeten Annahme, daß die Einheit der Bedeutung im Lexikon das Semem sei, muß mit Rücksicht auf eine spätere praktische Verwertung der Untersuchungsergebnisse von vornherein damit gerechnet werden, daß trotz aller potentiellen neuen Darstellungs- und Verweisungsmöglichkeiten das Wörterbuch doch immer nur von einem Lemma aus erschlossen werden kann, das natürlicherweise ein Lexem, ein lexikalisch einfaches Wortschatzelement, ist (Agricola 1982, S. 12). Heutzutage wird man hinter diese These freilich ein Fragezeichen setzen müssen: Mit dem Computer, dem Hypertext und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten, ein Wörterbuch auch auf elektronischem Wege zu publizieren, haben sich die Vorzeichen geändert. Es eröffnen sich völlig neue Perpektiven, die vielfach weit über den konzeptionellen Rahmen traditioneller Printwörterbücher hinausgehen (vgl. http: / / www.ids-mannheim.de/ wiw/ ). Das traditionelle Stichwort kann im elektronischen Medium sehr wohl durch die Lesart ersetzt werden. Noch einen Schritt weiter geht Zillig, der anregt: „Man solle sich ein Wörterbuch vorstellen, das von flektierten Formen ausgeht“ (Zillig 2000, S. 98). Der unmittelbare sprachliche Kontext rückt so verstärkt ins Blickfeld, wodurch zugleich grammatische, semantische und pragmatische Aspekte einer Lesart offenkundig werden: Es sind diese über die Wortgrenzen hinausreichenden Bedeutungseinheiten im Verein mit grammatischen Besonderheiten der jeweiligen Sprachen, die das ‘Wort’ - und auch seine linguistisch-terminologische Entsprechung, das Lexem ganz allgemein als eine sprachwissenschaftlich wenig brauchbare Größe erscheinen lassen“ (ebd.). Mit diesen, auch für die Grundwortschatzforschung interessanten Ausblicken komme ich ans Ende meiner Darstellung des Forschungsstands, und man wird Wolskis weiter oben zitierter Einschätzung nun insofern beipflichten, als weit mehr Fragen gestellt als beantwortet wurden. Gerade deshalb ist es aber auch lohnenswert, etwas abseits der ausgetretenen Pfade nach neuen Ansätzen und Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Der erste, in der 54 Der zentrale Wortschatz des Deutschen vorliegenden Arbeit unternommene Schritt auf diesem Wege ist die Abkehr von ausschließlich formseitig definierten Zähleinheiten, gleichsam das Aufstoßen der Türe zur Semantik: die Disambiguierung der Lesarten. Nur so kann eine Brücke geschlagen werden von einer Grundwortschatz-Forschung, die sich nahezu ausschließlich mit der zwar zentralen, äußerst kontrovers, bisweilen allzu programmatisch diskutierten Frage nach der ‘richtigen’ Wortschatzauswahl beschäftigt (die ohnehin wohl nur in Form funktional ausgerichteter, methodischer Kompromisse zu lösen ist), hin zu einer im Kern fremdsprachendidaktisch ausgerichteten Grundwortschatz-Lexikografie, die ihrem Namen auch wirklich gerecht wird. Erst die Lesartendisambiguierung eröffnet darüber hinaus auch ein breites Analysespektrum zur konkreten Untersuchung der materiellen Basis bisheriger Erhebungen zum Grundwortschatz i.w.S. Bevor ich nun meine weitere Vorgehensweise im nächsten Teilkapitel erläutere, beschließe ich die Bestandsaufnahme mit einem Zitat von Rosengren, in dem die Verfasserin den Blick auf den Forschungsgegenstand und dessen Kardinalproblem, nämlich die (Grund-)Wortschatzauswahl, in angemessener Weise relativiert: Besser als nur intuitiv vorzugehen ist es ..., auf dem Weg zu einem kommunikativen Wortschatzminimum die Mittel, die angewendet werden können, so weit wie möglich auszunützen. Möglich ist es, Textsorten zu unterscheiden und zu definieren, Wörter zu definieren und zu zählen, Streuungen festzustellen, möglich ist es also mit anderen Worten, explizit anzugeben, wofür eine bestimmte Textmenge repräsentativ ist und wie die einzelnen Wörter innerhalb dieser Textmenge sich quantitativ zueinander verhalten. Ein Wortschatz, der nach diesen Kriterien zusammengestellt ist, kann niemals ein schlechter Ausgangspunkt für eine Wortauswahl in einer bestimmten didaktischen Situation mit einem bestimmten Ziel sein. Ein solcher Wortschatz kann auch mit intuitiv ausgewählten Wörtern komplettiert werden. Die Hauptsache ist, daß man weiß, was der Wortschatz repräsentiert ... Es muß die Aufgabe des Praktikers sein, den besten existierenden Wortschatz zu verwenden. Die Aufgabe des Theoretikers ist es, etwas noch besseres zu entwickeln (1976, S. 332). Die Ausgangslage 55 1.2 Ziel(e) der vorliegenden Arbeit: Materialgrundlage, Auswahlkriterien und Vorgehensweise im Überblick Die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel dienten nicht nur der thematischen Hinführung, sie bilden zugleich die Grundlage und den Ausgangspunkt für meine Arbeit. Wenn ich bisher auf eine Reihe von Detailproblemen nicht näher eingegangen bin, so werde ich das im Zusammenhang mit der Vorstellung des Untersuchungsgegenstandes im nächsten Kapitel nachholen und am konkreten Fall diskutieren. Von daher ist es auch nachvollziehbar, weshalb ich bislang nicht oder kaum auf Endprodukte der Grundwortschatzforschung i.w.S. eingegangen bin, also auf bereits bestehende Wortschatzsammlungen. Da Kritik, die allzu generell vorgebracht wird, eher dazu neigt, über das Ziel des noch Machbaren hinauszuschießen oder sich in Einzelheiten und Spekulationen zu verlieren, habe ich mich im vorangehenden Kapitel darauf beschränkt, in Ausschnitten nur die wichtigsten Standpunkte vorzustellen. Im nächsten Kapitel werde ich mich auf dieser Grundlage dem Untersuchungsgegenstand annähern; im Zuge dessen wird die kritische Auseinandersetzung mit den jeweiligen Erhebungen im Mittelpunkt stehen. Gemessen an den Zielvorgaben sind v.a. die gewählten Auswahl- und Darstellungsmethoden zu hinterfragen, da letztlich nur innerhalb dieses Rahmens ein spezieller Bewertungsmaßstab angelegt werden kann. Gemäß der Ausrichtung werden auf diese Weise selbstredend auch unterschiedliche thematische Schwerpunkte gesetzt. Aus den allgemeinen Anmerkungen des vorangehenden Kapitels, zusammen mit den im nachfolgenden, zweiten Kapitel thematisierten Fragestellungen lassen sich dann Konsequenzen für mein weiteren Vorgehen im dritten Kapitel ableiten. Bei der Untersuchung eines noch näher zu bestimmenden Wortschatzausschnitts aus der Gesamtmenge der Korpora (s.u.) werde ich einen rein analytischen Ansatz verfolgen. Es geht mir nicht um die Erarbeitung einer Grundsprache, etwa im Sinne von Mattutat (1969). Bereits die skizzierte Forschungslage eröffnet grundsätzlich also ein breites Spektrum von Ansatzpunkten und Möglichkeiten für eine Arbeit, welche die Analyse eines zentralen Wortschatzbereichs zum Thema hat. Aus diesem Grund scheint es auch notwendig, mein weiteres Vorgehen in seinen Grundrissen zu konkretisieren und einzugrenzen. 56 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Zunächst ist eine Änderung der Blickrichtung vorzunehmen: Bislang wurden u.a. die Auswahlkriterien für einen Grundwortschatz als solche kritisch hinterfragt. Nachfolgend wird es jedoch darum gehen, vorab schon ausgewählte (bzw. reduzierte) Wortschätze zu vergleichen, also das von Krohn (1992) ausführlich diskutierte Verfahren, dessen Ergebnisse im achten Kapitel seiner Arbeit präsentiert werden, für mein Vorgehen nutzbar zu machen. Mit anderen Worten: Es gehört zu den vorrangigen Zielen dieser Arbeit, auf dem Wege der Korpuskonfrontation eine Teilmenge zu ermitteln, die dann exemplarisch ausgewertet wird. Um der Forderung nach Transparenz nachzukommen ist es unabdingbar, vorher die zugrunde gelegten Korpora bezüglich ihrer Stärken und Schwächen eingehend zu untersuchen. Dabei können bereits Fragen wie die folgenden angesprochen werden: Wo liegen die Ursachen für die Unterschiede, und inwieweit sind sie in der Anlage der jeweiligen Erhebungen zu suchen? Sind die möglicherweise daraus resultierenden - Gemeinsamkeiten und Differenzen interpretierbar, lassen sich einzelne Tendenzen erkennen? Gemäß der jeweiligen Erhebungsmethode(n) und der damit verbundenen Zweckbestimmung(en) werden die ausgewählten Arbeiten der Reihe nach vorgestellt, wobei zugleich Perspektiven angedeutet werden, die sich für eine spätere Aufarbeitung des Sprachdatenmaterials ergeben. Als Basis habe ich die folgenden sieben Korpora ausgewählt: - Kosaras (1980): ‘Grundwortschatz der deutschen Sprache’. - Pfeffer (1970): ‘Grunddeutsch. Basic (Spoken) German Dictionary’. - Ruoff (1981): ‘Häufigkeitswörterbuch der gesprochenen Sprache’. - Rosengren (1972-1977): ‘Ein Frequenzwörterbuch der deutschen Zeitungssprache’. - Augst ( 2 1985): ‘Kinderwort - Der aktive Kinderwortschatz (kurz vor der Einschulung)’. - Deutscher Volkshochschulverband/ Goethe-Institut (Hg.) ( s 1992): ‘Das Zertifikat Deutsch als Fremdsprache’. Krohn (1992, S. 175ff.): ‘Kompaktliste/ Testlexikon’. Die Ausgangslage 57 Die meisten dieser Erhebungen zeichnen sich zum einen durch ihre umfangreiche, empirisch erfasste Materialgrundlage aus, zum anderen durch deren gut dokumentierte Auswertung. Ihnen kann deshalb ein hoher Grad an Eigenständigkeit attestiert werden. Im zweiten Kapitel wird der Untersuchungsgegenstand vorgestellt, nämlich die sieben Korpora in der oben angegebenen Reihenfolge. Diese sind zunächst das Ergebnis mitunter recht verschiedener Zielsetzungen, sie haben jedoch eines gemeinsam: Es sind Erhebungen, in denen ein ausgewählter und reduzierter Wortschatz präsentiert wird, der einem Kernbereich zugeordnet werden kann. Die Unterschiedlichkeit der dabei angewandten Vorgehensweisen fungiert im Hinblick auf die gesamte Korpusbasis als weiterer Auswahlfaktor; auf diese Weise lässt sich schließlich ein relativ breites Methoden- und Materialspektrum erfassen und diskutieren. Die Kenntnis der sieben Erhebungen stellt die Basis und die erste Voraussetzung für einen Vergleich i.w.S. dar, dessen konkrete Durchführung die Zusammenführung der einzelnen Korpora in ein Gesamtkorpus erfordert. Die entsprechenden Wortschätze und Zusatzinformationen werden zu diesem Zweck mit Hilfe einer Datenbank im Computer erfasst. Hierbei besteht das zu lösende Hauptproblem darin, die unterschiedlichen Erhebungen mit ihrem unterschiedlichen Informationsgehalt der Struktur einer Datenbank anzupassen, welche einerseits die jeweiligen Eigenheiten berücksichtigt, andererseits die Möglichkeit der Schnittmengenbildung gewährleistet: Zu beachten ist u.a., dass bei der Definition des Wortes als Zähleinheit je nach Zielsetzung des Ausgangs-Korpus geringfügige Unterschiede auftreten können, die herauszuarbeiten sind, da sie Folgen für die Lemmatisierung haben (können). Die digitale Erfassung und Aufbereitung des Sprachdatenmaterials muss insgesamt sehr sorgfältig erfolgen, da ansonsten spätere Sortierungen fehlschlagen würden, d.h. bereits ein einfacher Tippfehler würde beispielsweise dazu führen, dass das Programm zwei eigentlich identische Wortformen nicht mehr als solche identifizieren würde. Auf den ersten Blick scheint die Umsetzung eines gedruckten Wortschatzes in eine Datenbank v.a. eine Frage der Fingerfertigkeit zu sein was bis zu einem gewissen Grad auch zutrifft. Darüber hinaus habe ich in einem eigenen Teilkapitel die Grundsätze der Datenverarbeitung erläutert, auch um anzudeuten, dass selbst beim vorausblickenden Abwägen prinzipieller, die Strukturierung der Datenbank betreffender Entscheidungen eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Einzelfällen 58 Der zentrale Wortschatz des Deutschen auftreten kann, die es während der Eingabe und späteren Analyse erforderlich machte, diesen oder jenen, einmal getroffenen Entschluss von neuem zu überdenken und ggf. zu revidieren. Bei der eigentlichen Auswertung des Sprachdatenmaterials sind grundsätzlich quantitative und qualitative Ansätze zu unterscheiden. Der quantitative Aspekt kommt in erster Linie durch die Bildung einzelner Schnittbzw. Teilmengen zum Ausdruck, der qualitative durch die Analyse einer oder mehrerer zum Vergleich herangezogener Teil- oder Schnittmengen. Was die Bildung von Schnittmengen angeht, so habe ich im Gegensatz zu Krohn darauf verzichtet, alle Möglichkeiten durchzuspielen, und nur eine kleine Auswahl getroffen. Dies ist gerechtfertigt, eben auf Grund der von Krohn erzielten Ergebnisse, denen durch eine Vielfach-Konfrontation der von mir berücksichtigten Korpora wenig Neues hinzuzufügen wäre auch weil sich meine Korpora und die von Krohn teilweise überschneiden. Die Kompaktliste von Krohn nimmt so gesehen eine Sonderstellung ein: Sie kann als synthetische Liste ggf. der zusätzlichen Kontrastierung dienen. Die Bildung von Schnittmengen ist für mich aber nicht das primäre Ziel. Dieses Verfahren macht es möglich, eine zentrale Schnittmenge zu gewinnen, die exemplarisch als Untersuchungsschnittmenge Ausgangspunkt für qualitative Analysen ist. Im Zentrum der qualitativen Detail-Analyse steht die Berücksichtigung der Semantik, d.h. die Bedeutungsanalyse der einzelnen Lexeme, sodass letztlich auch Sememe die Basis darstellen für weitere Untersuchungen, die ihrerseits vielfach erst auf dieser Grundlage möglich werden. Dazu gehören die Wortartenanalyse und die morphologische Analyse v.a. der Verben und Substantive, die ich konsequent für jedes Semem in der Untersuchungsschnittmenge durchgeführt habe. Die wichtigsten Ergebnisse der Detail-Analyse sind der nach Wortarten getrennten Untersuchungsschnittmenge zu entnehmen (vgl. http: / / www. ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html): Im Zentrum steht die nach Wortarten getrennte Untersuchungsschnittmenge, deren ausführliche Darstellung alle Ergebnisse der qualitativen Gesamtanalyse beinhaltet. Sie ist das vorläufige Endprodukt, das gleichfalls als Materialgrundlage zu betrachten ist, entsprechend der entscheidenden These und Zielsetzung Die Ausgangstage 59 dieser Arbeit: Die weiterführende Untersuchung und Aufbereitung sowie die sinnvolle Darstellung eines zentralen Wortschatzbereiches ist erst auf der Grundlage semantischer Analysen möglich, wenn man den Boden der Spekulationen verlassen will. Diese, sicherlich etwas überspitzt formulierte Erkenntnis ist zugegebenermaßen nur wenig originell. Ihr ist jedoch in der bisherigen Grundwortschatzforschung kaum Beachtung zuteil geworden, da zumeist der Streit um die ‘richtigen' Auswahlkriterien die Debatten beherrschte. Neben der Untersuchungsschnittmenge findet man unter http: / / www. ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html auch das auf nicht monosemierte Formen (‘Wörter’) reduzierte Gesamtkorpus in initialalphabetisch und rückläufig-alphabetisch sortierter Form inklusive der jeweiligen Korpusbelegung, also der Angabe der Schnittmenge, in der das Wort vorkommt. Diese Art der Darbietung ermöglicht es u.a., Vergleiche mit dem Testlexikon von Krohn (1992) anzustellen. Diese drei Materialzusammenstellungen bilden im Wesentlichen auch die Basis für meine Stichproben-Analyse mit den thematischen Schwerpunkten ‘Wortbildung,’ ‘Fremdspracheneinflüsse’ und ‘relationale Aspekte’. 2. Der Untersuchungsgegenstand 2.1 Istvän Kosaras (1980): ‘Grundwortschatz der deutschen Sprache. Einsprachiges Wörterbuch’ Der ‘Grundwortschatz der deutschen Sprache’ von Kosaras (1980) besitzt eine Eigenschaft, die seine Auswahl zunächst nicht eben zwingend erscheinen lässt: Meines Wissens existiert keine ausführliche Dokumentation, mit deren Hilfe man die Entstehung, Konzeption und insbesondere die Lexemauswahl nachvollziehen könnte. Spärliche Informationen hierzu bieten einzig das Vorwort und ein knappes Literaturverzeichnis dieses Grundwortschatzes, der als einsprachiges Wörterbuch konzipiert ist. Dem Vorwort ist zu entnehmen, dass dieses GrundWortschatz-Wörterbuch für den „modernen, kommunikativ orientierten Fremdsprachenunterricht“ (Kosaras 1980, S. 6) ausgelegt ist. Das Wörterbuch nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als es laut Verfasser gleich mehrere Wörterbuchtypen in sich vereinigt: 1. Es ist ein Minimum-Wörterbuch und enthält den Grundwortschatz (etwa 3000 Wörter), der im Verlaufe eines anspruchsvollen Fremdsprachenunterrichts anzueignen ist und der ausreicht, die Kommunikation über vielfältige Themen des Alltags zu ermöglichen. Der Wortschatz enthält a) besonders häufig gebrauchte Wörter der deutschen Gegenwartssprache und b) thematisch bedeutsame Wörter, die zum Führen alltäglicher Gespräche notwendig sind ... 2. Es ist ein einsprachiges Bedeutungswörterbuch: Die Bedeutung der Stichwörter wird durch einsprachige Hinweise ..., teilweise auch durch Illustrationen erläutert. In den Bedeutungserklärungen werden nach Möglichkeit nur Wörter verwendet (einschließlich deren Ableitungen und Zusammensetzungen), die selbst als Stichwörter im Wörterbuch aufgenommen sind; darüber hinaus werden einige allgemeinverständliche Internationalismen zur Bedeutungserklärung genutzt. 3. Es ist (innerhalb des Grundwortschatzes) ein Wörterbuch der Wortverbindungen. Dieser Teil des Wörterbuchs ist der wichtigste: Das Wort wird im Kontext gezeigt, das heißt in charakteristischen freien oder festen Wortverbindungen sowie innerhalb von Sätzen vorgeführt. Die meisten Beispiele sind der normalsprachigen Stilschicht zuzu- 62 Der zentrale Wortschatz des Deutschen rechnen, die im gesellschaftlichen Leben schriftlich und mündlich verwendet wird. Die Stichwortartikel enthalten folgende Angaben: a. das Wort in seiner Grundform, mit den zum richtigen Sprachgebrauch notwendigen grammatischen Formen; b. Erklärungen zur Bedeutung des Wortes; c. Beispiele zur Anwendung des Stichworts (freie Wortverbindungen, Sätze); d. Phraseologie; e. Komposita (auf Bedeutungserklärungen wird hier im allgemeinen verzichtet)“ (Kosaras 1980, S. 6). Im Literaturverzeichnis ist eine Reihe von Hilfsmitteln, Grundwortschätzen, allgemein- und fachsprachlichen Wörterbüchern angegeben, sowie einige Spezialwörterbücher (vgl. ebd., S. 272), ohne dass man im Einzelnen erfährt, auf welche Weise sie Eingang in das Grundwortschatz-Wörterbuch von Kosaras gefunden haben. Der Informationsgehalt zur Entstehung des Wörterbuches erschöpft sich also in den oben zitierten Angaben. Hervorzuheben sind folgende Punkte: Der Grundwortschatz von Kosaras ist im Hinblick auf den kommunikativ orientierten Fremdsprachenunterricht konzipiert. Sein Wortschatzumfang soll die Alltagskommunikation über vielfältige Themen ermöglichen; die ca. 3000 Wörter (d.h. Lemmata) sind mit Hilfe der nicht weiter spezifizierten Kriterien der Frequenz und der thematischen Bedeutsamkeit ausgewählt worden. Es erfolgt eine Lesartendisambiguierung, deren Methodik ebenfalls nicht näher erläutert wird. Die Wörter bzw. Wortbedeutungen werden grammatisch und semantisch beschrieben sowie paradigmatisch und syntagmatisch in Relation zueinander gesetzt. Das Wörterbuch umfasst drei Teile: den größten macht das alphabetische Wortverzeichnis aus, das vervollständigt wird durch eine Liste von Zahlwörtern sowie Ländernamen und deren Ableitungen. Die Art und Weise der Darstellung im alphabetischen Teil unterscheidet dieses Grundwortschatz- Wörterbuch in wohltuender Weise von den vielen Grundwortschatz-Listen, die i.d.R. nicht einmal mit einer einfachen Semantisierung aufwarten können. Einen Eindruck über die Artikel Struktur vermittelt die Kopie im Abschnitt 3.2 dieser Arbeit. Der Untersuchungsgegenstand 63 Das Defizit der mangelhaften methodischen Transparenz und Dokumentation kann unter dem Strich in Kauf genommen werden, da ihr ein Ergebnis bzw. Produkt gegenübersteht, das eine sehr brauchbare Untersuchungsbasis gewährleistet. Es wird zu sehen sein, inwieweit der Vergleich und die eingehendere Analyse des Wortschatzes eventuell auch weitere Rückschlüsse auf den Entstehungsprozess des Grundwortschatzes von Kosaras zulassen. 2.2 J. Alan Pfeffer (1970): ‘Grunddeutsch. Basic (Spoken) German Dictionary’ Beim zweiten Korpus handelt es sich ebenfalls um ein Grundwortschatz- Wörterbuch: Pfeffer (1970): ‘Grunddeutsch. Basic (Spoken) German Dictionary’ (im Folgenden abgekürzt und zitiert als ‘Dictionary’). Im Gegensatz zum Grundwortschatz von Kosaras ist seine Entstehung jedoch sehr gut dokumentiert. Ich werde diese Genese ganz im Sinne der geforderten Transparenz skizzieren, bevor ich einige Punkte herausgreife, um das ‘Dictionary’ genauer zu untersuchen. Pfeffer stellt sein Projekt ‘Grunddeutsch’ in die Tradition des von Ogden Anfang der Dreißigerjahre entwickelten ‘Basic English’, „das in erster Linie als universelle Hilfssprache unter Verwendung englischer Wörter konzipiert worden war“ (Schumacher 1978, S. 43): BASIC = British, American, Scientific, International, Commercial. 8 Weitaus mehr Einfluss auf Pfeffers Arbeit hat allerdings ein französisches Vorbild gewonnen, nämlich das in den Fünfzigerjahren von Gougenheim u.a. (1956) entwickelte ‘Frangais fondamental’. Ein didaktischer Anspruch des ‘Grunddeutsch’-Projekts ist deshalb bereits mitgegeben. Wie eng neben der namentlichen auch die methodische Verwandtschaft ist, zeigt ein kurzer Abriss der Vorgehensweise, deren Pfeffer sich bedient, um sein Wortmaterial zu erhalten. „Die Suche nach dem entsprechenden Grunddeutsch unter möglichster Berücksichtigung aller bisherigen einschlägigen Erfahrungen besonders der der Franzosen begann ... im September 1960“ (Pfeffer 1975, S. 10). In Vgl. hierzu auch Fußnote 1. 64 Der zentrale Wortschatz des Deutschen mehreren Arbeitsschritten versuchte man zunächst, „die Sprachquelle des deutschen Alltags“ (Pfeffer 1975, S. 10) zu erfassen: 9 Im „gesamtdeutschen, österreichischen und nordschweizerischen Sprachgebiet“ (ebd.) werden auf 56 Orte prozentual verteilt von rund 400 Informanten Aufnahmen gesammelt (vgl. ebd., S. lOf.), die sie „in ungezwungenen Unterhaltungen etwa je zwölf Minuten über 25 statistisch gestreut wiederkehrende Themen auf Band sprachen“ (ebd., S. 11; bei der Zahl der Informanten muss es sich wohl um einen Druckfehler in der Quelle handeln: Da der Gebräuchlichkeitsindex mit maximal 450 angegeben wird, müssen es ebenso viele Informanten gewesen sein; auch in der einschlägigen Literatur wird nur von 450 gesprochen.). Die Schichtung der Gewährsleute erfolgte dabei „nicht nur nach Alter, Geschlecht. Bildungsstand, Beruf und Wohnort, sondern auch nach Größe und Lage des sprachbestimmenden Heimatortes (ebd., S. 10). Als Gesprächsthemen mit anleitenden Stichwörtern werden jene festgelegt, „die das tägliche Leben genügend umreißen, wie Wetter, Familie, Sport, Schule, Kleidung, Handwerk, Handel, Kunst...“ (ebd., S. 11). Selbst ein derart differenziertes Vorgehen machte es nötig, „Bandbesprechungen, die von der angestrebten gehobenen Umgangssprache zu mehr als zehn von Hundert mundartlich abwichen“ (ebd.) auszuschalten, ferner, das „Übrige auf charakteristische Wiederholungen, falsche Ansätze und nichtssagende Stockungen“ (ebd.) hin zu durchforsten. Das verbleibende, hinsichtlich auffälliger Abweichungen vom angestrebten Standard weitgehend befreite Wortmaterial wurde anschließend weiterhin stets begleitet von kritischen Auswahlentscheidungen unter Berücksichtigung syntaktischer und semantischer Kontextinformationen auf Lochkarten transkribiert, lemmatisiert und mit Häufigkeitswerten (von 1 bis ca. 50.000) und Gebräuchlichkeitsindices (von 1 bis 450) versehen, sodass unter dem Strich 737 der rangmäßig wichtigsten Wörter, d.h. solche mit einer Frequenz von mindestens 40 und einer Streuung von mindestens 25, Eingang ins ‘Grunddeutsch’ q Im Anhang dieser Quelle (vgl. Pfeffer 1975, S. 28ff.) findet sich ferner detailliertes Material, das die einzelnen Arbeitsphasen ausführlich illustriert, etwa „2. Streuung der Tonbandaufnahmen nach Aufnahmeorten alphabetisch geordnet“ (ebd., S. 39), oder „5. Geläufige Themen“ (ebd., S. 44). Neben dieser zusammenfassenden. wichtigsten Dokumentation begleiten noch etliche kleinere Aufsätze, sowie die Vorworte der Publikations- Reihe Pfeffers laufende Arbeit an ‘Grunddeutsch’ (vgl. auch das Literaturverzeichnis dieser Arbeit). Der Untersuchungsgegenstand 65 fanden (vgl. Pfeffer 1975, S. 10ff.); das entspricht mehr als der Hälfte der Grundstufe. Die zweite Hauptquelle neben der Sprechsprache machen die sog. ‘Verfügungswörter’ bzw. ‘mots disponibles’ aus. Diese „wichtigsten Sachbezeichnungen“ (ebd., S. 9), auch Kern der Rede genannt (vgl. ebd.), sind im Gegensatz zu den im ersten Schritt primär erfassten grammatischen Strukturwörtern, Hilfs- und Modalverben, Vollverben, Adjektiven und Substantiven eher generellen Charakters themenbzw. situationsgebunden und müssen folglich anhand anderer Kriterien ermittelt werden: Die Frequenzzählung tritt wenigstens in der ersten Phase dieses Arbeitsschrittes zu Gunsten der stoffbedingten Gebräuchlichkeit und Verfügbarkeit zurück (vgl. ebd.). Um diesen Bereich nun zu registrieren, sind insgesamt 5400 15jährige Schüler in 82 Schulen an 480 Orten zu 21 Themen befragt worden. Verlangt waren spontan assoziierte Substantive, aber auch im Gegensatz zum französischen Vorbild - Verben und Adjektive. Sprachstatistisch ausgewertet steuert dieses Korpus schließlich weitere 347 Wörter zum ‘Grunddeutsch’ bei (vgl. ebd., S. 12f.). Diese knapp 1100 Wörter wurden in einem abschließenden dritten Arbeitsgang „systematisch auf Lücken geprüft“ (ebd., S. 13), d.h., man ergänzte fehlende Reihenwörter wie Mond zu Sonne und Sterne, fehlende Gegenwörter wie Frage zu Antwort und fehlende Kemteile wie Motor und Rad zu Motorrad (vgl. ebd., ausführlicher hierzu: Pfeffer 1964, S. 12). Diese zusätzlichen 185 Vokabeln vervollständigten die Grundstufe, die jetzt insgesamt 1269 Wörter enthält. Damit war nun dem Fran^ais fundamental und dem Basic English ein zunächst ebenbürtiges, wenn nicht wissenschaftlicheres deutsches Gegenstück zur Seite gestellt, wenn man bei angewandter Sprachanalyse überhaupt von Wissenschaft sprechen darf (Pfeffer 1975, S. 13f.). Die wesentlichen Parallelen zwischen ‘Framjais fondamental’ und ‘Grunddeutsch’ lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: J. A. Pfeffer s'est inspire de tres pres des methodes du Frangais fondamental: il a precede lui-meme ä des releves de frequence portant sur la langue parlee ... II reprend ä son compte la distinction par les auteurs du Frangais Fondamental entre les mots frequents et les mots disponibles et l'etend aux verbes et aux adjectives ... Pour finir, comme les auteurs du 66 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Fran§ais Fondamental, il remanie les donnees de la frequence en procedant ä des suppressions et ä des adjonctions (Landrieux 1976, S. 105). 10 Neben diesen Gemeinsamkeiten unterscheidet sich Pfeffers Vorgehen jedoch bereits an diesem Punkt seiner Arbeit erheblich von dem seines Vorbildes durch den wesentlich höheren sprachstatistischen Aufwand: Neben qualitativen Veränderungen fallen vor allem die quantitativen auf: Dem Sprechsprachen-Korpus des ‘Fran5ais fondamentaP mit 312.000 Wortformen, die fast 8000 Wörter ergeben (vgl. Pfeffer 1975, S. 9) stehen 595.000 Wortformen, die ca. 25.000 lexikalische Einheiten ergeben, im Korpus der Sprechsprache von Pfeffer gegenüber gegenüber. Ähnliche Größenverhältnisse trennen auch die beiden Korpora der Verfügungswörter (vgl. ebd. S. 9 und S. 13). Um schließlich auch speziell in der Mittel- und Oberstufe der Schriftsprache Rechnung zu tragen, erstellte Pfeffer ein drittes Korpus. Als Vorbilder dienten dazu Kaedings ‘Häufigkeitswörterbuch’ und die Arbeiten Gougenheims u.a. zu ‘Fran§ais fondamental, 2 e degre’ (vgl. Pfeffer 1975, S. 15). Erneut war Pfeffer jedoch darum bemüht, „über Keading und die Franzosen hinaus die heutige Schriftsprache als Ganzes repräsentativ zu erfassen“ (ebd., S. 16). Mit Hilfe der ‘Deutschen Bibliographie’ und des ‘Verzeichnisses der Erscheinungen des deutschen Buchhandels’ versuchte man am Institut für Grunddeutsch, dieses Ziel in die Tat umzusetzen: ln den Jahren 1964- 65 erfasste man eine Reihe von über 500 Neuveröffentlichungen: Die jeweiligen Textausschnitte sind dabei prozentual auf verschiedene Sachgebiete verteilt, wie beispielsweise Erd- und Völkerkunde, Geschichte, Mathematik, ,() Stötzel (1970, S. 199) weist ebenfalls auf die methodischen Zusammenhänge zwischen ‘Frangais fondamental’ und ‘Grunddeutsch’ hin und stellt die Parallelen in einer Auflistung zusammen. Sie enthält im Wesentlichen die gleichen Punkte wie Landrieux (1976). Der Aufsatz von Stötzel ist allerdings aus zweierlei Gründen kaum zum Zitieren geeignet: Zum einen enthält er eine ganze Reihe unpräziser Formulierungen, z.B. „Er [gemeint ist Pfeffer, U. Sch.] beschränkte seine Liste auf ca. 1500 Wörter“ (Stötzel 1970, S. 199), tatsächlich sind es jedoch eher ca. 1300; außerdem hat Pfeffer nicht „einen Korpus“ (ebd.) erstellt, sondern ein Korpus. Zum anderen vertritt Stötzel in Punkt 5 eine in zweifacher Weise anfechtbare These, nämlich, dass „dieser Grundwortschatz zwischen 80% und 90% gewöhnlicher gesprochener und geschriebener Sprache verstehen läßt ...“ (ebd.). Sowohl das Problem der Textdeckung als auch die Gleichsetzung von gesprochener und geschriebener Sprache können so unreflektiert nicht wiedergegeben werden. Der Untersuchungsgegenstand 67 Medizin, Musik, Naturwissenschaften, Politik, Recht, Schöne Literatur, Wirtschafts- und Sozialwissenschaft etc. (vgl. Pfeffer 1975, S. 17ff.). n Diese breit angelegte „Materialsammlung von Belegen aus der Gegenwartssprache in ihrer gedruckten Form“ bestand am Ende aus „ungefähr 500.000 Wörtern ... worauf die Mittelstufe zu einem Teil beruht“ (ebd., S. 15). Die beiden anderen Teile entstammen „häufigen Wörtern der Sprechsprache, die nicht in die Grundstufe eingegangen waren“ (ebd.) sowie zehn der „großen und größeren Auszählungen der Schriftsprache vor 1964-65“ (ebd.). 12 Nur an anderer Stelle ist zu erfahren, dass sich die Mittelstufe schließlich aus 1636 Wörtern zusammensetzt (vgl. Pfeffer 1973, S. 421). Eine weitere Aufschlüsselung findet sich auch dort nicht. Diese ausführliche Darstellung der für ‘Grunddeutsch’ maßgebenden Methoden sollte die Traditionslinie verdeutlichen, in die Pfeffer sein Projekt eingereiht hat und gleichzeitig den immensen Aufwand dokumentieren, den sein Streben nach Perfektion(ierung) gefordert hat im Hinblick auf die Erstellung der Teilkorpora und deren ‘Weiterverarbeitung’ zu den Wortlisten. Gerade die Transparenz seiner Vorgehensweise lockt natürlich die Kritiker Pfeffers auf den Plan. Besonders am Beispiel von ‘Grunddeutsch’ lässt sich auf beinahe exemplarische Weise ein Dilemma der Grundwortschatzforschung aufzeigen: Auf der einen Seite das Bemühen der lexikografischen Praxis, nach zunehmend ausgefeilteren frequentativen und kommunikativpragmatischen Methoden vorzugehen, die einen möglichst hohen Grad an Repräsentativität und Objektivität der Grundwortschatzauswahl gewährleisten sollen; auf der anderen Seite die Kritikanfälligkeit, der sich ein solches, relativ universell ausgerichtetes Unternehmen zwangsläufig aussetzen muss. In einem kurzen Exkurs werden einige der positiven wie der negativen Positionen gegenübergestellt, die seinerzeit dem ‘Grunddeutsch’-Projekt entgegengebracht worden sind. Damit werden zugleich einige der in Kap. 1.1 vorgestellten Ansätze an einem konkreten Beispiel zur Diskussion gebracht. Die Kritiker beziehen sich dabei vor allem auf die ersten drei Bände der Reihe ‘Publications of the Institute for Basic German - University of Pitts- Pfeffer (1975, S. 85ff. = Anhang 9) listet sämtliche verwendeten Texte nach Sachgebieten auf. 12 Pfeffer (1975, S. 57 = Anhang 8) führt die zehn entsprechenden Auszählungen auf. 68 Der zentrale Wortschatz des Deutschen burgh’: die ’German Word List’ (Pfeffer 1964), den ’Index of English Equivalents’ (Pfeffer 1965) und die 'German Idiom List’ (Pfeffer 1968). Köpke richtet noch im gleichen Jahr, als auch das Institut für Grunddeutsch den ersten Band seiner Publikationen, die ‘German Word List’ (Pfeffer 1964) veröffentlicht nicht zuletzt darauf Bezug nehmend - ‘viele Fragen an die Sprachstatistik’. Nachdem er Pfeffers Unternehmen vorab bescheinigt, dass es „modern, ehrgeizig und wohlorganisiert“ (Köpke 1964, S. 113) sei, stört Köpke sich wenig später bereits an dem Namen ‘Grunddeutsch’, der irreführend und missverständlich sei sowie etwas bezeichne, das es eigentlich gar nicht gebe (vgl. ebd. und Fußnote 1 in dieser Arbeit). Köpke betont hingegen die Nähe zum ‘Fran^ais FondamentaF. Dieser Hinweis ist zwar angebracht, fällt aber kaum weiter ins Gewicht. In den nächsten Passagen konzentriert sich Köpke auf die Einleitung zur ‘German Word List’ (Pfeffer 1964), die in Pfeffers Methode zur Erstellung dieser Liste einführt. Seine Kritikpunkte formuliert Köpke eher vorsichtig, da sie durch die seinerzeit erst in der Planung befindlichen nachfolgenden Publikationen widerlegt werden könnten. In Bezug auf die noch vermisste Bedeutungsanalyse (vgl. Köpke 1964, S. 114) trifft dies beispielsweise zu: Das angesprochene Problem verlagert sich durch die Veröffentlichung des 'Index of English Equivalents’ (Pfeffer 1965) zweifelsohne auf eine andere Ebene. Aktuell geblieben sind hingegen neben ‘vielen Fragen’folgende Aspekte: Köpke hebt zwar die Zählung von ‘lexical units’ hervor, obgleich „eine genaue Definition“ wünschenswert wäre: speziell „im Deutschen mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten der Wortbildung sollte man in diesem Punkt eher pedantisch sein“ (Köpke 1964, S. 114). Das Problem der Zähleinheit und damit der Lemmatisierung ist bei Pfeffer wie Köpke an einem eindrucksvollen Beispiel belegt in der Tat nicht zur vollen Zufriedenheit gelöst: „unter wissen erscheinen alle Formen des Verbs, unter Haus nicht nur die Kasusformen, sondern auch Häuschen, Häusel, Häusle, also Diminutive, und unter hoch sind nicht nur die Fälle und die Steigerungsstufen zusammengefaßt, sondern selbst höchst und höchstens“ (ebd.). Der Untersuchungsgegenstand 69 Was die Wahl der ‘utility words’ betrifft, so werde das Verhältnis von Nomen zu Verben zu Adjektiven „ohne Zweifel der Sprache gerecht“ (Köpke 1964, S. 116). Die beiden Hauptkritikpunkte Köpkes an Pfeffers Vorgehensweise betreffen hingegen das Streichen von Wörtern im Sprechsprachkorpus und das (‘empirische’) Hinzufügen von Wörtern zur Abrundung der Grundstufe: Die Kriterien - ‘Applicability’, ‘Universality’, ‘Indispensability’ die zur Verringerung des frequenzorientierten Wortschatzes von 1000 Einheiten auf 737 dienten, seien „höchst interessant und wissenswert“, nur müsse man wissen, wie sie „im vorliegenden Fall gehandhabt worden sind“ (ebd., S. 115). Die beispielhafte Liste der Ausschlüsse bleibt so jedoch an etlichen Stellen fragwürdig, was Köpke anschaulich ausführt (vgl. ebd., S. 115f.). 13 In ähnlicher Weise gilt das eben Gesagte auch für die zur Vervollständigung bzw. Ergänzung hinzugefügten Wörter: 347 sog. ‘utility words’ und 185 ‘empirisch’ ermittelte Stichwörter. Sechs der sieben Kategorien, die für den zweitgenannten Arbeitsgang erstellt wurden, seien sicherlich „logisch wohl begründet“, fraglich sei allerdings „der logisch zwingende Trennungsstrich, was aufgenommen werden muß und was nicht“ (ebd., S. 117). Die siebte Kategorie erscheine demgegenüber „wie ‘Verschiedenes’ auf einer Tagesordnung“ (ebd.). 14 Bemerkenswert ist ein Vorschlag Köpkes, bis zu dessen konsequenter Umsetzung in etwas abgewandelter Form noch Jahre vergehen mussten: ... es wäre nun keineswegs ohne Reiz, einmal den Wortschatz von 10, oder, falls vorhanden, 20 guten Lehrbüchern auszuzählen, um zu sehen, was allen diesen Büchern gemeinsam ist und wie sich dieser gemeinsame Kern zur vorliegenden Liste verhält. Wahrscheinlich könnte das die Bedenken wegen der ‘empirischen Methode’ ... erleichtern (ebd.). 13 Köpke gibt Beispiele für den Ausschluss von Ausrufen, ‘hackneyed interjections’, ‘replaceable hyperbolae and compounds', ‘parallel words’, Länder- und Völkernamen (mit Ausnahme von deutsch), ‘literary expressions’, ‘elevated terms', ‘unessential derivatives’ und kommentiert diese (vgl. Köpke 1964, S. 115f., hierzu auch Pfeffer 1964, S. 10). 14 Es handelt sich dabei um jene, von Pfeffer selbst erstellten Kategorien, die er später in drei Punkten zusammenfasst: Nach logischen Kriterien werden ergänzt: fehlende Glieder einer Reihe, Glieder einer ‘associative sequence’, konkrete Allgemeinbegriffe, deren Teile vorhanden sind, fehlende Allgemeinbegriffe, ‘basic derivatives’, fehlende Namen von Monaten, Gewichtsbezeichnungen; ferner ‘pertinent notions’ (vgl. Pfeffer 1964, S. 1 lf.). 70 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Köpke stört sich also keineswegs an der Tatsache, dass über die Frequenzmethode hinaus Wörter gestrichen und hinzugefügt wurden, und er gibt zu bedenken: „Nicht jede nicht-statistische Methode auf dem Gebiet des Grundwortschatzes ist ‘empirisch’, also wissenschaftlich unzulässig, nicht jede Statistik bringt bereits als solche verbindliche Ergebnisse“ (Köpke 1964, S. 119). Von der fertigen Liste ausgehend kritisiert er jedoch, dass die Methoden der Modifikation für Dritte kaum nachvollziehbar seien (vgl. ebd., S. 117). Hier sieht Köpke also die Schwachstelle. Der prinzipiellen Forderung nach methodischer Flexibilität und Vielfalt ist Pfeffer nicht zuletzt durch die Anlehnung an ‘Fran§ais fondamental’ immerhin einen Schritt näher gekommen. Köpke, so lässt sich zusammenfassen, vermittelt den Eindruck, als sei Pfeffer auf dem richtigen Weg; die Kritik ist konstruktiv: Stärken und Schwächen bei der Auswahl des Wortschatzes und in seinem Aufbau werden hervorgehoben, Lösungsvorschläge unterbreitet. So verlangt Köpke u.a. die weitere Präzisierung und Offenlegung der Methoden und schlägt eine stärkere Einbeziehung pragmatischer Aspekte vor, wenn er feststellt: „Der Inhalt der Mitteilung, der vor allem in den Hauptwortarten ausgedrückt wird, kann nicht abstrakt bestimmt werden, sondern nur im Hinblick auf bestimmte Sprech- und Gesprächssituationen“ (ebd., S. 118). Das wiederum lässt den Schluss zu: „Der Grundwortschatz ist nicht zuallererst ein statistisches Problem, sondern hängt vom Leben des Menschen und seinen Bedürfnissen (in sprachlicher Hinsicht) ab“ (ebd., S. 119). Stötzel bemerkt hinsichtlich des ‘Index of English Equivalents’ (Pfeffer 1968) überaus positiv: „Bei oberflächlicher Betrachtung handelt es sich hier lediglich um eine Liste englischer Entsprechungen zu den Wörtern des deutschen Grundwortschatzes. Bei genauerer Betrachtung zeigen jedoch die englischen Entsprechungen die häufigsten Bedeutungen an, die mit den Wortkörpem verbunden werden ...“ (Stötzel 1970, S. 197). Da bei polysemen Wörtern „die Zählung des Wortkörpers allein zeichentheoretisch unzureichend ist, weil sie ohne die Berücksichtigung der Bedeutungsvielfalt nicht der Doppelseitigkeit sprachlicher Zeichen gerecht wird“, unterscheidet Pfeffer „häufig vorkommende Kontexte und Bedeutungen, wobei auch Redewendungen oder Wortgruppenlexeme einbegriffen sind“ (ebd., S. 197f.). Der Untersuchungsgegenstand 71 Dieses Unterscheiden und Zählen von Bedeutungen hat Stötzel zufolge ... wesentlichen Anteil daran, das Argument zu entkräften, daß der Schüler der Grundstufe des Deutschen ein wortschatzmäßig zu primitives Deutsch lerne: Außer 1300 Wortkörpern bei Pfeffer hat er 2500 Bedeutungen zu lernen; dazu kommen noch die verschiedenen Flexionsformen. Außerdem gehören zum Grunddeutsch nach Pfeffer noch 1000 idiomatische Wendungen mit insgesamt 6000 Wörtern und die syntaktischen Konstruktionsregeln (1970, S. 118). Stötzel zeigt sich also sehr beeindruckt von der Bedeutungsdifferenzierung und dem damit verbundenen didaktischen Nutzen sowie von der Beachtung idiomatischer Wendungen und syntaktischer Konstruktionsregeln. Insgesamt verzeichnet er eine Tendenz vom ‘primitiven’ zum ‘kreativen’ Grundwortschatz. Kritik an Detailfragen, welche die Methoden oder das Ergebnis betreffen, klingt nicht an. Ähnlich positiv, jedenfalls ohne einschneidende Kritik, äußert sich auch Njock zu Pfeffers Arbeiten in einem Resümee. Dabei hebt er den methodischen und den didaktischen Aspekt hervor: Sur le plan scientifique le vocabulaire de Pfeffer represente pour l'instant une des listes les plus recommandables pour la langue allemande. L'objectivite de la selection l'emporte sur la subjectivite. La methode empirique a ete reduite au minimum pour ceder place ä la frequence, ä la repartition et ä la disponibilite. II pense ä la gradation de ses elements dans l'enseignement et l'apprentissage de l'allemand (1973, S. 62f.). Ein geradezu vernichtendes Urteil fällt dagegen Landrieux: Conclusion: Comme nous le verrons dans un prochain article, le resultat de ce travail est catastrophique; le vocabulaire de J. A. Pfeffer est d'une pauvrete deconcertante et presente d'enormes lacunes pouvant porter sur des notions isolees, mais affectant tres souvent des domaines conceptuels entiers. On a le sentiment qu'il a precede par petites touches successives, dans le remaniement des donnees de la frequence, mais qu'il a manque d'un instrument lui permettant d'embrasser 1'ensemble de son vocabulaire. De plus, les 21 centres d'interet n'ont vraisemblablement pas ete choisis judicieusement, puisque Ton releve dans les mots disponibles, de nombreux noms d’animaux, de plantes, d'instruments, de metiers ... (1976, S. 106). 72 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Die genaueren Gründe für diesen Verriss führt Landrieux u.a. in einem folgenden zweiten Teilbericht näher aus (vgl. Landrieux 1977). Darin untersucht bzw. vergleicht er den Wortbestand bei Pfeffer (1964), Michea (1959) und Oehler (1966) im Hinblick auf die Verteilung der Wortarten, den Einfluss des Fremdbzw. Lehnwortschatzes und diverse Aspekte der Wortbildung. Im Nachfolgenden geht Landrieux kritisch auf die konzeptionelle Struktur, auf lexikalische ‘Lücken im Weltbild’ ein und gelangt anhand seiner Beispiele was Pfeffer (1964) betrifft zu dem Ergebnis: Les lacunes sont particulierement nombreuses dans P.ffeffer] qui est absolument denue des notions d'ordre, d'obeissance, de contrainte, d'interdiction, de faute, de permission, de pardon, de repentir, de responsabilite ... nous avons emprunte nos examples aux sentiments et ä la morale, car c'est dans ces domaines que les VB [= Vocabulaires de base, U. Sch.] sont lex plus pauvretes (Landrieux 1977, S. 24, vgl. im Einzelnen S. 2Iff.). Diesem Befund gegenüber stellt Landrieux die Erkenntnis: Ces lacunes sont d'autant plus impardonnables que les VB [= Vocabulaires de base, U. Sch.l presentent parallelement des champs satures (P.ffeffer] ne compte pas moins de 4 verbs ... pour exprimer, avec diverses variations, l’idee de donner ...), des notions exprimees de fa^on redondante dans plusieurs parties du discours (interessant, Interesse, interessieren ...), des enumerations (voir les noms de parente, de plantes, de metiers, d'insectes, d'instruments ... dans P.ffeffer]) et meme de veritables series de synomymes ... (ebd., S. 24f.). Das Resümee dieses Aufsatzes lautet nun: „... ce qui nous oblige ä parier de discontinuite, et non pas settlement d'irregularites structurales“ (ebd., S. 24). Vor allem die Zusammensetzung des Grundwortschatzes, die Auswahl der Lemmata, indirekt also auch die Methoden, die dazu geführt haben, erregen also den Unmut von Landrieux. Auch der Befund von Schumacher lässt Pfeffers Arbeit eher in einem negativen Licht erscheinen. Obgleich er Stötzel und Landrieux, gleichsam als Wertungspole, einander gegenüberstellt (vgl. Schumacher 1978, S. 46, Anm. 21), orientiert er sich doch weit mehr an Letzterem, was auch das folgende Zitat belegt: Der Untersuchungsgegenstand 73 Pfeffers Grunddeutschunternehmen weist somit eine Vielzahl von Auswahlkriterien auf, deren Stellenwert jedoch nicht genügend reflektiert wird. Die ‘Grundstufe’ soll die lexikalische Basis für die Kommunikation in Alltagssituationen bilden, während die ‘Mittelstufe’ auf die Bedürfnisse des Deutschunterrichts an amerikanischen Schulen ausgerichtet sein soll ... Problematisch für das eingeschlagene Verfahren gestaltet sich jedoch die Frage nach den Situationen, in denen der Grundwortschatz ausreichendes Vokabular für eine Kommunikation anbieten soll ... Generell läßt sich festhalten, daß bei Pfeffer trotz eines Übergewichts an Nomina kaum Abstrakta Vorkommen. Die Zahl der Verben ist mit 270 ohnehin sehr dürftig. Andererseits findet man Wörter wie Knecht und Magd, die man in der heutigen Alltagssprache nicht unter den gängigsten Ausdrükken vermuten würde, sowie Tierbezeichnungen wie Ameise, Schlange, Schmetterling und viele andere, die auf die teilweise unglückliche Auswahl der ‘topics’ zurückgehen. Trotzdem reicht der angebotene Wortschatz in kaum einer vorstellbaren Kommunikationssituation aus (Schumacher 1978, S. 46). Wenn man nun die Urteile kritisch hinterfragt und die angelegten Maßstäbe miteinander vergleicht, so sind die Akzente bemerkenswert, die jeweils gesetzt werden, um das Urteil zu begründen: die beiden konträren Wertungstendenzen kommen nämlich, genauer betrachtet, auf Grund unterschiedlicher Kriterien zu Stande (was nur z.T. dadurch erklärt werden kann, dass sie nicht alle auf der gleichen Untersuchungsgrundlage beruhen). Auf den Punkt gebracht betonen Stötzel (1970) und Njock (1973) die methodischen und didaktischen Vorzüge. Landrieux (1976 und 1977) und Schumacher (1978) hingegen weisen auf Unzulänglichkeiten hin, die auf Ergebnissen von Wortschatzanalysen basieren; sie reflektieren somit nur indirekt die von Pfeffer herangezogene Vorgehensweise. Trotzdem bin ich der Meinung, dass eben darin auch der letztlich verbindende Ansatz zu sehen ist. Die im Großen und Ganzen ausgeglichene Kritik von Köpke (1964) scheint dies zu belegen. Er setzt einen Schwerpunkt auf die Beurteilung des Wortschatzes und einen zweiten auf die Begutachtung der Arbeitsschritte, mit denen Pfeffer diesen Wortschatz ermittelt hat. Erst unter Berücksichtigung aller Komponenten, also der Entstehung (in Verbindung mit der Zweckorientierung), des Ergebnisses und schließlich der Anwendbarkeit (d.h. der Umsetzbarkeit in der Praxis), lässt sich ein fundiertes Urteil abgeben, dem nicht einseitige Bewertungsmaßstäbe zu Grunde liegen sollten. 74 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Landrieux (1976 und 1977) und auch Schumacher (1978) reihen sich hingegen in ihrer negativen Kritik an der Wortschatzauswahl in eine lange Traditionslinie ein, deren Kredo es war/ ist, Grundwortschatzsammlungen auf Grund von vielfach beliebigen, d.h. häufig wenig systematischen Stichproben zu kritisieren, nach dem Motto: Die aufgenommenen Wörter a,b,c sind überflüssig, dafür fehlen die Wörter x,y,z. Hier wird eine Objektivität vorgespiegelt bzw. erwartet, die es trotz aller Bestrebungen nicht gibt, nicht geben kann. Am Beginn dieses Kritikerverfahrens stand die Gegenüberstellung von Teilen der alphabetischen Listen, die schließlich abgelöst wurde von thematischen Zusammenstellungen. Dies spiegelt verfahrenstechnisch zwar einerseits den Wandel vom frequentativ zum kommunikativ ausgerichteten Grundwortschatz wider, andererseits bleibt die Methode grundsätzlich mehr oder minder dieselbe und folglich ebenso anfechtbar wie der kritisierte Gegenstand: Eine solche Kritik ist ebenso subjektiv gefärbt wie die Vorgehensweise und die Ergebnisse des Kritisierten. Ein Grundwortschatz ist der Versuch, den Gesamtwortschatz einer Sprache zu reduzieren. Er wird per definitionem immer vermeintliche Lücken auf der einen, Redundanzen auf der anderen Seite aufweisen. Der Grundwortschatz wird von daher stets als Angebot, als Vorschlag zu verstehen sein, jedenfalls nicht als statische, sondern als dynamische Größe, die Raum bieten sollte für den Ausbau oder die Aussparung. Kritik an der Wortschatzauswahl ließe sich überspitzt formulieren ist demnach nur dann ernst zu nehmen, wenn sie ihrerseits in einen größeren Rahmen gestellt wird und beispielsweise konkrete Verfahrensmängel widerspiegelt, die sich auch in der Wortschatzauswahl niederschlagen. Sie müsste ggf. ergänzt werden durch empirisch ermittelte Daten, welche die Funktionalität des Grundwortschatzes methodisch einwandfrei hinterfragen. An erster Stelle steht zweifelsohne die von der Zielvorgabe bestimmte Vorgehensweise, und sie sollte der Ansatzpunkt für die Wortschatzkritik sein. Die Frage müsste demnach lauten: Wie können diese Methoden für eine spezielle Zielvorgabe optimiert werden, um das bestmögliche Auswahlergebnis zu erreichen? Das Beispiel ‘Grunddeutsch’, die Kritik an dem Werk, lässt nun zugleich den Schluss zu, dass selbst ein immer gewaltigerer sprachstatistischer bzw. Der Untersuchungsgegenstand 75 methodischer Aufwand letztlich nur in sehr bedingtem Maße dazu beitragen kann, die Ergebnisse zur Zufriedenheit aller nachhaltig zu verbessern. Lautet eine Lehre aus der langen Tradition der Grundwortschatzforschung deshalb, dass möglicherweise die Ansprüche und Erwartungen der Kritiker an einen Grundwortschatz neu überdacht werden müssen? Was ist auf welche Weise überhaupt machbar? Mit den beiden Fragen, die ich an dieser Stelle bewusst im Raum stehen lasse, beende ich den allgemein gehaltenen Überblick und komme nun zurück zum ‘Dictionary’, dem vierten Band der Publikationen des Instituts für Grunddeutsch. Im Gegensatz zu den drei vorangehenden Bänden (s.o.) vereint es eine relativ große Materialfülle und kann mit gewissen Abstrichen sogar als Summe aus deren Ergebnissen angesehen werden. Den nun folgenden Anmerkungen zu ‘Grunddeutsch’ und v.a. zum ‘Dictionary’ sei eine weitere Stellungnahme Pfeffers vorangestellt. Sie verdeutlicht nochmals, wie überzeugt er von seiner Arbeit und wie zufrieden er mit dem Resultat ist. l? Analysen im Hinblick auf das Kriterium der Textdeckung haben demnach laut Pfeffer zu Ergebnissen geführt, die nicht unkommentiert bleiben können: Die Grundstufe allein deckt ihmzufolge eine repräsentative Textsortenauswahl gesprochener Sprache (Erzählungen, Reportagen, Interviews, Diskussionen, Unterhaltungen) zu durchschnittlich mehr als 85% ab (vgl. Pfeffer 1975, S. 14). Dabei muss jedoch kritisch hinzugefügt werden, dass sich das Analysekorpus auf lediglich je zwei Sätze beschränkt (vgl. ebd.). Der Anspruch, damit einen repräsentativen Ausschnitt aus diesen Textgattungen gewonnen zu haben, ist äußerst fragwürdig. Die Mittelstufe allein soll mehr als 75% des Schreibsprachkorpus abdecken, Grund- und Mittelstufe zusammen sogar rund 90% des Korpus der Schriftsprache (vgl. ebd., S. 18). Die zu einem erheblichen Teil (immerhin zu weit mehr als der Hälfte) auf der gesprochenen Sprache basierende Grund- und Mittelstufe deckt also 15 Pfeffer hatte es ja bereits als gelungenes deutsches Gegenstück zu ‘Fran^ais fondamental' und 'Basic English' bezeichnet (vgl. Pfeffer 1975, S. 13f., bereits weiter oben zitiert). Einige der im Folgenden erörterten Punkte sind bereits im Rahmen der allgemeinen Diskussion um den Grundwortschatz in Kap. 1.1 angesprochen worden. 76 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Pfeffer zufolge ca. 90% des Wortmaterials der geschriebenen Sprache ab. Daraus lässt sich nun folgern: Wenn man das sprechsprachliche und das schriftsprachliche Korpus in Bezug zueinander setzt, besitzen beide einen großen Überschneidungsbereich und variieren konsequenterweise nur um ca. 15%. Pfeffer wertet diesen auf den ersten Blick doch erstaunlichen Befund zu seinen Gunsten als Beweis für die zureichende „Stoffwahl und Zusammensetzung des Ganzen“ und die „Effektivität der Forschungsergebnisse, die darauf aufbauen“ (Pfeffer 1975, S. 20). Es scheint mir durchaus legitim zu sein, den hohen Gleichheitsgrad der beiden Korpora als Maßstab für deren Repräsentativität zu betrachten. Angesichts der vorherrschenden und gut begründeten Meinung, die mündliche von der schriftlichen Gebrauchsform der Sprache grundsätzlich zu unterscheiden, ist aber auch Vorsicht geboten. Anlass dazu gibt die in Pfeffers Vergleich implizit enthaltene Folgerung, dass bei zunehmender Reduzierung des Vokabulars auch die (diesbezüglichen) Unterschiede zwischen Sprech- und Schreibsprache in gleichem Maße eliminiert werden. Bei näherer Betrachtung muss sich ein derartiger Rückschluss jedoch als oberflächlich und die Bewertung als vorschnell erweisen. Bereits in der einführenden Literatur wird darauf aufmerksam gemacht, dass die gesprochene Sprache vereinfacht gesagt vor allem situationsgebunden ist. So besteht die Möglichkeit zur Deixis, auch zum direkten ‘Zeigen auf etwas’; der Gebrauch von Regionalismen und Allerweltswörtern wie tun, machen, Ding u.a. ist üblich, relativ einfache syntaktische (teilweise sogar unvollständige) Konstruktionen wie kurze Sätze, parataktische Reihungen u.a. sind charakteristisch (vgl. u.a. Führ 5 1996, S. 244ff.). Die geschriebene Sprache hingegen ist im Allgemeinen situationsunabhängig, was sich sowohl auf eine detailliertere, an der Hochsprache orientierte Wortauswahl als auch auf eine komplexere Satzstruktur auswirkt (vgl. ebd., S. 245). Die in der Sprechsprache automatisch mitgegebene Situation, der thematische Rahmen, muss erst mit sprachlichen Mitteln geschaffen werden. Der in diesem Zusammenhang ausschlaggebende Unterschied ist die variierende Situationsbzw. Kontextabhängigkeit und deren Auswirkungen auf die Form und Verständlichkeit einer Mitteilung. Das vermag ein kleiner Der Untersuchungsgegenstand 77 Exkurs in die Soziolinguistik zu illustrieren, genauer: ein Fallbeispiel von Bernstein, das dieser seinerseits referiert: Wir können zwischen Arten des Sprachgebrauches unterscheiden, die ‘kontextgebunden’ genannt werden können und solchen, die weniger ‘kontextgebunden’ sind. Betrachten wir zum Beispiel die zwei folgenden Geschichten, die der Linguist Peter Hawkins konstruierte, nachdem er die Ausdrucksweise fünf Jahre alter Kinder aus der Mittelschicht und aus der Arbeiterschicht analysiert hat. Man reichte den Kindern eine Folge von vier Bildern, die eine Geschichte darstellte und die Kinder wurden aufgefordert, diese Geschichte zu erzählen. Das erste Bild zeigt einige Jungen, die Fußball spielen; auf dem zweiten fliegt der Ball in das Fenster eines Hauses; das dritte zeigt einen Mann mit drohender Gebärde; und auf dem vierten blickt eine Frau aus dem Fenster und die Kinder laufen davon. Dies sind zwei Geschichten: 1. Drei Jungen spielen Fußball und ein Junge schießt den Ball, und er fliegt durch das Fenster, der Ball zertrümmert die Fensterscheibe und die Jungen schauen zu, und ein Mann kommt heraus und schimpft mit ihnen, weil sie die Scheibe zerbrochen haben, also rennen sie fort und dann schaut diese Dame aus ihrem Fenster und sie schnauzt die Jungen an. (Zahl der Substantive: 13. Zahl der Pronomina: 6.) 2. Sie spielen Fußball und er schießt ihn und er fliegt rein, dort zertrümmert er die Scheibe und sie schauen zu und er kommt raus und schimpft mit ihnen, weil sie sie zerbrochen haben, deshalb rennen sie weg und dann sieht sie raus und sie schnauzt sie an. (Zahl der Substantive: 2. Zahl der Pronomina: 14.) Bei der ersten Geschichte braucht der Leser nicht die vier Bilder zu sehen, die als Grundlage für die Geschichte dienten, wohingegen der Leser für die zweite Geschichte die ursprünglichen Bilder braucht, um Sinn in der Geschichte zu finden. Die erste Geschichte ist unabhängig von dem Zusammenhang, aus dem sie hervorging, während die zweite Geschichte sehr viel enger an den Kontext gebunden ist (Bernstein 1971, S. 27f.; die Zeichensetzung entspricht dem Original, U. Sch.). Ein Vergleich der beiden Textbeispiele mit den Kategorien der Sprech- und Schreibsprache lässt zweifellos Parallelen erkennen, die freilich nicht in allen Punkten stimmig sein können. Dennoch meine ich, dass die gesprochene Sprache rein strukturell dem sog. ‘restringierten Code’ in wesentlichen Punkten nahe steht, die geschriebene hingegen dem sog. ‘elaborierten Code’: Betrachtet man etwa das in den zwei Texten sehr stark voneinander abweichende Verhältnis von Pronomina und (themabezogenen) Substanti- 78 Der zentrale Wortschatz des Deutschen ven, so lässt dies folgenden Schluss zu: Einmal sind es die Themawörter, die einen Bezugsrahmen schaffen, den Text somit komplexer gestalten. Das andere Mal sind es die Pronomina, die eine Äußerung missverständlich, gar unverständlich werden lassen, wenn man die dazugehörige ‘Situation’, in diesem Falle die Bilder, nicht kennt; ein solcher Text ist sprachlich dann alles andere als komplex. Die lexikalischen Mittel, die ein Grundwortschatz zur Verfügung stellt, dürften jedenfalls einen Text in der Art des letzteren wesentlich besser decken. Ein geschriebener Text erfordert im Gegensatz zu einem gesprochenen folglich die explizite Versprachlichung eines Themas, einer Situation. Er wird demnach von den kommunikativen Anforderungen her betrachtet sprachlich auch stets komplexer zu gestalten sein. Um jetzt an den Ausgangspunkt der Überlegungen zurückzukommen, kann man zwar behaupten, dass der hohe Identitätsgrad, der Pfeffers Korpora kennzeichnet, durchaus ‘repräsentativ’ genannt werden kann. Diese Aussage bezieht sich dann jedoch einzig auf die Verfahrensseite: Die Themenbezogenheit bei der Erstellung der Korpora gewährleistet eine breit gefächerte Materialbasis, die aber anschließend noch den ‘Frequenzfilter’ passieren muss. Diese beiden Schritte führen demnach zu einem gewissermaßen synthetischen, schreib- und sprechsprachlichen Minimal-Konsens, der keinen Raum mehr für ‘Eigentümlichkeiten’ bietet. Er wird so in jedem Fall zumindest dem Kriterium der stilistischen Neutralität weitgehend gerecht. Damit in Einklang steht folgende Erfahrung,: „Je mehr Texte man miteinander vergleicht, desto mehr schrumpft er [= der Grundwortschatz im Sinne des Kleinsten Gemeinsamen Vielfachen, U. Sch.] zusammen“ (Hoffmann 1984, S. 225); und je mehr er zusammenschrumpft, so ließe sich dieser Satz auch fortführen, desto mehr Gemeinsamkeiten werden erhalten bleiben, desto mehr Eigenheiten werden wegfallen. Einen anschaulichen empirischen Beleg für diese gut nachvollziehbare These stellt das von Krohn erstmals konsequent angewandte Verfahren der Bildung von Schnittmengen zur vergleichenden Analyse verschiedener Grundwortschätze dar (vgl. Krohn 1992, Kap. 8, sowie die Kap. 1.1, 2.7 und 3.3 in dieser Arbeit). Im Sinne eines überregionalen, am Standard orientierten ‘Grunddeutsch’ trifft der eben geschilderte Sachverhalt sicherlich so zu und ist gewiss hervorzuheben. Um aber auf den Kern zurückzukommen: Dieser Umstand darf keinesfalls über die (letztlich intendierte, s.u.) Anwendbarkeit des Wort- Der Untersuchungsgegenstand 79 Schatzes in Text und Rede gleichermaßen hinwegtäuschen. Ihre Kommunikationsstruktur ist zu unterschiedlich, mag der lexikalische Befund auch Gegenteiliges implizieren. Der gesprochenen Sprache ist mit 3000 Vokabeln gewiss einfacher näher zu kommen als der geschriebenen lässt man allein die Probleme außer Betracht, welche etwa grammatische Strukturen im Rahmen der geschriebenen und der Rezeptionsvorgang im Rahmen der gesprochenen Sprache, lautliche Eigenheiten von Dialekten etwa u.a., mit sich bringen. Obgleich Pfeffer wie der genaue Titel seines ‘Dictionary’ nahe legt die gesprochene Sprache in den Mittelpunkt stellt, erliegt er in seiner Euphorie einer ‘Übergeneralisierung’ und schießt so über das eigentliche Ziel hinaus: Auch seine immensen Anstrengungen sollten letztlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Wortschatzauswahl nur innerhalb genau definierter Schranken als repräsentativ angesehen werden kann. Ich erinnere hier nochmals an seine Kritiker (s.o.), die mitunter gleichfalls die Rahmenbedingungen aus den Augen verloren hatten. Stand bisher die Beurteilung der Messergebnisse im Vordergrund, so kommt nun die eigentliche Messmethode zur Sprache. Die Argumentation von Pfeffer (und auch von zahlreichen anderen) basiert auf einem Verfahren, das die Wirksamkeit eines Grundwortschatzes statistisch ermitteln und stützen soll: Demzufolge wäre es möglich, dank eines Mindestwortschatzes, d.h. einer beschränkten Anzahl von Wörtern, ein ‘prozentuales Textverständnis’ zu ermöglichen. Es handelt sich hierbei um sog. Textdeckungstests, auf die ich bereits in anderem Zusammenhang kurz eingegangen bin (vgl. Kap. 1.1). Ich halte diese Methode für nicht sehr geeignet, um mit ihrer Hilfe einer Beurteilung von Grundwortschätzen wirklich gerecht zu werden, insbesondere wenn sie wie im Falle von Pfeffer in ihrer einfachsten Form gehandhabt worden ist. Die auf Grund der augenscheinlichen Schwächen von Krohn (1992) schließlich vorgeschlagenen Modifikationen konnten von Pfeffer freilich noch nicht berücksichtigt werden, sprechen jedoch für sich. Anhand eines einfachen Beispiels lässt sich die Fragwürdigkeit solcher allzu formalistischer Tests nochmals in Erinnerung rufen: Es ist sicher zutreffend, daß die 1000 häufigsten Wörter unter ‘Wort’ wird hier die äußere Wortgestalt, ein Lautkörper, verstanden - 80% der in 80 Der zentrale Wortschatz des Deutschen einem Normaltext vorkommenden ‘Wörter' decken. Eine ganz andere Frage ist es, ob es dieser Wortbestand ... erlaubt, 80% eines Normaltextes zu ‘verstehen’. Nehmen wir z.B. an, daß ein Deutschlernender in dem aus 10 Wörtern bestehenden Satz (25) Ich habe meinen Freund fiir heute abend zum Essen eingeladen, nur das ‘Wort’ eingeladen nicht kennt, so wird man schwerlich argumentieren können, daß er immerhin in der Lage sei, 90% des Satzinhaltes zu verstehen. Aber selbst wenn ihm das Verb einladen schon einmal begegnet wäre etwa in dem Satz (26) Sind die Kisten schon eingeladen? so ist damit keineswegs garantiert, daß er den Inhalt des Satzes (25) erfaßt hat (Kaufmann 1968, S. 13). Es ist zwar richtig, dass Pfeffer nicht nur Wortkörper, sondern auch Bedeutungen zählt, nur geht auch er in seiner Bewertung von Wörtern aus. Das Grundstufen-Korpus setzt sich beispielsweise aus 737 + 357 + 185 = 1279 Wörtern zusammen. Würde man hingegen von der Zahl der Bedeutungen ausgehen, so müsste man konsequenterweise auch die zu Grunde gelegten Ausgangswerte erheblich nach oben hin korrigieren, was eine derartige Beweisführung jedoch abschwächt (und damit zugleich die Werbewirksamkeit). Auch dieses simple Beispiel von Kaufmann verdeutlicht nochmals: Während die ‘Kommunikation’ mit einem Text schon auf Grund einfachster lexikalischer und semantischer Lücken grammatische wiederum ganz außer Acht gelassen zusammenbrechen kann, ist im Dialog stets eine simple Nachfrage, Mimik, Gestik, ein optischer Verweis u.Ä. zur Klärung möglich. Zwei nahezu identische Korpora und ein darauf beruhender Grundwortschatz sind also vom kommunikativen Standpunkt nicht gleichzusetzen mit ihrer praktischen Anwendung in gesprochener und geschriebener Sprache. Das umstrittene Kriterium der Textdeckung ist in seiner Aussagekraft von vornherein eher eingeschränkt, vor allem, wenn man bedenkt, dass es als alleiniger Wertungsmaßstab falls überhaupt den beiden Existenzformen der Sprache in sehr unterschiedlichem Maße gerecht wird. Ein Letztes: Bisher war stets von ‘Sprechsprache’ und ‘Schreibsprache’ die Rede, ohne diese Kategorien weiter zu differenzieren, was die Diskussion freilich viel komplizierter gestaltet hätte. Dennoch gilt zu bedenken, dass unter geschriebener Sprache eine überaus variantenreiche Bandbreite von Texten bzw. Textsorten verstanden werden kann. Ähnliches gilt auch für die gesprochene Sprache, in der es einen Unterschied macht, ob man in ein Der Untersuchungsgegenstand 81 Fachgespräch verwickelt wird, beim Einkäufen mit einem Bekannten ins Plaudern gerät oder ganz einfach nach dem Weg zur Bank fragt... Angesichts einer derartigen Auffächerung muss man die Frage in den Raum stellen, ob es überhaupt möglich ist, noch von ‘durchschnittlichen Texten" zu sprechen, die von einem Grundwortschatz zu einem bestimmten Prozentsatz abgedeckt werden. Folgerichtig wird auch in der einschlägigen Literatur immer wieder betont, dass es den Grundwortschatz für eine Sprache, für Durchschnittstexte einer Sprache nicht geben kann, eher schon eine Reihe verschiedener Grundwortschätze, die mit entsprechend ausgewählten Methoden zu jeweils unterschiedlichen Zwecken, also zur Erfüllung unterschiedlicher Aufgaben erstellt wurden. Legt man ein etwas gröberes Raster an, so ist ein derartiger Aufgabenbereich zweifellos die Fremdsprachendidaktik. Pfeffers Grundintention, das Ziel seiner Arbeit, liegt innerhalb dieses Rahmens auf dem Gebiet ‘Deutsch als Fremdbzw. Zweitsprache’. Vor diesem Hintergrund sollten seine Veröffentlichungen gesehen werden, so auch das ‘Dictionary’. Im vollen Wortlaut heißt der Titel: ‘Basic (Spoken) German Dictionary. For Everyday Usage’. Eigentlich wäre damit eine klar umrissene Zielvorgabe abgesteckt. Leider wird diese Grenze erneut verwischt, denn man liest nur wenig später in der Einleitung: „The result of eight years of continuous research, its contents represent over 90 per cent of the lexical and semantic fields of all the free and restricted forms of any ordinary conversation or printed page in German today“ (‘Dictionary’, S. IX, Hervorhebung von U. Sch.). Sieht man vom Werbeeffekt ab, wird die fett gedruckte Aussage den Tatsachen kaum gerecht, wie ich oben dargelegt habe. Was nun die Wortschatzpräsentation und den Aufbau betrifft, so hebt sich Pfeffers ‘Dictionary’ wohltuend von den bis dato üblichen Wortlisten ab. Im Großen gliedert es sich in drei Teile: das ‘German-English Dictionary’, die Liste der ‘Irregular Verbs’ und den ‘English-German Index’. Ich werde mich auf den erstgenannten Teil beschränken. „The ... Dictionary is a workbook as well as a reference volume“ (ebd.) heißt es im Vorwort weiter. Nachfolgend wird u.a. auch zu prüfen sein, ob und in welcher Form das ‘Dictionary’ diesen beiden Ansprüchen gerecht wird. 82 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Das ‘Dictionary’ gibt den lexikalischen Kembereich der deutschen Sprache wieder: ln round numbers, the dictionary contains: (a) over 3000 of the most common German words, spoken or printed today, (b) almost as many everyday patterns based on these words, and (c) about 8000 sentences which illustrate the most familiar meanings of both (S. IX). Pfeffer differenziert nicht, welche dieser Wörter, Wendungen und Sätze der Grund-, Mittel- oder Oberstufe angehören; es wird ferner nicht ersichtlich, aus welchen Korpora sie stammen; auch die Frequenz wird nur relativ angegeben, was durch die ansteigende Indizierung der Lemmata mit Sternchen erfolgt, sodass die häufigsten zwei Sternchen erhalten. Exaktere (Zahlen-) Angaben fehlen leider, so auch Angaben darüber, wie sich die Häufigkeit auf die verschiedenen Bedeutungen und die ‘subentries’ (s.u.) verteilt. Im Einzelnen könnten möglicherweise die ‘German Word List’ (Pfeffer 1964), der ‘Index of English Equivalents’ (Pfeffer 1965) und die ‘German Idiom List’ (Pfeffer 1968) genauere Daten vermitteln. Für das Wörterbuch wäre ein solches Vorgehen allerdings zu aufwändig und wie einige Stichproben hinsichtlich des ‘Index of English Equivalents’ gezeigt haben auch zu unergiebig. 16 Ein Weiteres kommt hinzu: Pfeffer versteht das ‘Dictionary’ zwar als Ergebnis von acht Jahren Arbeit (s.o.), in welcher Form allerdings die genannten Veröffentlichungen genau darin Eingang gefunden haben, wird nicht erläutert. Eventuelle Rückgriffe bleiben daher bis zu einem gewissen Grad spekulativ. Ich behandle das ‘Dictionary’ also auf Grund der angeführten Gründe als relativ eigenständiges Werk, obwohl es in einer Traditionslinie steht. Das Material des ‘Dictionary’ ist unter semasiologischen Kriterien aufbereitet, d.h. auch in alphabetischer Reihenfolge angeordnet. Ein solches Vorgehen setzt den Weg vom Ausdruck des sprachlichen Zeichens zu dessen Inhalten) voraus und somit eine semantische Analyse der jeweils lemmatisierten Einheiten. Folgerichtig müssen die Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens näher bestimmt und der Weg zur Inhaltsseite genauer Umrissen 16 Die betreffenden Einträge weichen sowohl quantitativ als auch qualitativ z.T. erheblich voneinander ab; zur Illustration dieses Kontrasts kann nahezu jedes Beispiel herangezogen werden. Der Untersuchungsgegenstand 83 werden. Im Zuge der betont auf die Anwendung in der Praxis ausgerichteten Sprachanalyse bedient sich Pfeffer dabei folgender Methode: Den Ausgangspunkt seiner Semantisierung bildet eine, in Anlehnung an Bloomfield, von Ullmann übernommene und weiterentwickelte Definition des ‘Wortes’: „ein Wort ist morphologisch ein ein- oder mehrteiliges freies Mindestgebilde“ (Pfeffer 1969, S. 139). „Die semantischen Felder eines Wortes“, knüpft Pfeffer daran an, „lassen sich im Grunde in vier Gruppen teilen“ (ebd.): Frei ist demnach das Wort in seiner herkömmlichen Grundbedeutung, wie fallen im Sinne vom Englischen to fall ... Teilweise frei ist die übertragene Bedeutung, wie fallen im Sinne von herabgehen bei Preisen oder Fieber ... Teilweise begrenzt ist das Wort, dessen Bedeutung bedingt wird durch eine lose Bindung mit einem einer Reihe angehörenden, in der Redeweise austauschbaren Wort, wie halten in ‘Rede halten’ bedingt wird durch Rede, das sich durch Predigt, Vortrag usw. ersetzen läßt ... Begrenzt ist schließlich das Wort, dessen ursprüngliche Bedeutung sich in Bindung mit einem anderen Wort wandelt, vAe fallen mit flach, ... oder wo die Bedeutungen beider Wörter in einem dritten Begriff ganz aufgehen wie Waren und schieben ... (ebd., S. 140). 17 Damit wäre die definitorische Basis gelegt, die zwangsläufig zu einer semantischen Schichtung des Wortschatzes führen müsste. Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass die Frequenzzählung von Wortkörpern eigentlich zweitrangig wäre, deren Bedeutungsdifferenzierung und -Zahlung hingegen von ausschlaggebender Wichtigkeit. Im Hinblick auf die Erstellung eines didaktisch orientierten Wörterbuchs klingt diese Hypothese äußerst vielversprechend. Wie setzt Pfeffer nun die theoretischen Vorgaben in die Praxis um? Die sog. Funktionswörter müssen im Folgenden von vornherein ausgeklammert werden, da sie aus nahe liegenden Gründen nicht nach semantischen, sondern beispielsweise nach syntaktischen Kriterien differenziert werden: das kann folglich als Artikel (the), Demonstrativpronomen (this/ that, those! these), Relativpronomen {that/ which) oder aber Präposition (per, a(n)) fun- 17 Man könnte auch von 'normaler’ bzw. "Grundbedeutung’, ‘übertragener’ bzw. ‘metaphorischer Bedeutung’, ‘kollokativer Bedeutung' und ‘idiomatischer Bedeutung’ sprechen. 84 Der zentrale Wortschatz des Deutschen gieren (vgl. ‘Dictionary’, S. 44). In solchen Fällen wäre der Begriff ‘Funktionsanalyse’ eher angebracht als Bedeutungsanalyse. Der Weg, den Pfeffer bei der eigentlichen semantischen Analyse begeht, ist vorgezeichnet durch Borge und Thorndike (vgl. Pfeffer 1965, S. Iff.; Borge/ Thorndike 1938). Pfeffer schreibt weiter dazu: Unlike Borge's semanticist, who first had to ferret out from his unwieldy sample each form of every entry before he could examine, interpret, and collocate it, the analyst of the German materials in each instance was able to start with a packet of punched and coded cards, tabulated by lexical units. Imprinted on each card before him he found a word or word form which had been transferred from the spoken German corpus. On a line below he could also see the term in question in its syntactic and semantic context. Then, after careful sifting and sorting of the cards in his packet, he could separate fairly precisely the elements of the semantic scope of the unrestricted word, its semiotically distinct subforms, and its idiomatically restricted patterns. Now the editor could readily appraise each component in context, delimit each field, and establish its English equivalent ... (Pfeffer 1965, S. 3). Zu welchen Ergebnissen gelangte Pfeffer mit dieser Methode, und was bewirkte sie hinsichtlich der Darstellungsweise im ‘Dictionary’? Um die Unterscheidung von ‘freier’ und ‘teilweise freier’ Wortbedeutung zu illustrieren, hatte Pfeffer das Beispiel fallen gewählt (s.o.): In der Apfel fällt vom Baum hegt fallen seiner Meinung nach in der herkömmlichen Grundbedeutung im Sinne von engl, to fall vor. Wenn jedoch das Fieber fällt, oder die Preise fallen, so wäre das als übertragene Bedeutung im Sinne von herabgehen (engl, go down, tumble down) zu betrachten. Mag diese Unterscheidung vom Englischen her gerechtfertigt sein, im Deutschen erscheint sie mir sehr spitzfindig und schwer nachvollziehbar. Sieht man von einer rein intuitiv begründeten Nähe der beiden von Pfeffer unterschiedenen Bedeutungen ab, so bleiben beispielsweise auch die Grundelemente einer vorläufigen, provisorischen semantischen Komponentenanalyse, die ‘(schnelle) Bewegung von oben nach unten’ unverändert, obgleich sie einmal konkret verstanden werden, das andere Mal (scheinbar) geringfügig abstrahiert wobei die Quecksilbersäule des Fieberthermometers ja tatsächlich fällt und die Preise sich auf einer Zahlenskala schnell nach unten bewegen. Bässt sich bei diesen Beispielen also wirklich schon von einer zweiten, übertragenen, d.h. eigentlich bildhaften, metaphorischen Bedeutung sprechen? Der Untersuchungsgegenstand 85 Wie dem auch sei: im ‘Dictionary’ scheint man diese beiden Typen der Wortbedeutung formal ohnehin nicht zu trennen: Unter dem Eintrag fallen finden wir: „1. to fall. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“, „2. to be killed (in action). Ihr Sohn ist im letzten Krieg gefallen.“ und als Drittes schließlich: „3. to come or fall. Der erste [sic! ] fällt auf einen Montag.“ (‘Dictionary’, S. 65f.). Obgleich die beiden letzten Wortbedeutungen im Sinne Pfeffers sicherlich als ‘teilweise frei’ anzusehen sind, erscheinen sie in der Mikrostruktur des ‘Dictionary’ völlig gleichrangig, d.h. von der ersten, ‘freien’ nicht abgesetzt. Dieser Befund lässt sich auf alle anderen Einträge, in denen eine Bedeutungsdifferenzierung auf dieser Stufe vorgenommen wurde, übertragen. Mögliche Antworten auf die Fragen, wie diese zu interpretieren ist, wo derartige Unstimmigkeiten bzw. Inkonsequenzen letzten Endes herrühren und welche Erklärungen es möglicherweise für sie gibt, lassen sich nur dann finden, wenn man über den Tellerrand der Bedeutungsanalyse von Pfeffer und deren Umsetzung im ‘Dictionary’ einmal hinaussieht. Denn bei aller Kritik an dem immerhin über dreißig Jahre alten ‘Dictionary’ sollte man nicht vergessen, welche Schwierigkeiten es bis in die Gegenwart bereitet, (Wort-)Bedeutungen zu analysieren, abzugrenzen und zu beschreiben vor allem auch im Hinblick auf die Gestaltung von Wörterbüchern und insbesondere im Bereich der Mikrostruktur. Es scheint nicht immer eindeutig möglich zu sein, eine klare Grenze zwischen den von Pfeffer gewählten Kategorien zu ziehen: Wo liegen die genauen Grenzen zwischen ‘freier bzw. Grundbedeutung’, ‘teilweise freier bzw. übertragener’, ‘teilweise begrenzter bzw. kollokativer’ und ‘begrenzter bzw. idiomatischer Bedeutung’? Durch welches Instrumentarium oder Verfahren können diese Bedeutungstypen ermittelt, wie beschrieben und letztlich angeordnet werden? Ich beginne mit den Schwierigkeiten einer Unterscheidung der beiden erstgenannten Bedeutungsschichten. Eine Annäherung verspricht zunächst die genauere Betrachtung des Begriffspaares Polysemie vs. Homonymie. Polysemie heißt es beispielsweise im Lexikon der Sprachwissenschaft liege vor. 86 Der zentrale Wortschatz des Deutschen ... wenn ein Ausdruck zwei oder mehr Bedeutungen aufweist, die allesamt etwas gemeinsam haben und sich meist aus einer Grundbedeutung ableiten lassen. Der Unterschied zu -> Homonymie liegt nach traditioneller Unterscheidung darin, daß bei letzterer die verschiedenen Bedeutungen auf verschiedene etymologische Wurzeln zurückgeführt werden, und man somit von verschiedenen Wörtern reden muß, während die Bedeutungsvarianten polysemer Ausdrücke auf die gleiche Wurzel zurückgehen ... Daß die Trennung zwischen Pfolysemie] und Homonymie überhaupt nicht exakt durchführbar ist, zeigt sich an der unterschiedlichen Entscheidung verschiedener Wörterbücher (Bussmann 2 1990, S. 593; zu weiteren Einzelheiten des Begriffs Polysemie und dessen Begriffsgeschichte vgl. Nerlich/ Clarke 1997). Die Parallelen dieser durchaus gängigen Handbuchdefinition mit den weiter oben angesprochenen Schwierigkeiten sind unübersehbar: So verwendet Pfeffer ebenfalls den keineswegs unumstrittenen Terminus Grundbedeutung, der zugleich impliziert, dass ein Wort/ eine Zähleinheit/ ein Lemma mehrere Bedeutungen besitzt, also polysem ist. Diese noch relativ einfache Sichtweise wird allerdings dadurch erschwert, dass es andererseits auch verschiedene, auf der Formseite jedoch identische Wörter bzw. Zähleinheiten mit unterschiedlichen Bedeutungen gibt: Homonyme. Die Folgen für die Wörterbuchpraxis liegen auf der Hand: Operiert man mit diesen Kategorien, so muss man nicht nur Grund- und übertragene Bedeutung(en) festlegen bzw. angeben, sondern ggf. auch entscheiden, ob man ein Lemma/ eine Zähleinheit (d.h. eine Grundbedeutung und diverse übertragene) im Falle von Polysemie ansetzt oder zwei Lemmata/ Zähleinheiten im Falle von Homonymie. Dass auch Pfeffer mit diesen beiden Kategorien operiert, mag ein Beispiel aus dem Feld der Bewegungsverben illustrieren: Für fahren werden zwei Lemmata angesetzt, was auf eine homonymische Sehweise schließen lässt (vgl. ‘Dictionary’, S. 65). Über mögliche Gründe für diese Entscheidung geben die großen Wörterbücher zur deutschen Gegenwartssprache keinen Aufschluss: Dort wird fahren durchweg als polysem und nicht als homonym eingestuft. 18 Will man Pfeffer deshalb schlicht eine Vgl. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache (Wissenschaftlicher Rat und Mitarbeiter der Dudenredaktion unter Leitung von Günther Drosdowski (Hg.) (1976ff.), Bd. 2, S. 788); Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (Klappenbach/ Steinitz (1961ff.), Bd. 2, S. 1193ff.); Brockhaus-Wahrig. Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden (Wahrig/ Krämer/ Zimmermann (Hg.) (1980ff.), Bd. 2, S. 648f.). Der Untersuchimgsgegenstand 87 Fehlentscheidung unterstellen, dann erweist sich das als vorschneller Schluss. Mögen die angeführten Wörterbücher im vorliegenden Fall auch übereinstimmen, so ist das im Allgemeinen durchaus nicht die Regel, wie Bergmann nachgewiesen hat: Bei der Überprüfung von dreißig Beispielen in fünf alphabetischen neuhochdeutschen Wörterbüchern hat sich gezeigt, daß die einzelnen Wörterbücher trotz gleichartiger Zielsetzung in den Entscheidungen für Polysemie ... und Homonymie ... erheblich voneinander abweichen (1977, S. 27ff.). Zu den eigentlichen Schwierigkeiten der Bedeutungsanalyse und -beschreibung kommt also noch das bisher nur sehr unbefriedigend gelöste Problem der Unterscheidung von Polysemie und Homonymie hinzu. Zöfgen spricht in diesem Zusammenhang auch von der "lexikographische[n] Praxis als Reflex unklarer semantischer Theorien“ (Zöfgen 1989, S. 782). Was die praktische Seite betrifft, so wurde diese These eben illustriert; was hingegen die theoretische Seite anbelangt, so muss sie erst noch belegt werden. Für die Unterscheidung von polysemen und homonymen Sprachzeichen werden im Allgemeinen folgende Gesichtspunkte herangezogen: a) etymologische Wurzel, b) semantische Nähe/ Disparität und c) Morphosyntax/ Grammatik (vgl. u.a. Bergmann 1977, S. 30ff.; Blank 1993, S. 28ff.; Schildt 1969; Zöfgen 1989, S. 780ff.). Fasst man die genannte Literatur zusammen, so lassen sich diese drei Kriterien wie folgt näher beschreiben bzw. kritisch hinterfragen: a) Etymologische Wurzel: Die Trennung von Polysemen und Homonymen mit Hilfe der Sprachgeschichte scheint einen objektiven Maßstab zu bieten: Wörter mit gleicher Wurzel sind demnach polysem, Wörter mit unterschiedlichen Wurzeln homonym. Umstritten bleiben dabei vor allem folgende Punkte: Wie weit will man in der Sprachgeschichte zurück gehen, welchen sprachperiodischen Bezugspunkt wählt man? Ist beispielsweise die Wahl des Mittel- oder Althochdeutschen als Bezugspunkt nicht insofern willkürlich, als sie auf Grund der relativen zeitlichen Nähe auch dem Sprachbewusstsein noch in begrenztem Rahmen Rechnung trägt? Könnte man ansonsten nicht zurückgehen bis ins Germanische oder gar Indogermanische? Inwieweit kann ein diachrones Unterscheidungsverfahren für synchron ausgerichtete Wörterbücher überhaupt zu angemes- 88 Der zentrale Wortschatz des Deutschen senen Ergebnissen führen? Kommen auf diese Weise nicht weitaus wichtigere Belange (intuitiver) Bedeutungszusammenhänge und -differenzen zu kurz? Diese Fragen führen zu Punkt (b). b) Semantische Nähe: Polyseme Wörter besitzten eine Grundbedeutung und mehrere abgeleitete (metaphorische, metonymische) Bedeutungen, die wir intuitiv als zusammengehörig erkennen, während Homonyme keinen Bedeutungszusammenhang (mehr) erkennen lassen. Die Subjektivität einer derartigen Differenzierung ist nicht ganz zu Unrecht häufig kritisiert worden: Wann haben zwei Bedeutungen nichts mehr miteinander zu tun, wie lässt sich dies analysieren und beschreiben? Skeptiker sprechen sowohl der Komponentialanalyse als auch Ansätzen der Prototypensemantik 19 den Rang objektiv-wissenschaftlichen Vorgehens ab. Die Ursache(n) hierfür sind im zentralen Gegenstandsbereich der Semantik zu suchen: Jeder semantischen Theorie stellt sich ein zweifaches Grundproblem: Zum einen liegt es in der Natur des Beschreibungsobjektes (des sog. Explikandums) begründet, und zum andern in der Natur des Beschreibungsmittels (des Explikans). Es stellt sich ungefähr so dar: Wir können der Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken nie direkt habhaft werden. Wenn wir das sprachliche Zeichen als zweiseitige Struktur von signifiant und signifie darstellen, so ist das signifie zwar die condition sine qua non, die notwendige Bedingung dafür, daß wir überhaupt von einem Zeichen sprechen können, es ist aber notwendig, immer das ‘Andere’, es ist das Immaterielle, nicht das für den beobachtbaren Zugang Primäre. Hingegen haben wir zumindest die Illusion, daß uns die lautliche (oder graphische) Ausdrucksseite des Zeichens unmittelbar zugänglich ist. Diese Immaterialität der Bedeutung ist die objektbedingte Seite des Grundproblems ... Das Stichwort Paraphrase benennt nun genau die andere Seite des Grundproblems, die durch das Beschreibungsmittel bedingt ist: Wir explizieren die Bedeutung von abc (die Bedeutung des Explikandums, des Beschreibungsobjekts), indem wir def sagen (das ist das Explikans, das Beschreibungsmittel); wir benutzen also andere Zeichen und behaupten 19 • Mit dem Terminus der ‘Grundbedeutung’ assoziiere ich ohnehin weit eher ‘Prototypen’ als Merkmalbündel. Ich schließe mich hier der in Linke/ Nussbaumer/ Portmann ( 2 1994, vgl. S. 158f.) vertretenen Meinung an, wenn ich Komponential- und Prototypensemantik nicht als zwei Antipoden betrachte, sondern als zwei Ansätze, die sich freilich kaum zur Deckung bringen lassen, sich aber gegenseitig befruchten können: Die Unterschiede zweier Prototypen lassen sich nunmal auch in Begriffen der Merkmalsemantik beschreiben. Der Untersuchungsgegenstand 89 damit, daß defunä abc etwa dasselbe bedeuten. Das wäre nun ein sauberes Verfahren, wenn die Bedeutung von Je/ geklärt wäre. Das ist jedoch normalerweise beim Sprechen über die Bedeutung natürlichsprachlicher Zeichen insofern nicht der Fall, als gewöhnlich def der gleichen Sprache angehört wie abc, nämlich der natürlichen Sprache. Man sagt dann: Die Objektsprache (die Sprache, deren Bedeutung ich explizieren will) und die Metasprache (die Sprache, die ich für diese Explikation verwende) sind identisch. Oder: Das Explikandum und das Explikans sind Teil des gleichen Systems; das Explikationsmittel unterliegt somit dem gleichen Problem, zu dessen Lösung es eigentlich beitragen sollte (Linke/ Nussbaumer/ Portmann 2 1994, S. 36f.). c) Morphosyntax/ Grammatik: Eine Unterscheidung auf dieser Basis ist sowohl synchron ausgerichtet als auch objektiv ‘beobachtbar’. Allerdings muss ein Einwand wiedergegeben werden, der streng genommen dieses Kriterium aus dem zur Diskussion stehenden Bereich ausgrenzt, so „ist bei Zeichen, die verschiedenen Wortparadigmen angehören (dt. Bank vs. Bänke, Banken', engl, lie, lay, lain vs. lie, lied, lied), eine für das Polysemie-Homonymie-Problem wichtige Voraussetzung nicht erfüllt, nämlich die völlige Identität der Form. Man kann hier also bestenfalls von partieller oder grammatischer Womonymt sprechen“ (Zöfgen 1989, S. 782). Auch mit diesem Kriterium fällt eine klare Grenzziehung schwer, denn im Bereich der Verben wird beispielsweise nicht immer konsequent vorgegangen; unterschiedliche Valenzen eines Verbs müssten eigentlich homonymische Einträge zur Folge haben. Ähnliches gilt für die sog. Synsemantika, für die übrigens auch die Punkte a) und b) von vornherein zumeist kein geeignetes Unterscheidungsinstrumentarium bereitstellen. Präpositionen etwa, die unterschiedliche Kasus regieren, werden i.d.R. polysem und nicht homonym verzeichnet. Die Auswahl jener grammatischen Faktoren, die zur Beurteilung von Homonymie bzw. Polysemie herangezogen werden, erscheint bis zu einem gewissen Grad willkürlich bzw. vom Zufall gestreut. Keines der drei Kriterien führt für sich genommen also zu wirklich befriedigenden Ergebnissen. Dies hat zur Folge, dass sie in der Wörterbuchpraxis zumeist in nicht genauer spezifizierter Weise vermischt werden. Dabei wird allerdings stillschweigend darüber hinweggesehen, dass der Versuch, ein semantisches Problem zu lösen, bei (a) auf eine sprachhistorische Ebene verlagert wird und bei (c) auf eine grammatische. 90 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Darauf hingewiesen hat u.a. auch Lutzeier (1981, vgl. S. 220ff.) und versucht, das semantische Problem der Unterscheidung von Polysemie und Homonymie auf einem anderen Wege zu lösen, nämlich im Rahmen des von ihm entwickelten Wortfeldmodells (vgl. ebd., S. 207ff., bes. S. 225-230). Seiner einschränkenden Forderung: „Insgesamt müssen wir natürlich mit einem Vorschlag für die Unterscheidung zwischen Polysemie und Homonymie erst einmal ausreichend Erfahrung sammeln“ (ebd., S. 229) wurde bisher nicht nachgekommen. Auch von Seiten der Textlinguistik hatte man die Opposition Polysemie vs. Homonymie in Frage gestellt und versucht, die Wortsemantik durch eine Textsemantik zu ersetzen: Das Problem der Mehrdeutigkeit würde demzufolge im kommunikativ-pragmatischen Rahmen kaum eine Rolle spielen. Zöfgen hat diese These bereits 1976 angezweifelt. Er weist nach, dass die Wort- und Textsemantik von zeichentheoretischer Seite her nicht um den Begriff der Mehrdeutigkeit, mithin um die Unterscheidung von Polysemie und Homonymie herum kommen, ... denn selbst wenn Referenzanweisungen im Text auf der Monosemierungsebene vorprogrammiert werden, so darf nicht der Eindruck entstehen, als sei der nicht-aktualisierte Teil eines Referenzpotentials im Sprechakt schlechthin inexistent. Der durch eine entsprechende Isotopie oder durch die Situation ausgeblendete Teil eines polysemen Bedeutungsgefüges bleibt virtuell stärker präsent als ein semantisch disparater Inhalt... (ebd., S. 459). Zöfgen verdeutlicht dies am Beispiel von Wortspiel und poetischer Metapher (vgl. ebd., S. 460ff.). Doch auch er muss bezüglich seiner eigenen an Semstrukturen ausgerichteten Methode (vgl. ebd., S. 452ff.) einräumen, „daß die Frage einer operationalen Unterscheidung zwischen Polysemie und Homonymie nicht endgültig beantwortet und hinsichtlich der auftauchenden Schwierigkeiten lediglich eine Entscheidungshilfe gegeben werden konnte“ (ebd., S. 464), doch er gelangt schließlich zu der Auffassung: Wenn Inkonsequenzen und Divergenzen in der Interpretation dessen, was als semantische Gemeinsamkeit auszuweisen ist, in einigen Fällen auch weiterhin bestehen werden, so möchten wir nicht nur aus lexikographischer, sondern auch aus textlinguistischer Sicht auf diese Differenzierung nicht verzichten (ebd.). Der Untersuchungsgegenstand 91 Eine Unterscheidung zwischen Homonymie und Polysemie wurde also auf den unterschiedlichsten Ebenen, von den unterschiedlichsten Seiten her versucht. Leider hatte dieser Umstand weniger Auswirkungen für ein probates Unterscheidungsinstrumentarium als für die Definition dieser beiden Termini: Hier findet sich vieles vermischt: Bergmann formuliert das wie folgt: Alle diese Definitionen leiden an dem Fehlen einer genauen terminologischen Festlegung der in ihnen verwendeten Begriffe, insbesondere des Wortbegriffes. Deutlich sind drei Elemente in den Definitionen zu unterscheiden: Es geht um Wörter, um ihre lautliche Identität und um ihre inhaltliche Verschiedenheit (1977, S. 32, vgl. auch seine tabellarische Zusammenfassung auf S. 33). Im Anschluss an die kritische Hinterfragung der traditionellen Unterscheidungskriterien (Etymologie, Sprachbewusstsein, semantische Merkmale, vgl. ebd., S. 34ff.; s.o.) gelangt Bergmann schließlich zu der Auffassung, dass die Diskussion an einem „toten Punkt“ (ebd., S. 38) angekommen sei. Bergmann selbst versucht eine Annäherung an „Homonymie und Polysemie im Kontext des Sprachzeichenbegriffs“ (ebd.). Er unterscheidet zwei Fälle: Wenn der Inhalt als konstitutiv für das Sprachzeichen angesehen wird, dann bilden verschiedene Inhalte konsequenterweise verschiedene Zeichen. Ein sprachliches Zeichen ist somit die Verbindung eines Ausdrucks mit genau einem Inhalt. Das sprachliche Zeichen ist also monosem (ebd.). Wenn der Ausdruck als konstitutiv für das Sprachzeichen angesehen wird, können nur ausdrucksseitig verschiedene Elemente Zeichen sein. Derartige Zeichen haben immer mehrere Funktionen. Das sprachliche Zeichen ist polysem (ebd., S. 39f.). Man kann zwar versuchen, diese beiden Positionen zu einem kombinierten Zeichenbegriff zusammenzuführen, was jedoch erneut eine Unterscheidung von Polysemie und Homonymie nötig macht, doch: „Sie ist auf der Ebene des Sprachsystems und des Sprachzeichens nicht zu lösen“ (ebd., S. 41). Auf der anderen Seite bewirkt eben dieser Umstand eine Vermischung verschiedener Ebenen: „Bezeichnend dafür ist, daß in den entsprechenden Untersuchungen immer wieder mehr oder weniger deutlich auf den monosemierenden Kontext und damit auf die Ebene des Sprechakts ausgewichen wird“ (ebd., S. 42). 92 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Geht man den oben angedeuteten Weg konsequent weiter, so kann man auf diese Weise zu einer neuen Sicht der Dinge gelangen: Homonymie ist demnach aus der onomasiologischen Sprecherperspektive gesehen das Phänomen der Verwendung eines Ausdrucks für verschiedene Inhalte. Polysemie ist entsprechend aus der semasiologischen Hörerperspektive gesehen das Phänomen der Übermittlung verschiedener Inhalte durch einen Ausdruck. Auf der Ebene der Sprachverwendung bezeichnen die Termini Homonymie und Polysemie also dasselbe Phä- 20 nomen aus entgegengesetzter Sicht (Bergmann 1977, S. 47)7 Indem Bergmann verschiedene Perspektiven und Definitionsebenen freilegt, gelingt es ihm schließlich, verschiedene Polysemiebzw. Homonymie- Begriffe anzusetzen (vgl. ebd., S. 50ff.). Die Definition der beiden Termini Polysemie und Homonymie ist so gesehen keine absolute, sondern sie ist stark abhängig von der Frage, was mit der Unterscheidung schlussendlich bezweckt werden soll: Vor der Anwendung der hier getroffenen Zuordnung der Termini Homonymie und Polysemie auf lexikographische Fragen ist deutlich zu reflektieren, daß damit wiederum ein andersartiger Ausgangspunkt gewählt wird. Bei den bisherigen Überlegungen ging es jeweils darum, Sprache selbst zu beschreiben, nämlich einmal das Sprachzeichen als grundlegende Einheit und dann das Funktionieren von Sprache; im Bereich der Lexikographie ist die Zielsetzung demgegenüber auf der höheren Ebene einer Anwendung sprachwissenschaftlicher Ergebnisse eingeordnet. Ein Wörterbuch ist für bestimmte Benutzer und für bestimmte Zwecke konzipiert, die bei der Beurteilung der Homonymie-Polysemie-Problematik mit zu berücksichtigen sind. Eine einfache Verlängerung semantischer Theorie in lexikographische Praxis ist nicht möglich (ebd., S. 56). Bezogen auf den Typ des alphabetischen semasiologischen Wörterbuchs, also auch auf das ‘Dictionary’, besitzt lediglich der von Bergmann als Polysemie, bezeichnete Begriff Relevanz: „Relation von Pluralität der Inhalte und Identität des Ausdrucks unter synchronem semasiologischen Aspekt; deutscher Terminus: Mehrwertigkeit, lateinischer Terminus: Plurivalenz“ (ebd., S. 53). Und später fährt Bergmann fort: 20 Ich gehe nicht weiter darauf ein. inwieweit das Wort im Sprachprozess eine psycholinguistisch reale Einheit darstellt, auch nicht darauf, ob sich das Problem der Disambiguierung als solches den Sprecher(inne)n/ Schreiber(inne)n bzw. Hörer(inne)n/ Leser(inne)n überhaupt stellt. Der Untersuchungsgegenstand 93 Ob zu ihrer Darstellung ein Lemma oder mehrere Lemmata angesetzt werden, sollte als praktische Frage gesehen und nach praktischen Gesichtspunkten wie zum Beispiel dem der Übersichtlichkeit entschieden werden. Eine Alternative Polysemiei und Homonymie) existiert hier entsprechend dem semasiologischen Ansatz gar nicht (Bergmann 1977, S. 58; vgl. auch Zöfgen 1989, S. 785). Mit einer derartigen Einstellung ist gewiss mehr gewonnen als mit dem radikalen Vorschlag „die theoretische Unterscheidung von Homonymie und Polysemie aus synchronischer Sicht aufzugeben und generell von ‘lexikalischer Mehrdeutigkeit’ zu sprechen (Karl 1982, S. 23). E. W. Schneider wiederum gelangt bei eingehenderer Betrachtung der Unterscheidungsschwierigkeiten zu der Auffassung: Wie so oft in der Linguistik erweisen sich damit sprachliche Grenzfälle [hier also Polysemie vs. Homonymie, U. Sch.] als nicht befriedigend auflösbar, als nicht eindeutig einer Kategorie zuweisbar. Man sollte dies nicht als Mangel der Theorie, als Schwäche des Kategorienschemas betrachten und nach eindeutigen Kriterien suchen, wo fließende Grenzen, gradierte Abstufungen vorliegen, sondern vielmehr diese Grenzfälle als Ausdruck der charakteristischen Schlechtbestimmtheit natürlich-sprachlicher Systeme zu akzeptieren trachten und sie soweit als möglich in die Beschreibung einbeziehen (1988, S. 105f.). Durch diesen Kunstgriff entzieht sich Schneider der Notwendigkeit, Polysemie und Homonymie vermeintlich exakt unterscheiden zu müssen und wendet sich ausschließlich den an der Merkmalsemantik ausgerichteten Beschreibungsmöglichkeiten von Polysemie zu. Hierfür entwickelt er den Terminus ‘Variabilität der Wortbedeutung’ als Oberbegriff von Polysemie als „kontextabhängige Zuordnung verschiedener Sememe (aktueller Bedeutungen) zu einem Lexem“ (ebd., S. 141) und von Unschärfe als „nicht kategoriale und nicht kontextabhängige Erscheinungsform der Variabilität“ (ebd., vgl. auch Stock 1984). Schneiders Überlegungen ergänzen die Erkenntnisse Bergmanns insofern, als nochmals betont wird, dass Sprache ein dynamisches, höchst komplexes aber kaum mathematisch exakt beschreibbares System darstellt, dessen Einheiten stets klar voneinander abgrenzbar sind, und das zudem von den verschiedensten Seiten her auf verschiedenen Ebenen angegangen und untersucht werden kann. 94 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Für die Lexikografie die hier im Zentrum steht hat die besprochene Problematik in erster Linie Konsequenzen hinsichtlich der Lemmatisierung bzw. der Mikrostrukturierung von Wörterbüchern. Demzufolge sollte bei der Wahl der möglichen Unterscheidungskriterien in jedem Falle die Wörterbuchbenutzungssituation berücksichtigt und „die Kriterien für die entsprechenden Ansätze genannt und dann auch konsequent befolgt werden“ (Bergmann 1977, S. 59). Nur so versetzt man die Benutzer und Benutzerinnen in die Lage, Informationen an der richtigen Stelle zu suchen und zu finden, aber auch (Bedeutungs-)Zusammenhänge erkennen zu können. Genau dieser Grundsatz ist im ‘Dictionary’ nicht immer befolgt worden. Die Kriterien der Bedeutungsdifferenzierung werden zwar genannt, deren Umsetzung bleibt allerdings häufig rätselhaft. Pfeffer geht bei seiner Bedeutungsdifferenzierung zunächst von zwei semantischen Kategorien aus: ‘freie’ vs. ‘teilweise freie’ Bedeutung. Dieser Ansatz führt in der Folge nicht zu einer Steigerung der Transparenz bei der ohnehin problematischen Unterscheidung von Polysemie und Homonymie, mehr noch: er wirkt sich in keinerlei Weise darauf aus. Insgesamt fällt dies jedoch weniger ins Gewicht, bedenkt man zudem die abweichenden Lemmatisierungsentscheidungen in den gängigen Standardwörterbüchem. Schwerer wiegt hingegen die Tatsache, dass sich die solcherart durchgeführte Bedeutungsschichtung auch in der Binnengliederung der Wörterbuchartikel nicht niederschlägt. Zur Strukturierung der Wortartikel zieht Pfeffer nämlich allem Anschein nach die Frequenz einer Bedeutung als Grundlage heran und nicht deren Einstufung als ‘frei’, ‘teilweise frei’ etc.: Vergleicht man nämlich die im ’Index of English Equivalents’ (Pfeffer 1965, S. 3ff.) beschriebene Methode mit den (Haupt-)Einträgen im ‘Dictionary’, so lässt dies den Schluss zu, dass in der häufigsten Bedeutung eines Wortes zugleich seine ‘Grundbedeutung’ gesehen wird egal, ob man diese tatsächlich als ‘frei’ bezeichnen kann oder nicht. Eine derartige Vermischung von semantischen und statistischen Kriterien schränkt letztlich die Aussagekraft der ursprünglich erstellten Kategorien erheblich ein. Aus der Mikrostruktur des Wörterbuchs wird jedenfalls nicht mehr ersichtlich, und somit für Lernende kaum nachvollziehbar, welche der Der Untersuchungsgegenstand 95 angeführten Bedeutungen als ‘frei’ und welche als ‘teilweise frei’ anzusehen sind. Berücksichtigt man den ‘Index of English Equivalents’, so kann man bestenfalls die These aufstellen, dass eine nach abnehmender Häufigkeit angeordnete Darstellung gewählt wurde. Im Anschluss an die Lemmatisierung „stellen sich dem Lexikographen besonders zwei Fragen, die nach der Reihenfolge der Definitionen und die nach der Hierarchisierung ihrer Anordnung“ (Werner 1989, S. 917). Für die Beantwortung dieser Fragen, die natürlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bedeutungsanalyse zu sehen sind, steht eine Auswahl von vier Kriterien zu Verfügung: 1) Etymologie und Chronologie „Das historische Prinzip wird gern als das objektivste und am konsequentesten zu befolgende angesehen, das besonders in Wörterbüchern mit überhaupt starker diachronischer Komponente seine Berechtigung habe“ (Werner 1989, S. 920). Als nachteilig beurteilt Werner allerdings die Möglichkeiten, die Einzelbedeutungen stark polysemer Lexeme auf diese Weise überhaupt noch ordnen zu können (vgl. ebd.). „Für ein primär synchronisch orientiertes Wörterbuch kommt das chronologische Kriterium grundsätzlich nicht in Frage“, da es „häufig gerade die Sicht auf semantische Zusammenhänge ... verstellen würde“ (ebd.). Für ein Lemerwörterbuch ist dieses Kriterium deshalb nicht adäquat. 2) Frequenz und Gebrauchsrestriktionen Hinsichtlich des „frequenzorientierten Prinzips“ schlägt Werner vor, es sollte „zwischen einem Kriterium der Frequenz im engeren Sinne und einem des Geltungsbereichs innerhalb des Sprachsystems unterschieden werden“ (ebd., S. 921). Neben dem immensen empirischen und damit einhergehenden hohen Kostenaufwand, den diese Zweiteilung nötig machen würde, stellt sich als weiterer Nachteil heraus, dass auch durch dieses Verfahren „semantisch eng verwandte Einzelbedeutungen durch jeweils weniger damit verwandte sinnlos voneinander getrennt, d.h. wichtige semantische Zusammenhänge verdeckt würden“ (ebd.). 96 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 3) Logische Beziehungen und semantische Affinität Das logische Prinzip impliziert immer das Vorliegen einer sog. Grundbedeutung, zu der andere Einzelbedeutungen in metaphorischer oder metonymischer Beziehung stehen ... Das logische Prinzip sagt aber weder etwas darüber aus, in welcher Reihenfolge die abgeleiteten Einzelbedeutungen auf die Grundbedeutung folgen, noch wie die Grundbedeutung zu bestimmen ist. Ersteres Problem wäre teilweise zu lösen, indem wenigstens eine Rangfolge von Bedeutungsbeziehungen aufgestellt würde. Wie soll jedoch die Frage nach der Grundbedeutung gelöst werden? Wie wird festgestellt, ob Einzelbedeutung B auf Einzelbedeutung A als Mm weiteren Sinne’ oder A auf B als Mm engeren Sinne’ zu folgen hat? (Werner 1989,5.922). Dem Resümee von Werner: „Daß ein wie auch immer definiertes Kriterium der Dominanz einer Einzelbedeutung im Sprachbewußtsein theoretisch nicht objektivierbar, empirisch nicht praktikabel und arbeitstechnisch nicht realisierbar ist ...“ (ebd.) kann man nur zustimmen. Mit dem Begriff der Grundbedeutung war bereits für eine praktikable Unterscheidung von Polysemie und Homonymie kaum etwas gewonnen. 4) Distributionelle Gruppierung Das distributioneile Prinzip wird gewöhnlich als grammatikalisches gehandhabt. Die Einzelbedeutungen können z.B. entsprechend verschiedenen Flexionsmustern ..., Valenzmustern bei Verben, Rektionsmöglichkeiten bei Präpositionen, Behandlung als zählbar oder unzählbar bei Substantiven, Beschränkungen auf attributiven, prädikativen oder adverbiellen Gebrauch bei Adjektiven und sonstigen grammatikalischen Unterscheidungen angeordnet werden, zu denen semantische Unterschiede parallel verlaufen (ebd., S. 923). Einschränkend für dieses Gliederungsverfahren erweist sich allerdings, dass meist keine 1: 1-Entsprechung zwischen semantischen und grammatischen Unterschieden bzw. Gemeinsamkeiten vorliegt, daher „werden grammatikalische Unterscheidungen auch nur als Kriterium der Gruppierung, nicht der Reihenfolge von Einzelbedeutungen herangezogen ...“ (ebd., vgl. auch Kipfer 1984). Es überrascht nur wenig, dass auch für die Binnenstrukturierung von Artikeln im Wesentlichen die gleichen Ansatzpunkte genannt werden wie für die Unterscheidung zwischen Polysemie und Homonymie. Vor diesem Hintergrund muss auch die weiter oben formulierte Forderung Bergmanns nach Der Untersuchungsgegenstand 97 Offenlegung und Befolgung der ausgewählten Kriterien nochmals betont werden. Für das ‘Dictionary' bedeutet dies, dass der von Pfeffer beschrittene Weg eigentlich völlig legitim wäre, würde er ihn auch im Vorwort beschreiben und entsprechend befolgen. Es dufte ferner klar geworden sein, dass man mit einer einzigen Verfahrensweise nicht sehr weit kommt; die nötige Stringenz lässt sich allerdings nicht erreichen, wenn man vergeblich versucht, diesem Schein nachzukommen, de facto aber die einzelnen Prinzipien vermischt. Das wird einem, auf Benutzer und Benutzerinnen hin ausgerichteten Wörterbuch keinesfalls gerecht. Sieht man einmal vom ‘Dictionary’, von Kosaras (1980) und der weitgehend theoretischen Arbeit von Kühn (1979a) ab, so wurde in der traditionellen Grundwortschatzforschung bisher um diese gesamte Problematik ein weiter Bogen geschlagen, da man der Bedeutungsdifferenzierung bei der gängigen Listendarstellung keinerlei Beachtung zuwies und die Lösung diesbezüglicher Schwierigkeiten den Didaktikern und Lehrern überließ. Der Weg scheint mir vom Standpunkt der linguistischen Grundwortschatzforschung zu einfach gewählt zu sein, ja man könnte sich sogar fragen, was die mathematische Auszählung von rein ausdrucksseitigen Sprachzeichen mit Linguistik zu tun hat, oder um es mit dem berühmten Statement von Jacobson auszudrücken: „Linguistics without meaning is meaningless“ (zit. nach Gipper (Hg.) 1964, S. 5). Man entkommt den Schwierigkeiten nicht, indem man sie ignoriert. Von daher ist die Kritik an Pfeffer und seinem immerhin über dreißig Jahre alten ‘Dictionary’ auch eher prinzipieller Natur: Sie weist stärker auf (grundsätzliche) Versäumnisse in den vergangenen dreißig Jahren hin, als dass sie die Schwachpunkte besonders betonen möchte. Ich werde noch kurz anhand von zwei Beispielen aufzeigen, dass es zumindest von theoretischer Seite her Bestrebungen gibt, Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, die auch für die lexikografische Zunft (im Bereich des Grundwortschatzes) nicht uninteressant zu sein scheinen. 21 21 Ich erinnere an dieser Stelle auch nochmals auf die weiter oben bereits angesprochenen Vorschläge von Lutzeier (1981), Zöfgen (1976) und Schneider (1988). 98 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Blank versucht, sich dem Problem der Mehrdeutigkeit anzunähern, indem er das Pferd gewissermaßen von hinten aufzäumt: Im folgenden will ich einmal die Frage nach der Polysemie ‘umdrehen’, also nicht fragen: ‘wann liegt Polysemie vor? ’, sondern: ‘vorausgesetzt es besteht eine Beziehung zwischen einzelnen Bedeutungen eines Wortes, wie sieht diese Beziehung denn aus? ’ (1993, S. 32). An den Anfang seiner Überlegungen stellt Blank die notwendige ... Unterscheidung der beiden fundamentalen Assoziationsprinzipien Similarität-Kontrast sowie Kontiguität. Similarität und Kontrast stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander: Similarität, also nicht totale Identität, impliziert immer auch einen gewissen Kontrast; jeder Kontrast setzt aber auch eine minimale Vergleichbarkeit voraus... Von ganz anderem Zuschnitt ist demgegenüber die Kontiguitätsassoziation, bei der es um alle Arten von ‘Berührungen’ geht, die wir zwischen unseren Vorstellungen von Dingen und Sachverhalten hersteilen ... Kontiguitätsassoziationen bestehen in besonderem Maße zwischen Elementen von festen, sich typisch wiederholenden Situationen und Handlungsabläufen, den sogenannten Frames (ebd., S. 32f.). Als Nächstes stellt sich die Frage nach den „Ebenen des sprachlichen Zeichens, an denen die genannten Assoziationen ansetzen können“ (ebd., S. 33). Wenn man die beiden Assoziationsprinzipien mit dem zeichentheoretischen ‘Fünfeckmodeir (vgl. ebd.) kreuzt, ... ergeben sich folgende semantisch relevante Assoziationsmöglichkeiten zwischen sprachlichen Zeichen: I. Similarität bzw. Kontrast der Designate [d.h. Vorstellungen, U. Sch.]. II. Kontiguität der Designate. III. Similarität/ Kontrast der Zeicheninhalte (signifies). IV. Primäre Similarität der Zeichenausdrücke (signifiants). V. Kontiguität der Zeichen (ebd., S. 34). Ebenso simpel wie bekannt ist die Tatsache, dass Bedeutungswandel die Ursache für Mehrdeutigkeit darstellt; sie ist also diachron begründet. Von daher ist es nur konsequent, wenn Blank in einem nächsten Schritt fragt, „welchen semantischen Relationen die oben aufgeführten Assoziationsprin- Der Untersuchungsgegenstand 99 zipien beim Bedeutungswandel entsprechen können. Davon ausgehend wollen wir sehen, wie die entsprechende Relation in der Synchronic aussieht“ (Blank 1993, S. 35). Den Kern der von Blank formulierten Überlegungen (vgl. ebd., S. 34ff.) habe ich in einer Tabelle zusammengefasst: Assoziationsrelation: entsprechende semantische Relation beim Bedeutungswandel: synchrone Bedeutungsbeziehung: 1. Similarität bzw. Kontrast der Designate Metapher (Antiphrasis/ Enantiosemie) Metapher 2. Kontiguität der Designate Metonymie Metonymie 3. Similarität/ Kontrast der Zeicheninhalte Hypo-/ Hyperonymie, Synonymie, Antonymie, Kohyponymie: Bedeutungserweiterung/ -Verengung Bedeutungsabschwächung/ -Verstärkung (Entstehung gegenteiliger Bedeutung) (Kohyponymie) Ober-/ Unterbegriffsrelation Intensitätsrelation eher marginal: Gegensatzrelation u. Kohyponymierelation 4. Primäre Similarität der Zeichenausdrücke (Grundlage der Volksetymologie) 5. Kontiguität der Zeichen (lexikalische Ellipse) Tab. 1: Überblick über die zentralen Ergebnisse von Blank (1993) Blank ersetzt den Begriff der ohnehin nicht erreichbaren Objektivität durch den der Intersubjektivität, bezieht die herausgearbeiteten synchronen Bedeutungsbeziehungen mit ein und definiert den Begriff der Polysemie ... als die bewußtseinsmäßig erfahrbare, intersubjektiv nachvollziehbare Existenz einer dieser Relationen zwischen distinkten Bedeutungen eines Wortes. Von ‘zwei distinkten Bedeutungen eines Wortes’ kann man dann sprechen, wenn eine der genannten Relationen zwischen lexikalisierten Bedeutungsvarianten herstellbar ist, und diese Differenzierung dem Sprachbewußtsein entspricht. Wo die Relation fehlt oder nur sehr umständlich konstruiert werden kann bzw. von den Sprechern nicht (mehr) gefühlt wird, handelt es sich um Homonymie ... Wo andererseits der mi- 100 Der zentrale Wortschatz des Deutschen nimale Abstand in Form einer Intensitäts-Relation nicht hergestellt werden kann, liegen Kontextvarianten einer Bedeutung vor ... (Blank 1993, S. 43, Hervorhebungen des Verfassers von mir nicht berücksichtigt, U. Sch.). Dieser Definition lässt Blank eine Zusammenfassung folgen, in der er seine Vorgehensweise wie auch deren logische Konsequenzen nochmals auf den Punkt bringt: Die Polysemie ist genau zwischen dieser Ebene der Verwendungsvarianten und der Homonymie angesiedelt. Sie folgt keinem monolithischen Konzept, sondern reicht von minimalen Similaritätsunterschieden bis zu minimalen Designats-Assoziationen. Man könnte von einer Art ‘semantischem Kontinuum’ sprechen. Unter dieser Perspektive ist das Vorhandensein eines gemeinsamen semantischen Merkmals aller unter die Polysemie fallender Bedeutungen nicht nötig: auch über Assoziationsketten verbundene ‘Sememe’ können so erfaßt werden ... Polysemie läßt sich nicht absolut bestimmen oder Vorhersagen, aber es lassen sich typische Prozesse, typische Muster polysemischer Relationen angeben. Homonymie und Polysemie sind dabei weder sich ‘bekämpfende’ Prinzipien, noch sind sie irgendwelche ‘systemfremden Auswüchse’ ... Polysemie ist eine semantische Notwendigkeit: sie dient der ökonomischen Gliederung der Welt vermittels eines Netzes von Kontiguitäten und Similaritäten. Homonymie ist zum einen die Folge des Zurücktretens solcher Relationen im Bewußtsein, zum anderen ist sie Resultat von Ökonomie auf anderen sprachlichen Ebenen (ebd., S. 44). Entscheidend ist, dass Blank sein Augenmerk auf die Entstehung von Mehrdeutigkeit legt und Polysemie (vs. Homonymie) als sprachhistorisch begründeten dynamischen Prozess begreift, der u.a. auf sprachlichen und psychologischen Ebenen abläuft. Ohne jedoch auf dieser Stufe stehen zu bleiben, versucht er dann die Mechanismen der Polysemierung so weit als möglich auch für die synchrone Sprachbetrachtung nutzbar zu machen. Eine derartige Begründung und Offenlegung semantischer Relationen könnte bei aller Vorsicht auch für ein Grundwortschatz-Wörterbuch einen konstruktiven Ansatz darstellen. Ob die von Blank beabsichtigte praktische Umsetzung, nämlich „eine stammbaumartige Darstellung des Netzes von Relationen zwischen den einzelnen Bedeutungen“ (ebd., S. 45, vgl. auch die Beispiele S. 46ff.), tatsächlich auch diesen Anforderungen entspräche, lasse ich hier offen. Bedenkenswert ist allerdings, dass Blank zwar die für sein Verfahren äußerst wichtige Frage der Bedeutungshierarchisierung (s.o.) anspricht, an Der Untersuchungsgegenstand 101 Beispielen erläutert (vgl. ebd.), in seinem Theoriemodell jedoch leider vernachlässigt, wenn er lediglich einräumt: „man müßte z.B. überlegen, bei welcher Bedeutung man beginnen soll, bei der (bzw. einer der) historisch primären oder bei einer synchron als zentral oder grundlegend empfundenen“ (Blank 1993, S. 45). Bisher war die Rede davon, Mehrdeutigkeit im Lexikon darzustellen, ohne dabei allerdings deren Ausprägung zu berücksichtigen. Speziell bei Grundwortschätzen tritt dieser Aspekt in den Vordergrund, da die ausgewählten Lexeme i.d.R. eine Vielzahl von Bedeutungen besitzen. Dies hat Egg in seinem Aufsatz ‘Zur Repräsentation extrem polysemer Lexeme’ thematisiert. Am Beginn seiner Überlegungen steht die Unterscheidung der beiden etablierten Beschreibungsmodelle, die er wie folgt nochmals zusammenfasst: - Im Kernbedeutungsansatz wird Polysemie als das Ausdifferenzieren eines allen Lesarten gemeinsamen Bedeutungskerns repräsentiert. Die Lesarten sind dabei nur mittelbar, über den gemeinsamen Bedeutungskern, verbunden. - Der Netzwerkansatz stellt polyseme Lexeme als Gruppe voll ausgebildeter Lesarten dar, die untereinander direkt, durch bestimmte Relationen, verbunden sind (Egg 1994, S. 163). Diese beiden Ansätze mögen zwar vielen Fällen gerecht werden, sie „können jedoch hochgradige Polysemie nur schwer darstellen“ (ebd.). Dies illustriert Egg am Beispiel des französischen Lexems partir, dem er sieben nichtmetaphorische Lesarten zuweist, wobei er auch kurz auf die Unterscheidungsmethodik eingeht (vgl. ebd., S. 164f.). Die Hauptmängel des Kembedeutungsansatzes resultieren ihmzufolge u.a. aus der Notwendigkeit, die Kernbedeutung höchst abstrakt formulieren zu müssen; nur so kann gewährleistet werden, dass wirklich alle Nebenbedeutungen auf einen Bedeutungskern rückführbar sind. Der Informationsgehalt sinkt auf diese Weise jedoch rapide ab (vgl. ebd., S. 167L). Aber auch für die Bedeutungsstrukturierung bzw. -hierarchisierung ist mit diesem Verfahren wenig gewonnen, da als Ergebnis der Anwendung „lediglich eine Liste der Lesarten eines polysemen Lexems“ (ebd., S. 168) vorliegt. Der entscheidende Nachteil des Netzwerkansatzes für die Beschreibung extrem polysemer Lexeme lässt sich mit Egg wie folgt zusammenfassen: 102 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Ausgangspunkt im Netzwerk ist eine ‘zentrale’ Lesart, von der aus die anderen Lesarten durch Relationen, die minimale semantische Unterschiede bezeichnen, erreicht werden können ... Minimal unterschiedliche Lesarten sind nicht immer sehr ähnlich; die Unterschiede lassen sich nur auf einen Punkt bringen. So können metaphorische Relationen zwar in wenigen Worten beschrieben werden, die von ihnen verbundenen Lesarten unterscheiden sich aber oft erheblich (Egg 1994, S. 168f.). Hinzu kommt noch, dass die Beschreibung hochgradiger Mehrdeutigkeit höchst unterschiedliche Arten von Relationen nötig macht sowie Abgrenzungsprobleme mit sich bringt (vgl. ebd., S. 169f.). Aus diesen Erkenntnissen heraus entwickelt Egg eine Kombination aus Kembedeutungs- und Netzwerkansatz, mit deren Hilfe die Vorteile der beiden Methoden ausgespielt und die Nachteile vor allem in Fällen hochgradiger Mehrdeutigkeit weitgehend ausgeschaltet werden sollen; Im gemischten Ansatz werden die Bedeutungen eines Lexems in Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe wird durch eine Gruppen-Kernbedeutung repräsentiert. Innerhalb einer Gruppe erfolgt die Aufspaltung in die einzelnen Lesarten durch konzeptuelle Spezifizierung. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Gruppen werden dagegen durch ein Netzwerk ... dargestellt. Zwischen Mitgliedern der einzelnen Gruppen gibt es also metaphorische oder andere Arten von Relationen (ebd., S. 170). Neben den Vorteilen einer solchen kombinatorischen Methode in Theorie und Praxis (vgl. ebd., S. 171ff.) gilt es jedoch zu bedenken, dass auch sie die konkrete Bedeutungsanalyse der Lexeme voraussetzt, und damit wären wir wieder bei den weiter oben angesprochenen Problemen angelangt. Außerdem scheint mir ein solches Vorgehen auf Autosemantika beschränkt; ein Beschreibungsmodell für Synsemantika muss semantische und vor allem grammatisch-funktionale Mehrdeutigkeit berücksichtigen. Darauf geht Egg ebenso wenig ein wie die weiter oben angesprochenen Verfasser. Entscheidend ist, und das sollte dieser Überblick zeigen, dass ein ‘Königsweg’ schwerlich zu finden ist für den Umgang mit den vielfältigen Problemen, die im übergeordneten Zusammenhang der Bedeutungsbeschreibung von lexikografischer Seite her zu lösen sind; und dabei ist die eigentliche Bedeutungsexplikation nur am Rande zur Sprache gekommen. Unterschiedliche Methoden liegen vor, sie müssen ggf. verifiziert, kombiniert und auf Der Untersuchungsgegenstand 103 einen bestimmten Zweck hin ausgerichtet werden. Dabei sollte die Transparenz jedoch oberstes Gebot sein. Für ein Grundwortschatz-Wörterbuch wie es das ‘Dictionary’ darstellt wäre es also wünschenswert, eine zweck- und zielgerichtete Auswahl aus den verschiedenen angebotenen Möglichkeiten zu treffen und sich dann möglichst konsequent d.h. für Dritte nachvollziehbar an eine Vorgehensweise zu halten. So könnten etwaige Polysemierungsprozesse durchsichtig und für die Wörterbuchgestaltung nutzbar gemacht werden (vgl. Blank 1993). Wichtig scheint mir ferner die von Bergmann (1977) weiter oben aufgezeigte Notwendigkeit zu sein, auch im Rahmen eines zeichentheoretischen Ansatzes zwischen Hörer- und Sprecherperspektive zu unterscheiden. Der ins Spiel gebrachte pragmatische Gesichtspunkt ist hinsichtlich des kommunikativ ausgerichteten Sprachunterrichts von großer Bedeutung. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Mehrdeutigkeit des sprachlichen Zeichens in diesem Rahmen eine eher untergeordnete, keineswegs aber zu vernachlässigende Rolle spielt (vgl. Asher/ Lascarides 1996, Zöfgen, 1976). Das Problem der Disambiguierung stellt sich im Rahmen des sprachlichen Kontexts eigentlich nicht. Das Zeichen ist in seiner Verwendung i.d.R. eindeutig, was nochmals den kollokativen Charakter der Sprache betont. Aus diesem Grunde sollte auch paradigmatischen wie syntagmatischen Vernetzungen mehr Raum zugestanden werden (vgl. etwa Kühn 1979a, bes. S. 82ff.). Im Zuge dessen gelangt man folglich zu feldtheoretischen Ansätzen und letztendlich zu den Beschreibungsmöglichkeiten, welche die Frame-Theorie anbietet; diese sind bislang jedoch leider wenig praxisorientiert, und wohl deshalb wurden sie auch von lexikografischer Seite noch nicht in größerem Umfang angewandt. Allein schon der Überblick über einige zentrale Fragen im Zusammenhang mit der ‘Mehrdeutigkeit’ von ‘Wörtern’ hat gezeigt, dass es sich um eine höchst komplexe Thematik handelt, ein Umstand, den man auch bei der Beurteilung des ‘Dictionary’ nicht vergessen darf. So ließen sich gewiss noch viele Aspekte ansprechen bzw. vertiefend betrachten; dies haben insbesondere im Hinblick auf die lexikografische Praxis zahlreiche Andere getan; ich verweise abschließend u.a. auf: Agricola, (1992), Augst (1991), Ayto (1983), Gansei (1996), Geeraerts (1989), Harras (1991), Herberg (1992a), Müller, W. (1980), Neubauer (1980), Svensen (1993), Wiegand (1989a, 104 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 1989b, 1989c und 1995), Wotjak G. (1988) sowie auf Kap. 3.4.2.3 dieser Arbeit. Die Beantwortung einer Frage steht zu diesem Zeitpunkt noch aus: der weiter oben angesprochene Fall fahren'. Er wurde im ‘Dictionary’ als homonym verzeichnet, eine Begründung dieser Entscheidung ist auch vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht möglich. Welche Erklärung lässt sich dann aber finden, will man Pfeffer keine willkürliche Handhabung unterstellen? Einige Verfahren und die damit verbundenen Schwierigkeiten, Bedeutungsstrukturen synchron zu analysieren, abzugrenzen und in der Folge auch zu erklären, wurden schon angedeutet. Ausgespart hatte ich in diesem Zusammenhang bislang den Gebrauch von sog. Übersetzungsäquivalenten als Methode der Lesartendisambiguierung. Pfeffer bedient sich aber auch dieses Ansatzes, um Bedeutungen zu trennen und zu beschreiben. Er schlägt auf diese Weise eine Brücke vom einsprachigen zum zweisprachigen Wörterbuch, die er aber nicht konsequent überschreitet. Zur Klärung der eingangs gestellten Frage ist es zwar nicht nötig, im Einzelnen auf die Erfordernisse der zweisprachigen Lexikografie einzugehen (vgl. dazu u.a. Baunebjerg Hansen 1990, Bergenholtz 1992, Duval 1991, Hartmann 1994, Hausmann 1988, 1989 und 1991, Karl 1982, Kromann 1994, Kromann/ Riiber/ Rosbach 1991, Leisi 1962, Mugdan 1992, Tarp 1995, Wiegand 1996, Zöfgen 1991). Das Problem der sog. Übersetzungsäquivalente bedarf diesbezüglich jedoch einer näheren Betrachtung. Zunächst einmal ist es natürlich völlig legitim, mitunter sogar sehr vorteilhaft, den semantischen Gebrauchsrahmen einer deutschen Vokabel am Spektrum eines oder mehrerer englischer Äquivalente zu messen: Die Frage nach der semantischen Übereinstimmung von Lemma und seiner (seinen) Entsprechung(en) in der ZS [= Zielsprache, U. Sch.] ist die zentrale Frage eines Äquivalenzwörterbuches, nämlich die Frage nach der lexikalischen Äquivalenz ... Die lexikalische Äquivalenz wird bestimmt als eine Beziehung der Gleichwertigkeit zwischen Wortschatzelementen verschiedener Sprachen. So, wie sich im Wortschatz die verschiedenen Komponenten des Sprachsystems ... schneiden, kann die Äquivalenz auch auf verschiedenen Ebenen hergestellt werden. Hier interessiert insbesondere der Aspekt der Bedeutung. Lexikalische Einheiten zweier (oder mehrerer) Sprachen sind semantisch äquivalent, wenn ihre semantischen Der Untersuchungsgegenstand 105 Strukturen identisch sind, d.h. in der Art, Anzahl und Anordnung der Bedeutungselemente sowie der einzelnen Bedeutungsstrukturen übereinstimmen (Karl 1982, S. 34f.). Gemeint ist damit also nicht nur „die sog. referentielle Bedeutung, die eigentlich Bezeichnung ist“, sondern „als mögliche Arten von Bedeutung“ kommen zusätzlich in Betracht: die „grammatische“, die „paradigmatischlexikalische“, die „assoziative“, die „affektive“, die „situative“ und die „etymologische“ (Schaeder 1990b, S. 67). Einer derart engen Definition dürften zwei Sprachsysteme im praktischen lexikalischen ‘Vergleich’ kaum standhalten, was Leisi auch anhand einer ganzen Reihe von Beispielen deutscher und englischer Wortinhalte nachweist: „die Kategorien der Dinge“, so sein Ausgangspunkt, „sind nicht schon durch die Natur gegeben, sie werden erst durch die Sprache geschaffen“ (Leisi 1962, S. 141). Dieser Umstand führt zu folgenden Konsequenzen: Findet sich begriffliche Übereinstimmung im gelehrten, abstrakten, technischen und sensationellen Bereich, also überall dort, wo internationaler Verkehr häufig oder internationale Normierung notwendig ist, so werden wir begriffliche Verschiedenheit dort zu suchen haben, wo dies nicht der Fall ist, also im Bereich des Alltäglichen und Unsensationellen, überall dort also, wo internationaler Austausch weder üblich noch notwendig ist (ebd., S. 143, vgl. hierzu auch Schnorr 1986). Gerade Wörter der zuletzt genannten Bereiche dürften in einen Grundwortschatz jedoch verstärkt Eingang finden, was dann eine gewisse Skepsis gegenüber dem Gebrauch von Übersetzungsäquivalenten aufkommen ließe, das hat Schaeder auch bestätigt: Beginnen wir bei der Bedeutungsäquivalenz, die in mehrerlei Hinsicht lediglich partielle Äquivalenz sein kann, und zwar: ... durch eine unterschiedliche Anzahl von Sememen in Sprache LI [~ Muttersprache, U. Sch.] und Sprache L2 [~ Fremdsprache, U. Sch.] ... dadurch, daß eins von mehreren Sememen in der Sprache LI ... ein eher peripheres darstellt ..., durch eine unterschiedliche Spezifizierung ..., durch unterschiedliche Extension ..., durch Unterschiede in den jeweiligen paradigmatischen Beziehungen ..., in den jeweiligen syntagmatischen Beziehungen ..., in den diasystematischen Markierungen ... (Schaeder 1990b, S. 69f). Karl schließt sich dieser Meinung im Wesentlichen an: 106 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Semantisch äquivalente WE [= Wortschatzelement, U. Sch.]-Paare kommen in einer sehr geringen Anzahl vor. Trotzdem erscheint einem Sprecher zweier Sprachen die Menge der Äquivalente zu WE der einen Sprache und umgekehrt recht groß, nämlich deshalb, weil er, von der aktuellen Rede ausgehend, immer nur eine oder einzelne Bedeutungen, nur ein Semem aus einem WE im Auge hat (Karl 1982, S. 34f.). Alle zweisprachigen Wörterbücher basieren letztlich auf der Annahme, dass diese Einschränkung den Wörterbuchbenutzer/ innen die zielsichere Auswahl erleichtert. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass dabei i.d.R. von erfahrenen und fortgeschrittenen Lernenden ausgegangen werden muss. Im Falle eines (zweisprachigen) Grundwortschatz-Wörterbuchs sind demgegenüber Zweifel anzumelden. Bei den potenziellen Benutzern und Benutzerinnen kann nämlich keine Fremdsprachenkenntnis vorausgesetzt werden, die es ihnen ermöglichte, aktuelle Bedeutungsnuancen in fremdsprachlichen Beispielsätzen zu unterscheiden. Sie sind daher auf Gebrauchshinweise in ihrer Muttersprache angewiesen. Daraus ergibt sich auch für das ‘Dictionary’ folgendes, vereinfacht dargestelltes Problem: Ein Übersetzungsäquivalent wird in aller Regel selbst wiederum mehrdeutig sein, also aus einem Bündel von Sememen bestehen, aus dem der Benutzer bzw. die Benutzerin das ‘passende’ auswählen muss. Von anderer Seite gibt Kromann grundsätzlich zu bedenken: Die Kompetenz, d.h. die Bekanntheit des Benutzers mit der Bedeutung und Verwendung der muttersprachlichen Einheit ... macht somit im Falle der Eindeutigkeit nicht nur die lexikographische Definition überflüssig, sondern auch andere in einsprachigen Bedeutungswörterbüchern übliche Bewertungen und Zuordnungen (1983, S. 33 lf.). Doch speziell in den Punkten der ‘Kompetenz’ und vor allem der ‘Eindeutigkeit’ scheint Pfeffer sich keineswegs sicher zu sein, und das aus gutem Grund, wie folgendes, drastisch formulierte Zitat belegt: It is one of the ancient and deadly sins of translation lexicography in bidirectional dictionaries to provide lists of equivalents and accompanying quasi-synonyms without meaning-discrimination comments. The user of the dictionary is then obliged to guess at the correct answer or to investigate further in other sources of information ... (Kromann/ Riiber/ Rosbach 1991, S. 2724). Der Untersuchungsgegenstand 107 Obwohl sich das Problem für Pfeffer gewiss nicht in der Schärfe stellt, ist er sich dessen doch grundsätzlich bewusst. So gibt er zumeist nur ein englisches Äquivalent an; um dessen Eindeutigkeit sicherzustellen, fügt er stets noch einen deutschen Beispielsatz hinzu, der die geläufigste Bedeutung illustrieren soll (vgl. ‘Dictionary’, S. IX). Zur Erklärung einer deutschen Wortbedeutung dient folglich ein i.d.R. polysemes englisches Wort, das seinerseits erst durch einen erneut deutschen - Beispielsatz eindeutig monosemiert werden kann. Ein Blick auf die Aussagekraft dieser Beispielsätze die ich hier nicht weiter diskutiere (vgl. hierzu Kap. 3.4.2.3 in dieser Arbeit) lässt die Erfolgsaussichten eines derartigen ‘Mischverfahrens’ eher zweifelhaft erscheinen. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn man den fremdsprachlichen Kenntnisstand der Lernenden berücksichtigt. Auch von dieser Seite her kann also kein klarer, für die Deutschlernenden nachvollziehbarer Trennungsstrich zwischen den Lesarten eines Lexems, geschweige denn zwischen dessen Haupt- und Nebenbedeutung(en) gezogen werden. Die einzelnen Sememe eines deutschen Wortes werden durch englische Lexeme ausgedrückt, die wiederum selbst eine Hauptbedeutung und verschiedene übertragene Bedeutungen besitzen. Dadurch besteht nicht nur die Gefahr, dass der semantische Hof, mithin der Gebrauchs-ZGebräuchlichkeitsrahmen des deutschen Wortes insgesamt eingeengt oder erweitert wird, weil er sich eben an den (partiellen) Äquivalenten orientiert, sondern es können auch denotativ-strukturelle Bedeutungszusammenhänge verwischt werden. Der Einfluss, den ferner speziell konnotative Elemente auf weitere Verschiebungen im lexikalischen System nehmen können, sollte zwar erwähnt, kann hier jedoch nicht ausgeführt werden. 22 Ein Grund, weshalb eine deutsche Vokabel im ‘Dictionary’ als homonym betrachtet wird, könnte also im Anschluss an die zuletzt angestellten Überle- “ Vgl. zum Problem und zur Diskussion von Konnotationen, ihrer Abgrenzung und Beschreibbarkeit (im Wörterbuch) u.a.: Bochmann (1974), Bykova (1978), Lerchner (1983), Ludwig (1983, 1986 und 1994), Büschel (1990), Schippan (1979 und 1983a), Spiewock (1986). 108 Der zentrale Wortschatz des Deutschen gungen darin zu finden sein, dass die englischen Äquivalente ihrer Lesarten semantisch zu stark differieren, Pfeffer demnach eine Perspektive einnimmt, die dem Aufbau des ‘Dictionary’ völlig zuwiderläuft: Das Englische wäre dann nämlich für die homonymische Interpretation, also das Ansetzen zweier deutscher Lemmata verantwortlich! Das heißt auf das Beispiel von fahren{\] (= to drive) vs.fahren[2] (= to gotto travel) (s.o.) angewandt, dass ein Engländer die beiden im Deutschen doch eher ähnlichen Bedeutungen 23 in seiner Muttersprache strikt trennen würde, und sie auch nicht als übertragen identifizieren bzw. voneinander ableiten könnte. Für ein vorläufiges Resümee lässt sich nun Folgendes zusammenfassen: Die theoretische Unterscheidung zwischen ‘freier’ und ‘teilweise freier’ Bedeutung zieht bei der praktischen Umsetzung eine Fülle von Problemen nach sich. Um diese zu lösen, bedient sich Pfeffer einer ganzen Reihe von Möglichkeiten, welche die ein- und zweisprachige Lexikografie zur Verfügung stellt. Allerdings vermengt er sie zu einer Methodenmixtur, und daher sind einzelne Entscheidungen nicht mehr nachvollziehbar. Die Auswirkungen für den Aufbau des ‘Dictionary’ sind nicht zu übersehen, da die Benutzer bzw. die Benutzerinnen nurmehr eine Liste verschiedener Lesarten des Lemmas vorfinden, die völlig gleichrangig, ohne Gewichtung oder nähere Kommentare zusammengestellt ist. Eventuelle Rückschlüsse können sie bestenfalls aus den angegebenen Übersetzungsäquivalenten ziehen; schwieriger wird es schon bei den Beispielsätzen. Für Lernende der ersten Stufe mag ein Wörterbuch, das sich auch an der zweisprachigen Lexikografie orientiert, mit Sicherheit sehr hilfreich sein, im ‘Dictionary’ führt das jedoch wie oben angedeutet zu einer gewissen Zirkularität. Dies kann nicht im Sinne der Benutzer und Benutzerinnen liegen; für sie wäre zum einen die konsequentere Umsetzung der von Pfeffer selbst genannten Prinzipien wünschenswert gewesen, zum anderen die Berücksichtigung von Systematisierungsvorschlägen, wie sie von der ein- und zweisprachigen Lexikografie erarbeitet wurden. 23 Sprachhistorisch betrachtet bezeichnete gotisch faran „ursprünglich die allgemeinste Bezeichnung für jede Art der Fortbewegung (‘gehen, reiten, fahren, schwimmen, fliegen' in sich einschließend) und wird erst allmählich auf die Fortbewegung mit Wagen, Schiffen, Fahrzeugen aller Art eingeschränkt" (Pfeifer u.a. 1995, S. 317, Sp. 2). Der Untersuchungsgegenstand 109 Der Unterscheidung ‘freie’ vs. ‘teilweise freie’ Bedeutung kann also grundsätzlich zugestimmt werden. Bei der Handhabung der theoretischen Grundlagen verfährt Pfeffer allerdings inkonsequent, worauf letztlich die Mängel der Darstellung(sweise) im Wörterbuch beruhen. Neben den (teilweise) freien Bedeutungen der gebräuchlichsten Wörter ist deren beabsichtigte weitere semantische Schichtung in (teilweise) begrenzte Felder jedoch nicht zu vernachlässigen, im Gegenteil. Pfeffer selbst gibt zu bedenken, ... daß bei manchen gebräuchlichen Wörtern ihre begrenzten Felder mehr als 90% des Ganzen ausmachen (1969, S. 140), und ... daß die Alltagssprache im Durchschnitt zu mehr als 15% redensartig gebunden ist. Es braucht gar nicht erst betont zu werden, wie wichtig diese Feststellungen für den Fremdsprachenunterricht sind. Daß sie uns zugleich besser die Struktur der Sprache durchschauen lassen, liegt auf der Hand (ebd.). Hausmann unterstreicht Pfeffers Befund, ja er geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er feststellt: „In einer Sprache ist (fast) alles idiomatisch“ (Hausmann 1993a, S. 5). Eine konsequente Folgerung aus dieser These ist: „Für den Fremdsprachler sind die Wörter eine nötige Vorstufe zu den Formulierungen. Die Wörter sind viel weniger zahlreich als die Formulierungen“ (ebd., S. 17). Da es sich hier offenbar um einen sehr wesentlichen Bereich der Fremdsprachenvermittlung handelt, verdient allein die Tatsache Anerkennung, dass Pfeffer überhaupt die (teilweise) begrenzten Bedeutungen berücksichtigt. Erneut jedoch bleibt die praktische Umsetzung hinter den geweckten Erwartungen zurück, wie ein Blick ins ‘Dictionary’ belegt. Von definitorischer Seite her ist festzuhalten, dass Pfeffer unter die Termini ‘teilweise begrenzte’ bzw. ‘begrenzte Felder’ eine relativ heterogene Gruppe von ‘redegebundenen’ sprachlichen Erscheinungen subsumiert: Sinn-/ Sittensprüche, Sentenzen/ Zitate, Sprichwörter, (sprichwörtliche) Redensarten, Phrasen/ Floskeln, stereotype Vergleiche, Metaphern, Zwillingsformeln sowie feste Verbindungen, die unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten 110 Der zentrale Wortschatz des Deutschen nochmals unterteilt werden können in lose, feste und starre Kollokationen bzw. Substantiv-Verb-Gruppen, Adjektiv-Substantiv-Verbindungen, Adverb-Adjektiv-Phrasen, Adverb-Verb-Patterns und syntaktische Schablonen (vgl. Pfeffer 1968, S. 2f.). 24 Wie diese Zusammenstellung verdeutlicht, darf nun auch die zu Grunde liegende, sie verbindende Definition nicht allzu eng gefasst sein. Im Kontext seiner Arbeit, die keinerlei Trennung der einzelnen Kategorien mehr vornimmt, schreibt Pfeffer im Vorwort zur ‘German Idiom List’: „In the present investigation, an idiom pattern is viewed with due regard for past definitions primarily as a semantic restriction of syntactically collocated parts ...“ (ebd., S. 4, Hervorhebung von U. Sch.). Der Begriff ‘Idiom' muss bei Pfeffer also im weitesten Sinne verstanden werden. Auf der anderen Seite gehen von ihm alle ‘(teilweise) begrenzten’ Wortbedeutungen aus. Beide Tatsachen, also der nach Pfeffer vergleichsweise hohe Anteil ‘idiomatischer Einheiten’ in der Sprache sowie seine begriffliche Ausweitung des ‘Idioms’, beeinflussen das ‘Dictionary’: Die Menge der in die ‘subentries’ eingegangenen redegebundenen Einheiten übersteigt den von ihm gemittelten Anteil von 15% erheblich, was jedoch selbst für ein Grundwortschatz- Wörterbuch möglicherweise zu rechtfertigen ist, wenn man etwa die Position Hausmanns (s.o.) einnimmt. Aber nicht nur die Quantität des eingegangenen Materials, sondern vor allem dessen Qualität und in diesem Zusammenhang erneut dessen Darstellung, sind kritikbedürftig. Ich möchte dies an einigen besonders prägnanten Beispielen veranschaulichen. Zu diesem Zweck habe ich aus dem Feld der Bewegungsverben gehen (39 ‘subentries’, vgl. ‘Dictionary’, S. 80ff.), aus dem der Körperteilbezeichnungen Hand (39 ‘subentries’, vgl. ebd., S. 179f.) ausgewählt, ferner das Pfeffer (1968) diskutiert verhältnismäßig ausführlich die für ihn relevanten Aspekte der Begriffsgeschichte des Terminus Idiom. Da der Bereich der Idiomatik i.w.S aus Gründen der thematischen Beschränkung in meiner Arbeit nachfolgend eine untergeordnete Rolle spielt, sei hier stellvertretend nur auf eine kleine Auswahl an Literatur hingewiesen, die in diesem Zusammenhang von Interesse ist: Dobrovol'skij (1991, 1993 und 1997), Donalies (1994), Ettinger/ Hessky (1997), Fleischer ( 2 1997), Hessky (1992), Herzog/ Michel/ Riedel (1980), Kempcke (1987), Kjter (1987), Kromann (1987), Mala (1996), Schindler (1993), Ulbricht (1989), Wotjak, B. (1988), Wotjak, G. (1989). Der Untersuchungsgegenstand 111 (Hilfs-)Verb haben (42 ‘subentries’, vgl. ‘Dictionary’, S. 94f.) sowie das Verb lassen (50 ‘subentries’, vgl. ebd., S. 127ff.). 25 Die große (An-)Zahl der ‘subentries’ vermittelt „auf der einen Seite den Eindruck von entsprechend vielen (teilweise) begrenzten Bedeutungen, auf der anderen den eines Gliederungskonzepts. Letzteres basiert offenkundig einzig auf dem Alphabet. Wie zu befürchten war, hat die Ausdehnung des Idiom-Begriffs die Grenzen zwischen den ursprünglich gewählten Kategorien verwischt, aber auch die daraus abgeleiteten bzw. stellvertretend eingesetzten Kategorien werden nicht unterschieden. Jede Art von wie auch immer (teilweise) begrenzten Wortbedeutungen wird unreflektiert und durchnummeriert aufgelistet. Unter Hand stehen deshalb Redewendungen wie etwa die Hand geben und idiomatische Ausdrücke wie weder Hand noch Fuß haben lediglich durch das Alphabet getrennt untereinander. Wenn man das bei der ‘German Idiom- List’ angewandte Auswahlverfahren (vgl. Pfeffer 1968, S. 6ff.) analog auf das ‘Dictionary' überträgt, so wäre die Frequenz wiederum der entscheidende Faktor. Dennoch erscheinen mir die ins Wörterbuch aufgenommenen Belege recht willkürlich, der mir nicht geläufige Ausdruck mit dem Hut in der Hand [zu jemandem gehen] mag das illustrieren. Vielleicht ist er im Sinne von ‘demütig’, ‘reuevoll’ oder gar ‘bettelnd' zu verstehen. Klarheit verschafft nur das englische Pendant, hat bzw. cap in hand, der mit ‘very humbly ... meekly’ umschrieben wird (vgl. Sinclair u.a. 1987, S. 202). Dieser Fall lässt außerdem die Problematik übersetzerischer Definitionsversuche von einer anderen Seite nochmals besonders deutlich werden, nämlich im Rahmen der nicht unproblematischen Äquivalenzbeziehung(en) verschiedensprachiger Wortgruppenlexeme. Es zeigt sich hier abermals, wie Pfeffer sein Prinzip verletzt, den deutschen Grundwortschatz vom Deutschen ausgehend zu beschreiben, indem er ein englisches Idiom zu Grunde legt. Überprüft man die Reihe der ‘subentries’ zu lassen, so findet man eine weitere Erklärung für deren überaus hohe Anzahl: Brockhaus-Wahrig verzeichnet als erste ‘Grundbedeutung’ von lassen (Vt) ‘zulassen’, ‘dulden’, ‘erlauben’, u.a. mit folgenden reihenbildenden Beispielen: fallen, grüßen, warten 25 Auf diese Beispiele werde ich nachfolgend noch näher eingehen, ohne dabei stets die Stellenangaben zu wiederholen. 112 Der zentrale Wortschatz des Deutschen etc. lassen (vgl. Wahrig/ Krämer/ Zimmermann 1980ff., Bd. IV, S. 407). Im ‘Dictionary’ hingegen sind die entsprechenden drei Beispiele durch die alphabetische Reihung voneinander getrennt. Der semantische (und auch grammatische) Zusammenhang bleibt dabei völlig unberücksichtigt; und das, obgleich diese Bedeutung bereits im Haupteintrag unter ‘1’ und ‘3’ anklingt. Weshalb könnte man hier z.B. auch fragen fehlen kommen, laufen, sich träumen etc. lassenl Und weiter: kann man in diesem Kontext wirklich schon von ‘gebundener Bedeutung’ sprechen, von Redewendungen etwa, oder liegt lassen hier nicht einfach nur in seinen beiden modalverb-ähnlichen Verwendungen vor, wie sie etwa von Suchsland (1987, vgl. S. 652) unterschieden und dargestellt werden? Ähnliches gilt auch für gehen: Die vier unterschiedenen (teilweise) freien Bedeutungen gibt das ‘Dictionary’ folgendermaßen an: „1. to go. Gehst du morgen in die Stadt? 2. to walk. Kann das Kind schon gehen? [Sagt man im Deutschen nicht laufen? U.Sch.] 3. to work. Wie geht die neue Maschine? 4. to run. Die Uhr geht nicht.“ (‘Dictionary’, S. 80). Demgegenüber findet man im Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben zwar auch vier Bedeutungen, die jedoch nicht völlig mit denen Pfeffers übereinstimmen: „VI = ‘sich mit Hilfe der Füße bewegen, meist vom Sprecher weg’ ... V2 = ‘bewegt, befördert werden’ ... V3 = ‘funktionieren, in Umlauf sein’ ... V4 = ‘ergehen’ ...“ (Helbig/ Schenkel 8 1991, S. 232). Verbunden mit dieser Unterscheidung, die selbstverständlich vom Deutschen ausgeht, ist eine unterschiedliche Valenzstruktur, sowohl was die quantitative, die qualitative als auch die semantische betrifft. Die eigentliche Klassifikation dieser Verbbedeutungen erfolgt also auf der tiefenstrukturellen Ebene des Sprachsystems, während auf der oberflächenstrukturellen Ebene der Sprachverwendung die Gebrauchsformen anhand von Beispielsätzen aufgezeigt werden. Pfeffer hingegen scheint vergleichbare Satzbaumuster im ‘Dictionary’ nicht zu verwenden, sodass er in den ‘subentries’ eine enorme Fülle von ähnlich konstruierten Beispielen aufzählt: so ist in die Stadt gehen, an die frische Luft gehen, auf der Straße gehen, auf die Straße gehen, u.a. zwar gebräuchlich in kontextgebundener Sprache, ebenso, wie es u.U. nach Hause gehen, über eine Brücke gehen etc. wäre; nur meine ich, dass sich die Bedeutung Der Untersuchungsgegenstand 113 von gehen in diesen Verbindungen insoweit abstrahieren, d.h. als (teilweise) frei bezeichnen ließe, dass ein Beispiel aus dieser Reihe genügen würde, und nicht alle, zusammen mit in die Höhe [oder sollte es nicht heißen Lu/ f? ! U. Sch.] gehen oder sich etwas durch den Kopf gehen lassen aufgelistet werden müssten. Die ‘subentries’ werden auf diese Weise zu einem Sammelbecken, in dem einerseits großzügig definierte Idioms Eingang finden, aber auch einfache Beispielsätze, die den Gebrauch (teilweise) freier Bedeutungen illustrieren sollen. Folgerichtig hätten diese eigentlich als kontextuelle Varianten einer Bedeutung dort zu erscheinen. Sollte mit gehen die Toleranzgrenze noch nicht überschritten worden sein, dann geschieht dies spätestens mit haben. Die Liste der ‘subentries’ erstreckt sich von Angst haben über es gut haben zu lieb haben, lieber haben etc. etc. Hier muss nun zwangsläufig eine kurze Bemerkung zu den Beispielsätzen im ‘Dictionary’ eingefügt werden. Generell sollten sie den gängigen Sprachgebrauch illustrieren und erklärende Funktion haben (vgl. auch Kap. 3.4.2.3 in dieser Arbeit). Zu diesem Zweck wäre u.a. das Anführen von Konnotationen wünschenswert. Doch leider muten die Sätze allzu häufig recht ‘synthetisch’, eigentlich nichts sagend an. So findet man unter Haar zwar den Satz Sie färbte sich ihr Haar, aber im gesamten Eintrag fehlt der Ausdruck blond, um dieses Musterbeispiel zu bemühen (vgl. ‘Dictionary’, S. 93f.). Stattdessen steht nach Hand: Kalte Hände, warmes Herz, nach Liebe'. Liebe ist blind [sic! ] (vgl. ebd., S. 133). Ohne den Wert oder die Richtigkeit dieser und anderer stets einfacher - Beispielsätze hier weiter zu diskutieren, ist es doch erstaunlich, dass sie formal z.T. identisch mit Idioms im Sinne Pfeffers sind, d.h. diese Kategorie keinesfalls ausschließlich auf die ‘subentries’ beschränkt ist. Ich werde es bei diesen wenigen, noch dazu sehr plakativen Beispielen belassen, um jetzt zusammenzufassen: Eine systematisch nachvollziehbare Gliederung oder gar Indizierung von Kollokationen, Idioms, Redewendungen etc. fehlt. Eine explizite Trennung oder auch nur Differenzierung der in gebundener Rede vorkommenden (teilweise) begrenzten Bedeutungen ist ebenfalls nicht auszumachen. Vielmehr werden sie auf Beispielsätze, die damit häufig einen Teil ihrer eigentlichen Funktion verlieren, und ‘sub- 114 Der zentrale Wortschatz des Deutschen entries’ verteilt, in letzteren sogar mit weiter nicht unterschiedenen, reinen Gebrauchsformeln vermischt. Im Zuge dieser Inkonsequenz kann bzw. muss man daher auch die Grenzen zwischen allen vier von Pfeffer aufgestellten Kategorien zur semantischen Schichtung der Wortbedeutung als fließend, ja fragwürdig bezeichnen: In der Mikrostruktur des ‘Dictionary’ sind sie für den Benutzer bzw. die Benutzerin jedenfalls nicht (mehr) nachvollziehbar. Ein Hauptgrund dafür scheint mir in Pfeffers umfangreichem Korpus zu liegen. Trotz seiner Bedeutungsanalyse auf der ersten Stufe stellt es eine rein an der Oberflächenstruktur orientierte Materialbasis dar. Die Auflistung zahlreicher Gebrauchsformen in den ‘subentries’ verdeutlicht das, insbesondere im Bereich der Verben. Wie in der knappen Gegenüberstellung Valenzwörterbuch - ‘Dictionary’ (s.o.) angedeutet wurde, wäre es bei Angabe der entsprechenden Bedeutungs- und Valenzstrukturen im Haupteintrag nicht nötig, die Menge der daraus abgeleiteten, kontextuell bedingten Gebrauchsformen in den ‘subentries’ derart hoch anzusetzen. Trotz der Mängel, die das Verfahren von Helbig/ Schenkel ( 8 1991) gewiss auch aufweist, führt es doch zu einer insgesamt ökonomischeren Darstellung, die darüber hinaus auch besser nachvollziehbar ist (vgl. auch Kap. 3.4.1.4.1 in dieser Arbeit). Eine vergleichbare Art von syntaktisch-semantischer Analyse wäre demnach zu bevorzugen gegenüber dem von Pfeffer eingeschlagenen Weg. Das im ‘Dictionary’ praktizierte Verfahren, englische Übersetzungsäquivalente mittels fragwürdiger deutscher Beispielsätze monosemieren zu wollen, trägt letztendlich zu einer weitaus größeren Anzahl von Inkonsequenzen bei, als dass es hilft, diese zu bereinigen. Das wird speziell im Bereich der gebundenen Rede offenkundig, denn hier stellt sich neben der Frage nach dem Fremdsprachenäquivalent noch zusätzlich die nach der Übersetzungseinheit (vgl. hierzu u.a. Thiel 1990). Der formale Aufbau des ‘Dictionary’ lässt außer dem alphabetischen kein weiteres Ordnungsprinzip erkennen, sieht man davon ab, dass wohl auch die Frequenz eine wenn auch nicht immer eindeutig nachvollziehbare - Rolle gespielt haben dürfte. Die angestrebte semantische Schichtung des Wort- Der Untersuchungsgegenstand 115 Schatzes ist aber nur dann sinnvoll, wenn sie zu einer klaren und verständlichen Kennzeichnung der jeweiligen Einheiten führt bzw. diese bereits beinhaltet. Die zu diesem Zweck erarbeiteten Kategorien sind jedoch nicht praxisbezogen ausgewählt, da sie nicht in die Binnenstruktur des Wörterbuchs übertragen werden (können) und nichts zur Gliederung beitragen (können). Auf die Lernenden bezogen heißt das: Sie können das angehäufte Material sicherlich im Sinne eines ‘reference volume' benutzen (der ‘English-German Index’ im Anhang des ‘Dictionary’, den ich bei meiner Betrachtung außer Acht gelassen habe, mag hierfür zusätzliche Dienste leisten). Als ‘workbook’ hingegen scheint mir das ‘Dictionary’ absolut untauglich zu sein. Die mangelnde Rückführung der Oberflächenstrukturen auf eine Tiefenstruktur insbesondere bei den Verben und die dafür verantwortlichen Gründe bieten den Lernenden keinerlei Möglichkeit im weitesten Sinne generative Schritte nachzuvollziehen oder Einblicke in systemhaft-strukturelle Zusammenhänge der deutschen (‘Grund-’)Sprache zu gewinnen. Zur bloßen Lektüre, die auf einer nur beschränkten lexikalischen Auswahl basiert, dürften sich den Lernenden interessantere ‘Texte’ anbieten. Seiner didaktischen Grundintention wird das ‘workbook’ somit kaum gerecht, und weshalb sollte statt des ‘Dictionary’ mit seiner mangelhaften Struktur(ierung) von den Lernenden nicht gleich ein umfangreicheres, ein- oder zweisprachiges (Lerner-) Wörterbuch zu Rate gezogen werden? Die von mir angestellten Überlegungen sowie die damit einhergehenden Exkurse in Bereiche der Semantik bzw. der Lexikografie haben mit großer Wahrscheinlichkeit dazu geführt, Pfeffers ‘Dictionary’ nun in einem allzu negativen Licht erscheinen zu lassen. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es nicht schwer fällt, die Arbeit eines Wissenschaftlers aus einer zeitlichen Distanz von mehr als dreißig Jahren zu beanstanden: In diesem Zeitraum hat sich insbesondere auf dem Gebiet der Semantik und auch der (Grundwortschatz-)Lexikografie einiges bewegt, was Pfeffer bei seinem methodischen Vorgehen damals zwangsläufig noch nicht berücksichtigen konnte. Nicht zuletzt auf diese Entwicklungen und die daraus ableitbaren Verbesserungsmöglichkeiten sollten meine kritischen Anmerkungen abzielen. Des Weiteren war die Basis, auf der Pfeffers ‘Grunddeutsch’-Unternehmen steht, für die damalige Zeit einzigartig, und sie ist es wohl in etlichen Punk- 116 Der zentrale Wortschatz des Deutschen ten auch noch heute. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Erstellung der Korpora und an das Konzept, das die Reihenfolge der Veröffentlichungen des Instituts für Grunddeutsch, beginnend mit der ‘Word-List’ (Pfeffer 1964) bis hin zum ‘Dictionary’, bestimmt hat. Doch die alleinige Tatsache, dass Pfeffer überhaupt den Versuch unternommen hatte, sein Material semantisch zu analysieren, darf nicht als selbstverständlich angesehen werden. Trotz der Vorbehalte, die aus heutiger Zeit angemeldet werden müssen, stellt Pfeffers Arbeit insgesamt eine sehr eigenständige (Wortschatz-) Grundlage dar. Sie bildet eben deshalb, und nicht zuletzt auf Grund der Kenntnis ihrer Schwächen, einen gut fundierten Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen. 2.3 Arno Ruoff (1981): ‘Häufigkeitswörterbuch der gesprochenen Sprache’ Das vorliegende Häufigkeitswörterbuch gesprochener Sprache (HGS) beruht auf 25jährigen Vorarbeiten im Rahmen der Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“ (TA) und stellt sozusagen ein zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich gewordenes Nebenprodukt unserer Arbeit dar (Ruoff 1981, im Folgenden abgekürzt und zitiert als HGS, 26 S. 9). Mit diesen Worten charakterisiert Ruoff auf den ersten Blick eher bescheiden das HGS. Es klingt geradezu untertrieben, wenn man dann in einer Kurzrezension liest: Das HGS ist wissenschaftlich gut durchdacht; es bietet dem Benutzer ein hohes Maß an Information und gibt mehr Einblicke in die Sprache, als der Titel vermuten läßt. Die sicher mühevolle Arbeit hat sich gelohnt (Müller, W. 1985.S. 61f). Ob und inwieweit man diesem eindeutigen Lob tatsächlich uneingeschränkt zustimmen kann, wird sich erst nach der eingehenderen Betrachtung des HGS zeigen. Im Gegensatz zu Pfeffer verlagert und beschränkt Ruoff den Gebrauchswert seiner Arbeit ganz erheblich. Er verfolgt keine didaktisch ausgerichteten 26 Ursprünglich hatte Ruoff die Abkürzung HWB gewählt und diese im Vorwort des Häufigkeitswörterbuchs auch verwendet; erst später ersetzt er sie durch HGS. In der vorliegenden Arbeit habe ich diese beiden Benennungen vereinheitlicht, d.h. HWB durchgehend durch HGS ersetzt. Der Untersuchungsgegenstand 117 Zielsetzungen, der Auslöser für seine Untersuchsuchungen ist vielmehr folgende Tatsache: [Die] Erkenntnis, daß zu jeder systematischen Behandlung von Sprachformen, daß zu jeder Erkenntnis des sprachlichen Systems notwendig die Kenntnis von Gebrauchshäufigkeiten gehört, hat nur selten zu deren Untersuchungen geführt. Die Frequenz von Erscheinungen ist in allen Bereichen der Sprachwissenschaft von oft bedeutendem Belang. Das gilt nicht nur für Relationen innerhalb des Wortschatzes, es gilt ebenso im phonetisch-phonologischen wie im morphologischen oder syntaktischen Bereich: die meisten Vorkommnisse des Sprachwandels hängen in irgend einer Weise mit Vorkommenshäufigkeit von Ausgangs- und Endform zusammen; kein sprachliches System ist hinreichend beschrieben, wenn die Vorkommenshäufigkeit seiner einzelnen Teile nicht berücksichtigt ist (HGS, S. 9). Ruoff ist, wie schon der Titel ‘Häufigkeitswörterbuch’ besagt, ausschließlich an der Frequenz von Wörtern interessiert. Als Zähleinheit fungieren dabei auf ihre jeweiligen Grundformen zurückgeführte ‘Wörter’, also Lexeme. Für ihn ist die Frage zentral, „wie häufig ein Wort in einer Sprache vorkommt. Die Häufigkeit seiner einzelnen Flexionsformen ist Untersuchungsgegenstand der Grammatik, nicht der Lexikographie“ (ebd., S. 12). Neben dem Nachteil, „daß die Belege in ihrer jeweiligen Flexionsform oder in Abhängigkeit von zufälliger textspezifischer Stilistik (bei dem : beim) aufgelistet sind“, sieht Ruoff den entscheidenden Mangel aller bisherigen Frequenzerhebungen „in der oft willkürlichen Auswahl und unsicheren Begrenzung der zugrundeliegenden Korpora“ (ebd., S. 7). In diesen Rahmen gestellt, bietet Ruoff nun auch eine weitere Erklärung, weshalb er sich für die gesprochene Sprache entschieden hat: Vor allem aber beruhen die meisten einschlägigen Arbeiten ausschließlich oder vornehmlich auf geschriebener deutscher Sprache und reflektieren den gravierenden Unterschied zwischen geschriebenem und gesprochenem Deutsch höchstens am Rande, indem sie ihre Listen für repräsentativ für die deutsche Sprache halten (ebd.). Was seine eigenen Absichten betrifft, so gelangt er folglich zu dem Schluss: Im Grunde ist es ja auch viel günstiger, ein auf einem klar definierten Korpus ausschließlich geschriebener Sprache beruhendes Häufigkeitswörterbuch voraussetzen zu können, dem ein solches ausschließlich ge- 118 Der zentrale Wortschatz des Deutschen sprochener Sprache gegenübertreten kann, wodurch sich klarer als bei Vermischung der Genera die prinzipiellen Verschiedenheiten beider Verwirklichungen von Sprache, aber auch deren oft erstaunliche Übereinstimmungen zeigen (HGS, S. 8). Ich habe diesen Problemkreis bereits bei der Besprechung von ‘Grunddeutsch’ im vorausgehenden Kapitel vertieft. Ruoffs Bemerkungen zielen prinzipiell in die gleiche Richtung und weisen nochmals von anderer Seite auf den hohen Stellenwert hin, den die Unterscheidung von Sprech- und Schreibsprache in diesem Kontext besitzt. Nun stellt sich erneut die Frage, welchen Weg Ruoff selbst einschlägt. Vorab wird die methodische Grundlage zu skizzieren sein, auf der das HGS basiert, 27 um dann beurteilen zu können, inwieweit sie den gestellten Ansprüchen gerecht wird. Der Ausgangspunkt war ein Projekt der ‘Tübinger Arbeitsstelle’. Dir ursprünglicher Plan sah vor, „alle bisher nicht hinlänglich untersuchbaren Erscheinungen im Bereich der Syntax und Stilistik zu erkunden und durch neu zu entwickelnde sprachstatistische Methoden das Gewicht der redebestimmenden geographischen, sozialen und situativen Faktoren für die jeweils untersuchte Spracherscheinung zu analysieren“ (HGS, S. 9). Mit dieser Vorgabe begann man 1955 damit, ‘freie Gespräche’ auf Band aufzunehmen. Das gesamte Arbeitsgebiet umfasste Baden-Württemberg, Bayrisch-Schwaben, Vorarlberg und Liechtenstein. In 400 Orten wurden 1500 Tonbandaufnahmen von insgesamt 350 Stunden erstellt, was einem Volumen von 2,5 Mio Wörtern entspricht. Diese wurden transkribiert und „unterteilt in Wörtblöcke von je 200 von der Gewährsperson gesprochenen Wörtern, denen die redebestimmenden Faktoren Sprachlandschaft, Geschlecht, Alters- und Berufsgruppe der Gewährsperson sowie Angaben von Gesprächsart und Gesprächsinhalt zugeordnet wurden“ (ebd.). Diesem Schritt folgte die Kontextualisierung und sprachwissenschaftliche Kategorisierung der Wörter, sowie deren ‘Standardisierung’ in zweifacher Hinsicht: a) Angabe der jeweiligen Grundform (z.B. Substantiv: Nominativ, Singular; Verb: Infinitiv; 27 Eine ausführliche Dokumentation findet man bei Ruoff (1973). Im Rahmen meiner Arbeit werde ich mich jedoch vor allem an die etwas knapperen Ausführungen in der Einleitung zum HGS halten. Der Untersuchungsgegenstand 119 Adjektiv: Positiv); b) (phonetische) Vereinheitlichung mundartlicher Ausdrücke (vgl. HGS, S. 9ff.). Die eigentliche Arbeit am HGS begann 1977. Die Grundlagen dazu bildeten das bisher gesammelte Material, sowie die Richtlinien zu dessen Bearbeitung. Auf zwei wesentliche Einschränkungen ist jedoch hinzuweisen: Das Referenzgebiet umfasst lediglich Baden-Württemberg, was auch die deutliche Minderung bzw. Beschränkung des Materialumfangs erklärt: „500.000 Wörter aus 2500 Wortblöcken zu je 200 Wörtern aus 343 Aufnahmen stellen das Korpus des HGS dar“ (ebd., S. 18). Hinzu kommt noch, dass vor allem aus projektinternen Gründen 27% dieses Korpus (= 928 Blöcke) aus Aufnahmen besteht, die in drei Weilern des mittleren Schwarzwalds durchgeführt wurden, somit die Objektivität des Gesamtkorpus maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. ebd., S. 10f. und S. 18). Legt man die folgenden Verteilungsgesichtspunkte zu Grunde, dann ergeben sich für die Zusammensetzung der 2500 Blöcke diese Zahlen: Sprachlandschaft: Fränkisch 582 23,3 % Schwäbisch 1237 49,5 % Alemmanisch 681 27,2 % 2500 100% Geschlecht: weiblich 886 35,4 % männlich 1614 64,6 % 2500 100% Sprachschicht: Grundmundart 930 37,2 % Regionalsprache 1285 51,4 % Umgangssprache 285 11,4 % 2500 100% Alter: alt 819 32,75 % mittel 1189 47,55 % jung 492 19,7 % 2500 100% Tab. 2: Zusammensetzung des HGS-Korpus (auszugsweise nach HGS, S. 19, um die Prozentangaben erweitert) 120 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Ich werde auf diese Zusammenstellung nicht näher eingehen, was ohne die genauere Definition der einzelnen Merkmale auch kaum möglich wäre (vgl. dazu: Ruoff 1973, S. 186-206 und S. 209). Die Aufstellung veranschaulicht in groben Zügen die Beschaffenheit bzw. Repräsentativität des Korpus. Allerdings vermag bereits diese Übersicht anzudeuten, dass neben dem sog. 'Schwarzwaldkorpus’ möglicherweise noch weitere Einflussfaktoren bestehen, welche die Wortauswahl beeinflusst haben (können). Die Anlage des HGS wird nun konsequenterweise von drei Gliederungskriterien bestimmt: Wortart, Frequenz und Alphabet. Ruoff unterscheidet folgende Wortarten: Substantiv, Verb (Verb/ Grundverb), Adjektiv, Adverb, Konjunktion, Präposition, Partikel, Artikel/ Fragewort/ Pronomen, Zahlwort, Name. Die Lemmatisierung und Klassifizierung erfolgt sorgfältig und schlüssig im Rahmen klar definierter Richtlinien. Auf die Eigenheiten bei der Handhabung gehe ich nicht weiter ein, sie sind allerdings in jedem Fall bei der Arbeit mit dem HGS zu berücksichtigen. Nur so lässt sich in etwa abschätzen, welche Formen zu einem aufgelisteten Wort zusammengefasst werden; das gilt in gleichem Maße für die Lemmawie für die Wortartenzuordnung und trifft natürlich insbesondere auf die problematischeren Fälle zu, wie etwa substantivierte Infinitive und Adjektive, Verbaladjektive in Form von Partizip I und II, komplexere Verbalformen aber auch auf zahlreiche weitere (vgl. HGS, S. 16ff. bes. S. 20ff.). Die Wortarteneinteilung ist auch zu berücksichtigen, wenn man die Beleg- und Häufigkeitsangaben vergleicht: Sie beziehen sich stets auf die Verteilung eines Wortes innerhalb seiner Klasse. Ganz im Sinne seiner Grundintention weist Ruoff darauf hin: „Bei Angabe von Häufigkeitsverteilungen muss ja doch stärker interessieren, welchen Rang ein Lemma innerhalb einer Wortart einnimmt als innerhalb des Lexikons überhaupt ... Der gewichtigste Grund ist, dass Strukturanalysen des Wortschatzes nur auf dieser Basis möglich sind“ (ebd., S. 1 lf.). Will man dennoch die absolute Frequenzzahl erfahren, so lässt sich diese leicht ermitteln, wenn man die jeweilige Belegzahl in Bezug zum Gesamtkorpus setzt. Der Untersuchungsgegenstand 121 In einer Übersichtstabelle ist zusammengestellt, „wie sich die 500.000 Belege des HGS auf die verschiedenen Wortarten verteilen und auf wieviele Lemmata innerhalb dieser“ (HGS, S. 19): Häufigkeitswörterbuch gesprochener Sprache Belege abs. % Lemmata abs. % Substantiv 54052 10,81 9398 59,95 Verb 105939 21,19 4414 28,16 Adjektiv 13995 2,80 1462 9,33 Adverb 50395 10,08 209 1,33 Konjunktion 62427 12,49 47 0,30 Präposition 27865 5,57 45 0,29 Partikel 30628 6,13 58 0,37 Artikel, Fragewort, Pronomen 112474 22,49 43 0,27 Zahlwort 28056 5,61 Name 14169 2,83 Gesamt 500000 100,00 15676 100,00 Tab. 3: Verteilung der ausgezählten und hochgerechneten Gesamtbelege auf Wortarten und Lemmata (aus HGS, S. 20) Die Aussagekraft der Tabelle beschränkt sich nicht bloß auf die Angabe rein statistischer Werte; diese sind nämlich in der Folge als erstes Ergebnis einer Strukturanalyse zu verstehen: 60% der Wörterbucheinträge sind Substantive, die aber nur gut 10% der Belege stellen. Anders gesagt: jedes zehnte Wort der gesprochenen Sprache ist ein Substantiv, aber sehr viel häufiger immer wieder ein anderes Wort als bei den anderen Wortarten. Das Verhältnis Belege zu Lemmata ist beim Substantiv ungefähr 5 : 1, beim Adjektiv 10 : 1, beim Verb 25 : 1, beim Adverb schon 250 : 1, bei den anderen Wortarten natürlich noch größer. Substantive und Adverbien haben fast gleich viele Belege, der Fundus an Substantiven ist aber ungefähr der fünfzigfache (Ruoff 1983, S. 21). Damit will Ruoff zugleich andeuten, „was das HGS ... leisten soll und kann“ (ebd.): Ganz allgemein stellt es in erster Linie ein Hilfsmittel dar für eine an 122 Der zentrale Wortschatz des Deutschen der Frequenz orientierte Erforschung von sprachsystemhaften Strukturen wie etwa den eben genannten oder den (Ir-)Regularitäten der ‘Wortbildung in gesprochener Sprache’ (vgl. Ruoff 1983, S. 25). Um diesen Ansprüchen möglichst gerecht zu werden, enthält das HGS folglich drei Listen: „eine alphabetische, eine rückläufig-alphabetische, eine nach Häufigkeit geordnete, jeweils gesondert nach Wortarten“ (HGS, S. 11). Im Großen und Ganzen werden die drei Aufbauprinzipien des HGS eingehalten; hinzuweisen ist lediglich auf zwei Eigenheiten, denen sich die Benutzer und Benutzerinnen gegenübergestellt sehen: Als Erstes sind neben den einzeln ausgezählten, numerisch ausgewiesenen Einzelbelegen die hochgerechneten, sog. ‘z-Belege’ bei Adverbien, Konjunktionen, Präpositionen, Partikeln, Artikeln, Fragewörtern und Pronomina zu nennen. Ruoff begründet ihr Zustandekommen wie folgt: Kurze Versuche bestätigen die Erwartung, daß es sich bei all diesen Wortarten nur um sehr kleine Anzahlen von Lemmata mit jeweils sehr hoher Frequenz handle, daß also dieselbe statistische Signifikanz wie bei den großen Wortarten bereits bei einem Bruchteil des Materials einträte. Wir entschlossen uns deshalb, Belege nur an einem Teil des Materials auszuzählen und hochzurechnen ... Das Hochrechnungskorpus sollte ungefähr 5% des HGS-Korpus betragen ... (ebd., S. 16). Die Belege wurden durch den Multiplikator 20,83 auf die Stufe der anderen gesetzt. Dabei ergab sich die Schwierigkeit, daß wir zwar getrost von einem im Hochrechnungskorpus 100 mal belegten Lemma sagen konnten, daß es im HGS-Korpus insgesamt 2083 mal vorkomme ... aber nicht von einem nur 1 mal belegten, daß es nicht mehr und nicht weniger als 20,83 - 21 mal belegt sein würde. Um diese Mißgeschicklichkeit zu vermeiden, wurden alle selten belegten Lemmata im HGS-Ausdruck ohne Belegzahl angegeben, stattdessen ist mit z auf die letzte Zeile der betreffenden Liste verwiesen, worin die hochgerechnete Gesamtzahl aller z-Belege angegeben ist (ebd., S. 17). Als Zweites ist eine Besonderheit bei der Lemmatisierung aufzuführen: Die Rückführung und damit Reduktion der Belege auf eine Grundform stellt insbesondere im Bereich der ‘funktionalen Wortklassen’ ein Problem dar. Ruoff fasst sämtliche Artikel und Demonstrativpronomen mit den Formen der! dieser zusammen, sämtliche Personalpronomen mit ich und alle Possessivpronomen mit meirv, so werden sie auch in den Listen geführt. Die genaue Verteilung innerhalb der jeweiligen Paradigmen geben Matrizes im Anhang Der Untersuchungsgegenstand 123 des HGS wieder. Dort wird auch die Verteilung der ‘Zahlen’ und ‘Namen’ näher aufgeschlüsselt (vgl. HGS, S. 514ff.). Die Ausführungen haben gezeigt, dass das HGS keinesfalls als bloßes ‘Nebenprodukt’ bezeichnet werden kann. Seine Konzeption leitet sich aus einer relativ klar definierten Zweckbestimmung her. Es ist so gesehen das Ergebnis einer gezielten (praktischen) Umsetzung, die sich stets am Rahmen der (theoretisch) abgesteckten Erfordernisse orientiert. In diesem Sinne soll das HGS als praktikables Instrument dienen, um damit Einblicke in systemhafte lexikalische Strukturen der Sprechsprache gewinnen zu können. Mit diesem Gebrauchswert wird zugleich der Adressatenkreis definiert: Ruoff wendet sich mit dem HGS vor allem an Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen, deren Muttersprache Deutsch ist, oder die andernfalls (sehr) gute Deutschkenntnisse erworben haben. Wohl deshalb meint Ruoff im Gegensatz zu Pfeffer auf eine semantische Schichtung der einzelnen Lemmata i.d.R. verzichten zu können. Stattdessen wird jeweils ein ‘Wort’ angegeben und vorausgesetzt, dass die Benutzer und Benutzerinnen dessen ‘normale’ zumeist an der Häufigkeit orientierte - (Haupt-)Bedeutung intuitiv erfassen können. Die einzige Ausnahme bei dieser Verfahrensweise bilden sog. Homogramme. Ruoff unterscheidet zwei Klassen: Die erste (‘Semihomogramme') enthält alle Wörter, die mehr als eine Bedeutung haben oder metaphorisch gebraucht sind, z.B. Post = Brief, Postamt, Institution; Birne = Frucht, vergleichbar geformte Leuchtröhre oder Kopf; Hand = Körperteil, halb metaphorisch ‘mit eigener Hand’, ganz metaphorisch ‘zu treuen Händen'. Belege dieser Klasse wurden im HGS nicht unterschieden. Die zweite Klasse der eigentlichen Homogramme enthält etymologisch und/ oder sachlich voneinander völlig unabhängige Wörter gleicher Lautung und/ oder Schreibung: Halm - Tier und Hahn = Wasserhahn. Bei dieser Klasse sind unterschiedliche Lemmata angesetzt ... Das geschieht auch dann, wenn nur eine von zwei oder mehreren möglichen Bedeutungen im Korpus belegt ist, und wenn es sich dabei nicht um die nächstliegende, weitaus häufigste, also die ‘normale’ Bedeutung handelt (HGS, S. 12f.). Letztendlich unterscheidet also auch Ruoff polyseme von homonymen Wörtern. Die prinzipiellen Schwierigkeiten, die eine solche Trennung mit 124 Der zentrale Wortschatz des Deutschen sich bringt, aber auch welche Lösungsvorschläge sich anböten, wurden bereits ausführlich in Kap. 2.2 besprochen. Den entscheidenden Kritikpunkt bilden auch bei Ruoff die Abgrenzungskriterien. Er bedient sich nämlich wahlweise der drei schon bekannten Methoden. Dabei ist die Begründung mit Hilfe der Etymologie auch in Ruoffs ausschließlich an der Gegenwartssprache orientierten Arbeit eigentlich von vornherein abzulehnen: „Für eine synchrone Unterscheidung von Homonymie und Polysemie ist ... der diachrone Aspekt nicht anwendbar“ (Bergmann 1977, S. 35). Auf den Vorwurf der Subjektivität, der den beiden verbleibenden Analysebzw. Abgrenzungsverfahren der Merkmalanalyse und der Hinterfragung des Sprachbewusstseins entgegengebracht wird, habe ich bereits hingewiesen. Die Klasse der eigentlichen Homogramme enthält nur Wörter, die ‘etymologisch und/ oder sachlich’ völlig unabhängig voneinander sind (s.o.). Doch welche Aussagekraft besitzt eine derart vage formulierte Definition? Können mit ihrer Hilfe tatsächlich echte Homogramme von übertragen gebrauchten Wörtern klar und eindeutig abgegrenzt werden? Ich meine nicht, denn wie sollte man diese Grenze zwischen ‘völliger sachlicher Unabhängigkeit’ und ‘metaphorischem Gebrauch’ festlegen, wenn man die Begriffsgeschichte außer Acht lässt bzw. lassen sollte? Der Spielraum für Interpretationen wird auf diesem Wege jedenfalls nicht eingeschränkt, im Gegenteil; es bleibt den Benutzern und Benutzerinnen überlassen, ob sie entsprechende Einzelentscheidungen etymologisch und/ oder sachlich (semantisch? ) begründet bzw. aus dem Sprachbewusstsein heraus nachvollziehen möchten. Ob sie das jeweils können, darf angezweifelt werden. Aber auch Ruoff selbst bleibt seiner ohnehin fragwürdigen theoretischen Einteilung nicht treu, wenn er Post im HGS schließlich doch mit drei getrennten Lemmata auflistet: ‘Anstalt’, ‘Brief, ‘Postkutsche’ (s.o., vgl. HGS, S. 84). Dieses Beispiel belegt die nicht immer konsequente bzw. nicht immer konsequent mögliche Umsetzung seiner Klassifikationsbasis. Ruoff hätte dererlei Schwierigkeiten eventuell vermeiden können, wenn er auf rein synchroner Ebene die Mehrdeutigkeit (und Vagheit) als solche (an-) erkannt hätte. Davon ausgehend wären Differenzierungen, die beispielsweise auf Grund einer Komponentenanalyse für notwendig befunden wurden, zwar Der Untersuchungsgegenstand 125 nicht frei von subjektiven Einflüssen, jedoch immerhin intersubjektiv nachvollziehbar. Dem Einwand, dass Ruoff ja in erster Linie an den Lemmata interessiert sei, und er deshalb der Bedeutungsanalyse nur eine untergeordnete Rolle zuschreibt, ist entgegenzuhalten, dass ‘Wörter’ im Rahmen des zeichentheoretischen Ansatzes als bilaterale Zeichen zu verstehen sind, die sich aus Form und Inhalt zusammensetzen. Die auch für ein Frequenzwörterbuch notwendige Lemmatisierung müsste demzufolge beide Seiten berücksichtigen zumal, wenn sog. Homogramme angesetzt werden: Auf formaler Seite wären die Belege auf Grundformen zu reduzieren, auf inhaltlicher zu ‘Grundinhalten’ zusammenzufassen. Beides sollte auch nach verbindlichen Grundsätzen geschehen. Davon kann man im Falle des HGS jedoch nicht ausgehen. Selbst wenn man, wie Ruoff, ‘nur’ an der lexikalischen Struktur des Sprachsystems interessiert ist, oder gerade deshalb, wäre es nicht nur wichtig, die Frequenz von Homonymen zu erfahren, sondern auch die entsprechende Frequenz der Lesarten von polysem gebrauchten Wörtern aufzuschlüsseln. Das Ansetzen von getrennten bzw. subklassifizierten Lemmata wäre demnach in beiden Fällen wünschenswert, da rein synchron durchaus zu unterscheiden ist, ob ein Sprecher das Wort Birne in seiner ursprünglichen Bedeutung als ‘Frucht’, möglicherweise als pars-pro-toto-Bezeichnung für einen ‘Baum’ verwendet, oder in seiner abgeleiteten, übertragenen oder ‘metaphorischen’ Bedeutung, als ‘(Glüh-)Birne’. Im objektsprachlichen Bereich wäre dieser Gegensatz jedenfalls in gleicher Weise zu differenzieren, wie der zwischen Hahn (‘Vogel’) und (Wasser-)Hahn. Für das Sprachsystem sind solche Angaben jedenfalls nicht ohne Belang. Was vor allem bei den Substantiven zu erheblichen Problemen führt, nämlich die Notwendigkeit einer Bedeutungsanalyse und -differenzierung einerseits sowie deren fragwürdige Durchführung andererseits, wird bei Verb- Homogrammen durch deren syntaktischen Gebrauchsrahmen scheinbar wesentlich erleichtert: Vielfach erübrigt sich die Bedeutungsangabe dadurch, daß Verb-Homogramme etwa durch die Angabe der Reflexivität (den häufigsten Grund für Homogramm-Ansätze) oder der Transitivität geschieden werden 126 Der zentrale Wortschatz des Deutschen (HGS, S. 13): z.B. ein/ kaufen vs. ein/ kaufen, sich (ebd., S. 127), ein/ treten, i vs. ein! treten, tr (ebd., S.128). Damit ist aber neben die etymologisch-sachliche Verschiedenheit, welche ausschlaggebend für die Substantiv-Homogramme ist, noch die grammatische bei den Verben getreten. Die Trennung nach Wortarten im HGS mag die Vermischung der einzelnen Kriterien zwar teilweise rechtfertigen, aber der Terminus 'Homogramm' ist auf diese Weise nicht mehr fassbar. Sein Status wird in dem Maße fragwürdig, wie die zunehmende Menge der erforderlichen Definitionskriterien eine Auswahl willkürlich erscheinen lässt. Weshalb legt man der Unterscheidung von Verb-Homogrammen beispielsweise keine semantischen Selektionsrestriktionen zu Grunde? Die von Ruoff gewählte Verfahrensweise wird in meinen Augen selbst einer minimalen Bedeutungsanalyse kaum gerecht. Er ist sich dieses Umstands wohl auch bewusst, wenn er betont: „Es war überaus verlockend, über die ... genannten bedeutungsdifferenzierenden grammatischen Angaben hinaus weitere Zusatzinformationen im HGS mitzuliefem“ (ebd., S. 13). Ruoff verwirft diese Idee leider möchte man sagen im Hinblick auf nötige weitere Spezialuntersuchungen (vgl. ebd.). So ist das HGS eine primär an der Frequenz von Wortformen orientierte Auflistung. Der von vornherein eingeschränkte Adressatenkreis soll durch eine Reduzierung der spezifizierten Information dennoch möglichst groß gehalten werden. Im Einzelfall kann ja auf das Korpus der Tübinger Arbeitsstelle zurückgegriffen werden. Überspitzt könnte man formulieren: ein verkaufsstrategischer Schachzug, denn welche Aussagekraft hat allein die Häufigkeit eines Lemmas, wenn seiner Semantik und Grammatik nicht die entsprechende Sorgfalt entgegengebracht wird? Der Rang der Benutzer und Benutzerinnen als ‘ideale Sprecher/ Sprecherinnen’ wird zu hoch eingeschätzt, was im Detail einen zu hohen Grad an Interpretationsfreiheit auf deren Seite zur Folge haben könnte. Der Semantik weist Ruoff also ganz allgemein eine untergeordnete Rolle zu. Das führt zwangsweise zu Nivellierungen, die nicht ohne Konsequenzen bleiben. Neben der eben ausgeführten ist noch eine weitere Eigentümlichkeit anzuführen, die die Frequenzzählung direkt beeinflusst: „Formeln, idiomati- Der Untersuchungsgegenstand 127 sehe Wendungen, Sprachbilder, Sprichwörter mußten notgedrungen in ihre Einzelbedeutungen aufgelöst werden“ (HGS, S. 13). Ein Idiom im engeren Sinn kann jedoch definiert werden als „feste, mehrgliedrige Wortgruppe“ mit der zentralen Eigenschaft: „die Gesamtbedeutung kann nicht aus der Bedeutung der Einzelelemente abgeleitet werden“ (Bussmann 2 1990, S. 320). Trennt und zählt man, wie Ruoff, dennoch die Einzelwörter, so beeinflussen gewissermaßen ‘entsemantisierte Worthülsen’ die Frequenz. Am Beispiel der relativ häufig in idiomatischen Wendungen auftretenden Bezeichnungen für Körperteile kann dies veranschaulicht werden: So entfallen auf Hand 253 Belege, auf Fuß 100, auf Kopf 13, auf Auge 30, auf Herz 25, auf Arm 22 (vgl. HGS, S. 254 - 357); Hand steht dabei auf Rang 19 der Substantivliste, Arm immerhin noch auf Platz 385. Wenn also die Benutzer und Benutzerinnen mit diesen vergleichsweise hohen Zahlen nicht ‘auf den Arm genommen werden wollen’, so müssen sie wohl die Frequenz nach unten hin korrigieren. Ein solches Vorgehen wird ferner dem kollokativen Charakter der Sprache nicht in der geringsten Weise gerecht. Die bemängelten Vereinfachungen im Bereich der Bedeutungsdifferenzierung bzw. der Art und Weise, wie sie vorgenommen wurden, führen letztlich dazu, die Exaktheit des HGS einzuschränken: Die Zahlenwerte sind nicht absolut zu setzen. Vor diesem Hintergrund wird natürlich auch der Wert der drei verschieden geordneten Listen beeinträchtigt. Man kann gewiss der Meinung zustimmen: ... ein Frequenzwörterbuch ist kein Nachschlagewerk, wenn man die Bedeutung eines bestimmten Wortes sucht ... Ein Frequenzwörterbuch ist ein geeignetes Nachschlagewerk erst dann, wenn man den Gebrauch der Wörter in Erfahrung bringen, d.h. wenn man sich über die Anwendungsstruktur eines Wortschatzes informieren will (Rosengren 1986, S. 156), doch hier muss weiter gefragt werden: Was erfährt der Benutzer bzw. die Benutzerin eigentlich über den „Gebrauch der Wörter“, über „die Anwendungsstruktur des Wortschatzes“? Im Verhältnis zum Aufwand, den die Erstellung eines Frequenzwörterbuchs fordert, genau genommen relativ wenig, außer dass bestimmte Wörter oder Wortarten häufiger, andere weniger 128 Der zentrale Wortschatz des Deutschen häufig Vorkommen. „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“ sagt Wittgenstein (1989, S. 262). Bleibt die Bedeutung allerdings weitgehend außen vor, so der Umkehrschluss, lassen sich auch schwerlich Aussagen über den Gebrauch bzw. Gebrauchsrahmen der Wörter machen. Interessant wären in diesem Kontext also etwa die Erklärungen, die das Sprachsystem für die Häufigkeit von Wörtern bzw. von Wortbedeutungen möglicherweise bereithält; sie könnten zwar ermittelt werden, blieben aber häufig vage, sofern das Frequenzwörterbuch als Basis die nötige Zusatzinformation nicht bereithält. Es wäre durchaus denkbar, dass eine Wortform nur in idiomatischen Wendungen vorkäme, das durch sie Bezeichnete aber völlig ‘unwichtig’ wäre. Dann fiele die idiomatische, eigentlich ‘wichtige’ Bedeutung ganz unter den Tisch ... Auf der anderen Seite gibt Kaufmann zu bedenken: je größer die Zahl der (semantisch verwandten) Verben ist, mit denen ein bestimmtes Muster realisiert werden kann, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß eines dieser Verben in den Bereich hoher oder höchster Frequenz aufsteigt. Es ist im Gegenteil zu vermuten, daß sich die Frequenz des Vorkommens ziemlich gleichmäßig auf alle diese Verben verteilt. Ist das der Fall, so besteht die Gefahr, daß auch nicht eines dieser Verben in einer ausschließlich nach dem Kriterium der Worthäufigkeit gewonnenen Wortliste erscheint (1968, S. 17). Mit den abschließenden Beispielen wollte ich nochmals verdeutlichen, dass auch der Weg zu einer Häufigkeitsliste eigentlich nicht an einer semantischen Analyse vorbeiführen darf. Es liegt eben nicht einfach in der Natur der Sache begründet, dass sich Frequenzwörterbücher nur auf Wortformen beschränken müssen. Auch die Reduzierung des Gebrauchswertes auf vermeintlich rein Struktur- und systemimmanente Aspekte der Sprache bietet keine ausreichende Begründung. Vielmehr stellt sich die Frage, was die bloße Häufigkeit eines Wortes tatsächlich für eine Aussagekraft besitzt, denkt man beispielsweise an die höherrangigen Substantive, die in aller Regel eine starke polyseme Auffächerung besitzen, und deshalb ‘inhaltlich’ sehr verschieden gebraucht werden können. Bevor ich zum zweiten Wörterbuch dieses Typs übergehe, lässt sich eine vorläufige Zwischenbilanz ziehen: Prinzipiell sollte man Frequenzwörterbü- Der Untersuchungsgegenstand 129 ehern aus den genannten Gründen mit einer gewissen Skepsis gegenübertreten. Bei aller Berechtigung, eine Erhöhung des Informationsgehalts und somit eine Verbesserung des Gebrauchswerts von Frequenzwörterbüchem zu fordern, darf eines natürlich nicht vergessen werden: Die zu Grunde gelegte, möglichst umfangreiche Korpusgrundlage müsste dann nämlich nicht nur für die durch Algorithmen gesteuerte, automatisierte Auswertung mittels eines Computers digitalisiert, sondern in weit höherem Maße als bislang mit entsprechenden Zusatzinformationen intellektuell und manuell annotiert werden. Ein solches Ziel anzustreben setzt zwar einen immensen Arbeits-, Zeit- und Geldaufwand voraus, wäre vom linguistischen Erkenntnisinteresse her betrachtet jedoch äußerst lohnenswert. 2.4 Inger Rosengren (1972-1977): ‘Ein Frequenzwörterbuch der deutschen Zeitungssprache’ Das zweibändige ‘Frequenzwörterbuch der deutschen Zeitungssprache’ (Rosengren 1972-1977; im Folgenden abgekürzt und zitiert als FdZ, Bd. 1 als FdZl, Bd.2 als FdZ2) könnte man vorschnell als das schreibsprachliche Pendant zum HGS bezeichnen. Doch obgleich Parallelen etwa der gemeinsame Frequenzansatz bestehen, sind einzelne Unterschiede in der Zielsetzung, der Vorgehensweise und dem Aufbau nicht von der Hand zu weisen. Bereits der Titel lässt erkennen, dass es Rosengren keineswegs um die geschriebene Sprache als solche geht, sondern vielmehr um einen verhältnismäßig klar umrissenen Teilbereich. Demgemäß bemüht sie sich auch, den Begriff der ‘Zeitungssprache’ vorab terminologisch einzugrenzen und somit ein Fundament für die Auswahl des Materials bereitzustellen. Sie fasst zwei Definitionen zusammen und fügt letzterer noch zwei Unterabteilungen hinzu: 1. Die Zeitungssprache ist ein sprachliches System neben anderen sprachlichen Systemen und besitzt (außer spezifischen qualitativen Eigenschaften) bestimmte quantitative Eigenschaften. Diese quantitativen Eigenschaften lassen sich ermitteln durch eine Auswertung eines großen, repräsentativen und heterogenen Materials aus verschiedenen Zeitungen. 2. Die Zeitungssprache ist das Ergebnis einer quantitativen Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten eines sprachlichen Systems beim Verfassen von Zeitungstexten. 130 Der zentrale Wortschatz des Deutschen a. Zeitungssprache als stilistischer Begriff: Wir gehen von dem Begriff der stilistischen Kompetenz aus. Die stilistische Kompetenz eines Sprechers besteht aus einer idiosynkratischen Kombination von u.a. probabilistischen Performanzregeln, die angeben, wie oft bestimmte optionale Regeln und Einheiten des Systems (z.B. bestimmte Transformationsregeln) bei der Erzeugung eines Textes gewählt werden (Stil als Wahl...)... b. Der Begriff Zeitungssprache kann aber außer dem Stil eines Textes auch seinen Inhalt umfassen. Mit Zeitungssprache meint man dann nicht nur die Bevorzugung z.B. bestimmter optionaler syntaktischer Konstruktionen, sondern auch die sich aus der Themenwahl ergebende Bevorzugung bestimmter Wörter und Wendungen. Ganz unabhängig davon, ob man Zeitungssprache als stilistischen Begriff oder als auch den Inhalt eines Textes umfassenden weiteren Begriff definiert, läßt sich auf die Performanzregeln, die die Wahl der Regeln und Einheiten des Systems steuern, nur durch eine Analyse und einen Vergleich von Texten (Grundgesamtheiten) schließen (FdZl, S. Xf., vgl. auch Rosengren 1986, S. 157f.). Dieser Anforderung gerecht zu werden, steht sicherlich im Mittelpunkt des gesamten Vorhabens, und so stellt das FdZ für die Ebene der Lexik zweifelsfrei ein sehr umfangreiches Vergleichsinstrumentarium dar: „Es ist eine Widerspiegelung der Anwendung des Wortschatzes und der Wortbildungsregeln einer bestimmten Sprechergruppe in einer oder mehreren abgrenzbaren und definierbaren Situationen“ (Rosengren 1986, S. 156). „Das Frequenzwörterbuch systematisiert mit anderen Worten ein Stück parole“ (ebd., S. 16). Darüber hinaus hebt Rosengren eigens hervor, dass das FdZ auch als Hilfsmittel für die Erstellung von Grundwortschatzwörterbüchern dienen kann: Die Standardsprache ... besitzt ein Lexikon, das aus einem Kern und einer Reihe von Speziallexika besteht ... Der Kern besteht aus Wörtern, die in mehreren Situationen wiederkehren und die auch die Bausteine der verschiedenen Speziallexika sind. Sie haben folglich im Kopf des Standardsprechers eine hohe Wahrscheinlichkeit und im Gebrauch des Lexikons eine hohe Frequenz. Theoretisch werden sie aber eben dadurch definiert, daß sie einen Grundwortschatz ausmachen, ohne den man die Standardsprache nicht sprechen kann (ebd., S. 158f.). Der Untersuchungsgegenstand 131 Diese These, die im Kern von Krohn (1992) weiterverfolgt und bestätigt wird, sollte man allerdings insofern nicht missverstehen, als würden die höherrangigen Wörter des FdZ selbst einen (fremdsprachendidaktischen) Grundwortschatz darstellen. Dessen ist sich auch Rosengren sehr wohl bewusst: „Die Frequenz allein aber ist ein grobes Maß der Nützlichkeit. Andere Eigenschaften der Wörter sollten ebenfalls berücksichtigt werden ...“ (FdZl, S. XXV, vgl. auch Kap. 1.1 in dieser Arbeit). An anderer Stelle befasst sie sich nochmals ausführlicher mit „der Beziehung zwischen dem Frequenzwörterbuch und dem Grundwortschatz“ (Rosengren 1986, S. 156, vgl. auch Rosengren 1976). Neben den skizzierten sprachwissenschaftlichen bzw. sprachdidaktischen Erkenntnisinteressen vermag das FdZ aber in gewissem Maße ebenso die Aufmerksamkeit von Sozialwissenschaftlern und Sozialwissenschaftlerinnen zu wecken, „da die beiden Zeitungen ... die politische und soziale Welt der aktuellen Jahre widerspigelt [sic! ]“ (Rosengren 1986, S. 155). Welchen Nutzen man auch immer aus dem FdZ ziehen mag, eines sollte man sich stets vor Augen halten, nämlich: „Frequenzunterschiede können entweder ein Ausdruck der Zeit oder der Zusammensetzung [der Korpora, U. Sch.] oder eine dritte Möglichkeit der Zusammenwirkung von Zeit und Zusammensetzung sein“ (Rosengren 1968, S. 17). Dieser Aspekt ist in der Vergangenheit vielfach nicht beachtet worden. Einige Fassetten des Gebrauchswerts wären damit umrissen. Für Rosengren selbst steht zunächst jedoch die Analyse der Zeitungssprache im Mittelpunkt, deren „zentrale Rolle ... für die Dokumentation und Erforschung der deutschen Gegenwartssprache“ (FdZl, S. IX) sie nachdrücklich hervorhebt. Die oben angesprochenen, aber auch weitere Verwendungsmöglichkeiten wie beispielsweise die Analyse von Wortbildungsregularitäten sind so gesehen Folgenutzungen. In Bezug auf ihre Materialbasis resümiert Rosengren: Zeitungssprache ist also ein relativer Begriff auf der Ebene der Performanz und kann nur sinnvoll verwendet werden, wenn man gleichzeitig angibt, aus welchen Grundgesamtheiten er abstrahiert wurde ... Die Grundgesamtheit muß, so weit dies möglich ist, homogen sein. Da die Homogenität natürlich immer relativ ist, ist es besonders wichtig, daß man die Struktur der Grundgesamtheiten genau kennt. Nur dann ist eine Auswertung der Ergebnisse möglich (ebd., S. XII). 132 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Für die Wortschatzerhebung bedeutet dies, dass sie stets relativ, man könnte auch sagen in gewisser Weise subjektiv ist. Rosengren setzt also an die Stelle der von vornherein nicht zu erreichenden Objektivität die möglichst hohe Transparenz in der Vorgehensweise, und das beinhaltet natürlich in erster Linie die Auswahl und Aufarbeitung des Materials. Die Korpusbedingtheit wird dabei nicht nur in Kauf genommen, sondern sie wird zur Methode ganz im Gegensatz zur durchaus gängigen Praxis, möglichst breit gefächerte, zumeist nicht genauer eingegrenzte Materialgrundlagen auszuwerten. Diese vermitteln allerdings häufig anstatt der angestrebten Repräsentativität eher den Eindruck einer recht willkürlichen Wortschatzansammlung, deren eigentlicher Gebrauchswert eher fragwürdig erscheint oder gar vage bleibt. Vergegenwärtigt man sich den notwendigen Aufwand, aussagekräftige Wortschatzanalysen durchzuführen, so ist die Forderung nach relativer Homogenität der Materialbasis i.d.R gewiss erstrebenswerter als das Hervorheben einer falsch verstandenen Heterogenität. Die Voraussetzungen sind nun geklärt, und es schließt sich die Frage an, wie Rosengren ihr Vorhaben umgesetzt hat. Sie selbst fasst ihr aufwändiges Projekt in wenigen Worten zusammen: ‘Ein Frequenzwörterbuch der deutschen Zeitungssprache’ spiegelt zwei Grundgesamtheiten wider: die Welt und die SZ vom 1. Nov. 1966 bis 30. Okt. 1967. Die beiden dem Frequenzwörterbuch zugrundeliegenden Korpora umfassen 2 Vi Mill. bzw. 500 000 laufende Wörter. Das Material besteht aus folgenden Kategorien: Meinung, Politik, Kultur, Wirtschaft und Verschiedenes. Die Worteinheit des ersten Bandes ist die Wortform, die des zweiten Bandes das Wort (d.h. die Grundform des Wortes). Jeder Band enthält verschiedene numerisch und alphabetisch sortierte Listen (1986, S. 155, vgl. weitere Details im FdZl, S. Xllff.). Für die Zuordnung der Beiträge und damit der Zähleinheiten wurde die Sparteneinteilung der Zeitungen im Wesentlichen beibehalten, allerdings zusammengefasst und auf fünf reduziert (vgl. FdZl, S. XIXf.). Die fünf Grundgesamtheiten sind so gesehen auch das Ergebnis der Bemühungen, die beiden Zeitungen aufeinander abzustimmen(vgl ebd., S. XVff. zu weiteren Details bei der Zuordnung). Von vornherein nicht berücksichtigt wurden etwa die lokalen Beiträge, unsignierte und übersetzte Artikel, alles, was nicht zum laufenden Text gehört und bestimmte Sparten, z.B. Sport (vgl. ebd., S. XIIL). Der Untersuchungsgegenstand 133 Rosengren belässt es also nicht nur bei der Beschränkung auf ‘die Zeitungssprache’, sondern sie bedient sich um der Transparenz und Vergleichbarkeit willen einer weiteren Unterteilung. So überzeugend dieses Vorgehen auch ist, es wirft dennoch einige Schwierigkeiten auf, welche die Abgrenzung der einzelnen Kategorien betreffen und damit die Wortschatzzuordnung beeinflussen. Stellvertretend seien zwei solcher Einflussfaktoren genannt, die das Aufeinanderabstimmen und Zusammenfassen der Kategorien außerdem erschweren: Zum einen besitzen Zeitungen auch thematisch vielfältigere Seiten wie die ‘Seite 1’; zum anderen liegt häufig selbst bei den Seiten, die einer bestimmten Rubrik eindeutig zugeordnet werden können, eine gewisse Vielfalt bezüglich Inhalt und Darstellungsart vor (vgl. FdZl, S. XVff.). Diese Punkte beeinträchtigen sicherlich die Homogenität der einzelnen Rubriken. Sie sollten infolge des immensen Materialumfangs jedoch nicht überbewertet werden. Daneben darf man natürlich nicht vergessen, dass die gewählten fünf Kategorien selbst ein relativ grobes Raster bieten. Dies trifft insbesondere auf ‘Verschiedenes’ zu, was bereits der Name verrät. Der Wortbestand der beiden Zeitungen verteilt sich nun im Einzelnen wie folgt auf die jeweiligen Sparten (vgl. u.a. ebd., S. XXff. zu Details bei der Verarbeitung des Materials mit Hilfe von Lochstreifen): Kategorie Anzahl der Wörter Absolut Relativ Meinung 293574 11,85 Politik 571277 23,06 Kultur 455709 18,40 Wirtschaft 791099 31,94 Vermischtes 364901 14,73 Total 2476560 99,98 Tab. 4: Die Anzahl der Wörter in dem Material der WELT (FdZl, S. XXIV) 134 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Kategorie Anzahl der Wörter Absolut Relativ Meinung 72339 14,46 Politik 86960 17,38 Kultur 91033 18,19 Wirtschaft 142181 28,42 Vermischtes 107821 21,55 Total 500334 100,00 Tab. 5: Die Anzahl der Wörter in dem Material der SZ (FdZl, S. XXIV) Die abweichenden Größenordnungen des Materials spielen eine untergeordnete Rolle, da beide Zeitungen auch zu Vergleichszwecken separat behandelt werden. Die statistische Auswertung erfolgte unter Berücksichtigung verschiedener Parameter, welche die bloße Häufigkeit modifizieren: so etwa einem zusammenfassenden Maß für die Frequenz und Streuung (vgl. FdZl, S. XXVff.), einem Streuungsmaß (vgl. ebd., S. XXXIII), dem Chi-Quadrat Test (vgl. ebd.) u.a. im Bereich der absoluten Frequenzen; einem Konfidenzintervall für den Frequenzunterschied zweier relativer Frequenzen, einem zusammenfassenden Maß für die Übereinstimmung zwischen zwei Verteilungen u.a. im Bereich der relativen Frequenzen (vgl. ebd., S. XXXIVf.). Das FdZl enthält nun fünf nach verschiedenen Kriterien aufgearbeitete Listen, wobei die Wortform als Zähleinheit fungiert (vgl. ebd., S. XXXVIff.). Das FdZ2 hingegen „basiert auf einer Lemmatisierung des ganzen Materials des ersten Bandes“ (FdZ2, S. IX) und bietet den Benutzern und Benutzerinnen sechs verschiedene Listen zur Auswahl. Die Aufbauprinzipien der Listen A-E in den beiden Bänden entsprechen sich im Wesentlichen, wobei D und E im FdZ2 den die beiden Zeitungen vergleichenden Aspekt berücksichtigen. Die Liste F im FdZ2 besitzt keine Entsprechung im FdZl, sie enthält vielmehr „das vollständige Material ... Unter WORT werden sowohl die Lemmaform als auch die einzelnen Wortformen in den beiden Zeitungen parallel aufgeführt“ (ebd., S. XXI). Der Untersuchungsgegenstand 135 Für meine Arbeit stellt das FdZ2 die entscheidenden Informationen zur Verfügung, genauer die Liste D: „Die Liste enthält einen Vergleich der frequentesten Wörter der beiden Zeitungen“ (FdZ2, S. XX, vgl. Kap. 3.2 in dieser Arbeit zu weiteren Einzelheiten). Selbst die eher knappen Ausführungen zu Zielsetzung, Vorgehensweise und Aufbau des FdZ dürften die Eingangsthese bestätigt haben: Das FdZ kann nicht einfach als schreibsprachliches Gegenstück zum HGS gesehen werden. Einige der auffälligsten Unterschiede sind: - Rosengren betont von vornherein die starke thematische Gebundenheit des Materials: Sie beschränkt sich auf die ‘Zeitungssprache’, die sie zum Zweck der Korpushomogenität nochmal in fünf weitere Kategorien untergliedert. - Die Zielsetzung ist damit vorgegeben: Es geht um die Erfassung eines klar definierten Ausschnitts der geschriebenen Sprache, um dessen lexikalische Analyse. - Die reine Frequenz wird beim FdZ durch weitere statistische Parameter korrigiert und damit relativiert: Das Material wird vielfältiger und sprachstatistisch modifizierter aufgearbeitet. - Im FdZ wird keine Wortartentrennung durchgeführt. - Zähleinheit ist sowohl das Wort (im FdZ2 bis auf Liste F) als auch die einzelne Wortform (im FdZl ). - Rosengren thematisiert im Gegensatz zu Ruoff sehr viel ausführlicher ihre Lemmatisierungsprinzipien, und sie verfährt in diesem Punkt weitaus konsequenter als Ruoff dies tut. Der zuletzt angeführte Aspekt kam bislang noch nicht zur Sprache. Ich hole dies jetzt nach, denn der Weg, der vom FdZl zum FdZ2 beschritten wird, also von den Wortformen hin zum Wort, ist durchaus bemerkenswert: Rosengren stellt zunächst eine Reihe von Lemmatisierungsprinzipien vor (vgl. 1968, S. 103ff.) und entscheidet sich schließlich für das Kriterium der 136 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Flexionsreihe bzw. des syntaktischen Paradigmas. Was damit gemeint ist, lässt sich so zusammenfassen: Eine Flexionsreihe besteht aus einer Reihe paradigmatisch zusammengehörenden Wortformen mit normalerweise demselben Stamm aber verschiedenen derselben Flexionsklasse angehörenden Flexionsmorphemen, die mit dem syntaktischen Auftreten des Stammes variieren (FdZ2, S. IX). Um das Verfahren zu illustrieren, übernimmt Rosengren ein Schaubild: sh Vergleiche zwei Flexionsreihen! sh Liegt eine phonematische oder nein Die Flexionsreihen graphematische Konvergenz vor? -> sind heterolemmatisch ^ ja A Weisen die Divergenzen fakultative nein Variation auf? sh ja Weisen sie ebenfalls Opposition auf? ja Die Flexionsreihen -> sind heterolemmatisch sh nein mit Überschneidung Die Flexionsreihen sind homolemmatisch Abb. 4: Verfahren bei der Bestimmung des Lemmastatus der Flexionsreihen (Rosengren 1969, S. 106) An anderer Stelle hat Rosengren ausführlich erklärt, wie man sich eine praktische Umsetzung der in dem Schaubild verdeutlichten Vorgehensweise vorzustellen hat: Alle Flexionsreihen werden prinzipiell miteinander verglichen, um festzustellen, ob Konvergenzen zwischen ihnen vorliegen, aufgrund deren sie zu einem Lemma zusammengeführt werden können. Entscheidend ist dabei, ob Variation und/ oder Opposition zwischen den Flexionsreihen bestehen. Zwei Flexionsreihen bilden ein Lemma wenn sie mindestens eine graphematische oder phonematische Konvergenz aufweisen und die nicht identischen Formen im Textzusammenhang gegeneinander ausgetauscht werden können, ohne daß sich die (denotative) Bedeutung ändert (Variation). Beispiele: Der Untersuchungsgegenstand 137 Reihen Typ, Typen Typus, Typen Telephon, Telephone Telefon, Telefone der Barock das Barock [...] Zwei Flexionsreihen bilden zwei Lemmata wenn sie weder eine graphematische noch eine phonematische Konvergenz aufweisen. Beispiel: Reihen Lemma beinah beinah beinahe beinahe Lemma Typ/ Typus, Typen Telephon/ Telefon Telephone/ Telefone der/ das Barock wenn sie eine oder mehrere Konvergenzen aufweisen, die nicht identischen Wortformen aber nicht gegeneinander austauschbar sind, ohne daß sich die (denotative) Bedeutung ändert (Opposition). Beispiele: Reihen Lemma Bank, Banken Bank, Bänke der Verdienst das Verdienst Bank, Banken Bank, Bänke der Verdienst das Verdienst inso fern inso fern in ’sofern in ’sofern wenn sie eine oder mehrere Konvergenzen aufweisen, die nicht identischen Wortformen aber nur teilweise gegeneinander austauschbar sind (Variation und Opposition). Beispiele: Reihen Lemma der Chor das Chor der/ das Chor der Chor senden, sendete, gesendet senden, sandte, gesandt senden, sendete, gesendet senden,sandte/ sendete, gesandt/ gesendeC (FdZ2, S. Xf., vgl. auch Rosengren 1968, bes. S. 1 Iff.). 138 Der zentrale Wortschatz des Deutschen „Eine nach diesem Prinzip durchgeführte Lemmatisierung bedeutet also“, fasst Rosengren zusammen, „daß eine Flexionsreihe nie zwei Lemmata ergeben kann, auch dann nicht, wenn sie mehrere Bedeutungen aufweist“ (FdZ2, S. XI). Dies wiederum heißt, dass bei einer solchen Methode die eigentlich semantisch zu begründende Unterscheidung von Homonymie und Polysemie durch eine strikt auf grammatischen Faktoren basierende Abgrenzung ersetzt wird (vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 2.2 dieser Arbeit). Grenzfälle bei der Zuordnung gibt es etwa im Bereich von unflektierten Wortformen: Hier handelt es sich meist um Wortformen, die der Form nach einer bestimmten Flexionsreihe angehören könnten, deren syntaktisches Auftreten (und meist auch Inhalt) aber nicht mehr mit dem der entsprechenden Form des Paradigmas übereinstimmt. Oft sind es Wortformen, die aus einer bestimmten Flexionsreihe ausgetreten sind, um eine andere Funktion im Sprachsystem zu übernehmen. Sie bilden dann eine eigene Flexionsreihe und ein eigenes Lemma (FdZ2, S. XIII). Im Einzelnen sind zu unterscheiden: Verb (genauer: Partizip Präteritum v.a. in analytisch gebildeten Verbformen) und Adjektiv (z.B. Das Gelände darf nur mit Sondergenehmigung betreten werden vs. Er schien teils betreten, teils erleichtert), Nomen und Präposition (z.B. Dank vs. dank [+ Dativ/ Genitiv]) sowie Adjektiv und Adverb (z.B. Die Antwort ist relativ einfach vs. Antworten / .../ können nicht einfach nur wiederholt werden) (vgl. ebd., S. Xlllf). Des Weiteren bereitet die Lemmatisierung Schwierigkeiten bei Paradigmen mit Suppletiv-Formen (z.B. lieb, lieber, liebst —> lieb', gern, lieber, liebst —t gern, lieber, liebst), bei unvollständigen Flexionsreihen (z.B. Diät, Diäten; Diäten —> Diät, Diäten) und bei der Unterscheidung Pronomen vs. Artikel (vgl. ebd., S. XIVff.). Eine sinnvolle Ausnahmeregelung etwas anderer Art wurde ferner bei unfest zusammengesetzten Verben getroffen: Hier wurde ... von dem Hauptprinzip, daß die grundlegende Einheit der Lemmatisierung die Wortform ist, abgewichen ... Wo es sich eindeutig um einen Verbzusatz handelt, werden deshalb die beiden Wortformen, das Verb Der Untersuchungsgegenstand 139 und der Verbzusatz zusammengeführt, ehe die Wortformen lemmatisiert werden (FdZ2, S. XVIII). Das Prinzip als solches ist nun in ausreichender Weise illustriert. Obschon das FdZ keine nach einzelnen Wortarten gegliederte Listen enthält, liegt dem Lemmatisierungsprinzip selbstverständlich eine Klassifikation zu Grunde: Die Flexionsreihen sind wortartenspezifisch, was nicht zuletzt auch aus den oben angesprochenen Grenzfällen ersichtlich wird. Der Grundgedanke für die Stichwortermittlung auf der Basis wortartenspezifischer Flexionsreihenvergleiche im FdZ2 lässt sich nun folgendermaßen zusammenfassen: Ganz offensichtlich handelt es sich bei dem ... Vergleich um einen Vergleich der Flexionsreihen des sprachlichen Systems, der Flexionsreihentypen. Dies geht aus der Tatsache hervor, dass die Reihen sowohl Variation als [sic! ] Opposition aufweisen können. Trotz der generellen Natur des Vergleichs werden aber nicht alle Flexionsreihen des Systems verglichen, sondern nur diejenigen, die derselben Wortart angehören. Bei der Einteilung in Wortarten hat man ja Wortformen, die verschiedenen Wortarten angehören, schon als verschiedene Lemmata klassifiziert (Rosengren 1969, S. 106). Auf dieser Grundlage kann nun auch eine Einordnung des Wortbegriffs vor dem Hintergrund des Sprachbegriffs vorgenommen werden: Vom System aus gesehen, wo es sich um die Erzeugung, nicht um die Analyse von Wortformen und Sätzen handelt, ist es nicht notwendig zu wissen, mit welchen anderen Kombinationen eine gewisse Kombination identische Formen und Bedeutungen aufweist. Wir haben also im System keinen Gebrauch für den oben geschilderten Wortbegriff. Von der parole aus gesehen aber, wo es sich um die Klassifizierung gegebener Wortformen handelt, kann eine eindeutige Zuordnung dieser Wortformen nur durchgeführt werden, wenn man Flexionsreihen mit identischen Wertformen und Bedeutungen als ein Wort betrachtet und definiert. Der hier entworfene Wortbegriff ist also das Ergebnis einer von der parole aus gesehenen notwendigen Klassifizierung der Kombinationsmöglichkeiten im System von Stamm und Flexionsklasse (ebd., S. 112). Die langue stellt, mit anderen Worten, die Schablonen bereit, die der Klassifikation von lexikalischen Elementen der parole dienen: „Das Frequenzwörterbuch systematisiert... ein Stück parole“ (Rosengren 1968, S. 16). 140 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Im Falle von Rosengren scheint die Abstimmung der gewählten Vorgehensweise auf die Zielsetzung und den Aufbau des FdZ alles in allem besser gelungen als im HGS. Die Unterschiede der beiden Frequenzwörterbücher sind insgesamt nicht unerheblich. Was nun das FdZ anbelangt, sind bei aller Zustimmung ebenfalls einige kritische Nachträge anzubringen. Das betrifft vor allem Rosengrens Lemmatisierungsmethode in einem besonderen Fall. Wenn man bedenkt, dass für die Lemmatisierung „drei Eigenschaften der Wortformen von Bedeutung sind: Ihre Form, ihre Bedeutung und ihre syntaktische Funktion“ (Rosengren 1969, S. 103, Hervorhebung von U. Sch.), dann wird nachvollziehbar, dass die Bedeutung nicht zwangsläufig in den Vordergrund gestellt werden muss, sondern auch formale Gesichtspunkte zum Ausgangspunkt genommen werden können, zumal in einem primär an der Ausdrucksseite interessierten Wörterbuch. Dennoch gibt Rosengren hinsichtlich der Methode zur Stichwortermittlung zu bedenken: „Theoretisch ist sie wenig befriedigend, da sie an keine grammatische Theorie anschließt. Sie hat aber gegenüber gewissen anderen Grenzziehungen formale und praktische Vorteile“ (Rosengren 1968, S. 14f.). Dem kann man im Großen und Ganzen zustimmen. Sowohl Ruoff als auch Rosengren klammern die Wortbedeutung bei der eigentlichen Frequenzanalyse i.d.R. aus, d.h., der Wortschatz wird in den beiden Frequenzwörterbüchem bis auf die angesprochenen Ausnahmen ohne zusätzliche semantische Angaben aufgelistet. Während Ruoff jedoch ein eher vages, im Einzelfall nur schwer nachvollziehbares Bedeutungskonzept bei der vorausgehenden Lemmatisierung und zur Unterscheidung von homonymen und polysemen Wörtern heranzieht, verwendet Rosengren ein vorwiegend formales Kriterium bei der Ermittlung der Stichwörter, auch wenn die Bedeutung natürlich insofern eine Rolle spielt, als jene Wertformen zu einem Lemma zusammengefasst werden, „die einen Bedeutungsunterschied aufweisen und verschiedenen Flexionssystemen angehören oder von denen eine einem Flexionssystem angehört, während die andere nicht flektiert werden kann“ (Rosengren 1968, S. 14, Hervorhebung von U. Sch.). Diese Methode kann es mit sich bringen, dass Unterschiede im syntaktischen Gebrauch formal identischer Wortformen die Zuweisung der betreffenden Formen zu zwei Flexionsreihen nötig macht, d.h., es werden zwei Lemmata Der Untersuchungsgegenstand 141 angesetzt, wie beispielsweise aus den weiter oben angeführten Grenzfällen ersichtlich ist. Wo zwei Wortformen aber demselben Flexionssystem angehören, werden sie nicht separiert. Die substantivierten Adjektive werden also unter dem entsprechenden Adjektiv angeführt. Wo bei beiden Wortformen keine Flexion Vorkommen kann, wird auch keine Separierung durchgeführt. Diese Wörter, die Funktionswörter ..., machen bei der Wortarteneinteilung die größten Probleme ... und umfassen außerdem einen großen Teil aller laufenden Wörter (Rosengren 1968, S. 14). Angesichts der Materialfülle und des sich daraus ergebenden Aufwands ist ein solches Vorgehen gewiss verständlich, wenn auch nicht unproblematisch, was am Beispiel der Partikeln gezeigt werden kann. So stellt Helbig in seinem ‘Lexikon deutscher Partikeln’ fest: Obwohl die Partikeln ... relativ ‘bedeutungsarm’ sind, folglich über sie den geläufigen Wörterbüchern und Grammatiken nicht viel Genaues zu entnehmen ist, werden sie im Deutschen sehr häufig verwendet, vor allem in der Alltagssprache (besonders im Dialog), aber auch bei den größten deutschen Schriftstellern. So haben Zählungen ergeben ..., daß auf 100 deutsche Gesamtwörter 13 Partikeln, auf 100 französische Gesamtwörter dagegen 7 Partikeln entfallen, daß 100 deutsche Partikeln folglich in der Frequenz nur 65 französiche Partikeln entsprechen und daß deutsche Texte weit mehr Partikeln enthalten als die entsprechenden französischen Übersetzungen. In der Tat gilt die deutsche Sprache als besonders partikelreich im Verhältnis zu anderen Sprachen (1990, S. 11). Helbig relativiert diesen Befund zwar, indem er den Partikelgebrauch von unterschiedlichen Texttypen abhängig macht, wobei die Zeitungssprache als eher partikelarm eingestuft wird; er hebt jedoch den kommunikativen Wert dieser Wortklasse hervor (vgl. ebd., S. 12f.). Partikeln bilden also eine häufig vorkommende, auf Grund ihrer vielfach relativen Bedeutungsarmut vor allem durch ihre Funktion abgrenzbare Wortklasse. Gerade sie besitzen jedoch in vielen Fällen Homonyme, die beispielsweise Adverbien zugerechnet werden können, etwa erst. Beide Wortarten sind u.a. dadurch definiert, nicht flektierbar zu sein. Entscheidend ist nun, dass bei einer Abgrenzung im Falle der Partikeln und Adverbien im Besonderen und dem der sog. Funktionswörter im Allgemeinen das Kriterium des syntaktischen Paradigmas nicht greift zumal auch eine Kreuzklassifikation mit Hilfe von formalen und semantischen Kriterien kaum möglich 142 Der zentrale Wortschatz des Deutschen ist. Rosengren nimmt diesen Umstand zwar in Kauf, die Stichwörter im Bereich der Funktionswörter können auf diese Weise allerdings nur wenig differenziert ermittelt werden. Das Beispiel der Partikeln habe ich auch deshalb gewählt, weil bereits der Terminus selbst keinesfalls einheitlich verwendet wurde bzw. wird (vgl. Helbig 1990, S. 19ff.). Das lässt sich eindrucksvoll belegen, betrachtet man etwa Ruoffs Liste der sog. Partikeln, in der sich Wörter wie ach, aha, da, Menschenskind u.a. zu finden sind (HGS, S. 188). Nicht nur die Unterscheidung von Partikeln und anderen Wortarten stellt demzufolge ein gewisses Problem dar, sondern schon der Begriff an sich. Die (Frequenz-)Analyse der Synsemantika, so ließe sich folgern, hat somit keines der beiden Häufigkeitswörterbücher wirklich befriedigend gelöst. Nachdem das HGS und das FdZ in den Grundzügen vorgestellt wurden, kann man folgern: Ein Vergleich zweier, dem frequenziellen Ansatz nach zwar gleicher Wortlisten muss nicht zwangsläufig auch auf der gleichen Basis stattfinden: Unterschiedliche Lemmatisierungsprinzipien können zur Folge haben, dass im Einzelfall Stichwort nicht unbedingt gleich Stichwort sein muss. Es hängt stets auch von der gewählten Methode ab, unter welches Stichwort welche Formen subsumiert werden. An erster Stelle sei hier an die abweichenden Verfahren zur Homonymentrennung erinnert. Aber auch bzw. vor allem in den Grenzbereichen sind Unterschiede möglich, so schreibt Ruoff: „Alle Adjektive sind in der Positiv-Form aufgelistet, Komparative und Superlative also darauf reduziert. Das gilt auch bei stammändernden Adjektiven: besser ist bei gut aufgelistet“ (HGS, S. 23). Rosengren geht hier differenzierter vor: sie setzt für die Reihe gut, besser bestdas Lemma gut an, für die Reihe wohl, besser, bestdie Lemmata wohl, besser best- (vgl. FdZ2, S. XIV). Neben Paradigmen mit Suppletivformen sind diesbezüglich auch Wortformen wie adjektivisch verwendete Partizipien, substantivierte Adjektive bzw. Verben sowie fest und unfest zusammengesetzte Verben u.a. betroffen: Bei der Ermittlung der Stichwörter sind in diesen Fällen zumindest theoretisch zwei Zuordnungen möglich. Auch von Seiten der sprachstatistischen Auswertung ist v.a. zweierlei zu berücksichtigen: Rosengren setzt im Gegensatz zu Ruoff modifizierende Parameter ein. Die Frequenzangaben beziehen sich jeweils auf den lexikalischen Gesamtbestand, sie spiegeln also nicht wie bei Ruoff die Verhältnisse innerhalb einer Wortart wider. Der Untersuchungsgegenstand 143 Als vorläufige Bilanz kann nun festgehalten werden, ... daß eine Diskussion des Verhältnisses zwischen dem qualitativen Regelsystem einer generativen Grammatik und den Frequenzen, die die generierten Sätze und Wörter in den Texten bekommen, fruchtbar sein würde und daß man über Zusammensetzung, Umfang und Zeit der einer Frequenzliste zugrunde liegenden Materialsammlung nie zuviel wissen kann. Die Unterschiede und Übereinstimmungen zwischen Frequenzlisten sind auch dann schwierig genug zu interpretieren (Rosengren 1968, S. 21). Möglichen Tendenzen voreiliger Fehlinterpretationen tritt auch Ruoff entgegen: Jeder Umgang mit Häufigkeitslisten erfordert die Berücksichtigung möglichst vieler, womöglich aller Faktoren, die zu den vorliegenden Frequenzen und Relationen geführt haben. Das betrifft nicht nur Kontextbedingungen, sondern Lexikonbedingungen, etwa des betreffenden Wortfeldes, mehrgliedrige lexikalische Oppositionen u. dgl. Daß 40 aktiv nur 4 passiv gegenüberstehen, zeigt nicht besondere Tatenfröhe [sic! ] unserer Gewährsleute, sondern vielmehr, daß aktiv außerhalb dieser Opposition in erster Linie ein militärischer terminus technicus ist. Daß Krieg 355mal, Frieden aber nur 5mal belegt ist, darf nicht vordergründig dahin interpretiert werden, daß Krieg etwa interessanter wäre. Umgekehrt ist es so, daß Frieden der (erstrebte/ gedachte) Normalzustand, sein Nomen also die ‘makellose’ Form ist, Krieg hingegen das davon Abweichende. Hinzu kommt, daß die Kriegszeit als ganz vom normalen Leben abgehoben oft besonderer Gesprächsgegenstand der Tonbandaufnahmen ist. Wenn alt fünfmal so oft steht wie neu, muß bedacht werden, daß es ebenso auch jung opponiert und daß sein Gegenteil auch nicht (so) alt heißen, also mit demselben Lemma ausgedrückt sein kann (HGS, S. 15). Mit anderen Worten: „Zusammenfassend können wir feststellen, daß Frequenzwörterbücher reich an Information sind, wenn man sich die Mühe macht, sie auszuwerten“ (Rosengren 1986, S. 162). Letzteres wird nicht immer leicht und nur unter gewissen Vorbehalten möglich sein sowie stets in gewissem Grade auch spekulativ das sollte man am Ende der beiden letzten Kapitel wohl besser ergänzen. 144 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 2.5 Gerhard Augst ( 2 1985): ‘Kinderwort. Der aktive Kinderwortschatz (kurz vor der Einschulung)’ Dieses Wörterbuch erfaßt den aktiven gesprochenen Wortschatz von zehn Kindern kurz vor ihrer Einschulung. Enge Angehörige der Kinder haben 200 Stunden lang über 4 Monate den Wortschatz in natürlichen Situationen durch Mitschrift oder Tonband erhoben. Der Wortschatz ist nach Sachgebieten geordnet gemäß dem Sachgebietswörterbuch von Wehrle/ Eggers. Ein alphabetisches Register kann helfen, die Sachgliederung zu erschließen (Augst 2 1985, S. IV, im Folgenden abgekürzt und zitiert als KW = Kinderwortschatz). Damit sind bereits all jene Punkte zusammengefasst, auf die genauer einzugehen sein wird. Analog zur Konzeption der vorausgegangenen (Teil-)Kapitel stehen wiederum der (intendierte) Gebrauchszweck, die Methode(n), das Endergebnis und nicht zuletzt spezifische verfahrenstechnische Probleme im Mittelpunkt bzw. auf dem Prüfstand. „Wer sich als ... Sprachwissenschaftler dafür interessiert, wieviel Wörter ein Kind bei seinem Schuleintritt spricht und welche Struktur sein Wortschatz hat, findet in der Spracherwerbsliteratur wenig Informationen. Die Zahlen in den Standardwerken ... gehen meist auf ältere Forschungen ... zurück“ (KW, S. IVf.). Augst geht nur knapp auf die wichtigsten deutschen Arbeiten zum aktiven Kinderwortschatz ein (vgl. ebd., S. Vf.), um dann zu dem Schluss zu gelangen: „Alle referierten Arbeiten streben also keine vollständige Erhebung des aktiven Wortschatzes an“ (ebd., S. VI). Speziell in Amerika wurde dies aufgegeben, „zugunsten von quantifizierenden, auf relationalen Vergleich abgestimmten Tests. Für gruppendiagnostische Zwecke reichen solche abstrakten Mittelwertvergleiche sehr oft aus; aber einerseits müssen in gewissen Zeiträumen die Eichmaße überprüft werden, andererseits gibt es Bereiche, in denen nur das vollständige Inventar hilfreich ist“ (ebd., S. VII). Augst spricht damit vor allem den Bereich der Sprachbarrierendiskussion an, wo „eine vollständige Erfassung des Wortschatzes dringend notwendig ist, da die Angaben der Forscher gegensätzlich sind“ (ebd., S. VII). Somit wäre der Ausgangspunkt für Augsts Untersuchung umschrieben. Es hatte sich zum einen die Notwendigkeit gezeigt, „eine neue Basis dadurch zu schaffen, daß Der Untersuchungsgegenstand 145 der aktive Kinderwortschatz einer breiten Gruppe von Einzuschulenden gesammelt und analysiert wird“, zum anderen konnte angedeutet werden, ... daß eine Sammlung des gesamten Wortschatzes von 6jährigen Kindern (vor der Einschulung) für zwei Bereiche besonders bedeutsam ist: 1. die fachwissenschaftliche Forschung zum [Erst-] Spracherwerb Leitende Fragen können hier sein: Über wieviel Wörter verfügen Kinder aktiv bei Schuleintritt? Aus welchen Bereichen stammen die Wörter? Wo ist der Wortschatz besonders dicht, wo sind Lücken? Wie sind die Wörter gebildet (Ableitungen, Zusammensetzungen)? Welche Neologismen kommen vor, wie sind sie gebildet? ... 2. die didaktisch-methodischen Forschungen Leitende Fragen können sein: Auf welchem Wortschatz kann die Schule aufbauen? Was kann das Kind schon versprachlichen? ... Wie sollte ein Grundwortschatz aussehen? Welche schichtenspezifischen Differenzen gibt es? Worauf können Fibel- und Rechtschreibwortschatz aufbauen? ... (KW, S. VIIIL). Der Gebrauchszweck, das Ziel des KW ist somit von Augst bestimmt: Es erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch, einen Beitrag zur Lexikologie oder Lexikographie zu liefern, sondern es möchte als geordnete Materialgrundlage dienen für Forschungen zum Spracherwerb und zur didaktisch-methodischen Fundierung des Erstunterrichts (ebd., S. IX). Diese Einschränkung ist zweifelsohne verständlich, sie kann jedoch so nicht hingenommen werden. Der deutliche Hinweis auf den primären Gebrauchswert sollte nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch weitere Nutzungsmöglichkeiten bestehen, die den Rahmen des Zulässigen nicht überschreiten müssen, vorausgesetzt natürlich, diese lassen sich mit dem Grundkonzept vereinbaren oder daraus herleiten. Zudem ist Folgendes zu bedenken: Wer ein Wörterbuch erstellt, und sei es im Falle des KW eine als Spezialwörterbuch aufgearbeitete Materialsammlung, bedient sich dabei zwangsläufig der Prinzipien der Lexikografie, also der Wörterbuchschreibung. Zugleich wird er die Lexikologie, „die Theorie des Wortschatzes und seiner Elemente“ (Schippan 1983c, S. 278) berücksichtigen müssen. Damit aber leisten Autoren und Autorinnen, bzw. ihre Endprodukte unweigerlich einen Beitrag zu diesen beiden Disziplinen, aus deren Perspektive sie schlussendlich auch kritisch beleuchtet werden dürfen. 146 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Forschungslage wird zunächst die Sorgfalt verständlich, die Augst der Methode zur Erhebung seines Materials entgegenbringt. Die empirische Grundlage soll immerhin dem Anspruch genügen, den aktiven Kinderwortschatz vollständig zu erfassen (vgl. KW, S. IX). Das ist natürlich schlicht unmöglich, denkt man an die Zahl aller in Deutschland lebenden Kinder; aber auch qualitative Unterschiede fallen ins Gewicht, etwa das Alter, dialektale, soziale u.a. Einflüsse. Als Erstes muss folglich eine möglichst repräsentative Auswahl getroffen werden, auf deren Basis man trotz eventueller Vorbehalte die erhofften Antworten gemäß den Zielvorgaben finden kann. In gewisser Weise ist Augst also gehalten, eine Kompromisslösung zu finden. Die Abstriche, die er dabei gezwungenermaßen in Kauf nehmen muss, werden allerdings durch die Vorzüge seiner Methode weitestgehend aufgewogen. „Der Wortschatz von zehn Kindern wird über vier Monate mit je 200 Aufnahmestunden in natürlichen Situationen durch Tonband oder Mitschreiben erhoben“ (KW, S. IX). Eine detaillierte ‘Anleitung zum Sammeln des aktiven Wortschatzes’ dient den Beteiligten hierfür als Grundlage. Die verbindlichen Richtlinien sollen für ein homogenes Vorgehen bei der Materialgewinnung dienen. Ich gehe nicht auf die gesamte Liste ein (vgl. hierzu ebd., S. XL), doch hebt Augst die ihm wichtigsten Punkte selbst hervor: 1. Die Sammlung erstreckte sich jeweils über 200 Stunden in 4 Monaten. Damit ist m.E. ein genügend großer Zeitraum gewählt, um das Kind in den verschiedensten Situationen zu erleben, andererseits fällt das Entwicklungsmoment in diesem Alter über diesen Zeitraum nicht ins Gewicht. 2. Bei allen Kindern wurde der Wortschatz gesammelt, bevor sie in die Schule gingen. 3. Sammler des Wortschatzes sind jeweils Eltern, Verwandte oder Bekannte des Kindes. Damit können alle Lebensbereiche des Kindes ohne Künstlichkeit erfaßt und die meisten Beobachtereffekte reduziert werden ... Sämtliche Sammler hatten eine akademische Bildung ... (ebd., S. XII). Ein speziell auch im Hinblick auf die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Korpora besonders wichtiger Punkt ist erneut anzusprechen, nämlich die Der Untersuchungsgegenstand 147 Frage, „was in diesem Wörterbuch als Wort aufgefaßt wird“ (KW, S. XII). Augst selbst gibt darauf folgende Antwort: „In der Anleitung steht: ‘Als Wort gilt, was nach Duden-Rechtschreibung ein Wort ist’. [Und dieses Zitat ergänzend: „Wörter, die nicht im Duden stehen, werden analog behandelt“ (ebd., S. XI).]. Damit werden die Wörter als Oberflächenphänomene der Parole/ Performanz gefaßt“ (ebd., S. XII). Am Rande ist anzumerken, dass darüber hinaus, „soweit die Sammler das angegeben haben, auch die phraseologischen Wendungen erfaßt“ wurden (ebd., S. XXVII). Die Wahl dieses streng pragmatischen Vorgehens ist in erster Linie deshalb von hohem praktischen Nutzen, weil zehn und mehr Personen den Wortschatz der Kinder zunächst getrennt voneinander zu erfassen haben. Auf diesem Wege wird gewährleistet, dass jede dieser Personen bei der Stichworterhebung zu Ergebnissen kommt, die auf einheitlichen und klar nachvollziehbaren Richtlinien basieren (zu weiteren Einzelheiten der Lemmatisierung, etwa der Kontextergänzung zur Bedeutungsdifferenzierung polysemer Einheiten, vgl. ebd., S. Xf.). Da nach der Erfassung des aktiven Kinderwortschatzes vor allem Einblicke in dessen morphologische und semantische Struktur gewonnen werden sollen, muss auch der Wortbegriff für diese nachfolgenden Untersuchungen genauer differenziert werden; deshalb schließt Augst vorausgreifend bereits weiterführende Überlegungen an, die maßgeblich von diesen Zielen der Erhebung bestimmt sind. Ausgangspunkt sind Aspekte der Wortbildung; demzufolge können Wörter ... auf zweierlei Weise entstanden sein. 1. Sie sind gespeichert im Lexikon ... Dazu zählen alle Grundwörter (Lexeme), die undurchsichtig sind ... Ferner rechnen dazu Wörter, die zwar (metasprachlich) durchsichtig sind, aber semantisch oder morphologisch nichtvorhersagbare [sic! ] Abweichungen haben ... 2. Die Wörter werden im Augenblick der Rede syntaktisch durch Wortbildungsregeln erzeugt. Man spricht daher auch von Augenblickskomposita oder -ableitungen (ebd., S. Xllf.). Eine solche Unterscheidung führt nach Augst letztlich zu drei Klassen von Wörtern: 148 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 1. undurchsichtig nicht produzierbar: Haus, tot, vielleicht, garstig, vergess(eri). Haus und tot sind kleinste Lexeme, daher nicht weiter zerlegbar, bei den übrigen Wörtern scheint es nur so, denn vielleicht zerlegt heute niemand mehr in viel- und -leicht... 2. durchsichtig gelegentlich produzierbar, jedoch aus verschiedensten Gründen (semantisch, morphologisch), unwahrscheinlich: Hausfreund, Jungfrau, Zollstock, artig, fertig, Zeitung, erfahtjen). Der Hausfreund ist gewiß kein ‘Freund des Hauses’, zumindest nicht des ganzen Hauses, und dennoch scheinen analytisch die Elemente Haus + Freund deutlich durch. Man kann historisch erklären, warum der Zollstock diesen Namen trägt, aber man produziert heute nicht mehr das Wort aus Zoll + Stock, weil der bezeichnete Gegenstand gar keinen Anlaß dazu gibt. Neben diesen semantischen ‘Verdunkelungen’ gibt es aber auch morphologische: so gehört/ <? rt/ g zu fahren, dieser Zusammenhang ist aber durch unterschiedliche Lautentwicklung verdunkelt. 3. durchsichtig produzierbar, höchstwahrscheinlich nicht Element des Lexikons, sondern der Oberflächenstruktur: Häuschen, Bächlein, zerbrechbar, Zerbrechbarkeit, Vereinheitlichung, Dreher, hektisch. Hier lassen sich Produktionsregeln formulieren, die dem Sachverhalt Rechnung tragen, daß jeder native speaker beliebig viele Neubildungen hervorbringen kann ... (Augst 1977, S. 8; die objektsprachlichen Markierungen wurden von mir vereinheitlicht, der Punkt [.] nach den Aufzählungen ergänzt, U. Sch.). „Die Grenze zwischen konventionellen Wörtern und Augenblicksbildungen ist fließend“ (KW, S. XIV), und dieser Sachverhalt kommt insbesondere in der zweiten der drei Kategorien zum Ausdruck, die man durchaus als Mischkategorie bezeichnen kann. Auf das eigentliche Sammeln der Wörter, also auf die Zähleinheit, hat diese Unterscheidung keinen Einfluss, umso mehr jedoch im Hinblick auf die beabsichtigte Auswertung des Kinderwortschatzes und seiner Struktur. Zusammenfassend lassen sich in der Terminologie von Augst folglich die Lexeme einer Sprache, die „synchron eine endliche, überschaubare Menge darstellen“, unterscheiden von der Menge der Wörter einer Sprache, die „nicht bestimmbar und daher nicht überschaubar ist“ (Augst 1977, S. 9). Die Stichwörter im KW können demnach wenigstens zwei verschiedenen Kategorien zugeordnet werden: lexikalisierten, undurchsichtigen Lexemen und motivierten, durchsichtigen, mit Hilfe von Wortbildungsregeln herleitbaren Der Untersuchungsgegenstand 149 Wörtern; ein Übergangsbereich für Zweifelsfälle ist dabei wohl auch zu berücksichtigen (s.o.). In welchem Verhältnis diese Mengen nun zueinander stehen, ist für den Erstspracherwerb und mitunter auch für den Zweitspracherwerb von entscheidender Bedeutung, da so Einblicke in die sprachliche Grundbegrifflichkeit sowie in die Sprachökonomie gewonnen werden können, oder anders ausgedrückt: welche Lexeme als solche memoriert werden müssen, und welche Wörter mit Hilfe von generalisierbaren Wortbildungsregeln verhältnismäßig leicht durchschaut bzw. rezipiert und auch neu gebildet bzw. produziert werden können. Überlegungen zur Wortbildungsproduktivität sind weder neu noch originell, und man hätte sie auch schon in einem der vorausgegangenen Kapitel anstellen können. Aus guten Gründen gehe ich aber erst jetzt darauf ein: Vorschulkinder sind in ihrer sprachlichen Kompetenz noch weitgehend eingeschränkt, was nichts anderes bedeutet, als dass ihr lexikalisches Repertoire von dem der Erwachsenen abweicht. Fragen der Wortbildung sind also von ganz besonderem Interesse, will man das sprachliche Inventar von Vorschulkindern mit dem von Erwachsenen vergleichen. Daher muss Augst sehr bewusst semantisch und strukturell dort Grenzen ziehen, wo der ‘native speaker’ häufig nur intuitiv entscheidet, um von vornherein den Blick für solche Differenzen zu schärfen. Dieser Umstand ist auch für sein weiteres Vorgehen wegweisend. Das mit Hilfe der ‘Anleitung’ gesammelte Material muss nun ausgewertet werden. Ich werde die einzelnen Arbeitsschritte nicht detailliert nachvollziehen, da sie in wesentlichen Punkten den bereits dargestellten Verfahren ähneln. Insgesamt wurden ca. 38.000 Einzelwörter auf Karteikarten erfasst (und ggf. kontextuell ergänzt), d.h. „durchschnittlich 3800 Wörter je Kind innerhalb einer Schwankungsbreite von 3110 bis 5300 Wörtern“ (KW, S. XVIII). Zieht man davon die identisch gebrauchten Einheiten ab, so verbleiben unter dem Strich ca. 16.000 Wörter. Nachzutragen ist noch, dass Augst das gesamte Material aufgenommen hat, ... d.h. es wurde nichts weggelassen, aber auch nichts hinzugefügt. Nur bei den Zahlen fand eine Vereinheitlichung statt. Es wurden alle Grundzahlen notiert, sofern sie vorhanden waren oder aus komplexen Zahlen sich ableiten ließen; ferner alle komplexen Zahlen, wenn sie morpholo- 150 Der zentrale Wortschatz des Deutschen gisch abwichen ... [Es] sind alle Wörter mit Suppletivformen ... in allen belegten Formen notiert. Substantivierte Adjektive und Partizipien werden nur in einer Form aufgenommen ... Eigennamen wurden in der Regel nicht aufgenommen (KW, S. XIXf.). Wenn man auch nicht von einer vollständigen Erfassung der aktiven Kindersprache sprechen kann, so ist es doch die bislang vollständigste. Damit „überhaupt keine Repräsentativität beanspruchen“ (ebd., S. XVIII) zu wollen, ist gewiss untertrieben. Tatsächlich eingeschränkt wird die Aussagekraft des Korpus nämlich nur durch folgende Faktoren: neun von zehn Kindern kommen aus dem mitteldeutschen Sprachraum, lediglich eines aus dem schwäbischen; „in der Sozialschichtung ist ein eindeutiges Übergewicht der (oberen) Mittelschicht festzustellen“ (ebd.). Eine empirische Erhebung wird bei aller Bemühung nie gänzlich frei sein von subjektiven Einflüssen, wie schon zu sehen war. An die Stelle allzu hoher Ansprüche sollte daher auch eher ein möglichst hoher Grad an Transparenz bei der Vorgehensweise treten. Wenn man, wie Augst, die Methodik sorgfältig protokolliert, sollte man es dem Ermessensspielraum den Benutzer und Benutzerinnen anheim stellen, sich selbst ein angemessenes Bild vom Grad der Repräsentativität zu machen. Im Falle des KW ist dieser keineswegs zu gering anzusetzen. Die Materialerfassung ist hiermit abgeschlossen, und es stellt sich die Frage, wie das Material aufgearbeitet, das Korpus systematisiert wird. Auch mit der Anlage des KW verfolgt Augst sein(e) Ziel(e) nun auf einer höheren Ebene konsequent weiter. Neben der grundsätzlich unbefriedigenden Forschungslage bestimmte ein ganz konkretes Motiv seinerzeit die Vorgehensweise von Augst. Es lag im Bereich der Soziolinguistik und war mit ausschlaggebend für die gewählte Struktur des KW: In der Sprachbarrierendiskussion stehen sich ... im Bezug auf den Wortschatz zwei Positionen gegenüber. Die einen behaupten, daß der restringierte Sprecher ein Defizit im aktiven und/ oder passiven Wortschatz aufweist gegenüber dem elaborierten, die anderen sehen eher innerhalb des Wortschatzes eine qualitative Differenz, die zu unterschiedlichen, aber in gleichberechtigter Weise wichtigen Funktionen befähigt. Die letztere Betrachtungsweise hat den Blick dafür geschärft, daß es bei einem Vergleich verschiedener Kinder(gruppen) nicht so sehr auf die absolute Höhe der Der Untersuchungsgegenstand 151 Wortschatzmengen ankommt, sondern auf dessen innere Organisation und Struktur (Augst 1977, S. 25). Die Code-Unterschiede habe ich bereits in einem anderen Zusammenhang durch ein knappes Beispiel illustriert (vgl. Kap. 2.2 in dieser Arbeit). Verbindliche Stellungnahmen zu Gunsten der Defizit- oder Differenzhypothese lassen sich erst abgeben, wenn man eine möglichst vollständige Materialbasis zugrundelegt. Darüber hinaus müssen noch (An-)Ordnungsprinzipien gefunden werden, die helfen, den Einblick in diese Problemstellung zu erleichtern, also die aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Die Struktur(ierung) des Wortschatzes ist demzufolge in den Mittelpunkt zu stellen. Dieser Umstand wird ferner durch einige ontogenetische Beobachtungen gestützt, auf die Augst ferner hinweist. So wurde festgestellt ... daß der Wortschatz des (Klein)Kindes sich nicht gleichmäßig entwikkelt, sondern Phasen durchläuft, die vom Konkreten zum Abstrakten führen. Am Anfang des Spracherwerbs stehen die ‘Dingwörter’, welche visuell sichtbare Gegenstände bezeichnen, quantitativ im Vordergrund. Es folgt darauf die (verbale) Phase der Aktionen, indem das Kind besonders Tätigkeiten und Vorgänge benennen lernt, also alles das, was mit und durch ‘Gegenstände’ ‘passiert’. In der dritten Phase stellt das Kind vor allem Relationen zwischen Gegenständen her, und es erwirbt den Wortschatz für qualitative Beurteilungen ... (ebd.). Auf dieser Grundlage kommt Augst folgerichtig zu dem Schluss: Im Gegensatz zu dem Vergleich der absoluten Höhe der verschiedenen Wortschätze möchte ich die Hypothese aufstellen, daß sich signifikant quantitative Abweichungen in einzelnen Begriffsfeldern, besonders wenn diese hierarchisch geordnet sind, auch qualitativ interpretieren lassen (ebd., S. 26). Es scheint also zum einen zweckmäßiger, zum anderen aufschlussreicher, „den Wortschatz nach Begriffen und Begriffsfeldern aufzulösen. Hier kann sich dann zeigen, in welchen Bereichen die Dominanz des einen gegenüber dem anderen Kind, der einen gegenüber der anderen Schicht liegt“ (ebd.). Darüber hinaus verspricht sich Augst aber noch andere Vorzüge: „Im Gegensatz zur toten alphabetischen Ordnung erlaubt die Anordnung nach Sachfeldem einen Vergleich der Wörter der Kinder und der Erwachsenen. Er gibt Aufschluß über die unterschiedliche Struktur des Wortschatzes“ (Augst 152 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 1984, S. 92). Auf diesen Schwerpunkt wird Augst sich fortan konzentrieren, und er war damit seiner Zeit voraus, vergegenwärtigt man sich etwa die nur wenig konstruktiven Vergleiche der alphabetischen Listen, die lange Zeit in der Grundwortschatzforschung die Regel waren (vgl. Kap. 1.1 in dieser Arbeit). Damit wäre hinlänglich begründet, weshalb Augst den eher ungewöhnlichen onomasiologischen dem semasiologischen Ansatz für die Erstellung des KW vorzieht. Man bewegt sich vom Inhalt des sprachlichen Zeichens zu dessen Ausdruck. Vom lexikografischen Standpunkt betrachtet, bringt diese Entscheidung eine ganze Reihe von Problemen mit sich. Einen ersten Eindruck vermittelt bereits das rein zahlenmäßige Verhältnis der beiden grundsätzlichen Wörterbuchtypen im Deutschen: Neben einer immensen Menge semasiologischer Wörterbücher ist die Zahl der onomasiologischen relativ gering, und das, obwohl ihr praktischer Nutzen beispielsweise als ‘Wegweiser zum treffenden Ausdruck’ bei der Textproduktion sicherlich recht hoch einzuschätzen ist. Ein Grund für das quantitative Missverhältinis ist gewiss in der unterschiedlichen Makrostruktur zu suchen: Das Alphabet ist ein auf der Formseite angelegtes, zunächst relativ klares Gliederungskriterium. Auf der anderen, der Inhaltsseite, ist es ungleich schwieriger, verbindliche Ordnungsgrundsätze zu finden. So gibt es denn gleich eine ganze Reihe verschiedener (traditioneller) Begriffsschemata, die auf ganz unterschiedlichen Konzepten beruhen können (vgl. u.a. Kühn 1979a, S. 98ff.): Im Gegensatz zur alphabetischen Ordnung unterliegt die Entwicklung eines Begriffsnetzes also wenn überhaupt nur sehr bedingt einem vorgegebenem Strukturierungsprinzip. Neben sprachlichen kommen dabei auch philosophische, logische u.a. Einteilungskriterien zur Anwendung, was in der Folge zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Der Hinweis auf diese grundlegende Problematik aller onomasiologisch konzipierten Wörterbücher mag genügen (vgl. auch Kloster 1997, S. 75ff.; Reichmann 1990). Für Augst bestehen nun zwei Möglichkeiten: er kann ein eigenes Begriffsnetz entwickeln, das seinen Anforderungen genügt, oder ein bereits bestehendes übernehmen. Trotz aller Vorbehalte entscheidet er sich für Letzteres, und seine Wahl fällt auf jene Systematik, die ursprünglich von Roget für Der Untersuchungsgegenstand 153 seinen 1852 erstmals, bis heute in zahlreichen Neuauflagen erschienenen ‘Thesaurus of English Words and Phrases’ entwickelt wurde (vgl. Roget 1852). Sie wurde zunächst zwar vom Englischen ausgehend konzipiert, doch schon bald für das Deutsche übernommen und nutzbar gemacht: Auf Rogets Einteilung basiert nämlich bis heute der ‘Deutsche Wortschatz’ von Wehrle/ Eggers ( 13 1967; im Folgenden wird falls nicht ausdrücklich erwähnt diese Auflage abgekürzt und zitiert als Wehrle/ Eggers). Zunächst einiges zur Einteilung des Wehrle/ Eggers. Neben dem alphabetischen Wörterbuch steht ein ‘systematischer Teil', der den Wortschatz in 1000 fortlaufend durchgezählte Kleinstfelder aufteilt ... Diese 1000 Kleinstfelder werden nun zusammengefaßt durch ein hierarchisch geordnetes Begriffssystem, zunächst einmal in 6 Hauptgruppen (A-F), diese wiederum in eine unterschiedliche Anzahl von Untergruppen (I, II, III usw.), diese dann in Unteruntergruppen (a, b, c usw.). Innerhalb eines Kleinstfeldes sind Substantive (a), Verben (b), andere Wortarten (c) und idiomatische Wendungen und Redensarten (d) getrennt aufgeführt (Augst 1977, S. 26). Bereits ein oberflächlicher Blick in das KW zeigt, dass sein Aufbau annähernd gleich gestaltet ist. Das braucht weiter nicht zu verwundern, denn „die Einteilung des Kinderwortschatzes erfolgte streng nach Wehrle/ Eggers“ (KW, S. XXII). „Auf der Grundlage der alphabetisch geordneten Kartei wurde so verfahren, daß fortlaufend jedes Wort einer oder mehreren Sachnummem des Wehrle/ Eggers zugewiesen wurde. Dabei war dessen alphabetisches Register sehr von Nutzen“ (ebd., S. XXIII). Bereits dort wird nämlich eine erste semantische Differenzierung vorgenommen. „Wörter, die nicht im Wehrle/ Eggers enthalten waren, wurden analog behandelt“ (ebd.). Die Gegenüberstellung zweier Artikel vermag diese Analogien zu veranschaulichen (links Wehrle/ Eggers, rechts KW; nach Augst 1984, S. 92f.): 154 Der zentrale Wortschatz des Deutschen E. Gebiet des Wollens E GEBIET DES WOLLENS 600-819 I. Willensanlage 600 Wille E I WILLENSLAGE (600-619) 600 WILLE 11 : 27 a) Wille. Willensanlage. Willensvermögen. Willenskraft 171. Entschlossenheit 604. Willensakt. Freiwilligkeit. Spontaneität M.I.. Selbstbestimmung, freier Wille. ‘Liberum arbitrium’ L. Freiheit 748. Eigenwille. Wunsch 865.Verlangen. Willkür 609. b) wollen. Lust haben, bekommen. Belieben. wünschen 865. aus eigenem Entschluß, auf eigene Faust handeln, seinen eigenen Willen haben, sich entschließen 604. c) willens, willentlich, aus freiem Willen, aus freien Stücken, ungezwungen, unaufgefordert. aus eigenem Antrieb, freiwillig, nach eigenem Ermessen. Auf eigene Faust geflissentlich, absichtlich 620. eigenwillig. willkürlich 609. d) Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. wollen, wünschen freiwillig. Wunsch/ nach W. gehen absichtlich (tun), *auswünschen, ‘etw. bes. wünschen’, fortwollen, herunterwollen, loswollen, mitwollen, Wille Abb. 5: Gegenüberstellung des Wehrle/ Eggers (links) mit dem KW (rechts) (nach Augst 1984, S. 92) Neben den offensichtlichen Parallelen ist auch ein auffälliger Unterschied zu beobachten, und diese Veränderungen weisen eindeutig in Richtung des von Augst intendierten Verwendungszwecks: Innerhalb jedes Kleinstfeldes ist die Einteilung nach Wortarten aufgegeben. Stattdessen werden die Wörter in drei Gruppen, je nach der Beleghäufigkeit angeführt: 1. Gruppe 10-6 Kinder 2. Gruppe 5-2 Kinder 3. Gruppe 1 Kind Der Untersuchungsgegenstand 155 Innerhalb jeder Häufigkeitsgruppe sind die Wörter alphabetisch geordnet ... Hinter jedem Kleinstfeld ist die Anzahl der Belege des kindlichen Wortschatzes notiert, nach dem Doppelpunkt die Anzahl der Belege im Wehrle/ Eggers ... (KW, S. XXV). Der formale Aufbau des KW nach den Grundzügen des Wehrle/ Eggers legt natürlich die Möglichkeit eines systematischen Vergleichs beider Wortschätze nahe. Augsts Erkenntnisinteresse gilt ja der Gegenüberstellung lexikalischen Inventars von Erwachsenen und Vorschulkindern, mithin einem Vergleich der Wortbildungsproduktivität. Absolut umfasst der aktive Kinderwortschatz 16000 Wörter. Da ... viele Wörter in mehrere Felder ... gehören, ergaben sich 23403 Wörterbucheinträge ... Als Vergleich sei sofort hinzugesetzt, daß der Wehrle/ Eggers für den Wortschatz der Erwachsenen 90607 Wörterbucheinträge hat auf Grund von ca 58000 Einzel wörtern. Daraus geht hervor: 1. Die Belegdichte ist in etwa gleich groß. 2. Die Kinder verfügen über ein Viertel (25,8%) der Belege des Wehrle/ Eggers. Diese Zahl muß man jedoch mit Vorsicht betrachten, da es drei Gruppen von Belegen gibt: solche, (1) die in beiden Sammlungen stehen, solche, (2) die nur im Wehrle/ Eggers oder (3) die nur im Wörterbuch der Kinder stehen. Bedeutsame Unterschiede ergeben sich bei der Aufteilung der Belege auf die 6 Hauptfelder des Wehrle/ Eggers. Die Tabelle ... [s.u., U. Sch.] kann man in zweierlei Weise lesen. Einmal ist in der Spalte ‘W. zu K.' angegeben, wieviel Prozent das Kinderwörterbuch jeweils in den Hauptfeldern des Wehrle/ Eggers erreicht; zum anderen geben die Spalten für den Wehrle/ Eggers und das Kinderwörterbuch die Verteilung über die 6 Hauptfelder an. Dabei zeigt sich, daß der Anteil höchst unterschiedlich ist, beträgt er bei dem Hauptfeld B ‘Raum’ mit 43,7% beinahe die Hälfte des Wehrle/ Eggers, so ist die Hauptgruppe F ‘Gefühlsleben’ nur mit 15,7% vertreten. Stellt man eine Rangfolge für die Hauptfelder auf, so ergibt sich: Wehrle/ Eggers E B C F A D KW B C A E D F 156 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Damit läßt sich die Dreiteilung des kindlichen Wortschatzes ... empirisch eindeutig quantitativ belegen ...: 1. B und C Konkreta 48,7 % Hälfte 2. E und A Relationen und Intentionen 33,0 % Drittel 3. F und D nicht handlungsbezogene 18 3 % Fünftel“ Abstrakta (Augst 1984, S. 93f.). Die Wortschatzverteilung des Wehrle/ Eggers im Verhältnis zum KW lässt sich aus der folgenden Tabelle ersehen: Wehrle/ Eggers abs. % KW. abs. % W./ E. zu KW. % Hauptfelder 14037 15,5 3919 16,7 27,6 Begriffliche Beziehungen 15954 17,6 6984 29,8 43,7 Raum 14402 15,9 4414 18,9 30,6 Stoff D 12924 14,3 2075 8,9 16,6 Geistesleben 19242 21,2 3810 16,3 19,8 Wollen 14048 15,5 2201 9,4 15,7 Gefühlsleben 90607 100 23403 100 25,8 Tab. 6: Wortschatzverteilung des Wehrle/ Eggers im Verhältnis zum KW (nach Augst 1984, S. 95) Ein Blick auf die Beleghäufigkeit des Wortschatzes im Bezug auf die 10 Kinder ist ebenfalls aufschlussreich: Innerhalb der 1000 Kleinstfelder ist ... der Wortschatz nach drei Häufigkeitsstufen geordnet. Zählt man die Belege über das ganze Wörterbuch zusammen, so ergibt sich .... daß nur 15,5% (3618) aller Belege von 6 bis 10 Kindern gleichzeitig belegt sind, 29,5% (6919) von 2 bis 5 Kindern, aber 55% (12866) von nur einem Kind. DJ Die 3618 Belege der höchsten Häufigkeitsstufe, die in einem oder mehreren Kleinstfeldern angeführt sind, können auf ca. 2300 Wörter eines ge- Der Untersuchungsgegenstand 157 meinsamen aktiven Sprachgebrauchs zurückgerechnet werden. Diese Menge liegt jedoch immer noch erheblich über dem, was in Sprachförderungsprogrammen angesetzt wird (Augst 1984, S. 93f.). Die von Augst vorgenommene Analyse unterstreicht nochmals den von ihm bereits einige Jahre früher an anderer Stelle gezogenen Schluss: ... es dürfte ... deutlich geworden sein, daß der kindliche Wortschatz anders aufgebaut ist als der der Gesamtsprache. Das Kind kennt auf der einen Seite erstaunlich viele konkrete 'Gegenstände' aus seinem Erfahrungsbereich, Namen und Dinge, mit denen es täglich zu tun hat; auf der anderen Seite sind alle abstrakten Relationen und Begriffe, also alles, was keine sichtbare Linie hat, wesentlich schwächer entwickelt als im Gesamtwortschatz (Augst 1977, S. 31, dort auch ausführlicher). Dieses Fazit stützte sich damals auf eine Untersuchung, die auf dem Sprachmaterial von lediglich einem Kind basierte, aber zusätzliche Aspekte berücksichtigte. Einige vor allem den bislang vernachlässigten Bereich der Wortbildung betreffende - Beobachtungen sind so aufschlussreich, dass ich den kleinen Exkurs noch etwas weiterführe: Zum Ausgangspunkt kann folgende Feststellung Augsts gemacht werden: „Die zahlenmäßige Auswertung erbrachte, daß das Kind über 2268 Lexeme verfügt, die zu Wörtern gehören. [Ich verweise auf die von Augst getroffene, weiter oben erwähnte terminologische Unterscheidung von Wort und Lexem, U. Sch.]. Im Gegensatz zum Gesamtwortschatz [9290 : 107554 nach Wahrig 1968, diese Auflage liegt auch den weiter unten wiedergegebenen Vergleichen von Augst zu Grunde, U. Sch.] ist dies eine wesentlich schlechtere Ausnützung der Lexeme“ (Augst 1977, S. 45). Von besonderem Interesse sind für Augst nun die Fragen, „wie die komplexen Wörter, die das Kind verwendet, gebaut sind“ und „ob es über die entsprechenden Produktionsmechanismen verfügt, nach deren Regeln man beinahe beliebig viele komplexe Zeichen bilden kann“ (ebd.). Augst versucht, mögliche Antworten darauf zu finden, indem er der Analyse von Neologismen besonderes Augenmerk schenkt, d.h. in diesem Falle Wörter, die offensichtlich vom Kind in Form von Augenblicksbildungen produziert wurden. Die so gewonnenen Erkenntnisse lassen sich prinzipiell in wenigen Worten zusammenfassen (vgl. ebd., S.45ff. zu weiteren Details): 158 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Das Kind bevorzugt Zusammensetzungen im Vergleich zu den Ableitungen. Dies geht auch deutlich aus dem prozentualen Anteil an Neologismen hervor. Das Kind hat grundsätzlich die relative Motiviertheit und den Prozeß der Produktionsmechanismen durchschaut. Es produziert jedoch mit Ausnahme des Nomen agentis auf -er sehr spärlich ... (Augst 1977, S. 55). 28 Dieses Resümee basiert auf einer ganzen Reihe von Einzelbeobachtungen: Die detaillierte tabellarische Aufstellung der Affixe (vgl. ebd., S. 47ff.) gibt u.a. Aufschluss darüber, dass im Bereich der substantivischen Suffixbildungen neben den erwähnten Nomina Agentis auch Diminutiva und Konkreta mit -ung relativ häufig vertreten sind; schwach vertreten sind hingegen die meist abstrakten Bildungen auf -heit, -keit, -igkeit und -schaft (vgl. ebd., S. 53f.). „Bei Adjektivableitungen sind -ig und -lieh gut belegt, während isch seltener verwendet ist, da es vorwiegend bei Fremdwörtern auftritt, vgl. biblisch, komisch, magnetisch, praktisch, elektrisch“ (ebd., S. 54). Bei den Präfixbildungen ist zwar die Zahl der Neologismen verhältnismäßig gering, „obwohl einige Präfixe erstaunlich stark vertreten sind. Am auffälligsten sind die 74 Ableitungen mit ver- und 43 mit be-“ (ebd., S. 55). „Von den 5253 Wörtern, die das Kind gebraucht, sind 2107 (= 40%) an einer Zusammensetzung oder Zusammenbildung beteiligt. Der Anteil liegt bedeutend höher als bei den Ableitungsfällen“ (ebd., S. 56). Auch die Anzahl der zusammengesetzten Neologismen ist deutlich höher als die der neugebildeten Ableitungen (vgl. ebd., S. 56f). Seine Detailuntersuchungen beschließt Augst mit einer vergleichenden Zusammenstellung: 28 Augst geht von der traditionellen Unterscheidung komplexer Wörter aus, also von Ableitungen, Zusammensetzungen, Zusammenbildungen und Zusammenriickungen (vgl. Augst 1977,8.45). Der Untersuchungsgegenstand 159 Tab. 7: Vergleich von Grund- und komplexen Wörtern beim Erwachsenen (= Wahrig 1968) und Kind (nach Augst 1977, S. 57) Diese Übersicht kommentiert Augst wie folgt: Das Kind gebraucht ... knapp die Hälfte aller Wörter isoliert ohne Ableitungen und Zusammensetzungen, in der Gesamtsprache sind es weniger als 10%. Stellen wir dies in Rechnung, so zeigt sich, daß das Kind wesentlich mehr Zusammensetzungen bildet als Ableitungen im Vergleich zu den komplexen Wörtern der Gesamtsprache ... Vielleicht darf man ... sagen, daß die semantisch-morphologische Struktur der Zusammensetzungen weniger abstrakt, die relative Motiviertheit faßbarer ist... Bei den Ableitungen werden Lexeme durch abstrakte Wortbildungsmorpheme ersetzt, während bei der Zusammensetzung die entscheidenden Lexeme erhalten bleiben (1977, S. 57). Während bei der Zusammensetzung allenfalls der (‘richtige’) Gebrauch der Fugenelemente (vgl. ebd. S. 58ff.) Probleme bereitet, sind die Verhältnisse bei der Ableitung insgesamt also komplizierter. Im Aufbau des Spracherwerbs ist klar, daß Ableitungen erkannt werden durch die relative Motiviertheit der Wörter. Gelingt es dem Kind, die komplexe semantische und morpho-syntaktische Struktur mehrerer Ableitungen durch eine gemeinsame (Transformations)regel zu erfassen, so kann es diesen rezeptiv-analytischen Prozeß umkehren zu einem synthetisch-produktiven Verfahren (ebd., S. 45L). 160 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Ein weiterer Umstand erschwert diesen Umkehrprozess allerdings erheblich, denn die inhaltliche Struktur einer Ableitung ist i.d.R. auch vieldeutiger als die einer Zusammensetzung: Einmal kann ein semantisch-syntaktischer Inhalt durch mehrere Suffixe erzeugt werden, z.B. Vergleichsadjektive: herbstlich, märchenhaft, egoistisch, holzig, samtartig, kindisch ..., andererseits kann ein Suffix Ausdruck für verschiedene semantisch-syntaktische Inhalte sein, so z.B. -lieh als Möglichkeitsadjektiv: erklärlich, Notwendigkeitsadjektiv: bedauerlich, Empfindungsadjektiv: ängstlich, Entsprechungsadjektiv: moralisch, Vergleichsadjektiv: herbstlich, Zustandsadjektiv: sonntäglich ... Entscheidend für den Spracherwerb ist, daß das Kind diese sich formal und inhaltlich vielfältig überschneidenden Linien halbwegs entwirren muß, wenn es nicht alle Adjektive memorieren will (Augst 1977, S. 54). Im Anschluss an diese Befunde ließe sich also die These formulieren, dass jene Wortbildungsmuster, die wegen ihrer Durchsichtigkeit im Erstspracherwerb früh durchschaut werden, auch für den Zweitspracherwerb nutzbar gemacht werden könnten. Auf der anderen Seite sollte aber auch geprüft werden, inwieweit es möglich ist, beispielsweise jene Ableitungsmuster, die auf Grund ihrer Mehrdeutigkeit Verwirrung stiften, voneinander abzugrenzen und sie auf diese Weise transparenter und somit reproduzierbar zu machen. Es versteht sich von selbst, dass die Ergebnisse nicht überinterpretiert werden sollten, dass etwaige Rückschlüsse hinsichtlich anderer Bereiche als den des Erstspracherwerbs bestenfalls in abstrahierter Form möglich sind und lediglich einzelne Tendenzen aufzeigen können. Die Auswahl der Untersuchungsergebnisse hat verdeutlicht, in welchen Bereichen sich der Wortschatz des Vorschulkindes u.a. von dem des Erwachsenen unterscheidet. Alles in allem kann er selbstverständlich als charakteristischer wie auch eigenständiger Ausschnitt eines zentralen Bereichs der deutschen Sprache betrachtet werden. Insofern lässt sich Augsts KW nahtlos in das Spektrum der methodisch fundierten und gut dokumentierten Erhebungen einreihen, die meinen bewusst auf Vielfalt angelegten Untersuchungsgegenstand ausmachen. Eigenlich wäre dies ein schöner Schlusssatz gewesen. Eine Besonderheit des KW, seine onomasiologische Konzeption, verdient es allerdings, noch etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden: Die Strukturierung des Kin- Der Untersuchungsgegenstand 161 derwortschatzes basiert auf dem Begriffssystem des Wehrle/ Eggers (s.o.)- Eine Definition bietet den geeigneten Einstieg: Das Begriffswörterbuch ist onomasiologisch ausgerichtet und enthält Informationen über die lexikalischen Einheiten, die in einer weiteren oder engeren paradigmatisch-semantischen Beziehung zueinander stehen (Kühn 1979a, S. 99). Die beiden wichtigen Aspekte sind in diesem kurzen Zitat angesprochen: erstens, der rein systematische, also das Begriffsschema als solches, und zweitens, der sprachstrukturelle, also die Beziehung der einzelnen Lexeme zueinander. Beides lässt sich gewiss nicht strikt voneinander trennen, dennoch werde ich in dieser Reihenfolge kurz darauf eingehen. Im Rahmen der von Augst durchgeführten Untersuchungen spielte die begriffliche Gliederung des Wehrle/ Eggers eine entscheidende Rolle, wobei zwar einzelne Vorbehalte angeklungen sind, das eigentliche Kardinalproblem aber noch nicht angesprochen wurde: Bei der Erstellung von Begriffswörterbüchern hat sich immer wieder die zentrale Frage gestellt, nach welchen Kriterien ein solches Begriffsschema aufgestellt und geordnet werden soll (ebd.). Im Laufe der Zeit haben sich infolgedessen verschiedenartige Grundsätze zur begrifflichen Stukturierung herausgebildet. Innerhalb der von Kühn systematisierten, deduktiv gewonnenen Begriffsschemata wird jenes, ursprünglich von Roget fürs Englische erstellte und dann von Wehrle/ Eggers aufs Deutsche übertragene Modell den philosophisch ausgerichteten Ordnungsprinzipien zugerechnet (vgl. ebd.). In diesem speziellen Fall gibt Kühn in der Folge allerdings zu bedenken: Bei der ... übersetzungsartigen Übertragung des Begriffssystems wird jedoch übersehen, daß Rogets systematisches Ordnungsschema auf einer spezifischen, historischen, sozioökonomischen und individual-psychologischen Weltansicht beruht und auf dem Ermessen und Erkenntnisinteresse seines Urhebers beruht. Dieses System muß daher nicht unbedingt den Erfordernissen einer systematischen Gliederung des deutschen Wortschatzes der Gegenwart entsprechen (ebd., S. 113). Daraus können nun zwei Schlüsse gezogen werden: erstens, „daß keines dieser Systeme den differenzierenden Ansprüchen einer Wortschatzgliederung genügen kann“ (ebd., S. 103), und dass, zweitens, „es das Begriffssy- 162 Der zentrale Wortschatz des Deutschen stem, das für alle Sprachen und für alle Zeiten Gültigkeit besitzt, nicht geben kann“ (Kühn 1979a, S. 116). Bei aller grundsätzlichen Kritik an traditionellen Begriffswörterbüchern wurde der von Kühn als eigentliches Hauptproblem angesehene Punkt aber noch gar nicht berührt, nämlich, „daß die Sprache im Erkenntnisprozeß eine wichtige Rolle spielt und Sprache und Denken in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen“ (ebd.). Das heißt: ein Begriffssystem wird i.d.R. von psychologischen Implikationen begleitet, also von oftmals noch unerforschten und demnach ungerechtfertigten Analogien in Bezug auf menschliche Denkstrukturen. Dies ist umso problematischer, wenn man wie etwa Roget versucht, „der Sprache von außen ein fremdes, statistisches Ordnungsgefüge aufzudrängen“ (ebd.). Im Großen und Ganzen kann man Kühns kritische Zusammenfassung somit in den meisten Punkten als wohl begründet betrachten: Neben die unzureichende theoretische Fundierung traditioneller Begriffswörterbücher bezüglich Begriffskonstitution, Begriffsrelation und Begriffssystematik tritt eine unzureichende Anwendung und Berücksichtigung der onomasiologischen Methodik. Rein optisch zeigt sich dieser Mangel an den umfangreichen Bezeichnungen, die in den einzelnen Begriffsgruppen zusammengefaßt sind ... In diesen Stichwortgruppen wird alles zusammengefaßt, was aufgrund eines etymologischen, metaphorischen, stilistischen, morphologischen, assoziativen oder eines anderen, schwer ergründbaren Zusammenhangs mit dem diese Gruppe konstituierenden Begriff in Beziehung steht (ebd., S. 119f.). Natürlich war Augst mit den eben angesprochenen Schwierigkeiten allgemeinerer Art konfrontiert und sich dessen auch sehr bewusst: Trotz aller lexikographischen Kritik am Wehrle/ Eggers wie an allen Sachwörterbüchern darf man nicht vergessen, daß er auch und gerade ein Wörterbuch für den Schreiballtag - ‘ein Wegweiser für den treffenden Ausdruck’ (Untertitel) sein will, d.h., Hilfe bieten möchte, für einen Schreiber, der um ein Wort verlegen ist oder seinen Ausdruck variieren möchte (KW, S. XXII). Daraus ergebe sich auch der reizvolle Doppelcharakter: „Sachwörterbuch und Stilhilfe“ (ebd., S. XII). ‘Der Wegweiser zum treffenden Ausdruck’ dürfte allerdings selbst deutschsprachige Schreiber und Schreiberinnen das Der Untersuchungsgegenstand 163 ein ums andere Mal in die Irre leiten, was eben auf die Struktur des Wehrle/ Eggers zurückzuführen ist; Augst charakterisiert sie als „Mischung aus Wortfeld-Wörterbuch (auf Grund von Ähnlichkeit) und ... Handlungs- Wörterbuch (auf Grund von Handlungszusammenhängen)“ (KW, S. XXII). Er versucht das am Beispiel der Nr. 333 FLÜSSIGKEIT zu verdeutlichen: Sie enthält einerseits viele ‘Stoffe’, denen das Merkmal ‘flüssig’ zukommt, z.B. Länge [sie! ], Beize, Brühe, Wasser, Milch, Wein, Sprit, andererseits aber auch Kontiguitäten durch Handlungszusammenhänge, z.B. Brunnen, Tankstelle, Bar, Bierauto, Kellner, Winzer, Liter, Öltank', schwach, stark, hochprozentig (ebd.). Den Benutzern und Benutzerinnen stellt sich zwangsläufig die Frage nach einer Systematik, also wie viele der angeführten Begriffe sie tatsächlich unter dem Stichwort ‘Flüssigkeit’ gesucht, bzw. vermutet hätten. Es ergeben sich also auf Grund des ‘Mischcharakters’ zum einen zahlreiche Überschneidungen, zum anderen etliche, kaum mehr nachvollziehbare Zuordnungen. Aus einer ganzen Reihe von Beispielen hebt Augst noch einige besonders auffällige hervor: ... so hat z.B. das Wort auflieben im Sinne von ‘aufbewahren' nur die Nr. 191, das Wort aufbewahren in gleicher Bedeutung aber die Nr. 191, 636, 670, 781. Ebenso steht Leberfleck unter Nr. 433 (BRAUN) und 440 (BUNT), Muttermal aber nur unter 440, dafür wird jedoch Muttermal unter 243 (ENTSTELLUNG) angeführt, nicht aber Leberfleck ... So kann man Sonnenuntergang und streichen einleuchtend zu Nr. 449 (UNSICHTBAR WERDEN) stellen, sehr gesucht ist es aber, wenn in der Gruppe auch abreisen steht. Kaum nachvollziehbar ist die Einordnung von Parkuhr unter Nr. 189 (AUFENTHALTSORT) oder hundemüde unter Nr. 364 (TIER- REICH) (ebd.). Ein Begriffsnetz sollte nicht nur den Wortschatz zweckmäßig strukturieren, sondern eben auf diese Weise auch dazu beitragen, Bedeutung zu erklären. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, müssten jedoch die sprachlichen (Sinn-)Relationen zwischen den einzelnen Wörtern sowie deren Auswahl eindeutig definiert werden (vgl. hierzu auch Kap. 3.4.2.3 in dieser Arbeit). Dies ist, wie mit Kühn weiter oben schon festgestellt wurde, allzu offensichtlich nicht der Fall; die angeführten Beispiele erwecken in der Tat eher den Eindruck von rein assoziativ gewonnenen ‘Stichwortgruppen’ denn einer systematisch (an-)geordneten Aufstellung. 164 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Dessen ungeachtet geht Augst bei der semantischen Analyse des Kinderwortschatzes primär von der Voraussetzung aus: „Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich in den meisten Fällen durch die Zuweisung in ein Kleinstfeld mit einer semantisch charakterisierenden Überschrift“ (KW, S. XXVI). Es dürfte jedoch selbst für ‘native speaker’ auf den ersten Blick schwierig sein, stark unter FLÜSSIGKEIT zu monosemieren.“ Generell scheint Augst ein Ergebnis seiner früheren Untersuchung entgegenzukommen. Er hat dort festgestellt, „daß ein Kind alles in allem nur 147 Wörter von 5253 insgesamt mit mehr als einer Bedeutung gebraucht. Auffällig ist ferner, daß beide Bedeutungen in der Mehrzahl aller Fälle einen konkreten Sinn haben“, und daraus folgert er: „Das Wort hat also für das Kind weniger eine Bedeutungsals eine Bezeichnungsfunktion“ (1977, S. 36). Einerseits ist den Benutzern und Benutzerinnen des KW damit eine, wenn auch vage Hilfestellung für die Bedeutungserschließung gegeben, zumal Eindeutigkeit ja auch innerhalb eines Kleinstfeldes nicht unbedingt gewährleistet werden kann. Auf der anderen Seite läuft bereits die gängige Zuweisungpraxis einzelner Wörter in mehrere Kleinstfelder der oben zitierten Tendenz zuwider und führt im KW zu einem Anstieg der ca. 16000 Wörter auf ca. 23400 Belege (vgl. Augst 1984, S. 93). Hier sind jedoch zwei Sichtweisen zu unterscheiden: Bei der Wortschatzerfassung der einzelnen Kinder wurden Bedeutungen durch Erfassung des Kontextes berücksichtigt. Man darf also beispielsweise annehmen, dass zwei Kinder ein Wort mit zwei verschiedenen Bedeutungen verwenden; aus dieser Warte erklärt sich das Bedeutungsspektrum eines Wortes dann als Summe der von allen Kindern gebrauchten unterschiedlichen Sememen. Aus der Gesamtschau wird im Kinderwortschatz allerdings ein Grad an Mehrdeutigkeit impliziert, der dem eines Erwachsenen entspricht, was nicht unproblematisch ist. 29 In anderen Zweifelsfällen helfen zusätzliche (Bedeutungs-)Angaben in Hochkommata, mögliche Verwechslungen, etwa bei dialektalen Wörtern, auszuschließen (vgl. KW. S. XVI). Der Untersuchungsgegenstand 165 Wie häufig die verschiedenen Lesarten jeweils gebraucht werden, kann ebenso nicht eindeutig nachvollzogen werden: Wird ein Wort mehreren Kleinstgruppen zugewiesen und damit als polysem eingestuft, so ist es i.d.R. auch in der gleichen Häufigkeitsklasse belegt. Nach dieser Einteilung würde folglich ein Wort mit all seinen Sememen jeweils von der gleichen Anzahl Kinder verwendet. Diese Annahme erscheint mir zu pauschal. Es wäre demnach sehr wünschenswert gewesen, auch innerhalb der drei Häufigkeitsgruppen eines Kleinstfeldes, den Frequenzaspekt zu berücksichtigen. Stattdessen hat Augst eine alphabetische Anordnung gewählt. Damit bedient er sich zwar eines klar defininierten Ordnungskriteriums, zugleich weicht er jedoch auch von der Gliederung im ‘Deutschen Wortschatz’ ab, denn dort „ist dasjenige Wortgut in Reihen zusammengestellt, das die engste Sinnverwandtschaft hat. Einander nahestehende Reihen wurden durch einen auf mittlere Zeilenhöhe gestellten Punkt... getrennt“ (Wehrle/ Eggers ’1967, S. XIV). Die Begriffssystematik des Wehrle/ Eggers ist also nur unter diversen Vorbehalten von praktischem Nutzen. Sie mag Muttersprachlern und Muttersprachlerinnen dank ihrer Kompetenz dienlich sein, den treffenden Ausdruck zu finden. Bedenklich scheint es hingegen, sie als Basis eines Vergleichs heranzuziehen, so wie es Augst getan hat. Die Einteilung muss zwangsläufig „in diesem Zusammenhang annäherungsweise als universelles, sprachunabhängiges, logisches Gliederungsprinzip aufgefaßt“ werden (Augst 1977, S. 32). Augst räumt zwar weiter ein, dass dies „de facto natürlich nicht der Fall“ sei, fährt aber trotzdem fort: „Möglicherweise spiegelt Wehrle/ Eggers, wie auch andere Gliederungen die kognitiv-sprachliche Gliederung der Erwachsenen wider, mit der man zwar die Differenz, aber damit nicht die Eigenart der kindlichen Wortschatzgliederung beschreiben kann“ (ebd.). Es stellt sich die Frage, ob Augst bei aller Vorsicht nicht doch mit zu vielen Hypothesen arbeitet: Zunächst ist die Skepsis wohlbegründet, die philosophisch ausgerichtete begriffliche Ordnung des Wehrle/ Eggers mit der „Wissensrepräsentation im menschlichen Gedächtnis“ (Klix 1984) von Erwachsenen gleichzusetzen. 166 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Darüber hinaus muss wohl angenommen werden, dass die Strukturierung des Wortschatzes beim Kind ohnehin etwas anders organisiert ist: Weder eine Merkmalgliederung nach Wortfeldern noch eine Gliederung nach Bedeutungsfeldern scheint ... ausgeprägt zu sein, allenfalls eine Ordnung nach Vorkommensbereichen. Am Beispiel verdeutlicht: Das Wort Löffel ist nicht mit anderen Schöpfgeräten, z.B. Kelle, Schaufel verbunden noch bilden die verschiedenen Bedeutungen ein Bedeutungsfeld, z.B. ‘Eßgerät’, ‘Ohr (des Hasen)’, am ehesten scheint es verknüpft mit Messer, Gabel, die im gleichen synpraktischen Umfeld eine Rolle spielen (KW, S. XXI; vgl: auch Hagendorf/ Schmid/ Sydow 1984). Die von Augst gewählte Vorgehensweise wird also maßgeblich von seinem eingangs beschriebenen Erkenntnisinteresse bestimmt. Sie wird allerdings auf Grund der angeführten Gründe relativiert: Der Wortschatzvergleich auf der Grundlage des Begriffswörterbuchs von Wehrle/ Eggers ist bestenfalls unter Vorbehalt durchzuführen, wobei ein gewisser Abstraktiongrad stets zu berücksichtigen ist. Im Nachhinein wird man zu dem Schluss gelangen, dass sich in den Ergebnissen dieses Ansatzes allenfalls in der Aussagekraft eher eingeschränkte Tendenzen ablesen lassen. Aber welche Alternativen hätten Augst zum damaligen Zeitpunkt überhaupt zur Verfügung gestanden? Er selbst gab ja zu bedenken, „daß das Wörterbuch von Wehrle/ Eggers in vieler Hinsicht überarbeitungsbedürftig ist. Dies betrifft vor allem das Begriffsnetz und die Zuordnung der Wörter“ (KW, S. XXI). Zwei Alternativen zum Wehrle/ Eggers hatte Augst selbst in Betracht gezogen (vgl. ebd.): 1) Kühns Versuch eines eigenen, induktiv konzipierten Begriffssystems; derartige „Ordnungsschemata sind funktionsorientiert und lediglich Mittel zu einem übergeordneten Zweck“ (1979a, S. 103). Im Gegensatz zu den meisten bisherigen Versuchen, fühlt er dazu aus, ... ergeben sich die Begriffskategorien und Begriffsrelationen eines auf die Sprache selbst bezogenen Einteilungsprinzips aus der kommunikativen Funktion der Sprache selbst. Diese funktionale Abhängigkeit bewirkt gleichzeitig eine Dynamisierung des Begriffssystems, weil es aus dem Untersuchungsgegenstand selbst erwächst und auf Sprachveränderungen reagieren kann. Ein Begriffsnetz auf funktionaler Basis kann somit den Anforderungen einer lexikalischen Systematisierung eher gerecht werden (ebd., S. 116). Der Untersuchungsgegenstand 167 Wie dies konkret aussehen könnte, hat Kühn im Anhang seiner Arbeit an Einzelbeispielen zwar angedeutet (vgl. Kühn 1979a, S. 13 Iff.), sein Vorhaben jedoch nicht fortgeführt. 2) Die Frame-Theorie, bei der man, so Augst, im Wesentlichen davon ausgeht, „daß der Wortschatz jedes Einzelnen nach der Struktur seines Weltwissens hierarchisch aufgebaut ist, also nach Handlungsfeldern“ (KW, S. XXI). Bei allen offensichtlichen Möglichkeiten, die ein derartiges Konzept bietet, überwiegen bislang wohl nicht zuletzt die konzeptionellen Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung: Ein Indiz hierfür ist, dass man in der gegenwärtigen Wörterbuchlandschaft vergeblich nach einem Frame-Wörterbuch i.w.S. sucht, das sich im Umfang auch nur annähernd an den gängigen einbändigen allgemeinsprachlichen Wörterbüchern orientiert. Demzufolge besitzt Augsts Resümee von damals alles in allem auch heute noch Gültigkeit: „Leider gibt es bisher ... keine umfassende Darstellung des Wortschatzes nach Handlungsfeldern" (ebd., Hervorhebung von U. Sch.). Letztlich, so ließe sich folgern, sind dafür Gründe verantwortlich, welche mit jenen vergleichbar sind, die bereits die Konzeption von onomasiologischen Wörterbüchern erschwerten. Hinzu kommt außerdem, dass der Begriff ‘Frame’ von theoretischer Seite her zunehmend kontrovers diskutiert wird. Beide Vorschläge waren also zu dem Zeitpunkt, als Augst seine Arbeit zum Abschluss bringen wollte, in einem Stadium, das eine Adaption nicht zuließ (vgl. auch Kap. 3.4.2.3 in dieser Arbeit). Er selbst wollte sich aus verständlichen Gründen nicht der Mühe unterziehen, ein eigenes Begriffssystem zu entwickeln bzw. eines der beiden Altemativangebote weiterzuverfolgen. So verblieb schließlich als einziger der von ihm beschrittene Weg, eine Kompromisslösung, um die Wortschatzstraktur von Kindern mit der von Erwachsenen vergleichen zu können. Verglichen mit den Möglichkeiten, die der auch nicht immer problemlos umzusetzende semasiologischen Ansatz mit seinem alphabetisch geordneten Material bietet, hat sich bei allen Einschränkungen doch gezeigt, wie das Analysespektrum durch eine nach begrifflichen Gliederungsprinzipien suchenden und daher verhältnismäßig aufwändigen Herangehensweise erweitert werden kann. Mit der relativ ausführlichen Beschreibung solcher Unter- 168 Der zentrale Wortschatz des Deutschen suchungsergebnisse wurde angedeutet, dass sich die Wahl des Verfahrens nicht nur im Endprodukt niederschlägt, sondern dass diese auch die Nutzungsmöglichkeiten in der Folge positiv beeinflusst. So gesehen ist das KW wegweisend, da in ihm auf durchaus innovative Weise versucht wurde, lexikografische Prinzipien, die etwas abseits der traditionellen Linie liegen, konsequent für eine ganz bestimmte Zielsetzung nutzbar zu machen. Trotz aller Unzulänglichkeiten, die es dabei zu berücksichtigen gilt, sprechen die erzielten Ergebnisse für sich. 2.6 Deutscher Volkshochschul-Verband/ Goethe-Institut (Elg.) ( 5 1992): ‘Das Zertifikat Deutsch als Fremdsprache’ Bei den bisher ausführlicher vorgestellten Korpora spielte die Häufigkeit bei der Erhebung des Wortschatzes eine mehr oder minder zentrale Rolle. Die Wahl des frequenziellen Ansatzes war dabei durch die jeweiligen Forschungsinteressen auch wohl begründet. Demgegenüber wurde allerdings zunehmend Kritik laut an der vielfach unreflektierten Übernahme von Frequenzlisten für die Erstellung von Grundwortschätzen im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF). Einer der schärfsten Kritiker dieser Methode zur vermeintlich objektiven Reduzierung des Lernwortschatzes war Kühn, der seinen diesbezüglichen Haupteinwand wie folgt formulierte: Durch diesen Bezug auf die Häufigkeitsuntersuchungen wurde eine verhängnisvolle Gleichung in die Grundwortschatzbestimmung hineingetragen, die sich bis auf den heutigen Tag standhaft hält ..: Die sprachstatistisch häufig vorkommenden Wörter werden mit den sprachpädagogisch brauchbarsten identifiziert (1984, S. 244). Dieser Standpunkt muss als Konsequenz und folglich im Kontext der sog. kommunikativ-pragmatischen Wende in der Sprachwissenschaft Ende der Sechzigeijahre verstanden werden, was insbesondere auch durch den Lösungsvorschlag von Kühn angedeutet werden kann: Das Set der Kriterien einer funktionalen lexematischen Reduktion läßt sich ... allgemein durch die nachfolgende Frage aufzeigen: Welches lexikalische Material ... benötigt ein Sprecher/ Schreiber ..., um in der Situation ... über das Thema ... in der Rolle ... die kommunikative Intention ... Der Untersuchungsgegenstand 169 mithilfe des Kommunikationsmodus ... erfolgreich durchzuführen? (Kühn 1980, S. 234). Damit sind nochmals jene Eckpfeiler in Erinnerung gebracht, die ausschlaggebend waren für die Erarbeitung des ‘Zertifikats Deutsch als Fremdsprache’ O’1992, hg. v. Deutschen Volkshochschulverband und dem Goethe-Institut, in dieser Auflage im Folgenden abgekürzt und zitiert als ‘Zertifikat’). Wie unschwer zu erkennen ist, wählt Kühn lediglich eine andere Formulierung für die pragmatisch begründeten W-Fragen, deren Beantwortung zugleich Methode ist (s. u.). Das ‘Zertifikat’ nimmt in gewisser Weise also eine Sonderstellung im Rahmen der von mir ausgewählten Wortschatzsammlungen ein: Es unterscheidet sich von diesen z.T. ganz erheblich im (intendierten) Gebrauchszweck, in der Vorgehensweise und im fertigen Produkt. Daneben spielte für die Auswahl des ‘Zertifikats’ natürlich auch sein Stellenwert eine Rolle, den es im Laufe seiner langjährigen Geschichte erreicht hat. Im Rahmen eines Aufsatzes gelangt Muhr im Kapitel ‘Sprachzertifikate und Lernzielkataloge für den DaF-Unterricht im deutschsprachigen Raum im Vergleich’ zu der Überzeugung: „Von diesen DaF-Zertifikaten ist das ‘Zertifikat Deutsch als Fremdsprache’ hinsichtlich der Zahl seiner Absolventen das bei weitem Wichtigste“ (Muhr 1994, S. 128). Wer ist nun ein potenzieller Absolvent bzw. eine potenzielle Absolventin des ‘Zertifikats’, d.h., welche Zielgruppe wird angesprochen? Sie setzt sich zusammen aus der Zielgruppe der Volkshochschulen und der des Goethe-Instituts, Obwohl die Adressatenbeschreibung auf Teilnehmeranalysen in den Volkshochschulen beruht, ist sie doch relativ grob. Sie umfaßt Erwachsene, auch junge Erwachsene, die ins Land der Zielsprache (oder ein anderes Land, in dem die Zielsprache Mittel der Kommunikation ist oder sein kann) fahren und sich dort in Alltagssituationen verständigen wollen; die sich im In- und Ausland in der Zielsprache verständigen wollen, um eigenes Wissen und eigene Erfahrungen mitzuteilen bzw. im Gespräch mit anderen zu erweitern; 170 Der zentrale Wortschatz des Deutschen die die Sprache lernen wollen, um aus schriftlichen oder gesprochenen Texten auch aus Medien wichtige oder für sie interessante Informationen entnehmen zu können Die Sprachkurse des Goethe-Instituts wenden sich an Erwachsene und in geringerem Umfang an Jugendliche und Kinder im Alter von 10 bis 18 Jahren. Bei den Erwachsenen bilden die folgenden Gruppen den Schwerpunkt: Studienbewerber, Studenten (Germanistikstudenten), Deutschlehrer und Akademiker verschiedener Berufsgruppen (‘Zertifikat’, S. 9). Nicht nur auf den ersten Blick erscheint die Zielgruppendefinition „diffus und groß: der Ausländer“ (Ahlgren/ Bentzen 1986, S. 40). „Der Begriff 1 , so die beiden Autoren weiter, „erfährt eine gewisse Präzisierung durch die Themen, die die Verfasser [des ‘Zertifikats’, U. Sch.J wählten im Hinblick auf die erwarteten kommunikativen Bedürfnisse des ‘Ausländers’“ (ebd., S. 40). Der Übergang zur zweiten Frage ist demnach fließend, nämlich was der Adressatenkreis des ‘Zertifikats’ sprachlich zu bewältigen hat. Eine Antwort darauf findet sich in drei umfangreichen Katalogen: Katalog A: Auflistung der Sprechintentionen und allgemeinbegrifflicher Aussagen Katalog B: Liste von Themen des täglichen Lebens Katalog C: Auswahl von Texten, die der Lerner verstehen bzw. schreiben oder über die er sprechen soll (‘Zertifikat’, S. 19; vgl. S. 20ff. zu weiteren Details). Über das Verhältnis dieser Kataloge zueinander gibt das‘ Zertifikat' Auskunft: In den Katalogen A und B sind Elemente des sprachlichen Handelns isoliert voneinander aufgeführt, um einen klaren Überblick in jedem Bereich zu ermöglichen. Natürlich bestehen diese ‘Sprechintentionen’ bzw. ‘Themen’ nicht isoliert, sondern sie sind im Zusammenhang mit der Textsorte, dem Rollenverhalten und dem sprachlichen Register zu sehen. Alle Faktoren zusammen bestimmen eine ‘Situation’ (ebd., S. 20). Mit Hilfe dieser Kataloge versuchen Ahlgren/ Bentzen die Zielgruppe noch etwas genauer zu fassen: Der Untersuchungsgegenstand 171 Diese Themen zeigen uns, daß das Zertifikat nicht an den denkt, der im Ausland bleibt und vor allem die Fähigkeit zum Lesen deutscher (literarischer, fachlicher, wissenschaftlicher) Texte erwerben und kaum selbst deutschsprachig kommunizieren will. Gemeint ist vor allem der Ausländer, der sich auf einen Deutschlandaufenthalt vorbereitet ... Diesem will das Zertifikat helfen, sich besser in der deutschen Öffentlichkeit zu bewegen. Bei der Themenwahl wird ja der öffentliche Bereich mehr als der private berücksichtigt (Ahlgren/ Bentzen 1986, S. 41, vgl. auch S. 45). Wenig überraschend ist im Rahmen der Zielgruppenbestimmung hingegen ihr Befund: „Viele Beispiele zeigen, daß das Buch eher den gebildeten, bürgerlichen Ausländer als den gewöhnlichen ‘Gastarbeiter’ im Auge hat“ (ebd., S. 41). Die Fragen wer und was bedingen sich in weiten Bereichen also gegenseitig, die Frage nach dem Wie, also den Rahmenbedingungen, muss noch kurz geklärt werden: Die vorgegebenen Lernziele umfassen die traditionellen Bereiche des Hör- und Leseverstehens, des mündlichen und schriftlichen Ausdrucks und werden im Einzelnen durch Beispiele illustriert (vgl. ‘Zertifikat’, S. llff.). Drei Fragestellungen beeinflussen also maßgeblich die Auswahl des Wortschatzes, nämlich wer benötigt was an sprachlichem Wissen, um wie damit kommunizieren zu können? Auf welche Weise ist jedoch eine Reduzierung des Wortschatzes auf ein kommunikatives Minimum möglich, lehnt man Frequenzlisten als ungeeignetes Hilfsmittel weitestgehend ab? Jener, aus der seinerzeit unbefriedigenden Situation heraus konsequent eingeschlagene neue Weg ist allerdings gleichfalls auf Kritik gestoßen. Dreh- und Angelpunkt ist selbstverständlich die Vorgehensweise bei der Wortselektion, die sich zunächst recht einfach beschreiben lässt: „Erfahrene Pädagogen und Wissenschaftler trafen die Auswahl der Wörter, indem sie nach den Wörtern fragten, die ein Ausländer braucht, um die vom Zertifikat vorgeschlagenen Themen und Situationen sprachlich zu bewältigen“ (Ahlgren/ Bentzen 1986, S. 41f.). Seine grundsätzliche Skepsis gegenüber dieser Methode bringt Krohn nicht zuletzt durch die Formulierung zum Ausdruck, mit der er das auf Objektivität abzielende Verfahren der Mehrheitsentscheidung bewertet: 172 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Die Gefahr der subjektiven Materialeinschätzung durch einzelne Mitglieder der Arbeitsgruppe glaubt man durch die objektivierende Wirkung von Gruppendiskussionen mit anschließendem Gruppenkonsens weitgehend bannen zu können. Wichtigstes Kriterium der Wortauswahl sind somit Expertenurteile über die Nützlichkeit des Einzelwortes im durch Thema, Situation, Intention und Texttyp festgelegten Kommunikationsrahmen (Krohn 1992, S. 48f., Hervorhebung von U. Sch.). Die Selektion wird darüber hinaus aber auch durch eine Reihe weiterer Kriterien begründet: Aufgenommen wurden vor allem - Wörter, die in vielfältigen Zusammenhängen verwendbar sind und daher Vorrang vor teilweise sehr häufigen, aber in ihrer Anwendungsbreite stark begrenzten Wörtern erhalten mußten. - Wörter, die zur Definition oder zur einfachsten Beschreibung einer Sache oder eines Sachverhalts erforderlich sind. - Wörter, die bei solchen Beschreibungen und Definitionen eine angemessene Differenzierung bzw. genauere Information ermöglichen sowie die Notwendigkeit komplizierterer Umschreibungen wegen Fehlens des entsprechenden Wortes reduzieren helfen (‘Zertifikat’, S. 86). Das vorläufige Fazit zur Vorgehensweise bei der Wortschatzselektion im ‘Zertifikat’ könnte also lauten: Statt lexikographischer Parameter wie Frequenz und Streuung kommt hier in erster Linie das Evidenzkriterium zur Anwendung, bei dem die kollektiv kontrollierte und bestätigte Intuition von Experten darüber entscheidet, welche Lexeme nach Vorgabe eines Kommunikationsrahmens genügend Nützlichkeit, Anwendungsbreite, Funktionsfähigkeit usw. besitzen. Die offenkundige Vagheit von Begriffen wie Nützlichkeit, Anwendungsbreite usw. ist mit dem alleinigen Hinweis auf die funktionale Abhängigkeit vom übergeordneten Kommunikationsrahmen keineswegs aufgehoben, sondern nur auf eine andere Beschreibungsebene transponiert. Denn die den Kommunikationsrahmen kostituierenden Komponenten wie ‘Thema’, ‘Situation’ oder ‘Intention’ sind zumindest als Steuerprinzipien für die konkrete Wortauswahl in vielen Fällen nicht weniger vage und unpräzise als die didaktische Aufbereitung von Frequenzuntersuchungen (Krohn 1992,8.49). Bei allen Vorbehalten gegenüber Häufigkeitsuntersuchungen kommen selbst die Verfasser des ‘Zertifikats’ am Ende ihrer Arbeit zu einem Ergebnis, das Der Untersuchungsgegenstand 173 von der praktisch-verfahrenstechnischen Seite eigentlich kaum verwundert, die von wissenschaftstheoretischer Seite aufgebauten Barrieren jedoch in Frage stellt. So heißt es in der 2. Auflage des ‘Zertifikats’ von 1977: Die meisten Stichwörter der Wortliste gehören zu den häufigsten Wörtern der deutschen Sprache der Gegenwart. Die hohe Häufigkeit dieser Stichwörter in gesprochenen und/ oder geschriebenen Texten erklärt sich in vielen Fällen daraus, daß sie jeweils Träger einer ganzen Reihe von Bedeutungen sein können (‘Zertifikat’ “1977, S. 143). Konsequent weitergedacht und mit etwas anderen Worten ausgedrückt lässt dieses Ergebnis nur einen Rückschluss zu, demzufolge ... wird polysemen Lexemen nicht nur die (erwartbare) Eigenschaft der relativ hohen Frequenz zuerkannt, sondern auch eine mehr oder minder deutlich erkennbare Beziehung zwischen kommunikativer Nützlichkeit und textbedingter Häufigkeit von Lexemen in dem Sinne angenommen, daß zwischen Frequenz und Nützlichkeit ein relativ hoher Deckungsgrad besteht. Diese implizit erschließbare Konvergenz von frequentiellen und kommunikativ-pragmatischen Kriterien ist ein deutliches Indiz dafür, daß die theoretischen Prämissen für die Verwerfung des Frequenzkriteriums nicht stichhaltig sind (Rrohn 1992, S. 49). Auf der Wortebene spielt also die Frequenz wenngleich nur indirekt sehr wohl eine Rolle. Darüber hinaus ließe sich möglicherweise jedoch auch ein direkter Bezug hersteilen, sofern man eine andere Perspektive wählt. Dies hat Krohn getan. Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit Kühns Kritik an den Auswahlverfahren für Grundwortschätze gelangt er zu einem Resultat, das sich in Form einer abschließenden These auch in den aktuellen Kontext fügt: Die Verfasser des ‘Zertifikats’ operieren demnach ... nicht mit einem lexikalischen Rekurrenzkriterium, d.h. mit der Vorkommenshäufigkeit von Wörtern/ Lexemen, sondern mit einem thematischen Rekurrenzkriterium. d.h. mit der Vorkommenshäufigkeit von Themen in Texten als Mittel der Wortauswahl (Krohn 1992, S. 70). Die Auswirkungen der pragmatischen Vorgaben auf die Auswahl des Wortbestandes halten sich einem ersten Eindruck zufolge also in Grenzen, und die Methodik ist keineswegs unumstritten. Bleibt die Frage nach etwaigen Konsequenzen der gewählten Herangehensweise für die Gestaltung des ‘Zertifikats’. Das im Rahmen der skizzierten Vorgaben ausgewählte Sprachmaterial wird im ‘Zertifikat’ in Form von drei Listen dargeboten, einer alphabeti- 174 Der zentrale Wortschatz des Deutschen sehen Wortliste sowie einer dazugehörigen Wortgruppenliste (vgl. ‘Zertifikat’, S. 88ff.), einer Liste zu Morphologie und Syntax (vgl. ebd., S. 260ff.) und einer Wortbildungsliste (vgl. ebd., S. 316ff.). Der Stellenwert der Wortliste, die hier natürlich im Mittelpunkt steht, ergibt sich folgerichtig aus den in erster Linie auf Kommunikation ausgerichteten Zielsetzungen und wird im ‘Zertifikat’ so beschrieben: Die Versprachlichung der Kataloge A und B stellt eine Art von Minimalsammlung von Beispielen dar, mit der exemplarisch gezeigt wird, wie der Lerner differenziert dem Sprechanlaß angemessen reagieren kann, wie er in alltäglichen Gesprächen zu wichtigen Themen über eine mehr als nur elementare Basis den thematischen Wortschatz benutzen kann (ebd., S. 87). Bereits ein erster Blick auf den ‘Zertifikats’-Wortschatz zeigt, dass man den Begriff Wortliste nicht wörtlich nehmen kann, denn es handelt sich eben nicht bloß um eine reine Liste von Wörtern; es werden vielmehr zu jedem Lemma ein oder mehrere Satzbeispiele angeführt; somit wird also eine Semantisierung vorgenommen: „Die Tatsache, daß ein Wort in einem Satzbeispiel auftritt, bedeutet, daß dieses Wort in der Bedeutung in die Wortliste aufgenommen wurde, die durch den Kontext gegeben ist“ (‘Zertifikat’, S. 86). Dies hat zur Folge, „daß im semantisierten alphabetischen Wortschatz weitere Bedeutungen eines Wortes, eventuell auch in idiomatischen Wendungen, einbezogen wurden“ (ebd., S. 87). Auf diese Weise können den 2136 verzeichneten Lemmata schließlich insgesamt 3781 Bedeutungen zugeordnet werden, die sich wiederum aus den Katalogen A und B herleiten lassen. Über die rein bedeutungserklärende Funktion hinaus veranschaulichen die Satzbeispiele gleichzeitig „viele grammatische Strukturen“ (ebd., vgl. auch Kap.3.2 in dieser Arbeit). Grundsätzlich ist dieses Vorgehen ebenso begrüßenswert wie sinnvoll, ja im vorgegebenen Rahmen nahezu zwingend. Bei der konkreten Umsetzung scheinen allerdings Zweifel angebracht, was einige Stichproben zum Umgang mit Beispielsätzen verdeutlichen mögen. Der Untersuchungsgegenstand 175 Es hatte sich schon gezeigt, dass sich die Darstellung stark polysemer Wörter als sehr problematisch erweist (vgl. Kap. 2.2 in dieser Arbeit). Deshalb habe ich zur Veranschaulichung auch einige Fälle ausgewählt, denen im Zertifikat sehr viele Beispielsätze zugeordnet werden: a) gehen 1. Er geht jeden Morgen zu Fuß zur Arbeit. / 2. Gehen Sie doch mal zu einem Arzt. / 3. Meine Tochter geht noch aufs Gymnasium. / 4. Mit diesem Beruf geht man am besten in die Industrie. / 5. Er ging für längere Zeit ins Ausland. / 6. Ich muß jetzt leider gehen. / 7. Wenn ich weiter so viele Überstunden machen muß, dann gehe ich. / 8. Der nächste Zug geht erst in zwei Stunden. / 9. Anfangs ging alles ganz gut. / 10. Geht Ihre Uhr richtig? / 11. Geht das bis morgen? / 12. Der Mantel geht nicht mehr in den Koffer. / 13. Der Schrank geht fast bis an die Dekke. / 14. Das Fenster geht auf die Straße. / 15. Geht es hier zum Zentrum. / 16. Wie geht es Ihnen heute? / 17. Ist das sehr teuer? - Es geht. / 18. Worum geht es denn? (‘Zertifikat’, S. 144). b) haben 1. Er hatte mir nichts davon gesagt. / 2. Wir haben schon eine Illustrierte. / 3. Ich habe noch 200 Mark auf meinem Konto. / 4. Kann ich ein frisches Handtuch haben? / 5. Sie hat schwarzes Haar. / 6. Sie hat Mut. / 7. Wir haben Hunger. / 8. Daran habe ich kein Interesse. / 9. Er hat gute Kontakte zur Presse. / 10. Das Kino hat zwei Notausgänge. / 11. Du hast es gut. / 12. Ich habe noch viel zu tun. (ebd., S. 150). c) Arbeit 1. Das hat viel Arbeit gemacht. / 2. Meine Chefin ist mit meiner Arbeit zufrieden. / 3. Ich gehe erst, wenn ich mit der Arbeit fertig bin. / 4. Trotz abgeschlossener Berufsausbildung kann er keine Arbeit finden. / 5. Er geht jeden Morgen zu Fuß zur Arbeit. / 6. Wir schreiben morgen zwei (Klassen)arbeiten. (ebd., S. 96). d) aber 1. Der Stoff ist von guter Qualität, aber nicht billig. / 2. Heute geht es nicht, aber morgen. / 3. Doch, das hat sie aber gesagt. / 176 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 4. Das dauert aber lange. / 5. Können Sie das für mich erledigen? - Aber gern! (‘Zertifikat’, S. 88). e) doch 1. War Ihnen das nicht bekannt? - Doch, das wußte ich. / 2. Wir hatten es ihm verboten, er hat es doch getan. / 3. Fragen Sie mal Herrn Müller, der ist doch Fachmann auf diesem Gebiet. / 4. Was wollen Sie denn? Er hat doch recht. / 5. Ruf doch mal an! / 6. Das geht doch nicht! / 7. Das ist doch nicht richtig! / 8. Sie haben doch behauptet, Sie hätten von der Sache nichts gewußt. / 9. Es ist ja doch alles umsonst. / 10. Ich hole Sie ab, das ist doch selbstverständlich. / 11. Es ist Ihnen doch recht, wenn wir das so machen? (ebd., S. 120). Als Erstes fällt auf, dass die Beispielsätze ohne erkennbare Binnengliederung oder Hierarchisierung einfach aneinander gereiht werden. Ein wie auch immer geartetes Unterscheidungs- und Strukturierungsprinzip ist nicht zu erkennen. Es darf bezweifelt werden, ob es sich bei der angegebenen Zahl von Beispielsätzen tatsächlich auch um entsprechend viele Verwendungsweisen handelt. Ausschlaggebend für das Anfuhren der Beispielsätze könnten wortsemantische und/ oder grammatische Gründe sein, etwa die Verb- Valenz, aber auch der kollokative Rahmen, also letztlich die Möglichkeit, einzelne dieser Satzbeispiele verschiedenen Bereichen der Kataloge A und B zuordnen zu können. Sieht man sich die oben angeführten Stichproben etwas genauer an, so wird durch einzelne Beobachtungen der Eindruck einer verhältnismäßig willkürlich anmutenden Vorgehensweise verstärkt: zu a) Im Grundwortschatz-Wörterbuch von Kosaras werden lediglich sechs Verwendungsweisen von gehen unterschieden, nämlich: „1. sich zu Fuß fortbewegen / 2. sich zu einem bestimmten Zweck an einen Ort begeben / 3. in Bewegung, in Gang sein / 4. sich befinden / 5. sich handeln um etwas / 6. gerichtet sein nach etwas“ (Kosaras 1980, S. 84). Versucht man eine Zuordnung, so ließen sich bis auf die Satzbeispiele 8, 11, 12, 15, 17, 18 die verbleibenden elf mehr oder minder diesen sechs Lesarten zuweisen. Im Valenzwörterbuch von Helbig/ Schenkel erhält gehen gar nur vier, primär vom Satzbauplan, aber auch von der Bedeutung her zu unterscheidende Einträge: „gehen l+(1) = 2 (VI = sich mit Hilfe der Füße bewegen, meist vom Der Untersuchungsgegenstand 177 Sprecher weg) / gehen 2 (V2 = bewegt, befördert werden) / gehen, (V3 = funktionieren, in Umlauf sein) / gehen 2 (V4 = ergehen)“ (Helbig/ Schenkel s 1991, S. 232). Legt man diese vier verhältnismäßig abstrakten Haupttypen zu Grunde, blieben unter Berücksichtigung eines gewissen Spielraums ebenfalls die Satzbeispiele 8, 11, 12, 15, 17 und 18 außen vor, hinzu kämen noch 13 und 14: die Bedeutung ‘gerichtet sein nach etwas, reichen bis’ fehlt im ValenzWörterbuch; bei 2, 3, 4, 5 und 7 müsste man die Einschränkung ‘mit Hilfe der Füße’ bei VI einklammern, was im Rahmen der Zuordnung jedoch zulässig scheint. Abgesehen von strittigen Einzelfällen könnten mehr als die Hälfte der Satzbeispiele des ‘Zertifikats’ auf die erwähnten sechs bzw. vier zentralen Verwendungsweisen bei Kosaras (1980) bzw. Helbig/ Schenkel ( 8 1991) zurückgeführt und somit reduziert werden. Bei den Übrigen handelt es sich um einen eher abweichenden Gebrauch von gehen, der i.w.S. stark kontextuell gebunden ist bzw. bereits in Richtung eines Wortgruppenlexems tendiert. Damit wird dann auch das Auswahlkriterium deutlich, das sich eben erst in zweiter Linie an Haupt- und Nebenbedeutungen oder grammatisch notwendigen Unterscheidungen orientieren dürfte, sondern an der Versprachlichung der Kataloge A und B. Die Vielzahl der Beispielsätze kann eigentlich nur so erklärt werden. zu b) Auch hier wäre vor dem Hintergrund der Semantik bzw. Valenz eine Reduzierung der im ‘Zertifikat’ angeführten Beispielsätze gewiss möglich. Hinzu kommt allerdings, dass haben bei 1 als temporales Hilfsverb fungiert, während haben bei 2-12 als Vollverb gebraucht wird. Dieser vom Sprachsystem her bedingte Unterschied wird nicht kenntlich gemacht, etwa durch einen bei 1 angebrachten Verweis auf die Liste zu Morphologie und Syntax. 11 und 12 hingegen sind eher den Redewendungen i.w.S. zuzuordnen. zu c) Der Bedeutungsumfang des Substantivs Arbeit deckt im ‘Zertifikat’ ein weites Spektrum ab: ‘Anstrengung, Mühe’ (1), ‘Ergebnis’ oder ‘Tätigkeit’ (2), ‘Tätigkeit’ (3), ‘Beruf (4), ‘Beruf (5), ‘Prüfung’ (6) (vgl. dazu: Götz/ Haensch/ Wellmann (Hg.) 1993, S. 65). Lediglich Arbeit im Sinne von ‘Ergebnis’ oder ‘Prüfung’ kann neben dem Singular auch im Plural gebraucht 178 Der zentrale Wortschatz des Deutschen werden, was nur bedingt aus den Beispielsätzen zu ersehen ist. Daneben ist erneut eine Semantisierung, wenn überhaupt, wohl nur im größeren kontextuellen Rahmen möglich, was wiederum auf das Auswahlkriterium ‘Zuordnungsfähigkeit’ hinweist. Die Überschneidungen können aber auch damit nur bedingt erklärt werden. zu d) aber kann den Beispielsätzen zufolge als Konjunktion (1,2) verwendet werden oder als Partikel (3 - 5). Dabei handelt es sich um eine funktional sehr wichtige Unterscheidung, die allerdings nicht im Geringsten hervorgehoben wird. Obschon in den Beispielsätzen relativ häufig vertreten, fehlt eine Behandlung der Partikeln i.S.v. Helbig (1990) auch in der Liste zu Morphologie und Syntax völlig. zu e) Von den Satzbeispielen ausgehend beschränkt sich der Gebrauch von doch auf lediglich zwei Verwendungsweisen: die als Adverb und in der überwiegenden Mehrzahl die als Partikel, während die als Konjunktion völlig fehlt. Im Zusammenhang mit den Fällen d) und e) muss natürlich auch das Kriterium der Katalogzuordnung (s.o.) neu hinterfragt werden. Sie ist hier allenfalls über den unmittelbaren sprachlichen Kontext möglich, aber nicht über die ‘Funktionswörter’ als solche. Ein derartiges Vorgehen ist folglich zwar für die Auswahl der Satzbeispiele bei den sog. Inhaltswörtern bis zu einem gewissen Grad sicherlich anwendbar; bei den sog. Funktionswörtern hingegen bietet sich diese Möglichkeit überhaupt nicht. Hier müssten eigentlich andere Auswahlgründe gelten, die man ebenso wie Anordnungsprinzipien vergeblich sucht. Gemessen am Anspruch der semantischen bzw. grammatischen Differenzierung sind bei den ausgewählten, sehr plakativen Beispielen, aber auch in zahlreichen anderen Fällen zahlreiche Abstriche zu machen. Selbst die mehrmalige Zuordnung eines Lemmas in verschiedene Kataloge rechtfertigt ein derartiges Vorgehen nur bedingt. Auch wenn die Schwierigkeiten hier nur angedeutet wurden und die Zertifikatsliste nur bedingt an lexikografischen Ansprüchen gemessen werden darf, hat sich doch gezeigt, dass ein höheres Maß an Systematisierung bei der Auswahl, Unterscheidung und Der Untersuchungsgegenstand 179 Anordnung der Satzbeispiele von Nutzen gewesen wäre. Ein möglicher Grund für dieses z.T. willkürlich anmutende Vorgehen ist eventuell in der Verwendungsweise des ‘Zertifikats’ zu sehen, doch dazu weiter unten. Die alphabetische Wortliste wird durch eine Wortgruppenliste ergänzt: Sie umfasst Zahlen, Bruchzahlen/ Brüche, Datum, Uhrzeit, Zeitmaße, Zeitangaben etc., also weitgehend in sich geschlossene Wortschatzbereiche, deren zusammenhängende, systematische Darstellung sich geradezu anbietet und einer alphabetischen in jedem Falle vorzuziehen ist (vgl. ‘Zertifikat’, S. 253ff.). Einen wesentlichen und besonders fürs Deutsche wichtigen Bestandteil des ‘Zertifikats’ stellt die Wortbildungsliste dar. Dank ihr sollen die Absolvent- (inn)en Komposita, Ableitungen, d.h. Präfixbzw. Suffixbildungen sowie Konversionen, also die Haupttypen ... von Möglichkeiten der Wortbildung innerhalb von mündlichen oder geschriebenen Äußerungszusammenhängen ihrer Form nach identifizieren und die Bedeutung erschließen können ... Die ausgewählten Typen von Komposita und Derivaten sind entweder im heutigen Deutsch besonders häufig und damit für das Verstehen moderner deutscher Texte unentbehrlich, oder sie eignen sich wegen der relativ leichten Erschließbarkeit ihres Gesamtinhalts in besonderem Maße für eine bewußtmachende Einführung in die Verfahren der Komposition und der Derivation (ebd., S. 313, Hervorhebung von U. Sch.). Die Berücksichtigung der Wortbildung bleibt für die Auswahl des Wortschatzes natürlich nicht ohne Folgen: Auf diese Weise ist es möglich, stark motivierte, durchsichtige Bildungen auszusparen und die Redundanz im Korpus zu vermindern (vgl. ebd., S. 316ff. zu weiteren Details bezüglich der ausgewählten Typen von Komposition und Derivation sowie Konversion). Auf die Liste Morphologie und Syntax gehe ich nicht näher ein, zumal sie in den Augen der Verfasser auch im ‘Zertifikat’ eine eher untergeordnete Rolle spielt: Hauptziel des Fremdsprachenunterrichts bleibt die Kommunikation, nicht die fehlerfreie Bildung von Ausdrucksstrukturen (wie korrekte Deklination, korrekte Rektion der Verben, korrekte Abfolgen). Deshalb wurden bei der Auswahl syntaktischer Strukturen adressaten- und situationsbezogene Bedingungen berücksichtigt (ebd., S. 257). 180 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Der Schwerpunkt liegt auf der Morphologie der Hauptwortklassen, der Satzgliedfolge und den Strukturen komplexerer Sätze (vgl. ‘Zertifikat’, S. 257), wobei für deren Beschreibung ein Valenzansatz gewählt wurde (vgl. ebd., S. 279 zu weiteren Details). Eine Verzahnung mit der Wortliste wird insofern vorgenommen, als einzelnen Lemmata bzw. Satzbeispielen Verweise auf die Grammatikliste folgen, etwa nach Konjunktionen (z.B. daher, darum, dass) und nach dem Artikel (der, ein). In den überwiegenden Fällen vermisst man sie allerdings. Die Wortbildungsliste und die Liste zur Morphologie und Syntax stellen mit Sicherheit eine sinnvolle Ergänzung zur Wortliste dar. Fraglich ist allerdings, inwieweit Deutschlernende tatsächlich damit umgehen können. Hierfür wäre eine gewisse Kenntnis der grammatischen Theorie und Terminologie eine unabdingbare Voraussetzung, die wohl kaum gegeben ist. Das hat auch Muhr hervorgehoben: Am hohen Stellenwert normierter Zertifikate für den DaF-Unterricht gibt es keinen Zweifel ... Betrachtet man die Wirkung dieser Zertifikate und der damit verbundenen Listen von Lehr- und Lernzielen, Sprechakten, Grammatikanforderungen, Lexik etc. jedoch näher, zeigt sich sehr bald, daß diese in der Praxis außer in Form konkreter Lehrwerke so gut wie nicht gegeben ist. Kaum ein Lehrer nimmt ... das ZDaF [= Zertifikat Deutsch als Fremdsprache, U. Sch.] zur Hand und informiert sich über die dort festgelegten Anforderungen. Warum? Die Gründe sind mehrfach: 1) Die Lehr- und Lemzielkataloge sind primär für Curriculumsentwickler und Lehrbuchautoren geschrieben und daher ein bewußt sehr allgemein gehaltener Rahmen, aus dem sich ganz unterschiedliche Programme und Lehrbücher zusammenstellen lassen. 2) Die Lehr- und Lernzielkataloge sind kein zusammenhängendes Curriculum, sondern eine Kompilation von Anforderungen aus verschiedenen Bereichen, die untereinander nicht in Bezug gesetzt sind. Diese Verbindung wird in der Regel von Lehrbuchautorinnen vorgenommen, sodaß sich Lehrer und Lerner zu Recht an diesen orientieren. 3) Die Lehr- und Lernzielkataloge sind nicht benutzerfreundlich aufgebaut und tragen durch die zersplitterte Darstellung stark zu ihrer Nichtverwendung bei. 4) Die Lernzielkataloge beschränken sich in ihren Festlegungen auf ein Niveau, das bis zur unteren Mittelstufe reicht. Darüber hinaus fehlen Lernzielbeschreibungen, sodaß die Lehrer erst wieder auf Lehrbücher und Prüfungssammlungen zurückgreifen müssen (1994, S. 134). Der Untersuchungsgegenstand 181 Schließt man sich dieser Beurteilung an, so wäre das ‘Zertifikat’ als Sammlung stofflicher Mindestanforderungen aus den Bereichen Lexik, Wortbildung, Morphologie und Syntax zu charakterisieren, die ihrerseits erst einer mehr oder minder umfangreichen didaktischen Aufbereitung bedarf. Auch die weiter oben vorgenommene stichprobenartige Analyse der Satzbeispiele unterstreicht eine solche Einstufung ohne Zweifel. Abschließend stellt sich noch die Frage, welches Deutsch denn vermittelt werden soll, eine Frage, die eigentlich im Sinne der kommunikativpragmatischen Ausrichtung nur konsequent ist. Im Rahmen der Lernzieldefinition wird knapp „eine Fertigkeit im mündlichen und schriftlichen Gebrauch der Standardsprache“ gefordert, „die es dem Teilnehmer ermöglicht, sich bei einem Auslandsaufenthalt in den wichtigsten Alltagssituationen sprachlich zu behaupten“ (‘Zertifikat’, S. 7). In der Umschreibung wird vorausgesetzt, dass der Begriff ‘Standardsprache’ eindeutig definiert ist, und diese Definition allgemein anerkannt und so akzeptiert wird. Diese Voraussetzung hat jedoch Muhr zur Diskussion gestellt, wobei er vor allem den regionalen Aspekt thematisiert: Das ZdaF [= Zertifikat Deutsch als Fremdsprache, U. Sch.] kodifizierte ... eine überwiegend norddeutsch geprägte Variante der deutschen Standardsprache, was der österreichisch (und auch der süddeutsch) geprägten Variante einen sehr viel geringeren Status verlieh und vielfach auf seiten österreichischer Lehrer und Sprachvermittlungsinstitutionen zu Legitimationsproblemen führte ... Dahinter steht die rigide Auffassung von Standardsprache, der keine Variation zugebilligt und von der stets eindeutige Regelungen und Festlegungen verlangt werden (1994, S. 131). Dies hat letztlich zur Folge, dass „die von den Sprachlehrwerken vermittelte Vorstellung des ‘richtigen’ Deutsch nicht der linguistischen Realität entspricht“ (ebd., S. 131, vgl. auch Dureil 1995, König 1991, Luchtenberg 1990, Uhrovä 1978 zu dieser Thematik). Nicht zuletzt aus diesem Anlass heraus hat man sich entschlossen, eine österreichische Variante des Zertifikats zu erstellen, das ‘Österreichische Sprachdiplom’ (ÖSD), dessen Ziel u.a. ist, eine „multiregionale Sprachkompetenz der deutschen Standardsprache“ (Muhr 1994, S. 133) zu vermitteln, oder wie Muhr es in seiner Zusammenfassung formuliert, „daß davon ausge- 182 Der zentrale Wortschatz des Deutschen gangen wird, daß Deutsch eine plurizentrische Sprache mit mehreren sprachlichen Zentren ist und dies auch beim Unterricht DaF seinen Niederschlag finden sollte“ (Muhr 1994, S. 127). Davon ist natürlich in erster Linie die Lexik betroffen: Neben den bereits vorhandenen muss daher ebenso der Faktor der regionalen Variante bei der Wortschatzauswahl berücksichtigt werden. Ein Leitsatz für die Neubearbeitung lautet demnach auch: „Das ÖSD verzeichnet neben dem österreichischen Wortschatz auch spezifisch bundesdeutsche Ausdrücke, Bedeutungsunterschiede, spezifisch bundesdeutsche Formulierungen und Unterschiede im grammatischen System“ (ebd., S. 137, vgl. S. 137ff. zu weiteren Details). Indem der regionalen Variante Rechnung getragen wird, erhält die Wortliste deutlich mehr Profil, ganz im Sinne der Adressatenorientierung. Bei der Neukonzeption des Österreichischen Sprachdiploms ging man allerdings über die Beräcksichtigung der österreichischen Sprachvariante hinaus, und so formuliert Muhr in einer Reihe von Abschnittsüberschriften weitere Punkte, die, als Verbesserungsvorschläge betrachtet, abschließend alle zentralen Schwachpunkte des ‘Zertifikats’ noch einmal aufzeigen: - Die Lernzielkataloge des ÖSD sind grundsätzlich ineinander integriert (Muhr 1994, S. 135). - Dem jeweiligen Begriff/ Ausdruck ist (soweit vorhanden und relevant) der Gegenbegriff bzw. der Zwillingsbegriff, der jeweiligen Äußerung die Gegenäußerung beigefügt (ebd., S. 136). - Die Formulierungen stellen abstrakte Rahmen dar, die lexikalisch variabel auffüllbare Stellen enthalten (ebd., S. 137). - Das ÖSD ordnet die grammatischen Phänomene zweifach zu: Den jeweiligen lexikalischen Ausdrücken und einer curriculumsähnlichen Liste von Lehr- und Lernschritten, die die einzelnen Lernbereiche miteinander verbindet (ebd., S. 138). - Das ÖSD beschränkt sich nicht auf den Wortschatz bis zum Niveau der Unteren Mittelstufe, sondern bezieht jenen der Mittelstufe mit ein (ebd., S. 139). Die Ausführungen zu den jeweiligen Überschriften lassen deutlich die Bemühungen erkennen, das übergeordnete Ziel umzusetzen, nämlich „die Lernzielkataloge so aufzubauen, daß sie vom Lehrer im Unterricht direkte Anwendung finden können“ (ebd., S. 135). Der Untersuchungsgegenstand 183 2.7 Dieter Krohn (1992): ‘Kompaktliste/ Testlexikon’ Den Abschluss dieses Kapitels bildet die Kompaktliste von Krohn (1992, vgl. S. 175ff., im Folgenden abgekürzt und zitiert als ‘Kompaktliste’)- Die ‘Kompaktliste’ ist ein Ergebnis, das aus Krohns Beschäftigung mit Grundwortschätzen und Auswahlkriterien hervorgeht. Allein schon vom Ansatz her unterscheidet es sich ganz erheblich von den bisherigen Korpora: Zunächst fällt bei der Bilanzierung der einschlägigen Forschungsliteratur ins Auge, daß sowohl in der Theoriediskussion als auch in der lexikographischen Auswertung konkreter Wortlisten stets Differenzen und Divergenzen im Blickpunkt des Forschungsinteresses gestanden haben, während Art und Ausmaß von Übereinstimmungen und Konvergenzen seltener Gegenstand der Analyse gewesen sind. Deshalb besteht eine wichtige Zielsetzung dieser [d.h. Krohns, U. Sch.] Arbeit darin, den Konvergenzphänomenen in der Grundwortschatzlexikographie verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Hierher gehört vor allem die Frage, wie aus repräsentativen Wortlisten und Frequenzwörterbüchern ein ‘harter’ Wortschatzkern zu entwickeln ist, der lernzielunabhängig als kleinster gemeinsamer lexikalischer Nenner der zugrundeliegenden Korpora gelten kann (ebd., S. 8f.). Ausschlaggebend für die Zusammenstellung der ‘Kompaktliste' ist also das Erkenntnisinteresse am Forschungsgegenstand Grundwortschatz selbst, was sich natürlich auch auf die gewählte Vorgehensweise niederschlägt: Ausgewählte Korpora werden einander gegenübergestellt, d.h., Krohn konzentriert sich auf die Bildung diverser Schnittmengen: Konvergenzen als Resultat von Einzel- und Vielfachkonfrontationen sind in Hinblick auf die Ermittlung eines kleinsten gemeinsamen lexikalischen Nenners besonders wichtig und aufschlußreich. Entsprechende Divergenzen zwischen Wortlisten(paaren) liefern die empirischen Grundlagen für die semantische Klassifikation und Einordnung des lexikalischen Bestandes der Einzellisten. Somit gilt es, aus den Resultaten der Einzel- und Vielfachkonfrontationen nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aussagen über das lexikalisch-thematische Profil der Grundwortschatzlisten abzuleiten (ebd., S. 144). Eine weitere Zielsetzung von Krohns Arbeit ist damit angesprochen: Die Auswertung der so ermittelten Hapaxlegomena erweist sich nämlich auch „für die qualitative Beschreibung des interwie intrathematischen Profils der verschiedenen Wortlisten als wertvoll und aufschlußreich“ (ebd., S. 10). 184 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Nach der Begutachtung einer ganzen Reihe von Grundwortschatz- Sammlungen i.w.S. (vgl. Krohn 1992, S. 3 Iff.) entscheidet sich Krohn schließlich für sechs Korpora, welche die von ihm geforderten Voraussetzungen erfüllen: Es sollte sich nicht um Mischkorpora handeln, sondern um Wortlisten, die entweder einzig nach frequenziellen oder nach kommunikativ-pragmatischen Grundsätzen zusammengestellt, und „deren Auswahlkriterien bzw. Textkorpusgrundlagen in sämtlichen Fällen intersubjektiv nachprüfbar sind“ (ebd., S. 142). Als Grundlage zur Ermittlung eines kleinsten gemeinsamen lexikalischen Nenners und verschiedener singulärer Lexemrepräsentationen wurden zwei kommunikativ-pragmatische und vier frequentielle Wortkorpora ausgewählt. Im Bereich der kommunikativ-pragmatischen Grundwortschatzlexikographie bieten sich ZERTIFIKAT [= ‘Zertifikat’, 2. Aufl. 1977] und KONTAKTSCHWELLE [=Baldegger u.a. 1981] vor allem deshalb an, weil es im deutschsprachigen Raum keine vergleichbaren Wortlisten gibt, die bei Ablehnung des Frequenzkriteriums den Anspruch erheben, vor allem im lexikalischen Bereich das Lernziel einer minimalen kommunikativen Kompetenz zu verfolgen. Im Bereich der frequenzorientierten Grundwortschatzlexikographie wurden die Wortkorpora nach zwei grundlegenden Gesichtspunkten ausgewählt. Erstens soll die Wortauswahl allein und ausschließlich auf der Grundlage des Frequenzkriteriums geschehen und zweitens soll aus Gründen der optimalen Nachprüfbarkeit die Wortauswahl direkt aus einem Textkorpus abzuleiten sein. Deshalb kommen in erster Linie PFEF- FER III [= Pfeffer/ LOHNES 1984], ROSENGREN [= Rosengren 1972- 1977], KÄDING [= Ortmann 1979] und ERK [= Erk 1972, 1975 und 1982] in Frage, obwohl diese Wortlisten in bezug auf Textsorten und Themenkreise kein einheitliches Bild bieten. PFEFFER III ist ein ausschließlich frequentielles und textbasiertes Wortkorpus und repräsentiert die gesprochene Standardsprache unter Berücksichtigung regionaler Schattierungen. In ROSENGREN repräsentiert das zugrundeliegende Zeitungskorpus die geschriebene Form der Standardsprache und weist vor allem im Bereich der Themen Politik und Wirtschaft Affinitäten zu den entsprechenden Fachsprachen auf. Trotz berechtigter Einwände ist auch KÄDING (in der ORTMANN-Version) herangezogen worden, weil die Textbasis mit 9 [sic! ] 10 Millionen Wortformen insbesondere im Bereich der Synsemantika und themenunspezifischen Autosemantika auch heute noch durchaus repräsentativ sein dürfte. Als viertes Frequenzkorpus wurde ERK gewählt, das textsortenspezifisch eher zur Fachsprache/ Wissenschaftssprache zu rechnen und thematisch dementsprechend auf bestimmte natur-, gesell- 30 Die in der Tabelle angeführte Zahl 11 Millionen ist die richtige. Insgesamt finden sich in Krohn (1992) leider zahlreiche (Tipp-) Fehler, die ich beim Zitieren i.d.R. berichtigt habe. Der Untersuchungsgegenstand 185 schafts- und geisteswissenschaftliche Inhalte eingeschränkt ist (Krohn 1992, S. 145). Die wesentlichen Eigenschaften dieser Korpora sind in einer Tabelle nochmals zusammengefasst: Tab. 8: Beschreibung der von Krohn ausgewählten Korpora (nach Krohn 1992, S. 54, leicht abgeändert; vgl. S. 31ff. zu weiteren Details) Dieses Material diente Krohn als Grundlage für die Bildung verschiedener Schnittmengen, deren Darstellung in Listenform erfolgt. Die einzelnen Listen sind nach Wortarten unterschieden und alphabetisch sortiert. Ihnen folgt stets ein Kommentar, in dem v.a. das thematische Profil herausgearbeitet wird. Liste 1 ist ein „Verzeichnis der Autosemantika, die in sechs, fünf oder vier Wortkorpora vertreten sind (nicht monosemiert)“ (ebd., S. 175). Dabei 186 Der zentrale Wortschatz des Deutschen ... handelt es sich um die ... Kompaktliste, die als kleinster gemeinsamer lexikalischer Nenner einer Grundgesamtheit von Wortkorpora auch die Funktion eines Testlexikons erfüllt. Auf der Basis der lexikalischen Schnittmengen ergeben sich 1.351 Autosemantika (= 650 Substantive + 337 Verben + 223 Adjektive + 141 Adverbien/ Partikel). 31 Zusammen mit den Synsemantika und den wichtigsten Zahlwörtern zwischen 1-100 umfaßt das Testlexikon insgesamt etwa 1.450 nicht monosemierte Lemmata (Krohn 1992, S. 185). Eine klare Eingrenzung des Begriffs und eine detaillierte Liste der Synsemantika fehlen ebenso wie eine verbindliche Definition der Wortarten Adverb und insbesondere der Partikeln. Ein Blick in die entsprechenden Listen (vgl. ebd., S.184) lässt darauf schließen, dass es sich letztlich bei beiden Mengen bis zu einem gewissen Grad um Sammelbecken handelt, die Lexeme beinhalten, deren funktionales Gebrauchsspektrum sich erst im kontextuellen Zusammenhang erschließen lässt; ist dieser nicht gegeben, bleiben die Grenzen fließend, und eine eindeutige Zuordnung wäre weitgehend spekulativ. Anzumerken ist noch, dass der von Krohn synonym mit ‘Kompaktliste’ verwendete Ausdruck ‘Testlexikon’ angesichts einer blanken Wortliste unangemessen ist. Eine wenn auch grobmaschige Beschreibung der ‘Kompaktliste’ bietet der Kommentar der Schnittmengenliste 1: Beim Wortschatz im Testlexikon handelt es sich insbesondere bei den lexikalischen Schnittmengen VI [d.h., die Lexeme sind in sechs Korpora vertreten, U. Sch.] und V [d.h. die Lexeme sind in fünf Korpora vertreten, U. Sch.] um themenunspezifische Lexeme, die in allen Themen/ Textsorten Vorkommen können bzw. um thematische Schlüsselwörter, die in der Eigenschaft von Ein-Wort-Paraphrasen (Sub)themen wie ‘Krieg’, ‘Krankheit’, ‘Politik’ usw. erfassen ... Bei der quantitativ eindeutig dominierenden Wortklasse ‘Substantiv’ halten sich die deiktisch referierenden Nomina mit dem Merkmal (+ KONKRET) und die nicht deiktisch referierenden mit dem Merkmal (+ ABSTRAKT) in etwa die Waage ... Auf analoge Weise fehlen in der Wortklasse ‘Verb’ Lexeme wie kochen, tanzen, schwimmen, segeln auf Kosten solcher, die mehr oder weniger komplexe mental-abstrakte Handlungen, Prozesse und Zustände ausdrücken (ebd., S. 185f.). 31 Beim Erfassen und mehrmaligen Nachprüfen der Liste kam ich auf abweichende Zahlen: 651 Substantive, 337 Verben, 224 Adjektive und 140 Adverbien. Der Untersuchungsgegenstand 187 Die ‘Kompaktliste’ lässt sich als ein Ergebnis beschreiben, das von den theoretischen Grundbedingungen ausgehend in der Zielsetzung und Methodik einen völlig anderen Rang einnimmt als die bisherigen Korpora. Es steht somit nicht gleichrangig neben diesen, sondern stellt vielmehr eine eigenständige, wenngleich völlig anders geartete Wortschatzsammlung dar, was sich natürlich auch auf deren Funktion im Rahmen dieser Arbeit auswirkt. Die ‘Kompaktliste’ ist eine synthetische Wortliste: Sie beinhaltet als Ergebnis einer Schnittmengenbildung den zentralen Wortschatz von insgesamt sechs verschiedenen, eigenständigen Korpora. Die ‘Kompaktliste’ im Speziellen und das Verfahren im Allgemeinen besitzen somit in gewisser Weise Vorbildcharakter. Den Ansatz, auf diese Weise verschiedene Wortschätze zu vergleichen und auszuwerten, habe ich auch meinen eigenen Untersuchungen zugrundegelegt. Die ‘Kompaktliste’ selbst ist deshalb erst in zweiter Linie Untersuchungsgegenstand im engeren Sinne: Sie wird zunächst nicht in die Bildung meiner Schnittmengen miteinbezogen zumal sich einzelne Teilkorpora auch überschneiden würden (s.o.). Der Kernwortschatz der ‘Kompaktliste’ kann jedoch im Folgenden mit den Korpora bzw. Schnittmengen meiner Arbeit kontrastiert werden, um die Methode als solche und deren Ergebnisse nochmals zu hinterfragen. So gesehen bildet dieses letzte Teilkapitel zugleich eine Brücke zum nächsten Abschnitt, indem es den dort beschrittenen Weg des Schnittmengenverfahrens durch Vorwegnahme eines bereits auf diese Weise ermittelten Kemwortschatzes skizziert. Es erübrigt sich von daher auch, auf Einzelheiten dieser Methode einzugehen. Das betrifft vor allem die Abstimmung der einzelnen Korpora hinsichtlich einer möglichst homogenen Vergleichsbasis, also etwa Fragen der Lemmatisierung, der computergestützten Datenerfassung, -Verarbeitung und -Präsentation. Grundsätzlich werde ich also zunächst analog zu Krohn verfahren. Mein Schwerpunkt liegt jedoch nicht in der Bildung und Interpretation einer Vielzahl von Schnittmengen, sondern mein Ziel wird sein, eine noch näher zu bestimmende Schnittmenge eingehend zu untersuchen. Dabei geht mein Ansatz in einem weiteren, sehr wesentlichen Punkt über den von Krohn hinaus: Zähleinheit sind nicht Lexeme, sondern Sememe. Am Beispiel der zu analysierenden Schnittmenge wird eine semantische Analyse vorgenommen; 188 Der zentrale Wortschatz des Deutschen erst auf deren Basis sind in der Folge auch weiterreichende morphologische und grammatische Untersuchungen möglich. Als Ergebnis wird ein Kernwortschatz angestrebt, dessen Präsentation sich nicht in Form einer bloßen Liste von Wörtern erschöpft; diese wird vielmehr ergänzt um semantische, morphologische und grammatische Angaben. Den Weg dorthin zeichnet das nächste Kapitel. 3. Die Wortschatzanalyse 3.1 Vorbedingungen Im Rahmen einer ausführlichen Bestandsaufnahme im voangehenden Kapitel habe ich die Zielsetzungen, Möglichkeiten und Probleme zielgerichteter Wortschatzauswahl vorbzw. gegenübergestellt. Auf den ersten Blick mag es nun fraglich erscheinen, ob sechs, in ihrer Konzeption und Darstellung derart unterschiedliche Erhebungen überhaupt vergleichbar sind lässt man die ‘Kompaktliste’ aus den angeführten Gründen im Folgenden außer Acht. Zum Vergleich als Methode bieten Chaffins Überlegungen einen guten Einstieg: It is, for example easy to decide that an apple and an orange are more similar than an apple and a mushroom. Comparison requires the identification of ways in which the things compared are similar and different (e.g., shape, size, color). The concepts to be compared must be decomposed into distinct attributes or dimensions ... This is recognized in the aphorism ‘You can't compare apples and oranges’. The aphorism is true if apples and oranges are treated as unalyzable wholes. But apples and oranges can be compared if they are decomposed into attributes or dimensions (e.g. texture and taste) (1992, S. 259). Den gleichen Gedankengang greift auch Spillner in anderem Zusammenhang auf: Das Vergleichsverfahren ist nicht nur nützlich, sondern unabdingbar. Und ob zwei zu vergleichende Objekte identisch oder gänzlich verschieden sind, läßt sich erst nach einem Vergleich feststellen ... Jeder Vergleich wird erst durch ein ‘tertium comparationis’ sinnvoll. Ein ‘tertium comparationis’ legitimiert auch scheinbar sinnlose Vergleiche. Landläufige Redensarten wie ‘Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen’ sind so nicht haltbar. Man kann Äpfel sehr wohl mit Birnen vergleichen, z.B. im Hinblick auf die ‘tertia comparationis’ Lagerfähigkeit, Marktpreis oder wie häufig in ernährungswissenschaftlichen Tabellen auf den Vitamingehalt (1997, S. 209f.). 190 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Vom jeweiligen Erkenntnisinteresse geleitet sollte die Suche nach den Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden zweier oder mehrerer zu vergleichender Wortschätze einhergehen mit einer Theoriebildung i.w.S. was man in der Vergangenheit bei vielen Grundwortschatzvergleichen vermisste: Man stellte verschiedene Wortlisten einander gegenüber, kritisierte das Fehlen bzw. Vorhandensein einzelner Wörter in der einen oder in der anderen Liste, ohne nach den Gründen dafür zu fragen oder gar tragfähige und aussagekräftige Vergleichspunkte zu entwickeln. Ein derartiges Vorgehen ist willkürlich. Es ist deshalb nur konsequent, wenn Krohn vorab die Rahmenbedingungen seines Wortschatzvergleichs klar absteckt. Die grundsätzliche wie einfache Formulierung kann so für meine eigene Arbeit übernommen werden: Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stehen „Art und Grad der Konvergenzen und Divergenzen zwischen Wortkorpora“ (Krohn 1992, S. 144), ermittelt durch die Bildung von Schnittmengen. Auf dieser Basis ist es möglich, ja nötig, verschiedene linguistische Vergleichsparameter als Analyseinstrument anzusetzen, die sich z.B. aus den Bereichen der Semantik, Morphologie und Grammatik herleiten: die tertia comparationis. Streng genommen sollte man gar nicht von einem Vergleich sprechen, da der unter bestimmten Gesichtspunkten durchgeführte Vergleich verschiedener zentraler Wortschätze nur das letzte, wenn auch entscheidende Glied einer ganzen Vergleichskette darstellt: „Mit der genauen Profilbeschreibung repräsentativer Wortlisten und Häufigkeitswörterbücher sind die Voraussetzungen dafür geschaffen ... (ebd.). Bei der ausführlichen Besprechung dieser Grundgegebenheiten ziehen sich die stets gleichen Fragestellungen durch die einzelnen Unterpunkte des zweiten Kapitels, ähnlich dem sprichwörtlichen roten Faden: Welches Ziel verfolgt die jeweilige Erhebung, welche Vorgehensweise resultiert daraus und wie sieht das Endergebnis aus? Damit habe ich bei der Vorstellung und Erörterung der von mir ausgewählten Korpora bereits die Basis für einen Vergleich gelegt, der nicht nicht bloß den Wortschatz, sondern die Erhebungen als solche zum Gegenstand hat. Dieser erste ‘Vergleich’ bleibt wiederum nicht ohne Auswirkungen auf die nachfolgenden Analysen, die dann den Wortschatz, bzw. die Schnittmengen als Ergebnis(se) betreffen. Der entscheidende Faktor ist hierbei zunächst, dass in allen sechs Arbeiten der Versuch unternommen wird, einen mehr Die Wortschatzanalyse 191 oder minder zentralen Bereich der deutschen Lexik zu erfassen. Wenn man aber aus sechs verhältnismäßig unterschiedlichen Richtungen eine Annäherung an den Kernwortschatz anstrebt, infolgedessen von verschiedenen Zielsetzungen, Ansprüchen und Methoden ausgeht, dann hat dies zwangsläufig auch Konsequenzen für die Häufigkeitsverteilung der einzelnen Lexeme in einer direkten Gegenüberstellung. Frequenz und Distribution, Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind also nur auf der Basis einer ausreichenden Kenntnis der zugrundegelegten Korpora interpretierbar. Die sechs bzw. sieben vorgestellten Korpora werden als Untersuchungsgegenstand bezeichnet, was auf zweifache Weise zu verstehen ist: Sie sind einmal Ergebnisse der (Grund-)Wortschatzforschung und können als solche weitgehend unabhängig voneinander untersucht werden, beispielsweise was das Verhältnis von Zielvorgabe und angewandter Methodik angeht; zum anderen stellen die einzelnen Korpora das Wortmaterial zur Verfügung, das (vergleichend) analysiert werden kann. Obgleich das gesamte Spektrum an Möglichkeiten für derartige Untersuchungen natürlich nicht aufgezeigt werden konnte, wurde die prinzipiell bestehende Vielfalt bereits im vorangehenden Kapitel aufgezeigt, um damit gleichermaßen vorausschauend wie richtungsweisend die nachfolgenden Kapitel in ein kontextuelles Umfeld zu stellen. Aus den genannten Gründen ist es hilfreich, mit einer tabellarischen Zusammenfassung der wichtigsten, im vorangehenden Kapitel angsprochenen Punkte zu beginnen, bevor ich auf dieser Grundlage dann auf die Vorbedingungen des Wortschatzvergleichs, also der Schnittmengenbildung und der anschließenden Wortschatzanalyse eingehe: 192 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Intendierter Gebrauchszweck Art und Umfang des zu Grunde gelegten Materials: Erhebungsmethode Kosaras: Grundwortschatz Lernerwörterbuch (Zweitspracherwerb) Pfeffer: Dictionary Grundlage für die didaktische Anwendung im DaF-Unterricht (Zweitspracherwerb) Gesprochen-überregional.: 595.000 Wörter aus Tonbandaufnahmen themenbezogener Gespräche im gesamtdeutschen Sprachraum, die auf 25.000 Stichwörter reduziert werden können; davon gehen die 737 häufigsten in die Grundstufe ein. 83.300 Wörter aus themenbezogenen Assoziationstests, die auf 34.000 Stichwörter reduziert werden können; davon gehen 357 in die Grundstufe ein. Ergänzung der Systemlücken: 185 Wörter. Schriftsprachkorpus (für die Mittelstufe): 500.000 Wörter; weitere Aufteilung unbekannt. Ruoff: Strukturelle Untersu- HGS chung frequenzabhängiger Aspekte des Sprachsystems in gesprochener Sprache (Alltagssprache der Region) Gesprochen-regional: 500.000 Wörter aus Tonbandaufnahmen ‘freier Gespräche’ im Raum Baden-Württemberg; davon entfallen 185.600 auf das ‘Schwarzwaldkorpus’. Insgesamt lassen sich 15.676 Lemmata ansetzen Rosengren: FdZ Strukturelle Untersuchung frequenzabhängiger Aspekte des Sprachsystems in geschriebener Sprache (Zeitungssprache) Geschrieben-überregional: ca. 3 Mio. Wörter aus den beiden Zeitungen ‘Die Welt’ bzw. ‘Süddeutsche Zeitung’ Augst: KW Systemhafte Analyse des Erstspracherwerbs: Vergleich mit dem Wortschatz Erwachse- Gesprochen-kindl ich: ca. 38.000 Wörter aus Tonbandaufnahmen von 10 Vorschulkindern über einen Zeitraum von jeweils vier Monaten. Das ergibt ca. 16.000 Stichwörter. Zertifikat DaF ( s 1992) Wortbzw. Sememminimum für die Erlangung des Zertifikats Deutsch als Fremdsprache: Stoffsammlung, die eine weiter gehende didaktische Aufbereitung verlangt. Gesprochene ‘Standardsprache’ Die Auswahl erfolgt nach kommunikativpragmatischen Grundsätzen durch ein Expertengremium: 2136 Lemmata, die durch 3781 Beispielsätzen illustriert werden (hinzu kommen eine Wortgruppenliste sowie eine Wortbildungsliste, welche direkt oder indirekt den tatsächlichen Bestand an Lemmata erhöhen). Die Wortschatzanalyse 193 Krohn: Kompaktliste Synthetische Wortliste: Schnittmenge* zur Untersuchung des themenunspezifischen Wortschatzes *(Kontaktschwelle, Zertifikat, Käding/ Meier, Pfeffer I & III, Rosengren, Erk) Schnittmengenbildung 1352 Wörter: Autosemantika (ohne Synsemantika, ca. 100 ohne nähere Angabe) Aufbereitung: Berücksichtigung der Semantik Darbietung des Materials Zähleinheiten im PC- Korpus Kosaras: Grundwortschatz ja, durch Worterklärungen und Beispielsätze (sowie durch Wortbildungen und Kollokationen) Nach semasiologischen Prinzipien aufgebautes, alphabetisch geordnetes, einsprachiges Wörterbuch 4976 Sememe Pfeffer: Zähleinheit ist primär das Dictionary Wort, Bedeutungen werden aber unterschieden: (teilweise) frei vs. (teilweise) begrenzt. Bedeutungserklärung durch Beispielsätze und englische Übersetzungsäqvivalente (auch Angabe von Idioms) Nach semasiologischen Prinzipien aufgebautes, alphabetisch geordnetes zweisprachiges Wörterbuch 4943 Sememe Ruoff: Zähleinheit ist das Wort. HGS Im Vertrauen auf die Kompetenz der ‘native speaker' wird i.d.R. keine Bedeutungsdifferenzierung vorgenommen (Ausnahme: Unterscheidung von Homographen). In Zweifelsfällen: zusätzliche Bedeutungsangabe Drei nach den Kriterien des Alphabets, der Wortart und der Frequenz geordnete Listen 4023 Wörter Rosengren: FdZ nein Lemmatisierung nach dem Kriterium der ‘Flexionsreihe’ auf dieser Basis auch Unterscheidung von homonymen und polysemen Wörtern Wortformen (FdZl) bzw. Lemmata (FdZ2) listenförmig, nach verschiedenen Kriterien sortiert 4050 Wörter 194 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Augst: KW Zähleinheit ist primär das Wort: Bedeutungen werden unterschieden durch die Zuordnung des jeweiligen Lemmas in eine oder mehrere Kleinstfelder. Das ergibt 23.403 Einträge (Sememe? ). Keine Unterscheidung zwischen Homonymie und Polysemie. In Zweifelsfallen: Zusätzliche Bedeutungsangabe Nach onomasiologischen Kriterien aufgebautes Wörterbuch (Übernahme der Begriffssystematik von Wehrle/ Eggers) 3722 (Stich-) Wörter Zertifikat DaF ( s 1992) ja, durch Beispielsätze Wortliste mit Beispielsätzen 3781 Sememe Krohn: Kompaktliste nein Wortliste 1352 Wörter: Tab. 9: Zusammenfassung der wichtigsten Charakteristika des Untersuchungsgegenstands 3.2 Die Datenverarbeitung: Anlage und Aufbau Da ein direkter Quellenvergleich der fünf Erhebungen bezüglich des (Gesamt-)Wortschatzes zwar nicht gänzlich unmöglich, allerdings viel zu umständlich wäre, musste folglich eine Art Exzerpt angefertigt werden. Die erste Hürde und zugleich Voraussetzung für eine Wortschatzuntersuchung dieses Ausmaßes ist folglich die Erfassung des jeweiligen Sprachdatenmaterials mittels EDV. Am Beginn jeder Daten-Verarbeitung steht die Aufbereitung der zu Grunde liegenden Wortschatzsammlung, d.h., die sieben Korpora mussten zunächst in einer Datenbank erfasst werden. Das auf dieser Stufe vorrangig angestrebte Ziel war es, die (zentralen) Wortschätze der einzelnen Korpora vergleichen, also v.a. rechnersortierte Schnittmengen bilden zu können. Mit dieser Vorgabe ging es als Erstes darum, die sieben einzelnen Computerlisten nacheinander zu erstellen. Die wesentlichen Punkte dabei sind: Die Wortschatz.analy.se 195 - Jede der Listen soll für sich einen charakteristischen Extrakt der ihr zu Grande liegenden Quelle repräsentieren; was zur Folge hat, dass über den reinen Wortbestand hinaus die entsprechenden Zusatzinformationen einzubeziehen sind, wobei der Grundsatz gilt, bereits bei der Eingabe lieber mehr als zu wenig Informationen zu berücksichtigen, um den Spielraum für die späteren Analysen von vornherein möglichst groß zu halten. - Der Informationsgehalt der jeweiligen Quellen ist aber gemäß ihres Gebrauchszwecks mitunter sehr verschieden(artig). Damit man alle relevanten Angaben erfassen kann, sind jeweils individuell zu wählende Datenbankstrukturen nötig, die sich zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad unterscheiden. - Da die sieben Listen schließlich in eine zusammenführt werden sollen, muss ein Grundbestand an Gemeinsamkeiten erhalten bleiben. Die jeweiligen Datenbankstrukturen müssen daher insgesamt vereinfacht bzw. vereinheitlicht werden, wobei natürlich Schwerpunkte zu setzen sind, um einerseits die Vergleichbarkeit selbst zu gewährleisten, um andererseits für den Vergleich wichtige Informationen von vornherein berücksichtigen zu können. Es ist klar, dass auf Grund dieser Vorüberlegungen jede Einzeldatenbank in gewisser Weise eine Kompromisslösung darstellt. Die Umsetzung dieser allgemeinen Vorgaben für die Datenverarbeitung lassen sich am ehesten veranschaulichen, wenn man Quelle und Ergebnis in Ausschnitten einander gegenüberstellt und kurz erläutert: Es handelt sich jeweils um eine möglichst aussagekräftige Anzahl der ersten Einträge eines jeden Quellkorpus und um die entsprechende, von mir erstellte Datenbankfassung. Ich halte mich dabei an die im vorangegangenen Kapitel gewählte Reihenfolge der Korpora; die betreffenden Ausschnitte illustrieren nachträglich auch den formalen Aufbau der jeweiligen Wortschatzsammlungen. Zugleich wird mit diesem methodischen Überblick auch die Grundlage geschaffen für eine anschließende Zusammenfassung und Erörterung einiger genereller Schwierigkeiten bei der Datenverarbeitung. 196 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Am Beginn meines Protokolls über das Zustandekommen der Computerlis ten steht wiederum der Grundwortschatz von Kosaras: Der folgende Aus schnitt vermittelt einen Eindruck über die Artikelstruktur des Wörterbuchs: A ab: 1. (Präp. mit Dativ) von .. . an. — Ab drittem August (vom 3. August an), umg. auch mit Akk.: ab dritten August; ab August, ab heute, ab sofort — Das Geschäft ist ab 9 Uhr geöffnet. 2. Hut ab (alle Achtung) vor dieser Leistung! Mein Knopf ist ab [-gerissen]. + Ab und zu (manchmal) habe ich ihn getroffen. + Er ging auf dem Bahnsteig auf und ab. ab-: (in Verbindung mit Verben, trennbar): — 1. weg-. — Abfahren, abgeben, absenden, abstellen, abwischen. 2. nach unten. — Abbrechen, abspringen, abstürzen. 3. tfu Ende. — Abblühen, abtragen (einen Anzug). Abend, der, -s, -e: 1. Ende des Tages ^ Morgen. — Ein kalter, warmer, kühler, milder, stiller, schöner, angenehmer Abend. Am frühen, späten Abend/ früh, spät am Abend. Jeden Abend. Den Abend [in Gesellschaft] verbringen. Zu Abend essen. Jmdm. guten Abend sagen. — Guten Abend! Die Familie war den ganzen Abend zu Hause. Es war schon gegen Abend, als mein Bruder mich anrief. Bis in den späten Abend [hinein] habe ich auf dich gewartet. Wir treffen uns morgen abend (Adv.! ). 2. Abendveranstaltung. — Ein literarischer Abend. Ein Mozart-Abend. + Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. (Sprichwort) Abendessen, das, -s: letzte Mahlzeit am Tage. — Jmdn. zum Abendessen einladen. — Nach dem Abendessen sehen wir uns das Fernsehprogramm an. abends: jeden Abend ; am Abend morgens. — Abends gegen 7 Uhr. Von morgens bis abends. Abenteuer, das, -s, -: außergewöhnliches, spannendes, oft gefährliches Erlebnis. — Ein Abenteuer suchen. Ein Abenteuer erleben. aber: 1. doch, jedoch. — Ich kenne ihn nicht, aber seinen Bruder. Es war dunkel, aber wir machten kein Licht. 2. wirklich — Das ist aber nett von dir! Aber ja! Aber nein! (verstärkend) abfahren, fährt ab, fuhr ab, ist abgefahren: fortfahren wegfahren ankommen. — Der Zug fährt vom Bahnsteig 2 ab. Wir sind um 7 Uhr in Leipzig abgefahren. Abfahrt, die, -, -en: Beginn der Fahrt Ankunft. — Die Abfahrt des Zuges, des Schiffes, des Busses. Sich kurz vor Abfahrt des Zuges treffen. Das Zeichen zur Abfahrt geben. Abgeordnete, der / die, -n, -n: Volksvertreter. — Die Abgeordneten wählen, dem Abgeordneten das Wort erteilen. abhängen, hing ab, hat abgehangen von jmdm./ etwas: durch jmdn./ etwas bestimmt sein. — Unser Ausflug hängt vom Wetter ab. Alles hängt davon ab, wieviel Zeit wir noch haben. Die Entscheidung hängt von ihm ab. abholen, holte ab, hat abgeholt: 1. an einen Ort hingehen und von dort etwas herbringen. — Einen Brief, ein Paket von der Post abholen. 2. sich mit jmdm. treffen und ihn mitnehmen. — Einen Freund vom Abb. 6: Faksimile: Kosaras (1980, S. 7) Die Wortschatzanalyse 197 In die Computerliste wurden folgende Daten übernommen: - Lemma im Fettdruck: Wort - [Bereits bei der Eingabe hinzugefügt: Angabe des Quell-Korpus: K = Kosaras] - Anzahl der verzeichneten Sememe: Lesart - Paraphrase, Synonym o.Ä. zur Bedeutungsumschreibung im Kursivdruck: Worterklärung - Wortartenzuordnung (falls nicht bereits vorgenommen im Hinblick auf die spätere wortartenspezifische Schnittmengenbildung ergänzt): Wortart WORT K LA WORTERKLARUNG WA ab K präp + dat. ab- IC wegpräfix ab- IC nach unten präfix able zu Ende präfix Abend te Ende des Tages Abend K Abendveranstaltung Abendessen K letzte Mahlzeit am Tage abends K jeden Abend; am Abend adv Abenteuer K außergewöhnliches, spannendes Erlebnis aber K doch,jedoch konj aber K wirklich part abfahren K fortfahren, wegfahren Abfahrt K Beginn der Fahrt Abgeordnete K Volksvertreter abhängen K durch jmdn./ etw, bestimmt sein abholen K an einen Ort hingehen und von dort etwas herbringen abholen K sich mit jmdm. trefen und ihn mitnehmen Tab. 10: Von Kosaras (1980) erstellte Computerliste (Auszug, vgl. Abb. 6) Das komplette Computerkorpus umfasst 4976 Datensätze. Die entsprechende Anzahl von Lesarten lässt sich 3223 Stichwörtern zuordnen. 198 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Auch die Artikelstruktur von Pfeffers ‘Dictionary’ musste in die homogene Form einer Datenbank gebracht werden: **ab 1. from ... on. Ab ersten Mai bin ich da. 2. off. Ein Knopf ist ab. 3. (as verbal prefix, sometimes) off. Ich muß meine Schulden abarbeiten, ab . . . bis \ . from. . . until Ab drei bis sechs ist die Bank geöffnet, ab drei, vier Jahre usw. 1. from three, four years and up, etc. Das Heim ist fur Kinder ab drei Jahre. ab und an 1. now and then. Wir haben ab und an Besuch, ab und wieder 1. now and again. Wir treffen uns ab und wieder in der Stadt. ab und zu 1. now and then. Ab und zu essen wir Kartoffeln, ab und zu mal 1. every once in a while. Ich sehe ihn ab und zu mal. auf und ab 1. to and fro, up and down. Er ging im Zimmer auf und ab. von jetzt ab 1. from now on. Von jetzt ab lasse ich dich fahren, weit ab 1. far away. Das Haus liegt weit ab von der Straße, die Abbildung, - / -en 1. illustration. Siehe Abbildung 5. ab-brcchen 0 1. to break off. Hast du die Spitze meines Bleistifts abgebrochen? ’ M ‘der Abend, -s / -e 1 evening. Dazu brauche ich einen ganzen Abend. 2. night. An vier Abenden der Woche halien wir Schule, am Abend 1. in the evening. Was tun Sic am Abend? am Abend usw. vorher 1. the night, etc. before. Am Tag vorher waren es zwanzig. A an einem Abend usw. 1. one evening, etc. An einem Abend in der Woche geht sie zur Schule, des Abends 1. evenings. Des Abends sind wir ins Konzert gegangen. gegen Abend 1. toward evening. Ich bin gegen Abend zu Hause, guten Abend 1. good evening. Guten Abend, I lerr Roth, zu Abend essen 1. to eat (or have) supper. Wann essen Sie heute zu Abend? zum Abend 1. for supper. Zum Abend gibt es Wurst. ♦ abend 1. evening. Sonntag abend finden Sie uns zu Hause, gestern abend 1. last night. Wo wart ihr gestern aliend? heute abend 1. tonight. Ich rufe dich heute abend an. morgen abend 1. tomorrow night. Morgen abend bin ich bei dir. **das Abendessen, -s / - 1. supper Zum Abendessen gab es nur Reste. 2. dinner. Wen haben Sie zum Abendessen gebeten? ♦♦ abends 1. in the evening. Abends bin ich immer zu Hause. 2. at night. Wann gehen Sic abends zu Bett? 3. eveningslDiis Geschäftist abends bis neun auf. früh abends 1. early in the evening. Er kam früh abends an. von früh bis (spät) abend(s) 1. from early morning till late at night. Sic arbeitet von früh bis spät abends. ♦♦ aber 1. but. Aber sicher, ich gebe es Ihnen gerne. 2. however. Das ist aber wieder etwas anderes. aber aber doch \. but .. . nevertheless. Es ist aber doch wahr, dafür . . . aber 1. but then. Das Zimmer ist teuer, dafür ist es aber bequem. oder aber 1. or perhaps. Bitte, schicken Sie mir etwas Geld, oder aber einen Scheck. *ab-fahren°(; ) 1. to leave. Der Zug fährt vor acht ab. 2. to sail. Das Schiff fahrt in einer Woche ab. *ab-geben° 1. to deliver. Hast du das Paket bei 1 lerrn Jahn abgegeben? 2. to make. Du gibst mal einen guten Lehrer ab. *ab-halten° 1. to keep back. Was hält dich also ab? 2. to hold. Wo wird die Prüfung abgehalten? ♦ ab-hängen 0 von 1. to depend on. Es hängt von ihm ab, wie wir wählen. ♦ abhängig 1. dependent. Von ihm will ich nicht abhängig sein, die Abhängigkeit, - 1. dependence. Er klagt über die dauernde Abhängigkeit von seinen Eltern. 1 Abb. 7: Faksimile ‘Dictionary’ (S. If.) In die Datenbank sind schließlich folgende Angaben eingegangen: nicht eingerücktes, fett gedrucktes Hauptlemma: Wort - [Bereits bei der Eingabe hinzugefügt: Angabe des Quell-Korpus: p = Pfeffer] Zahl der durch Beispielsätze illustrierten, unmittelbaren Hauptbedeutungen des Lemmas: Lesart Die Wortschatzanalyse 199 - Anführen dieser Beispielsätze: Beispiel. - Wortartenzuordnung (falls nicht bereits vorgenommen im Hinblick auf die spätere wortartenspezifische Schnittmengenbildung ergänzt): Wortart die relative Frequenz, aufsteigend indiziert mit Sternchen [*]: Frequenz WORT LA BEISPIEL WA FREQ ab Ab ersten Mai bin ich da. adv ab Ein Knopf ist ab. präfix ab Ich muss meine Schulden abarbeiten. präfix Abbildung Siehe Abbildung 5. abbrechen Hast du die Spitze meines Bleistifts abgebrochen? Abend Dazu brauche ich einen ganzen Abend. Abend An vier Abenden der Woche haben wir Schule. abend Sonntagabend finden Sie uns zu Hause. adv Abendessen Zum Abendessen gab es nur Reste. Abendessen Wen haben Sie zum Abendessen gebeten? abends Abends bin ich immer zu Hause. adv abends Wann gehen Sie abends zu Bett? adv abends Das Geschäft ist abends bis neun auf. adv aber Aber sicher, ich gebe es Ihnen gerne. part aber Das ist aber wieder etwas anderes. konj abfahren Der Zug fährt vor acht ab. abfahren Das Schiff fährt in einer Woche ab. abgeben Hast du das Paket bei Herrn Jahn abgegeben? abgeben Du gibst mal einen guten Lehrer ab. abhalten Was hält dich also ab? abhalten Wo wird die Prüfung abgehalten? abhängen Es hängt von ihm ab, wie wir wählen. abhängig Von ihm will ich nicht abhängig sein. adj Abhängigkeit Er klagt über die dauernde Abhängigkeit von . Tab. 11: Vom ‘Dictionary’ erstellte Computerliste (Auszug, vgl. Abb. 7) 200 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Die fertige Liste besteht aus 4943 Datensätzen (= Sememen), die 3244 verschiedene Lexeme erfassen. Aus den nach verschiedenen Kriterien sortierten Listen des HGS von Ruoff habe ich aus nahe liegenden Gründen diejenigen für die Erfassung ausgewählt, die nach Wortarten getrennt und nach abnehmender Häufigkeit sortiert sind. Zur Illustration dient der Anfang der Substantiv-Liste: nach Häufigkeit Substantiv Jahr 1511= 2.80°/ o Tag 861 = 1.59% Leute 701 = 1.30% Vater 593 =1.10% Zeit 517 = 0.96% Haus 460 = 0.85% Mann 442=0.82% Wald 430 = 0.80% Kind 416-0.77% Krieg 355 =0.66% Bauer 321 -0.59% Geschäft 311-0.58% Sache 302 - 0.56% Mutter 296 = 0.55% Holz 288 -0.53% Ding 284-0.53% Winter 283-0.52% Maschine 259-0.48% Hand 253 = 0.47% Woche 253-0.47% Frau 242 = 0.45% Vieh 242 = 0.45% Mark 237 = 0.44% Stunde . . 236 — 0.44% Arbeit 230 = 0.43% Hof 229 = 0.42% Geld 224 = 0.41% Schule (Institution) 214 = 0.40% Abb. 8: Faksimile: HGS (S. 354) Im Gegensatz zu den beiden vorangehenden Korpora konnte die ursprüngliche Listenstruktur analog in den Computer übertragen werden: - Zähleinheit: Wort - [Bereits bei der Eingabe hinzugefügt: Angabe des Quell-Korpus: G = Gesprochen] - (listenspezifische) Wortklasse des Lemmas: Wortart Die Wortschatzanalyse 201 die absoluten Belegzahlen in Bezug auf das jeweilige Wortarten-Korpus: Fr_abs diese, umgerechnet in %: Fr_in_Proz kurze Bedeutungserklärungen, z.B. bei Homogrammen oder mundartlichen Ausdrücken, in Klammer nach dem Stichwort: Semantik zu einem Lemma zusammengefasste (orthografische) Varianten, z.B. selber [1] / selbiger [2J: Lemmavariante Tab. 12: Vom HGS erstellte Computerliste (Auszug, vgl. Abb. 8) 202 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Das HGS gibt die Frequenz der Wörter (Zähleinheiten) eines begrenzten sprechsprachlichen Korpus an. Als Mindestwortschatz im engeren Sinn ist diese Aufstellung jedoch nicht gedacht: 15.676 angesetzte Lemmata sprengen den Rahmen bei weitem. Der Umfang des Wortmaterials musste folglich reduziert werden. Um den zentralen Bereich zu erfassen, lag es auf der Hand, sich an der Frequenz zu orientieren. In die Computerliste habe ich aus diesem Grund nur die Lemmata der Wortarten Substantiv, Verb und Adjektiv aufgenommen, deren Belegzahl > 4 ist. Hinzu kommen noch sämtliche Lemmata, also auch die z-Belege der Adverbien, Konjunktionen, Präpositionen, Partikeln, Artikel, Fragewörter und Pronomina (vgl. Kap. 2.3 in dieser Arbeit). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein z-Beleg die Zahl 4 übersteigt, erschien mir insgesamt höher zu sein als der entgegengesetzte Fall. Aus dem Grund habe ich diese relativ geschlossenen Klassen auch vollständig erfasst. Mögliche Abweichungen dürften das Gesamtbild nur unerheblich beeinflussen. Die Liste des Ruoff-Korpus umfasst nun einen Kern von 4023 Zähleinheiten, lässt man die Mehrdeutigkeit unberücksichtigt, verringert sich diese Zahl auf 3770. Die ersten Zeilen der Liste D des FdZ2 von Rosengren zeigt der nächste Ausschnitt: Die Wortschatzanalyse 203 DIE WELT - SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Liste D HR* Nfl„ WORT AF* AFr- 0 KONFÜ 22543 23 15 218 32 11 1221 8 38 266 176 10 18 43 14 40 13 16 42 49 94 66 .65 20 47 34 24 90 57 70 62 220 100 .106 326 30 1567 36 29 i 73 76 61 752 25 209 4 56 23 AN UN 5 IN 4 UND 3 EIN 24 NACH 16 IM 202 INS 31 NUR 11 HABEN 12 MIT 2 ER 1 DER AL 9 VON 38 VOR 152 SCHEINEN 19 DIESER 6 SEIN VB 8 ZU 16 DASZ 42 DURCH 13 NICHT 39 AM 14 AUF 15 FÜR 45 ZUM 46 WENN 85 SONDERN UN 65 MACHEN 176 DAFÜR 20 AUCH 40 ZUR 37 ALL AV 22 können 78 OHNE 55 GEBEN 67 ZWISCHEN 59 ERST AV 210 DARÜBER 95 GEHEN 108 SEHR 338 ZIEHEN 28 UM 151 DAZU 7 WERDEN 35 UBER 294 EINZELN 71 VIEL 80 DAMIT 73 WENIG 255 ZUNÄCHST 26 IHR PNPOSS 206 TUN 518 PUNKT* 10522 48179 54655 54699 10119 18609 909 8011 23881 21578 64883 279120 27927 6663 1170 15821 44049 26840 15820 5750 19927 6536 21083 18393 5805 5043 2051 2963 1172 13595 5395 7582 9945 2117 3709 2736 3187 889 1899 1790 591 8464 1228 36800 7374 683 2576 2515 2347 787 9171 935 462 2136 9655 10998 11411 2044 3687 196 1607 4761 4252 13295 55451 5624 1382 250 2985 8830 5696 3261 1141 4077 1259 3956 3730 1107 1068 446 587 222 2762 1174 1413 2153 471 720 576 666 186 386 347 115 1797 250 7017 1482 127 515 474 503 152 1828 192 84 -0001 -0003 -0003 -0011 -0001 -0000 -0000 -0000 -0001 -0000 -0008 ■► 0009 -0002 -0001 -0000 ■► 0002 -0002 -0008 -0003 -0000 -0003 -0000 ■► 0003 -0002 -0000 -0001 -0001 -0000 -0000 -0002 -0002 • ► 0001 -0004 -0001 -0000 -0000 -0001 -0000 -0000 -0000 -0000 -0003 -0000 + 0005 -0001 -0000 -0000 -0000 -0001 -0000 -0000 -0000 -0000 +0002 + 0006 +0005 -0002 : +0002 +0004 + 0000 + 0002 + 0004 +0005 +0001 +0029 : ♦ 0004 + 0001 +0000 +0007 +0005 -0001 +0001 +0002 +0002 +0003 +0009 ♦ 0002 + 0003 + 0000 + 0000 +0001 + 0001 + 0002 -0000 + 0004 -0000 + 0000 + 0002 + 0001 + 0001 + 0000 +0001 + 0001 + 0001 + 0000 +0001 +0012 +0002 + 0001 + 0001 + 0002 +0000 +0001 + 0002 + 0001 +0001 0002 0003 0004 0004 0004 0005 0006 0006 0006 0007 0008 0008 0009 0009 0009 0010 0010 0010 0015 0016 0016 0017 0017 0019 0019 0020 0021 0021 0022 0023 0023 0023 0024 0024 0025 0025 0025 0026 0026 0026 0026 0026 0027 0027 0028 0029 0029 0030 0031 0031 0031 0031 0033 -0008 -0000 -0000 -0000 -0009 -0006 -0110 -0012 -0001 -0002 + 0002 + 0005 -0000 -0012 -0081 -0002 + 0003 -0000 -0002 -0017 +0001 -0012 + 0002 + 0000 -0012 -0015 -0042 -0031 -0093 + 0001 -0013 -0004 -0001 -0041 -0020 -0030 -0035 -0128 -0052 -0062 -0163 -0007 -0082 +0011 -0007 -0171 -0040 -0045 -0044 -0146 + 0003 -0102 -0333 +0013 +0008 + 0009 + 0009 + 0019 + 0016 + 0122 +0026 +0015 + 0017 + 0013 + 0011 ♦ 0018 + 0031 + 0100 + 0023 + 0018 + 0021 + 0032 + 0050 +0031 + 0047 + 0033 ♦ 0037 + 0051 + 0055 + 0084 + 0074 + 0137 + 0044 +0060 + 0052 + 0049 ♦ 0091 + 0071 + 0081 + 0087 + 0161 + 0105 + 0115 + 0217 + 0061 + 0136 + 0044 + 006“ + 0229 ♦ 0099 + 0105 + 0107 + 0211 + 0060 + 0166 + 0400 Abb. 9: Faksimile: FdZ2 (S. 357) 204 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Für die Computerliste wurde die Struktur der Ausgangsliste prinzipiell beibehalten, wobei nicht alle Spalten übernommen wurden: - Zähleinheit = Wort - [Bereits bei der Eingabe hinzugefügt: Angabe des Quell-Korpus: R = Rosengren] - Wortart: i.d.R. bei mehrdeutigen Formen angegeben, Wortartenzuordnung im Flinblick auf die spätere wortartenspezifische Schnittmengenbildung ergänzt: Wortart - Rangnummer der Liste A der WELT: NR W : - Rangnummer der Liste A der SZ: NR S z entsprechende absolute Frequenzen der WELT: AF W entsprechende absolute Frequenzen der SZ: AF SZ - „zusammenfassendes Maß für die Übereinstimmung zwischen zwei Verteilungen“ (FdZ 1, S. XXXIV, zur Formel, vgl. S. XXXIVf.): Ü WORT an in und nach im ins nur haben mit er der von scheinen dieser sein dass _K R F F WA NR« NR, un R F F ’F F F F ’F F F F F F F F prap konj art Präp art-präp art-präp adv/ part Prap pron al präp präp pron vb präp konj 22 24 15 218 32 11 12 38 166 17 10 "TF 23 24 14 202 31 11 12 38 152 FF 18 AF W 10522 48179 54655 54599 10119 18609 FF 8011 23881 21578 64883 279120 27927 6663 1170 15821 44049 26840 15820 af S7 2136 9655 10998 11411 2044 3687 196" 1607 4761 4252 13295 55451 5624 1382 FF 2985 8830 5696 3261 U 0002 0003 0004 0004 0004 0005 0006 0006 0006 0007 0008 0008 0009 0009 0009 0010 0010 0010 0015 Die Wortschutzanalyse 205 Tab. 13: Vom FdZ2 erstellte Computerliste (Auszug, vgl. Abb. 9) 206 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Die Summe der aufgenommenen Datensätze umfasst 4050 Einträge, also nicht die gesamte Liste D. Der Umfang des Materials orientiert sich an der Computerliste des HGS. Beim FdZ ist allerdings zu berücksichtigen, dass zahlreiche Eigennamen und Zahlen verzeichnet sind; die Anzahl der für den Vergleich relevanten Einheiten ist also etwas geringer anzusetzen. Nach der unkomplizierten Adaption der beiden Häufigkeitslisten für den Computer setzte der onomasiologische Aufbau des KW von Augst wiederum eine Umstrukturierung des Materials voraus wie aus dem nachfolgenden Ausschnitt leicht zu ersehen ist: A BEGRIFFLICHE BEZIEHUNGEN A 1 DAS SEIN (1-8) 1 SEIN 17 : 48 bin, bist, echt, geben, ist, Leben, leben, seid, sein, sind, war lebend 'lebendig', Tatsache, tatsächlich, verkommen auftreten, sei 2 NICHTSEIN 12 : 41 ausfallen, gar (nicht), nicht, nichts/ nix, niemand alle 'leer', aussterben, gar nichts allehaben, das fehlt uns gerade noch, gä nä (dial.) 'gar nicht', Stromausfall 3 WESENHEIT 9 : 36 leben dastehen, Gegenstand, persönlich, wesentlich erscheinen, greifbar, Leib, Stoff 4 WESENLOSIGKEIT 1 : 34 niemand 5 INNERES WESEN 6 : 48 echt, ich herzlich, wesentlich enthalten, Mark 6 ÄUßERE GEGEBENHEIT 3 : 3o zufällig, außenherum, wodran 7 ZUSTAND 16 : 65 Art, bin, bist, leben, so Fall, genießen. Gestalt, Lage, liegen, solch, Tatsache, tatsächlich daransein (Henkel), Regel, solche 8 UMSTAND 19 : 69 (das kommt) darauf (an), ein. Grund, jedenfalls, na, (als) ob, wenn (schon, denn schon; wenn ... dann), wie (Fron.), wie (Konj.), zwar je, passend, zufällig falls, Gegensatz, Gelegenheit, häm/ hm (Int.), s.verbal ten, in Verlegenheit kommen Abb. 10: nach KW (S. 4) Die Wortschatzanalyse 207 Das Korpus von Augsts KW enthält sechs Felder: - Zähleinheit: Wort - [Bereits bei der Eingabe hinzugefügt: Angabe des Quell-Korpus: a = Augst] die Klasse des Lemmas, Wortartenzuordnung (falls nicht bereits vorgenommen im Hinblick auf die spätere Schnittmengenbildung ergänzt): Wortart knappe Bedeutungserklärungen, z.B. bei Neologismen (im Sinne von Augst) oder in Zweifelsfällen bei lexikalisch mehrdeutigen Wörtern: Semantik die Anzahl von (i.d.R. orthografischen) Lemmavarianten sowie ggf. zusätzliche Angaben über (rede)gebundene Verwendungen des entsprechenden Lemmas: Var/ Idiom - Überbegriff des Kleinstfeldes, dem das jeweilige Lemma zugeordnet wurde: Ü-Begriff. WORT K WA SEMANTIK VAR/ IDIOM U-BEGRIFF bin Sein bist Sein echt adj Sein geben Sein ist Sein Leben Sein leben Sein seid Sein Sein sind Sein Sein ausfallen Nichtsein gar adv nicht Nichtsein nicht part Nichtsein nichts mpr Nichtsein nix mpr Nichtsein niemand mpr Nichtsein leben Wesenheit 208 Der zentrale Wortschatz des Deutschen niemand inpr Wesenlosigkeit echt adj Inneres Wesen ich pron Inneres Wesen Art Zustand bin Inneres Wesen bist Inneres Wesen leben Inneres Wesen adv/ Inneres Wesen darauf prodas kommt... an Umstand art Umstand Grund subs Umstand jedenfalls part Umstand inter Umstand ob konj als ... Umstand wenn konj schon, denn .... Umstand wie pron Umstand wie konj Umstand zwar part Umstand Tab. 14: Vom KW erstellte Computerliste (Auszug, vgl. Abb. 10) Auch das KW darf eigentlich nicht als Mindestwortschatz im engeren Sinn verstanden werden: Es umfasst immerhin ca. 16.000 Wortformen, die auf Grund von Mehrfachzuordnungen schließlich 23.403 Wörterbucheinträge ergeben. Mitverantwortlich für diese Zahl ist zudem, dass Augst Suppletivformen eigens verzeichnet: So finden sich bereits in den ersten Kleinstfeldern neben der Infinitivform sein auch bin. bist, ist, seid, sind, war, bin, und bist (vgl. Kap. 2.5 in dieser Arbeit). Um den zentralen Bereich dieser Erfassung des aktiven Kinderwortschatzes festzustellen, habe ich mich an der von Augst im KW vorgenommenen Häufigkeitseinteilung orientiert. Auf Grund dessen wurden nur jene Wörter berücksichtigt, die von 10-6 Kindern verwendet wurden, die also der höchsten Häufigkeitsklasse angehören. Auf diese Weise wurde zugleich der Bestand an sehr spezifischen kindlichen Neologismen auf ein Minimum eingeschränkt: Eine Stichprobe beim KW hat ergeben, dass innerhalb der beiden ersten drei Hauptgruppen nur zwei Neologismen in die höchste Häufigkeitsklasse vorgedrungen sind: Leute/ drei *Leute und drei Kinder ‘Er- Die Wortschatzanalyse 209 wachsene’ (KW S. 80, unter 372 MENSCHHEIT), eiskalt! *eisekalt (ebd., S. 82, unter 383 KÄLTE). Die Computerliste enthält 3722 Datensätze, die aus insgesamt 23.403 Wörterbucheinträgen exzerpiert wurden. Diese Zahl ergibt sich, wenn man bedenkt, dass es der Aufbau des KW (nach Wehrle/ Eggers 13 1967) ermöglicht bzw. fordert, ein Wort mehreren Kleinstfeldem zuzuweisen und somit eine Form der Semantisierung vorzunehmen. Geht man jedoch von der Zähleinheit des Wortes aus, so verbleiben lediglich 2007 Datensätze, die somit dem zentralen Bereich des kindlichen Wortschatzes von insgesamt ca. 16.000 nicht monosemierten Wörtern entsprechen. Im Verhältnis zu den anderen Korpora fällt der geringe Umfang etwas aus dem Rahmen, die Berücksichtigung der zweiten Häufigkeitsklasse hätte die Obergrenze allerdings bei weitem überschritten. Die Bedeutungsdifferenzierung wurde zwar beibehalten, doch sei nochmals daran erinnert, dass sie auf einer fraglichen Zuordnungspraxis innerhalb eines gleichfalls nicht unumstrittenen Begriffssystems basiert. Bei der dreifachen Frequenzklassen-Einteilung von Augst ist darauf hinzuweisen, dass damit offen bleibt, ob alle der jeweils angeführten Bedeutungen tatsächlich z.B. von 10-6 Kindern verwendet wurden; d.h. ob ein Wort stets mit der gleichen Berechtigung in einer Häufigkeitsklasse bei verschiedenen Kleinstfeldem eingetragen ist, kann in aller Regel nicht überprüft werden. Der nächste Ausschnitt zeigt die erste Seite des ‘Zertifikats’ Deutsch als Fremdsprache: 210 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 3.5.1 Alphabetische Wortliste ab 1. Die Fahrt kostet ab Hamourg 200,- DM. 2. Ab nächster Woche bleibt unser Geschäft samstags geschlossen. 3. Er besucht uns ab und zu. abbiegen, biegt ab, bog ab, Ist abgebogen An der nächsten Kreuzung müssen Sie nach links abbiegen. aber 1. Der Stoff ist von guter Qualität, aber nicht billig. 2. Heute geht es nicht, aber morgen. 3. Doch, das hat sie aber gesagt. 4. Das dauert aber lange! 5. Können Sie das für mich erledigen? - Aber gern! abfahren, fährt ab, fuhr ab, ist abgefahren Unser Zug ist pünktlich abgefahren. die Abfahrt Abfahrt 15.30 Uhr. abfliegen, fliegt ab, flog ab, ist abgeflogen In Frankfurt sind wir schon mit einer Stunde Verspätung abgeflogen. das Abgas, -e Abgase aus Industrie und Haushalten verschlechtern zunehmend die Luft. abgeben, gibt ab, gab ab, hat abgegeben 1. Würden Sie dieses Päckchen bitte bei Herrn Müller abgeben? 2. Mäntel und Schirme bitte an der Garderobe abgeben. abhängen,hängt ab,hing ab, hat abgehangen Vielleicht bleiben wir ein paar Tage länger, das hängt vom Wetter ab. abhängig Die Industrie ist von Ölimporten abhängig. 88 Abb. 11: Faksimile: ‘Zertifikat’ (S. 88) Die Wortschatzanalyse 211 In die Datenbank wurden folgende Informationen aufgenommen: abgesetztes, fett gedrucktes Stichwort (ohne Angaben zur Morphologie): Wort - [Bereits bei der Eingabe hinzugefügt: Angabe des Quell-Korpus: z = ‘Zertifikat’] - Zahl der durch Beispielsätze illustrierten Sememe: Lesart eingerückte Beispielsätze: Beispiel - Wortartenzuordnung (falls nicht bereits vorgenommen im Hinblick auf die spätere wortartenspezifische Schnittmengenbildung ergänzt): Wortart WORT ab K LA BEISPIEL Die Fahrt kostet ab Hamburg 200,- DM. WA P rä P ab Ab nächster Woche bleibt unser Geschäft samstags geschlossen. prap ab Er besucht uns ab und zu. adv abbiegen An der nächsten Kreuzung müssen Sie nach links abbiegen. aber Der Stoff ist von guter Qualität, aber nicht billig. konj aber Heute geht es nicht, aber morgen. konj aber Doch, das hat sie aber gesagt. part aber Das dauert aber lange. part aber Können Sie das für mich erledigen? - Aber gern! part abfahren Unser Zug ist pünktlich abgefahren. Abfahrt Abfahrt 15.30 Uhr. abfliegen In Frankfurt sind wir schon mit einer Stunde Verspätung abgeflogen. Abgas Abgase aus der Industrie und Haushalten verschlechtern ... die Luft. abgeben Würden Sie dieses Päckchen bitte bei Herrn Müller abgeben? abgeben Mäntel und Schirme bitte an der Garderobe abgeben. abhängen Vielleicht bleiben wir ein paar Tage länger, das hängt vom Wetter ab. abhängig Die Industrie ist von Ölimporten abhängig. adj Tab. 15: Vom ‘Zertifikat’ erstellte Computerliste (Auszug, vgl. Abb. 11) 212 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Die Computerliste des ‘Zertifikats’ hat einen Umfang von 3781 durch Beispielsätze illustrierte Lesarten, die sich zurückführen lassen auf 2136 (Stich-) Wörter. Zu berücksichtigen ist, dass diese Auswahl natürlich durch die separate Wortgruppenliste sowie durch die Wortbildungsliste beeinträchtigt wird. Krohns Kompaktliste ist eine Liste im wahrsten Sinne des Wortes, wie der erste Abschnitt der ‘Kompaktliste’ der Substantive verdeutlicht: SUBSTANTIVE: Aj_ Abend Vb Ablauf IVa Absicht Va Alter VI Amt IVb Änderung Va Anfang VI Angriff IVb Angst Vb Anlage IVa Anlaß IVa Ansicht VI Anspruch IVa Anteil IVa Antwort VI Anzahl IVa Apparat Vb April Vb Arbeit VI Arbeiter Vb Arm VI Art Va Artikel VI Arzt Vb Aufenthalt IVc Au ffassung IVa Aufgabe Va Aufmerksamkeit IVa Aufnahme IVa Auge VI Augenblick VI August Vb Ausbildung VI Ausdruck VI Ausführung IVa Ausgang Ivc Auskunft Vb Ausland Vb Ausländer Ivc Ausnahme VI Aussicht Vb Ausstellung Vb Auto IVc Autor IVb Bj_ Bad IVc Bahn VI Bank Vb Bau Va Bauer Vb Baum IVc Beamter Vb Bedarf IVb 175 Abb. 12: Faksimile: ‘Kompaktliste’ (S. 175) Neben den Feldern Wort, - Korpus (S = Schnittmenge) und - Wortart, die nicht weiter erläutert werden müssen, findet sich eine eigene Spalte, die Aufschluss gibt über die Schnittmengenzugehörigkeit des jeweiligen Lemmas, nämlich ob es vertreten ist in allen sechs Korpora (VI), in vier Frequenzkorpora und einem Pragmakorpus (Va), in drei Frequenz- und zwei Pragmakorpora (Vb), Die Wortschatzanalyse 213 in lediglich den vier Frequenzkorpora (IVa), in drei Frequenzkorpora und einem Pragmakorpus (IVb) in zwei Frequenz- und zwei Pragmakorpora (IVc) (vgl. Krohn 1992, S. 175; Kap. 2.7 in dieser Arbeit zur Zusammenstellung seiner Korpora). WORT K WORTART SCHNITTMENGE Abend Vb Ablauf IVa Absicht Va Alter VI Amt IVb Änderung Va Anfang VI Angriff IVb Angst Vb Anlage IVa Anlass IVa Ansicht VI Anspruch IVa Anteil IVa Antwort VI Anzahl IVa Apparat Vb April Vb Arbeit VI Arbeiter Vb Arm VI Art Va Artikel VI Arzt Vb Aufenthalt IVc Auffassung IVa Aufgabe Va Aufmerksam- Aufnahme Auge Augenblick IVa IVa VI VI 214 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Tab. 16: Von der ‘Kompaktliste’ erstellte Computerliste (Auszug, vgl. Abb. 12) Die in den Computer eingegebene ‘Kompaktliste’ von Krohn umfasst insgesamt 1352 Datensätze, die sich wie folgt auf die einzelnen Wortarten verteilen: 651 Substantive, 337 Verben, 224 Adjektive und 140 Adverbien. Trotz mehrmaliger Überprüfung der von mir ermittelten Zahlen, weichen diese minimal von denen ab, die Krohn für sein Testlexikon angibt: 650 + 337 + 223 + 141 = 1251 (vgl. Krohn 1992, S. 185). Wichtiger scheint mir in diesem Zusammenhang allerdings, nochmals darauf hinzuweisen, dass die ‘Kompaktliste’ keine Synsemantika beinhaltet, sich also auf die vier oben genannten Wortarten beschränkt, ohne dass Krohn jedoch Klassifizierungsgrundsätze dargelegt hätte. Jene sieben auf die beschriebene Weise erstellten Computerlisten bzw. genauer: Datenbankfassungen der Korpora stellen fortan die Grundlage für alle weiteren Analyseschritte dar. Die kurzen Ausschnitte sollten eine Vorstei- Die Wortschatzanalyse 215 lung davon vermitteln, mit welchen Schwierigkeiten man bei der Umsetzung der gedruckten Korpora in eine adäquate Datenbankstruktur konfrontiert wird. Ein zusätzlicher Hinweis auf die zahlreichen Korrekturgänge, Abgleiche (beispielsweise der Wortartenklassifikation) und sonstigen, besonders im Hinblick auf die Schnittmengenbildung notwendigen Arbeitsschritte genügt, um annähernd einen Gesamteindruck dieses beschwerlichen Weges von der gedruckten Wortschatzerhebung zum digitalisierten Gesamtkorpus zu vermitteln ein Weg, der sich allemal lohnt, bedenkt man die vielfältigen Analysemöglichkeiten, die ein Computerkorpus bietet. Abgesehen von Formalia lässt sich die Mehrzahl der zu lösenden Detailprobleme i.d.R. drei Schwerpunkten zuordnen: der Vergleichsgrundlage als solcher, der Lemmatisierung und Bedeutungsangabe(n) sowie der Wortartenzuordnung. In puncto Vergleichsgrundlage musste natürlich bereits Krohn Überlegungen zur Methodik anstellen, bevor er die eigentliche Schnittmengenbildung vornehmen konnte: Sollen Aussagen über die Vorkommenshäufigkeit von Lexemen und über lexikalische Schnittmengen statistisch einigermaßen repräsentativ sein, dann muß für die verschiedenen Korpuskonfrontationen eine möglichst einheitliche Vergleichsbasis geschaffen werden, d.h. daß die Zahl der in den Vergleich eingebrachten Lexeme in den verschiedenen Wortkorpora in etwa gleich groß ist (1992, S. 146). Diese Forderung ist ebenso folgerichtig wie nachvollziehbar; ihr ist allerdings nicht immer in gewünschtem Maße gerecht zu werden. Handelt es sich um einen Grundwortschatz im engeren Sinne, so hat sich im Laufe der Zeit der Umfang auf 2000 +/ x Wörter eingependelt, wie etwa beim ‘Zertifikat’. Die beiden Wörterbücher von Kosaras und Pfeffer übertreffen diese Leitzahl mit gut 3000 Stichwörtern bereits erheblich. Frequenzerhebungen wie die von Ruoff und Rosengren, welche insgesamt einen weit größeren Wortschatz verbuchen, ließen sich natürlich verhältnismäßig leicht eingrenzen, indem man einfach die 2000 bzw. 3000 häufigsten Einheiten auswählt. Ich habe mich jedoch dazu entschlossen, die Zahl noch weiter nach oben zu setzen (ca. 4000 Wörter), um auf diese Weise von vornherein die korpusspezifischen Eigenheiten, also ranghohe Dialektausdrücke, Eigennamen, Zahlen o.Ä. zu berücksichtigen. Die meisten Probleme bereitete allerdings die Erstellung der Computerliste des Kinderwortschatzes von Augst: Als Kriterium zur Einschränkung des kindlichen Wortschatzes lässt sich einzig die Auftei- 216 Der zentrale Wortschatz des Deutschen lung des Wortschatzes in die drei Häufigkeitsgruppen heranziehen. Das führt dann entweder zu einer im Verhältnis zu den anderen Korpora verhältnismäßig geringen oder sehr hohen Anzahl von Wörtern, je nachdem, ob man eine oder zwei dieser Gruppen berücksichtigt. Es ist jedenfalls nicht möglich, einen Mittelweg in der Weise zu beschreiten, wie das im Falle der Frequenzerhebungen geschehen ist. Die Tatsache, dass die Computer-Listen vom Umfang her mitunter etwas stärker voneinander abweichen, kann in Kauf genommen werden, wenn man verschiedenartige Analyse- und Vergleichsschwerpunkte setzt, welche diesem Umstand Rechnung tragen. Bereits bei der Charakterisierung der einzelnen Korpora im zweiten Kapitel habe ich auf die Festlegung der Zähleinheiten, also auf die Prinzipien der Lemmatisierung besonderen Wert gelegt und darauf hingewiesen, dass diesbezüglich korpusbedingte Unterschiede nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel darstellen. Eine Ursache hierfür ist wohl darin zu suchen, ... daß eine widerspruchsfreie Definition des linguistischen Grundbegriffs ‘Wort" bisher fehlt. Denn ‘Wort’ ist in Form eines Lemmas oder Lexikoneintrages für jede Art von Wortkorpora die grundlegende lexikalische Zähleinheit und bestimmt alle Aussagen über den Umfang und die lexikalische Schnittmengen [sic! ] von Wortkorpora (Krohn 1992, S. 148; vgl. auch Kap. 1.1 in dieser Arbeit). Es sind vor allem unterschiedliche Auffassungen in folgenden Punkten, die ganz konkret zu abweichenden Ergebnissen bei der Lemmatisierung führen können: Die Behandlung von Wörtern bzw. Wortparadigmen mit Suppletivformen, die (Kriterien zur) Homonymentrennung und die Berücksichtigung der polysemen Auffächerung, ferner der Umgang mit geschlossenen Wortklassen und Wortbildungen. 32 Eine Vereinheitlichung zum Zwecke der besseren Vergleichbarkeit herstellen zu wollen scheint zwar nicht gänzlich undurchführbar, würde jedoch neben einem immensen Arbeitsaufwand, der kaum zu rechtfertigen wäre, eine Verzerrung der Verhältnisse in den ursprünglichen Korpora bewirken. Sinnvoller ist es daher, die ausführlich beschriebenen Eigenheiten der jewei- 32 Eine Besonderheit stellen ferner „Doppelformen in der deutschen Sprache der Gegenwart" (Muthmann 1994) dar. Die Wortschatzanalyse 217 ligen Korpora ggf. bei der exemplarischen, systemhaften Analyse zu beachten. Ein Problem ganz eigener Art bereitet die Analyse und Zuordnung der Wortarten im Hinblick auf die intendierte wortartenspezifische Schnittmengenbildung. Sie wurde in längst nicht allen behandelten Korpora konsequent durchgeführt, was zur Folge hat, dass ich parallel zur Dateneingabe bereits versucht habe, die Wortart der jeweiligen Zähleinheit zu ergänzen. Dies ist i.d.R. auch ohne Schwierigkeiten bei den kontextfrei eindeutigen Wörtern bzw. Lesarten möglich. Unmöglich ist dies hingegen in allen anderen Fällen, wenn lediglich die Zähleinheiten ohne Worterklärung oder Beispiel aufgelistet werden, wie etwa bei Ruoff oder Rosengren. Die Unterscheidung von Partikeln, Adverbien und Konjunktionen beispielsweise ist ohne sprachlichen Kontext kaum eindeutig vorzunehmen. Hinzu kommt, dass selbst bei einer durchgeführten Klassifikation v.a. dieser Wortarten die Terminologie wie auch die Einteilungsgrundsätze oft verschieden gehandhabt werden, was im Hinblick auf die Schnittmengenbildung eine nachträgliche Vereinheitlichung erforderlich machte. Eine umfassende, differenzierte Wortartenanalyse ist daher nur bei den Wortschätzen von Kosaras und Pfeffer möglich, und sie wird im Rahmen der qualitativen Analyse auch durchgeführt (vgl. Kap. 3.4.1.3 in dieser Arbeit). Für die exemplarische quantitative Analyse hingegen werde ich mich auf die relativ problemlos klassifizierbaren Wortarten Verb und Substantiv beschränken; dasselbe gilt auch für die Kontrastierung meines Materials mit Krohns Testlexikon, zumal die Ergebnisse bei Krohns Ansatz ohnehin vor allem im Bereich der Substantive die höchste Aussagekraft besitzen. Für diesen Schritt werde ich auch mein Material auf nicht disambiguierte Einheiten (‘Wörter’) zurückführen, um die Vergleichbarkeit mit Krohn zu gewährleisten (vgl. Kap. 3.3 in dieser Arbeit sowie die entsprechenden Listen unter http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch. html). Die sieben Computerlisten bilden die Brücke zur eigentlichen Analyse. Vergleicht man abschließend die Struktur der einzelnen Datenbanken, so fällt auf, dass jeweils drei der Felder identisch sind: Wort, Korpus und Wortart, hinzu kommen die entsprechenden Spalten, welche Informationen zur Be- 218 Der zentrale Wortschatz des Deutschen deutungsunterscheidung bei Kosaras und Pfeffer enthalten. Damit ist eine Vorbedingung für eine spätere Schnittmengenbildung erfüllt, v.a. aber für die semantische Analyse einer Schnittmenge, die deshalb in jedem Fall mit Kosaras und Pfeffer gebildet werden muss. Um die Voraussetzung für die nachfolgenden Arbeitsschritte zu schaffen, sind die sieben Einzeldatenbanken zunächst in eine Gesamtliste zusammenzuführen. Das Ergebnis ist eine Computerdatenbank, welche die Informationen aller sieben Korpora in sich vereint. Sie umfasst insgesamt 26847 Datensätze (= Summe der Datensätze aller Einzeldateien), d.h. ebensoviele nach Form, ggf. Inhalt und nicht zuletzt nach Quell-Korpus unterschiedener Zähleinheiten in fortlaufend alphabetischer Sortierung. Für die so entstandene Gesamtliste bedeutet dieses Vorgehen nun dreierlei: - Auf engem Raum wird übersichtlich die Information aus allen Dateien aufgelistet bzw. einander gegenübergestellt. - Während die Spalten Wort, Korpus und Wortart dateienunabhängig sind, beinhalten alle übrigen dateien-, d.h. korpusspezifische Informationen, die ggf. den Spielraum für weiterreichende Interpretationen erhöhen können. - Die Schnittmengen, aber auch die Mengen der Hapaxlegomena können auf der Basis dieser Gesamtliste ermittelt werden. Die kombinierte Gesamtliste vereint also die Summe aller Einzelschritte der Datenerfassung und stellt zugleich das erste Ergebnis der Datenverarbeitung bzw. -analyse dar. Sie bildet gleichermaßen die Grundlage für die Untersuchung und (vergleichende) Auswertung der Korpora. Dafür habe ich zwei Schritte vorgesehen: Im nächsten Teilkapitel werden in sehr eingeschränktem Umfang, d.h. in Form von Stichproben, einige Möglichkeiten der quantitativen Analyse analog zum Verfahren von Krohn (1992) aufgezeigt. Abschließend wird darüber hinaus der quantitative Umfang für die Wahl einer Untersuchungsschnittmenge festgelegt und begründet. Diese Untersuchungsschnittmenge bildet dann den Ausgangspunkt für die umfangreiche Analyse eines zentralen Wortschatzbereichs im Kapitel 3.4. Die Wortschatzanalyse 219 3.3 Zu einigen Aspekten der quantitativen Analyse des Gesamtmaterials - Eingrenzung der Untersuchungsschnittmenge Mit den sechs bzw. sieben Korpora wäre es theoretisch möglich, weit über hundert Schnittmengen zu bilden, die Trennung nach Wortarten nicht einmal eingerechnet. Die Qualität einer quantitativen Analyse ist jedoch nicht an der Anzahl der Auswertungen zu bemessen. Im Gegensatz zu Krohn (1992), der seine Argumentation durch die Auswertung einer Vielzahl von Schnittmengen stützt, werde ich dieses Verfahren nur dazu einsetzen, Krohns Grundthese an einem ausgewählten Beispiel zu illustrieren und in der Hauptsache dazu, die Untersuchungsschnittmenge auch zahlenmäßig zu begründen. Für weiterreichende und detailliertere Analysen ist das Verfahren von Krohn in dieser Form weniger geeignet, da es sich nur auf Wörter als Zähleinheiten beschränkt. Lesarten werden auf dieser Analysestufe also noch nicht berücksichtigt. Als Basis für die nachfolgenden Stichproben kann demzufolge das nicht monosemierte, korpusindizierte Gesamtmaterial (vgl. die entsprechende Liste unter http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) herangezogen werden, das 8415 Datensätze umfasst. Als Erstes werde ich der Frage nachgehen, inwieweit es möglich ist, mittels der Hapaxlegomena des Grundwortschatzes von Kosaras (1980) dessen Wortschatzprofil genauer modellieren zu können. Folgende 202 Substantive kommen ausschließlich im Korpus von Kosaras (K) vor: Abgeordnete, Abreise, Abrüstung, Abteil, Abzeichen, Achse, Allee, Anblick, Andenken, Anordnung, Anrede, Ansichtskarte, Arznei, Aufsatz, Aufsehen, Ausrede, Autobus, Badeanzug, Begabung, Bekanntschaft, Bord, Brigade, Dom, Druckerei, Duft, Durchfahrt, Ehepaar, Eid, Eintrittskarte, Elektrizität, Erdöl, Facharbeiter, Fachmann, Fachschule, Ferngespräch, Fernsprecher, Festspiele, Feuerzeug, Flagge, Fleischer, Flur, Flüssigkeit, Füllfederhalter, Funk, Gaststätte, Gattin, Gedächtnis, Gefangene, Geige, Gelehrte, Gemälde, Genosse, Geografie, Gesang, Gewächs, Gewebe, Gleichberechtigung, Grube, Grünanlage, Handschrift, Hass, Hort, Hügel, Infektion, Insekt, Intelligenz, Jugendherberge, Jugendweihe, Kameradin, Kapitalismus, Kaufhalle, Kehle, Kindheit, Klassenkampf, Klassenlehrer, Klassenzimmer, Klempner, Kohl, Komfort, Komma, Komponist, Konserve, Konsum, Kraftfahrer, Krawatte, Kundgebung, Kunstwerk, Laboratorium, Ladung, Landkarte, Landstraße, Latein, Lebewesen, Lehrbuch, 220 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Leinwand, Lektion, Lexikon, List, Lob, Marktplatz, Marxismus, Materialismus, Materie, Matrose, Melodie, Menü, Miene, Mine, Mission, Mitleid, Mitwirkung, Montage, Moped, Neugier, Neuheit, Neuigkeit, Novelle, Oberfläche, Olympiade, Operette, Optimist, Orden, Ozean, Pakt, Pelz, Personalausweis, Pionier, Plast, Platzkarte, Pokal, Pol, Prämie, Proletariat, Prosa, Quadrat, Rast, Raucher, Reichtum, Rost, Ruhm, Rumpf, Rüstung, Schaffner, Schatz, Scheinwerfer, Schlager, Schlips, Schlittschuh, Schnellzug, Schokolade, Schwelle, Schwindel, Seemann, Segel, Sehnsucht, Seide, Semmel, Silbe, Sohle, Sonnenschein, Sozialversicherung, Speisekarte, Sportler, Stockwerk, Stoß, Strahl, Stundenplan, Talent, Teich, Temperament, Textilien, Thermometer, Tiefe, Tiergarten, Tischler, Tonband, Tonbandgerät, Tote, Treue, Tritt, Trost, Tube, Umweltschutz, Urkunde, Vorgesetzte, Vorort, Vorsitzende, Vorsprung, Vorwand, Walzer, Warenhaus, Wechselstube, Weisheit, Wettkampf, Wochentag, Zauber, Zelle, Zensur, Zirkel, Zuschlag, Zutritt, Zwilling. Folgende 75 Verben kommen nur im Korpus von Kosaras (K) vor: abonnieren, aufbewahren, aufbrechen, ausbeuten, austauschen, bearbeiten, bedecken, begraben, beladen, belohnen, benehmen, besiegen, blenden, brausen, durchfallen, duzen, einschlagen, empören, entgegenkommen, entwerfen, erforschen, erstaunen, festnehmen, funkeln, grenzen, heimkehren, impfen, jubeln, kreuzen, langweilen, lauschen, leeren, locken, loswerden, misslingen, münden, nachsehen, niederlegen, plaudern, qualifizieren, rauben, rauschen, riskieren, schmieden, schwärmen, sitzen bleiben, speichern, spenden, sperren, Stillstehen, strömen, täuschen, überreichen, übertreiben, unterdrücken, verehren, verkehren, verloben, verordnen, versäumen, verschließen, verschweigen, vertiefen, vertonen, vervollständigen, verwirren, verwöhnen, verziehen, verzollen, vorrücken, wehen, zerschlagen, zubereiten, zurücklegen, zusammensetzen. Von dieser rein alphabetischen Zusammenstellung ausgehend fällt es zweifelsohne schwer, eine eindeutige thematische Zuordnung der Wörtern vorzunehmen, wie Krohn (1992) es im letzten Kapitel seiner Arbeit gemacht hat. Er bediente sich dabei des Verfahrens der assoziativen Zuordnung von Wortkörpem im Rahmen eines vage definierten und fragwürdig umgesetzten Frame-Konzepts, ohne auf ein monosemiertes Korpus zurückgreifen zu können. Die Wortschatzanalyse 221 Folgt man trotz aller Vorbehalte dieser Methode und bedenkt zunächst, dass der Grundwortschatz von Kosaras (1980) in Ungarn veröffentlicht worden ist, so sticht zunächst das Vorkommen von Wörtern wie Genosse, Jugendweihe, Kapitalismus, Klassenkampf, Marxismus, Plast, Proletariat, ausbeuten ins Auge. Sie spiegeln den Herkunftsbereich, den ehemaligen Ostblock, wider und zeigen die Ausrichtung des Grundwortschatzes an den in der DDR üblichen Sprachgebrauch an. Weitere Stichproben ergeben, dass andere Themenbereiche, wie sie von Krohn (1992, vgl. S. 21 Iff.) angeführt werden, bei Kosaras (K) ebenfalls belegt sind, z.B.: - ‘Reise/ Tourismus’: Abreise, Ansichtskarte, Jugendherberge, Schaffner, Wechselstube', heimkehren u.a. - ‘Freizeit’: Badeanzug [? ], Festspiele, Operette, Sonnenschein [? ], Tiergarten, Walzer [? ] u.a. - ‘Sport’: Olympiade, Sportler, Pokal, Urkunde, Wettkampf, besiegen, qualifizieren u.a. - ‘Schule/ Ausbildung’: Aufsatz, Fachschule, Füllfederhalter, Handschrift, Klassenlehrer, Klassenzimmer, Laboratorium [? ], Latein, Lehrbuch, Lektion, Lexikon, Stundenplan, Zensur, durchfallen, sitzen bleiben, vertiefen u.a. - ‘Emotionen/ psychisch-mentale Verhaltensweisen’: Begabung, Hass, Intelligenz, Neugier, Sehnsucht, Temperament u.a. - ‘Speisen/ Getränke’: Menü, Semmel, Speisekarte u.a. - ‘Verkehr/ Verkehrsmittel’: Allee, Autobus, Durchfahrt, Landstraße, Moped, Schnellzug u.a. Selbst aus dieser knappen Zusammenstellung wird Folgendes klar: Die Zuweisung von Wörtern eines Korpus zu einzelnen Themenbereichen ist dann wesentlich einfacher zu bewerkstelligen, wenn man von vornherein die Grundlagen der Korpuserstellung kennt und berücksichtigt. Das heißt, dass dieses Verfahren bis zu einem gewissen Grad auf einem Zirkelschluss beruht, der durch folgende Fragen zum Ausdruck gebracht werden kann: Welche Texte, Themen usw. bilden schwerpunktmäßig die Grundlage des betreffenden Korpus? Welche daraus sinnigerweise resultierenden Hapaxlegomena können diesen Themen wiederum zugeordnet werden? Die Themen, 222 Der zentrale Wortschatz des Deutschen denen eine Vielzahl dieser Wörter zugewiesen werden (können), sind auf diese Weise bereits vorgegeben. Als solche sind diese themenspezifischen Autosemantika charakteristisch für das Gesamtkorpus, dessen Profil sich im Endeffekt im Wortschatz nachzeichnen lässt. Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist wenig verwunderlich, dass die wie auch immer geartete ‘thematische Basis’ einer Wortschatzerhebung bis zu einem gewissen Grad eben auch im Wortschatz selbst zum Ausdruck kommt. Geht man hingegen den umgekehrten Weg, wird das Verfahren ungleich komplizierter, da zunächst in keiner Weise klar ist, von welchen und wie vielen Themen eigentlich ausgegangen werden kann, und vor allem, wie diese genauer eingegrenzt und definiert werden müssen. Welches Themenraster ist also anzulegen und welche Hierarchistrukturen müssen bedacht werden? Müsste man, wenn man schon die Begriffe Frame/ Szenario verwendet, nicht auch wortartenübergreifend vergehen? Krohn begibt sich so gesehen auf eine Gratwanderung, wenn er derartige Probleme zwar theoretisch anspricht (vgl. 1992, S. 214ff.), daraus jedoch keine Konsequenzen für die praktische Anwendung zieht. Trotzdem scheint mir das Verfahren eingeschränkt nützlich zu sein, um erste Einblicke der thematischen Auffächerung eines Wortschatzes zu illustrieren - Krohns Ergebnisse bezeugen dies. Das Modell ist in der Form für die weitere (lexikografische) Aufbereitung des Wortschatzes jedoch nicht tragfähig. Das unvoreingenommene Herangehen an eine alphabetische Liste von Wörtern und der Versuch, diese auf rein assoziative Weise einem wie auch immer bereitgestellen Set an Themen zuzuweisen, birgt natürlich auch prinzipiell die Gefahren kurioser Zuordnungen und völlig inhomogener Wortschatzansammlungen in sich. Als Beleg hierfür sei nur an jene Beispiele aus dem onomasiologischen Wörterbuch von Wehrle/ Eggers erinnert, auf die bereits bei der Betrachtung von Augsts KW kurz hingewiesen wurde (vgl. Kap. 2.5 in dieser Arbeit). Auf obiges Beispiel übertragen bedeutet dies: Badeanzug, Sonnenschein und Walzer können assoziativ sicherlich irgendwie mit ‘Freizeit’ in Verbindung gebracht werden, ob dies allseits nachvollzogen wird bzw. werden kann, ist die eine Frage, die andere, ob man die Wörter nicht eher Themenbereichen wie ‘Kleidung’, ‘Wetter’ und ‘Tänze’ zuordnen sollte, die ihrerseits jedoch auf einer anderen Hierarchiestufe angesiedelt sein dürften als ‘Freizeit’ - oder sollte man sie mehrfach zuordnen? Die Wortschatzanalyse 223 Neben diesen an einem konkreten Beispiel angedeuteten Fragestellungen schließt die bloße Aufzählung von Wörtern natürlich auch Mehrfachzuordnungen nicht aus, im Gegenteil. Hier kommt nun die Bedeutung ins Spiel, genauer die Mehrdeutigkeit einer Form, und diese ist die Regel und nicht die Ausnahme: Es dürfte sofern das Verfahren überhaupt angewendet werden kann sehr schwer fallen, die 75 oben angeführten Verben stets nur einem einzigen Themenbereich zuzuordnen. Bei den entsprechenden Substantiven ist das eher möglich. Konsequenterweise müsste der Zuordnung demnach eine Bedeutungsanalyse vorausgehen, was bislang allenfalls intuitiv geschah. Um nicht den Anschein zu erwecken, die Zuordnung würde auf der Basis von ‘Wörtern’ erfolgen, müssten als eigentliche Grundlage zunächst die jeweiligen Lesarten ermittelt und verzeichnet werden. Demnach wäre also festzuhalten, dass zwischen sog. themenunspezifischen und themenspezifischen Autosemantika im Sinne von Krohn keine verbindliche Grenzziehung möglich ist. Man gewinnt vielmehr den Eindruck, dass eine nicht unerhebliche Menge von Wörtern existiert, die nicht ohne weiteres dieser oder jener Menge zugeordnet werden kann (z.B. Anblick, Anordnung, Neuheit, Neuigkeit, um nur einige Substantive innerhalb dieser Grauzone zu nennen, und die überwiegende Mehrheit der Verben). Die grundsätzlichen Einschränkungen und Einwände zum Verfahren der ‘thematischen Zuweisung und Interpretation’ von Hapaxlegomena werden unter Umständen dann relativiert, wenn man bedenkt, dass es sich beim Korpus von Kosaras in jedem Fall um eine Erhebung handelt, die einen zentralen Bereich der Gesamtsprache möglichst neutral und repräsentativ darstellen will. Wendet man sich hingegen den Korpora zu, deren Korpusgrundlagen erheblich voneinander abweichen, ist sowohl die Zahl der Hapaxlegomena als auch deren Themenspezifik weit höher bzw. ausgeprägter. Insgesamt kommen 247 Substantive nur im Korpus von Augst (a) vor, von A-E z.B.: Alan, Angsthase, Anker, Anlauf, Anorak, Apfelbaum, Apfelsaft, Ärmel, Bagger, Balkon, Bande, Batterie, Bauarbeiter, Bauchweh, Beton, Beule, Beutel, Bilderbuch, Bratpfanne, Brettchen, Bügeleisen, Bulle, Buntstift, 224 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Chefin, Clown, Cowboy, Dackel, Delfin, Donnerwetter, Drachen, Dummkopf, Eichhörnchen, Eierbecher, Eisbär, Eiweiß, Elefant, Erdbeere, Eule (vgl. http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) Insgesamt sind 902 Substantive ausschließlich im Korpus von Ruoff (G) belegt, von A-E z.B.: Ablage, Ablass, Ableger, Ackerbau, Ackerland, Adeliger, Adrema, Ahne, Akkord, Akkordsatz, Albverein, Älterer, Ältester, Amboss, Amtmann, Amtsdiener, Anbau, Anderer, Angerse, Anklang, Apostel, Ar, Arbeitsamt, Arbeitsdienst, Architekt, Armeekorps, Artillerie, Asche, Auffahrt, Aufseher, Aufsicht, Aussteuer, Auszeichnung, Axt, Bäck, Badischer, Bahnschlitten, Bahnwärter, Balken, Ballett, Bändel, Bänklein, Baracke, Baron, Bäslein, Bataillon, Bäuerin, Bäuerlein, Bauembub, Bauernhaus, Bauernverband, Bauersleute, Baugeschäft, Bauhandwerk, Bauholz, Bäumlein, Bauten, Becherlein, Beerdigung, Beerlein, Beil, Belgischer, Benzinmotor, Bergspiegel, Bergwerk, Bewachung, Bezugsschein, Bierzelt, Bindemäher, Binder, Blättlein, Blech, Blödsinn, Bock, Bodenbir, Bodenlegen, Bohrer, Bolle, Böschung, Botte, Brache, Bratwurst, Brauerei, Braugerste, Breche, Breme, Brennerei, Brennholz, Bretterwand, Brocken, Bruderschaft, Brühe, Brunnentrog, Bub, Bubikopf, Büblein, Buchbinder, Bücherei, Büchlein, Buckel, Buffet, Bulldog, Bündel, Bunker, Büschel, Büschel, Büschlein, Chorleiter, Christenlehre, Courage, Dämpfer, Dampfofen, Darlehenskasse, Dekan, Denkmalpflege, Deutscher, Dialekt, Dienstbote, Dienstjahr, Dienstmädlein, Dings, Dinkel, Dirigent, Division, Dolder, Doppelhaus, Doppeljoch, Dorfbühne, Dörre, Dote, Drache, Drahtseil, Drasch, Dreifelderwirtschaft, Dreikönigstag, Dreschen, Dreschflegel, Dreschmaschine, Dummer, Dung, Durchmesser, Eck, Egge, Eiertatsch, Eilzug, Einheimischer, Emmarsch, Elektrisches, Elektromotor, Elternhaus, Emd, Enkelein, Erbhof, Erdäpfel, Erdbiren, Erholung, Erntedankfest, Ersatzbataillon, Evakuierter, Evangelischer u.a. (vgl. http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) Erst die Hapaxlegomena der Korpora von Augst (a) und Ruoff (G) tragen dazu bei, den Befund von Krohn zu stützen bzw. zu relativieren. Dabei muss man sich stets vor Augen halten, dass es sich um (sehr) spezielle Korpora handelt, in denen zum einen Kindersprache, zum anderen gesprochene, regionale Umgangssprache ländlicher Prägung erfasst sind. Das verrät bereits Die Wortschatzanalyse 225 ein flüchtiger Blick auf die betreffenden Mengen der Substantive. So finden sich in der Menge von Augst eine ganze Reihe von Substantiven, die für Kinder typische Themenbereiche belegen, z.B.: Angsthase, Bilderbuch, Buntstift, Clown, Cowboy, Hampelmann, Indianer, Indianerzelt, Lutscher, Matsch usw., daneben auch kindersprachliche Begriffe wie Alan (‘Alarm’), Großmutti, Matsche (‘Matsch’) usw. Aus der sehr umfangreichen Menge der substantivischen Hapaxlegomena von Ruoff ragen Begriffe heraus, die landwirtschaftlichen und ländlichen Bereichen zugewiesen werden können, die mitunter auch dialektal geprägt sind, z.B.: Ackerbau, Ackerland, Angerse, Ar, Bäck, Bäuerin, Bäuerlein, Bauernbub, Bindemäher, Bierzelt, Bodenbir, Bolle, Botte, Brache, Braugerste, Dinkel, Dreifelderwirtschaft, Dreschmaschine u.v.a. Daneben fallen Substantive auf, die religiöse und militärische Themenbereiche abdecken, z.B. Ablass, Apostel, Christenlehre, Dreikönigstag u.a.; Armeekorps, Artillerie, Bataillon, Bunker, Division, Ersatzbataillon, Feldschütze, Feldwebel, Frankreichfeldzug, Granatenloch u.a. Gestützt wird dieses Ergebnis, wenn man sich die folgenden Zahlen ansieht: Von den 650 Substantiven in Krohns ‘Kompaktliste’ finden sich ganze 584 ebenfalls im Grundwortschatz von Kosaras, 467 im Korpus von Ruoff und 253 im Korpus von Augst. Von den 337 Verben in Krohns ‘Kompaktliste’ finden sich 299 im Grundwortschatz von Kosaras, 238 im Korpus von Ruoff und 158 im Korpus von Augst. Bei der Schnittmengenbildung zwischen Korpora mit ähnlichen Zielsetzungen ist demnach die Menge der gemeinsamen Lexeme erheblich höher als bei der Schnittmengenbildung sehr unterschiedlicher Korpora. Im ersten Fall ist also auch die Menge der Hapaxlegomena kleiner als im zweiten. Dies wiederum hat zur Folge, dass beim Vergleich von Korpora mit ähnlicher Zielsetzung auch sog. themenspezifische Lexik in die Schnittmenge Vordringen kann. Eine Konsequenz dieser an und für sich wenig überraschenden Feststellung ist, Schnittmengen mit möglichst vielen Korpora zu bilden, um anschließend diese beiden Extreme mitteln zu können. Das ebenso schlüssige wie leicht nachvollziehbare Fazit ist auch für mein weiteres Vorgehen wegweisend: Das vorrangige Ziel ist zunächst, eine Schnittmenge zu suchen, die für die überwiegend qualitativ ausgerichtete Analyse geeignet ist. Da Bedeutungen, d.h. Sememe, analysiert werden und 226 Der zentrale Wortschatz des Deutschen als Beschreibungseinheit dienen sollen, ist z.B. eine Voraussetzung, dass zumindest die Korpora von Pfeffer (p) und Kosaras (K) miteinbezogen werden. Eine Schnittmenge aus diesen beiden Wortschatzsammlungen umfasst ohne Doubletten jedoch 2273 noch nicht monosemierte Einheiten. Für die von mir angestrebte Untersuchung ist diese Menge zu umfangreich und folglich durch Schnittmengenbildung weiter einzugrenzen. Um einer angemessenen Gewichtung Rechnung zu tragen, scheint es sinnvoll, neben den beiden fremdsprachendidaktisch ausgerichteten Erhebungen (p, K) noch die gesprochene (Ruoff, HGS = G) und die geschriebene Sprache (Rosengren; FdZ2 = R) explizit miteinzubeziehen. Die auf diesem Wege gewonnene Schnittmenge ‘GKpR’ enthält schließlich ohne Doubletten 1132 noch nicht monosemierte Zähleinheiten, davon entfallen 446 auf Substantive, 287 auf Verben und 399 auf die Sonstigen (vgl. http: / / www.idsmannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html). Der verbleibende Rest des Wortmaterials in der Gesamtliste kann ggf. vergleichend oder ergänzend bei der qualitativen Analyse herangezogen werden. 3.4 Die Wortschatzanalyse am Beispiel der Untersuchungsschnittmenge ‘Kosaras (K)/ Pfeffer (p)/ Ruoff (G)/ Rosengren (R)’ 3.4.1 Detail-Analyse 3.4.1.1 Vorüberlegungen: Sememe als Zähl- und Analyseeinheiten Die Auswahl der Schnittmenge ‘Kosaras (K)/ Pfeffer (p)/ Ruoff (G)/ Rosengren (R)’ für eine qualitative Wortschatzanalyse hat zwei Gründe: - Der erste Grund ist rein praktischer Natur und betrifft die Anzahl der letztlich zu bearbeitenden Einheiten: Die Schnittmenge als Summe der den vier Korpora gemeinsamen Datensätze besteht aus 6303 Einträgen; um alle Dubletten reduziert, verbleiben schließlich 1132 nicht monosemierte Zähleinheiten (‘Wörter’), die hinsichtlich der weiter unten erläuterten Grundsätze untersucht werden. Damit bewegt sich der Umfang zum einen in einer Größenordnung, die im Rahmen dieser Arbeit noch zu bewältigen ist, zum anderen ist er m.E. ausreichend, um eine exemplari- Die Wortschatzanalyse 227 sehe Untersuchung durchführen zu können, die repräsentative Ergebnisse erwarten lässt. - Der zweite Grund betrifft die Korpora als solche: Zwei, nämlich die von Kosaras und Pfeffer, sind als Wörterbücher konzipiert und berücksichtigen demnach auch die Bedeutung(en) der jeweiligen Zähleinheiten. Erst damit ist die Grundlage geschaffen für weiterführende Analysen. Die beiden anderen sind zwar nicht bzw. kaum semantisiert, sie stellen jedoch in Form der Computerliste eigenständige Zusammenstellungen eines zentralen Bereichs der gesprochenen bzw. der geschriebenen Sprache dar und eignen sich insofern besonders gut für eine Kontrastierung. Auf grundsätzliche Aspekte des methodischen Vergleichens habe ich am Beginn des dritten Kapitels schon hingewiesen, dennoch stellt sich natürlich die Frage, ob die vier Korpora überhaupt in der von mir beabsichtigten Weise konfrontiert werden können, d.h., ob ein Vergleich, welcher nicht nur die Form-, sondern auch die Inhaltsseite berücksichtigt, überhaupt möglich ist. Genau genommen resultiert mein Vorgehen jedoch gerade aus den Schwächen des ‘formorientierten’ Verfahrens: So ist es mitunter nicht möglich, eindeutige Wortartenzuordnungen ohne den sprachlichen Kontext vorzunehmen; ein weiterer Punkt im Zusammenhang mit der mehr oder minder ausschließlichen Orientierung an Wortkörpern widerspricht geradezu dem Grundsatz der methodischen Transparenz. Er äußert sich nämlich in der simplen Tatsache, dass beispielsweise bei einer thematischen Zuordung von Wörtern, wie sie etwa Krohn (1992) bei seiner Schnittmengenanalyse vorgenommen hat, eben doch wenn auch mehr oder minder stillschweigend und intuitiv - Wortbedeutungen, Lesarten vorausgesetzt werden. Dies muss nicht unbedingt als Nachteil aufgefasst oder als Versäumnis kritisiert werden, im Gegenteil. Es erscheint durch die lange Tradition der Grundwortschatzforschung fast schon legitimiert, dennoch: Vergleicht man die Form Bank eines Korpus A mit der Form Bank eines Korpus B, so handelt es sich freilich wie unschwer zu erkennen ist um zwei den beiden Korpora gemeinsame Formen, die zugleich inhaltliche Gemeinsamkeiten suggerieren. Das allerdings scheint in vielen Fällen unbegründet: Wenn man die Zusammensetzung der betreffenden Korpora berücksichtigt, kann zwar theoretisch noch spekuliert werden, ob wohl die ‘Sitzgelegenheit’ oder das 228 Der zentrale Wortschatz des Deutschen ‘Geldinstitut’ den dominanten Bedeutungsfaktor der Form Bank darstellt; überspitzt formuliert könnte man sagen, dass die Aussage: ‘Bank ist Teil der Schnittmenge der beiden Korpora A und B’ schlicht falsch ist, wenn nämlich Bank in Korpus A mit der (Haupt-)Bedeutung ‘Sitzgelegenheit’, in Korpus B mit der (Haupt-)Bedeutung ‘Geldinstitut’ vorausbzw. angesetzt werden müsste. Umgekehrt könnte man auch formal unterschiedliche, mehr oder minder inhaltlich gleiche bzw. ähnliche Formen in die Schnittmenge(n) aufnehmen, also beispielsweise Sofa und Couch. Freilich würde dieses inhaltsorientierte Vorgehen den gesamten Schnittmengenansatz im Besonderen wie auch die Grundwortschatzforschung im Allgemeinen ad absurdum führen. Diese Überlegung soll lediglich einer vorschnellen Kritik an der von mir gewählten Vorgehensweise entgegenwirken. Greift man also das sprichwörtliche Bild nochmals auf, so hat es zwar den Anschein, als ob Äpfel mit Äpfeln verglichen werden, tatsächlich verschleiert dieses Vorgehen jedoch bis zu einem gewissen Grad, dass man de facto Äpfel mit Birnen, Birnen mit Bananen etc. vergleicht. Auch ein solcher Vergleich ist, wie weiter oben ausgeführt, sehr wohl möglich, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die tertia comparationis offen gelegt werden. Bei den bisherigen Verfahren ist das aber nicht oder nur sehr bedingt der Fall. Trotz seiner Schwächen ist Krohns Verfahren der Schnittmengenbildung letztlich schlüssiger als die meisten anderen Grundwortschatzvergleiche in der Vergangenheit. Das kleine Gedankenspiel sollte zeigen, dass er die letzte Konsequenz vermissen lässt, nämlich neben der Form des sprachlichen Zeichens auch dessen Inhalt miteinzubeziehen, um auf diesem Wege die eigentliche Vergleichsgrundlage zu schaffen. Neu ist also mein Versuch, Wortbedeutungen explizit zu berücksichtigen. Dies wird möglich durch die Auswahl der Grundwortschatz-Wörterbücher von Kosaras und Pfeffer: In einem ersten Schritt müssen die in diesen beiden Korpora verzeichneten Sememe hinsichtlich ihres Überschneidungsgrads untersucht werden. Erst auf der Grundlage dieser vergleichenden Bedeutungsanalyse folgt der zweite Schritt: Er gründet sich auf die (theoretische) Die Wortschatzanalyse 229 Annahme, dass sich die in den beiden sprechbzw. schreibsprachlichen Korpora (G, R) verzeichneten Wörter auf die ermittelten Einzelbedeutungen entsprechend verteilen lassen, dass sie also die gleiche Bedeutungsauffächerung vorweisen. Zunächst mag diese Arbeitshypothese vielleicht etwas gewagt erscheinen, ich gebe jedoch zu bedenken, dass bei jedem semasiologischen Ansatz der Weg von der Form zum Inhalt beschritten wird. So betrachtet weicht auch mein Ansatz nicht davon ab, wenngleich den Formen der Schnittmenge lediglich ein ausgewähltes und eingeschränktes Bedeutungsspektrum gegenübersteht: das von Pfeffer und Kosaras vorgegebene. Ich bin mir sehr wohl im Klaren darüber, dass ein nachträgliches Monosemieren der Lemmata von Ruoff und Rosengren, bei deren Erfassung die Bedeutung nicht oder nur in äußerst beschränktem Maße berücksichtigt wurde, keineswegs unproblematisch ist. Es mag gleichfalls sein, dass die bisherigen Forschungsansätze, die sich einseitig und nahezu ausschließlich an der Form orientierten, in eben diesem Punkt auch im wahrsten Sinne des Wortes eindeutiger gaben. Wenn bei einem Ansatz A zunächst mehr Fragen offen bleiben als bei einem Ansatz B, so muss dies nicht zwangsläufig eine Wertung implizieren, derzufolge mit Ansatz B auch bessere Ergebnisse zu erzielen seien, im Gegenteil: Dieser Umstand kann auch schlichtweg aus der Tatsache resultieren, dass Ansatz B eine Vielzahl von Fragen, die an und für sich zu stellen gewesen wären, gar nicht stellt oder verschleiert. All diese Überlegungen können selbstverständlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass empirisch ermittelte Korpora, welche von vornherein den Wortbedeutungen Rechnung getragen hätten, elegantere bzw. idealere Lösungen bieten würden einzige Schwachstelle: Es gab und gibt sie nicht! Man muss sich insofern mit einem Kompromiss begnügen, dessen Vorteile etwaige Nachteile allerdings aufwiegen. Entscheidend ist, dass die bislang stillschweigend vorausgesetzte Bedeutungsidentität von Wortkörpern durch die Angabe von in zwei Korpora vorgegebenen Sememen transparent gemacht wird: ‘Das Gespenst der Mehrdeutigkeit wird gewissermaßen materialisiert’. Erst diese Vorgaben eröffnen eine Fülle von Analyse- und Aufbereitungsmöglichkeiten, welche bloße Wortlisten in der Weise nicht zur 230 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Verfügung stellen. Jene, für eine praktische Anwendung der Wortlisten erforderlichen Arbeitsschritte wurden bislang gerne ausgeklammert bzw. an andere Disziplinen weitergereicht, beispielsweise an die Fremdsprachendidaktik. So liegt denn auch der Sinn der nachfolgenden Untersuchungen darin nachzuweisen, dass zwischen Wortschatz und Grammatik sowie zwischen dem Sprachmaterial als solchem und der Didaktik brückenbildende linguistische Analysen ebenso hilfreich wie nötig sind. Diese Wortschatzuntersuchungen erfolgen in zwei Etappen: einer Detailanalyse, die im nächsten Abschnitt beschrieben wird, und deren Ergebnisse in der nach Wortarten getrennten Untersuchungsschnittmenge (vgl. http: / / www.idsmannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) festgehalten sind, sowie einer von thematischen Schwerpunkten geleiteten Stichprobenanalyse, die im Anschluss daran vorgenommen wird. 3.4.1.2 Grundsätzliche Erläuterungen zur Vorgehensweise bei der Detail-Analyse der Untersuchungsschnittmenge Die Schwerpunkte der alle Zähleinheiten der Schnittmenge betreffenden linguistischen Analyse reichen von semantischen Fragestellungen über morphologische bis hin zu syntaktischen. Um welche es sich dabei im Einzelnen handelt, und wie sie als Untersuchungsinstrument konkret funktionieren, werde ich in einem detaillierten Protokoll meines Vorgehens nachfolgend aufzeigen. Es liegt nahe, vom Allgemeinen zum Besonderen voranzuschreiten. Ich beginne also mit jenen Analyseschritten, deren Durchführung unabhängig von der Wortartenzuweisung für die gesamte Untersuchungsschnittmenge relevant ist. Sie stellen bis zu einem gewissen Grad auch die Voraussetzung für die Bildung der wortartenspezifischen Teilmengen dar. Vor allem der besseren Übersichtlichkeit halber habe ich alle übrigen Auswertungsschritte erst in diesen Teilmengen durchgeführt. Die Zweiteilung in allgemeine und besondere Analysepunkte ist demzufolge weniger kategoriell begründet, sondern vielmehr vorgangsmethodisch aufzufassen. Neben der Frage, was in Bezug auf die Untersuchungschnittmenge bzw. die Teilmengen analysiert werden soll, stellt sich auch die Frage, wie die Ergebnisse letztendlich dargestellt werden sollen. Die für die Datenerfassung und -analyse ursprünglich gewählte Tabellenform ist hierfür nur bedingt tauglich Es muss also eine Lösung gefunden werden, mit deren Hilfe das analysierte Die Wortschatzanalyse 231 Material der Untersuchungsschnittmenge neu angeordnet und übersichtlich dargeboten werden kann. 3.4.1.3 Allgemeine Analyseschritte, die wortartenübergreifend in der gesamten Untersuchungsschnittmenge durchgeführt wurden Zwei Arbeitsschritte sind erforderlich, um die Bildung der Teilmengen in der beabsichtigten Weise überhaupt vornehmen zu können, die Bedeutungsanalyse 31 und die Wortartenbestimmung. Im ursprünglichen Zustand ist die Tabelle der Untersuchungsschnittmenge das Resultat einer simplen Addition der die Schnittmenge bildenden Datensätze. Diese müssen nach ihrer Zusammenführung um die Doubletten reduziert werden. Als Ausgangspunkt hierfür dienen die beiden semantisierten Korpora von Kosaras (K) und Pfeffer (p), die zunächst dahingehend überprüft werden, ob und inwieweit die jeweils verzeichneten Sememe übereinstimmen und sich zur Deckung bringen lassen. Gemäß der in Kap. 3.4.1.1 aufgestellten Hypothese werden alle auf diese Weise ermittelten Sememe auch von den entsprechenden Lemmata abgedeckt, die bei Ruoff (G) und Rosengren (R) verzeichnet sind. Die Funktion der zuletzt genannten Korpora liegt folglich in erster Linie darin, das Material von Pfeffer und Kosaras durch die Bildung einer Vierer-Schnittmenge zu reduzieren, wobei das besondere Augenmerk auf die gesprochene und geschriebene Sprache gerichtet wird. Für die weitere linguistische Auswertung spielen sie eine sehr untergeordnete Rolle, sieht man einmal von den Frequenzangaben ab. Die Schnittmengenbildung ist in diesem Falle also streng genommen nicht der eigentliche Zweck, sondern lediglich ein Mittel zum Zweck der Materialeingrenzung. Maßgebend für den Abgleich der Bedeutungen war es, die einzelnen Sememe von Pfeffer denen von Kosaras zuordnen zu können und vice versa. Folglich habe ich wechselweise für die Worterklärung von Kosaras einen adäquaten Beispielsatz von Pfeffer (aus)gesucht, bzw. einem Beispielsatz 33 Hier wäre streng genommen nochmals zu unterscheiden zwischen der lexikalischen Bedeutung, etwa von Substantiven, und der grammatischen, funktionalen ‘Bedeutung’ etwa von Konjunktionen. Im Folgenden habe ich beide Möglichkeiten unter dem Begriff der Bedeutung subsumiert. 232 Der zentrale Wortschatz des Deutschen von Pfeffer eine geeignete Paraphrase zur Seite gestellt. Wenn dies nicht möglich war, so blieb die nur bei Pfeffer oder Kosaras vorkommende Lesart als solche in der Schnittmenge vertreten, allerdings entweder ohne Beispielsatz oder ohne Worterklärung. Im Zuge der Anwendung dieses Verfahrens, das freilich einen gewissen Ermessensspielraum voraussetzt, wurden schließlich all jene Datensätze inklusive der korpusspezifischen Informationen zusammengeführt, die einem Semem zugewiesen werden konnten, und auf diese Weise gleichzeitig alle Doubletten beseitigt. Die so ermittelten bzw. zusammengefassten Sememe (Datensätze) der betreffenden (Stich-) Wörter in der Untersuchungsschnittmenge erhielten numerische Indices. Diese kennzeichnen lediglich die ‘Mehrdeutigkeit’, d.h., die Abfolge der Lesarten erfolgte in Anlehnung an Pfeffer bzw. Kosaras ohne die Reihenfolge nochmals genauer zu hinterfragen. Eine strikte Unterscheidung von hymonymen bzw. polysemen Wörtern wurde i.d.R. nicht durchgeführt, sondern nur in den Fällen, in denen Kosaras und Pfeffer dieselbe Entscheidung bei der Lemmatisierung getroffen haben. Für die Belange der in dieser Arbeit verfolgten Analyseschritte reicht dies aus. Die in Kap. 2.2 dieser Arbeit erörterten Schwierigkeiten hinsichtlich der Kriterien zur Bestimmung der Reihenfolge von Lesarten sowie zur Unterscheidung von Polysemie und Homonymie mögen mein rein analytisch ausgerichtetes Vorgehen außerdem rechtfertigen. Die Untersuchungsschnittmenge besteht nach diesem Arbeitsgang aus 2212 Sememen, die i.d.R. durch einen Beispielsatz und eine Worterklärung, zumindest aber durch eine der beiden Varianten in ihrer Bedeutung erfasst werden. Die entsprechenden Datensätze enthalten ferner Informationen der zu Grunde liegenden Quellkorpora, also beispielsweise Angaben über die jeweiligen Frequenzen. Auf dieser Basis werden die Sememe im nächsten Schritt einer Wortart zugeordnet. Die genaue Kenntnis der Bedeutung bzw. der Funktion gewährleistet auch in zahlreichen Zweifelsfällen eine relativ eindeutige Ermittlung der Wortarten. Für (theoretische) Wortarten-Definitionen werden gemeinhin vor allem morphologische und syntaktische, daneben auch semantische Faktoren herangezogen. Je nachdem, welche Schwerpunkte man im Rahmen der üblichen Mischklassifikationen setzt, kann es bei den traditionell oft als Stammbaum dargestellten Schemata im Einzelnen zu Abweichungen kommen (vgl. u.a. Die Wortschatzanalyse 233 Busse 1997; Stepanowa/ Helbig 2 1981, bes. S. 21ff.; Ivleva 1978; Römer 1989; Schaeder/ Knobloch (Hg.) 1992; Sommerfeldt 1993; Sommerfeld! / Starke 2 1992, bes. S. 38ff.; Spies 1988; Strauß 1989). Im Zuge meiner Analyse werde ich mich jedoch nicht weiter mit theoretischen Fragen der Definition von Wortarten auseinander setzen. Ich habe, und das gilt auch für die meisten der weiter unten erläuterten Analysepunkte, einen anderen Weg beschritten, nämlich den, ein geeignetes Hilfsmittel auszuwählen und die entsprechenden Klassifizierungen analog auf mein Korpus zu übertragen. In diesem Falle konnte ich auf der Grundlage des Großwörterbuchs Deutsch als Fremdsprache (Götz/ Haensch/ Wellmann (Hg.) 1993) den allermeisten Sememen eine Wortart zuweisen. Zur Klärung der verbliebenen Zweifelsfälle habe ich Dückert/ Kempcke (1986): Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten herangezogen sowie Helbig (1990): Lexikon deutscher Partikeln. Dieses v.a. an der praktischen Durchführbarkeit orientierte Vorgehen hat natürlich nicht zur Folge, dass auf diese Weise das entsprechende grammatische (Hintergrund-)Wissen vernachlässigt wird, im Gegenteil: Die oben angesprochenen Klassifizierungsgrundsätze für Wortarten, insbesondere die morphologischen und syntaktischen, spielen nach wie vor eine entscheidende Rolle. Und so sind zahlreiche Einzelentscheidungen ohne die Kenntnis der Terminologie und dessen, was sich dahinter verbirgt, später von Dritten, z.B. Deutschlemenden, mitunter nur schwer nachvollziehbar; stellvertretend seien Begriffe wie Flexion, Konjugation, Deklination, Komparation, Rektion, Satzglied und Wortbzw. Satzgliedstellung genannt. Aber auch das Wissen um komplexere Zusammenhänge des Satzbaus darf nicht vernachlässigt werden, will man etwa die syntaktisch unterschiedlichen Funktionen von Pronomina (es, sich) nachvollziehen, oder Adverbien, Partikeln und Konjunktionen, Artikel und Pronomina etc. auseinander halten. Es mag sein, dass sich die Gruppe der sog. Synsemantika bzw. Funktionswörter vor allem aus mehr oder minder geschlossenen Klassen zusammensetzt, deren Erhebung deshalb im Rahmen einer frequenziellen und/ oder pragmatischen Grundwortschatzauswahl sicherlich das kleinste Problem darstellt. Ein stichhaltiges Argument, sie aus diesem Grund auch bei der 234 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Analyse zu vernachlässigen, ist dies allerdings nicht: Die äußerst heterogene Klasse der Funktionswörter erschließt sich in ihrer Vielfältigkeit nämlich erst dann, wenn man sie einer genaueren Betrachtung unterzieht. Dies bedeutet nicht nur hinsichtlich einer Wortartenbestimmung, dass die Analyse der grammatischen Funktion eine entscheidende Rolle spielt; sie sollte ebenso wenig außer Acht gelassen werden wie die Analyse der lexikalischen Bedeutung v.a. bei Substantiven, Verben und Adjektiven. Der Abgleich der Untersuchungsschnittmenge mit den drei oben erwähnten Hilfsmitteln führte schließlich zu einem Ergebnis, das folgende Wortarten berücksichtigt. 34 WORTART VERTRETEN IN: Substantiv Teilmenge 1 Verb Teilmenge 2 Adjektiv Adverb Partikel Konjunktion Pronominaladverb Präposition + Genitiv/ Dativ/ Akkusativ Teilmenge 3 Pronomen Demonstrativpronomen Possessivpronomen Indefinitpronomen Relativpronomen reziprokes Pronomen Artikel Tab. 17: Wortartenbelegung in den Teilmengen der Untersuchungsschnittmenge Die in der beschriebenen Weise überarbeitete Untersuchungsschnittmenge kann jetzt in einzelne nach Wortarten getrennte Teilmengen überführt werden. Diese bilden dann die zentrale Grundlage der weiteren Untersuchungen. 34 Lemmatisierte Wortbildungselemente habe ich bei dieser Zusammenstellung nicht berücksichtigt. Sie werden eigens im Kapitel Wortbildung behandelt. Die Wortschatzanalyse 235 Wie aus der Tabelle bereits hervorgeht, habe ich zunächst eine dreifache Unterscheidung getroffen: Substantive, Verben und Sonstige. Die letzte Gruppe beinhaltet eine ganze Reihe verschiedener Wortarten. Die Entscheidung, diese (vorläufig) nicht weiter aufzuteilen, kann man zum einen damit begründen, dass es sich dabei insgesamt um eine relativ überschaubare Menge handelt; zum anderen kann nochmals illustriert werden, wie unterschiedlich die Lesarten einzelner Wörter dieser Menge gebraucht werden können. Der Zusammenhang zwischen einer Form und deren unterschiedlichen Funktionen sowie ggf. der damit einhergehenden, unterschiedlichen Wortartenzuweisung sollte auf dieser Ebene der Analyse noch erkennbar bleiben. Die Möglichkeit, später Einzelanalysen im Rahmen bestimmter Wortarten durchzuführen, bleibt in jedem Falle offen. 3.4.1.4 Besondere Analyseschritte, die wortartenspezifisch in den Teilmengen der Untersuchungsmenge durchgeführt wurden Die Ansätze für die weitere, in zwei größeren Schritten durchgeführte Untersuchung der gebildeten Teilmengen lassen sich mit folgenden Stichwörtern umschreiben: a) (Flexions-)Morphologie und Grammatik (im Wesentlichen beschränkt auf Verben und Substantive) b) Synonymie (und bis zu einem gewissen Grad Hyperonymie/ Hyponymie) c) Gegensatzrelationen d) Wortbildung - Wortbildungspotenzial - Motiviertheit e) Fremdspracheneinflüsse (Internationalismen) f) Relationale Aspekte Was die konkrete Analyse der Untersuchungsschnittmenge betrifft, habe ich mich für zwei verschiedene Vorgehensweisen entschieden: Angaben zur Morphologie und zur Grammatik sowie die Synonyme (in eingeschränkter Weise auch Hyperonyme) und Gegenwörter habe ich für jedes einzelne Semem ermittelt und in die Tabelle eingetragen. Diese Detailanalyse ist sinnvoll, wenn man sich vergegenwärtigt, dass derartige Informationen in einem nicht unerheblichen Ausmaß dazu beitragen, die jeweiligen Lesarten genauer 236 Der zentrale Wortschatz des Deutschen zu fassen. Daneben wird ersichtlich, wie Bedeutungsunterschiede mit grammatischen Unterschieden korrespondieren. Zu guter Letzt stellt diese Methode die Grundlage bereit für statistische Auswertungen, beispielsweise hinsichtlich der Verteilung der Genera bei den Substantiven. Bei den Punkten d) f) hingegen ist eine derartige Methode weniger zweckmäßig, da die zu erwartenden Ergebnisse den Arbeitsaufwand kaum rechtfertigen würden, wie einzelne Probeläufe ergaben. Hier bietet sich vielmehr eine andere Herangehensweise an, nämlich die, ausgewählte thematische Schwerpunkte zu setzen und diese (stichprobenartig) anhand der Teilmengen zu untersuchen. Die einzelnen Ergebnisse der Detailanalyse, also der Punkte a) c) sind in den wortartenspezifischen Teilmengen dokumentiert (vgl. http: / / www. ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html). Meine Vorgehensweise für ihr Zustandekommen erläutere ich im Folgenden: 3.4.1.4.1 Morphologie und Grammatik Die Angaben zur Morphologie und zur Grammatik wurden für die Schnittmengen der Verben und Substantive systematisch für jedes einzelne Semem bestimmt. Bei den Verben bot es sich an, diese durch Hinweise über das syntaktische Potenzial, d.h. durch Valenzangaben, zu ergänzen. Nähere Angaben zu Adjektiven erfolgten nur in Ausnahmefällen, beispielsweise im Zusammenhang mit Besonderheiten der Komparation oder bei eingeschränktem, z.B. nur attributivem Gebrauch im Satzzusammenhang. Allen Sememen in der Teilmenge der Verben (vgl. http: / / www. ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) wurden grammatische Informationen zur Morphologie bzw. zum syntaktischen Potenzial hinzugefügt, im Einzelnen: - Klassenzugehörigkeit, - Passivfähigkeit und - Valenz. Die Wortschatzanalyse 237 Die ersten beiden Punkte werden im Rahmen der Zeichenerklärung näher ausgeführt (s.u.), zum letztgenannten sind einige Vorbemerkungen zu machen: So musste die Verwendung zweier Valenzwörterbücher aufeinander abgestimmt und zugleich ein Rahmen geschaffen werden, der es ermöglicht, die Valenzangaben all jener Sememe zu ermitteln, welche diese Hilfsmittel nicht verzeichnen. Ich beginne mit einem Zitat, das belegt, weshalb die Wahl des Valenzansatzes speziell im Kontext meiner Untersuchungen sehr sinnvoll erscheint: Ausgangspunkt für unsere Untersuchungen war die Tatsache, daß selbst fortgeschrittenen Ausländern beim Gebrauch der deutschen Sprache zahlreiche Fehler in der Valenz und Distribution deutscher Verben unterlaufen, die mit den herkömmlichen Begriffen der Transitivität und Intransitivität von Verben nicht hinreichend beschrieben und ausgemerzt werden können (Helbig/ Schenkel s 1991, S. 11). Mit dem 1968 erstmals erschienenen ‘Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben’ wollten Helbig/ Schenkel ursprünglich einen „Regelmechanismus schaffen, der es erlaubt, ... richtige Sätze der deutschen Sprache zu bilden“ (ebd.). Damit kann man das Valenzwörterbuch bis zu einem gewissen Grad als didaktisch ausgerichtet bezeichnen. Wie es tatsächlich als Hilfsmittel im Fremdsprachenunterricht zu bewerten ist, wird noch zu sehen sein. Die beiden Autoren sprechen in ihrer Einführung u.a. drei Punkte an, die für die Beschreibung von Verbvalenzen von zentraler Bedeutung sind. Allem voran gilt es natürlich zu berücksichtigen, dass dem Verb im Rahmen der Valenztheorie 35 die zentrale Stellung innerhalb des Satzes zukommt: „Eine erste Voraussetzung der Beschreibung von Valenzbeziehungen ist die Annahme, daß das Verb als strukturelles Zentrum des Satzes begriffen wird“ (ebd., S. 24). Anders ausgedrückt: Der Satzbauplan wird maßgeblich vom Verb bestimmt. 35 Über die Geschichte und Entwicklung des Valenzbegriffs vgl. u.a. Helbig/ Schenkel ( 8 1991). Die Valenzbibliografie von Schumacher ( 2 1988) vermittelt darüber hinaus einen Eindruck über die rege Diskussion des Valenzansatzes, auf die hier freilich nur insoweit eingegangen werden kann, als dass einzelne Punkte angesprochen werden, deren Klärung für die Detailanalyse unmittelbar vonnöten ist. 238 Der zentrale Wortschatz des Deutschen „Die zweite und schwierigste Frage, die der Valenzbegriff impliziert, ist die, was alles als Sättigung des Verbs anzusehen ist, welche Glieder also als Mitspieler des Verbs anzusehen sind“ (Helbig/ Schenkel x 1991, S. 31). Auf den folgenden Seiten unterscheiden Helbig/ Schenkel zwischen freien Angaben, fakultativen und obligatorischen Ergänzungen. Damit verbunden ist eine doppelte Differenzierung: 1. eine primäre Differenzierung zwischen notwendigen und nichtnotwendigen Gliedern einerseits, von denen nur die ersten durch Valenz an das Verb gebunden sind, nicht die zweiten, die syntaktisch zahlenmäßig unbegrenzt sind und deshalb nahezu in jedem Satz beliebig weggelassen und hinzugefügt werden können; 2. eine sekundäre Differenzierung zwischen obligatorischen und fakultativen Mitspielern andererseits, die beide im Stellenplan des Verbs verankert, nach Zahl und Art bestimmt und beschränkt sind. Dabei ist die unter 1. genannte Differenzierung unabhängig vom Kontext und in der Tiefenstruktur angelegt, die unter 2. genannte ist vom Kontext abhängig und eine Oberflächenerscheinung (ebd., S. 39). Ausschlaggebend für die Valenzbeschreibung von Verben ist demnach die Berücksichtigung der fakultativen und obligatorischen Mitspieler, welche im Gegensatz zu den freien Angaben quantitativ und qualitativ festgelegt sind. Als äußerst problematisch hat sich allerdings die Bestimmung der fakultativen Valenz erwiesen: Fakultative Aktanten sind zwar weglassbar (wie die freien Angaben, im Gegensatz zu den obligatorischen Aktanten) und gehören demnach auch nicht zum grammatikalischen Minimum des Satzes; sie sind jedoch strukturell vom Verb abhängig (im Gegensatz zu den freien Angaben, gleichwie die obligatorischen Aktanten). Aus diesen Überlegungen folgern Helbig/ Schenkel: Da der Unterschied zwischen obligatorischer und fakultativer Valenz nicht in der Tiefenstruktur begründet liegt, kann auch das Kriterium für ihre Unterscheidung nicht aus der Tiefenstruktur gewonnen werden. Das Kriterium muß also eine Oberflächenprobe sein, bei der sich der Eliminierungstest als wichtigste Probe geradezu anbietet. Ein Glied ist ein obligatorischer Mitspieler, wenn es in der Oberflächenstruktur nicht eliminiert werden kann, ohne daß der Satz ungrammatisch wird; sonst ist es ein fakultativer Mitspieler oder eine freie Angabe ... Da umgekehrt der Unterschied zwischen obligatorischer bzw. fakultativer Valenz ... einerseits und freien Angaben ... andererseits in der Tiefenstruktur begründet liegt, muß das Kriterium für diese Unterscheidung aus der Tiefenstruktur stammen. Als solches Kriterium bietet sich die Zurück- Die Wortschatzanalyse 239 führung der freien Angaben auf entsprechende Sätze (meist Adverbialsätze) an, aus denen sie abgeleitet werden können (Helbig/ Schenkel 8 1991, S. 37). Demnach haben die Präpositionalgruppen in den Beispielsätzen Er aß sein Brot in der Schule und Er besuchte uns am Vormittag die Funktion von freien Angaben, was sich durch die erfolgreich durchgeführte Umformungsprobe beweisen lässt: Er aß sein Brot, als er in der Schule war. Er besuchte uns, als es Vormittag war. Im Falle einer fakultativen Ergänzungsbestimmung gelingt diese Probe nicht: Er wartete auf seinen Freund. - *Er wartete, als sein Freund da war (vgl. ebd., S. 34ff.). Daneben bieten Flelbig/ Schenkel noch eine weitere Variante der Umformungsprobe an, um ihre These zu untermauern, derzufolge freie Angaben auf tiefenstrukturell eigenständige Prädikationen bzw. Sätze zurückgeführt werden können: Die Kinder spielen hinter dem Hause. Die Kinder spielen. Das Spielen ist (= geschieht) hinter dem Hause (vgl. ebd., S. 38). Dem Adverbialsatz- und dem ‘Geschehens-Test’, mithin der ihnen zu Grunde gelegten Hypothese, ist in der Folge Kritik entgegengebracht worden (s.u.). Ihr Tenor, sie vermögen das eigentliche Grundproblem, die Unterscheidung zwischen fakultativen Ergänzungen und freien Angaben nicht wirklich zu lösen, lenkt das Augenmerk auf eine, wenn nicht die zentrale, bis heute leider nur unzureichend geklärte Frage der Valenzgrammatik. 36 Das dritte Hauptproblem, das sich für eine präzise Fassung des Valenzbegriffes ergibt, ist die Frage, welche Glieder der traditionellen Grammatik den Rang von syntaktisch notwendigen (= valenzgebundenen) Gliedern einnehmen (ebd., S. 40). Das folgende, hierarchisch strukturierte Schema ist das Ergebnis des Versuchs, die Begrifflichkeit der traditionellen Grammatik in Beziehung zu setzen zu den Anforderungen des Valenzmodells. Die Trennlinie zwischen valenzgebundenen und nicht valenzgebundenen Gliedern verläuft dabei zwischen den Gliedern ersten und zweiten Grades: 36 Weitere Proben und Lösungsversuche finden sich z.B. bei Helbig/ Schenkel ( 8 1991, S. 46ff.) und bei Tarvainen ( 2 2000, S. 26ff.). 240 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Strukturelles Zentrum des Satzes: Verb Glieder ersten Ranges: Subjekt Prädikativum 0 4 , O3, 0 2 , Op,; " (obligatorisch oder fakultativ) notwendige Adverbialbestimmung (im Stellenplan des Verbs verankert) Glieder zweiten Ranges: Attribute zu Gliedern ersten Ranges freier Dativ nicht notwendige Adverbialbestimmung Glieder dritten Ranges: Attribute zu Gliedern zweiten Ranges Glieder vierten Ranges: Attribute zu Gliedern dritten Ranges Tab. 18: Die Begrifflichkeit der traditionellen Grammatik hierarchisch strukturiert nach den Anforderungen des Valenzmodells (nach Helbig/ Schenkel 8 1991, S. 44f.) Die Valenzanalyse der Verben in der Untersuchungsschnittmenge konnte nicht ausschließlich auf der Grundlage des Valenzwörterbuchs von Helbig/ Schenkel durchgeführt werden, da in ihm eine ganze Reihe von Verben nicht beschrieben werden (s.u.). Daher unterbreche ich die Besprechung des zu Grunde gelegten Theoriemodells, um mich dem zweiten verwendeten Hilfsmittel zuzuwenden, dem ‘Kleinen Valenzlexikon deutscher Verben’ (Engel/ Schumacher 1976). Das Zurateziehen eines weiteren Hilfsmittels bleibt in diesem Falle allerdings nicht ohne Folgen: Der Valenzbegriff von Engel/ Schumacher weicht nämlich in einigen Punkten von dem Helbig/ Schenkels ab. Dies führt zwangsläufig zu Unterschieden bei der Beschreibung der Verben, was sich letztlich auch auf den Aufbau des ‘Kleinen Valenzlexikons’ auswirkt. Einige dieser Abweichungen haben Einfluss auf die Valenzbeschreibung in der Teilmenge genommen, weshalb ich die wesentlichen Unterschiede knapp zusammenfasse: Während Helbig/ Schenkel ( 8 1991) das Begriffspaar Valenz und Distribution für die Beschreibung der quantitativen und der qualitativen Valenz benöti- Die Wortschatzanalyse 241 gen, verwenden Engel/ Schumacher (1976) einen erweiterten Valenzbegriff, der sowohl quantitative wie auch qualitative Aspekte beinhaltet (vgl. ebd., S. 16). Neben dieser rein formalen Unterscheidung erweist sich auch bei Engel/ Schumacher die notwendige aber schwierige Unterscheidung zwischen freien Angaben und fakultativen Ergänzungen als nicht unproblematisch. Ausgangspunkt ihrer Argumentation ist der Beispielsatz Die ganze Geschichte erfahren wir wahrscheinlich heute. Es ist offenkundig, daß die vier Satzglieder in teilweise ganz unterschiedlichen Bedeutungsbeziehungen zum Verb erfahren stehen. Aber Dependenzrelationen sind grundsätzlich als Vorkommensrelationen, Zuordnungsrelationen festgelegt; sie sind damit nicht notwendig semantische Relationen. Da alle vier Elemente mit Verben wie erfahren kombinierbar sind, ist es legitim (wenngleich nicht unumgänglich), erfahren als Regens und die vier Elemente als Dependentien des Verbs, mithin als Satzglieder, aufzufassen. Können so, wenigstens auf der hier gewählten Beschreibungsebene, semantisch unterschiedliche Relationen nicht berücksichtigt werden, so muß doch ein anderer Unterschied beachtet werden: Zwei der Satzglieder (die beiden ersten) sind valenzbedingt, die anderen beiden (die existimatorische Bestimmung wahrscheinlich und die Zeitbestimmung heute) hingegen sind nur durch allgemeine Rektion vom Verb abhängig. Auf diese Weise unterscheiden wir Ergänzungen und Angaben: Ergänzungen sind Glieder, die valenzbedingt vom Verb abhängen, die somit nur mit einem Teil der Wortklasse kombinierbar sind; Angaben 37 hingegen sind mit beliebigen Verben kombinierbar (ebd., S. 19). Engel/ Schumacher gestehen allerdings ein: Mit diesen Definitionen ist der Streit um die Abgrenzung zwischen Ergänzungen und Angaben freilich höchstens auf einer sehr abstrakten Ebene entschieden; in der Praxis bleiben noch viele Schwierigkeiten bestehen (ebd., S. 19f.). Das von Helbig/ Schenkel entwickelte Unterscheidungsverfahren lehnen sie jedoch ab, „weil viele Angaben übrigens auch ein Teil der von Helbig angeführten überhaupt nicht in Satzform möglich sind“ (ebd., S. 20). Sie gelangen also zu der Auffassung: „Das hier vorgeschlagene Verfahren, das 37 Dabei ist Valenz in der Terminologie von Engel/ Schumacher (1976): „... die Rektion von Teilen von Wortklassen“ (ebd., S. 15). 242 Der zentrale Wortschatz des Deutschen in erster Linie auf Zuordnungsmöglichkeiten beruht, ist jedenfalls im Rahmen der sprachlichen Kompetenz überprüfbar. So bleibt für die Zweiteilung der Satzglieder nur das oben geschilderte Kriterium der Art der Abhängigkeit“ (Engel/ Schumacher 1976, S. 20). Eine Antwort auf die Frage, wie dies durch operationale Verfahren, d.h. durch Proben o.Ä. ermittelt werden könnte, bleiben Engel/ Schumacher allerdings schuldig. Die Abgrenzung von Satzmustern (valenzbedingte Kombinationen von Ergänzungen eines Verbs, vgl. ebd., S. 27) und Satzbauplänen (differenzierte Satzmuster mit eigens gekennzeichneten fakultativen Elementen, vgl. ebd., S. 29) machen es für Engel/ Schumacher aber nötig, nochmals genauer auf die „in der Forschung vieldiskutierte Unterscheidung zwischen obligatorischen und fakultativen Ergänzungen“ (ebd., S. 27) einzugehen: Dabei muß eine begriffliche Präzisierung vorgenommen werden: ‘obligatorisch’ darf nicht einfach gleich ‘notwendig’, ‘fakultativ’ nicht einfach gleich ‘weglaßbar’ gesetzt werden. Man hat hier streng den kommunikativen vom (im engeren Sinne) grammatischen Bereich zu scheiden ... Wir sprechen von notwendigen bzw. weglaßbaren Elementen nur noch in diesem kommunikativen Sinne. Elemente, die auf Grund grammatischer Regeln unabdingbar sind, nennen wir obligatorisch; ihre Elimination ergibt grammatisch unkorrekte (wenngleich eventuell kommunikativ brauchbare Sätze ... Elemente, die auf Grund grammatischer Regeln nicht aktualisiert zu werden brauchen, deren Fehlen also die Grammatizität des Satzes nicht berührt, nennen wir fakultativ. Fakultativ sind in Abhängigkeit vom regierenden Verb viele Ergänzungen, außerdem alle Angaben (ebd., S. 28f.). Mögen die begrifflichen Differenzierungen auch notwendig sein, auf die Praxis haben sie wenig Einfluss; die theoretische Basis von Helbig/ Schenkel wird in den Grundzügen bestätigt: Es tritt lediglich das Kriterium der Zuordnung bzw. Kombinierbarkeit an die Stelle von Helbig/ Schenkels umstrittener Umformungsprobe. Führt Helbig/ Schenkels Probe nicht in allen Fällen zu einem befriedigenden Ergebnis, so ist das Kriterium von Engel/ Schumacher mitunter schwer nachvollziehbar, da es nicht operationalisiert werden kann. Eine Unterscheidung von freien Angaben, fakultativen und obligatorischen Ergänzungen ist in dem von mir gesteckten Rahmen jedoch nur angemessen durchzuführen, wenn ein Test bzw. eine ‘Testreihe’ angewendet werden kann: so wird über die ausschließliche Kompetenz bzw. Intuition des Mut- Die Wortschatzanalyse 243 tersprachlers hinaus ein gewisses Maß an Transparenz gegenüber Dritten gewährleistet. Ich habe mich daher trotz aller Bedenken in den von mir selbst zu bestimmenden Zweifelsfällen in der Teilmenge der Verben an den ‘Geschehens-’ bzw. den Adverbialsatztest gehalten (s.u.). Auch der erste und dritte von Helbig/ Schenkel eingebrachte Hauptpunkt (s.o) ist im Hinblick auf das ‘Kleine Valenzlexikon’ von Engel/ Schumacher kurz zu thematisieren. Ohne praktische Auswirkungen ist zunächst die Diskussion der Frage, inwieweit Dependenzgrammatik und Verbgrammatik bzw. Konstituentengrammatik und Subjket-Prädikat-Grammatik gleichgesetzt bzw. beide Typen gegeneinander abgegrenzt werden können; „Eine Grammatik mit dependenziellem Konnexionsteil ... ordnet ihre Kategorien nach Abhängigkeitsrelationen. Dabei bleibt zunächst völlig offen, was zentral und was peripher, was regierend und was abhängig ist“ (Engel/ Schumacher 1976, S.17). „Verbgrammatik ist eine Grammatik, die in ihrem Konnexionsteil dem Verb eine besondere (zentrale, regierende oder wie immer man will) Rolle zuweist; eine solche Grammatik liegt dem Valenzlexikon zugrunde“ (ebd., S. 18). In diesem Punkt also stimmen Helbig/ Schenkel und Engel/ Schumacher weitestgehend überein. Gewisse Probleme bereitet hingegen Engel/ Schumachers Klassifikation der Ergänzungen, welche ganz erheblich von der Helbig/ Schenkels abweicht: Ausschlaggebend ist zunächst das Paradigma: „Als Paradigma hat die Klasse der Elemente zu gelten, die im selben Kontext austauschbar sind ... Der Kontext ist dabei kategorial bestimmt“ (ebd., S. 21). Dieses Verfahren zur Ermittlung von Satzgliedern ist nun keineswegs neu, führt jedoch bei Engel/ Schumacher zu neun Ergänzungstypen, die mit denen von Helbig/ Schenkel nicht völlig deckungsgleich sind. Es handelt sich dabei um: Nominativ-, Akkusativ-, Genitiv-, Dativ-, Präpositional-, Situativ-, Direktiv-, Einordnungs-, Artergänzung und Ergänzungssatz, in der Typologie E 0 - E 9 . Nicht die Form der Ergänzung gibt also den Ausschlag, sondern die Funktion des Ersatzelements (vgl. ebd.. S. 21ff., bes. S. 24). Helbig/ Schenkel hingegen leiten ihre Ergänzungskategorien weitgehend von der Terminologie der traditionellen Satzgliedlehre ab und benennen sie nach formalen Kriterien wie Wortart, Kasusmarkierung u.Ä. (vgl. Helbig/ Schenkel 8 1991, S. 40ff„ s.o.). 244 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Die Abweichungen bzw. Unterschiede bei der Klassifikation der Ergänzungen habe ich in einer Tabelle gegenübergestellt: Helbig/ Schenkel ( 8 1991) Engel/ Schumacher (1976) pS (Präposition + Substantiv) - Präpositionalergänzung (Anapher: da{r) oder Personalpronomen mit nicht austauschbarer Präposition) - Situativergänzung (Anapher: meist da, dann) - Direktivergänzung (Anapher: hin, dahin, von dort, dorther) Sn Einordnungsergänzung (Anapher: es, so) Sa/ Adj Artergänzung (Anapher: es, so) I (Infinitiv ohne zu, wobei die nominalen Elemente dem finiten Verb zugeordnet werden! ) Ergänzungssatz (Anapher: (ei) geschehen/ dass es geschieht) Tab. 19: Gegenüberstellung der Ergänzungsklassifikation bei Helbig/ Schenkel ( 8 1991) und Engel/ Schumacher (1976) Diese tabellarische Gegenüberstellung ist noch zu ergänzen durch den Hinweis, dass Engel/ Schumacher im Gegensatz zu Helbig/ Schenkel auf der ersten Beschreibungsebene auch Pertinenzelemente verzeichnen sowie fakultative und obligatorische Korrelate im Zusammenhang mit satzwertig realisierten Ergänzungen, doch dazu weiter unten. Auch die anderen, bislang angesprochenen konzeptionellen Unterschiede der beiden Valenzwörterbücher habe ich nochmals tabellarisch zusammengefasst: Die Wortschatzanalyse 245 Helbig/ Schenkel ( 8 1991) Engel/ Schumacher (1976) Auswahlkriterien des VerbWortschatzes schwierigste und gebräuchlichste Verben Zertifikatswortschatz Festlegung der Valenz/ Problem der fakultativen Valenz vs. freie Angaben Weglassprobe Adverbialsatztest Weglassprobe Kommutation Bezeichnung der Aktanten formal funktional i.w.S. Einbeziehung von Pertinenzelementen und fakultativen bzw. obligatorischen Korrelaten bei satzwertig realisierten Ergänzungen nein, bzw. erst auf der dritten Beschreibungsebene ja Tab. 20: Konzeptionelle Unterschiede der ValenzWörterbücher von Helbig/ Schenkel ( 8 1991) und Engel/ Schumacher (1976) Gemeinsam ist beiden Valenzwörterbüchem hingegen, dass sie ein Beschreibungsmodell anbieten wollen, das in jeder Hinsicht genauer ist als die Unterscheidung transitiv vs. intransitiv, womit ich wieder am Beginn dieser Ausführungen angelangt wäre. Denn auch Engel/ Schumacher (1976) betonen: Daher ist es ein wichtiges Ziel von Valenzwörterbüchern, gerade im Unterrichtsfach Deutsch als Fremdsprache als Hilfsmittel zu dienen, um die Bildung von morphostrukturell korrekten Sätzen zu gewährleisten (S. 9). Das war auch der entscheidende Aspekt, weshalb ich mich trotz der skizzierten Schwierigkeiten und unterschiedlichen Auffassungen für eine Valenzanalyse der Verb-Teilmenge entschieden habe. Die Wortart Verb stellt in besonderem Maße eine Schnittstelle von Lexik, Semantik und Grammatik dar; dies muss man sich bewusst machen, und dies muss speziell für einen didaktisch orientierten Grundwortschatz berücksichtigt werden. Man bedenke nur das Zusammenspiel von Lexik und Gramma- 246 Der zentrale Wortschatz des Deutschen tik in der Stoffprogression, die Notwendigkeit eine Fremdsprache in Phrasen, d.h. in gebundener Rede, zu erlernen: Der Wortschatz kann so ja nur verwendet werden, wenn die korrespondierende Grammatik bereits ‘gekonnt' wird“ (Zillig 2000, S. 97f.). Der richtige Gebrauch von Verben ist also an die Kenntniss der subklassenspezifischen Ergänzungsstrukturen, der möglichen Satzbaupläne gebunden und zugleich mit einen bestimmten Vorrat an nominalem Wortschatz verbunden. Das Sprachmaterial zum Füllen der Ergänzungsklassen, also insbesondere die entsprechenden Nomina, sollten demnach idealerweise von einem Grundwortschatz bereitgestellt werden, was wiederum bedeutet, dass Kollokationen i.w.S. bereits bei der Grundwortschatzauswahl nicht unberücksichtigt bleiben dürften, also dem semantischen Aspekt in weit stärkerem Ausmaß Rechnung zu tragen ist als dies bislang der Fall war. In einem sehr wesentlichen Punkt kann die Verbindung eines sprachdidaktischen Ansatzes mit dem Valenzkonzept jedoch zu Schwierigkeiten führen: Hält man sich die Beschreibungskonventionen vor Augen, so darf man wohl anzweifeln, dass diese für linguistisch unvorbelastete Lernende wirklich nachvollziehbar sind. 38 Von daher betrachte ich die Valenzanalyse eher als brückenbildendes Element zwischen Sprachwissenschaft und angewandtem Sprachunterricht, das Valenzwörterbuch entsprechend als Hilfsmittel, welches der Aufbereitung durch Lehrende oder Lehrbuchautoren bzw. -autorinnen bedarf. Aus dem bisher Gesagten ergeben sich folgende Konsequenzen: - Die Valenzanalyse ist eine notwendige und adäquate Möglichkeit für die Analyse der verbalen Teilmenge. - Es ist jedoch unumgänglich, Richtlinien zu erarbeiten, die es erlauben, die beiden Valenzlexika parallel und ergänzend einzusetzen. - Zudem muss eine Antwort auf die Frage gefunden werden, wie all jene Sememe angemessen beschrieben werden können, die nicht in den Valenzlexika verzeichnet sind. 38 In diesem Zusammenhang ist auf einen Vorschlag Schumachers (1995) hinzuweisen, der die Möglichkeiten verbesserter Benutzerfreundlichkeit v.a. im Rahmen der kontrastiven Valenzlexikografie erörtert. Die Wortschatzanalyse 247 Für den Valenz-Abgleich der Verbteilmenge ist eine Vorgehensweise zu entwickeln, die sich von praktischer Seite her effizient umsetzen lässt. Die erste Voraussetzung für diese Untersuchung ist, nicht vom ‘Wort’, sondern von dessen Bedeutungen, von den Sememen auszugehen. In den meisten Fällen besitzen die verschiedenen Lesarten eines Verbs auch verschiedene Valenzen: Das führt wiederum zu jeweils unterschiedlichen Satzbauplänen, was natürlich besonders für Fremdsprachenlehrende und -lernende sehr wichtig ist, wenn es um die Erarbeitung produzierender Sprachfähigkeiten geht (vgl. auch Järventausta 1994). Wechselt man nun die Perspektive und setzt den Schwerpunkt nicht auf den produktiven, sondern den rezeptiven Aspekt des Sprachenlernens, so erhält man durch die Valenzuntersuchung ein Instrument, mit dessen Hilfe eine kritische Position gegenüber Beispielsätzen begründet werden kann: Vor allem bei Pfeffers ‘Dictionary’ kann die Bedeutungsanalyse vom Deutschen ausgehend nicht immer nachvollzogen werden. Hinzu kommt, dass viele Beispiele überhaupt nicht dazu dienen, den Satzbauplan zu illustrieren. Hieraus lässt sich wiederum ableiten, dass auf der Grundlage der Valenzanalyse die Möglichkeit geboten wird, grammatisch (und kollokativ) ideal-typische Sätze für den Unterricht bzw. für Unterrichtsmaterialien zu bilden. Als maßgeblich für den eigentlichen Valenzabgleich habe ich nun das Wörterbuch von Helbig/ Schenkel ( 8 1991) betrachtet. Die darin verwendeten Konventionen für die Angabe der quantitativen und qualitativen Valenz habe ich im Wesentlichen übernommenDamit treten wie oben beschrieben die formalen Aspekte bei der Klassifikation der einzelnen Aktanten in den Vordergrund. Das ‘Kleine Valenzlexikon’ von Engel/ Schumacher (1976) wurde ergänzend in all jenen Fällen zu Rate gezogen, die entweder bei Helbig/ Schenkel ( 8 1991) fehlten, oder bei denen erhebliche Unterschiede zwischen der Valenzangabe im Wörterbuch von Helbig/ Schenkel und einem Beispielsatz bzw. eine Worterklärung bei Pfeffer (p) oder Kosaras (K) auftraten. Dabei Vgl. dazu die Benutzerhinweise und das Abkürzungsverzeichnis in Helbig/ Schenkel (ebd., S. 97ff.). Die meisten der von mir übernommenen Abkürzungen und Schreibkonventionen sind relativ einfach erschließbar, so wird die obligatorische Valenz ohne, die fakultative Valenz in runden Klammem angegeben, Sn, Sg = Substantiv im Nominativ, Genitiv etc. 248 Der zentrale Wortschatz des Deutschen habe ich versucht, die abweichende Typologie von Engel/ Schumacher (s.o.) durch die von Helbig/ Schenkel verwendete zu ersetzen, um ein einheitliches Gesamtbild zu gewährleisten. Die Valenzangaben von Helbig/ Schenkel wurden in einem Punkt ergänzt: Auf den ersten beiden Beschreibungsebenen fehlt nämlich die Angabe von sog. Nebensatzkorrelaten im Hauptsatz bei satzwertiger Realisierung einer Ergänzung (vgl. allgemein hierzu: Helbig/ Buscha s 1984, S. 266 und S. 396ff.; Dalmas 1996; Sonnenberg 1992). Entsprechende Pronominaladverbien 40 (oder es) werden erst auf der dritten Beschreibungsebene im Rahmen von Beispielsätzen nachgereicht. Es ist m.E. allerdings vorteilhafter, zumindest die obligatorischen Nebensatzkorrelate bereits in der Strukturformel zu vermerken, wie Engel/ Schumacher dies handhaben: So lässt sich die Grammatikalität entsprechend abgeleiteter Mustersätze gewährleisten. Die Valenzanalyse der Teilmenge konnte ich mit diesen Vorgaben ohne größere Probleme durchführen, da die Mehrheit der Sememe durch die Wörterbücher von Helbig/ Schenkel und/ oder von Engel/ Schumacher abgedeckt wird. Dieser Umstand ist zunächst nicht weiter verwunderlich, hält man sich nochmals die Auswahlkriterien vor Augen: Helbig/ Schenkel hatten die schwierigsten und gebräuchlichsten Verben bearbeitet (vgl. 8 1991, S. 66f.), Engel/ Schumacher die Verben des ‘Zertifikats’-Wortschatzes (vgl. 1976, S. 10). Im Verlauf des Abgleichs stellte sich überraschenderweise heraus, dass eine ganze Reihe von Lesarten der Untersuchungs-Teilmenge in keinem dieser Hilfsmittel aufgeführt ist. All die Fälle habe ich unter Zuhilfenahme des Großwörterbuchs Deutsch als Fremdsprache (Götz/ Haensch/ Wellmann (Hg.) 1993) bearbeitet. Die dort jeweils angegebenen Strukturformeln in Verbindung mit den weiter oben angeführten Tests stellen im Kontext des skizzierten Valenzansatzes die Grundlage für die Ermittlung der betreffenden Valenzen sowie für deren 40 In Sätzen wie Ich erinnerte ihn daran, dass er das Rad mitbringen wollte, könnte der Nebensatz zwar auch als Attribut des Pronominaladverbs aufgefasst werden, das dann die Funktion einer Präpositionalergänzung hätte und gerade nicht als Korrelat des Nebensatzes zu bestimmen wäre. Diese Interpretation kann man jedoch vernachlässigen, wenn man die prinzipielle Möglichkeit in den Vordergrund rückt und beispielhaft aufzeigen will, dass solche Konstruktionen mit Pronominaladverb und angeschlossenem Nebensatz (reihenhaft bei Verben mit Präpositionalergänzung) überhaupt gebildet werden können. Die Wortschatzanalyse 249 Beschreibung mittels der von Helbig/ Schenkel vorgegebenen Konventionen dar. Um einen Eindruck von den Verhältnissen beim Valenzabgleich zu vermitteln, habe ich alle Schnittmengenverben zusammengestellt, durch j(a) oder n(ein) gekennzeichnet, ob sie in Helbig/ Schenkel ( 8 1991) =A oder Engel/ Schumacher (1976) =B Vorkommen und dies mit Sum in der letzten Spalte beziffert: 41 WORT in A in B Sum ablegen achten annehmen anziehen auffallen aufgeben aufheben auflösen aufstellen ausdrücken ausgehen aussehen bauen bedienen beginnen behalten behaupten belegen berühren besetzen bestehen bestimmen beurteilen bezahlen bieten bleiben brechen darstellen denken drehen durchführen n n n n j jn j jn n j j j n j j jn j jn n n n j j j j j j jn j j jn j j j jn j jn WORT in A in B Sum abnehmen ändern ansehen arbeiten aufführen aufhalten aufhören aufnehmen ausbilden ausführen ausmachen aussprechen bedeuten begegnen begreifen behandeln bekommen j beobachten r beschäftigen j besitzen bestellen besuchen bewegen beziehen binden brauchen bringen dauern dienen drücken dürfen J j 1 jn n n n jn n n jn n Jn n j jn n j Die Bedeutung der Verben habe ich bei dieser Übersicht nicht berücksichtigt, was freilich nur zu einer ungefähren Widerspiegelung der Verhältnisse führt. Diese genügt jedoch, um anzudeuten, welches Hilfsmittel für die Valenzbestimmung eines bestimmten Verbs in besonderem Maße ausschlaggebend war, und welches ggf. hinzugezogen werden konnte. 250 Der einfallen n n einladen j j einsetzen j n eintreten j n entlassen n j entwickeln j j erhalten j n erkennen j j erlauben j j erreichen j j erwähnen n n erzählen j j essen j j fallen j j fehlen j j fernsehen n j festlegen n n finden j j folgen j j freuen j j führen j j geben j j gehen j j gelingen j j geraten n n gewinnen j j glauben j j haben j j handeln n j heben n j helfen j j hoffen j j hören j j kämpfen j n kennen j j klagen j n können j n kümmern n j laufen j j legen j j leisten n n lernen j j liefern n j loben j j machen j j meinen j j merken j j mitbringen j n müssen j n nennen j j passen j j Wortschatz des Deutschen einführen j einrichten n einstellen n entdecken j entstehen j erfahren j erinnern j erklären j erleben j ersetzen n erwarten j erzeugen j fahren j fassen n feiern j festhalten n feststellen j fliegen j fragen j fühlen n füllen n gefallen j gehören j gelten n geschehen n gewöhnen j gründen j halten j hängen j heißen j herstellen j holen j interessieren j kaufen j kennen lernen n kommen j kosten j lassen j leben j leiden n leiten j lesen j liegen j lohnen n malen n melden n messen j mögen n nehmen j organisieren n passieren n zentrale 0 2 1 1 1 2 1 2 2 2 0 2 2 2 2 1 0 2 2 2 2 2 2 2 0 2 2 2 1 1 2 2 2 1 2 1 1 1 2 2 0 2 1 2 2 2 2 1 1 2 2 Die Wortschatzanalyse 251 versorgen verstehen verwenden vorstellen wagen warten weitergehen werden wiederholen wissen n jn n n jn j j pflegen rechnen reichen reißen richten rufen sammeln schaffen scheinen schieben schlagen schreiben sehen setzen sitzen sorgen spielen springen stammen stehen steigern sterben stören suchen tragen treiben trinken üben übertragen unternehmen unterstützen veranstalten verbieten verdienen vergeben vergessen verkaufen verlassen verlieren vermuten verschwinden n n J jn n n J jn n n n j jn j j j j jn n jn j j jn j j j prüfen reden reisen retten rücken sagen schaden schätzen schicken schießen schließen schützen sein singen sollen J j j jn jn n j j j jn n j j jn n n jn j j j j j j j sparen sprechen spüren stattfmden steigen stellen stimmen studieren teilen treffen treten tun überlegen unterhalten unterscheiden j untersuchen j verbessern r verbinden verfolgen vergehen verhalten verlangen verlaufen vermögen verraten versetzen versprechen versuchen Vorkommen wachsen wählen wechseln wenden werfen wirken wohnen j j j jn j jn jn j j j jn j jn j j j j j j j j j j jn j j jn n j jn n n n j jn j j j j jn j 252 Der zentrale Wortschatz des Deutschen wollen zahlen zeichnen zerstören zugeben zwingen n n 0 n j 1 n j 1 n n 0 j n 1 j n 1 wünschen zählen zeigen ziehen zunehmen j j 2 n j 1 j j 2 n j 1 n n 0 Tab. 21: Die Verben der Untersuchungsschnittmenge und ihr Vorkommen in den ValenzWörterbüchern von Helbig/ Schenkel ( 8 1991) und Engel/ Schumacher (1976) Im Gegensatz zur Valenzanalyse gestaltete sich die Untersuchung der (morphologischen) Klassenzugehörigkeit und der Passivfähigkeit der Verben weit weniger schwierig, da die Vorgaben eindeutiger sind. Die Ermittlung klassenbildender Merkmale, wie etwa die Unterscheidung zwischen stark und schwach konjugierten Verben sowie deren Passiv-Fähigkeit, erfolgte mit Hilfe des Großwörterbuchs Deutsch als Fremdsprache (Götz/ Haensch/ Wellmann (Hg.) 1993), des Kleinen Valenzlexikons deutscher Verben (Engel/ Schumacher 1976, bes. S. 90ff. und S. 115ff.) und unter Berücksichtigung der einschlägigen Regeln zur Passivbildung (vgl. etwa Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, §§ 307ff.). Die Spalte Morphologie und Grammatik der Verbteilmenge enthält Informationen aus drei Bereichen in dieser Reihenfolge: a) Angaben zur Konjugation, Formenbildung, Klassenzugehörigkeit. Den größten Teil der Teilmenge bilden die Vollverben. Sie werden unterschieden in: st.V.: starkes Verb (Hauptvertreter sind solche mit StammvokalWechsel, also Ablaut im Tempusparadigma. Unter die für die Analyse der Teilmenge zugegebenermaßen etwas unglücklich gewählte Bezeichnung fallen aber auch alle weiteren Verben, deren Konjugation unregelmäßig erfolgt, z.B. mögen mochte als Vollverb: Ich mag Kuchen). sw.V.: schwaches Verb (regelmäßig konjugiert mit charakteristischer -/ -Erweiterung im Präteritum und Bildung des Partizip II mit [ge- +] -(<? )/ • Die Wortschatzanalyse 253 Im Anschluss an die Klassenzugehörigkeit wird angegeben, ob ein Verb reflexiv gebraucht werden kann bzw. muss und nachfolgend in Klammern, ob die analytisch gebildeten Tempusformen Perfekt und Plusquamperfekt mit einer Form von haben oder sein gebildet werden. Bei den Hilfsverben i.w.S. wird unterschieden zwischen: - (temp.)HV: (temporales) Hilfsverb {haben, sein, werden) - MV: Modalverb (z.B. dürfen) - ModV: Modalitätsverb ( z.B. scheinen + [zu + Inf.]) b) Nach einem Bindestrich folgen die Angaben zur quantitativen und qualitativen Valenz gemäß der oben beschriebenen Richtlinien. c) Abgesetzt durch einen weiteren Bindestrich wird die Passivfähigkeit des Verbs verzeichnet: - P: ohne Einschränkung passivfähig, - (P): eingeschränkt passivfähig (wenn z.B. nur die Bildung eines unpersönliches Passivs möglich ist), - A: keine Passivbildung möglich. Die Angaben zur Morphologie und Grammatik in der Substantiv-Teilmenge (vgl. http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch. html) folgen im Wesentlichen den Konventionen des Großwörterbuchs Deutsch als Fremdsprache (Götz/ Haensch/ Wellmann (Hg.) 1993): An erster Stelle wird das Genus durch den entsprechenden bestimmten Artikel im Maskulinum, Femininum oder Neutrum bezeichnet. Darauf folgt die Angabe der klassenbildenden Stammformen des Deklinationparadigmas, also Singular, Genitiv und Plural, Nominativ; Ausnahmen, die auch als solche verzeichnet werden (s.u.), bilden selbstredend Fälle, in denen beispielsweise nur eine Singular- oder nur eine Pluralform des entsprechenden Semems existiert, z.B. Apparat (i.S.v. ‘Menschen und Hilfsmittel einer größeren Aufgabe': Staatsapparat) oder Verhältnisse (i.S.v. ‘soziale Lage, Lebensbedingungen': gesellschaftliche Verhältnisse). Durch die Kombination von Genusinformation und klassenbildender Merkmale lässt sich das betreffende Semem schließlich in eine Deklinationstypologie einordnen. 254 Der zentrale Wortschatz des Deutschen In der Duden-Grammatik werden zehn typische Deklinationsmuster unterschieden: „Davon sind die ... Typen I, II und IX die wichtigsten, weil auf sie rd. 90% der Substantive entfallen“ (Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, § 380): Deklinationstyp I Sg.l/ Pl.l (stark) Maskulinum Neutrum Sg- Nom. Gen. Dat. Akk. der Tag / des Tag-[e]s / dem Tag[-e] / den Tag/ Gast Gast-[e]s Gastf-e] Gast das Jahr / des Jahr-[e]s / dem Jahr[-e] / das Jahr/ Floß Floß-[e]s Floß[-e] Floß PI. Nom. Gen. Dat. Akk. die Tag-e / der Tag-e / den Tag-en / die Tag-e / Gäst-e Gäst-e Gäst-en Gäst-e die Jahr-e / der Jahr-e / den Jahr-en / die Jahr-e / Flöß-e Flöß-e Flöß-en Flöß-e Deklinationstyp II Sg. 1/ PI.2 (stark) Maskulinum Neutrum Sg- Nom. Gen. Dat. Akk. der Apfel / des Apfel-s / dem Apfel / den Apfel / Bohrer Bohrer-s Bohrer Bohrer das Segel / des Segel-s / dem Segel / das Segel / Kloster Kloster-s Kloster Kloster PI. Nom. Gen. Dat. Akk. die Äpfel-0 / der Äpfel / den Äpfel-n / die Äpfel / B obrer-0 Bohrer Bohrer-n Bohrer die Segel-0 / der Segel / den Segel-n / die Segel / Klöster-0 Klöster Klöster-n Klöster Die Wortschatzanalyse 255 Deklinationstyp III Sg.l/ P1.3 (gemischt) Mask. Neutr. Deklinationstyp IV Sg.l/ P1.4 (stark) Mask. Neutrum Sg- Nom. Gen. Dat. Akk. der Staat des Staat-[e]s dem Staat-[e] den Staat das Auge des Auge-s dem Auge das Auge der Wald des Wald-|e]s dem Wald den Wald das Bild des Bild-[e]s dem Bild-[e] das Bild PI. Nom. Gen. Dat. Akk. die Staat-en der Staat-en den Staat-en die Staat-en die Auge-n der Auge-n den Auge-n die Auge-n die Wäld-er der Wäld-er den Wäld-ern die Wäld-er die Bild-er der Bild-er den Bild-ern die Bild-er Deklinationstyp V Sg.l/ P1.5 (stark) Mask. Neutr. Deklinationstyp VI Sg.2/ P1.3 (schwach) Maskulinum Sg. Nom. Gen. Dat. Akk. der Opa des Opa-s dem Opa den Opa das Deck des Deck-s dem Deck das Deck der Mensch / Kunde des Mensch-en / Kunde-n dem Mensch-en / Kunde-n den Mensch-en / Kunde-n PI. Nom. Gen. Dat. Akk. die Opa-s der Opa-s den Opa-s die Opa-s die Deck-s der Deck-s den Deck-s die Deck-s die Mensch-en / Kunde-n der Mensch-en / Kunde-n den Mensch-en / Kunde-n die Mensch-en / Kunde-n 256 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Deklinationstyp VII Sg.3/ Pl.l (stark) Deklinationstyp VIII Sg.3/ P1.2 (stark) Deklinationstyp IX Sg.3/ P1.3 (schwach) Deklinationstyp X Sg.3/ P1.5 (stark) Sg- Nom. Gen. Dat. Akk. die Kraft der Kraft-0 der Kraft die Kraft die Mutter der Mutter-0 der Mutter die Mutter die Frau der Frau-0 der Frau die Frau die Oma der Oma-0 der Oma die Oma PI. Nom. Gen. Dat. Akk. die Kräft-e der Kräft-e den Kräft-en die Kräft-e die Mütter-0 der Mütt-er den Mütter-n die Mütter die Frau-en der Frau-en den Frau-en die Frau-en die Oma-s der Oma-s den Oma-s die Oma-s Feminina Tab. 22: 10 Deklinationstypen (nach Drosdowski u.a. (Hg.) ( 3 1995, § 380, Fettdruck der klassenkonstituierenden Endungen und Angabe der Null- Formen [-0] von U.Sch.) Alle substantivischen Lesarten, die sich auf Grund von Abweichungen und Unregelmäßigkeiten nicht in jene Schemata einordnen lassen, weil sie beispielsweise nur eine Singular- oder Pluralform besitzen, habe ich in der Untersuchungsschnittmenge mit ‘11’ gekennzeichnet und sie somit einer Mischkategorie zugeordnet, welche für eine spätere Analyse von besonderem Interesse ist. Im Rahmen der Untersuchung nominaler Wortarten weise ich darauf hin, dass bei den Adjektiven in der Teilmenge der Sonstigen (vgl. http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) die Spalte Morphologie und Grammatik nicht immer ausgefüllt ist: Die Komparation erfolgt zumeist regelhaft (vgl. Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, §§ 515ff.), sodass ein detaillierter Abgleich für jedes einzelne Semem nicht nötig ist. Ausnahmen, also etwa Besonderheiten bei der Steigerung (z.B. Umlaut oder Suppletivformen ‘gut, besser, best-'), syntaktische Gebrauchsrestriktionen (z.B. nur attributiv/ prädikativ/ adverbiell) usw. sind hingegen auf der Basis und nach den Richtlinien des Großwörterbuchs Deutsch als Die Wortschatzanalyse 257 Fremdsprache (Götz/ Haensch/ Wellmann (Hg.) 1993) in den Spalten ‘Morphologie und Grammatik’ oder ‘Diverses’ berücksichtigt worden. 3.4.1.4.2 Synonymie (Hyperonymie) - Gegensatzrelationen Die formal-grammatischen Informationen zu jedem Semem werden ergänzt durch inhaltlich relationale auf der paradigmatischen Ebene: Die Angabe von Synonymen bzw. Hyperonymen und Gegenwörtern trägt fürs Erste dazu bei, Bedeutungen und Bedeutungsunterschiede zu illustrieren. In einen größeren Rahmen gestellt kann eine solche Analyse zugleich Grundlage und Ausgangspunkt bilden für eine Vernetzung des (Grund-)Wortschatzes, beispielsweise im Rahmen der Wortfeld- oder Frame-Theorie. Die Synonyme (bzw. Hyperonyme) zu den einzelnen Sememen der Teilmengen wurden ermittelt auf der Basis von: Görner/ Kempckes ‘Großem Lexikon der Synonyme’. 42 Bei diesem Wörterbuch handelt es sich in gewisser Weise um einen Mischtypus: Es verbindet eine onomasiologische Ausrichtung mit einer alphabetischen Gliederung (an Stelle eines Begriffsnetzes), die den Gebrauch erleichtern soll. Gömer/ Kempcke erinnern daran, dass es der Zweck eines Synonymenwörterbuches ist, „den Benutzer schnell zum jeweils benötigten, aber nicht sofort gegenwärtigen Ausdruck zu führen“ ( 7 1988, S. 4). In diesem Zusammenhang ist Synonymie deshalb eher zu verstehen als Ähnlichkeitsdenn als Gleichheitsrelation, oder etwas genauer formuliert: Bei der Arbeit an diesem Synonymwörterbuch sind wir davon ausgegangen, daß Synonyme formal nicht gleich sind, aber wichtige gemeinsame Bedeutungsmerkmale besitzen, derselben Wortart angehören, eine ähnliche Kontextverwendung und die gleiche syntaktische Funktion aufweisen und sie trotz gewisser inhaltlicher und stilistischer Nuancen und gewisser Kontextbeschränkungen austauschbar sind. Charakteristisch für die Äqui- Im Großen Lexikon der Synonyme werden sog. Grundsynonyme „als dominierende Wörter (Dominanten) der Synonymreihen“ (Gömer/ Kempcke 7 1988, S. 7) eigens gekennzeichnet angegeben: „Grundsynonyme nennen wir Wörter ..., die den auszudrückenden Begriffsinhalt am umfassendsten wiedergeben“ (ebd.). Die Relation der Hyperonymie wird insofern berücksichtigt, als den meisten Grundsynonymen auch der Status des Oberbegriffs zugestanden werden kann. 258 Der zentrale Wortschatz des Deutschen valenz der Synonyme ist der ihnen zugrunde liegende gemeinsame Begriff (Görner/ Kempcke 7 1988, S. 4). Innerhalb dieser Definition lassen sich folgende Arten von Synonymen unterscheiden: begriffliche Synonyme (Synonyme mit Bedeutungsschattierungen), stilistisch-pragmatische Synonyme (Synonyme mit einem gemeinsamen begrifflichen Kern und unterschiedlich stilistischen, emotionalen und anderen Merkmalen), - Synonyme, die beide Elemente in sich tragen, regionale Synonyme (Synonyme mit geographisch begrenztem Anwendungsbereich) (ebd., S. 4f., vgl. auch Bracic 1994). Aufgenommen wurden i.d.R. alle ‘normalsprachlichen' Synonyme, also v.a. jene der ersten und dritten Gruppe aus obiger Liste, die nicht sprachgeografisch oder sprachsoziologisch markiert sind. Die einzigen Ausnahmen hierbei bilden Synonyme, die mit ‘K’ [= „Kennzeichnung von Einrichtung, Gepflogenheiten usw., die für kapitalistische Staaten typisch sind ...“] oder ‘B’ [= „Kennzeichnung von Einrichtungen, Gepflogenheiten usw., die auf die BRD beschränkt sind“ (Görner/ Kempcke 7 1988, S. 9f.)J indiziert sind. Diese geografisch, mitunter auch weltanschaulich bedingten Markierungen weisen offenkundig auf die Entstehung des Wörterbuchs in der DDR hin; auf die entsprechend markierten Synonyme kann hier selbstverständlich verzichtet werden. Ebenso nicht aufgenommen habe ich i.d.R. synonymische Wortgruppenlexeme im weiteren Sinn, also Idioms, Funktionsverbgefüge etc. Das eigentliche Erfassen der Synonyme in den Teilmengen erfolgte auch in formaler Hinsicht im Wesentlichen nach den Richtlinien von Görner/ Kempcke (ebd., vgl. S. 7-13, bes. S. 10ff.), die ich allerdings auf die Bedürfnisse der Teilmengenanalyse abgestimmt und vereinfacht habe, die wichtigsten sind: - Die Synonyme zu einem Semem sind durch bloßes Komma voneinander getrennt (bei Görner/ Kempcke 7 1988: halbhochgestellter Punkt). - Der Strichpunkt trennt verschieden gekennzeichnete Synonyme oder Untergruppen der Synonymenreihe voneinander. Die Wortschatzanalyse 259 - Das Pluszeichen trennt die peripheren Synonyme oder die zum Grundsynonym im Verhältnis ‘Oberbegriff - Unterbegriff bzw. ‘Gattung-Art’ stehenden Wörter von der eigentlichen Synonymenreihe ab. - Der Pfeil (>) verweist auf ein Grundsynonym. - Der Pfeil mit senrechtem Strich (>l) verweist auf bedeutungsverwandte Wörter. Eine geradezu folgerichtige Ergänzung der Ähnlichkeits-Beziehung stellt die Gegensatz-Beziehung und der entsprechende Abgleich der Untersuchungsschnittmenge mit einem geeigneten Wörterbuch dar: Ein Wörterbuch von Gegensatzwortpaaren ... bildet einerseits die konsequente Fortsetzung von Lexika bedeutungsähnlicher Wörter (Synonyme) und solcher, die nach Kriterien der Sachverwandschaft geordnet sind; denn der Übergang von der Bedeutungsgleichheit zu Bedeutungsähnlichkeit, -unterschied und -gegensatz ist im Prinzip stets fließend. Auch Antonyme müssen trotz ihrer markanten Bedeutungsverschiedenheit gemeinsame allgemeine Bedeutungsmerkmale und gleiche oder ähnliche Kollokationspartner ... haben, um überhaupt miteinander in Beziehung gesetzt zu werden. Andererseits stellt dieses Buch insofern eine Ergänzung der Wörterbücher dar, deren zentrales oder zusätzliches Anliegen die Unterteilung von Wortgesamtbedeutungen in Einzelbedeutungen (Varianten, Sememe) ist. als es diese Differenzierungen aufgrund der Gegenwortbeziehungen verfeinern und korrigieren kann. (Agricola/ Agricola 2 1992, S. 6). Der Gebrauchszweck des Wörterbuchs ist somit leicht herzuleiten: Der Hauptanlaß für die Benutzung des Werkes ‘Wörter und Gegenwörter’ soll der gleiche sein wie bei den erwähnten Arten von Wortsammlungen: die Erweiterung und Variierung des individuellen Wortschatzes im allgemeinen, das Erlernen von Sach- und Bedeutungsbezügen und von bestimmten Strukturen des lexikalischen Systems, das Auffinden von korrekten oder speziellen Begriffsbezeichnungen und das Erkennen von feineren Bedeutungsnuancen eines Wortes anhand der unterschiedlichen Bedeutungen seiner Gegenwörter (ebd.). Zunächst mag man den Sinn eines derartigen Wörterbuches möglicherweise in Frage stellen, denn: Jedem, der Deutsch als Muttersprache spricht oder es als Fremdsprache erlernt hat, sind Wortpaare wie oben : unten, heiß : kalt, deutlich : undeutlich, sinken : steigen, kommen : gehen, Anfang : Ende, Bug : Heck als 260 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Ausdruck von klaren Gegensatzverhältnissen bewußt oder ganz geläufig (Agricola/ Agricola 2 1992, S. 5). Neben diesen eindeutigen Gegensatz-Paaren rechtfertigt jedoch eine sehr große Anzahl unklarer bzw. unregelmäßiger Fälle die Erstellung eines Gegensatz-Wörterbuchs: Agricola/ Agricola unterstreichen diesen Befund durch eine ganze Reihe von Beispielen; so ist es schon bedeutend schwerer, ... das Gegenwort oder die verschiedenen Gegenwörter zu Wortbedeutungen wie stumm, traulich, ideell, temporär, lösen, konzentrieren, unterbleiben, Ruhe, Konklusion, Variation zu nennen ... Wer weiß aus dem Stegreif, daß abnehmen wenigstens einundzwanzig Gruppen von Gegenwörtern hat, oder zu welchen der vierzehn Bedeutungsschattierungen von Zug es wirkliche Gegensätze gibt, und könnte sie alle aufzählen? ... Zwar kennen wir das Wortpaar Überführung : Unterführung (eines Verkehrsweges), doch die formal gleiche Opposition Übergang : Untergang bildet keinen solchen Bedeutungsgegensatz. Das Gegenteil von ungefährlich ist gefährlich, zu unglaublich aber nicht glaublich, sondern glaubhaft oder glaubwürdig. Zu ungefähr gibt es kein gefähr, sondern unter anderem genau und zu unausbleiblich kein ausbleiblich, sondern ebenfalls Formen auf un-, z.B. unsicher, ungewiß ... Es existieren zwar die Wörter Mut, geheuer, umgänglich, ziemlich und gehalten, sie haben jedoch keine inhaltliche Wechselbeziehung zu Unmut, ungeheuer, unumgänglich, unziemlich und ungehalten (ebd.). In Andeutungen zeigt diese lose Aufzählung bereits, wie durch die Angabe von Gegensatz-Wörtern die wortsemantische Differenzierung erhellt wird, semantisch strukturelle Zusammenhänge aufgebaut werden und welche Rolle die Wortbildung in diesem Zusammenhang spielt. Was die inhaltliche Seite der Gegensatz-Relation betrifft, so legen Agricola/ Agricola ihrem Wörterbuch verständlicherweise eine eher weit gefasste Definition von Gegenwort zu Grunde: In diesem Werk aber werden die gegensatzfähigen Bedeutungselemente des allgemeinen Wortschatzes umfassend und systematisch dargestellt und einander zugeordnet. Der Inhalt beschränkt sich nicht nur auf die sogenannten Antonyme im strengen Sinne, auf die paarigen, eindeutig auseinander erschließbaren und einander ausschließenden, extrem gegensätzlichen Bedeutungen, sondern der Begriff des Gegenwortes wird sehr weit gefaßt und enthält alle die Arten der Bedeutungsbeziehungen, die im gesellschaftlichen Sprachbewußtsein als Ausdruck irgendeines betonten, aufeinander bezogenen Kontrastes gelten. Das sind sowohl Partner, die im Verhältnis des Gegenstücks oder der notwendigen Ergänzung zueinander Die Wortschatzanalyse 261 stehen, wie auch solche, die z.B. als Bedeutungsgegensatz, -umkehrung, -opposition, -polarität oder -negation bezeichnet werden, bis hin zu Wortpaaren, die mehr oder minder deutliche Endpunkte einer Skala bilden oder einen Standpunktunterschied in bezug auf denselben Sachverhalt bezeichnen (Agricola/ Agricola 2 1992, S. 6). Den allgemeinen Ausführungen im Vorwort folgen theoretische Überlegungen in einer ‘Einführung in Probleme der Definition und Auswahl von Gegenwörtem’. Zwei Punkte gilt es hervorzuheben: Gegenwort ist nicht gleich Gegenwort, 43 es lassen sich grundsätzlich vier Typen von Gegensatz-Relationen unterscheiden: Konversivität (z.B. mieten : vermieten), Komplementarität (z.B. Ebbe : Flut), Antonymie im eigentlichen Sinne (z.B. oben : unten) und fakultative Gegenwortpaare, die einen allgemeinen Kontrast zum Ausdruck bringen (z.B. zweihändig : vierhändig beim Klavierspiel) (vgl. ebd., S. 18ff.). Obschon für ein besseres Verständnis der Stichwortauswahl nicht unwichtig, spielt diese Klassifikation beim Abgleich der Teilmengen eine untergeordnete Rolle; sie beeinflusst allenfalls die Trennung verschiedener Gegenwort-Reihen. Entscheidender ist es, sich nochmals klar zu machen, dass erneut Sememe, also nicht Wörter, Wortkörper im Zentrum der Untersuchung stehen: Bisher war der Einfachheit halber immer von je zwei Wörtern oder Bedeutungseinheiten die Rede gewesen, die füreinander als Gegenwörter fungieren. Genaugenommen handelt es sich dabei stets um ein Semem, das zu einem anderen Semem in Beziehung gesetzt wird, d.h. entweder um die eine Bedeutung einer eindeutigen Wortform ... oder um eine der Bedeutungsvarianten einer mehrdeutigen Wortform. Jedes Semem einer mehrdeutigen Wortform hat andere Sememe - Sememe verschiedener anderer Wortformen als Gegensatzpartner. Daher hat z.B. ein Wort mit so allgemeiner Bedeutung wie frisch zwanzig unterschiedliche Möglichkeiten des Gegensatzbezuges (ebd., S. 21). Die wörtliche Übersetzung von Antonym lautet Gegenwort (griech. eigentlich ‘Gegenname'). Vor dem Hintergrund einer Klassifikation der Gegensatz-Relationen ist der Begriff Gegenwort der neutralere, weil umfassendere. Antonym hingegen kann doppeldeutig verwendet und aufgefasst werden: in einem engeren Sinne als ein bestimmter Typ der Gegensatzrelation und in einem weiteren Sinne als Oberbegriff für alle Arten von Gegensatzrelationen. Um Verwechslungen auszuschließen, habe ich mich für die Bezeichnung Gegenwort entschieden. 262 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Die Bedeutungsanalyse der Teilmengen ist also die Voraussetzung, um überhaupt Gegenwörter ansetzen zu können, welche ihrerseits wiederum dazu beitragen, die Wortbedeutung genauer zu fassen. Beim Abgleich habe ich mich i.d.R. eng an die formalen Richtlinien gehalten, die in ‘Wörter und Gegenwörter’ von Agricola/ Agricola ( 2 1992) angewandt wurden: - Die Synonyme einer Gegenwortreihe sind durch einfaches Komma voneinander abgesetzt. - Stärkere Bedeutungsdifferenzierung wird durch einen Strichpunkt angezeigt. - Bei polysemen Stichwörtern trennt eine geschwungene Linie in der Zeilenmitte (~) die den jeweiligen Sememen zugeordneten Gruppen von Gegenwörtem. - Möglichst beispielhafte Kollokationspartner zur genaueren Charakterisierung der Gegenwörter stehen in runden Klammem, z.B. belegen : freigeben (Sitzplatz)- - In einigen Fällen reichte der Raum in der vorgesehenen Spalte nicht aus, um alle Gegenwörter aufzuzählen, da die von mir verwendete Datenbank nur eine Spaltengröße von maximal 256 Zeichen zulässt. Ich habe dann die Aufzählung in der Spalte ‘Diverses’ fortgesetzt. Wenn es auch mit dieser Lösung nicht möglich war, alle Gegenwörter einzutragen, weisen drei Punkte in runden Klammern [(...)] daraufhin. Die erste umfassende Untersuchungseinheit ist damit abgeschlossen. Alle Ergebnisse der Detailanalyse habe ich in der eben protokollierten Art und Weise in die (entsprechend vorbereitete) Datenbank der Untersuchungsschnittmenge eingetragen. Für die Präsentation der wortartenspezifischen Teilmengen wurde die ursprüngliche Tabellenform aufgegeben zu Gunsten einer an traditionellen Wortschatz-Karteikarten orientierten, übersichtlicheren Darstellung mit folgender Struktur: Die Wortschatzanalyse 263 [Anzahl] Lesart Frequenzen: ‘Dictionary': FdZ: NR W , - NR SZ , - AF W , - AF SZ , - Ü; relativ; HGS: absolut relativ; Morphologie + Grammatik (bei V, S)AVortart (bei Sonstigen) + Morphologie bei Adj. Worterklärung (nach Kosaras 1980 = K) Beispielsatz/ -sätz,e {nach Pfeffer (1970 = p) Synonyme (nach Görner/ Kempcke 7 1988) Antonyme (nach Agricola/ Agricola : 1992) Diverses; Bemerkungen/ Nachträge u.Ä. Abb. 13: Informationsstruktur in den Teilmengen der Untersuchungsschnittmenge Vom Beginn der Eingabe der Quellkorpora in strukturierte Datenbanken bis hin zur Zusammenführung, Schnittmengenbildung und Detail-Analyse und Neugruppierung des umfangreichen Datenmaterials waren zahlreiche Entscheidungen zu treffen, die in ihrer Konsequenz immer wieder zu Zweifeln führten, zu Kompromissen zwangen oder in Kauf zu nehmen waren. Im Verlauf dieser einzelnen Arbeitsschritte gewinnt eine ebenso schlichte wie stets neu zu erfahrende Erkenntnis an Bedeutung, die ich abschließend wiedergeben möchte: „Auch in der Überzeugung, daß man am Ende meist klüger ist als am Beginn, mußte ein Anfang gemacht werden. Das Ergebnis liegt nun vor ...“ (Görner/ Kempcke 7 1988, S. 6). Als konkretes Resultat und als Grundlage der in den nächsten Kapiteln folgenden statistischen Auswertung und Stichprobenanalyse kann die analysierte Untersuchungsschnittmenge unter http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch. html eingesehen werden. 3.4.1.5 Quantitative Auswertung der Untersuchungsschnittmenge Um die Detailanalyse der Untersuchungsschnittmenge abzurunden, liegt es nahe, einige der vielen ausführlich dokumentierten und via Internet (s.o.) abrufbaren Einzelergebnisse noch in Form einer statistischen Auswertung zusammenzufassen und zu kommentieren. Die jeweiligen Ansatzpunkte resultieren aus den nach Wortarten getrennten Teilmengen bzw. den sich (nach der Detailanalyse) 264 Der zentrale Wortschatz des Deutschen daraus ergebenden unterschiedlichen Erkenntnisinteressen. Prinzipiell gehe ich wie bisher von der Zähleinheit des Semems aus; in einigen Fällen habe ich jedoch zusätzlich die Zahlen vermerkt, die sich errechnen lassen, wenn man die Sememe auf (formseitig ausgerichtete) Lexeme bzw. ‘Wörter’ zurückführt, um ggf. die Vergleichbarkeit mit anderen, zumeist am Wort orientierten Arbeiten zu gewährleisten. Bei den Substantiven richtet sich das Interesse v.a. auf die Fragen, welche zahlenmäßigen Verhältnisse bezüglich der drei Genera des Deutschen in der Teilmenge ausgemacht werden können, und in welchem Ausmaß die einzelnen Deklinationsklassen innerhalb der Maskulina, Neutra und Feminina belegt sind. Die folgende Tabelle gibt eine Antwort auf die erste Frage. Die Summe der Sememe lässt sich auf knapp die Hälfte der Anzahl korrespondierender ‘Wörter’ reduzieren. Maskulina Neutra Feminina Summe Zähleinheit: Sememe 294 174 343 811 Zähleinheit: ‘Wörter’ 173 97 176 446 Tab. 23: Verteilung der Genera auf die Wortart Substantiv Die beiden nächsten Tabellen geben eine Antwort auf die zweite Frage, also auf die genusspezifische Deklinationsklassenzugehörigkeit der Sememe: Die Wortschatzanalyse 265 Genus: Deklinationsklasse: Maskulina absolut in % Neutra absolut in % 1 1/ 2 1/ 11 146 2 13 49,7 0,7 4,4 54 0 12 31,0 0,0 6,9 2 2/ 11 46 3 15,7 1,0 18 6 10,3 3,5 3 3/ 11 2,7 0,3 1,7 0,6 4 4/ 11 1,4 0,0 35 3 20,1 1,7 5 5/ 11 0,3 0,7 1,2 0,0 6 6/ 11 3,0 0,0 0,0 0,0 11 59 20,1 40 23,0 Summe 294 100,0 174 100,0 Tab. 24: Verteilung der Deklinationsklassen: Maskulina/ Neutra Genus: Deklinationsklasse: absolut Feminina in ' 7 7/ 11 14 1 4,1 0,3 8/ 11 0,9 0,0 9 9/ 11 225 25 65,6 7,3 10 10/ 11 0,0 0,0 11 75 21,9 Summe 343 100,0 Tab. 25: Verteilung der Deklinationsklassen: Feminina Diese Zusammenstellung spiegelt zumindest tendenziell die in der Duden- Grammatik ermittelten Zahlen wider: Die Deklinationsklassen 1, 2 und 3 sind am häufigsten belegt, auch wenn sie nicht auf knapp 90% der Substan- 266 Der zentrale Wortschatz des Deutschen tive entfallen (vgl. Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, § 395), sondern auf 60% bzw. 68%, bezieht man die Mischklassifikationen (1/ 2, 1/ 11 etc.) mit ein. Im Rahmen eines fremdsprachlich ausgerichteten Grundwortschatzes spielen aus nahe liegenden Gründen neben den regelmäßigen, hochfrequent belegten Deklinationsparadigmen all jene Fälle eine wichtige Rolle, die nicht oder nur unzureichend durch eine der zehn Klassen abgedeckt werden, weil sie beispielsweise flexionsmorphologische Besonderheiten aufweisen, nur im Singular oder Plural gebraucht werden oder als Fremdwort anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen: Diese Sememe sind in der Teilmenge mit (I-X/ )ll gekennzeichnet und machen insgesamt 29,8% aus, ohne Mischklassifikation 21,5%. Für die Lehrenden wie für die Lernenden einer Sprache ist es wichtig, regelgeleitete Phänomene und nicht durch Regeln fassbare Fälle bzw. Ausnahmefälle in einer Weise zu verbinden, die eine ökonomische Vermittlung und Aneignung des Stoffes ermöglichen, was durch einen kleinen Exkurs illustriert werden kann: Der Vorteil effizienter Lemregeln liegt zunächst auf der Hand, wobei darauf zu achten ist, dass sie zumindest vier Bedingungen erfüllen sollten: - Ausnahmslosigkeit, - Einfachheit, - Grundwortschatzbezogenheit, - Ergiebigkeit (vgl. Wegera 1997, S. 65ff.). Lassen sich im Bereich der Deklinationsmorphologie Regeln und Ausnahmen noch verhältnismäßig gut trennen, so ist dies bei der zu Grunde liegenden Genuszuordnung ungleich schwieriger, denn: Das deutsche Genussystem erhält als didaktisches Problem seine besondere Schärfe durch folgende Gegebenheiten: 1. Jedem Substantiv ist, bis auf eine überschaubare Anzahl mit schwankendem Genus, ein Genus zugeordnet. Dieses Genus muß in jedem einzelnen Falle gelernt werden bzw. anhand von Regeln abrufbar sein, um den jeweils richtigen Artikel bzw. die richtige Form des jeweiligen Attributs zu wählen ... Die Wortschatzanalyse 267 2. Das Genus ist im Deutschen ein inhärentes Merkmal des Substantivs und wird ausdruckseitig nicht am Lexem (bzw. nur in Ausnahmefällen) markiert... 3. Die Verteilung der Genera auf die Substantive ist scheinbar arbiträr, eine Systematik ist für den Deutschlernenden auf den ersten Blick kaum erkennbar (Wegera 1997, S. 11). Der Stellenwert, den das Genus für die deutsche Sprache, mithin für die Deutschlernenden besitzt, ... hat zu zwei unterschiedlichen Ansichten hinsichtlich der optimalen Vermittlung des Genus geführt, wobei die Frage nach der Lernökonomie eine wichtige Rolle spielt. Man kann mit Fug und Recht die Ansicht vertreten, daß es sinnvoll ist, mit jedem Nomen das dazugehörige Genus zu lernen ... Die andere Auffassung ... geht aus von der Frage, ob es didaktisch nicht sinnvoller ist, und zwar sowohl im Blick auf die effizientere Vermittlung durch den Lehrenden als auch für die bessere Verfügbarkeit durch den Lernenden, die rein mnemotechnische Belastung mit Hilfe von Regeln zumindest partiell durch die kombinatorische Belastung zu ersetzen, d.h., die Speicherleistung der Lernenden durch Kombinationsleistung zu entlasten (ebd., S. 15). Genusregularitäten lassen sich nach Wegera grundsätzlich aus drei Bereichen ableiten: lautlich motivierte Genusverteilung (vgl. ebd., S. 17ff.), morphologisch motivierte Genusverteilung mit den Unterpunkten Genus und Flexionsmorphologie sowie Genus und Wortbildung (vgl. ebd., S. 25ff.), semantisch motivierte Genusverteilung (vgl. ebd., S. 5Iff.). Eine erhebliche Einschränkung erfahren die Genusregularitäten allerdings im Rahmen einer didaktischen Umsetzung, wenn man also versucht, sie auf der Basis der oben angesprochenen Bedingungen als Lernregeln zu formulieren. Hier ergibt sich nun folgendes Bild: a) Die phonologischen Regularitäten eignen sich allesamt wenig, da sie als Lernregeln gegen die Forderung der Ausnahmslosigkeit verstoßen würden. Sie verstoßen in der wissenschaftlichen Formulierung und in ihrer formalen Darbietung erheblich gegen das Gebot der Einfachheit. Beschränkt man die Lautregularitäten auf den GWS [Grundwortschatz, U. Sch.], bleiben ohnehin nur wenige übrig, von denen nur zwei im 268 Der zentrale Wortschatz des Deutschen GWS ... ausnahmslos belegt sind: -o in finaler Stellung [v.a. Neutra, U. Sch.] und die Anlautregel [T/ r/ Y] [d.h. T= / t/ / d/ ; Y = jede mögliche Lautfolge nach den für die Regelbildung relevanten Merkmalen, v.a. Maskulina, U. Sch.] ... b) Einen Sonderfall stellt -e im Auslaut dar [v.a. Feminina, U. Sch.]. Zwar gibt es hier so viele Ausnahmen, daß eine Lernregel problematisch ist, doch könnte man in diesem Falle umgekehrt verfahren und neben der Regel... die Ausnahmen als Liste erlernen lassen. 44 c) Unter den wortbildungsmorphologischen Regularitäten würden einige als Lernregel gegen das Gebot der Ausnahmslosigkeit, andere gegen das der Einfachheit verstoßen. Legt man dazu das Maß der Grundwortschatzbezogenheit an, so verbleibt eine überschaubare Zahl von Suffixen, die man zum Gegenstand einer Lernregel machen sollte ... [vgl. dazu auch Kap. 3.4.2.1, U. Sch.] d) Die flexionsmorphologischen Regularitäten scheiden als Lemregeln vollständig aus. Nur wenige gelten ausnahmslos, aber auch diese verstoßen gegen das Gebot der Einfachheit. e) Unter den semantisch motivierten Regeln erfüllt nur ein kleinerer Teil die vier Forderungen an Lernregeln. Diese sind: Mask.: 1. Personen männlichen Geschlechts; 2. Menschen, Berufe und Ränge ohne expliziten Bezug auf das Geschlecht; 3. Tageszeiten und natürliche Zeiteinheiten [aber: das Jahrl U. Sch.]; 4. Himmelsrichtungen, Winde, Niederschläge [aber: die Bora\ U. Sch.]; 5. Mineralien, Erden und Gesteine [aber: die Laval U. Sch.J. Neutr.: 1. Buchstaben und Wörter aller Wortarten (nicht die Grundzahlen), wenn sie als Substantive verwendet werden (Konversion), einschließlich der Sprachadjektive (nicht aber substantivierte Adj., die auf mask./ fem. Lebewesen referenzieren); 74 von insgesamt 88 Lexemen auf -e in der Teilmenge sind Feminina, Ausnahmen: das Auge, der Beamte, das Ende, das Gebäude, der Gedanke, der Glaube, der Hase, das Interesse, der Junge, der Kollege, der Kunde, der Name, der Wille, wobei vier maskuline Genuszuweisungen semantisch motiviert sind: Beamte, Junge, Kollege, Kunde. Der Fall -o im Auslaut ist nur mit einem Neutrum (Auto) in der Teilmenge vertreten. Die Wortschatzanalyse 269 2. Metalle; 3. Städtenamen. Fern.: 1. Personen weiblichen Geschlechts (ohne Mask. [s.o. 2]); 2. Grundzahlen (Wegera 1997, S. 84ff.). Die Zahl der Lemregeln, die sich aus den Genusregularitäten herleiten lassen, ist also verhältnismäßig gering, obschon sie durch geschickte Regelkombination auch erhöht werden könnte (vgl. ebd., S. 83f.). Ob in diesem Umstand auch der Grund dafür zu sehen ist, dass der Behandlung des Genus in gängigen DaF-Lehrwerken/ -Grammatiken sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird (vgl. ebd., S. 88ff.), sei dahingestellt. Auf der anderen Seite zeigt Wegera am Abschluss seiner Untersuchungen, dass die ‘Konzeption einer Grammatikeinheit zum Genus’ (vgl. ebd., S. 99ff.) sehr wohl möglich ist und in zugegebenermaßen eingeschränktem Umfang hilft, die Wortschatzarbeit im Bereich der Substantive ökonomischer zu gestalten. Der kleine Exkurs hat am Beispiel der Genuszuweisung erneut gezeigt, wie eng der Grundwortschatz mit den Bereichen von Phonologie, Morphologie und Semantik verknüpft ist bzw. verknüpft werden kann, und welchen Beitrag u.a. die Auswertung statistischer Daten dafür leisten könnte. Vorbedingung ist natürlich die zu Grunde gelegte Analyse der Zähleinheiten. Die statistische Datenauswertung der Verb-Teilmenge umfasst ausschließlich Vollverben, d.h. von den insgesamt 683 Zähleinheiten wurden 27 Verb- Sememe auf Grund ihrer besonderen (grammatischen und/ oder semantischen) Funktion ausgeschlossen. Es handelt sich um die Sememe von Hilfsverben (4), Modalverben( 18) und Modalitätsverben (5), im Einzelnen; WORT WORTERKLARUNG MORPHOLOGIE + GRAMMATIK brauchen etw. nicht zu tun brauchen: etw. nicht tun müssen ModV.(+nicht)(hat) dürfen wahrscheinlich sein MV.(+Konj. 2)(hat) dürfen jmds. Erlaubnis zu etw. haben MV.(hat) können etw. wissen, verstehen MV.(hat) können fähig, in der Lage sein MV.(hat) 270 Der zentrale Wortschatz des Deutschen können möglich sein MV.(hat) können etw. dürfen, Erlaubnis haben MV.(hat) mögen höfliche Form von wünschen MV.(hat) mögen können (zur Bezeichnung der Möglichkeit) MV.(hat) müssen wünschenswert sein (+ Konj.) MV.(+Konj. 2)(hat) gezwungen sein zu etw. MV.(hat) wahrscheinlich sein MV.(hat) nötig sein MV.(hat) pflegen pflegen + zu + Inf.: die Gewohnheit haben ModV.(hat) scheinen den Eindruck machen, so aussehen als ob .. ModV. (hat) sein temp. HV sollen eigentlich müssen MV. (hat) sollen können, möglich sein MV. (hat) sollen verpflichtet sein, den Auftrag haben MV. (hat) sollen man sagt, dass... MV.(hat) verstehen etwas können, gut kennen ModV.(hat) werden zur Bildung des Passivs Hilfsverb werden zur Bildung des Futurs temp. HV werden zur Bildung des Konjunktivs HV wissen etwas können ModV.(hat) wollen MV.(hat) wollen die Absicht haben, etw. planen (‘Er will studieren.’) MV.(hat) Tab. 26: Die Hilfs-, Modal- und Modalitätsverben der Untersuchungsschnittmenge Der Sonderstatus dieser Verben lässt es wenig sinnvoll erscheinen, sie bei dieser Analyse zu berücksichtigen. Als Hilfsverben in dem Sinne, dass sie nicht alleiniges Prädikat eines Satzes sein und folglich auch selbst keinen Satzbauplan bedingen können, dienen sie dazu, in Verbindung mit einem Vollverb regel- und musterhaft Kategorien des Tempus, Modus oder Genus auszudrücken. Sie bilden sieht man von Grenzfällen bei den Modalbzw. Modalitätsverben ab sehr überschaubare geschlossene Klassen. Für den Grundwortschatz bedeutet diese Tatsache zum einen, dass eine Auswahl und Begrenzung eigentlich nicht möglich bzw. nötig ist, zum anderen, dass sich auf Grund ihrer Funktion eine Beschreibung und Erklärung beispielsweise Die Wortschatzanalyse 271 im Rahmen von grammatisch-semantischen Feldern anbietet (vgl. Sommerfeldt/ Schreiber/ Starke 1991, bes. S. 5-55). Die verbleibenden 656 Sememe der Vollverben lassen sich etwa zur Hafte den starken, also unregelmäßig konjugierten Verben zuordnen, und zur Hälfte den schwachen: 45 Zähleinheit: Sememe Zähleinheit: ‘Wörter’ starke Verben 326 118 schwache Verben 330 156 Summe 656 274 Tab. 27: Verteilung der starken und schwachen Verben Vollverben konstituieren den Satzbauplan. Die Verbgrammatik stellt von daher einen, wenn nicht sogar den zentralen Bereich für Fremdsprachenlernende dar. Eine zumindest für das Deutsche angemessene Beschreibungsmöglichkeit bietet der Valenzansatz, mit dessen Hilfe trotz aller Kontroversen relativ genau ermittelt werden kann, welche obligatorischen bzw. fakultativen Ergänzungen ein Verb benötigt, damit ein grammatisch korrekter Satz entsteht. Die nächste Tabelle gibt einen Überblick über die Häufigkeit der Valenztypen in der Teilmenge: 411 45 Zwei Sememe von wenden können mehr oder minder bedeutungsgleich sowohl stark als auch schwach konjugiert werden; der Einfachheit halber sind sie nur in der Menge der starken Verben erfasst. In einigen Fällen wurde einem Semem auf Grund der Vagheit des Interpretaments bzw. des Beispielsatzes eine zweite Valenz zugeordnet, die allerdings keinen Eingang in die Statistik fand: Bei den starken Verben waren dies: auffallen: (l+(l)=2 (A/ A), schlagen: 2 (A/ A), schließen: l (P/ A), schließen: 2 (A/ P), steigen: 2 (A/ A), treffen: l+(l)=2 (A/ A), tun: 2+(l)=3 (P/ P), wenden: l+(l)=2 (A/ A), ziehen: 2 (A/ A); bei den schwachen Verben: fragen: 2+(l)=3 (P/ P), passen: 2 (A/ A), sammeln: l+(2)=3 (P/ P), zählen: 3 (A/ P), zeichnen: 3 (P/ P). 272 Der zentrale Wortschatz des Deutschen starke Verben schwache Verben Valenztypen absolut in % absolut in % 0 0,3 0,0 1 30 9,2 11 3,3 1+(1)=2 47 14,4 32 9,7 l+(2)=3 2,8 12 3,6 l+(3)=4 0,3 0,0 154 47,2 192 58,2 2+(l)=3 56 17,2 55 16,7 2+(2)=4 0,0 0,9 28 8,6 24 7,3 3+(l)=4 0,0 0,3 Summe: 326 100,0 330 100,0 Tab. 28: Verteilung der Valenzen in der Verbteilmenge Obschon die obligatorisch 2-wertigen Verb-Sememe etwa die Hälfte der gesamten Teilmenge ausmachen, ist das Spektrum insgesamt breit gefächert: Es reicht von einem 0-wertigen Verb-Semem {ziehen) bis zu 4-wertigen (bezahlen, machen, retten, schicken, schreiben). Darüber hinaus sollte man natürlich nicht vergessen, dass bei den Gruppen von Sememen, welche die gleiche Anzahl von Ergänzungen besitzen, nicht automatisch von identischen Mustern ausgegangen werden kann, da immer noch die Form der Aktanten variieren kann: Das reicht, vom reinen Kasus bis hin zum (erweiterten) Infinitiv und zum Nebensatz, ggf. mit Korrelat. Diese Bandbreite von Konstruktionen wird noch vergrößert durch 16 starke, reflexive Verben und 28 schwache, reflexive Verben, im Einzelnen: Die Wortschatzanalyse 273 WORT MORPHOLOGIE + GRAMMATIK ändern sw.V.refl.(hat) _ i : Sn - A ansehen st.V.refl.(hat) - 2 : Sn,Sa - P aufführen sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,Adj/ pS - A aufhalten st.V.refl.(hat) - 2 : Sn.pS - A aufstellen sw.V.refl.(hat) - 1 : Sn - A bedienen sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn, Sg ~ A beschäftigen sw. V.refl.(hat) - 2 : Sn,pS/ damit+NS - A bewegen sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,pS - A beziehen st.V.refl.(hat) - 2 : Sn,pS - A brechen st.V.refl.(hat) - 1 : Sn - A einrichten sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,pS/ darauf+NS - A einsetzen sw.V.(refl.)(hat) - 3 : Sn,Sa(/ sich),pS - A entwickeln sw.V.refl.(hat) l+(2)=3 : Sn,(pS),(pS) - A erinnern sw.V.refl.(hat) - 1+(1)=2 : Sn,(pS/ Sg/ NS/ Inf) - A festhalten st.V.refl.(hat) - 1+(1)=2 : Sn,(pS)-A festlegen sw.V.refl.(hat) l+(! )=2 : Sn,(pS) - A freuen sw.V.refl.(hat) - 1+(1)=2 : Sn,(pS,NS)-A fühlen sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,pS/ Adj - A interessieren sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,pS/ (dafür+)NS - A kümmern sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,pS - A lassen st.V.refl.(hat) - 2 : Sn.I - A legen sw.V.refl.(hat) - 1 : Sn - A legen sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn.pS - A leisten sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,Sa - P lohnen sw.V.refl.(hat) - 1 : Sn - A melden sw.V.refl.(hat) - 1+(1)=2 : Sn,(pS) - A melden sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,pS - A merken sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn.Sa/ NS - A richten sw. V.refl.(hat) - 3 : Sn,Sa - A setzen sw.V.refl.(hat) - 1+(1)=2 : Sn.pS - A stellen sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn.pS - A treffen st.V.refl.(hat) - A - 2 : Sn<Sg>,pS - A / 1 +(1 )=2 : Sn<Pl>,(pS) überlegen st.V.(refl.)(hat) - 2 : Sn,Sa/ NS - P 274 Der zentrale Wortschatz des Deutschen unterhalten sw. V.refl.(hat) l+(2)=3 : Sn,(pS/ darüber+NS),(pS) - A unterscheiden st.V.refl.(hat) l+(2)=3 : Sn,(pS),(pS/ dadurch+NS) - A verhalten [ 1 ] st.V.refl.(hat) - 2 : Sn,Adj - A verhalten [2] st.V.refl.(hat) - 2 : Sn,Adj - A verlassen st.V.refl.(hat) - 2 : Sn.pS - A verlaufen st.V.refl.(hat) - 1 : Sn - A versprechen st.V.refl.(hat) - 1 : Sn - A vorstellen sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn,Sa/ NS - A wenden st.V./ sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn.pS - A wenden st.V./ sw.V.(refl.)(hat) - 2+( 1 )=3 : Sn,Sa,(pS) - A / 1+(1)=2 ; Sn,(pS) - A zeigen sw.V.refl.(hat) - 2 : Sn/ NS,pS/ (p)Adj - A Tab. 29: Die reflexiven Verben der Untersuchungsschnittmenge Die beiden letzten Tabellen zu dieser Teilmenge gehen auf die Bildung der analytischen Vergangenheitstempora mit haben oder sein 41 ein sowie auf die Möglichkeiten der Passivbildung: 48 analyt. Tempusform gebildet mit: haben starke Verben 256 schwache Verben 325 73 5 [begegnen, folgen (2x), reisen, rücken] Summe 329 330 Tab. 30: Bildung der analytischen Vergangenheitstempora mit haben oder sein Drei Sememe von stehen können mehr oder minder bedeutungsgleich mit beiden temporalen Hilfsverben verwendet werden. Sie sind bei den starken Verben ergänzt, weshalb sich die Zahl 329 statt 326 ergibt. Bei den starken Verben konnte zwei Sememen von schließen keine eindeutige Valenz zugeordnet werden, d.h„ es wurden zwei unterschiedliche Valenzen verzeichnet, die auch Auswirkungen auf das Genus verbi, also die Passivfähigkeit, hatten. P(assiv) und A(ktiv) heben sich in der Tabelle auf. Gleiches gilt bei den schwachen Verben für zählen, wo P(assiv) allerdings keinen Eingang in die Tabelle gefunden hat. Die Wortschatzanalyse 275 Tab. 31: Möglichkeiten der Passivbildung in der Teilmenge In beiden Zusammenstellungen spiegeln die ZahlenVerhältnisse mehr oder minder direkt die grammatische und/ oder semantische Subklassifikation der Verben wider, da sowohl die Unterscheidung, ob ein Verb die analytischen Tempusformen Perfekt und Plusquamperfekt mit haben bzw. sein bildet, oder ob es eine Passivform bilden kann, beispielsweise von Kategorien wie Transitivität und Aktionsart (regelhaft) gesteuert wird (vgl. u.a. Helbig/ Buscha 1984, S. 57ff„ S. 75ff„ S. 140ff„ S. 161ff.; Drosdowski u.a. (Hg.) s 1995, §§ 220ff., §§ 308ff.). So stehen eigentlich auch nicht die Zahlen selbst im Mittelpunkt, sondern die Regeln, auf deren Basis diese Zahlen zu Stande gekommen sind, denn Sie sind letztlich auch ausschlaggebend für die Lernenden. Die untersuchte Teilmenge der Verben vermittelt bzw. bestätigt also insgesamt den Eindruck, dass mit der lexikalischen Auswahl in keinster Weise eine grammatische einhergeht. Die Sememe sind aufs Engste mit einer Vielzahl von Gebrauchsregularitäten und -regeln verbunden. Die Beispielsätze aus Pfeffers ‘Dictionary’ werden dieser Tatsache kaum gerecht: Eine Vielzahl nicht wörtlich zu verstehender Wendungen (z.B. Idioms und Sprichwörter) sowie eine ganze Reihe von Beispielen in Frage- oder Aufforderungsform sind nur wenig hilfreich, den semantisch-syntaktischen Gebrauchsrahmen der entsprechenden Verb-Sememe musterhaft zu illustrieren (vgl. die Verbschnittmenge unter http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html). Bei der Teilmenge der Sonstigen gilt es als Erstes zu fragen, wie sich die Sememe auf die einzelnen darin vorkommenden deklinierbaren (Adjektiv, Pronomina, Artikel) und nicht deklinierbaren Wortarten verteilen: 276 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Wortart Sememe Adjektiv 342 (= 170 ‘Wörter’) Adverb 118 (= 83 ‘Wörter’) Partikel 56 (= 35 ‘Wörter’) Präposition 99 (= 36 ‘Wörter’) Konjunktion 37 (= 27 ‘Wörter’) Pronomina (auch Pronominaladverbien) 64 (= 46 ‘Wörter’) Artikel (= 2 ‘Wörter’) Summe 718 (= 399 ‘Wörter’) Tab. 32: Verteilung und Häufigkeit der Wortarten in der Schnittmenge der ‘Sonstigen’ Es überrascht nicht, dass die Adjektive mit 342 Sememen den größten Anteil dieser Teilmengen ausmachen, gefolgt von den Adverbien. Gegenüber diesen offenen Wortartenklassen lassen sich die der Partikeln, Präpositionen und Konjunktionen als mehr oder minder geschlossen bezeichnen, wobei ihre Gesamtzahl eine Auswahl für den Gundwortschatz als durchaus gerechtfertigt erscheinen lässt. Anders verhält es sich hingegen mit den (verschiedenen) Pronomina und dem bestimmten bzw. dem unbestimmten Artikel: Sie bilden geschlossene Paradigmen; eine frequentativ oder pragma-kommunikativ gesteuerte Auswahl ist deshalb streng genommen nicht nötig. Die Erschließung bzw. Erarbeitung dieser geschlossenen Funktionsklassen für Fremdspracheniemende fällt daher weniger in den Bereich der lexikalischen Progression als vielmehr in den der grammatischen. Mit 56 Sememen stellen die Partikeln lediglich eine kleine Gruppe dar, hält man sich demgegenüber vor Augen, dass das Deutsche im Verhältnis zu anderen Sprachen als partikelreiche Sprache gilt und Zählungen zufolge „auf 100 deutsche Gesamtwörter 13 Partikeln“ entfallen (Flelbig 1990, S. 11). Aus der relativen ‘Bedeutungsarmut' der meisten Partikeln, aus dem Umstand, daß sie oft weglaßbar zu sein scheinen und keine ‘greifbare’ Bedeutung aufweisen, darf keinesfalls auf ihre kommunikative Unwichtigkeit geschlossen werden. Ganz im Gegenteil: Sie drücken oft mitunter sogar entscheidende kommunikative Nuancen aus, die (auch wenn sie oft der Äußerung wenig sachliche Information hinzufügen) keineswegs Die Wortschatzanalyse 277 für unwesentlich gehalten werden dürfen, weil sie der Sprache nicht nur Flüssigkeit und Verbindlichkeit verleihen, sondern auch ein bestimmtes ‘Gesprächsklima’ ... schaffen, die Konversation steuern, im Interaktionskontext verankern und auf diese Weise auch ausdrücken, wie die Gesprächspartner zueinander stehen, welche Voraussetzungen sie haben und welche Reaktionen erwartet werden (Helbig 1990, S. 12f.). Die kleine Anzahl an Partikeln sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine verhältnismäßig wichtige Wortklasse handelt, insbesondere für Deutschlemende, deren Unterricht kommunikativ-pragmatisch ausgerichtet ist: Ein Ausländer, der die deutsche Sprache lernt, ohne sich die Partikeln anzueignen, würde ein sehr untypisches und hölzernes Deutsch erwerben, das sich wesentlich von dem Deutsch unterscheidet, das von deutschen Muttersprachlern im deutschen Sprachgebiet verwendet wird (ebd., S. 13). Ein klassenbildendes Merkmal der Präpositionen ist deren Fähigkeit, einen Kasus zu regieren. Eine diesbezügliche Auswertung führt zu Zahlenverhältnissen, wie sie in der vorläufig letzten Tabelle dargestellt sind: 49 Tab. 33: Subklassifikation der Präpositionen Bei der statistischen Auswertung der Untersuchungsschnittmenge habe ich vor allem grammatische Aspekte in den Vordergrund gerückt: Es ist zu einseitig, ohne vorher überhaupt eine semantische Analyse vorgenommen zu haben, den Grundwortschatz nur hinsichtlich der Abdeckung bestimmter 49 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei vier Sememen keine eindeutige Kasusrektion vorliegt, wodurch die Summe der Zähleinheiten von 99 auf 103 erhöht wird: an + D(ativ) oder alternativ + A(kkusativ), unter + D(ativ) oder + A(kkusativ) und zweimal wegen + G(enitiv) oder + D(ativ). 278 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Themenfelder oder Textabschnitte gewissermaßen intuitiv zu hinterfragen. Wortschatzarbeit sollte ein integrativer Teil der Arbeit an einer Fremdsprache sein, und dazu gehört, auch die grammatischen Phänomene, die hinter einem jedem Wort oder besser Semem stecken, zu berücksichtigen. Bei einem Grundwortschatz, begriffen als Einheit von Lexik und Grammatik, darf es nicht nur auf eine ausgewählte Sammlung von Wörtern ankommen, sondern man muss auch Wert auf die Einbeziehung eines grammatischen Gebrauchsrahmens legen. Dazu gehört etwa die Angabe von quantitativer und qualitativer Valenz, letztlich auch von Kollokationspartnern, die etwa musterhaft in Form von Beispielsätzen präsentiert werden könnten; besonders in diesem Punkt ist die Kritik an Pfeffers ‘Dictionary’ angebracht. Dazu gehört aber auch, beispielsweise auf die pragmatische Funktion von Partikeln oder die textgrammatische Funktion von Pronomina als kohärenzstiftende anaphorische bzw. kataphorische Verweiswörter aufmerksam zu machen. Ein Grundwortschatz, zumal wenn er kommunikativ-pragmatisch ausgerichtet ist, sollte für die Lernenden ein Hilfsmittel sein, das sie zu mehr als zu rein fragmentarischer Verständigung befähigt. In diesem Zusammenhang stelle ich erneut den Wert von Textdeckungstests für die Ermittlung der Effizienz eines Grundwortschatzes in Frage, auch in der von Krohn modifizierten Form (vgl. Krohn 1992, S. 116ff.). Sie mögen von rezeptiver Seite her zwar eine gewisse statistische Signifikanz besitzen, ihre Aussagekraft bezüglich der Qualität und Auswahl eines Grundwortschatzes ist aber sehr eingeschränkt, vor allem, wenn man von der Zähleinheit des Wortes ausgeht und nicht von Sememen. Es ist zu pauschal, einen Grundwortschatz ohne vorausgehende semantische Analyse gewissermaßen intuitiv auf seine Tauglichkeit hin zu untersuchen und der simplen Frage nachzugehen, in welchem Umfang er mittels bestimmter ‘Schlüsselwörter’ hilft, einen Text zu erschließen, oder besser: das Thema eines Textes vage zu erfassen. Einen kurzen Nachtrag macht auch die Unterscheidung von Synsemantika und Autosemantika nötig, die auch der Konzeption von Krohn zu Grunde liegt: Er spricht von einem Kern der Synsemantika, der umgeben ist von einem Ring themenunspezifischer Autosemantika, dem sich seinerseits ein Ring themenspezifischer Autosemantika anschließt (vgl. ebd., S. 112ff.). Es darf angezweifelt werden, ob die auf der Basis von Lexemen und nicht von Die Wortschatzanalyse 279 Sememen getroffene Unterscheidung zwischen themenspezifischen und themenunspezifischen Autosemantika überhaupt haltbar ist (vgl. auch die Kap. 1.1 und 3.3 in dieser Arbeit). Für die Auswahl oder auch Beschreibung eines Grundwortschatzes mag ein solches Modell bis zu einem bestimmten Grad folgerichtig und zweckdienlich sein, es verleitet aber auch dazu, das Augenmerk einzig auf die semantische Rolle der (themenspezifischen) Autosemantika zu verlagern. Dies allerdings greift zu kurz, denn ebenso wie die Möglichkeit einer Unterscheidung von themenspezifischen und themenunspezifischen Autosemantika in dieser Absolutheit angezweifelt werden darf, gelingt auch die traditionelle Unterscheidung von Autosemantika und Synsemantika nicht ohne Probleme (vgl. Brauße 1994, bes. Kap.l), und so könnte man letztlich auch zu einer Auffassung gelangen, die als letzte Konsequenz die Aufhebung des Gegensatzes Autosemantikum vs. Synsemantikum hätte: „Es gibt also keine zwei klar voneinander unterschiedene Arten von Bedeutungen, die wir für bestimmte Wörter reservieren müssen; alle Wörter haben vielmehr mehr oder weniger dieselbe Art von Bedeutung“ (Lutzeier 1985, S. 26, Hervorhebung von U. Sch.). Das Entscheidende dieser Formulierung ist das Mehr-oder-Weniger, das an die Stelle des Entweder- Oder tritt. Dieses Mehr-oder-Weniger aber gilt es herauszuarbeiten, semantisch, syntaktisch und pragmatisch. Mit diesen Überlegungen sollte nochmals betont werden, dass grundsätzliche Unterschiede etwa zwischen Substantiven, Verben, Adjektiven und Adverben einerseits und Partikeln, Präpositionen, Konjunktionen und Pronomina andererseits bestehen. Es greift jedoch viel zu kurz, diese Unterschiede pauschal und primär von der Formseite ausgehend, kategorienbildend einsetzen zu wollen. Auf diese Weise wird man Auswahlkriterien, die auf semantischen, grammatischen bzw. pragmatischen Faktoren basieren, wenn überhaupt, nur höchst unzureichend gerecht. Auf der anderen Seite hätte die Berücksichtigung solcher Faktoren freilich auch Folgen für die Auswahl des Grundwortschatzes: Die Schwerpunkte bei der Auswahl der Verben wären so gesehen mit Sicherheit anders zu setzen als bei den Präpositionen. Die Analyse der Untersuchungsschnittmenge sowie die statistische Auswertung der Teilmengen vermitteln ein freilich unvollständiges Bild davon, auf welche Weise v.a. Semantik und Syntax mit der Auswahl des Grundwortschatzes einhergehen und sich gegenseitig beeinflussen. Bei rein lexikalisch, 280 Der zentrale Wortschatz des Deutschen d.h. am ‘Wort’ ausgerichteten Grundwortschätzen werden diese Verflechtungen weitestgehend verschleiert und unreflektiert dem weiten Feld der Grammatik zugeordnet. Ähnliches gilt auch für die drei abschließenden Teilkapitel, in denen gezeigt wird, dass erst auf der Basis von Sememen tiefergehende Analysen durchgeführt werden können. Das im Zuge der übergeordneten statistischen Auswertung in diesem Teilkapitel teilweise bereits angewendete Verfahren, einzelne thematische Schwerpunkte zu setzen, ist im Folgenden maßgebend. 3.4.2 Stichproben-Analyse Betrachtet man das Resultat der nach Wortarten getrennten Untersuchungsschnittmenge (vgl. http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) als Stoffsammlung für weiterführende Analysen, so lassen sich unter Berücksichtigung ausgewählter Schwerpunkte verschiedene Akzente setzen. Anders als bisher tritt an die Stelle der Einzelanalyse eines jeden Semems im Rahmen der Detail-Analyse nun die thematische Stichprobenauswertung. Es geht also in gewissem Sinne um einen Vorführeffekt, der ein kleines Spektrum an Möglichkeiten aufzeigen soll, die das Material besonders hinsichtlich seiner Aufarbeitung etwa für den Fremdsprachenunterricht bietet. 3.4.2.1 Wortbildung „Im Gegensatz zur Grammatik ist die Wortbildung im Fremdsprachenunterricht bislang entweder völlig übergangen oder zumindest sehr vernachlässigt worden“ schreibt Kempter (1971, S. 87). Dieser Befund ist freilich schon einige Jahre alt, und seither hat sich das Bewusstsein erfreulicherweise gewandelt, und es gibt Ansätze, dem Prozess wie auch dem Ergebnis der Wortbildung mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Für das ‘Zertifikat’ beispielsweise wurde eine separate Wortbildungsliste (vgl. ‘Zertifikat’, S. 316ff.) erarbeitet, aber auch in Pfeffers ‘Dictionary’ und bei Kosaras (1980) sind Wortbildungselemente als eigene Lemmata verzeichnet (s.u.). Zumindest die Richtung scheint also vorgegeben, allein über den Weg herrscht noch keine Einigkeit. Die Wortschatzanalyse 281 Dass es grundsätzlich sinnvoll ist, die Wortbildung besonders im deutschen Fremdsprachenunterricht zu berücksichtigen, steht außer Frage, egal, ob man vorwiegend an der sprachrezeptiven Seite interessiert ist (vgl. Kempter 1971) bzw. die kreativ-produktive Seite in den Vordergrund stellt (vgl. Dreßl 1986) oder ob man für beide Seiten aufgeschlossen ist (vgl. Saxer 1991). Zudem spricht die Tatsache für sich, dass man die Wortbildung(selemente) in den oben angeführten Grundwortschätzen gesondert behandelt, z.T. wenigstens in Ansätzen. All diesen Überlegungen gemeinsam ist zunächst die Frage nach der Zähleinheit, d.h., was eigentlich als ‘Wort’-Einheit, aufzufassen ist, und was demgegenüber als Wort-Bildung bezeichnet werden kann, wo also die Grenze zu ziehen ist zwischen Lexikalisierung und Grammatikalisierung i.w.S (vgl. Lehmann 1989). Anders formuliert: Ein spezielles Problem im Umgang mit der Wortbildung ist die Lexikalisierung: Ableitungen und Zusammensetzungen, die sich sprachgeschichtlich früh gebildet haben und daher nicht mehr als solche, sondern als feste Bestandteile des Wortschatzes empfunden werden (z.B Jungfrau im Gegensatz zu Jungunternehmer, oder vergessen im Gegensatz zu verlegen) (Saxer 1991,8.58). Eine diachron begründete Grenzziehung scheidet aus nahe liegenden Gründen aus. Deshalb ist auch die potenzielle Segmentierbarkeit nur bedingt als Abgrenzungskriterium tauglich. Man vergleiche in diesem Zusammenhang etwa die Wortfamilie von ahd. heran, in die u.a. nhd. Wörter wie Geburt, Gebühr oder Gebärde über etliche Umwege zurückführ-b«/ ' 0 sind. Auf gegenwartssprachlicher Ebene ist ein Zusammenhang jedoch wohl kaum mehr herzustellen. Synchron müssen derartige Wörter folglich als Simplizia behandelt werden: die Wortbildungen sind lexikalisiert, im angeführten Beispiel ist die Wurzel heran (~ ‘tragen’) mitsamt ihren Ablaufstufen ausgestorben. Die Bildungen sind in der Gegenwartssprache nicht mehr durchsichtig, d.h. sie sind insofern nicht (mehr) motiviert, als sie durch Regeln zu erklären, durch Paraphrasen sinnvoll aufzulösen wären. 50 Das Muster Verb + -bar (ebenfalls Bestandteil der historischen Wortfamilie heran) ist auch heute noch produktiv und dient zur Bildung von Adjektiven, die passivisch oder aktivisch eine Möglichkeit zum Ausdruck bringen, etwa zurückführbar. ‘kann zurückgeführt werden’ oder brennbar, ‘kann brennen'. 282 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Abgesehen von diesem Musterbeispiel finden sich im Gesamtkorpus natürlich unzählige weitere Belege dafür, wie schwierig eine Unterscheidung zwischen (lexikalisiertem) Wort und Wortbildung sein kann. Zu Illustrationszwecken genügen stellvertretend einige Beispiele v.a. aus dem substantivischen Bereich. Hier könnten zunächst die in der Untersuchungsschnittmenge verzeichneten Wochentage genannt werden: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag sind offensichtlich reihenhaft, nach einem Muster gebildete Komposita. Sprachhistorisch sind diese Zusammensetzungen eindeutig zu erklären, auf synchroner Ebene mag dazu auch die Volksetymologie ihren Beitrag leisten. Ich jedoch halte es für zweckmäßiger, die Tagesbezeichnungen von vornherein als lexikalisierte Worteinheiten zu zählen. Nicht in der Untersuchungsschnittmenge vertreten sind: Bahnhof, Fahrrad, Fußball, Großmutter, Großvater, Motorrad. Auf den ersten Blick wird man diese Wörter bzw. Wortbildungen auch nicht vermissen, denn die einzelnen Bestandteile dieser Zusammensetzungen sind noch eindeutig zu segmentieren, zu erklären und kommen in der entsprechenden Form bis auf Rad und Ball in der Untersuchungsschnittmenge vor. Genauer betrachtet wird man jedoch erkennen, dass sich die Bedeutung dieser Komposita nicht unmittelbar aus der Summe der beiden Teilbedeutungen herleiten lässt und die Durchsichtigkeit der Bildung eingeschränkt ist: Ein Bahnhof ist jener Ort in einer Stadt, wo Züge (‘die Bahn’) halten und Fahrgäste ein- oder aussteigen; ein Fahrrad ist ein Fortbewegungsmittel mit zwei Rädern, das durch Muskelkraft angetrieben wird; beim Motorrad erledigt dies ein Motor, was natürlich bauliche Veränderungen zur Konsequenz hat; Fußball ist ein Spiel, das mit den Füßen und dem gleichnamigen Ball ausgetragen wird; die Großmutter bzw. der Großvater brauchen nicht ‘groß’ zu sein, sie sind jedoch älter als Mutter und Vater eines Kindes. Neben der Komposition in ihren verschiedenen Spielarten ist die Derivation das zweite, wichtige Mittel der Wortbildung im Substantivbereich. In ähnlicher Weise wie bei der Zusammensetzung stellt sich vorab die Frage nach der Bewertung. Bei Frühling, Nachbar, Zeitung u.Ä. liegt die Vermutung nahe, dass es sich in diesen Fällen auf Grund der Suffixendungen um Ablei- Die Wortschatzanalyse 283 tungen handelt. Zur eindeutigen Klärung müsste abermals die Etymologie herangezogen werden. Auf synchroner Ebene wird diesen Lemmata folglich eher der Status eines Wortes als einer Wortbildung einzuräumen sein. Darüber hinaus gibt es noch einen Zwischenbereich, in dem eine Entscheidung durch weitere Probleme erschwert wird. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwieweit ein deutlicher Ableitungszusammenhang tatsächlich auch allgemein und regelhaft zu fassen ist. Fälle wie Sprache sprechen oder Unterschied unterscheiden können eindeutig als deverbale Nullableitung mit i.d.R. historisch durch Ablaut erklärbarem Vokalwechsel beschrieben werden. Der Zusammenhang ist leicht erklärbar, nur lässt er sich kaum in einer musterhaften, v.a. allgemein gültigen Regel formulieren. Er wird deshalb stets explizit darzustellen sein. Fraglich ist weiter, wie etwa Beispiele zu handhaben sind, deren Ableitungscharakter zwar auf formaler Seite eindeutig, auf inhaltlicher jedoch nicht (mehr) ohne weiteres nachvollziehbar ist. Fälle wie Stelle stellen, Richtung richten (auf etw.) sind hier anzuführen. Obgleich regelhafte, gängige Muster angewendet werden können, ist das semantische Verhältnis von Basis und Ableitung von komplexer Natur, was zumeist durch abweichende Bedeutungsentwicklungen und polyseme Auffächerung erklärt werden kann. Stelle ist nicht nur der ‘Ort, wo man etwas hinstellt’, sondern auch die Kurzform für ‘Arbeits-Stelle’, die ‘An-Stellung’. Bei Letzterem ist eine vermeintliche Verbindung zu stellen sehr zweifelhaft. Das Wort bzw. Semem wäre daher besser nicht als Wortbildung aufzufassen. Die beliebig zusammengestellten Beispiele deuten die unterschiedlichen Fragestellungen bereits an, die es im Rahmen der synchronen (Grundwortschatz-)Lexikografie zu beachten gilt, wenn man die Wortbildung nicht von vornherein ausklammert. Eine endgültige und verbindliche Klärung dieser Fragen ist hier freilich kaum möglich, obgleich für die angestrebte Stichprobenauswertung zumindest eine Arbeitshypothese für die Unterscheidung Wort/ Semem vs. Wortbildung erforderlich ist. Doch welcher Ansatz vermag das Problem zumindest vorläufig zu lösen? Dem bisher angedeuteten Verfahren, eine Entscheidung auf der Basis vorhandener oder nicht vorhandener Motiviertheit zu treffen, steht Krohn eher 284 Der zentrale Wortschatz des Deutschen skeptisch gegenüber, allerdings muss einschränkend bedacht werden: Er bezieht sich lediglich auf das Muster der Zusammensetzung, das er mit dem Ziel einer homogenen Lemmatisierung zu definieren sucht, um die einheitliche Vergleichsbasis seiner Teilkorpora zu gewährleisten. Dabei kommt er zu dem Schluss: Ob im Rahmen eines Grundwortschatzes ein Kompositum ‘Lexikonkandidat' ist oder nicht, läßt sich mit dem groben Raster von Motiviertheit und Nichtmotiviertheit kaum entscheiden, nicht zuletzt weil auch noch andere Gründe eine Rolle spielen; etwa die Tatsache, daß unabhängig vom Motiviertheitsgrad bestimmte ad -hoc Komposita [sic! ] einem spezifischen Bezeichnungsbedürfnis entspringen, d.h. eine kollektiv oder individuell empfundene Bezeichnungslücke füllen und aus diesem Grunde aus diachroner Sicht ins Lexikon ‘drängen’ wie etwa Hausmann oder Frauenhaus. Gerade in solchen Fällen können Frequenzerhebungen wichtige Dienste leisten, denn die Häufigkeit des Vorkommens/ der Nennung bestimmter Komposita dürfte als Auswahlkriterium für die Aufnahme eines Kompositums ins Lexikon wesentlich zuverlässiger sein als die höchst unsichere Grenzziehung zwischen ‘Ad-hoc-Komposita’ und festgeprägten Fügungen (Krohn 1992, S. 155). Diese Kritik versucht Krohn zu untermauern, wenn er darauf hinweist, dass die muttersprachliche Perspektive bezüglich der Motiviertheit einer Zusammensetzung durchaus abweichen kann von der Perspektive der Fremdsprachenlernenden (vgl. ebd., S. 156). Von der anderen Seite her betrachtet lässt sich gerade aus diesem Umstand die Rechtfertigung herleiten, geeignete Wortbildungsmuster in den Grundwortschatz aufzunehmen und zu erklären. 51 In der Praxis stellt eine an der Frequenz ausgerichtete Definition von Komposita erhebliche, um nicht zu sagen kaum zu überwindende Anforderungen an die Empirie, vor allem bezüglich der Aktualität entsprechender Daten, obschon die Frequenz beim Aufspüren regelhafter Ableitungen und Präfigierungen sicherlich eine Hilfestellung bietet (s.u.). So kann auch erklärt wer- 51 Man sollte bedenken, dass die Komposition für den Grundwortschatz eine eher untergeordnete Rolle spielt. Hinzu kommen der geringe Grad an Vorhersagbarkeit der Bildungen sowie das Problem der Fugen u.v.m. (vgl. Ortner/ Müller-Bollhagen 1991). Die Vermittlung dieses Musters im Fremdsprachenunterricht hilft deshalb wohl in erster Linie, die rezeptiven Fähigkeiten zu steigern, von sprachproduzierender Seite her betrachtet setzt die Komposition fortgeschrittene Lernende voraus (vgl. Dreßl 1986). Die Wortschatzanalyse 285 den, weshalb Krohn schließlich zu einer Definition greift, bei der die Frequenz keine Rolle spielt: Wir zählen zu den Komposita nur solche Zusammensetzungen, in denen sowohl das Grundglied als freie Form/ produktives Morphem den Status eines autosemantischen Substantivlexems besitzt (zum Beispiel Geburtstag, Kühlschrank) als auch das Bestimmungsglied ein entsprechendes autosemantisches Substantiv-, Verb- oder Adjektivlexem darstellt (zum Beispiel Hochhaus, Frühjahr) (1992, S. 157). Die oben angeführten Beispiele Bahnhof, Fahrrad etc. wären demgemäß als Komposita einzustufen, wogegen wiederum die mangelnde Durchsichtigkeit bzw. Motiviertheit spricht. Einen eleganteren Lösungsversuch bietet Rettig an, indem er versucht, die Einheiten Wort und Lexem voneinander abzugrenzen und letztere semantisch und sprecherbezogen definiert: Nicht nur, was als semantisch fest angesehen werden kann, sondern alle Abschnitte der Sprechkette, die einem Sprecher oder Hörer vertraut sind, die ihm für den Sprachäußerungs- oder VerstehensVorgang als ganzes, als sprachliches Stereotyp zur Verfügung stehen, ihm ‘blockverfügbar’ sind, sind Grundeinheiten des Lexikons und werden hier als Lexeme bezeichnet (1989, S. 642). Dementsprechend umfasst die Klasse der Lexeme: „(a) Bestandteile eines Wortes (Präfixe, Suffixe, erste und zweite Elemente), (b) einzelne Wörter und (c) Sequenzen von Wörtern“ (ebd., S. 643). Aus dieser Definition ergeben sich zwei Konsequenzen: Wenn ... für Wortbildungen in der Sprache, in der sie gebildet wurden, oder in der Sprache, in die sie entlehnt wurden, die im Augenblick ihrer Kombination bestehende Mehrgliedrigkeit nicht andauert, so sind sie auch nicht nach dem Prinzip der Segmentalität zu beschreiben ... Wenn für komplexe Lexeme keine segmentale, sondern eine motivationelle Analyse adäquat ist, so ergibt sich daraus, daß die Eintragung eines Wortbildungselements wie -logie ins Wörterbuch weder zur Darstellung von Strukturzusammenhängen im lexikalischen Bestand geeignet ist noch die Eintragung der einzelnen Lexeme Anthropologie, Geologie, Gynäkologie ... ersparen kann, damit also nicht die oft diskutierte 'Entlastung' des Wörterbuchs bringt (ebd., S. 644). 286 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Auch Rettig hält mit seinem Vorschlag bis zu einem gewissen Grad am Kriterium der Motiviertheit fest, was letztendlich der ausschlaggebende Punkt zu sein scheint. Das Problem der Zähleinheit, also der Unterscheidung zwischen Wortbildung und Wort, d.h., was in Anlehnung an Rettig als Lexem zu verzeichnen wäre, ist hier nicht verbindlich und generell zu lösen. Fortan muss folglich in jedem Einzelfall entschieden werden, ob die Motiviertheit v.a. durch Paraphrasierung und musterhafte Regelbildung belegt oder durch Blockverfügbarkeit widerlegt werden kann. Der Ermessensspielraum wird dabei zugegebenermaßen mehr oder minder subjektiv beeinflusst, was m.E. allerdings kompensiert wird durch ein höheres Maß an Transparenz dieser Vorgehensweise, die, im Gegensatz zu einer allzu starren und formalistischen, in der Praxis handhabbar ist und den Zielvorgaben eher gerecht wird. Als Nächstes stellen sich die Fragen, welche Wortbildungstypen bzw. -muster überhaupt Eingang in den zentralen Bereich der Sprache gefunden haben, welche sich für die regelhafte Darstellung eignen, und wie eine solche Aufarbeitung aussehen könnte. Einer empirischen Auswertung der Untersuchungsschnittmenge zum Thema Wortbildung im Rahmen der Stichprobenanalyse steht die wenig überraschende Tatsache entgegen, dass im zentralen Bereich der Sprache das Spektrum an Wortbildungen, was Anzahl und Art betrifft, sehr überschaubar ist, da es sich ja um einen verhältnismäßig stabilen und allgemeinsprachlichen Ausschnitt handelt: Er beinhaltet vorrangig gewissermaßen die Grundbausteine. Sie bilden untereinander, oder mit Wortbildungselementen kombiniert eine Basis für den Ausbau des Wortschatzes. Vergegenwärtigt man sich zudem die semantische Funktion der Wortbildung, Nomination und Variation, (vgl. u.a. Dreßl 1986, S. 336; Drosdowski u.a. (Hg.) J 1995, § 751), wird klar, dass die Wortbildung vereinfacht gesagt häufig dazu dient, spezielleren Bezeichnungsbedürfnissen Ausdruck zu verleihen: So bezeichnet die Haustüre gegenüber der Türe die ‘Türe eines Hauses’ (nicht eines Autos, Zimmers etc.), erblühen betont gegenüber blühen eine (ichoative) Aktionsart usw. Man kann in diesem Zusammenhang auch die Bedeutungsverdichtung anführen, wenn man einer Wortbildung ein entsprechendes Syntagma zugrundelegt, aus dem sie mit oder ohne Affix abgeleitet wurde (gleichsam der umgekehrte Weg der Paraphrasierung), z.B.: ‘Jemand, der Die Wortschatzanalyse 287 (ein Auto, einen Bus) fährt’: Fahr-er, ‘Gegenstand, den ein Mensch erfindet’: Erfmd-ung usw. Die Beispiele zeigen, dass es sinnvoll ist, ausgehend von der Untersuchungsschnittmenge schließlich das Gesamtkorpus mit über 8000 Zähleinheiten vergleichend für die Stichprobenanalyse heranzuziehen. Um (über die Stichproben hinaus) ein besseres und repräsentativeres Bild vom Ausbau des Wortschatzes zu erhalten, verweise ich ausdrücklich auf die initialalphabetisch bzw. rückläufig-alphabetisch sortierten Listen der korpusindizierten, nicht monosemierten Lemmata des Gesamtkorpus vgl. http: / / www.idsmannheim. de/ lexik/ personal/ schnoerch. html). 5 “ Sieht man sich die Untersuchungsschnittmenge etwas genauer an, bestätigt sich die These, dass sich die überwiegende Mehrheit der Zähleinheiten entweder aus Simplizia zusammensetzt oder aus lexikalisierten, d.h. nicht mehr durchsichtigen Wortbildungen. Dennoch gehe ich zuerst den Fragen nach, ob bzw. welche auffälligen Muster Vorkommen, und ob sie ggf. auch für Lernende nachvollziehbar sind bzw. nachvollziehbar gemacht werden können. Im Bereich der Substantive finden sich für das Muster der Komposition tatsächlich nur wenige Kandidaten: Bürgermeister, Eisenbahn, Fernsehen, Flugzeug, Geburtstag, Handwerk, Haushalt, Jahrhundert, Kilometer, Krankenhaus, Landwirtschaft, Nachmittag, Rathaus, Rundfunk, Tatsache, Weihnachten. Lediglich Krankenhaus lässt die Motivation der Bildung noch relativ klar erkennen (‘Haus/ Gebäude, in dem Kranke und Verletzte behandelt werden’), wobei auch hier das Kriterium der ‘Blockverfügbarkeit’ im Vordergrund stehen dürfte. Im Falle von -zeug {Flugzeug) und -werk (Handwerk) ist der Übergang vom Grundmorphem zum Halbsuffix vollzogen (vgl. Wellmann 1975, S. 165f), bei den Wortbildungen handelt es sich folglich bereits um Ableitungen. Die Möglichkeit der Zusammensetzung ist in der untersuchten Teilmenge praktisch also nicht genutzt. Die automatische Reduzierung auf Wortformen wurde erschwert etwa durch substantivierte Infinitive, tatsächlich getrennt angeführte Homonyme u.Ä., d.h. Verb und substantivierter Infinitiv, sowie einzelne Homonyme wurden in manchen Fällen ebenso wie polyseme Wörter in nur einer Form zusammengefasst. Ebenso führten manche der verwendeten Sonderzeichen (z.B. der Bindestrich) möglicherweise zu leichten Verzerrungen. 288 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Was die Substantivableitung betrifft, wird man sogleich mit einem Problem konfrontiert: Das quantitativ dominierende Muster sind Bildungen vom Typ befehl-en —> Befehl, besitz-en —> Besitz, also deverbale Nullableitungen zur Bildung abstrakter Vorgangs- und Handlungsbezeichnungen oder konkreter Sachbezeichnungen (vgl. Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, § 920). Daneben gibt es Paare, wie Blut <— bluten, Film filmen u.a., die zwar formal gleich sind, bei denen jedoch die Ableitung in genau entgegengesetzter Richtung erfolgte), d.h., das (ältere) Substantiv ist die Basis für die Ableitung des (jüngeren) Verbs. Wie ist diese, eigentlich nur sprachhistorisch zu begründende Unterscheidung im gegebenen Kontext zu bewerten? In jeder historischen Grammatik spielt die Frage eine große Rolle, ob jeweils das Verb oder das Subst. den Ausgangspunkt gebildet hat. In synchronischer Kontextanalyse läßt sich nicht entscheiden, ob beispielsweise schlagen aus Schlag + Verbalisierungsmorphem (etwa: ‘einen Schlag führen’, ‘Schläge austeilen’) oder umgekehrt das Subst. aus schlagen entstanden ist. Die Tatsache, daß das Verb in der Regel zu einer stark flektierenden Klasse gehört und damit alt ist, spricht für die letztere Erklärung (Wellmann 1975, S. 229). Aus synchronischer Sicht - und diese Perspektive ist ausschlaggebend für einen didaktisch orientierten Grundwortschatz spielt die Ableitungsrichtung also eine untergeordnete Rolle. Da in der Gegenwartssprache eine deutliche Unterscheidung i.d.R. nicht mehr möglich ist und sich die Muster in komplementärer Weise ergänzen, ist es folglich zweckmäßig, die Ableitungsrichtung als zweitrangig zu betrachten und derartige Fälle in der Praxis ggf. unter einer allgemeinen Regel zu subsumieren. Das dürfte beim vorliegenden Muster jedoch schwierig werden, da sich auch heute noch die ursprüngliche Ableitungsrichtung auswirkt, „z.T. durch eine Vokal- oder Konsonantenaltemation zwischen Verb und [deverbalem] Substantiv“ (ebd., S. 230), z.B. unterscheiden - Unterschied, freuen - Freude aber auch durch umgelauteten Basisvokal bei denominalen Verben, z.B. Raum räumen. (vgl. Kühnhold/ Wellmann 1973, S. 24). Insgesamt lassen sich 57 Bildungen 51 dieser Gruppe zuordnen, das entspricht 12,8% der Substantivteilmenge; eine verbindliche Lemregel zu formulieren, 53 Auf Grund der angesprochenen Abgrenzungsproblematik von durchsichtigen und lexikalisierten Bildungen sind die Zahlen im Folgenden eher als Näherungswerte zu verstehen; da es mir aber in erster Linie darum geht, im Rahmen von Stichproben Tendenzen aufzuzeigen, dürften einzelne Zweifelsfälle kaum ins Gewicht fallen. Die Wortschatzanalyse 289 dürfte auf Grund der angedeuteten Ausnahmen schwer fallen doch dazu später. Häufig vertreten ist ebenfalls das Muster Verbstamm + -e, mit dem abstrakte Vorgangs- und Handlungsbezeichnungen aus Verben, abstrakte Eigenschaftsbezeichnungen aus Adjektiven und konkrete Sachbezeichnungen aus Verben abgeleitet werden (vgl. Drosdowski u.a. (Hg.) 2 1995, § 920). Diese Bildungen sind bis auf wenige Ausnahmen Feminina (vgl. Wellmann 1975, S. 58f. und S. 234f.) und können ebenfalls eine Stammaltemation aufweisen. In der Teilmenge sind 22 Bildungen dieses Typs vertreten, in der Mehrzahl deverbale nomina actionis, z.B. Rede, Frage, Hilfe {helfen) Lage (liegen) u.a., sowie wenige deadjektivische Nomina facti, z.B. Spitze. Auch bei diesem Muster ist die Formulierung einer allgemein verbindlichen Regel kaum möglich, da die Zusammenhänge für Lernende zu kompliziert und vielfach kaum zu durchschauen sein dürften: Ist Liebe abgeleitet von Verb lieben oder vom Adjektiv lieb, handelt es sich um eine Handlungsbzw. Vorgangsbezeichnung oder um eine Eigenschaftsbezeichnung? Erst das Genus zeigt, dass der Glaube nicht von glauben abgeleitet ist. Demgegenüber gibt es aber auch eine kleine Gruppe Maskulina, z.B. Erbe, Nachkomme werden Lernende nicht auch Jung-e in diese Reihe stellen? 21 Bildungen folgen dem im Deutschen hochfrequenten Muster Verbalstamm + -ung (Zeitung ist lexikalisiert und zählt infolgedessen nicht): Abteilung, Ausstellung, Bedeutung, Bevölkerung, Entwicklung, Erfahrung, Erinnerung, Führung, Hoffnung, Leitung, Leistung, Ordnung, Prüfung, Rechnung, Richtung, Stellung, Umgebung, Übung, Verbindung, Wohnung, Veranstaltung. Wellmann verzeichnet sieben Funktionsstände, deren Anteil sich nach hinten hin von 82,9% aller Bildungen mit -ung auf 0,4% verringert: Nomina actionis, Nomina qualitatis, Nomina facti, Nomina instrumenti, Nomina agentis, sekundäre Kollektiva vom Typ Be-IVer- + Verbal-/ Substantiv-Stamm + -ung, sowie Nomina locativa (vgl. 1975, S. 94). In Einzelfällen mag es zwar Schwierigkeiten geben, will man die jeweiligen Belege den Funktionsständen zuweisen: So kann z.B. das polyseme Wort Leitung als Nomen qualitatis, Nomen agentis oder Nomen instrumenti eingestuft werden. Sieht man aber davon ab, bzw. stellt man die Tatsache in den 290 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Vordergrund, dass Nomina-agentis-Bildungen ohnehin den weitaus größten Anteil ausmachen, so böte sich dieses Muster auch von der Formseite her durchaus für eine Lemregel an. Der Umstand, dass in einem durch Schnittmengenbildung gewonnenen Grundwortschatz lediglich bzw. immerhin elf Verben verzeichnet sind, welche die Basis für die entsprechenden Ableitungen bilden (bedeuten, entwickeln, führen, erinnern, erfahren, hoffen, leisten, leiten, rechnen, stellen, wohnen), ist mehr oder minder Zufall. In einem didaktisch aufbereiteten Grundwortschatz sollte man dieses Verhältnis in der einen oder anderen Richtung ausgleichen, d.h., es gerade nicht dem Zufall überlassen, zumal sich theoretisch aus insgesamt ca. 132 Verben der Teilmenge Substantive auf -ung ableiten ließen. Das Ableitungsmuster Substantiv + -er zur Bildung von Nomina agentis ist viermal genutzt: drei „Bildungen, die Personen danach bezeichnen, womit sie viel zu tun haben ...“: Arbeiter, Maler, Vertreter und eine Bildung, „die Personen nach einem (im Basiswort genannten) Zugehörigkeitsbzw. Herkunftsbereich“ (Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, §§ 905, 907) bezeichnet: Ausländer (neben Ausland). Neben den Mustern zur Ableitung von Substantiven aus Verben die zahlenmäßig überwiegen, fallen in der Teilmenge noch zwei kleinere Gruppen auf: Das Ableitungs-Muster Adjektiv + -heitl-keitl-igkeit mit immerhin sieben Belegen: Freiheit, Krankheit, Gelegenheit, Schwierigkeit, Tätigkeit, Möglichkeit, Wirklichkeit, allesamt Nomina qualitatis, sowie vier Konversionen vom Typ des substantivierten Infinitivs: Leben, Schaden, Essen, Kosten. Dieser Bestand an auffälligen Wortbildungen im Bereich der Substantive ist eher bescheiden, insbesondere vor dem Hintergrund einer didaktischen Umsetzbarkeit bzw. Aufbereitung: Einfache Wörter und nicht mehr durchsichtige Bildungen herrschen vor. In der Verb-Teilmenge ist das Verhältnis von teilweise auch lexikalisierten - ‘einfachen Wörtern’ und motivierten Wortbildungen weit weniger einseitig. Speziell der Zusatz von Präfixen und Halbpräfixen als Mittel der semantischen Abwandlung ist verhältnismäßig häufig genutzt. Die Wortschatzanalyse 291 Im Einzelnen setzt sich der Anteil von Modifikationsbildungen mit den gebräuchlichsten Präfixen wie folgt zusammen (die einzelnen Präfixe sind in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit in der Gesamtsprache angeordnet, nach Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, § 774, vgl. Schröder 1992): ver-: 22 Formen, davon 6 lexikalisierte (vergessen, verbessern, verlangen, verlieren, vermuten), be-: 24, davon 7 lexikalisiert (befreien, begegnen, beginnen, behaupten, beobachten, beschäftigen, bewegen), ent-: 4, davon 1 lexikalisiert (entdecken), er-: 13, davon 1 lexikalisiert (erlauben), insgesamt also 48 präfigierte Formen, das entspricht rund 17,5% der Verben in der Teilmenge. Das Präfix geist nicht mehr produktiv, die sechs verzeichneten Bildungen (gefallen, gehören, gelingen, geraten, geschehen, gewinnen) sind lexikalisiert und können daher nicht mitgezählt werden. Folgende Halbpräfixe bzw. Verbzusätze zwischen Halbpräfix und Kompositionsglied tragen zur semantischen Abwandlung bei (die Reihenfolge entspricht ebenfalls der von Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, §§ 781ff.): ab-: 2 Formen, aus-: 7 Formen, an-: 3 Formen, ein-: 7 Formen, auf-: 9 Formen; durch-: 1 Form, um-: 0 Formen, über-: 2 Formen, unter-: 5 Formen, wider-: 0 Formen, hinter-: 0 Formen; vor-: 2 Formen, nach-: 0 Formen, zu-: 2 Formen, bei-hnit-: 1 Form, wieder-: 1 Form, los-: 2 Formen, entgegen-: 0 Formen, zurecht-: 0 Formen, zu-: 2 Formen: insgesamt also 46 Formen, das entspricht 16,6% der Verben in der Teilmenge. Etwa ein Drittel der Verben in der Untersuchungsschnittmenge sind unter dem Strich als Wortbildungen eindeutig zu identifizieren wenngleich auch hier die Grenze zur Lexikalisierung mitunter fließend verläuft. Das Verhältnis von Wortmaterial und Wortbildungsmustern ist insgesamt wesentlich ökonomischer genutzt als etwa im Substantivbereich, d.h., mit wenigen Mustern kann letztlich ein größeres und auch modifizierteres Spektrum erschlossen werden. Aber auch hier darf man natürlich nicht vergessen, dass viele der Wortbildungsmittel mit mehr als einer Bedeutung bzw. Funktion verkommen (s.u.). Für den Kernbereich einer Wortart sind folglich nicht nur die vorhandenen Wörter ausschlaggebend, sondern auch die regelhaft auftretenden Wortbildungsstrukturen, die sie beeinflussen, bzw. die sich daraus herleiten lassen. Von formaler Seite sind die vorgestellten Muster der Modifikation eindeutig. 292 Der zentrale Wortschatz des Deutschen von inhaltlicher und grammatischer Seite her müssen hingegen Besonderheiten berücksichtigt werden: Die verwendeten (Halb-)Präfixe wandeln Verben i.d.R. nicht nach einem gleich bleibenden semantischen Muster ab, das reicht bis zu elf unterschiedlichen Funktionsständen bei ver- (vgl. Kühnhold/ Wellmann 1973, S. 151ff.). Mit der Modifikation kann ferner eine quantitative, bzw. qualitative Valenzänderung einhergehen (vgl. Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, §§ 765f.). Besondere Vorsicht ist für Lernende außerdem hinsichtlich der Trennbarkeit im Satzzusammenhang geboten, etwa bei Bildungen mit ab-, auf-, aus-, an-, ein-, und vor allem bei Bildungen mit den unbetont fest und betont unfest vorkommenden Halbpräfixen durch-, um-, über-, unter-, widersowie hinter-. Trotz dieser Schwierigkeiten sollte man die Mittel und Möglichkeiten der Modifikation in einem didaktisch ausgerichteten Grundwortschatz nicht gänzlich vernachlässigen. Weitere Argumente dafür liefert in Ansätzen bereits die Untersuchungsschnittmenge. In alphabetisch geordneten Wörterbüchern gehen allzu leicht Wortbildungszusammenhänge verloren, Wortfamilien werden häufig willkürlich getrennt, was sich freilich auf die Präfix(oid)-Bildungen niederschlägt und erst bei einer rückläufig-alphabetisch Sortierung offenkundig wird. So ist in der Untersuchungsschnittmenge neben kaufen auch verkaufen vertreten, neben sprechen auch versprechen, aussprechen, neben gehen auch weitergehen, vergehen, ausgehen, neben nehmen auch ab-, auf-, an-, unter- und zunehmen, neben zahlen auch bezahlen etc. (vgl. http: / / www.idsmannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html). Gerade die Zufälligkeit dieser Beispiele und vorkommenden Belege zeigt, dass auf diesem Wege systemhafte ‘Lücken’ aufgedeckt (so fehlt etwa einkaufen als zur Bezeichnung der reversiblen Grundperspektive zu verkaufen), und dass Redundanzen sichtbar werden können (zahlen und bezahlen kann man i.d.R. synonym verwenden), kurz: dass Zusammenhänge verloren gehen, etwaige Möglichkeiten des Wortschatzausbaus nicht transparent gemacht, und deshalb nicht erkannt werden (können). Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, über die Möglichkeiten derartiger Bildungen in einem didaktisch orientierten Grundwortschatz systematisch zu informieren, und diese folgerichtig in der Darstellung zu berücksichtigen. Die Wortschatzanalyse 293 Im Adjektivbereich dominiert wiederum die Ableitung durch (Halb-) Suffixe. Drei Typen sind herauszustellen: 23 Bildungen mit -ig (13,7%), 54 24 Bildungen mit -lieh (14,3%) und 5 Bildungen mit -isch (3,0%). Dabei wird man eine geringe Anzahl von Bildungen jedoch als lexikalisiert zu betrachten haben, z.B. selbstständig, selbstverständlich. Bei -ig kann man 24 Funktionsstände, bei -lieh 21, bei -isch immerhin noch 13 unterscheiden (vgl. Kühnhold/ Putzer/ Wellmann 1978, S. 103ff.). Bei allen drei Suffixen herrschen Funktionsstände mit substantivischer Ableitungsbasis vor, gefolgt von solchen mit verbaler; bei -ig können aber auch Adjektive, Adverbien und Pronomina als Basis fungieren. Bei Bildungen mit -lieh werden 70% der umlautfähigen Basen umgelautet, bei Bildungen mit -ig 40% und bei Bildungen mit -isch 15%. (vgl. ebd., S. 50). Ca. ein Drittel der Adjektive in der Untersuchungsschnittmenge ist also mit lediglich drei Suffixen gebildet. Vor allem deren ausgeprägte Differenzierung verbietet es streng genommen, von lediglich drei Mustern zu sprechen. Es wäre demnach nötig, im Rahmen eines didaktisch ausgerichteten Grundwortschatzes die jeweils unterschiedenen Funktionsstände dahingehend zu überprüfen, ob sie geeignet sind, als Lemregel formuliert und im Grundwortschatz entsprechend berücksichtigt zu werden. Auf die Frage, welche Funktionsstände evtl, in Frage kämen, gibt die Untersuchungsschnittmenge keine Antwort. Die zahlenmäßige Verteilung lässt kaum aussagekräftige Tendenzen erkennen. Methodisch gesehen habe ich bisher versucht, von der Untersuchungsschnittmenge ausgehend einige Wortbildungstendenzen aufzudecken. Im Folgenden ändere ich jetzt aber die Blickrichtung und schlage genau den entgegengesetzten Weg ein: Ich werde einzelne Analyseschwerpunkte auswählen, denen ich dann im Gesamt-Korpus nachgehe. Es war bereits zu sehen, dass im zentralen Substantivbereich so gut wie keine ‘echten’ Komposita belegt sind. Wie aber verhält es sich mit den Zusammensetzungen im Gesamtkorpus? 54 -ig dient darüber hinaus in vielen Fällen der Zusammenbildung, also der Ableitung aus einer Wortgruppe, z.B. viersitzig(er Wagen) = ‘Wagen, der vier Sitze hat’ (vgl. u.a. Kempter 1971, S. 88ff.). 294 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Um davon einen Eindruck zu bekommen, habe ich die Buchstaben A bis G, d.h. mehr als ein Drittel der Zähleinheiten, überprüft und im Substantivbereich insgesamt rund 280 Formen (ca. 9%) gezählt. Die überwiegende Mehrheit der Komposita, ca. 230 Bildungen, ist in lediglich einem Korpus enthalten; ca. 26 Zusammensetzungen werden in zwei Korpora verzeichnet. Dieses Ergebnis wird dann verständlich, wenn man sich nochmals vor Augen führt, dass vor allem durch den sehr häufigen Typ des Determinativkompositums eine spezifizierende Bezeichnungsfunktion ausgedrückt wird. Korpus- und themenbedingte Schwerpunkte wirken sich daher verstärkt auf diese Weise aus. Besonders in den (Frequenz-)Korpora FdZ, HGS und KW spiegeln die Komposita die Korpusbasiertheit wider, was anhand einiger Beispiele illustriert werden kann: Nur im zeitungssprachlichen Korpus des FdZ von Rosengren (= R) belegt sind Formen wie: Arbeitsamt, Arbeitsdienst, Arbeitsgemeinschaft, Arbeitsgruppe, Arbeitskreis, Arbeitsplatz, Arbeitszeit, Atomsperrvertrag, Atomwaffe, Aufsichtsrat, Bundesaußenminister, Bundesbahn, Bundesbank (und 23 weitere Zusammensetzungen mit Bundes-, wobei Bundestag als lexikalisiert zu betrachten wäre), Datenverarbeitung, Deutschlandpolitik, Entwicklungshilfe, Entwicklungsland, Eventualhaushalt, Finanzlage, Finanzminister, Finanzplanung, Finanzpolitik, Finanzreform, Gesetzentwurf u.a. Nur im sprechsprachlichen, regional-gefärbten Wortschatz des HGS von Ruoff (= G) belegt sind Formen wie: Armeekorps, Bauernbub, Bauernhaus, Bauernhof Bauernverband, Bierzelt, Braugerste, Dampfofen, Dienstmädlein, Dreifelderwirtschaft, Dreschmaschine, Erdäpfel, Erbiren, Ersatzbataillon, Fasnethut, Frankreichfeldzug, Gemeindepfleger, Gemeinderat, Gemeindewald, Gemüsebau u.a. Nur im kindersprachlichen Wortschatz des KW von Augst (= a) belegt sind Formen wie: Angsthase (‘jmd., der Angst hat wie ein Hase’), Apfelsaft, Bauchweh, Bilderbuch, Buntstift, Eisbär, Fensterscheibe u.a. Die Wortschatzanalyse 295 Die Beispiele zeigen, wie stark Zusammensetzungen das (thematische) Wortschatzprofil eines Korpus prägen können. Von daher verwundert es auch nicht, dass die Häufigkeit von Komposita mit zunehmender Schnittmengenbildung rapide abnimmt. Eine Reihe von Beispielen belegt allerdings auch, dass dies nicht zwangsläufig der Fall sein muss. Solche Komposita sind von weiterführendem Interesse. Das Bauprinzip ist sieht man vom Problem der Fuge(n) ab einfach zu verstehen und leicht zu vermitteln. Es stellt sich folglich die Frage, ob es überhaupt nötig ist, Komposita vom Typ Badezimmer, Badewanne (immerhin in zwei Korpora vertreten) eigens zu lemmatisieren, oder umgekehrt: Inwieweit wäre es möglich, sie systemhaft aufzubereiten? Auf diesem Weg würde ein Grundwortschatz nicht unnötig aufgebläht und es könnten daneben v.a. mehr oder minder zufällige Lücken vermieden werden. Weshalb ‘fehlen’ beispielsweise Bademantel, Badehose etc.? Wäre es weiterhin prinzipiell möglich, eine Darstellungsweise zu finden, die gewährleistet, dass Lernenden solche Wörter durch Analogie wenigstens rezeptiv erschließbar sind? Unter den Substantiven der Untersuchungsschnittmenge waren immerhin vier Nomina-agentis-Bildungen auf -er. Ich will dies zum Anlass nehmen, die abgeleiteten Personenbezeichnungen im gesamten Korpus noch etwas näher zu betrachten. Ich werde nicht alle von Wellmann (1975, bes. S. 337ff.) unterschiedenen Ableitungstypen und -Varianten berücksichtigen, sondern mich im Wesentlichen auf das Suffix -er beschränken, das mit 70% das häufigste Ableitungsmittel von Nomina agentis ist (vgl. ebd., S. 372). In seiner Funktion, Personenbezeichnungen aus Verben abzuleiten, kommt es in 67,8% der Fälle vor; sein Anteil an der Ableitung aus Substantiven beträgt 8,6% (vgl. ebd., S 62f). Der Anteil der anderen beteiligten heimischen Suffixe ist demnach verhältnismäßig gering (vgl. ebd., S. 372, vgl. auch Theissen u.a. 1992). In der rückläufig-alphabetisch sortierten Liste des Gesamtmaterials (vgl. http: / / www.ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) zählt man insgesamt 588 auf -er ausgehende Lemmata. Dabei handelt es sich natürlich nicht in allen Fällen um Ableitungen (von Personenbezeichnungen). An diesem auffälligen Beispiel lässt sich jedoch ein für den Fremdsprachenunterricht bislang häufig unterschätzes Problem aufzeigen, so „wird in der Regel dem Problem der Formgleichheit von Wortbildungselementen 296 Der zentrale Wortschatz des Deutschen (etwa Suffixen) und Monemausgängen kaum Rechnung getragen“ (Wegera 1997, S. 27). Für Lernende ist es demzufolge mitunter schwierig, auf den ersten Blick zu erkennen, ob es sich bei -er um einen Monemausgang (z.B. in Kammer, Leber) handelt, um ein Flexionsmorphem i.w.S. bei Adjektiven {z.B. jeder, länger, ältester), um ein Flexionsmorphem bei Substantiven zur Pluralbildung {Kleider, Wörter), um das Wortbildungsmorphem -er in einem seiner verschiedenen Funktionsstände oder um die Endung von Suffixen wie -ner (z.B. Redner) -ler (z.B. Sportler) -iker (z.B Akademiker aber: Mechanik-er). Immerhin mehr als die Hälfte aller Lemmata auf -er in der Gesamtliste sind letztlich nicht als Ableitungen mit dem Suffix -er zu werten. Bei den ‘echten’ Ableitungen -er überwiegt die Zahl der Personenbezeichnungen bei Weitem mit ca. 145 Bildungen: Das deverbale Muster, um Träger eines Geschehens, ggf. auch Berufsbezeichnungen abzuleiten, ist reihenhaft mit über 90 Belegen vorhanden, z.B. Hörer = ‘jmd., der etw. hört’, Politiker = ‘jmd., der Politik betreibt’, Verkäufer = ‘jmd., der etw. verkauft’ (mit Umlaut). Ca. 35 Bildungen, die Personen nach ihrem Tätigkeits- oder Herkunftsbereich bezeichnen, sind vor allem durch die beiden denominalen Muster vertreten z.B. Handwerker = ‘jmd., der ein Handwerk ausübt’; Ausländer = ‘jmd., der aus dem Ausland stammt’. Hinzu kommen noch neun Zusammenbildungen, die Personen bezeichnen: Arbeitgeber, Gesetzgeber, Buchbinder, Fußgänger, Schuhmacher, Holzmacher, Arbeitnehmer, Steinhauer, Holzhauer. Die Zahl der davon abzugrenzenden Gerätebezeichnungen aus Verben umfasst immerhin ca. 40 Bildungen. Nimmt man den Fremdsprachenunterricht zum Maßstab, so stößt man bei genauerer Betrachtung der Ableitungen von Personenbezeichnungen mit dem Suffix -er auf zahlreiche Zweifelsfälle, die im Einzelnen zu diskutieren wären, z.B.: Kann man Partner als Lehnwort miteinbeziehen? Sind Bauer, Einwohner, Förster, Inhaber, Maurer, Schriftsteller u.a. schon als lexikalisiert zu betrachten, und ist letztere Form womöglich als Basis für das Verb schriftsteilem aufzufassen? Ferner gibt es noch Fälle wie Alter, Junger, Evangelischer, Katholischer, Einheimischer, Badischer usw., die nicht in die Ableitungsschemata passen, sondern eigentlich als substantivierte Adjektive zur Bezeichnung von Personen aufzufassen sind. Die Wortschatzanalyse 297 Am Beispiel Hörer wird ersichtlich, dass der zweithäufigste Gebrauch des Suffixes -er, zur Ableitung von Nomina instrumentalis (10,2% seines Anteils, nach Wellmann 1975, S. 62f.) mitunter auch zu Doppeldeutigkeiten führen kann: Hörer] = ‘jmd., der etw. (z.B. eine Vorlesung) hört’ vs. Hörer 2 = ‘etw., mit dem ein Gespräch gehört wird’ (= Schwanzform von Telefonhörer). Die vielschichtigen Verhältnisse bei der Ableitung von Personenbezeichnungen mit dem Suffix -er konnten hier nur angedeutet werden, wobei Konkurrenzformen weitestgehend außer Acht gelassen wurden. Allein schon die Probleme bei der Auswertung in diesem Bereich vermitteln jedoch einen Eindruck davon, wie schwierig es sein kann, hier für die Lernenden verbindliche, rein synchronisch ausgerichtete (Lem-)Regeln zu formulieren. Es stellt sich die Frage, ob hierfür überhaupt eine Notwendigkeit besteht, da die Mehrzahl der Ableitungen ohnehin mehr oder minder korpusspezifisch ist. Doch gerade dieser Befund legt es nahe, den Lernenden das vorgestellte Muster der regelhaften deverbalen und desubstantivischen Ableitung von Personenbezeichnungen zugänglich zu machen, um so v.a. die rezeptiven Fertigkeiten hinsichtlich der Wortschatzerschließung zu steigern. Es ist anzunehmen, dass die Verhältisse bei anderen hochfrequenten substantivischen Ableitungen bzw. Ableitungstypen im Gesamtkorpus (u.a. mit den Suffixen -ung, -{ig)keitl-heit) ähnlich komplex sind. Einfacher strukturiert sind demgegenüber zwei Typen der semantischen Abwandlung: die Movierung und die Diminutivbildung. Bildungen dieser Art sind im Gesamtkorpus kaum vertreten. Ihnen liegt jedoch ein verhältnismäßig simples Ableitungsmuster zu Grunde, dessen Kenntnis die Lemmatisierung der entsprechenden Formen genau genommen überflüssig macht; ein Verweis auf das Muster würde genügen. An der Ableitung femininer Personenbezeichnungen zu bzw. aus maskulinen ist in den meisten Fällen das Suffix -in beteiligt. 55 55 Zu weiteren, auch, nicht heimischen Suffixen, die an der Movierung beteiligt sind, vgl. u.a. Wellmann (1975, bes. S. 107ff.) und allgemein: Doleschal (1992). 298 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Folgende movierte Formen sind im Gesamtkorpus bzw. in den angeführten Einzelkorpora vertreten (in Klammern ist die Belegung der korrespondierenden männlichen Personenbezeichnung angegeben): Bäuerin G (aGkpRSz), Chefin a (aGKpRSz), Enkelin p (p), Freundin Gp (aGKpRSz), Gattin K (KP), Kameradin K (GK), Köchin G (aGK), Königin aR (aGKpRSz), Kossygin R (-), Kundin p (GKpRSz), Lehrerin Gp, (aGKpRSz) Meisterin G (GKpRSz), Nachbarin G (aGKpRSz), Partnerin G (pRz), Prinzessin a (apR), Schwägerin G (G), Sekretärin z (-). Vergleicht man die Verteilung der Belege auf die Korpora, so wird das Missverhältnis zwischen den femininen Formen gegenüber den entsprechenden maskulinen offenkundig. Diese Ungleichheit wird noch deutlicher, wenn man sich die vielen männlichen Personenbezeichnungen auf -er vergegenwärtigt (s.o.), zu denen keine feminine Form angegeben wird. Im Hinblick auf anzustrebende Ausgewogenheit und Gleichstellung würde sich bei einem Grundwortschatz in diesen Fällen ein einfacher Hinweis auf die Wortbildungsregel anbieten. Zur Gruppe der in einem Wörterbuch regelhaft darstellbaren semantischen Abwandlungen zählen auch die Diminutivbildungen auf -chen und -lein. Diese Muster scheinen für den zentralen Wortschatz zwar von untergeordneter Bedeutung zu sein, ein Blick auf die Herkunft der im Gesamtkorpus belegten Formen zeigt jedoch zwei nicht unwesentliche Tendenzen auf. Echte Diminutiva - und dazu zähle ich natürlich nicht lexikalisierte Formen wie Brötchen, Eichhörnchen, Hähnchen, Märchen, Päckchen, Plätzchen oder Fräulein sind nur in den beiden sprechsprachlichen Korpora belegt. Auffällig ist, dass im KW von Augst die Ableitungen auf -chen dominieren: Stäbchen, Körbchen, Männchen, Pünktchen, Brettchen, Hütchen, im HGS von Ruoff die Ableitungen auf -lein: Weiblein, Kälblein, Körblein, Büblein, Fädlein, Mädlein, Kindsmädlein, Dienstmädlein, Rädlein, Spinnrädlein, Liedlein, Kleidlein, Narrenkleidlein, Rindlein, Füdlein, Enkelein, Viertelein, Knöpflein, Häuflein, Wäglein, Schöchlein, Fläschlein, Büschlein, Büchlein, Küchlein, Sprüchlein, Päcklein, Säcklein, Theaterstücklein, Bänklein, Märklein, Bäumlein, Männlein, Tännlein, Pärlein, Beerlein, Becherlein, Tierlein, Die Wortschatzanalyse 299 Bäuerlein, Bäslein, Gläslein, Fässlein, Gässlein, Häuslein, Städtlein, Geschichtlern, Festlein, Nestlein, Blättlein, Gutlein, Säulein, Pflänzlein. Die vielen Belege auf -lein brauchen dabei nicht zu überraschen: „Das Suffix -lein ist ursprünglich oberdeutsch“ (Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, § 859), der Sprachraum, in dem Ruoff seine Korpuserhebungen durchgeführt hat (vgl. Kap. 2.3 in dieser Arbeit); "-chen ist heute die (überregional) am häufigsten gebrauchte Diminutivendung“ (ebd., vgl. auch Theissen u.a. 1992), und sie könnte i.d.R. ohne Bedeutungsveränderung an Stelle von -lein treten. Die Tendenz, in regionaler wie überregionaler Sprechsprache verstärkt Diminutiva zu bilden, kann im kommunikativ-pragmatisch orientierten Fremdsprachenunterricht durchaus thematisiert werden, zumal es nicht nur um eine Bedeutungsabstufung im Sinne von ‘klein’ [geht], die der Begriff diminutiv nahelegt, sondern zugleich um den Ausdruck einer Einstellung, persönlichen Beziehung oder Einschätzung als ‘bekannt’, ‘vertraut’ o.ä., wodurch viele Bildungen eine emotionale Bewertung erfahren (ebd.). Die gezielte Auswahl von Wortbildungsmustem für Grundwortschätze trägt nicht nur dazu bei, die passive und aktive Kompetenz von Lernenden zu erhöhen und Einblicke in die Systemhaftigkeit zu gewähren, sie vermag ggf. auch Lernprozesse ökonomischer zu gestalten. Wegera (1997) hat untersucht, welche Suffixe, gemessen an ihrer Vorkommenshäufigkeit im Grundwortschatz, es erlauben, Lemregeln bezüglich der suffixbedingten Genuszuweisung abzuleiten (s.u.). Es ist hierbei zunächst zweitrangig, ob Bildungen mit den in Tabelle 35 angegebenen Suffixen sychnronisch noch durchsichtig sind oder nicht, d.h., die angegebenen Zahlen beziehen sich auf alle Lemmata des Gesamtkorpus mit den entsprechenden Endungen. 300 Der zentrale Wortschatz des Deutschen feminin maskulin neutral -ung (335) -lerl-ner (10) -chenl-lein (69) -heit! ~(ig)keit (50) -ling (5) -tum (4) (aber: der Reichtum) -in (17) -Schaft (36) -ei(18) -(t)ion (62) -{is)mus (8) -(i)um (19) -ik (28) -ist (10) -ma (7) -tät (13) ~(t)or (14) -ment (13) (aber: der Moment) -in(e) (15) -eur (4) -ur (9) (aber: das Abitur) -ie (34) -ade (7) -ette (8) -entl-ant (16) Tab. 34: Suffixe, bei denen es sinvoll ist, Lernregeln bezüglich der suffixbedingten Genuszuweisung im Grundwortschatz abzuleiten (nach Wegera 1997, S. 85; die Zahlen geben die Belege in meinem Gesamtkorpus an) Hier beende ich mit einem vorläufigen Fazit die Stichprobenanalyse zur Wortbildungsstruktur der Substantive im Gesamtkorpus und innerhalb seiner Teilmengen: Es kommt ganz allgemein im Bereich der (substantivischen) Wortbildung weniger darauf an, das Fehlen einzelner Basen, Ableitungen oder Komposita zu kommentieren, sondern vor allem darauf, Tendenzen nachzugehen und einzelne Muster zu analysieren, die geeignet erscheinen, als solche stärker berücksichtigt zu werden: Sie müssten hierzu die Kriterien der Frequenz, der Regelhaftigkeit und der Transparenz erfüllen. Dieses Vorgehen hätte letztlich Konsequenzen für die Wortschatzauswahl und somit für die Mikrostruktur und den Gesamtaufbau eines Grundwortschatz-Wörterbuchs, das dann den Wortbildungszusammenhängen stärker Rechnung tragen würde. Die Wortschatzanalyse 301 Nach dieser Zwischenbilanz wende ich mich dem Verbwortschatz zu und knüpfe dabei an die Beobachtung an, dass in der Untersuchungsschnittmenge die Mittel der semantischen Abwandlung durch (Halb-)Präfixe sowie der Partikel-Komposition 56 häufig genutzt werden. Das lässt sich auch anhand einiger (Fort-)Bewegungsverben im Gesamtkorpus illustrieren. Neben dem Grundverb kommen sind im Gesamtkorpus 54 abgeleitete bzw. zusammengesetzte Formen zu finden, neben gehen weitere 54, neben fahren weitere 31, neben laufen weitere 23. Hinzu kommt noch eine zweite, zahlenmäßig jedoch abgesetzte Gruppe: bei steigen sind sechs zusätzliche Bildungen verzeichnet {hinauf-, um-, an-, ein-, über-, aus-), bei rennen zwei {nach-, herum-), bei fliegen drei {ab-, weg-, an-) bei reisen eine (ver-), bei wandern und schwimmen keine. Ein Grenzfall ist treten: Dieses Simplex wird eigentlich erst in Bildungen wie ein-treten (GKpRS) zu einem Fortbewegungsverb. Diesen und ähnliche Fälle habe ich nicht berücksichtigt. In der Hauptgruppe wird die Bandbreite der ‘Abwandlungen’ verhältnismäßig gut ausgeschöpft. Sie reicht von bereits lexikalisierten Bildungen (z.B. be-kommen, ein-gehen, er-fahren) bis hin zu den verschiedenen Arten der Modifikation, die etwa zeitliche (z.B. los-fahren, -gehen), vor allem aber räumliche Differenzierungen zum Ausdruck bringen. Der zuletzt genannte Bereich ist aus nahe liegenden Gründen bei den Bewegungsverben am stärksten ausgebaut. Sieht man von den lexikalisierten Formen ab, so findet man in erster Linie raum- und richtungsbezogene Differenzierungen, durch Kombination mit (Halb-)Präfixen und Partikeln, die meisten sogar reihenhaft, z.B.: durch-fahren (G), durch-gehen (G), durch-kommen (GKp), durch-laufen (G); fort-fahren {G), fort-gehen {G), fort-kommen (G); her-fahren (G), her-gehen (G), her-kommen (aGp), her-laufen (G); hin-fahren (Gp), hin-gehen (aGp), hin-kommen (aGp); 56 Zu ausgewählten Aspekten dieses Wortbildungstyps vgl. auch: Schröder (1992), Olsen (1995), Latzei (1997). 302 Der zentrale Wortschatz des Deutschen herein-fahren (G), herein-gehen (aG), herein-kommen (aGp), hereinlaufen (G); heraus-fahren (G), heraus-gehen (aG), heraus-kommen (aGpR), herauslaufen (G) usw. Auffallend ist, dass die Reihen i.d.R. nur in Ruoffs HGS (G) durchgängig verzeichnet werden und im Grundwortschatz von Kosaras (K) oder im ‘Dictionary’ von Pfeffer (p) nur vereinzelte Belege Vorkommen. Vom ‘Dictionary’ ausgehend bietet sich eine mögliche Erklärung an: Pfeffer lemmatisiert eine Fülle von Partikelkonstituenten. Zu deren Bedeutungserklärung gibt er dann u.a. in einem Beispielsatz die ‘Kompositionsbedeutung’ an, zu heretwa: Sie will morgen herkommen. Die Zusammensetzung her-kommen ist darüber hinaus auch eigens lemmatisiert. Eine Bedeutung von herabwird durch den Satz Will sie nicht herabkommen! umschrieben, herabkommen hingegen ist nicht als eigenes Stichwort belegt. Das grundsätzliche Problem dürfte klar geworden sein: Hier stellt sich besonders deutlich die Frage, ob man ein relativ häufiges und zugleich simples Wortbildungsmuster explizit erfasst oder danach strebt, möglichst alle daraus hervorgegangenen Endprodukte (= Zähleinheiten) aufzunehmen. Sie wird von Pfeffer teilweise beantwortet, der diesbezüglich einen Mittelweg einschlägt. Im Gegensatz zu Pfeffer ist Kosaras bei der Berücksichtigung von Wortbildungsmustem in seinem Grundwortschatz-Wörterbuch wesentlich konsequenter. Er verzeichnet eine Fülle von reihenhaft produktiven Wortbildungselementen, meist als eigene Lemmata, z.T. eigens abgehoben in der Artikelstruktur 57 (lediglich ein Teil davon findet sich eigens abgehoben auch bei Pfeffer, wie die Angaben in Klammem verdeutlichen): trennbar: ab- (p), an-, auf-, aus-, ein-, fest-, fort-, her- (p), herab- (p), herauf- (p), heraus- (p), herein- (p), herum- (p), herunter- (p), hervor- (p), hin- (p), hinab- (p), hinauf- (p), hinaus- (p), hinein- (p), hinüber-. 57 Im Interpretament finden sich des Weiteren häufig Informationen über Mittel und Möglichkeiten der Wortbildung bei lemmatisierten Substantiven und Adjektiven, z.B. Ober- {Oberbürgermeister), Rück- (Rücksitz), Obst (Obstbaum), Öl (Heizöl, Maschinenöl, Ölheizung, Ölleitung), Partei (Parteibuch), roh (Rohbau), rot (blutrot, feuerrot), -un 1. ‘das Gegenteil ausdrückend’ (unabhängig, Unglück), 2. ‘eine Verstärkung ausdrückend’ (Unmasse) (vgl. Kosaras 1980). Die Wortschatzanalyse 303 hinunter-, nach- (p), nieder- (p), vor-, voran-, voraus- (p), vorbei- (p), vorüber-, weg- (p), weiter- (p), wieder-, zu-, zurück-, zusammen--, trennbar, wenn betont; untrennbar, wenn unbetont: durch-, über-, um-, unter--, untrennbar: miss- (vgl. Kosaras 1980). Der zentrale VerbWortschatz wird zum einen durch ‘produktive Basen’ ausgebaut, was am Beispiel von kommen, gehen, laufen und fahren gezeigt wurde, also Verben, die reihenhaft in Wortbildungsprozesse eingehen. Einen entscheidenden Beitrag dazu leisten natürlich die Partikel-Konstituenten und (Halb-)Präfixe. Im Gesamtmaterial sind 68 Verben mit dem Halbpräfix aufbelegt, wovon immerhin 23 in drei und mehr Korpora verkommen, bei absind es 64 Verben, wovon 16 in drei und mehr Korpora Vorkommen. Auf den ersten Blick erscheinen diese Zahlen vergleichsweise hoch, bei näherer Betrachtung werden sie jedoch durch die Tatsache relativiert, dass es sich in beiden Fällen nicht um jeweils ein semantisch homogenes Muster handelt, was auch von dieser Seite her die etwaige Formulierung einfacher Regeln beeinträchtigt. So haben Kühnhold/ Wellmann für abinsgesamt fünf Funktionsstände ermittelt, die drei häufigsten sind: Zu 61,2% wird in der Gesamtsprache ein ‘Entfernen’ signalisiert, zu 27,9% die ‘vollständige Durchführung bzw. der Abschluss’, zu 4,3% eine ‘Abwärtsbewegung’ (vgl. 1973, S. 145). Bei aufwerden insgesamt neun Funktionsgruppen unterschieden, die drei häufigsten sind: In 33,4% der Fälle wird eine ‘Aufwärtsbewegung’ signalisiert, in 24,1% das ‘Zustandekommen bzw. die Herstellung eines Kontaktes’, in 15,1% ein ‘Öffnen’ (vgl. ebd., S. 146). Innerhalb dieser noch etwas weiter gefassten Kategorien ist dann eine Reihe von speziellen Typen zu unterscheiden (vgl. beispielsweise ebd., S. 21 lf. zu ab- = ‘Entfernen’). Die Komplexität dieser und anderer Muster wird zusätzlich durch Konkurrenzformen erhöht (vgl. beispielsweise ebd., S. 222 aus-, ent-, ver-, erzu ab- = ‘Entfernen’). Die angeführten Zahlen vermitteln den Eindruck, dass sich bei (Halb-)Präfixen im Zuge einer weiteren Aufteilung nach Funktionsständen häufigkeitsbedingte Schwerpunkte bestimmen lassen. Von daher ließe sich das Spekt- 304 Der zentrale Wortschatz des Deutschen rum häufigkeitsorientiert auch wieder einschränken. Man sollte allerdings nicht den voreiligen Schluss ziehen, dass ausschließlich die höherfrequenten Funktionsstände bis in den zentralen Wortschatz Vordringen. Die mit ab- und aufbelegten Formen decken insgesamt eine verhältnismäßig breite Palette ab. Im Falle von abüberwiegt bei jenen Verben, die in drei und mehr Korpora belegt sind, noch die Bedeutung ‘Entfernen’: ab-bauen, ab-brechen, abgeben, ab-fahren, ab-hängen, ab-holen, ab-nehmen, usw.; ab-trocknen tendiert schon leicht in Richtung des intensivierenden Gebrauchs, dem abschließen zuzuordnen wäre. In der Gruppe aller mit abgebildeten Verben im Gesamtkorpus fächert sich der Bestand jedoch auf: in ab-stürzen und abseilen beispielsweise wird eine ‘Abwärtsbewegung’ signalisiert, in abbrennen und ab-kühlen ein ‘vollständiger Abschluss’, also eine Aktionsart, in ab-schreiben und ab-zeichnen eine ‘Nachahmung’, hinzu kommen noch Formen, wie etwa ab-sehen, die wohl schon als lexikalisiert betrachtet werden müssten. Bei aufist die Bandbreite bereits in der Gruppe der Verben, die in drei und mehr Korpora belegt sind, relativ hoch: eine ‘Aufwärtsbewegung’ signalisieren z.B. auf-nehmen, auf-setzen, auf-stehen, auf-stellen, ein ‘Zustandekommen bzw. die Herstellung eines Kontaktes’ auf-fallen, auf-fangen, ein ‘Öffnen’ auf-gehen und auf-machen, einen ‘Beginn’ auf-gehen, einen ‘Zielzustand’ auf-wachen, und ob bei auf-schreiben eine ‘Intensivierung’ im Vordergrund steht oder das ‘Hinüberführen in einen neuen (besseren) Zustand’, wie bei auf-räumen, braucht hier nicht entschieden zu werden. Lexikalisierte Formen z.B. auf-fallen und auf-führen runden das Bild ab. Mit dieser losen Zusammenstellung einiger Beispiele wollte ich veranschaulichen, dass zwar von linguistischer Seite her eine Typisierung und Kategorisierung sehr wohl möglich ist, dass jenes, sich hieraus erschließende System allerdings hochgradig komplex ist. Es lässt sich daher nur in genau definiertem Rahmen für einen didaktisch ausgerichteten Grundwortschatz nutzen, z.B. dort, wo im konkreten Bereich auch Sinnrelationen wie etwa Polarität zum Ausdruck gebracht wird: auf-laden vs. ab-laden. Hier stellt sich jedoch die Frage nach der Behandlung von Konkurrenz-Formen, z.B. be-laden vs. ent-laden. Hinzu kommt noch das Problem der Mehrdeutigkeit, das der Die Wortschatzanalyse 305 Übersichtlichkeit wegen bisher meist unbeachtet blieb, aber in vielen Fällen zu weiteren Schwierigkeiten führt: So kann man beispielsweise einen Hut auf- oder ab-setzen, einen Briefjedoch nur auf-setzen (= ‘entwerfen’); man kann seinen Mantel ab-legen bzw. aus-ziehen, allerdings nicht an-legen, dafür an-ziehen; ablegen kann man hingegen (übertragen gebraucht) ein Sportabzeichen. Nicht vergessen sollte man zudem, dass „mit der inhaltlichen Abwandlung der Verben ... oft vielfältige quantitative und qualitative Verschiebungen in ihrer Valenz verbunden“ sind (Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, §§ 765f.). Im Bereich der Adjektive ist neben den bereits angesprochenen gängigsten Formen der expliziten Ableitung auf ein Muster besonders hinzuweisen: „Die departizipiale Konversion wird zur Bereicherung des adjektivischen Wortschatzes stark genutzt. Auszuklammern sind die historischen Partizipialformen, die keinen synchronischen Zusammenhang zum Verb mehr zeigen ...“ (Fleischer/ Barz 2 1995, S. 276). Die Bildung der beiden Partizipialformen ist im Fremdsprachenunterricht gekoppelt an das Erlernen der analytischen Tempus- und Genusformen; sie kann daher als bekannt vorausgesetzt werden. Ein entsprechender Hinweis darauf, wie die meisten dieser Partizipien im Satz auch als Adjektiv eingesetzt werden können, würde genügen, um die Verwendungsmöglichkeiten bereits bekannter Wortschatzeinheiten zu erhöhen. Das wiederum verlangt, die Schnittstelle(n) zwischen Wortbildung, Grammatik und Lexik transparent zu gestalten, d.h. die einzelnen Bereiche nicht isoliert voneinander zu betrachten. Im Gesamtkorpus ist dennoch eine ganze Reihe von Partizipialformen belegt, wenngleich zumeist nur in einem Teilkorpus. Handelt es sich dabei um ein Frequenzwörterbuch, so deutet dieser Umstand jene Schwierigkeiten an, die bei der rechnergesteuerten, d.h. automatisierten Rückführung von funktional unterschiedlichen, formal jedoch weitgehend identischen Textwörtem auf entsprechende Lemmata (verschiedener Wortarten) auftreten können. Handelt es sich dabei hingegen um didaktisch ausgerichtete Grundwortschätze, so mutet die Lemmatisierung einzelner Partizipien verhältnismäßig willkürlich und wenig reflektiert an. Die vielfach gewiss strittige Entscheidung, ob man eine Paritzipialform eigens lemmatisiert, sollte klar begründet sein, etwa als Folge der Tatsache, dass sich die adjektivische Bedeutung 306 Der zentrale Wortschatz des Deutschen (einer ursprünglichen Partizipialform) nicht (mehr) vom entsprechenden Verb ableiten lässt (s.o.). Der Überblick hat einige Tendenzen und Problemstellungen der Wortbildung im zentralen Wortschatz aufgezeigt. Relativiert man jedoch die generellen Schwierigkeiten mit einzelnen Mustern, die stark unregelmäßig sind, deren Funktionsstände einen hohen Grad an Differenzierung aufweisen und noch entsprechende Konkurrenzformen miteinschließen usw., so haben selbst die wenigen Stichproben unter dem Strich gezeigt, dass auch - und besonders im Grundwortschatz ausgewählte Regularitäten der Wortbildung in einem vorgegebenen Rahmen für Lernende stärker herausgearbeitet werden könnten und müssten. Als Ausblick am Ende meiner Betrachtungen zu Wortbildung und zentralem Wortschatz bietet es sich an, die zentralen Punkte grundsätzlich und knapp speziell unter dem Aspekt der (Grundwortschatz-)Lexikografie nochmals zusammenzufassen. In seinem Aufsatz über ‘Die Wortbildungszusammenhänge im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch’ stellt Rettig eine wichtige begriffliche Präzisierung gleich an den Anfang: Bei Informationen über ‘Wortbildungszusammenhänge’ in Wörterbüchern ist zu unterscheiden zwischen (a) Informationen über die in Wortbildungssyntagmen verwendbaren Wortbildungselemente dies sind Informationen zur ‘Wortbildungslehre’, und (b) Informationen über die Motivationsstruktur der sprachüblichen komplexen Wörter dies sind Informationen zur ‘Lexikologie’ (1989, S. 642). Insbesondere für die Mikrostruktur der Wörterbuchartikel ist daher einer Vermischung dieser beiden Informationstypen unbedingt vorzubeugen. Nichts anderes tut Mugdan, wenn er von der These ausgeht, dass nicht nur zu klären sei ... unter welchen Voraussetzungen eine Bildung verzeichnet werden soll ..., sondern auch inwieweit durch die Angabe von Wortbildungselementen und Wortbildungsregeln ... das Wörterbuch entlastet oder dem Benutzer eine Hilfestellung bei der Analyse und Synthese nicht aufgenommener Wortbildungen gegeben werden kann (1984, S. 238). Zur Wortbildung rechnet er „die Komposition und die Derivation als rein synchrone ‘Prozesse’“ (ebd., S. 239). Die Wortschatzanalyse 307 Von unmittelbarer Relevanz für die lexikographische Praxis ist die Frage nach der Grenze zwischen Grammatik und Lexikon und somit danach, inwieweit die Wortbildung als ein in Regeln faßbares Teilsystem der Grammatik angesehen werden kann oder inwieweit sie aufgrund mangelnder Regelmäßigkeit dem Lexikon zugerechnet werden muß (Mugdan 1984, S. 240). Die Beantwortung dieser Fragen ist umso wichtiger, denn: Der so reichhaltige und kreative Gebrauch, den Sprecher von ihrer Sprache machen, läßt sich nicht dadurch erfassen, daß man alle Ergebnisse zu kodifizieren sucht, sondern nur dadurch, daß man das zugrundeliegende System darstellt. Ziel des Wörterbuchs sollte es also sein, in Verbindung mit einer Grammatik die Bausteine und Regeln der Sprache in einer solchen Weise zu verzeichnen, daß der Benutzer beim schöpferischen Umgang mit der Sprache (und beim Verstehen der Schöpfungen anderer) unterstützt wird (ebd., S. 244). Diesem Aspekt fällt im Rahmen eines ohnehin stark begrenzten Grundwortschatzes besonderes Gewicht zu. Vor diesem Hintergrund führt Mugdan nachfolgend eine Reihe von Stichproben durch, die generell Aufschluss über die Behandlung der Wortbildung in den großen gegenwartssprachlichen Wörterbüchern geben (vgl. ebd., bes. S 248ff), sowie über die verschiedenen Möglichkeiten der Darstellung informieren (vgl. ebd., S. 259ff, vgl. zur Behandlung von Wortbildungen in ein- und zweisprachigen Wörterbüchern auch Barz 1986; Frisch 1994; Kempcke 1992, S. 222ff; Mötsch 1982; Müller, W. 1989; Rettig 1989, S. 645f). Ausgehend von den offensichtlichen Schwachstellen legt Mugdan als Erstes folgende theoretische Lösung vor: Als Kompromiß bietet sich eine modifizierte alphabetische Ordnung an, bei der Wörter mit dem gleichen ersten Bestandteil zusammengefaßt werden, eventuell unterschieden nach Zusammensetzungen und Ableitungen (1984, S. 274). Anhand ‘ausgewählter Sonderfälle’ wie substantivierte Infinitive, Diminutive und Feminina auf -in (vgl. ebd., S. 291f.) und Versuchen zur ‘Darstellung von Wortbildungsregularitäten’ (vgl. ebd., S. 298ff.) setzt er seine Vorstellungen beispielhaft in die Praxis um. 308 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Sein Resümee, dass es „auch auf dem Gebiet der Wortbildung den untersuchten Wörterbüchern in vielerlei Hinsicht an klaren Konzepten und deren konsequenter Anwendung“ (Mugdan 1984, S. 303) mangle, kann nach wie vor als Aufforderung verstanden werden. Holly verlagert bei seiner Argumentation zwar die Akzente, verfolgt im Grunde genommen jedoch das gleiche Ziel: Er will ... einen historischen Rückblick auf die Geschichte der Lexikographie unternehmen, um daraus dann einige Folgerungen für eine nicht nur formale Berücksichtigung von Wortbildungen im Wörterbuch abzuleiten: Wortbildungen als Brücken zwischen semasiologischem und onomasiologischem Zugriff, zwischen Wort- und Sacherklärungen, als Schlüssel zu Wortschatzstrukturen überhaupt (1986, S. 196). Im Rahmen seines historischen Überblicks geht er insbesondere auf die Frage der zwei konkurrierenden Anordnungsgesichtspunkte ein, Stammwortprinzip oder Alphabet, die spätestens seit Adelung und Grimm zu Gunsten des letzteren entschieden sei (vgl. ebd., S. 196ff.). Dennoch, führt Holly weiter aus, sah schon Sanders im Stammwortprinzip ... vor allem Möglichkeiten für [die] ökonomische Abhandlung der Wortbildung nach systematisch produktiven Mustern ...: Substantivierungen auf -ung, Nomina agentis auf -er, und die zugehörigen movierenden Feminina auf -in, Partizipien, -bar-Adjektive, un-Adjektive, Qualitätssubstantive auf -heit und -keit, den substantivierten Infinitiv, gewisse Substantivkomposita, Präfixe wie anin bestimmten Bedeutungen, den Superlativ, Präfixoide wie all-. Hier erübrige sich gesonderte Lemmatisiemng durch Hinweise auf die Muster bzw. Lemmatisierung der Wortbildungsmittel (ebd., S. 201f.). Die Lehren aus der Geschichte fasst Holly schließlich mit der Feststellung zusammen, ... daß die Versuche, möglichst viel Wortbildungszusammenhänge ins Wörterbuch zu bringen, zu stark mit dem Stammwortprinzip verknüpft worden sind. Dabei ist der Wortbildungsaspekt meist von etymologischen Ideen überlagert oder auf eine rein morphologische Auffassung reduziert worden. In jedem Fall waren Einwände wegen der unübersichtlichen Anordnung fällig. Die Frage ist also, wie man innerhalb einer alphabetischen Anordnung der Lemmata dennoch mehr als nur zufällige durch das Alphabet gesteuerte Zusammenhänge vermitteln kann (ebd., S. 204). Zu diesem Zweck entwickelt Holly zwei Leitlinien: Die Wortschatzanalyse 309 Zum ersten sollten besonders Ableitungen in ihrer mehr oder weniger regelhaften Wortbildungsstruktur durchsichtig gemacht werden; dies sollte dadurch möglich sein, daß man die wortbildungsrelevante systematische Klasse von Ausgangslexemen und Wortbildung angibt, eventuell mit einem Verweis auf eine Wortbildungsregel der Überblicksinformation und/ oder die BedeutungsVariante der Wortbildungselemente ... Auf jeden Fall sollte bei nicht isolierten Bildungen in der Bedeutungsbeschreibung nach Möglichkeit das Basislexem wiederkehren ... Zum zweiten sollten die Komposita nicht einfach als alphabetische Auflistung erscheinen, sondern sie sollten etwas zum onomasiologischen Teil der Interpretamente beitragen. Dazu müßten sie nach Bedeutungsvarianten der jeweiligen Kompositateile geordnet sein und auf diese Weise Bezeichnungsbedürfnisse im entsprechenden Wortfeld bzw. ‘frame’ ... zu dem das Basislemma gehört, sichtbar machen (Holly 1986, S. 205). Auch Holly führt an einem Beispiel (Friede, vgl. ebd.) aus, wie er seine Vorstellungen in die Praxis umsetzen würde. Er kommt gleichfalls am Ende zu dem Schluss: Überlegungen zur Wortbildung könnten mehr als in heute gängigen einsprachigen Wörterbüchern üblich und besser als in den alten Stammwörterbüchem in die Darstellung des Wortschatzes einbezogen werden. Zwei Richtungen, die dabei nebeneinander möglich und sinnvoll sind, konnten hier nur angedeutet werden: semantisch orientierte Aufschlüsselung der Ableitungen und onomasiologisch aufschlußreiche Gliederung der Komposita (ebd., S. 210, vgl. dazu auch van der Colff 1998, Tossavainen 1994). Bei aller Kritik am bislang weitgehend unbefriedigenden Umgang mit Wortbildungen im Wörterbuch hält u.a. auch Augst einen konkreten Verbesserungsvorschlag bereit, der von einer konsequenteren Einbindung der „lexikologischen Struktur der Wortfamilie“ (1992, S. 26) ausgeht. Dies kann v.a. in der Mikrostruktur positive Auswirkungen auf die Bedeutungsbeschreibung (vgl. ebd., 26ff., vgl. dazu auch Kubrjakova 1992) und auf die Behandlung von Ableitungsstrukturen haben (vgl. Augst 1992, S. 30ff.). Von Seiten der computergestützten Lexikografie plädiert Weber für ein eigenes Lexikon der Wortbildungsmittel, das sich am Modell der Kasus- und Valenzgrammatik orientiert, und dessen Besonderheit ist: „Eine computergestützte Lösung versteht sich im Gegensatz zu konventionellen Lexika als Operationalisierung von Wortbildungsmustem auf einer Menge von Wort- 310 Der zentrale Wortschatz des Deutschen bildungselementen als Datenbasis“ (Weber 1990, S. 29, zu vergleichbaren Aufgabenstellungen im Bereich spezieller Print-Wörterbücher vgl. Link 1990, Rahnenführer 1994). Obgleich, oder gerade weil die obigen Ausführungen die Lexikografie des Gesamtwortschatzes als Ausgangs- und Zielpunkt haben, sind sie auch für die Präsentation des Grundwortschatzes von Bedeutung, da es hier in besonderem Maße auf die Systematisierung und Ökonomisierung ankommt. In sehr vielen Fällen sind die Verbesserungsvorschläge zu diskutieren, wäre eine praktische Umsetzung theoretischer Entwürfe anzustreben, und davon darf auch der zentrale Wortschatz nicht ausgeschlossen werden, im Gegenteil: Wie sich gezeigt hat, dringen reihenhaft Muster in das lexikalische Zentrum vor, die solche Schritte rechtfertigen, und diese im Hinblick auf den Ausbau der sprachlichen Fähigkeiten geradezu fordern. Ein sehr wichtiger Punkt sollte freilich noch bedacht werden, nämlich die WÖrterbuchbenutzungssituation, d .h.: Nützt der Benutzer das lexikographische Angebot der Affixe als eigener Lemmata, eine Wörterbuchpraxis, die ja erst in den letzten Jahren auftritt? Unter den Benutzerinnen und Benutzern, die ich [G. Augst] bisher sporadisch befragt habe, hat noch niemand ein Affix im Wörterbuch nachgeschlagen. Oft liegt es daran, daß die Befragten gar nicht wissen, daß ihnen das Wörterbuch ein solches Angebot macht (Augst 1992, S. 34). Und hier schließt sich der Kreis: Wenn Wortschatzarbeit als integrativer Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts verstanden wird, der u.a. systematisch in die Wortbildung einführt, dann müssen Lernende im Sprachunterricht nicht nur mit den Wortbildungsstrukturen vertraut gemacht, sondern auf den richtigen Umgang mit geeigneten Hilfsmitteln vorbereitet werden, also beispielsweise in Form von gezielter Wörterbucharbeit (vgl. Bejoint 1989, Hartmann 1989, Schneider, K. P. 1993). Bei der Konzeption solcher Hilfsmittel ist demgegenüber darauf zu achten, dass Wörterbuchbenutzer und -benutzerinnen die Informationen auch finden. Dies gewährt in den meisten Fällen die alphabetische Ordnung, „aber abgesehen davon ist das Alphabet eine tote, nichtssagende Ordnung, der keine lexikologische Struktur entspricht“ (Augst 1992, S. 24). Aus lexikografischer Sicht ist das Hauptproblem damit auf den Punkt gebracht. Die Wortschatzanalyse 311 Um dennoch möglichst viel an (Wortbildungs-)Informationen bereitzustellen, die von den Wörterbuchbenutzern und -benutzerinnen auch gefunden werden können, muss der Lexikograf zwei extreme Positionen in einen möglichst gelungenen Kompromiss überführen: Er bringt bei jedem Lemma alle Informationen, die das entsprechende Wort sinnvoll lexikologisch einordnen. Das führt zu einer Aufblähung der Artikel mit sehr viel Redundanz. Oder aber: Er arbeitet mit Verweisen, die es dem Benutzer, sofern er ihnen folgt, erlauben, selbst den Sinnzusammenhang herzustellen. Der Nachteil liegt klar auf der Hand: Der Benutzer, dem ja durch die alphabetische Anordnung geholfen werden soll, zahlt nun selbst den Preis, indem er die gewünschte Information nicht an einem Ort findet, sondern durch Hin- und Herblättern sich selbst zusammensuchen muß (Augst 1992, S. 24). Wie die anhaltende Diskussion zeigt, gibt es zwar kein Patentrezept, das es erlauben würde, die beiden Standpunkte zur Deckung zu bringen, aber es gibt Lösungsansätze. Diese weiterzuverfolgen und zu entwickeln heißt nicht zuletzt, auch eine Antwort auf die Frage zu finden, wer zu welchem Zweck die betreffenden Informationen sucht, und wie sie dieser Zielgruppe angemessen zugänglich gemacht werden können. 3.4.2.2 Fremdspracheneinflüsse Der zweite thematische Schwerpunkt trägt die Überschrift Fremdspracheneinflüsse. Dieser (Ober-)Begriff verlangt eine vorläufige und grundsätzliche Präzisierung. Vereinfacht können die Gemeinsamkeiten einzelner Sprachen auf zweierlei Weise erklärt werden: Erstens durch ihre genetische Verwandtschaft. Beginnend mit der indoeuropäischen Sprachfamilie führen sprachgeschichtliche Entwicklungsprozesse schließlich zu Verzweigungen bzw. zur Herausbildung einzelner Untergruppen wie den romanischen oder germanischen Sprachen (vgl. u.a. König 12 1998, S. 37ff.). Zweitens durch Sprachkontakte, die zur Folge haben können, dass Sprachen durch Lehnbeziehungen zu anderen Sprachen beeinflusst werden. Es entsteht so ein mitunter ausgeprägtes sprachliches Geber-Nehmer-Verhältnis, das zumeist nur auf eine zeitlich begrenzte Periode und auf bestimmte sprachli- 312 Der zentrale Wortschatz des Deutschen che Bereiche bzw. semantische Begriffsfelder beschränkt ist (vgl. u.a. König 12 1998, S. 70f.: ‘Typen der Entlehnung im Bereich des Wortschatzes’/ ‘Entlehungsarten’; S. 71: ‘Lehnbeziehungen mit dem Lateinischen’; S. 87: ‘Fremdsprachliche Einflüsse: u.a. Französisch, Niederrheinisch, Italienisch, Lateinisch’; vgl. auch Kirkness 1984; Munske 1992; Panzer 1993, bes. S. 8ff.; Russ 1984; v. Polenz 2 2000, S. 41ff. und S. 209ff.; Wolff/ Wittstock 1990). In aller Regel überlagern bzw. ergänzen sich diese sog. internen und externen Faktoren des Sprachwandels, und jenes Wechselspiel führt letztlich auch zu einem gewissen Mischcharakter von Nationalsprachen. Dieser kann stärker oder schwächer ausgeprägt sein, was die Menge an fremdsprachlichen Übernahmen betrifft, aber auch, was den Grad der Integration anbelangt, den diese Elemente auf Grund der (einzel-)sprachgeschichtlichen Entwicklungen erfahren haben. Nach der Wortbildung, dem ersten und gleichsam innersprachlichen Mittel zum Ausbau des deutschen Wortschatzes, wäre somit auch die zweite, gewissermaßen von außen motivierte Möglichkeit prinzipiell beschrieben. Hier stellt sich nun ebenfalls die allgemeine Frage, inwieweit andere Sprachen den deutschen Grundwortschatz beeinflussen. Als Ausgangspunkt und hinführendes Beispiel zugleich als Brücke zum vorangegangenen Kapitel bietet es sich an, nochmals den Bereich der abgeleiteten Personenbezeichnungen herauszugreifen. Hier finden sich neben den ‘heimischen’ Ableitungsmitteln (vor allem -er) auch eine Reihe von ‘entlehnten’ Suffixen, die allerdings in weit geringerem Umfang zur Bildung von deverbalen und denominalen Personenbezeichnungen dienen (vgl. Drosdowski u.a. (Hg.) 5 1995, § 920; Wellmann 1975 unterscheidet nicht zwischen ‘entlehnten’ und ‘heimischen’ Suffixen). In der Untersuchungsschnittmenge ist diese Gruppe kaum vertreten: So entfällt auf -antl-ent lediglich ein Beleg (Student), einer auf -eur (Ingenieur), einer auf -(at)or (Professor), keiner auf -iker und -ist. Auch im Gesamtkorpus ist der Bestand vergleichsweise gering: 16 Bildungen auf -ant/ ent, 10 auf -ist, 4 auf -eur und keiner auf -iker (Mechanik-er Technik-er u.a sind als Die Wortschatzanalyse 313 -er-Ableitungen aufzufassen, vgl. Wellmann 1975, S. 318 und S. 382), 6 auf -{ai)or. Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich auch bei der Basis zu den angeführten Wortbildungen um entlehnte Bestandteile. Ich werde mich also fortan gleichfalls auf die kompletten Einheiten konzentrieren. Diese Einheiten als Ganzes sind ‘Wörter’ im landläufigen Sinne, genauer solche, deren etymologische Wurzeln nicht im Deutschen zu suchen sind, und die im Allgemeinen mit einem Terminus bezeichnet werden, den ich aus sehr gutem Grund bisher vermieden habe, da er immer wieder Anlass zu heftigen und kontroversen Diskussionen gegeben hat: das ‘Fremd-’ bzw. ‘Lehnwort’, je nach dem Grad der Assimilation bzw. Integration. Ein Ansatzpunkt ist zunächst die Unterscheidung zwischen: sog. ‘Mischsprachen’, wie etwa Englisch 58 und Französisch, die einen hohen Fremdanteil besitzen, und sog. ‘introvertierten Sprachen’, beispielsweise Deutsch, die über einen verhältnismäßig geringen Anteil von Fremdelementen verfügen und folglich den Ausbau der Lexik in erster Linie durch eigene Mittel, v.a. der Wortbildung, besorgen (vgl. Braun 1978, S. 372). Zu diesem aus heutiger Sicht (s.u.) weitgehend sprachhistorischen Befund meint Schaeder: Es wird Wörtern aus anderen Sprachen gerade im Deutschen besonders schwer gemacht, seßhaft zu werden. Ungeliebt sind sie allemal, wie nicht zuletzt der Umstand beweist, daß man sie in besonderen Wörterbüchern zusammenfaßt, den sogenannten Fremdwörterbüchern eine deutsche Spezialität (1990a, S. 35). 59 58 Neben den bekannten ‘Lehnschichten’ des Englischen (etwa Normannisch, Latein, Griechisch usw.) hat Pfeffer in einer Untersuchung Folgendes festgestellt: „Das deutsche Lehngut im Wortschatz der Amerikaner und Engländer ist weit größer und reichhaltiger, als es bisherige Untersuchungen haben vermuten lassen. Schon die Zahl der unmittelbaren Entlehnungen deutscher Prägung, welche die neuesten großen und größeren amerikanischen Lexika und das Oxford English Dictionary mit Ergänzungsbänden auch als solche bezeichnen, liegt deutlich über 3000 ... Etwas mehr als die Hälfte dieser umgebürgerten Begriffe sind allerdings Fach- und Kunstwörter, von denen sich nur ein Bruchteil im täglichen Leben auswirkt“ (Pfeffer 1987, S. If., vgl. auch Eichhoff 1979; Götze 1991; Pfeffer/ Cannon 1994; Stanforth 1984 und 1996). 59 Das heißt jedoch nicht, dass dieser Wörterbuchtyp nur fürs Deutsche existiert, ln England beispielsweise gründet sich die Lexikografie historisch auf dem Konzept der ‘hard words’. 314 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Zur lexikografischen Praxis gibt Braun zu bedenken: Besonders schlimm der Tatbestand, daß die Produzenten dieser Fremdwörterbücher immer noch (und gegen den sprachwissenschaftlichen Kenntnisstand) nach der geschichtlichen Herkunft und nicht nach dem in der Gegenwartssprache entscheiden, ob ein Wort als ‘Fremdwort’ eingestuft wird oder nicht (Braun 1990, S. 30). Und damit ist man bereits im Zentrum der ‘Fremdwort-Diskussion’ angelangt, so auch der Titel eines von Braun (1979) herausgegebenen Sammelbandes, der eine Reihe wichtiger, z.T. auch schon älterer Aufsätze zum Thema vereinigt (vgl. bes. die Beiträge von Kirkness 1979, Müller, W. 1979, Schank 1979, v. Polenz 1979) 60 . Verfolgt man diese Diskussion, ist man möglicherweise geneigt, die von Augst gestellte Frage 'Das Fremdwort nur ein Scheinphänomen? ’ als rein rhetorisch einzustufen. Seine thesenartig formulierte Antwort setzt jedoch ein mit der Feststellung: Sprachteilhaber wissen und erleben (synchron), daß Wörter aus der Fremde kommen; ... Wenn es richtig ist, daß es, diachron betrachtet, Fremdwörter gibt, dann gibt es sie auch synchron betrachtet. Sprachzustand und Sprachgeschichte sind zwei komplementäre Phänomene, die nicht unabhängig voneinander bestehen. Die diachrone Aussage kann nur dann Gültigkeit haben, wenn sie auch für mindestens einen synchronen Zustand zutrifft (1988, S. 4). Augst fährt dann fort mit einer prinzipiellen Differenzierung: Fremde Wörter ... und Fremdwörter sind zwei unterschiedliche Teilmengen aus dem Gesamtwortschatz aufgrund unterschiedlicher Kriterien. Sie haben unterschiedliche komplementäre Begriffe: bekannte Wörter— fremde Wörter und deutsche Wörter - Fremdwörter. Der Gegensatz also ‘schwerer Wörter’ (vgl. Osselton 1990, vgl. hierzu auch Zimmer 1997, S. 34). Dieser Umstand sollte jedoch nicht gleichgesetzt werden mit der hier zu Lande geläufigen Meinung, Fremdwort = schwieriges Wort, weil durchaus auch deutschstämmige Wörter orthografische Verständniso.ä. Probleme bereiten können (vgl. hierzu u.a. Hausmann 1990, Kirkness 1990, Wellmann 1984). 60 Hinzuweisen ist auch auf den von Stickel (2001) herausgebenen Sammelband 'Neues und Fremdes im deutschen Wortschatz. Aktueller lexikalischer Wandel’, der erst nach der endgültigen Fertigstellung des Manuskripts erschien; einschlägige, darin enthaltene Aufsätze konnten deshalb im Rahmen der nachfolgenden Ausführungen nicht mehr berücksicktigt werden. Die Wortschatzanalyse 315 fremdes Wort vs. bekanntes Wort bezieht sich auf das signifie, die Inhaltsseite, der Gegensatz Fremdwort vs. deutsches Wort auf das signifiant, die Ausdrucksseite (Augst 1988, S. 4). Bei seiner weiteren Argumentation geht er dann primär vom Sprachteilnehmer aus: „Es gibt diachron betrachtet - Pseudofremdwörter“ und „pseudodeutsche Wörter, herkömmlicherweise Lehnwörter genannt“, die dann allerdings, rein synchron, auf die Kategorien „Fremdwörter“ und „deutsche Wörter“ entfallen, denn: Genausowenig wie es synchron für den Sprachteilhaber zur Beurteilung des Wortstatus’ relevant ist, daß ein Teil der deutschen Wörter historisch aus Fremdwörtern entstanden ist, genausowenig ist es für ihn relevant, daß manche Fremdwörter historisch gar nicht aus der Fremde kommen! [...] Der Sachverhalt, daß der Sprachteilhaber bei manchen Wörtern schwankt, ob er sie als Fremdwörter oder als deutsche Wörter einordnen soll ... ist kein Argument dafür, daß es die Unterscheidung Fremdwörter deutsche Wörter nicht gibt, denn (1) ist er bei vielen Wörtern in der Zuordnung sicher ... und (2) folgt aus dem Faktum, daß für die Sprachteilhaber diachron betrachtet ein Wort zu einem Zeitpunkt X ein Fremdwort, aber zu einem späteren Zeitpunkt Y ganz sicher ein deutsches Wort (= Lehnwort) ist, mit Notwendigkeit, daß es für jedes dieser Wörter ein Stadium des Übergangs (ge)geben (haben) muß (ebd., S. 5). Augst gelangt folglich zu dem abschließenden Resümee: es gibt Fremdwörter! Sie sind ein besonderes Phänomen im Wortschatz fast einer jeden Sprache, das dem Sprachteilhaber dann bewußt wird, wenn es ihm besondere Probleme macht: Aussprache, Schreibung, Beugung, Ableitung, mangelnde Motivierung usw., das alles war und ist auch noch ein Problem für die Sprachwissenschaft (ebd.). Die von Augst thesenartig vorgetragenen Problemstellungen und Lösungsansätze sind vor und nach ihm Gegenstand der Debatte gewesen. Sie konzentrieren sich im Wesentlichen auf folgende Gesichtspunkte, die ihrerseits natürlich aufs Engste miteinander verknüpft sind: Welche Methoden werden herangezogen, um Fremdbzw. Lehnwörter zu bestimmen? Drei stehen zur Auswahl, nämlich die diachronische, also die an der Etymologie ausgerichtete, die synchronische und die soziolinguistische (vgl. v. Polenz 1979, Schank 1979). Welche Terminologie ist angemessen, 316 Der zentrale Wortschatz des Deutschen d.h., welche Wörter sind im Anschluss an die gewählte Methode beispielsweise als deutsch/ fremd, (ein)heimisch/ entlehnt oder als Erb-/ Lehnwörter etc. zu bezeichnen (vgl. Müller, W. 1979)? Wie sind Zwischenstufen bei der Integration bzw. Assimilation zu ermitteln und zu benennen (vgl. Schank 1979, Fegert 1990)? Hat man sich schließlich über eine Methode und die entsprechende Terminologie geeinigt, muss als Letztes noch die Frage der lexikografischen Aufarbeitung geklärt werden (vgl. Müller, W. 1979). Ein Grund für die prinzipiellen Schwierigkeiten bei der Beantwortung entsprechender sprachlicher bzw. linguistischer Fragestellungen ist historisch bedingt, weil in einem Land, in dem jahrhundertelang in der Sprachpflege der Kampf gegen fremdsprachliche Einflüsse im Vordergrund gestanden hat und mit Gesinnungsbildung verknüpft war, der politische Affekt die sachliche Diskussion behindert hat ... Die von ihren Gegnern ‘Purismus’ genannte Sprachreinigungsbewegung hat sich in Deutschland wie in anderen Ländern immer im Zusammenhang mit einer politischen Aktivierung des Nationalgefühls zu Höhepunkten gesteigert: nach dem Dreißigjährigen Krieg, nach dem Niedergang der Napoleonischen Herrschaft, nach der Reichsgründung von 1871 und beim Ausbruch des 1. Weltkriegs (v. Polenz 1979, S. 9f., vgl. u.a. auch Adorno 1979, Daniels 1979, Dietrich 1979, Nüssler 1979, Zimmer 1997, zur Gegenwartssprache und zu Aspekten allgemeiner Sprachkritik vgl. Braun 3 1993, Glück/ Sauer 2 1997, Sanders 1992, Schiewe 1998, Wimmer 1994). Obschon, ja gerade weil das Deutsche als sog. introvertierte Sprache charakterisiert wird, ist das Fremdwort kein Scheinphänomen, erweist sich der Umgang mit ihm nach wie vor problematisch, wobei historische und sprachsoziologische Ursachen Hand in Hand gehen. Dass eine sachliche, emotionsfreie und durchaus kritische Diskussion dennoch unabdingbar ist, zeigt der zunehmende Einfluss des Englischen (nicht nur) auf das Deutsche, wobei sich die Vorzeichen gewendet haben: Das Deutsche erweist sich als offenes System, demgegenüber „taugt Englisch überhaupt nur darum zur Weltsprache, weil es sich diesen relativ geschlossenen Charakter bewahrt“ (Zimmer 1997, S. 34). Eine Reihe von Untersuchungen beschäftigt sich mit der Entlehnung englischen Wortguts (vgl. u.a. Busse 1993, Carstensen 1979, Carstensen/ Busse 1993ff., Duckworth 1979, Görlach 1994, Jabionski 1990, Kann/ Koltes 1979, Langner 1995, Oeldorf 1990, Stickel 1984, Viereck (Hg.) 1980). Der Einfluss des Englischen hat mittlerweile eine ganz andere Di- Die Wortschatzanalyse 317 mension angenommen als alle bisherigen Entlehnungsprozesse, als Gründe lassen sich anführen: Erstens: In der Vergangenheit war der Einstrom fremder Wörter und Wendungen jeweils zeitlich begrenzt. Entsprang er einer Mode, so versiegte er, wenn die nächste an der Reihe war. Diente er der Abdeckung neuer Begriffsfelder, so war der Bedarf irgendwann gesättigt. Der heutige Zustrom aber wird nicht eines baldigen Tages versiegen; im Gegenteil, mit der wachsenden weltweiten Verflechtung aller Lebensbereiche wird er weiter anschwellen. Außerdem wird die Beschleunigung der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung dazu führen, daß wir es mit immer mehr neuen, bislang namenlosen Dingen zu tun bekommen, die zunächst einmal ihren fremden Namen mitbringen. Auch an der Richtung dieses Stroms wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern: Es wird sich weiter um eine Anglisierung handeln. Die Erwartung, daß der Vorgang sich auch diesmal selber limitieren werde, dürfte also eine Täuschung sein. Zweitens: In der Vergangenheit war der Gebrauch der fremden Wörter auf bestimmte, relativ isolierte Sprecherkreise beschränkt ... Die heutige Anglisierung scheint auf den ersten Blick ebenfalls auf einzelne sachliche oder soziale Bezirke beschränkt. Beim zweiten Blick aber sieht man, daß niemand mehr um sie herumkommt (Zimmer 1997, S. 18ff. vgl. auch Drews 1999). Dies wird umso deutlicher, wenn man sich die Bereiche vergegenwärtigt, die besonders vom zunehmenden Einfluss des Englischen betroffen sind: Wissenschaften, die sich internationaler Konkurrenz stellen, also vor allem die Naturwissenschaften; der Computerbereich (und zwar nicht nur der benutzerabgewandte Bezirk der Informatiker unter sich, sondern ebenfalls die Schnittstelle zum Benutzer; der Bereich Reise/ Verkehr/ Tourismus; viele Zonen der Wirtschaft; die stark trendbestimmten Bereiche Werbung, Mode, Popmusik (ebd., S. 20). 61 Ein Beispiel mag stellvertretend die Anglisierungs-Tendenzen illustrieren: Heute ist die Deutsche Bahn dabei, die Verdeutschung wieder rückgängig zu machen. Was im neunzehnten Jahrhundert aus dem Französischen ins Deutsche herübergeholt wurde, Waggon, und Perron, Coupe und Billet, wird heute ebenso offiziell und systematisch aus dem Deutschen in eine Art Englisch befördert: Ticket, Service-Point, Ticket-Counter, Autoshuttle, Park & Ride, PostGepäck Set, BahnCard First Teen, CityNightLine, alles bedient von allerlei Teams, die es in diesem Sinne im Englischen nicht gibt. Früher waren die Züge, nach der Dichte der Stopps, unterteilt in FD-Züge, D- oder Schnellzüge, Eilzüge, Personen- oder Bummelzüge. 61 Eine entscheidende Mittlerrolle spielt natürlich auch das Internet. 318 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Heute heißen diese vier Zugarten InterCityExpress, InterCity, InterRegio, CityExpress oder RegionalExpress; was nebenbei auch die Bummelzüge zu Expressen aufwertet ... InterCityNight klingt einfach schneller und komfortabler als Schlafwagenzug (Zimmer 1997, S. 14). Vier Gründe sind nach Zimmer für den heutigen Fremdwortimport aus dem Englischen verantwortlich, nämlich die „blanke Notwendigkeit“ (ebd., S. 27), die „meist kurzen, knappen, relativ affixfreien, nicht selten anschaulich wirkenden englischen Wörter sind oft weniger umständlich, sind zupackender als etwaige deutsche Entsprechungen“ (ebd., S. 27), der Vorbildcharakter der amerikanischen Kultur, deren Wortschatz „modern, dynamisch, jung, flott, vital, sexy“ (ebd., S. 28) wirkt und eine gewisse „deutsche Identitätskrise“ (ebd., S. 30) seit dem zweiten Weltkrieg, die auch das Sprachbewusstsein nachhaltig prägt und zwar in entgegengesetzter Richtung beispielsweise zu den Franzosen (vgl. ebd., S. 44ff.). Nachdem Zimmer ausgehend von einer Fülle an positiven wie negativen Beispielen nochmals gezeigt hat, welch großen Einfluss das Englische heute auf das deutsche Sprachsystem und die einheimischen Sprachbenutzer und -benutzerinnen hat und welchen es in Zukunft haben könnte, resümiert er: Nicht der reichliche Einstrom fremder Wörter ist es, der verschiedene europäische Sprachen heute bedroht, sondern ihre Unfähigkeit und Unwilligkeit, die eingereisten Fremden zu assimilieren und ihnen damit volle Bewegungsfreiheit in ihren eigenen Regelsystemen zu verschaffen. Dies ist also keine Polemik gegen Fremdwörter, vorgebracht im Namen einer Deutschtümelei. Es ist ein Plädoyer für ein flexibles, aufnahmefähiges Deutsch, das aber seine Eigenart behauptet. Das Plädoyer beruht auf einem dreiteiligen Argument. Eins: Jede Sprachkompetenz setzt voraus, daß man sich sicher im Regelsystem einer Sprache bewegt, ihrem Tiefencode. Zwei: Die große Zahl unassimilierter englischer Wörter nötigt heute auf einigen Gebieten zu einem ständigen unberechenbaren Wechsel des Tiefencodes. Drei: Diese unablässigen Wechsel führen zu starken Interferenzen zwischen dem Deutschen und dem Englischen, die in ihrer Menge die Folie des sprachlich Richtigen aufweichen, die die Referenzebene ist, welche eine Sprache erst möglich macht. Eine starke Beschädigung dieser Folie vermindert die Sprachkompetenz des einzelnen, und in ihrer Gesamtheit verwüstet sie die deutsche Sprache. Ein lebendiges Deutsch wird auch viele Fremdwörter aufnehmen können ... (ebd., S. 73f.). Die Wortschatzanalyse 319 Die Ausführungen von Zimmer haben gezeigt, dass die Fremdwortdiskussion aktueller denn je ist, und dass sie nicht nur mit dem Blick in die Vergangenheit geführt werden sollte. Sie steht vielmehr, angeregt durch die in dem kleinen Exkurs skizzierten gegenwärtigen Entwicklungen, vor vielfältigen neuen Aufgaben. Dies verdeutlicht nicht zuletzt auch die erst vor Kurzem wieder in der Öffentlichkeit diskutierte Frage eines ‘Schutzgesetzes für die deutsche Sprache’. Was die Auswahl zukünftiger deutscher Grundwortschätze anbelangt, wird man beispielsweise auch die wachsende Anglisierungs-Tendenz berücksichtigen müssen, um der geforderten Aktualität zumindest in Teilbereichen nachzukommen. Die von mir erfassten Korpora entstanden jedoch größtenteils zu einer Zeit, in der noch andere Maßstäbe galten bzw. gerade damit begonnen wurde, diese zu überdenken. Ich werde deshalb nun als Erstes der Frage nachgehen, in welchem Umfang (noch primär diachron definierte) Fremdwörter bis in die Schnittmengen Vordringen, um daraus eventuelle Aussagen über den gegenwartssprachlichen Gebrauchswert und Status abzuleiten. In einem Aufsatz hat Pfeffer Grunddeutsch und die deutschen Entlehnungen aus fremden Sprachen untersucht, die, „wie bekannt, neuestens wieder überraschend groß“ sein sollen (Pfeffer 1973, S. 420). Pfeffer legt seiner Auszählung einen eher vagen Fremdwort-Begriff zu Grunde, der sich vor allem auf die Eintragungen in Fremdwörterbüchern zu stützen scheint (vgl. ebd., S. 423). Er selbst schreibt: „Von den 2805 Wörtern ... von Grunddeutsch muten aber nach dem formalgrammatischen Prinzip der graphischen, phonetischen oder flexiven Angleichung im Deutschen etwa sechs Prozent immer noch fremd an“ (ebd., S. 421, Hervorhebung von U. Sch.). Die Menge der von Pfeffer ausgewerteten Wörter ist zwar erheblich geringer als die Anzahl der im ‘Dictionary’ verzeichneten Lemmata, sie kann jedoch als repräsentativer Ausschnitt gesehen werden. Insgesamt listet Pfeffer nun rund 180 ‘fremd anmutende’ Wörter auf (vgl. ebd., S. 421ff). Diesen Bestand charakterisiert er wie folgt: Ein großer Teil (d.h. fast die Hälfte) dieses entlehnten Wortschatzes wie absolut, abstrakt, Apparat, Element, eventuell und Existenz stammt mittelbar oder unmittelbar aus dem Lateinischen. Griechischen und lateinisch-griechischen Ursprungs sind etwa ein Viertel, einschließlich Auto, 320 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Chor, Drama, Organ, Programm, Telefon, Theorie. Aus dem Französischen übernommen sind ein weiteres Fünftel mit Adresse, Büro, Hotel, Kusine, Likör, Modell, Toilette, Tendenz. Die restlichen 10 Prozent der Entlehnungen stammen aus dem Italienischen (Firma), Englischen (Hobby), Spanischen (Zigarre), Portugiesischen (Banane), Niederländischen (rasieren) und Arabischen (Sofa). Mehr als vier Fünftel der oben aufgezählten Fremd- oder Lehnwörter gab es schon vor Grimms Zeit im Deutschen. Etwa 8% waren schon in das Alt- und Mittelhochdeutsche eingegangen, 7% folgten im Spätmittelalter, 17% im 16. Jahrhundert, 18% im 17. Jahrhundert, 32% im 18. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert betrugen die jetzt geläufigen lexikalischen Einbürgerungen aus fremden Ländern nur 13%, im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts kaum 5% (Pfeffer 1973, S. 423f.). Die überwiegende Mehrheit der Fremdwörter gehört dem nominalen Bereich an, wobei die Substantive mit 133 Lexemen den größten Anteil haben, gefolgt von den Adjektiven mit 35 Lexemen. Es finden sich insgesamt nur 8 Verben: formulieren, interessieren (daneben interessant, Interesse), organisieren, parken, passieren, rasieren, spazieren, studieren (daneben Student). Etwa 27%, also 48 der aufgelisteten Fremdwörter gehören der Untersuchungsschnittmenge an: Apparat, Artikel, Auto, direkt, elektrisch, Fabrik, Familie, Figur, Hotel, Industrie, Ingenieur, interessant, Interesse, interessieren, international, Kilometer, Kollege, Kultur, Linie, Maschine, modern, Moment, Motor, Museum, Musik, Nerv, normal, Organisation, organisieren, Papier, passieren, Person, Polizei, Prinzip, privat, Problem, Professor, Programm, Prozent, Soldat, Station, Student, studieren, Studium, Theater, Thema, theoretisch, Universität. Weit über die Hälfte, nämlich 59,7%, also 105 Fremdwörter sind in vier, fünf, sechs oder allen sieben Korpora zu finden: Adresse, aktiv, Apparat, Artikel, Auto, Benzin, Büro, Charakter, Chor, direkt, Diskussion, Doktor, elektrisch, Energie, Existenz, Fabrik, Familie, Figur, finanziell, Firma, Gymnasium, Hotel, Idee, Industrie, Ingenieur, Institut, Instrument, intensiv, interessant, Interesse, interessieren, international, Kaffee, Kapitel, Kilometer, Kino, Kollege, Kontakt, Kontrolle, Konzert, Kultur, Linie, Litera- Die Wortschatzanalyse 321 tur, Maschine, Mechaniker, Methode, modern, Moment, Motor, Museum, Musik, Nation, negativ, Nerv, normal, Organisation, organisieren, Paket, Papier, parken, passieren, Person, Politik, Polizei, Polizist, positiv, Präsident, Praxis, Prinzip, privat, Problem, Produkt, Produktion, Professor, Programm, Prozent, Prozess, Qualität, Radio, rasieren, Regierung, Revolution, Situation, Soldat, sozial, speziell, Station, Student, studieren, Studium, System, Tablette, Technik, Telefon, Telegramm, Temperatur, Theater, Thema, theoretisch, Tradition, Traktor, Typ, Universität, Zigarette. Nur etwa 8,5%, also 15 Fremdwörter sind hingegen lediglich in einem Korpus (zumeist bei p) belegt: abstrakt, Analyse, biologisch, Elektriker, formulieren, Individuum, Kusine, Likör, Limonade, mechanisch, Philosophie, philosophisch, psychisch, rational, spezifisch. 16,5%, also 29 Fremdwörter sind in zwei Korpora belegt: Atmosphäre, Banane, chemisch, Element, Epoche, exakt, Faktor, Formel, Hobby, individuell, industriell, Institution, Kilogramm, kulturell, Lineal, Modell, Motiv, Objekt, objektiv, Palast, primitiv, psychologisch, Radiergummi, Realität, relativ, Semester, spazieren, systematisch, Tendenz. Ca. 16%, also 28 Fremdwörter sind in immerhin drei Korpora belegt: Abitur, absolut, Apotheke, Autor, Drama, eventuell, extra, Funktion, Generation, Kakao, konkret, Konsequenz, materiell, Mathematik, moralisch, national, Omnibus, Organ, Pullover, Republik, Restaurant, Roman, Sekunde, Sofa, Taxi, Theorie, Toilette, Zigarre. Wie die Aufzählungen zeigen, sind die sog. Fremdwörter im traditionellen Sinne natürlich auch aus dem Kernbereich der Sprache nicht mehr wegzudenken sind. Ihre Häufigkeit, speziell im nominalen Bereich, verdeutlicht, dass sie zentrale Bezeichnungsfunktionen erfüllen, die vielfach sowohl im regional-umgangssprachlichen Bereich (HGS) als auch im Kinderwortschatz (KW) üblich sind. Sie sind weitgehend in das lexikalische System integriert. 322 Der zentrale Wortschatz des Deutschen was sich z.T. sogar in der Wortbildung oder in Beziehungsfeldem niederschlägt. Grundsätzlich bemerkt Pfeffer zum Status des Fremdworts: Im mündlichen und schriftlichen Alltag stößt man sich augenscheinlich auch nicht am überflüssigen, jedoch geläufigen, sogenannten fremden Wort, das sich semantisch in einigen Fällen teils, in anderen Fällen weithin mit dem entsprechenden gebräuchlichen Erbwort deckt (1973, S. 424). Er gibt dazu u.a. folgende Beispiele: absolut ganz/ völlig, aktiv tätig, Auto - Wagen, direkt unmittelbar, Idee - Gedanke, Moment - Augenblick, Radio - Rundfunk, Konsequenz - Folge etc. (vgl. ebd., S. 424) 6: und erklärt weiter: Die Grundsprache zieht sogar in vielen Fällen das fremde Wort dem Erbwort vor. Abitur, Adresse, ... Hotel, Telefon und Präsident sind demnach in Grunddeutsch. Abgang, Anschrift, ... Gaststätte, Fernsprecher und Vorsitzender sind es nicht (ebd., S. 425). Pfeffers Zusammenfassung am Ende seiner Auswertung lautet folglich: Fremdwörter lassen sich also nicht aus der synchronen Sprache verbannen ... Für das gesunde Verhältnis zwischen Erb- und Lehnwort oder Fremdwort sorgt der Sprachgebrauch selbst ... Das Wörterbuch muß feststellen und angeben .... von wem diese Wörter benutzt werden, gegenüber welchen anderen Sprachteilhabern, in welchen Sprech- und Schreibsituationen, mit welchem Sachbezug, in welchem Kontext, mit welcher Stilfärbung und vor allem mit welcher Bedeutung im Verhältnis zu den Bedeutungen der anderen Wörter des Wortfeldes, in dem die Sprachgemeinschaft dem Wort seinen Platz zugewiesen hat (ebd.). 63 Bisher war stets von Fremdwörtern aus der Sicht einer Einzelsprache die Rede, genauer: welchen Einfluss fremde Sprachen auf die deutsche hatten und haben. Dabei ergab eine Stichprobe, dass sog. Fremdwörter in recht 62 In einer Tabelle informiert Pfeffer ausführlich über die Häufigkeit und Gebräuchlichkeit von Moment vs. Augenblick, Auto vs. Wagen (vgl. Pfeffer 1973, S. 426). 63 Diese Zusammenfassung beinhaltet eine klare Absage an das Fremdwörterbuch im herkömmlichen Sinn, und es scheint in der Tat bedenkenswert, wenn bis auf zwei der rund 180 Wörter (Paket, Papier) alle in der zweiten Auflage des Duden-Fremdwörterbuchs (Ahlheim u.a. (Hg.) 2 1966) verzeichnet waren (vgl. Pfeffer 1973, S. 423). In der vierten Auflage (Müller, W. u.a. (Hg) 4 1982) wurde auch Paket nachgetragen. Müller (1979) weist darauf hin, dass Fremdwörterbücher (einer neuen Generation) dennoch ihre Berechtigung haben. Die Wortschatzanalyse 323 beachtlichem Ausmaß bis in den Kernwortschatz vorgedrungen sind und das, trotz zahlreicher sprachreinigender bzw. puristischer Tendenzen in der deutschen Sprachgeschichte. Sie ergänzen sich heute entweder mit äquivalenten deutschstämmigen Wörtern oder füllen völlig neue Bezeichnungsbereiche aus. Die Notwendigkeit der eingangs angesprochenen Fremdwortdiskussion konnte mit diesen Beispielen also unterstrichen werden. Entscheidend sind dabei u.a. die aus synchronischer Sicht völlig unbrauchbaren diachronischen Definitionskriterien: Ein allein darauf basierender Fremdwortbegriff macht im vorliegenden Kontext keinen Sinn, denn wie viele der oben angeführten ‘Fremdwörter’ würden wir heute tatsächlich noch als solche bezeichnen? Verlässt man nun die einzelsprachliche Perspektive und untersucht die internationalen Auswirkungen des Sprachkontakts, so tritt an die Stelle des schwer zu definierenden und obendrein nach wie vor negativ konnotierten ‘Fremdwortes’ ein Terminus, mit dem sich die Wissenschaft in Deutschland erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit intensiver auseinander setzt: der ‘Internationalismus’. Obgleich auch hier die Methodologie und die Terminologisierung noch vor Problemen steht, ist das Konzept als solches vor allem im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht von besonderem Interesse. Auf die grundsätzlichen Probleme von Übersetzungsäquivalenten bin ich im Rahmen des zweisprachig konzipierten ‘Dictionary’ bereits eingegangen (vgl. Kap. 2.2 in dieser Arbeit). Daneben resultieren aus dem direkten Sprachvergleich jedoch auch Möglichkeiten, wie sie beispielsweise Neuhaus in seinem Aufsatz ‘Englisch-Deutsche Wortentsprechungen. Plan für ein systematisches Wörterbuch’ aufzeigt. Er kommt zu dem Schluss, ... daß gerade in der internationalen zwischensprachlichen Verständigung gemeinsame Wortbestände eine praktische Hilfe sind und auch der Fremdsprachenunterricht sich Wortentsprechungen systematisch zu Nutzen machen kann (1982, S. 37). Er gibt aber auch zu bedenken: „Formale Wortentsprechungen sind so einerseits Hilfen beim Verstehen und Erlernen einer Fremdsprache, andererseits bringen sie zusätzliche Lern- und Verständnisschwierigkeiten mit sich“ (ebd.). Die von Neuhaus entwickelten Entsprechungstypen (vgl. ebd.. 324 Der zentrale Wortschatz des Deutschen S. 41ff.) könnten somit schon als erste Annäherung an die Internationalismen-Forschung verstanden werden. Die Arbeiten von Ivir sind bereits dem engeren Kontext zuzurechnen. Aber auch er definiert noch sehr vage: „Internationalisms are words which are used internationally. Their international status derives from the fact, that they are found in many languages though it is not very clear how many“ (1988, S. 93). Trotzdem umschreibt er das Thema seines Aufsatzes wie folgt: „In view of the predominantly haphazard character of lexicographic practices, the present paper will focus on the treatment of internationalisms in bilingual lexicology and translation work“ (ebd., S. 94), und weiter: The correspondent of an internationalism in one language is that same internationalism in the other language. This follows from the methodological principle for the study of internationalisms which says that the form is held constant as tertium comparationis, while the meaning is variable and is the subject of study (ebd., S. 95). Zu seiner Methodik gibt er zu bedenken: „... it is possible to imagine a limiting case an internationalism which is present in just two languages“ (ebd.). Auf die genauere Untersuchung solcher Fälle kommt es Ivir dann auch an, wenngleich der Begriff ‘Internationalismus’ auf diese Weise sehr bzw. zu stark eingegrenzt wird: „Few attempts were made to establish typologies of semantic relations between paired internationalism ... and fewer still to go beyond their use, such as collocations, frequency of use, usage levels etc.“ (ebd., S. 96, vgl. S. 96f. zu weiteren Details). In einem zweiten Aufsatz beschäftigt sich Ivir mit Internationalismen und der Markiertheitstheorie. Er gelangt darin zu der Auffassung: The view of markedness taken here is quite broad, and markedness is defined as formal and/ or semantic deviation. In the case of internationalisms defined as lexical items found in a number of languages belonging to different families formal deviation means phonologico-morphological opposition to the native vocabulary as a whole (‘foreignness’, ‘strangeness’) or its individual lexical items which are semantic counterparts of particular internationalisms (1989, S. 148). In Deutschland befasste man sich erstmals 1990 ausführlicher mit dem Internationalismus-Konzept: Während sich Jablonski (1990) auf ‘Regularität und Variabilität in der Rezeption englischer Internationalismen im modernen Die Wortschatzanalyse 325 Deutsch, Französisch und Polnisch’ konzentrierte und damit noch stärker der Fremdwortforschung zugeneigt ist, untersuchten die Autoren des von Braun/ Schaeder/ Volmert (1990) herausgegebenen Sammelbandes 64 ganz unterschiedliche Fassetten des Internationalismus-Konzepts. Breiten Raum nehmen darin die Versuche von Braun und Volmert ein, den Forschungsgegenstand methodologisch und terminologisch genauer zu bestimmen. Der Ausgangspunkt ist eine Beobachtung, die Braun mit folgenden Worten beschreibt: In den meisten europäischen Sprachen ... gibt es nicht geringe und auffällige Lehnwortbestände. Diese Wortbestände beruhen nicht auf Zufälligkeit, sondern sie sind Ergebnisse internationaler Kontakte mit politischen, kulturellen, ökonomischen und anderen Voraussetzungen. In einzelsprachlicher Betrachtung mögen sie gelegentlich als schwierig oder störend empfunden werden; bei sprachvergleichender Wahrnehmung stößt man hingegen auf Sprachphänomene mit übernationalen Gemeinsamkeiten. Diese Gemeinsamkeiten in verschiedenen Sprachen werden mit dem Begriff Internationalismus erfaßt (1990, S. 16, vgl. auch 1978, S. 369). Diesen zentralen Begriff versucht Schaeder in der seinen Beitrag abschließenden Kurzzusammenfassung näher zu definieren; das ist nötig, denn: Die gängigen Erklärungen der Sprach- und auch Fachwörterbücher, ein Internationalismus sei ‘ein Wort, das in verschiedenen Sprachen vorkomme’, führen zu dem Resultat, daß Ausdrücke wie dt. Zivilisation, engl, civilization, franz. civilisation, russ. ziwilisazija zusammengenommen ein Wort bilden. Eine solche Betrachtungsweise läßt sich mit keinem der in der Linguistik vertretenen Konzepte von ‘Wort’ in Einklang bringen und führt einzig dazu, den Blick auf die Phänomene zu verstellen (1990a, S. 45). Einer derartigen Sichtweise hält Schaeder jedoch Folgendes entgegen: Aufgrund bestimmter gemeinsamer inhaltlicher und formaler Merkmale bezeichnen wir Wörter (genauer gesagt Lexeme) verschiedener Sprachen als einen ‘Internationalismus’. Handelt es sich bei Lexemen bereits um Abstraktionen, so wird hier ein zweites Mal abstrahiert, gleichsam eine zweite Abstraktionsebene eingeführt (ebd., S. 43). 64 Die nachfolgend wiedergegebenen Zitate sind ggf. von den insgesamt leider relativ zahlreichen (Tipp-)Fehlem im Original befreit; Hervorhebungen im Original wurden i.d.R. nicht von mir übernommen. 326 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Demnach handelt es sich bei einem Internationalismus also nicht um ein Wort bzw. Lexem, sondern um „mehrere Wörter bzw. Lexeme, die zusammengenommen einen Internationalismus bilden“ (Schaeder 1990a, S. 43). Die Unterscheidung zwischen den beiden Sprachsystem-Ebenen kann durch folgende Definitionen verdeutlicht werden: Lexem: abstrakte Basiseinheit des einsprachigen Lexikons auf der Langue-Ebene (Systemebene), die 1 bis n auf Parole-Ebene (Verlaufsebene) realisierte Wortformen (Wörter, Lexe) repräsentiert. Interlexem: abstrakte Basiseinheit des mehrsprachigen Lexikons auf Inter-Langue-Ebene (Intersystemebene), die 1 bis n inhaltlich (und zwar intensional wie extensional! ) äquivalente und formal kongruente Lexeme (Allolexeme) verschiedener Sprachen repräsentiert (ebd.). Um Missverständnisse auszuschließen, betont Schaeder jedoch auch: Eine auf der interlingualen Ebene repräsentierte sprachliche Einheit läßt sich niemals interlingual, sondern immer nur einzelsprachlich realisieren. Mit dieser Feststellung sei einem ansonsten möglicherweise gezogenen Schluß vorgebeugt, dem Schluß nämlich, der Interlangue könne eine Interparole entsprechen und diese Interparole ließe sich gleichsam als Universalsprache realisieren (ebd., S. 45). Auf der Basis jener grundlegenden Begriffsbestimmung formuliert Volmert zehn Thesen, die ‘theoretische und methodische Überlegungen zu einem neuen Arbeitsfeld’ zusammenfassen. Vorab definiert Volmert allgemein: Internationalismen sind Abstraktionen von gleichen/ annähernd gleichen Ausdruckseinheiten (auf der Systemebene), die einen gleichen/ annähernd gleichen semantischen Gehalt aufweisen. Es handelt sich also um zeichenhafte Größen eines interlingualen Systems ... (1990a, S. 49). Die weiteren Thesen dienen dann der näheren Eingrenzung, so auch die zweite, in der Volmert den „fach-umgangssprachlich eingeführten Ausdruck ‘Internationalismus’“ näher bestimmt: „‘Internationalismus wird aufgefaßt als Hyperonym aller Termini, mit denen Zeicheneinheiten auf den verschiedenen Ebenen des Intersystems bezeichnet werden’“ (ebd.). Darunter fallen dann neben den Tnterlexemen’ auch Tntermorpheme’, Tntersyntagmen’, Tnterphraseologismen’, Tntersentenzen’ und sogar ganze Tntertexte’ (vgl. ebd.). Die Wortschatzanalyse 327 Zur Standortbestimmung meint Volmert: „Die Internationalismenforschung ist nach unserem Verständnis zunächst und vor allem als synchrone Forschungsrichtung zu verstehen ...“obgleich er einräumt, dass die „Vergleichbarkeit dieser - ‘äquivalenten’ - Zeichen im Allg. durch historische Geber- Nehmer-Prozesse begründet ist“ (1990a, S. 50). Die Interlexikologie versteht sich von daher als eine „Alternative zur bisherigen Fremdwortforschung“ (ebd., S. 52). Als Antwort auf die, für das ‘internationale’ Gesamtkonzept entscheidende Frage schlägt Volmert vor, ... daß ein solches Zeichen in mindestens drei Vergleichssprachen äquivalente Vertreter haben muß, damit ihm ein entsprechender Status ... zugeschrieben werden kann. Unter diesen drei sollte ... mindestens eine ... aus einer genetisch nicht verwandten Sprachgruppe/ Sprachfamilie sein (ebd., S. 50). Damit beabsichtigt Volmert eine klare Abgrenzung, denn: „Konzepte der konfrontativen bzw. kontrastiven Linguistik gründen sich ... primär auf bilinguale, bilaterale Sprachvergleiche“ (ebd.). Es schiene allerdings in diesem Stadium der Theoriebildung durchaus überlegenswert und für die praktische Anwendung u.U. auch zweckmäßig, das Zentrum-Peripherie-Modell des Prager Strukturalismus auf das Internationalismus-Konzept zu übertragen und auf diesem Wege eine Brücke herzustellen. Demnach gehörten die Interlexeme von nur zwei Sprachen zur Peripherie; mit Zunahme der Vergleichssprachen erfolgte dann eine Annäherung an das Zentrum der theoretisch postulierten interlingualen Systemebene. Auf die Ausdrucks- und Inhaltsseite des Inter-Zeichens und somit auf die Problematik von Kongruenz und Äquivalenz, geht Volmert als Letztes ein. Er postuliert „als untere morphematische Schwelle für den Repräsentanten eines Interlexems, daß zumindest das Kernmorphem eine gleiche/ annähernd gleiche Gestalt aufweisen muß“ (ebd., S. 51). „Vor allem aus methodischen Gründen“ entscheidet er sich ferner dafür, „zunächst von den graphischen Repräsentanten auszugehen (ohne ihre phonetische Realisation und die komplizierten Wechselwirkungen zwischen phonetischer und graphemischer Gestalt zu ignorieren ...)“ (ebd., S. 52, vgl. hierzu auch S. 57ff.). Für die inhaltliche Seite schlägt Volmert vor: Als untere semantische Schwelle für die Anerkennung eines Ausdrucks als Vertreter eines Internationalismus soll gelten, daß dieser mit mindestens einer gemeinsamen Bedeutungsvariante (= 1 Semem) in den ver- 328 Der zentrale Wortschatz des Deutschen schiedenen Vergleichssprachen repräsentiert sein muß (Volmert 1990a, S. 53). In dem bislang skizzierten Überblick wurde eine Reihe von Detailfragen nicht vertieft, beispielsweise das gewissermaßen komplementäre Phänomen der sog. ‘faux amis’ bzw. ‘false friends’. Ich verweise u.a. auf die Arbeiten von Haschka (1989), Lipzuk (1991), Milan (1989), Schatte (1990), Thiemer (1979). Wandruszka (1979), Wotjak, G. (1990) und Gottlieb (1984), dessen an der lexikografischen Praxis orientierter Artikel einen guten Ansatz darstellt, das in gewisser Weise komplementäre Phänomen in einem Spezialwörterbuch aufzuarbeiten und somit abzugrenzen. Die Untersuchung von ‘faux amis’ ist besonders im Kontext der Erforschung internationaler Wortschätze eine wichtige Aufgabe, da nur auf diesem Wege eine latente Fehlerquelle systematisch erschlossen und somit entschärft werden kann. Nicht näher ausgeführt wurden ferner Spracheinheiten wie etwa Inter- Phraseologismen; hingewiesen sei stellvertretend auf die Untersuchungen von Wotjak, G. (1989) sowie Braun/ Krallmann (1990), die zeigen, dass es im religiösen Bereich, also bei Bibelzitaten, sowie bei Phraseolexemen, die mit Körperteilbezeichnungen gebildet werden, eine Fülle von Übereinstimmungen gibt (vgl. bes. S. 76ff. und S. 79ff.; im weiteren Sinne auch Erichsen 1989, Kromann 1987 und 1989, Ehegötz 1990; kritisch hierzu: Bergmann 1995, S.U.). Nachzutragen wäre ferner, dass es im Gegensatz zu den Internationalismen natürlich auch Nationalismen gibt, im Deutschen z.B. Fernsehen, Fernsprecher, Hörfunk, Hubschrauber, Rundfunk etc. (vgl. u.a. Schaeder 1990a, S. 36). Diese sind jedoch in der Umgangssprache inzwischen vielfach ersetzt worden: So ist Telefon zwar im ‘Dictionary’ belegt, Fernsprecher hingegen nicht. Dem eben vorgestellten Internationalismus-Konzept hält Bergmann entgegen, dass es „in sich widersprüchlich ist und daß ihm gedankliche Konsequenz und Klarheit fehlt“ (1995, S. 240). Es soll hier nach der Fremdwortnicht auch noch eine Internationalismus-Diskussion entfacht werden, allerdings ist die Frage zu klären, wie Bergmann sein Urteil begründet. Am Beginn seiner Ausführungen analysiert er eine Reihe von unterschiedlichen Definitionen des Begriffs ‘Internationalismus’ und arbeitet dabei fünf zumeist wiederkehrende, mehr oder minder variabel bzw. vage gebrauchte Definitionsmerkmale heraus. Diese verweisen „auf die Aspekte sprachliche Die Wortschatzanalyse 329 Ebene, Ausdrucks- oder Formseite, Inhalts- oder Bedeutungsseite, übereinzelsprachliche Verbreitung sowie Etymologie beziehungsweise Herkunft“ (Bergmann 1995, S. 242). Damit sind zugleich die entscheidenden Ansatzpunkte seiner Kritik umschrieben. Ein erstes Problem stellen die für Internationalismen in Frage kommenden sprachlichen Ebenen dar, und Bergmann gibt zu bedenken: Die Texte, Sätze oder Syntagmen werden in der unveränderten Originalgestalt zitiert, die Lexeme und Morpheme dagegen sind Bestandteil der jeweiligen Sprache, in der sie verwendet werden. Man sollte daher international verbreitete Zitate besser als solche bezeichnen (ebd., S. 247f.). Auch die sog. Inter-Phraseologismen des Typs dt. aus gutem Hause kommen, engl, to come of a good house, franz. etre de bonne maison (vgl. Braun/ Krallmann 1990, S. 74f.) lehnt Bergmann als solche weitgehend ab, denn: „Die als Tnterphraseologismen' bezeichneten Einheiten zeigen zwar inhaltsseitige Äquivalenz, aber keine ausdrucksseitige Kongruenz.“ (ebd., S. 249). Bergmanns ein wenig ernüchterndes Resümee lautet: Es bleibt von der etwas üppig entfalteten Terminologie in dem Sammelband ‘Internationalismen’ die praktisch relevante Möglichkeit, Internationalismen auf Morphemebene, also im Bereich der Wortbildung, als Tntermorphem', Internationalismen auf der Wortebene als Tnterlexem’ zu bezeichnen, oder vom ‘morphologischen’ beziehungsweise ‘lexikalischen Internationalismus’ zu sprechen (ebd.). Auf theoretisch konzeptioneller Ebene kritisiert Bergmann den Begriff der Inter-Langue, ausgehend von der unbeantworteten Frage, ... wie denn semantisch und ausdrucksseitig eine interlinguale Abstraktion von den einzelsprachlichen Lexemen dargestellt werden soll ... Den Schlüssel zu dem Dilemma bildet die klare Aussage B. Schaeders, daß der Inter-Langue keine Inter-Parole entspreche. Dann kann es sie aber auch logisch gar nicht geben. Denn der erkennende Weg führt nur von der Parole zur Langue. Es kann nur von der Parole auf die Langue abstrahiert werden, nur die Parole ist der Beobachtung zugänglich. Wo keine Parole existiert, kann auch keine Langue konstruiert werden (ebd.. S. 251). Die Ergebnisse seiner kritischen Untersuchungen, gleichsam eine revidierte Internationalismus-Definition, fasst Bergmann mit den Worten zusammen: 330 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Als -Ismus wird in der Sprachwissenschaft in der Regel eine sprachliche Einheit selbst bezeichnet, nicht eine Abstraktion, Theorie oder Ideologie ... Entsprechend diesem eingeführten Sprachgebrauch bezieht man auch den Terminus ‘Internationalismus’ zweckmäßigerweise auf die jeweilige sprachliche Einheit einer bestimmten Sprache ... Anders als bei ‘Anglizismus’ und vergleichbaren Termini wird mit ‘Internationalismus’ nicht die Herkunft, sondern die Verbreitung als Merkmal bezeichnet. [...] Hinsichtlich der bezeichneten sprachlichen Einheiten ist ‘Internationalismus’ ebenfalls ein prinzipiell offener Terminus ... Das Hauptgewicht liegt auf der lexikalischen Ebene, auf der man vom Tnterlexem’ oder vom ‘lexikalischen Internationalismus’ sprechen kann. Im Bereich der Wortbildung ist ebenso eine Anwendung als ‘morphologischer Internationalismus’ zweckmäßig. Bezeichnet werden also Lexeme oder Wortbildungsmorpheme einer Sprache, die mit gleicher oder ähnlicher Ausdrucksseite und mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung in anderen Sprachen, also in entsprechender internationaler Verbreitung Vorkommen. Komplexere Einheiten wie Syntagmen, Sätze, Texte sind in der Regel Zitate aus einer bestimmten Sprache, die internationale Verbreitung haben können, aber stets Zitate bleiben und nicht wie die Wortbildungsmorpheme oder Lexeme Bestandteil der jeweiligen Sprache sind. Soweit bei komplexeren Einheiten, auch bei komplexen Wörtern, die Struktur und die Inhaltsseite Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zeigen, kann bei Bedarf von ‘strukturell-inhaltsseitigen Internationalismen’ gesprochen werden (Bergmann 1995, S. 270ff.). 65 Das Konzept des ‘Internationalismus’ habe ich nicht zuletzt deshalb verhältnismäßig ausführlich vorgestellt und diskutiert, weil das häufig pauschalierte Negativ-Image des sog. Fremdworts aus dieser Perspektive unbegründet erscheint bzw. neu zu bewerten ist. Auf den Grundwortschatz übertragen können Interlexeme aus diesem Blickwinkel betrachtet folglich auch für fremdsprachendidaktische Zwecke nutzbar gemacht werden und somit einer Ökonomisierung dienlich sein: Internationale Wortschätze sind mnemotech- 65 Die Frage danach, wie viele Sprachen beteiligt sein müssen, um überhaupt von einem Internationalismus sprechen zu können, habe im im Vorausgehenden bewusst weitgehend ausgeklammert. Obgleich deren Beantwortung gewiss ein zentrales Anliegen darstellt, glaube ich, dass es zumindest beim gegenwärtigen Stand der Diskussion angemessener und Erfolg versprechender wäre, nach ziel- und zweckorientierten Lösungen zu suchen, als bereits nach einer allgemein verbindlichen Lösung. Bergmann setzt in diesem Kontext einen weiteren Akzent, indem er bei seinen Erörterungen den Begriff des Internationalismus auch dem des Europäismus gegenüberstellt (vgl. ebd., S. 262, vgl. hierzu auch Reichmann 1993). Die Wortschatzanalyse 331 nisch leichter zu handhaben als nationale; systematisch dargeboten könnten sie deshalb bis zu einem gewissen Grad auch den Grundwortschatz entlasten, oder wenigstens als angemessene Möglichkeit zur Bedeutungserklärung herangezogen werden 66 (vgl. hierzu auch Alvermann 1994, Braun 1978, S. 372: ‘Verwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten von internationalen Wortschätzen'). Abschließend gehe ich noch auf die Frage ein, inwieweit Interlexeme in das von mir erfasste Korpus vorgedrungen sind. Die angeführten Beispiele basieren auf zwei methodisch unterschiedlichen Stichproben. Wie Braun nachgewiesen hat, „erreichen die gleichen Wortschätze eine Anzahl von 3500 Wörtern, und zwar auf der Grundlage von einbändigen Schulwörterbüchern“ (Braun 1978, S. 370). Dabei „kommen die meisten Internationalismen nicht isoliert, sondern in Bedeutungsgruppen vor. Mehr als 75% der erfassten Internationalismen lassen sich in Sach- und Begriffsgruppen einordnen“ (ebd., S. 371; vgl. auch Braun 1990; Jabionski 1990, bes. S. 121ff. und S. 152ff.). Ich folge im Weiteren der Zusammenstellung von Braun, der eine ganze Reihe von Interlexemen der Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch entsprechenden thematischen Feldern zugeordnet hat. Um davon einen ersten Eindruck zu vermitteln, will ich einige Auszüge wiedergeben. Ich beschränke mich auf das deutsche (Allo-)Lexem und werde dahinter in Klammern ergänzen, ob und in welchen Korpora es belegt ist: - Politik (vgl. Braun 1990, S. 16): Demokratie (KRz, daneben demokratisch pRSz, Demokrat R), Nation (KpRS, daneben national KpR), Parlament (Rz), Partei (GKpRSz), Politik (KpRSz); - Kunst (vgl. ebd.): Aquarell ( - ), Grafik ( - ), Ikone ( - ), Museum (GKpRz), Plastik (az, wobei in diesen Korpora eher die Bedeutung ‘Material’ gemeint sein dürfte); Zu diesem Zweck könnten auch die Synonyme und Gegenwörter in der Untersuchungsschnittmenge auf Internationalismen hin untersucht werden, die ihrerseits für die Bedeutungserklärung der entsprechenden Sememe eingesetzt werden könnten. 332 Der zentrale Wortschatz des Deutschen - Technik (vgl. Braun 1990, S. 16): Dynamo (w), Instrument (KpRSz), Maschine (G), Motor (aGKpRz), Technik (KpRSz); - Maßbegriffe bzw. Maßqualitäten (vgl. ebd., S. 19f.): Äquator ( - ), Dekade ( - ), Dosis ( - ), Epoche (pR), Gramm (Kp), Hektar (G), Kalender (aKz), Kilometer (GKpRS), Liter (GKpR), Meter (GKpRS), Millibar ( - ), Note (GKpRz), Sekunde (aKp), Semester (pz), Volt ( - ), Watt (-); - Getränke (vgl. ebd., S. 17 und S. 21): Bier (aGKpRS), Grog ( - ), Kaffee (aGKpSz), Likör (p), Tee (aGKpz), Whisky (—); - Bauwesen/ Gebäude (vgl. ebd., S. 22): Balkon (a), Bank (aGKpRSz), Garage (aGKz), Hotel (GKpRSz)), Kapelle (Gp), Kathedrale ( - ), Mansarde ( - ), Museum (GKpRz), Nische ( - ), Synagoge ( - ), Theater (GKpRSz). Neben diesen führt Braun noch Beispiele an aus den Bereichen ‘Literatur’, ‘Tänze’, ‘Musikinstrumente’, ‘Kleidung/ Mode’ und ‘Pflanzen’ (vgl. ebd., S. 16ff.), die jedoch nur sehr schwach im Gesamtkorpus belegt sind, z.B. Drama (KpR), Text (KpRSz), Literatur (KpRS); Flöte (aG), Gitarre (az), Klarinette (G), Orgel (G), Trompete (a); Tanz (GKz), Walzer (K); Margerite (a), Rose (aKp), Tulpe (ap). Der eingangs erwähnte Befund legt diese Art der Darstellung nahe, und sie hat zugleich einen entscheidenden Vorteil: „Das Problem der lexikalischen Differenzen reduziert sich in dem Maße, wie es gelingt, die Bestände der Internationalismen als Repräsentanten von Begriffs- und Sachbereichen darzustellen und zu ordnen“ (Braun 1990, S. 19). Braun folgert: „Die onomasiologische Gruppierung der Internationalismen kann die Lexikalisierung dieser Beispiele unterstützen“ (ebd.), und damit meint er vermutlich die Monosemierung bei teiläquivalenten Übereinstimmungen. Im Anschluss an diese allgemeinen Beispiele stellt Braun noch Sonderfälle im weiteren Sinne vor. Im Bereich der Tierbezeichnungen verdeutlicht er eine Beobachtung, Die Wortschatzanalyse 333 ... die auch für andere Wortgruppen wichtig werden kann: Die bekannten Haustiere sind meistens nationalsprachlich gefaßt; diese Bezeichnungen sind wahrscheinlich die ältesten europäischen Tiernamen und gehören zu den Beständen der Erbwörter. Die sog. exotischen Tiere, ursprünglich nicht in Europa beheimatete Lebewesen ... erscheinen sprachlich in Form des Internationalismus (Braun 1990, S. 22). Beispiele für Ersteres sind Pferd (aGKpRSz), Huhn (aGKpz), Hund (aGKpSz) und Vogel (aGKpz) (vgl. ebd., S. 22); Beispiele für Letzteres sind u.a.: Elefant (a), Giraffe (a), Krokodil (a), Pinguin (a), Tiger (a), Zebra (a) (vgl. ebd., S. 22f.). Braun setzt seine Ausführungen bzw. Aufzählungen im Bereich der fachsprachennahen Wortschatzsektoren fort (vgl. ebd., S. 23ff.). Zu den „fachsprachlich orientierten Wortgruppen“ (ebd., S. 23) gehören seiner Meinung nach solche der Sprache {Dativ, -), der Literatur {lyrisch, -), der Kunst {Barock, -), der Musik {Oper, KpR), der Religion {Dogma, -), des Rechts {legal, -), der Politik {Nation, KpRS), der Wirtschaft {exportieren, R, daneben: Export Rz), der Geografie {Globus, -), der Psychologie {Charakter, KPRSz), der Medizin {Virus, -), der Mathematik {addieren, -), der Physik {Mechanik, -, dafür: Mechaniker GKpz, mechanisch p) und der Chemie {Element, pr) (vgl. ebd., S. 23f.). Zudem merkt Braun an, „daß weitaus die meisten Bezeichnungen für fachwissenschaftliche Disziplinen Internationalismen sind“ (ebd., S. 24), etwa: Geografie, (K), Mathematik (Kpz), Pädagogik ( - ), Psychologie (z), und Theologie (- ) (vgl. ebd.). „Besondere Beachtung verdient“ in seinen Augen „der Tatbestand, daß viele allgemein-wissenschaftliche Begriffe als Internationalismen gefaßt sind. Gemeint sind die vielen Begriffspaare, die Gegenstände und Sachverhalte (nur) zweiseitig bzw. zweiwertig darstellen“ (ebd.). Beispiele für adjektivische Gegensatzpaare sind u.a.: aktiv (GpRSz) vs. passiv (Gz), individuell (pR) vs. kollektiv (K), legal ( - ) vs. illegal (R), objektiv (pR) vs. subjektiv ( - ), praktisch (GKpRSz) vs. theoretisch (GKpR), sozial (KpRSz) vs. asozial {-) (vgl. ebd., S. 24f.). Besonders groß sind die Übereinstimmungen auch bei „vielen namenartigen (onomastischen) Bezeichnungen“ (ebd., S. 25). Hierher gehören Monatsnamen und Ländernamen sowie davon abgeleitete Personennamen und Adjek- 334 Der zentrale Wortschatz des Deutschen tive (z.B. Italien, Italiener, italienisch), Namen für Kontinente, Planeten, Winde, Edel- und Halbedelsteine, Rauschmittel, Staatsformen und Temperamente (vgl. Braun 1990, S. 25). Diese Auswahl der von Braun übernommenen Beispiele und Gruppierungsvorschläge dürfte eine Vorstellung vom Umfang des internationalen Wortschatzes vermittelt haben, dessen Gliederung zugleich Perspektiven für die lexikografische Arbeit eröffnet. Da viele der angeführten Interlexeme bis in die zentralen Schnittmengen Vordringen, wären diesbezüglich auch Anregungen für eine stärkere Systematisierung zu gewinnen. Das zweite Illustrationsbeispiel basiert auf einer vorwiegend quantitativ ausgerichteten Analyse von Volmert, der sich allerdings für einen semasiologischen Ansatz entschieden hat: Er untersucht Tnterlexeme im Bereich des Buchstabens F’: Zugrunde gelegt werden ... jeweils zweisprachige (zumeist zweibändige) Handwörterbücher, von denen jeder Band zwischen 80.000 und 100.000 Stichwörter enthält. Unsere Vergleichssprachen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Englisch und Russisch (1990b, S. 103). Auf dieser Basis ermittelt Volmert 125 deutsche Interlexeme, die Entsprechungen in den fünf anderen Sprachen besitzen (vgl. ebd., S. 104ff.). Davon sind 27 im Gesamtmaterial enthalten: Fabrik (aGKpRSz), Faktor (pR), Fantasie! Phantasie (KRS), fatal (R), Februar (GKpRS), Fieber (aGKp), Figur (GKpRSz), Film (aGKpRSz), Finanzen (R), finanziell (GpRz), finanzieren (R), Flamme (aGp), Flöte (aG), Fonn (GKpRSz), formal! formell (R) Formel (pR), formen (p), Formular (pz), formulieren (R), Foto(grafie) (Kz), fotografieren (aGz), Fraktion (R), Front (GKRS), Frucht (GKpRS), Fundament (R), Funktion (GpR), funktionieren (aRz). Nachzutragen sind noch Zweifelsfälle: Als Interlexem belegt, nicht jedoch im Gesamtkorpus ist familiär, und umgekehrt sind im Gesamtkorpus, nicht jedoch als Interlexem belegt: Familie (aGKpRSz), Finanzierung (R) [daneben: Finanz-amt (R) / -ausschuss (R) -läge (R) / -minister (R) / -planung (R) / -politik (R) / -reform (K), finanzpolitisch (R)]. Die Wortschatzanalyse 335 Bei den angeführten Lexemen handelt es sich in der Mehrzahl um Substantive, und auch Volmert unterstreicht: „Die ‘Internationalisierung’ der Wortschätze findet am ausgiebigsten und nachhaltigsten im Bereich der Substantive statt“ (1990b, S. 108, vgl. auch 1990a, S. 55). Er wertet dann noch die fünf-, vier- und dreisprachigen Vergleichslisten aus (vgl. 1990b, S. 11 Iff.) und kommt zu dem Schluss: Die Wortschätze der Einzelsprachen zeigen einen überraschend hohen Einfluß von anderen europäischen Sprachen; die (wechselseitigen und Mehrfach-) Entlehnungen erreichen in bestimmten Sektoren eine solche Dichte, daß man fast von einer lexikalischen ‘Vernetzung’ der europäischen Sprachen sprechen kann (ebd., S. 120). „Auf der anderen Seite“ bestätigt Volmert, „wird es schwer, Lexeme zu finden, die nicht in mdst. einer anderen Sprache Entsprechungen haben ...“ (ebd., S. 109). So werden lediglich fünf deutsche Nationalismen angeführt: Fähre ( - ), Falter ( - ), fegen (Kp), Frühstück (aGKpz) und Fußboden (aKp) (vgl. ebd.). Wenngleich das Internationalismus-Konzept noch der Klärung zentraler theoretischer Fragen bedarf, bestätigen Braun und Volmert mit ihren empirischen Untersuchungen, dass eine praktische Umsetzung möglich ist und zu durchaus interessanten Ergebnissen führt. Interlexeme verfügen innerhalb von Einzelsprachen über eine nicht zu geringe Frequenz und Distribution, sie können jedenfalls kaum als Randphänomen abgetan werden, im Gegenteil: Die zunehmende Globalisierung dürfte in einzelnen Teilbereichen sogar zu einem beträchtlichen Anwachsen von Internationalismen führen (vgl. u.a. ‘Hundert Computerbegriffe in zehn europäischen Sprachen’, zusammengestellt von Zimmer 1997, S. 86ff.). Ähnliches gilt, freilich in abgeschwächtem Maße, auch für den zentralen Wortschatzbereich, wie die einzelnen Stichproben gezeigt haben. Besonders vor dem Hintergrund der Fremdsprachendidaktik müsste diesem Teilbereich also in Zukunft eigentlich etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, beispielsweise im Rahmen eingehender Überprüfungen und systematischer Ergänzungen des Grundwortschatzes mit geeigneten Hilfsmitteln (vgl. hierzu u.a. Andersson 1994, Haensch 1991, Hausmann/ Seibicke 1990). Im Zuge solcher Untersuchungen sollten besonders die Gliederungstendenzen und Anordnungsprinzipien des internationalen Wortschatzes beachtet werden, womit nun gleichzeitig der dritte und letzte Schwerpunkt der Stichprobenanalyse angesprochen wäre. 336 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 3.4.2.3 Relationale Aspekte In den beiden vorherigen Kapiteln wurden v.a. Aspekte des internen bzw. externen Wortschatzausbaus und der Wortschatzdifferenzierung behandelt, allerdings ohne dabei auf Wortgruppenlexeme einzugehen. Im dritten und letzten zentralen Themenbereich geht es um das Verhältnis einzelner Wörter zueinander, also um lexikalische Beziehungen im weiteren Sinne. Ausgehend von Fragen nach der Struktur und Strukturierung des Wortschatzes bewegt man sich wiederum hin in Richtung Darstellung und Darstellbarkeit des Wortschatzes in Wörterbüchern. Im Rahmen der Untersuchungsschnittmenge kann darüber hinaus überprüft werden, inwieweit systemhafte Lücken aufgedeckt und ggf. gefüllt werden können bzw. müssen. Lexikalische Ordnungsprinzipien waren bereits im Zuge der vorangehenden (Teil-) Kapitel in dieser Arbeit immer wieder ein Thema: Bei der Einführung zu Pfeffers ‘Dictionary’ (vgl. Kap. 2.2) sind am konkreten Beispiel Fragen zur alphabetischen Anordnung in Wörterbüchern aufgeworfen worden, im Kontext des Kinderwortschatzes von Augst (vgl. Kap. 2.5) wurden bereits zentrale Probleme im Hinblick auf Begriffssysteme erörtert sowie potenzielle Lösungsmöglichkeiten angedeutet. Bei der morphologischen Analyse der Substantive (vgl. Kap. 3.4.1.5) und den vergleichenden Ausführungen zur Wortbildung (vgl. Kap. 3.4.2.1) sind die rein alphabetischen Gliederungsprinzipien ebenfalls zur Diskussion gestellt worden, und nicht zuletzt im vorangehenden Abschnitt, wo gezeigt wurde, dass sich bei Entlehnungsprozessen und bei der Herausbildung von Internationalismen thematischbegriffliche Schwerpunkte und strukturelle Zusammenhänge erkennen lassen. Fragen zu System und Struktur des Wortschatzes sind in erster Linie für die praktische Wörterbucharbeit von zunehmendem Interesse, da die Mängel einer rein alphabetischen Anordnung offenkundig sind: Und trotzdem ist diese Anordnung, sieht man vom Gesichtspunkt der Nützlichkeit ab, gänzlich willkürlich, so willkürlich wie die Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet. Daß A der erste, Z der letzte Buchstabe ist, beruht auf Konventionen, es ist nicht der Eigenart der Sprache abgelauscht (Engel 1967, S. 103). Die Wortschatzanalyse 337 Ausgangspunkt, Ziel und Zentrum der Diskussion ist demnach die Suche nach sprachimmanenten Ordnungs- und Gliederungsprinzipien, welche v.a. die Makrostruktur(ierung) des Wortschatzes betreffen und darüber hinaus vielfach der Bedeutungsexplikation dienen. In diesem Kontext steht wiederum das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zur Debatte, also das Wechselspiel von Lexikologie und Lexikografie, wo eine stärkere Annäherung an gemeinsame Standpunkte sehr wünschenswert wäre: Mit dem zunehmenden Interesse der linguistischen Forschung an den Methoden und Darstellungsformen der praktischen Lexikographie beginnen auch die Lexikographen, ihr überkommenes und weitgehend traditionell gebundenes Instrumentarium auf seine Brauchbarkeit für die zukünftige lexikographische Arbeit zu überprüfen. Doch beide, Theoretiker und Praktiker, nähern sich ihrem Untersuchungsgegenstand von verschiedenen Seiten. Während der Theoretiker (vor allem der Semantiker), häufig von der Unzulänglichkeit lexikographischer Wortschatzbeschreibung ausgehend, nach der direkten Anwendung exakter, meist stark formalisierter, kaum verbalisierter Analysen trachtet, die in der Mehrzahl nur an kleinen Ausschnitten, an Teilbereichen der Lexik erprobt wurden, sucht der Lexikograph, der mit einem linguistisch ungeschulten Benutzer rechnen muß und die Lexik in ihrer Gesamtheit zu beschreiben hat, nach Formen und Methoden, die nach dem aktuellen Erkenntnishintergrund eine verständliche und auf die gesamte Lexik anwendbare Darstellung ermöglichen, was ihm wiederum den Vorwurf eingetragen hat, daß er auf praktizistische Weise mit einem naiven Modell operiere (Kempcke 1983, S. 157; vgl. zum Benutzeraspekt auch Kempcke/ Ludwig/ Viehweger 1987). Das allgemeine Verhältnis zwischen ‘Semantiktheorie und Lexikografie’ diskutieren auch Viehweger (1985) und Bakos (1983); dieser gelangt zwar zu folgendem Schluss: Der heutige Lexikograph ist nicht unbewandert in der Lexikologie und in der Semantik, und auf Grund der Valenztheorie und der Distributionsanalyse ist ihm eine adäquatere lexikographische Charakterisierung der Wörter möglich; der zu theoretischen Verallgemeinerungen fähige Lexikograph tritt auch als Forscher hervor (ebd., S. 134f.). Doch er schreibt weiter: Die prinzipiellen Fragen der lexikographischen Behandlung der paradigmatisch-lexikalischen Reihen sind bei weitem noch nicht geklärt. Ich stimme mit denen völlig überein, die die gleichrangige Wichtigkeit der Analyse der syntagmatischen und paradigmatischen Reihen sowie die 338 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Zweckdienlichkeit der Verbindung von beiden betonen, jedoch muß dies alles konkretisiert werden (Bakos 1983, S. 135). Die skizzierte Grenzlinie trennt zwei weite Felder. Über die Komplexität der Aufgabenstellungen und Lösungsansätze in den Bereichen der Lexikologie und der Lexikografie und über das wechselseitige Zusammenspiel dieser beiden Disziplinen, informiert eine ganze Reihe hinführender Literatur, u.a. Kromann (1992), Lutzeier (1995b, zusammengefasst: Lutzeier 1996), Schaeder (1987), Schippan (1992), Svensen (1993), Wiegand (1984 und 1989d). Die weiterführende Literatur ist auf Grund der Verschiedenheit der Positionen nicht nur sehr umfangreich, sondern ebenso vielfältig. Ich werde mich deshalb nur mit einem Querschnitt begnügen. Wellmann fasst die bisherigen Strukturierungsversuche in der deutschen Lexikografie mit folgenden Worten zusammen: Zu einer wissenschaftlichen Blüte ist es also nicht gekommen bei der von der Sprachtheorie her so hoffnungsvollen Gattung der paradigmatisch angelegten Wörterbücher onomasiologischen Zuschnitts ... Die Standardwerke von Dornseiff und Wehrle-Eggers ... haben keine nennenswerten Nachfolger gehabt; sie geben hauptsächlich Stichwörter, Verweise und kategoriale Zuordnungen, indes keine lexikalischen Paradigmen; Wortfelder im strengeren Sinn, Angaben über semasiologische Minimalpaare, Oppositionen, Hyperonymien und Hyponymien fehlen ihnen allzuoft (1984, S. 352). Es ist folglich nur in sehr bedingtem Ausmaß möglich, direkt auf Traditionen zurückzugreifen; stattdessen wird eine Umorientierung nötig sein, in deren Verlauf die Grundlagen überdacht und die Methoden schrittweise neu begründet werden müssen. An diesbezüglichen Überlegungen und Vorschlägen mangelt es nicht. Man hat längst die Notwendigkeit erkannt, noch zahlreiche theoretische Schwierigkeiten lösen zu müssen und die entsprechenden Konsequenzen daraus gezogen. Hierbei gewinnt zunehmend eine interdisziplinär ausgerichtete Perspektive an Bedeutung, was eine rege Diskussion der Ansätze und einen verstärkten Austausch der Meinungen umso nötiger macht. Die Anforderungen an die praktische Wörterbuchschreibung hingegen sollten, in Anbetracht dieser optimistisch stimmenden Forschungslage, nicht gleich sprunghaft in die Höhe geschraubt werden. Vielmehr bietet es sich an einzelne Anregun- Die Wortschatzanalyse 339 gen aufzugreifen und, gemessen am tatsächlich Machbaren, in Etappen umzusetzen. Über das Ziel, die strukturellen und inhaltlichen Beziehungen des Wortschatzes zukünftig nicht mehr so stark hinter die alphabetische Anordnung des Wortschatzes zurücktreten zu lassen, herrscht weitgehend Einigkeit, allein über den Weg bzw. die Wege wird man sich noch klar und einig werden müssen. Eine solche Route hat beispielsweise der Romanist Coseriu vorgeschlagen. Um einen Einstieg zu finden, bieten sich dessen Überlegungen insofern besonders an, als sie bei aller Eigenständigkeit die wesentlichen Diskussionspunkte bereits zusammenfassen. Coseriu definiert gleich im ersten Satz seines Aufsatzes, worum es ihm geht: „Die funktionale Betrachtung des Wortschatzes im Folgenden auch ‘Lexematik’ genannt ist die Erforschung des einzelsprachlichen lexikalischen Inhalts, d.h. der lexikalischen Bedeutung“ (Coseriu 1976, S. 7). Er grenzt wenig später die Lexematik als autonome und primär notwendige Forschungsrichtung von der traditionellen Lexikologie und Semantik als auch von der generativen Grammatik ab (vgl. ebd., S. 9ff.), obgleich er ihr Hauptziel wie folgt definiert: Die Aufgabe der Lexematik ist die Feststellung der inhaltlichen Paradigmatik und Syntagmatik des Wortschatzes in den funktionellen Einzelsprachen ... Es gibt nämlich folgende Typen von lexematischen Strukturen: A) Paradigmatische Strukturen, und zwar a) ‘primär’: Wortfeld und Wortklasse; b) ‘sekundär’: Modifikation, Entwicklung, Komposition; B) Syntagmatische Strukturen: Affinität, Selektion, Implikation ... (ebd., S. 20). Die so umschriebene funktionale Betrachtung des Wortschatzes erweist sich „als für die angewandte Sprachwissenschaft ... geradezu unentbehrlich“ (ebd., S. 23), denn laut Coseriu „dürfte man von den ein- und mehrsprachigen Wörterbüchern erwarten, daß sie alle Angaben zu den inhaltlichstrukturellen Relationen der behandelten Wörter enthalten“ (ebd., S. 24). Filipec hält „die Vorwürfe Coserius gegen die traditionelle Lexikologie und Semantik und seine Forderung, diese Bereiche durch die Lexematik zu ersetzen für ungeeignet“ (Filipec 1983, S. 145). Er lehnt zwar den ‘Traditionsbruch’ und die Terminologie Coserius ab und plädiert demgegenüber für die Fortführung und Erneuerung der etablierten Disziplinen. Seine als funktionell-strukturell charakterisierte Auffassung (vgl. ebd., S. 144), lässt hingegen 340 Der zentrale Wortschatz des Deutschen den Eindruck entstehen, dass sich Filipecs Position von der Coserius in den Grundsätzen nur wenig unterscheidet, denn auch er betont: Für moderne Aspekte der Wortschatzforschung halte ich diejenigen relevanten Aspekte, die in theoretischer Hinsicht die Struktur des lexikalischen Systems und seiner Einheiten adäquat beschreiben und erklären, und diejenigen, die auch in angewandten Bereichen anwendbar sind (Filipec 1983, S. 141). Im Einzelnen lassen sich nun folgende Beschreibungsebenen ableiten: Das Wort wird aufgrund von sechs Merkmalen definiert: Beziehung der phonetisch und phonologisch geformten ganzheitlichen lexikalischen Form und der Bedeutung, Grammatizität, Kombinierbarkeit, Paradigmatizität (ebd., S. 143). Richtet man seine Aufmerksamkeit nun zur Gänze auf (sprach-) systemhafte Strukturen, so nähert man sich fast zwangsläufig ‘Überlegungen zu Onomasiologie und Sprachsystem’. In dem so betitelten Aufsatz schreibt Vemay: Onomasiologie heißt ja nicht, daß man sich mit Hilfe außersprachlicher Begriffe auf einen Fischzug in Einzelsprachen begibt und dort die entsprechenden sprachlichen Elemente herausangelt. Die onomasiologische Vorgangsweise muß sich unseres Erachtens in folgenden Schritten vollziehen. Zunächst steht da die Erstellung eines Systems begrifflicher Strukturen, an denen die sprachimmanenten Strukturen gemessen werden können. Dieses Begriffssystem ist nicht als sprachliches, sondern als sprachwissenschaftliches Modell zu sehen. Soll nun ein solches Begriffssystem seine Aufgabe erfüllen, so bedarf es als nächsten Schritt der entsprechenden semasiologischen Ergänzung. Jetzt werden ausgehend von einzelsprachlichen Strukturen jene Elemente herauskristallisiert, die sich auf das vorher erstellte Begriffssystem und die darin enthaltene Kombinatorik beziehen lassen. Zugleich muß eine Beschreibung der Inhaltsseite der aufgefundenen, sprachimmanenten Strukturen erarbeitet werden. Zum Schluß wird das Resultat dieser Beschreibung mit dem zu Beginn erstellten Begriffssystem verglichen (1981, S. 294). Die Kritikpunkte und Anregungen, die in den zitierten Passagen bewusst ausgewählter älterer Arbeiten zum Ausdruck kommen, sind für die weiteren Überlegungen wegweisend. Bevor auf die Frage eingegangen werden kann, ob und inwieweit sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt Vorschläge in der praktischen Wörterbuchschreibung niedergeschlagen haben, ist zu prüfen, in welchem Umfang einzelne Konzepte überhaupt in die allgemeine metalexikografische Reflexion vorgedrungen sind. Die Wortschatzanalyse 341 Henne beispielsweise erarbeitet ‘Prinzipien einsprachiger Lexikographie’, die er definiert „als praxisorientierte Grundsätze, die der Theorie und Methodologie zugrunde liegen sollen ... Prinzipien sind demnach zugleich theorie- und methodenorientierte Grundsätze, die die Praxis steuern“ (1976, S. 97). Er unterscheidet nachfolgend zwischen dem ‘Existenzprinzip' (vgl. ebd., S. 97-99), dem ‘Wer-was-wann-für wen-zu welchem Zweck-Prinzip’ (vgl. ebd., S. 99-100), dem ‘Anordnungsprinzip’ (vgl. ebd., S. 100-102), dem ‘Prinzip der paradigmatischen Bedeutungserklärung’ (vgl. ebd., S. 102- 108) und dem ‘Prinzip der syntagmatischen Bedeutungserklärung’ (vgl. ebd., S. 108-110). Daneben sucht auch Wiegand ‘Ansätze zu einer allgemeinen Theorie der Lexikographie’, denn: Derzeit besteht m.E. die Aufgabe festzustellen, in welchen lexikographischen Praxisbereichen bei welchen Tätigkeiten eine vermehrte Anwendung wissenschaftlicher Methoden und gezieltere Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse dazu beitragen kann, daß die Wörterbücher ihre Zwecke besser erfüllen als bisher (1983, S. 96). Seine Vorstellungen präzisierend führt er weiter aus: Eine allgemeine Theorie der Lexikographie muß dasjenige Wissen systematisch bereitstellen und begründen, dessen Berücksichtigung es den Lexikographen bei der Planung und Durchführung eines Wörterbuches ermöglicht, daß sie sich über Zwecke des Wörterbuchs vollständig im klaren sind daß sie auf die geeigneten wissenschaftlichen Voraussetzungen zurückgreifen daß sie die lexikographischen Prinzipien berücksichtigen daß sie die Arbeit in den drei Tätigkeitsfeldern hinreichend organisieren und untereinander abstimmen daß sie die sprachlichen Daten korrekt erheben und zweckgerecht aufbereiten daß sie die lexikographischen Texte hisichtlich ihrer Textstruktur so verfassen, daß diese Texte die ihnen zugeordneten Zwecke erfüllen. Gemäß dieser Programmcharakterisierung ... sollte eine allgemeine Theorie der Lexikographie folgende vier Teile haben: 1. einen allgemeinen Teil 342 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 2. eine Organisationstheorie 3. eine Theorie der lexikographisehen Sprachforschung 4. eine Theorie der lexikographischen Sprachbeschreibung (Wiegand 1983, S. 98f., vgl. auch 1989d). Neben den mehr oder minder allgemein gültigen Grundsätzen lexikografischer Arbeit sind für die unterschiedlichen Typen von Wörterbüchern natürlich auch detailliertere Richtlinien erarbeitet worden. 67 Für die Belange dieser Arbeit ist v.a. die Unterscheidung zwischen ein- und zweisprachigen Wörterbüchern von besonderem Interesse: Vorschläge für die Konzeption einsprachiger Wörterbücher erörtern beispielsweise Geeraerts (1989), HausmannAViegand (1989). Überlegungen zu Problemen und zur Methodik zweisprachiger Wörterbücher finden sich u.a. in Baunebjerg Hansen (1990), Bergenholtz (1992), Duval (1991), Hartmann (1994), Hausmann (1988, 1989 und 1991), Karl (1982), Kromann (1994), Kromann/ Riiber/ Rosbach (1991), Leisi (1962), Mugdan (1991), Tarp (1995), Wiegand (1996) und Zöfgen (1991). Abgesehen von diesen Untersuchungen, die einen vorwiegend analytischen Ansatz verfolgen, beschäftigt sich eine Vielzahl weiterer Arbeiten mit konkreten Vorschlägen für die zukünftige Wörterbuchgestaltung. Stellvertretend und beispielhaft sei ein Konzept vorgestellt, das zugleich eine Entwicklungslinie über mehrere Jahre aufzeigt: Dem Vorschlag von Agricola für ein ‘ModellWörterbuch lexikalisch-semantischer Strukturen’ läge ein ideales Konzept zu Grunde: Die grundlegenden Informationen, die das ‘Modellwörterbuch’ als die Ergebnisse der allgemeinen und der konkreten einzelnen Bedeutungsanalysevorgänge festzuhalten haben wird, sind: (a) die Bedeutungsexplikation des Einzellexems bzw. seiner Sememe mit Hilfe einer brauchbar reverbalisierbaren Notation seiner Semstruktur, aus der auch direkt oder indirekt die Position im Paradigma des lexikalischen Systems ablesbar sein soll; (b) die möglichen und notwendigen Bedeutungsbeziehungen (Sinnrelationen) paradigmatischer und (potentiell) syntagmatischer Natur zwischen den Sememen aufgrund der partiellen bis totalen Übereinstim- 67 Über verschiedenste Aspekte der Wörterbuchtypologie und Möglichkeiten der Wörterbuchtypologisierung geben u.a. Auskunft: Häßler (1988), Hausmann (1989), Mugdan (1992), Kühn (1989), Kromann (1991). Die Wortschatzanalyse 343 mung bzw. Inkompatibilität von Merkmal Strukturen und der wechselseitigen Voraussetzungen (indirekte semische Information); (c) die Gesamtheit des hierarchischen Ordnungssystems aller Einheiten des verwendeten Bedeutungsinventars, abgeleitet aus Informationen zu (a) und (b) (Agricola 1982, S. 11). Später konkretisiert Agricola seine Vorschläge in einem ‘Mikro-, Medio- und Makrostrukturen als Informationen im einsprachigen Wörterbuch’ betitelten Aufsatz (Agricola 1983). In der überarbeiteten Fassung legt Agricola neun Jahre später schließlich das Hauptaugenmerk auf ‘Ermittlung und Darstellung der lexikalischen Makrostruktur des Wortschatzes’, worunter er Folgendes versteht; (a) die Beziehungen zwischen Elementen innerhalb komplexer Paradigmen (Felder), d.h. Synonymie, Similarität, Kohyponymie/ Heteronymie, Hyponymie-Hyperonymie und Opposition (Konversivität, Komplementarität, Antonymie, Kontrast) und die daraus resultierenden inneren Feldstrukturen; sowie (b) die Ordnung dieser Paradigmen als relativ geschlossene Subsysteme des Wortschatzes untereinander; und (c) die Beziehungen zwischen Elementen aus unterschiedlichen Paradigmen als (potentiell) syntagmatische freie und feste Kollokationsrelationen aufgrund der Regeln der semantischen Vereinbarkeit und der Valenzforderungen (Agricola 1992, S. 392). Als neue Hauptaufgabe, die es zu lösen gilt, fordert Agricola, ... die Zusammenhänge und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Mikrostrukturen der Lexeme und deren Position in der paradigmatischen und syntagmatischen Makrostruktur systematisch darzustellen und bewußt zu machen, und zwar in zwei einander ergänzenden Formen: explizit als im Rahmen von paradigmatischen Subsystemen eingebettete Einheiten und andererseits als isolierte Einheiten unter einem Lemma mit Bezugnahme auf die Makrostruktur. Die Aufstellung und Repräsentation eines so hyperkomplexen Systems und die spätere Übertragung in die lexikographische Praxis bedeutet, grob gesprochen, die Objektivierung, Komplettierung und wechselseitige Annäherung der beiden Grundtypen von alphabetischen und systematischen Wörterbüchern (ebd., S. 406). Der angestrebten Exaktheit einer derartigen linguistischen Beschreibung steht jedoch der auch von psychologischer Seite zunehmend untermauerte Befund entgegen, dass es sich bei Sprache „nicht durchweg um ein starres, 344 Der zentrale Wortschatz des Deutschen wohldefinierbares und festliegendes, sondern in vieler Hinsicht um ein elastisches, dynamisches, ja in sinn- und zweckvoller Weise vages System handelt“ (Agricola 1992, S. 406). Agricola verlässt deshalb im Folgenden den traditionell üblichen Rahmen, eben weil die ... Methoden zur Erfassung der Makrostruktur im größeren Maßstab aller Erfahrung nach in Sackgassen führen ... Der Grundgedanke besteht darin, sich weder im Gestrüpp von Massen konkreter Lexeme, noch in Spekulationen über die Struktur oberer Hierarchiestufen zu verlieren, sondern auf einer noch linguistisch-semantisch zu beschreibenden Ebene mittleren Abstraktionsgrades und mit einer überschaubaren Menge repräsentativer Einheiten zu beginnen, in der Annahme, daß es gelingt, von solchen Strukturkernen aus sowohl einen organischen, widerspruchsfreien Anschluß nach ‘unten’ hin an die Feingliederung herzustellen, als auch nach ‘oben’ hin Einsichten in die Ordnungsweisen zu gewinnen, die nicht postuliert, sondern aus den Bedeutungen der zu ordnenden Subsysteme selbst erschlossen werden (ebd., S. 408f.). Von hier aus ist es nurmehr ein kleiner Schritt zum sog. Kemkonzept, wie es in der Psychologie und der Linguistik entwickelt wurde: Zu einem solchen umfassenden, integrierenden Kernkonzept gehört als grundlegende Struktureinheit ein ‘Semantisches Feld’ bestehend aus einer Menge von einander bedeutungsnahen ‘Lexikalischen Konzepten' (Lexembedeutungen), die sich durch ihre relative Positionen wechselseitig in der Abdeckung des Feldes ergänzen; die Formative, die den lexikalischen Konzepten zugeschrieben sind, bilden das ‘Lexikalische Feld’ des betreffenden semantischen Feldes. Ein semantisches Feld als Ausprägung eines Kernkonzepts reflektiert die Art, wie bei einem Durchschnittssprecher das Wissen und Denken über den Weltausschnitt in Form von Objekten, Zuständen, Ereignissen, Aktionen, Kausalfolgen, Intentionen usw. organisiert ist... (ebd., S. 409). Folgt man diesem Ansatz, so ergeben sich schließlich zwei Fragen: „(a) nach der Größenordnung der Anzahl solcher Kernkonzepte mit ihren Feldern und (b) nach einem wie immer gestalteten Ordnungssystem ihrer wechselseitigen Beziehungen“ (ebd., S. 414), das Agricola als „Megastruktur“ (ebd.) bezeichnet. Die Mindestanforderungen an eine solche Megastrukturdarstellung des Wortschatzes fasst er in drei Punkten zusammen: Die Wortschatzanalyse 345 (a) Es darf sich nicht um die direkte Übernahme von fach- oder allgemeinwissenschaftlichen Klassifikationssystemen des ‘Weltwissens’ handeln, sondern um eine Ordnung, die aus sprachlichen Gegebenheiten ableitbar bzw. an ihnen nachprüfbar ist, d.h. es soll die Wiedergabe der Verhältnisse der Realität durch das System der semantischen (beruhend auf konzeptuellen) Strukturen als Grundrahmen angesehen werden. (b) Als Einheiten der megastrukturellen Ordnung sollten solche mit einem Umfang und Abstraktionsgrad ins Auge gefaßt werden, die etwa den lexikalisch-semantischen Feldern der erörterten Kemkonzepte entsprechen. Sie erfüllen die Forderung, daß sie objektiv (via Subfelder und -kerne) auf die semstrukturell zu beschreibenden Einzelbedeutungen beziehbar und damit verifizierbar sind; andererseits aber sind sie so generell, daß sie ihrer Gesamtzahl nach für die Klassifizierung überschaubar und praktikabel bleiben. (c) Die Einheiten dürften nur homogene Elemente umfassen, d.h. die lexikalischen Ausprägungen der Konzepte in den Feldern müssen so getrennt und geordnet sein, daß sie jeweils nur ein und derselben Wortklasse angehören. Das ist die Voraussetzung dafür, die zwischen den semantischen Feldern bestehenden potentiellen Vereinbarkeitsrelationen genereller Art und ihre Bedingungen darzustellen, einerseits als Grundlage für die detaillierten Angaben über das Kollokationsverhalten der Elemente des Feldes selbst, andererseits als eines der Kriterien für die Ordnung der Felder untereinander (Agricola 1992, S. 417f.). Agricolas Überlegungen sind ein exemplarisches Beispiel dafür, wie aus der Einsicht in die dringende Notwendigkeit einer systematischen makrostrukturellen Gliederung des Wortschatzes in Wörterbüchern auch innovative Konzepte entstehen können. Zugleich wurde angedeutet, dass man sowohl in Teilbereichen der Linguistik wie auch der (Kognitions-)Psychologie und der KI-Forschung bemüht ist, geeignete neue Entwürfe und Methoden zu erarbeiten, die zum momentanen Zeitpunkt allerdings noch vielfach im positiven Sinne visionären Charakter besitzen, jedenfalls bis dato nicht oder nur z.T. in die Praxis umsetzbar sind. Zu diesem Fazit gelangt jedenfalls auch Agricola: Als Ergebnis der Untersuchungen und Problemerörterungen zum Thema der Darstellung von Ordnungen und Relationen in der Makrostruktur des Wortschatzes, innerhalb der Grenzen paradigmatischer Felder und darüber hinaus, ist festzustellen, daß derzeit noch keine Vorschläge für eine endgültige Entscheidung zugunsten eines bestimmten, bereits beschriebenen oder zu entwickelnden Modells gegeben werden können ... Sowohl 346 Der zentrale Wortschatz des Deutschen im Hinblick auf Umfang und Tiefe der theoretischen Forschungen als auch auf die Menge der empirischen Versuche und die praktische Anwendung bleiben noch relativ viele Aufgaben zu lösen, ehe man zu einem umfassenden, generellen Strukturmodell und einer konkreten lexikographischen Methode gelangen wird (Agricola 1992, S. 495). Auf Grund der regen Forschungstätigkeit und der bislang vorgelegten (Einzel-)Ergebnisse dürften also vor allem aus zwei Richtungen für die Zukunft brauchbare, d.h. praktisch auf größere Wortschatzbereiche anwendbare Ergebnisse zu erwarten sein, nämlich von Seiten der Wortfeldtheorie und von Seiten der Frame-ASccne-Konzcption. Ausgangspunkt für letztere waren kognitiv-mental ausgerichtete Disziplinen, wodurch wiederum eine Brücke zur KI-Forschung geschlagen wird. Zum momentanen Zeitpunkt sollte das Ziel der interdisziplinären Verständigung allerdings nicht im Streben nach l: l-Deckung der mehr oder minder theoretischen Grundlagenmodelle gesehen werden, sondern in der gegenseitigen Befruchtung und Anregung, um fachspezifische Probleme zu lösen. Einen Überblick über Entwicklung und Tendenzen relevanter Aspekte der Wortfeldtheorie geben u.a. die Arbeiten von Lutzeier (1981, 1992 und 1995a), der von Lutzeier (1993) herausgegebene Sammelband ‘Studien zur Wortfeldtheorie’, des Weiteren u.a. Blütner (1995), Chaffin (1992), Coseriu (1976), Dörschner (1996), Figge (1993), Gansei (1996), Gare« (1992), Geckeier (1996), Gipper (1995), Grandy (1992), Gulyga/ Sendels (1970), Roelcke (1992), Schröder (1989), Sommerfeldt (1993), und Uurasjärvi (1994). Über Frames und verwandte Konzeptionen, die im Gegensatz zu Wortfeldern wortklassenübergreifenden und weitgehend assoziativen Gliederungsprinzipien folgen, informieren u.a. Barsalou (1992), Fillmore (1977), Fillmore/ Atkins (1992), Jackendoff (1992), Konerding (1993a, 1993b, 1996), KonerdingAViegand (1994), Martin (1994, bes. S. 43ff.), Minsky (1980), Tannen (1993), Wegner (1979, 1985, 1989). Als Zwischenbilanz für die weiteren Ausführungen lässt sich zusammenfassen: Die kognitiv-mentalen Theorien zur Bedeutung verhalten zur Erkenntnis, daß menschliche Tätigkeit, inklusive sprachliche Tätigkeit, durch kogniti- Die Wortschatzanalyse 347 ve Prozesse geleitet ist. Bedeutung als sprachspezifische Wissenskonfiguration zu konzipieren [,] gilt heute als anerkannte Position (Hartung 1995, S. 114). Über die Neuorientierung bezüglich angemessener Makrostrukturen in Wörterbüchern hinaus ist es gerade dieser Punkt, der für die fremdsprachendidaktische Wortschatzarbeit von besonderem Interesse ist, d.h. die Struktur und Strukturierung des Wortschatzes, und somit seine Einbettung in einen Gebrauchsrahmen zur effizienteren Lexikvermittlung und Lexiklernleistung. Dies wurde schon vor längerer Zeit erkannt: Eine gewisse Stützung erfahren Feldtheorien durch psycholinguistische Untersuchungen, in denen nachgewiesen wird, daß die Speicherung sprachlicher Einheiten im Bewußtsein in funktionalen Zusammenhängen erfolgt (Schippan 1983b, S. 93). Dieser Befund wird auch von praktizierender Seite her unterstützt: Wir sind der Meinung, daß die praktische Kenntnis der Bedeutungsbeziehungen innerhalb des bereits bekannten Wortschatzes eine der wichtigsten Grundlagen für die aktive Beherrschung einer Fremdsprache ist (Cirko/ Frackiewicz 1988, S. 224, vgl. auch die entsprechenden Ausführungen in Kap. 1.1 dieser Arbeit). Diese beiden Aussagen sowie die vorangestellte Diskussion über Ordnungsprinzipien heben deren Wichtigkeit besonders für die Grundwortschatzlexikografie nochmals hervor. Anhand einiger Stichproben werde ich wiederum der Frage nachgehen, ob und in welchem Umfang Gliederungsstrukturen bereits im zentralen Wortschatz auszumachen sind und inwieweit systemhafte Lücken aufgedeckt werden können. Es geht mir also um die Analyse ausgewählter Teilbereiche, welche die Relevanz strukturierender Maßnahmen für die Zukunft begründen und unterstreichen soll. Ich unterscheide für meine Belange zunächst prinzipiell zwischen sprachimmanenten und sprachextemen Gliederungsprinzipien, also zwischen den sog. Sinnrelationen und sog. Sach-, Begriffs- oder Themenfeldern bzw. Kommunikationssphären (vgl. Schröder 1989 zu diesem Begriff; vgl. Wiegand 1994 zur Unterscheidung von semantischem und enzyklopädischem Wissen). 348 Der zentrale Wortschatz des Deutschen In ähnlichem Zusammenhang versucht z.B. Kühn, diese beiden Bereiche in ein funktionelles System zu integrieren (vgl. 1979a, S. 131ff.). Vorher definiert er den Begriff ‘Relation’ als „eine zu spezifizierende Beziehung, die zwischen Gegenständen einerseits und zwischen deren Begriffen andererseits hergestellt werden kann“ (ebd., S. 124). Auf dieser Basis kommt er zu dem Schluss: „Das Begriffssystem muß demnach als Relationsnetz verstanden werden, in dem die Begriffe als Relationsglieder in den mannigfachsten Beziehungen zueinander stehen können“ (ebd., S. 129, vgl. hierzu auch S. 120ff.). Um einen gewissen Grad an Operationalisierbarkeit zu gewährleisten, ist es für mein Anliegen jedoch zweckmäßiger, eine Trennung vorzunehmen, dann zentrale Kategorien aus dem Bereich der Sinnrelationen heranzuziehen und diese am zentralen Wortschatz zu überprüfen. Auf diese Weise lässt sich zeigen, dass die Wortauswahl im lexikalischen Minimum nicht nur von Frequenz, Distribution und pragma-kommunikativen Gesichtspunkten bestimmt werden sollte, sondern dass gleichfalls innersprachliche (und außersprachliche) Gliederungsprinzipien eine wichtige Rolle spielen. Diese wären dann außerdem für eine Strukturierung des Grundwortschatzes zu berücksichtigen. Des Weiteren bestünde von vornherein die Möglichkeit, systemhafte Lücken zu schließen. Ein ähnliches Ziel hatte ja auch Pfeffer im ‘Dictionary’ verfolgt: Man kann den Verfügungswortschatz verstehen als Vervollständigung primär außersprachlicher ‘Felder’, während der Ergänzungswortschatz innersprachliche Lücken schließt (vgl. Kap. 2.2 in dieser Arbeit). Im Gegensatz etwa zu den frequenzorientierten, deskriptiv ausgerichteten Arbeiten von Rosengren (FdZ), Ruoff (HGS) und Augst (KW) ist Pfeffer im ‘Dictionary’ auch auf systemhafte Vollständigkeit bedacht. Ich wende mich nun als Erstes den sog. Sinnrelationen zu. Schippan bemerkt einleitend in ihrem Aufsatz zu ‘lexisch-semantischen Relationen’: Soll der Aufbau semantischer Beziehungen in Abhängigkeit von Aussageabsichten und Handlungstypen dargestellt werden, so lassen sich elementare Typen semantischer Beziehungen beschreiben. Das ist möglich, indem der Lexikoneintrag das entsprechende Lexem als Mittelpunkt eines Relationsnetzes enthält. Das ‘komplexe Paradigma’ ... enthält Hyperonyme in ihrer Wechselbeziehung zu Hyponymen, Polaritäten mit ihren Spezialfällen der Antonymie und Komplementaritätjdentität und Similarität als Synonymiebeziehung, Die Wortschatzanalyse 349 Kohyponomie. Ein ‘komplexes Paradigma’ wäre die Abbildung eines Lexems mit all den Einheiten, zu denen es in regelmäßigen semantischen Beziehungen steht (Schippan 1983b, S. 96). Wie schon aus diesem Zitat hervorgeht, werde ich mein Hauptaugenmerk zunächst auf paradigmatische Beziehungen richten (s.u.), die primär der Makrostrukturierung des Wortschatzes dienen (können). Auf syntagmatische Relationen, nach Schippan „die Beziehungen der Kompatibilität und der Inkompatibilität, der semantischen Valenz“ (ebd., S. 97) gehe ich kurz im Anschluss daran ein: Die lexikalisch-semantischen aber auch die grammatischen Vereinbarkeitsregeln, also im weiteren Sinne Selektions- und Subkategorisierungsregeln, wie Chomsky sie nennt, komplettieren den Gebrauchsrahmen; darunter fallen auch kollokative, gebundene und ähnliche Verwendungsweisen (vgl. dazu u.a. Leisi 2 1985, Kap. 11). Informationen über syntagmatische Beziehungen finden sich in der Mikrostruktur eines Wörterbuches, etwa in Form der Beispielsätze. ‘Makrostrukturelle Beziehungen im Wortschatz und in Wörterbucheinträgen. Möglichkeiten und Grenzen des allgemeinen einsprachigen Wörterbuchs' überschreibt Herberg seine Bestandsaufnahme: Vor allem geht es darum, systematischer als bisher zu berücksichtigen, daß sich die Bedeutung und die Anwendungsbedingungen für das Einzelelement vollständig erst aus zwei Arten von Informationen ergeben, nämlich aus dem denotativ-referentiellen Anteil, wie er sich als semantische Mikrostruktur in der sog. lexikographischen Definition niederschlägt, und aus der zweifachen Einbettung in das Gesamtnetz, d.h. aus seiner Position im Paradigma und aus dem Umfang seiner regulären Kollokationspartner (1992a, S. 90). Herbergs Ansatz kann als gemäßigt umschrieben werden: Nicht immer sind in der Vergangenheit ... Forderungen in bezug auf die Möglichkeiten und spezifischen Aufgaben des allgemeinen Gebrauchswörterbuchs mit dem nötigen Realismus gesehen worden, so daß Enttäuschungen nicht ausbleiben konnten. Es scheint, daß die anfänglich zum Teil herrschende Euphorie in Hinblick auf die Veränderungs- und Verbesserungsmöglichkeiten des hier betrachteten Wörterbuchtyps mittlerweile generell und besonders auch in Hinblick auf unsere Problem [sic! ] einer relativ nüchternen und wesentlich realistischeren Betrachtungsweise gewichen ist, da sich die praktischen Ergebnisse im Gefolge der theoreti- 350 Der zentrale Wortschatz des Deutschen sehen Höhenflüge nicht im erwarteten Maße eingestellt haben (Herberg 1992a, S. 91). Nach dieser realistisch bis ernüchternd zu bezeichnenden Zwischenbilanz beschränkt Herberg sich im Folgenden auf Synonymie, Antonymie und Hyperonymie/ Hyponymie und hinterfragt die Möglichkeiten, welche diese traditionellen (Sinn-) Relationen für die systematische Strukturierung des Wortschatzes eröffnen. Die Wörterbucharbeit in bezug auf makrostrukturelle Informationen könnte sich beim Stand der Dinge in folgender Weise gestalten: Erstens und auf jeden Fall sollten Lexikographen so weit wie irgend möglich solche lexikontheoretischen und metalexikographischen Arbeiten zur Kenntnis nehmen, die neue Erkenntnisse über die Organisation bzw. Funktion des Lexikons vermitteln und zugleich Gedanken zu deren Berücksichtigung bei der Wörterbuchgestaltung enthalten, um den Bezug zur linguistischen Theoriebildung nicht zu verlieren. Zweitens haben sie unter Nutzung metalexikographischer Aussagen zu entscheiden, welche Arten von makrostrukturellen Informationen für das jeweils abzufassende Wörterbuch relativ zum spezifischen Adressatenkreis vorzusehen sind, das unerläßliche Minimum festzulegen und nach Möglichkeiten zu suchen, das Minimum bis zur Stufe des Wünschenswerten aufzustocken. Drittens müssen sie sich die Quellen erschließen, aus denen sie die notwendigen Fakten auf rationelle Weise gewinnen können, um die Effektivität der Wörterbucharbeit nicht in Frage zu stellen. Das können in Einzelfällen vorgängige Analysen einzelner Beispiele, Wortgruppen, Teilfelder o.ä. sein, wie sie in lexikontheoretischen und metalexikographischen Arbeiten demonstriert, jedoch zumeist nicht bis zur Stufe von Wörterbuchartikeln geführt werden, so daß häufig Unklarheiten über ihre Nutzbarmachung bestehen. Der Lexikograph ist also gut beraten, wenn er andere vorhandene Hilfsmittel ausschöpft, die ihm jederzeit zur Hand sind und deren Auswertung ihm keine übermäßigen Schwierigkeiten bereiten ... Viertens und endlich ist die im gegebenen Fall günstigste Form der lexikographischen Integration in den Wörterbuchartikel zu finden, die sowohl theoretisch begründbar als auch benutzerfreundlich sein muß (ebd., S. 92f). Verallgemeinert und leicht abstrahiert lassen sich vor allem die Ausführungen zu den ersten drei Punkte auch als gedankliches Gerüst für meine Vorgehensweise verstehen: Auf einige Tendenzen in neueren lexikontheoreti- Die Wortschatzanalyse 351 sehen und metalexikografischen Arbeiten bin ich oben sehr kurz und exemplarisch eingegangen. Der Adressatenkreis eines potenziellen Wörterbuches ist durch den Gegenstand meiner Untersuchung definiert, nämlich Deutschlernende, und was die Erschließung geeigneter Quellen anlangt, so habe ich mich dieses Verfahrens bereits bei der Detailanalyse der Untersuchungsschnittmenge bedient (vgl. die beiden Unterkapitel zu 3.4.1 in dieser Arbeit). Damit wäre auch nochmals die Methodik und ein Ziel meiner Arbeit umschrieben, nämlich theoretisch und praktisch Möglichkeiten und Lösungsvorschläge zu zeigen für einen (Aus-)Weg, der von der reinen Grundwortschatzliste hinführt zu einem systematisch aufgearbeiten und strukturierten, an den Erfordernissen des DaF-Unterrichts ausgerichteten Grundwortschatzwörterbuch (das wäre dann oben genannter Punkt 4). Ich beginne die Übersicht auf der paradigmatischen Achse mit der Gegensatzrelation oder Antonymie i.w.S. (vgl. hierzu Kap. 3.4.1.4.1 in dieser Arbeit sowie u.a. Geckeier 1980, Herberg 1992b, Lang 1995, Rachidi 1989, Rohde 1993, Schippan 1983b, S. lOOff.). 68 Herberg liefert drei Argumente dafür, Antonyme im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch zu berücksichtigen: die Kenntlichmachung und Vermittlung einer grundlegenden makrostrukturellen Beziehung im Wortschatz; die Ausnutzung der bedeutungserhellenden Potenz des gegensätzlichen Ausdrucks zu einem Lexem/ Semem; das Angebot von Gegenwörtern für bestimmte sprachpraktische Benutzungssituationen, wie sie ähnlich auch für Antonymenwörterbücher angenommen werden (1992a, S. 119). Damit ist nochmals eine Begründung nachgereicht für die ausführlichen Angaben von Gegenwörtern in der Untersuchungsschnittmenge (vgl. Kap. 3.4.1.4.2 und das entsprechende Material unter http: / / www.idsmannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html). Diese Zusammenstellung ist momentan noch als vorläufige Stoffsammlung zu betrachten. Nachfolgend wird demgegenüber besonderes Augenmerk auf den Systemcharakter gelegt, was gleichsam auch als Vorstufe für eine zweifellos notwendige weiterführende Überarbeitung bzw. Aufbereitung der Untersuchungsschnittmenge gesehen werden kann. Dazu würde auch gehören, diejenigen Gegenwörter auszufiltem, die nicht in der Untersuchungsschnitt- 68 Zum etwas anders gearteten, jedoch auch in diesem Kontext durchaus erwähnenswerten Problem des Gegensinns bei polysemen Wörtern vgl. Lutzeier (1997). 352 Der zentrale Wortschatz des Deutschen menge selbst enthalten sind, und zu hinterfragen, ob sie möglicherweise zu ergänzen wären. W. Müller fordert gleich zu Beginn seines Aufsatzes „Typisierte antonymische Relationen als Voraussetzung und Mittel für die lexikographische Strukturierung des Wortschatzes“ (1989, S. 628), auf die er unmittelbar nachfolgend auch eingeht: Es gibt zahlreiche Arten antonymi scher Relationen: kontradiktorische (Liehe/ Haß), konträre und/ oder konverse (groß/ klein, geben/ nehmen, verkaufen/ kaufen) und komplementäre (Mann/ Frau, Nonne/ Mönch). Diese Kategorisierungen sind oft problematisch. - Die komplementär-konträren lassen sich in genusbedingte {Mädchen! Junge, Knecht/ Magd), sozialgestufte {Herr/ Knecht), altersbedingte {Mann/ Kind, Jüngling/ Greis), wertungsbedingte {Mann/ Schwächling) und situationsbedingte {Mann/ Pferd) untergliedern. Es gibt auch Richtungs- und Artenantonymien in Konkurrenz (Richtung: gehen/ kommen, Arten: gehen/ fahren, reiten, laufen, kriechen, springen, hüpfen) ... Es gibt außerdem noch historische bzw. veraltete und landschaftliche Gegensätze {Abendland/ Morgenland, Frühling/ Spätling). Die meisten Antonymenpaare sind innersprachlich motiviert. Sie treten in allen Wortarten auf... (ebd., S. 628f.). „Die Antonymenpaare“ ergänzt W. Müller, „lassen sich nicht nur nach den genannten inhaltlichen Kriterien, sondern zusätzlich auch in bezug auf ihre Struktur klassifizieren“ (ebd., S. 629). Er unterscheidet demnach „lexikalische“, „morphologische“ und „Kompositumantonyme“ (ebd., zu weiteren Details s.u.). Meinen Stichproben habe ich die Beispielliste von W. Müller (ebd., S. 63 lf.) zu Grunde gelegt. Weniger gebräuchliche Paare wie Einzelverpflichtung! Kollektivverpflichtung habe ich gestrichen, dafür einige von W. Müller im Text angeführte Beispiele ergänzt. Die Zusammenstellung ist ebenfalls „nach lexikalischen bzw. morpholexikalischen Gesichtspunkten gegliedert“ (ebd., S. 631). Sie wurde in zwei Fällen korrigiert, da mieten/ vermieten keine lexikalischen Antonyme sind, sondern morpholexikalische mit Null/ Präfix gebildete und, belohnen! entlohnen antonymische erste Konstituenten besitzen und nicht eine antonymische Basis. Die Wortschatzanalyse 353 Korpus: l.a) Lexikalische Antonyme K R alt/ jung +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + alt/ frisch +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + alt/ neu +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + fett/ mager -/ + -/ + -/ + -/ - -/ + -/ - -/ krank/ gesund +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + laut/ leise +/ + +/ + -/ + +/ + +/ + +/ + +/ + lebendig/ tot +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + nah(e)/ fern +/ + +/ + +/ - +/ + +/ + +/ - +/ schön/ hässlich +/ + +/ - +/ - +/ - +/ + +/ - +/ schwarz/ weiß +1+ +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + männlich/ weiblich +/ + -/ - -/ + +/ + -/ - -/ + minimal/ maximal waagrecht/ senkrecht +/ + -/ - -/ - Angebot/ Nachfrage -/ + +/ - -/ - +/ + +/ + -/ - -/ - Minimum/ Maximum -I- -/ - -/ - -/ + -/ - A nkunft/ Abßug -/ - +/ - -/ - -/ - +/ - -/ - -/ - Ankunft/ Abfahrt -/ + +/ + -/ - -/ - +/ + / aufliören/ anfangen +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + erlauben/ verbieten +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + hassen/ lieben +/ + +/ + -/ + +/ + -/ + lachen/ weinen +/ + +/ + +/ + -/ - +/ + +/ + +/ gestern/ morgen +/ - +/ - +/ - +/ - +/ - +/ - +/ ja/ nein +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + aufwärts/ abwärts +/ + -/ - +/ - -/ - +/ + -/ - -/ höchstens/ mindestens +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ - +/ + für/ gegen +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + mit/ ohne +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + innerhalb/ außerhalb +/ + +/ + -/ - +/ + +/ + jeder/ keiner +/ - +/ + +/ - +/ - +/ + +/ + -/ l.b) komplementäre Anonyme Bruder/ Schwester +/ + +/ + +/ + +/ - +/ + +/ + +/ + Junge/ Mädchen +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + geben/ nehmen +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + 354 Der zentrale Wortschatz des Deutschen 2. Morpholexikalische Antonyme a) NuH/ Präfix zentral/ dezentral legal/ illegal tolerant/ intolerant gesund/ ungesund Vorschlag/ Gegenvorschlag laden/ ahladen vermieten/ mieten b) Antonymische erste Konstituenten heterogen/ homogen kurzhaarig/ langhaarig kurzsichtig/ weitsichtig Einzahl/ Mehrzahl Einzelreise/ Gruppenreise Einzelzimmer/ Doppelzimmer trennbare Verben anmachen/ ahmachen anmontieren/ abmontieren anmachen/ ausmachen aufladen/ abladen aufgehen/ untergehen einatmen/ ausatmen zmehmen/ abnehmen untrennbare Verben beladen/ en tladen belohnen/ entlohnen +/ - -/ - -/ - +/ + +/ - -/ + +/ + +/ + -/ - +/ + -/ + +/ + -/ - +/ + +/ - +/ - -/ - -/ - +/ - -/ - -/ - -/ + +/ - -/ - +/ + -/ - -/ - -/ - +/ + -/ - -/ - -/ - +/ - -/ - -/ + -/ - +/ - -/ - +/ + +/ + +/ - -/ - +/ + +/ - -/ + -/ - +/ - +/ - +/ - -/ - +/ - +/ - +/ - -/ - -/ - -/ - +/ + +/ + -/ + +/ + +/ - -/ - +/ + +/ + -/ - +/ - -/ - -/ - -/ - +/ - +/ - +/ - -/ - -/ - -/ - +/ + -/ - +/ + -/ + -/ + -/ - -/ - -/ + Die Wortschatzanalyse 355 c) Antonymische Basis verkleinern/ vergrößern -/ - -/ - -/ + -/ + -/ + -/ • d) Antonymische zweite Konstituenten alkoholarm/ alkoholreich alkoholfrei/ alkoholhaltig familienfreundlich/ familienfeindlich Ehefrau/ Ehemann davor/ dahinter -/ + +/ + +/ - +/ - -/ - / -/ - ‘Textbeispiele’ Tag/ Nacht +/ + +/ + +/ + +/ + -/ - +/ + +/ + Morgen/ Abend +/ + +/ + +/ + +/ + +/ - +/ + +/ + Glück/ Pech +/ + +/ - +/ + +/ - +/ + +/ + +/ - Leben/ Tod -/ + -/ + -/ + -/ + -/ + -/ - -/ + Freund/ Feind +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + +/ - Frieden/ Krieg +/ + +/ + +/ + +/ + +/ + -/ + +/ + Stärke/ Schwäche +/ + -/ - +/ - +/ + -/ - -/ - -/ - Start/ Landung +/ - -/ - +/ - +/ - -/ - -/ - Tab. 35: Belege von Gegenwort-Paaren in den einzelnen Korpora (nach der Aufstellung von Müller, W. 1989, S. 63 lf.) Die Tabelle illustriert zunächst, dass es sich bei den angeführten Beispielen um recht gebräuchliche Gegenwortpaare handelt, wenn man von den Kompositumantonymen (im weiteren Sinne) absieht, z.B. kurzvs. langhaarig, Einzelvs. Gruppenreise. Zudem sieht man, dass Kosaras (K) und Pfeffer (p) i.d.R. konsequent vorgegangen sind. Einige Ausnahmen sind beispielsweise: fett (—) vs. mager (Kp) schön (Kp) vs. hässlich (—), Angebot (p) vs. Nachfrage (K -), Ankunft (p) vs. Abflug (—), Ankunft (p) vs. Abfahrt (Kp), gesund (Kp) vs. ungesund (p), mieten (Kp) vs. vermieten (p) Glück (Kp) vs. Pech (K -) u.a. 356 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Was im Zuge der Detail-Analyse bereits hervorgehoben wurde, kann nach dieser Übersicht nur wiederholt werden: Für derartige Untersuchungen ist es unumgänglich, speziell auch im Falle des Grundwortschatzes die Bedeutungen zu ermitteln, also von Sememen auszugehen und nicht von Formativen; (antonymische) Sinnrelationen sind Semenbeziehungen und müssen demnach nicht der Formsondern der Inhaltsseite zugerechnet werden. Dies verdeutlichen Beispiele wie alt jung/ frisch/ new, gesund kranklungesund etc., das heißt: alt zerfällt in (mindestens) drei Sememe, die je nach Kontext verschiedene Gegenwörter fordern, z.B. alt/ jung (Mensch), alt/ frisch (Obst, Gemüse), alt/ neu (Auto, Haus)', oder: Ankunft (per Auto, Bahn, Flugzeug) vs. Abfahrt (per Auto, Bahn), Abflug (per Flugzeug)-, gesund/ krank (‘Zustand’), gesund/ ungesund (‘Eigenschaft’) usw. Die formale Unterscheidung der Gegensatzrelationen in morpholexikalische und lexikalische begünstigt des Weiteren zweierlei Darstellungsweisen im Wörterbuch: Während Letztere dem Bereich der Makrostruktur zugerechnet werden muss und am ehesten durch Verweise expliziert werden kann, ist die Erste durchaus in der Mikrostruktur darzustellen: Sie lässt sich damit unter dem Aspekt der Wortbildung subsumieren. Noch einen Schritt weiter geht Herberg, wenn er fordert: „Darüber hinaus sollten die Wortbildungsmittel, mit denen Antonymie erreicht wird, auch in separaten Wörterbuchartikeln dargestellt werden ... (Herberg 1992a, S. 134). 69 Synonymische Relationen stellen in gewisser Weise einen Problembzw. Sonderfall innerhalb eines zentralen Wortschatzes dar. Stark vereinfacht gesagt müssten Identität und Similarität im Kernwortschatz eigentlich vermieden werden, da ansonsten die Gefahr eines hohen Redundanzgrades bestünde, und folglich der Raum für zusätzliche ‘elementare’ Wörter fehlen würde. Demgegenüber hebt jedoch Ruzsiczky hervor, ... daß der durchschnittliche Benutzer eines Wörterbuchs nach ‘synonymischen’ Ausdrücken sucht, weil er 1. Wiederholungen vermeiden, eine gewisse Variation erreichen will; 2. die gleiche Sache von mehreren Seiten zu erfassen wünscht, also bemüht ist, genau zu sein, die Wirklichkeit 69 Zur Negation mit Wortbildungsmitteln vgl. u.a. die reihenbildenden Präfigierungen mit -un und seiner Konkurrenzformen (vgl. Lenz 1995, bes. Kap. 5). So verzeichnet Pfeffer im ‘Dictionary’ beispielsweise Un-glück statt Pech, u.Ä. Ergänzend sei noch darauf verwiesen, dass natürlich auch durch syntaktische Mittel ‘Gegensätze’ ausgedrückt werden können, vor allem durch die Satzbzw. Wortnegation nicht bzw. kein. Die Wortschatzanalyse 357 adäquat zu erfassen, das Gesagte zu präzisieren; 3. seine Gedanken stilistisch adäquat bzw. in einem anderen Stil zu formulieren sucht (Ruzsiczky 1983, S. 247f.). Nicht zu vernachlässigen sind in diesem Zusammenhang v.a. ‘textgrammatische Aspekte der Synonymie’ (Bracic 1994), die für die Textproduktion eine wichtige Rolle spielen. Davon abzuheben ist die bedeutungserklärende Funktion der Synonyme in Wörterbuchartikeln (s.u.). Nach dieser allgemeinen Zweckbestimmung lassen sich nun zwei begriffliche Grundpositionen herleiten: Die beiden Extreme sind: a) Synonyme müssen in jedem denkbaren Kontext austauschbar sein, und zwar so, daß der Satz/ Text weder in kognitiver, noch in emotionaler Hinsicht auch nur im geringsten beeinträchtigt wird; b) findet sich auch nur eine freie Wortverbindung, in welcher zwei Lexeme mit fast gleichem oder sehr ähnlichem Denotat Vorkommen können, so können diese beiden Lexeme schon als Synonyme angesehen werden, selbst wenn dadurch der Inhalt oder Stilwert des Satzes/ Textes mehr oder minder modifiziert wird (ebd., S. 247). Ich werde die theoretische Diskussion um Definitionskriterien und Abgrenzungsschwierigkeiten nicht fortführen (vgl. hierzu u.a. auch Bartels 1995, Filipec 1968, Ravin 1992, Wolski 1989), und stattdessen einen Synonym- Begriff annehmen, der in der Mitte einer Skala zwischen den beiden extremen Polen angesiedelt ist, um nun in aller Kürze einen sehr speziellen Teilbereich zur Diskussion zu stellen. Wie schon zu sehen war, übersteigt die Zahl der Sememe in Pfeffers ‘Dictionary’ die Zahl der angegebenen ‘Wörter’ bei weitem, was zum einen durch die Bedeutungszählung und zum anderen durch die Aufnahme einer Vielzahl sog. übertragener und gebundener Verwendungen erklärbar ist (vgl. Kap. 2.2 in dieser Arbeit). Man kann daraus schließen, dass dies auch Auswirkungen auf Art und Anzahl der synonymischen Beziehungen hat. Für die im ‘Dictionary’ gewählte Darstellung eines zweisprachigen Grundwortschatz-Wörterbuchs ist in diesen Fällen erneut sehr wichtig, zwischen Form und Inhalt klar zu unterscheiden. Selbst wenn man von einem eingeschränkten Benutzeraspekt ausgehen darf, führt das dennoch zu folgender Differenzierung; „Aus der Sicht jeder Partnersprache gibt es für zweispra- 358 Der zentrale Wortschatz des Deutschen chige Wörterbücher mindestens zwei Funktionen, die herübersetzende bzw. die passive Funktion und die hinübersetzende bzw. aktive Funktion“ (Hausmann 1988, S. 138, ausführlicher S. 138ff.; vgl. hierzu auch Hausmann 1991; Kromann 1983, S. 330f. und 1989, S. 270f.; Kromann/ Riiber/ Rosbach 1991; Mugdan 1992; kritisch hierzu: Wiegand 1996). Die Unterscheidung zwischen sog. Produktions- und Rezeptionswörterbüchern hat besonders für die Anordnung synonym gebrauchter, übertragener und gebundener Verwendungen unmittelbare Folgen (vgl. Hausmann 1985). Pfeffer hatte im ‘Dictionary’ als zweite Lesart von fallen ‘to die in action/ im Krieg sterben’ angegeben, und diese auch unter dem Lemma fallen verzeichnet (vgl. ‘Dictionary’, S. 65f.). Das ist im Sinne eines Rezeptionswörterbuchs angemessen, da so gewährleistet wird, dass Leser und Leserinnen/ Hörer und Hörerinnen jenes ihnen unbekannte Wort nachschlagen und es dank der alphabetischen Reihenfolge auch schnell finden können. Im umgekehrten Fall, wenn Schreiber und Schreiberinnen/ Sprecher und Sprecherinnen nach einem Ausdruck für ‘sterben’ in dieser speziellen Bedeutung suchen würden, müsste fallen (in dieser Lesart) unter to die bzw. to kill oder sterben aufgeführt werden, da es ansonsten für Lerner und Lemerinnen nicht zu finden wäre. Bei allem Streben nach einer ökonomischen Zusammenstellung des Grundwortschatzes, zeichnet sich dennoch eine Vernetzung im Bereich synonymischer Beziehungen ab (was freilich nicht vorschnell als Redundanz interpretiert werden sollte). Das gilt v.a. für Falle wie beladen/ aufladen vs. entladen/ abladen, gewinnen/ siegen u.v.a., also dem ‘NormalfalF der Synonymie zwischen den Sememen einzelner Wörter (s.u.). Synonymie steht in diesem Kontext einer Ähnlichkeitsrelation weit näher als einer Identitätsrelation. Völlig identische Wörter kommen als Folge des sprachlichen Ökonomieprinzips außer im Grenzbereich zwischen Fach- und Allgemeinsprache (z.B. Meningitis = Hirnhautentzündung) ohnehin relativ selten vor. Will man den Synonymie-Begriff auf Grund dessen nicht als solchen in Frage stellen, so muss er auf Ähnlichkeitsbeziehungen ausgedehnt werden (können). Die Wortschatzanalyse 359 Ein entscheidendes Definitionskriterium war die Austauschbarkeit (Substitution als operatives Verfahren), welches wiederum eine Bewertung auf der syntagmatischen Ebene erfordert. Es ist demgemäß besonders schwer, zwischen kontextuell-situativen und innersprachlichen Synonymen zu trennen. Aus nahe liegenden Überlegungen ist es sinnvoll, nur Letztere in einem Wörterbuch darzustellen. Diese Darstellung ist wiederum ausschließlich anhand von Sememen möglich (s.o. fallen), wo zugleich die minimalen Sem- Unterschiede aufgezeigt und angegeben bzw. markiert werden sollten: Wesentlich ist, daß wir Synonymie als eine Beziehung betrachten, die zwischen Sememen besteht, und daß wir also als Synonyme solche Sememe betrachten, mit denen man sich im normalen Sprachgebrauch auf dasselbe Denotat beziehen kann, weil sie merkmalsemantisch gesprochen über einen Kern gleicher denotativ bedingter Seme verfügen, sich aber durch periphere denotative Seme oder/ und durch konnotative Seme unterscheiden können (Herberg 1992a, S. 94; vgl. zu Konnotationen (und deren Relevanz für die Lexikografie) u.a. Bochmann 1974, Bykova 1978, Hausmann 1985, Lerchner 1983, Ludwig 1978, 1986, 1990 und 1994, Büschel 1990, Schippan 1979). Neben den speziellen Schwierigkeiten des ‘Zugriffs auf Mehrwortausdrücke in bilingualen Wörterbüchern’ (vgl. hierzu Rösl 1995) ... besteht die Problematik darin, daß die in den allgmeinen Wörterbüchern vorherrschende Art der Einbeziehung von Synonymen nicht der Tatsache gerecht wird, daß es sich bei der lexikalischen Synonymie um eine onomasiologische lexikalisch-semantische Relation sui generis handelt, die entsprechende Darstellungsmittel erfordert ... Mit der bisherigen Praxis machen die Lexikographen das semantische Wissen, das sie über Synonyme haben, für den Benutzer nicht explizit und somit nicht vollständig nutzbar (Herberg 1992a, S. 95f.). Daraus lassen sich zwei Folgerungen für die zukünftige Wörterbucharbeit ziehen, nämlich ... erstens auf keinen Fall sinn- oder sachverwandte Ausdrücke anzuhäufen, die nicht auch Lemmata im selben Wörterbuch sind; zweitens markierte Ausdrücke auch als solche erkennbar in eine Reihe sinnverwandter Ausdrücke einzufügen (ebd., S. 99). Folgender Grundsatz kann ferner zusammengefasst werden: Synonymische Beziehungen, die zwischen Sememen im Wortbestand eines Wörterbuches bestehen - und nur diese -, sollen vollständig, konse- 360 Der zentrale Wortschatz des Deutschen quent und auf einheitliche Weise angegeben werden. Wir wenden uns sowohl gegen die ausschließliche und beliebige Verwendung von Synonymen als (Teile der) Bedeutungserklärung als auch gegen die Vermischung dieser Verfahrensweise mit Versuchen partieller Darstellung der Synonymie als Relation im lexikalischen System ... (Herberg 1992a, S. 103). Herbergs Vorschlag für die Makrostrukturierung lautet demnach: „Die Glieder einer Synonymengruppe sind an einer Stelle sämtlich aufzuführen, und zwar bei demjenigen Lemma, das als sog. Leitwort oder Grundsynonym fungiert“ (ebd., S. 104). Vor diesem Hintergrund sollte auch die Angabe der Synonyme in der Untersuchungsschnittmenge nach Görner/ Kempcke ( 7 1988, vgl. http : / / www. ids-mannheim.de/ lexik/ personal/ schnoerch.html) als Vorarbeit verstanden werden. Für eine systematische Berücksichtigung dieser Relation etwa in der geschilderten Weise und zwar zum einen für die Bedeutungserklärung und zum anderen für die Vernetzung des Grundwortschatzes wäre demnach eine Filterung des Datenmaterials vorzunehmen, als deren Ergebnis nur diejenigen Synonyme verbleiben würden, die auch in der Untersuchungsschnittmenge lemmatisiert sind. Insgesamt werden Synonymie-Relationen, selbst bei einer verhältnismäßig weit gefassten Definition, im Kemwortschatz eine geringere Rolle spielen als im Gesamtwortschatz - Die Möglichkeiten, den Grundwortschatz auf diese Weise systematisch auszubauen sollte hingegen nicht unterschätzt werden. Für Lernende der ersten Stufe dürften Ähnlichkeitsrelationen, welche die Feinheiten des lexikalischen Systems zum Ausdruck bringen, von untergeordneter Bedeutung sein. Ihnen geht es ja in erster Linie um einen Grundstock, um elementare Begriffe und Beziehungen. Von diesem Standpunkt aus betrachtet sind hierarchische Relationen weitaus ergiebiger. Das gilt sowohl für die Seite der Bedeutungserklärung und Darstellung als auch für den Bereich einer potenziellen Wortschatzerweiterung, die von Oberbegriffen ausgeht und fächerartig zu Unterbegriffen fortschreitet. Es verwundert daher kaum, dass Wellmann (1987) der Frage nachgeht, ob das Konzept von Hyperonomie und (Ko-)Hyponymie nicht als mögliche ‘Brücke vom semasiologischen zum onomasiologischen Wörterbuch’ fungieren könnte. Die Wortschatzanalyse 361 Wellmann geht einleitend auf die semantischen Aspekte der Hyponomie ein; er unterscheidet zwischen ‘dem Grundtypus der explikativen Hyponymie’, der ‘partitiven’ und der ‘quasihyponymischen’, welcher er die ‘individuierende’ und die ‘transgressive’ Bedeutungsbeziehung zuordnet (vgl. Wellmann 1987, S. 205f.). Er wendet sich den syntaktischen, pragmatischen, lexikologischen und morphologischen Aspekten der Hyponymie zu (vgl. ebd., S. 206ff.), bevor er deren lexikografische Systematik verdeutlicht (vgl. ebd., S. 21 Off., besonders die Tab. S. 215). Auf weitere Einzelheiten werde ich ggf. noch im Rahmen der nachfolgenden Stichproben eingehen, denen drei Leitfragen zu Grunde liegen: Welche Wörter könnten als Hyperonyme fungieren? In welchem Umfang sind Hyponyme und Ko-Hyponyme verzeichnet? Wo wären eventuelle Lücken zu schließen? Für die Stichproben wurde nur Pfeffers ‘Dictionary’ herangezogen, um exemplarisch zu prüfen, ob in einem einzelnen Korpus, dessen Homogenität durch Abgleich systemhafter Lücken zudem gegeben scheint, im Zuge der methodischen Aufarbeitung auch hierarchische Beziehungen berücksichtigt und eingebracht wurden, und was diese ggf. für die Strukturierung und Auswahl des Wortschatzes leisten könn(t)en. 7 " Als Einstieg habe ich zwei übergeordnete Bereiche ausgewählt, die einerseits im Grundwortschatz meist durch eine willkürlich anmutende Auswahl von Wörtern vertreten, und andererseits auf fachsprachlicher Seite hierarchisch gut strukturiert sind, was sich wiederum teilweise auch auf die Allgemeinsprache niedergeschlagen hat: ‘Pflanzen’ und ‘Tiere’. Diese beiden Bezeichnungssysteme mögen zwar bis zu einem gewissen Grad terminologisch definiert sein, trotzdem oder gerade deswegen eignen sie sich besonders für Illustrationszwecke. Baum ist im ‘Dictionary’ belegt. Ich nehme diesen Begriff als Ausgangspunkt und betrachte ihn als Hyperonym, um daran zuerst den Typ der explikativen Hyponymie zu veranschaulichen. Aus der Vielzahl möglicher Koto Soweit es zweckdienlich bzw. überhaupt möglich war, wurden zur Kontrastierung die weiteren Teilkorpora hinzugezogen, was dann durch die Angabe der entsprechenden Kürzel in Klammem angezeigt wird. 362 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Hyponyme führt Pfeffer immerhin Birke, Buche, Eiche, Fichte, Linde und Tanne an. Weshalb nur und gerade diese, lautet folgerichtig die Frage; weshalb fehlen Ahorn, Kiefer, Lärche, Pappel und auch das sind noch längst nicht alle zumindest heimischen Bäume. Es dürfte klar sein, dass Vollständigkeit weder angestrebt werden kann noch muss und es immer Lücken geben wird. Aus diesem Grund ist die Auswahl gegenüber einer Strukturierung auch zweitrangig. Weder Apfelbaum (a), noch Birnbaum oder Kirschbaum sind im ‘Dictionary’ belegt, obwohl gerade hier der morphologische Aspekt der Hyponymie zum Ausdruck kommt: Die Beziehung zwischen dem Basiswort und seinem Determinativkomposita ist prinzipiell diejenige zwischen Gattung und Art, wenn man sie einmal begrifflich formulieren will. Ihr entspricht in der Semantik etwa die zwischen einem Archilexem und den ihm zugeordneten Einzellexemen, die man auch als hyponymisch bezeichnet (Wellmann 1987, S. 205). Berücksichtigt man speziell diesen Gesichtspunkt, so muss es verwundern, dass die Unterscheidung zwischen Nadelbaum und Laubbaum in keinem der Korpora vollzogen wird; die mit sprachlichen Mitteln gebildeten Zwischenstufen fehlen, Nadel und Laub kommen in dieser Bedeutung bei Pfeffer gar nicht vor. Ein weiteres Bindeglied, nämlich Obstbaum, ist ebenfalls nicht belegt. Ändert man nun die Perspektive und verfolgt die hierarchische Struktur nach oben, dann fällt auf, dass der Überbegriff Gehölz ebenfalls nirgends belegt ist, und die Kohyponyme zu Baum, also Strauch (a) und Busch (aG) bei Pfeffer u.U. zu ergänzen wären. Ähnliche Verhältnisse herrschen auch im Bereich der Tierbezeichnungen. Der Oberbegriff Vogel ist bei Pfeffer belegt, hinzu kommen die Arten: Adler, Amsel, Ente, Gans, Hahn, Henne, Huhn, Krähe, Spatz, Storch. Man könnte wiederum fragen, weshalb fehlen etwa Kuckuck (a), Möwe (a), Papagei (a), Schwalbe (a), Bussard, Geier, Specht usw.? Auswahlkriterien oder gar ein System sind nicht zu erkennen, obgleich ein solches nahe liegen würde: Greif-/ Raubvögel - Singvögel - Wasservögel. Die Wortschatzanalyse 363 Im ‘Dictionary’ findet man Ameise, Biene, Mücke, Schmetterling, Fliege; der Oberbegriff Insekt (K) hingegen fehlt, ebenso wie etwa Wespe (a), Küfer (G) u.v.a. Nicht angeführt sind ferner. Floh (a), Laus und Spinne (a), die mit dem pejorativen Sammelbegriff Ungeziefer bezeichnet werden könnten, der nur in G belegt ist. Unter der Kategorie Fisch verzeichnet Pfeffer die Süßwasserfische Forelle, Hecht, Hering, Karpfen; Meeresfische wie Haie (a) sucht man vergebens, ebenso wie Amphibien, z.B. Frosch (a), Molch oder Reptilien, von denen lediglich Schlange angeführt wird, nicht aber Krokodil (a) oder Echse. Die weitaus meisten der im ‘Dictionary’ verzeichneten Tiere sind den Säugetieren zuzurechnen (obschon auch dieser Begriff in keinem der Korpora vorkommt): Bär, Esel, Fuchs, Hund, Kalb, Kamel, Katze, Kuh, Lamm, Löwe, Maus, Ochse, Pferd, Schaf, Schwein, Wolf, Ziege. Neben Vieh (GKpz) als Sammelbezeichnung für landwirtschaftliche Nutztiere findet sich Wild (aGKpR) als Bezeichnung für jagdbare Tiere; Reh (aG) und Hirsch (aG) wiederum ist ebenso wenig belegt wie Herde (G) (= ‘Verband besonders von Huftieren’) oder Schwarm (= ‘Verband von Insekten, Fischen oder Vögeln’). Der Oberbegriff Haustier müsste gleichfalls ergänzt werden. 71 Solche Wörter, die als Oberbegriffe in besonderem Maße für eine systematische Anordnung wichtig sind, könnten auch separat beispielsweise als eigener Teil eines Ergänzungswortschatzes in Klammern zusammengestellt werden. Was sich in den Bereichen ‘Pflanzen’ und ‘Tiere’ abzeichnet, also eine gewisse Willkür bzw. Zufälligkeit bei der Wortauswahl, mangelnde Strukturierung sowie daraus zwangsläufig resultierende Redundanzen und ‘Lücken’, ist auch bei anderen Benennungssystemen zu beobachten. Körperteilbezeichnungen ließen sich selbstredend am ehesten durch parspro-toto-Beziehungen erklären und darstellen. Obgleich im ‘Dictionary’ die Mehrzahl verzeichnet ist (in alphabetischer Reihenfolge: Achsel, Ader, Arm, Auge, Backe, Bauch, Bein, Blase, {Blut), Brust, Daumen, Faust, Ferse, Fin- 71 Mitunter lässt die Auswahl der Tierbezeichnungen auch Rückschlüsse auf das Korpus zu; so findet man im HGS z.B. Gaul, im KW verstärkt ‘niedliche’ oder besonders ‘faszinierende/ exotische' Tiere, z.B. Delfin, Eichhörnchen, Fohlen, Igel, Kaninchen, Pinguin, Eisbär, Hai, Klapperschlange, Krokodil, Wal etc. 364 Der zentrale Wortschatz des Deutschen ger, Fuß, Gaumen, Gesicht, Haar, Hals, Hand, Haut, Herz, Kinn, Knie, Knochen, Lippe, Lunge, Magen, Mund, Muskel, Nase, Nerv, Ohr, Organ, Rippe, Rücken, Schulter, Stirn(e), Wange, Zahn, Zunge), sind erneut Lücken festzustellen: So fehlen die ‘Tabu-Wörter’ Arsch (a), After, Gesäß, Geschlechtsorgan, Penis u.a.; es fehlt das Skelett, das Gelenk, weiter der Darm, der Blinddarm, das Gehirn (a) als Teil des Kopfes, Gebiss als Überbegriff von Zahn: Ringfinger und Zeigefinger neben Daumen als Unterbegriffe zu Finger, als einem Teil der Hand. Von sprachlicher Seite klar gegliedert und im Wesentlichen auch berücksichtigt ist die Einteilung der Zeit (vgl. hierzu auch Wellmann 1987, S. 208). Im ‘Dictionary’ nicht angeführt sind v.a. die (kirchlichen) Feste und Feiertage Fasching bzw. Karneval (a), Allerheiligen, Fronleichnam, Karfreitag, Silvester, Neujahr (G) und Pfingsten (GK), des Weiteren die Zeitangaben Mitternacht (K), Viertelstunde (GK), Vierteljahr (G), sowie allgemein Arbeitszeit (R, im Gegensatz zu den belegten Formen Freizeit, Urlaub) und nicht zuletzt das 'Messinstrument’, der Kalender (aKz). Im Bereich der Maßeinheiten vermisst man bei Pfeffer Celsius (Grad ist belegt), Zentimeter (GKs) und Zentner (GK). Die Verwandtschaftsbzw. Personenbezeichnungen weisen gleichfalls Lücken auf; im ‘Dictionary’ nicht angeführt sind: Braut (aGK, Bräutigam fehlt in allen Korpora), Ehemann und Ehefrau ist nirgends verzeichnet (was allerdings auch durch ein Semem der Kurzformen Mann bzw. Frau abgedeckt wird); bei Pfeffer findet man nur die veralteten Begriffe Gatte und Gemahl (man beachte jedoch das Erscheinungsdatum des ‘Dictionary’! ), die Sammelbegriffe Ehepaar, sowie Urgroßeltern fehlen. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch in den anderen von mir überprüften Teilbereichen: Während Pfanne, Teller, Topf, Gabel, Löffel und Messer im ‘Dictionary’ angeführt werden, fehlen die Oberbegriffe Geschirr (aGKz) bzw. eine Stufe darunter Besteck (GKz). Man findet Essig, Pfeffer, Salz, nicht aber das Hyperonym Gewürz (az) und vermisst gängige Küchenkräuter wie Dill, Petersilie, Paprika, Schnittlauch u.a.; Beere (GK) wird nicht berücksichtigt, auch keine Ko-Hyponyme wie Erdbeere (a), Heidelbeere (G), Himbeere (aG), Johannisbeere (G). Blume ist belegt, nicht jedoch deren Die Wortschatzanalyse 365 Teile Blüte (aK) und Stängel. Blitz und Donner sind zwar verzeichnet, nicht aber Gewitter (aGKz); Auto, Bus, Motorrad und Wagen sind belegt, nicht aber Fahrzeug (GKR) usw. Damit beende ich die lose Aufzählung von Beispielen, bei der ich mich bewusst auf den nominalen Bereich konzentriert habe, da im verbalen verstärkt „pragmatische Aspekte der Hyponymie“ einwirken; sie „treten besonders dann in den Gesichtskreis des Lexikographen, wenn er über die Auswahl, Einordnung und Interpretation seiner Belege entscheidet“ (Wellmann 1987, S. 207). So geben die Verben laufen, fahren, schwimmen, rennen, kriechen, schleichen etc. eher ein Spektrum verschiedener Fortbewegungsarten an, und weniger eine ‘Fortbewegungshierarchie’. Am Beispiel der Hyperonymie-Hyponymie-Beziehung fällt der Stichprobencharakter der Beispiele besonders ins Auge, aber auch das Potenzial, das speziell dieser Sinnrelation hinsichtlich der (begrifflichen) Strukturierung eines Grundwortschatzes innewohnt (vgl. hierzu auch Zillig 2000). Es mangelt also weder an Ansätzen noch an Möglichkeiten, Grundwortschätze jenseits des Alphabets zu systematisieren allein die Konsequenz fehlt bislang: Es wird so lange kein explizites System der paradigmatischen Beziehungen im Wortschatz geben, so lange das nächste Wörterbuch in Angriff genommen wird[,] anstatt die Schaffung eines solchen expliziten Systems zur eigenständigen Forschungsaufgabe zu erheben, auf deren Ergebnis sich dann die folgenden Wörterbuchgenerationen gründen können. Dabei empfiehlt es sich, zunächst von einem relativ kleinen Wörterbuch mit beschränkter Lemmazahl auszugehen, um das Gerüst zu schaffen, sich der Rechnerunterstützung zu versichern und erst nach und nach die Erweiterung auf den gesamten Allgemeinwortschatz vorzunehmen (Herberg 1992a, S. 144). Dafür käme beispielsweise ein Wörterbuch vom Umfang des Grundwortschatzes von Kosaras (1980) in Betracht (vgl.Herberg 1992a, S.158, Anm. 14). Mit Herbergs Zitat als Resümee und Aufforderung verstanden beende ich meinen Überblick über die paradigmatischen Relationen. Sie können erkannt und bestimmt werden durch die Fragen: „Welches Wort ist durch welches Wort ersetzbar, durch die Negation welches Gegenwortes, durch welchen Oberbegriff (welches Hyperonym), durch die Summe welcher Unterbegriffe 366 Der zentrale Wortschatz des Deutschen (Ko-Hyponyme)“ (Wellmann 1984, S. 358)? Diese Proben helfen zugleich, die Funktionstüchtigkeit eines Grundwortschatzes zu überprüfen. Auf jene Weise lassen sich nämlich nicht nur systemimmanente Lücken nachweisen, sondern zugleich Fragen der Vernetzung und Darstellung beantworten, wie ich es auf den vorangehenden Seiten skizziert habe. Generell sollte man sich dabei stets an den Grundsatz halten, ... daß die Angabe von lexikalisch-semantischen Relationen allgemein und dieser Relation im besonderen [d.h. der Hyperonymie-Hyponymie- Relation, U. Sch.] nicht Selbstzweck in diesem Wörterbuch sein kann, sondern daß sie der übergeordneten Aufgabe der Bedeutungsbeschreibung unterzuordnen ist und von Relation zu Relation im einzelnen auf ihren spezifischen Beitrag dazu abgeklopft werden muß. Danach allein bemessen sich theoretisch die Art und der Umfang ihrer Berücksichtigung im allgemeinen Wörterbuch, wobei allerdings praktisch weitere Einschränkungen u.U. aufgrund des unzureichenden Forschungsstandes notwendig sind. In bezug auf das Problem der Hierarchiebeziehung ist eine differenzierende Betrachtung am Platze, die zwischen dem Wert der Hyperonymkenntnis und dem der Information über Hyponyme zum Lemma unterscheidet (Herberg 1992a, S. 145). Die Sonderstellung hierarchischer Relationen wird darüber hinaus ... durch die tradierte Praxis ‘lexikographischer Definitionen’ aus genus proximum und differentia specifica belegt. Die Angabe des Hyperonyms ist mithin wesensmäßiger Bestandteil der Definition, der umschreibenden Bedeutungsexplikation, was sie ihrem Status nach grundsätzlich von den Angaben zur Synonymie oder zur Antonymie unterscheidet (ebd., S. 146). Durch dieses Zitat rückt nun auch die Mikrostruktur in den Blickpunkt (vgl. u.a. Hausmann 1991, Neubauer 1984, Wiegand 1989a, 1989b und 1989c, Wotjak, G. 1988), und auf diese Weise kann zugleich eine Brücke zu den Relationen auf der syntagmatischen Achse geschlagen werden. Man wird vielleicht Hausmanns sehr deutlich formulierter Erfahrung „In einer Fremdsprache ist (fast) alles idiomatisch! “ (1993a, S. 5, vgl. auch 1993b) nicht auf Anhieb zustimmen; in letzter Konsequenz hingegen werden Fremdspracheniemende dann doch immer wieder eines Besseren belehrt. 72 Dies ist Grand genug, die Relationen auf der horizontalen (Sprach-)Achse etwas näher zu betrachten. 72 Der Begriff 'idiomatisch' ist hier freilich im weitesten Sinne zu verstehen. Die Wortschatzanalyse 367 Leisi rechnet v.a. drei Themen zu den Schwerpunkten der syntagmatisehen Semantik: Kombinierbarkeit (collocation, collocability), Disambiguation und Satzbedeutung (vgl. 2 1985, S. 196, S. 197ff. zu weiteren Details). Ich werde nicht weiter auf allgemeine theoretische Kontroversen und terminologische Abgrenzungsprobleme eingehen, vgl. dazu u.a. Ägel (1992), Coseriu (1967), Figge (1993), Hausmann (1985), Hundsnurscher (1996), Kromann (1989), Lehr (1996), Packalen (1994), Stati (1996), Viehweger (1982 und 1989), Wellmann (1992), Wolf (1989). Für die gegenwärtigen Fragestellungen rücken insbesondere die ersten beiden von Leisi angesprochenen Punkte in den Vordergrund sowie deren Stellenwert für die Lexikografie. Für Kollokationen lassen sich im Wesentlichen vier Definitionskriterien zusammenfassen: (a) Kombinationen von Wortschatzelementen sind regelbzw. normgerechte Verknüpfungen, die von festen Verbindungen (phraseologischen Einheiten) abzugrenzen sind; (b) obwohl die Kombination von Wortschatzelementen in syntaktischen Strukturen erfolgt und durch zahlreiche Faktoren determiniert wird, sind Vereinbarkeitsrelationen zwischen Wortschatzelementen primär semantischer Natur, d.h., Vereinbarkeitsrelationen werden vor allem durch die Bedeutung der Wortschatzelemente bestimmt, die in einer syntaktisch-semantischen Struktur verbunden werden; (c) es wird davon ausgegangen, daß semantische Vereinbarkeitsrelationen nur zwischen den sogenannten Inhaltswörtern (Autosemantika), nicht aber zwischen Inhaltswörtern und Funktionswörtern bzw. zwischen Funktionswörtern bestehen; (d) alle bisherigen Modellvorschläge zur Beschreibung semantischer Vereinbarkeitsrelationen respektieren die Satzgrenze und sind in der Regel auf zweigliedrige syntaktisch-semantische Strukturen bezogen (Viehweger 1989, S. 889). Nicht unproblematisch ist ferner der ... Status der beiden Kombinationspartner zueinander. Hier ist entscheidend, daß Kollokationspartner hierarchisch zueinander angeordnet sind. Ein Partner determiniert, ein anderer wird determiniert. Oder anders gesagt: Kollokationen haben eine Basis und einen hinzutretenden Kollokator. In schütteres Haar ist die Basis Haar und der Kollokator schütter ... Die wichtigste Basiswortart ist das Substantiv, weil es Substantive sind, welche die Dinge und Phänomene dieser Welt ausdrücken, über die es etwas zu sagen gibt. Adjektive und Verben kommen als Basiswörter nur 368 Der zentrale Wortschatz des Deutschen insoweit in Frage, als sie durch Adverbien weiter determiniert werden können (Hausmann 1985, S. 119). Als eine Folge dieser Unterscheidung stellt sich die Frage: Wie wird der hierarchische Unterschied von Basis und Kollokator in unseren Wörterbüchern beachtet? Hier spielt wieder der Funktionsunterschied von Rezeptionswörterbuch und Produktionswörterbuch eine entscheidende Rolle ... Wenn ein Wörterbuch sich ... mit der Funktion des reinen Rezeptions-, Verstehens-, Lesewörterbuchs begnügen will, so genügt der Eintrag der Kollokation im Artikel des Kollokators. Wenn ein Wörterbuch ausschließlich zur Hilfe bei der Textproduktion dienen will, so genügt der Eintrag der Kollokation im Artikel des Basisworts. Wenn hingegen das Wörterbuch beide Funktionen erfüllen will, was sehr wohl sinnvoll sein kann, so muß es die Kollokation logischerweise zweimal eintragen (ebd., S. 121f.). Damit wird eines klar: „Semantische Vereinbarkeitsrelationen stellen einen Typ makrostruktureller Relationen im Lexikon dar“ (Viehweger 1989, S. 891), und sie „sind, wenn nicht Fertigprodukte, so wenigstens Halbfertigprodukte der Sprache, zwar nicht der Sprache als System, aber im Sinne Coserius der Sprache als Norm“ (Hausmann 1985, S. 118). Generell ist es also sinnvoll, Kollokationen in Wörterbüchern zumal für Fremdspracheniemende in adäquater Weise zu verzeichnen, und so dem ‘idiomatischen Charakter’ der Sprache Rechnung zu tragen. Viehweger macht demgegenüber auf eine Reihe von Defiziten aufmerksam, die in der lexikografischen Praxis auszumachen sind: Die unzureichende theoretische Durchdringung der syntagmatischen semantischen Relationen hatte z.T. schwerwiegende Konsequenzen für die lexikographische Kodifizierung dieser Phänomene in Gesamtwörterbüchern des Deutschen wie auch anderer Sprachen. Dies zeigt sich zum einen darin, daß sich die lexikographische Kodifizierung semantischer Vereinbarkeitsrelationen vielfach in der Aufzählung beziehungslos aneinandergereihter Beispiele erschöpft, von denen aus in der Regel kein systematischer Zusammenhang zur Bedeutungserklärung des jeweiligen Wörterbucheintrags hergestellt wird ... Neben Wörterbucheinträgen mit einem reichen Angebot an illustrierenden Beispielen gibt es zahlreiche Einträge, in denen keine Beispiele angeführt werden. Daraus kann sicherlich nicht gefolgert werden, daß diese keine Vereinbarkeitspartner haben. Schließlich gibt es Wörterbucheinträge, in denen das lexikographische Beispiel in keiner Weise zu einer Aufhellung der Vereinbarkeitspartner Die Wortschatzanalyse 369 beiträgt (Viehweger 1989, S. 890; vgl. auch Nikula 1988 zur Textualität des lexikografischen Beispiels). Speziell der letzte Kritikpunkt kann durch die meisten der im ‘Dictionary’ angeführten Beispielsätze eindrucksvoll veranschaulicht werden. Aus dieser Perspektive betrachtet zeigt sich, welchen Beitrag Kollokationen für die Mikrostruktur eigentlich leisten könnten, häufig sieht die Realität jedoch anders aus: Allgemeine einsprachige Wörterbücher stellen das lexikographische Beispiel, das die Verwendung von Wortschatzelementen illustrieren soll, in keinen systematischen Zusammenhang zur Bedeutungserklärung und treffen vielfach keine direkte Zuordnung von lexikographischem Beispiel und Sememvariante (ebd., S. 891). Kombinierbarkeit und Disambiguation um die Begriffe von Leisi wieder aufzunehmen bilden so gesehen nicht nur zentrale Forschungsansätze der syntagmatischen Semantik; die Erarbeitung relevanter Daten und deren systematische Erfassung in der Makro- und Mikrostruktur stellt gleichzeitig eine Herausforderung für die lexikografische Praxis dar: Informationen über semantische Vereinbarkeitsbeziehungen repräsentieren einen Datentyp, der zu den vorrangigen Benutzerbedürfnissen gehört, die Wörterbücher dieses Typs zu erfüllen haben. Deshalb sind Kollokationen so zu kodifizieren, daß dem Benutzer dadurch die Bildung weiterer Syntagmen ermöglicht wird ... Daraus folgt, daß in Wörterbucheinträgen syntaktische und semantische Informationen systematischer aufeinander zu beziehen sind, um dem Benutzer vor Augen zu führen, daß Kollokationen stets auch die regelgerechte syntaktische Verbindung der Wortschatzelemente voraussetzen ... Schließlich ist zu fordern, daß Kollokationen immer dem jeweiligen Semem zugeordnet werden (ebd., S. 892). Für den Lexikografen lässt sich der Sachverhalt auch in Form einer grundsätzlichen Frage formulieren: „Worin besteht die ‘Kontextfähigkeif oder ‘Kontextkapazitäf des Wortes nun im einzelnen? “ (Wellmann 1992, S. 206). Wellmann gliedert in Anlehnung an das ‘Atommodelf die Umgebung des Wortes auf der syntagmatischen Achse in fünf konzentrisch angelagerte Schalen (vgl. ebd., S. 206f), die von innen nach außen verschiedene Bereiche abstecken von der Flexion über syntaktische Ergänzungen bis hin zum (impliziten) Wissen über semantische Netze (vgl. ebd., S. 207ff.). Die Komplexität der Verhältnisse geht also weit über das hinaus, was hier ledig- 370 Der zentrale Wortschatz des Deutschen lieh angedeutet werden konnte. Dennoch sollte zum Abschluss der Überlegungen über den Gebrauchsrahmen am Beispiel der Verben kurz auf das Wechselspiel zwischen Semantik und Grammatik hingewiesen werden. Bei der Valenzanalyse der Verben in der Untersuchungsschnittmenge hatte ich mich auf die Angabe der betreffenden quantitativen und qualitativen syntaktischen Valenz beschränkt, d.h. auf Anzahl und Form bzw. Satzgliedrolle der obligatorischen und fakultativen Ergänzungen. Der Valenzbegriff umfasst jedoch mehrere Ebenen, und im Laufe der Theoriegeschichte zielte man immer stärker darauf ab, die semantische Valenz in den Vordergrund zu rücken. Ein prägnantes Beispiel ist das von Helbig in der Theorie neu entwickelte 6-Stufen-Modell: Die Stufen 1 bis IV betreffen die ‘p ro P°sitional-semantische Inhaltsstruktur' ... Bei V und VI handelt es sich um Aspekte, die zumeist unter dem Stichwort ‘syntaktische Valenz’ behandelt werden (1992, S. 157, vgl. S. 153ff. zu weiteren Details). Bereits diese äußerst knappe Charakteristik des Theoriemodells lässt auf den ersten Blick deutlich erkennen, ... daß die ... sechs Stufen sich von den älteren ValenzWörterbüchern ... grundsätzlich dadurch unterscheiden, daß die Semantik am Anfang und die Morphosyntax am Ende steht ... Diese ‘Umkehr’ ist dadurch begründet, daß die anfängliche Syntaxzentriertheit der Grammatik (und die Vernachlässigung der semantischen Seite) abgelöst wurde durch die Akzentverlagerung von der Morphosyntax auf die Semantik (ebd., S. 156). Was nun die Diskussion um den eigentlichen Begriff der semantischen Valenz betrifft, so fasst Sommerfeldt zusammen: Unter der semantischen Valenz versteht man heute primär zwei Dinge, die funktionelle Charakteristik der Partner, die sich aus der Bedeutungsstruktur ergebenden semantischen Kasus, und die denotative Charakteristik der Partner. Letztlich hat es also die semantische Valenz zu tun mit der Bedeutungsstruktur des Valenzträgers ... und der funktionellen sowie der denotativen Charakteristik der Partner (1995, S. 106). Der Beschreibung dieses Wechselspiels in Wörterbüchern sollte auch im Sinne von Viehweger (1989) und Wellmann (1992) zukünftig ganz besondere Bedeutung zugemessen werden, d.h., Kollokationen im weiteren Sinne sollten nicht nur der Illustration des semantischen Gebrauchsrahmens, son- Die Wortschatzanalyse 371 dem gleichfalls der Repräsentation eines typischen syntaktischen Musters dienen. Es geht also darum, den Wortschatz, und insbesondere den Verbwortschatz als (integrative) Schnittstelle zwischen Semantik und Grammatik zu verstehen und diesen Umstand bei der Wörterbuchproduktion zu berücksichtigen, wobei sich wie angedeutet die Vorzeichen gewandelt haben. Dies heißt, stark vereinfacht formuliert und auf einen Grundwortschatz bezogen, dass die Aufnahme eines bestimmten Verbs im Idealfall mit der Auswahl potenzieller, entsprechend typischer Ergänzungen bzw. Aktanten einhergehen muss, sowohl was die semantische Vereinbarkeit als auch die syntaktische Form betrifft. Dass dabei ggf. zusätzliche semantische bzw. kommunikativ-pragmatische Aspekte für Selektion von Ergänzungen eine Rolle spielen (vgl. Helbig 1985, Thielemann 1994), ist gegenwärtig im Rahmen der bislang beschriebenen Relationen und den damit einhergehenden Strukturierungsversuchen kaum für die Lexikografie nutzbar zu machen. Bei dem Überblick über ‘relationale Aspekte’ ging es bisher in erster Linie um sprachinterne Relationen im Hinblick auf die Strukturierung des Wortschatzes. Allerdings dürfte besonders am Beispiel der hierarchischen Gliederung auch deutlich geworden sein, dass inner- und außersprachliche Gliederungsansätze nicht immer strikt zu trennen sind, sondern dass sie häufig sogar ineinander übergehen. Wenn man sich diese Tatsache für die Wortschatzstrukturierung zu Nutze macht, gelangt man annähernd dorthin, wo auch Kühn sein ‘funktionelles Begriffssystem’ angesiedelt hatte (vgl. 1979a, bes. S. 124ff.). Im Gegensatz zu Kühns Konzept und gleichzeitig darüber hinausgehend müsste die Auswahl von Lexemen bzw. Sememen im Rahmen zu bestimmender Referenzbereiche allerdings wortartenübergreifend erfolgen und primär auf einer empirischen Grundlage basieren. Zusätzlich sollten auch Wortbildungszusammenhänge, Fremdspracheneinflüsse usw. berücksichtigt werden, die im Zuge einer Ökonomisierung des Kemwortschatzes gleichfalls nicht vernachlässigt werden sollten. Wie von Herberg weiter oben vorgeschlagen, bietet es sich also an, nicht vom quantitativ wenig überschaubaren Gesamtwortschatz auszugehen, sondern von einer relativ begrenzten Wortschatzmenge, beispielsweise dem Zentrum des Wortschatzes, um sich dann Schicht für Schicht in die äußeren bzw. peripheren Bereiche vorzuarbeiten. Für die eigentliche Strukturierung 372 Der zentrale Wortschatz des Deutschen des Wortschatzes stellt sich die berechtigte Frage, ob nicht in Analogie zu diesem Verfahren gleichfalls ein schrittweises Vorgehen möglich bzw. erstrebenswert wäre, d.h. nach einem Weg zu suchen, der ausgehend von den einfachen, klar zu definierenden semantischen Relationen schrittweise hinführt zu komplexeren Gliederungen nach Feldern oder Referenzbereichen. Dieses nur in Andeutungen vorgetragene Gedankenspiel eines Baukastensystems für die Erstellung und Aufarbeitung eines Grundwortschatzes eröffnet gewiss Erfolg versprechende Perspektiven für die Zukunft. Der Gliederungsgesichtspunkt ist der zentrale und integrative Ansatz. Durch ihn werden idealerweise nicht zuletzt Bedeutungen miterklärt und Wortbildungen (sowie Bereiche der substantivischen Flexionsmorphologie, vgl. Kap. 3.4.1.5 in dieser Arbeit) 73 in einen strukturell-semantischen Kontext gestellt; durch ihn kann auch Fremdwörtern - oder besser Interlexemen ein entsprechender Platz im lexikalischen System zugewiesen werden. Es sollte demnach das Ziel sein, die zweifelsohne in ihrer Art praktische, rein alphabetische Ordnung in einer Art zu modifizieren, die den einzelnen angesprochenen Phänomenen genügend Raum verschafft. Dies wäre für die Ökonomie und die Darstellung eines zentralen Wortschatzes in jedem Fall wünschenswert. Die Frequenz und Distribution der zentralen Lexeme zu untersuchen, ist letztlich nur sinnvoll vor dem Hintergrund einer dritten Größe, nämlich der Struktur im weiteren Sinne. Dazu ist es jedoch unabdingbar, Bedeutungen also Sememe zu ermitteln bzw. zu zählen, weil sich erst auf dieser Basis Relationen und Zusammenhänge (klar) aufzeigen und untersuchen lassen. Erst durch wesentlich stärkere Berücksichtigung semantisch-struktureller Aspekte lassen sich Aussagen über den Grundwortschatz formulieren, d.h. Schwächen aufdecken und nutzbringend kritisieren. Das meiner Arbeit zu Grunde liegende Korpus ist strukturierbar, obwohl es nur einen kleinen Ausschnitt der Gesamtsprache umfasst. Das wurde auf den vorangehenden Seiten nachgewiesen, und darüber können und sollten auch die oft als willkürlich bezeichneten Frequenzerhebungen nicht hinwegtäu- 73 Im Rahmen der Strukturierungsmöglichkeiten, welche die semantisch motivierte Genuszuweisung bietet, könnte auch geprüft werden, ob sich derartige ‘genusmotivierte Kleinfelder’ nicht in begrifflich gegliederte Zusammenstellungen integrieren lassen. Die Wortschatzanalyse 373 sehen. Diese Struktur(ierung) ist auf den verschiedenen Ebenen herauszuarbeiten und ggf. zu akzentuieren. Der ‘Zufallsfaktor’ ist zwar auch auf diesem Weg nicht völlig auszuschalten, jedoch eher zu begrenzen als z.B. durch modifizierte statistische Methoden, rein funktionale Auswahlkriterien u.Ä. Nur durch das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten ist letztendlich sicherzustellen, dass ein auf empirischer Basis beruhender Grundwortschatz systematisch aufgearbeitet werden kann. Die an ein (solches) lexikalisches Minimum gestellten Anforderungen sind in der Folge allerdings sehr vielfältig, sodass es eine verbindliche Richtlinie, den einen optimalen Kernwortschatz, nie geben wird. Man wird also Schwerpunkte setzen und aus Kritikpunkten entsprechende Konsequenzen ziehen müssen. Es bedarf nach der hier geleisteten Basisarbeit noch einer Vielzahl kleiner aber aufweniger Schritte, um dem Ziel näher zu kommen, das momentan eher einem Idealfall gleicht, wie Agricolas ‘Modellwörterbuch’, dessen Konzeption zwar kaum Wünsche offen lässt und daher wohl auch auf absehbare Zeit ein Wunschtraum bleiben wird. Nach der Betrachtung relationaler Strukturen auf einer verhältnismäßig abstrakten Ebene und diesbezüglicher Überprüfung der Untersuchungsschnittmenge bzw. des Gesamtkorpus in Form einiger Stichproben ist ausblickend zu fragen, was über die bereits angesprochenen und benutzten Hilfsmittel noch als Datenquelle, wie Herberg (1992a) es nannte, für weiterreichende Untersuchungen in Frage käme, wo bei aller Kritik an der traditionellen Lexikografie auch neue Wege beschritten wurden, die zugleich konkrete Anregungen für zukünftige Arbeiten am Grundwortschatz geben könnten. Von Seiten der Sprachwissenschaft ist als Erstes hinzuweisen auf Ergebnisse von Wortschatzuntersuchungen einzelner Wortarten oder Teilbereiche, etwa Gansei (1992): ‘Semantik deutscher Verben in kognitionspsychologischer Sicht’, Happe (1986): ‘Zu den Semarten und ihrer Rolle bei der Gliederung deutscher Verben’, Schumacher (1986): ‘Verben in Feldern’, Schreiber/ Sommerfeldt/ Starke ( 2 1990): ‘Deutsche Wortfelder für den Sprachunterricht. Verbgruppen’; - Schreiber/ Sommerfeldt/ Starke (1993): ‘Deutsche Substantive: Wortfelder für den Sprachunterricht’; 374 Der zentrale Wortschatz des Deutschen - Schreiber/ Sommerfeldt/ Starke (1991): ‘Deutsche Adjektive: Wortfelder für den Sprachunterricht’, Gansei (1986): ‘Die Semhierarchie und ihre Rolle bei der feldmäßigen Gliederung deutscher Adjektive’; - und mit stärkerer Akzentuierung der Grammatik: Sommerfeldt/ Schreiber/ Starke (1991): ‘Grammatisch-semantische Felder’; Buscha u.a. (1998): ‘Grammatik in Feldern’; - Stellvertretend für eine Vielzahl von Detailuntersuchungen sei die von Cirko/ Frackiewitz genannt: Die Basis ihrer (am Valenzansatz orientierten) Untersuchung bilden zwölf Verben: annehmen, bekommen, bleiben, bringen, drängen, geben, hersteilen, schließen, stehen, verlieren, verzeihen, zerstören (vgl. 1988, S. 228). Diese werden als Erstes bezüglich ihrer Bedeutungsvarianten analysiert (vgl. ebd., S. 228ff.); als Zweites werden anhand der so gewonnenen Sememe synonymische und antonymische (aber keine hierarchischen) Beziehungen dargestellt (vgl. ebd., S. 233ff.), welche die paradigmatischen Verhältnisse der zwölf Verben hinsichtlich einer Aufbereitung für die Mittelstufe untersuchen. - Eggert schließlich geht der bekannten Frage nach ‘Wortschatz ordnen aber wie? ’ und sucht nach Antworten vor dem Hintergrund des Fremdsprachenunterrichts (vgl. 1991,bes. S. lOlff.). Im Bereich der Wörterbücher speziell der Lemerwörterbücher gibt es Vorschläge wie die von Kloster (1997) zur ‘Konzeption eines onomasiologischen Wörterbuchs für erwachsene Lese-/ Schreiblerner(innen)’. Die Betonung des intendierten Gebrauchszwecks lässt erkennen, dass es i.d.R. hilfreich ist, auch die Wörterbuchbenutzungssituation bei der Strukturierung des Wortschatzes stärker miteinzubeziehen. um so dem oft wenig aussichtsreichen Streben nach universellen Gliederungsystemen eine echte und gangbare Alternative zur Seite zu stellen. Daneben ist auf den schon etwas älteren Plan von Anderson/ Goebel/ Reichmann (1983) ‘zur Aufbereitung semasiologischer Wörterbücher' hinzuweisen, der zwar am Beispiel der Lexikografie des Mittelhochdeutschen erläutert wird, aber natürlich auch grundsätzliche Fragen thematisiert. Ein beachtenswerter Vorstoß aus dem angelsächsischen Bereich erfolgte mit der ersten Auflage des ‘COLLINS COBUILD English Language Dictionary’ (Sinclair u.a. (Hg.) 1987), worin ein Teil grammatischer sowie struktureller Information aus der Wortartikelstruktur genommen und in eigenen Rand- Die Wortschatzanalyse 375 glossen angeordnet wurde. Dadurch wird nicht nur die Übersichtlichkeit erhöht, sondern zugleich der Forderung nach einer stärker systematisierten Gliederung nachgekommen. (Zu weiteren Neuerungen, z.B. im Bereich der Beispielsätze, vgl. Sinclair u.a. (Hg.) (1987), S. vii-xxi und natürlich die einzelnen Stichworteinträge; was allgemeine Entwicklungen und Tendenzen im Bereich englischer Lemerwörterbücher betrifft, so findet man eine aktuelle Bestandsaufnahme in dem von Herbst/ Popp 1999 herausgegebenen Sammelband mit dem bezeichnenden Titel: ‘The Perfect Learner's Dictionary (? )’)• Auch in der deutschsprachigen Lexikografie ist 1993 mit dem ‘Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache’ (Götz/ Haensch/ Wellmann 1993) ein Lernerwörterbuch auf den Markt gekommen, das auf starke Resonanz stieß (vgl. u.a. Barz/ Schröder (Hg.) 1996, Wiegand 1995 und Wiegand (Hg.) 1998; vgl. zum Typ des Lernerwörterbuchs allgemein: Kempcke 1992; vgl zu weiteren Teilaspekten: Hartmann 1989 zu Lernerwörterbüchern als Hilfsmittel im Fremdsprachenunterricht; Kühn 2001 zu Bedeutungserläuterungen in der Lernerlexikografie, fehle 1990 zur Rezension französischer und englischer Lemerwörterbücher; Zöfgen 1991 zu zweisprachigen Lernerwörterbüchern; vgl. i.w.S. auch Kromann 1995, zur Betrachtung deutscher Wörterbücher aus der Perspektive eines fremdsprachigen Benutzers). Darüber hinaus werden Grundwortschätze für verschiedene Sprachen herausgegeben, aufgearbeitet als, ‘Ein nach Sachgebieten geordnetes Lernwörterbuch mit Satzbeispielen’ (vgl. etwa fürs Italienische: Merz 1991). Ein völlig neues Konzept hingegen verfolgen die Verfasser der 1993 erstmals und 1994 bereits in zweiter Auflage in England erschienene, auf einem digitalen Korpus basierende ‘Longman Language Activator’ (Summers et al. 2 1994), ‘The World's First Production Dictionary’ wie es im Untertitel heißt. - Das unter dem Editorial Director Deila Summer und einem Editorial Board unter der Leitung von Geoffrey Leech sowie einer ganzen Reihe weiterer z.T. sehr namhafter Berater, Lexikografen und Mitarbeiter umgesetzte lexikografische Konzept unterscheidet sich erheblich von dem bisheriger (Lerner-)WÖrterbücher: Seine Besonderheit liegt aber darin, daß es auf einer zum Teil neuen lexikographischen Konzeption aufbaut, die durch psycholinguistische Erkenntnisse aus der Sprachverarbeitungsforschung gestützt wird. Der Longman Language Activator (LLA) ist kein traditionelles Lernerwörterbuch, in welchem der Wortschatz der englischen Sprache in alphabetischer Anordnung präsentiert wird und die Bedeutungen der einzelnen 376 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Wörter definiert und durch Beispiele angereichert werden. Als Produktionswörterbuch basiert der LLA vielmehr auf dem Prinzip der konzeptuellen Gliederung. Der Nutzer dieses Wörterbuches wird nicht in seiner Rolle als Leser oder Hörer der fremden Sprache gesehen, sondern als Schreiber und Sprecher. Der LLA soll nicht so sehr dazu beitragen, unbekannte Wörter aus einem Text oder einer Aussage verstehen zu können; seine Aufgabe soll es vielmehr sein, dem Lerner zu helfen, seine produktiven Fähigkeiten zu verbessern. In die Terminologie des informationstheoretischen Modells der Sprachverarbeitung gekleidet: das Wörterbuch ist kein Dekodiersondern ein Enkodierwörterbuch, es will nicht den Weg vom Wort zum Gedanken (Sprachrezeption), sondern vom Gedanken zum Wort (Sprachproduktion) unterstützen ... Allerdings ist der Umgang mit diesem neuen Wörterbuch am Anfang schwierig und will gelernt sein. Wahrscheinlich hängt dies damit zusammen, daß der Umgang mit traditionellen Wörterbüchern sich als Kulturtechnik so automatisiert, daß neue Anordnungen von Lexemen wie im LLA dem erfahrenen Benutzer von Wörterbüchern zunächst Schwierigkeiten bereiten (Wolff 1994, S. 628f.). Nicht nur beim Erarbeiten neuer Wörterbuchkonzeptionen und Wörterbücher ist der Benutzeraspekt kaum zu unterschätzen (vgl. Kempcke/ Ludwig/ Viehweger 1987), auch die Arbeit mit neuen Wörterbuchkonzepten und Wörterbüchern erfordert Training und Übung, insbesondere im Bereich des Fremdsprachenlernens. Der Praxisbezug bei der Wörterbucharbeit ist in jedem Falle gegeben, die tatsächliche Einbeziehung lexikografischer Produkte in die Praxis ist bislang vielleicht auch nicht ganz grundlos häufig vernachlässigt worden. Ein unter sprachwissenschaftlichen, lempsychologischen, kognitiven u.a. Gesichtspunkten systematisch aufgearbeiteter, sich an den Bedürfnissen der potenziellen Benutzer und Benutzerinnen orientierender Wortschatz kann demgegenüber zu einem neuen Umgang mit Wörterbüchern beitragen, und zwar als Folge gleichermaßen wie mit der Folge eines wiedererwachenden Bewusstseins über die zentrale Stellung des Wortschatzes sowie seiner Strukturierung und Vernetzung mit anderen sprachlichen Ebenen. Was Neukonzeptionen wie der Longman Language Activator realiter bewirken (können), wird die Zeit zeigen. Der Überblick ist bewusst auf die Möglichkeiten von Print-Wörterbüchern beschränkt. Am Ende des Kapitels zur vergleichenden, von verschiedenen Schwerpunkten geleiteten Stichproben-Analyse der zentralen Wortschatzbereiche sollte es nicht fehlen, einige Fassetten richtungsweisender Tendenzen in der Lexikologie bzw. Lexikografie herauszustellen und zu skizzieren, die Die Wortschatzcinalyse 377 als solche auch als nachträglicher Überbau für die hier geleisteten Untersuchungen betrachtet werden können. Die Unzulänglichkeiten, einen Grundwortschatz als reine Wortliste abzubilden, sind in dieser Arbeit wiederholt angesprochen worden und haben letztlich zu Grundwortschatz-Wörterbüchern wie denen von Pfeffer (1970) und Kosaras (1980) geführt, was zwar einen Fortschritt darstellte, nicht aber den Endpunkt einer Entwicklung, die im interdisziplinären Kontext lexikologischer, lexikografischer, (kognitions-) psychologischer und didaktischer Forschung weitergeführt werden sollte. 4. Resümee und Ausblick ‘Wie viele Wörter hat der Mensch? ’ Mit dieser Frage überschreibt Zimmer einen Aufsatz, wobei er zu Beginn seiner diesbezüglich angestellten Überlegungen im Rahmen eines Selbstversuchs zugibt: Ich will nicht behaupten, daß die Frage nach dem Umfang des Wortschatzes und dem unseres inneren Lexikons von enormer Wichtigkeit sei. Immerhin ist es eine Frage, die man stellen kann, eine jener naiven Fragen, wie Laien sie gerne stellen, bei denen die Experten unruhig auf dem Stuhl hin- und herzurutschen beginnen, denn sie wissen, wie schwer sie zu beantworten sind. In manchem Zusammenhang wären die Antworten auch durchaus von Belang. Zum Beispiel muß die Fremdsprachendidaktik wissen, wie viele Wörter jemand kennen und gebrauchen können muß, der eine andere Sprache radebrechen oder passabel oder gut sprechen will; und sie muß versuchen, nicht irgendwelche, sondern die für einen bestimmten Zweck richtigen Wörter zu vermitteln (1990, S. 80). In dieser Aussage wird das doppelte Dilemma auf den Punkt gebracht: Die Ernsthaftigkeit der allgemein gestellten Frage scheint anzweifelbar, eine verbindliche Antwort ist aus den verschiedensten Gründen nicht möglich. Auf der anderen Seite ist die Frage in abgewandelter Form Anlass genug für eine ganze Reihe von Fachdisziplinen, nach richtigen Auswahlmethoden zu suchen, diese anzuwenden und schließlich einen zumeist auf den Grenzwert von 2000 Wörtern beschränkten Grundwortschatz festzulegen: Wie viele bzw. welche Wörter braucht der Mensch, der Deutsch lernt, um mit anderen Menschen kommunizieren, Zeitungen, Romane lesen, Nachrichten hören usw. zu können? Allen Anstrengungen zum Trotz ist letztlich auch diese Frage bis heute unbeantwortet geblieben, und man fragt sich unwillkürlich, ob sie ähnlich der allgemeinen überhaupt beantwortet werden kann, oder ob man es sich nicht doch zu leicht gemacht hat, wenn man meinte, der unüberschaubare, scheinbar willkürlich zusammengesetzte Wortschatz einer Sprache sei leicht auf einen kleinen Ausschnitt reduzierbar, im Gegensatz zur Grammatik, wo von vornherein niemals zur Diskussion stand, ob man auf die Vermittlung von Teilbereichen dieses weitgehend geschlossenen und strukturierten Systems verzichten könne. 380 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Der anhaltende Methodenstreit bezeugt das Gegenteil: Der Wortschatz ist nicht einfach zu reduzieren, auch wenn sich mit Hilfe der Schnittmengenbildung aus einer festzulegenden Anzahl verschiedenartig zusammengestellter Korpora ein kleinstes gemeinsames Vielfaches an Wörtern ermitteln lässt. Diese Menge ist, folgt man dem Gedankengang von Krohn (1992), jedoch nur bedingt tauglich für kommunikative Zwecke, da sie als themenunspezifisch zu bezeichnen ist, d.h., mit ihr könnte nur unter der Voraussetzung über eine Vielzahl von Themen gesprochen werden, dass die jeweils notwendigen ‘thematischen Schlüsselwörter’ ergänzt würden. Die Blickrichtung hat sich demnach geändert: Es geht nicht mehr vorrangig um die Reduzierung des Gesamtwortschatzes, sondern um den Aufbau eines (Lern-)Wortschatzes. Entscheidend dabei ist, dass der Wortschatz auf diese Weise gleich dem Baukastenprinzip zusammengestellt werden kann. Der Grundwortschatz ist somit nicht als statische Größe aufzufassen, sondern als modular angelegte Variable, die nicht nur inhaltlich, sondern auch funktional nach unterschiedlichen Richtungen hin dynamisch gestaltet werden kann. Betrachtet man den Wortbzw. Sprachschatz (vgl. Hohmann 1987) aus dieser Warte, wird ebenfalls klar, dass bloße Wortlisten als Ergebnis der Grundwortschatzforschung längst nicht mehr ausreichen. Der Wortschatz einer Sprache ist kein beliebiges Sammelsurium, „Wortschatz ist mehr als ‘viele Wörter’“ (Haß-Zumkehr 2000): Es lassen sich Ordnungsprinzipien erarbeiten, welche helfen können, die vielfachen Verflechtungen aufzuzeigen. Derartige Strukturierungsgrundsätze können auf sprachimmanenten Kriterien, wie den Sinnrelationen, beruhen oder auf sprachexternen, z.B. Frames. Ob zwischen derartigen Gliederungsversuchen und den bislang noch weitgehend hypothetischen Annahmen über die mentale Organisation von Sprachwissen ein l: l-Verhältnis angestrebt wird, ist zum momentanen Zeitpunkt zweitrangig. Aus der Einsicht heraus, dass der Wortschatz auf die eine oder andere Weise strukturiert werden kann, ist es wichtiger den Schritt hin zu einer echten Grundwortschatzlexikografie zu wagen und zu vollziehen. Hier nimmt neben dem Was, also der Frage nach den aufzunehmenden lexikalischen Einheiten, das Wie eine zentrale Stellung ein, namentlich Fragen nach der lexikografischen Aufbereitung und Strukturierung des Materials. Resümee und Ausblick 381 Um diesen Brückenschlag bewältigen zu können, ist freilich ein hohes Maß an Basisarbeit erforderlich. Im Zuge dessen ist gleichfalls eine stärkere Berücksichtigung jener anderen sprachlichen Ebenen nötig, in welche die Lexik eingebettet ist. Dies kommt u.a. durch das bislang kaum systematisch weiterverfolgte bzw. untersuchte Kriterienbündel der ‘Reichweite' (vgl. Kap. 1.1 in dieser Arbeit) zum Ausdruck, ln erster Linie ist hier hinzuweisen auf die Bereiche der Wortbildung, der Syntax (und damit auch auf die Llexionsmorphologie, die Valenz v.a. von Verben) und zuletzt auf den vielleicht wichtigsten, die Semantik. Will man der Strukturiertheit des Wortschatzes mehr Aufmerksamkeit schenken, ist es unabdingbar, nicht nur von Lexemen auszugehen, sondern diese auf ihre Bedeutungen bzw. Sememe hin genauer zu untersuchen, um daraus Konsequenzen für die Mikro- und Makrostrukturierung eines lexikografisch aufbereiteten Grundwortschatzes ableiten zu können. Das Bild des Grundwortschatzes ändert sich schlagartig, sobald man ihn mittels einiger der angesprochenen Parameter wie in dieser Arbeit etwas genauer untersucht: Die Komplexität eines Grundwortschatzes weicht von der des Gesamtwortschatzes nicht ab, nur weil es sich um einen reduzierten Ausschnitt handelt. Im Gegenteil: Bei eingehender Analyse werden die vielfältigen Verflechtungen des Wortschatzes nicht zuletzt auch mit den Wortschätzen anderer Sprachen offenkundig und von daher die Lorderung nach integrativer Wortschatzarbeit (vgl. Löschmann 1993) nochmals unterstrichen. Von Seiten der Grundwortschatzforschung bzw. -lexikografie ist ein die vielfältigen Aspekte berücksichtigendes methodisches Herangehen aber nicht nur als Herausforderung zu verstehen, sondern mindestens im gleichen Ausmaß als Möglichkeit. Das Spektrum ließe sich sogar noch erweitern durch den gezielten Einsatz des Computers und geeigneter Software: Die Technologie eröffnet für die Produktion von (Grundwortschatz-) Wörterbüchern ganz neue Ansätze und (Konzeptions-) Möglichkeiten, z.T. auch für eine Reihe lexikografischer Probleme, die bislang im Rahmen traditioneller Printwörterbücher nur unbefriedigend zu lösen waren (vgl. Haß-Zumkehr 2001, S. 362ff. sowie http: / / www. ids-mannheim.de/ wiw/ ). 382 Der zentrale Wortschatz des Deutschen Entsprechend modifiziert und aufbereitet könnte auch die von mir analysierte Untersuchungsschnittmenge Teil des Grundstocks einer umfangreicheren Lemkartei sein, die angereichert durch Sprachausgabe, Bilder (Frames), Links (beispielsweise zwischen sinnrelational verknüpften Sememen) etc. gegenüber Print-Wörterbüchern i.w.S. und Lernbzw. Lernerwörterbüchern i.e.S. den Vorteil hätte, dass sie auch individuell auf die Bedürfnisse der Lernenden abgestimmt und auch von ihnen selbst nach festzulegenden Regeln erweitert und ausgebaut werden könnte. Mit diesem Ausblick bleibt mir zum Schluss nur noch, das in leicht abgewandelter Form zu wiederholen, was schon Coseriu in einem anderen Zusammenhang in folgendem Bild zum Ausdruck gebracht hat: „Der Wortschatz ist kein Mosaik, sondern eher ein kompliziertes, mehrstöckiges Gebäude mit vielen ... Räumen“ (Coseriu 1976, S. 23). Im Verlauf dieser Arbeit ließe sich noch fortführen wurde versucht, das Fundament zu sichern, konnten einige Fenster und Türen aufgestoßen, einige dieser Stockwerke und Räume betreten werden, andere nicht. Die Architektur sollte in jedem Falle deutlicher hervorgetreten sein. 5. Verzeichnis der im Text (beim Zitieren) verwendeten Abkürzungen ‘Dictionary’ = FdZ FdZl FdZ2 G HGS K ‘Kompaktliste’ = KW LDOCE P R S z = ‘Zertifikat’ = auf Augst, Gerhard ( 2 1985) basierendes Computerkorpus, vgl. Kap. 3.2 Pfeffer, J. Alan (1979) Rosengren, Inger (1972-1977) Rosengren, Inger (1972) Rosengren, Inger (1977) auf Ruoff, Arno (1981) basierendes Computerkorpus, vgl. Kap. 3.2 Ruoff, Arno (1981) auf Kosaras, Istvän (1980) basierendes Computerkorpus, vgl. Kap. 3.2 Krohn, Dieter (1992, S. 175ff.) Augst, Gerhard ( 2 1985) Proctor, Paul (1978) auf Pfeffer, J. Alan (1970) basierendes Computerkorpus, vgl. Kap. 3.2 auf Rosengren, Inger (1977, Liste D) basierendes Computerkorpus, vgl. Kap. 3.2 auf der ‘Kompaktliste" von Krohn (1992, S. 175ff.) basierendes Computerkorpus, vgl. Kap. 3.2 auf dem ‘Zertifikat’ [Deutscher Volkshochschul-Verband/ Goethe-Institut (Hg.) ( 5 1992)] basierendes Computerkorpus, vgl. Kap. 3.2 Deutscher Volkshochschul-Verband/ Goethe-Institut (Hg.) ( 5 1992) Die wichtigsten, bei der Erstellung bzw. Analyse des Gesamtmaterials sowie der Untersuchungsschnittmenge angewandten Richtlinien und verwendeten Abkürzungen, die ich auch ausführlich in den einschlägigen Kapiteln meiner Arbeit beschrieben habe, sind nochmals unter http: / / www.idsmannheim. de/ lexik/ personal/ schnoerch. html zusammengefasst. Dort findet man u.a. auch das initialalphabetisch und rückläufig sortierte, schnittmengenindizierte Gesamtmaterial sowie die drei Listen der Untersuchungsschnittmenge mit den Ergebnissen der Detailanalyse. (Das entspricht im Wesentlichen dem zweiten ursprünglichen Materialband der Fakultätsversion meiner Dissertation.) 6. Literatur Adorno, Theodor W. 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Anhand der Sprechakttheorie und anderer pragmatischer Ansätze werden lexikalische Indikatoren impliziter Diskriminierung zusammengestellt und empirisch an einem Zeitungskorpus überprüft. Die Erkenntnisse und Analysemethoden der Arbeit ermöglichen das Auffinden impliziter Diskriminierungen in umfangreichen Medienkorpora wie z.B. Zeitungen und Zeitschriften im Internet. Katharina Meng Russlanddeutsche Sprachbiografien Untersuchung zur sprachlichen Integration von Aussiedlerfamilien Unter Mitarbeit von Ekaterina Protassova Studien zu deutschen Sprache 21, 2001, 549 Seiten, div. Tab., € 99,-/ SFr 178,- ISBN 3-8233-5151-6 Die Publikation beruht auf mehrjähriger Beobachtung und Dokumentation der russisch- und deutschsprachigen Kommunikation von russlanddeutschen Familien in Mannheim. Es wird gezeigt, wie sich die familiären Gespräche verändern, welche Rolle die russische Sprache für das Einleben in Deutschland spielt, wie die Familienmitglieder miteinander Deutsch lernen und wie sie selbst ihre sprachliche Integration verstehen. Dabei werden die Lernprozesse der Kinder mit denen der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern verglichen. Die Untersuchung markiert generationstypische Unterschiede in den Zielen, Strategien, Etappen und Ergebnissen der sprachlichen Entwicklung und begründet sie aus der Geschichte der Russlanddeutschen, den mitgebrachten sprachlichen Voraussetzungen und Einstellungen sowie den allgemeinen Lebensbedingungen und dem zugänglichen Sprachangebot in Deutschland. gllW Gunter Narr Verlag Tübingen Was gehört zum Kernbereich des deutschen Wortschatzes? Vor allem Sprachdidaktiker, Lexikografen und Lexikologen suchen eine Antwort auf diese Frage, und sie bedienen sich dabei unterschiedlicher, zumeist sehr kontrovers diskutierter quantitativer und qualitativer Methoden. Die jeweils erzielten Resultate sind oft nicht minder umstritten und sofern sie als bloße Wortlisten publiziert werden, scheint es darüber hinaus kaum angemessen, von einer Grundwortschatzlexikografie zu sprechen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, einen Weg aus dieser unbefriedigenden Situation aufzuzeigen. ISBN 3-8233-5156-7