eBooks

Reden und Spielen

2001
978-3-8233-3024-0
Gunter Narr Verlag 
Marcel Schilling

Die Sprache der Fußballer wird erst dann verständlich, wenn man die Strukturen der Fußball-Welt kennt: Wo und wie begegnen sich Trainer und Spieler, wer hat was zu leisten, welche sozialen Regeln sind einzuhalten, was und wer kann die Interaktion beeinflussen? Vor dem Hintergrund dieser sozialen Strukturen werden dann auch die rhetorischen Strategien der Trainer erklärbar: als funktionale, individuell geprägte kommunikative Verfahren, um die Spieler möglichst effektiv auf das nächste Spiel einzustellen.

Studien zur deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Marcel Schilling Reden und Spielen Die Kommunikation zwischen Trainern und Spielern im gehobenen Amateurfußball gn Gunter Narr Verlag Tübingen STUDIEN ZUR DEUTSCHEN SPRACHE Studien zur deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRÄCHE Herausgegeben von Ulrike Haß-Zumkehr, Werner Kallmeyer und Bruno Strecker Band 23 • 2001 Marcel Schilling Reden und Spielen Die Kommunikation zwischen Trainern und Spielern im gehobenen Amateurfußball gnw Gunter Narr Verlag Tübingen Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schilling, Marcel: Reden und Spielen: Die Kommunikation zwischen Trainern und Spielern im gehobenen Amateurfußball / Marcel Schilling. - Tübingen: Narr, 2001 (Studien zur deutschen Sprache; Bd. 23) ISBN 3-8233-5153-2 © 2001 ■ Gunter Narr Verlag Tübingen Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Das Werk einschheßlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälügungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: Volz, Mannheim Druck und Bindung: Huberts Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0949-409X ISBN 3-8233-5153-2 Inhalt Runde Sache 11 0. Einleitung 13 1. Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 17 2. Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 35 2.1 Ethnografie 37 2.1.1 Das Konzept der „sozialen Welt“ 42 2.1.2 Das Konzept des „Arbeitsbogens“ 42 2.2 Conversation Analysis 43 2.3 Gesprächsanalyse die Theorie der Interaktionskonstitution 45 2.3.1 Gesprächsorganisation 47 2.3.2 Handlungskonstitution 49 2.3.3 Sachverhaltsdarstellungen 50 2.3.4 Interaktionsmodalität 51 2.3.5 Soziale Identitäten und Beziehungen 52 2.3.6 Reziprozitätsgrundlage 53 3. Anlage der Untersuchung 55 3.1 Forschungsmotivation und Perspektive auf die soziale Welt vor Untersuchungsbeginn 55 3.2 Vereinssuche 56 3.3 Der Forscher im Feld 60 3.4 Materialbeschreibung und Datenkonstitution 64 4. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 67 4.1 Die Verortung der Vereine des gehobenen Amateurfußballs in übergeordneten Gesellschaften 67 4.1.1 Worin sich die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs von der sozialen Welt des Profifußballs und der des „Freizeitfußballs“ unterscheidet 73 4.1.1.1 Gehobener Amateurfußball 75 4.1.1.2 Profifußball 79 4.1.1.3 Freizeitfußball 80 6 Reden und Spielen 4.1.2 Wie die untersuchten Vereine in die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs einzuordnen sind 82 4.1.3 Der Handballverein THV Köttersen 89 4.2 Gruppen in der Welt des gehobenen Amateurfußballs: Mitglieder, Rollen, Rollengerüst, Kernaktivitäten, Handlungsanforderungen. 92 4.2.1 Der Verein: Geschlecht, Ausbildung und Alter seiner Mitglieder 92 4.2.1.1 Sozialisationserfahrungen der Vereinsmitglieder in den Welten des Fußballs 94 4.2.2 Gruppen außerhalb des Vereins 98 4.2.3 Segmentierungen des Spielerkaders aus Sicht des Trainers 100 4.2.4 Rollen, Rollengerüst, Kernaktivitäten und Handlungsanforderungen: ein Sonderfall der von Anselm Strauss beschriebenen „coaching relationship“ 106 4.3 Arbeitsbogen und Schauplatzorganisation von Trainern und Spielern 116 4.3.1 Der Arbeitsbogen: Handlungsabläufe des Trainings und des Wettkampfs 116 4.3.2 Schauplätze und Schauplatzorganisation 121 4.3.3 Aufenthaltsrecht auf den Schauplätzen und Bedeutungswandel von Schauplätzen im Prozess des Arbeitsbogens 123 5. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 125 5.1 Forschungsüberblick 127 5.2 Das Kategoriensystem 137 5.2.1 Methodische Vorbemerkungen 137 5.2.2 Gemeinsames Anforderungsprofil für Trainer und Spieler 147 5.2.3 Kategorienasymmetrien 148 5.2.3.1 Perspektivenasymmetrie 148 5.2.3.2 Asymmetrie der Relevanzbereiche 151 5.2.3.3 Asymmetrie der Anzahl von Normalform- und Devianzkategorien und Asymmetrie zwischen expliziten und rekonstruierenden Bezeichnungen 153 5.2.4 Übereinstimmende Kategorien zwischen gehobenem Amateurfußball und dem Verein des gehobenen Amateurhandballs 155 5.3 Systematische Verfahren der Kategorisierung 157 Inhalt 1 5.3.1 Wortbildungsmuster für Kategorienbezeichnungen 157 5.3.1.1 Syntaktische Wortverbindungen 159 5.3.1.2 Wortbildungskonstruktionen 160 5.3.1.3 Konversionen 164 5.3.1.4 Simplizia 164 5.3.2 Spezifik der Benennungen 165 5.3.2.1 Allgemein verständliche und ftißballspezifische Bezeichnungen 165 5.3.2.2 Nicht-metaphorische und metaphorische Bezeichnungen 167 5.3.3 Zur semantischen Logik der Bezeichnungsbildung 168 5.3.3.1 Zur semantischen Logik von syntaktischen Wortverbindungen 169 5.3.3.2 Zur semantischen Logik von Determinativkomposita, Derivaten und Simplizia 170 5.4 Kategorisierungsverfahren im Formulierungsprozess 176 5.4.1 Theoretische Modelle von Kategorisierungen 177 5.4.2 Kategorisierungen in ethnografischen Interviews 181 5.4.3 Verfahren der Selbst- und Fremddarstellung in alltäglichen Interaktionssituationen der Beispieltext: „Bohne kommt“ 189 5.4.3.1 Handlungskontext und Handlungsschema des Einstufens 190 5.4.3.2 Analyse der Kategorisierung 196 5.4.4 Zusammenfassung 213 6. Die Rhetorik der Trainer 217 6.1 Gesprächsrhetorik 217 6.2 Die Interaktionssituationen 222 6.3 Die Mannschaftssitzung 234 6.3.1 Das Handlungsschema „Einstellen der Mannschaft auf den nächsten Gegner“ 236 6.4 Einzelgespräche 241 6.4.1 Das Handlungsschema „Einstellen des Spielers auf seine Aufgabe“ im Einzelgespräch am Spieltag 242 6.5 Die Halbzeitpause 246 6.5.1 Das Handlungsschema „Einstellen der Mannschaft auf die zweite Halbzeit“ 247 6.6 Gesellschaftliche Erscheinungen und ihr Einfluss auf die Gestaltung der Situationen 251 6.6.1 Institutionell-organisatorische Bedingungen 252 8 Reden und Spielen 6.6.2 Das Netz simultaner, alternativer und sequenziell geordneter voraufgegangener bzw. aufeinander aufbauender Handlungen 254 6.6.3 Selbstidentitäten und biografische Prozesse 256 6.6.4 Soziale Prozesse 259 6.7 Das Konzept der Defmierung der sportlichen Lage durch den Trainer - und wie es sich auf das Handlungsschema und die Darstellungsstrategie auswirkt 261 6.7.1 Rhetorische Darstellungsstrategien in der Mannschaftssitzung am Spieltag 262 6.7.1.1 Das „Dramatisieren der sportlichen Lage“: sozialer Rahmen, Verlaufsbeschreibung und Analyse der Sitzung 263 6.7.1.2 Das „Instruieren“: sozialer Rahmen, Verlaufsbeschreibung und Analyse der Sitzung 287 6.7.1.3 „Anweisen“ 302 6.7.1.4 „Drohen“ 305 6.7.2 Rhetorische Darstellungsstrategien im Einzel- und Kleingruppengespräch 309 6.7.2.1 „Anspomen“ 309 6.7.2.2 „Unter-Druck-Setzen“ 313 6.7.3 Rhetorische Strategien in der Halbzeitpause 315 6.7.3.1 „Tadeln“ 315 6.7.3.2 „Aufrichten“ 317 6.7.4 Zusammenfassung: Rhetorische Strategien im Arbeitskomplex des Einstellens 319 6.7.4.1 Praktische Rhetoriktheorien von Trainern oder Warum Trainer auf eine rhetorische Strategie des Löbens beim Einstellen verzichten 324 6.7.5 Monologisieren und Dialogisieren: Warum die Gesprächsbeteiligung der Spieler eingeschränkt ist 331 7. Längerfristige Trainer-Konzepte und ihr Einfluss auf die rhetorische Gestaltung der Handlungssituationen 337 7.1 Fußballerische Konzepte bzw. handballerisches Konzept 344 7.1.1 Das fußballerische Konzept „ökonomisches Dominieren“ 344 7.1.2 Das fußballerische Konzept „Grundordnung in der Defensive, Wechselspiel in der Offensive“ 350 7.1.3 Das handballerische Konzept von Trainer Schleisiek 352 7.2 Spielerführungskonzepte 355 7.2.1 Das Konzept der Spielerführung „Erklären und Bestärken“ 355 Inhalt 9 7.2.2 Das Konzept der Spielerführung „Erklären und Hilfestellung-Leisten“ 358 7.2.3 Das Spielerführungskonzept „Sich-Austauschen, Überzeugen und Gutes-Klima-Schaffen“ 360 7.3 Der Zusammenhang zwischen längerfristigen Trainer-Konzepten, präferierten rhetorischen Strategien und der Selbst- und Fremddarstellung in kategorisierenden Äußerungen 362 7.4 Die Wahl rhetorischer Strategien als Bearbeitung von Paradoxien und Schwierigkeiten im professionellen Trainerhandeln? 374 7.5 Verwendungs- und Anknüpfungskontexte 386 Runde Sache, Teil II 389 8. Anhang 391 8.1 „Treter Trittin“ - Karikatur aus der Süddeutschen Zeitung, Frühjahr 1988 391 8.2 Zeichenlegende des Transkriptionssystems 392 8.3 H-56 B-Seite (Ausschnitt): Umziehen der Spieler, Bierchen auf Jens' Kind 393 8.4 SCH-19 B-Seite: Mannschaftssitzung in der Kabine vor dem Meisterschaftsspiel gegen Grobach 412 8.5 H-48 B-Seite: Spielersitzung im Bus nach Knüste 418 8.6 H-49 B-Seite: Halbzeitpause im Spiel Knüste - Fortuna Huke, Halbzeitstand 3: 0 für Knüste 424 9. Literatur 429 Runde Sache Eigentlich wäre dies der angemessene Ort, einer ganzen Reihe von Personen zu danken. Menschen, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass diese Arbeit geschrieben werden konnte. Ich müsste an erster Stelle die Trainer, ihre Mannschaften und die Vereine nennen, die mich so freundlich in ihren Kreis aufgenommen haben und mir gestatteten, dass ich sie so lange beobachtete, so oft aufnahm und interviewte. Sie verdienten es, niemals mehr abzusteigen. Darm würde der Name Werner Kallmeyers folgen müssen, der diese Arbeit auf den Weg gebracht hat und betreute. Ich wünsche jedem Promovenden einen so neugierigen und unterstützenden Doktorvater, wie ich ihn in Werner Kallmeyer fand. Gerhard Stickel, der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, wäre wohl der Nächste auf meiner Liste. Denn ohne die Doktorandenstelle, die mir das IDS 1996 und 1997 gewährte, und die anschließende Tätigkeit als Mitarbeiter hätte die Arbeit sicherlich nicht geschrieben werden können. In der Zeit im IDS konnte ich mit zahlreichen Kollegen in der Abteilung Pragmatik Teile meiner Arbeit besprechen. Ihnen wäre ebenfalls zu danken, besonders aber Uli Reitemeier. Leider gab er mir nie die Chance, mich wenigstens fußballerisch mit ihm zu messen. Mit den ehemaligen Kollegen könnte meine Aufzählung nicht enden. Ich müsste spätestens an dieser Stelle meinem personal coach Irene danken, dann Fritz und Evi Schütze. Ohne sie hätte ich es wahrscheinlich nie gewagt, meinen Studienschwerpunkt auf die Soziolinguistik zu verlegen. Dass man seinen Eltern dankte, weil sie es dem Sohne z.B. nie vorwarfen, ein Orchideenfach gewählt zu haben, verstünde sich hier von selbst. Des Weiteren hätte ich all jene Freunde zu nennen, die mich auf neue Bucherscheinungen aufmerksam machten, die mir wichtige Details aus ihrer lokalen Sportwelt zutrugen, die mit mir in nächtelangen Diskussionsrunden der existenziellen Frage nachgingen „Was hält den Ball im Innersten zusammen? “: Mattin, WM-Wolle, Kai, Groovy, Stefan, Axel, Luis, Pascal, Rene und Manuel, Manu, Benni, Michi, Lorenza Mondada, Rainer, Walter, die Jungs von Torpedo Kühlschrank Mannheim, von Blauer Stern Oblomow Bochum und von DJK Feudenheim. Doch wenn ich mir meine Mannschaftsaufstellung so betrachte, muss ich ehrlicherweise sagen: Danken sollte ich vor allem IHm. Denn ER schuf alle Dinge, darunter auch die Kugel. Und als ER den Menschen zum Leben erweckte, da gab ER ihm zwei Beine, auf dass er die Kugel ausgiebig trete. Und als ER sah, dass alles gut war, schaltete ER das Radio ein, lehnte Sich in SEinem Sessel zurück und erfreute Sich wie jeden Schabbes an der Schlusskonferenz. © Marcel Schilling 0. Einleitung Sonntags um eins, irgendwo in Deutschland: 25 junge Männer stehen auf dem Parkplatz. Schwere Taschen um sie herum. Sie warten. Bei ihnen fünf Frauen, ein Mädchen, sechs oder sieben ältere Herren. Frühjahr. Sommerliche Temperaturen. Ungeduldiges Warten. Unangenehmes Schwitzen. Sonnenbrillen raus, Jacken aus. Verdammtes Warten. Hektische Telefonate. Endlich. Der Bus von Moni-Reisen schwingt um die Ecke. Halbe Stunde zu spät, naja, kann man wieder reinholen. Monis Kiste donnert über die Autobahn, donnert, donnert und steht plötzlich im Stau. Wieder Warten. Fünf Minuten. Zehn. Fünfzehn. Weiter geht's. Einer der älteren Herren, nennen wir ihn Heinrich Platen, erhebt sich von seinem Sitz ganz vorne, begibt sich in den hinteren Teil des Busses, wo die jungen Männer sitzen. Er bleibt vor ihnen stehen, stützt sich auf den Lehnen links und rechts ab und beginnt zu reden. 1 001 Platen 002 003 004 Platen: 005 Marcel: 006 Platen: 007 Matth.: sof kö'nn wir ein momentf * ei“n moment wieder zuhö'rnt *2* ich weiß nich wie viel zei“t wir nachher- * da im sta'dion harn es is schon- * ziemlich spä"t~ *1,5* äh- * vielleicht auch ganz gu"t dann- * ste“hn wa nich zu lange inner so"nne~ * sonnan- *2* so’nnan dann ha"m wa vielleicht- * mpsf * tschuldigungf schnell u’mziehn- *2* wa*rm machen- *1.5* oewiCn- * unnachhau'se gewi'nn un na hause fahrnf 1 Die Transkriptionszeichen werden sämtlich im Anhang erklärt. Die im folgenden Ausschnitt verwendeten Zeichen und ihre Bedeutung sind: 1 = Äußerung endet mit fallender Intonation; f = steigende Intonation; ~ = schwebende Intonation; “ = Akzent; * = kurze Pause bis ca. 0,3 Sekunden, ** = Pause bis ca 0,7 Sek., *2* = längere Pause mit genauer Sekundenangabe, —» = schneller, als die vorherige Äußerung, <- = langsamer als die vorherige Äußerung. Simultan gesprochene Stellen sind unterstrichen. Komm, bezeichnet kollektive Aktivitäten bzw. sprecherunabhängige Ereignisse, KK bezeichnet sprecherabhängige Aktivitäten und steht unmittelbar unter der Sprecherzeile. Zitate aus dem Korpus, die nicht in längeren Transkriptionsausschnitten mit Zeilennummerierung präsentiert werden oder die aus Verlaufsprotokollen stammen, erscheinen grundsätzlich kursiv und mit Kleinschreibung. 14 Reden und Spielen 008 Platen: fahrn4 ** net # '3* ->so # ich hab mir ma so~<- * Schwerpunkte- Komm.: 009 Sven: # ENTFALTET EIN BLATT PAPIER MIT DER AUFSTELLUNG It un boru'ssia kuckent [H-48BJ] Ja gut äh sicherlich: Herr Platen ist Trainer, die jungen Männer sind Fußballspieler und ihr Sonntagsausflug ist die Fahrt zu einem Auswärtsspiel. Alle Gespräche sind bereits verebbt, als Platen um Aufmerksamkeit bittet. Keiner redet weiter, niemand unterbricht ihn. Die Spieler scheinen zu wissen, dass ihr Trainer ihnen etwas Wichtiges sagen wird. Platen spricht von der ungewissen Ankunft im gegnerischen Stadion und der knapp gewordenen Zeit. Trotz der unvorhergesehenen Zwischenfälle bleibt er optimistisch. Vielleicht ganz gut, dass man nicht viel Zeit haben werde, dann stehe man nicht so lange tatenlos herum. Genau die richtige Gelegenheit, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren: „Schnell umziehn“, sagt Platen und macht eine Pause von zwei Sekunden. „Warm machen“, fügt er an und macht erneut eine Pause. Matthias ergänzt: „Gewinnen und nach Hause fahrn.“ Wie zur Bestätigung, dass er Recht hat mit seiner Vermutung, wiederholt der Trainer: „Gewinnen und nach Hause fahrn“. Überrascht etwas an dem Beispiel? Vielleicht zu allererst die Formelhaftigkeit der Äußerung des Trainers, welche die Spieler problemlos ergänzen können. Es scheint in dieser Fußballmannschaft also Formulierungsschemata zu geben, die vom Trainer und von den Spielern geteilt werden. Und dann fällt sicher auf, dass das Entscheidende in der formelhaften Äußerung fehlt nämlich die Hinweise des Trainers, wie die Mannschaft das Spiel gewinnen kann. Und nur weil Platen das Entscheidende noch nicht mitgeteilt hat, wissen die Spieler, dass er mit seiner Rede nicht fertig ist, wissen sie, dass die Verkürzung des Sachverhaltes witzig gemeint ist. Was heißt das, wenn Trainer Platen gewinnen sagt? Platen entfaltet einen Zettel, auf dem er die Aufstellung notiert hat. Er beginnt mit der Vorbesprechung für das anstehende Spiel. Eine knappe Viertelstunde redet Platen über „Pärchenbildung auf der Seite“, über das „Übernehmen des Gegenspielers“, über „halbes Reinrücken und nicht ganz“. Offensichtlich ist es doch nicht so einfach mit dem Fußballspielen. Nur umziehen und warm machen, das reicht scheinbar nicht. Warum würde der Trainer sonst so viele Worte verlieren, warum würden die Spieler sonst so lange zuhören? Wo doch das Rederecht, wie die Gesprächsanalytiker immer betonen, ein knappes Gut ist und nach strengen Regeln ausgehandelt wird. Bloß: Wie reden überhaupt Fußballer? Und: Sprechen sie genauso wie andere Sportler, z.B. Handballer? Einleitung 15 „Reden und Spielen“ lautet der Titel dieser Arbeit, „Kommunikation zwischen Trainern und Spielern im gehobenen Amateurfußball“. Im ersten Kapitel werde ich die Fragen präziser stellen, die mich im Folgenden beschäftigen sollen, und die Forschungslage klären. Im zweiten Kapitel stelle ich die Konzepte und Methoden der Ethnografie und Gesprächsanalyse vor, mit deren Flilfe ich diese Fragen beantworten möchte. Beide Kapitel sind theoretischer ausgerichtet als das dritte Kapitel, in dem ich mich dem Gegenstand durch die Reflexion meiner Forschungsmotivation und meines Hintergrundwissens nähere. Desweiteren werde ich dort den Zugang zum Feld beschreiben und das gesammelte Datenmaterial vorstellen. Im vierten Kapitel wechseln sich der abstrakte und der konkrete Blick ab. Hier werde ich eine theoretische Darstellung der Welt des gehobenen Amateurfußballs und seiner sozialen Organisation geben, zugleich aber auch Schaubilder und Textbeispiele aus der gegenständlich ausgerichteten, ethnografischen Beschreibung präsentieren, die zu meiner Theorie geführt haben. Inhaltlich nenne ich hier die Merkmale, welche die Welt des gehobenen Amateurftißballs von der des Profi- und des Freizeitfußballs abheben. Desweiteren rekonstruiere ich das Rollengerüst und die Arbeitsorganisation und nenne die Erwartungen, die an die Personen und Gruppen gerichtet werden. Das vierte Kapitel schließt mit der Darstellung des Schauplatzsystems. Im anschließenden fünften Kapitel beschäftige ich mich mit dem Kategoriensystem der Fußballer: Wie nennen Spieler einen Trainer, der sie massiv kritisiert, wie nennen Trainer einen Spieler, der sich nicht integrieren will? Ich werde dabei sowohl ethnografische Interviews als auch eine Mannschaftsinteraktion daraufhin untersuchen, welche Kategorisierungsverfahren die Beteiligten anwenden. Im sechsten Kapitel wende ich mich einem spezifischen Ausschnitt der Trainerarbeit zu, dem Einstellen der Spieler auf die von ihnen erwarteten Spielaktivitäten. An Transkriptionsausschnitten analysiere ich, welche rhetorischen Strategien die Trainer für das Einstellen benutzen und wovon die Wahl ihrer Strategie abhängt. Die Arbeit schließt damit, dass ich die Vorstellungen der Trainer im Hinblick auf ihr fußballerisches Konzept und ihr Konzept der Spielerführung herausarbeite und den Zusammenhang kläre, der zwischen den Trainer-Konzepten, der Wahl der rhetorischen Strategien und der Kategorisierung besteht. Ich werde versuchen zu zeigen, dass und wie die Wahl rhetorischer Strategien als Versuch des Trainers verstanden werden kann, typische Dilemmata und Paradoxien seines professionellen Handelns mit den Spielern zu bearbeiten. 1. Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage Gegenstand dieser Arbeit ist das sprachliche Verhalten von Trainern und Spielern im gehobenen Amateurfußball. Diese erste grobe Orientierung verdeutlicht bereits, dass ich mich einem bestimmten Weltausschnitt des Fußballs, der wiederum ein Teil der Sportwelt ist, zuwende. Sie impliziert die Annahme - und ich nenne in der ethnografischen Darstellung strukturelle Merkmale dafür -, dass Fußball nicht gleich Fußball ist, sondern dass sich die Phänomene des Fußballs nach übergreifenden sozialen Rahmen unterscheiden lassen. Sie impliziert des Weiteren die Annahme, dass die übergreifenden sozialen Rahmen Bedingungen für das Interaktionsverhalten (und damit auch für das sprachliche Verhalten) der „Bewohner“ dieser Welten setzen: Ihr Verhalten nimmt Bezug auf diese Rahmen, konstituiert, verdeutlicht und verändert sie. In der Theorie des symbolischen Interaktionismus, in dem die Konzepte von „sozialen Rahmen“ und „sozialen Welten“ geprägt wurden, die für diese Untersuchung von Bedeutung sind, werden für soziale Welten Auseinandersetzungsarenen angenommen; in denen verhandeln die Beteiligten die „richtige“ Problembearbeitung, die Authentizität der Kernaktivitäten und die Veränderung der sozialen Welt an sich (Schütze 1987b). Wie in allen sozialen Rahmen bilden sich in sozialen Welten nach und nach „eigene Aktivitäts- und Verfahrensroutinen, eigene Wissensbestände, eigene Subkulturen von Nonnen und Werten, eigene Terminologien und eigene Stile der sprachlichen Kommunikation und Auseinandersetzung (im Bereich der Beschreibung, Argumentation und Rhetorik) aus. Zudem entfalten sich charakteristische Sozialbeziehungen, welche die kooperativen Anstrengungen der Bearbeitung der genannten sozialen Prozesse steuern“ (a.a.O., S. 525). Die Untersuchung der Interaktion und spezifisch der verbalen Interaktion im gehobenen Amateurfußball, wie ich sie hier vornehme, strebt eine Darstellung der Strukturen der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs in Abgrenzung zu benachbarten Welten an. Als benachbarte Fußballwelten lassen sich auf einer vertikalen Achse nach oben die soziale Welt des professionellen Fußballs und nach unten die soziale Welt des Freizeitfußballs bestimmen. Auf einer angenommenen horizontalen Achse lassen sich Ähnlichkeiten zu den Welten des gehobenen Amateursports in anderen Mannschaftssportarten vermuten, etwa zum Handball, Basketball, Eishockey, Volleyball etc. Die Untersuchung strebt des Weiteren an, die charakteristischen Sozialbeziehungen im gehobenen Amateurfußball, die Aktivitäts- und Verfahrensroutinen, die Wissensbestände, das Relevanzsystem, die kommunikativen - und spezifischer die rhetorischen Strategien des Trainers in der Vorberei- 18 Reden und Spielen tung auf Ereignisse des Wettkampfes darzustellen. Das Untersuchungsmaterial sind ethnografische Interviewtexte und Transkriptionen von natürlichen alltäglichen, nicht experimentell arrangierten Interaktionsereignissen des Amateursports. Dabei konzentriere ich mich wiederum auf einen Ausschnitt aus der Welt des gehobenen Amateursports. Gegenstand ist vor allem das Interaktionsverhalten - und besonders das sprachliche Verhalten von Trainern und Spielern im Training und im Wettkampf. Andere Personen des gehobenen Amateursports wie die Vereinsverantwortlichen, die Vereinsmitglieder, die Zuschauer, andere Vereine und die lokale Presse werden in der Ethnografie mit genannt, stehen aber nicht im Mittelpunkt. Im Verlauf der Untersuchung sollen folgende Fragen geklärt werden: - Was sind die Merkmale und Strukturen der Welt des gehobenen Amateurfußballs, die sich mit ethnografischen Verfahren beschreiben und analysieren lassen? An welchen Schauplätzen interagieren wann welche Personen und Gruppen in welcher Konstellation Tag für Tag miteinander? Welche Rollen existieren in der Welt des Amateurfußballs und welche konkreten Handlungsverpflichtungen sind mit den Rollen verbunden? - Wie ist das Sinnsystem und konkret: Wie sieht das System der Bezeichnungen im gehobenen Amateurfußball aus? Welche Wissens- und Normenbestände sind damit verbunden? Welche Kategorien werden benutzt, wenn ein Trainer oder ein Spieler seine Handlungsverpflichtungen nicht erfüllt? Welche Kategorien werden benutzt, wenn er mehr leistet, als von ihm in seiner Situation erwartet werden kann? Welche semantischen Muster und welche semantische Logik stecken hinter den Bezeichnungen? Wie werden die Kategorien in alltäglichen Interaktionssituationen verwendet? Was treibt Spieler und Trainer an, wenn sie in alltäglichen Interaktionssituationen ihre (Mit-)Spieler in auffälliger Weise und ausführlich kategorisieren? - Welche typischen Ereignisse schaffen Spieler und Trainer in denjenigen Interaktionssituationen, in denen der Trainer sie auf den Wettkampf einstellt? Welche Handlungs- und Verfahrensroutinen und welche geteilten Wissensbestände aktivieren Trainer und Spieler in diesen Situationen? Welche Phänomene beeinflussen die situationsspezifische Verwendung der Handlungsroutinen? Welche rhetorischen Strategien werden von den Beteiligten in den Interaktionssituationen etabliert und was sind ihre Merkmale? Welche Phänomene beeinflussen die situationsspezifische Verwendung von rhetorischen Strategien? - Welche längerfristigen Trainer-Konzepte sind in den ethnografischen Interviews und den Interaktionssituationen des Einstellens erkennbar? Wie beeinflussen die Trainer-Konzepte die rhetorische Gestaltung dieser Situationen? Ist die Wahl bestimmter rhetorischer Strategien Ausdruck der si- Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 19 tuationsspezifischen Bearbeitung grundlegender Probleme des professionellen Trainerhandelns? Die Untersuchung versteht sich als deskriptive und nicht als normative Untersuchung. Es werden keine Aussagen darüber gemacht, welcher Trainer der kompetenteste ist und welche Strategien am sinnvollsten angewandt werden sollten. Vielmehr gilt es, die Vielfalt des sprachlichen Handelns der Beteiligten aufzuzeigen, den Sinn zu rekonstruieren, den die Beteiligten sich damit gegenseitig anzeigen, und die interaktive Funktion des sprachlichen Handelns zu analysieren. Die dabei angewandten Methoden sind die ethnografische Beschreibung und die Gesprächsanalyse (zu den Methoden und ihren Konzepten vgl. das nächste Kapitel). Damit berührt sich die vorliegende Arbeit mit Arbeiten unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen und methodologischer Traditionen. Zu nennen sind im Wesentlichen Sportwissenschaft, Kulturanthropologie, Soziologie, Sprachwissenschaft und besonders die Soziolinguistik. Sprache im Sport im Allgemeinen und Fußballsprache im Besonderen sind unter anderen Fragestellungen und mit anderen theoretischen Konzepten bereits Gegenstand verschiedener sprachwissenschaftlicher und philologischer Untersuchungen gewesen. Sport im sozialen Raum und seine Etablierung in diesem Raum bedürfen der Regeln. Die Regelgebung und die gesellschaftliche Etablierung des Sports 2 2 Unter gesellschaftlicher Etablierung verstehe ich den Vollzug des Sports in, auf abstrakter Ebene, relativ stabilen sozialen Konstellationen der Öffentlichkeit mit Spielern, Trainern, Publikum und Medienöffentlichkeit und die Einbindung des Sports in die Gesellschaft durch die Aufnahme in das Bildungswesen. Jüngere Ergebnisse der sozialhistorischen Fußballforschung wie Mason (1997), Eisenberg (1997a und 1997b), Riordan (1997) dokumentieren die vielfältigen und erfolgreichen Strategien von Schulleitern, Politikern, Sportfunktionären, Militärs und Industriellen in verschiedenen Kulturkreisen, die Popularität des Fußballspiels für ihre Ziele und Interessen zu nutzen, indem sie den Fußball in Curricula einbanden, ihn für ihre sozialpolitischen Interessen einspannten, ihn mit Hilfe von Satzungen in die bestehenden Sportverbände aufhahmen, ihn in den Soldatenalltag und den Arbeits- und Freizeithaushalt der Arbeiter, Angestellten und ihrer Familienangehörigen integrierten. Diese Aktivitäten lassen sich m.E. auch als Versuche verstehen, den Fußball zu kontrollieren. Vgl. auch Schulze-Marmeling (1992), der daher von einer „Zähmung des Fußballs“ spricht. Zu den Vorläufern des heutigen Fußballspiels im Mittelalter in England und seine soziale und religiöse Bedeutung vgl. Elias/ Dunning (1985a). Vgl. auch die kunsthistorische Studie von Bredekamp (1993) zum Florentiner Fußball der Medici im Rinascimento. Der Vollzug des Sports in stabilen sozialen Konstellationen in der Öffentlichkeit und die gesellschaftliche Einbindung können als Merkmale von Institutionalisierung verstanden werden. Zur Begriffsdefmition von Institution vgl. Hummell/ Bloch (1987), zu der von Kommunikation in Institutionen vgl. Ehlich/ Rehbein (Hg.) (1983) und Ehlich/ Rehbein (1994) sowie Wodak (1987). Zu spezifischen Kommunikationsformen in Institutionen wie z.B. Handlungsmuster in der Schule vgl. Ehlich/ Rehbein (1986). Ob und 20 Reden und Spielen haben die sprachwissenschaftliche und philologische Forschung motiviert, sich anfangs auf das Spezifische der Sportsprache in Terminologie und Stil zu konzentrieren. Zu verweisen ist auf Arbeiten zum Wortschatz des Sports bzw. einzelner Sportarten 3 , zur Metaphorik der Sportsprache bzw. zum „Stil“ von (Berliner) Fußballern 4 , zur Sportsprache als Fachbzw. Sondersprache bzw. als Jargon 5 , zur Sportsprache im Unterricht 6 , zur Sportsprache in den Medien 7 . Nur wenige sportwissenschaftliche Arbeiten haben sich bislang explizit mit der Sprache im Training bzw. im Wettkampf beschäftigt: Zu nennen ist hier besonders die Arbeit des Germanisten und Sportwissenschaftlers Helmut Digel (1976), dem das Verdienst gebührt, als Erster daraufhingewiesen zu haben, dass man „von dem Sport und der Sportsprache“ (a.a.O., S. 35) gar nicht sprechen könne: „Der Sport wird dabei meist als etwas Eindeutiges und Ganzes betrachtet, und die Meinungen, Urteile, Thesen, Vermutungen und Schlußfolgerungen der Interpreten beziehen sich auf dieses ‘Ganze’. Weder werden Äußerungen der Sportler selbst, der Sportjournalisten über Sport und Sportler, der Zuschauer etc. einer differenzierten Analyse unterzogen, noch wird gefragt, wann und wie die sprachlichen Äußerungen stattgefunden haben, auf die in den Interpretationen hingewiesen wird.“ (ebd.). inwieweit die Interaktionsformen der untersuchten Mannschaften in Training und Wettkampf als Formen institutioneller Kommunikation zu betrachten sind, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. 3 Vgl. u.a. Baumann (o.J.) und (1887), Wappenhans (1905), Eckardt (1937), Beyer (1960), Göhler ( 2 1967), Bertram ( 2 1967), Buchmann (1972), Herold/ Fluch (1972), Wehlen (1972), Herold/ Göhler/ Fluch (1980), Brandt (1983), Becker (1992), Hahn (1996), Vollmert-Spiesky (1996). Satirische bzw. humoristische Gegenstandsannäherungen sind Henschel/ Willen (1994) und Moritz (1997). 4 Vgl. u.a. Haubrich (1963), Dittmar (1989). Gsella/ Lenz/ Roth (1995) stellen die vor allem metaphorischen formelhaften Äußerungen eines Fernsehkommentators zusammen. 5 Vgl. u.a. Bues (1937), Dankert (1969), Kiefer (1970), Gemeth/ Schaefer/ Wolf (1971). Möhn (1980) und Fluck ( 5 1996) verweisen auf die Gebundenheit von Sprachen an soziale Bezüge: Möhn hatte zum Aspekt der Kommunikation in Institutionen bereits 1980 moniert, dass bei der „bislang vorherrschenden Art des wissenschaftlichen Zugriffs“ auf Interviews und Beobachtungen in Ausnahmesituationen das „Handiungs- und Rollengefüge“ einer Gruppe kaum erschlossen werde und „letzten Endes nur einem Gruppenmitglied die Einsicht in die arbeitsteilige Kommunikation“ (a.a.O., S. 388) möglich sei. Vgl. auch v. Hahn (1980) und Bausinger ( 2 1984), der zwischen ‘Fachwortschatz’, ‘Fachjargon’ bzw. ‘Sportlersprache’ und ‘Sprache der öffentlichen Massenkommunikation’ unterscheidet. 6 Vgl. u.a. Drexel (1975), Köppe/ Köppe (1977), Rehbein (1978), Ilg/ Sikora (1982), Kuhlmann (1983), Rehbein (1983), Hildenbrandt/ Friedrich (1989), Wallis (1990), Friedrich (1991), Scherler/ Schierz (1993), Hildenbrandt/ Friedrich (1996), Trawinski (1996), Kuhlmann (1998). 7 Vgl. u.a. Dotzert (1959), Buchloh/ Freese (1967), Kiefer (1970), Schneider (1974), Brandt (1979), Riha (1979), Digel (1983), Kuhlmann (1986), Schweickard (1987), Thomas (1988), Quentin (1989), Schäfer (1989), Fingerhut (1991), Digel (1993), Hoffmann (1996), Kuntz (1998) und Ormezzano (1998). Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 21 Digel, der sich an die Sprachgebrauchstheorie, die Ethnografie der Kommunikation, den symbolischen Interaktionismus und die Codetheorie Bernsteins anlehnt, vertritt daher die These, dass Sprechhandlungen im Sport nur über eine Beschreibung der Sprechsituationen im Sport, in denen sie erfolgen, und über die Rekonstruktion der Bedeutung, wie sie für die Sportler in der Interaktionssituation manifestiert worden sei, verstanden werden könnten (a.a.O., S. 50f). Unter den sich mit Sportsprache befassenden Wissenschaftlern ist Digel auch der Erste, der empirische Daten präsentierte, die der teilnehmenden Beobachtung von Handballmannschaften und der Aufnahme ihrer natürlichen, nicht experimentell arrangierten Sprachverwendung in den Situationen des Umkleidens, der Mannschaftsbesprechung, der Halbzeit, dem Duschen und dem Spiel selbst entstammen. Die zwei untersuchten Handballmannschaften waren im Großraum Stuttgart angesiedelt und gehörten unterschiedlichen Spielklassen an: Der höchsten deutschen Spielklasse (Bundesliga) und einer unteren Spielklasse (Bezirksliga, a.a.O., S. 57). Die Mannschaften hätten sich im Hinblick auf die Sozialisation der Spieler (obere Unterschicht, Mittelschicht und obere Mittelschicht), die aufgenommenen Kommunikationsinhalte, die Aktivitäten vor dem Spiel, während des Spiels und nach dem Spiel und im Hinblick auf die Mannschaftsrituale kaum unterschieden, berichtet Digel; deshalb habe er weitgehend auf eine Unterscheidung des Sprachverhaltens nach Spielklassen in seinen Interpretationen verzichten können. Die von ihm präsentierten Protokolle beziehen sich auf 10 Stunden Tonbandmaterial (a.a.O., S. 62, Fußnote 116). Untersuchungsinteresse Digels ist vor allem die Beantwortung der Frage, ob Sportler einen restringierten Code sprechen. Dazu untersucht er seine Transkriptionsprotokolle auf Kommunikationsinhalte und Kommunikationsbeteiligung, auf Kommunikationstypen (Begrüßung, Unterhaltung, Mitteilung, Appelle, Feststellung, Vorwurf etc.) und auf verschiedene, nicht handballspezifische Topoi (a.a.O., S. 63-103). Digel verneint seine Ausgangshypothese, dass der Sprachgebrauch der Sportler defizitär sei (a.a.O., S. 152-160). Trotz der theoretisch sehr reflektierten, sehr fortschrittlichen und singulären Position Digels in der damaligen Sportwissenschaft sind an seiner Studie einige Kritikpunkte festzumachen. Zum Ersten ist Digels Argumentationsstandpunkt defensiv, da er die generelle Funktionalität, Notwendigkeit und Elaboriertheit der Sprache der von ihm untersuchten Handballer erst belegen muss. Dies rührt daher, dass er die methodisch betrachtet dem Gegenstand auferlegte und wertende Bernsteinsche Hypothese des restringierten und elaborierten Codes sowie diverse Annahmen des Zeitgeistes zur Devianz des Sportes zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung macht. Diese Annahmen beziehen sich auf eine angebliche sprachliche Devianz der Sportler, die ein primitives und fäkalisches Deutsch sprächen und militant, nationalistisch 22 Reden und Spielen und systemstabilisierend seien. Digels Vorgehen ist trotz seines ansatzweisen ethnomethodologischen Zugangs hypothesengeleitet, nicht theoriengenerierend. 8 Seine Vergleichsfolie, die Sprache der nicht-sportlichen Bereiche, ist immer präsent, sodass der Eindruck entsteht, Digel arbeite seinen Gegenstand an einer wie auch immer definierten Standard- oder Mehrheitssprache ab. Dies wird an Stellen wie den folgenden deutlich: „... die soziale Position [der Handballspieler, M.S.] wird jedoch durch den Sprachgebrauch nicht wesentlich markiert. ‘Gutes’ oder ‘effektvolles’ Sprechen wird weder erwartet, noch ist es erforderlich. Sprachdefizite im Sinne von Nicht- Verstehen bzw. Mißverstehen aufgrund mangelnder Sprachkompetenz einzelner Sprecher waren nur selten zu beobachten; dort wo sie auftraten, hatten sie niemals soziale Sanktionen wie Nichtbeachtung, Verachtung oder Benachteiligung durch die Kommunikationspartner zur Folge“ (a.a.O., S. 153). „Der Sprachgebrauch der Handballspieler ist weder durch primitive Sprachklischees noch durch fäkalisches Umgangsdeutsch gekennzeichnet, und die Tonbandprotokolle lassen nicht zu, den Handballspielern und Trainern militante Gesinnung, nationalistische Einstellung und systemstabilisierendes Bewußtsein zu unterstellen. Ihr Sprechhandeln kann weder als affirmativ noch als instrumenteil im Sinne der Rationalität des Kapitals bezeichnet werden. Für die Spieler ist Sprechhandeln kein Ersatzhandeln, und ihre Sprache ist weder aggressiv noch pervertiert“ (a.a.O., S. 158). Die Folge ist, dass die Eigentümlichkeit und Besonderheit der Sprache der Handballspieler „von innen her“ nicht wirklich aufscheint. Dies liegt auch daran, dass Digel die Situationen des Sprachgebrauchs zwar in den Mittelpunkt rückt, nicht jedoch die interne soziale Organisation der Situationen und ihren arbeitsstrukturellen Zusammenhang: Die basalen strukturellen Phänomene der Welt des Handballs, die u.a. zur Entwicklung eines Schauplatzsystems und zu einem Inventar von Handlungsereignissen und -Situationen geführt haben, erfasst er nicht wirklich. Auch rekonstruiert er nicht annähernd die Besonderheit und Komplexität übergreifender Handlungszusammenhänge, welche die Welt der Handballspieler bestimmen, und das handlungsschematische Wissen, das die Beteiligten für die routinisierte Bewältigung der Handlungskomplexe nutzen. Größere Handlungszusammenhänge wie die Halbzeitpause oder die Mannschaftssitzung werden genannt, jedoch nicht sequenziell beschrieben und mit ihren konstitutiven Merkmalen konturiert. Digels Verzicht, den Verein der Bezirksliga und der Bundesliga jeweils für sich ethnografisch zu beobachten und zu beschreiben, der Verzicht, die Sprache unter Berücksichtigung allgemeinerer handlungsschematischer Wissensbestände an größeren Handlungsstrecken zu analysieren, seine Entscheidung, das Gemeinsame der Sprachverwendung durch die Sprecher zu betonen, all Zu der Differenz zwischen hypothesengeleitetem und theoriegenerierendem methodischem Vorgehen vgl. Bohnsack (1991), sowie Glaser/ Strauss (1968) und Strauss (1994). Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 23 das führt dazu, dass Digel das jeweils Spezifische in einer Situation und damit auch die rhetorische Vielfalt des Sprechens in den typischen Interaktionsereignissen nicht erfassen kann. Aussagen sowohl über die Kontextspezifik der sprachlichen Äußerungen im Hinblick auf die besonderen Bedingungen der konkret anstehenden Handlungsaufgabe als auch im Hinblick auf längerfristige stabile Handlungsorientierungen der Beteiligten wie bestimmte Spielkonzepte des Trainers oder sein Konzept der Spielerführung kann Digel daher nicht machen. Digel schreibt, dass „die soziale Position [...] jedoch durch den Sprachgebrauch nicht wesentlich markiert“ (a.a.O., S. 153) werde. Diese Aussage bezieht sich auf den Gegenstand der sozialen Schichtung der Sportler im Vergleich zur Gesamtgesellschaft. Ich will einen anderen Gegenstand in den Mittelpunkt rücken und ergänzend fragen, ob das interaktive und sprachliche Verhalten der Beteiligten in ihrer Welt zu sozialen Kategorisierungen führt, also danach, ob die Beteiligten ein zwar jeweils spezifisches, aber dennoch sehr genaues Wissen über das interaktive und sprachliche Verhalten haben und ob sie sich dieses Wissen in der Interaktion auch gegenseitig aufzeigen. Z.B. indem sie klarstellen und erklären, wer in ihren Augen ein schlechter Trainer und wer ein guter Trainer ist, wer ein schlechter und wer ein guter Mitspieler. Es erscheint fraglich, ob Digels weit gehende Gleichsetzung des Sprachverhaltens der professionellen Handballer mit dem der Bezirksligahandballer aufrecht erhalten werden kann. 9 Es ist zu vermuten, dass die Gleichsetzung nur auf recht abstrakter Ebene und aus einer vergleichenden Perspektive gegenüber nicht-sportlichen sozialen Welten, wie Digel sie einnimmt, durchzuhalten ist. Diese Vermutung kann allerdings erst dann bestätigt oder verworfen werden, wenn einige genauere ethnografische Studien über die Welt(en) des Sports vorliegen. Sportwissenschaftliche Untersuchungen zum Verhalten von Basketball-, Handball- und Volleyballtrainern in Wettkampfsituationen wie die von Schmidt/ Lüttke (1984), Hildenbrandt (1984), Friedrich (1984), Kröger/ Schädle (1984) fallen methodisch und theoretisch hinter Digels Untersuchung zurück. Zwar wurde das sprachliche Handeln der Trainer auf Tonband oder audiovisuell aufgenommen, jedoch zum Teil nur inhaltlich, zum Teil schriftsprachlich transkribiert. Zu kritisieren sind reduktionistische Kommunikati- 9 Digel nennt vier mögliche Ursachen für die in seinen Augen „auffallende Übereinstimmung“ des sprachlichen Verhaltens seiner Handballer: 1. Die gemeinsame Region (Großraum Stuttgart), 2. der gemeinsame Dialekt, 3. der Umstand, dass sowohl Vereine kleiner Gemeinden als auch Vereine aus Großstadtvororten in unteren wie höchsten Spielklassen antreten, 4. das ähnliche „familiäre“ Vereinsleben (a.a.O., S. 57, Fußnote 112). 24 Reden und Spielen onsmodelle wie das Sender - Empfänger-Modell bei Schmidt/ Lüttke 10 und der Umstand, dass alle Autoren ihre Kategorien nicht aus dem sprachlichen Material ableiten, sondern vor der Gegenstandsannäherung gegenstandsbezogene Hypothesen und Kategorieninventare aufstellen. Die Orientierung an der Sprechakttheorie und die Art ihrer Anwendung bei Hildenbrandt sowie bei Friedrich führen dazu, dass die sprachlichen Materialien lediglich auf die Konzeption von theoretisch aufgestellten Sprechakten abgebildet werden. 11 Die Interpretationen zeichnen nicht die Sequenzierung und Konstitution der Handlungsereignisse nach. Kritisch ist zudem der normative Anspruch aller Autoren, genau zu wissen, wie gutes Coachen oder Einstellen vollzogen werden müsse. Motiv und Motivation im Sport sind zentrale Gegenstände der Sportpsychologie. 12 Motive und Motivation werden als kognitive und emotionale Zustände und Prozesse verstanden. Sprachliche Äußerungen werden lediglich als Repräsentationen dieser kognitiven Zustände und Prozesse gesehen und als Hilfsmittel oder „Instrumente“ zu ihrem Aufspüren genutzt. Aus interaktionistischer Perspektive ist diese Annahme ebenso problematisch wie die daraus folgende Gegenstandsorientierung hauptsächlich auf das Individuum. Es tritt in den Hintergrund, dass die Konstruktion von Sinn ein primär soziales Phänomen ist, aus dem erst sekundär Erwartungsmuster werden, die als Orientierung für das individuelle Handeln dienen. 13 Ebenso wird der soziale Austausch mit den Interaktionspartnem vernachlässigt. Des Weiteren ist methodisch einzuwenden, dass Daten weitgehend experimentell oder durch mehr oder minder stark standardisierte und vorstrukturierte Verfahren gewonnen werden. Nicht standardisierte Verfahren der Beobachtung und nicht standardisierte mündliche Datenerhebungsverfahren werden auf die erste Felderkundung beschränkt (vgl. Eberspächer 1993). In der Sportwissenschaft sind Methodendiskussionen lange Zeit zu kurz gekommen u.a. wegen der für viele Sportwissenschaftler „spröden“ Thematik, wie Meinberg (1994a) meint, und weil angenommen werde, die theoretische und methodische Reflexion stehe der praxisbezogenen Forschung und Anwendung im Wege. In der Sportsoziologie wurden qualitative empirische Verfahren und interpretative Soziologie lange Zeit eher am Rande rezipiert. 14 10 Vgl. ähnliche Vorstellungen bei Rigauer (1987) und die oberflächliche Darstellung von Kommunikation in Hug (1991), S. 13-19. 1 ' Vgl. auch Friedrich (1991) und Hildenbrandt/ Friedrich (1996). 12 Vgl. u.a. Graumann ( 2 1971), Heckers (1977), Allmer (1978), Heckhausen (1980), Gabler ( 3 1981), Eberspächer (1987), Gabler (1992), die Beiträge in Roberts (1992), Eberspächer (1993), Russell (1993). 13 Zu diesem methodologischen Verständnis vgl. Bohnsack (1991). 14 Vgl. etwa Voigt (1992). Siehe aber auch die zwar schmale, doch immerhin auch qualitative Methoden vorstehende Darstellung von Rigauer (1982). Zum Verständnis von Hand- Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 25 Die vorherrschende Vorliebe der Sportwissenschaftler, Anleihen bei der Psychologie zu machen, sowie die Präferenz der Sportsoziologen, lieber quantitative Statistiken zu erheben und geschlossene Kategoriensysteme vor der eigentlichen Untersuchung aufzustellen, 15 haben wohl ihre wissenschaftspolitischen Ursachen. Sportwissenschaft und Sportsoziologie sind recht junge Disziplinen in Deutschland, die sich bei ihrer Etablierung zunächst an dem orientierten, was in benachbarten Disziplinen gerade „en vogue“ war. In Deutschland setzte Mitte bzw. Ende der 60er Jahre in Soziologie und linguistischer Pragmatik wieder die Rezeption und Weiterentwicklung rekonstruktiver Theorien sozialen Handelns und qualitativer Erhebungs- und Analyseverfahren ein eine Wissenschaftstradition, die der Nationalsozialismus unterbrochen und deren Vertreter (Kurt Mannheim, Alfred Schütz et al.) er ins Exil getrieben hatte. Immerhin zeichnet sich in der neueren Methodendiskussion der Sportwissenschaft nicht nur in Deutschland eine zunehmende Wahrnehmung und Orientierung auf hermeneutische 16 , anthropologische 17 und phänomenologische 18 Konzepte, Fragestellungen und Verfahren ab sowie der Versuch, qualitative wie quantitative Paradigmen miteinander zu verbinden. 19 Bette (1984) hat aus makrosoziologischer systemtheoretischer Perspektive die Rolle des Trainers im Hochleistungssport untersucht. 20 Dabei fokussiert Bette mit qualitativen Methoden der Datenerhebung und -analyse allgemeine Strukturmerkmale und Bedingungen der Trainerrolle, unabhängig von der Sportdisziplin. Als Trainer von Mannschaftssportarten befragte Bette lediglich Volleyballtrainer, ansonsten interviewte und beobachtete Bette Trainer von sieben Einzelsportarten. Spezifische sozialweltliche Phänomene und das aktuale sprachliche Verhalten des Trainers in der Interaktion mit der Gruppe stehen nicht im Fokus von Bettes Untersuchung. Unter den soziologischen Arbeiten, die sich mit Fußball befassen, 21 will ich die Studie von Väth (1994) näher vorstellen. Väths Gegenstand ist der Profifußball, seine Methode die Oevermannsche objektive Hermeneutik. Interessant an dieser Arbeit ist, dass sie mit einer Analyse des Fußballspiels anhand der Kriterien „Regeln“, „Logik“, „Geist“, „Dimensionen“ und „Spielertypen“ lung und Handlungstheorie in der Sportwissenschaft vgl. auch Franke (1992a und 1992b) sowie Heinemarm (1992). 15 Für die Trainertätigkeit vgl. bspw. Mrazek/ Rittner (1992). 16 Vgl. Meinberg (1994b) und Haag (1994). 17 Zur Sportanthropologie als „anthropologischem Gewissen der Sportwissenschaft“ und „Kompensationsdisziplin“, die die allgemeine Konstitution des „Homo Sportivus“ untersuche, vgl. Meinberg (1992). 18 Vgl. Thiele (1994) und Thiele/ Kolb (1994). 19 Vgl. Hackforth (1994). 20 Vgl. auch Bette (1992 und 1994) und Möller (1994), der aber auch Kritik an der Systemtheorie äußert (a.a.O., S. 76f.). 21 Vgl. auch Hortleder (1974), der den professionellen Fußball als Beruf und als Freizeitvergnügen sowie als Wissenschaftsgegenstand betrachtet, und Vinnai (1970), der aus ideologiekritischer und psychoanalytischer Perspektive argumentiert. 26 Reden und Spielen beginnt. Die von Väth unter dem Begriff „Geist“ dargestellten Anforderungen „Bewegungsfreude“, „Objektbeherrschung“, „Sozialität“, „Gestaltungsfreude“, „Wettkampfgeist und Leistungsverpflichtung“, „Teamgeist“ und „Fair Play“ weisen Ähnlichkeiten zu den Bezeichnungen jener Relevanzbereiche auf, die ich aus den Kategorisierungen und Typisierungen der Spieler und Trainer des gehobenen Amateurfußballs aus den von mir gesammelten Daten rekonstruiert habe (vgl. Kapitel 5 dieser Arbeit). Väths Spielertypologie besteht aus der Beschreibung der spezifischen Anforderungen an die Spieler, die sich aus ihrer Position im Spiel ergibt also danach, ob der Spieler im Tor steht bzw. in einem der drei Mannschaftsteile Abwehr, Mittelfeld, Angriff spielt. Damit stellt Väth diejenigen Merkmale zusammen, die ich mit Kallmeyer/ Keim (1994b) als „Normalformmerkmale“ bezeichnen würde. Die Kenntnis der Normalformmerkmale steht hinter der auf die Spielposition bezogenen Kategorisierung meiner Informanten, wenn diese sich und ihre Gruppenmitglieder als deviant darstellen oder wenn sie sich und ihre Gruppenmitglieder als die Normalform übererfüllend (bzw. die Normalform unter erschwerten Bedingungen erfüllend) darstellen wollen. Die an die Analyse des Spiels anschließende Bestimmung des sozialen Phänomens Profiftißball vollzieht Väth über die systematische Abgrenzung vom Amateurfußball, wobei er unter der Bezeichnung des Amateurfußballs wiederum drei Bereiche zusammenfasst: Autonomer Amateurfußball, institutionalisierter traditioneller Amateurfußball und semiprofessioneller Amateurfußball. Damit nimmt Väth eine Strukturierung des Fußballs vor, die vergleichbar der von mir später vorgestellten Dreiteilung in die soziale Welt des Profifußballs, die des gehobenen Amateurfußballs und die des Freizeitfußballs ist. Interessant ist Väths Arbeit vor allem auch deshalb, weil ihm daran gelegen ist, Bedeutungen von Strukturmerkmalen des Profifußballs und seiner Organisationen aus der Sicht der Spieler, Trainer, Funktionäre und Fans zu rekonstruieren. Kritisch ist anzumerken, dass nicht klar wird, auf welcher Datenbasis Väth seine Spielanalyse gewonnen hat. Die Daten, die er dann bei der Darstellung seines eigentlichen Gegenstandes, des Profifußballs, präsentiert, seien aus Interviews, aus den kodifizierten Spielregeln, Vereins- und Verbandssatzungen, Arbeitsverträgen, Spiel- und Trainingsbeobachtungen und ausgewählten Medienberichten gewonnen; die Datenbasis charakterisiert er lediglich als „umfangreich“ (a.a.O., S. 19). Alltägliche Interaktionsereignisse des Trainings und Wettkampfes scheint Väth nicht aufgenommen und analysiert zu haben. Die gruppeninterne sequenzielle soziale Organisation des Arbeitsalltags der Profispieler wird nicht dargestellt. Eine Intra-Perspektive auf das Spiel des Fußballs und die notwendige kommunikative Orientierung der Spieler auf dem Feld wählen Feie (1997) und Paris (1983). Paris fokussiert aus einer Perspektive des symbolischen Interaktionismus die Voraussetzungen für die Aushandlung der Spielregeln und des Spielgeschehens und verweist auf den wechselseitigen Austausch von Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 27 Erwartungen und Erwartungshaltungen: „Das Spiel einer Mannschaft bedeutet, daß jeder Spieler psychisch die Rolle aller anderen Mitspieler und die der gegnerischen Mannschaft gleichzeitig übernimmt und sein Handeln daran orientiert“ (a.a.O, S. 150). Diese Übernahme der Rolle des generalisierten Anderen führe zu jenen dynamischen Zuständen, die Elias/ Dunning (1985b) als „Figuration“ zweier Mannschaften bezeichnet hätten. Den Grund für die Attraktivität des Fußballspiels sieht Paris gerade in dieser „Versinnlichung von Kooperation“ (Paris 1983, S. 150). Feles Ausgangspunkt ist ebenfalls Elias' und Dunnings Interpretation des Fußballspiels als Figuration von Spannungsbalancen zwischen Polen. Aus ethnomethodologischer Perspektive wirft Feie den Autoren vor, man wisse am Ende ihres Aufsatzes viel über die Dynamik kleiner Gruppen, wenig jedoch über das Fußballspiel an sich (Feie 1997, S. 46). Feles Kritikpunkte sind vor allem, dass Elias und Dunning die Existenz einer Konfiguration a priori annähmen, dass sie die Herstellung, Sicherung und Vollendung einer hypothetischen Konfiguration durch die Beteiligten versteckten und dass sie das Phänomen aus einer retrospektiven, zusammenfassenden, finalen Perspektive betrachteten. Feie verneint zwar nicht Konfigurationen, die in der Aufstellung der Mannschaft, in der Taktik und der Spielstrategie und sogar als Resultate eines nicht endenden Trainings im Sinne Husserls als „monothetisch“ wahrgenommen und verstanden werden müssten. Am Beispiel des Doppelpasses, bei dem der angespielte Spieler als so genannter „Wandspieler“ fungiert und den Ball sofort in den freien Raum weiterleitet, demonstriert Feie, dass Konfigurationen Schritt für Schritt erst in der konkreten Spielinteraktion gemeinsam hergestellt werden. Kein vorher festgelegter Plan könne durch sich selbst garantieren, dass er auch tatsächlich in bestimmter Weise ausgeführt werde. Diese Überlegung deckt sich mit Väths (1994, S. 35f.) und meiner Vorstellung der Unwägbarkeiten des Spielgeschehens im Fußball. Jene Wesenhaftigkeit der (Spiel-)Interaktion stellt m.E. ein dilemmatisches Potenzial für Trainer dar, die auf der einen Seite ihre längerfristigen Spielkonzepte und ihre konkrete Spielstrategie darstellen müssen, auf der anderen Seite aber das Unwägbare, Unplanbare des folgenden Spielereignisses mit ins Kalkül ziehen müssen. Die Kulturanthropologie außerhalb Deutschlands hat sich in den letzten Jahren zunehmend dem Fußball als Untersuchungsfeld zugewandt, so dass Armstrong/ Giulianotti (1997) gar schon von der Anthropologie des Fußballs sprechen. Die Fußballanthropologen stammen in der Regel aus „klassischen“ Fußballländern wie England, Argentinien, Brasilien und Italien, in denen der Fußball wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens ist. Zudem hat die Anthropologie bzw. Ethnologie in England wie in mittel- und südamerikanischen Ländern den Ruf eines klassischen etablierten Faches, was im Fall Englands wohl auf die lange Zeit als Kolonialmacht, im Falle der mittel- und südamerikanischen Länder auf ihre Zeit als Kolonien und auf die in ihren 28 Reden und Spielen Grenzen zahlreichen Ethnien zurückzuführen ist. Besonders fruchtbar scheinen mir jene Studien insbesondere von Archetti (1994, 1995, 1997a sowie 1997b) zu sein, in denen er Bedeutungszuschreibungen verschiedener Fußballstile durch die argentinische Bevölkerung rekonstruiert. 22 Bislang konzentriert sich die internationale Fußballanthropologie jedoch hauptsächlich auf Gegenstandsbereiche, die außerhalb der Kabine und des Trainingsplatzes liegen: Während detaillierte Ethnografien von einzelnen Mannschaften aus der Sicht der Spieler fehlen, sind die „Felder“ um das eigentliche Sportfeld, die Fan- und Zuschauergruppen einzelner Vereine und größere Bevölkerungsgruppen und die Bedeutung des Fußballs für sie, recht intensiv beobachtet worden. 23 Eine interessante ethnografische Studie hat Dal Lago (1990) vorgelegt, der die räumliche Aufteilung in Stadien Norditaliens, die Rituale im Stadion und besonders die Selbst- und Fremddarstellung jener jüngeren Tifosi, die sich besonders stark mit ihrem Verein identifizieren und sich „ultra“ nennen, beschreibt. 24 " 2 Der deutsche Fußball der 70er Jahre und insbesondere der Kontrast zwischen dem „Fohlenstil“ der Mönchengladbacher Borussen und dem ergebnisorientierten Stil der Münchner Bayern scheint mir ein sinnvolles Untersuchungsfeld in Deutschland zu sein (die Gladbacher Mannschaft unter Trainer Weisweiler wurde wegen ihres niedrigen Altersdurchschnitts und wegen ihrer attraktiven offensiven Spielweise „die Fohlen“ genannt.) Gerade in Zeiten des technischen und spielerischen Verfalls der deutschen Nationalmannschaft in den 90ern werden die 70er Jahre als das „goldene“ Zeitalter des deutschen Fußballs dargestellt. Videoaufzeichnungen aus den 70er Jahren zeigen jedoch, dass der Fußball der 70er unter ganz anderen athletischen und taktischen Voraussetzungen gespielt wurde als der aktuelle und dass er auf den heutigen Betrachter seltsam langsam und gemütlich wirkt. 2j Vgl. die zahlreichen Beiträge in Armstrong/ Giulianotti (1997). Vgl. auch Marr/ Francis/ Randall (1999). Letztere untersuchen die Herstellung von Texten über einen Fußballclub in einer englischen Tageszeitung. Dabei verwenden die Autoren die sozialweltliche Unterscheidung von Fußballjournalist und Nachrichtenredakteur um zu zeigen, welche Regeln die tägliche Interaktion zwischen Fußballjournalist und Fußballtrainer steuern. Da die Nachrichtenredakteure nicht zu der Welt des Fußballs gehören, haben sie keine Kenntnis von diesen Regeln. Dies fuhrt immer dann zu erheblichen Problemen für den Fußballjournalisten und die Trainer, wenn die Texte der Fußballjournalisten von der Nachrichtenredaktion „überarbeitet“ werden, oder wenn die Mitglieder der Fußballwelt vergessen, dass sie zwar gemeinsame Regeln für den Vollzug der Interaktion haben, dass jedes Mitglied aber auch ganz spezifische Aufgaben zu erfüllen hat - und die Aufgabe des Sportjournalisten ist es eben auch, Ereignisse, die sich in der Welt des Fußballs zugetragen haben, für die Außenwelt zu berichten und zu bewerten (vgl. die von mir gewählte Unterscheidung von Kemaktivität und Handlungsanforderungen in Abschnitt 4.2.4). 24 Vgl. auch Becker (1990). Becker rekonstruiert die Wahmehmungsmuster von Fans. Das provozierende, aufeinander antwortende Verhalten der gegnerischen Fangruppen erinnert ihn an eine subkulturelle Variante des ständischen Duells. Zu Männerbünden vgl. aus ethnologischer Perspektive Schweizer (1990), aus der Perspektive der Psychoanalyse Salber (1990) und aus soziobiologischer Perspektive Meyer/ Wind/ Roele (1990). Vgl. auch Klein (1990), der das Verhältnis von Sportbünden als Männerbünde untersucht, dabei aber eher auf der Basis psychologischer Hypothesen und nicht mit aus Interviews oder Feldbeobachtung rekonstruierten Daten argumentiert. Einen interessanten autobiografischen Roman liefert Hornby (1992), der seine Entwicklung hin zum Arsenal-Fan und die diversen Sta- Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 29 Soziolinguistische Feldstudien im Fußballfeld, an die sich anschließen lässt, wurden sowohl im konversationsanalytischen Mannheimer Stadtprojekt des Instituts für Deutsche Sprache „Kommunikation in der Stadt“ als auch im diskursanalytischen Berliner Projekt „Stadtsprache Berlin“ unternommen. 25 Keim, die das sprachliche Verhalten der Bewohner in der westlichen Unterstadt Mannheims, der so genannten „Filsbach“, untersuchte, beschreibt auch kurz die einzige Thekenmannschaft des Stadtviertels und kontrastiert sie mit der neu hinzugekommenen Begegnungsstätte des Viertels. Der FC Filsbachklause sei zwar kein eingetragener Verein, aber vereinsmäßig organisiert mit wöchentlichen Vereinsversammlungen und wöchentlichen Spielen gegen andere Thekenmannschaften. In meiner Einteilung in soziale Welten des Fußballs nimmt der FC Filsbachklause seinen Platz im Freizeitfußball ein, der sich außerhalb des DFB organisiert. Schwitalla, der die Kommunikation im Mannheimer Stadtteil Vogelstang untersuchte, beschreibt auch die diversen Vogelstängler Sportvereine. Er wendet sich im Hinblick auf Fußball den Jugendmannschaften zu, einem spezifischen Weltausschnitt des Fußballs also, der von mir nicht beobachtet wurde. Schwitalla nahm bei den Vogelstängler Jugendlichen u.a. eine signifikante soziale Orientierung auf unterschiedliche Sportangebote wahr, die sich mit der sozialen Einteilung des Stadtteils deckt. Während die Kinder aus der Arbeiterschicht in großer Anzahl in die Fußballabteilungen strebten, gingen die Kinder aus den Einfamilienhäusern eher in die Handball- und Leichtathletikabteilungen. Ältere Jugendliche und vor allem Gymnasiasten und Studenten spielten Volleyball. Genauer beschreibt Schwitalla dann das sprachliche Verhalten des Fußballtrainers einer Vogelstängler Jugendmannschaft bei einer von ihm so genannten „Spielkritik“ nach einem Trainingsabend (in meiner Terminologie: „Mannschaftssitzung“). Schwitalla bezeichnet als das Auffallende an der „Spielkritikrede [...] die Kombination von dialektaler Lautung und offiziellem, z.T. pathetischem Redestil“ (Schwitalla 1995, S. 293). Der Trainer habe viele Metaphern und Redewendungen und, wie bei Halbzeitbesprechungen, eine „Rhetorik des Anfeuerns mit vielen Metaphern, anaphorischen Satzgliedanfängen {mol noch auße, mol noch reschts, mol links) und stereotypen Formeln deswege reißt eusch zsomme. ihr wißt, um was es geht, un ihr kennt=s aa“ (a.a.O., S. 294) gebraucht. Die Berliner Ethnografie beschreibt einen Fußballverein aus dem Stadtbezirk Neukölln, der am vom DFB organisierten Spielbetrieb teilnimmt und in der zweithöchsten Berliner Spielklasse antritt. Dittmar und Hädrich nahmen zehn Mannschaftsbesprechungen, drei Fördervereinssitzungen, eine Jahreshauptversammlung und acht informelle Treffen auf. Die Beschreibung konzentriert dien der Leidenschaft in Verbindung mit biografischen Erfahrungen außerhalb der Welt des Fußballs schildert und reflektiert. 25 Vgl. Kallmeyer (1995a) und besonders Keim (1995), S. 134-137, und Schwitalla (1995), S. 292-294, Dittmar/ Hädrich (1988) und Dittmar (1989). 30 Reden und Spielen sich auf die lokale Herkunft der Mitglieder, die Aufgaben der Mitglieder und die Gruppenstruktur. Sie steht im Kontext der Konturierung eines ethnografischen Stilbegriffs und der Beschreibung der „Berliner Schnauze“. Zu kritisieren ist an Dittmars und Hädrichs Ethnografie die überraschende Gegenstandsferne. Es ist nur zu vermuten, dass die genannten Merkmale für die Darstellung der Gruppenstruktur („freundschaftliche Kontakte“ und „Stammspieler sein“) aus dem Datenmaterial stammen. Es ist des Weiteren fraglich, ob die dargestellte Gruppenstruktur auf allen Merkmalen aufbaut, die für die Mitglieder einer Fußballmannschaft relevant sind. Außerdem hat die legitime - Fokussierung auf einen darzustellenden Berliner Stil der Schlagfertigkeit zur Folge, dass vor allem frotzelnde Sequenzen der Spieler zur Untersuchung herangezogen werden. Zentrale Aufgabenfelder der sozialen Welt des Fußballs, wie die Vorbereitung auf den Wettkampf, werden durch diese Orientierung auf den Gegenstand nicht wahrgenommen. Das bereits genannte Mannheimer Projekt „Kommunikation in der Stadt“ ist eine wesentliche Orientierungsgröße für diese Arbeit. Sowohl was die metatheoretischen Annahmen angeht, die auf Annahmen und Konzepte der Wissenssoziologie und Ethnomethodologie zurückgehen, als auch was den Bezug und Rückbezug von ethnografischer Beschreibung und den Ergebnissen der Gesprächsanalysen angeht. Die Autoren weisen nach, wie soziale Identität im sprachlichen Verhalten konstituiert, gesichert und den jeweiligen Anforderungen angepasst wird und sich in der situativen Verwendung von Regeln des Sprechens, von Kategorienbezeichnungen, von formelhaften Wendungen, von abgrenzenden Äußerungsformen ausdrückt. Der Artikel von Kallmeyer/ Keim (1994b) zur sozialen Kategorisierung gab zahlreiche Anregungen für diese Arbeit und wird in Kapitel 5 expliziter dargestellt. Inspiriert von der Mannheimer Vorgehensweise der ethnografisch basierten Interpretation natürlicher Interaktionen wurden Schütte (1991) und Schmitt (1992). 26 Schmitt untersuchte, ausgehend von der Beobachtung, dass einige Kioskkunden sich nicht vor der Kioskscheibe aufhalten, sondern hauptsächlich auf der Schwelle zwischen öffentlichem Verkaufs- und nicht- oder halböffentlichem Arbeitsbereich der Kioskbetreiber stehen, die sprachliche Präsenz und den sozialen Austausch dieser so genannten „Schwellensteher“ mit den Betreibern in einem Kiosk einer süddeutschen Universitätsstadt. Schmitt demonstriert, wie die spezifischen Bedingungen des nur begrenzten Schauplatzes im Kiosk und die Einbindung des Kiosk in den sozialen Raum der Nachbarschaft die Beteiligten dazu veranlassen, spezifische sprachliche Ausdrucksformen für ihren Auftritt auf dem Schauplatz zu konstituieren. Zentrales Konzept Schmitts ist Gumperz’ „setting“-Konzept (vgl. Gumperz 1975), wobei Schauplatz als ein lokal definierter Weltausschnitt verstanden wird, der von seiner ökologischen Umgebung abgehoben sei. Der Schauplatz setzt ei- 26 Vgl. auch Heidtmann (1997), die die Kommunikation in einer Großfamilie untersucht. Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 31 nen äußeren Bedingungsrahmen für die Interaktion der Akteure, durch deren Kommunikationspraxis der Schauplatz seine soziale Bedeutung erhält. Auch ich orientiere mich im Folgenden in gewisser Hinsicht an Gumperz' setting- Begriff, der aber in ein übergeordnetes Situationskonzept eingeordnet wird. Dieses Konzept hat Hamei (1988) entwickelt, um das Situationssystem der mexikanischen Otomi-Indianer zu erfassen. Hamei interessierte das Situationssystem als sozialer Rahmen der verbalen Interaktion, innerhalb dessen Konflikte zwischen dem spanischen Diskurssystem und dem der Otomi manifest werden. 27 Kommunikationssituation definiert Hamei wie folgt: „Kommunikationssituation bezeichnet das soziale Ereignis, das durch eine Teilnehmerkonstellation auf einem Schauplatz und durch einen übergreifenden Kommunikationszweck bestimmt wird; das heißt, die Teilnehmer müssen in der Situation eine Reihe von Aufgaben lösen, die mit der Produktion und Reproduktion ihres sozialen Lebens Zusammenhängen und im Normalfall mit kommunikativen Mitteln bewältigt werden“ (a.a.O., S. 130). In seiner Definition schließt Hamei auch all jene Alltagssituationen mit ein, in denen die jeweiligen Kommunikationszwecke erst in der Interaktion konturiert werden oder zum Teil auch vage bleiben. Zu den dauerhaften Kategorien der Situation zählt Hamei den Schauplatz, der durch wiederholt ablaufende Ereignisse geprägt werde. Die Ereignisse wiederum führten zur Herausbildung von Erwartungen hinsichtlich der Interaktionsformen und der Teilnehmerkonstellationen. Weitere Kategorien seien die Teilnehmer, die für die Dauer der Situation eine spezifische Beziehung eingingen und spezifische Situationsrollen annähmen. Neben veränderlichen Situationsrollen nimmt Hamei jedoch übergreifende sozio-ökonomische, politische und kulturelle Einbindungen der Handelnden an, die sie als Repräsentanten einer bestimmten sozialen Position ausweise und die ihr Handeln präge. 28 Meine Arbeit schließt an Hamels Verständnis von Situation an. So werde ich mich im Folgenden darum bemühen, das Situationssystem der Fußballer zu eruieren, mit dem sie auf bestimmten Schauplätzen und mit bestimmten Erwartungen be- 21 Hameis Ausgangspunkt ist der scheinbare Gegensatz zwischen den linguistischen Theorierichtungen, die ein größeres Gewicht auf längerfristige und historisch und sozial determinierte Aspekte von Gesprächsabläufen und Situationstypen legen wie die pragmatische Sprechhandlungstheorie von Ehlich/ Rehbein (1986), in der die Situation als stereotype Verknüpfung bestimmter Konstellationen und Situationsrahmen aufgefasst und in Mustern geordnet wird, und jenen Theorien, welche die Aushandelbarkeit praktisch aller Situationsmerkmale betonen und welche die vorzeitige Festlegung von Situation kritisieren. Vgl. die ausführliche Diskussion bei Hamei (1988), S. 119-133. 28 Damit unterscheidet sich Hamels Situationskonzept erstens von dem Situationskonzept Luckmanns (1985), das hinter dem über die Grenzen einer sozialen Welt hinausgehenden Konzept der Gattungen im kommunikativen Haushalt steht, und zweitens von dem Konzept des symbolischen Interaktionismus (vgl. Schütze 1987a), das die Vorbereitungen der Beteiligten auf Situationen und die aktualen Definitionen und Aushandlungen der Beteiligten in der Situation fasst. 32 Reden und Spielen züglich der Teilnehmerkonstellation und der Interaktionsformen spezifische Kommunikationszwecke ihrer sozialen Welt verfolgen. Schüttes Arbeit, in der er die Scherzkommunikation unter Orchestermusikern analysierte, weist von ihrem Gegenstand her Ähnlichkeiten zu der vorliegenden Untersuchung auf, insofern als er eine spezifische soziale Welt in den Blick nimmt. Bei Gelegenheitsengagements, so genannten „Mucken“ 29 , war Schütte aufgefallen, dass Musiker auffällig spielerisch miteinander kommunizieren, scherzen und sich foppen. Um zu begründen und zu verstehen, dass es sich um funktionale Scherze handelt, beschreibt Schütte zunächst die soziale Welt der Orchestermusiker in Deutschland. Orchester sind Institutionen des Kulturlebens, zu denen die Musiker erst nach der Überwindung hoher künstlerischer Qualifikationsbarrieren Zugang haben. Ihre Berufswelt ist in mehrerer Hinsicht hierarchisch und funktional strukturiert. Die professionellen Orchester lassen sich nach der Zahl der Planstellen und der Vergütung grob von oben nach unten in A-, B-, C- und D-Orchester einteilen, wobei dies Auswirkungen hat auf Repertoiremöglichkeiten und den Dienstplan. Innerhalb des Kollektivs „Orchester“ wiederum gibt es „über die Stimme hinausgehende Zuständigkeiten - Konzertmeister, Stimmführer, Solobläser usw. als musikalische Kompetenzen, Orchesterinspektor, Vorstand, Gewerkschaftsdelegierter als Kompetenzen für Verwaltung und parlamentarische Interessenvertretung. Zu den arbeitsteiligen Strukturen zählen die unterschiedlichen Instrumentengruppen und die Unterscheidung zwischen Spielern mit Nebeninstrumenten vs. Spielern mit nur einem Instrument. Daneben spielen auch Faktoren wie Dienstalter, Geschlecht eine Rolle für die Definition sozialer Beteiligungsrollen“ (a.a.O., S. 31). Hinzu kommt, dass die Arbeit des einzelnen Musikers durch die eingeschränkte Mitbestimmung auf personalem und musikalischem Gebiet und dem der Proben- und Aufführungsorganisation in hohem Maße fremdbestimmt ist. Besonders beim unterprivilegierten Tuttispieler dem so genannten „Tuttischwein“ in untergeordneten Orchestern sind Spannungen zwischen mechanisch-handwerklicher Tätigkeit und unbefriedigtem Selbstwertgefühl des Künstlers, zwischen dem Gefühl, für zweitklassig gehalten zu werden, und der eigenen beruflichen Selbsteinschätzung, zwischen den arbeitsteiligen Anforderungen toleranzloser Präzision und individuellen psychophysiologischen Bedingungen festzustellen. Diese Spannungen werden oft in scherzhafter Kommunikation bearbeitet. Die zahlreichen Scherztechniken von Musikern z.B. musikalische Parodien, Noteneintragungen nichtfunktionaler und funktionaler Art mit Nebensinn (so 29 Schütte (1991) hatte vor seinem Linguistikstudium Musik und im Hauptfach Oboe studiert und verstand sich zur Zeit der Feldforschung sowohl als Linguist wie auch als Orchestermusiker (a.a.O., S. 95). Gegenstand, Fragestellungen und Forschungslage 33 genannte „Notengraffiti“), der Rückgriff auf archaische bemfsspezifische Muster (die „Bratschenwitze“), die Benutzung vorgeprägter Sprachformen (Schüttelreime, Stabreime, Anekdoten, Zitate aus dem Text musikalischer Werke), die Rollenanmaßung, die dem Orchestermusiker eine ansonsten verbotene Kommentierung der arbeitsteiligen beruflichen Handlungsweisen ermöglicht (z.B. eine Replik auf eine Dirigentenäußerung) all diese Scherztechniken seien funktional und Folge der Organisation ihrer sozialen Welt: „Solche musikalisch-verbalen Scherzsequenzen können auch als Digressionen definiert werden, die das vordefinierte musikalische Arbeitsziel zeitweise suspendieren. In dieser Sichtweise arbeiten Orchestermusiker durch subversives Lachen an Freiräumen, um sich nicht ständig und in allen Aktivitätsbereichen der Situationsdefinition durch institutionell Höherstehende, vor allem durch den Dirigenten, auszuliefem“ (a.a.O., S. 328). Situationen, in denen Musiker untereinander scherzhaft kommunizieren, erforderten ein gutes Situationsmanagement, wie weit man die Frotzelei treiben dürfe. Aber auch der Dirigent, so Schütte, müsse sich jeweils überlegen, ob er subversive scherzhafte Zwischenbemerkungen des Orchestermusikers in der gemeinsamen Interaktion mittels seiner Autorität rigoros bestrafe oder nicht: „Ein sensibler Dirigent braucht die volle Kooperationsbereitschaft aller Musiker als Voraussetzung für optimale Konzertergebnisse; ein solcher Dirigent wird auch subversive Zwischenbemerkungen begreifen als Andeutung abweichender Relevanzsetzungen aus einer anderen Beteiligungsperspektive heraus und sie in seinen Handlungsplan für den Rest der Probe einbeziehen.“ (a.a.O., S. 353). Ohne dass er das Konzept des Arbeitsbogens explizit erwähnt, das Strauss u.a. (1985) in die Sozialwissenschaften eingeführt haben, so ist es doch in Schüttes Darstellung des Gegenstandes implizit mit eingeflossen. Die Analogie zu der vorliegenden Arbeit besteht darin, dass auch ich eine spezifische soziale Welt in den Blick nehme, und die sprachlichen Äußerungen der Weltbewohner als Aktivitäten verstehe, mit denen sie in spezifischen Situationen Aufgaben lösen, die sich aus der Organisation ihrer sozialen Welt ergeben. Weitere Arbeiten, die wesentlichen Einfluss auf diese Untersuchung ausübten, sind die Beiträge einer Arbeitsgruppe um Werner Kallmeyer (1996a und 1996b) zur Gesprächsrhetorik. Unter Gesprächsrhetorik wird das sprachliche Verhalten in der Interaktion verstanden, mit dem der Sprecher versucht „sich durchzusetzen, sich in Auseindersetzungen zu behaupten, Recht zu behalten und plausibel und suggestiv Sachverhalte darzustellen“ (a.a.O., S. 7). In meinem Zusammenhang wird besonders der letzte Punkt, die Etablierung plausibler und suggestiver Sachverhaltsdarstellungen, eine Rolle spielen (für einen ausführlicheren Forschungsüberblick vgl. Kapitel 6). 2. Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten Bevor ich die in dieser Arbeit verwendeten zentralen Methoden und Konzepte vorstelle, einige Bemerkungen zum methodischen Selbstverständnis. Diese Untersuchung versteht sich als interpretative rekonstruktive Unternehmung im Feld einer sozialwissenschaftlich orientierten Linguistik. Mit rekonstruktiv ist sowohl die Rekonstruktion der eigenen Forschungspraxis als auch die Rekonstruktion der Alltagspraxis der Erforschten bzw. die Rekonstruktion ihres Erfahrungswissens gemeint, das für diese Alltagspraxis konstitutiv ist (vgl. Bohnsack 1991). 30 Im Unterschied zu den standardisierten Flypothesen überprüfenden Verfahren in der methodischen Tradition des kritischen Rationalismus versuchen interpretative Verfahren ihre Vorgehensweise methodisch zu kontrollieren und intersubjektiv überprüfbar zu machen, indem sie als Forscher so wenig wie möglich in das Feld eingreifen und Interviews möglichst offen führen. Dabei soll der Erforschte die Kommunikation möglichst selbst steuern und so die Möglichkeit erhalten, „zu dokumentieren, ob ihn die Fragestellung überhaupt interessiert, ob sie in seiner Lebenswelt man sagt auch: seinem Relevanzsystem einen Platz hat und wenn ja, unter welchem Aspekt sie für ihn Bedeutung gewinnt“ (a.a.O., S. 19). Die methodische Kontrolle besteht darin, den Befragten sein Relevanzsystem schildern zu lassen, um rekonstruierend die Unterschiede zwischen seinem Interpretationsrahmen und dem des Forschers herauszuarbeiten. Nach Hoffmann-Riem (1980) sind zwei Prinzipien des methodisch kontrollierten Fremdverstehens notwendig: „Das Prinzip der Kommunikation besagt, daß der Forscher den Zugang zu bedeutungsstrukturierten Daten im allgemeinen nur gewinnt, wenn er eine Kommunikationsbeziehung mit dem Forschungssubjekt eingeht und dabei das kommunikative Regelsystem der Forschungssubjekte in Geltung läßt“ (a.a.O., S. 343f.). Das Prinzip der Offenheit besagt, daß die theoretische Strukturierung des Forschungsgegenstandes zurückgestellt wird, bis sich die Strukturierung des Forschungsgegenstandes durch die Forschungssubjekte herausgebildet hat“ (a.a.O., S. 346). Zudem liegt den interpretativen rekonstruktiven Verfahren ein anderes Theorieverständnis zu Grunde als den standardisierten Verfahren der positivisti- 30 Bohnsack gibt eine sehr gute theoretische wie praktische Einführung in drei Forschungsrichtungen der rekonstruktiven Sozialforschung: 1. In die von ihm so genannte dokumentarische Interpretation, die sich auf die Wissenssoziologie Karl Mannheims, die phänomenologische Soziologie und z.T. auf Traditionen der Chicago School of Sociology stützt; 2. in die objektive Hermeneutik Oevermanns und 3. in das Narrative Interview, das der Soziologe Fritz Schütze entwickelt hat. In den folgenden Zeilen orientiere ich mich an dieser Einführung. 36 Reden und Spielen sehen Methodologie. Bohnsack zitiert den Phänomenologen Alfred Schütz, von dem die Unterscheidung stammt, dass Tatsachen, Daten und Ereignisse, mit denen der Naturwissenschaftler umgehen müsse, Tatsachen, Daten und Ereignisse innerhalb seines Beobachtungsfeldes seien; den im Feld befindlichen Molekülen, Atomen und Elektronen ‘bedeute’ dieses Feld nichts. Dem Sozialwissenschaftler lägen aber Tatsachen, Daten und Ereignisse einer völlig anderen Struktur vor. Sein Beobachtungsfeld sei ihrem Wesen nach ungegliedert und habe eine besondere Sinn- und Relevanzstruktur für die darin lebenden, denkenden und handelnden Menschen. Alles Handeln, nicht nur das Denken, sondern auch das Handeln selbst, beruht nach Schütz auf sinnhaften Konstruktionen der alltäglichen Wirklichkeit auf Abstraktionen, Typenbildungen und Methoden. Äußerungen machten diese sinnhaften Konstruktionen manifest. „Um diese zu erschließen, muß ich Interpretationsleistungen erbringen. Ich muß über ein Wissen verfügen und über Methoden der Interpretation (auch bereits im Alltag), die es mir ermöglichen, das Wissen um Handlungsmotive, Orientierungen, Rollenmuster etc. in der geeigneten Situation und gegenüber den geeigneten Personen ‘anzuwenden’“ (Bohnsack 1991, S. 23). Dem rekonstruktiv vorgehenden Sozialwissenschaftler geht es zum einen darum, diese alltäglichen Interpretationsmethoden seiner Forschungssubjekte zu rekonstruieren, zum anderen geht es ihm darum, auch die Interpretationsmethoden des eigenen Alltagshandelns als Wissenschaftler zu rekonstruieren und zu reflektieren. Diese Rekonstruktion erfolgt sowohl auf methodologischer wie auf forschungspraktischer Ebene. Nach Glaser/ Strauss (1968) soll der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit auf der Theoriebildung, nicht auf der Theorieüberprüfung liegen. Eine überholte Theorie könne nicht durch den Beweis des Gegenteils ersetzt werden, sondern nur durch eine alternative Theorie. Dies folgt aus der in der Wissensoziologie, der Hermeneutik und der Ethnomethodologie entwickelten Einsicht, dass es einen untrennbaren Zusammenhang zwischen Theorie und Beobachtung gebe. Wenn der Forscher von einer Theorie ausgehe, nehme er alle Beobachtungen immer schon selektiv im Lichte dieser Theorie wahr. Die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen, bestehe darin, aus dem Zirkel auszutreten und auf Grund der Beobachtung und der Analyse von Daten eine neue Theorie zu entwickeln. Nach Glaser und Strauss ist eine Theorie einem Gegenstand nur dann angemessen, wenn sie aus ihm heraus entwickelt worden sei. Für diese Arbeit heißt dies, die alltäglichen Sinnkonstruktionen der Trainer und Spieler unter Wahrung der Prinzipien der Kommunikation und der Offenheit so zu erheben, dass die Untersuchten ihr Relevanzsystem dominant setzen, entfalten und schildern können. Des Weiteren soll die Rekonstruktion des Relevanzsystems im Mannschaftssport zu der Generierung von Theorien Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 37 führen, wie das Interaktionsverhalten des Trainers bzw. Spielers im sozialen Austausch mit den Gruppenmitgliedern zu verstehen ist. Dies heißt nicht, rekonstruktive interpretative Methoden besäßen keine Theorien. Doch sind dies metatheoretische Annahmen, keine dem Gegenstand auferlegte Theorien. Die methodischen Verfahren, die ich in dieser Arbeit zur Rekonstruktion der Sinnkonstruktionen der Trainer und Spieler verwenden werde, sind Ethnografie und Gesprächsanalyse. Zu ihnen will ich nun einige metatheoretische Äußerungen machen. 2.1 Ethnografie Bereits in der Antike beschrieben Autoren und Geschichtsschreiber wie Herodot ihnen fremde Völker. Der Begriff „Ethnografie“ wurde jedoch erst Ende des vergangenen Jahrhunderts gebräuchlich, um wissenschaftlich motivierte Beschreibungen nichtwestlicher Kulturen von nichtwissenschaftlichen Reiseberichten abzugrenzen. 31 Ethnografie befasst sich mit der „Beobachtung, Dokumentation, Analyse und Darstellung der Kultur menschlicher Gruppen, die in ihrer Besonderheit dargestellt werden unter möglichst genauer Rekonstruktion der jeweiligen Lebensform“ (Kallmeyer 1995b, S. 14). 32 Sie ist ein empirisches Programm, 31 Vgl. Raith (1993) und Kallmeyer (1995b). Zum Erkenntnisinteresse und zur Begriffsbestimmung von „Volkskunde“ in Deutschland und ihrem Einfluss auf die Sprachwissenschaft sowie zur strukturalistischen Ethnologie und zur Kritik an ihr vgl. Henn-Memmesheimer (1987). Ihre Darstellung der ethnomethodologischen Kritik am Strukturalismus fußt auf Habermas. Die dort genannte Kritik von Habermas an der Phänomenologie von Schütz, dass ihr ein ethischer Standpunkt zur Analyse des Hintergrundwissens fehle, scheint mir das Eigentliche und die Stärke dieser Forschungsrichtung zu verkennen, nämlich die Rekonstruktion der Sinnkonstruktionen des Anderen über die Kontrastierung mit den eigenen Sinnkonstruktionen. 32 In seiner ausführlichen Darstellung zeichnet Kallmeyer die theoretischen Annahmen, die Genese und Verbreitung der Ethnografie in verschiedenen kulturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Disziplinen nach. Im Folgenden werde ich immer wieder auf diese Darstellung zurückgreifen. Zu den unterschiedlichen Definitionen von Kultur und zum Zusammenhang zwischen Sozialstruktur und Kultur vgl. a.a.O., S. 15-17. Bereiche bzw. Aspekte von Kultur, die unterschieden werden können, sind erstens Artefakte sowie zweitens soziale Institutionen und Mentifakte (Wissenssysteme, Kodes etc). Nach Park/ Burgess (1921) werde eine vorsoziale „biotische“ und eine „kulturelle“ Ebene unterschieden. Während die biotische Ebene, die Gegenstand der Sozialökologie ist, von Konkurrenzbeziehungen um die knappen existenziellen Ressourcen geprägt sei, stünden in der kulturellen Ebene Mechanismen zur Verfügung, mit denen der existenzielle (damit auch existenzgefährdende) Kampf entschärft und kontrolliert werde. Der biotischen Konkurrenz entspreche auf sozialer Ebene Kommunikation und Konsensbildung, was teilweise zu einer starken Annäherung der Ethnografie an die Sozialökologie geführt habe. Für den Anthropologen Clifford Geertz sind Sozialstruktur und Kultur „nur verschiedene Abstrak- 38 Reden und Spielen dessen Verfahren die Beobachtung, z.B. die langfristige „teilnehmende Beobachtung“, und die Dokumentation mit Hilfe von „Feldnotizen“ und „Tagebüchern“ sind. Die Analyse erfolgt mit interpretativen, auf komplexe Zusammenhänge ausgerichteten Verfahren. Weiteres Merkmal der Ethnografie ist die Gegenstandsnähe in der Darstellung. Ethnografische Beschreibung ist nach Geertz (1983) mikroskopisch, das heißt, sie nähert sich über die intensive Beschäftigung mit sehr kleinen Phänomenen der umfassenderen Interpretation und abstrakteren Analyse. Ethnografie stellt zwei Anforderungen des methodisch kontrollierten Fremdverstehens an den Beobachter: Er muss die kulturelle Distanz zu der beobachteten Kultur überwinden und sich vom Vertrauten distanzieren. Nach Goodenough (1957) hat die Ethnografie diejenigen relevanten Informationen über die beobachtete Kultur zu liefern, die ein Fremder benötigt, um sich in der Kultur zu bewegen und angemessen zu verhalten. Ziel ist es, die Normalität der fremden Kultur zu erfassen, d.h. sowohl das Besondere der Kultur im Vergleich zu der Kultur des Forschers zu erkennen als auch diese Besonderheit als das innerhalb der fremden Kultur Normale zu verstehen. Bei der Beobachtung der eigenen Kultur heißt es dagegen, den ersten Schritt vor dem zweiten zu tun und erst Distanz zum Vertrauten herzustellen, an der Normalität des Vertrauten prinzipiell zu zweifeln, um die Distanz dann durch Verstehen der inneren Logik zu überwinden (vgl. Hitzier 1988). Dies „bedeutet vor allem einen kontrollierten Umgang mit dem eigenen Vorverständnis und dem Hintergrundwissen, auf das sich die Selbstverständlichkeit des Handelns und der Sicht sozialer Sachverhalte gründet. Das alltagsweltliche Vorverständnis des Forschers als notwendige Voraussetzung des Verstehens wird in der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand hinterfragt und ‘analytisch zersetzt’“ (Kallmeyer 1995b, S. 27). Klassisches ethnografisches Verfahren ist die teilnehmende Beobachtung. Dabei stehen Feldforscher immer wieder vor ähnlichen Problemen: Wie erhält der Forscher Zugang zum Feld, wie kann er die teilnehmende Beobachtung durchführen, ohne den „natürlichen“ Gang der Interaktion der beobachteten Kultur zu stören, wie begründet er vor den Mitgliedern seine Anwesenheit, wie schützt er sich vor der Verstrickung in die Ereignisse und vor der Funktionalisierung durch die Mitglieder? 33 In der ethnografischen Literatur werden verschiedene Arten der teilnehmenden Beobachtung unterschieden. tionen der gleichen Phänomene: Die eine hat mit sozialem Handeln unter dem Aspekt der Bedeutung für die Handelnden zu tun, die andere mit eben diesem Handeln unter dem Gesichtspunkt ihres Beitrags zum Funktionieren eines sozialen Systems.“ (Geertz 1983, S. 99). JJ Vgl. zu den zahlreich auftretenden Problemen in der ethnografischen Literatur die Angaben bei Kallmeyer (1995b). Vgl. auch die Schilderung der Vereinssuche in Abschnitt 3.2 dieser Arbeit. Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 39 Spradley (1980) unterscheidet bspw. zwischen „nonparticipation“, „passive participation“, „moderate participation“, „active participation“ und „complete participation“. In der Praxis seien solche Unterscheidungen jedoch kaum konsistent durchzuhalten (vgl. Kallmeyer 1995b). Weiteres Verfahren ist die Triangulation der Daten, Methoden, Theorien und der Forscherbeobachtungen durch den Einsatz verschiedener Forscher im Feld (was in meinem Fall nicht möglich war). Damit sollen die unterschiedlichen Perspektiven sowohl der Beobachteten als auch der Beobachter berücksichtigt werden (vgl. Kallmeyer 1995b, S. 31). Das Resultat der Triangulation sei, „daß bestimmte Eigenschaften der in den Daten repräsentierten sozialen Tatbestände getrennt werden können: - „Objektive“ Sachverhalte, die durch eine naturalistische Bertrachtungsweise [sic! ] erkennbar werden und die von den Beteiligten gesehen oder nicht gesehen werden, über die sie sprechen oder aber auch nicht sprechen. - Sehweisen, d.h. Wahmehmungshorizonte, Relevanzsetzungen, subjektive Theorien (d.h. die Alltagstheorie) der Beteiligten; die Beteiligungsperspektiven sind auf die soziale Kategorisierung der Gesellschaftsmitglieder, die Bestimmung ihres Standpunktes und ihrer Rolle im sozialen Leben zu beziehen und in diesem Sinne als typisch zu interpretieren. - Die Prägung typischer Perspektiven durch die Erfahrungen im Rahmen der sozialen Organisationsform (z.B. in lokalen sozialen Welten).“ (a.a.O., S. 33f.). Die Ethnografie ist nicht deskriptiv, sondern selbst schon Teil der Theoriebildung, indem die Beobachtungen zu ersten Theorieannahmen führen, die wiederum strukturell auf die Beschreibung einwirken. Diese Auffassung drückt sich in Geertz' Formulierung der „dichten Beschreibung“ aus. Dichte Beschreibung bewahrt und interpretiert das, was Ereignisse und Abläufe für die Mitglieder der beobachteten Gesellschaft bedeuten können und wie sie mit diesen Bedeutungen umgehen: „(...) sie ist deutend; das, was sie deutet, ist der Ablauf des sozialen Diskurses; und das Deuten besteht darin, das ‘Gesagte’ eines solchen Diskurses dem vergänglichen Augenblick zu entreißen“ (Geertz 1983, S. 30). Als Begründer der modernen Ethnografie in der Anthropologie gilt Bronislaw Malinowski. In seiner 1922 erschienenen ethnografischen Beschreibung „Argonauts of the western pacific“ brach er in zweierlei Hinsicht mit der ethnografischen Tradition: Seine Forschung war synchron ausgerichtet, fokussierte also das aktual sich ereignende Handeln seiner Untersuchungssubjekte, und zweitens war sie darauf ausgerichtet, nicht die Perspektive des Forschers, 40 Reden und Spielen sondern die der Portraitierten darzustellen. 34 Im Zentrum der anthropologischen Forschung, die gerade den kulturellen Unterschied zwischen dem Forscher und den beobachteten Gruppen und Gemeinschaften nutzt, stehen symbolisches Flandeln und die Wissenssysteme (die „Mentifakte“) der Untersuchungssubjekte (vgl. Kallmeyer 1995b, S. 16). Die kognitive Anthropologie, deren Gegenstand vor allem die Analyse des für die Beobachteten selbstverständlichen, z.T. nicht erklärbaren Hintergrundwissens ist, hat wesentlichen Einfluss u.a. auf die Linguistik genommen. Die von ihr beispielsweise beeinflusste Ethnografie der Kommunikation (vgl. Gumperz/ Hymes 1964 und 1972) sieht Kommunikation nicht mehr bloß als Erhebungsinstrument des Anthropologen, sondern als zentrales Merkmal von Gemeinschaften an. 35 Neben Sonderformen der Kommunikation (sakrale Rituale, Lieder, spielerische Formen etc.) beschreibt sie die „Kommunikationsökonomie“ von Gemeinschaften, d.h. sie geht der Frage nach: Wie organisieren die Gemeinschaften bei der Bewältigung ihres sozialen Lebens ihre Kommunikationsgelegenheiten und -anlässe und welche Kommunikationsformen nutzen sie dafür? Die Stärke einer ethnografisch orientierten Soziolinguistik sieht Kallmeyer darin, „daß sie nicht nur wie teilweise in der linguistischen Pragmatik - Sozialstrukturen in abstrakter Form postuliert, sondern anhand konkreter Zusammenhänge die gesellschaftliche Funktion von Kommunikationsvorgängen und bestimmter Eigenschaften der Sprachverwendung untersucht. Zu dieser Behandlung von Sprache als gesellschaftlichem Phänomen gehört u.a. die Betrachtung der sozialen Organisation von Handlungs- und Kommunikationsgelegenheiten (das Situationssystem), das Verhältnis von Kommunikation und Arbeitsorganisation, soziosemantische Systeme, insbesondere die relevanten Kategorien der sozialen Identität und damit zusammenhängende soziale Bewertungen des Sprachverhaltens, und die Präsenzformen, d.h. die kommunikativen Verhaltensweisen, mit denen die Gesellschaftsmitglieder bestrebt sind, in legitimer und erfolgreicher Weise im sozialen Raum anwesend und aktiv zu sein (mit anderen Worten: Eigenschaften kommunikativer sozialer Stile)“ (a.a.O., S. 23). Der hier dargestellte Zusammenhang zwischen Kommunikation und Arbeitsorganisation geht auf Forschungen und Konzepte der Chicago School of Sociology und der von ihr begründeten soziologischen Theorie des Symbolischen Interaktionismus zurück, einer interpretativen bzw. handlungs- oder subjekttheoretischen Forschungsrichtung innerhalb der amerikanischen und später auch europäischen Soziologie. 36 Ihr verdankt die Ethnografie mindestens ebenso viel wie Malinowskis gewendeter Anthropologie. Die Chicago 34 Vgl. auch Malinowski (1926). 35 Vgl. auch Saville-Troike (1987). 36 Vgl. Schütze (1987b). Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 41 School of Sociology hatte bereits ab dem Jahre 1915 in der amerikanischen Soziologie etablierte Erhebungsverfahren verworfen und mit Feldforschungen und quasi-ethnografischen Beobachtungsverfahren begonnen. Bis dahin nämlich „hatten sich Philanthropen und Sozialwissenschaftler bei der Erstellung von ‘social surveys’ an einschlägige Experten (wie Lehrer, Geistliche, Polizei, ehrenamtliche Helfer, Sozialarbeiter) gewandt, die Beschreibungen und Einschätzungen der Lebensweise und Probleme unterpriviligierter sozialer Gruppen abgeben sollten. Die Chicago-Soziologen stellten sich stattdessen die Aufgabe, selbst zu den Betroffenen zu gehen und aus eigenem Augenschein deren soziale Lage zu erkunden. Es kristallisierte sich so ein eindringlicher und umsichtiger Erkundungs-, Analyse- und Berichtsstil ‘aus erster Hand’ heraus, der obwohl der jeweilige Autor seinen Bericht auf persönlichen Eindrücken fußen ließ den Anspruch hatte, die Lebensformen der betroffenen Menschen und die diese kennzeichnenden sozialen Prozesse des Gegenstandsfeldes systematisch zu erheben, zu untersuchen und in ihren Bewegungsmechanismen zu erklären“ (Schütze 1987b, S. 527). Um die weitere Entwicklung der Feldforschungsstrategien und -methoden des symbolischen Interaktionismus wie der teilnehmenden Beobachtung haben sich in der Folgezeit besonders die Soziologen Blumer und Hughes verdient gemacht. Während Blumer die Philosophie und Sozialpsychologie Meads in den symbolischen Interaktionismus integrierte, ist es Hughes zu verdanken, dass zwei wesentliche methodologische Reflexionen, das „Beobachterparadoxon“ und der kontrastive Vergleich mit fremden Datenquellen, Eingang in die ethnografische Feldforschung gefunden haben. Unter dem Beobachterparadoxon ist zu verstehen, dass der Forscher ein von ihm unberührtes natürliches Feld beobachten will, er jedoch mit seiner spezifischen individuellen Beobachtungsperspektive Teil der beobachteten Gesellschaft wird, er in die ihm fremde Gesellschaft einbezogen wird und dabei einen Lern- und Verstehensprozess vollzieht. Die Gebundenheit der Perspektive, der Perspektivenwandel, diese das Feld und den Forscher selbst beeinflussende und verändernde Feldinteraktion müssen, so Hughes, interaktionsanalytisch mitbearbeitet werden. Zweitens hat Hughes die durch teilnehmende Beobachtung und Feldinterviews gewonnenen Daten mit anderen Datenarten verglichen und analysiert „sowie die interaktive und gesellschaftliche Produziertheit und Funktion dieser Daten“ (Schütze 1987b, S. 539) reflektiert. Das Forschungsprogramm des symbolischen Interaktionismus besteht darin, mit verfremdetem Blick die Äußerungen der Gesellschaftsmitglieder auf das Erfahrungswissen und auf ihre Sinn- und Aushandlungskonzepte zu untersuchen, die Perspektiven der Beteiligten zu rekonstruieren und die Funktionalität von Äußerungen in sozialen Handlungsabläufen zu ermitteln. Die sozialen Aktivitätsabläufe sind im Verständnis des symbolischen Interaktionismus 42 Reden und Spielen bedingt durch rahmende soziale Ordnungsstrukturen, wie soziale Welten und größere Arbeitsbögen, die durch die Arbeitsteilung bedingt sind. 2.1.1 Das Konzept der „sozialen Welt“ Soziale Welten sind nach Schütze (1987b) „auf ein jeweiliges Orientierungszentrum hin ausgerichtete Beziehungs-, Interaktions- und Kommunikationsabläufe, innerhalb derer die Akteure zentrale Problembestände durch die Abwicklung von Kernaktivitäten bearbeiten“ (a.a.O., S. 540). Sie sind, so Schütze, an bestimmte Organisationsterritorien gebunden, überspannen aber geografische Distanzen und verschiedene Organisationseinrichtungen; während der Einzelne seine Zugehörigkeit zur sozialen Welt aus seinem Interesse, seiner Orientierung und seiner Aktivität bestimme, bestehe für in der sozialen Welt tätige Organisationen eine feste Mitgliedschaftsregulierung. In selbstgeschaffenen Auseinandersetzungsarenen werde die „richtige“ Problembearbeitung, die Authentizität der Kernaktivitäten und die Veränderung der sozialen Welt an sich verhandelt. Wie in allen sozialen Rahmen bilden sich in sozialen Welten, wie bereits im ersten Kapitel gesagt, nach und nach eigene Aktivitäts- und Verfahrensroutinen, Wissensbestände, Terminologien und eigene Stile der sprachlichen Kommunikation und Auseinandersetzung aus. Zudem entfalteten sich charakteristische Sozialbeziehungen, welche die kooperativen Anstrengungen der Bearbeitung der genannten sozialen Prozesse steuerten (vgl. a.a.O., S. 525) Das Konzept der sozialen Welt findet sich bereits in frühen Arbeiten der Chicago-Soziologie, etwa in Cresseys (1932) Studie zur „taxi dance hall“ als einer Form des Freizeitvergnügens in der Großstadt. Weitere Arbeiten, die diesem Konzept folgen, sind Untersuchungen über Professionsschulen in der Medizin und Psychiatrie (Strauss u.a. 1964/ 1981, Becker u.a. 1961/ 1977), zur sozialen Welt der Kunst (Becker 1982), über Computerarbeit (Kling/ Gerson 1977a und 1977b) und zum Alkoholismus (Wiener 1981). Die bereits genannten Arbeiten von Schütte (1991) und Schmitt (1992) sowie das Mannheimer Projekt „Kommunikation in der Stadt“ haben das Konzept für die Sprachwissenschaft fruchtbar gemacht. 2.1.2 Das Konzept des „Arbeitsbogens“ Das Konzept des Arbeitsbogens wurde von Strauss u.a. (1985, S. 30ft, vgl. auch Schütze 1987b, S. 541f.) bei der Analyse von Veränderungen, die sich durch den Einzug der Hochtechnologie in die moderne Krankenhausmedizin ergeben, entwickelt. Ärzte und Pflegekräfte haben Vorstellungen davon, wie die Phasen der Kurve des Krankheitsverlaufs (trajectory) aussehen werden. Die Vorstellungen sind für routinisierte Verlaufskurven konkreter ausgear- Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 43 beitet als für problematische. Wenn das Personal sich diese Phasen vorstellt, verbindet es damit das Bündel an Aufgaben, die in jeder Phase zu leisten sind. Die Vorstellung und Konzeptualisierung dessen, welche Aufgaben insgesamt zu erledigen sind, um die Krankheit zu kontrollieren und den Patienten zu kurieren, nennen Strauss und seine Mitarbeiter einen Arbeitsbogen. Der Arbeitsbogen muss von den Ärzten und Pflegekräften nicht in Gänze ins Auge gefasst worden sein, sondern es können Teile des Arbeitsbogens noch in der Schwebe bleiben, wenn abgewartet werden soll, wie z.B. die ersten Therapieverrichtungen angeschlagen haben. In komplizierten Fällen können Arbeitsbögen gar erst im Nachhinein erkannt und nachgezeichnet werden. Komponenten des Arbeitsbogens in den von Strauss untersuchten Krankenhäusern sind beispielsweise Maschinenarbeit, Sicherheitsarbeit, Gefühlsarbeit, Körper- und Pflegearbeit und Patientenarbeit. Die auf die Komponenten bezogenen kleineren Arbeitsschritte müssen gerade in modernen arbeitsteiligen Gesellschaften und sozialen Welten sequenziell organisiert und auf die an der Arbeit Beteiligten verteilt werden. „Dies geschieht durch die Metaverrichtungen der Artikulationsarbeit (und die damit verbundenen Aktivitäten der Informations- und Fehlerarbeit)“ (Schütze 1987b, S. 541f.). Die Artikulation sei das Prinzip des Arbeitsbogen, mit dem die Beteiligten auf widerständige, unerwartete und neuartige Phänomene des Interaktionsprozesses reagierten und die neuen Arbeitsschritte festlegten. Gerade unter Bedingungen der extremen Kontingenz und der Innovation wie im Krankenhaus sei Artikulation von strategischer Bedeutung. Übertragen auf diese Arbeit heißt dies, dass ich versuchen werde, den typischen routinisierten Arbeitsbogen im gehobenen Amateurfußball, der von den Beteiligten jederzeit situativ abgewandelt und den erforderlichen Arbeitsumständen angepasst werden kann, darzustellen. Die rhetorische Analyse wird sich dann im Sinne von Strauss und seinen Mitarbeitern mit den Artikulationsaktivitäten der Beteiligten und insbesondere mit den Aktivitäten des Trainers befassen, mit denen sie die nächsten Arbeitsschritte im anstehenden Meisterschaftsspiel festlegen. 2.2 Conversation Analysis Das Forschungsinteresse der qualitativen Soziologen wie auch das der von ihr inspirierten Anthropologen hat sich „in zunehmendem Maße auf die nähere eigene soziale Umgebung gerichtet“ (Kallmeyer 1995b, S. 20) sowohl um fremde Kulturen am Rande der eigenen Gesellschaft, als auch um die Vielfalt der komplexen modernen Gesellschaft zu beschreiben. Ebenso hat sich durch Erfindung und weitere Entwicklung technischer Aufzeichnungsgeräte die Beobachtungsqualität verändert. Der Ethnograf bzw. der ethnografisch vorgehende Wissenschaftler kann heute nicht nur auf seine schriftlichen Notizen über die in seinem Forschungsfeld beobachteten Ereignisse zurückgreifen, 44 Reden und Spielen sondern zudem auf die aufgezeichneten und jederzeit wieder abrufbaren Daten der ursprünglichen Situation. Diese im Vergleich mit den schriftlichen Notizen noch ungedeuteten, unmittelbareren Daten haben zu einer Verfeinerung der Rekonstruktions- und Analysemethoden geführt. Eine von mehreren methodischen Verfahren ist die ethnomethodologische conversation analysis, die in Deutschland zur Gesprächsanalyse weiterentwickelt wurde und somit einen neuen methodischen Ansatz in die Linguistik einführte. Die conversation analysis entstand in den 60er Jahren in einer Forschungsgruppe um den amerikanischen Soziologen Harvey Sacks. 37 Sie baut auf den Arbeiten von Schütz und auf den Arbeiten des Soziologen Harold Garfinkei auf, wurde aber auch von der Auseinandersetzung mit den Arbeiten des Soziologen Goffman entscheidend geprägt. Die conversation analysis ist eine strikt empirisch vorgehende Forschungsrichtung, die, so Kallmeyer, „an Dokumenten von natürlichen, d.h. nicht zum Zweck der Beobachtung experimentell arrangierten Gesprächen die Organisation der verbalen Interaktion untersucht“ (Kallmeyer 1988, S. 1095). Interaktion im Verständnis der conversation analysis ist nicht etwas, was von sich aus schon da ist, wenn zwei oder mehrere Menschen sich begegnen. Das Erarbeiten bzw. Herstellen von Interaktion folgt bestimmten sozialen Ordnungsstrukturen, mit deren Aufgaben und Pflichten die Beteiligten meist unbewusst vertraut sind. Die conversation analysis hat es sich zur Aufgabe gemacht, .jeweils die allereinfachsten Mechanismen [...] (‘simplest systematics’, vgl. Sacks/ Schegloff/ Jefferson 1974) für die Bewältigung von Aufgaben und Problemen bei der Herstellung der sozialen Ordnung zu erfassen. Ein solches Problem ist z.B. die Verteilung der Redegelegenheiten im Gespräch“ (a.a.O., S. 1096). Dabei geht die conversation analysis von dem ethnomethodologischen Grundsatz aus, „daß die Arbeit des Analytikers sich von der des alltägl. Mitglieds nicht unterscheidet. Beide konstruieren in der (beobachtbaren) Kommunikation gesellschaftl. Wirklichkeit. Die Annahme eines vorgängigen Struktur-Wissens, wie sie die 7! ■ Sprechakttheorie annimmt, oder gar der gesellschaftl. Ausgearbeitetheit von interaktiven Verfahren, wie sie die ZI Diskursanalyse ansetzt, wird als mit dem konstruktivistischen Konzept unvereinbar abgelehnt“ (Ehlich 2 20 00, S. 377). Der Erfolg der soziologischen conversation analysis der Sacks'schen Prägung zeigt sich in der internationalen interdisziplinären Rezeption. Dabei sei der ursprüngliche Ansatz von angrenzenden Forschungsrichtungen in der Soziologie und in benachbarten Wissenschaften wie der Linguistik „mit anderen theoretischen Rahmen und Forschungsinteressen verbunden worden“ (Kall- 37 Vgl. Kallmeyer (1988), Kallmeyer/ Schütze (1976), Bergmann (1981 und 1994), Streeck (1983) und Ehlich ( 2 2000). Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 45 meyer 1988, S. 1096). Auch Ehlich ( 2 2000) bemerkt, dass die Beschränkung der klassischen conversation analysis amerikanischer Prägung auf alltägliche Gespräche und ihr „methodologischer Rigorismus“ von britischen und deutschen Konversationsanalytikern so nicht mitvollzogen wurde. In den britischen Beiträgen von Atkinson/ Heritage und Atkinson/ Drew würden mit den Mitteln der conversation analysis institutionalisierte Formen der Kommunikation, z.B. in Schule und vor Gericht, beschrieben. In der deutschen Konversationsanalyse bzw. Gesprächsanalyse habe „der Ausdruck ‘Konversation’ eine auf vielfältige Formen von Kommunikation übertragene Bedeutung (...). Es werden besonders in den Arbeiten von Kallmeyer und Schütze sich wiederholende Strukturen aus als exemplarisch in Anspruch genommenen Daten herausgearbeitet, die einerseits als Schemata (z.B. der Sachverhaltsdarstellung), andererseits als Muster (d.h. Rekurrenz aufweisende) Abläufe bezeichnet werden“ (Ehlich J 2000, S. 377). 38 Diese Theorie von Kallmeyer und Schütze möchte ich etwas genauer darstellen, da auf viele ihrer Begriffe im Verlauf der Arbeit wiederholt zurückgegriffen werden wird. 2.3 Gesprächsanalyse die Theorie der Interaktionskonstitution Die Theorie der Interaktionskonstitution basiert auf zum Teil gemeinsamen Arbeiten von Kallmeyer und Schütze. Ihre ersten Arbeiten zur Interaktionskonstitution erschienen Mitte der 70er Jahre und resultierten aus der Auseinandersetzung mit soziologischen Theorien und Analyserichtungen und mit Theorien der linguistischen Pragmatik wie der Sprechakttheorie. 39 Im Unterschied zur „theoretisch motivierten und lediglich introspektiv zu validierenden sprechakttheoretischen Konzeption“ (Spranz-Fogasy 1997, S. 28) bemühten sich Kallmeyer und Schütze um die Entwicklung empirischbasierter Konzepte zur verbalen Interaktion. Zum anderen war und ist es erklärtes Ziel ihres Forschungsprogramms, komplexere sprachliche Handlungen sowie ihre Abhängigkeit von übergeordneten sozialen Organisationsstrukturen zu untersuchen und zu beschreiben (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976). Für ihre Arbeit verbanden Kallmeyer und Schütze Modelle und Konzepte der amerikanischen und von Sacks, Schegloff und Jefferson entwickelten und vorangetriebenen conversation analysis, der auf ethnolinguistisch-anthropologische Arbeiten von Hymes, Ervin-Tripp und Gumperz zurückgehenden 38 Klammer im Original fehlerhaft gesetzt. Richtig muss es lauten: „... Muster (d.h. Rekurrenz aufweisende Abläufe)...“ 39 Vgl. Kallmeyer/ Schütze (1975), (1976) und (1977), Kallmeyer (1978) und Schütze (1978). 46 Reden und Spielen „ethnography of speaking“ sowie der „kognitiven“ bzw. „interpretativ-ethnomethodologischen“ Soziologie von Cicourel, Garfinkei und Mehan (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976). Grundlagentheoretisch stützen sich die Autoren auf die soziologische Theorie des symbolischen Interaktionismus Meads und auf die Phänomenologie von Schütz. Sie gehen von der ersten Grundannahme des symbolischen Interaktionismus (vgl. Schütze 1987b) aus, dass alle gesellschaftlichen Erscheinungen in sozialen Interaktionen geschöpft, d.h. hergestellt, sowie aufrechterhalten und verändert werden. Des Weiteren orientieren sie sich methodologisch an Schütz (und an seinem auf Husserl zurückgehenden phänomenologischen Vorgehen), die konstitutiven Elemente der Erkenntnisstile von Sinnwelten dadurch analytisch aufzuspüren und zu beschreiben, dass den Elementen der fraglose Wirklichkeitsakzent entzogen ist (vgl. Schütz 1971b, S. 263-269) und die strukturellen Bedingungen und Mechanismen der Sinnkonstitution analysiert werden (vgl. Spranz-Fogasy 1997). Kallmeyer und Schütze gehen also davon aus, dass die Gesellschaftsmitglieder alle Erscheinungen ihrer Welt in sozialer Interaktion selbst und auf geordnete Weise durch den Vollzug ihres Handelns hersteilen und ihnen Sinn verleihen was auch die Reproduktion von sozialer Welt in ihrer historischen Spezifik auf Grund von Kontextualisierungsverfahren einschließt (vgl. Kallmeyer 1988). Die Gesellschaftsmitglieder erreichen dies durch die gemeinsame Berücksichtigung und Abwicklung von grundlegenden Aufgaben, die sich auf unterschiedliche Wirklichkeitsaspekte beziehen. Die Aspekte lassen sich analytisch sechs Ordnungsebenen zuordnen. Dies besagt jedoch nicht, dass die Aspekte der Interaktionskonstitution voneinander losgelöst seien und sich nicht gegenseitig beeinflussten und dass die Interaktionsbeteiligten die damit verbundenen Aufgaben lediglich nacheinander bearbeiteten. Tatsächlich überlagern sich die Aspekte der Interaktionskonstitution, erstens wechselseitig, und zweitens beziehen die Interaktionspartner sich zwar unterschiedlich manifest und, abhängig vom jeweiligen Interaktionszeitpunkt, unterschiedlich aspektuell auf die interaktionskonstitutionellen Ordnungsebenen; sie haben jedoch stets die interaktionskonstitutionellen Aspekte im Blick, bearbeiten sie und sorgen so für die spezifische Konstitution der Interaktion und für ihren spezifischen symbolischen (Sinn-)Gehalt. Die Ordnungsebenen sind die Ebenen: a) der Gesprächsorganisation, b) der Handlungskonstitution, c) der Sachverhaltsdarstellung, d) der Interaktionsmodalität, Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 47 e) der sozialen Identitäten und Beziehungen und f) der sozialen Reziprozität. 2.3.1 Gesprächsorganisation Auf der Ebene der Gesprächsorganisation, 40 der quasi „technischen“ Grundlage für verbale Interaktion überhaupt, wickeln die Beteiligten das organisatorische Prozedere ab: Sie sichern das räumliche Zusammentreffen und Zusammenbleiben der beteiligten Gesprächsteilnehmer sowie die wechselseitige kooperative Orientierung aufeinander zu, damit überhaupt ein Gespräch begonnen und durchgeführt werden kann; sie sichern die Verständlichkeit ihrer Gesprächsbeiträge, die Reihenfolge der Beiträge und die Beteiligung der Interaktionspartner an diesen Redebeiträgen (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976 und Spranz-Fogasy 1997). Die Ebene der Gesprächsorganisation ist in der Regel so selbstverständlich, dass sie nicht im Aufmerksamkeitsfokus der Beteiligten steht (vgl. Schütze 1978). Die auf dieser Ebene zu bearbeitenden Aufgaben beziehen sich auf lokale Anforderungen, wobei lokal „hier und jetzt im Vollzug der Aktivitäten, die im Rahmen dieser Wirklichkeit verstanden werden sollen und Teil dieser Wirklichkeit sind“ (Kallmeyer 1988, S. 1097), meint. Die Bearbeitung der Aufgaben weist jedoch auch über den lokalen Bezirk hinaus, da sie das Eröffnen, Durchführen und Beenden makrostruktureller, also thematischer und handlungsspezifischer Aktivitäten ermöglichen (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976 und Spranz-Fogasy 1997). Die für die gesprächsorganisatorische Aufgabenabwicklung von den Gesprächsbeteiligten benützten Verfahren, die im Wesentlichen in Arbeiten der conversation analysis herausgearbeitet wurden, sind Mechanismen des Sprecherwechsels, 41 der Durchführung von Reparaturen, 42 der Eröffnung und Beendigung von Gesprächen, 43 das Konzept der konditionalen Relevanz, 44 das Konzept der Präferenzorganisation 45 und das Fokus-Konzept des Abwendens und Zuwendens. 46 40 Eine grundlegende Darstellung der conversation analysis bietet der Aufsatz von Sacks/ Schegloff/ Jefferson (1974). Zusammenfassende Darstellungen finden sich u.a. in Speier (1973), Coulter (1976), Kallmeyer/ Schütze (1976), Bergmann (1981), West/ Zimmermann (1982), Levinson (1983), Streeck (1983), Heritage (1985), Kallmeyer (1988). 41 Zum „Tum taking“ vgl. Sacks/ Schegloff/ Jefferson (1974). 42 Vgl. Schegloff/ Jefferson/ Sacks (1977). Zu Interaktionsstörungen vgl. auch Kallmeyer (1979b). 43 Vgl. Schegloff (1968) und Schegloff/ Sacks (1973). 44 Zum Konzept der „conditional relevance“ vgl. Schegloff (1972). Ich benutze Spranz- Fogasys Übersetzung des Begriffes im Unterschied zu Kallmeyer und Schütze, die von „konditioneller Relevanz“ sprechen, um Verwechslungen mit dem Begriff „konditionell“ in der Sportwelt zu vermeiden. 48 Reden und Spielen Der Mechanismus des Sprecherwechsels regelt die Zuschreibung des Rederechts. Entweder legt der gegenwärtige Sprecher fest, wer Folgesprecher sein soll (a), der Folgesprecher bestimmt sich selbst als nächsten Sprecher (b) oder aber der gegenwärtige Sprecher bestimmt sich selbst als Folgesprecher (c). Das Konzept der konditionalen Relevanz behandelt den Umstand, dass Gesprächsbeginn und Gesprächsauflösung nicht mit dem Mechanismus des Sprecherwechsels erklärt werden können. Jede Äußerung, die ein Gespräch beginnt bzw. beendet, und jede Äußerung zwischen Gesprächsbeginn und Gesprächsauflösung legt Verpflichtungen fest bzw. löst sie ein, steht also in einem lokalen verpflichtenden Bezug zurück zu voraufgegangenen Äußerungen oder vorausweisend zu nachfolgenden Äußerungen. Einem Gruß zu Gesprächbeginn folgt ein Gegengruß. Eine Frage verlangt eine Antwort und eine Antwort erfolgt auf eine Frage. Die erfolgende Reaktion des Folgesprechers zeigt dem voraufgegangenen Sprecher an, in welchem Bezug sie zu seiner Vorgängeräußerung steht und wie sie verstanden wurde. So erhält auch gerade das Nichtbeachten von konditionalen Relevanzen (das Nichtbeantworten einer Frage oder das Einschlagen von Nebensequenzen) seine spezifische Bedeutung. Das Konzept der Präferenzorganisation wiederum behandelt die Qualität von Folgeaktivitäten. Äußerungen der Interaktionsbeteiligten, die auf bestimmte voraufgegangene Äußerungen folgen, sind systematisch nicht gleichartig. Die vorgezogene (präferierte) Reaktion ist direkt, einfach und oft abgekürzt. Weniger gern und nur ungern vollzogene (minderbzw. dispräferierte) Reaktionen werden dagegen mit Verzögerungen oder mit aufwändigen syntaktischen Mitteln realisiert. Normalerweise wird Zustimmung der Ablehnung vorgezogen (allerdings dreht sich unter bestimmten Kontext- und Interaktionsbedingungen diese Präferenz um, z.B. in Streitgesprächen, in denen Beteiligte es vorziehen, dem Gegner zu widersprechen als ihm zuzustimmen, vgl. Kotthoff 1993); so wird auch die Selbstkorrektur der Fremdkorrektur vorgezogen und die Annahme einer Bitte (oder eines Angebotes) der Ablehnung etc. Die beiden Konzepte der konditionalen Relevanz und der Präferenzorganisation helfen den Beteiligten bei der Herstellung und Interpretation komplexerer und weitgespannter Zusammenhänge. So können bestimmte Aktivitäten den Kernaktivitäten vorgeschaltet werden; die Partnerreaktion auf die Vorschaltaktivität erweist wiederum, ob die Kernaktivität selbst noch durchgeführt werden muss oder nicht (so kann ein Gastgeber, der beim Gesprächspartner vorgefühlt hat, ob dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt Zeit hat, auf Vgl. Pomerantz (1975), (1978) und (1984), Levinson (1983, S. 311), Atkinson/ Heritage (1984), Schegloff/ Jefferson/ Sacks (1977) u.a. Vgl. Kallmeyer (1978). Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 49 das Aussprechen der Einladung verzichten, wenn der Partner bereits auf die vorfühlende Aktivität ablehnend reagiert hatte). Zu den gesprächsorganisatorischen Aufgaben gehört aber nicht nur das Herstellen und Auflösen von Gesprächsschemata, sondern auch die Aufmerksamkeitsausrichtung und übergreifende Binnenstrukturierung von Gesprächen. Will ein Interaktionsbeteiligter einen Fokus oder mehrere Foki neu in der Interaktion etablieren, so muss er Aktivitäten durchführen, welche den etablierten Fokus ablösen und die Aufmerksamkeit auf den neuen Fokus bzw. die neuen Foki lenken. Das heißt, dass er sich von einer vorhergehenden Aktivität oder einem Aktivitätskomplex abwendet und sich einer folgenden Aktivität bzw. einem folgenden Aktivitätskomplex zuwendet. Abwendung und Zuwendung werden verstanden als strukturelle Aktivitäten zur „Sicherung der Kontextsensitivität“ (Kallmeyer 1978, S. 223). Zur Markierung des Abwendens von einem Fokus und des Zuwendens zu einem neuen Fokus stehen relevanzeinstufende sprachliche Verfahren der Rückstufung bzw. der Hochstufung zur Verfügung. 2.3.2 Handlungskonstitution Die Analyse alltäglichen sozialen Handelns und insbesondere institutionellorganisatorischen Handelns kann sich jedoch nicht in der Betrachtung, wie gesprächsorganisatorische Aufgaben abgewickelt werden, erschöpfen. Sie muss auch unter dem Aspekt der Handlungskonstitution erfolgen, da die Interaktionsbeteiligten selbst in der alltäglichen Kommunikation größere Handlungskomplexe wie Eine-Geschichte- oder Einen-Witz-Erzählen, Neuigkeiten-Austauschen, oder Sich-nach-dem-körperlichen-und-seelischen-Befmden- Erkundigen. 47 Zur Durchführung größerer Handlungskomplexe orientieren sich die Interaktionsbeteiligten an spezifischem Handlungswissen, das sich als Handlungsschema darstellen lässt. Handlungsschematisches Wissen ist abhängig von kulturellen und sozialen Strukturen. Den Interaktionsbeteiligten sind kraft ihrer Einsozialisierung die Relevanz und die Durchführungsgestalt der Handlungsschemata mit ihren notwendigen Handlungsschritten im Sinne von „Normalformerwartungen“ (Cicourel 1975, S. 33f.) bewusst. Das heißt, dass Handlungsschemata nicht in idealtypischer Form durchgeführt werden, sondern die Beteiligten durchaus flexibel dabei Vorgehen, bei der Verfolgung ihrer praktischen Handlungsziele einige handlungsschematische Aufgaben ausführlicher, andere nur reduziert zu behandeln. 47 Vgl. hierzu und für das Folgende Kallmeyer/ Schütze (1976). 50 Reden und Spielen Mit der Durchführung von Handlungskomplexen sind bestimmte Beteiligungsrollen und -aufgaben verbunden. Daher, so Kallmeyer/ Schütze (1976), unterstellen sich die Beteiligten zweierlei: Dass sie sich an ein ausgehandeltes Handlungsschema halten und dass, falls Abweichungen vom Handlungsschema angestrebt werden, sie diese gemeinsam aushandeln, sowie zweitens, dass all die Teilaufgaben, die zur Durchführung des Handlungsschemas notwendig sind, auch tatsächlich durchgeführt werden, dass die Beteiligten sich mit ihren Beiträgen daran ausrichten, dass sie dem Partner dafür ausreichend Gelegenheit geben und ihm den Vollzug der Handlungsschritte rückmelden. Um Handlungskomplexe durchführen zu können, müssen mindestens vier Aufgaben abgewickelt werden. Das Handlungsschema muss aus dem übrigen Aktivitätsfluss herausgelöst werden, es muss den Interaktionspartnem vorgreifend verdeutlicht werden, die Vorankündigung muss von ihnen bestätigt werden und das Handlungsschema muss in seinen wesentlichen Komponenten durchgeführt werden. In institutionell-organisatorischen und strategischen Verfahren wie dem Anerkennungsverfahren als Kriegsdienstverweigerer (vgl. Schütze 1978) kommt noch ein fünfter Aufgabenkomplex hinzu: Die Ergebnisse des Handlungsschemas müssen festgehalten, gesichert und bewertet werden, das Handlungsschema muss formell geschlossen werden und es muss in den übergeordneten Aktivitätsfluss zurückgeleitet werden. Kallmeyer und Schützes Überlegungen waren Ausgangspunkt für Beschreibungen von Handlungsschemata für das „Beraten“, 48 für institutionelle Interaktionstypen wie das verwaltungsrechtliche KDV-Anerkennungsverfahren, 49 für Schlichtungsgespräche 50 und für Gespräche zwischen Arzt und Patient. 51 Desweiteren existieren Beobachtungen zum Handlungskomplex des Verkaufsgespräches . 52 2.3.3 Sachverhaltsdarstellungen Interaktion ist Herstellung von sozialer Welt und nimmt damit abgesehen von Kontakt-Ritualen fast immer Bezug auf Sachverhalte und Darstellung von Sachverhalten. Diese erscheinen in fast allen Gesprächen im Andeutungsformat von „Kurz-Repräsentationen“ 53 , also sprachlichen Ausdrücken oder Äußerungen, die sich auf einen Sachverhalt oder auf größere Sachverhaltskomplexe 54 beziehen. 48 Vgl. Kallmeyer (1982) und (1985). 49 Vgl. Schütze (1978). 50 Vgl. Nothdurft (1995), Nothdurft/ Spranz-Fogasy (1991). 51 Vgl. Nothdurft (1992) und Spranz-Fogasy (1988). 52 Henne/ Rehbock ( 2 1982), S. 89-220. 53 Kallmeyer (1982), S. 14. 54 Vgl. Nothdurft (1996) und Spranz-Fogasy (1992). Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 51 Ausgebaute Sachverhaltsdarstellungen werden immer dann eingesetzt, wenn die üblichen Andeutungen von Sachverhalten thematisch und kognitiv nicht mehr zur Orientierung des Partners ausreichen, und sind meist in Handlungsschemata eingebettet (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1977). Ausführliche Beschreibungen von Sachverhaltsdarstellungen existieren für das Erzählen und das Beschreiben (Kallmeyer/ Schütze 1977) sowie das Argumentieren (Spranz- Fogasy 1998). Es lassen sich, so Spranz-Fogasy (1997), explizite, auf „offene“ Weise konstruierte Sachverhaltsdarstellungen, die durch gemeinsame Darstellungsleistungen der Interaktionsbeteiligten zustande kommen, von eher „geschlossenen“ Sachverhaltsdarstellungen unterscheiden, für deren Strukturierung unter den Zugzwängen von Detaillierung, Kondensierung und Gestaltschließung 55 vor allem der durchführende Beteiligte Verantwortung trägt. Sachverhaltsdarstellungen seien, so Spranz-Fogasy weiter, abhängig von Handlungsorientierungen oder Beteiligungskonstellationen: Anekdoten seien anders strukturiert und modalisiert als z.B. Problemdarstellungen; und vor einem Freund würden Sachverhalte anders dargestellt als vor einem Vorgesetzten. 56 2.3.4 Interaktionsmodalität Die Gesprächsteilnehmer handeln mit ihren Partnern aus (d.h. sie signalisieren dem Partner und die Partner spiegeln ihnen wiederum zurück), wie ihre Äußerungen, ihre Handlungen oder die jeweilige Situation zu verstehen sind bzw. wie sie verstanden worden sind: Z.B. als scherzhafte oder als ernsthafte Äußerungen, 57 als exaltierte Äußerungen 58 oder als Tratsch-Äußerungen, welche den Zusammenhalt der tratschenden Gruppe symbolisieren. 59 Diese Interaktionsmodalitäten, vor allem übergreifende Modalitäten stellen genau wie das Beziehungsschema und die Reziprozitätsgrundlage besonders für Handlungsschemata und für vollständige Interaktionen einen wesentlichen Orientierungs- und Interpretationsrahmen dar. Sie werden insbesondere in der Ankündigungs- und Ratifizierungsphase verhandelt, können jedoch auch in krisenhaften Momenten zum Gegenstand der Aushandlung werden. Modalisierende Äußerungen durchziehen die Interaktion unterschiedlich strukturell: lokal und weiträumig, manifest oder eher flüchtig andeutend. 55 Zu den genannten Zugzwängen vgl. Kallmeyer/ Schütze (1977). 36 Zur Modalisierung und Strukturierung des Aushandlungsmusters von Problemdarstellungen in Beratungen vgl. Nothdurft (1984a), zu Darstellungen von Beschwerden in ärztlichen Gesprächen vgl. Nothdurft (1984b) und (1985). 57 Vgl. Schütte (1991). 58 Vgl. Kallmeyer (1979a). 59 Vgl. Kallmeyer/ Keim (1994b), S. 274-299. 52 Reden und Spielen Bestimmte soziale Welten wie z.B. die institutionell-organisatorische Welt von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsfindungen setzen besondere so genannte „Verfahrenssinnwelten“ in Kraft (vgl. Schütze 1978 mit Bezug auf Schütz 1971b), die sich in nicht-alltagsweltlichen Interaktionsmodalitäten niederschlagen. So gelten für die Interaktionsbeteiligten in bestimmten institutionell-organisatorischen Interaktionen wie z.B. in einem KDV-Anerkennungsverfahren andere Ansprüche an Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, Ernsthaftigkeit, Genauigkeit als in alltäglichen Interaktionen. 2.3.5 Soziale Identitäten und Beziehungen Soziale Identitäten und Beziehungen sind zum Teil auf Grund übergeordneter sozialer Strukturen präformiert und stabil, sie sind jedoch immer auch Aushandlungsgegenstand und Resultat der Interaktion (z.B. wenn ein Interaktionsbeteiligter einen anderen Interaktionsteilnehmer als „Störenfried“ darstellt, weil er in seinen Augen das Gespräch mit einer deplazierten Aktivität unterbrochen hat, vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976, vgl. auch Kallmeyer/ Schmitt 1996). Im Unterschied zu alltäglichen elementaren Handlungsschemata, in denen die relativ gleichgewichtige und selbstgewählte Verteilung der Gesprächsbeiträge ausschließlich legitimiert ist durch die gemeinsam hergestellten Handlungs- und Gesprächsgegenstände, herrschen in institutionellorganisatorischen Konstellationen grundsätzliche Rollen- und Perspektivendifferenzen der Beteiligten (vgl. Schütze 1978). Ihre Rolle als Verfahrenswalter bzw. ihre Rolle als Verfahrensbetroffener sowie ihre Aktivitätsrechte, wann und worüber sie sprechen dürfen und welche handlungsschematischen Aktivitäten ihnen zustehen, sind in einem eigenen Regelsystem festgelegt. Diese institutionell präformierte soziale Beziehung zwischen den Beteiligten führt unter Berücksichtigung von Normalformerwartungen zu relativ festen sozialen Kategorisierungen der Beteiligten, die sich wiederum in zu erwartenden, interaktionsunterlegenen oder interaktionsdominanten kategoriengebundenen Aktivitäten niederschlagen. Zum anderen jedoch aktualisieren die Beteiligten ihre soziale Identität und Beziehung situationsemergent wobei der Spielraum zur situationsemergenten Aktualisierung durch die Bedingungen von institutionell-organisatorischen Strukturen eingegrenzt wird. So kann der Verfahrenswalter z.B. versuchen, unterschiedliche Interaktionsformen zu etablieren (im einen Fall kooperative, im anderen Fall unkooperative Formen) oder Schachzüge zu entwerfen, während der Verfahrensbetroffene bis zu einem gewissen Grade jene Vorgaben ablehnen oder annehmen oder diese Schachzüge unterlaufen mag (vgl. Schütze 1978). Methodologische Aspekte einer Beschreibung sozialer Welten 53 2.3.6 Reziprozitätsgrundlage Verbale Interaktion ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich: Die Interaktionsbeteiligten müssen spezifische Kommunikationsanstrengungen unternehmen, um die Unvereinbarkeiten des Interaktionsprozesses, nämlich die „Unvergleichbarkeit der beteiligten Selbstidentitäten, die Vagheit der ausgetauschten Symbolgesten, die mangelnde Angleichung ihrer wechselseitigen Interpretation usw.“ (Kallmeyer/ Schütze 1976, S. 9), zu bewältigen. Dies gelingt den Beteiligten auf Grund von praktischen Idealisierungen etwa der Austauschbarkeit der Standpunkte, der Kongruenz der Relevanzsysteme, der wechselseitigen Anerkennung als initiativenautonomer, vertrauenswürdiger, handlungskompetenter und legitimierbare Interessen verfolgender Partner. 60 In institutionell-organisatorischen Interaktionen geraten solche Idealisierungen grundsätzlich in Gefahr. In KDV-Anerkennungsverfahren z.B. können die Verfahrensbetroffenen dadurch in Interaktionsschwierigkeiten gelangen, dass bestimmte zur Sinnwelt gehörende Prozeduren der Wahrheitsfindung festgelegt sind und durch den Verfahrenswaiter mit Hilfe von Handlungsschemata und Sachverhaltsschemata in Gang gesetzt werden, der Verfahrensbetroffene jedoch nicht die konditonalen Relevanzen und/ oder Aktivitätsverpflichtungen einlösen kann. Fordert der Verfahrenswalter aber das Einlösen konditionaler Relevanzen bzw. von Aktivitätsverpflichtungen ein, bedroht dies die Reziprozitätsgrundlage der Interaktion (vgl. Schütze 1978). Die Gefährdung wird von den Partnern entweder kompensiert durch Wiederherstellungshandlungen der Reziprozitätsgrundlage oder durch Aktivitäten, welche die Reziprozitätsstörung legitimieren sollen. Interaktive Verfahren der Reziprozitätsherstellung erscheinen unterschiedlich auffällig und aufwändig. Einerseits tauchen sie als Orientierungs- und Interpretationsrahmen gerade bei Gesprächsanfängen und -beendigungen auf, aber auch an Übergangsstellen von einem Handlungskomplex zum nächsten; andererseits ist gerade der störungsfreie Vollzug von interaktiven Aktivitäten Beweis dafür, dass die Reziprozitätsgrundlage nicht gestört oder gar suspendiert ist. 60 Weitere Angaben zu Interaktionspostulaten und interpretativen Prozeduren finden sich in Kallmeyer/ Schütze (1975). 3. Anlage der Untersuchung 3.1 Forschungsmotivation und Perspektive auf die soziale Welt vor Untersuchungsbeginn In meiner Magisterarbeit (vgl. Schilling 1995) habe ich mich mit der Halbzeitpause im Fußball beschäftigt. Der Grund ist schnell genannt. Ich bin mit Fußball groß geworden. Dies liegt zum einen daran, dass ich drei Brüder habe. Den Ältesten trennen vom Jüngsten nur fünfeinhalb Jahre. In meiner Erinnerung habe ich ungefähr bis zu meinem zwölften, dreizehnten Lebensjahr fast jeden Nachmittag mit meinen Brüdern und den zahlreichen Nachbarskindem beim Bolzen auf dem Schulhof der benachbarten Grundschule oder im Park verbracht. In dieser Zeit stieg auch der heimische Fußballverein in die zweite Bundesliga auf, und wir Jungs fanden schnell die Lücke im Stadionzaun, um uns die Heimspiele anzuschauen, ohne dafür bezahlen zu müssen. Damals war ich auch für ca. zwei Jahre in einem Fußballverein, hatte aber, da ich körperlich den Mitspielern unterlegen war, wenig Freude am geregelten Training und Wettkampf. Hinzu kommt, dass meine Eltern etwas an den frühen Anstoßzeiten am Sonntagmorgen auszusetzen hatten. Sonntags geht man in den Gottesdienst. Und: Meinem Vater graust vor jener sozialen Nähe und Kameradschaft in Vereinen, die er als „Vereinsmeierei“ bezeichnet. Ich bin also mit einer großen Leidenschaft zum Sport und einer vom Elternhaus konditionierten Skepsis gegenüber dem organisierten Vereinsleben aufgewachsen. Die Leidenschaft zum Fußball hat sich mir bis heute bewahrt: Eine Zeit lang, während der ersten längeren Freundschaften mit Mädchen, kühlte sie sich ab, dann nahm sie zu, änderte und wandelte sich. Entscheidend für meine weitere Beschäftigung mit dem Fußball war, dass ich mit 19 Jahren anfmg, für die Lokalsportredaktion einer Zeitung am Ort zu schreiben. Meine damaligen Chefs erinnern sich noch, dass die Berichterstattung über die Kreisliga A für mich ein todernste Sache war. Mehr als die Torfolge hat mich zusehends die Fußballmannschaft als soziale Gruppe interessiert und das Fußballspiel als Auseinandersetzung zwischen taktischen Systemen, als Auseinandersetzung zwischen Vereinen, Dörfern und Städten, als komplexes Miteinander und Gegeneinander der Spieler, der Trainer, der Vereinsfunktionäre, der Zuschauer, der Medienschaffenden. In der Studienzeit lebte ich 200 Kilometer entfernt von meiner Heimatstadt und so blieb mir nur die Fachschafts- und Fakultätszeitung sowie die Kickerei mit Kommilitonen auf den Uniwiesen. Erst, als ich im Studium für ein Jahr ins Ausland ging, witterte ich wieder eine Gelegenheit, Fußball und das Berichten über Fußball miteinander zu kombinieren. Bei vielen der zahlreichen 56 Reden und Spielen Spiele im San Siro Stadion war ich erst aufgeregt und dann verzaubert: Das spektakuläre taktische Spielsystem von Trainer Arrigo Sacchi, die Fußball- Künstler Frank Rijkaard, Ruud Gullit, Marco van Basten, Franco Baresi vom AC Milan, die Freundschaft zu den Kollegen des Corriere dello Sport, die Recherchen in Milanello und Appiano Gentile als unerfahrener Auslandsreporter einer deutschen Regionalzeitung näherte ich mich mit großen Augen der Welt des großen Fußballs. Aus der Rückschau kommt mir die Zeit als Fremder in der Fremde wie ein Wendepunkt in meiner Biografie vor. Hier wurde mir und meiner Freundin anfangs täglich klar, wie grundverschieden die eigene Kultur und die fremde Kultur sind, wie sehr sich die kommunikativen und interaktiven Verhaltensweisen und -stile unterscheiden. Mir fielen diese Stilunterschiede zum Beispiel bei der Kleidung der Sportjournalisten auf: Während die nordeuropäischen Fußballkorrespondenten in Jeans, Lederjacke und Rollkragenpullover ihrer Arbeit nachgingen, traten die italienischen Reporter in Anzug, Schlips und teurem Trench auf die Pressebühne. Die Informationen scheinen mir notwendig, um dem Leser zu verdeutlichen, dass mir die Welt des Fußballs auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene aus der Perspektive des Fernsehzuschauers und des Zeitungsjournalisten sehr vertraut war, dass sie mir aus der Perspektive des Vereinsspielers jedoch bis auf eine zweijährige Zeit als Jugendspieler und ein Jahr als Seniorenspieler weniger bekannt war. 3.2 Vereinssuche Für die Untersuchung im Rahmen der Magisterarbeit erschienen mir zwei Vereine ausreichend, um die sprachlichen Auffälligkeiten des einen Trainers mit denen des anderen zu vergleichen. Doch wo suchen? Im Profifußball, im Amateurfußball? Die Suche sollte sich als problematischer erweisen, als ich angenommen hatte, und fast ein halbes Jahr dauern. Natürlich hatte ich im Verlauf meiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter in meiner Heimatregion Vereine, Trainer und Spieler kennen gelernt, doch gerade aus diesem Grund schieden sie aus. Ich hatte nämlich die Sorge, sie könnten mich immer noch als Zeitungsjournalisten wahrnehmen und sich mit dem in der gemeinsamen Interaktion erworbenen Hintergrundwissen im Moment der Datenerhebung anders verhalten, als sie dies für gewöhnlich tun würden. Und außerdem gab es im Umkreis meines Studienortes eine Vielzahl von Bundesligisten, die ja ebenfalls in Frage kamen. Zwar war keiner meiner Bekannten im Profi-Fußball tätig, doch hatte ich einmal für eine schweizerische Zeitung eine Reportage über den VfL Bochum geschrieben und dabei Manager und Trainer kennen gelernt. Dem Manager gegenüber hatte ich nach dem Interview angedeutet, dass ich meine Abschlussarbeit über ein Fußballthema plante. Er hatte sich interessiert gezeigt und seine Hilfe angeboten. Also stell- Anlage der Untersuchung 57 te ich ihm Mitte des Jahres 1993 das Projekt schriftlich vor, in der Hoffnung, er werde als gelernter Sozialarbeiter weniger Berührungsängste mit einem soziolinguistischen Thema haben als vielleicht der Trainer. Ich versprach Geheimhaltung der Untersuchung und Maskierung aller Eigennamen. Leider erhielt ich vom Verein keine Antwort. Als ich schließlich nach vier Wochen in der Geschäftsstelle anrief, teilte man mir unwirsch mit, der Trainer sei dagegen. Möglicherweise befürchtete er, die wissenschaftliche Begründung sei bloß Maske, und ich könnte die aufgezeichneten Halbzeitpausen publizistisch ausschlachten. Vielleicht aber hätte ich den Trainer direkt ansprechen und nicht den Umweg über den Manager nehmen sollen. Und noch ein Fehler war mir unterlaufen. Ohne die Antwort des VfL abzuwarten, die mir nachträglich klar machte, wie groß doch möglicherweise die Vorsicht im Profifußball vor der Presse ohne Ansehung der Person ist, hatte ich bereits einen anderen Bundesligatrainer, Ewald Lienen, angeschrieben. Dessen immer wieder beschriebene Gewissenhaftigkeit als Trainer hatte mich beeindruckt. Aber nicht nur hatte ich in dem Brief von dem Examensprojekt gesprochen, sondern auch von meiner journalistischen Nebentätigkeit. Ich dachte nämlich, es sei besser, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen, als dass sein Verein MSV Duisburg nachträglich davon erführe. Natürlich hatte ich auch hier Verschwiegenheit zugesagt und darüber hinaus versprochen, über den Verein und Trainer Lienen nie eine Reportage oder einen Bericht zu verfassen. Ich weiß nicht, ob dieser Brief Schaden angerichtet hat, denn auch von Lienen erhielt ich keine Nachricht. Hätte ich meine journalistische Nebentätigkeit zunächst verschweigen sollen, um das Abstecken des Untersuchungsfeldes nicht zu gefährden? Ich fuhr trotzdem zum Trainingsplatz des MSV und passte Lienen nach dem Training und nach den üblichen Interviews ab. Er hatte sich jedoch über das Verhalten eines Fernsehteams so geärgert, dass er mich bat, später wiederzukommen, er könne meinem Anliegen jetzt nicht gerecht werden. Umso überraschter war ich, dass er sich beim zweiten Besuch am Trainingsplatz sofort an meine Person und meine wissenschaftliche Anfrage erinnerte und dass er mir freundlich begegnete. Lienen lehnte mein Ansinnen jedoch ab. Er begründete dies damit, die Halbzeitpause sei eine sehr wichtige und intime Situation der gemeinsamen Interaktion zwischen der Mannschaft und ihm. Gelegentlich müsse er in der Kabine unangenehme Dinge sagen und da wolle er nicht, dass Fremde anwesend seien. Daraufhin, es waren inzwischen drei Monate vergangen, entschied ich mich, die Welt des mir vertrauteren Amateurfußballs zu beschreiben und zwei Amateurvereine zu suchen. Hinzu kam die Erkenntnis, dass ethnografische bzw. rekonstruktive soziologische Arbeiten zu dieser Welt des Fußballs noch nicht vorliegen. Die Bedenken, mir bekannte Personen aus meiner Heimatregion anzusprechen, ließ ich fallen. Allerdings war auch hier die Suche nach 58 Reden und Spielen einem interessierten Trainer schwierig. Der Erste sagte zunächst seine Mitarbeit zu, widerrief sie jedoch einen Monat später. Der Mannschaft seien Bedenken gekommen, dass ich zu keinen relevanten Daten gelangen könne, weil das Tonband die Situation der Halbzeitpause grundlegend verfälsche. Sicherlich hatte der Trainer Recht, dass die Anwesenheit eines Fremden die gewohnte Situation in der Kabine zunächst verändert und dass dies mitberücksichtigt werden muss. Was mich an der Aufrichtigkeit seiner Begründung aber zweifeln ließ, war, dass er mich mehrere Wochen lang mit seiner Entscheidung hinhielt, dass er sie schließlich sehr ausweichend formulierte und dass einer seiner Spieler, den ich aus der Kirchengemeinde kannte, behauptete, der Trainer habe mit der Mannschaft nie ein Wort über mein Projekt gewechselt. Allmählich kam ich mir mit dem Wunsch, die Halbzeitpause auf Tonband aufzuzeichnen, vor, wie der fotografierende Ethnologe im Urwald, dem die Eingeborenen den Vorwurf machen, er raube ihnen ihre Seele. Jedenfalls sensibilisierten mich diese Erfahrungen dafür, wie wichtig Fußballern ihre Privatspähre in der Kabine ist, und ich verstand jetzt besser, warum so wenige linguistische Untersuchung aus der Sportwelt vorliegen, die auf authentischen, nicht arrangierten Gesprächen basieren. 61 Ein Freund vermittelte schließlich über seinen Nachbarn ein ehemaliges Vorstandsmitglied den Kontakt zum SC Schwarzberg, einem Verein der damals vierthöchsten Spielklasse. 62 Verein und Trainer zeigten sich von Beginn an interessiert. Das Verhältnis war sehr kooperativ und persönlich. Die damalige Feldforschungspraxis (Anfang 1994) für das Magisterprojekt würde ich aus heutiger Perspektive als stark verbesserungswürdig bezeichnen. Ich reiste zwar einige Tage vor den insgesamt sieben Meisterschaftsspielen an und bemühte mich, beim letzten Trainingsabend vor dem Spiel dabei zu sein. Doch ich nahm nur eine dieser Vorbesprechungen auf. Ethnografische Interviews führte ich ebenso wenig wie ein Tagebuch. Ich beließ es bei der Beobachtung der Spieler, der Trainer, der Vereinsumgebung. 61 Digel (1976) konnte deshalb an Daten bei den Handballvereinen gelangen, weil er selbst aktiver Mitspieler der untersuchten Mannschaft war. Das Beobachterparadoxon habe er durch seine aktive Teilnahme als Mitspieler, durch seine Sozialisation in dem regionalen Dialekt und auch dadurch umgehen können, dass die Beobachtung erst zwei Jahre nach seiner aktiven Zeit stattgefunden habe (vgl. a.a.O., S. 53, Fußnote 104). 62 In den verschiedenen Landesverbänden existieren für die Spielklassen z.T. unterschiedliche Bezeichnungen. Ich orientiere mich bei der folgenden Reihenfolge der gegenwärtigen Spielklassen an den Bezeichnungen der Mehrheit der Landesverbände: 1. Erste Bundesliga, 2. Zweite Bundesliga, 3. Regionalliga, 4. Oberliga, 5. Verbandsliga, 6. Landesliga, 7. Bezirksliga, 8. Kreisliga A, 9. Kreisliga B, 10. Kreisliga C. Die ursprünglichen Namen aller Orte, aller Spieler, Trainer und Vereinsfunktionäre, aller Vereine sind zum Schutz der Informanten maskiert. Die hier ausgewählten Namen sind fiktive Namen. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig. Auch die Namen der im Datenmaterial auftauchenden Bundesligavereine wurden maskiert, jedoch nicht mit fiktiven Namen. Anlage der Untersuchung 59 Das Interesse daran, wie die Trainings- und Wettkampfsituationen in den Gesamtarbeitsbogen integriert sind, wie das Relevanzsystem der Fußballer beschaffen ist sowie das Interesse an der rhetorischen Gestaltung größerer Äußerungsblöcke war der Grund, die Kommunikation zwischen Trainer und Spielern in einer ausführlicheren Dissertations-Studie zu untersuchen. Hinzu trat die Frage, ob es sich um Phänomene der sozialen Strukturierung und des interaktiven Umgangs mit den Strukturen handelte, die typisch sind für die Welt des gehobenen Amateurfußballs. Oder gelten sie auch für den professionellen Fußball oder sind sie gar typisch für Mannschaftssportarten? Eine Feldforschung bei einem Profifußballverein und bei einer Handballmannschaft sollte einen Vergleich erlauben und in die Untersuchung integriert werden. Schwarzbergs Trainer stimmte einer längeren Feldforschung sofort zu, als ich ihn im Herbst 1995 danach fragte, sodass ich mich nur noch um drei weitere Vereine zu kümmern brauchte. Den Vergleichsverein der Magisterstudie wollte ich nicht erneut ansprechen, da er 1995 in die Landesliga abgestiegen war und der Trainer zwischenzeitlich vom Vorstand entlassen worden war. Ich erinnerte mich, dass ich 1992 eine größere Reportage über einen Oberligaverein geschrieben hatte, und rief den Vereinsvorsitzenden an. Er erinnerte sich an mich und erklärte sich ebenfalls sofort bereit. Er habe „schon mehrere Dissertationen geschrieben“, d.h. er hatte verschiedene betriebswirtschaftliche Dissertationsprojekte über seinen Verein und das Unternehmen, das den Verein sponsert, unterstützt. Aus meiner Kenntnis des Amateurfußballs war mir bewusst, dass der SC Schwarzberg und dieser neu ausgewählte Verein, Fortuna Huke, zwei Pole in der bunten Welt des gehobenen Amateurfußballs darstellen, und die in dieser Welt anzutreffenden Unterschiede repräsentieren würden. Nachdem ich mit Schwarzberg und Huke also zwei Amateurvereine gefunden hatte, unternahm ich erneut den Versuch, einen Profiverein zu finden, um einen Vergleich mit den Amateurvereinen ziehen zu können. Ich sprach den damaligen Assistenztrainer von Borussia Dortmund, Michael Henke, an, der eine Zeit lang Dozent der Sportwissenschaft in Bochum gewesen war. Henke unterstrich die Relevanz des geplanten Projekts für die Sportwissenschaft, sah jedoch keine Möglichkeit, dieses in der ersten Bundesliga durchzuführen. Der Druck der Medien sei so stark, dass eine Geheimhaltung nicht zu garantieren sei und eine Maskierung der Namen nicht ausreichen werde. Es müsse nur ein Spieler seiner Frau oder seinen Freunden und Verwandten über das Projekt erzählen und schon setze sich eine Verbreitungsspirale in Gang, die nicht aufzuhalten sei. Daraufhin nahm ich Kontakt zu Wolfgang Wolf, dem damaligen Trainer des Zweitligisten Stuttgarter Kickers, auf. Doch auch Wolf lehnte die Anwesenheit eines Forschers bei Training und im Wettkampf ab. 60 Reden und Spielen Diese Aussagen lassen bereits erkennen, wie groß doch noch die Unterschiede zwischen der Welt des Profifußballs und der Welt des gehobenen Amateurfußballs sind trotz aller Ähnlichkeiten. Während die Amateurfußballer auch jene, die sich zum professionellen Fußball hin orientieren - Fremden gegenüber aufgeschlossen sind und sich über die Schulter schauen lassen, errichten die Vereine des Profifußballs massive Barrieren. Damit wollen sie den Nicht-Mitgliedern den Zugang zur Welt des Profifußballs auf bestimmten Wegen verstellen und das Verhältnis zur Öffentlichkeit weitgehend bestimmen und kontrollieren. Die Erfahrungen und Beobachtungen mit den Profivereinen ließen mich schließlich Abstand davon nehmen, für den Vergleich einen professionellen Fußballverein aus der ersten oder zweiten Bundesliga zu suchen. Dies scheint m.E. kein Nachteil für die vorliegende Arbeit zu sein, weil die Welt des gehobenen Amateurfußballs selbst eine sehr fassettenreiche Welt des sozialen Lebens ist und soziolinguistische Beschreibungen und Untersuchungen dieser bunten Welt, wie bereits gesagt, noch nicht vorliegen. Stattdessen fokussierte ich meine Bemühungen darauf, einen Verein aus der Welt des semiprofessionellen Handballs zu finden. Der THV Köttersen, Handballverein aus der Regionalliga, der sich zu einer Untersuchung bereit erklärte, war mir zwei, drei Jahre zuvor näher vertraut geworden. Als Reporter hatte ich über einige Auswärtsspiele der Mannschaft im norddeutschen Raum berichtet und die Spieler auch abseits der Spielfläche kennen gelernt. Sechs Spieler waren von der damaligen Mannschaft übrig geblieben, Trainer, Manager und acht Spieler waren mir nicht bekannt. Den Anstoß, den Handballtrainer anzurufen, gaben mir Freunde, die den Trainer persönlich kannten. 3.3 Der Forscher im Feld Insgesamt wollte ich je sechs Wochen ohne Unterbrechung bei den Fußballvereinen in Schwarzberg und in Huke und vier Wochen bei der Vergleichsgruppe, der Handballmannschaft aus Köttersen, verbringen. Die Überlegung, die dahinter stand, war, einen längeren Zeitraum bei den Mannschaften zu verleben. Denn ich wollte einen tieferen Einblick in die jeweilige Welt gewinnen, wollte mir und den Spielern mehr Zeit gewähren, sich aneinander zu gewöhnen, wollte möglichst viele Aufnahmen von Trainingstagen und Heimwie Auswärtsspielen aufnehmen. Sechs Spiele pro Mannschaft schienen mir angemessen, weil ich nach Schwierigkeiten der Datenaufnahme im Magisterprojekt auch jetzt mit Aufnahmeproblemen oder gescheiterten Aufnahmen rechnete. Anlage der Untersuchung 61 Die Feldforschung begann im November 1995 beim SC Schwarzberg. Auf Vorschlag des Trainers brachte ich meine Fußballutensilien mit. Ich solle nicht nur, wie bei der Feldforschung 20 Monate zuvor, am Rande des Trainingsplatzes herumstehen und frieren, sondern mittrainieren. Von mir aus hätte ich es nie gewagt, den Trainer zu fragen, da ich zwar sehr gerne Fußball spiele, über die Kreisliga A aber nie hinausgekommen bin und um meine begrenzten fußballerischen Fähigkeiten weiß. Die Teilnahme am Training stellte mich anfangs konditionell und spielerisch vor einige Probleme und vermittelte mir eine Menge praktischer Vorstellungen davon, wie viel nötig ist, um im gehobenen Amateurfußball erfolgreich zu sein. Und natürlich wurde ich als Novize von den Spielern allerdings auf sehr nette Weise geprüft und aufgezogen, wenn ich mir mal wieder den Ball hatte durch die Beine spielen lassen. Auf der anderen Seite konnte ich eine Menge Fehler begehen (z.B. mit ungeputzten Schuhen zum Training zu kommen und dafür eine Geldstrafe in die Mannschaftskasse zahlen zu müssen) und Missverständnisse des praktischen Alltags provozieren, die mir so Einblick in die Interaktionsregeln gewährten. Darüber hinaus entwickelte ich den Ehrgeiz, meine konditionellen Schwächen zu beheben (was annähernd gelang) und meine spielerischen Defizite zu verbergen (was nicht annähernd gelang). Die aktive regelmäßige Teilhabe am Training unter zum Teil sehr unangenehmen meteorologischen Umständen minus 10° Celsius, Regen- und Schneeschauer, schnee- und eisbedeckter Trainingsplatz hatte aber auch zur Folge, dass ich den Eindruck gewann, dass Spieler, Trainer und Vereinsfunktionäre meine Bemühungen honorierten. Ich denke, dass sie sich mir gegenüber mehr öffneten, als dies der Fall gewesen wäre, wenn ich nur am Rande des Sportplatzes stehen geblieben wäre. Diese Erfahrungen nutzte ich für die anschließende Feldforschung bei den Handballern. Wie die Spieler zog ich mich zum Training um. Die Aufwärmübungen, z.B. das Fußballspielen in der Halle, machte ich mit, die weiteren Übungen verfolgte ich an der Seite des Trainers. Wie richtig ich damit gelegen hatte, teilte mir ein Spieler unmittelbar im Anschluss an das ethnografische Interview mit ihm mit: „Als ich das Gerät ausgemacht habe, bedanke ich mich bei ihm, dass er und seine Teamkollegen mich so nett aufgenommen haben. Rainer erwidert, ich sei ja auch kein schwieriger Mensch und gehe ja offen auf die Leute zu. Nach einer Woche habe man den Eindruck gewinnen können, ich gehörte schon jahrelang zur Mannschaft. An kleinen Dingen merke man das. Zum Beispiel, dass ich mich zum Training umgezogen hätte. Dann komme vielleicht auch mal ein dummer Spruch: ‘Wofür ziehst du dich denn um’, aber das zeige doch, dass man sich bemühe. Als ich in Leschernich beim Aufwärmen auf die Schiedsrichter zugegangen sei und mit ihnen gesprochen habe, da habe die Mannschaft noch gesagt ‘Ach kuckt ma, unser Jung- Manager! ’“ [Tagebuch Köttersen}. 62 Reden und Spielen Einer der Spieler verlieh mir die (ironische) Bezeichnung „Co-Trainer“. Dass ich mich umziehen würde, war eine so selbstverständliche Annahme für ihn, dass er, als ich einmal nur die Sportschuhe anzog, dies frotzelnd kritisierte: „Ich habe am Nachmittag bereits in Grautenberg gebolzt und bin frisch geduscht. Ich ziehe mich nicht mehr extra um, bleibe in Straßenklamotten, ziehe lediglich die Hallenschuhe an. Wolfgang, der mich seit einer Woche nur noch als Co-Trainer anquatscht, pflaumt mich an, warum ich mich nicht umgezogen hätte und mittrainierte. Ich antworte, ich habe bereits gespottet, während er erst noch was leisten müsse. Wolfgang gibt zurück, die Straßenkleidung sei meinem Image als Co- Trainer abträglich. Ich biete als Kompromiss an, wenigstens meine Trainingsjacke anzuziehen, um der Form genüge zu tun, was von Wolfgang ffeudigst begrüßt wird.“ [Tagebuch Köttersen], Die Fußballmannschaft aus Huke hatte ich vor der Feldforschung viermal in Meisterschaftsspielen beobachtet, zweimal im Flerbst, zweimal zu Beginn der Rückrunde. Als ich Mitte März mit der Feldforschung beginne, dauert es zwei Tage, bis mir Trainer Addi Kracht einen Spitznamen verleiht. Der Spitzname blieb mir in der Mannschaft auch nach der Ablösung Addis erhalten: „Donnerstagstraining, im Frühjahr '96: 2. Trainingstag Allmählich bekomme ich einen Spitznamen weg: ‘Dokta’. Addi sagt zum Beispiel ‘Dokta, nimm das auf! ’ oder ‘Wenn der Dokta mich linkt, dann schieb ich ihn in die Mikrowelle, Tropfen drauf und boff.“ [Tagebuch Huke], Ein andermal wandte sich ein Spieler nach dem Training an mich und meinte ernsthaft, er habe Flalsschmerzen, ob ich ihm mal in den Hals schauen könne. Als die Mitspieler anfmgen zu lachen, korrigierte er sich: „Ach nee, so'n Dokta bisse ja nich.“ In der ethnografischen Literatur wird darauf hingewiesen, dass für den Forscher die Gefahr des „going native“ (vgl. z.B. Weinberg/ Williams 1973) besteht. Er wird im Verlauf der Untersuchung so in die sozialen Prozesse hineingezogen und identifiziert sich so mit der Gruppe, dass er nicht mehr unterscheiden kann, was er im Feld neu erlernt hat und was altes Wissen ist. Ich habe mich bemüht, dieser Gefahr zu entgehen, indem ich versuchte, jedes Ereignis, das ich in den beobachteten Gemeinschaften miterlebte, im Feldforschungstagebuch festzuhalten und meine Beobachtungen und Reflexionen zu notieren. Zudem habe ich versucht, nach einer Eingewöhnungsphase von zwei Wochen mit sehr vielen Gruppenmitgliedern ethnografische Interviews zu führen. 63 Im Verlauf der Untersuchung stellte sich heraus, dass es sinnvoll war, mit Vertretern aller relevanten Kategorien Interviews zu führen: Mit Führungsspielern, Stammspielern, Ersatzspielern, älteren Spielern, jüngeren 63 Zum ethnografischen Interview vgl. Spradley (1997). Anlage der Untersuchung 63 Spielern, Trainern, Vereinsfunktionären, ehemaligen Vereinsfunktionären, ehemaligen Trainern, Pressebeobachtern. Ich wohnte während der Feldforschung bei Freunden, die nicht mit der Sportwelt verbunden sind. So waren sie gelegentlich die Ersten, denen ich kursorisch von meinen Erlebnissen erzählte und die mir Fragen stellten und mich selbst zu Begründungen und Erklärungen veranlassten, die wiederum Eingang in die Tagebücher fanden. Außerdem habe ich bei Beginn der Analyse allen Personen, Vereinen und Ortschaften in den Transkriptionen Decknamen gegeben. So ist es jetzt für mich ganz selbstverständlich, von Heinrich Platen zu reden, von Thomas Schleisiek und Franz Brünger, von Fortuna Huke, THV Köttersen und SC Schwarzberg, obwohl die beobachteten Personen und Vereine in Wirklichkeit ganz andere Namen tragen. Als glücklich erwies sich auch, dass ich während der Feldforschung in Schwarzberg wegen des Wintereinbruchs nur vier Spiele aufnehmen konnte. Ich beschloss, die fehlenden zwei Wochen erst im Anschluss an die Feldforschungen bei den anderen Vereinen nachzuholen, und wandte mich zunächst dem Handballverein THV Köttersen zu. Anschließend absolvierte ich die Feldforschung bei Fortuna Huke. An meinem zehnten Beobachtungstag in Huke trennten sich Trainer und Verein, und ein neuer Trainer übernahm die sportliche Leitung. Ich hatte, ohne es zu wissen, meine Feldforschung in einer Phase begonnen, in der sich die Erfahrungen zwischen Verein und Trainer so aufgeschichtet hatten, dass die Krise aus der Sicht der Beteiligten nur durch eine Trennung zu lösen war. Die Installierung des neuen Trainers und seine völlig anderen Konzepte des fußballerischen Stils und der Spielerführung verhalfen mir retrospektiv zu einer Schärfung des Bewusstseins über das, was ich erlebt hatte. In den anschließend geführten ethnografischen Interviews arbeiteten die Spieler immer wieder die Geschehnisse auf und kontrastierten die beiden Trainer. Diesem nicht geplanten „Drama“ während der Feldforschung verdanke ich viele Einsichten. An fast allen Interaktionssereignissen konnte ich teilnehmen. Schwierigkeiten bereiteten in Schwarzberg lediglich Einzelgespräche kurz vor Spielbeginn oder Kleingruppengespräche, in denen berufliche Dinge geklärt werden sollten oder in denen der Trainer mit den Führungsspielern taktische Sachverhalte vorbesprechen wollte. In diesen Fällen informierte mich Trainer Brünger rechtzeitig über seine Pläne und nahm die Gespräche für mich auf. Auch während der Meisterschaftsspiele trug er an der Seitenlinie das Gerät bei sich. In Köttersen steckte sich Trainer Schleisiek während einer Begegnung das Aufnahmegerät in die Jackentasche. Hukes ersten Trainer wagte ich nicht zu bitten. Er gestattete aber die Aufnahme von Einzelgesprächen, zu denen er die Spieler bestellt hatte. Hukes zweiten Trainer, den ich darum bat, während der Spiele das Aufnahmegerät an sich zu nehmen, lehnte ab mit der Bemerkung, „dat Ding“ sei ihm zu schwer. Er erlaubte mir aber, an allen, auch an schwierigen Gesprächen teilzunehmen. Diese Darstellung verdeutlicht be- 64 Reden und Spielen reits, dass die Bewilligungsinstanzen in öffentlichen Interaktionssituationen stets die Trainer waren. Den Spielern stellte ich mich und das Projekt zu Beginn der Feldforschung vor und bat sie um ihr Einverständnis und ihre Nachsicht für die Störung. Zudem hatte man mir während der Feldforschung für die Magisterarbeit beigebracht, wie man eine Mannschaft zu behandeln hat: Mit Respekt - und mit einer Kiste Bier zum Einstand und zum Ausstand. Nach der Feldforschung zog ich aus Norddeutschland fort und nach Süddeutschland. Zu den Trainern hielt ich per Telefon und per Postkarte sporadisch Kontakt, versuchte mich aber ansonsten, den Vereinen zu entziehen. Ich besuchte keine Spiele mehr und rief keine Spieler an, um nicht neue Erfahrungen und Beobachtungen auf die Erfahrungen der Feldforschung aufzuschichten. Dies ist mir nicht leicht gefallen und schien aus der Sicht der Mannschaftsmitglieder und Vereinsangehörigen sicherlich unverständlich, denn zu vielen von ihnen hatte ich ein gutes, freundschaftliches Verhältnis entwickelt. 3.4 Materialbeschreibung und Datenkonstitution Die Tagebücher, die ich während der Feldforschung in Huke und in Köttersen führte, umfassen 150 DIN A4-Seiten im Computer. Das Tagebuch in Schwarzberg wurde, da mir dort kein Computer zur Verfügung stand, handschriftlich geführt und besteht aus 100 Seiten im DIN A5-Format. Ich habe versucht, so viele Ereignisse während der Feldforschung aufzunehmen wie möglich. Auf Grund meiner Erfahrungen mit der Suche der Vereine rechnete ich nicht damit, die Ereignisse per Videokamera aufnehmen zu dürfen. Auch befürchtete ich, die Benützung einer Videokamera könne die Spieler zu einer falschen Kategorisierung meiner Person als „Reporter“ und nicht als „Sprachwissenschaftler“ verleiten. Tatsächlich baten mich dann auch die Trainer, die ich trotzdem auf die Art der Aufnahme ansprach, die Aufnahmen nur mit Tonband zu machen, um die Spieler nicht durch eine aufwendige Apparatur abzulenken. Die Verhältnisse waren in vielen Kabinen schließlich auch so beengt, dass ich eine Videokamera kaum hätte aufbauen und sinnvoll nutzen können. 64 Ca. 95 Prozent der Aufnahmen wurden offen aufgenommen. Die verdeckten Aufnahmen waren meistens öffentliche Mannschaftssitzungen im Vereinsheim mit anschließendem geselligem Beisammensein. Die Aufnahmen machte ich mit einem tragbaren Cassettenaufnahmegerät, das ich meist in der In- 64 Die Aufnahme per Video hätte mir die Analyse in einigen Punkten vermutlich erleichtert. Auf Grund der notwendigen Anonymisierung hätten die Aufnahmen aber nicht präsentiert werden können. Anlage der Untersuchung 65 nentasche meiner Jacke trug. Ein kleines, externes Mikrofon hatte ich kaum sichtbar außen am Kragen der Trainingsjacke oder am Hemdkragen angebracht. Ich bemühte mich stets, die Geräte möglichst unauffällig zu transportieren. Feldbedingt ging auch Einiges zu Bruch, zum Glück erst zum Ende der Forschung. Bei einem Trainingsunfall fiel ein Ball auf das Mikrofon, sodass die Halterung abbrach; ein andermal traf ein scharfer Schuss das Gerät daraufhin fiel einer der Tonkanäle aus. Beim dritten Unfall sehr zur Freude der Huker Mannschaft hechtete der „Dokta“ im Training vergeblich einem Ball hinterher und knallte gegen einen Baum. Beide überlebten nur die Brille des „Dokta“ nicht. Bei den beiden Fußballvereinen wurden je ca. 60 Cassetten ä 90 Minuten Spieldauer aufgenommen, beim Handballverein waren es 35 Cassetten. Insgesamt wurden ca. 230 Stunden aufgenommen. Die Aufnahmen stammen von ca. 45 Trainingstagen und 16 Meisterschaftsspielen in den drei Vereinen. In diesen 230 Stunden sind auch 30 ethnografische Interviews enthalten. Die Interviews wurden jeweils mit dem Informanten allein geführt, meistens in den Privaträumen der Informanten. Nur in einem Fall wurden zwei eng miteinander befreundete Informanten gemeinsam befragt. Die Interviews dauerten mindestens 45 und längstens dreieinhalb Stunden. Zehn Interviews führte ich mit Huker Informanten, zwölf mit Schwarzberger Informanten und acht mit Informanten aus Köttersen. Zur Datenmenge: Die Cassetten habe ich meist nicht vollständig transkribiert, sondern auf ihre interessantesten Stellen hin abgehört und diese Stellen dann ohne prosodische Markierung (Lautstärke, Geschwindigkeit, Akzente, Tonhöhe) transkribiert. Insgesamt sind dies gut 22 Stunden. Die prosodische Markierung wurde in denjenigen Transkripten nachgetragen, die ich als Kandidaten für die rhetorische Analyse ansah. Für 22 weitere Stunden wurden Verlaufsprotokolle angefertigt. Ca. die Hälfte dieser Verlaufsprotokolle ist sehr detailliert und gibt über weite Stellen den exakten Wortlaut wieder; hier wurde aber auf eine Transkribierung im Partiturverfahren verzichtet, Nebenkommunikationen und in Interviews - Rezeptionssignale des Interviewers wurden bei dieser Verschriftung unterdrückt. Des Weiteren wurde in diesen detaillierten Verlaufsprotokollen auf die Markierung der Simultansequenzen verzichtet. Die ca. 22 Stunden Transkriptionsmaterial und 22 Stunden Verlaufsprotokolle stammen von 46 der 150 Cassetten. Die Menge an Datenmaterial soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es während des Trainings und des Meisterschaftsspiels immer auch längere Strecken gibt, in denen die Beteiligten nicht reden, sondern allein sportlich agieren. Diese Transkriptionen bzw. Verlaufsprotokolle konnte ich mit geringerem Aufwand herstellen als Aufnahmen, bei denen die Gesprächsbeteiligten, z.B. in der Kabine, die ganze Zeit miteinander und durcheinander redeten. 66 Reden und Spielen Die ethnografische Beschreibung der Vereine, die aus der teilnehmenden Beobachtung und der Analyse der ethnografischen Interviews resultiert und sowohl Ausschnitte aus den Tagebüchern als auch aus den Interviews enthält, hat einen Umfang von ca. 150 Seiten. Auf Grund dessen wird sie an anderer Stelle und in überarbeiteter Form präsentiert werden. Die folgende ethnografische Darstellung fasst die ausführliche Beschreibung auf einem abstrakteren Beschreibungsniveau zusammen. 4. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs Dieses Kapitel resultiert aus der teilnehmenden Beobachtung der Vereine und aus der Analyse ethnografischer Interviews. Es trägt die Ergebnisse der ethnografischen Beschreibungen der Vereine zusammen. 65 Das Kapitel gliedert sich wie folgt: Im Abschnitt 4.1 werde ich eine abstraktere Darstellung präsentieren, in der ich nationale, regionale und lokale Gesellschaften differenziere, in der ich drei soziale Welten des Fußballs definiere und in der ich die beobachteten Vereine innerhalb des Modells der sozialen Welt des gehobenen Amateursports verorte. 66 Dieser Unterabschnitt 4.1.2 ist konkreter als die vorhergehenden und enthält Beispiele aus den Materialien. Ihm wird eine kurze Darstellung folgen, in der ich den Handballverein vorstelle und ihn mit den Fußballvereinen kontrastiere. Der Abschnitt 4.2 dient der Darstellung der Gruppen und Personen, mit denen die Beteiligten in der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs und generell des gehobenen Amateursports zu tun haben. Hier versuche ich Überlegungen von Strauss (1959/ dt. 1968) zur „coaching relationship“ sowie zum Arbeitsbogen (vgl. Strauss u.a. 1985) zu nutzen und für das diffizile Rollengerüst und für den Arbeitsbogen des Amateursports fruchtbar zu machen. In diesem Abschnitt werde ich wiederum etwas abstrakter argumentieren. Den Abschluss bildet der Abschnitt 4.3, in dem der Arbeitsbogen mit der Schauplatzorganisation verbunden werden soll. Zum besseren Verständnis der Überlegungen finden sich in diesem Kapitel mehrere Schaubilder, mit denen ich die Definitionen und Unterscheidungen symbolisieren möchte. Es handelt sich bei diesen Schaubildern um idealtypische Rekonstruktionen. 4.1 Die Verortung der Vereine des gehobenen Amateurfußballs in übergeordneten Gesellschaften Die untersuchten Vereine des gehobenen Amateurfußballs sind fest verankert in ihrer lokalen Gesellschaft. 67 Diese Beziehung der Vereine des gehobenen 65 Die detaillierten Beschreibungen sollen später an anderer Stelle präsentiert werden. 66 Vgl. auch Väth (1994), der ebenfalls drei Bereiche des Fußballs voneinander trennt. Er differenziert zwischen Profifußball, semiprofessionellem und traditionellem Amateurfußball. 67 Unter der Bezeichnung „lokale Gesellschaft“ verstehe ich trotz aller Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, sowohl Groß-, Mittelwie Kleinstädte als auch Gemeinden und Dörfer. Diese lokalen Gebilde bestehen je nach Größe oft aus vielen kleineren lokalen Einheiten, die aus historischer, geografischer, architektonischer, ökonomischer, sozialer Perspektive (u.a.) unterschieden werden: z.B. Altstadt, Neustadt, Stadtviertel, Vorort, Neubaugebiet, Bankenviertel, Schlafstadt, Oberstadt, Unterstadt, Hauptdorf, Nebendorf, Studentenviertel, Arbeiterviertel, Neureichensiedlung etc. Die Verortung der Sportvereine in ihre lokale Gesellschaft kann folglich oft noch weiter differenziert werden nach ihrer 68 Reden und Spielen Amateursports zu ihrer lokalen Gesellschaft und ihre Abhängigkeit von übergeordneten sozialen Gesellschaften lässt sich aus ethnografischer Perspektive und am Beispiel des Fußballs wie in Abb. 1 a abstrahieren (s.u.)- Die lokale Gesellschaft wird umgeben von der Region, die nicht unbedingt mit regionalen politischen Zusammenschlüssen wie „Landkreis“ oder „Bundesland“ identisch sein muss und auch nationale Grenzen überschreiten kann. Damit ist gemeint, dass jede lokale Gesellschaft je nach Relevanzbereich im Prinzip eine eigene sie umgebende Region besitzt, zu der sie besondere Beziehungen unterhält. Für die Bewohner von Dorf A oder Stadt B ist das Nachbardorf C bzw. die Nachbarstadt D von größerem Interesse auch wenn beide im angrenzenden Landkreis oder Bundesland liegen als die entfernteren Dörfer und Städte des eigenen politischen Zusammenschlusses. Beispielsweise ist in kultureller Hinsicht für die Bewohner Mannheims das kulturelle Leben sowohl in den Nachbarstädten Heidelberg und Ludwigshafen als auch im badischen Karlsruhe und in der hessischen Metropole Frankfurt von Interesse. Im Hinblick auf den Relevanzbereich „Kultur“ wird Mannheim also von der Region „Ludwigshafen/ Frankfurt/ Heidelberg/ Karlsruhe“ umschlossen. Die Regionen gehen in ihrer politischen Nation auf, die wiederum mit anderen Nationen vielfältige Beziehungen eingeht, unterhält und aufrechterhält. Ob man daraus bereits analog auf eine „Weltgesellschaft“ der politischen Nationen mit gemeinsamen sozialen Welten, z.B. einer sozialen Welt des Weltfußballs, schließen kann, erscheint problematisch, da die Theorie der sozialen Welten nicht bei der Beobachtung und Analyse einer globalen Gesellschaft entwickelt worden ist (vgl. Schütze 1987b). Die aufgeworfene Frage kann und soll hier auch nicht weiter erörtert werden. Es dürfte jedoch nachvollziehbar sein, dass sich zurzeit für einen Weltfußball nur schwerlich ein „auf ein (...) Orientierungszentum ausgerichtete(s) Beziehungs-, Interaktions- und Kommunikationsgeflecht“ (ebd., S. 540), gemeinsame Auseinandersetzungsarenen oder ein gemeinsamer Handlungsbogen der Akteure konturieren ließen auch wenn es schon seit einigen Jahren vielerlei Bestrebungen im Fußball gibt, eine Europaliga bzw. gar eine Weltliga zu schaffen, in der aus- Beziehung zu den lokalen Einheiten. Anders liegt der Fall bei den Vereinen aus sehr kleinen dörflichen Gemeinschaften, die oft die einzigen Sportvereine ihrer lokalen Gesellschaft sind. Für sie ist es aus verschiedenen Gründen in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, genügend Spieler für Jugendmannschaften zusammenzubekommen (dies gilt in letzter Zeit in zunehmendem Maße auch für Seniorenmarmschaften), sodass sie gezwungen sind, mit Vereinen aus Nachbardörfem Spielgemeinschaften einzugehen. In diesem Falle muss natürlich bei der Beschreibung der Spielgemeinschaft die Bezeichnung „lokale Gesellschaft“ ausgedehnt werden auf all die Dörfer, deren Vereine die Spielgemeinschaft bilden. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 69 „Weltöffentlichkeit u / Gesellschaft der Nationen ein Teil davon: soziale Welt des Weltsports „Nationale Öffentlichkeit“/ Gesellschaft der politischen Nation soziale Welt des Sports in der Nation (wesentliche Bedeutung: Profisport) regionale Gesellschaft soziale Welt des Sports in der Region (wesentliche Bedeutung: Profi- und gehobener Amateursport) lokale Gesellschaft soziale Welt des Sports in der lokalen Gesellschaft soziale Welt des Fußballs in der Lokalgesellschaft (falls vorhanden: Profifußballvereine) Vereine des gehobenen Amateurfußballs Verein A Verein B Verein C Verein... organisierter Freizeitfußball nichtorganisierter Freizeitfußball Abb. la: Modell der Lokalisierung eines Vereins des gehobenen Amateursports gewählte Vereinsmannschaften wie in der Bundesliga jede Woche gegeneinander antreten sollen. 68 Die Existenz einer sozialen Welt des Weltfußballs als problematisch anzusehen, bedeutet aber nun nicht, dass es nicht auch internationale Wettbewerbe oder Sportereignisse gäbe, welche die Aufmerk- 68 Ein über-nationales Organ haben 14 professionelle Fußballvereine aus Deutschland, England, Frankreich, Holland, Italien, Portugal und Spanien geschaffen. Diese „G 14“ genannte Gruppe, die demnächst erweitert werden soll, vertritt die Interessen der wirtschaftlich und sportlich stärksten Vereine aus den genannten Ländern gegenüber politischen und sportpolitischen Institutionen. 70 Reden und Spielen samkeit der Beobachter und Teilhaber des Sports trotz ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Nationen finden und denen diese auf internationaler Ebene Bedeutung beimessen: Solche Wettbewerbe und Ereignisse sind etwa Olympische Spiele, Weltmeisterschaften, Kontinentalfußballmeisterschaften (wie z.B. die Europameisterschaft, die Copa Libertadores, der Africa-Cup), Europapokalwettbewerbe, der Weltpokal. Das bedeutet zweitens auch nicht, dass Fußballinteressierte - oder genereller: Sportinteressierte sich nicht über die jeweiligen nationalen Entwicklungen in bestimmten Disziplinen oder über offene nationale Meisterschaften informierten. So ist es für viele von ihnen in Europa selbstverständlich, z.B. die nationalen Fußballmeisterschaften in Spanien, Italien, Frankreich, England, Belgien, Holland, aber auch Tennisturniere wie Wimbledon und Roland Garros über die Medien zu verfolgen außerdem Golfturniere wie das PGA-Masters in Augusta, den Stanley-Cup des nordamerikanischen Eishockeys, die nordamerikanische Basketballmeisterschaft oder internationale Hockeywettbewerbe wie die Champions-Trophy etc. Auf nationaler Ebene sind für die soziale Welt des Sports innerhalb der Nation die professionell betriebenen Sportarten von hauptsächlicher Bedeutung, wobei nicht alle Sportarten den gleichen Stellenwert genießen. Im Bereich des Sports kann für Deutschland verallgemeinert werden, dass Fußball die Nationalsportart ist. Dem Amateursport kommt auf dieser nationalen Ebene kaum Beachtung zu. Dies ändert sich für den Beobachter bzw. Teilhaber des Sports erst auf regionaler Ebene, wenn er sich der sozialen Welt des Sports in der Region zuwendet. Zwar stehen auch hier die professionellen Vereine der Region besonders im Blickpunkt, doch müssen sie sich die Aufmerksamkeit mit den Vereinen des gehobenen Amateursports, besonders mit denen des gehobenen Amateurfußballs teilen. Für die Region um Mannheim heißt das beispielsweise, dass die kognitive Orientierung der Fußballinteressierten sich auf das Geschehen um die Fußballvereine aus der ersten und zweiten Liga, 1. FC Kaiserslautern und SV Waldhof Mannheim, VfB Stuttgart und SC Freiburg, Eintracht Frankfurt (vielleicht noch Mainz 05) und auf das Geschehen um den Eishockeyverein aus der DEL, Adler Mannheim, richtet, zugleich aber auch die Ereignisse bei den Fußballregionalligisten Karlsruher SC, VfR Mannheim sowie dem Handballzweitligisten SG Leutershausen wahrgenommen werden. Schwächer, aber immer noch rezipiert werden auch die Fußballvereine des gehobenen Amateurfußballs im Umkreis von Mannheim wie Regionalligist SV Darmstadt 98, die Oberligisten SV Sandhausen und TSG Pfeddersheim, die national bekannten Gewichtheberbzw. Ringermannschaften aus Mutterstadt, Schifferstadt und Ladenburg sowie die national wie international erfolgreichen Hockeymannschaften aus Frankenthal und aus Bad Dürkheim. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 71 Auf lokaler Ebene nimmt innerhalb der sozialen Welt des Sports die soziale Welt des lokalen Fußballs den größten Raum ein. Sie wird falls vorhanden von dem lokalen Profifußballverein bzw. von den Vereinen des gehobenen Amateurfußballs dominiert. Existiert in der sozialen Welt des lokalen Fußballs auch kein Verein des gehobenen Amateurfußballs, so ruht sie auf den Vereinen des unteren Amateurbereichs und auf dem nicht im Deutschen Fußball-Bund (DFB) organisierten Freizeitfußball. 69 Für die untersuchten Vereine lässt sich am Beispiel von Fortuna Huke folgende Einordnung vornehmen: Der Verein hat es in seiner lokalen Gesellschaft, der Stadt Plattrup, vor allem mit vier weiteren Fußballvereinen zu tun: VfL Plattrup-Huke, TuSpo Plattrup, SV Jidder und RSC Schwarten 09. Für diese Vereine haben sich unter den Plattruper Fußballern Namenskürzel eingebürgert, auf die fast ausschließlich bei der Benennung der fünf Vereine zurückgegriffen wird und die für die Beteiligten Missverständnisse ausschließen: „Huke“ bezieht sich auf Fortuna Huke, „TuSpo“ auf den Tum- und Sportverein Plattrup, „VfL“ auf VfL Plattrup-Huke, „Jidder“ auf den SV Jidder und „Schwarten“ auf den RSC Schwarten 09. Fortuna ist seit ca. zehn Jahren der sportlich gesehen erfolgreichste Verein Plattrups und spielt in der Oberliga. Fortuna hat in Huke ihre Wurzeln, gilt aber als traditionsloser Verein aus der Retorte, da sie Anfang der 60er Jahre aus einer Fusion mehrerer kleiner Vereine entstand und von einem großen Unternehmen aus der nahe gelegen Nachbarstadt, der Plasto AG, unterstützt wird. Der VfL Plattrup-Huke kommt ebenfalls aus dem Stadtteil Huke. Er gilt als der traditionsreichste Verein in der Stadt und wurde ca. 1920 gegründet. Die erste Mannschaft des Traditionsvereins, der sich erst mit der Ausdehnung der Stadt in VfL Plattrup-Huke umbenannte, wurde einmal deutscher Amateurmeister und einmal Vizemeister. Der VfL spielte lange Zeit in der Oberliga, der damals höchsten westdeutschen Spielklasse. Wenig später musste der Mäzen des VfL, ein größeres Unternehmen, seine finanzielle Hilfe einschränken. Dies leitete den sportlichen Niedergang des VfL ein. Mittlerweile spielt er in der Bezirksliga, der siebthöchsten DFB-Leistungsklasse. Dennoch hat der VfL, wohl auf Grund seiner Geschichte und der engen Bindung der Bewohner des Stadtteils Huke an den Verein, von allen Plattruper Vereinen die meisten Zuschauer: Im Schnitt ca. 1.500 pro Meisterschaftsspiel. TuSpo Plattrup spielt zurzeit in der Verbandsliga, der fünften Klasse, nachdem man noch vor drei Jahren in der Oberliga angetreten war und das Ziel 69 Zu Darstellungen der institutionellen Organisationen des Fußballs (auf nationaler Ebene DFB, auf europäischer Ebene UEFA und auf mondialer Ebene FIFA) aus journalistischer Perspektive vgl. Klein (1994) und Kistner/ Weinreich (1998). 72 Reden und Spielen hatte, innerhalb von fünf Jahren in die zweite Liga aufzusteigen. Dieser Plan scheiterte auf Grund finanzieller Unregelmäßigkeiten und dem damit verbundenen Rückzug der damaligen Sponsoren. TuSpo gilt (aus der Sicht der Fortuna und des VfL) als „arrogantester“ und „großkotzigster“ Verein der Stadt, der schon immer etwas Besseres sein wollte, aber keine Tradition, kein eigenes Gesicht habe und mit viel Geld Spieler von den anderen Plattruper Vereinen fortlocke. TuSpo schlössen sich vor allem die „Neureichen“ und die „Emporkömmlinge“ an. TuSpo stammt nicht aus einem bestimmten Plattruper Stadtteil wie der VfL und die Fortuna, wie RSC Schwarten 09, SV Jidder, sondern wird eher diffus den Stadtteilen Alt-Plattrup und Stickum zugeordnet. Im Unterschied dazu werden RSC Schwarten 09 und SV Jidder fast ausschließlich mit den jeweiligen Stadtvierteln Schwarten und Jidder assoziiert. Diese große Konkurrenz auf lokaler Ebene, das Fehlen der eigenen Tradition und die Tatsache, dass es keine 25 Kilometer weiter noch den Regionalligisten Kerkhusen gibt, führen dazu, dass Fortuna nur einen relativ kleinen Zuschauerschnitt von ca. 300 Zuschauern hat, obwohl man der ranghöchste Verein in der Stadt ist. Im folgenden Beispiel, das aus einem ethnografischen Interview mit Fortunas Trainer Platen stammt, erklärt er den Sachverhalt und schildert zugleich aus der Perspektive eines Plattruper Zuschauers, warum dieser seinen Konsum an Fußball lieber über das Fernsehen befriedigt oder lieber zu dem Sportverein um die Ecke geht, als sich zum Heimspiel des Oberligisten Fortuna aufzumachen: zu/ mehr Zuschauer aber im gründe * sind die zweihundert oder dreihundert Zuschauer die hier hinkomm auch auf andern platzen * nich hm mehr * äh und * hier fehlt sicherlich so=n bisschen die tradition * hm m/ wenn * der vfl * äh * plattrup huke in=ner * Oberliga spielen würde die würden sicherlich * vielleicht tausend * zweitausend * dreitausend Zuschauer * bei guten spielen vielleicht auch fünftausend Zuschauer * kriegen weil da is tradition un da sin viele * noch die sich * mit dem klub identifizieren die dann auch da hinlaufen und hier is keine * keine tradition * hier is so=n klein bisschen wat gewachsen * durch äh ** die * erfolge die man * in den letzten * jahren hier * hatte * äh auch * durch den * die platzanlage die verbessert worden is * aber im gründe * is=et nich so dass * es sind noch achttausend * leute bei der#plasto ag# #SPONSOR VON FORTUNA# beschäftigt * un jeder der am sonntach zeit hat der geht zur * fortuna das is ja nich der fall weil eimal großes einzugsgebiet * is und äh * es is halt so in der heutigen zeit sach ich mal dass * viele * ähm * faul werden * durch die vielen Übertragung * einmal * das heißt nich dass hm 779 Platen: 780 Platen: 781 Marcel: 782 Platen: 783 Marcel: 784 785 786 787 788 789 790 791 792 793 794 795 Platen: KK: 796 Platen: 797 Marcel: Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 73 798 Platen: sie nich zum platz hingehn * nur * sie gehn ** den bequem weech * sie gehn * nich dahin wo * vielleicht * besserer fußball gespielt wird sonnern sie gehn * vor de tür ** wegen der zeit ** äh * wenn * ich beispielsweise nach kerkhusen hingehn * sollte dann muss ich * um zwei aus=sen haus * damit ich * um viertel vor auf=fem platz bin * un da mir n=guten platz suche * fängt das spiel an * dann kuck ich mir das spiel zu ende * un dann bin ich * um * halb sechs zu hause ** kann ich kein kaffe mehr trinken sonnern is schon abendbrot * wenn ich aber * von hier * wir wohn in der nähe beispielsweise jidder * dann geh ich in jidder auf=fen platz gehe fünf vor aus=sem haus bin um drei uhr auf=fem platz * un bin um * wenn ich n=bisschen früher gehe viertel 799 800 801 802 803 804 805 806 807 808 809 Platen: 810 Marcel: vor fünf zum kaffe wieder da * un dat is was * die familte auch möchte hm {H-45} In dem präsentierten Gesprächsausschnitt nennt Platen folgende typische Gründe dafür, warum die Fortuna weniger Zuschauer anzieht als die lokale Konkurrenz: Erstens habe sie keine Tradition vorzuweisen wie der VfL Plattrup-Huke, zweitens gehöre Plattrup mit zu einem großen Einzugsgebiet einiger Fußballbundesligisten und -regionalligisten, drittens würden die Zuschauer durch die zahlreichen Fußball-Übertragungen im Fernsehen davon abgehalten, vor Ort die Spiele der ranghöchsten Fußballmannschaft zu besuchen, viertens spreche die normale Gestaltung des Sonntagnachmittags in der Familie dagegen, zu Spielen von höherklassigen Vereinen in der Umgebung zu fahren. Die Gründe, die Platen anführt, wurden von mehreren Informanten und durch Beobachtungen vor Ort bestätigt. 4.1.1 Worin sich die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs von der sozialen Welt des Profifußballs und der des „Freizeitfußballs“ unterscheidet Ich habe anhand der Summe einiger Kriterien wie der Zugehörigkeit zum DFB, des sich in der Zugehörigkeit zu einer Spielklasse manifestierenden fußballerischen Niveaus und auf Grund der Reichweite der Rezeption zwischen der sozialen Welt des Profifußballs, der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs, der sozialen Welt des unteren Amateurfußballs und der sozialen Welt des nicht im DFB organisierten Freizeitfußball unterschieden. Es lassen sich noch weitere soziale Kriterien für diese Unterscheidung finden. Die Vergrößerung des Kriterien„bouquets“ geschieht nicht unbegründet, sondern mit der Absicht, Unterschiede zwischen Vereinen einer sozialen Welt des Fußballs anzudeuten wie auch auf jenen Umstand hinzuweisen, dass ein Verein sich auf der Schwelle zwischen der sozialen Welt des Profifußballs und der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs befinden kann und eine eindeutige Zuweisung nicht möglich ist (s.u.). 74 Reden und Spielen Ein weiteres, zum Teil mit den vorangegangenen Kriterien konkurrierendes Kriterium für die Einteilung in soziale Welten ist der Professionalisierungsgrad des Arbeitsbogens in den Vereinen. Damit ist zum einen die Ausbildung des Aufgabenkatalogs und die Bewältigung der Kemaktivitäten durch die Rollenträger gemeint. Zum anderen ist der Grad der professionellen Bearbeitung der Rollenerwartungen durch die Rollenträger gemeint. Weiteres Indiz ist die Professionalität der materiellen Ausstattung der Vereine. Zu nennende Kriterien sind auch die Wahrnehmung der jeweiligen sozialen Welt durch die Medien sowie die Qualität der Beziehung zwischen den Medienschaffenden und der sozialen Welt. 70 Die Zuordnung der Vereine zu sozialen Welten nach diesen Kriterien bedeutet nun jedoch nicht, dass alle Mitglieder alle Merkmale in gleichem Maße trügen und sie immer Mitglied der sozialen Welt blieben. Tatsächlich mag es unter den Vereinen des Profifußballs Vereine mit vielen Merkmalen der sozialen Welt des Profifußballs und solche mit wenigen Merkmalen geben; in der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs wiederum mag es sehr professionelle und weniger professionelle Vereine geben. Ein professioneller Verein mag in ein, zwei, drei Jahren ins Amateurlager abgesunken sein, weil er den einmal erreichten Professionalisierungsgrad nicht mehr aufrecht erhalten konnte bzw. weil er ökonomische, arbeitsstrukturelle, fußballimmanente (z.B. taktische) u.ä. Entwicklungen des Fußballs verpasst hat. Andererseits kann ein Verein aus dem gehobenen Amateurfußball gerade durch eine vorausschauende, langjährige und dem Profifußball angenäherte Professionalisierung das Amateurlager verlassen und in den Profifußball aufsteigen; und auch ein Verein aus dem unteren Amateurlager vermag, den Platz in seiner sozialen Welt durch erfolgreiche, professionelle Arbeit zu verlassen und Mitglied der nächsthöheren sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs zu werden. Das liegt daran, dass die sozialen Welten „Auseinandersetzungsarenen um die ‘richtige’ Problembearbeitung und die Authentizität der Kemaktivität auf[spannen]; die Auseinandersetzung in diesen Arenen ist der Motor ihrer Veränderung“ (Schütze 1987b, S. 541). Die mit unterschiedlich vielen Merkmalen behafteten Vereine der sozialen Welt des Profifußballs befinden sich wie die Vereine des gehobenen Amateurfußballs in je eigenen Auseinandersetzungen, wie ihre Aufgaben am besten und am authentischsten zu bewältigen sind zum einen in organisationsinternen Auseinandersetzungen von Trainer, Spielern, Vorstand und zugleich in externen Auseinandersetzungen mit den anderen Vereinen. Diese externen Auseinandersetzungen sind z.B. verbandspolitische Auseinandersetzungen, etwa über Regeländerungen, über Regelauslegung oder darüber, ob Vereinstrikots mit Kondomwerbung „gegen die allgemein im Sport gültigen Grundsätze von Ethik und Moral verstoßen“ (Stark/ Farin 1990, S. 139), so wie der DFB vor einigen Jahren meinte. Zum anderen sind einige der externen Auseinandersetzungen ritualisierte 70 Vgl. hierzu besonders Marr/ Francis/ Randall (1999). Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 75 Auseinandersetzungen nämlich die Wettkämpfe. Aus der Summe der Wettkämpfe ergibt sich am Ende einer Saison auch, ob die Mitgliedschaft des Vereins in der sozialen Welt weiterhin gegeben ist bzw. ob der Verein mittlerweile in andere soziale Welten gehört: Ein hochgradig professionalisierter Verein des gehobenen Amateurfußballs, der sich an der sozialen Welt des Profifußballs und nicht an der des gehobenen Amateurfußballs orientiert, wird wahrscheinlich irgendwann auch das sportliche Merkmal der sozialen Welt des Profifußballs erfüllen und in die Profiklassen aufsteigen. Ein sich nicht an dieser sozialen Welt des Profifußballs, sondern an der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs orientierender Profiverein wird dagegen mit aller Wahrscheinlichkeit irgendwann auch sportlich in die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs absteigen. Die Auseinandersetzungen wirken sich sowohl auf die Strukturen des einzelnen Mitglieds als auch auf die der jeweiligen sozialen Welt aus. Die sportlichen Wettkämpfe mit einem professionelleren Verein aus der eigenen sozialen Welt können einem Club des gehobenen Amateurfußballs z.B. die Erkenntnis vermitteln, sich weiter professionalisieren zu müssen, um nicht die Zugehörigkeit zu der sozialen Welt zu verlieren. Folgt er dem Modell des professionelleren Vereins, verändert und professionalisiert der einzelne Verein damit auch ein Stück weit die Merkmale der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs. Dies gilt selbstverständlich für alle sozialen Welten des Fußballs. 4.1.1.1 Gehobener Amateurfußball Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs lässt sich bestimmen aus der Differenz spezifischer Merkmale sowohl zur sozialen Welt des Profifußballs als auch zu der des unteren Amateurbzw. Freizeitfußballs. Stellen wir uns unter dem Gesichtspunkt der Beteiligtenzahlen die drei genannten sozialen Welten als Teile einer Pyramide vor, so stellt die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs den Mittelteil der Pyramide dar. Der untere Amateurbzw. Freizeitfußball mit seinen Millionen Spielern, Trainern und Vereinsaktiven bildet die solide Basis, während der Profifußball mit seinen ca. 750 Profifußballern und seinen vielleicht ebenso vielen Fußballlehrern und Vereinsfunktionären die kleine Spitze einnimmt. Im Hinblick auf die Präsenz der Medien und der Ausleuchtung durch sie, steht die soziale Welt des Profifußballs im grellen Licht der Scheinwerfer. Bis zu einem gewissen Teil erhellen die Medien auch die Welt des gehobenen Amateurfußballs, während der Freizeitfußball eher im Dunkeln bleibt. 71 71 Dies gilt auch für den Frauenfußball und im besonderen Maße für den Jugendfußball. Vgl. dazu Birmewies (1983). Ganz im Gegensatz dazu berichtet die Frankfurter Rundschau m.E. in beispielhafter Weise sehr ausführlich über den Frauenfußball und schenkt ihm die Beachtung, die ihm in Frankfurt mit zwei Frauenfußballbundesligamannschaften zukommt. 76 Reden und Spielen Der gehobene Amateurfußball umfasst die weniger professionellen Regionalligavereine, die der Oberliga und die der Verbandsliga, sowie einige professionellere Landesligisten. (Die Amateurmannschaften der Profi-Vereine, die häufig die oberen Tabellenpositionen in den Spielklassen des gehobenen Amateurfußballs belegen, stellen einen Sonderfall des gehobenen Amateurfußballs dar und werden im folgenden skizzierten Modell nicht mitberücksichtigt.) 72 Der gehobene Amateurfußball ist in der Regel eine Erscheinung der Mittel- und Kleinstädte sowie der Subzentren von Großstädten. Spieler und Trainer gehen in der Regel einem Beruf nach, der die primäre Erwerbsquelle darstellt. Der Fußball ist lediglich Nebentätigkeit und sekundäre, wenn auch nicht unerhebliche Erwerbsquelle. Die Verdienstmöglichkeiten, die regional sehr unterschiedlich sind (in den Ballungsgebieten zweibis dreimal so hoch wie in ländlichen Gebieten) und von der finanziellen Kraft der Vereine sowie von der fußballerischen Qualität und Erfahrung des jeweiligen Spielers abhängen, liegen nach meiner Kenntnis zwischen 1.000 und 40.000 Mark Festgeld im Jahr zuzüglich der Prämien von 50 bis 100 Mark pro gewonnenem Punkt sowie der Auflaufprämien. In Einzelfällen kann die Nebentätigkeit im gehobenen Amateurfußball also mehr Verdienst einbringen als der Nettoverdienst aus der primären beruflichen Tätigkeit. Im gehobenen Amateurfußball wird je nach Professionalisierungsgrad des Vereins in der dreibis vierwöchigen Vorbereitungszeit im Juli sowie im Februar vierbis siebenmal pro Woche trainiert. In der siebenbis achtmonatigen Wettbewerbsaison gibt es zwei bis vier Trainingseinheiten in der Woche. Die Trainingsdauer beträgt normalerweise 90 bis 110 Minuten. Der Zeitaufwand insgesamt für Training, wöchentliche Mannschaftssitzung, Anfahrt zum Training und Rückfahrt nach Hause, für Umziehen, Duschen und Anziehen variiert zwischen zwölf bis 21 Stunden pro Woche in der Vorbereitungszeit und zehn bis zwölf Stunden während der Wettbewerbssaison. In der Saison sind im wöchentlichen Wechsel 15 bis 17 Heimspiele und 15 bis 17 72 In den Augen vieler Vereinsangehöriger des gehobenen Amateurfußballs stellen die Amateurmannschaften des Profifußballs gar eine Gefahr für den gehobenen Amateurfußball dar, da sie nämlich über professionelle finanzielle, organisatorische und personelle Mittel verfugen, wie sie kaum einer der „normalen“ Vereine des gehobenen Amateurfiißballs besitzt. Dadurch haben diese Amateurmannschaften der Profivereine einen entscheidenden Vorteil im Kampf um die Spitzenstellung in den Spielklassen. Die Präsenz der Amateurmarmschaften von Profivereinen im gehobenen Amateurfußball wirkt sich auf zweierlei Weise negativ auf die Finanzen der „normalen“ Amateurvereine aus: 1. Die Überlegenheit der Profireservemannschaften verweist die „normalen“ Vereine auf die unteren Tabellenplätze oder zwingt sie gar zum Abstieg, was zu einem geringeren Zuschauerinteresse führt. 2. Die Profireserveteams gelten oft als wesenslos oder als Retortenmannschaften, da sie über keine markante, eigenständige, von den Profis unabhängige Geschichte und Identität verfugen. Die Profireservemannschaften haben oft einen viel geringeren Zuschauerstamm als „normale“ Amateurvereine. Das heißt, dass die Profireserveteams zu ihren Auswärtsspielen kaum Zuschauer mitbringen und dadurch die Einnahmen der „normalen“ Amateurvereine schmälern. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 77 Auswärtsspiele zu bestreiten. Ein Heimspiel bedeutet normalerweise einen Zeitaufwand von 5 bis 7 Stunden, ein Auswärtsspiel sieben bis zehn Stunden. Neben der normalen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 bis 40 Stunden in ihrem Beruf wenden die Fußballer des gehobenen Amateurfußballs für ihre Nebentätigkeit also sowohl in der Vorbereitungszeit als auch während der Wettkampfsaison ungefähr zwölf bis 20 Stunden in der Woche auf. In Ausnahmefällen werden die Mannschaften des gehobenen Amateurfußballs von Spielertrainern betreut, d.h. von Trainern, die zugleich Spieler der Mannschaft sind. In der sozialen Welt des unteren Amateur- und Freizeitfußballs ist die Rolle eines Spielertrainers die Regel, in den deutschen Profivereinen ist der Spielertrainer dagegen unbekannt. 73 Torwarttrainer (über die eine Mehrzahl der Vereine des gehobenen Amateurfußballs verfügt), Betreuer und Masseure schließen mit den Vereinen in der Regel Vereinbarungen über eine Laufzeit von einer Wettbewerbssaison, für die sie ebenfalls eine allerdings geringe Aufwandsentschädigung erhalten. Ihr Zeitaufwand beträgt zwischen drei und 10 Stunden wöchentlich und richtet sich nach dem Professionalisierungsgrad der Vereine. In einigen Vereinen des gehobenen Amateurfußballs erscheinen Masseur und Betreuer zu jedem Training, in anderen nur zum Meisterschaftsspiel; die Torwarttrainer sind entweder bei jedem oder nur bei jedem zweiten Training anwesend, nicht unbedingt jedoch bei den Auswärtsspielen. Die Vereine des gehobenen Amateurfußballs müssen für die Wettkampfspiele über einen Rasenbzw. Kunstrasenplatz verfügen. Darüber hinaus besitzen sie normalerweise einen oder mehrere Trainingsplätze. Die Aufgaben des Vorstands im gehobenen Amateurfußball bzw. die der Fußballabteilung werden in der Regel von Ehrenamtlichen wahrgenommen. Aufgaben und Kompetenzen sind in spezifischen Vorstandsbzw. Abteilungsämtern gebündelt bzw. können neu ausgehandelt werden. Die Amtsübernahme ist institutionell durch Wahlen im Gesamtverein bzw. in der Fußballabteilung geregelt. Trotz der Aufteilung der zahlreichen Aufgaben in Ämter und der klaren Zuweisung von Aufgaben zu diesen Ämtern kann die zeitliche Beanspruchung für einen Funktionär 10 bis 20 Stunden pro Woche ausmachen. Dringlichste Aufgabe für den Vorstand eines Vereins aus dem gehobenen Amateurfußball ist es, genügend lokale (in seltenen Fällen auch regionale) Sponsoren zur Aufrechterhaltung des Trainings- und Spielbetriebs auf semiprofessionellem Niveau bzw. auf dem Niveau des gehobenen Amateurfußballs zu gewinnen. Diese Vorstandsarbeit und speziell die Sponsorensuche gleichen bei fast allen Vereinen des gehobenen Amateurfußballs einem Spagat. Sie wird einerseits von der Erkenntnis bestimmt, nicht der sozialen 73 In Italien ist die Rolle eines Spielertrainers im Profifiißball sogar verboten, im britischen Profifußball dagegen nicht selten. Vgl. Reng (1998) in SZ, Nr. 109 v. 13.5.1998. 78 Reden und Spielen Welt des professionellen Fußballs anzugehören und diese Distanz aus verschiedensten Gründen nie oder nicht kurzfristig aufheben zu können (weil dem Verein die finanziellen, organisatorischen und personellen Mittel fehlen und er nicht über die Tradition, die Akzeptanz, das exklusive Einzugsgebiet, die Fans und andere entscheidende Ressourcen verfügt). Somit kann den Sponsoren auf kurze Sicht kein professioneller Gegenwert für das Sponsoring wie z.B. Fernsehzeiten geboten werden. Andererseits resultieren die Vorstandsarbeit und speziell die Sponsorensuche auch aus der bewussten kompetitiven Entscheidung trotz dieses Wissens um die beschränkten Möglichkeiten des Vereins nicht freiwillig in die soziale Welt des Freizeitfußballs absteigen zu wollen, sondern mit den übrigen Vereinen des gehobenen Amateurfußballs um Sponsoren, Trainer, Spieler und Fans konkurrieren zu wollen. Der Bereich, aus dem die Vereine des gehobenen Amateurfußballs ihr Personal rekrutieren können und mit den anderen Vereinen des gehobenen Amateurfußballs konkurrieren können, überschreitet die Grenzen der lokalen Gesellschaft und dehnt sich in die umgebende Region aus. Die Vereine des gehobenen Amateurfußballs sind in der Regel mehrmals in der Woche Gegenstand der Berichterstattung lokaler bzw. regionaler Medien, die sich meist auf die Wettkampfankündigung am Wochenende und den Wettkampfbericht am Wochenende bzw. zu Wochenanfang beschränken. Je nach Qualität der Medien und der Bedeutung des Vereins für die lokale bzw. regionale Gesellschaft erscheinen zur Wochenmitte analytische Features und Hintergrundberichte über den Verein des gehobenen Amateurfußballs sowie aus der regionalen „Szene“. Ansprechpartner der Medien sind unter der Woche der Vereinsvorsitzende bzw. der Abteilungsleiter und der Trainer, seltener die Pressewarte und die Spieler. Am Wettkampftag werden einige wenige Spieler, vor allem die Führungsspieler bzw. die spielentscheidenden Spieler sowie die Trainer und die Vereinsführung von den Journalisten interviewt. Die Beziehung zwischen den in der Regel wenigen Medienschaffenden und den Fußballern, Trainern und Funktionären ist meistens vertraulich und währt oft lange Jahre. Dies schafft zugleich gegenseitige Abhängigkeiten. 74 Für den gehobenen Amateurfußball ist der Profifußball in erheblichem Maße orientierungsgebend. Diese vorbildhafte Funktion kommt nicht dem Freizeitfußball zu. Explizite Normsetzung bzw. Artikulation gültiger Leitvorstellungen im gehobenen Amateurfußball geschieht sehr häufig vor der Folie von idealtypischer Handlungsdurchführung. Die idealtypische Handlungsdurchführung resultiert aus eigenen Sozialisierungserfahrungen in der Profiwelt bzw. wird auf Grund der Vermittlung durch die Presse für die Welt des Profifußballs unterstellt und rekonstruiert. Die Orientierungsfunktion der sozialen Welt des Profifußballs für den gehobenen Amateurfußball soll an einem kleinen Transkriptauschnitt angedeutet werden. Er stammt aus einer Trainingsbe- 74 Vgl. auch Marr/ Francis/ Randall (1999). Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 79 sprechung zum vergangenen Meisterschaftsspiel, das gewonnen wurde. Der Trainer bewertet ein nicht explizit genanntes Vergehen eines Spielers: Peter hat sich in dem Spiel zu einem Revanchefoul hinreißen lassen und dafür die rote Karte erhalten: 369 Trainer: 370 371 372 373 374 natürlich dann- * obwo"hl da muss ich au wieda- * sa"gn hier- * peter dat is natürlich scheine dat geht nich- ** wenn ich mal- * >ich nehm dat nich gerne in mund son wort aba- * in diesem fall is et so- * «obwohl dann wieda wenn ich dann gestan gesehn habe äh dass selbst die gro"ßen~* sich nich-* beherrschen könn- **äh ** dann is dat natürlich- * kei’n gutes vorbildt * aba trotzdem muss man- ** äh sich i'rgndwo in der gewalt harnt [H-36B] In seiner Einräumung (Z. 371-373), dass selbst die „Großen“ sich nicht beherrschen könnten, referiert der Trainer auf ein DFB-Pokalspiel zwischen zwei Bundesligisten, das am vergangenen Abend im Fernsehen übertragen wurde und in dessen Verlauf ein Profifußballer wegen einer Tätlichkeit vom Platz gestellt worden war. Die in den Augen des Trainers natürliche Orientierungsfunktion des professionellen Fußballs markiert er explizit mit den Worten, dass das deviante Verhalten des Profifußballers kein vorbildhaftes Verhalten gewesen sei. Der Ausschnitt endet mit der Explizierung der für Profis und Spieler des gehobenen Amateurfußballs gleichermaßen gültigen Norm: aba tro “tzdem muss man- ** äh sich V'rgndwo in der gewalt ham-l. 4.1.1.2 Profifiißball Der Profifußbaü umfasst die Vereine der ersten und zweiten Bundesliga sowie einige professionelle Regionalligavereine. Er ist in der Regel eine Erscheinung der Großstädte. Fußballer, Trainer und Assistenztrainer sind Profis, d.h. Angestellte ihres Vereins. Ihre Verdienstmöglichkeiten reichen von ca. 50.000 bis zu mehreren Millionen Mark im Jahr. Trainiert wird normalerweise täglich ein bis zweimal. Darüber hinaus hat ein Profiverein Torwarttrainer, Konditionstrainer, Physiotherapeuten, Masseure, Pressesprecher, Manager, Sportdirektoren, Geschäftsführer, mehrere Sekretärinnen und v.a.m. fest angestellt. Der hohe Professionalisierungsgrad zeigt sich u.a. daran, dass Profivereine ihr Personal auf dem nationalen und internationalen Markt rekrutieren. Jeder Profiverein verfügt über ein vereinseigenes Trainingsgelände mit zahlreichen Trainingsrasenplätzen, die zum Teil mit Rasenheizung und mit Flutlicht ausgestattet sind. 75 Lokale Medien berichten in der Regel jeden 75 ln der englischen Premier League besitzen einige Londoner Vereine wie FC Chelsea und der FC Wimbledon kein eigenes Trainingsgelände, sondern trainieren auf dem Gelände eines Colleges bzw. in einem öffentlichen Park. Im Vergleich zu den Trainingsbedingungen deutscher Profivereine ist dies sehr ungewöhnlich. 80 Reden und Spielen oder jeden zweiten Tag über die Profivereine. Darüber hinaus existieren mehrere regionale, aber auch nationale Sportwochenzeitungen, die das Geschehen im Profifußball sehr genau verfolgen. Auf Grund des immensen täglichen Medienauftriebs gehen Vereine wie Bayern München dazu über, die zahlreichen Interviewwünsche in täglichen offiziellen Pressekonferenzen zu kanalisieren. 4.1.1.3 Freizeitfußball Da im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit weder die soziale Welt des in den Grenzen des DFB organisierten unteren Amateurfußballs noch die des außerhalb des DFB organisierten Freizeitfußballs steht, will ich sie unter der gemeinsamen Bezeichnung „Freizeitfußball“ zusammenfassen trotz aller eigenen Bedenken. 76 Der Freizeitfußball umfasst die Vereine der untersten Leistungsklassen des DFB von den wenig professionellen Landesligisten, den Bezirksligisten bis hin zu den Kreisligavereinen; er umfasst die organisierte alternative Fußballszene wie auch die nicht-organisierten Fußballgruppen. Der Freizeitfußball ist eine augenfällige Erscheinung der Kleinstädte, der Gemeinden und der Dörfer, aber auch der Stadtviertel und Vorstädte von Groß- und Mittelstädten. Er ist jedoch über politische Grenzen hinausgehend auch identitätsstiftende Erscheinung sozialer Gruppen: So gibt es z.B. Fußballvereine christlicher Gruppen wie den evangelischen CVJM und die katho- 76 ich möchte die Unterschiede zwischen dem unteren Amateurfußball, dem alternativen Fußball, den Privatmarmschaften und den nicht in übergeordneten Organisationen eingebundenen Hobbyfußballem nicht verwischen. In den Augen vieler Fußballspieler zeichnen sich der DFB und besonders die Vereine der unteren DFB-Ligen durch „Vereinsmeierei“ und Gruppenzwang, durch Spießigkeit und Altväterlichkeit aus. Dies ist für viele der Grund, warum sie der DFB-Organisation fembleiben bzw. eigene Organisationen aufrnachen. Die ursprünglich politisch begründete Skepsis einiger Fußballer aus linken, alternativen und studentischen Milieus gegenüber den aus ihrer Perspektive von Beginn an in den Vereinsjugendmannschaften herrschenden „kapitalistischen“ Mechanismen von „Leistungsdruck“ und „Elitenbildung“ sowie der Bundesligaskandal von 1972, welcher die Käuflichkeit des etablierten Fußballs entlarvte, führten zum Beispiel in vielen Studentenstädten zum Entstehen der so genannten „bunten“ bzw. „wilden“ Ligen. Die alternative Kickerszene organisiert und nicht-organisiert mit ihrem ironisch-spöttischen Abstand zum DFB-Fußball verdiente eine eigene ethnografische Beschreibung, die hier jedoch nicht geleistet werden kann. Die (selbst)ironische Distanz zeigt sich zum Beispiel an so originellen Mannschaftsnamen wie ‘Hinter Mailand’, ‘Spiel mir das Lied vom Tor’, ‘Torpedo Kühlschrank’, aber auch in Motti wie „Wer trainiert, ist feige“ oder etwa daran, dass die ehemalige Hobbykickergruppe der IG Metall ‘Heavy Metall’ nur solidarische 2 x 35 Minuten auf dem Platz stand als Demonstration für die Einführung der 35-Stunden-Woche. Allerdings zeigt auch der alternative Fußball mit zunehmender Institutionalisierung Tendenzen der Leistungsorientierung und Elitenbildung, wie er sie am DFB immer kritisiert hat. Zum alternativen Fußball vgl. Müllender/ Nendza (1992). Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 81 lische DJK, aber auch Fußballvereine von Immigrantengruppen aus Italien, Spanien, Jugoslawien, Griechenland, Mazedonien, etc. 77 Der Freizeitfußball zeichnet sich dadurch aus, dass Spieler und Trainer ihre fußballerische Tätigkeit als Freizeitbeschäftigung betrachten. Bei den Landesligisten und Bezirksligisten liegen die Verdienstmöglichkeiten für die Spieler je nach ihren Fähigkeiten und der Finanzkraft der Vereine bei ca. 500 - 5.000 DM im Jahr, bei den Kreisligisten erhalten, wenn überhaupt, nur einige Leistungsträger eine Aufwandsentschädigung. Die Spieler der Mannschaften spielen meist schon seit Jahren zusammen und sind untereinander und unter Einschluss ihrer Familien oft privat eng verbunden. Daher weisen die Teams meist eine geringe Spielerfluktuation und eine hohe Stabilität der Mitgliederschaft auf. Die Trainer waren in sehr vielen Fällen ehemals im gehobenen Amateurfußball aktiv und agieren jetzt im unteren Amateurbereich als Spielertrainer. Trainer und Spieler werden fast nur aus der lokalen Gesellschaft bzw. aus der unmittelbaren lokalen Umgebung rekrutiert. Die Trainingsintensität im Freizeitfußball variiert je nach Spielklasse und Anspruch: Die unprofessionellen Landesligisten, die Bezirksligisten und Mannschaften der Kreisliga A trainieren meist zweimal die Woche, andere Vereine dagegen nur einmal. Einige Mannschaften gerade aus dem nicht-organisierten Freizeitfußball treffen sich nur zu ihren Spielen. Die Trainingsbeteiligung im Freizeitfußball schwankt auf Grund der Arbeitszeiten von Spielern und auf Grund familiärer Verpflichtungen erheblich. Die Trainer sind daher oft gezwungen, ihre Mannschaft mit der zweiten Mannschaft des Vereins zusammen trainieren zu lassen, um eine ausreichende Trainingsgruppe bilden zu können. Da die Meisterschaftsspiele meist in der lokalen Umgebung ausgetragen werden, beträgt der reine Zeitaufwand für Training und Spiel ca. fünf bis zehn Stunden in der Woche. Allerdings verbringen die Beteiligten des Freizeitfußballs viel Zeit miteinander beim gemeinsamen Bier nach dem Training und nach dem Spiel mehr Zeit und in größerer Runde jedenfalls als die Beteiligten des gehobenen Amateurfußballs und des Profifußballs. Die Trainingsbedingungen sind meist wenig professionell. Vereine des Freizeitfußballs verfügen oft nur über einen Sportplatz, auf dem sowohl trainiert wird als auch die Meisterschaftsspiele ausgetragen werden. Aus Kostengründen und wegen ihrer größeren Witterungsunabhängigkeit handelt es sich dabei oft um Aschenplätze. Die Vorstandsarbeit der Freizeitfußballvereine ruht in der Regel auf den Schultern einiger weniger Ehrenamtlicher. Ihre Aufgaben konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Vertretung des Vereins gegenüber der Organisation, auf die interne Organisation und Steuerung sowie Der Kreisligafußball in den Großstädten (z.B. in Mannheim) wird zu einem sehr großen Teil auffechterhalten von den Fußballmannschaften der diversen Immigrantengruppen und vermittelt ein m.E. buntes und spannendes Bild des Mit- und Gegeneinanders in einer multikulturellen Gesellschaft. 82 Reden und Spielen auf die Begleitung und Unterstützung der Mannschaft bei Meisterschaftsspielen. Nur von einem Teil der Medien, und zwar von den lokalen Printmedien, wird die soziale Welt des Freizeitfußballs wahrgenommen allerdings in deutlich geringerem Maße als die des gehobenen Amateurfußballs und des Profifußballs. Dabei beschränken sie sich meist auf Wiedergabe der Spielergebnisse und Abdruck der Tabelle, auf kurze Spielberichte sowie auf Mitteilungen zu Vorstandswahlen. 4.1.2 Wie die untersuchten Vereine in die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs einzuordnen sind Bezogen auf meine Untersuchung stellt sich folgendes Bild dar: Die beiden untersuchten Fußballvereine gehören wegen des sportlichen Niveaus, das sich in ihrer Zugehörigkeit zur Leistungsklasse Oberliga bzw. Verbandsliga manifestiert, auf Grund der daraus resultierenden Wahrnehmung in der lokalen wie auch der regionalen Gesellschaft und auf Grund des Professionalisierungsgrades zum gehobenen Amateurfußball. Allerdings nehmen beide Vereine innerhalb des gehobenen Amateurfußballs sehr unterschiedliche Positionen ein. Wie bereits angedeutet ist Fortuna Huke einer von vielen Vereinen einer großen Mittelstadt in einem Ballungsgebiet und konkurriert in sportlicher und finanzieller Flinsicht sowie im Hinblick auf die Akzeptanz der lokalen Gesellschaft mit mehreren Vereinen der Stadt (vgl. Kap. 4.1). Fortuna wird von dem Industrieunternehmen Plasto AG unterstützt, das beste materielle Voraussetzungen für den Verein geschaffen hat. Der Verein ist ohne die Figur Robert Krumenkamp nicht zu erklären, er ist die alles überragende Person der Vereinsführung. Dies schlägt sich in Beschreibungen wie den folgenden nieder. Sie stammen von zwei Spielern und fallen jeweils in ethnografischen Interviews: n=bessaren für=n vaein kanns=te nich ha: m * was der alles macht un organisiert und ** wirklich schon einmalich, meint der eine Spieler, und der andere sagt: robert ühm * ist hier die person die alles macht * also es gibt hier zwar=n Vorstand ** aba der Vorstand hab ich hinterher gehört der wusste nichts davon dass ein addi kracht hier kommt * also hatte robert alles * ganz alleine gemacht ** das is auch=n problem wahrscheinlich auch mit mit den mit den geldsachen ähm ** wenn man was aushandelt [...] obwohl ich wurd noch nie vom robert enttäuscht muss ich auch sagn also was der mir ge*sacht hat geldmäßich * also pünktlich * das is selten in in fast keim vaein wahrscheinlich so dass man wirklich das geld wenn er sacht * du krichs ** weiß ich nich kriste das geld ebn * anfang der saison sar ich mal im august oder wie willste=s ham fra/ hat der mich sogar gefracht also * hundatprozentig da kann ich gar nichts negatives sagen ne * weil viele sagen der verspricht viel ** un hält das nich also das kann ich ** auf kein fall also was was er mir versprochen hat. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 83 Krumenkamp ist gebürtiger Rheinländer, lebt aber seit seiner Jugend in Plattrup-Huke. Mit seiner Umtriebigkeit, seiner Zähigkeit, seiner Energie, seiner erstaunlichen sozialen Kompetenz, zu wildfremden Menschen schnell Kontakt herstellen zu können, mit seiner allseits bekannten Fähigkeit des so genannten Strippenziehens entspricht er dem Klischee des fröhlichen, hinter den Kulissen klüngelnden Rheinländers. Andere Eigenschaften von Krumenkamp, die die Informanten in Hintergrundgesprächen aufzählten, sind u.a. Impulsivität, Kreativität, Verlässlichkeit, Stolz auf das von ihm Geleistete, Ungeduld, Eitelkeit, Schläue, eine gewisse Verschlagenheit. Krumenkamp führt den Verein fast autokratisch, da der Verein sein Lebenswerk ist. Schon bei der Gründung des Vereins war er als Elfjähriger dabei, als Jugendlicher trainierte er sowohl in der Fußballals auch in der Leichtathletikabteilung. Fast 15 Jahre spielte er bei den Senioren in der ersten Fußballmannschaft, war lange Zeit deren Mannschaftskapitän und wurde bald Geschäftsführer des Vereins, was er bis heute geblieben ist. Seit mehr als zehn Jahren ist er außerdem wieder Vorsitzender des Vereins, ein Amt, das er bereits einmal in den 70er Jahren innehatte, dann jedoch für ein Jahr aufgeben musste, da ihm vorgeworfen wurde, die Fußballabteilung zu bevorzugen. Die Anschrift des Vereins ist bezeichnenderweise die Privatadresse Krumenkamps. Überspitzt formuliert: Fortuna Huke ist Robert Krumenkamp, Robert Krumenkamp ist Fortuna Huke. Die übrigen Mitglieder des Fortuna-Vorstands haben bei weitem nicht den Einfluss in der Plattruper Gesellschaft allgemein und in der Plasto AG im Besonderen, wie ihn Krumenkamp hat. Denn Krumenkamp ist überzeugt davon, dem Werk und der Presse gegenüber der beste Repräsentant zu sein, den man sich für den Verein vorstellen kann. Darüber hinaus sitzt Krumenkamp noch in diversen Gremien des Fußballverbandes auf Bezirksebene, so unter anderem in der sehr wichtigen Bezirksspruchkammer. Die zweite wichtige Figur im Verein ist seit kurzem wieder Heinrich Platen. Der ehemalige langjährige Bundesligaprofi bei Borussia Dortmund und dem Wuppertaler SV wurde in den 80er Jahren von Robert Krumenkamp zu Fortuna Huke als Trainer geholt. Platen blieb viele Jahre bei Fortuna, bevor er für vier Jahre als Trainer in die Regionalliga wechselte. April 1996, während meiner Feldforschung, kehrte Platen als Trainer zurück zu Fortuna Huke. Er löste den glücklosen Addi Kracht ab und rettete die Fortuna, obwohl sie bereits verloren schien, vor dem Abstieg aus der Oberliga. Bei seinem ersten Engagement in Huke übrigens hatte Platen die Fortuna innerhalb von wenigen Jahren von der Bezirksliga über die Landesliga und die Verbandsliga in die Oberliga geführt. Dieser Sprung von der damals sechsten Leistungsklasse in die damals dritte Leistungsklasse war für Trainer und Verein ein sehr großer Erfolg gewesen. 78 78 Zwei Jahre nach dem ersten Aufstieg in die Oberliga musste Fortuna zwar wieder in die Verbandsliga absteigen, schaffte aber im darauf folgenden Jahr unter Platens Nachfolger Volker Camenberg den direkten Wiederaufstieg in die Oberliga. Der direkte Wiederauf- 84 Reden und Spielen Alle Spieler, die ich interviewte, rühmten Platens fachliche Qualitäten, so wie Führungsspieler Matthias: 315 Matthias: 316 317 318 319 320 321 Heinrich ** äh * heinrich is zum beispiel n=traina der äh ** der sieht sachn * die nich nur nach vorne gehn die auch * im rückwärtign bereich * anfalln Also er * sagen wa mal * sein rechtes äuge kuckt * nach rechts un sein linkes Auge kuckt nach links * un kann beides gleichzeitich vaarbeiten * der sofort Sagn kann du muss so un du muss so * das is also sehr sehr * sehr gut was er Da macht * hat natürlich auch dementsprechend die erfahrung * von * seina Profizeit ne * und ** (mit=tem) sehr sehr guten fußballvastand ne ** na dann [H-57] Trotz dieser von allen geteilten sehr positiven Einschätzung im Hinblick auf das taktische Wissen des Trainers und seine Fähigkeit, das Wissen auch den Spielern vermitteln zu können, merkten einige wenige Spieler an, dass Platen in ihren Augen zu ruhig sei: ich hab eigentlich gesacht wenn er jetz * nach der winterpause gekomm war * wär * nich so gut gewesen weil ich hab eigentlich damit gerechnet dass er kommt * weil er au nich weil ich weiß dass er nich so der der pusher is oder der die die Sprüche reinhaut da war der addi genau der * der richtige typ * dass der die jungs mal zusammscheißt oder oder sacht wo wo=s langgeht * ähm *1 *ja aber so jetz vom vom ähm * reden oder *2* also was was er so erzählt das is ähm * hat alles hand und fuß und *ja kann man auch * glauben oder er erzählt nicht irgend=n mist * also ähm **ja kann man * kann man gut verfolgen auch * [...] *2* also vom vom fußballverständnis oder *1 * is er natürlich * ne rakete also auch wie wie * wie ruhich er spricht und ähm * aber er is nich so der typ der * der ein puschen kann. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es niemanden im Verein Fortuna Huke gibt, der eine ähnliche fußballerische Kompetenz und Autorität besäße wie Platen. Die Erinnerung an Platens Art, die Mannschaft zu führen und mit Vorstand und Zuschauern umzugehen, blieb auch noch im Verein und in der Öffentlichkeit lebendig, als längst Platens zwischenzeitliche Nachfolger Volker Camenberg und Addi Kracht die sportliche Leitung übernommen hatten. Dies war auch der Grund, warum der Verein in der Krisenphase erneut Platen als Trainer verpflichtete. Robert Krumenkamp hat es verstanden, von der Plasto AG materiell sehr viel für die Fortuna herauszuschlagen. Das Stadion ist ein reines Fußballstadion, das heißt, dass es keine Leichtathletiklaufbahn besitzt und die Zuschauertribünen unmittelbar bis ans Spielfeld reichen. Die überdachte Haupttribüne ist stieg, davon ist jedenfalls der Vereinsvorsitzende Krumenkamp überzeugt, sei auf das zuvor von Platen eingefuhrte Spielsystem zurückzuftihren gewesen. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 85 für einen Amateurverein recht modern und groß. Die Spielfläche ist komplett eingerahmt von Werbebanden. An der Gegentribüne, die nur Stehplätze aufweist, und an der einen Breitseite befindet sich in ungefähr zwei bis drei Metern Höhe sogar noch eine zweite Werbebande. Es ist für einen in der vierten Amateurklasse spielenden Fußballverein sehr ungewölmlich, dass er so viele Werbekunden zählt wie Fortuna Huke. Alles in allem stehen der Fortuna außer dem Stadion vier Rasenplätze und ein Aschenplatz sowie eine Turnhalle und eine Sauna zur Verfügung das sind fast bundesligareife Trainingsbedingungen, die nicht zu vergleichen sind mit den Bedingungen in Schwarzberg. Die Plasto AG baute der Fortuna zudem ein schmuckes Vereinsheim neben das Stadion. Das Vereinsheim ist der wichtigste Ort der sozialen Interaktion für den Verein, seine Mitglieder und die Besucher. Im Erdgeschoss befindet sich der sehr sauber gehaltene, helle Umkleide- und Sanitärbereich. Während dem Schiedsrichtergespann eine ca. 10 m 2 große Kabine mit eigener Dusche zur Verfügung steht, hat jede Mannschaft zwei jeweils ca. 25 m 2 große geräumige Kabinen für sich. Diese zwei Kabinen sind durch einen Zwischenraum miteinander verbunden, hier befinden sich eine Toilette, ein Waschbecken und ein Duschraum mit 8 Duschen. Im Vergleich zu den Vereinen des gehobenen Amateurfußballs in ihrer Umgebung entschädigt die Fortuna aus der Sicht aller Beteiligten ihre Spieler finanziell eher unterdurchschnittlich, obwohl die Trainingsintensität derjenigen der übrigen Vereine des gehobenen Amateurfußballs entspricht. Die geringeren Verdienstmöglichkeiten werden in Huke dadurch kompensiert, dass die Trainingsbedingungen überdurchschnittlich professionell sind und Bundesligaansprüchen genügen und dass die Aufgaben innerhalb des Vereins professionell wahrgenommen werden. In ethnografischen Interviews schildern Spieler immer wieder, wie einmalig die Bedingungen in dem von Krumenkamp finanziell solide geleiteten Verein seien. Es gebe keinen Ärger mit den Medien und keinen Ärger wegen des Geldes, sagt beispielsweise der Führungsspieler Demmi: robert muss ma gleich bringn * dat is so der mann der hier alles leitet * der hält alles fern und so weit sicha das ein oder andre ** sickat ma durch oda was * oda wenn man n=bisschn tratsch is is aber * s=nich so dass irgendwat an=ne presse * gelangt oda so wie bei andan vaein un so gleich * schulden un was weiß ich spielaboykott un was weiß ich nich alles was es da gibt ne ** un deswegn dat is schon optimal un schon allein die bedingungen haste selber kennen gelernt auch * es gibt hier nichts besseres im ganzen kreis nich un auch ** weita hinaus au nich *3* komm vielleicht nur so bundesligisten dran oda wat die wirklich alle möglichkeiten ham ne aba hier so * du kannst imma gut auf=m rasenplatz trainiern einigamaßn gut * wenn nich dann haste da imma noch mal zur not den aschenplatz 86 Reden und Spielen * aba das is ja wirklich sehr selten wenn wa da mal da draufgehn ne dann muss dat wirklich ne ausnahme sein. Der zweite untersuchte Verein, der SC Glück-Auf Schwarzberg, steht in klarem Kontrast zu Fortuna Huke. Er ist ein Dorfverein, der in viel stärkerem Maße als der bislang beschriebene Verein im städtischen Huke mit der spezifischen Ortsgesellschaft verbunden ist. Schwarzberg ist ein kleines Dorf in Mitteldeutschland. Von der Kreisstadt Dockstedt, einer mittleren Großstadt, liegt es ca. 25 Kilometer entfernt im äußersten Zipfel des Landkreises; bis zur nächstgrößeren Stadt Gulstra, die bereits zum Nachbarkreis gehört, sind es ca. 15 Kilometer. Geografisch getrennt wird Schwarzberg von der Kreisstadt Dockstedt durch einen Höhenzug und einen ausgedehnten Wald. Das Dorf liegt unmittelbar hinter dem Pass, der in den Dockstedter Kessel hinunterführt. Daher gebrauchen Dorfbewohner und Spieler immer wieder die Formulierungen hier oben oder bei uns hier oben, wenn sie auf ihren Ort und den Verein referieren zur Unterscheidung von allen anderen Orten und Vereinen unten in der Dockstedter Ebene bzw. unten im Gulstraer Tal. Vor der Passhöhe, unterhalb der Serpentinen, befindet sich das Dorf Dübbehausen. Es bildet mit Schwarzberg, dem Dorf Ahleheim, welches im selben Tal wie Schwarzberg unmittelbar vor der Kreisgrenze liegt, eine Großgemeinde. Dübbehausen ist das mit Abstand größte Dorf der Großgemeinde. Im Verlauf der letzten Jahre entwickelte es sich zum „Boom-village“. Um den alten Dorfkern herum wurden mehrere Neubaugebiete erschlossen, sodass Dübbehausen seine ursprüngliche dörfliche Geschlossenheit verlor, an den Rändern stark ausfaserte und wie eine von vielen Schlafstädten im Einzugsbereich von deutschen Großstädten wirkt. Durch den Zuzug vieler Bürger aus der Kreisstadt Dockstedt, die sich in Dübbehausen den Wunsch vom Eigenheim draußen vor der Stadt erfüllten, wuchs das Dorf um gut ein Viertel auf inzwischen ca. 5.000 Einwohner. Die beiden Dörfer hinter der Passhöhe, Schwarzberg und Ahleheim, sind dagegen viel kleiner: In Schwarzberg leben ca. 1.200, in Ahleheim nicht einmal 1.000 Menschen. Im Unterschied zu den Dübbehausenern haben die Schwarzberger und Ahleheimer in den letzten 25-30 Jahren bewusst darauf geachtet, dass ihre dörfliche Struktur nicht durch die Ausweisung von neuem Bauland und den Zuzug Fremder zerstört wurde. Der langjährige, einflussreiche Lokalpolitiker Gert Decoursy, der auch eine zentrale Rolle im Sportverein des Dorfes spielt, erzählt, er sei wie ich hier * damals in de politik hier eingestiegen bin un so * äh der auffassung gewesen dass schwarzberg nicht größer werden soll ne mein jetz in zwei jahrn werde ich ausscheiden * aba immerhin in den fümmenzwanzich jahrn oder achtnzwanzich jahrn wo ich das * oder jetz in fümmenzwanzich jahrn * das hier mitgeprägt hab is also schwarzberg einwohnermäsich nich größer geworden ne *2* un wir sind immer so konstant geblieben * was die äh äh Zukunft kommt oder so dann * Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 87 wird irgendjemand komm der ne andre idee hat weiß ich nit aber ich bin der meinung äh au hier auf=m dorf muss es so sein dass die dörfliche Struktur erhalten wird * weil hier solln leude wohn die sich im dorf wohl fühln * un nich die herkomm um nur hier zu schlafen un in dockstedt zu arbeiden. Der SC Schwarzberg ist der einzige Sportverein im Dorf. Er spielt die größte soziale Rolle im Dorfleben, besonders seine Fußballabteilung. Etwas mehr als die Hälfte der 1.200 Dorfbewohner ist aktives oder passives Mitglied im Sportverein, gut ein Viertel ist Mitglied bei den Fußballern. 10 Prozent der Bevölkerung sind aktive Fußballer. Der herausgehobene soziale Stellenwert des Vereins im Dorfleben lässt sich an vielen weiteren Faktoren belegen. Wer politisch Karriere im Dorf machen wollte oder dies in Zukunft plant, kam bzw. kommt an dem Verein nicht vorbei. Der jahrzehntelang an der Spitze des Vereins stehende Ehrenvorsitzende Friedrich Klaus spielte in den politischen Gremien des Dorfes fast dreißig Jahre lang die wichtigste Rolle und wird von kritischeren Dorfbewohnern „Der Pate von Schwarzberg“ genannt. Der jetzige Bürgermeister der Großgemeinde spielte selbst aktiv beim SC Glück-Auf und war anschließend lange Jahre sowohl erster als auch zweiter Vorsitzender. Der bereits genannte Gert Decoursy, langjähriger Ortsvorsitzender der Mehrheitspartei und Bezirkssowie Landesdelegierter, wechselte sich in den Vereinsvorstandsämtern mit dem jetzigen Bürgermeister ab. Auch nach seinem offiziellen Ausscheiden aus dem Vorstand des SC Glück-Auf ist Decoursy nicht aus dem Sportverein wegzudenken. Durch diese Verknüpfung der wichtigsten politischen Ämter und der Vereinsämter konnte der Sportverein seine Stellung innerhalb des Dorfes festigen und ausbauen. So sorgten die Gemeindevertreter durch einige intelligente Haushaltstricks z.B. dafür, dass bestimmte Arbeiten, die der Sportverein eigentlich hätte bezahlen müssen, vom kommunalen Haushalt übernommen wurden. Diese versteckten Hilfen konnten die Gemeindevertreter leisten, obwohl die Gemeinde wegen Überschuldung mehrere Jahre unter der Finanzaufsicht des Regierungspräsidiums stand. Beide Vereine, Fortuna Huke und SC Schwarzberg, rekrutieren ihr Personal nicht mehr vorwiegend aus der lokalen Gesellschaft, sondern aus der regionalen Umgebung und zum Teil aus dem Ausland wobei das Reservoir an guten Spielern und Trainern im Ballungsgebiet verständlicherweise viel größer ist als in dem ländlichen Gebiet. Daher verdienen die Spieler in Huke ungefähr auch das Dreifache von dem, was die Spieler in Schwarzberg verdienen. Während dieser Professionalisierungsschritt, sich Spieler von anderen (z.T. ausländischen) Vereinen zu holen, in Huke unproblematisch ist und sich mit den alltäglichen Erfahrungen der Bewohner in ihrem Arbeits- und Freizeitleben deckt, stößt er in Schwarzberg auf Widerstand. Wie einige alteingesesse- 88 Reden und Spielen ne Schwarzberger empörte sich auch Uwe „Groovy“ Backhaus, der selbst in der Schwarzberger Mannschaft spielt, über die Verpflichtung eines tschechischen Spielers: un dann holn mer plötzlich * nix gegen den havel is=n lieber guter kerl da holn=mer plötzlich jemanden * n=wochenendtschechen wir ham noch vor fünfjahrn ham wer über kallenstruth gelacht die sowas gemacht ham * wir ham gelacht wir ham gesucht * was machen die wie könn die so jemand holn der muss doch in * in uns reinpassn in die mannschaft des muss doch au=n kerle sein n=kumpel der die ganze woche da is * das war plötzlich is das egal * das is plötzlich gar kein thema mehr des wird einfach gemacht. Obwohl die Verpflichtung von Jiri Havel bereits drei Monate zurückliegt, ist Groovy immer noch der Meinung, dass es einfach grundsätzlich falsch sei und den mannschaftlichen Zusammenhalt gefährde, nur aus Angst vor dem Abstieg mitten in der Serie einen fremden ausländischen Spieler zu verpflichten; einen Spieler, der nur für drei, vier Tage die Woche in Schwarzberg sei, der kein Deutsch spreche und mit dem man sich nicht unterhalten könne. Das sei selbst dann falsch, wenn der Neue so wie Jiri erfolgreich sei und die Tore zum Klassenerhalt schieße. Dies äußerte Groovy so auch vor den Mitspielern: ich sare nur sowas ham wer noch nie gemacht * un selbs wenn der havel sechs tore schießt un hält uns in der verbandsliga ich sare es is einfach falsch dass wir sowas machen * weil * der mann is de ganze woche nit da der kommt am donnersta.ch undfährt am sonnda.ch * mit dem kannst dich nach=m spiel net unnahalden du kannst dich überhaupt net mit ihm underhalden * weil er kein deutsch kann * ich sach der pa “sst doch nit hier her der * is en lieber guter kerle aber er pa“sst doch einfach nit der passt nit in unser gefüge ** [zitiert einen Mitspieler] wenn er tore schießt un wir bleibn in=ner verbandsliga^ * [normale Stimme] das war so der punkt wo ich gesackt hab scheise is denn mittlerweile alles egal'l * geht es denn nur noch um=m erfolgt. In Schwarzberg profitieren die Fußballer gerade davon, dass Schwarzberg keine anonyme Stadt, sondern ein kleines Dorf hinter den Bergen ist. Die Stärke Schwarzbergs ist die Qualität der sozialen Reziprozität sowohl in der Mannschaft als auch mit der Dorfgesellschaft. Drei alte Vereinsmitglieder kochen seit zehn Jahren jeden Donnerstag ein dreigängiges Menü, das den 30 Spielern der ersten und zweiten Mannschaft nach dem Training serviert wird. Die Spieler, vor allem diejenigen, die bereits bei höherklassigen Vereinen in der Kreisstadt Dockstedt gespielt haben wie Mannschaftskapitän Torsten Fritz, halten dieses Engagement der älteren Mitglieder für die Mannschaft keineswegs für selbstverständlich. Ein solches „Umfeld“ sei einmalig, meint Torsten. Das stärke die soziale Bindung zwischen den Spielern und den sie bekochenden und bedienenden Vereinsmitgliedern und somit zwischen Spielern und Verein. Das seien aber die Vorzüge eines Dorfvereins. In den Stadtvereinen sei so etwas gar nicht möglich: was * noch der ausschlachgebende punkt is das wirklich * mit dem essen hier obn * un das is wirklich glaub ich das * bi“ndet noch das letzte bisschen so was vleicht * vorher ge- Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 89 wesen wäre un so un das is wirklich * das is glaub ich fast einmalich das hab ich nämlich au ehrlich gsagt früher * nirgendwo anners dann so mitge(macht? ) un * weil man auch ** grad bei stadtverein is das eh nit so das sin halt die dörflichen vereine wo wirklich * hm sag ich ma die kameradschaft an erster stelle steht un sowas ne un das is * das is wirklich schön. Die Engmaschigkeit des sozialen Netzes im Mannschaftskreis und in der lokalen Gesellschaft zeigt sich zum Beispiel darin, dass den Fußballern beim Hausbau geholfen wird, ihnen Arbeitsplätze oder Wohnungen besorgt oder ihnen immer wieder sonstige materielle Geschenke wie ein Satz Winterreifen, ein neuer Kühlschrank u.Ä. gemacht werden. 4.1.3 Der Handballverein THV Köttersen Das dreiteilige Modell der sozialen Welten im Fußball lässt sich nach meinen Beobachtungen auch auf den Handball übertragen. Der beobachtete Handballverein THV Köttersen gehört zur Welt des gehobenen Amateurhandballs, spielt in der dritthöchsten Spielklasse, der Regionalliga, und steht auf der Grenze zum Professionellentum. Dieser Status ist jedoch jedes Jahr gefährdet, weil die finanziellen Leistungen nur zum Teil von Vereinsmitgliedern und alteingesessenen Köttersener Bürgern zusammengetragen werden, zum Teil aber aus den Privatschatullen der neuen Wohlhabenden in der Stadt bezahlt werden müssen. Die Finanzierung durch die neuen Wohlhabenden hat häufig auch Imagegründe. Der Manager des THV, Bernd Nullmeier, gab im ethnografischen Interview an, sich mit dem Engagement beim THV einen Namen machen zu wollen: sicherlich is es auch so * dass man in köttersen sagn=wa mal das das geschäftliche auch nich vergessen darf * es is sicherlich so * dass das private un das geschäft dazugehörn ** das is ganz klar * ne ich hab also ein vasicherungsbüro und ne immobilienfirma und * köttersen is natürlich dadurch * steicht natürlich auch mein * bekanntheitsgrad. Die Gegend um Köttersen herum unterscheidet sich von anderen Regionen Deutschlands auf sportlicher Ebene dadurch, dass bei den Mannschaftssportarten zwar Fußball immer noch am meisten Popularität genießt, relativ viele Menschen jedoch selbst Handball spielen, in einem Handballverein organisiert sind oder sich zumindest für Handball interessieren. Auf regionaler Ebene ist der untersuchte Verein daher nur ein Handballverein unter vielen, die Konkurrenz, sagen professionelle Beobachter der Szene, sei riesengroß. Im Umkreis von ca. 100 Kilometern spielen vier Vereine in der ersten und zweiten Bundesliga, drei weitere sind direkte Konkurrenten der Köttersener in der Regionalliga. Der THV Köttersen, so die professionellen Beobachter, sei insgesamt in de“r Sportart hier in der ecke nur die nummer- *fü“nfl ** frü“bestens aller/ a“llerbestens die nummer fünfi gleichauf * zur zeit noch 90 Reden und Spielen mit s g 85~ swienbült- und t g g l also drei vereine die au “ch auf dem niveau spielni * und im unmittelbaren einzugsbereich liegend. Die Stadt Köttersen gilt in den Augen der professionellen Beobachter im Unterschied z.B. zur Universitätsstadt Grautenberg als handballstadt ganz klar. Dies liegt zum einen am Verein des Stadtkerns, THV Köttersen, und seiner traditions- und erfolgreichen Vergangenheit. Seit Jahrzehnten spielt der Verein fast ohne Unterbrechung in der Regionalliga, und er ist der ranghöchste Sportverein des Landkreises. Es gibt zwar, wie die Informanten mitteilen, noch weitere andere Sportangebote in der Stadt wie Faustball etwa, Volleyball, Tischtennis, Judo und Tennis. Der aus dem Ort stammende und beim THV arbeitende Handballtrainer Thomas Schleisiek ist jedoch der Meinung, dass es der THV Köttersen sei, mit dem sich die Stadt identifiziere: das dorf denk ich schon lebt immer noch von der tradition äh des der handballabteilung. Auch heute noch ist der THV der Verein mit dem größten Renomee, dem größten Zuschauerzuspruch in der Stadt und dem größten Medienecho im Landkreis. Er sei, so Schleisiek, ein reiner handballverein kann man sagen zumindest wo der handball als leistungssport immer im Vordergrund gestanden hat * wo recht vielfür getan worden ist. Zum anderen rührt der Ruf Köttersens als Handballstadt aber auch vom Verein des angrenzenden Stadtteils Kaudorp, dem HC Kaudorp, her, dessen erste Mannschaft in der vierthöchsten Handballklasse antritt. In beiden Vereinen wird im Gegensatz zu den übrigen Ortsteilen nicht der Nationalsport Fußball, sondern hauptsächlich Handball gespielt, wie Schleisiek erklärt: also gut in dem ort köttersen selbst gibt=s fußball auch {klar) * schon mal der versuch gemacht worden aber das gab große Spannungen und da wird fußball auch keine chance haben in diesen Vororten ja also nordkampen gehört zwar zu kampen aber grenzt ja direkt an köttersen oder in kiesel-weeste gibt=s fußball und lüttenhausen die haben fußball * aber kaudorp und köttersen sind eben reine handballvereine. Auch wenn der THV Köttersen in den Augen der professionellen Beobachter im Gegensatz zum TG Grautenberg schon ne feste große in der liga is und sich sicherlich im laufe der letzten jahre auch einen jewissen ruf erworben hat, musste die Vereinsführung sich doch immer Sorgen machen, wie sie genügend Geld für die nächste Spielzeit auftreiben konnte. Dies bestätigen auch die Spieler. Wolfgang „Schussel“ Schusselmann sagt, ich bin jetz im fünften jahr da * und es gab in jeden je/ in jedem jahrfinanzielle probleme. Die ständigen Finanznöte führen die Kenner des Vereins darauf zurück, dass sich keiner in der Führungsebene richtig gekümmert habe und dass es am handballverstand dieser herren da mangele. Vor Beginn der Saison, in der ich Köttersen beobachtete, war das Geld so knapp, dass lange fraglich war, ob der Verein noch eine Mannschaft stellen würde. Darauf wollten viele Stamm- Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 91 spieler den Verein verlassen, u.a. die beiden besten Spieler, zwei ehemalige Bundesligaprofis. Als man sich dann doch zum Weitermachen entschied, hatte der THV große Schwierigkeiten, genügend qualifizierte Spieler und einen renommierten Trainer zu verpflichten. Kenner der Szene sagen übereinstimmend, dass Thomas Schleisiek sicherlich nie trainer des Vereins geworden wäre, wenn er nicht in dem moment * was die finanzen anbetrifft [...] ja die die die mit abstand die billigste lösung gewesen wäre ** und er eben auch ein echter köttersener ist - und wenn er nicht Sohn von Dietrich Schleisiek wäre, eine der wichtigsten Figuren im Hintergrund des Vereins. Thomas sei einer, der sich mit dem Verein voll und ganz identifiziert. Seine Verpflichtung habe jedoch, meint ein anderer Informant, auch noch den weiteren Vorteil gehabt, die notorische destruktive Energie seines Vaters gegenüber dem Team einzuschränken: wenn dietrich sich nun eben sich querstellt äh * is schlechte Stimmung im gesamter handball/ in der gesamten handballabteilung ne * is so * und insofern is natürlich besser wenn sein sohn * schon mal dabei is * dann wird er aufjeden fall nich so häufich gegen den trainer oder gegen die mannschaft schießen ne * weil er sich auf andere sacken konzentriert * also das darf man nich ausser acht lassn * ich denk es is scho ma ganz vorteilhaft * wenn man so=ne * gefahren * quelle immer ausschließt von vornherein ne. Zum Glück für den THV Köttersen kamen wenigstens fast alle Spieler des alten Stamms zurück, auch wenn sie ihre bereits getroffenen Abmachungen mit anderen Vereinen rückgängig machen und einen Imageverlust in der regionalen Handballszene befürchten mussten. Die Folge dieser erschwerten Spielersuche war, dass der THV einen der kleinsten Spielerkader der Regionalliga hat: Neun Feldspieler und zwei Torleute, die für ein Jahr oder zwei Jahre an den Verein gebunden werden konnten. Alle, sowohl Sponsor, Trainer, professionelle Beobachter wie auch die Spieler, bezeichnen den Kader als viel zu klein, um eine ganze Serie zu bestreiten, und als einen der entscheidenden Faktoren, warum die erste Hälfte der Saison so chaotisch verlaufen sei: im gründe genomm, sagt Leistungsträger Wolfgang, habe man ne rumpftruppe eigentlich ich sach rumpftruppe aber von der anzahl her ne * wir sind ein kleiner illustrer kreis * der auf einigen Positionen sicherlich nich schlecht besetzt war der nur * das zeichte sich dann auch relativ schnell diese saison wenn * wir ham also sechs gute leute * da nehm wir mal die erste sechs die torwarte nehmen wir mal * raus * und äh ** wenn alle sechs normale leistung bringn * lief das noch gut ne * aber wehe es fiel ma einer aus grade wenn einer aus dem rückraum ausfiel oder ma=n schlechten tach hatte oder * hatten wer fast nie ne chance zu gewinn. Die kleinste Verletzung, so die professionellen Beobachter, eines vermeintlichen leistungsträgers oder eines tatsächlichen leistungsträgers führt zu einem niveauverlust der mannschaft um * zwanzich fünfnzwanzich prozent * bei vielen wichtigen spielen * die * in * voller besetzung vielleicht hätten gewonnen werden können. 92 Reden und Spielen Um die sozialen Unterschiede zwischen den Fußballvereinen und dem THV deutlich zu machen, präsentiere ich einen kurzen Abschnitt aus der ethnografischen Beschreibung, in der ich auch auf meine Erfahrungen mit Fußballern und Handballern als freier Mitarbeiter einer Zeitung zurückgreife: „Handballer sind anders als Fußballer. Aus meiner langjährigen Erfahrung mit Vereinsfiißballem und Vereinshandballem weiß ich, und dies wurde durch die ethnografische Beobachtung bestätigt, dass sie verschiedenen sozialen Milieus entstammen. Die Welt der aktiven Fußballer läßt sich, grob gesagt, als Welt der Arbeiter und Angestellten beschreiben, während im Handball mehr Akademiker und gehobene Angestellte zu Hause sind. Auch die Handballer selbst haben von sich das Bild, ein besonderes Völkchen zu sein: Ein geselliges und tolerantes Völkchen, das seine Angehörigen auch im Ausland sofort erkennt. Wolfgang hat für sich festgestellt irgendwo mögen die handballer sich alle ganz gerne gegenseitig ne * wenn=de irgendwie wem=de jetzt was weiß ich * fährste in=s ausland * handballer die treffen sich fast immer * ja weiß ich au nich ganz komisch ne irgendwie * suchen undfinden die sich * ich weiß nich ob das bei andern Sportarten auch so ist [...] es gibt nich so viele * die * sich in son son son so in ein soziales gefüge nich einordnen könn ne * und beim handball die meisten könn das * das merkse auch in den bindungen jetzt * außerhalb * deines spiels ne * der tägliche Umgang * mit den andern ne merkse sofort ob einer in=ner mannschaft groß geworden is oder nich [...] da hab ich eben festgestellt * irgendwie mögen sie sich alle ne * es gibt ma auch abneigungen aber grundtendenz is so ne * keine ablehnung * unabhängig wo se spielen oder so * ob im Süden oder norden spielen egal welche klasse * kommen halt ewig zusamm * hat man gleich=n gesprächsthema ne.“ [Ethnografische Beschreibung Köttersen] Im Hinblick auf die sprachliche Darstellung ihrer sozialen Welt fiel mir an den ethnografischen Interviews auf, dass die Handballer ihre Perspektive auf ihre Welt und auf ihren Verein expliziter, subjektiver und eindeutiger äußern. Sie benannten die Kategorien expliziter und definierten sie detaillierter als die von mir interviewten Fußballer. 4.2 Gruppen in der Welt des gehobenen Amateurfußballs: Mitglieder, Rollen, Rollengerüst, Kemaktivitäten, Handlungsanforderungen 4.2.1 Der Verein: Geschlecht, Ausbildung und Alter seiner Mitglieder Die Gruppenmitglieder in einem Verein des gehobenen Amateurfußballs 79 sind in der Regel der Trainer, der von ihm betreute Kader der ersten Mann- 79 Ich gehe von dem häufigsten Fall aus, dass die Fußballabteilung die größte und wichtigste Abteilung des Vereins ist und daher die Interessen des Vereins im Wesentlichen bestimmt. Die übrigen möglichen Abteilungen sowie ihre sozialen Gruppen werden hier nicht mitberücksichtigt. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 93 schaft, der Vorstand sowie die Leitung der Fußballabteilung, die Betreuer, der Manager, der Masseur, die im „Freundeskreis“ zusammengeschlossenen Förderer des Vereins, der Mannschaftsarzt, der Kader der zweiten Mannschaft und ihr Trainer, die Jugendmannschaften und ihre Trainer, die übrigen Seniorenmannschaften und ihre Trainer, die einfachen Vereinsmitglieder und die im Verein ehrenamtlich tätigen Mitglieder. Flinzu kommen die vom Verein angestellten Personen, die für die Säuberung und Instandhaltung des Clubhauses inklusive der Kabinen sowie für die Bewirtung der Sportler und Gäste in der Vereinsgaststätte zuständig sind. Die genannten Mitglieder der Gruppen sind fast ausschließlich Männer. Lediglich im Kreis der Förderer, unter den einfachen Vereinsmitgliedern und unter den vom Verein angestellten Personen befinden sich einige Frauen. Die numerische Dominanz der Männer spiegelt sich wieder in der Besetzung der oberen hierarchischen Ebenen. In der Regel werden die Ämter und die wichtigen Aufgaben in einem Verein des gehobenen Amateurfußballs nicht an Frauen vergeben. Die meisten der Mitglieder sind als Arbeiter, Facharbeiter, als untere bzw. mittlere Angestellte beschäftigt und haben ihre Ausbildung abgeschlossen, wobei nur die wenigsten Mitglieder eine akademische Ausbildung hinter sich haben. Nur sehr wenige sind noch Schüler oder Studenten. Auch innerhalb der Seniorenmannschaften bilden die Schüler und Studenten die Ausnahme. Die Mitglieder der Gruppen gehören unterschiedlichen Altersgruppen an. Fast immer lassen sich zwei große Altersgruppen unterscheiden: Die Fußballspieler, einige Trainer und Masseure zählen in der Regel zu der Altersgruppe der Jüngeren bis ca. 35 Jahre; die Mitglieder des Vorstands, des Förderkreises, der Manager, die Betreuer, der Mannschaftsarzt, die ehrenamtlichen Vereinsmitglieder sowie mancher Trainer zählen dagegen meist zu den Älteren ab Mitte 30. In einigen wenigen Gruppen der Vereine wie z.B. den Jugendmannschaften oder den Seniorenmannschaften erklärt sich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe bzw. zu bestimmten Jahrgängen aus den Bestimmungen des Verbandes. Allerdings stellt dies eine Ausnahme dar. Innerhalb einer Gruppe können größere Altersunterschiede herrschen. Hukes Trainer Platen beispielsweise ist Anfang 50, das Durchschnittsalter seiner Spieler beträgt ca. 24 Jahre. Der Schwarzberger Trainer ist dagegen Ende 30, Köttersens Trainer sogar erst Mitte 30. Das Durchschnittsalter ihrer Spieler liegt in Schwarzberg bei ca. 25 Jahre, in Köttersen bei ca. 28 Jahre. Die Mitglieder der genannten Gruppen in einem Verein stehen miteinander in wechselseitigen sozialen Beziehungen. Diese Beziehungen haben dynamischen Charakter und sind einerseits durch den Arbeitsbogen geprägt, andererseits durch Gemeinsamkeiten und Unterschiede. So bestand bei den Schwarzberger Spielern der Eindruck, der Vorstand tue für die Alte-Herren- 94 Reden und Spielen Mannschaft (Spieler, die älter als 35 Jahre sind) mehr als für die erste Mannschaft: Die Unzufriedenheit der Spieler mit dem Vorstand rührt zusätzlich daher, dass der erste und der zweite Vorsitzende in der Alte-Herren-Mannschaft des SC Glück-Auf Schwarzberg spielen und die Spieler der ersten Mannschaft den Verdacht haben, die Prioritäten im Verein hätten sich zu Gunsten der Alten Herren und zu ihren Ungunsten verschoben. Während die Erste mit alten Bällen trainieren müsse, die noch nicht mal aufgepumpt seien, hätten die Alten Herren ein Netz mit den neuesten und besten Modellen. Ähnliche Vorwürfe werden wegen der vom Verein gestellten Trainingsanzüge geäußert. Als der zweite Vorsitzende Claus Nitze die Trainingsanzüge für die Erste vorgestellt habe, hätten die Spieler mit einhelliger Ablehnung reagiert, erzählt Torwart Hans: Er selbst habe Nitze geantwortet wozu soll ich soll ich=n zum au‘‘to*putzn nehm oder was also so * auf=mpla"tz siehst du mich mit dem ding net laufen da lauf ich net mal mit im dunkeln durch de Waschküche. Die Trainingsanzüge der Alten Herren seien dagegen vom Allerfeinsten. Sicherlich, die Alten Herren hätten aus ihrer eigenen Tasche Geld draufgelegt, um diese feinen Anzüge zu bekommen. Aber hätte man die erste Mannschaft gefragt, wäre auch sie zu einem Eigenbeitrag bereit gewesen, um wenigstens ein gut verarbeitetes, ästhetisch ansprechendes Modell geliefert zu bekommen. [Ethnografische Beschreibung Schwarzberg] 4.2.1.1 Sozialisationserfahrungen der Vereinsmitglieder in den Welten des Fußballs Wegen des fußballerischen Niveaus des gehobenen Amateurfußballs und wegen der an sie gestellten Anforderungen ist die Sozialisation im Fußball für Spieler und Trainer des gehobenen Amateurfußballs wichtige Voraussetzung. Mir ist kein Trainer oder Spieler des gehobenen Amateurfußballs bekannt, der die sozialen Welten des Fußballs nicht von früh an durchlaufen hätte und der nicht durch sie im Wesentlichen geprägt worden wäre. Die ersten Sozialisationserfahrungen in Vereinen haben Spieler und Trainer meist bereits in der Kindheit, d.h. mit sechs bis zehn Jahren, spätestens jedoch in der Jugend mit zehn bis 14 Jahren gemacht. Die Stimuli, in einen Fußballverein einzutreten, werden oft von Gleichaltrigen und Geschwistern geweckt, aber auch von Eltern und Bekannten. Die Motivation der Eltern und Bekannten für die Anmeldung der Kinder in den Fußballvereinen liegt oft darin, dass sie selbst noch Fußball spielen oder früher selbst aktiv gewesen sind. In anderen Fällen, dies zeigt der folgende Ausschnitt aus einem ethnografischen Interview mit einem Spieler, liegt die Motivation der Väter aber auch gerade in dem Umstand, dass sie selbst nicht Fußball spielen durften: ich hatte einmal echt * irgendwann mal den draum * im fussball geld zu verdien aber den hab ich schon ausgedräumt * weil ich hatte * damals wo ich ich hatte * zweimal de schangse zu den dockstedtern zu gehn * eima ** da: hat der vatter gesackt nee das Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 95 mach mer jetz noch nit das war * anfang ce-jurend * sam=ma gut denn was is * was is denn ce-jurend da weiste nit ob de noch=n jahr später nochfußball spieln willst * heude würd ich sagn verkehrt * sacht mein vatter heute auch wem=mer das gewusst hädden hädden wer=s einfach gemacht * weil mein vatter * der wollde früher immer fußball spieln un durfte nie * von seim opa aus nit *ja un dann hab ich dann irgendwann * gesucht ich willfussball spieln un da war er natürlich hellauf begeistert hat mich durch de gegend gefahn un alles * wenn ich zum beispiel gesucht hab hier sonndach morjen * hab ich=n wach gemacht um acht hab gesucht vatter du musst mich um halb zehne musste mich da un da hinne fahrn * hat er aufgestanden frühstück angezogn sim=mer losgefahrn * das hat der gemacht. Die meisten der Spieler sind nicht nur durch einen Trainer, einen festen Mitspielerkreis und einen Verein geprägt worden. Sie haben mehrere Jugendmannschaften durchlaufen, wobei die Spieler eines Jahrgangs alle zwei Jahre in die nächstältere Mannschaft aufrücken und meist einem neuen Trainer unterstellt werden. Das bedeutet auch, dass jeder Jahrgang jedes Jahr neue Mitspieler hat. Die Seniorenspieler sind in ihrer Jugend oft Mitglieder von Auswahlmannschaften des Fußballkreises, des Fußballbezirks, des Landesverbands oder gar der Nationalmannschaft gewesen, wo sie mit neuen Mitspielern und neuen Trainern konfrontiert werden. Außerdem verlassen viele Spieler bereits in der Jugend ihren Heimatverein und wechseln zu einem klassenhöheren oder prestigeträchtigeren Club. In den Seniorenmannschaften ist der (ein- oder mehrmalige) Vereinswechsel die Regel. Nur in den seltensten Fällen bleibt ein Spieler im Verlaufe seiner Karriere bei ein- und demselben Verein. Damit unterscheidet sich der Spieler des gehobenen Amateurfußballs von dem Freizeitspieler. Einer der Spieler, der bei einem kleinen Dorfverein mit dem Fußballspielen begonnen hatte, erzählte mir, sein Vater habe auch Fußball gespielt, und auch in demselben kleinen Verein wie er. Sein Vater sei aber stets bei diesem Verein geblieben, obwohl er auch die Möglichkeit gehabt habe, höher zu spielen. Er meinte, sein Vater habe nicht den Mut gehabt zu wechseln. Der idealisierte, nicht gestörte Karriereverlauf eines Spielers 80 sieht die Phasen der Vorbereitung, der Stabilisierung und der Rückführung vor: In einer aufsteigenden Entwicklungs- und Vorbereitungsphase bildet der Spieler in unteren Klassen sein individuelles Können aus und qualifiziert sich für die ihm angemessenen Spielklassen. In den ihm angemessenen Spielklassen verfeinert und stabilisiert er während seiner Höchstleistungsphase sein taktisches, technisches, physisches und psychisches Potenzial. Die aktive Spieler- 80 Vgl. auch Väth (1994), der einen ähnlichen Karriereverlauf für den Profifußballer zeichnet. Ähnliche Karriereverläufe mit den Kern-Phasen „Vorbereitung - Stilisierung - Rückführung“ sind auch bei den meisten Trainern zu beobachten. Zu Prozessstrukturen des Lebensablaufs aus soziologisch-interaktionistischer Perspektive vgl. Schütze (1981). 96 Reden und Spielen karriere läuft in einer absteigenden Phase des physischen Leistungsvermögens, das durch die Rückkehr in untere Leistungsklassen zum Teil aufgefangen wird, aus. Dieser ideale Karriereverlauf, der auch für die idealisierte Trainerkarriere gilt, wird im realen Karriereverlauf auf vielfältige Weise gestört und fächert sich tatsächlich in mehrere Phasen der Vorbereitung, der Stabilisierung, der Rückführung und der erneuten Vorbereitung etc. in unterschiedlichen sportlichen Leistungsklassen bzw. auf unterschiedliche Leistungsniveaus auf. Abbrüche oder Unterbrechungen dieser idealtypischen Verläufe ergeben sich z.B. durch Verletzungen. Mit welchen biografischen Problemen solche Verletzungen verbunden sind, verdeutlicht folgender Ausschnitt aus dem ethnografischen Interview mit dem Amateurspieler Tim. Tim war in seiner Jugend in die Juniorennationalmannschaft berufen worden und spielte mit den späteren Weltmeistern Andreas Möller und Bodo Illgner in einer Auswahlmannschaft. Nach zwei schweren Knieverletzungen kurz hintereinander wurde Tim vom DFB zu keinen weiteren Lehrgängen oder Länderspielen mehr eingeladen: ich keine einladung kein brief un kein gar nix mehr da war man praktisch von der liste verschwunden * un da hab ich wirklich dran zu kämpfen gehabt ma irgendwo * ich war am boden zerstört ich wollte eigentlich nich mehr spieln * das war halt höhere gewalt * wer weiß was gewesen war ob ich=s ge/ das: steht ersma außen vor * aber doch die möglichkeit * sich selber zu präsentiern un zu zeigen die wurde einfach dir gar nich gegebm * man is durch ne Verletzung praktisch außen vor geschobn worn * das hat mir sehr zu denken gegebn un hat mir unheimlich wehgetan. Wichtig scheint es mir, an dieser Stelle einen kurzen Einschub zu machen und auf die Divergenz und Konvergenz individueller und kollektiver Handlungsinteressen hinzuweisen. Aus der Perspektive des Seniorenspielers, der von einem Fußballverein verpflichtet wird, heißt dies, dass ihm die Möglichkeit gegeben wird, an einem kollektiven Ereignis teilzuhaben. Die Teilhabe an diesen kollektiven Ereignissen verschafft ihm Eindrücke des Aufgehobenseins in einer Gruppe Gleichgesinnter sowie die Befriedigung von Bedürfnissen als Mitglied dieses Kollektives, wie er sie sich alleine so nicht verschaffen könnte. Gleichzeitig stellt er durch seine Teilhabe die soziale Basis dafür her, dass seine Mitspieler ähnliche Eindrücke erfahren und Bedürfnisse befriedigen können, wie er sie selbst gemacht hat. Das gemeinsame Interagieren auf dem Spielfeld, der erfolgreiche Vollzug der Interaktion mit den Mitspielern, die Vervollkommnung kollektiver Fähigkeiten im Verlauf einer Meisterschaft, Sieg und Aufstieg sind Geschehnisse, die der einzelne Spieler so nur in der Mannschaft und mit der Mannschaft erleben kann. Andererseits aber erfährt sich der Einzelne auch im Kollektiv als Einzelner. Die Teilhabe am Kollektiv ermöglicht es ihm auch, individuelle Interessen zu verfolgen und individuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Er kann während des Wettkampfs und nach dem Wettkampf auf sein Spiel schauen und sich an seinen individu- Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 97 eilen Bewegungen, an seinen kleinen individuellen Erfolgen erfreuen. Er kann die gemeinsamen Spiele als Plattform benützen, dem Trainer und den Mitspielern zu demonstrieren, dass er über bessere fußballerische Fähigkeiten verfügt als sein Teamkollege, mit dem er um dieselbe Position in der Mannschaft konkurriert. Er kann sie als Plattform zur Herstellung eines individuellen Verhältnisses zwischen sich und dem Publikum benützen. Das Spiel mit den Mitspielern auf der gemeinsamen Bühne ist ihm immer auch ein Mosaiksteinchen in der individuellen Karriere, und so mag der Spieler auf der Bühne einbrechen und erkennen, dass dies nicht seine Welt ist. Er kann aber auch das individuelle Glück erfahren, dass die Bühne zu einem Karrieresprungbrett wird und er seine individuelle Darstellung demnächst auf professionelleren Bühnen wird darbieten können. Mit anderen Worten: Das gemeinsame Spiel ermöglicht es dem Einzelnen, sowohl individuelle wie kollektive Handlungsinteressen zu verfolgen, und er wird wohl immer hin- und herschwanken in der Wahrnehmung seiner selbst als Mitglied eines Kollektivs oder als Selbstdarsteller. Das Austarieren dieser Handlungsinteressen erfordert das Gespür und die Sensibilität des Spielers. Die Überbetonung individueller Interessen schwächt die Mannschaft, sie isoliert ihn im Team, beraubt ihn der Bühne, auf der er seine Fähigkeiten darstellen will, und letztlich auch der Erfahrungen sowohl des erfolgreichen Spielens im Kollektiv als auch des erfolgreichen Spielens als Individuum. Die Überbetonung der kollektiven Handlungsinteressen aber kann dem Spieler den Blick darauf verstellen, dass er immer auch seine eigene Karriere verfolgen und sich auf der Bühne des Fußballs als Individuum darstellen muss, um überhaupt in einer Mannschaft spielen zu können. Diese Verbindung zwischen Eigennutz und Mannschaftsgeist scheint auch im folgenden Ausschnitt aus einem Interview mit einem Führungsspieler in Huke auf: is ja nich so dass i=irgendwie * eigensinnich bin oda wat nur denk äh komm wenn * wir heute * weil wa gut spieln oda wat dann seh ich au gut aus oda was ne * sicha denkt man irgendwo scho“n an sich ne das=s ganz klar ne * muss man ja auch * irgendwann den muss man ja auch ham ne aba ich sach mal dat is dat geht aba nich so weit dass ich nur sach * ich denk nur an mich oda was ne. Die biografische Identität der Profiwie der Amateurtrainer ist nicht nur vorgeprägt durch Sozialisationserfahrungen in ihrer Kindheit und Jugend innerhalb und außerhalb der sozialen Welt des Fußballs, sondern im Wesentlichen auch durch ihre abgeschlossene Karriere als Seniorenspieler. Sie haben in ihrem Fußballer-Leben verschiedene Trainer erlebt und Erfahrungen mit den unterschiedlichen Erscheinungsformen von Trainingsgestaltung, von Spielerführung und von fußballerischen Konzepten gemacht. Jene ehemaligen Trainer können die Funktion von signifikanten Anderen übernehmen und die biografische Identität des Trainers bereits vor seiner Ausbildung entscheidend geprägt haben. Die Vorprägung kann allerdings auch durch das produktive Zusammentreffen des Spielers (und zukünftigen Trainers) mit anderen Spie- 98 Reden und Spielen lern erfolgen. Das kann sich in einem eigenen Fußballstil niederschlagen, den der ehemalige Spieler als sein Konzept des Fußballs dann in seine Trainerzeit mitnimmt. So wie bei Heinrich Platen, dessen fußballerisches Konzept, z.B. im Hinblick auf das permante Wechseln der Positionen aus eigenen Erfahrungen resultiert, die er in seiner Profizeit gemacht hat (vgl. auch den Abschnitt 7.1.1). 190 Platen 191 192 193 [H-45] Das Ausprägen einer spezifischen biografischen Identität als Professioneller erfolgt bei den Amateurtrainern aber vor allem in der Ausbildung, die von den Landesverbänden bzw. dem nationalen Verband ausgerichtet wird, sowie durch ihre Trainerstationen und die dort gesammelten Erfahrungen. Aus dem bislang zu diesem Punkt Skizzierten folgt: Für Spieler und Trainer sind einige der prägenden Sozialisationsphänomene in der Welt des Fußballs die mehr oder minder befristete, eigene soziale Zugehörigkeit zu verschiedenen Mannschaften und in der Regel zu mehreren Vereinen. Daraus folgt, dass die funktionalen, d.h. auf die Abwicklung fußballerischer Aktivitäten ausgerichteten, sozialen Beziehungen zu Mitspielern, Spielern und Trainern ebenfalls befristet sind. Dies bedeutet weiter, dass die spezifisch fußballerischen und die allgemein interaktiven Aufgaben mit einer Vielzahl verschiedener Interaktionspartner bewältigt werden müssen. Dies erfordert die Ausprägung einer hohen interaktiven Flexibilität bei den Beteiligten. Für die Mitglieder der übrigen Gruppen innerhalb des Vereins ist eine derartige Sozialisation in den Welten des Fußballs, wie sie für die Spieler und Trainer wichtig ist, nicht Voraussetzung. Diese Unkenntnis bzw. diese Unvertrautheit von Vorstandsmitgliedern oder Zuschauern mit der sozialen Welt des Fußballs ist daher aus der Perspektive der aktiven Spieler und Trainer oft Ursache für Probleme und Krisen zwischen den Gruppen in einem Verein. Allerdings verfügen die meisten Mitglieder der Vereinsgruppen über kürzere oder längere eigene Erfahrungen als aktive Spieler. Bei manchem langjährigem Fußballspieler mündet die Karriere als Spieler direkt in die Karriere als Vereinshelfer oder gar als Mitglied der Abteilungsbzw. Vereinsführung. rauf und runterf * a'bgestiegenzwei- * äh Jahre regionalliga sehr schöne zelten muss ich sagn~ * äh viel gewonn viel to'Ye gemacht- * und da hat sich- * in dieser pha“se mit- * bewu“sst etwas entwickelt- * was ich auch dann- * spä'ter- * so" überno"mm habf * es gab in dortmund schon- * die 4.2.2 Gruppen außerhalb des Vereins Soziale Gruppen außerhalb des Vereins, mit denen die Mitglieder der vereinsinternen Gruppen wechselseitige soziale Beziehungen unterhalten und die Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 99 ihr Leben in der Welt des Fußballs mitgestalten, sind Institutionen der sozialen Welt des Fußballs: Es sind die Fans bzw. die neutraleren Zuschauer, die Medienschaffenden, die Trainer anderer Vereine und die ehemaligen Trainer, die Spieler anderer Vereine und die ehemaligen Spieler und Mitspieler. Es sind aber auch die Vertreter und Vereinsmitglieder konkurrierender Vereine sowie die Personen des eigenen Familien- und Freundeskreises, des Familien- und Freundeskreises der übrigen relevanten Vereinsmitglieder und der Spieler, soweit sie für die Vereinsöffentlichkeit wahrnehmbar in Erscheinung treten. Generell lässt sich sagen, dass die Familien der Spieler, Trainer und Vereinsmitglieder in einem Verein des gehobenen Amateurfußballs eher selten und dann meist bei solchen Anlässen wie z.B. bei Meisterschaftsspielen oder Vereinsfeiern in Erscheinung treten, die sich durch Offizialität und durch besondere Rahmungen auszeichnen. Die Beteiligung der Ehepartner bzw. der Familienmitglieder am Vereinsgeschehen ist daher auch meist passiv. Die offensichtliche aktive Einflussnahme z.B. von Spielerfrauen auf die Gestaltung des Arbeitsbogens oder auf den Abschluss bzw. die Auflösung eines Vertrages ist sehr ungewöhnlich und selten. 81 Die institutionell nicht gerade geförderte, gleichberechtigte Teilnahme der Frauen führt dazu, dass die Spieler es sehr schätzen, wenn die Vereine Aktivitäten organisieren, zu denen die Frauen der Spieler mit eingeladen sind und die etwas Besonderes darstehen. So organisierte und bezahlte der ehemalige Schwarzberger Sponsor Rhode für die Mannschaft ausgefallene Veranstaltungen, zu denen auch immer die Ehefrauen bzw. Freundinnen der Spieler mit eingeladen waren. An die für Rhode durchaus kostspieligen Veranstaltungen erinnern sich Spieler wie Uwe „Groovy“ Backhaus noch Jahre später gern: der lothar rhode hat gesackt ** so serjenabschluss * wir grilln hier obn * mannschaft un fraun komm * im november * Oktober november wir fahrn zum bundesligaspiel mit fraun ich mache das alles organisiere das * Weihnachten gehn wer essen mit fraun * meisterschaftsfeier ham^wer in breda beim franzosen siebngängemenü gehabt lothar rhode alles organisiert mit=m bus hin mitfraun. 81 Für die Welt des Profifußballs ist Ähnliches zu konstatieren. Zwar sind mit Bianca Illgner, Gaby Schuster, Martina Effenberg und Angela Häßler einige Ehefrauen bekannt, die als Managerinnen ihrer Ehemänner auftreten, doch stellen sie die Ausnahme dar. Die Tatsache, dass die Spieler sich von (ihren) energischen Frauen vertreten lassen, war vielen Medienschaffenden wie Vereinsvertretern Anlass zu kritischen, zuweilen höhnischen Bemerkungen. Vgl. Castro (1997) in SZ v. 5.8.97: „Nicht einmal die um Omnipräsenz bemühte Bianca Illgner, die nach einem Jahr der besinnlichen Akklimatisierung ihre alte Gepflogenheit wieder aufinahm, bei Außendiensteinsätzen ihres Gatten mit Kind und Kegel aufzukreuzen, konnte die Ruhe stören“. Vgl. auch Kramer (1997a) in SZ v. 27.8.97. 100 Reden und Spielen Aus dem in diesen Abschnitten 4.2.1 und 4.2.2 Gesagten folgt also, dass der Trainer bei seiner Arbeit im Verein auf alle diese Gruppenmitglieder innerhalb und außerhalb des Vereins als Interaktionspartner treffen kann, dass er soziale Welt des Sports in der lokalen Gesellschaft soziale Welt des Fußballs in der lokalen Gesellschaft mit ihnen den interaktiven Austausch aushandeln, bewahren und den jeweiligen Anforderungen anpassen muss (vgl. Abb. 1b es ließe sich für jede der Gruppen ein ähnliches Modell entwerfen). Abb. 1b: Modell der wechselseitigen Beziehungen des Fußballtrainers von Verein A zu sozialen Gruppen innerhalb und außerhalb des Vereins 4.2.3 Segmentierungen des Spielerkaders aus Sicht des Trainers Größere Gruppen innerhalb des Vereins wie der Kader einer Mannschaft, der Vorstand und die Jugendmannschaften lassen sich gruppenintern nach weiteren Kriterien einteilen. Auch die Beteiligten selbst kategorisieren sich und die anderen sozialen Gruppen eines Vereins nach diesen Kriterien. Für den Trainer heißt dies z.B., dass er, wenn er in einem Verein des gehobenen Amateurfußballs arbeitet, in der Regel keinen monolithischen Spielerkader vor sich hat, sondern Spieler mit verschiedenen Merkmalen bzw. Spieler, denen er bestimmte Merkmale attribuiert. Die Kategorisierung der Spieler prägt sein interaktives (und kommunikatives) Verhalten ihnen gegenüber und ihres zu ihm. Die Gründe dafür, dass normalerweise nie alle Spieler eines Kaders identische Merkmale tragen, sind aus den Anforderungen abzuleiten, die der gehobene Amateurfußball an die Beteiligten stellt, aus den Merkmalen eines Vereins des gehobenen Amateurfußballs, aus der Beziehung des Vereins zu Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 101 seiner lokalen Gesellschaft und aus den Gepflogenheiten, die in der sozialen Welt des Fußballs herrschen. Anforderungen an Fußballspieler sind beispielsweise physische und athletische, aber auch psychische Stärke. Jüngere Spieler sind in der Regel schneller und konditionsstärker als ältere Spieler, dafür sind ältere Spieler in der Regel abgeklärter, ruhiger und erfahrener. Zu den Gepflogenheiten zählt etwa, dass jüngere Spieler, besonders wenn sie aus dem eigenen Verein stammen, oft mit viel geringeren Aufwandsentschädigungen und Prämien zufrieden sind als ältere Spieler oder als Spieler, die von anderen Vereinen fortgelockt wurden. Die auf den folgenden Seiten präsentierten Abbildungen lc-f zeigen die Segmentierung des Spielerkaders aus vier Trainerperspektiven. Eins der wesentlichen Kriterien ist, wie gerade beschrieben, das Alter der Spieler. Ein Trainer hat es mit älteren und jüngeren Spielern zu tun, wobei der Altersunterschied zwischen einem älteren und einem jüngeren Spieler bis zu 15 Jahre und mehr ausmachen kann. Der Altersunterschied zwischen dem Trainer und seinen Spielern kann ein, zwei, drei, vier Jahre, aber auch bis zu 30 Jahren betragen. Die Risiken, die ein Trainer bei der Zusammenstellung des Kaders beachten muss, können darin bestehen, dass sein Kader überaltert ist, dass die Spieler ihren Gegenspielern physisch unterlegen sind oder nicht mehr über den Enthusiasmusjüngerer Spieler verfügen. Seine Spieler können aber auch zu jung und unerfahren sein, oder aber der Altersunterschied zwischen den Jungen und den Alten (oder zwischen dem Trainer und seinen jungen Spielern) ist so signifikant, dass die Beteiligten keine gemeinsame soziale Reziprozität mehr herstellen, aufrechterhalten oder verändern können. Setzt ein Trainer in seiner Mannschaftsaufstellung auf ältere Spieler, wird ihm oft der Vorwurf gemacht, jüngeren Spielern „die Zukunft zu verbauen“ und sie aus dem Verein zu treiben. Setzt er dagegen auf jüngere Spieler, so heißt es oft, die Aufstellung sei zu riskant oder er überfordere seine jungen Spieler. Andererseits kann ihm aus dem Verein oder aus der Mannschaft der Vorwurf gemacht werden, er bilde sich etwas darauf ein, einen jungen, unerfahrenen Spieler zu einem Spieler des gehobenen Amateurfußballs gemacht zu haben, wie im folgenden Beispiel Trainer Brünger erzählt: genauso gibt=s aber au welche * die der Überzeugung sin äh * ich würde unheimlich * gut mit dem Stefan werner un ich würde mir das unheimlich auf de fahnen steckn * dass ich den Stefan werner * jetz zwingend bringe * weil das für mich * das * emblem is ich hab den Stefan werner groß gepracht aus=m * aus=m a“ * kreisklasnspieler hab ich=n verbandsliga spieler gemacht (SCH-25). 102 Reden und Spielen Trainer Kader der Mannschaft ältere Spieler jüngere Spieler Spieler A Spieler B Spieler C Spieler 1 Spieler J lange im Verein spielende Spieler (Einheimische) Spieler D Spieler E Spieler K Spieler L Spieler F Spieler M seit kürzerem im Verein spielende Spieler Spieler N Spieler G Spieler O Neuzugänge Spieler H Spieler P Abb. 1c: Modell der Segmentierung des Kaders der ersten Mannschaft aus der Perspektive des Trainers nach biografischen - und bezogen auf die Vereinswelt sozialen Kriterien Trainer Kader der Mannschaft ältere Spieler jüngere Spieler Spieler A Spieler O Spieler C Spieler J Defensivspieler Spieler F Spieler L Spieler H Spieler N Spieler B Spieler I Spieler G Spieler K offensive Mittelfeldspieler Spieler D Spieler M Stürmer Spieler E Spieler P Abb. Id: Modell der Segmentierung des Kaders der ersten Mannschaft aus der Perspektive des Trainers nach biografischen und funktionalen Kriterien Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 103 Kader der Mannschaft ältere Spieler Spieler B Spieler C Spieler D Spieler A Spieler F Spieler E Spieler G Spieler H jüngere Spieler Spieler I Spieler K Spieler L Spieler J Spieler N Spieler O Spieler P Spieler M Leistungsträger Stammspieler Ersatzspieler Abb. le: Modell der Segmentierung des Kaders der ersten Mannschaft aus der Perspektive des Trainers nach biografischen und sportlichen Kriterien Trainer Kader der Mannschaft ältere Spieler jüngere Spieler Spieler A Spieler C Führungsspieler / Spielerrat Spieler D Spieler B Spieler E Spieler F Spieler G Spieler I Spieler J Spieler K Spieler L Spieler M Spieler P sich leicht integrierende Spieler Spieler O Spieler H Spieler N Außenseiter Abb. If: Modell der Segmentierung des Kaders der ersten Mannschaft aus der Perspektive des Trainers nach biografischen und bezogen auf den Spielerkader sozialen Kriterien 104 Reden und Spielen Einige weitere Kriterien, die wie das Alter dynamischen Charakter haben, sind u.a.: 1) Die Dauer der Vereinszugehörigkeit des Spielers, die als Indiz für die Vereinstreue gilt: Besonders die einfachen Vereinsmitglieder, die Zuschauer und Fans aber auch die Trainer unterscheiden zwischen den aus dem Verein kommenden bzw. bereits seit langem für den Verein spielenden Kadermitgliedern (die „Einheimischen“ und „Aushängeschilder“ bzw. die als „Einheimische“ integrierten Fremden), zwischen den seit kürzerem, d.h. seit ein, zwei, drei Jahren für den Verein spielenden Fremden und den zu Beginn der laufenden Saison zum Verein gestoßenen Spielern, den „Neuzugängen“. Ein Verein muss bei der Zusammenstellung seines Spielerkaders sowohl den Wunsch des Trainers nach einem qualitative Anforderungen erfüllenden Kader berücksichtigen, als auch den Wunsch seiner Mitglieder und seines Publikums, sich mit dem Kader identifizieren zu können. Berücksichtigt werden muss, dass die Aufwandsentschädigungen für einheimische Spieler in der Regel geringer ausfallen als für fremde Spieler. Für den Trainer des Vereins ist die Dauer der Vereinszugehörigkeit seiner Spieler insofern bedeutend, als er oft zum Trainer ernannt worden ist, als jene bereits dem Verein angehörten. Je nach Vereinszugehörigkeit haben die Spieler auf Grund der sozialen „Koalitionen“, die sie mit den übrigen Beteiligten im Verein eingegangen sind, unterschiedlich starken Rückhalt im Verein. Verzichtet ein Trainer in seiner Startaufstellung z.B. auf einen „Einheimischen“ oder wechselt er ihn für einen „Neuzugang“ aus, so provoziert dies oft den Unmut der Zuschauer, selbst wenn der Neuzugang über größere fußballerische Fähigkeiten verfügt, als der Einheimische. Das folgende Beispiel illustriert, wie groß der Status eines Spielers, der der letzte Einheimische in der Mannschaft ist, für einen Trainer sein kann: „Der Status, der Groovy in Dorf und Verein noch immer zukommt, ist für den Trainer Franz Brünger nicht unproblematisch. Wie problematisch, zeigt folgende Episode, die mir der Trainer zwei Wochen nach dem Ende meiner Feldforschung erzählte. Nach der Saison sei Groovy zu ihm gekommen und habe wissen wollen, ob er noch mit ihm für die erste Mannschaft plane. Er, Brünger, habe sich da gedacht, ‘Nachtigall ick hör dir trapsen’: Groovy habe offensichtlich von ihm offiziell hören wollen, dass man auf ihn verzichten könne. Er habe Groovy geantwortet, so könne er das nicht sagen, er werde seine Chance bekommen, allerdings werde es für ihn zweifelsohne nicht einfach, da der 19-jährige eine sehr starke Saison gespielt habe und genau auf der Position spiele, auf der auch Groovy spielen könne. Aber er werde seine Chance bekommen. Darm sei Groovy zum Trainer der zweiten Mannschaft gegangen und habe quasi Forderungen gestellt: Er, Groovy, bleibe nur, wenn die zweite Mannschaft Perspektiven habe, in die Bezirksliga aufzusteigen, wenn man sich mit zwei, drei Spielern verstärke. Aber da habe der Trainer der Zweiten geantwortet, Verstärkungen für die Zweite seien illusorisch. Zunächst gelte es, die Erste zu verstärken, dass sie im nächsten Jahr die fünfte Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 105 Klasse halten könne. Wenig später dann, erzählt Brünger weiter, sei Jochen „Jojo“ Bäcker, ein alter Schwarzberger Spieler, mit dem Brünger einst noch selbst zusammengespielt hatte und der jetzt einen A-Ligisten trainiert, zu ihm gekommen. Bäcker habe ihn gefragt, ob Groovy nicht in den A-Ligaverein wechseln könne. Er, Brünger, wolle ja offensichtlich Groovy nicht mehr für Schwarzbergs Erste haben, dann könne er doch bestimmt zu ihm kommen. Er, Brünger, habe da aber laut gelacht und gesagt, „Nee, Jojo, über die Brücke müsst ihr schon alleine gehen. Du wirst von mir nie hören, dass ich sagen werde, ich will den Groovy nicht mehr haben, nimm du ihn.“ Denn dann, erklärt Brünger mir, werde es später womöglich im Dorf heißen, er habe den letzten Einheimischen aus der Mannschaft vertrieben. Er habe den Eindruck, dass Groovy gerne wechseln würde, jedoch jemanden suche, den er für seine im Dorf gewiss nicht unbeachtet bleibende Entscheidung verantwortlich machen könne. Groovy traue sich anscheinend nicht, dies dem Verein mitzuteilen und ihn um die Freigabe zu bitten. Aber über die Brücke, sagt Brünger noch einmal, über die Brücke müssten die beiden, Groovy und Jojo, schon selber gehen.“ [Ethnografische Beschreibung Schwarzberg] 2) Die fußballerische Funktion, die der Spieler aus der Sicht des Trainers auf dem Spielfeld übernehmen kann oder soll als Torwart, Verteidiger bzw. Defensivspieler, als (offensiver) Mittelfeldspieler und Stürmer: Die Verfestigung einer Positionszuweisung birgt für den Trainer das Problem, dass er einen Spieler auf einer Position spielen lässt, auf der sich der Spieler nicht wohl fühlt, auf welcher der Spieler sein wahres Potenzial nicht zeigen bzw. sein noch verborgenes Potenzial nicht wecken kann. Für den Spieler kann die Zuweisung zu einer fremden Position durch den Trainer zu vorübergehenden Identitätsproblemen und zum Leistungsverlust führen. Er kann das Verhalten des Trainers auch als Schikane verstehen, um der Öffentlichkeit die Defizite des Spielers zu demonstrieren und seine Demontage zu initiieren. Das folgende Beispiel gibt einen Eindruck davon, wie belastend es für einen Spieler, der jahrelang auf einer Manndeckerposition gespielt hat, sein kann, wenn der Trainer ihn auf eine fremde Position stellt. Matthias, der von Trainer Kracht auf die Position des Liberos gestellt worden war, fühlte sich dort so unwohl, dass er sich sogar an den Vereinsvorsitzenden Robert Krumenkamp wandte und seinen Abschied aus der Mannschaft ankündigte (nach der Ablösung des Trainers konnte Matthias dann wieder auf seine alte Position zurückkehren): 406 407 408 409 410 411 412 Matth.: kund zuge: m ne * un * er war nu ma ebnt so eina der * neben seina entscheidung nichts andres zähln lassen hat ne deswegn * bin ich da deshalb so mit ihm auch angeeckt ne ** und ich hatte auch schon * zum roberl gesacht dat # #* kann nich so weitagehn ** # # entweda äh ** hör ich auf oda * dat KK: #KLOPFT AUF DEN TISCH# #KLOPFT ERNEUT AUF DEN TISCH# bringt mir nix * wenn ich * als libero mich nich wohl fühle dass was er * wollte von mir * dann kann ich nich * hundatprozent spieln * weil dat nich mein * meine weit war * was er wollte * 3 * ich hab=s so gut gemacht 106 Reden und Spielen 413 414 415 416 417 418 419 Matth.: wie er=s ebn wie ich=s ebn konnte * aba äh et is nich meine Sache * ich fühl mich jetz ebnt in diesa rolle die ich jetz wieda beim * äh * Heinrich spiele ganz äh * viel viel wohla ne * weil ich da ebnt mehr * machen kann ne ** da stehse nich nur hinten rum weil * weil ich bin eina der eigentlich gerne * ebn den zweikampf sucht un der unterwe: chs is ne * un das * äh war ebnt=da nich gege: m ne ** wobei ich dann zwischenzeitlich au mal so habn wenn wirklich ma eina ausfällt oda dann spiel ich au die liberoposition aba * ebnt die die [H-57] 3) Die sportliche Qualität der Spieler, die sich danach bemisst, ob ein Spieler als Leistungsträger, als normaler Stammspieler oder als Ersatzspieler kategorisiert wird; die Probleme für Trainer und Spieler können in ähnlichen wechselseitigen Zuschreibungen des Misstrauens bestehen, wie ich sie gerade für die Spielerpositionen beschrieben habe. 4) Die soziale Positionierung innerhalb des Mannschaftskaders in jedem Kader gibt es drei bis vier so genannte Führungsspieler, die mit den sportlichen Leistungsträgem identisch sein können, nicht aber zwingend sein müssen. Diese Führungsspieler „führen“ ihre Mitspieler nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch außerhalb des Wettkampfs und vertreten sie vor dem Trainer und den Vereinsgremien. Ihre Mitspieler lassen sich grob einteilen in die Grappe der sich (relativ) leicht integrierenden Spieler und in die Spieler, die sich nach einer vorübergehenden Eingewöhnungsphase selbst als Außenseiter wahmehmen oder als solche wahrgenommen werden. Es bestehen für den Kreis der Spieler weitere Segmentierungen, auf deren Auflistung an dieser Stelle verzichtet werden mag, da sie im Kategoriensystem teilweise nachgeholt wird. Klar dürfte jedoch sein, dass aus der Perspektive des Trainers er es nicht mit einer homogenen Gruppe von Spielern zu tun hat. Die dynamische Zuordnung eines Mitglieds seines Kaders zu einem spezifischen Untersegment (und die damit verbundene Kontrastierung zu den Mitgliedern des konträren Untersegments) prägt die wechselseitige Beziehung zwischen ihm und dem Spieler und damit auch das kommunikative Handeln der Beteiligten. 4.2.4 Rollen, Rollengerüst, Kernaktivitäten und Handlungsanforderungen: ein Sonderfall der von Anselm Strauss beschriebenen „coaching relationship“ Die genannten Gruppen der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs lassen sich spezifischen Rollen zuordnen, die sich erst im Laufe der Geschichte des Fußballsportes mit der Etablierung und Institutionalisierung des Sportes herausgebildet haben (diese Entwicklung ist nicht abschließbar, und Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 107 weitere Rollen werden sich in Zukunft noch zu den bereits existierenden hinzugesellen). 82 Das Entstehen der Rollen und der dazugehörigen Aufgabenprofile bzw. die Modifizierung der Rollen und Aufgabenprofile ist Folge des Prinzips der Arbeitsteilung. Die Arbeitsteilung haben die Fußballer als hilfreich erkannt, um der wesentlichen Tätigkeit, dem Fußballspielen, unter den gegebenen Umständen bestmöglich und ökonomisch nachgehen zu können. Jeder Rolle liegen Erwartungen, eine Kernaktivität zu erfüllen, zugrunde, mit der wiederum mehrere Flandlungsanforderungen verbunden sind. Am Beispiel zweier Spielerrollen, zweier Rollen der sportlichen Leitung und zweier Rollen der administrativen Leitung soll dies verdeutlicht werden (vgl. Abb. lg „Modell der Rollendifferenzierung und der mit den Rollen verbundenen Aufgabendifferenzierung am Beispiel einiger Rollen des gehobenen Amateurfußballs“ auf der folgenden Seite): Erwartete Kernaktivität des „normalen“ Kaderspielers ist es, gut Fußball zu spielen. Erwartete Kernaktivität des Führungsspielers ist es, gut Fußball zu spielen und die Mannschaft während des Spiels und nach dem Spiel zu führen. 83 Der Trainer soll die Mannschaft trainieren, auf den Wettkampf vorbereiten und im Wettkampf betreuen, der Torwarttrainer hingegen soll nur die Torwarte trainieren, vorbereiten und betreuen. Erwartete Kernaktivität des Vereinsvorsitzenden ist es, den Verein erfolgreich zu leiten und nach außen zu repräsentieren; die des Managers ist es, die Finanzgeschäfte des Vereins zu ordnen und abzuwickeln und neue Finanzquellen zu erschließen. Mit den Kernaktivitäten sind weitere Aufgaben verbunden, was für Führungsspieler und Trainer bedeutet, dass sie sowohl Aufgaben eines Coaches, eines Mannschaftspädagogen, eines Spielstrategen, eines Organisationsarbeiters, eines Politikers, eines Öffentlichkeitsarbeiters, eines „Sozialpartners“ (d.h. als Interaktionspartner zur Herstellung sozialer Reziprozität), eines Beraters und einer Symbolfigur wahrnehmen. 82 Zum Konzept der sozialen Rolle, dem ich hier folge, vgl. Dreitzel (1987). Soziale Rolle wird als Bündel von normativen Erwartungen verstanden. Rollenspiel bzw. Rollenhandeln ist das Verhalten, das an den Rollenerwartungen orientiert ist. Rollenerwartungen sind „1) relativ präzise, gelegentlich kodifizierte, VerhaltensVorschriften [...], 2) als intemalisiert vorausgesetzte kulturelle Werte und allgemeine Handlungsnormen [...], 3. die Ich- Leistungen des Rollenspielers (z.B. die Erwartung eines souveränen Auftretens oder eines emotionalen Engagements)“ (a.a.O., S. 115). 83 Zu der Darstellung der Aufgaben eines Führungsspielers in der Welt des Profifußballs gegenüber der Presse vgl. folgende Aussage des Nationalspielers und Mitglieds des Mannschaftsrates Christian Wöms: „Aber soviel gibt's in einer Mannschaft ja ohnehin nicht zu bequatschen. Führungsspieler zeichnet aus, dass sie erst mal gute Leistungen auf dem Platz bringen.“ (sz. 10711.10.98). 108 Reden und Spielen Abb. lg: Modell der Rollendifferenzierung und der mit den Rollen verbundenen Aufgabendifferenzierung am Beispiel einiger Rollen des gehobenen Amateurfußballs. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 109 Wenn ich sage, die Beteiligten im Amateurfußball hätten mehrerlei Aufgaben zu übernehmen, so beziehe ich mich damit aufjenen komplexen Sachverhalt, den Anselm Strauss am Schluss einer Skizze über „coaching“ und die Trainingsbeziehungen („coaching relationship“) in komplexen Organisationszusammenhängen angedeutet hat (vgl. Strauss 1959/ dt. 1968, S. 109-118). Sein Modell der „coaching relationship“ steht im Zusammenhang mit seiner Konzeption von Identitäts-Transformierung. Identitäts-Transformierungen stellen sich an Wendepunkten bzw. im Übergang von einer geregelten Statuspassage zur nächsten ein. Im Fokus von Strauss steht zunächst die wechselseitige Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. Lehrende coachen Lernende, wenn die Lehrenden auf ihrem Weg durch die Statuspassagen die anerkannten Schritte absolviert haben, um ihre Schüler auf ihrem Weg durch die Statuspassagen anzuleiten. Die „coaching relationship“ definiert Strauss wie folgt: „A coaching relationship exists if someone seeks to move someone else along a series of steps, when those steps are not entirely institutionalized and invariant, and when the learner is not entirely clear about their sequences (although the coach is)“ (a.a.O., S. 110). Ein Coach bringe dem Schüler nicht nur bestimmte Fähigkeiten bei; er kündige dem Schüler, dem die Sequenz der Lernschritte nicht klar sei, an, dass er auf überraschende, obskure Phänomene im Lernprozess stoßen werde, er zeige sie ihm an, wenn sie aufträten, und er erkläre sie ihm. Der Coach spiegele dem Schüler wider, wie weit er in seinem Lernprozess fortgeschritten sei, aber er erfinde und arrangiere auch wie ein Drehbuchschreiber - Situationen für den Schüler, um bestimmte Reaktionen von ihm herauszufordern. Taktiken, die der Coach im Coaching-Prozess anwende, seien das Vorschreiben von Flandlungen („the prescription“), das Festsetzen von Aufgaben und Zeiten, zu denen die Aufgaben bewältigt worden sein sollten („the schedule“), das Stellen von Herausforderungen („the challenge“), das Überprüfen der vom Schüler vollzogenen Handlungen („the trial“) und das Anklagen, längst überwunden geglaubte Fehler erneut begangen zu haben bzw. dem Coach nicht vertraut oder ihn hintergangen zu haben („the accusation“). Strauss beschreibt sein Coaching-Modell an Beziehungen zwischen zwei Personen - Footballtrainer und Halfback, Jago und Othello, Klavierlehrer und Klavierschüler, Psychiater und Patient bzw. an der Beziehung zwischen einer Person, etwa einem Erweckungsprediger, und einer als Einheit erscheinenden Menschenmenge, seinem Publikum. Am Schluss seiner Skizze verweist Strauss darauf, dass coaching relationships meist in Organisationszusammenhängen bzw. institutioneilen Kontexten auftauchten, es sich also meist nicht um zweiseitige Beziehungen handele, sondern um Beziehungen, die in Abhängigkeit von sozialen Strukturen stünden. Die Details des Coach- 110 Reden und Spielen ings in Organisationszusammenhängen müssten daher in ihrer Beziehung zu spezifischen Strukturen und Welten buchstabiert werden. Wenn ich versuche, diese für die Welt des gehobenen Amateurfußballs zu buchstabieren, so entsteht ein komplexes, detailliertes Bild der verschiedenen Rollenerwartungen und der damit verbundenen Aufgaben für die genannten Beteiligten: Der Fußballtrainer soll nicht nur einem einzelnen Spieler, sondern dem gesamten Kader und im Besonderen der im Wettkampf auftretenden Mannschaft Fertigkeiten beibringen und sie auf ihrem Gang durch bestimmte Statuspassagen leiten. Das Coachen des einzelnen Spielers vollzieht sich in intimen 4-Augen-Arrangements oder in unterschiedlich öffentlichen Arrangements: Vor einem Mitspieler, vor dem jeweiligen Mannschaftsteil (beispielsweise vor den übrigen Abwehrspielern, wenn der Spieler ein Abwehrspieler ist), vor dem gesamten Kader, vor dem VereinsVorstand oder vor anderen Dritten. Dabei nimmt das Coachen des einzelnen Spielers im Angesicht der Mitspieler bzw. vor dem gesamten Mannschaftskader oft gleichzeitig auch den Charakter eines Mannschaftscoachings bzw. eines Coachings des gesamten Kaders an. Denn wenn der Trainer dem einzelnen Spieler vor den Mitspielern das richtige taktische Verhalten demonstriert oder taktische Fehler kritisiert, so geschieht dies oft paradigmatisch und wird von den Umstehenden auch so verstanden: „Was der Trainer an taktischen Fehlern bei meinem Mitspieler bearbeitet, gilt genauso für mich, sollte ich in eine ähnliche Spielsituation geraten.“ Ähnliche Coaching-Aktivitäten wie der Trainer, aber nicht in demselbem Umfang, hat nun aber auch der Führungsspieler gegenüber jüngeren Mitspielern und den Neuzugängen zu leisten. Der Führungsspieler macht ihnen Mut, weist sie auf Fehler hin, erläutert ihnen taktische Details, absolviert bestimmte Trainingsübungen mit ihnen, um ihnen die richtige Ausführung vorzumachen etc. Dem Führungsspieler gelingt so mehrerlei: Er entlastet erstens damit den Trainer in dessen Arbeit und zweitens bereitet er damit den Boden für jene Wettkampfsituationen, in denen die Mannschaftsmitglieder, ohne auf die direkte Einflussnahme des Trainers hoffen zu können, sich untereinander helfen und sich gegenseitig vertrauen müssen. Drittens schließlich gründet der Führungsspieler auf dieses Sich-Kümmern, dieses Coachen der Novizen und der Fremden seinen herausgehobenen Platz in der Mannschaftshierarchie bzw. deswegen schreiben die Mitspieler ihm diesen Platz als Führungsspieler zu. Auch der Torwarttrainer hat bei seiner Arbeit mit den Torleuten Aufgaben eines Coaches zu übernehmen wie übrigens auch allerdings seltener der VereinsVorsitzende. Der Vorsitzende kann Trainer, Mannschaft und Spielern mehrdeutige Phänomene Voraussagen, anzeigen und erklären: Publikumsreaktionen z.B., Medienschelten oder Niederlagen, die ja auf Pech zurückzuführen sind oder auf für den Erkenntnisfortschritt notwendige, aber bearbeit- Die soziale Weh des gehobenen Amateurfußballs 111 bare Fehler oder aber auf Entwicklungsrückschritte. Und er vermag ihnen das Vertrauen zu vermitteln, dass er ihnen dennoch die Entwicklungsschritte hin zu dem Ziel, eine erfolgreiche Mannschaft zu werden, zutraut und sie dabei unterstützen wird. Das Coachen in Mannschaftssportarten wie dem Fußball wird nun zusätzlich dadurch kompliziert, dass nicht nur der Trainer und der Spieler in einer wechselseitigen Beziehung stehen, sondern auch die Spieler untereinander vielfältige Beziehungen unterhalten. All die Handlungen des Trainers, welche er zur Schaffung, Aufrechterhaltung und Steuerung eines mannschaftsförderlichen Interaktionsklimas unter den Kadermitgliedern unternimmt, welche er in kritischer Begleitung des Interaktionsverhaltens der Spieler tätigt (was im schlimmsten Fall zur Trennung von denjenigen Spielern führt, die das Gefüge des Mannschaftskaders gefährden), verstehe ich als Rollenhandeln, für die ich hier den Terminus des „Mannschaftspädagogen“ einführen will. Dies soll nicht bedeuten, Strauss habe die Komplexität des Coachings in Organisationszusammenhängen nicht erfasst. Ich meine jedoch, dass die Aufgaben eines Mannschaftspädagogen noch auf einer anderen Ebene liegen als die Aufgaben eines Coaches, was sich auch terminologisch niederschlagen soll. Pädagogische Qualitäten müssen sowohl Führungsspieler als auch Trainer aufbringen. Sie haben den Kader kritisch zu beobachten, missgünstige Stimmungen oder Probleme des sozialen Prozesses und ihre Ursachen frühzeitig zu erkennen, Fehlentwicklungen und Missstimmungen aktuell zu bearbeiten, die Ursachen langfristig auszuräumen, die Verursacher wenn welche auszumachen sind auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen und das Fehlverhalten zu unterbinden. Sie können darüber hinaus bestimmte soziale Prozesse initiieren oder massiv in soziale Prozesse und in die Lebensgestaltung der (Mit-)Spieler eingreifen, indem sie Spieler zueinander führen und zur engeren Zusammenarbeit bringen, indem sie bedrohliche Gruppenbildungen aufsprengen oder auf die Trennung von einem (Mit-)Spieler hinarbeiten. Die Intentionen der Führungsspieler und des Trainers sind dabei weitgehend identisch, sie können jedoch auch differieren. Ähnliche pädagogische Qualitäten muss sicherlich auch ein Vereinsvorsitzender besitzen, nur wird sich sein Augenmerk auf das gesamte Vereinsgefüge mit seinen verschiedenen Abteilungen und nicht allein auf den Kader richten. Der Trainer hat darüber hinaus Spielstratege zu sein. Vor dem Wettkampf muss er sich eine homogene Strategie für die gesamte Mannschaft und für jede Spielerposition ausdenken, mit der er den jeweiligen Gegner zu bezwingen gedenkt. Während des Wettkampfs hat er diese Strategie mit dem sich tatsächlich ereignenden Geschehen zu vergleichen, die vorab nicht zu kalkulierenden strategischen Manöver des Gegners zu erkennen und die ausgegebene Strategie, wenn nötig, zu modifizieren. Während der Kaderspieler nur in Bezug auf seine fußballerische Rolle und sein situationales Spielverhalten 112 Reden und Spielen während des Spiels ein kleiner Stratege ist (bspw. wenn er sich folgende Fragen stellt: „Welchen Trick wende ich an, um mich von meinem Gegenspieler zu befreien? Rücke ich vor bis zum gegnerischen Strafraum, lasse ich mich fallen? Spiele ich den Ball nach vorne, quer oder zurück? “), hat der Führungsspieler immer auch strategische Verantwortung für die gesamte Mannschaft oder für eine bestimmte Mannschaftsgruppe. Er „stellt“ seine Mitspieler, d.h. weist sie in ihre Position ein, er muntert sie auf, er ruft ihnen zu, wohin sie den Ball zu spielen oder sich zu bewegen haben, und er warnt sie, wenn von einem gegnerischen Spieler Gefahr droht, um nur einige praktische Beispiele zu nennen. Der Führungsspieler ist insofern Organisationsarbeiter in einem Verein des gehobenen Amateurfußballs, als er für den Kader Mannschaftsfahrten und -feiern organisiert und er sich in Ausübung seiner Aufgaben mit dem Trainer absprechen muss; der Trainer und der Torwarttrainer sind insofern Organisationsarbeiter, als sie ihre Arbeit abstimmen müssen mit ihren Mitarbeitern (bzw. mit dem ihnen übergeordneten Trainer) und den Vereinsverantwortlichen. Der Vereinsvorsitzende seinerseits muss die Arbeit der verschiedenen Vereinsabteilungen begleitend steuern, während der Manager alle finanziellen und organisatorischen Belange wie Verhandlungen mit Sponsoren, Spielern, Trainern, Kontaktaufnahme mit dem Gegner, Organisation eines Reisebusses bei Auswärtsspielen, Organisation eines warmen Essens nach dem Spiel etc. erledigt und die Aufrechterhaltung des Informationsflusses zwischen den Organisationsebenen abwickelt. In Bezug auf den Aufbau des Kaders haben Führungsspieler und Trainer gelegentlich als Politiker zu agieren. Sie müssen sich überlegen, mit wem im Verein bzw. im Verbund mit den Medien sie strategische Koalitionen bilden, um beim Vorstand und dem Manager die Verpflichtung neuer Spieler oder die Vertragsverlängerung mit älteren Spielern zu erreichen. Ähnliches, nur im Hinblick auf die Entwicklung des Gesamtvereins bzw. der Finanzen des Vereins, gilt für den Vereinsvorsitzenden und den Manager. Dass Kaderspieler, Führungsspieler, Trainer, Vorsitzender und Manager und seltener auch der Torwarttrainer bereits im gehobenen Amateurfußball gegenüber den Fans und Zuschauern bzw. gegenüber den Medien als Öffentlichkeitsarbeiter auftreten, dürfte hinlänglich nachvollziehbar sein. Dabei sind sie sowohl Öffentlichkeitsarbeiter im Hinblick auf das Erscheinungsbild des Vereins als auch in eigener Sache, da sich ihre Partikularinteressen nicht immer mit den Interessen des Vereins decken lassen. Führungsspieler und Trainer agieren außerdem dem Vereinsvorsitzenden und dem Manager gegenüber als Öffentlichkeitsarbeiter, da sie die Interessen der Mannschaft bzw. ihre eigenen Interessen vertreten. Gleichermaßen agieren Vorsitzender und Manager als Öffentlichkeitsarbeiter, wenn sie gegenüber den Sportlern Beschlüsse der Vereinsführung verkünden und plausibilisieren müssen. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 113 Fast alle der im Schema aufgeführten Rollenspieler haben auch die Aufgabe, anderen gegenüber als Interaktionspartner zur Herstellung der sozialen Reziprozität und zur Vergewisserung der gemeinsamen Wurzeln und der gemeinsamen Ziele zu dienen. Kader- und Führungsspieler sind sowohl dem Mitspieler als auch dem Trainer gegenüber sozialer Partner, der Trainer ist seinen Spielern gegenüber sozialer Partner, der Vereinsvorsitzende seinen Vereinsmitgliedern, der Mannschaft und dem Trainer gegenüber. Torwarttrainer (gegenüber den von ihm gecoachten Torleuten und auch gegenüber dem Kader) und Manager können diese Aufgabe ebenfalls erfüllen, müssen es jedoch nicht. Darüber hinaus beinhalten die Rollen des Führungsspielers, Trainers, Torwarttrainers und des Managers auch die Rolle des Beraters: Der Führungsspieler berät die Mannschaftskollegen, wie man sich im Verein in bestimmten Situationen, z.B. bei der Vertragsverlängerung, verhält, und er berät sich vielleicht mit dem Trainer, in welcher Aufstellung man in das nächste Spiel gehen könnte; der Trainer seinerseits berät den Vorstand, welche Spieler für die nächste Saison gehalten und welche neuen Spieler verpflichtet werden sollten, während der Torwarttrainer den Trainer berät, welcher Torwart im Training den besseren Eindruck gemacht hat und deshalb im Wettkampf spielen sollte; und der Manager schließlich berät den Vorstand, welche Spieler und welche Trainer verpflichtet und welche finanziellen Strategien angewandt werden sollten. Führungsspieler, Trainer und Vereinsvorsitzender haben für Fans und Zuschauer und Vereinsmitglieder oft auch symbolische Bedeutung. In ihren Augen sind jene im Falle des Misserfolges häufig die „Schuldigen“. Im Erfolgsfall sind sie dagegen die „Retter“, welche die Mannschaft bzw. den Verein von der Schmach befreit und aus der Bedeutungslosigkeit geführt haben. Die „Retter“ haben damit aber nicht nur ihren Verein vor den Konkurrenzvereinen und der Öffentlichkeit erhöht, sondern so die Perspektive vieler Fans und Zuschauer auch sie selbst sind durch die Retter bestätigt und erhöht worden. Ihre starke emotionale soziale Beziehung zum Verein wird durch die Erfolge nachträglich gerechtfertigt, sie selbst erscheinen als „treu liebende“ und zugleich als „vernünftige“ Freunde, die schon immer und auch in der Krise um die Bedeutung ihres Vereins wussten. Allerdings ist der sportliche Erfolg bzw. Misserfolg nicht alleiniges Kriterium dafür, ob Führungsspieler, Trainer, Vereinsvorsitzender als symbolische Figuren identifiziert werden. Wichtig ist auch die Qualität ihrer sozialen Beziehung zu den Fans, zu den Zuschauern und zu den Vereinsmitgliedern. Schließlich hat der Manager neben den genannten Anforderungen in den Verhandlungen mit den Spielern, Trainern und Sponsoren auch noch die Aufgabe eines Unterhändlers zu erfüllen. Bei den Vereinen des gehobenen Amateursports trifft dies für die Verhandlungen mit den Spielern auch oft für 114 Reden und Spielen den Trainer zu, da er nicht selten bei den Verhandlungen anwesend ist. Einerseits kann der Trainer als Unterhändler zwischen den beiden Parteien, Verein und Spieler, vermitteln, andererseits aber auch Partei ergreifen für die Seite des Vereins und auf Grund seiner spezifischen sozialen Beziehung zum Spieler die Angemessenheit des Angebotes des Vereins bzw. die Unangemessenheit der Forderung des Spielers leichter erklären als der hauptsächlich an der Durchsetzung der Vereinsinteressen arbeitende Manager. Die differenzierte Darstellung der mit den Rollen von Kadermitglied, Führungsspieler, Trainer, Torwarttrainer, Vereinsvorsitzendem und Manager verbundenen Handlungserwartungen hat idealtypischen Charakter. In der Realität erfüllen die Rollenspieler selten alle von ihnen erwarteten Rollen in vollständiger Weise bzw. die Emergenz des nicht-planbaren sozialen Prozesses stellt die Rollenspieler immer wieder vor vielfältige Probleme, wie sie die Bewältigung der Rollenerwartungen individuell, aber auch arbeitsteilig organisieren können. Die vollständige Erfüllung aller mit den Rollen verbundenen Handlungsanforderungen ist auch so zu erreichen, dass Defizite eines Beteiligten in der Ausführung seiner rollenabhängigen Aufgaben teilweise von den Interaktionspartnern ausgeglichen werden können. So finden sich in den ethnografischen Interviews ausreichend Belege, dass erfahrene Mannschaften sich gegen zum Teil deviante Trainer, die taktische Sachverhalte nicht erklären konnten, immunisierten, ohne dass die Interaktionsbeziehung sofort zusammengebrochen wäre. So sagt ein Spieler, bei einem Trainer habe man vor der Entscheidung gestanden schmeisen wer=n raus oder schmeisen wer=n net raus un wir ham gesackt nee wir kam noch nie=n trainer entlassen wir machen=s einfach net * aber die mannschaft denkt sich ihr teil un spielt ihm fußball * so sin wirfünfter geworden. In einem anderen Fall übernahmen Führungsspieler einige der ureigentlichen Aufgaben des Trainers. Ein jüngerer Spieler sagte mir beispielsweise im Interview, einer seiner Mitspieler, der auf Grund seiner Erfahrung unheimlich viel erklären könne, habe ihm in dieser Saison sehr geholfen. Dieser Mitspieler sei für ihn mehr Trainer gewesen als der eigentliche Trainer Y. Dieses Übernehmen von einigen Aufgaben des Interaktionspartners kann Folge von expliziten Aushandlungen zwischen den Beteiligten sein, es kann aber auch unausgesprochen erfolgen. Das Ideal einer funktionierenden Interaktionsbeziehung zwischen Mannschaft, Trainer und Vereinsführung was auch bedeuten würde, dass (bei entsprechenden Voraussetzungen) die Beteiligten die spezifischen Defizite ihrer Partner wahrnehmen und beheben können -, sähe vor, dass sich der Ausgleich von Defiziten zwischen den Parteien fast selbstverständlich und relativ geräuschlos einstellen würde. Tatsächlich jedoch sind die Aktivitätsweisen der Partner stets neuartig und überraschend. Ihre Handlungen sind darüber hinaus auch eingebunden in das Netz von gleichzeitigen, konkurrierenden und sequenziell strukturierten, Folgebedin- Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 115 gungen setzenden Handlungen der übrigen Beteiligten. Deshalb ist es einer der wesentlichen Problembestände für Spieler, Trainer, Vereinsvorsitzende und Manager, Defizite in der Bewältigung einer Rolle zu identifizieren und das Kompensieren der vom Interaktionspartner gelassenen Lücke auszuhandeln. Es besteht die Gefahr, dass Defizite nicht, falsch oder zu voreilig identifiziert werden und Kompensationshandlungen initiiert werden, die den einzelnen Betroffenen die Bewältigung ihrer Rollen erschweren oder unmöglich machen. Eingeleitete Kompensationshandlungen könnten aber auch soziale Prozesse einleiten, die ungeahnte Risiken für das gesamte Rollengefüge bergen. Es besteht des Weiteren die Gefahr, dass die Beteiligten aus Eigennutz Kompensationshandlungen ausführen, um ihren Machteinfluss zu vergrößern. Es wird nachvollziehbar sein, dass die existierenden Defizite eines Beteiligten nicht in zu hohem Maße die Ausführung seiner Kernaktivität beeinträchtigen dürfen, dass mit anderen Worten die Interaktionspartner nicht gezwungen sind, zu viele Aufgaben des Anderen zu übernehmen. Dies würde die optimale Erfüllung ihrer eigentlichen Rollenerwartungen behindern. Aus dem genannten Sachverhalt folgt, dass das Rollengerüst zwar nicht beliebig, aber auch nicht statisch, sondern flexibel ist und schnell umgebaut werden kann. Die Beteiligten haben ein System der permanenten Kontrolle und Beobachtung eingerichtet, anhand dessen sie einander überprüfen können, inwieweit der andere die an seine Rolle gestellten Anforderungen erfüllt und ob er der Unterstützung bedarf. Die hierarchische Struktur innerhalb des Rollengerüsts ist daher, wegen der Abhängigkeiten der vereinsinternen Rollen untereinander, wegen der Aufgabendifferenzierung und wegen der Abhängigkeiten von externen Faktoren wie dem Einfluss der Medien oder Glück bzw. Pech im Wettkampf nur schwer zu schematisieren: So kann der Trainer im Erfolgsfall mehr Macht besitzen als der normalerweise handlungsmächtigere Vereinsvorsitzende; der Vorsitzende kann aber leicht auch zur Marionette des Managers werden, wenn der Manager zugleich Hauptsponsor des Vereins ist was im Amateursport des Öfteren vorkommt; und auch die Spieler, die zwar eigentlich dem Trainer unterstehen und ihm zu gehorchen haben, sind im Falle des Misserfolgs in der Regel weniger hilflos als der Trainer. Denn einen Trainer zu entlassen, ist für die Vereinsführung einfacher (und billiger), als sich vom gesamten Kader zu trennen. Generell lässt sich aber sagen, dass an der Spitze des Rollengerüsts der Vereinsvorsitzende steht, gefolgt vom Manager. Ihnen nachgeordnet sind der Trainer, die Vereinsmitglieder und Förderer des Vereins, die Torwarttrainer und Führungsspieler, die übrigen Kadermitglieder, der Betreuer, der Masseur und der Mannschaftsarzt, der Trainer der zweiten Mannschaft, die Spieler der zweiten Mannschaft, die übrigen Senioren- und die Jugendmannschaften sowie ihre Trainer etc. 116 Reden und Spielen Mit den Rollen im gehobenen Amateurfußball sind also nicht nur Erwartungen an das Erfüllen simpler Kemaktivitäten verbunden, die von den Beteiligten einfach umzusetzen wären: Rollengerüst, Handlungsstruktur und Handlungslogik der interagierenden Rollenspieler sind folglich insgesamt - und damit auch die Struktur und Logik ihrer kommunikativen Handlungen — komplexe Gebilde einer hochgradig arbeitsteilig organisierten sozialen Welt. Darüber hinaus sind diese Gebilde, wie zuletzt geschildert, dynamisch und nicht statisch. Die zum Tragen kommenden thematischen Relevanzen in einem Verein sind auch immer das Produkt der Überprüfung, inwieweit die Beteiligten die an sie gestellten Kontrollanforderungen auch tatsächlich erfüllen. Die Überprüfung reguliert den Aufgabenbestand der Beteiligten. Dies schlägt sich sowohl nieder in den Thematisierungen als auch in den Kategorisierungen der Interaktionspartner (zum Kategorisierungsschema in Vereinen des gehobenen Amateurfußballs siehe Kap. 5.). 4.3 Arbeitsbogen und Schauplatzorganisation von Trainern und Spielern 4.3.1 Der Arbeitsbogen: Handlungsabläufe des Trainings und des Wettkampfs Die von der Ethnografie des Einzelfalles abstrahierenden Schematisierungen des spezifischen Arbeitsbogens zwischen Trainer und Spielern im Amateurfußball trennen zwischen den beiden wesentlichen Erscheinungsformen interaktiver Handlungsabläufe: Zwischen Abläufen des Trainings und denen des Wettkampfs. Die Schematisierungen (vgl. die Abbildungen 2a bis c auf den nächsten Seiten) zeigen, dass die Beteiligten in dieser sozialen Welt u. a. aus Gründen der Arbeitsteilung, der Ökonomisierung und der Spezifizierung zwei als typisch anzusehende Systeme ausgehandelt haben, komplexe Handlungen zu sequenzieren und ihre kommunikativen Bedürfnisse auf spezifische Ereignisse und spezifische Schauplätze zu verteilen. Das Sequenzierungs- und Kommunikationssystem des Trainings und das des Wettkampfs organisieren sich von den Handlungen, von den Kernaktivitäten und von den mit diesen zusammenhängenden Handlungsanforderungen her, die von den Beteiligten erwartet werden. Sie sind nicht statisch, sondern Ergebnis situativer Aushandlung, wobei die Beteiligten aus Erfahrung resultierende Normalformerwartungen berücksichtigen. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 117 ^ > <a oo CO S g I h a -c N 53 — ' ^ a c oo N 4J « .S CL s ^ Aa 3 -5 w ^ < 3 >> C s — — u -3 > 5 a : W <C «rt < 3 dti 'n .= 4> .£ R fl — E « ,i> 'ofl o t t : S c ° & O ^ ü e c~ Q § | cf 'S 'qj <U C c. 3 i s U q E ^ ^ CI S < o <u > 5 <2 -O c L - < < D < g -o £ g : 0 : § E 4J ■ g ^ i 'n N ^ c 5 ^ p -g c 3" S ^ 5 p g i %i I -m|| ■ s E < 3 (U C C 00 c w' "u •*= u § M « S S- M c 3 2 > u p ' ■ 5 = .E c B ! S =- Sf H ca s s & a.s ■ g S2 rn s J Abb.2a: Idealtypischer Ablauf eines Trainingstages in einem Verein des gehobenen Amateursports. (Der Trainer ist kein Spielertrainer) wird am ersten Trainingstag nach einem Meisterschaftsspiel ergänzt um Spielanalyse, Situationsdefmition und Zielfokussierung 118 Reden und Spielen Abb. 2b: Idealtypischer Ablauf eines Trainingstages mit anschließender Marmschaftssitzung Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 119 j. o. m § 2 £ in ^ W) - 5 •H M •0^3 SS 3 -d m3 = 1 I = 2 i o | S i Q 2 ? “ | ^ I « 5 ^ -g -S 5 E c o ja S : Q O .2 J ^ I 2 H > 5 |1 E S • j ^ ca M M •§ ^ 5? i 3 (— C (U — 60 60 O «So. Abb. 2c: Idealtypischer Ablauf eines Meisterschaftsheimspiels 120 Reden und Spielen Abb.2c (Fortsetzung) Der Schauplatz der Pressekonferenz hängt, wie andere Ereignisse auch, von ihrer Institutionalisierung ab. Er kann beispielsweise der öffentliche Raum des Vereinsheimes sein, wo Pressevertreter und Trainer in der Schankstube am großen, runden Tisch sitzen, er kann ein eigener Presseraum, der Flur vor der Spielerkabine oder aber eine Ecke des Sportplatzes sein. Der Schauplatz des Essens kann analog ein eigener, kleiner Raum im Vereinsheim oder aber die Schankstube sein. Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 121 Die beiden schematisierten ereignisübergreifenden Handlungsabläufe des Trainings und des Wettkampfs gliedern sich in Vorlaufphase, Kernphase und Auslaufphase. Beginn und Ende der Kernphase werden vom Trainer meist präzis angezeigt; lediglich am Wettkampftag läuft die Kernphase ca. eine Stunde nach Spielende aus, ohne dass der Trainer ein gliederndes Signal setzt. Das Wissen um das ungefähre Ende der Kernphase ist Ergebnis einer expliziten Aushandlung zwischen Trainer und Spieler bzw. Ergebnis der jahrzehntelangen Sozialisation in der Welt des Fußballs. Vorlauf- und Auslaufphase „fransen“ im Unterschied zur Kemphase zeitlich an einem Rand, also zu Beginn der Vorlaufphase bzw. zu Ende der Auslaufphase aus. Auch das Auftreten der Beteiligten auf bzw. ihr Abtreten vom Schauplatz ist in diesen beiden Phasen nicht determiniert. Auf die detailliertere Darstellung der typischen Handlungsereignisse und der Art und Weise, wie die Fußballtrainer und -spieler die wesentlichen Aufgaben zur Herstellung der Interaktion lösen, verzichte ich an dieser Stelle, da beides Bestandteil der rhetorischen Analyse der verbalen Interaktion sein wird (vgl. Kap. 6.). Stattdessen wende ich mich nun genauer den Schauplätzen zu. 4.3.2 Schauplätze und Schauplatzorganisation Die relevanten Schauplätze des Arbeitsbogens zwischen Trainern und Spielern im gehobenen Amateurfußball sind Schauplätze des Trainings, Schauplätze des Wettkampfs und besondere Schauplätze, für die je eigene Aufenthaltsrechte gelten. Die Abfolge der Schauplatzbelegung durch die Beteiligten, die Bedeutung der Schauplätze und die Aufenthaltsrechte auf den Schauplätzen sind abhängig vom Prozess des Arbeitsbogens und seinen Handlungsereignissen (vgl. den folgenden Abschnitt 4.3.3). Größere Schauplätze des Trainings sind: a) Der öffentliche Raum vor dem Vereinsheim, wo die Spieler falls der Trainer noch nicht anwesend und die Umkleidekabine noch verschlossen ist insbesondere an wärmeren Tagen auf den Trainer warten und wo sie sich nach dem Training verabschieden; b) der Schankraum im Vereinsheim, in dem die vor dem Trainer eintreffenden Spieler (insbesondere an kühleren Tagen) auf den Trainingsbeginn warten und wo sie nach dem Training Getränke und Speisen einnehmen sowie sich gesellig zusammensetzen, wo aber auch zur Vorbereitung auf das nächste Meisterschaftsspiel die Mannschaftssitzung stattfmden kann; c) die Kabine, in der man sich zum Training und nach dem Training umzieht, wo die Mannschaftssitzung abgehalten wird (wenn sie nicht im Vereins- 122 Reden und Spielen heim durchgeführt wird) und wo die Spieler gelegentlich gemeinsam eine Kiste Bier trinken; d) der Trainingsplatz bzw. die Trainingsplätze. Die Schauplätze des Wettkampfs müssen unterschieden werden nach den beiden Erscheinungsformen von Meisterschaftsspielen: Bei Heimspielen sind die Schauplätze vertraut und liegen auf eigenem Territorium, bei einem Auswärtsspiel sind die Schauplätze, die sich zum Teil auf fremden Territorium befinden, dagegen unbekannt bzw. weniger vertraut je nachdem, wie gut Spieler und Trainer den gegnerischen Verein kennen. Schauplätze eines Heimspieles sind zum Teil identisch mit den Schauplätzen des Trainings: (A) der öffentliche Raum vor dem Vereinsheim; (B) der Schankraum im Vereinsheim; (C) die Kabine sowie (D) der Hauptplatz, auf dem das Spiel ausgetragen wird. (Die alphabetische Listenstruktur mit Großbuchstaben deutet an, dass der genannte Raum auch ein Raum des Trainings ist. Allerdings soll mit den Großbuchstaben der symbolische Bedeutungsunterschied angezeigt werden, den der Raum an Wettkampftagen hat.) Schauplätze eines Auswärtsspieles sind: (e) der gemeinsame Treffpunkt; (f) der Reisebus; (g) die Kabine an der Spielstätte des Gegners; (h) der gegnerische Fußballplatz; (i) das gegnerische Vereinsheim. Besondere Schauplätze sind: (j) wenigstens für die Spieler die Kabine des Trainers; (k) an Trainingstagen der körperlichen Pflege und Regeneration den so genannten „Pflegetagen“ die Sauna; (l) die Orte der Mannschaftsfahrten sowie Orte zur besonderen Pflege, Herstellung, Aufrechterhaltung und Anpassung der sozialen Reziprozität: Wie z.B. der Hobbykeller eines Mitgliedes der Vereinsführung, das Wohnzimmer eines Spielers, die Diskothek, die Kneipe. Diese Orte werden vor allem in kritischen Momenten der Interaktionsbeziehung zwischen Spielern und Trainern aufgesucht. Für einige immer wieder aufgesuchte größere Schauplätze haben die Beteiligten oft spezifische Pläne zur kleinräumigeren, mehr oder minder festen Belegung der Schauplätze untereinander ausgearbeitet (was nicht ausschlie- Die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs 123 ßen soll, dass die Belegung der Schauplätze nicht immer wieder neu ausgehandelt würde). So besitzen die Spieler in der eigenen Kabine fast immer einen festen Stammplatz. Eine ähnlich räumlich festgelegte Aufteilung lässt sich auch für den Schauplatz des Reisebusses feststellen. Bestimmte Spieler sitzen während den Fahrten oft zusammen und haben im Bus ihre „Stammplätze“. Spieler, die bereits seit längerem in der Mannschaft spielen und bei Auswärtsspielen die Räumlichkeiten des Gegners kennen, haben für dieses eigentlich fremde Terrain zuweilen allgemeinere Organisationspläne (eine der zur Auswahl stehenden fremden Kabinen gilt als Stammkabine) und manchmal sogar detaillierte Organisationspläne (Stammplatz in der „fremden“ Kabine). Die Rechte, die diese Spieler aus ihrer längeren Zugehörigkeit zur Mannschaft und aus der Kenntnis der fremden Schauplätze ableiten, setzen sie dann oft gegenüber den mit den Örtlichkeiten weniger vertrauten Mitspielern durch. Auch für den Schankraum des Vereinsheims existieren für bestimmte Anlässe unter gegebenen Umständen spezifische Schauplatzpläne. Da in den Vereinen des gehobenen Amateurfußballs den Spielern in der Regel nach den Meisterschaftsspielen, manchmal auch nach dem Training, ein warmes Essen serviert wird, werden bestimmte Tische im Schankraum oder ganze Nebenräume für die Dauer des Essens für die Spieler als Schauplatz des Essens ausgewiesen. Sind sowohl erste wie zweite Mannschaft im Schankraum anwesend, so organisieren sich die Spieler auf dem Schauplatz oft nach der Mannschaftszugehörigkeit, wobei sie sich auch da an bestimmte Pläne halten: Die erste Mannschaft sitzt nicht nur zusammen, sie sitzt auch am „Tisch der ersten Mannschaft“, so wie die zweite Mannschaft an „ihrem“ Tisch hockt. 4.3.3 Aufenthaltsrecht auf den Schauplätzen und Bedeutungswandel von Schauplätzen im Prozess des Arbeitsbogens Identische Schauplätze haben je nach Sequenzabschnitt und Ereignis unterschiedliche Bedeutung: Für Trainer und Spieler ist die Kabine vor dem Wettkampf zunächst Schauplatz der kollektiven Sammlung und Konzentration, der kollektiven Repetition bzw. Konkretisierung der Mannschaftssitzung vom letzten Trainingstag. Nach der Mannschaftssitzung, wenn die Spieler sich umziehen und sich vom Masseur behandeln lassen, wandelt sich die Kabine in einen multifunktionalen, stark von den Aktivitäten der einzelnen Person strukturierten Raum: Die Spieler gehen zurück auf ihre angestammten Plätze, versenken sich in ihre Aufgabe oder bilden mit neben oder ihnen gegenüber sitzenden Spielern kleine Gesprächsgruppen, die sehr schnell gebildet und sehr schnell wieder aufgelöst werden können. Nach Beendigung ihrer individuellen Vorbereitung bis zum Zeitpunkt des kollektiven Verlassens der Kabine, um sich auf dem Sportplatz warm zu machen, gehen die Spieler oft ruhelos auf und ab, um die wachsende Anspannung durch Bewegung zu kanalisieren. Der Trainer seinerseits setzt sich zu einzelnen Spielern oder ruft sie zu 124 Reden und Spielen sich an die Tafel, um ihnen noch einmal ihre Aufgabe zu präsentieren und die für sie ausgearbeitete individuelle Strategie darzustellen. Der Kabinenraum gleicht jetzt eher einem Taubenschlag, nachdem er vorher Ort der kollektiven Unterrichtung, Einweisung und Konzentration war. Zugang zur Kabine haben nur Mannschaftsangehörige und notfalls auch Mitglieder der engen Vereinsführung, wie der Vorsitzende oder der Obmann. Nach dem Wettkampf ist die Kabine zunächst Rückzugsort der Mannschaft und des Trainers. Hier verarbeiten sie das Ereignis des Wettkampfspiels in ersten Schüben nach. Sie bilden dabei zwei, drei oder vier Gesprächszirkel, wobei die einzelnen Zirkel sich zu einem größeren Zirkel erweitern können bzw. der jeweilige Spieler oder Trainer schnell zwischen verschiedenen Zirkeln wechseln kann. Nach und nach wird der Raum durchlässiger für Gruppenexterne: Männlichen Familienangehörigen, den Kindern der Spieler, auch Mitgliedern der weiteren Vereinsführung, ehemaligen Spielern und treuen Fans, die eine Kiste Bier spendieren wollen, wird für einen gewissen Zeitraum der Zutritt zur Kabine nicht verwehrt. Hieran kann sich besonders gerne im Fall eines Sieges eine längere Zeit der Geselligkeit anschließen, in der immer wieder das Spiel thematisiert und die aktuelle Situation (auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Tabelle und die nächsten Meisterschaftsspiele) ausgehandelt werden. Die Spieler sind jetzt nicht zur Präsenz am Schauplatz verpflichtet. Sie können auch die Kabine verlassen, um draußen mit Freunden, Verwandten und Fans Kontakt aufzunehmen. Die Systeme für die Abwicklung der Trainings- und Wettkampftage, welche die Bedingungen und Abhängigkeiten zwischen Schauplatz, Ereignis, kommunikativen Handlungen und prävalenter Handlungsmodalität reflektieren, sind also relativ komplex. Erst die Kenntnis dieser komplexen Systeme ermöglicht es dem einzelnen Gruppenmitglied, in der normalen, d.h. relativ ungestörten Interaktion mit dem Partner, für das jeweilige Anliegen den richtigen Zeitpunkt, den richtigen Schauplatz, das richtige Handlungswissen und die richtige Handlungsmodalität zu wählen. Und sie ermöglicht es ihm erst, Systemabweichungen der übrigen Gruppenmitglieder als bedeutsam zu erkennen bzw. sie selbst als bedeutsam für die Gruppenmitglieder zu markieren. Dies ist Folge der Dynamik des Systems, die jeden der Beteiligten zu hoher Aufmerksamkeit und Flexibilität zwingt. 5. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive Müntefering: Ich weiß, was ich kann. Ich bin eher Katsche Schwarzenbeck als Franz Beckenbauer, na und? Ich habe lange in der Bundestagsmannschaft gekickt, beim Fußball kann man eine Menge lernen: Nach neunzig Minuten auf dem Feld kennen Sie die Leute ganz genau, da kommt ihr wahres Naturell raus. Hintze: Dann würde Ihr Urteil über mich sehr kritisch ausfallen. Ich bin kein Mannschaftsspieler wie Sie, ich war ein recht ordentlicher Tisch- 84 tennisspieler, aber im Doppel war ich schlecht. Im Folgenden werde ich der Frage nachgehen, welche Eigenschaften und Merkmale Fußballer in ihrer sozialen Welt für wichtig erklären, wie sie dieses Relevanzsystem herstellen und aushandeln und wie sich dies sprachlich ausbildet. Dabei beziehe ich mich auch hier auf das im symbolischen Interaktionismus entwickelte Konzept der „sozialen Welt“ (vgl. dazu Strauss 1978, 1979, 1982 und 1984 sowie allgemein zum symbolischen Interaktionismus die Zusammenfassung in Schütze 1987b). Des Weiteren beziehe ich mich auf die an dieses Konzept anschließenden Untersuchungen zur Herstellung und Aushandlung sozialer Identität durch soziale Kategorisierung in spezifischen sozialen Welten wie beispielsweise in der Mannheimer „Filsbach“ (vgl. Kallmeyer 1994b, vgl. Kallmeyer/ Keim 1994b). 85 Die Menge der Individuen, die sich zur Bearbeitung von sozialen Problemstellungen in solchen sozialen Welten zusammenschließen, handeln in spezifischen Auseinandersetzungsarenen eigene Verhaltensstile aus. Leitfunktion haben „modellhafte, erfolgreiche und als authentisch empfundene Verhaltensweisen“ (Kallmeyer 1994b, S. 22). Darüber hinaus entwickeln die Individuen der sozialen Welt spezifische Sinnsysteme. Die Sinnsysteme finden z.B. in Normen, Kategorien und Kriterien für das richtige, erfolgreiche Handeln konkrete Gestalt. Sie sind die (veränderliche) Orientierungsgröße für mich und den anderen, mich selbst und ihn größeren sozialen Einheiten zuzuordnen z.B. der eigenen Mannschaft. Sie sind aber auch Orientierungsgröße für mich und ihn, mich selbst und ihn bestimmten sozialen Kate- 84 „‘Herr Müntefering, wo haben Sie eigentlich Ihre Frisur her? ’ - ‘Da staunen Sie, was? ’ Jetzt schütteln sie sich noch mal die Hände. Danach ziehen sie in die große Schlacht: Peter Hintze, Generalsekretär der CDU, und Franz Müntefering, Bundesgeschäftsführer der SPD. In: SZ Magazin, 27.2.98, S. 12-19, hier 14. 85 Zur Kategorisierung in anderen sozialen Entitäten vgl. auch Czyzewski/ Gülich/ Hausendorf/ Kastner (1995a) und die darin veröffentlichten Aufsätze sowie Hausendorf (1998). 126 Reden und Spielen gorien zuzuordnen z.B. als leistungsträger oder als absahner. Die reflexive Zuordnung, oder Selbst- und Fremdzuschreibung, etabliert und manifestiert soziale Identität (vgl. Kallmeyer 1994b, S. 24). Kallmeyer und Keims Untersuchungsinteresse bestand darin zu klären, was eine Sprache für die Individuen einer sozialen Welt zu „ihrer“ Sprache macht und was sprachliche Phänomene für die Beteiligten bedeuten. Dabei sahen sie "[d]ie sprachliche Selbst- und Fremddarstellung [...] als Schlüsselphänomen“ (a.a.O., S. 25) an. Man könnte auch sagen, dass die sprachliche Selbst- und Fremddarstellung die Relevanzen einer sozialen Welt wie in einem Brennglas bündelt. Die Selbst- und Fremddarstellung erfolgt vor allem mithilfe der sozialen Referenz, d.h. dem Verweis auf soziale Einheiten, und dem Verdeutlichen von ihren Eigenschaften; die Mittel der sozialen Referenz sind vor allem Personaldeixis (ich/ wir vs. ihr/ die anderen), 86 Lokaldeixis (hier/ bei uns vs. dort/ bei euch/ bei denen) 87 und temporale Deixis (damals vs. heute), 88 die Mittel der Verdeutlichung von Eigenschaften einer sozialen Einheit sind einerseits die explizite Charakterisierung (Benennung und Beschreibung der Kategorie) und die Markierung der Art und Weise, wie jemand spricht und handelt, und andererseits die nicht explizite Darstellung durch das Verkörpern von sozialen Eigenschaften und Merkmalen durch die eigenen (sprachlichen) Handlungen (vgl. Kallmeyer 1994b, S. 25). Zum einen wird es also darum gehen herauszuarbeiten, welche sprachlichen Ausdrücke die Beteiligten in der Welt des gehobenen Amateurfußballs für wichtige soziale Kategorien verwenden und welche Eigenschaften und Merkmale sie damit verbinden (s. Abschnitt 5.2). Zweitens wird zu zeigen sein, wie sie die für die Selbst- und Fremddarstellung zur Verfügung stehenden Kategorien grammatisch bilden und semantisch motivieren und wie sie die soziale Kategorisierung interaktiv hersteilen und aushandeln; dies wird sowohl anhand der Charakterisierungen in ethnografischen Interviews gegenüber dem „weltfremden“ Beobachter wie auch anhand einer alltäglichen Interaktionssituation, in welcher der Beobachter nicht steuernd eingreift, erfolgen (s. Abschnitt 5.3). Doch zunächst werde ich einen kurzen Forschungsüberblick zu (sozialer) Kategorisierung geben (Abschnitt 5.1). 86 Vgl. auch Czyzewski/ Drescher/ Gülich/ Hausendorf (1995b), S. 41-46, und Hausendorf (1998), S. 183-189. 87 Vgl. auch Czyzewski/ Drescher/ Gülich/ Hausendorf (1995b), S. 46, und Hausendorf (1998), S. 197-206. 88 Vgl. auch Hausendorf (1998), S. 192-197. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 127 5.1 Forschungsüberblick Wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit (sozialen) Kategorien - und zum Teil auch mit dem Verhältnis von Sprache und Kategorien beschäftigen und an die sich anschließen lässt, entstammen soziologischen, psychologischen, historischen und linguistischen Forschungstraditionen, die im Überschneidungsgebiet zwischen diesen Disziplinen liegen: Beispielsweise die Wissenssoziologie bzw. die Ethnomethodologie, die Sozialpsychologie, die daran anknüpfende diskursanalytische Vorurteils- und Stereotypenforschung, die Begriffsgeschichte sowie die Prototypentheorie der kognitiven Linguistik, die semantische Wortfeldtheorie, die Ethnolinguistik, die Mannheimer gesprächsanalytischen soziolinguistischen Arbeiten zur „Kommunikation in der Stadt“ und die Bielefelder konversationsanalytischen Arbeiten 89 zu nationalen Selbst- und Fremdbildern. 90 Wesentliche Impulse für die Soziolinguistik gingen von den wissenssoziologischen Schriften des Soziologen Harvey Sacks zur Mitgliedschaftskategorisierung aus (vgl. Sacks 1972a, 1972b und 1978), der seinerseits an die Labeling-Theorie von Strauss (1959) und Goffman (1963) anschloss. Sacks hatte, ausgehend von Transkriptionen seelsorgerlicher Telefongespräche mit Menschen, die Selbstmordgedanken hegen, beobachtet, dass bestimmte soziale Kategorien von den Gesellschaftsmitgliedern als zusammengehörig empfunden werden und Kategorienkollektionen bilden. Die sozialen Kategorien ‘Vater’, ‘Mutter’, ‘Kind’ bilden z.B. eine geschlossene Kategorienkollektion. Diese geschlossene Kollektion ‘Familie’ bildet ein Kategoriensystem mit eigener Struktur, da die Kategorien jeweils durch ihre Position innerhalb des Systems und ihre Beziehung zu anderen Kategorien bestimmt sind. Andere schematisierte Kategorienkollektionen sind beispielsweise ‘Ehe’ oder ‘Mannschaft’ (vgl. Sacks 1972b, S. 39). 91 Mit den Kategorien eines Kategoriensystems verbinden die Gesellschaftsmitglieder bestimmte Rechte und Pflichten, die sich in verschiedenen Aktivitäten, den kategoriegebundenen Aktivitäten (category bound activities), widerspiegeln. Daher sind für die Gesellschafts- 89 Vgl. Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.) ( 5 1981). 90 Zusammenfassende Darstellungen zur Kategorisierung in den genannten Disziplinen finden sich unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von sozialer Identität und veränderlichen sprachlichen Formen in sozialen Welten in Kallmeyer/ Keim (1994b), S. 323-327, sowie unter dem Gesichtspunkt der Herstellung von nationalen Selbst- und Fremdbildem in der Interaktion in Czyzewski/ Drescher/ Gülich/ Hausendorf (1995b), S. 11-46, sowie in Hausendorf (1998), S. 2-41. Im Folgenden wird auf die genannten Darstellungen zurückgegriffen. 91 Sacks formuliert, im Hinblick auf die programmatische Relevanz, am Beispiel des Systems ‘Mannschaft’ eine Modifizierung der Category Relevance Rule 2. Sie ermögliche es, spezifische Systeme einer Population genau dahingehend zu zergliedern, ob die Kategorienpositionen im Schema komplett oder nicht komplett seien. Thematisch spielt für Sacks das System ‘Mannschaft’ keine weitere Rolle. 128 Reden und Spielen mitglieder aus ihrem Wissen über soziale Kategorien und deren Zusammenhänge bestimmte Aktivitäten erwartbar, wenn eine soziale Kategorie genannt ist. Und anders herum können sie auf die soziale Kategorie schließen, wenn von bestimmten Aktivitäten die Rede ist. Kallmeyer und Keim machen darauf aufmerksam, dass der Kategorienbezug von Aussagen auch relativ weit und indirekt sein könne (vgl. Kallmeyer/ Keim 1994b, S. 325). Die Referenz auf eine spezifische Tageszeit wie abends ruft bei den weiblichen Mitgliedern einer sozialen Welt wie der Filsbach fraglos bestimmte kategorienbezogene Rechte und Pflichten auf: Die „Frau [in der Filsbach, M.S.] hat zu Hause zu sein, wenn der Mann zu Hause ist, und bei normalem Tagesablauf ist er abends zu Hause“ (ebd.). Sacks stellt für die Kategorisierung bestimmte Verwendungsregeln und Hörerstrategien auf: Die programmatische Relevanz, die Konsistenzregel und die Ökonomieregel. Die programmatische Relevanz besagt, dass bei Kollektionen relationaler Kategorien wie Mann-Frau, Eltem-Kind, Nachbar-Nachbar, Freund-Freundin, aber auch in einer Mannschaft die Anwendung solange relevant bleibe, bis alle Kategorienpositionen durch die Zuordnung von Mitgliedern aufgefüllt seien bzw. die Unvollständigkeit des Schemas festgestellt sei (Sacks 1972b, S. 38f.). Die Ökonomieregel besagt: „For any population N, on any occasion of categorizing Members, [...], the task may be complete if each Member of the population has had a single category applied to them“ (a.a.O., S. 34). Das heißt, dass eine Kategorie bereits ausreicht, um Mitglieder zu kategorisieren, auch wenn viele andere Kollektionen noch zur Verfügung stehen. Die Konsistenzregel schließlich besagt: „If some population of persons is being categorized, and if a category from some device's collection has been used to categorize a first Member of the population, then that category or other categories of the same collection may be used to categorize further Members of the population“ (a.a.O., S. 33). Wenn bspw. in einem Fußballkontext ein Spieler die Kategorie diktator aus dem System ‘Trainer’ unter dem Relevanzbereich ‘fußballerische Kompetenz’ wählt, dann kann diese Kategorie oder eine andere Kategorie aus der Kollektion, z.B. pusher, auch für andere Trainer verwendet werden. Mit der Konsistenzregel verbunden ist eine Hörerstrategie: „If two or more categories are used to categorize two or more members of some population, and those categories can be heard as categories from the same collection, then: Hear them that way“ (Sacks 1972a, S. 333). Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 129 Ist also zunächst von der Kategorie ‘Mutter’ die Rede und dann von der Kategorie ‘Schwester’, so versteht der Hörer die Kategorien als Elemente derselben Kategorienkollektion ‘Familie’ und nicht als Elemente beispielsweise der Kategorienkollektion ‘Krankenhaus’. 92 Das Sacks'sche wissenssoziologische Konzept der Mitgliedschaftskategorisierung wurde aus ethnomethodologischer Perspektive von Jayyusi (1984) anhand von Gesprächen aus institutionellen Kontexten erweitert: Zum einen im Hinblick darauf, dass nicht allein die Nennung von kategoriengebundenen Aktivitäten in der Interaktion auf Kategorien schließen lässt und, zweitens, dass und wie die Gesellschaftsmitglieder mit Kategorisierungen „moralische Ordnung“ herstellen. Jayyusi demonstrierte, dass, wenn Mitglieder über abwesende Dritte sprechen und deren in Rede stehendes abweichendes Verhalten beschreiben und beurteilen, sie sich kulturell verfügbarer Kategorienkonzepte bedienen bzw. Kategorienkonzepte in der Interaktion hersteilen. Diese Konzepte weisen für die Kategorisierenden jeweils so genannte kategorienspezifische Merkmale (category bound features) auf und gestatten es ihnen so, das konkrete Verhalten der beschriebenen Mitglieder kategorial zu beschreiben und moralisch zu bewerten. Jayyusi differenzierte die in den jeweiligen Interaktionen auftauchenden sozialen Kategorien dahingehend, auf welche Kategoriensammlungen sie sich beziehen, ob die Kategorienbezeichnung bereits bewertend ist und, wenn ja, in welcher Art, ob die Kategorienbezeichnung von Anderen verliehen oder selbst erworben, ob sie von Anderen entzogen oder selbst abgelegt werden kann, welche institutioneilen Rechte und Pflichte mit den Kategorien verbunden sind und wie sich die Kategorie zu anderen Kategorien aus dem System verhält symmetrisch oder asymmetrisch (vgl. dazu Hausendorf 1998, S. 9f.). An weiteren ethnomethodologischen Arbeiten, die sich mit der Aushandlung von Identitätsmerkmalen wie ‘Geschlecht’, ‘ethnischer Zugehörigkeit’ und folglich mit situationaler Aktualisierung von Kategorien beschäftigten, sind 92 Vgl. aber Quasthoff (1978), S. 159f. Sie geht von den an Sacks angelehnten - Beispielsätzen „Das Kind schrie. Die Schwester hob es hoch.“ aus. Ihre Informanten verstanden Schwester im Sinne von ‘Krankenschwester’. Quasthoff erklärt dies damit, dass die „Bedingung der notwendigen Existenz“ und die der Unität für die Kategorisierung des Elements entscheidender seien als die hinreichende Existenz. So sei die Kategorie Schwester eine notwendige Kategorie für die Kategorienkollektion ‘Krankenhaus’, aber nur eine hinreichende Kategorie für die Kategorienkollektion ‘Familie’. Hinzu kommt m.E., dass ‘hochheben’ eine kategoriengebundene Aktivität für Krankenschwestern ist. Vier von mir befragte Informanten verstanden in den von mir konstruierten Beispielsätzen „Das Kind schrie. Die Schwester küsste es.“ nämlich Schwester im Sinne von ‘leibliche Schwester’. Bei Quasthoffs Beispielsätzen hingegen bestätigten sie die Interpretation der Schwester im Sinne von ‘Krankenschwester’. Sie begründeten dies damit, dass ‘küssen’ für sie eine typische Handlung innerhalb eines familiären Umfeldes sei, ‘hochheben’ in diesem Kontext aber eine Handlung sei, die sie v.a. von Kinderkrankenschwestem erwarten würden. 130 Reden und Spielen die Untersuchung z.B. von Garfinkei (1967) zur Aushandlung von Geschlechtsidentität einer transsexuellen Person zu nennen, die Untersuchung von Smith (1978) zur Identität einer Geisteskranken, die Untersuchung von Cicourel (1968) zur Identität eines jugendlichen Kriminellen oder die Untersuchung von Moerman (1974) zur ethnischen Identität. Aus soziologischer und anthropologisch-konversationsanalytischer Perspektive untersuchten etwa Schenkein (1978) und Erickson/ Shultz (1982) die Wahlmöglichkeiten für die Kategorisierung. Genauer: Sie untersuchten den Aushandlungsspielraum für Kategorien in der Interaktion: welche Kategorien werden relevant gesetzt? Schenkein demonstriert am Beispiel eines Gesprächs zwischen einem Versicherungsvertreter und einem Kunden, wie die beiden Gesprächsteilnehmer Identitätsmerkmale aus anderen Lebensbereichen kontextualisieren, um gemeinsam ein nicht typisches Verkaufsgespräch herzustellen. Erickson und Shultz wiesen in ihrer Studie zum universitären Beratungsgespräch zwischen Student und „Counsellor“ nach, dass selbst unaushandelbar erscheinende Kategorien wie ethnische Kategorien in interkultureller Kommunikation unwichtig werden können. Stellen Berater und Beratener nämlich eine spezifische Gemeinsamkeit („co-membership“) wie die Mitgliedschaft im selben Sportverein fest, führt dies zur Relativierung der ethnischen Kategorisierung. In der sozialbzw. kognitionspsychologischen Stereotypen- und Vorurteilsforschung wurde Mitgliedschaftszugehörigkeit vor allem unter der Prämisse psychischer Repräsentationen wie „Einstellung“, „Überzeugung“ und „psychodynamische Prozesse“ erforscht, die verantwortlich sind, wenn Gesellschaftsmitglieder anderen Mitgliedern „in ungerechtfertigt vereinfachender und generalisierender Weise“ (Czyzewski/ Drescher/ Gülich/ Hausendorf 1995b, S. 20) Eigenschaften oder Verhaltensweisen oder deren Mangel zuschreiben. Dabei führte die apriorische Verortung von stereotypischer, vorurteilsbehafteter Kategorisierung in psychischen Systemen 93 zu einer Untersuchungsbeschränkung. Der Manifestation von Vorurteilen an der (sprachlichen, Körper- oder Gegenstands-)Oberfläche durch die Mitglieder wird theoretisch und empirisch nicht Rechnung getragen (vgl. z.B. die von Katz/ Braly (1933) sowie von Sodhi/ Bergius (1953) vor (! ) der eigentlichen Untersuchung zusammengestellten Eigenschaftslisten bzw. von zuzuordnenden Attributen). Erst Quasthoff (1973), die wesentlich die linguistische Stereotypenforschung anstieß, machte auf die Bedeutung der sprachlichen Oberfläche von Stereotypen aufmerksam. Das WechselVerhältnis zwischen kategorialen Benennungen von Personen als Ausdruck diskriminierender Einstellungen und den sozialkognitiven Funktionen dieser diskriminierenden Äußerungen ist in jüngerer Zeit auch von sozialpsychologischer Seite untersucht worden (vgl. z.B. Grau- 93 Zu dementsprechenden Definitionen von „Stereotyp“ bzw. „Vorurteil“ vgl. Allport (1954) sowie Quasthoff (1973 und 1987). Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 131 mann/ Wintermantel (1989) und Graumann (1994). Vgl. kritisch dazu Hausendorf (1998), S. 16ff.). Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch diskursanalytische Untersuchungen zu Vorurteilen, Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit (vgl. van Dijk 1984 und 1993, Wodak u.a. 1990, und Wodak/ Menz/ Mitten/ Stern 1994). Die Autoren nehmen einerseits Bezug auf die sozialpsychologischen Konzepte von Allport und Adorno et ah, andererseits wenden sie sich jedoch explizit sprachlichen Realisierungen aus natürlichen Diskursen, d.h. aus nicht von Forschern initiierten Interviews, zu. 94 Gemein ist beiden diskursanalytischen Ansätzen die engagierte, dezidiert kritische Haltung der Forscher. Mit ihnen berührt sich die Begriffsgeschichte, eine Forschungstradition der Geschichtswissenschaft, die sich mit der Beziehung von Termini und den Prozessen der Herausbildung, Aufrechterhaltung und Auflösung von sozialen Gruppen befasst und die gegenstandsbezogen eine diachronische Betrachtung sozialer Kategorisierungen vornimmt (vgl. Brunner/ Conze/ Koselleck 1972-1997 und Koselleck 1989). 95 Im Kontext sozialpsychologischer Arbeiten sei auf die Prototypentheorie der Kognitionspsychologin Eleanor Rosch verwiesen (vgl. Rosch vormals Beider - 1971, 1972, 1973, 1975a-c und Taylor 1989, 2 1995; Mangasser-Wahl 1998; Ungerer/ Schmid 1996). 96 Die Prototypentheorie geht von einem engen „Zusammenhang aus zwischen allgemein menschlichen kognitiven Kategorisierungsprinzipien, die in mentalen Konzepten resultieren, und sprachlichen Kategorisierungsprinzipien, deren beobachtbares ‘Produkt’ Wörter sind“ (Mangasser-Wahl 1997, S. 360f). Für Kategorien (Kategorien für Farben, Formen, Organismen und konkrete Gegenstände) existieren Prototypen, die „saliente“, d.h. hervortretende Merkmale besitzen; Kategorien weisen aber auch eine Peripherie auf, in der die nicht prototypischen Spielarten der Kategorien ihren Platz finden; die Grenzen zwischen den Kategorien sind nicht scharf gezogen, sondern sind „fuzzy“, d.h. sie gehen ineinander über: Was dem Einen noch ein bläuliches Rot, ist dem Anderen bereits ein rötliches Blau; die Elemente einer Kategorie können von den Kategorisierenden auf einer Typizitätsskala in bessere und schlechtere Elemente eingeteilt werden (vgl. Ungerer/ Schmid 1996). Prototypen gelten als die besten Elemente ihrer 94 Zur Kritik an den Beschreibungsebenen bei van Dijk und zur „Heterogenität der Analysekategorien“ bei Wodak et al. vgl. Hausendorf (1998), S. 21-23. Vgl. auch seine Kritik an den inhaltlich begründeten Ausführungen von Klein (1995) zu „semantisch-programmatischen Operationen“ als charakteristische Merkmale des „vorurteilshaften Diskurses“ (Hausendorf 1998, S. 23f). 95 Der Ertrag dieser begriffsgeschichtlichen Untersuchungen besteht darin, dass wichtige soziale Kategorisierungen in ihrer Entstehung und historischen Veränderung dargestellt werden. Zu den methodischen und theoretischen Berührungen von Begriffsgeschichte und konversationsanalytischer Vorurteils- und Stereotypenforschung vgl. Hausendorf (1998), S. 34f. und 40f. 96 Zur Vermischung von Roschs Prototypentheorie mit Putnams Stereotypentheorie in der deutschen Linguistik vgl. Mangasser-Wahl (1997). Zu Rolle und Bedeutung der Prototypentheorie in der bzw. für die Linguistik vgl. Mangasser-Wahl (1998). 132 Reden und Spielen Kategorie (vgl. Mangasser-Wahl 1997) bzw. als mentale Repräsentation einer Kategorie (vgl. Ungerer/ Schmid 1996). Sie können weiterhin bestimmt werden anhand von Attributen, wobei sie mit den Elementen ihrer Kategorie die meisten Attribute teilen, mit den Elementen der Nachbarkategorie jedoch die wenigsten. Die als schlecht bewerteten Elemente wiederum teilen nur wenige Attribute mit den anderen Elementen ihrer Kategorie, weisen aber mehrere Attribute anderer Kategorien auf. Attribute können für alle Kategorienelemente gelten oder aber jeweils nur für einige Elemente. In diesem Fall wird die Kohärenz der Kategorie durch eine Ähnlichkeitsrelation gewährt (vgl. ebd. und Rosch/ Mervis 1975). Die Prototypentheorie berührt sich mit dem soziolinguistischen Ansatz, den ich präferiere, in einigen Punkten: 97 Etwa in der Bedeutung der Merkmale bzw. Eigenschaften für die Bestimmung von Kategorienelementen bzw. in meinem Verständnis für Kategorien- und Typenbezeichnungen -, in der Annahme einer Graduierung von Kategorienelementen bzw. von Kategorien, in der Betonung von verschwimmenden Grenzen zwischen den Kategorien (was der Anlass für eine Typisierung wäre), in der Betonung einer Kontextabhängigkeit 98 und seiner Abhängigkeit von kulturellen Bedingungen (vgl. Rosch 1975c). Unterschiede lassen sich in den Untersuchungsgegenständen, -kriterien und -methoden ausmachen. So interessiert sich die Prototypentheorie bspw. nicht für die soziale Aushandlung von Prototypen oder von peripheren Elementen und ebenso wenig für ihre Herstellung, Aufrechterhaltung und Veränderung in der laufenden Interaktion. Was der Prototypentheorie die „Salienz“ als entscheidendes Kriterium für die Bedeutung einer Kategorie ist, das ist der gesprächsanalytischen Soziolinguistik die „soziale Relevanz“. 99 Zudem operiert die Prototypentheorie mit experimentellen Tests und Fragebögen (vgl. die Experimente von Rosch 1971, 1972, 1973, 1974 und 1975a-c, von Labov 1973, et ah), mit fiktiven Beispielsätzen und vertraut auf Lexika oder auf des Forschers Intuition. Die interpretative Soziolinguistik dagegen rekonstruiert die Leistungen der Interaktionsbeteiligten anhand von Dokumenten natürlicher, nicht künstlich arrangierter Interaktionen bzw. von Dokumenten, die einer ethnografischen Beobachtung entspringen. Es kann auf weitere linguistische Arbeiten verwiesen werden, die sich mit Begriffen, Kategorien, Kategorisierungen und ihren sprachspezifischen und kontextfreien Bedeutungen bzw. mit gerade nicht kontextfreien, sondern sozial spezifischen Bedeutungen beschäftigt haben: a) Wortfeldtheoretische Arbeiten (vgl. Trier 1931, Oksaar 1958, Baumgärtner 1967, Bergenholtz 1980 und Lutzeier 1981) gehen davon aus, dass sich 97 Die Gemeinsamkeiten und Differenzen von Prototypentheorie und gesprächsanalytischer Soziolinguistik müssen noch in einer differenzierteren analytischen Darstellung herausgearbeitet werden, die ich an dieser Stelle jedoch nicht leisten kann. 98 Wenngleich die Definition, was Kontext sei, differiert. 99 Diese Überlegung verdanke ich Inken Keim. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 133 der Wortschatz einer Sprache auf Felder aufteilen lasse, wobei das Kriterium nicht der gemeinsame Wortstamm ist, sondern die spezifische semantische Relation zwischen den Lexemen, die meist einer Wortklasse entstammen. 100 Ihr Untersuchungsinteresse ist die Bedeutung eines Lexems unabhängig von Kontextzusammenhängen, die bspw. situations- oder personenbedingt sind, d.h. „der sogenannte semantische Eigenwert eines Lexems“ (Kallmeyer/ Keim 1994b, S. 323). Der semantische Eigenwert eines Lexems sei in der Perspektive der Wortfeldtheoretiker trotz erheblicher Unterschiede zwischen einer autonomen Bedeutung und einer gruppensprachlichen Bedeutung festzumachen (vgl. Lutzeier 1981, S. 8). Analytisches Kriterium ist fast immer die semantische Kompetenz des untersuchenden Linguisten, die z.T. durch den Rückgriff auf Befragungen, Wörterbücher oder Textanalysen gestützt wird. b) Im Unterschied dazu konzentrieren sich ethnolinguistische Bedeutungsanalysen, z.B. die von Frake (1961), auf die kategoriale Verwendung von Bezeichnungen abhängig von kulturellen (d.h. nicht kontextfreien) Variablen. Frakes methodisches Vorgehen ist ethnografisch basiert und stützt sich auf Befragungen, in denen die Befragten eine Krankheitsbezeichnung den Kategorien gegenüberstellen sollten, die mit ihr in den verschiedenen Situationskontexten jeweils kontrastieren. Seine Untersuchung über Bezeichnungen für Hautkrankheiten bei den Subanun, einem Stamm auf Mindanao, ergab, dass „es für eine bestimmte Krankheit in verschiedenen Kommunikationskontexten auf verschiedenen Abstraktionsebenen verschiedene Bezeichnungen gibt, und zwar für das gleiche Erscheinungsbild“ (Kallmeyer/ Keim 1994b, S. 324). Nur am Rande, so Kallmeyer und Keim, interessiere sich Frake für die tatsächliche situationale Kategorisierung der Subanun. c) Die gesprächsanalytische Untersuchung von Kallmeyer/ Keim (1994b), die im Rahmen des soziolinguistischen Projektes „Kommunikation in der Stadt“ erfolgte (vgl. Kallmeyer 1994a und 1995a) fokussiert das soziale Hintergrundwissen der Frauen und Männer in einem Mannheimer Viertel in der Innenstadt, der so genannten „Filsbach“ sowie die sprachlichen Verfahren, die sie zur sozialen Kategorisierung verwenden. Die Autoren nutzen dabei Theoriemodelle und Erkenntnisse, die den genannten wissenssoziologischen, ethnomethodologischen und anthropologisch-konversationsanalytischen Untersuchungen von Sacks, Schenkein sowie Erickson und Shultz zu verdanken sind. Wesentlicher Analysegesichtspunkt ist die Aushandelbarkeit und die analytisch auf der sprachlichen Oberfläche tatsächlich nachweisbare Aushandlung von Kategorisierung und ihrer sozialen Bedeutung. Kallmeyer und Keim weisen nach, dass bei der Kategorisierung einerseits klare taxonomische Kategorien zum Tragen kommen (z.B. bei der Kategoriensammlung ‘Ehepaar’), dass soziale Kategorisierung im 100 Vgl. auch Schaeder (1993). 134 Reden und Spielen Alltagsleben andererseits aber auch durch offenere und weniger deutlich bestimmte Kategorien erfolgt, bei denen sich verschiedene Charakterisierungsaspekte überlagern. „Weiter ist damit zu rechnen, daß es neben solchen Kategorien in der Selbst- und Fremddarstellung Beschreibungen von Eigenschaften als typische gibt, denen nicht ohne weiteres eine soziale Kategorie zugeordnet werden kann die Definitionen der kategoriengebundenen Aktivitäten können sich ändern, und es können neue Kategorien aufgrund veränderter typischer Verhaltensweisen gesucht und gefunden werden“ (Kallmeyer/ Keim 1994a, S. 326). Die Autoren, die in diesem Kontext explizit auf die Kritik von Di Luzio/ Auer (1986) an der zu starren Beziehung zwischen Kategorien und Aktivitätstypen hinweisen, fuhren daher die Unterscheidung zwischen Kategorisierung und Typisierung ein. 101 Von Kategorisierung sprechen die Autoren, „wenn ein fester Kategorienbestand existiert, der in sich systematisch geordnet ist, und wenn die betreffenden Kategorien mit festen sprachlichen Ausdrucksweisen verbunden sind (Kategorienbezeichnungen, Formeln). Wenn es darum geht, die Konturen von sozialen Typen zu definieren oder bei der Charakterisierung von Individuen typische Merkmale zu suchen, sprechen wir von Typisierung“ (Kallmeyer 1994b, S. 29). Kategorien werden je nach gesprächsorganisatorischer Konstellation und Charakterisierungshinsicht unterschiedlich verwendet. In der geteilten Interaktionsmodalität der „‘einfachen Typisierung’ mit dem Gestus der fraglosen Sicherheit“ (Kallmeyer/ Keim 1994b), sei die Verwendung nur einer Kategorie ausreichend, um die Person hinreichend zu charakterisieren. Es gebe jedoch auch andere Gelegenheiten, bei denen Typisierungsprobleme auftauchten und komplexere Kategorisierungen erforderten. Die Stärke des Ansatzes von Kallmeyer und Keim zeigt sich nicht nur in der Flexibilisierung des Kategorisierungsbegriffs, sondern auch in der systematischen Analyse der sprachlichen Formen für Kategorien. Hierbei führen sie neben der (unmarkierten) „Normalform“-Kategorie die Begriffe „markierte Normalform“ und „Devianzform“ ein (a.a.O., S. 327). Unter markierter Normalform ist die aufwändigere Formulierung der Normalform zu verstehen, die vor dem Hintergrund gewählt wird, dass die Normalform übererfüllt wird (u.a. deswegen, weil die Erfüllung der Normalform aufgrund besonderer sozialer Konstellationen bedroht ist). Um ein 101 „Typisierung“ verstehen Kallmeyer (1994b) sowie Kallmeyer/ Keim (1994b) im Sinne der Phänomenologie von Alfred Schütz (vgl. Schütz 1971a, 1971b und Berger/ Luckmann 1977). Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 135 praktisches Beispiel aus dem gehobenen Amateurfußball zu verwenden: Als guter trainer wird derjenige Trainer bezeichnet, der trotz der sportspezifischen Emotionalität und Unübersichtlichkeit bzw. trotz der sportspezifischen hohen Geschwindigkeit immer ruhig und sachlich bleibt und den Überblick nicht verliert, der sofort Problemlösungen liefern, der junge Spieler aufbauen und tiefere Einblicke in die interaktionslogische Struktur des Sportes vermitteln kann. Mit ihrer analytischen Diversifizierung eröffnen Kallmeyer und Keim damit eine zusätzliche, bewertende Kategorienebene neben der relationalen Ebene (bezogen auf die Mann-Frau-Konstellation in der Filsbach). Besonders positiv erscheint mir, dass diese zusätzliche, bewertende Kategorienebene mehrstufig ist und prinzipiell Zwischenstufen und perspektivische Abstufungen zulässt. 102 d) Zu nennen sind auch die dezidiert konversationsanalytischen Arbeiten einer Bielefelder Forschergruppe zu den nationalen Selbst- und Fremdbildem im natürlichen Gespräch zwischen West- und Ostdeutschen nach der Wiedervereinigung bzw. in Ostmitteleuropa nach dem Wandel der politischen Systeme (vgl. die Beiträge in Czyzewski/ Gülich/ Flausendorf/ Kästner 1995a, Drescher/ Dausendschön-Gay 1995 sowie die Habilitationsschrift von Hausendorf 1998). Hausendorf schlägt in seiner sehr detaillierten und systematischen Arbeit ein dreistufiges Ebenenmodell zur Beschreibung sozialer Kategorisierungen vor (vgl. Hausendorf 1998, S. 72- 103). Er unterscheidet systematisch zwischen der Ebene der Aufgaben, der Ebene der Mittel und der Ebene der Formen. Auf der Ebene der Aufgaben werden die konstitutiven Interaktionsanforderungen zur Hervorbringung von Zugehörigkeit in Absehung aller rahmen- und situationsabhängigen Faktoren rekonstruiert. Nach Hausendorf sind drei Aufgaben zu unterscheiden: Zuordnen, Zuschreiben und Bewerten. Die Ebene der Mittel dient der Rekonstruktion jener Verfahren, mit denen die Aufgaben gelöst werden. Die Ebene der Formen dient der Rekonstruktion der sprachlichen Möglichkeiten, mit denen die einzelnen Mittel realisiert werden. Die Ebene der Mittel steht zwischen der situationsunabhängigen, allgemeinen Ebene der Aufgaben und der einzelfallorientierten, detaillierten Ebene der Formen, ist also allgemeiner als diese, aber konkreter als jene Ebene. Kritisch ist aus meiner Perspektive lediglich anzumerken, dass Hausendorf in seinem Analyseschema „interaktive Aufgaben“ nennt, die in meinem Verständnis „Aspekte“ ein und derselben Aufgabe, nämlich der Herstellung, Aufrechterhaltung bzw. Veränderung von sozialer Identität sind - Aspekte, die sich, zumindest was das Zuordnen und das Zuschreiben angeht, gegenseitig überlagern. Hausendorf betont zudem, dass Zuordnen „die Minimalanforderung für die Hervorbringung von Zugehörigkeit“ sei, „Zuschreiben und Bewerten [...] dagegen nicht im engeren Sinn obligatorische, sondern fakultative Aufgaben“ seien (a.a.O., S. 76). Ich gehe jedoch 102 Zu der Begründung, Perspektivität von Wahrnehmung und Handeln mit der Analyse von Kategorisierung zu verknüpfen, vgl. Kallmeyer (1995c). 136 Reden und Spielen davon aus, dass Zuordnen und Zuschreiben nur analytisch zu trennende „Aufgaben“, interaktiv jedoch von den Kategorisierenden nicht als getrennte Aufgaben vollzogen werden, da um hier auf Sacks und Kallmeyer/ Keim zurückzugreifen für die Kategorisierenden in ihrem Wissen mit den Kategorien Rechte und Pflichten, Eigenschaften und Merkmale fest verankert sind. Gerade für weitgehend geschlossene soziale Welten ist neben der Verknüpfung mit kategoriengebundenen Eigenschaften auch eine Verknüpfung mit Bewertungen verbunden, die den Interaktionspartnern, wie Kallmeyer/ Keim bereits nachweisen, weitgehend vertraut sind. Zudem scheint Hausendorf nicht zu zeigen, wie die Gesprächspartner aus Ost und West in Interaktionen Kategorisierungen bzw. Typisierungen aushandeln und ihren jeweiligen situativen Bedingungen anpassen. Außerdem ermöglicht die systematische Studie keine wirklich neue Perspektive auf das präsentierte Material und die soziale Entität der Gruppen aus Ost- und West. 103 Bezugspunkte ergeben sich für mich eher mit der Einteilung von Kategorisierungsverfahren von Drescher (1993) und Drescher/ Dausendschön-Gay (1995). Die Autoren unterscheiden zwischen dem „Etikettieren“ (Erstbenennung mit Kategoriennamen) und dem „Evozieren“ (Abfolge von Eigenschaften benennenden Elementen mit oder ohne abschließende Verwendung des Kategoriennamens, vgl. Drescher/ Dausendschön-Gay 1995, S. 86f.). Ich schlage ähnlich wie Drescher eine Differenzierung in zwei Grundkategorisierungsmuster vor, wobei ich noch sechs weitere Kombinationsmöglichkeiten unterscheiden möchte. Die beiden Grundkategorisierungsmuster nenne ich 1. „Kategorienbenennende Kategorisierung“ und 2. „Eigenschaftenbenennende Kategorisierung“. Von den sechs Kombinationen haben je zwei definierenden bzw. resümierenden Charakter; bei vier der sechs Kombinationsmöglichkeiten handelt es sich um kontrastierende Kombinationen; die sechs Kombinationen lauten 3. „Definierende Kategorisierung“, 4. „Resümierende Kategorisierung“, 5. „Kontrastierende Kategorisierung durch Kategorienbenennung“, 6. „Kontrastierende Kategorisierung durch Eigenschaftenbenennung“, 7. „Kontrastierende Definierungskategorisierung“, 8. „Kontrastierende Resümierungskategorisierung“ (vgl. die Definitionen und Beispiele im Abschnitt 5.4.1). Das folgende Kategoriensystem und die Rekonstruktion kategorisierender Aktivitäten in ethnografischen Interviews und einer alltäglichen Interaktionssequenz stützt sich wie bereits gesagt auf Kallmeyer/ Keim (1994b). Es geht darum, zu rekonstruieren, welche thematischen Relevanzen sich in den Bezeichnungen und Benennungen für die hier ausgewählten Personen und Gruppen widerspiegeln und welche Bedeutung ihnen in der Welt des gehobeltb Dies mag aus dem spezifischen Untersuchungsinteresse Hausendorfs herrühren, nämlich gerade eine Systematisierung des Kategorisierens und nicht eine soziolinguistische Studie des Kategorisierens in Ost-West-Weiten leisten zu wollen. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 137 nen Amateurfußballs situativ beigemessen wird. Zudem sollen einige Regeln ihrer situationsspezifischen Verwendung herausgearbeitet werden. 5.2 Das Kategoriensystem 5.2.1 Methodische Vorbemerkungen Die Kategorien in dem folgenden Kategorienschema beziehen sich auf die wesentlichen sozialen Einheiten des Fußballs: Trainer, Mannschaft und Spieler. Weitere soziale Einheiten des Amateurfußballs wie Manager, Vorstand, Fans wurden nicht berücksichtigt. Die untersuchten sozialen Einheiten stehen im Schema in der ersten Spalte links. Die Kategorien sind aus dem Korpus abgeleitet bzw. resultieren aus der teilnehmenden Beobachtung der zwei untersuchten Fußballvereine. Sie tauchen sowohl in den ethnografischen Interviews mit den Beteiligten als auch in ihren alltäglichen Interaktionssituationen auf. Zwei der Kategorien, Schätzchen vom Trainer und Notlösung, sind nur schwer einer Perspektive zuzuordnen. Schätzchen vom Trainer taucht in einem ethnografischen Interview mit einem Trainer auf, der die Kategorie in Referenz auf sprachliche Handlungen seiner Spieler einfuhrt. Die typische Verhaltensweise der Schätzchen, das „Kratzen, um sich einen Stammplatz zu sichern“ sind explizite Redewiedergaben des Trainers von Spieleräußerungen. Die Kategorie Notlösung dagegen stammt aus einem ethnografischen Interview mit einem Fußballer. Er bezieht sich auf einen Pressebericht, in welchem er von einem Trainer, der ihn für seinen Verein verpflichten wollte, als Notlösung bezeichnet worden sei bzw. in dem der Trainer so wiedergegeben wird. Die Kategorisierung als Notlösung sei für ihn „eine rote Karte“ gewesen und er sei dann nicht zu dem Verein gewechselt. Ob es sich also um eine Kategorie des Journalisten, des Trainers oder um eine gemeinsame Kategorie handelt, ist hier nicht genau entscheidbar. 104 Für zwei weitere Kategorien (Schönwetterspieler und Turnierspieler) ist der Belegstatus vage. Sie sind nicht im Korpus belegt, wurden von mir während der Feldforschung aufgeschnappt oder sind Resultat persönlicher Erfahrung im Fußball. 104 Der Trainer des ebenfalls untersuchten Handballvereins verwendete in einem ethnografischen Interview für einen seiner Handballspieler ebenfalls die Kategorie „Notlösung“. Daher könnte es sich tatsächlich um eine Trainerkategorie handeln. Andererseits wurden dieser und ein weiterer Spieler in einem Spielbericht der regionalen Zeitung im Verlauf meiner Feldforschung als „Notnagel“ bezeichnet. Der Verfasser des Artikels führte regelmäßig längere Hintergrundgespräche mit dem Trainer, sodass er sich möglicherweise auf eine Kategorie des Trainers bezog. Jedenfalls empfanden die Spieler die in der Zeitung veröffentlichte Kategorisierung als „Notnagel“ unangemessen und als Beleidigung. Beim ersten Umziehen nach Erscheinen des Artikels bearbeiteten sie die Kategorisierung sowohl ernstals auch scherzhaft. 138 Reden und Spielen Es wird weder der Anspruch erhoben, ein für alle Mannschaften des gehobenen Amateurfußballs gleichermaßen gültiges Kategoriensystem aufgestellt zu haben, noch sämtliche Kategorien für Trainer, Mannschaft und Spieler in den beiden von mir beobachteten Mannschaften erfasst zu haben. Im Verständnis der soziologischen Konversationsanalyse und der soziolinguistischen Gesprächsanalyse bzw. Gesprächsrhetorik sind Kategorien und das über sie aktivierte soziale Hintergrundwissen perspektivisch und dynamisch, und ihre Verwendung ist situationsgebunden. Das heißt, dass nicht alle hier aufgeführten Bezeichnungen und Benennungen für das Erfüllen der kategoriellen Anforderungen bzw. für Devianzphänomene auch von beiden Mannschaften explizit benutzt worden sind, obwohl diese Erscheinungen auch jeweils in dem kleinen Weltausschnitt der Mannschaften auszumachen sind und in den Mannschaften implizit thematisiert werden. Das heißt auch, dass es teilweise konkurrierende Bezeichnungen für dieselbe zugrunde liegende Kategorie gibt, für die beide Mannschaften jedoch ein ähnliches soziales Hintergrundwissen aktivieren, und dass es wiederum gruppenspezifische Kategorienbezeichnungen gibt, die in der anderen Mannschaft nicht verständlich wären. Im Schema finden sich nur zwei solcher gruppenspezifischer Kategorienbezeichnungen (verständnisvoller Spieler und Wochenendtscheche). Außerdem kennen beide Mannschaften jeweils eigene Bezeichnungsformen, mit denen sie oft scherzhaft auf frotzelnde Äußerungen ihrer Mitspieler reagieren, mit denen sie diesen scherzhaft eine Devianz zuschreiben oder mit denen sie ihren Ärger über eigenes Fehlverhalten äußern. In Schwarzberg war dies die Äußerung du schabe, in Huke die Äußerungen du nuss oder ich nuss sowie die Bezeichnung wurst. Im folgenden Beispiel nutzt Führungsspieler Demmi die Bezeichnung, um beim Warmmachen und Dehnen seine Mitspieler abzuqualifizieren und einen Lacherfolg zu landen. 089 Berni: kumpeis immal 090 Demmi: 091 Thorsten: ich sach euch dasl * direkt ins gesichtl * braucht ach der is 092 Berni: 093 Demmi: mich nur fragnl* du biss ne wurst du du 094 Thorsten: 095 Marcel: LACHT duf *und dul LACHT der demmi is der einzige 096 Berni: KK: ich will ja nix sagn~ * dat is nämli n=produkt vonna #plasto a gel# #NAME DES SPONSORS# 097 Thorsten: der hier hingehört eyl Komm.: LACHEN DER SPIELER ,105 [H-46B] 105 KK: = spieler-Zsprecherbezogener Kommentar; Komm.: = allgemeiner Kommentar. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 139 Die scherzhafte Bezeichnung Demmis hat allerdings auch einen realen Hintergrund. Denn während er einer der besten Spieler der Mannschaft ist was alle Anwesenden wissen zählen die als Würste bezeichneten Mitspieler zu den einfachen Stammspielern und Ersatzspielern. Thorstens Antwort der demmi is der einzige der hier hingehört zeigt, dass Demmi ihnen mit der abqualifizierenden Kategorisierung die Zugehörigkeit zum Kader bestreitet. Torwarttrainer Berni nimmt die Antwort von Thorsten inhaltlich auf und liefert für sie eine Plausibilisierung: Demmi sei nämlich ein Produkt des Hauptsponsors. Damit kontert er Demmis ersten scherzhaften Zug und hat die Lacher auf seiner Seite. Die Bezeichnung wurst benutzte der Führungsspieler auch in ernsthafter Modalität im ethnografischen Interview, um einige wenige seiner Mitspieler zu charakterisieren. Die genannten Bezeichnungen {schabe, nuss und wurst) sind aber nicht als Kategorien zu verstehen, sondern als gruppenspezifische meist scherzhafte Benennungen zur Charakterisierung allgemeiner Devianz. Sie werden deshalb nicht in das Kategorienschema aufgenommen. 106 Das folgende Schema unterscheidet bzw. vereint unterschiedliche Perspektiven: 1. Die von Trainern und Spielern geteilte Perspektive; 2. die von Trainern und Führungsspielern geteilte Perspektive, 3. die Perspektive der Trainer, 4. die Perspektive der Spieler. Trainer und Spieler haben für die Kategorien bis auf wenige Ausnahmen eigene Bezeichnungen. Im Schema stehen sie in der zweiten Spalte in doppelten Anführungszeichen („ “). Kategorien, für die keine feste Bezeichnung gefunden, die jedoch von mir abgeleitet wurden, werden im Schema in einfachen Anführungszeichen (‘ ’) präsentiert. Die Herleitung der Kategorien beruht auf der Extrahierung textueller Bedeutungen, sind also im Text nachweisbar. Ein Indikator für die Relevanz einer expliziten bzw. abgeleiteten Kategorie ist mit Sicherheit die Anzahl der Belege im Korpus, die sich für die jeweilige Kategorie finden lässt. Im Schema wird danach unterschieden, ob die Bezeichnung sich einmal (1) oder mehrfach (mf) belegen lässt. Die von den Trainern und Spielern gemeinsam produzierten Kategorien erscheinen in normaler Schrift. Kategorien, die sich nur für Trainer nachweisen ließen, erscheinen in serifenloser Schrift. Kategorien der Trainer, die auch von den Führungsspielern benutzt werden, erscheinen in serifenloser Fettschrift. 106 In der Welt des professionellen Fußballs ist die pejorative Bezeichnung „Wurst“ ebenfalls bekannt. Der Trainer von 1860 München, Werner Lorant, wurde im Oktober 1999 vom DFB zu einer Coachingsperre von zwei Spielen und einer Geldstrafe von 20.000 Mark verurteilt, weil er bei einem Meisterschaftsspiel zu dem Schiedsrichterassistenten gesagt haben soll: „Ihr seid doch alles Würste.“ 140 Reden und Spielen Kategorien, die von allen Spielern, jedoch nicht von den Trainern genannt wurden, werden in kursiver Normalschrift wiedergegeben. Die Beteiligten verweisen auf die Kategorien oft mit auffällig identischen oder semantisch verwandten Charakterisierungen. Sie werden in der dritten Spalte („Eigenschaften/ Verhaltensweisen“) zusammengefasst. Besonders sprechende Charakterisierungen der Trainer und Spieler aus dem Textkorpus erscheinen in Normalschrift und in Anführungsstrichen. Besonders sprechende Charakterisierungen, die nur von den Trainern benutzt werden, erscheinen in serifenloser Schrift, die sprechenden Charakterisierungen, die von den Trainern und den Führungsspielern benutzt werden, in serifenloser Fettschrift. Besonders sprechende Charakterisierungen, die nur die Spieler verwenden, stehen in kursiver Normalschrift. Die Kategorisierungen erfolgen in unterschiedlichen Charakterisierungshinsichten. Sie beziehen sich auf fünf Relevanzbereiche, die in der letzten Spalte des Schemas genannt werden: (1) Die „fußballerische Kompetenz“, wobei fußballerisch im engeren Sinne gemeint ist und technische und taktische Kunstfertigkeit, physische Fitness und Übersicht umschließt, (2) die „Motiviertheit“, unter der ich den Grad der Motivation bzw. die kämpferische, moralische Einstellung verstehe, (3) die „Alterität“, unter der ich den Grad des sozialen Bezuges auf den Trainer, auf die Mannschaft bzw. auf den Mitspieler verstehe, 107 (4) den „Lebensabschnitt“, (5) die „materielle Vergütung“ und (6) die soziale Herkunft. 108 Nur eine Kategorie, Ausschussware, war nicht 107 In der Theoriebildung des symbolischen Interaktionismus taucht der Begriff der „sozialen Reziprozität“ auf (vgl. Schütze 1987b, S. 522ff.). Darunter ist der interaktive reziproke Bezug zu den Mitakteuren zu verstehen, den alle Akteure notwendigerweise herstellen, bewahren und den jeweiligen Anforderungen anpassen müssen, um die von der Gesellschaft bzw. der sozialen Gruppe geteilten Problembestände arbeitsteilig bearbeiten zu können. Da die Art des sozialen Bezugs und Rückbezugs der Beteiligten im Mannschaftssport nicht-existent, unterentwickelt oder aber überentwickelt sein kann und auch nicht reziprok sein muss, folge ich einer Anregung von Kallmeyer und verwende den Begriff der „Alterität“. Zum Begriff der Alterität bei Coseriu, Mead und Schütz und den Implikationen für die Sprachwissenschaft vgl. Schlieben-Lange (1998). 108 Väth (1994) beginnt seine Studie mit einer Analyse des Fußballspiels. Grundelemente seien Spiel, Wettkampf und Mannschaft. Normative Anforderungen für das Spiel seien „Spielprinzip, Spielgedanke, Spielffeude“, die Väth weiter in Bewegungsffeude, Objektbeherrschung, Sozialität (worunter er die Sensibilität für die Handlungsabsichten der Mitspieler versteht), Gestaltungsfreude, Tor- und Siegesffeude differenziert; Anforderungen für den Wettkampf seien der Wettkampfgeist und die Leistungsverpflichtung; im Hinblick auf das Grundelement Mannschaft sei Teamgeist eine wesentliche Anforderung für die Spieler. Als vierte normative Anforderung nennt Väth das „Fair Play-Faimeß-Gebot“ (vgl. a.a.O., S. 27-35). Dem von mir genannten Relevanzbereich der fußballerischen Kompetenz entsprechen z.T. die Anforderungen Bewegungsffeude, Objektbeherrschung und Gestaltungsfreude, dem Relevanzbereich der Alterität ähnelt die von Väth lediglich auf die Spielinteraktion bezogene Anforderung der Sozialität und des Teamgeistes, dem Relevanzbereich der Motiviertheit ähneln Väths Anforderungen des Wettkampfgeistes Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 141 eindeutig zuweisbar, sodass sie sich auf alle Relevanzbereiche beziehen könnte. Ihr Relevanzbereich wurde daher als „nicht definiert“ angegeben. Die Relevanzbereiche 1, 2 und 3 sind eindeutig die wichtigsten Relevanzbereiche. Der Relevanzbereich der Alterität umfasst sowohl das soziale Verhalten im Zeitraum des Trainings und Wettkampfs, als auch in einer Zwischenzone zwischen Trainings- und Wettkampfzeitraum und dem privaten Leben der Beteiligten. Der Relevanzbereich „Lebensabschnitt“ umfasst die vereinfacht dargestellt — beiden Altersstufen, nach denen die Fußballer eingeteilt werden bzw. sich selbst einteilen: a) In die jungen bzw. jüngeren Spieler und b) in die alten bzw. älteren Spieler. Während die Kategorisierung anhand der Relevanzbereiche 1, 2, 3 und 5 von der Art und Weise des jeweiligen Verhaltens des Trainers und Spielers abhängt, so ist der Relevanzbereich „Lebensabschnitt“ nicht direkt vom Beteiligten steuerbar: Ein Spieler kann nicht schneller alt oder wieder jung werden, um einen Übergang in die andere Altersstufe zu erreichen. Allerdings ist es kontextabhängig und auch Sache der Aushandlung, zu welchem Lebensabschnitt der Spieler sich selbst zuordnet bzw. von den anderen zugordnet wird. Der ideale Werdegang eines talentierten, jungen, gerade dem Juniorenbereich entwachsenen Fußballspielers sieht folgende Entwicklungsstufen vor: Im ersten Seniorenjahr gewöhnt er sich an die besonderen sportlichen Bedingungen der Seniorenklasse, indem er mit dem Kader der ersten Mannschaft trainiert, aber nur einige Spiele für sie bestreitet. Spielpraxis erwirbt er sich in Freundschaftsspielen oder in Spielen für die zweite Mannschaft. Nach und nach wird der junge Spieler aufgebaut zu einem stabilen Seniorenspieler, wobei er zunächst den Status des festen Auswechselspielers, dann den des festen Stammspielers einnimmt. Mit zunehmendem Alter und fortschreitender Erfahrung und Routine kann der ehemals junge Spieler schließlich, wenn er auch noch über besondere sportliche Fähigkeiten verfügt, zum Leistungsträger und Führungsspieler der Mannschaft heranreifen. 109 und der Leistungsverpflichtung. Kritisch ist zu Väths Einteilung anzumerken, dass er nur beim Fair Play-Faimess-Gebot angibt, dass es sich um eine idealtypische Konstruktion handelt. Bei den Übrigen ist nicht ersichtlich, ob es sich um rekonstruierte Anforderungen handelt und wenn ja, auf welcher Datenbasis dies geschehen ist. 109 Vgl. das idealtypologische Karrieremodell des Fußballprofis bei Väth (1994, S. 8Iff), indem er seinem Untersuchungsobjekt angemessen die besonderen ökonomischen und medialen Strukturen des professionellen Fußballgeschäftes und ihren Einfluss auf die Karriere des Fußballers mitfokussiert. 142 Reden und Spielen «3 E Cß I f o « y > E -o 2 ^ E o E < rt oo 3 " <u ' "tic -D -E ^ C ^ Ü •o. 00 ^ c <U 3 00 •—I ■ , < k, i (U *-> > sz u <u <a £ ^ To 'i ^ ^ .2P: * u. -J M - 0 J= : =J O u. II £ S3 •S ^ 5 S ^ Ä 5 5, 00 'i ’S -s o ^ II = < Ri E -s-£ a c <3 fc " 4i ro M -C c S Sa,® <U O’ 5 5 -o c ^ -Q o S C; 0) 1 •SJ c g g. « . "'s In l’i 3 • *< jJ _CJ QJ ol ’S Ö. j= 0O oc ^ .2 : § a y > -Q g CO J= E _ 3 03 N 3 tZ V) > (/ ) ^ ~ > ■ E J3 p 00 .* ^ : fTl ^ — S $s ä c : (A «u ’S E ob 1 > : i ! E E , ^ i -o -s: 0 1 I £ ' CX o ^ : .1- 1 C 2 3 <0 to §,s £ z C~ E S. 3 ^ ' E. h (D 2 o> CT E co c “ E O ' E • o ^03 > 00 D. .<2 Abb. 3a: Kategorienschema aus Trainer- und Spielerperspektive (markierte Normalform) Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 143 2. > e O o3 o 00 «0 . E w X) 5 -R O -R S R ><A - 4) J2 g E 5 ^ oo ^ O ra <U 4> tb Q) cn '5. ^ D- OJ (f) -Q s> a £ E ! ■ E Q. ro oo 0 C N E xi 2£ td h- E II ! 1 tu -s; sl -u. “ g Q. Ä S V 00 ^ ■ E 3 N ^ - X u Ü <u 00 ■ O ' o c N tu 144 Reden und Spielen £ ■ E y II >°s S C/ O 4J _•> , •5 S OE ' oE n. i <L> Qi = = i- I c .5 c c - I -C ^3 t: a> oc = o: ^ u ^ : ^ ~ 3- ; K 'c 2i i ^ "o D. J= C T3 “ -9 ! O c H « *o. ‘ — «u ■ 3 “ - Qtso oo s & - 0) ^ $ «U ^ I o (0 « 1 ■ 2* u ^ <U 'S c o U *- -1Z c o "5) O — C . « c/ *2 s D. E o <f ? tu "l E 51 E "E «0 00 2 cS ^ -a ■ § *00 .- <u C ^ , E CQ o ü w T3 ^ C E o W .52 c UJ 00 «0 ! > § ^ : ; a a> Q. ' O C/ l Ulcü • ^ Z (0 Ofl £ U ±z Q, OJ 21 ; J= .a . iS ^ >. c JZ c O. X3 N .t: 4i ^ X3 2 er E Abb. 3b: Kategorienschema aus Trainer- und Spielerperspektive (Devianzformen) Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 145 u $ E c ~o : ca w E ca eE .S3 . ^ CQ <u E I E E I 5 2Z ? 5 ' r ^ C ^ ü 00 FX V a -s: £ S .5! a § to I ^ s ^4_ ~ E c T3 ^3 E o <U li •S E s 3 — C/ ) c 00 “ s s h- • E E U / —' . ^ e ' <u — E ^ E N 5 > s 4J , c! OE E O ’ E h* E a S & E c- E X) < 146 Reden und Spielen Legende des Kategorienschemas: der „gute Trainer“ „ordentlicher Oberligaspieler'' „Leistungsträger“ der,feine Kerl" ‘mitspielender Torwart’ Schönwetterspieler* „zaubert“, „kontrolliert das Spiel“ „spielt blind" „beißt sich durch“ „mit dem kann man reden“ (mf) (1) gemeinsame Kategorie von Trainern und Spielern aus dem Textkorpus Kategorie der Trainer Kategorie vorwiegend der Trainer, aber auch von Führungsspielem und erfahrenen Spielern benutzt Kategorie der Spieler aus dem Korpus abgeleitete gemeinsame Kategorie nicht im Korpus belegt; aufgeschnappt während der Feldforschung bzw. aus persönlicher Erfahrung in der Welt des Fußballs besonders sprechende Charakterisierung der gemeinsamen Kategorie besonders sprechende Charakterisierung von Trainern für die Kategorie besonders sprechende Charakterisierung von Trainern, aber auch von Führungsspielem und erfahrenen Spielern besonders sprechende Charakterisierung von Spielern für die Kategorie mehrfacher Beleg im Korpus, verschiedene Informanten Belege nur eines Informanten im Korpus Verwendete Abkürzungen für Relevanzbereiche: f. Komp. = fußballerische Kompetenz mater. = materiell Motiv. = Motiviertheit Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 147 5.2.2 Gemeinsames Anforderungsprofil für Trainer und Spieler Aus dem Kategorienschema lässt sich ein gemeinsames Anforderungsprofil für die sozialen Rollen des Trainers und des Spielers im gehobenen Amateurfußball abstrahieren. Trainer wie Spieler müssen, falls sie nicht als deviant erscheinen wollen, fußballerisch kompetent und motiviert sein und sie müssen die Fähigkeit besitzen, eine tragfähige soziale Beziehung mit dem Gegenüber aufbauen zu können. Schließlich dürfen sie um das soziale Gefüge nicht zu zerstören keine ihrer Leistungsstärke unangemessene materielle Vergütung vom Verein fordern und erhalten. Die für die verschiedenen Relevanzbereiche spezifischen Anforderungen, die Trainer und Spieler zu erfüllen haben, sind allerdings nicht identisch. Anforderungen der fußballerischen Kompetenz für Spieler sind technische und taktische Kunstfertigkeit, physische Fitness sowie Übersicht. Zwar werden Trainer von ihren Spielern auch deshalb sehr geschätzt, wenn sie technische Kunststücke beherrschen und sie demonstrieren können, doch besteht die fußballerische Kompetenz der Trainer im Wesentlichen in der theoretischen Beschäftigung mit Spieltaktik und Technik, mit Spielverständnis und Physis schulenden Trainingsinhalten sowie mit der praktischen Vermittlung und Anwendung taktischer Manöver im Training und Wettkampf. Auch für Trainer ist daher die Fähigkeit der Wahrnehmung möglichst vieler relevanter Phänomene, also die Fähigkeit, den Überblick zu wahren, unabdingbar. Zur fußballerischen Kompetenz müssen notwendigerweise die richtige moralisch-kämpferische Einstellung („Motiviertheit“) und die soziale Fähigkeit hinzutreten, als gleicher unter gleichen mit den (Mit-)Spielern bzw. mit dem Trainer zu reden und zu agieren. Deutlicher ausgedrückt: Wer im gehobenen Amateursport Fußball spielen und die Normalform erfüllen will, muss nicht nur trainieren und Wettkämpfe bestreiten, sondern auch eine bestimmte Zeit nach dem Training und dem Wettkampf mit der Mannschaft verbringen. Wahrscheinlich unterscheidet das die soziale Welt des gehobenen Amateurfußballs in vertikaler Richtung nach oben von der sozialen Welt des Profifußballs, definitiv aber nach unten von der Welt des Freizeitfußballs. Während die Profifußballer vermutlich nur wenig Zeit der Geselligkeit außerhalb des Trainings- und Wettkampfs mit den Mitspielern verbringen, so bedeutet den Freizeitspielern die gemeinsam verbrachte Zeit nach dem Training und Spiel mindestens ebenso viel wie das Fußballspielen selbst, wenn nicht sogar mehr. Das Kicken ist für Freizeitkicker lediglich das Vorspiel fürs anschließende gemeinsame Biertrinken. 148 Reden und Spielen 5.2.3 Kategorienasymmetrien Die Differenzierung der 101 Kategorien im Kategorienschema nach den verschiedenen Perspektiven - 1. die von Trainern und Spielern geteilte Perspektive; 2. die von Trainern und Führungsspielern geteilte Perspektive, 3. die Perspektive der Trainer, 4. die Perspektive der Spieler ermöglicht es, Perspektivendivergenzen und Dominanzen einer bestimmten Perspektive zu erkennen. Die Frage nach der Perspektivik von Kategorienbenennungen hängt eng zusammen mit Fragen zur Kommunikationspraxis der Interaktionspartner, mit Kommunikationsregeln und Kommunikationsmustern. Es werden Antworten darüber möglich, wer was thematisch und sprachlich in der sozialen Welt prägt, wer was thematisch festlegt und worüber man spricht. 5.2.3.1 Perspektivenasymmetrie Das Schema weist markante Asymmetrien der Kategorien auf: Sowohl im Hinblick darauf, wessen Perspektive für welche soziale Einheit überwiegt, als auch im Hinblick auf die aus einer dominierenden Perspektive fokussierten Relevanzbereiche. Die markierten Normalformkategorien für Trainer sind Kategorien aus der Perspektive der Spieler. Markierte Normalformkategorien für die Mannschaft sind nicht eindeutig einer dominierenden Perspektive zuzuordnen. Bei den markierten Normalformkategorien für die Spieler allerdings, sowohl für die Spieler allgemein, als auch für die Position des Torwarts und für die Spielerpositionen in den einzelnen Mannschaftsteilen Defensive, Mittelfeld und Angriff, dominiert die Perspektive der Trainer. Eine größere Menge von Spielerkategorien wird vor allem von Trainern, aber auch von Führungsspielern bzw. älteren, erfahrenen Spieler benutzt. Nur wenige Kategorien für Spieler werden exklusiv von den Spielern selbst benutzt sowohl von Führungsspielern als auch von einfachen Kadermitgliedem. Ein Blick auf die Devianzformen zeigt, dass die Kategorien für deviante Trainer vorwiegend Kategorien der Spieler sind. Dies gilt, auch wenn die Kategorie ‘extrovertierter Trainer’ sich ebenfalls aus Äußerungen von Trainern über Trainerkollegen rekonstruieren lässt. Trainer benutzen zwar auch die anderen genannten Kategorien für Trainer, allerdings vorwiegend nur dann, wenn sie die Perspektive des ehemaligen Spielers einnehmen und autobiografisch über ihre früheren Trainer erzählen. Bei den Devianzformen für die Mannschaft wie auch bei den rekonstruierten Kategorien für die Positionen auf dem Spielfeld als Torwart, Defensivspieler, offensiver Mittelfeldspieler und Stürmer ist die Perspektive der Trainer do- Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 149 minant. Bei den Devianzformen für die Spieler, unabhängig von ihrer Position ist das Bild weniger klar. Es finden sich sowohl Kategorien der Trainer, als auch Kategorien, die von Trainern und Führungsspielem sowie von Trainern und Spielern unabhängig von ihrer Erfahrung geteilt werden, und reine Spielerkategorien. Die Spieler kategorisieren ihre Trainer, die die Normalform erfüllen bzw. übererfüllen, vor allem unter den Aspekten der fußballerischen Kompetenz und der Alterität. Die Trainer verwenden markierte Normalformkategorien für ihre Spieler vor allem unter dem Aspekt der fußballerischen Kompetenz. Normalformkategorien, die von Trainern und Führungsspielern gemeinsam zur Kategorisierung des (Mit-)Spielers genutzt werden, fokussieren vor allem seine Motiviertheit und sein Alteritäts-Verhalten. Dieser Relevanzbereich ist auch bei den wenigen, exklusiv von den Spielern genutzten Kategorien vorherrschend. Als deviant kategorisieren die Spieler ihre Trainer vor allem unter dem Aspekt von Motiviertheit und Alterität, während die Trainer die Mannschaften unter den Gesichtspunkten sowohl der fußballerischen Kompetenz, der Motiviertheit wie auch der Alterität als deviant einordnen. Devianzformen der Trainer für Spieler fokussieren vor allem ihre fußballerische Kompetenz und ihre Motiviertheit. Die Spieler selbst kategorisieren ihre Mitspieler vor allem unter dem Gesichtspunkt der Motiviertheit und der Alterität als deviant. Der Befund der Perspektivendivergenz und Perspektivendominanz erklärt sich zum Teil aus dem Rollengerüst und den mit den jeweiligen Rollen verbundenen Kernaufgaben (vgl. das voraufgegangene Kapitel). Die Evaluation der fußballerischen Kompetenz ist zunächst einmal ganz und allein Domäne des Trainers. Er beurteilt seine Spieler, ob sie die sportlichen Anforderungen der jeweiligen Spielklasse erfüllen bzw. in Zukunft erfüllen werden, ob sie über die notwendige Motiviertheit verfügen, und auf welcher Position er sie einsetzen kann. Ähnliches gilt für den Mannschaftskader insgesamt und selbstverständlich für die Beobachtung der gegnerischen Spieler und Mannschaften in der Spielvorbereitung. Ebenso sind Spielkritik, Mannschaftskritik, Einzelkritik zunächst ganz und allein Domäne des Trainers. Dies schlägt sich bei der Normalformkategorisierung insofern nieder, als die fußballerische Kompetenz die relevanteste Charakterisierungshinsicht ist. Bei der Kategorisierung als deviant sind aber Motiviertheit, Alterität und fußballerische Kompetenz thematisch relevant. Dass die Führungsspieler bzw. die erfahrenen Spieler Normalformkategorisierungen der Trainer teilen, die sich auf fußballerische Kompetenz und Motiviertheit der (Mit-)Spieler und der Mannschaft beziehen, spiegelt ihre besonderen Aufgaben wider, die aus ihrer Erfahrung und aus ihren Fähigkeiten der Einflussnahme resultieren. Wie bereits beschrieben, haben Führungs- 150 Reden und Spielen spieler zur Unterstützung des Trainers, aber auch zu seiner Kontrolle ebenfalls Aufgaben eines Coaches und eines Mannschaftspädagogen zu übernehmen: Nämlich die Mitspieler und den Mannschaftskader zu beobachten, sie zur Erfüllung ihrer sportlichen Aufgaben anzuhalten und ihnen dabei behilflich zu sein, sowie dem Trainer als Berater zu dienen, mit welcher Strategie und in welcher Aufstellung man das nächste Spiel bestreiten könnte. Wenn wir uns fragen, was die Kategorien aus unterschiedlicher Perspektive verzahnt, wie es also zu einer gemeinsamen Sprache der Beteiligten belegbar an gemeinsamen Bezeichnungen und Benennungen kommt, ist diese Erklärung bei der Beantwortung hilfreich. Zum einen führen die Rollenträger und besonders die Trainer Kategorien in zentralen Interaktionssituationen wie der Mannschaftssitzung und der Halbzeitpause in den Diskurs ein. Dies stößt einen Verbreitungs- und Generalisierungsprozess unter den übrigen Beteiligten an, besonders unter den Führungsspielern, die ja im besonderen Maße für bestimmte Mannschaftsteile zuständig sind bzw. die ja auf die übrigen Mitspieler und besonders auf die jüngeren Mitspieler einwirken. Zum anderen aber hängt das Übernehmen und das Verwenden von Kategorien des Trainers durch die Führungsspieler mit der Variabilität der Aufgabenprofile zusammen. Auch die Führungsspieler haben sich Gedanken zu machen über Spielstrategie, über mögliche Aufstellungsvarianten und haben die Einstellung und das soziale Verhalten der Mitspieler im Training und Wettkampf zu beobachten, was sich dann in der Verwendung der entsprechenden Kategorien niederschlägt. Wenn vor allem Spieler - und nicht die Trainer selbst - Kategorien für Trainer verwenden, ist dies Ausdruck ihrer Kernaufgabe, möglichst gut und erfolgreich für den Verein zu spielen. Das bedeutet, zu allererst ein förderliches Interaktionsverhältnis mit dem Trainer aufzubauen, die Trainingsübungen als Lernschritte zu verstehen sowie die taktischen Anweisungen des Trainers Gewinn bringend umzusetzen. Es ist also für Spieler unabdingbar, ihre Beziehung zum Trainer sowie seine Handlungsweisen stets unter den Gesichtspunkten von Kompetenz, Motiviertheit und Aiterität zu reflektieren dies auch deshalb, damit die Führungsspieler den Vorstand rechtzeitig von einer Devianz des Trainers unterrichten können, wenn diese Devianz den gemeinsamen Erfolg gefährdet. Die genannte Kernaufgabe der Spieler bedeutet aber im Hinblick auf das Interagieren der Spieler auch, ein Verhältnis der Aiterität zu den Mitspielern einzugehen, die notwendige Motiviertheit aufzubringen, um den Mitspielern zu helfen und um die eigenen fußballerischen Fähigkeiten stets weiterzuschulen sowie zu einem gesunden Interaktionsklima innerhalb der Mannschaft beizutragen. Dies leisten die Spieler durch permanente Kontrolle der Aktivitätsweisen der Mitspieler und durch Selbstkontrolle. Das schlägt sich nun nieder in den Kategorisierungen der Mitspieler vor allem unter den Gesichtspunkten der Aiterität und der Motiviertheit. Da es gerade nicht Aufgabe Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 151 eines normalen Kaderspielers und auch nicht sein wichtigstes Anliegen ist, die fußballerische Kompetenz eines Mitspielers zu überprüfen, spielt dieser Relevanzbereich bei dessen Kategorisierung keine bedeutende Rolle. 5.2.3.2 Asymmetrie der Relevanzbereiche Eine weitere Asymmetrie ist festzustellen, wenn markierte Normalformen und Devianzformen im Hinblick auf die Relevanzbereiche miteinander verglichen werden (die Alternativkategorien werden mitgezählt). Auffalligerweise bezieht sich die eindeutige Mehrzahl der markierten Normalformkategorien auf die fußballerische Kompetenz. Ausschließlich auf sie referieren 32 markierte Normalformkategorien. Acht markierte Normalformkategorien referieren sowohl auf die fußballerische Kompetenz als auch auf andere Relevanzbereiche. Insgesamt 40 Normalformkategorien sind also Kategorien der fußballerischen Kompetenz. Nur eine Minderheit der Normalformkategorien bezieht sich auf alle übrigen Relevanzbereiche zusammen (18 Normalformkategorien, wenn man jene Kategorien, die auch auf die fußballerische Kompetenz zielen, nicht mitzählt, aber 26 Kategorien, wenn man die 8 Kompetenzkategorien miteinschließt). Unter den Relevanzbereichen sind die Alterität (14-mal) und die Motiviertheit (11-mal) fast gleich relevant, der Lebensabschnitt (4-mal), die materielle Vergütung (2-mal) und die soziale Herkunft (1-mal) dagegen kaum relevant. Ein Vergleich mit den Devianzformen zeigt, dass hier das Verhältnis zwischen der fußballerischen Kompetenz und den übrigen Relevanzbereichen im mathematischen Sinne reziprok ist. Nur die deutlich geringere Anzahl der Devianzformen bezieht sich auf die fußballerische Kompetenz. An exklusiven Devianzkategorien, die allein auf die fußballerische Kompetenz verweisen, finden sich nur 12. Dagegen referieren 18 Devianzkategorien ausschließlich auf einen Relevanzbereich, wobei dieser Relevanzbereich nicht die fußballerische Kompetenz ist. Zählt man auch die Kategorien hinzu, die sich auf mehrere Relevanzbereiche beziehen, dann referieren sogar nur ein Drittel der Devianzkategorien auf die fußballerische Kompetenz, zwei Drittel aber auf die übrigen Relevanzbereiche (14-31). Die fußballerische Kompetenz ist auch im direkten Vergleich mit den Relevanzbereichen Alterität und Motiviertheit weniger relevant: 14 der Devianzkategorien beziehen sich auf die fußballerische Kompetenz, 22 auf die Alterität, 13 auf die Motiviertheit, drei auf den Lebensabschnitt, vier auf die materielle Vergütung und eine auf die soziale Herkunft (nur eine Devianzkategorie, Ausschussware, könnte sich auf alle Relevanzbereiche beziehen). Dieser Befund zeigt sich auch darin, dass im Schema für die Positionen der Spieler, welche bestimmte fußballerische Kompetenzen voraussetzen, 13 markierte Normalformen mit 5 synonymischen Varianten auftauchen. Für die Kategorisierung eines Spielers als deviant ist aber weniger relevant, in welchem Mannschaftsteil er spielt, demi im 152 Reden und Spielen Schema lassen sich für diesen Fall nur 4 Kategorien finden, die zudem rekonstruiert sind. Welche Gründe lassen sich zur Erklärung des Befundes finden, dass im Falle des Übererfullens von Handlungsanforderungen besonders die fußballerische Kompetenz der Rolleninhaber, aber nicht ihre besondere Motiviertheit oder übermäßige Alterität thematisiert werden? Und warum wird bei der Selbstkategorisierung im Falle der Devianz vor allem mangelnde Motiviertheit und mangelnde Alterität der Rolleninhaber thematisiert? Erstens: Wenn ein Trainer eine Mannschaft zusammenstellt, muss er schon im Voraus darauf achten, dass der einzelne Spieler und damit auch der ganze Kader die sportlichen Anforderungen der Spielklasse erfüllen bzw. dass der Spieler und der Kader die Anforderungen durch das von ihm geleitete Training erfüllen lernen. Wählt ein Trainer einen Spieler für die Mannschaft aus, dann unterstellt er ihm folglich, dass der Spieler die fußballerische Kompetenz mitbringt, um die Anforderungen der Spielklasse zu erfüllen bzw. erfüllen zu können. Die Frage nach der fußballerischen Kompetenz stellt sich also in der Vorbereitung auf die Saison und eigentlich nicht während der Saison. Spricht ein Trainer einem seiner Spieler die fußballerische Kompetenz ab, gesteht er implizit ein, dass er sich zu Saisonbeginn geirrt hat. Zweitens ist die fußballerische Kompetenz eines Beteiligten das Resultat jahrelangen Fleißes und von Erfahrung, aber auch von Begabung und Talent. Die Devianz kann in eine akute Krisensituation münden bzw. kritische Situationen in der Zukunft heraufbeschwören. Spräche ein Trainer einem Spieler für eine solche kritische Situation die fußballerische Kompetenz ab, nähme dies dem Spieler die Hoffnung, die akute oder drohende Krise zu bewältigen, kann er doch auf die Schnelle weder Lern- und Erfahrungsdefizite ausgleichen, noch sich von seinem Mangel an Talent befreien. Dagegen scheint das Diagnostizieren eines Motivations- und Alteritätsmangels und das Nicht-Thematisieren der fußballerischen Kompetenz eine Bewältigung der akuten Krise bzw. der drohenden Krise zu erleichtern. Es scheint die Vorstellung vorzuherrschen, dass sich der Mangel an Motiviertheit und Alterität leichter und schneller bearbeiten lässt als grundlegende fußballerische Defizite. Vor der drohenden Niederlage oder dem drohenden Abstieg scheint für die Beteiligten daher viel gravierender zu sein, wenn ein (Mit-)Spieler bzw. ein Trainer es an Interaktionsfähigkeit und Einsatzbereitschaft mangeln lässt, als wenn er Defizite der fußballerischen Kompetenz aufwiese. Motiviertheit und Alterität scheinen solche Defizite zum Teil kompensieren zu können. Fußballerische Kompetenz ist, wie oben dargestellt, also in den Augen der Beteiligten selbstverständlich und hinreichende Bedingung, Motiviertheit und Alterität dagegen sind notwendige Bedingungen, um ein Spiel zu gewinnen. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 153 5.2.3.3 Asymmetrie der Anzahl von Normalform- und Devianzkategorien und Asymmetrie zwischen expliziten und rekonstruierenden Bezeichnungen Im Hinblick auf das Zahlenverhältnis zwischen Normalform- und Devianzkategorien ist eine Symmetrie nur dann herstellbar, wenn die 16 Synonymvarianten ausgeschlossen werden. Zieht man sie also von den insgesamt 101 Kategorien ab, so erhalten wir 45 Normalformkategorien und 40 Devianzkategorien. Zählt man aber die Varianten mit, so stehen 58 Normalformkategorien 43 Devianzkategorien gegenüber. Unter dem Gesichtspunkt der Explizitheit erkennen wir eine weitere Asymmetrie. Bis auf drei Fälle sind die Kategorienbezeichnungen der markierten Normalformen alle explizit im Korpus nachweisbar. Bei den Devianzformen sind weniger Kategorienbezeichnungen explizit. Insgesamt 16 Devianzformen mussten rekonstruiert werden: 5 für Trainer, 3 für Mannschaften und 8 für Spieler (4 für Spieler unabhängig von ihrer Spielposition und 4 abhängig von ihrer Position auf dem Feld). Für diese zwei Beobachtungen gibt es zwei, eng miteinander verwandte, Erklärungen. Erstens: In der Welt des Fußballs herrscht eine Präferenz der positiven Darstellung. Kritik wird nur so viel als nötig geäußert. Ein Trainer, der nur die Schwäche der eigenen Mannschaft thematisiert bzw. bei dem die Kritik zum Selbstzweck wird, gilt als deviant, provoziert eine Kategorisierung als devianter Trainer durch die Spieler und damit langfristig auch seine Ablösung als verantwortlicher Trainer. Und nicht nur dies: Mehrere Informanten betonten, dass sowohl die Spieler untereinander als auch die Trainer Kritisches im Positiven sagen sollen. Kritik ohne Hilfestellung, wie sich z.B. die fußballerische Devianz in der konkreten Situation vermeiden lässt, und ohne aufbauenden Kern, wird so verstanden, dass dem Mitspieler die Motivation genommen wird, und dass die soziale Alterität im Hinblick auf die Orientierung auf den Mitspieler zerstört und im Prinzip die gesamte Mannschaft geschwächt wird. Das entsprechende verbale Verhalten des Trainers wird beispielsweise als absauen bezeichnet, die entsprechende Kategorie ist die des Diktators. Das vergleichbar negative Verhalten eines (Mit-)Spielers wird etwa als motzen benannt, die entsprechende Kategorie ist die des Stinkstiefels. Die Verpflichtung, im Positiven die Aufmerksamkeit des Mitspielers zu fördern, formuliert ein Trainer in einem ethnografischen Interview wie folgt: 154 Reden und Spielen 1009 Platen: 1010 Platen: 1011 Marcel: 1012 Platen: 1013 Marcel: 1014 Platen: 1015 Marcel: 1016 Platen: 1017 Marcel: 1018 Platen: 1019 Marcel: 1020 Platen: 1021 Marcel: 1022 Platen: [...] * nur positiv sagen * nich wie der kahn da auf den drauf zugeht un den schuppt den da * durch die gegend 110 halt hm hm hm hm ich für tota'l überzogn da kann ich noch so viel * * ehrgeiz harn un hm hm noch so viel macht * dann * geh ich nich da hin un un stoß den da hm durch den sechzehner * sgnnern dann sach ich ihn zwar ma wat aber hm hm hm ich schupp den da nich durch den sechzehner ne * aufmerksamkeit hm heißt eimal positiv * un auf fehler aufmerksam machen bestimmte hm hm Sachen aufmerksam machen miteinander redn * [H-45, ohne prosodische Markierung] Zweitens: Das Leitbild für die Beteiligten ist die Erfüllung der kategoriellen Anforderung. Weicht der Spieler von der Normalform ab, können die Beteiligten dies über die Negation der unmarkierten Normalform oder über die Spezifizierung mit einem die Devianz markierenden Adjektiv ausdrücken, beispielsweise in den authentischen Sätzen das is keiner bzw. aber dass se keine mannschaft sin muss ich für mich behalten oder in dem nicht-authentischen Satz (*das ist ein schlechter Stürmer). Eine eigene Bezeichnung für jede Devianzerscheinung wäre unökonomisch; daher tauchen weniger explizite Devianzformen im Kategorienschema auf. 110 Platen referiert auf ein Ereignis aus der ersten Bundesliga aus dem Jahre 1996, das für viel Aufsehen unter Fußballern und Fans sorgte und Oliver Kahn kurzfristig den Spottnamen „Tellerlippe“ einbrachte: Während eines Bundesligaauswärtsspiels von Bayern München in Stuttgart unterlief dem in der eigenen Mannschaft nicht sehr geschätzten Bayemspieler Andreas Herzog ein Abspielfehler in der eigenen Hälfte. Dies eröffhete der gegnerischen Mannschaft eine sehr gute Möglichkeit zum Torschuss. Bayem-Torwart Kahn verhinderte zwar ein Stuttgarter Tor, stürmte jedoch anschließend wutentbrannt und mit vorgeschobener Unterlippe auf Herzog zu und versetzte ihm mit beiden Fäusten einen heftigen Stoß in den Rücken. Kahn entschuldigte sich nachträglich bei Herzog. Herzog verließ wenige Wochen später Bayern München und ging zurück zu seinem alten Verein Werder Bremen, von dem er erst zu Saisonbeginn nach München gewechselt war. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 155 5.2.4 Übereinstimmende Kategorien zwischen gehobenem Amateurfußball und dem Verein des gehobenen Amateurhandballs Ein Vergleich der Kategorienbezeichnungen mit dem Korpus, das beim Handballverein aus dem gehobenen Handball aufgenommen wurde, zeigt nur wenige Unterschiede, aber viele Übereinstimmungen. Unterschiedlich sind selbstverständlich all jene Bezeichnungen, die auf die Eigentümlichkeiten der Sportart zurückgehen. Etwa die auf die spezifischen Positionen in der Fußballbzw. Handballmannschaft rekurrierenden unmarkierten Normalformkategorien (z.B. der Stürmer und der Mittelfeldspieler im Fußball, aber Kreis, Mittelmann, Halblinker oder Halber im Handball) oder jene, welche die Erfüllung kategorieller sportartspezifischer Anforderungen bzw. das Nicht-Erfüllen dieser Anforderungen anzeigen. Übereinstimmungen ergeben sich, wenn man den engeren Relevanzbereich „fußballerische Kompetenz“ zu einem auch die handballerische Kompetenz einschließenden Relevanzbereich „sportliche Kompetenz“ erweitert, wobei „sportlich“ wiederum im engeren Sinne gemeint ist. Des Weitern lassen sich sehr viele Übereinstimmungen in den Relevanzbereichen Motiviertheit, Alterität, Lebensabschnitt und materielle Vergütung finden. Gleich sind beispielsweise die Kategorien bzw. ihre Bezeichnungen guter Trainer, feiner Kerl, gute Mannschaft, dazu Leistungsträger, erfahrener Spieler, Talent, hungriger Spieler, gute Seele, Kumpel, schlechter Trainer, ‘extrovertierter Trainer', Notlösung (bzw. Notnagel), dustloser, ehrgeizloser Spieler', ewiges Talent, arroganter Spieler etc.. Einige Kategorien tauchen jedoch nur in der Handballmannschaft auf, nicht aber bei den Fußballern. Es sind zwei markierte Normaiformen und vier Devianzformen: soziale Einheit markierte Normalform Eigenschaften/ V erhaltensweisen Relevanzbereich Spieler ein „Kalb“ auch „Tier“: sehr kräftiger, groß gewachsener Spieler sportl. Komp. „Pausenclown“ bes. humorvoll, schlagfertig, sorgt für gute Stimmung Alterität Tab. 1: Markierte Normaiformen 156 Reden und Spielen soziale Einheit Devianzform Eigenschaften/ Verhaltensweisen Relevanzbereich Spieler „Beamter“ hyperkorrekt, detailversessen in der persönlichen Vorbereitung auf das Spiel „Sau“ missachtet Anstandsregeln auf dem Feld: spuckt rum, bespuckt, beschimpft Mitspieler wg. kleinster Fehler „Einzelsportler“ auch „Tennisspieler“: Einzelgänger, Egoist, ohne Kontakt zu Mitspielern (bezogen auf soz. Verhalten) „Selbstmörder“ kontextabhängig: kann Kritik nicht vertragen, reagiert verletzt/ beleidigt, spricht nicht mit Alterität Tab. 2: Devianzformen Die Kategorien Pausenclown, Kalb, Beamter, Sau, Einzelsportler bzw. die gleich bedeutende, aber prononciertere Kategorie Tennisspieler tragen keine eindeutig kontextabhängigen Merkmale und sind ohne Probleme übertragbar auf soziale Einheiten der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs. Auch die Kategorienbezeichnung Theoretiker, die die Handballer für die abgeleitete Fußballerkategorie ‘introvertierter Trainer' benutzen, ist übertragbar auf den Amateurfußball. Die im Handballkorpus für einen Mitspieler auftauchende Bezeichnung Selbstmörder scheint mir dagegen zu kontextspezifisch zu sein, als dass sie sofort von den Amateurfußballern rezipiert werden könnte obwohl es natürlich vorstellbar ist, dass auch in einer Fußballmannschaft ein Spieler mit der Kategorie Selbstmörder bezeichnet werden könnte. Die Übertragbarkeit der Bezeichnungen Pausenclown, Kalb und Sau kann damit erklärt werden, dass sie allgemeine metaphernartige Kategorien sind, die in vielen Lebenswelten des Alltags, zum Teil ad-hoc-artig verwendet werden. Die erste bezieht sich auf Personen, die die Gruppe unterhalten, die zweite auf Personen, die überdimensionale Körpermaße besitzen, die dritte auf Personen, die Regeln des Anstands verletzen. Die auffälligen Übereinstimmungen der Kategorien bzw. Kategorienbezeichnungen zwischen den Fußballern und den Handballern können damit erklärt werden, dass es sich bei Fußball und Handball um zwei strukturell sehr ähnliche Sportarten handelt, nämlich um Ballsportarten und Mannschaftssportarten. Die oben zunächst nur für den gehobenen Amateurfußball aufgestellten übereinstimmenden Bewertungsmaßstäbe können daher auf all jene Ballsportarten und Mannschaftssportarten ausgeweitet werden, die strukturell der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs verwandt sind. Dem Fußball und dem Handballsport ist gemein, dass sowohl Trainer als auch Spieler, falls sie nicht als deviant erscheinen wollen, sportlich kompetent und motiviert sein und die Soziale Kategorisiemng aus Trainer- und Spielerperspektive 157 Fähigkeit besitzen müssen, eine stabile soziale Beziehung mit dem Gegenüber aufbauen zu können. Schließlich dürfen sie um das soziale Gefüge nicht zu zerstören keine ihrer Leistungsstärke unangemessene materielle Vergütung vom Verein fordern und erhalten. 5.3 Systematische Verfahren der Kategorisiemng Bei der Betrachtung der systematischen Verfahren der Kategorisiemng werden zwei Gegenstände in den Blick genommen: (1) die Kategorienbezeichnungen an sich, d.h. die Kategorienbildung im Hinblick auf die Schaffung von Benennungseinheiten, die im Wortschatz der Gruppe mehr oder minder gespeichert sind (vgl. den Abschnitt 5.3.1), und (2) die Verfahren der Kategorisierung im Formulierungsprozess (vgl. den Abschnitt 5.4). Dass die Verfahren relativ detailliert analysiert werden, hat seine Gründe. Es geht nämlich darum zu zeigen, dass die Fußballer Präferenzen für die Kategorisiemng haben - Präferenzen, die sich aus der Struktur ihrer sozialen Welt ergeben und die sich z.B. in der Spezifik (vgl. den Abschnitt 5.3.2), aber auch in der semantischen Logik der Bezeichnungsbildung niederschlagen (vgl. besonders den Abschnitt 5.3.3 sowie den zusammenfassenden Abschnitt 5.4.4). 5.3.1 Wortbildungsmuster für Kategorienbezeichnungen Es würde den Rahmen der Arbeit sprengen, an dieser Stelle in eine Diskussion über die miteinander konkurrierenden theoretischen Ansätze zur Wortbildung einzutreten. Im Folgenden orientiere ich mich, was die Kategorienbildung im engeren Sinne anbelangt, an Fleischer/ Barz ( 2 1995). Die Autoren beschreiben das Wortbildungssystem von Substantiv, Adjektiv, Adverb und Verb der Gegenwartssprache, wobei der Gegenstandsbereich die Literatursprache ist. Für die folgende Betrachtung bediene ich mich ihrer Unterscheidung der Arten der Wortbildungen in a) Wortbildungskonstruktionen mit Unmittelbarer-Konstituenten-Struktur, wobei Komposition, explizite Derivation, Wortkreuzung und Reduplikation unterschieden werden, b) Konversion, c) implizite Derivation, d) Rückbildung und Kurzwortbildung (vgl. a.a.O., S. 44-52). Nach synthetischen bzw. analytischen Gesichtspunkten unterscheiden Fleischer/ Barz außerdem zwischen Wortbildungsmodell und Wortbildungstyp (vgl. a.a.O., S. 53-55). Das Wortbildungsmodell gibt Aufschluss über a) die Morphemcharakteristik der unmittelbaren Konstituenten, b) die Reihenfolge der unmittelbaren Konstituenten, c) die Wortart und semantische Klasse der so genannten „Zieleinheit“, d) formativstmkturelle Spezifika der „Zieleinheit“, e) satzsyntaktisches Verhalten der „Zieleinheit“, f) die Wortbildungsbedeutung. Die Analyse der Klassifizierung nach einem Wortbildungstyp leistet u.a. a) die Feststellung der Grund- oder Normalform, b) die Ermittlung der unmittelbaren Konstituenten nach formalen und semantischen 158 Reden und Spielen Kriterien, c) die weitere Spezifizierung der unmittelbaren Konstituenten nach ihrem Status als Wort, Wortgruppe, Affix und Wortart, d) die Bestimmung der Wortbildungsart in Abhängigkeit von den unmittelbaren Konstituenten, e) weitere formativstrukturelle Charakteristika (z.B. Fugenelemente etc.), f) die Wortbildungsbedeutung. Die Bedeutung der Wortbildungskonstruktionen erschließt sich zum Teil aus der Bedeutung der motivierenden Bestandteile und deren Beziehung zueinander, setzt außer sprachlichem Wissen aber auch Sachwissen voraus. Es wird unterschieden zwischen vier „Graden der Motivation“ von lexikalischen Einheiten: Vollmotiviert, teilmotiviert, idiomatisiert und isoliert. Beschreibungsgegenstand hier sind Benennungen für Personen und das Kollektivum „Mannschaft“, und zwar nur die nicht-rekonstruierten Formen. Es handelt sich um Benennungen, die häufig nicht literatursprachlichen, sondern umgangssprachlichen Charakters sind und zum großen Teil mit ihrer unter Fußballern gebräuchlichen Bedeutung in Universalwörterbüchern wie dem Duden (= DUW) von 1989 oder dem Wahrig (= WDW) von 1997 nicht verzeichnet sind. Von den insgesamt 101 Kategorien des Schemas werden in einem ersten Schritt die 19 rekonstruierten Benennungen ausgeschlossen, sodass inclusive Benennungsvarianten 82 Kategorien übrig bleiben (die markierte Normalformkategorie Offensiver und die Variante offensiver Spieler, die sowohl für den Libero als auch für den Manndecker benutzt werden, werden jeweils einfach gezählt). In einem zweiten Schritt müssen noch einmal zwei Kategorien abgezogen werden, da Renner und Künstler sowohl Normalformals auch Devianzkategorie sind. Die verbleibenden 80 Kategorien des Kategorienschemas lassen sich in 26 syntaktische Wortverbindungen, die wir hier mitberücksichtigen wollen, 42 Wortbildungskonstruktionen, vier Konversionen und acht Simplizia unterteilen. Die Fußballer ziehen es bei der Kategorisierung ihrer Interaktionspartner in hohem Maße vor, syntaktische Wortverbindungen und Wortbildungskonstruktionen zu verwenden. Mit insgesamt 68 Belegen sind sie weitaus häufiger anzutreffen als Konversionen und Simplizia. Bei den syntaktischen Wortverbindungen dominieren die zweiteiligen Syntagmafügungen des Modells Adjektiv plus Substantiv. Bei den Komposita sind es mehrheitlich die Komposita mit Substantiv als Erstglied, bei den Derivaten die Ableitungen mit verbaler simplizischer und einsilbiger Basis. Während die syntaktischen Wortverbindungen in deutlicher Mehrheit vollmotiviert und nur wenige teil-idiomatisiert sind, ergibt sich bei der anderen großen Gruppe, den Wortbildungskonstruktionen, und bei den Simplizia ein genau entgegengesetztes Bild. Die Mehrzahl der Komposita, die Mehrzahl der Simplizia und fast alle der Derivate haben metaphorische Bedeutung. Die Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 159 übertragene Bedeutung der Bezeichnungen ist nur in wenigen Fällen allgemein idiomatisiert, in den meisten Fällen sind es fußballspezifische übertragene und idiomatisierte Bedeutungen. Syntaktische Wortverbindungen, Komposita, Derivate bzw. Simplizia unterscheiden sich voneinander durch die lexikalische und semantische Kondensierung der sprachlichen Form. Die Syntagmen der syntaktischen Wortverbindungen z.B. sind weniger eng miteinander verknüpft und daher variabler als Determinans und Determinatum des Kompositums. Die spezifische semantische Qualität von Derivaten und Simplizia ist beispielsweise erklärbar durch die Kondensierung eines Kompositums auf das Determinans. Das grob skizzierte Modell der Verdichtung lässt sich an einem Beispiel demonstrieren: Nehmen wir an, ein Fußballer kategorisiert die Spieler einer Mannschaft mit der sprachlichen Form der syntaktischen Wortverbindung als *Truppe von Millionen verdienenden Spielern. Eine sprachliche Verdichtung dieser mehrteiligen syntaktischen Wortverbindung stellt das auch im Korpus auffindbare Kompositum Millionentruppe dar. Sprachlich noch dichter schließlich ist die aus der Welt des Profifußballs bekannte Benennung Millionarios, 111 die wahrscheinlich aus dem Italienischen oder Spanischen entlehnt ist." 2 Im Folgenden sollen die ausgewählten Benennungen nicht nur auf ihre lexikalischen Bildungsprinzipien hin untersucht werden. Es soll gleichzeitig geklärt werden, inwieweit die Benennungen vollmotiviert, teilmotiviert oder metaphorisch sind, wie abschließend auch zu fragen ist, welche semantische Logik hinter der Ausprägung der Benennungen steht. 5.3.1.1 Syntaktische Wortverbindungen 26 der Benennungen sind syntaktische Wortverbindungen. Die große Mehrheit von ihnen besteht aus dem Muster attributives Adjektiv plus Substantiv. Die Adjektive stellen die Qualifikatoren dar und die Substantive nomina agentis bzw. die Kollektiva Mannschaft, Team oder Truppe. Die Benennung ruhiger, sachlicher Trainer ist eine zweiteilige determinierende Adjektivreihe 111 Vgl. folgende Passage aus einem Streitgespräch in der SZ v. 6.2.99 zwischen den Managern der Fußballbundesligisten FC Bayern München und SV Werder Bremen, Uli Hoeneß und Willi Lemke. Auf das ‘Kompliment’ Lemkes, die „Polarisierung in Liebe und Haß“ sei Hoeneß' genialste Werbeidee gewesen, antwortet Hoeneß: „Wir polarisieren nicht, das machen Sie, Herr Lemke. Sie stellen uns als Millionarios [Hervorbung M.S.] hin, Sie haben ja auch schon den Klassenkampf proklamiert das hat zu Polarisierung geführt.“ 112 Für das Italienische spricht trotz der spanisch anmutenden Endung -os, dass im Gegensatz zu Italien - Spanien für Deutschland kaum prägend für die Kultur des Fußballs war. Die Form Millionarios könnte analog zu anderen Fremdwörtern durch einfaches Plural -s entstanden sein, vgl. z.B. Libero! Liberos statt * Liberi. 160 Reden und Spielen plus Substantiv. Die einmal im Korpus gefundenen Benennungen Mannschaft, „die angeschlagen ist“ resp. Schätzchen vom Trainer erscheinen als determinierender Attributivsatz zum Referenzobjekt „Mannschaft“ bzw. als Substantiv plus determinierendem Präpositionalattribut. Die Bedeutung der syntaktischen Wortverbindungen ist mehrheitlich vollmotiviert. Sieben der syntaktischen Wortverbindungen zeichnen sich aber m.E. durch metaphorische Erscheinungen aus, die in fast allen Fällen durch eine metaphorische Bedeutung des Qualifikators bedingt sind. Zu ihnen zähle ich feiner Kerl, gestandener Spieler, hungriger Spieler, gute Seele, tote Mannschaft, satter Fußballer und Mannschaft, „die angeschlagen ist“. Umgangssprachliche Bedeutungen scheinen auf bei den Adjektiven der Benennungen ordentlicher Oberligaspieler, klassischer Ausputzer, ewiges Talent. Die metaphorisch, übertragen oder umgangssprachlich verwendeten Benennungen sind stärker idiomatisierte Verbindungen im Unterschied zu den vollmotivierten syntaktischen Wortverbindungen. Feiner Kerl, großer Fußballer, gestandener Spieler, gute Seele, gute Truppe, ewiges Talent sind m.E. allgemein idiomatisierte Syntagmaverbindungen, während die anderen vier als metaphorische bzw. umgangssprachliche Verbindungen verstanden werden und in der Welt des Fußballs idiomatisiert sind. 5.3.1.2 WOrtbildungskonstruktionen Von den verbleibenden nicht-rekonstruierten 55 Benennungen sind 42 Wortbildungskonstruktionen also gut die Hälfte der nicht-rekonstruierten 80 Benennungen. 20 der 42 Wortbildungskonstruktionen sind Determinativkomposita, 22 sind explizite Derivate. Determinativkomposita 14 der 20 Komposita haben Substantive als Erstglied, drei haben Verben als Erstglied, ein Kompositum hat als Erstglied eine Präposition, ein weiteres ein Numeral. Bei einem der Komposita ist nicht entscheidbar, ob es sich bei dem Erstglied um ein Substantiv oder ein Adjektiv handelt. Zählt man es zu den Komposita mit Substantiv als Erstglied dazu, lassen sich die Formativstrukturen dieser dann 15 Komposita nach Fleischer/ Barz ( 2 1995, S. 95f.) wie folgt darstellen: a) Beide unmittelbare Konstituenten sind Simplizia. Die Formativstruktur von Pfundskumpel lautet Sj, F ■ S2, die von Millionentruppe Sj, F • S2 - {S für Substantiv, F für Fugenelement}. b) Die erste oder zweite unmittelbare Konstituente des Kompositums ist bereits ein Kompositum: Fußballnutte und Kopfballmonster S] (S, S) • S2. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 161 c) Die erste oder zweite unmittelbare Konstituente ist ein Suffixderivat, die jeweils andere ein Simplex: Die Formativstruktur von Ausschussware lautet S] (V,D) • S2, die von Spitzenmannschaft und Linienspieler lautet Sj, F ■ S2 (S,D), die von Stammspieler, Turnierspieler und Bankspieler lautet Sj '82(8 [V, D}] D2) und die von Filigrantechniker lautet Sj • S2 (S, D) - {D für Derivat, V für Verb}. Zwei der Komposita mit Substantiv als Erstglied lassen sich mit ihren Formativstrukturen sowohl unter b) als auch unter c) einordnen: Instinktfußballer S} • S2 (S, D) und Strafraumspieler S] (S, S) • S2 (V [S, Dj] D2). d) Beide unmittelbaren Konstituenten sind Suffixderivate: Spielerpersönlichkeit Sj (V, Di) • S2 (A2 [S, D2] D3), Führungsspieler S (V, Dj), F • S2 (V 2 [S, D 2 ] D 3 ). Die Formativstrukturen der übrigen Komposita mit Verben e) bzw. mit Präposition f) bzw. mit Numeral als Erstglied g) lauten: e) Simplizischer Verbstamm als Erstglied: Stinkstiefel und Wandervogel V • S bzw. komplexes Verb mit Präposition: Aushängeschild V (P, V) • S. f) Präposition „über“ als Erstglied im Sinne von ‘von der Norm nach oben abweichend’ plus Substantiv (S, D) als Zweitglied: Übermannschaft g) Numeral als Erstglied: Zwanziger-Kader, Univerbierung der Wortgruppe „Kader, der aus zwanzig Spielern besteht“. Die Formativstruktur von Filigrantechniker lautet A • S (S, D), wenn das Erstglied nicht als Simplex, sondern als Adjektiv gedeutet wird. Zwei der Komposita, die zu den Devianzformen gehören, sind expressive Personenbenennungen mit metaphorischen Gegenstandsbzw. Tierbenennungen: Stinkstiefel, Wandervogel. 13 weitere der 20 Komposita, darunter sowohl markierte Normalformen als auch Devianzformen, zählen zu jenen Komposita, von denen ein Glied das Wesentliche hervorhebt, etwas verstärkt bzw. emotional wertet und die sich zum Teil mit Metaphern berühren (vgl. Fleischer/ Barz 1995, S. lOlf): Spitzenmannschaft, Übermannschaft, Millionentruppe, Spielerpersönlichkeit, Filigrantechniker, Kopfballmonster, Führungsspieler, Pfundskumpel, Instinktfußballer, Zwanzigerkader, Turnierspieler, Fußballnutte und Ausschussware. Demotiviert sind die Bezeichnungen Stinkstiefel und Aushängeschild. Nur bei den Bezeichnungen Fußballnutte, Spielerpersönlichkeit und Kopfballmonster ist das Zweitglied dasjenige kompositionelle Glied, das die Hervorhebung bzw. die emotionale Wertung ausdrückt. Das Wortbildungsmodell mit -nutte ist auch aus anderen Lebenswelten bekannt, z.B. in der aus der Medienwelt gebräuchlichen Bezeichnung Quotennutte für eine Person, die bei Planung und Durchführung einer Radio- oder Fernsehsendung nur auf die zu erzielende bzw. erzielte Quote der Zuhörer oder Zuschauer achtet. 162 Reden und Spielen Nur vier der Determinativkomposita {Strafraumspieler, Stammspieler, Bankspieler und Linienspieler) haben also weder metaphorische, noch emotional wertende Bedeutung. Die kompositionellen Benennungen Spitzenmannschaft, Stammspieler, Aushängeschild, Stinkstiefel und Ausschussware werden im DUW mit einer Bedeutung beschrieben, wie sie auch die Fußballer im gehobenen Amateursport so oder so ähnlich benutzen. Von den fünf Bezeichnungen tauchen im WDW lediglich Stinkstiefel, Aushängeschild und Ausschussware auf. Nur im WDW erscheint die Benennung Wandervogel mit der figurativen Bedeutung für eine Person, die „ein unstetes Leben führt u. nicht seßhaft“ wird. Im DUW dagegen wird Wandervogel nur mit einer übertragenen, als „scherzhaft veraltet“ klassifizierten Bedeutung verzeichnet. Die dort wiedergegebene Bedeutung („er wandert gerne“) entspricht nicht der im Fußball gebräuchlichen Bedeutung („er wechselt jedes Jahr den Verein“), die m.E. eine Übertragung der Übertragung darstellt. Die Bezeichnung Pfundskumpel ist weder im WDW noch im DUW verzeichnet, dafür aber die sehr ähnliche und nach demselben Bildungsmodell gebildete Bezeichnung Pfundskerl. Alle anderen Bezeichnungen sind nicht im DUW und nicht im WDW zu finden. Derivate Von den 22 Wortbildungskonstruktionen, die explizite Derivate sind, haben 20 eine verbale Basis. Nur zwei Benennungen, Künstler und Reservist, haben eine substantivische simplizische Basis. 113 Die auffällige Bevorzugung verbaler Basen statt substantivischer Basen in den von mir gesammelten Bezeichnungen kann mit Fleischer/ Barz ( 2 1995) erklärt werden: „Simplizische Basis für die Bildung von Personenbenennungen ist heute selten“ (S. 155). Alle Derivate werden gebildet mit dem Suffix -er, beziehen sich daher auf Personen und nicht auf Kollektiva und gehören zu der Klasse der nomina agentis. 11 ’ Die Bezeichnung Reservist stellt einen Sonderfall dar. Sie wurde nicht für einen Spieler der zweiten Mannschaft, sondern für einen normalen Ersatzspieler der ersten Mannschaft verwendet. In der Sprache der Fußballjoumalisten wird „Reserve“ als Synonym für „zweite Mannschaft“ benutzt. Ich vermag nicht eindeutig zu sagen, ob die Bezeichnung Reservist in der Welt des gehobenen Amateurfußballs als Herleitung der von den Fußbai Ireportern benützten Bezeichnung verstanden wird, einen eindeutigen Beleg fand ich im Korpus nicht. Allerdings nehme ich an, dass den Fußballern wenigstens teilweise bewusst ist, dass Reservist von „Reserve“ abgeleitet ist, sodass ich diese Bezeichnung unter den Derivaten aufliste (s. auch die kurze Diskussion in Abschnitt 5.3.1.4 „Simplizia“). Nicht berührt ist damit die Frage, ob dem Fußballer bewusst ist, dass das Wort „Reserve“ eine Entlehnung aus dem Französischen ist und somit ein höherer Grad der Motivation gegeben ist. Zur Problematik der Analyse von-Fremdwörtern bzw. von Wortbildungsprodukten mit Fremdelementen vgl. Fleischer/ Barz ( 2 1995), S. 61f. und 67f. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 163 14 der 20 Derivate mit verbaler Basis werden mit dem Infmitivstamm starker oder schwacher Verben gebildet. 13 dieser Derivate haben simplizische und einsilbige Verbbasis: Pusher, Renner, Steher, Kämpfer', Beißer, Knipser, Dribbler, Wühler, Reißer, Brecher, Schleifer, Klapper, Treter. Die Formativstruktur der genannten Benennungen lautet V • D(-er). Eins der Derivate, Absahner, hat dagegen eine komplexe Basis: V (P, V) • D(-er). M.E. ist die Wortbedeutung von 13 Derivaten mit simplizischer verbaler Basis die von ‘Person, welche die durch das Verb bezeichnete Tätigkeit habituell ausübt’; Absahner hat dagegen die Wortbedeutung von „Person, welche die durch das Verb bezeichnete Tätigkeit (im übertragenen Sinne) okkasionell ausübt“ (Fleischer/ Barz 2 1995, S. 152). Die benutzten Verben sind Verben von fußballspezifischen Handlungen bzw. motorischen Bewegungen mit zum Teil figurativer bzw. metaphorischer Bedeutung wie dribbeln, wühlen, rennen, (etwas) reißen bzw. (die gegnerische Verteidigung ein-)reißen, (durch die gegnerischen Verteidigungslinien) brechen, (zu-)treten und kloppen. Die andere Hälfte der Verben heben die Mentalität der Person in einem übertragenen Sinne hervor: Pushen im Sinne von ‘Druck machen’, ‘motivieren’, stehen im Sinne von ‘Stehvermögen besitzen’, kämpfen im Sinne von ‘mit hohem körperlichem Einsatz spielen, nie aufgeben’, beißen im Sinne von ‘die Zähne zusammenbeißen’, ‘Biss besitzen’, knipsen im Sinne von ‘Fakten schaffen’, ‘Tore schießen’, schleifen im Sinne von ‘hart ausbilden’, absahnen im Sinne von ‘mehr Aufwandsentschädigung abschöpfen als die Mitspieler und mehr als gerechtfertigt wäre’. Die sechs verbleibenden Verbalderivate haben eine verbale Wortgruppe als Basis. Drei haben eine substantivische Komponente, die bei Leistungsträger komplex ist: S = (V, D); bei Spielmacher und Notlösung ist sie dagegen simplizisch. Etwas verwickelter ist der Fall bei Schönwetterspieler. Hier besteht die substantivische Komponente aus einem Kompositum aus Adjektiv und Substantiv. Zwei weitere der sechs Derivate mit verbaler Wortgruppe als Basis haben dagegen eine verbale Wortgruppe mit Adjektiv/ Adverb als Basis: Fitmacher und Alleinunterhalter. Drei der insgesamt 22 expliziten Derivate sind nicht-figurativ; sie haben alle eine verbale Wortgruppe als Basis: Fitmacher, Leistungsträger und Spielmacher. Alle anderen expliziten Derivate, darunter auch die Derivate mit substantivischer Basis, Künstler und Reservist, sind figurative metaphorische Benennungen. Eine Eigenschaft des Spielers oder Trainers, seine Spielweise, seine Mentalität bzw. seine Funktion, steht für die ganze Person. Vier Benennungen, die von der Bedeutung her identisch sind mit der Bedeutung für die Fußballer, lassen sich im DUW finden {Kämpfer, Leistungsträger, Spielmacher und Schleifer), nur eine dagegen im WDW {Schleifer). 164 Reden und Spielen Dribbler mit der, nur im DUW, genannten Bedeutung von „Spieler, der zu dribbeln versteht“ und Wühler mit der Bedeutung ‘Personen, die „rastlos, unter Einsatz aller Kräfte arbeiten“’ (DUW) bzw. „sehr eifrig arbeite(n)“ (WDW), sind semantisch sehr nah an der Bedeutung der Benennungen im Fußball. Die Benennungen Pusher, Renner, Steher, Beißer, Knipser, Reißer, Brecher, Künstler, Treter, Notlösung (dafür aber Notnageü) und Alleinunterhalter (nur DUW) stehen zwar in beiden Wörterbüchern, jedoch nicht mit der Bedeutung, wie sie Fußballer verwenden. Sie stehen für Personen wie für Tiere, Gegenstände und Maschinen. Schönwetterspieler (wohl aber „Schönwetterdemokratie“ im DUW bzw. „Schönwetterwolke“ im WDW), Klapper, Absahner und Fitmacher sind im DUW und im WDW nicht verzeichnet. Letztere Bezeichnung ist möglicherweise eine okkasionelle Benennung. 5.3.1.3 Konversionen Vier der Benennungen im Kategorienschema sind deadjektivische Konversionen. Guter, Offensiver und Einheimischer sind elliptische Formen, wobei „Spieler“ bzw. „Trainer“ zu ergänzen ist. Verrückter ist ebenfalls eine Ellipse, wobei „Typ“ die erwartete Ergänzung wäre. Sie haben die Bedeutung von ‘Person, die über die durch das Adjektiv ausgedrückte Eigenschaft habituell verfügt’. Die Bedeutungen sind nicht übertragen, figurativ oder metaphorisch. 5.3.1.4 Simplizia Acht der nicht-rekonstruierten 80 Kategorienbenennungen sind im synchronen Sinn - Simplizia. Mit dieser Einschränkung ist die generelle Frage berührt, ob für die Interpretation einer Bezeichnung als Simplex bzw. als Ableitung die in Rede stehende Bezeichnung irgendwann im Laufe der Geschichte der Sprache hergeleitet worden ist oder ob für den Sprachverwender die Herleitung noch präsent ist. Es stellt sich also die Frage, welchen Standpunkt man bei der Betrachtung der Wortbildungsklassen einnehmen sollte und ob die Wortbildungsklassen eher geschlossene oder eher offene Systeme darstellen. Bei meiner Einteilung der Wortbildungsklassen ist die Perspektive der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs entscheidend. Außerdem gehe ich davon aus, dass es für die Sprecher aktive Herleitungsbeziehungen gibt, dass es aber auch Fälle gibt, in denen für die Personen der sozialen Welt eine Herleitungsbeziehung kaum oder gar nicht mehr herzustellen ist. Für Reservist habe ich den Fußballern eine aktive Herleitungsbeziehung unterstellt, weshalb ich Reservist unter die Derivate aufgenommen habe. Anders stellt es sich bei Diktator dar. Ich behaupte, dass für die Fußballer für diese Kategorie eine Herleitungsbeziehung von beispielsweise * Diktat oder von dem grammatisch gesehen - Derivat * Diktatur nicht besteht, da letztere in der Welt des Fußballs nicht auftauchen. Diktator ist daher ein „Quasi-Simplex“, es fun- Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 165 giert für die Fußballer wie ein Simplex. Noch eindeutiger als bei Diktator ist der Fall bei Joker. Eigentlich ist Joker ein Derivat von joke (Witz), das aus dem Englischen entlehnt ist. Sowohl in der Allgemeinsprache wie auch bei den Fußballern ist diese Herleitungsbeziehung jedoch nicht mehr präsent, sodass auch Joker wie ein Simplex einzuordnen ist. Eindeutige Simplizia sind Kante, Mimose, Talent, Kollege, Affe und Kumpel. Die drei Benennungen Talent, Kollege und Kumpel werden in ihrer „eigentlichen“ Bedeutung verwendet, wie sie auch im DUW und im WDW zu finden ist. Diktator, Affe und Mimose benutzen die Fußballer in den teil-idiomatisierten übertragenen Bedeutungen der Bezeichnungen, die in den Wortschatz und ins DUW bzw. WDW Eingang gefunden haben. Joker verstehen die Fußballer als Übertragung. Im Alltagswortschatz und auch im DUW bzw. WDW versteht man unter der Benennung Joker eine „für jede andere Karte einsetzbare Spielkarte mit der Abbildung eines Narren“ (DUW, S. 790). Die Fußballer verstehen Joker allerdings als einen erfolgreichen Einwechselspieler, der den Spielausgang noch entscheidend beeinflussen kann. Kante ist eine Metapher und nicht im DUW und im WDW zu finden. Sie bezeichnet die körperlich große und stämmige Erscheinung des Spielers mit kräftigen Schultern. 5.3.2 Spezifik der Benennungen Die bislang getätigten Beobachtungen lassen sich im Hinblick auf die Spezifik der Bezeichnungen systematisieren. Kriterien sind einerseits die Verständlichkeit der Bezeichnungen, andererseits ihre metaphorische Qualität. 5.3.2.1 Allgemein verständliche und fußballspezifische Bezeichnungen Die Bezeichnungen, die die Fußballer benutzen, lassen sich hinsichtlich ihrer Verständlichkeit in zwei Klassen einteilen: a) in vollmotivierte oder allgemein idiomatisierte Benennungen, die auch von Sprechern verstanden bzw. hergeleitet werden können, die nicht über das spezifische Weltwissen eines Fußballers verfügen. Kriterien sind für mich die Aufnahme der Bezeichnungen mit den relevanten Bedeutungen ins DUW bzw. WDW und die Überprüfung der Bedeutungen an Personen, die der Welt des Fußballs fern stehen. Zu dieser Klasse gehören 70% der 80 ausgewählten Kategorien: 166 Reden und Spielen syntaktische Wortverbindung guter Trainer; feiner Kerl; ruhiger sachlicher Trainer; menschlicher Trainer; gute Mannschaft; gute Truppe; großer Fußballer; erfahrener Spieler; gestandener Spieler; ordentlicher Oberligaspieler; charakterfester Spieler; verständnisvoller Spieler; gute Seele; starker Torwart; mitspielender Torwart; schlechter Trainer; ewiges Talent; charakterschwacher Spieler; Mannschaft, die angeschlagen ist; offensiver Spieler Determinativkompositum Pfundskumpel; Spitzenmannschaft; Übermannschaft; Spielerpersönlichkeit; Stammspieler; Aushängeschild; Wandervogel; Stinkstiefel, Ausschussware Derivat Leistungsträger; Spielmacher; Kämpfer; Dribbler; Wühler; Alleinunterhalter; Künstler; Pusher; Renner; Steher; Beißer; Schleifer; Notlösung; Absahner; Reservist; Klopper; Treter Konversion Einheimischer; Guter; Verrückter; Offensiver SmT£|ex Tab. 3: Vollmotivierte oder allgemein idiomatisierte Benennungen Zu dieser ersten Klasse zählen 20 syntaktische Wortverbindungen, neun Determinativkomposita, 17 Derivate, alle Konversionen und sechs Simplizia. Eine zweite, weit aus kleinere Klasse stellen b) spezifische Bezeichnungen dar, die nur im Fußball verwendet werden. Kriterium ist für mich die Überprüfung, ob die aufgeführten Benennungen laut DUW bzw WDW und nach alltagsweltlicher Kenntnis ausschließlich in der Welt des Fußballs benutzt werden und für Sprecher, die keinen Zugang zu dieser sozialen Welt haben, unverständlich sind. Zu dieser Klasse zählen 30 % der Kategorien: syntaktische Wortverbindung hungriger Spieler; klassischer Ausputzer; tote Mannschaft; satter Fußballer; Schätzchen vom Trainer Determinativkompositum Millionentruppe; Filigrantechniker; Führungsspieler; Instinktfußballer; Strafraumspieler; Linienspieler; Zwanziger-Kader; Bankspieler; Kopfballmonster; Turnierspieler; Fußballnutte Derivat Fitmacher; Schönwetterspieler; Knipser; Reißer; Brecher jbimjjle Joker; Kante Tab. 4: Fußballspezifische Benennungen Eine Einteilung dieser rein fußballspezifischen Benennungen nach Wortbildungsklassen ergibt, dass sich in der zweiten Klasse fünf syntaktische Wortverbindungen, 11 Determinativkomposita, fünf Derivate und zwei Simplizia befinden. Es fällt auf, dass überdurchschnittlich viele der Determinativkomposita, aber keine der Konversionen eine rein fußballspezifische Bedeutung tragen. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 167 5.3.2.2 Nicht-metaphorische und metaphorische Bezeichnungen Die Bezeichnungen, welche die Fußballer benutzen, lassen sich aber auch nach ihrer metaphorischen Qualität unterscheiden. 1) Zu den Bezeichnungen, die in keiner Weise metaphorisches oder figuratives Potenzial besitzen, zählen 30 Benennungen, knapp 40% der Kategorien insgesamt. Es sind dies 11 syntaktische Wortverbindungen, 9 Determinativkomposita, fünf Derivate, drei Konversionen und zwei Simplizia: syntaktische Wortverbindung guter Trainer; ruhiger sachlicher Trainer; menschlicher Trainer; gute Mannschaft; erfahrener Spieler; charakterfester Spieler; verständnisvoller Spieler; mitspielender Torwart; schlechter Trainer; charakterschwacher Spieler; offensiver Spieler Determinativkompositum Übermannschaft; Spielerpersönlichkeit; Führungsspieler; Stammspieler; Instinktfußballer; Strafraumspieler; Bankspieler; Linienspieler; Zwanziger- Kader Derivat Fitmacher; Leistungsträger; Spielmacher; Notlösung; Reservist Konversion Einheimischer; Guter; Offensiver Simplex Kollege; Kumpel Tab. 5: Bezeichnungen ohne metaphorischen oder figurativen Gehalt 2) Die zweite Gruppe umschließt alle die Bezeichnungen, die einen metaphorischen oder figurativen Bedeutungsgehalt besitzen. Es sind dies 49 Benennungen, also gut 60% der Kategorien insgesamt: Sie teilen sich in 14 syntaktische Wortverbindungen, 11 Determinativkomposita, 17 Derivate, eine Konversion und sechs Simplizia auf: syntaktische Wortverbindung hungriger Spieler; gute Seele; feiner Kerl; gute Truppe; ordentlicher Oberligaspieler; großer Fußballer; gestandener Spieler; klassischer Ausputzer; starker Torwart; Mannschaft, die angeschlagen ist; tote Mannschaft; satter Fußballer; ewiges Talent; Schätzchen vom Trainer Determinativkompositum Spitzenmannschaft; Pfundskumpel; Aushängeschild; Filigrantechniker; Kopfballmonster; Millionentruppe; Turnierspieler; Fußballnutte; Wandervogel; Stinkstiefel, A usschussware Derivat Künstler; Pusher; Renner; Steher; Beißer; Knipser; Kämpfer; Dribbler; Wühler; Reißer; Brecher; Schleifer; Absahner; Alleinunterhalter; Klopper; Treter; Schönwetterspieler Konversion Verrückter Single Talent; Joker; Kante; Affe; Diktator; Mimose Tab. 6: Bezeichnungen mit metaphorischem oder figurativem Gehalt Die Mehrzahl der Kategorien im Fußball sind also mehr oder weniger metaphorisch oder figurativ, es sind dies vor allem Simplizia und Derivate mit verbaler Basis. Diese Verben betonen spezifische Behandlungsweisen des Spielgerätes, die Art des Zweikampfs, spezifische motorische Bewegungen bzw. eine spezifische Mentalität. 168 Reden und Spielen 5.3.3 Zur semantischen Logik der Bezeichnungsbildung Die Beobachtungen zur Wortbildung geben ebenfalls Hinweise darauf, nach welchen semantischen Modellen die Beteiligten ihre Kategorienbezeichnungen der Devianz und der markierten Normalform bilden. Die Kenntnis dieser semantischen Logik ist neben dem Wissen um die sozialen Strukturen der spezifischen Welt eine der Voraussetzungen für die Bildung neuer Bezeichnungen. Denn die Beteiligten bilden ihre Kategorien auf der Grundlage der für ihre soziale Welt gültigen Relevanzen. 114 Semantische Modelle für die Devianz- und Normalformkategorien sind Metaphorisierung wie bei Mimose und Stinkstiefel, Augmentation, Hervorhebung und emotionale Wertung wie bei großer Fußballer, Spitzenmannschaft, Pfundskumpel, Kopfballmonster, Fußballnutte und Ausschussware, Intensivierung wie bei Klapper und Wühler und schließlich Verdeutlichung wie bei menschlicher Trainer. Onymisierung, wie sie z.B. der eingangs zitierte SPD- Geschäftsführer anwendet, der sich eher als Katsche Schwarzenbeck denn als Beckenbauer kategorisiert, war in meinem Korpus nicht nachweisbar. Die Onymisierung ist mir aber aus der sozialen Welt des Freizeitfußballs bekannt, wenn Spieler von ihren Mitspielern für die besonders gelungene Erfüllung ihrer kategoriellen Anforderungen Namen von Profifußballern verliehen bekommen, etwa der Art: *Unser Dariusz im Mittelfeld oder *unser Olaf Thon vor der Abwehr. Ähnlich die Verleihung eines Spitznamen bei dem untersuchten Handballverein: Der auf der mittleren Rückraumposition eingesetzte Spieler hatte von den Mitspielern nach einer überraschenden und gelungenen Spielaktion den Spitznamen Baumi erhalten, Kurzform des Namens eines international bekannten Schweizer Handballers. 115 Metapher, Augmentativum, hervorhebende oder wertende Bezeichnung, Intensivum und Verdeutlichung weisen auf fünf relevante Faktoren hin: 1. Der Kategorisierte verfügt generell und in besonderem Maße über für die Welt des Fußballs wichtige fußballerische, alteritäre, motivationale und/ oder biografische Eigenschaften und Fähigkeiten. 114 Zu den spezifischen Problemen der semantischen Modellierung der Komposita sowie zu den Faktoren, die für den Untersuchenden zur Interpretation der Komposita berücksichtigt werden müssen, vgl. Fleischer/ Barz ( z 1995), S. 93ff. 115 Der Spitzname blieb dem Spieler wohl auch deshalb erhalten, weil der Spitzname trotz aller ironischen Distanzierung eine Übererfüllung kategorieller Anforderungen und keine Devianz anzeigt. Zum anderen stellt die Verleihung eines Spitznamens m.E. einen manifesten Akt der Gruppenkonstituierung dar insbesondere, weil der Spieler neu zum Verein gestoßen, quasi noch „namenlos“ war und so „offiziell“ in die Gruppe eingeführt werden konnte. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 169 2. Dem Kategorisierten fehlen generell und in besonderem Maße grundlegende, für den Fußball wichtige fußballerische, alteritäre, motivationale und/ oder biografische Eigenschaften und Fähigkeiten. 3. Der Kategorisierte erfüllt seine Anforderungen nur unter spezifischen Umständen und Bedingungen. 4. Der Kategorisierte erfüllt spezifische Funktionen, Rollen und Aufgaben. 5. Der Kategorisierte nimmt einen spezifischen geografischen Raum auf dem Spielfeld ein. Die Beobachtungen lassen sich mit Beispielen aus dem Korpus und mit alternativen Kategorien schematisieren. Die Bildung bzw. das Heranziehen alternativer Kategorien, die zum Teil im professionellen Fußball bzw. Freizeitfußball bereits existieren wie z.B. *Flügelspieler, dient lediglich heuristischen Zwecken, um die semantischen Wortbildungsmechanismen und die Produktivität der Wortbildungsregeln zu verdeutlichen. Die alternativen Kategorien werden im Folgenden mit * markiert, um sie von den aus dem Korpus extrahierten Kategorien zu unterscheiden: Faktor Fähigkeiten Mangel an ^Fähigkeiter^ Funktion Spielgeografie äußere Umstände Kategorie im Wühler Alleinunterhalter Leistungsträger Strafraumspieler Turnierspieler Alternativ- ^kategori^ *Holzer *Chaot *StabilisiejwTgssgieler^ *Flügelspieler *Eine-Halb- ^eit^ßielet^ Tab. 7: Kategorien im Korpus vs. alternative Kategorien Die alternativen Kategorien haben z.T. positive, negative oder ambivalente Bedeutungen. Der Bezug von Metapher, Augmentativum, hervorhebende oder wertende Bezeichnung, Intensivum und Verdeutlichung auf die fünf Faktoren ist implizit oder explizit. Die syntaktischen Wortverbindungen und die Konversionen sind, wie bereits gesagt, überwiegend nicht-metaphorisch und daher semantisch weniger schillernd. Semantisch besonders reiche und aussagekräftige Modelle sind dagegen simplizische oder kompositionelle Metaphern sowie Intensivierungen. 5.3.3.1 Zur semantischen Logik von syntaktischen Wortverbindungen Zum Teil stehen hinter den aus syntaktischen Wortverbindungen bestehenden Kategorien bestimmte Antinomienpaare wie klassisch vs. modern (klassischer Ausputzer gegenüber moderner Libero), gut vs. schlecht, stark vs. schwach. Das Attributpaar kann auch eine Antinomie zweier metaphorischer Ausdrücke wie im Fall von hungriger Spieler vs. satter Fußballer sein. Außerdem bedient man sich der Menge notwendiger, relevanter Eigenschaften 170 Reden und Spielen und Fähigkeiten der jeweiligen Beteiligten wie beispielsweise Ruhe, Sachlichkeit, Menschlichkeit, Erfahrung und der Menge störender Faktoren wie z.B. die psychische und physische Belastung. Unter Berücksichtigung der semantischen Bildungsbeschränkungen lassen sich schnell alternative Benennungen zu den gefundenen syntaktischen Wortgruppen bilden: Z.B. wären Kategorien wie * hektischer Stürmer oder * unzuverlässiger Trainer bildbar. 5.3.3.2 Zur semantischen Logik von Determinativkomposita, Derivaten und Simplizia Die Entstehung einiger hervorhebender bzw. emotional wertender Komposita ist durch Komposition mit hervorhebendem Erstglied wie Spitzen-, Klasse-, Üher-(mannschaft) bzw. durch Affigierung mit positiv wertendem Suffix (-Persönlichkeit oder -monster), mit positiv wertendem Präfix (Pfunds-) oder mit negativ wertendem Suffix (-nutte) zu erklären. Weitere Benennungen nach diesen Modellen könnten z.B. *Spitzentorwart oder *Trainernutte etc. sein. Im Hinblick auf die hervorhebenden, intensivierenden und verdeutlichenden Kategorien und besonders auf die metaphernartigen Kategorien lässt sich sagen, dass sie zum Teil aus verschiedenen Weltbereichen entlehnt und übertragen sind. Die folgenden Beobachtungen lassen sich mit Beispielen aus dem Korpus bzw. mit potenziellen Kategorien schematisieren. Die Aufnahme potenzieller alternativer Kategorien, die zur besseren Unterscheidung mit * markiert sind, erfolgt wiederum allein aus heuristischen Zwecken. Die erste horizontale Spalte verweist auf die Weltbereiche, die zweite auf Kategorien aus dem gesammelten Material, die dritte auf analog zu bildende mögliche Kategorien: Weltbereich Politik Militärwesen Botanik Zoologie Berufs- Jjezeichnun^ Gegenstand Kategorie im Diktator Reservist Mimose Stockfisch Künstler Kante Alternativ- ^Jiategorie^ *Ayatollah *Deserteur *Mauerblümchen *Maulwurf ^Handwerker *Tonne Tab. 8: Metaphemartige Kategorien Einige der semantisch reichen Metaphern, Intensivierungen, Hervorhebungen und Verdeutlichungen will ich kurz analysieren, um an ihnen die semantische Logik von Bezeichnungen des gehobenen Amateurfußballs darzustellen und darauf aufbauend mögliche alternative Bildungen zu nennen: - Die Intensiva Dribbler, Wühler, Reißer und Brecher beziehen sich in den Textstellen des Korpus auf die Art und Weise der Ballbehandlung und des Zweikampfverhaltens von Stürmern. Dribbler und Wühler refe- Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 171 rieren auf das gewandte Vorwärtstreiben des Balles mit dem Fuß und auf den ballgewandten, geschmeidigen Zweikämpfer am Boden, Reißer und Brecher eher auf den mit Kraft und Wucht vorgehenden und vorzugsweise mit dem Kopf den Ball spielenden Zweikämpfer. Knipser ist ein eventuell lautmalerisches Intensivum, welches die effektive Erfüllung der kategoriellen Anforderung an den Stürmer, Tore zu schießen, betont. Auf die Art der moralischen Einstellung aber ohne Bezug zu einer spezifischen Rolle auf dem Spielfeld beziehen sich die Benennungen Renner, Kämpfer, Steher und Beißer, da sie auf jene grundlegenden Fähigkeiten bzw. Eigenschaften verweisen, die von allen Spielern erwartet werden also das Laufen oder das Ertragen von Widerständen und Schmerzen oder das Nicht-Aufgeben. Renner und Kämpfer sind ambivalente Benennungen und können durch den Verweis auf physische Fähigkeiten auch eine Devianz spielerisch-kreativen und fußballtechnischen Vermögens anzeigen. Ebenfalls ohne Bezug auf eine spezifische Rolle auf dem Spielfeld referieren die Kategorien Klapper und Treter auf einen bestimmten Typ von Spieler. Sie sind ebenso ambivalente, jedoch noch pejorativere Bezeichnungen als Renner und Kämpfer und beziehen sich auf die Art des Zweikampfverhaltens. Ein Spieler, der kloppen kann, verfügt zwar über die so genannte gesunde Wettkampfhärte, also über robuste körperliche Fähigkeiten, sich gegen den Gegner durchzusetzen. Dies allerdings auch, indem er den Gegenspieler bewusst foult und die Spielregeln verletzt. Als besondere Devianzmarkierung ist zu verstehen, wenn der eigene Mitspieler als Klopper oder Treter bezeichnet wird. 116 Andere Eigenschaften der Fußballspieler und der -trainer, auf welche die Intensiva sich beziehen, sind z.B. die Qualität des strategischen Verhaltens des Spielers in Vertragsverhandlungen mit dem Vorstand (der Absahner) oder die Rhetorik des Trainers (der Pusher). Analog zu den genannten Benennungen sind alternative Benennungen bereits bekannt bzw. bildbar, die rollenunabhängig auf die Art des Umganges mit dem Ball verweisen und sie intensivieren: z.B. * Balltänzer, *Bolzer, *Pöhler. Alternative hervorhebende Benennungen für eher rollenabhängige Aktivitäten sind z.B. * Zerstörer oder *Putzer für Defensivspieler bzw. *Abstauber oder * Vollstrecker für Stürmer sowie *Antreiber, * Dampfmacher, *Powerer für den Trainer. Es ließen sich des Weiteren Benennungen konstruieren, welche allgemein die Art des Zweikampfverhaltens und die Mentalität intensivieren wie *Grätscher, ^Schrubber, *Holzer, *Spucker, ^Kneifer, *Klammerer, * Umnieter etc. 116 Dies verdeutlicht auch die Rekordgeldstrafe von 54.000 Mark plus einer Sperre von drei Spielen, die der englische Fußballverband FA 1999 gegen Stürmer John Hartson verhängte. Hartson hatte seinen eigenen Mitspieler, der am Boden lag, im Training (! , also keine offizielle FA-Veranstaltung) gegen den Kopf getreten (vgl. SZ v. 3.2.99); siehe auch im Anhang die (politische) Karikatur aus der SZ aus dem Frühjahr 1998, auf der der Grünenpolitiker Joschka Fischer hinterrücks von seinem eigenen Parteifreund Jürgen Trittin getreten wird. In der Unterzeile wird Trittin demonstrativ als „Treter“ kategorisiert. 172 Reden und Spielen - Diktator'. Metapher, eigentlich aus dem Bereich der Politik stammend, referiert auf die herrschende Hierarchie zwischen dem handlungsmächtigen Trainer und den handlungsausführenden Spielern und betont einen Aspekt der Handlungsmodalität des Trainers. Alternative Bezeichnungen zu Diktator für die Rolle des Trainers müssten über die semantischen Merkmale "unumschränkte Macht’ und ‘mit Druck (oder Gewalt) agierend’ verfügen und pejorativer Qualität sein. Die folgenden alternativen Benennungen erfüllen mehr oder weniger die Bedingungen: * Patriarch, * Generalfeldmarschall, *Ayatollah, U1 * Oberbefehlshaber, *Alleinherrscher und z.B. das umgangssprachlichere *Rumbosser. Im Hinblick auf das Referenzobjekt der Interaktionsdominanz und Machtausübung ist aber auch an Metaphern aus dem Bereich der Politik zu denken, die entgegengesetztes semantisches Potenzial zum Diktator besitzen wie z.B. ^Reformer oder * Demokrat.Für einen Spieler, der die herrschenden Machtverhältnisse umstoßen will, böte sich die Bezeichnung * Putschist an. - Reservist', im diachronen Sinn Übertragung aus dem Militärwesen, die auf die Zugehörigkeit des Spielers zu einer Gruppe des Kaders referiert und seine Funktion als Ersatzspieler für bestimmte Bedarfsfälle betont. Weitere Benennungen in der Welt des gehobenen Amateurfußballs wären vielleicht *Nothelfer, *Stellvertreter und metaphorische Übertragungen wie ^zweite Wahl oder *letztes Pult (diese Übertragung stammt allerdings aus einer ganz anderen sozialen Welt, von der Fußballer in der Regel wenig Kenntnis besitzen). Dass Bezeichnungen für nomina agentis aus der Politik und dem Militärwesen offensichtlich für Metaphorisierungen sehr geeignet sind, liegt an strukturellen Ähnlichkeiten zu der sozialen Welt des Fußballs. - Mimose-, Metapher, eigentlich aus der Botanik, welche sich auf die generalisierte Beteiligungsweise des Spielers in der Interaktion bezieht und die Eigenschaft, empfindlich zu sein, betont. Alternative, aber semantisch nicht annähernd eindeutige Benennungen für einen empfindlichen Spieler sind bzw. wären vielleicht * Primelchen oder * Waschlappen. Metaphern aus der Botanik, die ebenfalls die Interaktionsgestaltung thematisieren, wären beispielsweise * Mauerblümchen und Trauerweide. - Analog zu Metaphern aus der Botanik sind in der sozialen Welt des Profifußballs Metaphern aus der Zoologie bekannt, die sich meist auf einen Aspekt der generellen Ausführung einer Spielhandlung durch den Spieler 117 Eine implizite Kategorisierung stellt der Spitzname „Saddam“ dar, der dem Bundesligatrainer Felix Magath von den Spielern des HSV verliehen wurde und der auf die Kategorie Diktator anspielt. Vgl. Röttgen (1997) in: SZ v. 10./ 11.5.97. In dem Portrait Röttgens wird Magath des Weiteren als „größter Menschenschinder in der Fußballbundesliga“, als „harter Hund“, als „Schleifer“ und „autoritär bis auf die Knochen“ bezeichnet. 118 Eine interessante syntaktische Wortverbindung stellt die von einem Manager eines professionellen Fußballvereins benutzte Kategorisierung „demokratischer Diktator“ für den neuen Trainer dar. Vgl. Kramer (1997b) in: SZ v. 3.12.97. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 173 oder auf seine Physiognomie beziehen. So wurde ein besonders geschmeidiger Torwart als * Katze, ein kleiner, im Zweikampf besonders bissiger deutscher Verteidiger als * Terrier, 119 ein Spieler mit stark nach außen gebogenen Beinen und watschelndem Gang als *Ente bezeichnet. Weitere Benennungen sind z.B. *Gazelle für einen besonders laufschnellen, schlanken Spieler oder * Kampfschwein für einen körperlich robusten und einsatzfreudigen Spieler. Für Spieler, die Interna aus dem Kader an die Presse verraten, hat sich im professionellen Fußball die Benennung * Maulwurf etabliert no Im gesammelten Korpus taucht lediglich der Vergleich wie ein Stockfisch auf, was sich nicht auf die Physiognomie oder die Ausführung von Spielhandlungen, sondern auf die Beteiligungsweise eines jungen, neu zum Verein gestoßenen Spielers in der Interaktion mit den Mitspielern bezieht. - Kante: Metapher, Merkmal der Physiognomie des Spielers, welche auf eine hervorstechende Eigenschaft bzw. Fähigkeit des Spielers schließen lässt. In diesem Fall verweist sie auf einen körperlich robusten Spieler, von dem man annimmt, dass er körperbetont Fußball spielt. Alternative Metaphern, die eigentlich Gegenstände bezeichnen und ähnlich auf die Physiognomie bzw. auf spezifische physische Merkmale referieren, sind abwertend * Tonne, *Fass für übergewichtige und * Handtuch für leichtgewichtige Spieler. Nicht auf die Physiognomie, sondern auf die Fähigkeit eines Spielers, seine Mannschaft anzutreiben, referiert die Metapher * Lokomotive, die eigentlich ein industrielles Produkt bezeichnet. Eingebürgert hat sich in der Welt des Fußballs die Metapher ^Staubsauger für den zentralen defensiven Mittelfeldspieler vor der Abwehr. Spielt die Mannschaft mit zwei defensiven Mittelfeldspielern vor der Abwehr existiert für sie die Metapher *Scheibenwischer. Weitere Benennungen wie * Zugmaschine, *Schaltzentrale wären nach diesem Modell bildbar. Aus dem professionellen Fußball entlehnt sind positive Bezeichnungen wie *Eisenfuss, *Dr. Hammer und * Turbo, die einem zweikampfstarken Verteidiger, einem schussgewaltigen Mittelfeldspieler und einem sprintstarken offensiven Mittelfeldspieler als Beinamen verliehen wurden. Sie ll! , Vgl. auch die Übertragung dieser Kategorisierung auf einen brasilianischen Defensivspieler durch den ARD-Reporter Faßbinder am 16.6.98. 120 Vgl. beispielsweise die Titelseite des ‘Reviersport am Donnerstag’ vom 9.10.97: „BVB - Kriseninterview mit Nevio Scala. Maulwurf kein Thema - ‘Habe volles Vertrauen in meine Mannschaft’“ und den Kommentar in der SZ am selben Tage: „Maulwurfs Wanderung“. Ein besonders drastisches Kompositum aus Augment und Tierbezeichnung für den „Verräter“ in den eigenen Reihen verwendete in diesem Zusammenhang der damalige BVB-Spieler Steffen Freund: „Diese Arschmade müssen wir suchen und rausschmeißen [...] so eine Geschichte ist der Tod eines Teams“ (Reviersport v. 9.10.97, S. 4). 174 Reden und Spielen sind übertragbar auf Spieler mit gleichen physischen und fußballerischen Fähigkeiten. 121 - Künstler: Metapher, eigentlich Berufsbezeichnung, fokussiert die Qualität der fußballerischen Handlungen des Spielers und betont seine Eigenschaft, kunstvolle, überraschende, für den Mitspieler schwer vorhersehbare und verständliche Spielbeiträge zu leisten. Die Metapher wird meist für die Mittelfeldspieler und Stürmer und gerne für den Spielmacher und Libero, kaum jedoch für die Verteidiger verwandt, referiert also auf bestimmte Rollen in der Mannschaft und gleichzeitig auf einen spezifischen spielgeografischen Raum. Sie ist dann abwertend gemeint, wenn der Spieler technisch schwierige, aber riskante Manöver probiert und diese Manöver misslingen. Auf der anderen Seite kann der Künstler sich und seine Mitspieler mit überraschenden Handlungen aus komplizierten oder gefährlichen Situationen befreien und er kann mit riskanten Manövern, wenn sie denn gelingen, ein Spiel ganz allein entscheiden. In dem Fall ist die Metapher positiv besetzt. Alternative positive Bezeichnungen zum Künstler, die ebenfalls Übertragungen von Berufsbezeichnungen, vorwiegend aus der Welt der Kunst, sind bzw. wären * Dirigent, * Regisseur, *Tänzer, * Zauberer und * Computerhirn. Allerdings fehlt diesen Metaphern die pejorative semantische Qualität. Gegenstücke zum Künstler sind der * Handwerker 122 und der * Beamte (vgl. die entsprechende Kategorie bei den Handballern), deren Merkmale ‘solide praktische Handlungsausführung’ bzw. ‘genaue Beachtung und Erfüllung der Anforderungen’ bzw. ‘hyperkorrekte, schematisierte Vorbereitung auf das Meisterschaftsspiel’ sind, die aber auch die Merkmale ‘künstlerisch anspruchslos’ und ‘unspektakulär’ bzw. ‘langweilig’ tragen. Weitere ambivalente Kategorien aus dem Korpus sind der Linienspieler und der Absahner. Erster hat einerseits gute Reflexe und ist auf der Torlinie reaktionsschnell, auf der anderen Seite wird oft damit impliziert, dass er an der Linie „klebt“, kein 'mitspielender Torwarf ist, das Spiel der Feldspieler nicht beobachtet und nicht mitdenkt. Der Absahner ist zwar einerseits deviant, auf der anderen Seite kann die Bezeichnung von Mitspielern auch bewundernd gemeint sein, da der Absahner über viel Verhandlungserfahrung und -geschieh verfügt. - Komposita bzw. Derivate wie Leistungsträger, Führungsspieler, Notlösung und Spielmacher heben mit dem kompositionellen Erstglied die 121 In der italienischen Presse werden deutsche Fußballer gerne als „I Panzer“, in der englischen Presse als „Tanks“ kategorisiert. Zum Phänomen der Kategorisierung eines fußballerischen Stils unter nationaler Perspektive vgl. Kuntz (1998) und Schweickard (1987). 122 Vgl. jene von der Sportagentur ‘sid’ eingeholte Reaktion von „Franz Beckenbauer, DFB- Vizepräsident, ehemaliger Teamchef, Präsident des FC Bayern, Ehrenspielfuhrer der Nationalelf: Tm Nationalteam spielen nur Durchschnittsspieler, Handwerker eben. Und wenn man kein Fußbail spielen kann, hat das nichts mit taktischen Möglichkeiten zu tun’“ (nach der 0: 3-Niederlage der deutschen Nationalmannschaft gegen die USA, SZ v. 8.2.99). Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 175 Funktion des Spielers in Relation zur Mannschaft bzw. die Aufgabe des Trägers hervor. Das Zweitglied besteht aus der semantisch relativ unspezifischen Bezeichnung für den Funktionsbzw. Handlungsträger. Alternative Bildungen sind bzw. wären * Ergänzungsspieler, * Stabilisierungsspieler etc. oder analog zum Spielmacher der * Flankengeber, der * Freistoßspezialist, der * Manndecker etc. Komposita bzw. Derivate wie Spielmacher, Strafraumspieler und Linienspieler beziehen sich sowohl auf spielgeografische Räume (hier: Mittelfeld, Strafraum und Torlinie), auf die in den Räumen agierenden Spieler (zentraler Mittelfeldspieler, Stürmer und Torwart) sowie implizit auf ihre Stärken. Benennungen für Stürmer bzw. Defensivspieler sind beispielsweise * Flügelstürmer bzw. ^Innen- und *Außenverteidiger, denen allerdings keine markierende semantische Qualität innewohnt. - Einige Komposita bzw. Derivate sind graduativ und adhäsiv (der Stammspieler gehört zu einem spezifischen Kreis des Kaders und ist besser als der Joker, der wiederum besser ist als der Bankspieler), graduativ und konditional (der Turnierspieler bringt seine Leistung nur bei Turnieren, nicht unter Meisterschaftsbedingungen, der Schönwetterspieler nur bei optimalen Spielbedingungen) oder graduativ und konstitutional (der Zwanzigerkader besteht aus 20 Spielern; da maximal 14 Spieler pro Spiel eingesetzt werden können, fehlt immer sechs Ersatzspielern sowohl die Möglichkeit als auch der Zwang, sich im Training oder Spiel zu empfehlen, was wiederum die Stagnation der Stammspieler befördert). An diesen wenigen Beispielen dürfte deutlich geworden sein, dass und wie die Beteiligten der sozialen Welt(en) des Fußballs bei der Bildung der markierten Normalformen und der Devianzformen sich an den für sie gültigen Relevanzen ihrer Welt orientieren. Die Relevanzen sind die Erfüllung der mit bestimmten Rollen in einem spezifischen spielgeografischen Raum verbundenen Anforderungen trotz widriger Umstände und Bedingungen. Sprachlich bildhaft hervorgehoben, intensiviert, verstärkt, emotional gewertet wird das Übererfüllen der Anforderungen und das Verfügen über besondere spielbezogene und interaktionsrelevante Eigenschaften und Fähigkeiten bzw. das Nichterfüllen der grundlegenden Anforderungen trotz bester Voraussetzungen und Bedingungen. Der Bezug zu den genannten Relevanzen wird unterschiedlich implizit bzw. explizit hergestellt und ist häufig aspektuell. Die Bezeichnungen referieren dabei nicht gleichermaßen auf alle Rollen und alle mit den Rollen verbundenen Aufgaben. Sie sind positiv oder negativ, einige sind aber auch ambivalent. Metaphorisierung, Augmentation, Hervorhebung und emotionale Wertung, Intensivierung und Verdeutlichung werden von den hauptsächlich näher betrachteten Wortbildungsprodukten den syntaktischen Wortverbindungen, den Wortbildungskonstruktionen und Simplizia unterschiedlich geleistet. Während die Spieler und Trainer für Verdeutlichung und Wertung hauptsächlich zu aufwändigeren syntaktischen Wortverbindungen 176 Reden und Spielen greifen, dienen die Komposita mehrheitlich der Augmentation, Hervorhebung und auch der Metaphorisierung. Die kondensierten deverbalen Derivate werden für figurative, bildhafte Intensivierungen genutzt, während die Metaphorisierung vor allem durch den Rückgriff auf die ebenfalls kondensierten, semantisch reichen Simplizia erreicht wird. Die Wortbildung der Kategorien ist nicht abschließbar, sondern produktiv. Alternative metaphorisierende und figurative Bezeichnungen zur Markierung der Devianz bzw. der Übererfüllung können aus den unterschiedlichsten Bereichen wie Militär, Politik, Botanik, Zoologie etc. stammen. Je überraschender bzw. je ähnlicher die Analogie zwischen metaphorisierender und figurativer Bezeichnung und dem Bezeichneten ist, umso leichter fallt der Transfer der Bezeichnung in die soziale Welt des Fußballs. 5.4 Kategorisierungsverfahren im Formulierungsprozess Fremd- und in geringerem Maße auch - Selbstkategorisierungen in der sozialen Welt des Amateurfußballs tauchen sowohl in ethnografischen Interviews mit den Beteiligten als auch in ihren alltäglichen Interaktionssituationen auf.’ 23 Die Verfahren der Kategorisierung gleichen in diesen Interaktionssituationen nicht den Verfahren der Kategorisierung in Interviewsituationen. In Interviews äußern sich die Beteiligten gegenüber Fremden, von denen sie nicht unbedingt erwarten können, dass sie über das Hintergrundwissen verfügen, das für das Verständnis selbstverständlicher Kategorisierungen notwendig ist. Das wiederum veranlasst die Erzähler dazu, dieses Hintergrundwissen zu verbalisieren. Zum anderen ist in ethnografischen Interviews das Rederecht keine knappe Ressource. Die Regeln des Turn-taking sollten im besten Fall vorübergehend suspendiert sein, um den Interviewten auch 123 Fremdkategorisierungen spielen in der Berichterstattung der Medien über den professionellen Fußball eine große Rolle. Dabei verwenden die Journalisten z.T. Kategorien, die auch im präsentierten Kategorienschema auftauchen, und orientieren sich an Modellen der Kategorisierungsmuster, wie sie im folgenden Kapitel 2.2.1 beschrieben werden. Vgl. folgenden Ausschnitt aus einem Kommentar über Andreas Möller (Hervorhebungen der Kategorien durch den Autor): „Günter Netzer sagt über seinen Nachfolger: Er ist ein Schönwetterspieler, keiner, auf den man sich verlassen kann.’ Es ist nicht sehr übertrieben, wenn man Möllers momentanen WM-Auftritt als das endgültige Scheitern bezeichnet. Wieder einmal ist er meilenweit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Dabei geht es auch um ein Mißverständnis. Viele sehen ihn in der Rolle des Regisseurs, des Spielmachers (wie Netzer einer war). Doch um eine Mannschaft zu leiten, benötigt einer Führungsqualitäten, an ihm müssen sich andere auffichten können. Möller ist das ewige Talent geblieben, das Nestwärme braucht und die Hilfe anderer. Und sportlich betrachtet ist er ein Solist, der mit Einzelaktionen ein Spiel entscheiden kann. Ein Mannschaftsspieler ist er nicht.“ Schulze (1998) in: SZ v. 3.7.98. Im neben dem Kommentar stehenden Bericht nennt der gleiche Autor weitere z.T. onymische Bermnungen für Möller aus dem Kreis der Nationalmannschaft wie Blinder, Heulsuse und Heintje. Soziale Kategorisienmg aus Trainer- und Spielerperspektive 177 wirklich ans Erzählen kommen zu lassen, ihn die relevanten Kategorien auch tatsächlich produzieren zu lassen und ihn nicht zu unterbrechen. Kategorisierungen sozialer Einheiten tauchen in ethnografischen Interviews häufig in Sachverhaltsdarstellungen des Erzählens und des Beschreibens auf, wenn der Interviewte in seiner Erzählung oder Beschreibung einen neuen Ereignisträger auftreten lässt oder einen der Ereignisträger als besonders zentrale Figur darstellen will und wenn er den Ereignisträger als Element einer Menge ausweist bzw. ihm eine Eigenschaft oder ein Merkmal zuschreibt. 124 Die Kategorisierungen in ethnografischen Interviews sind daher eher komplexere Kategorisierungen bzw. Typisierungen: Die für den Ereignisträger möglicherweise zutreffenden Kategorien werden gegeneinander abgewogen, die zutreffenden Kategorien werden herausgeschält und definiert oder die Ereignisträger, für die bestimmte Kategorien zutreffen, werden einander gegenübergestellt. Kategorisierungen, wie sie Trainer und Spieler in ethnografischen Interviews und alltäglichen Interaktionssituationen vornehmen, sind also Kategorienbenennungen für Personen und/ oder Zuschreibungen von Eigenschaften und Merkmalen, die durch die jeweilige Kategorie denotiert sind. Diese Benennungen und Zuschreibungen werden unterschiedlich realisiert: in alltäglichen Interaktionssituationen z.B. eher implizit als explizit - und wenn explizit, dann in der Modalität der fraglosen Sicherheit; in Interviews werden sie dagegen eher explizit benannt und explikativ entfaltet. Bevor wir uns anschauen, wie Trainer und Spieler sich selbst und die Partner tatsächlich in ethnografischen Interviews (s. Abschnitt 5.4.2) und in alltäglichen Interaktionssituationen (s. Abschnitt 5.4.3) kategorisieren, will ich einige einfache theoretische Modelle von Kategorisierungen vorstellen, nach denen die Beteiligten Vorgehen könnten (Abschnitt 5.4.1). 5.4.1 Theoretische Modelle von Kategorisierungen Für die von Spielern und Trainern in den ethnografischen Interviews praktisch realisierten Kategorisierungen lassen sich m.E. zumindest auf theoretischer Ebene grundlegende Modelle von Kategorisierungen entwerfen. Ich nehme für diese Modelle Äußerungen an, die Aussageformat haben und die wahr sein sollen. Im Wesentlichen werden zwei Grundmuster unterschieden: Die „Kategorien benennende Kategorisierung“, mit der ich die Kategorisierung durch die Nennung der Kategorie meine, und die „Eigenschaften benennende Kategorisierung“, mit der ich die Kategorisierung durch die Nennung 124 Zu den Sachverhaltsdarstellungen des Erzählens und Beschreibens vgl. Kallmeyer/ Schütze (1977). 178 Reden und Spielen kategoriengebundener Eigenschaften meine. Darüber hinaus gibt es verschiedene Kombinationsmöglichkeiten der Grundmodelle. 125 Ich nehme, um die theoretischen Modelle zu vereinfachen, für diese Äußerungen eine grammatische Struktur an, deren Strukturelemente aus kategorialgrammatischer Sicht als Termkomplement, zweistelliges Verb und Prädikativkomplement bezeichnet werden könnten (vgl. GDS 1997, S. 961-1114). Dabei soll X, der gewählte Eigenname Heini, die Rolle des Termkomplements einnehmen und sein (mit seiner finiten Form ist) die Rolle des Kopulaverbs darstellen. Das Prädikativkomplement soll durch eine Nominalphrase im Nominativ realisiert werden, wobei diese bei der Kategorien benennenden Kategorisierung die Gestalt einer expliziten Normalformkategorie bzw. einer expliziten Devianzkategorie annimmt. Bei der Eigenschaften benennenden Kategorisierung ist die Nominalphrase eine satzartige Konstruktion mit der Proform jemand bzw. keiner in Verbindung mit dem D-Relativum der und einer mit der Normalformbzw. Devianzkategorie verbundenen Aktivität. 126 Es lassen sich m.E. mehrere Muster von Kategorisierungen für den Formulierensprozess in ethnografischen Interviews modellieren. Jedes dieser acht Muster kann positiv oder negativ formuliert werden, sodass insgesamt 16 Varianten entstehen. Zunächst werde ich die Grundmuster mit ihren Positiv- und Negativformen vorstellen: 125 Die Verwendung der Termini „Kategorien benennende“ bzw. „Eigenschaften benennende Kategorisierung“ bedeutet nicht, dass die Nennung der Kategorienbezeichnung bzw. die Nennung kategoriengebundener Eigenschaften (im Sinne Hausendorfs) nur zuordnenden bzw. zuschreibenden Charakter habe, sondern betont jeweils den dominanten Aspekt. Ich gehe davon aus, dass gerade in weitgehend geschlossenen sozialen Welten für die Beteiligten mit der Nennung von Kategorienbezeichnungen automatisch sowohl kategoriengebundene Eigenschaften als auch Bewertungen verbunden sind. Meine Einteilung weist Ähnlichkeiten mit der von Drescher (1993) vorgenommenen Einteilung von Kategorisierungsverfahren auf. Drescher unterscheidet zwischen dem „Etikettieren“ (Erstbenennung mit Kategoriennamen), die ich als erstes Muster nenne, und dem „Evozieren“ (Abfolge von Eigenschaftsbenennung mit oder ohne abschließende Verwendung des Kategoriennamens), die ich als zweites bzw. als viertes Muster bezeichne (vgl. auch Drescher/ Dausendschön-Gay 1995, S. 86f). Die von mir aufgestellten theoretischen Modelle scheinen jedoch detaillierter zu sein als Dreschers Zweiteilung. Hausendorf dagegen schlägt statt der Begriffe „Etikettieren“ und „Evozieren“ oder der ebenfalls in der Literatur verwendeten Begriffe „Explizitheit“ und „Implizitheit“ eine Unterscheidung nach der interaktioneilen „Relevanz“ der kategorisierenden Aktivitäten vor, also danach, ob die interaktionelle Aufgabe von den Beteiligten im „Vordergrund“ oder im „Hintergrund“ gelöst werde (vgl. Hausendorf 1998, S. 87-91). 126 Die theoretisch angenommene Realisierung der grammatischen Strukturelemente, des Termkomplements als Eigenname, des Kopulaverbs sein und des Prädikativkomplements als Nominalphrase, und ihre Verknüpfung stellt selbstverständlich nur eine Reduktion möglicher Realisierungsformen der grammatischen Struktur und der Strukturelemente dar (vgl. CDS 1997, S. 991 -1020 und 1027-1118). Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 179 1. Kategorien benennende Kategorisierung a) Positivform: X + „ist“ + Normalformbzw. markierte Normalformkategorie bzw. Devianzkategorie, wobei sie auf eine Person oder ein Kollektivum referiert - * Heini ist eine gute Seele. b) Negativform: X + „ist kein“ + Kategorie - * Heini ist kein Steher. 2. Eigenschaften benennende Kategorisierung a) Positiv: X + „ist jemand, der“ + kategoriengebundene Aktivität(en) - * Heini ist jemand, der sich um die Neuzugänge kümmert und sich für den Zusammenhalt einsetzt. (= „eine gute Seele“) b) Negativ: X + „ist keiner, der“ + kategoriengebundene Aktivität(en) - * Heini ist keiner, der sich durchbeißen kann. (= „kein Steher/ kein Beißer“) c) Anspielungen (diese Variante ist stark kontextabhängig und kann z.B. ein Witz sein) Die folgenden sechs Kategorisierungsmuster sind Kombinationsmöglichkeiten, die aus den beiden Grundmustern mit ihren Positiv- und Negativformen zusammengestellt werden können. Während die dritte und vierte Kombination die definierende und die resümierende Kategorisierung wie die Grundmuster jeweils positiv und negativ formuliert werden können, bestehen die vier kontrastierenden Kombinationsmöglichkeiten aus einer Positiv- Negativvariante und einer Negativ-Positivvariante: 3. Definierende Kategorisierung (Kategorien benennende Kategorisierung mit anschließender Eigenschaftenbenennung - Kombinationen la + 2a bzw. 1b + 2b) a) Positiv: Kombination la + 2a: Kategorie + kategoriengebundene Aktivitäten) - * Heini ist ein erfahrener Spieler, einer, der auch bei einem Rückstand noch routiniert und überlegt spielt. b) Negativ: Kombination 1b + 2b: Negation der Kategorie + Negation der kategoriengebundenen Aktivität(en): * Heini ist kein Wandervogel, keiner, derjedes Jahr woanders spielt. 4. Resümierende Kategorisierung (Eigenschaften benennende Kategorisierung mit anschließender Kategorienbenennung - Kombinationen 2a + la bzw. 2b + 1b) a) Positiv: Kombination 2a + la: kategoriengebundene Aktivität(en) + Kategorie - *Heini kann dir alles genau erklären, Heini ist echt ein sehr guter Trainer. 180 Reden und Spielen b) Negativ: Kombination 2b + 1b: Negation der kategoriengebundenen Aktivität(en) + Negation der Kategorie - * Heini ist keiner, der mich motivieren könnte. Heini istfür mich kein Pusher. 127 5. Kontrastierende Kategorisierung durch Kategorienbenennung (Kombination la + 1b bzw. 1b + la) a) Positiv-Negativ: Kombination la + 1b: Kategorie + Negation der konträren Kategorie - *Heini ist ein ruhiger, sachlicher Trainer, kein Diktator. 128 b) Negativ-Positiv: Kombination 1b + la: Negation der Kategorie + konträre Kategorie - * Heini ist kein Kollege, Heini ist ein Tennisspieler. 6. Kontrastierende Kategorisierung durch Eigenschaftenbenennung (Kombination 2a + 2b bzw. 2b + 2a) a) Positiv-Negativ: Kombination 2a + 2b: kategoriengebundene Aktivität(en) + Negation der konträren kategoriegebundenen Aktivität(en) - * Heini istjemand, mit dem du reden kannst, keiner, der die Spieler nur absaut. b) Negativ-Positiv. Kombination 2b + 2a: Negation der kategoriengebundenen Aktivität(en) + konträre kategoriegebundene Aktivitäten - *Heini ist keiner, der die Spieler absaut, sondern einer, mit dem kannst du reden. 7. Kontrastierende Definierungskategorisierung (Kombination la + 2b bzw. 1b + 2a) a) Positiv-Negativ: Kombination la + 2b: Kategorie + Negation der konträren kategoriegebundenen Aktivität(en) - * Heini ist ein Absahner, Heini ist keiner, der auch für weniger Geld hier spielen würde. b) Negativ-Positiv: Kombination 1b + 2a: Negation der Kategorie + konträre kategoriengebundene Aktivität(en) - * Heini ist kein Beißer, Heini ist jemand, der nur bei Sonnenschein und konstant 20 Grad spielen kann. 127 Das vierte Muster würde Drescher als Variante des zweiten Musters bezeichnen. Ich sehe seine Eigenständigkeit jedoch in seinem resümeehaften Charakter. 1-8 Die Beispielsätze weisen eine Ähnlichkeit zu den von Sandig (1993) gefundenen Sätzen auf, die sie unter dem Gesichtspunkt der „Formulierungsverfahren für [‘alltagsrhetorisches’, im Sinne von Sandig, M.S.] Bewerten durch relationierte Einstufungsergebnisse oder Bewertungsaspekte“ untersucht (vgl. a.a.O., S. 172f., Punkt b). Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 181 8. Kontrastierende Resümierungskategorisierung (Kombination 2a + 1b bzw. 2b + la) a) Positiv-Negativ: Kombination 2a + 1b: kategoriengebundene Aktivitäten) + Negation der konträren Kategorie - *Heini ist jemand, der immer rummotzt, Heini ist kein Kollege. b) Negativ-Positiv: Kombination 2b + la: Negation der kategoriengebundenen Aktivität(en) + konträre Kategorie - *Heini ist keiner, der dich mitreißen könnte, Heini ist ein Schönwetterspieler. Die vorstehenden Muster stünden den Kommunikationspartnern theoretisch für ihre Kategorisierungen zur Verfügung. Im folgenden Abschnitt will ich überprüfen, inwieweit die Fußballer in den ethnografischen Interviews von den Mustern Gebrauch machen. 5.4.2 Kategorisierungen in ethnografischen Interviews Die Interviewten reagieren mit ihren Kategorisierungen auf eine Bitte des Beobachters, die er ihnen zu Beginn des Interviews gestellt hat. Um den Kontext klarzustellen, auf den die Interviewten reagieren, präsentiere ich im Folgenden meine Eingangsbitte aus einem ethnografischen Interview mit einem älteren Spieler: kannst du mir n=bisschen was erzählen über diesen vereint über die trainerdie du gehabt hassüber die mannschaften- * die huke gehabt hates war ja nich immer dieselbe^ sonnern jetz has=te ja ne ganz besondere mannschaßl * ähm über deine zeit hier im verein- [H-57, Z. 080ff.]. Der interviewte Spieler begann anschließend mit einer biografischen Erzählung seiner sportlichen Karriere. Da er in diesem ersten Erzählblock in meinen Augen sehr wenige Kategorisierungen seiner Trainer vorgenommen hatte, kam ich nach der Coda erneut auf meine Eingangsbitte zu sprechen und spezifizierte sie: 283 Matth.: 284 Marcel: 285 Marcel: 286 287 Marcel: 288 Matth.: da so=ne marionette gemacht ne hm is ja irre erzähl mir=n bisschn über die trainer die du gehabt hass un wo du meins wo sind ihre stärken ihre schwächen ihre unterschiede ihre * ähm ** das was du an ihn gut tanz was du schlecht an ihn tanz oder ähm oder * heinrich jetz heinrich früher * wie na ja 289 Marcel: {H-57} is das jetz unter ihm zu arbeitn äh * all solche fragn 182 Reden und Spielen Die folgenden Kategorisiemngsleistungen von Fußballern in ethnografischen Interviews werden beschrieben und den theoretischen Modellen zugeordnet. Die Reichweite der Kategorisierung sowie die Zuordnung zum Modell (beispielsweise 3a) ist an der äußersten rechten Transkriptionsspalte abzulesen. A. Kategorien benennende Kategorisierung plus Charakterisierung durch Aufzählung kategoriengebundener Eigenschaften und Verhaltensweisen Matthias nennt seinen ehemaligen Trainer Platen, der vor kurzem die Betreuung der Mannschaft wieder übernommen hat. Er erzählt von der damaligen Motiviertheit des Trainers und des Teams, die dann abgestumpft sei, was wohl normal sei, weil Platen die Mannschaft sehr lange trainiert habe und der Mannschaftskern im Wesentlichen gleich geblieben sei. Das habe zu gelegentlichen differenzen geführt (Z. 304-305). In diesem Kontext kategorisiert er nun Platen als ruhigen sachlichen Trainer und sich selbst als erfahrenen alten Spieler'. 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 Matth.: obaliga * has=se ja im gründe genomm die gleichen spiela gehabt un dann * sind da schon ma differenzen aufgetreten * Heinrich is eigentliche * ruhiga sachlicha traina * der äh * auch ne * gewisse autorität darstrahlt ne * oda ausstrahlt * friiha war das so gewesen saNch mal * wollt a eigentlich imma mit traina oda mit herr platen angesprochen worden werden * ich weiß jetz nich äh wie es war als a * wieda zurückgekomm is als a die a äh ** äh sich vorgestellt hat wie er=s eigentlich jetz ha: m will * ich bin eigentlich jetz * als erfahrena alta spiela * mit ihm per du * obwohl ich * während des trainingsbetriebes imma * traina sach ne * ich werde nie sagn heinrich * also das * werde ich nich machen ne * werde einfach traina sagn un fertich un wenn wir uns privat irgendwo: sehn oda zusamm sin dann sach ich natürlich heinrich ** äh * heinrich is zum beispiel n=traina der äh ** der sieht Sachen * die nich nur nach vorne gehn die auch * im rückwärtigen bereich * anfalln also er * sagen wa mal * sein rechtes äuge kuckt * nach rechts un sein linkes äuge kuckt nach links * un kann beides gleichzeitich vaarbeiten * der sofort sagn kann du muss so un du muss so * das is also sehr sehr * sehr gut was er da macht * hat natürlich auch dementsprechend die erfahrung * von * seina profizeit ne * und ** (mit=tem) sehr sehr guten fußballvastand ne ** na dann kam * hier * volker camenberg * der auch en sehr sehr ehrgeiziga mensch is [H-57] 1 3a J 1a 1 I 2a I J Die hochgradig kategorisierende Sachverhaltsdarstellung besteht aus den folgenden Schritten: 1) Kategorien benennende Kategorisierung Platens als ruhiga sachlicha traina (Z. 305/ 6). Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 183 2) Konkretisierung durch Nennung und Verdeutlichung einer typischen Eigenschaft und Verhaltensweise aus der Perspektive des Spielers: Platen strahlt ne * gewisse autorität aus (Z. 306/ 7); 3) Eigenschaften benennende Kategorisierung Platens: a) Platen kann das aktuelle Geschehen sowohl in der Offensive als auch in der Defensive gleichzeitig beobachten (Z. 315-318); b) Platen kann das Beobachtete sofort analytisch verarbeiten (Z. 318); c) Platen kann unmittelbar Handlungsanweisungen an die Spieler ableiten und formulieren: du muss so un du muss so (Z. 318/ 9). 4) Mit Steigerungspartikeln hochgestufte Resümierung der gesamten Kategorisierung das is also sehr sehr * sehr gut was er da macht (Z. 319/ 20). 5) Begründende Konkretisierung der Kategorisierung als ruhiger sachlicher Trainer: hat natürlich auch dementsprechend die erfahrung * von * seina profizeit ne *(Z. 320/ 21). 6) abschließende Konkretisierung der Kategorie mit typischer Charakterisierungsform: und ** (mit=tem) sehr sehr guten fußballvastand ne (Z. 321). Matthias hat die Kategorisierung mit der expliziten Nennung des Trainers beim Vornamen begonnen, was seine enge Beziehung zu Platen markiert. Nachdem er die erste typische Eigenschaft Platens genannt hat, startet Matthias mit einer Belegerzählung, die in eine aufwändige Darstellung des gegenwärtigen Beziehungsverhältnisses zwischen ihm als Spieler und seinem Trainer mündet. Als Platen das erste Mal den Verein trainierte, habe er Wert auf eine die Distanz markierende Adressierung als trainer bzw. als herr platen gelegt (Z. 307/ 8). Jetzt, nach der Rückkehr zum Verein, markiert Matthias Ungewissheit, ob und wie der Trainer angesprochen werden wolle (Z. 308- 10). Dies kontrastiert mit der Darstellung, mit Platen jetzt ein Verhältnis der Vertraulichkeit zu haben (Z. 310-311). In die Darstellung eingearbeitet ist die Kategorien benennende Selbstkategorisierung als erfahrena alta spiela. Sie hat den Zweck, die als vertraulich markierte Beziehung zwischen Spieler und Trainer zu legitimieren. Einem jüngeren Spieler steht es anscheinend nicht zu, das in der Adressierung symbolisierte Verhältnis zum Trainer und die Distanz zu redefmieren. Die Macht der erfahrenen, älteren Spieler, die Distanz zum Trainer initiativ zu bestimmen, ist allerdings auf private Interaktionsarrangements beschränkt (Z. 311-315). Die in öffentlichen Interaktionssituationen im Training und Wettkampf vor den Mitspielern gültige Interaktionsnorm lautet, so Matthias, den Trainer immer mit der Rollenbezeichnung, nie mit dem Vornamen anzusprechen. Die Gründe, an dieser Stelle sein zukünftiges Verhalten gegenüber dem Trainer darzustellen, könnten für Matthias die zwei folgenden sein: 1) Wenn er den Trainer auf vertrauliche Weise vor den Teammitgliedern adressieren 184 Reden und Spielen würde, könnten sie in ihm ein Schätzchen des Trainers sehen, der sich einschmeicheln wolle, um bessere Chancen im Konkurrenzkampf um die Stammplätze zu besitzen. Gleichermaßen könnte der Interviewer von Matthias den Eindruck bekommen haben, ein vom Trainer privilegierter Spieler zu sein. Dieser Gefahr begegnet Matthias, indem er sein vertrauliches Verhältnis zum Trainer als auf bestimmte Situationen und Gesprächsarrangements begrenzt darstellt. 2) Die konkretisierte Kategorien benennende Kategorisierung Platens als sachlicher, ruhiger Trainer mit Autorität hat er mit der Äußerung, mit ihm per du zu sein, teilweise überarbeitet. Die Äußerung stellt eine Eigenschaften benennende Kategorisierung Platens als menschlicher Trainer bzw. als Kumpel dar. Matthias könnte befürchten, dass eine vertrauliche Adressierung von den Mitspielern oder vom Trainer selbst implizit als Autoritätsbedrohung verstanden werden könnte, Platen sei ein schwacher Trainer ein Trainer ohne Autorität also, der so viel Respekt vor dem älteren Spieler hat, dass er ihn für die vertrauliche Adressierung nicht bestraft. B. Reihung bzw. Spezifizierung von Kategorisierungen sowie Kategorien benennende Kategorisierung plus anschließende Definierung der Kategorie: Vor dem Interviewausschnitt hat der ältere Spieler Groovy die Vereinspraxis kritisiert, sich um neue Spieler erst im Mai zu bemühen. Danach hat er die richtige Art des frühzeitigen Rekrutierens beschrieben. Die folgenden Kategorisierungen haben kausale Funktion: Groovy: Danach krieg ich nur das was so oder so keiner mehr haben willT* ende mai is de mes- 2a se gelesen danach sin nur noch die spieler übrich die ausschussware sinF* oder-* so ge- 1a + nannte fußballnuttenF* die sich alles offenlassen un sagen hmm~* wo die meiste kohle 3a Is da gehe ich hinf gar kein problemf aber so was kannste halt net bezahlend [SCH-47} Die Kategorisierung besteht aus den folgenden Darstellungsschritten: 1) Eigenschaften benennende Kategorisierung der im Mai noch zu verpflichtenden Spieler als das was so oder so keiner mehr haben will. 2) Eigenschaften benennende, dann Kategorien benennende Kategorisierung des Objektes als spieler die ausschussware sin bzw. als so genannte fußballnutten. Die Kategorisierung als ausschussware ist die Metaphorisierung einer Bezeichnung, die aus dem Warenverkauf stammt. Groovy hat diese Kategorisierungsäußerung mit dem gleichen Pro-Adverb danach eingeleitet wie die erste Kategorisierungsäußerung, sodass sich die Kategorisierung möglicherweise Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 185 auf dasselbe Objekt bezieht. Die alternative Konjunktion oder in der Folgeäußerung verdeutlicht jedoch, dass Groovy nicht identische Kategorien aneinander reiht, sondern eine Spezifizierung der ersten Eigenschaften benennenden Kategorisierung das was so oder so keiner mehr haben will betreibt, die aus den zwei alternativen Subkategorien ausschussware und fußballnutten besteht. Die Einleitung der zweiten Kategorie als so genannte ermöglicht es Groovy, sich von der drastischen Devianzform distanzieren und die Devianzform als authentische Kategorienbezeichnung der sozialen Welt des Fußballs markieren zu können. Die folgende attributive Äußerungsfolge die sich alles offen lassen un sagen hmm~ * wo die meiste kohle is da gehe ich hini gar kein problem^ definiert die authentische Kategorie gegenüber dem fremden Interviewer und beschreibt für die Kategorie typische charakteristische Verhaltensweisen. C. Resümierende Kategorisierung: Aufzählung kategoriengebundener Aktivitäten, Kontrastierung mit konträren kategoriengebundenen Aktivitäten und Kategorien benennende Kategorisierung Vor dem folgenden Beispiel hat Groovy zwei junge Mitspieler beschrieben, die nur Ansprüche an den Verein stellen würden. Ihnen hat er sodann einen ehemaligen Mitspieler gegenübergestellt, der trotz seines hohen Alters viel Zeit und Engagement in den Verein eingebracht habe: Groovy: [...] bis runder in de in de a-klasef * wird geld bezahlt^ * und die jungen spieler 1 komm heude doch überall nur noch her wer einjermaßen fußball spielen kann- 2a * un sacht- * klar spiel ich bei euchf * LACHT HÖHNISCH kommt nur drauf an was ihr zahltf * geh überall hin alles andre intressiert die nitf *du findst heude kaum J 1 noch ein der n=bisschen idealismus hat un sacht- * un da oben machst spass das is 2a ne schöne truppe da geh ich hinf * da geht=s nur noch um de kohlef * da geht=s 1 4g i nur noch um de kohlei * das sin werden alles nur noch fußballnuttenF * J [SCH-47] Groovys Sachverhaltsdarstellung besteht aus den Schritten: 1) Fokussierung eines strukturellen Merkmals des Amateurfußballs: Bis in den Freizeitbereich hinein wird den Spielern Geld gezahlt. 2) Verknüpfung mit einer Beschreibung genereller Handlungsweisen von jungen Spielern {und die jungen spieler komm heude doch überall nur noch her). 3) Spezifizierung der sozialen Einheit „junge Spieler“ und Devianzmarkierung mit dem restriktiven Attributsatz wer einjermaßen fußball spielen kann. Die jungen Spieler müssen sich noch nicht einmal dadurch auszeichnen, dass sie besonders gute Fußballer seien; es reicht aus, dass sie einjermaßen Fußball spielen könnten. 186 Reden und Spielen 4) Fortsetzung der Beschreibung von Handlungsweisen der jungen Spieler bei VertragsVerhandlungen anhand einer Redewiedergabe: klar spiel ich bei euchi * LACHT HÖHNISCH kommt nur draufan was ihr zahlti * geh überall hinl. In den Augen Groovys typische Reaktion auf die implizite Frage, ob der Spieler für den Verein Fußball spielen wolle; durch die prosodische Gestaltung und aufgrund des semantischen Gehalts als deviantes, nur auf Geld fixiertes Handeln markiert. Die Äußerung alles andre indossiert die nit referiert auf das implizite Vergleichsobjekt und fasst die deviante Eigenschaft, nur auf Geld aus zu sein, zusammen. 5) Kontrastierung der eigenschaftsbenannten Kategorie (der junge, nur auf Geld fixierte Spieler) mit der konträren Kategorie (der idealistische, an Gemeinschaft und gemeinsamen Spaß interessierte Fußballer) durch Beschreibung einer ihrer Eigenschaften, z.T. in Redewiedergabe: du findst heude kaum noch ein der n=bisschen idealismus hat un sacht- * un da oben machst spass das is ne schöne truppe da geh ich hinl 6) Refokussierung der konträren Kategorie durch Reformulierung der bereits beschriebenen charakteristischen Eigenschaft: da geht=s nur 'noch um de kohlel. Der Kontrast mit dem idealistischen Spieler wird durch die einschränkende und steigernde Partikelkombination nur + noch, durch die Wahl der negativen Bezeichnung kohle (statt z.B. „Geld“) und durch Relevanzhochstufung (Wiederholung der Äußerung) betont. 7) Resümeehafte Nennung der Kategorienbezeichnung: das sin werden alles nur noch fußballnuttenl D. Kategorien benennende Kategorisierung durch Negation einer Normalform und kategoriengebundener Aktivität sowie kategorienbenennende Kategorisierung durch Kontrastierung mit einer Person, die die markierte Normalform erfüllt In dem präsentierten Ausschnitt reagiert Tobias auf die Bitte des Interviewers, noch einmal etwas über den Trainer Heinrich Platen zu sagen, der bereits einmal den Verein trainiert hatte und vor kurzem die Traineraufgabe von Addi Kracht übernommen hat: Tobias: ich hab eigntlich gesacht wenn erjetz- * —>nach der winterpause gekomm wärt * war nich- *<—so gut gewesen weil —>ich hab eigentlich damit gerechnet dass er kommt- * 1 weil er au nich weil ich weiß dass er nich so der- * «-der pusher is oder der die die 3 b Sprüche reinhaut da war der addi genau der- * der richtige typf * dass der die jungs J 2 mal zusammenscheißt oder oder sacht wo: wo=s langgeht J [H-55Ä\ Tobias' Kategorisierungen von Trainer Platen und Ex-Trainer Addi, die insgesamt zu einer Typisierung von Platen führen, bestehen aus den Schritten: Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 187 1) Kategorien benennende Kategorisierung Platens als nich so der pusher im Rahmen einer im dritten Anlauf vollständig realisierten kausalen Äußerung. Sie unterscheidet sich von der zweiten, dass Tobias die Qualität seiner Begründung als gewiss betont und hochstuft: ich weiß dass die Kategorisierung beginnt mit den Elementen Negationswort nicht, Graduierungspartikel so plus Artikel. Nach einer kurzen Wortfmdungspause und minimaler Retraktion nennt Tobias in langsameren Tempo als zuvor die markierte Normalform pusher. Der kategorisierenden Äußerung wird die korrigierende Charakterisierung oder der die die Sprüche reinhaut nachgeschoben. 129 Die Charakterisierung stellt für Tobias nicht eine kategorielle Aktivität eines Pushers dar. 2) Beschreibung Addis als der richtige typ, für den die korrigierende Charakterisierung zutrifft und Ergänzung der Beschreibung um die zweiteilige Attributiväußerung: der die Jungs mal zusammenscheißt oder oder sacht wo: wo=s langgeht. Die Kategorien benennende Kategorisierung Platens als nicht so der pusher wird also durch Kontrastierung mit dem die markierte Normalform erfüllenden Addi um eine Eigenschaftenbenennung ergänzt und dem fremden Interviewer erläutert. Die differenzierte Kategorisierung Platens ist im Sinne Kallmeyers als Typisierung zu begreifen. E. Kontrastierung konträrer Kategorien: Konkretisierung einer markierten Normalformkategorie sowie Eigenschaften benennende Kategorisierung von Normalform- und Devianzkategorie Im Folgenden erzählt Thorsten, dass der Trainer u.a. auf seinen Vorschlag hin von den Vereinsfunktionären verpflichtet worden ist. Er kategorisiert den Trainer mit der markierten Normalform als feiner kerl. Die Kategorisierung wird definiert und begründet. Die Definition wird schließlich kontrastiert mit der Definition der konträren Devianzkategorie. Thorsten: gespielt habn un weil wir gesacht ham mensch das iss en feiner kerl menschlich un~* ] allm drum un dranf* der würde hier hoch mit passen weil du musst ja ein hier hoch- 3 a komm äh~* hier hochziehn der auch wirklich-* für de mannschaft da is und net J 6 a l einer der hier- * trainiert haut ab un macht die mannschaft fertich sondern einer sar J ich ma wie jeder von uns so der menschlicher- * sar ich ma~ * ziemlich leicht menschlich zu führnder typ is un so was un der halt hier ins umfeld passtT* [SCH-49B\ Die Kategorie feiner kerl kontrastiert Thorsten mit einer nur durch Eigenschaftenbenennung evozierte Kategorie, die er durch zwei Verhaltensweisen 129 Möglich ist auch, dass die Charakterisierung keine Korrektur der Kategorie „Pusher“ ist, da der Informant an einer früheren Stelle im Interview Addi explizit als „Pusher“ bezeichnet hatte. 188 Reden und Spielen als deviant charakterisiert. Die Verhaltensweisen, außerhalb des Trainings keine Zeit mit der Mannschaft zu verbringen {trainiert haut ab) und der Mannschaft keine Hilfestellung zu geben, sondern zu demoralisieren {un macht die mannschaftfertich) sind extrem kondensiert. Sie verweisen auf die zur markierten Normalform des feinen Kerls konträren Kategorien des schlechten Trainers bzw. des Diktators. Die Kategorisierung des Trainers vollzieht Thorsten hier also durch die Kategorien benennende Kategorisierung und die Kontrastierung mit den charakteristischen Verhaltensweisen der konträren Kategorien. Fazit: Die Überprüfung anhand der präsentierten fünf Ausschnitte aus ethnografischen Interviews mit Spielern, inwieweit ihre Kategorisierungsleistungen sich auf die theoretischen Modelle abbilden lassen, gestattet ein erstes, vorsichtiges Fazit: Im Hinblick auf die Grundmuster ist zu erkennen, dass die zitierten Spieler in den Interviews die Eigenschaften benennende Kategorisierung vorziehen (vgl. das häufig anzutreffende Muster 2a sowie diverse Kombinationen mit dem Grundmuster 2). Nur in einem Kategorisierungsbeispiel (Bsp. A) taucht eine Kategorien benennende Kategorisierung auf, die nicht anschließend definiert wird oder das Resümee einer vorhergehenden Kategorisierung darstellt und somit dem Muster la entspricht {erfahrena alta spiela). Das zweite als la markierte Muster (Bsp. B, ausschussware) ist dagegen nicht so eindeutig. In allen anderen präsentierten Beispielen spielt die Kategorien benennende Kategorisierung keine Rolle oder folgt bzw. geht einer Eigenschaften benennenden Kategorisierung voraus, ist also Bestandteil eines Kombinationsmusters. Bezieht man die 6 Kombinationsmuster als eigenständige Muster neben den zwei Grundmustern in das Fazit mit ein, so fallt eine Häufung von definierenden Kategorisierungen in den Interviews auf. Es ist des Weiteren deutlich zu erkennen, dass die Muster 2a und 3a mit fünf bzw. drei Belegstellen dominieren, das Muster 1 a ist wie bereits erwähnt zweimal, die Muster 4a, 3b und 6a jeweils einmal zu bestimmen. Diese Befunde können wohl damit erklärt werden, dass die Informanten auf die Bitte des nicht zu ihrer sozialen Welt gehörenden Ethnografen reagieren und unterstellen, dass sie ihm die relevanten Kategorien erst noch definieren und daher auch typische Eigenschaften nennen müssen, damit er die Kategorie nachvollziehen kann. Betrachtet man jedes Interviewbeispiel für sich, ist zu erkennen, dass die Informanten meist mehrere Kategorisierungsmuster miteinander verbinden (Bsp. B, C, D und E). Dass ein Informant ein Kategorisierungsmuster über mehrere Äußerungen verfolgt wie Matthias in Beispiel A, ist eher die Ausnahme. Dabei fallt auf, dass die Spieler es vorziehen, die Kategorien und kategoriengebundenen Aktivitäten in der Positivform, d.h. direkter und nicht mit den indirekteren Negationen darzustellen. Wenn oben außerdem festge- Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 189 stellt wurde, dass bestimmte Muster besonders oft benutzt wurden, lässt sich dies auch so lesen, dass einige Muster wenig oder gar nicht benutzt wurden. Auffällig ist, dass in den Beispielen nur eine der von mir aufgelisteten kontrastierenden Kategorisierungsmuster (Muster 6a in Bsp. E) wiedererkannt wurde. Liest man die Beispiele aufmerksam, kann man aber in zwei weiteren Beispielen (Bsp. C und D) Kategorienkontrastierungen erkennen. Diese Kontrastierungen werden konstituiert durch die Einführung eines neuen Kategorienträgers (bspw. der ehemalige 'Yr&mzr Addi in Bsp. D) bzw. durch die aufwändigere Eigenschaftenbenennung einer konträren Kategorie (s. die „idealistischeren Spieler“ in Bsp. C). Der genannte Befund ist auf eine Schwäche der Modelle zurückzuführen, nämlich darauf, dass sie erstens auch in den kontrastierenden Kategorisierungsmustern von einem identischen Kategorienträger (der von mir „Heini“ genannten Figur) ausgingen und zweitens von kleinräumigeren, ein- oder zweisatzartigen Äußerungseinheiten. Was also die möglichen Kategorisierungsmuster anbelangt, müsste das Modell folglich so verändert werden, dass auch komplexere Äußerungseinheiten, in denen Kategorisierungen stattfinden, als zusammengehörige Muster erkannt werden und dass die Kontrastierung durch die Einführung neuer Kategorienträger und die Benennung ihrer Eigenschaften mit berücksichtigt wird. Für größere Äußerungseinheiten scheint mir eine erste Unterscheidung der Kategorisierungsleistung anhand der Kriterien nicht-kontrastiv vs. kontrastiv sinnvoll. Weiteres Kriterium könnte z.B. sein, ob die Kategorisierung mit einem bestimmten Kategorienträger durchgeführt wird, mit mehreren bestimmten Kategorienträgern oder mit einer unbestimmten Rollenkategorie. In diesem Zusammenhang muss auch auf ein weiteres erstes Ergebnis hingewiesen werden: Die ausgewählten Beispiele zeigen eindrücklich, dass die Spieler in den ethnografischen Interviews nicht spezifische Kategorien, sondern in besonderem Maße Rollenkategorien definieren. Dies ist meines Erachtens darauf zurückzuführen, dass die zentralen Kategorien der sozialen Welt Rollenkategorien sind und dass es für die Spieler wichtig ist, sich mit den Rollenkategorien in Fremd- und Selbstkategorisierung zu beschäftigen. Inwieweit diese Beobachtungen über die Kategorisierung in ethnografischen Interviews auch für alltägliche Interaktionssituationen der Fußballer zutreffen, soll im nächsten Abschnitt geprüft werden. 5.4.3 Verfahren der Selbst- und Fremddarstellung in alltäglichen Interaktionssituationen der Beispieltext: „Bohne kommt“ Das Kategoriensystem liefert den Trainern und Spielern die Folie, auf der sie die Phänomene ihrer sozialen Welt und sich selbst kategorisieren. Dabei muss, wie Kallmeyer/ Keim (1994b, S. 326 und 337f.) betonen und an den Beispielen bereits ansatzweise gezeigt wurde, beachtet werden, dass die Kategorisierungen nicht statisch sind, sondern wechseln können, dass sich Kategorisierungen überlagern können und dass sie sich mit der Perspektive der 190 Reden und Spielen Sprecher und der Interaktionsmodalität verändern. An einem längeren Transkriptionsausschnitt aus einer Mannschaftsinteraktion soll nun verfolgt werden, ob und, wenn ja, wie die Beteiligten vor dem Hintergrund des Kategoriensystems sich selbst und die Anderen auch tatsächlich in ihren alltäglichen Interaktionszusammenhängen darstellen. Selbst- und Fremddarstellung sind für die Beteiligten jedoch kein Selbstzweck, sondern erfolgen als Ausdruck relevanter Fragen der sozialen Identität, die sich aus Erlebens- und Arbeitsbedingungen mit den übrigen Beteiligten im Verein ergeben. Es wird im Folgenden daher auch darauf ankommen, die Erlebens- und Arbeitsbedingungen, die die ausführlichen Kategorisierungen im Beispielfall auslösen, nachzuzeichnen und die übergeordneten Handlungszusammenhänge, in denen das Kategorisieren steht, darzulegen. Der präsentierte Beispieltext ist ein Ausschnitt aus einer anderthalb Stunden währenden Mannschaftsinteraktion der Spieler von Fortuna Huke nach dem Training Ende April. Der äußere Anlass besteht in einer Kiste Bier, die einer der Spieler der Mannschaft spendiert hat, da er in der Nacht zuvor Vater geworden ist. Er ist selber nicht in der Kabine anwesend. Dem Ausschnitt geht ein lebhaftes, oft scherzhaftes und frotzelndes Gespräch der Mannschaftsmitglieder über diverse Gesprächsthemen voraus. Irgendwann kommt das Gespräch auf Spieler anderer Vereine, die möglicherweise in der nächsten Saison zur Mannschaft stoßen könnten. Anschließend werden auch die Entwicklungschancen einiger Mitspieler behandelt. Sowohl die potenziellen neuen Mitspieler als auch einige der Mitspieler werden von den Anwesenden ausführlich kategorisiert. Die Thematisierung von möglichen neuen und von aktuellen Mitspielern und deren ausführlichen Kategorisierungen sind im gehobenen Amateurfußball typisch für die Frühlingszeit und stehen innerhalb eines übergeordneten Handlungskontextes: Sie stehen im Zusammenhang mit dem Erfragen bzw. Eruieren, wie die Mannschaft in der neuen Saison zusammengesetzt sein wird, und dem Erspüren, welche individuellen Chancen der Spieler in der neuen Mannschaft haben könnte. 5.4.3.1 Handlungskontext und Handlungsschema des Einstufens Zum allgemeinen Handlungszusammenhang: Die Zusammenstellung einer Mannschaft im gehobenen Amateurfußball in der Winterpause und im Frühling Fußballmannschaften unterliegen je nach dem Grad ihrer Professionalisierung einem kontinuierlichen Wandel ihrer Zusammensetzung. Während im Profifußball mittlerweile fast im Verlauf der gesamten Saison Spieler abgegeben und neue Spieler von fremden Vereinen eingekauft werden, kennt der geho- Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 191 bene Amateurfußball im Wesentlichen zwei Phasen der Zusammenstellung einer Mannschaft: Eine von ca. Februar, März bis Juli reichende Phase und eine kürzere Phase in der Winterpause von Mitte Dezember bis Ende Januar. Das Frühjahr ist eine Zeit, in der die Zusammensetzung des zukünftigen Kaders meist noch unsicher ist und die daher auch „wilde Zeit“ genannt wird. In dieser Zeit stellen die Vereine ohne dass immer feststeht, mit welcher Platzierung die Mannschaft die Saison abschließen wird, ob sie z.B. in die nächsthöhere Spielklasse aufsteigt, die Spielklasse hält oder aber in die nächsttiefere absteigt ihre grundlegenden Planungen für die kommende Spielzeit an. Sie stellen Haushaltspläne auf, sie suchen nach Trainern und Spielern, mit denen sie die neue Saison bestreiten wollen. Aber auch Trainer und Spieler pflegen in dieser Zeit intensive Kontakte zu anderen Spielern, zu anderen Trainern und zu anderen Vereinen und führen mit ihnen Gespräche über einen möglichen Wechsel. Die Winterpause ist dagegen jene Zeit, in der aktuell für die zweite Saisonhälfte neue Spieler angeworben werden, um verletzte Spieler zu ersetzen oder in der ersten Saisonhälfte aufgetretene Defizite im Mannschaftskader auszugleichen. Aus der Perspektive jener Ersatzspieler, die sich zu Saisonbeginn eigentlich zu den Stammspielern gezählt, aber den Sprung in die Stammelf nicht geschafft haben, stellt die Winterpause die letzte Gelegenheit dar, zu einem Konkurrenzverein zu wechseln und dort vielleicht den Sprung in die Stammelf zu schaffen. Zum übergeordneten Handlungszusammenhang aus der Perspektive der Spieler: „Eruieren der Vereinsplanungfür die kommende Saison“ Die Handlungsinteressen der Parteien und die Verfahrensmacht in der „wilden Zeit“ sind verschieden: Während die Vereinsfunktionäre bei der Zusammenstellung der Mannschaft in der Regel vor allem die Finanzierbarkeit im Blick haben, steht für die Trainer normalerweise vor allem die sportliche Qualität der Mannschaft im Vordergrund. Die Interessen der Spieler im gehobenen Amateurfußball sind zunächst einmal abhängig von ihrem Lebensalter, ihren beruflichen und familiären Verpflichtungen. Unabhängig davon lässt sich mit gewisser Vorsicht festhalten, dass jeder Spieler grundsätzlich folgende Interessen verfolgt: Einerseits soll der Verein unter dem besten Trainer die erfolgversprechendste Mannschaft zusammenstellen, sodass Niederlagen (und ein Abstieg) vermieden, Siege und viele Punktprämien eingefahren werden können. Andererseits soll die Mannschaft so zusammengesetzt sein, dass der Spieler sich Chancen ausrechnen kann, zur Stammelf zu gehören und möglichst oft in Meisterschaftsspielen eingesetzt zu werden (auch wegen einer eventuellen Einsatzprämie). Schließlich soll die Aufwandsentschädigung möglichst hoch ausfallen. Hat der Spieler den Eindruck, dass 192 Reden und Spielen er mit dem Trainer nicht zurechtkommen wird, dass die Mannschaft in der neuen Saison nicht ausgeglichen besetzt sein wird, er wahrscheinlich nicht ausreichend eingesetzt werden und er zu wenig Geld verdienen wird, wechselt der Spieler normalerweise den Verein. Um seine Handlungschancen abschätzen und Handlungsalternativen abwägen zu können (z.B. muss ich Verhandlungen mit anderen Vereinen aufnehmen? ), ist es für den Spieler also unabdingbar, sich über den Stand der Saisonplanung des Vereins zu informieren. Der übergeordnete Handlungszusammenhang in der „wilden Zeit“, den ich Eruieren der Vereinsplanung für die kommende Saison nennen möchte, besteht für den Spieler darin, folgende zentrale Fragen, denen weitere Fragen untergeordnet sind, gegenüber den Vereinsfunktionären, gegenüber dem Trainer und gegenüber den Mitspielern (einzeln oder in der Gruppe) zu klären: I. Wer wird die Mannschaft im nächsten Jahr trainieren? II. Wer von den aktuellen Mitspielern wird den Verein verlassen, wer wird bleiben? III. Welche Verstärkungen sind a) für die Position des Torwarts, b) für die Abwehr, c) für das Mittelfeld und d) für den Sturm beabsichtigt? e) Kommen ehemalige Spieler zurück oder kommen Spieler von anderen Vereinen? f) Rücken talentierte A-Jugendliche in den Seniorenkader auf? IV. Wie ist die zukünftige Mannschaft, wie sind die Kandidaten und die aktuellen Mitspieler qualitativ zu bewerten? V. Wie sehen meine individuellen Chancen für die neue Saison aus? Werde ich zur Stammelf gehören und wie hoch fallt die Aufwandsentschädigung aus? Problematisch an der Klärung dieser Fragen ist für die Spieler mehrerlei: a) Die asymmetrische Verfahrensgestaltung, Handlungsmacht und Informiertheit der Beteiligten: Initiative und Entscheidung bei der Verpflichtung des Trainers liegen bei der Vereinsführung. Bei der Zusammenstellung des Spielerkaders liegen sie sowohl bei der Vereinsführung als auch beim Trainer. Zwar können Leistungsträger und Führungsspieler beratende Funktion sowohl für Vorstand wie für Trainer einnehmen, doch besteht die Aufgabe der Spieler normalerweise darin, auf ein Vertragsangebot des Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 193 Vereins zu reagieren und es anzunehmen oder abzulehnen, ohne über die Menge an Informationen zu verfügen, über die der Trainer, die Vereinsführung und sogar einige Mitspieler verfügen. b) Die Qualität des Prozesses der Saisonplanung: Vereinswechsel unterliegen spezifischen Fristen (30.6. für die neue Saison bzw. 30.11. für die Rückrunde). Die Saisonplanung im gehobenen Amateurfußball setzt jedoch bereits vier bis sechs bzw. drei bis vier Monate vor der spezifischen Wechselfrist ein. Obwohl die genannten zentralen fünf Fragen für den Spieler lange Zeit offen bleiben und erst mit Ablauf der Wechselfrist geklärt sind bzw. er die Beantwortung der Fragen durch Vereinsführung, Trainer und Mitspieler nicht überprüfen kann, muss er seine persönliche Entscheidung über Verbleib beim Verein bzw. über einen Vereinswechsel vor Ablauf des Stichtages und nur mit vager Kenntnis des gesamten Sachverhaltes treffen. c) Die strategische Überformung des Planungsprozesses: Einhergehend mit ihren Interessensdivergenzen verfolgen die Beteiligten eigene Handlungsstrategien. Der Spieler muss nicht nur die strategische Überformung der Handlungen der anderen bedenken, sondern auch seine eigene Strategie entwickeln und sie teilweise vor den anderen verdecken. Die Beteiligten können ihm unwahre Angaben machen, ihm Informationen vorenthalten, sie können ihn in Sicherheit wiegen oder ihm seine Absichten entlocken, ohne dass sie ihrerseits ihre Karten aufdecken. Der Spieler kann seinerseits zu früh in einen neuen Vertrag einwilligen und dadurch vielleicht nicht die besten Vertragskonditionen erreichen. Er kann aber auch in den Vertragsverhandlungen zu hoch pokern, sodass ihm die Vereinsführung vielleicht eine Absage erteilt und er sich gerade dann einen neuen Verein suchen muss, wenn viele Vereine ihre Planungen bereits abgeschlossen haben. In der Welt des Fußballs gilt daher die Maxime jeder ist für sich selbst (und die Konditionen seines Vertrages) verantwortlich. Im Fallbeispiel werden die letzten vier der fünf Fragenkomplexe von den Beteiligten unterschiedlich ausführlich in der letzten halben Stunde einer ca. anderthalbstündigen Gruppeninteraktion behandelt. 130 Die Behandlung der Fragen wird dadurch eingeleitet, dass die Spieler sportliche Neuigkeiten (das am Vortag ausgetragene Nachholspiel von VfL Plattrup-Huke) austauschen. Anschließend fokussieren sie einen der dort aufgelaufenen Stürmer, der früher in der Bundesliga gespielt hat und nun in der 6. Spielklasse viel Geld verdienen soll, ohne zu traineren. Daraufhin zitiert der Mannschaftskapitän den Vereinsvorsitzenden, bei Fortuna gehe kein Spieler unter 3.000 DM jährlicher Aufwandsentschädigung nach Hause. In der Folge referieren die Anwesenden 130 Die Trainerfrage ist den Anwesenden keine Äußerung wert, da der Trainer erst wenige Wochen zuvor die Mannschaft übernommen hatte mit dem Auftrag, sie bereits jetzt für die nächste Saison aufzubauen. 194 Reden und Spielen sodann auf die aktuelle Sportnachricht, dass ein Zweitligaspieler von seinem Trainer suspendiert worden sei und jetzt in der Landesliga spielen müsse. Da der Spieler einen Dreijahresvertrag über 1,5 Millionen Mark besitze, sei dieser Spieler wohl der teuerste landesligaspieler der weit. An dieser Stelle setzt nun explizit das „Eruieren der Vereinsplanung für die kommende Saison“ ein. Die Mannschaftsinteraktion kann wie folgt segmentiert werden (vgl. den Transkriptionsausschnitt, Cassette H-56 B, Zeilen 1466-2123, im Anhang): - Thematisierung der Aufwandsentschädigung von Leistungsträger Demmi (Z. 1475-1582). Sie zielt darauf ab, für die anstehenden Verhandlungen mit dem VereinsVorsitzenden Robert auszuloten, wie groß der Verdienstrahmen bei Fortuna ist, und sich innerhalb des Verdienstrahmens einzuordnen. - Bewertung der geplanten Mannschaft und eines Kandidaten durch Sven (Z. 1598 und 1605) und daraus resultierend ausführliche Thematisierung und Kategorisierung des Kandidaten Lennart (Z. 1603-1683). Gleichzeitig implizite Behandlung der Frage, welche Verstärkungen für das Mittelfeld geplant sind, da der Kandidat Mittelfeldspieler ist. - Plausibiliserung Thorstens, warum das Eruieren der Kandidaten (und möglichen Konkurrenten) relevant ist: ich muss doch wissen was=s nächstes Jahr gibt (Z. 1685/ 1689). - Aufforderung an Sven und Lothar, ihre Karten offenzulegen, ob sie mit dem Vorsitzenden verhandelt haben und beim Verein bleiben wollen: was=s denn mit diA (Z. 1697-1734). - Thematisierung und Kategorisierung des ehemaligen Mitspielers und Sohnes des Vereinsvorsitzenden (Z. 1744-1802). Gleichzeitig Behandlung der Frage, ob ehemalige Mitspieler zum Verein zurückwechseln könnten. - Zweite ausführliche Thematisierung und Kategorisierung des Kandidaten Lennart (Z. 1808-1939); inkorporiert die Klärung, ob Matthias auch im nächsten Jahr noch im Verein spielen wird (Z. 1865-1899, eventuell auch bisZ. 1912). - Thematisierung und Kategorisierung des ehemaligen Mitspielers Dennis (Z. 1938-1965). - Klärung, wer im nächsten Jahr im Sturm spielen wird, und Bewertung des Sturms sowie Klärung, ob Verstärkungen für die Abwehr geplant sind (Z. 1965-1972). - Thematisierung und Kategorisierung der jüngeren Mitspieler und ehemaligen A-Jugendlichen Kevin, Mascha, Sven Hauptmann, Bommi und Ahmet (Z. 1973-2093). Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 195 Das Handlungsschema: „Einstufen eines (potenziellen, aktuellen oder ehemaligen) Mitspielers bzw. Trainers“ Die Thematisierungen und Kategorisierungen der Mitspielerkandidaten, der aktuellen und der ehemaligen Mitspieler stehen also in einem übergeordneten Handlungszusammenhang und sie kehren immer wieder. Aus der sequenzanalytischen Beschreibung des Beispieltextes, den ich nun ausschnittweise präsentieren und auf die Kategorisierungsleistung der Fußballer hin untersuchen werde, lässt sich für diese Thematisierungen und Kategorisierungen ein Handlungsschema herausarbeiten, das ich „Einstufen eines (potenziellen, aktuellen oder ehemaligen) Mitspielers bzw. Trainers“ nennen möchte, und das die Handlungsaufgaben der Mitspieler beim Einstufen des Mitspielers bzw. des Trainers als Kandidaten für die nächste Saison beschreibt. Es besteht aus fünf Aufgaben: A. Konstituieren des Thematisierungsanlasses B. Identifizieren des Spielers oder Trainers als Kandidaten für die zukünftige Mannschaft C. Bewerten der Zuverlässigkeit der Information D. Kategorisierung des Kandidaten E. Bewerten der Relevanz für die Mannschaft Diese wesentlichen Aufgaben werden in verschiedenen Aspekten bzw. Teilkomponenten von den Beteiligten erledigt, wobei nicht alle Aspekte und Teilkomponenten relevant werden müssen und dementsprechend manifest zu bearbeiten sind. Sie sind m.E. jedoch logisch notwendige Teilschritte und als solche nachzuweisen. Das Handlungsschema mit Kernaufgaben und Teilkomponenten hat folgendes Aussehen: 1) Konstituieren des Thematisierungsanlasses - Ankündigen des Status eines Spielers oder Trainers (als potenzieller oder als fester Neuzugang bzw. als potenzieller oder fester Abgang) 2) Identifizieren des Spielers oder Trainers als Kandidaten für die zukünftige Mannschaft - Vergegenwärtigen des Spielers/ Trainers durch Namensnennung: ggf. Behandeln von Merkmalen wie Name, Alter, äußere Erscheinung (Größe, Haarfarbe etc.), vergangene, gemeinsam erlebte Erfahrungen und/ oder biografische Angaben (Mitgliedschaft bei und Erfolge mit anderen Mannschaften, Mitgliedschaft in Auswahlmannschaften etc.) - Ratifizieren der Identifizierung gegebenfalls Ergänzen bzw. Korrigieren der Identifizierung 3) Bewerten der Zuverlässigkeit der Information - Überprüfen der Validität der Information 196 Reden und Spielen - Nennen der Informationsquelle und Angaben zum Informationserwerb (z.B. Datum, Ort, Modalität etc.) - Bewerten der Zuverlässigkeit der Informationsquelle und der Validität der Information 4) Kategorisierung des Kandidaten - Klären der Vorzüge bzw. der Schwächen des Kandidaten im Hinblick auf relevante Faktoren wie fußballerische Kompetenz, soziale Alterität, Motiviertheit, Entwicklungspotenzial (Relevanzbereich Lebensabschnitt) etc. - Klären der Anforderungen an einen potenziellen neuen Mitspieler oder Trainer - Kategorisierung des Kandidaten, ggf. Problematisierung der Kategorisierung (z.B. das Offenhalten der Kategorisierung im Hinblick auf Entwicklungspotenzial des Kandidaten) - Klären der Integrationsfähigkeit des Kandidaten, ggf. Durchspielen von möglichen Verhaltensweisen des Kandidaten - Klären der Integrationsfähigkeit der Mannschaft, ggf. Durchspielen von Reaktionsmöglichkeiten der Mannschaft im Falle der Devianz des Kandidaten (z.B. Sanktionen) 5) Bewerten der Relevanz für die Mannschaft - Definieren des gegenwärtigen Leistungsstandes der Mannschaft - Klären des möglichen Nutzens und Schadens des Spielerbzw. Trainerwechsels für die Mannschaft - Bewertung des möglichen Spielerbzw. Trainerwechsels 5.4.3.2 Analyse der Kategorisierung Beginn der Kategorisierung des Kandidaten und erster Beleg der Devianz von „Bohne“', der is total hohl in der birne Die Anwesenden sind zum Zeitpunkt, mit dem der Ausschnitt beginnt, die zehn Spieler Lothar, Tommi, Sven, Matthias, Mascha, Tobias, Stefan, Thorsten, Köddel, Klaus und der Gruppenexterne Marcel. Sie sitzen alle in der ca. 25 qm großen Kabine auf den Bänken. Die zuerst genannten neun Spieler bilden eine Gesprächsrunde, Klaus und Marcel die zweite. Der Gruppenexterne Marcel hat das Gespräch auf den vorherigen, vor kurzem entlassenen Trainer Addi Kracht gebracht, denn Kracht hatte Klaus aus dem Kader geschmissen. Marcel hat Klaus um eine Charakterisierung Krachts gebeten. Das Zwiegespräch zwischen Klaus und Marcel verläuft parallel mit der Mannschaftsin- Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 197 teraktion, wodurch manche Gesprächsbeiträge vom Wortlaut nicht genau identifizierbar sind. 131 1631 Tobias: 1632 Mascha: 1633 Ihorst.: 1634 Marcel: 1635 Tobias: 1636 Thorst.: 1637 Köddel: 1638 Marcel: 1639 Tobias? : 1640 Matth.: 1641 Mascha: 1642 Köddel: 1643 Klaus: 1644 Lothar: 1645 Matth.: 1646 Mascha: 1647 Marcel: 1648 Tobias: 1649 Sven: 1650 Mascha: 1651 Thorst: 1652 Marcel: neenee bohne is okevlder is total hohl in=na birne hatder...aesacht4aba wenn ich spiela gewesn wäre der is okey der hat se nich alle-! der hat se nich alle aufm seil-l dann bohne den kenn ich noch der ist bestimmt aus aus fenne der kommt aus fenne ja-! lütqenwerse wollt hm neunzehn is der is so alt wie ich-! hm wer is datl der erst-! der muss do=n na: “m haTm-! lennart roch-! ja is^n blonda der le'nnart Kt'ch-! von das=s son typ uhlen-! langen-! langen-! der hatte da in schalke ham se=n rausgeschmissn oda sogesacht An die Behandlung einiger der Aufgaben des Handlungsschemas schließt sich eine erste längere Sequenz der Kategorisierung und der Relevanzbewertung an, welche zum Ziel hat, Lennart Rochs Qualitäten zu klären und seinen Wechsel zur Fortuna zu bewerten. Thorsten charakterisiert Roch mit Hilfe einer sehr bildlichen formelhaften Wendung als geistig deviant: der is total hohl in=na birne hat der ... gesachti (Z. 1633). Die Feststellung der generellen geistigen Devianz des zukünftigen Mitspielers muss für die Anwesenden insofern bedrohlich klingen, als der geistig deviante Spieler in ihren Augen weder in der Lage ist, die Komplexität der Interaktion innerhalb eines Kaders zu durchschauen, noch die Relevanz fremder Interaktionsbeiträge zu verstehen. Er versteht nicht nur seine Mitspieler nicht, auch sie verstehen ihn nicht, produziert er doch seine Interaktionsbeiträge unter Missachtung „normaler“ Interaktionsregeln. Thorsten charakterisiert Roch damit nicht als von seiner fußballerischen Kompetenz her deviant, sondern als von seinem sozialen Verhalten. Auf welche soziale Devianzkategorie er anspielt, ist an dieser Stelle nicht genau ersichtlich. Erst im zweiten Äußerungsteil markiert Thors- 131 Da das Gespräch von Klaus und Marcel nicht im Fokus stehen soll, verzichte ich auf die Intonationsmarkierung ihrer Redebeiträge. 198 Reden und Spielen ten, durch den Verweis auf den Urheber, den ersten Äußerungsteil als Zitat, was die Charakterisierung Rochs als perspektivisch relativiert. Dieses Verfahren hat seinen Grund in der unterschiedlichen Relevanz der Äußerungsteile. Für die Mannschaftsmitglieder ist die Mitteilung „soziale Devianz des Neuzugangs Y“ viel wichtiger als die relativierende Nachricht „X ist der Meinung, dass Y deviant ist“. Unmittelbar nach der Charakterisierung (und eigenschaftenbenennenden Kategorisierung) von Lennart Roch als deviant, startet Mascha eine Initiative zur Überarbeitung der Kategorisierung. Mit verdoppelter Verneinungspartikel bestreitet er vehement den Status der Kategorisierung und schiebt die Komplementärformulierung zu Thorstens Vorwurf nach: bohne is okeyi. Mascha benutzt für die Überarbeitung der Kategorisierung von Lennart Roch dessen Spitznamen. Damit unterstreicht er die Nähe zu dem genannten Kandidaten. Die Qualität seiner Beziehung ist schließlich auch Basis für die eindeutige Kategorisierung Rochs als nicht-deviant. Dieses kategorische Bestreiten der von Tobias und Thorsten in den Raum geworfene Kategorisierung wird in ihrer Gültigkeit von Mascha nicht eingeschränkt und so generalisiert. Er etabliert sich nun deutlich als Opponent zu Tobias und zu Thorsten. Die inhaltliche Opposition und Unvereinbarkeit von Thorstens und von Maschas Beitrag macht sich Tobias zunutze, um einen Witz in der Gruppe zu landen: der is okey der hat se nich alle (Z. 1631/ 1635). Tobias greift lexikalisch auf Maschas Äußerung zurück, ersetzt jedoch den vertraulichen Spitznamen bohne durch die distanzierende deiktische Proform der. Die Proform leitet auch den zweiten Äußerungsteil ein, womit Tobias eine syntaktische Parallelisierung dieses Teiles zum ersten erreicht. Der Äußerungsteil der hat se nich alle greift inhaltlich Thorstens Kategorisierung, Roch sei geistig deviant, wieder auf, allerdings in einer anderen metaphorischen Gestalt. Der Witz von Tobias besteht in einer paradoxalen Spannung der miteinander kombinierten, sich gegenseitig ausschließenden Generalisierungen von Mascha und Thorsten. Mit ihm kontextualisiert Tobias gleichzeitig Maschas Beitrag, Mascha habe sagen wollen, es sei schon in Ordnung, geistig deviant zu sein. Damit markiert Tobias, dass er Maschas Überarbeitung der Kategorisierung von Roch durch Thorsten nicht ratifiziert. Thorsten schließt unmittelbar an Tobias 1 Äußerung an, greift dessen zweiten Äußerungsteil identisch auf und signalisiert damit sofort, dass er Tobias bestätigt. Er erweitert den von Tobias übernommenen letzten Äußerungsteil durch das präpositionale Attribut auf dem seil und steigert so die metaphorische Qualität. Tobias und Thorsten haben mit ihren Äußerungen eine beliebig erweiterbare Aufzählung begonnen: Sie spielen sich quasi die Bälle zu. An einer Überarbeitung der Kategorisierung, wie Mascha sie versucht hat, haben sie kein Interesse. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 199 Auf den Witz von Tobias und Thorstens Fortsetzung folgt ein zweiter Identifizierungs- und Kategorisierungsschub, in dessen Verlauf das Alter und implizit die Entwicklungsmöglichkeiten des Kandidaten sowie der mögliche Nutzen als echte Verstärkung thematisiert werden: 1) Der aus Fenne stammende Köddel behauptet „Bohne“ zu kennen, und trifft die Zustimmung heischende identifizierende Feststellung, Roch komme aus dem Fermer Stadtteil Lütgenwerse (Z. 1637/ 1642). Das Aufgreifen des Spitznamens markiert Köddels Vertrautheit mit Roch. Die gemeinsame Herkunft aus derselben Stadt deutet an, dass Köddel in der Lage ist, die von Thorsten und Tobias angestrengte Kategorisierung zu bestätigen oder zu bestreiten. 2) Tobias, früher selbst Spieler in Lütgenwerse, und Matthias korrigieren Köddel (Z. 1639/ 1640). 3) Mascha setzt die Kategorisierung Rochs fort und referiert auf dessen Alter. Er kategorisiert Roch durch die Eigenschaftsbenennung damit als jungen Spieler. 4) Matthias konkretisiert das bei Mascha implizit gebliebene Alter und beginnt mit dem semantischen Kern: neu “nzehn is der ersti. Die abschließende Partikel ist fakultativ. Dies und der Akzent auf dem thematischen Fokus haben markierende Funktion. Die Kategorie, auf die Matthias mit seiner Markierung anspielt, ist ambig. Roch gehört nach Matthias nicht nur zu den jungen Spielern, die ja normalerweise gas geben, sondern auch zu den Talenten. Matthias' Äußerung ist unter Berücksichtigung des Kontextwissens jetzt so zu verstehen, dass Roch zwar erst 19 sei, sportlich aber ein großes Talent und schon Stammspieler in Uhlen. Also wird er für die Huker Mannschaft ein Gewinn sein. 5) Lothar bittet um Identifizierung des Referenzobjektes, was Mascha als Bitte um eine weitere Spezifizierung versteht. Daher fokussiert er nun Rochs blonde Haare. Lothar unterbricht ihn in vorwurfsvoller Modalität der muss do=n na: “m ha: “m-l, was anzeigt, dass er die vorherige Identifizierungssequenz (vgl. die Zeilen 1598-1630 im Anhang) nicht mitbekommen hat. 6) Mascha wiederholt den Namen und den Vereinsnamen, wobei er die vorwurfsvolle Intonation Lothars imitiert. Auch Matthias nennt Rochs Namen, allerdings in ruhigem Ton. 7) Tobias (Z. 1648) setzt zu einer Typisierung Rochs an, die er jedoch nicht durchführt, da der Adressat langen nicht zuhört. Mit langen sprechen die Mitspieler und der Trainer von Fortuna sowohl Sven als auch Matthias an. In diesem Fall heischt Tobias um Svens Aufmerksamkeit. Der kennt nämlich im Unterschied zu Matthias - Roch noch nicht und könnte für eine Typisierung oder erste Kategorisierung des potenziellen Neuzugangs als 200 Reden und Spielen deviant noch empfänglich sein. Trotz zweimaliger Adressierung reagiert Sven nicht, sodass Tobias seine Initiative abbricht. 8) Thorsten setzt Tobias' Initiative fort und gibt einen Beleg für die generalisierte soziale Devianz Rochs. Die belegende Äußerung in schalke ham se=n rausgeschmissn oda konstruiert Thorsten, indem er erst den Sachverhalt nennt und ihn dann nachträglich als ungesichertes Wissen modalisiert. Der Ortsname schalke referiert auf einen Bundesligisten, zu dem Roch in der B-Jugend gewechselt und mit dessen Jugendmannschaft er deutscher Meister geworden war. Die Wahl des Verbes rausschmeißen für das Auflösen der sozialen Beziehung zwischen Verein und Spieler benutzt Thorsten, um Roch wiederum als sozial deviant darzustellen. Hätte Roch nämlich nur die fußballerischen Anforderungen bei Schalke nicht erfüllt, wäre dies kein Grund, ihn vorzeitig aus dem Kader zu entlassen. Da man ihn aber rausgeschmissen hat, ist Roch so deviant, dass Schalke sich nicht mehr anders zu helfen wusste, als ihn vorzeitig aus dem Vertragsverhältnis zu entlassen. Thorsten spielt in seiner Belegäußerung stark an die Devianzkategorie Stinkstiefel an. Kategorisierung mit Kategorie aus einem anderen Relevanzbereich und Bearbeitung der Kategorisierung durch das Verfahren der Ellipse: „Bohne“ ist ein Guter Die Anspielung Thorstens, Roch sei ein Stinkstiefel, wird von Matthias nicht ratifiziert. Nach der Negierung des Sachverhalts nennt er den korrekten Sachverhalt: die ham=n in schalke überhaupt nich rausgeschmissn die schalker ham den an uhlen ausgeliehni. Matthias überarbeitet mit der Wahl des Verbs ausleihen die im Raum stehende Kategorisierung Rochs. Der Vertrag des ausgeliehenen Spielers mit seinem eigentlichen Verein wird nämlich durch den Ausleihvorgang nicht aufgehoben. Roch gehört also weiterhin zu Schalke, auch wenn er ausgeliehen wird. Die Gründe dafür, dass ein Spieler ausgeliehen wird, können verschiedene sein: a) Roch kann sich verletzt haben und Rekonvaleszent sein; b) der Amateurkader von Schalke 04, zu dem Roch zuletzt gehörte, kann zu viele Spieler umfassen, sodass Roch kaum Spielpraxis erhielt; ein Verein muss aber ein Interesse daran haben, dass seine Spieler auch tatsächlich Wettkämpfe bestreiten; c) Roch hat die Leistungsanforderungen der sehr starken Amateurmannschaft, nicht erfüllt. Dennoch: Das Ausleihen eines Spielers im Fußball bedeutet nicht, dass der ausgeliehene Spieler sozial deviant sei und man sich deshalb von ihm trennen müsse. 1653 1654 1655 1656 1657 Tobias: die wolln den Matth.: die ham=n in schalke übahaupt nich rausgeschmissn die schalker ham den an Sven: i Klaus: hat a zu dir gesacht zu ihm Marcel: ich hätte gesacht ich hätte zu ihm gesacht Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 201 1658 1659 1660 1661 1662 Tobias: aba nich widdaham-l die wolln den nich widda hamJ- Matth.: uhlen ausqeliehr4 aba die ham den nur Ihorst.: iaia is kja: 4 Klaus: aja wollt grad saan Marcel: ja zu ja ne 1663 Tobias: (wolln sen denn widdahamt) der hat se nich alle! 1664 Matth.: ausgeliehnlja 1665 Mascha: is aba=n gutalder=s aba=n gutal- 1666 Thorst.: ja er war ja auch 1667 Klaus: er hat vom fußbail 1668 Matth.: jal 1669 Sven: ja is das so schlimmt 1670 Thorst.: von oda sowas auch! - 1671 Klaus: von der trainings methodik an sich müsst a es müsste er ahnunq ham 1672 Stefan: wer 4- 1673 Matth.: lennart roch 1674 Sven: ja! 1675 Mascha: der lennart roch-l 1676 Thorst.: s=ganz schlimm! wirklichllennart rochj- 1677 Klaus: eigentlich weil er so-n job trat und so viel damit zu tun hat sein sohn 1678 Stefan: wer sacht das-l robertt 1679 Tobias: dat kann nich sein eyl 1680 Matth.: jarobertl 1681 ? : der kommt doch zu uns! - 1682 Klaus: is bei borussia Physiotherapeut ja gut ne der kennt den Tobias 1 Äußerung (Z. 1653) überlappt mit dem zweiten Äußerungsteil von Matthias, die auf das Ausleihen Rochs referiert. Tobias schließt inhaltlich an diesen Äußerungsteil an, obwohl Matthias ihn erst noch zu Ende formuliert. Dies zeigt, dass Tobias bereits intuiert, was Matthias sagen wird, und dass er versucht, Matthias' relativierende Bearbeitung der Kategorisierung durch Eigenschaftenbenennung so früh wie möglich abzubremsen. Tobias' Ziel ist es nämlich jetzt, nicht mehr allein Rochs Devianz, sondern dessen fußballerische Devianz zu markieren. Tobias argumentiert wie folgt: Wenn Roch fußballerisch nicht deviant wäre, würde Schalke ihn nach Ablauf des Ausleihvertrages mit Uhlen wieder in den Amateurkader für die Oberligamannschaft aufnehmen. Schalke wolle den aba nich widdaham. Tobias' Äußerung ist als Eigenschaften benennende Negativkategorisierung wie folgt zu verstehen: Roch ist kein Oberligaspieler. Und da Bundesligisten für ihre Amateurkader normalerweise junge Talente verpflichten, die das fußballerische Potenzial besäßen, den Sprung in die Bundesligamannschaft zu schaffen, kann Roch kein Talent sein. Tobias ratifiziert die von Matthias eingeleitete Fokusverschiebung auf die fußballerische Kompetenz, versucht sie aber für seine Interessen, Roch als deviant darzustellen, zu nutzen. 202 Reden und Spielen Die folgenden Äußerungen der Mitspieler (Z. 1659-1665) sind: 1) Bestätigung der Devianzkategorisierung Rochs als fußballerisch inkompetent durch Thorsten (jaja is kla: l, Z. 1660). 2) Wiederholung des Sachverhaltes, Roch sei nur ausgeliehen, durch Matthias in kondensierter Form (Z. 1659/ 64). 3) Kategorien benennende Kategorisierung Rochs durch Mascha als ein Guter (Z. 1665). Mascha verdeutlicht explizit die stattgefundene Fokusverschiebung. Die Kategorie ein Guter stammt aus dem Relevanzbereich der fußballerischen Kompetenz und ist die konträre Kategorie zu der implizit gebliebenen Devianzform des schlechten Oberligaspielers. Maschas Kategorisierungsverfahren ist insofern noch interessant, als die Kategorienbezeichnung elliptisch ist: Die volle Kategorienbezeichnung müsste ein guter Fußballer bzw. Oberligaspieler lauten. 4) Zeitgleich mit Maschas Äußerung Rückfrage von Tobias an Matthias, ob Schalke Roch zurücknehme, dadurch Rückstufung seiner vorherigen Behauptung und der Eigenschaften benennenden Negativkategorisierung, Roch sei fußballerisch inkompetent (Z. 1663). 5) Antwort von Matthias auf die Frage von Tobias (Z. 1664). 6) Wiederholung der Eigenschaften benennenden Kategorisierung Rochs als geistig deviant durch Tobias: der hat se nich allel (Z. 1663) und dadurch Wechsel des Relevanzbereiches zurück zur Alterität. 7) Wiederholung der Positivkategorisierung, Roch erfülle die Anforderungen der fußballerischen Kompetenz, durch Mascha (Z. 1665). 8) Nicht vollständig zu rekonstruierende Äußerung Thorstens (Z. 1666/ 70), die aber die Kategorisierung Rochs als deviant fortschreibt (dies legt Svens responsive evaluierende Reaktion nahe) sowie Bestätigung durch Thorsten: s=ganz schlimmi wirklich^ und Rückfrage Svens. 9) Erneute Sequenz der Identifizierung, der Verdeutlichung des thematischen Anlasses (Roch wird einer der Neuzugänge sein) und der Validität der Information, angestoßen durch Stefan, der gerade aus der Dusche in die Kabine getreten ist (Z. 1672-1681). 10) Tobias bewertet die Relevanz des Vereinswechsels: dat kann nich sein ey ^ (Z. 1679), dadurch Aufrechterhaltung und Markierung der Kategorisierung Rochs als sozial deviant. Indirekte Kategorisierung durch den Vergleich mit aktuellen und ehemaligen Mitspielern', der darf nur nich so sein wie der dermis is. Das Gespräch nimmt in der Folge eine andere thematische Richtung. Nach ca. zweieinhalb Minuten kommt die Rede aber erneut auf Lennart Roch. Ste- Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 203 fan hat den potenziellen Neuzugang als guten Fußballer kategorisiert und seine Kategorisierung mit Kochs sehr guter Leistung im Meisterschaftsspiel gegen Huke gestützt. Tobias wiederum hat an der negativen Kategorisierung Rochs festgehalten und ihn mit einem aktuellen Mitspieler: der^s son son typ wie der kevin grossed (Z. 1850) verglichen. Die Kategorisierung ist hochgradig kontextuell und verdichtet und verrät die geteilten Wissensbestände der Mitspieler. Stefan wiederum hat diese Kategorisierung glattweg mit den an Tobias gerichteten Worten glaub ich nichi * lass den ersma kommi bestritten. In der Folge haben sich Tobias und Stefan auffällig zurückgehalten und sich bis auf zwei kurze Verständnisfragen nicht mehr geäußert. Matthias und Mascha wiederum haben Stefans Kategorisierung von Roch als guten Fußballer mit den Hinweisen auf seine Vergangenheit als Jugendnationalspieler und Mitglied der Westfalenauswahl gestützt. Daraufhin meldet sich Stefan wieder zu Wort: 1928 Stefan: 1929 Matth.: 1930 Stefan: 1931 Matth.: 1932 Stefan: 1933 Mascha: 1934 Klaus: 1935 Stefan: 1936 Matth.: 1937 Mascha: 1938 Stefan: 1939 Matth.: KK: 1940 Sven: 1941 Stefan: 1942 Klaus: mein traina als ich meine trainalizenz gemacht hab da hat der gespieltf der heinrich den schon- * holt dann- ** mein ich das war kein schlechtaf der is au nich schlimmJ der kannf * aba wenn a hier rum * total bummeltT wa ja sehnf * nehm den) I glaub wenn dat stimmt^ (also dat wem der da: f nur nich so der da: f nur nich also ich komm mit dem eiqntlich bestens aus ... wie wert na ja gutf so sein wie der dennis ist # wie der dennist # # LACHEND # vielleicht kam=man mit dem scheiße machend obwohl ja * der varückte hat ja hier au gespielt-! der varückte hat hier au gespielt-! hmt Die Äußerungen im präsentierten Abschnitt sind wie folgt zu verstehen: 1) Stefan bewertet den Vereinswechsel von Roch als positiv. Er bezieht sich auf die den Mitspielern präsente Kategorisierung des Trainers Heinrich Platen als guter Trainer, der die fußballerische Kompetenz potenzieller neuer Mitspieler beurteilen könne (Z. 1928/ 30): Matthias bestätigt Stefans Bewertung (Z. 1931). 2) Mascha negiert eine, Minuten zuvor von Sven aufgeworfene und von Thorsten verifizierte Frage, welche sich auf den Grad der Devianz von Roch bezog: der is au nich schlimml (Z. 1933) und überarbeitet dadurch die im Raum stehende Negativkategorisierung von Roch. 204 Reden und Spielen 3) Klaus problematisiert die Positivkategorisierung, indem er ein mögliches deviantes Verhalten von Roch durchspielt: aba wenn a hier rum * total bummelA (Z. 1934). 4) Stefan, der Mannschaftskapitän, stellt die Beantwortung der hypothetischen Frage zurück, da Rochs Verhalten selbst zeigen wird, wie Roch zu kategorisieren ist. Mit der nicht ausgebauten Äußerung nehm den deutet er möglicherweise an, dass die Führungsspieler Roch mal beiseite nehmen werden, um ihm die in der Mannschaft gültigen Interaktionsnormen zu erklären. 5) Einen ganz neuen Bezugsrahmen eröffnet Matthias, der eine Mindestbedingung formuliert, die der potenzielle Neuzugang Roch unbedingt erfüllen solle: der darf nur nich so sein wie der dennis is-l. Der mit dem Namen verbundene und die Charakterisierung erschließende Kontext wird von Stefan ratifiziert. Er verfügt über das notwendige Hintergrundwissen, dass der ehemalige Mitspieler Dennis Link ein schwieriger Typ ist (er wird im Verein auch als Spinner bezeichnet), der sich nur schwer integrieren konnte. Während eines Meisterschaftsspiels verwickelte er sich einmal in eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem damaligen Mitspieler Matthias. Stefan markiert dies ausdrücklich, indem er Dennis die explizite deviante Bezeichnung Verrückter verleiht. Inhaltlich relativiert er Matthias' implizite Befürchtung, dass die Folgen für die Mitspieler gravierend wären, wenn Roch sich so verhielte wie Dennis; er bewertet die Integrationsfahigkeit der Mannschaft als ausreichend: Wenn der verrückte in Huke gespielt habe, werde die Mannschaft auch mit einem eventuell ebenso devianten Roch zurechtkommen. Implizit wird damit der Vereinswechsel von Roch unter einem fußballerischen Gesichtspunkt nicht unter dem Gesichtspunkt sozialer, gruppendynamischer Folgen positiv bewertet. Die anspielungsreiche Typisierung von Dennis als Abzocker bzw. als Fußballnutte Das Gespräch kommt in der Folge nicht mehr auf Lennart Roch zurück auch wenn das Einstufen Rochs nicht mit einer expliziten Ergebnisfeststellung geendet hat, scheint Roch für die Anwesenden ausreichend kategorisiert worden zu sein. Angestoßen von Matthias (Z. 1936/ 39) widmet man sich nun zunächst dem ehemaligen Mitspieler Dennis, bevor im weiteren Verlauf einigejüngere aktuelle Mitspieler thematisiert und ebenfalls kategorisiert werden. Dabei werden im Prinzip auch all jene Aufgaben bearbeitet, die beim Einstufen Lennart Rochs vollzogen wurden, wobei die Identifizierungssequenz auf Grund des geteilten Wissens (die aktuellen Mitspieler sind den Spielern selbstredend bekannt, die ehemaligen Mitspieler sind zumindest einem Teil der Mannschaft bekannt) ökonomischerweise nicht so ausführlich ausfallen wie bei potenziellen neuen Mitspielern. Soziale Kategorisierung aas Trainer- und Spielerperspektive 205 Die Kategorisierung der aktuellen jüngeren und der ehemaligen Mitspieler erfolgt an diesem Punkt unter ähnlichen Aspekten wie die Thematisierung des potenziellen neuen Mitspielers Roch und steht im Zusammenhang des Eruierens der Mannschaftszusammenstellung für die nächste Saison. Die Ehemaligen haben einen Namen im Verein, unterhalten des Öfteren noch Beziehungen zu ihren früheren Mitspielern, halten Kontakt zu ihren früheren Trainern und zur Vereinsführung. Aus der Perspektive der Vereine sind ehemalige Spieler leichter zu erreichen (und kommen daher eher als mögliche Kandidaten in Betracht) als jene Spieler anderer Vereine, für die man sich interessiert und über die erst Informationen eingeholt werden müssen, bevor man mit ihnen Kontakt aufnehmen kann. 1951 Marcel: KK: 1952 Stefan: jacke 1953 Matth.: neenee nein nein neint 1954 Sven: 1955 Mascha: Komm.: 1956 Stefan: wiedat 1957 Lothar? : 1958 Matth.: 1959 Klaus: 1960 ? : # redet ihr von dem hier# »MARKIERT SEGELOHREN# der kommt nich tschüss dennis linkt # >der affet # »TÜRENSCHLAGEN# kommt nich wieddat total sichat heT neT 1961 Stefan: 1962 Matth.: bleibt der in in in krüsbeernf 1963 Marcel: tschüss klaust Komm.: 4 SEKUNDEN PAUSE 1964 Matth.: jabeidennisisdatjaaunegeldfragenet Komm.: 4 SEKUNDEN PAUSE 1965 Stefan: »das auf jedn fallt tschüsst is noch valetztt tschüsst bleibt der eigntlich tschüss tschüsst Unbeabsichtigt bringt der Gruppenexterne Marcel das Gespräch nach einer kurzen Nebensequenz auf Dennis Link zurück, da er eine falsche Identifizierung leistet. Mascha nennt ihm den richtigen Vor- und Nachnamen des ehemaligen Vereinsspielers. Der Identifizierung schiebt er eine Dennis geltende Kategorisierung als deviant nach: der affe. Mascha spielt zwar erst seit wenigen Monaten in der Seniorenmannschaft mit, und der Aufsehen erregende Vorfall zwischen Matthias und Dennis liegt schon Jahre zurück, aber dennoch hat Mascha keine Schwierigkeiten, die in der Gruppe vorherrschende Kategorisierung des ehemaligen Mitspielers als deviant zu reproduzieren. Die 206 Reden und Spielen Kategorienbezeichnung, die er wählt, ist nicht identisch mit Stefans Bezeichnung verrückter, fokussiert wohl eher Dennis' auffällige äußere Erscheinung, 132 bezieht sich aber ebenfalls auf den Relevanzbereich der Alterität. Nach der Behandlung zweier thematisch mit Dennis Link verknüpfter Aspekte (er kehrt nicht zu Fortuna zurück, und es ist aufgrund seiner Verletzung ungewiss, ob er bei seinem jetzigen Verein in Krüsbeern bleiben wird) sowie der Verabschiedung von Klaus, typisiert Matthias Dennis unter einem anderen Charakterisierungsaspekt. Seine Äußerung ja bei dennis is dat ja au ne geldfrage nei spannt einen neuen Bezugsrahmen auf. Sie besagt, dass ein Vereinswechsel von Dennis nicht nur von seinem Genesungsprozess abhängt, sondern auch davon, wie viel Geld ihm der Verein bezahlt. Die Typisierung verweist auf zwei Devianzkategorien: Auf die schillernde, teils positive, teils negative Kategorie des Absahners, der hoch pokert, und auf die Kategorie des Wandervogels bzw. der Fußballnutte, einem Spieler also, der sich eine Entscheidung bis zuletzt offen hält und demjenigen den Zuschlag gibt, der am meisten Geld bietet. Diese Typisierung wird von Stefan auffällig leise bestätigt. Die Dynamik und der fallende Grenzton sind die Markierer für den Abschluss des Handlungsschemas und die Ausleitung in den übergeordneten Handlungszusammenhang des Eruierens der Planung für die nächste Saison. Die Bearbeitung der indirekten Kategorisierung Maschas und Bommis als neue Kadermitglieder: bommi hat keine schangs Das Gespräch konzentriert sich in der Folge auf jene Aspekte des übergeordneten Handlungszusammenhangs, welche die Verpflichtung neuer Spieler für die Verteidigung und die künftige Zusammensetzung des Sturms betreffen. Dies ist der Anlass für Matthias zu erwähnen, dass einer der Stürmer, der ehemalige A-Jugendliche Kevin Grosse, zu einem anderen Verein wechseln werde. Diese Äußerung initiiert die handlungsschematische Behandlung des Einstufens von (noch) aktuellen Mitspielern. Mascha antwortet, Kevin werde sich einen Wechsel vielleicht noch einmal überlegen, wenn er höre, dass Roch zu Fortuna komme. Lothar charakterisiert sodann Kevin als Spieler, der sich dann trotzdem nicht durchbeißtl, weil die Konkurrenz im Sturm zu groß sei. Daraufhin äußert sich Mascha: 1992 Mascha: 1993 Lothar: jawatdennt 1994 Matth.: neini acht passauft 1995 Mascha: will a nicht hat a do gesachtt der will ga kein stürma spielnt et liecht ja nich daran et liecht 132 Dennis 1 äußere Erscheinung wurde mir von den Spielern mit den Worten „typischer Fußballer“ beschrieben mit einer „Vo-ku-hi-la“-Frisur (vorne kurz, hinten lang), mit Dauerwelle, Lederjacke und Goldkettchen. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 207 1996 Matth.: da- * in ersta iinie an dem traina wenn der traina sacht- * den un den un den un den 1997 möcht ich gerne haltn- ** dann wird es ** irgendwie ermöglicht-l *2* und die: die 1998 einzigen- * soweit i"ch weißt * bis du" un der bernd böhmert * un sons ga nichts-l- 1999 Stefan? : (watdenn)-l- 2000 Matth.: von dem * jugendspielan die jetz warn-l- 2001 Mascha: sven hauptmann nicht 2002 Stefan: ( ) 2003 Matth.: die: * bei dem * kada der erstn mannschaft dabei sein solln-l- 2004 Mascha: »geilt 2005 Stefan: also meine meinung bommi hat keine schangse neint That keine schanqst 2006 Matth.: ja der n/ bernd muss 2007 Stefan: 2008 Matth.: ranwachsn net ja der is~ * nein alsoaba der muss imma also ich vagleich den Io/ äh 2009 Stefan: ja von 2010 Matth.: den bernd so=n bisschen mi=m lothar weil- ** von von von der kondition hert 2011 Stefan: der kondition aba-* von der-** konstitution-l- 2012 Tobias: ev hömma der bernd hat zeit net 2013 Matth.: ja aba ne/ wie alt wird 2014 Lothar: iaia... kumma ich bin- * wann bin ich hierhin 2015 Matth.: wie alt bist du un wie alt is der bernd bernd is neunzehnt 2016 Stefan: bei dir hat man sofort 2017 Lothar: gekomm drei jahret * viernzwanzicht bernd is no iunq-l- 2018 Matth.: ja 2019 Stefan: gesehndassweil aba bei demt * also dat 2020 Lothar: ja 2021 Matth.: jaaba der war viernzwanzicht also so Im Ausschnitt stellt Matthias aus seiner Perspektive Mascha den Sachverhalt dar, dass der Trainer Mascha und Bernd „Bommi“ Böhmer behalten wolle (Z. 1994-1998). Der Kreis der Spieler, aus dem der Trainer ausgewählt hat, und der Kreis, für den die beiden ausgewählt wurden, bleiben implizit. Dies veranlasst Stefan nachzuhaken wat dennl. Die Äußerung muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Stefan Mannschaftskapitän und einer der Führungsspieler der Mannschaft ist, sodass ihn alle Fragen zur Bildung des Kaders in besonderem Maße interessieren. Zum anderen könnte die Äußerung auch so gelesen werden, dass Stefan ein ureigenes Interesse haben könnte, zu klären, ob Matthias den Kreis aller derzeitigen Kadermitglieder gemeint hat. Das könnte nämlich bedeuten, dass der Trainer in der kommenden Saison auf Stefan verzichten wolle und er sich einen neuen Verein suchen müsste (was aber eher unwahrscheinlich ist). 208 Reden und Spielen Die Sachverhaltsdarstellung von Matthias kann m.E. als stark reduzierte Durchführung eines Einstufungsschemas verstanden werden. Denn sie verbindet sowohl Anlasskonstituierung {et liecht ja nich daran [dass ein Spieler entscheidet, ob er in den Kader aufgenommen wird]) und Identifizierung der Kandidaten (du “ un der bernd böhmeri) sowie Bewertung der Glaubwürdigkeit der Information (soweit i“ch weißt) sowie die implizite Kategorisierung der Kandidaten. Die Äußerung (die einzigen [die der Trainer halten will] bis du“ un der bernd böhmerl) stellt für Mascha eine positive Kategorisierung als Talent bzw. als hungriger Spieler durch den Trainer dar. Die Aufnahme in den Mannschaftskader bedeutet, dass der Trainer sie für begabt und ehrgeizig genug hält, die Voraussetzungen und Anforderungen zu erfüllen, um ordentliche Oberligaspieler zu werden. Mascha ratifiziert die Eigenschaften benennende Kategorisierung, versteht sie als Auszeichnung und bewertet die Relevanz für sich als positiv: geili (Z. 2004). Die Kategorisierung Bommis zumindest als Talent für die Oberliga findet nicht Stefans Zustimmung: also meine meinung bommi hat keine schangs neini (Z. 2005). Seine Äußerung überarbeitet die von Matthias vollzogene Kategorisierung und zieht die Anwesenden in die ausführliche Abwicklung der Kategorisierung Bommis. Im Unterschied zu diesem ausführlichen Einstufen des nicht anwesenden Bommis fällt auf, dass die Einstufung des anwesenden Mascha nicht weiter durchgeführt wird. Wie explizit das Einstufensschema durchgeftihrt wird, scheint also abhängig von einem interaktionskonstitutiven Moment zu sein, nämlich davon, ob der Einzustufende am Schauplatz ist. Die Züge der Beteiligten im präsentierten Ausschnitt sind: 1) Abschwächung der Negativkategorisierung Bommis als nicht tauglich für die Oberliga durch Matthias (Z. 2008). 2) Beginn einer Kategorisierung Bommis und Dissenzmarkierung durch Stefan (Z. 2007). 3) Positive Charakterisierung durch Matthias unter dem besonderen Aspekt von Bommis athletischer Voraussetzungen: Er vergleicht Bommi mit dem anwesenden Lothar. Der mit der Charakterisierung verbundene Kontext ist der, dass Lothar, jetzt Stammspieler der Oberligamannschaft, einer der konditionsstärksten des gesamten Kaders ist und es auch von ihm zuerst hieß, er bringe nicht die technischen Grundlagen mit, um Oberligaspieler zu werden. 4) Ratifizierung der Charakterisierung durch Stefan, jedoch Fortführung der Devianzkategorisierung durch die Verknüpfung mit dem Gegensatzoperator aber und einem kontrastierenden Äußerungselement: Bommi hat eine gute Kondition, aber keine konstitution. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 209 5) Tobias, Matthias und Lothar widersprechen und weisen auf das junge Alter Bommis und seine langfristigen Entwicklungschancen hin (Z. 2012- 2017/ 21). Die Reaktionen der Mitspieler erklären sich möglicherweise daraus, dass sie sich selbst in eine andere Kategorie der fußballerischen Kompetenz einordnen bzw. von Außenstehenden anders kategorisiert werden als ihr Mannschaftskapitän. Während Stefan eher ein Spielmacher ist und im offensiven Mittelfeld spielt, zählen Tobias, Lothar und Matthias zu den laufstarken Kämpfern, die im defensiven Mittelfeld arbeiten. Dass Stefan Bommi als deviant kategorisiert, verstehen sie eventuell als Bedrohung ihres positiven Face, als kategorisiere Stefan damit auch sie eben nur als Kämpfer. 6) Erwiderungszug Stefans (Z. 2016/ 19): Seine kategorisierende Charakterisierung Lothars wird nicht explizit zu Ende geführt und bedeutet implizit eine Negativkategorisierung Bommis. Sie ist so zu verstehen, dass man Lothar sofort seine potenzielle Tauglichkeit für die Oberliga angesehen habe, Bommi aber sehe man sie eben nicht an. Kontrastiver Vergleich zwischen dem devianten Sven und dem entwicklungsfähigen Bommi auf der einen Seite und Negativkategorisierung Bommis auf der anderen Seite: kumma der läuft ga nich wie=n fußballa 2022 Stefan: 2023 Matth.: 2024 Matth.: 2025 Mascha: 2026 Mascha: 2027 Marcel: 2028 Lothar: 2029 Matth.: 2030 Mascha: 2031 Marcel: KK: 2032 Lothar: 2033 Matth.: 2034 Stefan: 2035 Matth.: 2036 Mascha: 2037 Stefan 2038 Matth.: 2039 Mascha: 2040 ? : najaf seh ich die Sache weil=n die- * der der sven der vasaut sich die ganze Sache selba dadurch dass a dem training fernbleibt un dass a ihn nich anruftf ja ich hab ihm heute gesacht er war bei mir der sollte anrufn ich glaub dat hat a auch-1 hmhmf ja der dings der bommi der bomjat ja dat is dann dann is dat ja ne gute # der hat # «LACHEND # mj kann dat ma schaffnl- * hab ich ihm au gesachtf sachef jat da bin i au vom bernd is dat von dir der scheißt ah sof bin ich einge/ vom bernd vom bernd bin i eigntlich übazeuchtf schaumfestioaf von dirt also also da is ja mit beim beim sven is es äh * sven muss * sich in sein jaf müsste obn liegnf hat a nef hat a mir gesacht der trainaf 210 Reden und Spielen 2041 Lothar: 2042 Matth.: 2043 Stefan: 2044 Tobias: 2045 Lothar: 2046 Matth.: 2047 Stefan: 2048 Matth.: 2049 Stefan: KK: 2050 Matth.: 2051 Stefan: 2052 Lothar: 2053 Matth.: 2054 Stefan: 2055 Lothar: 2056 Matth.: 2057 Stefan 2058 Lothar: 2059 Stefan: 2060 Lothar: 2061 Matth.: 2062 Matth.: 2063 ? : Komm.: 2064 Stefan: 2065 2066 Stefan: 2067 Lothar: 2068 Matth.: 2069 Mascha: 2070 Stefan: 2071 Lothar: 2072 Lothar: 2073 Matth.: 2074 Matth.: der bernd der wächst da reinlglaub i bemühungn ** total ändani * wenn a dat nich macht dann schafft a dat nict4 draußen! ' demmi! ' auch 4weil er vom ehrgeiz her der der sven weiß ich nich das is so so lässich nur bernd ich hab den ma wenn ich den so auf=m platz ma gesehn hab kumma der läuft ga nich wie=n fußballai #weiß nich# ich hab da meine Probleme «LACHEND# ja aba mit-l ehrlich! dat is ja au mitschulli dat is=n spiela den de dir form kannz! garantiert! naa ja da bin ich fest von übazeucht also! ich meinhab ich au gesacht! der kann maja! ich bin da skeptisch ich ich wünschte et war andas aba ich bin da skeowie bei mir reinwachsn! un wenn a so tisch! er will ja au spieln! weit is~ schulli ich weiß wie ich früha angefangn bin! als ich von von jidder na=che fortuna gegangn bin! 4 SEKUNDEN PAUSE fürn bernd war et vleicht am bestn wenn a=n irgndwo landesligavaein hätte oda sons noch so aba hier wird a nächses jahr nich spieln hunnatprozentig nich! * bin ich alsokann aba wenn du nich spieln kannst der kann vielleicht is a vielleicht wär=t ich mein ich ich rede ich rede nich / du nich nich spieln! jaa! aba vielleicht war et aba gut daran solche spiela auszuleihn für ein jahr! saqn wa ma na iidda! zum beispiel! bezirksliga landesliga je nach dem! aba du muss imma da aba du muss na ja pass ma auf du musst dat aba du muss dat aba jetz so sehn- * wenn dat der * dietmar * nächses jahr macht mit der zweitn Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 211 2075 Lothar: 2076 Matth.: 2077 Matth.: 2078 Stefan: 2079 Matth.: 2080 Stefan: 2081 Lothar: 2082 Matth.: 2083 Stefan: 2084 Lothar: 2085 Matth.: 2086 Mascha: 2087 Stefan: 2088 Lothar: 2089 Matth.: 2090 Stefan: 2091 Matth.: 2092 ? : 2093 Stefan: 2094 Matth.: wert jat mannschaftt * der manni käst der manni kastt ** dann haste den altn a-jugendtraina * und äh * i glaub- * wenn die zu ihm runtakomm dann äh- * reissn die sich auch wer weißt weiß nicht ob übahaupt andas am riem als jetz beim dietmar oda sot und der a-jugendtraina dafür geeignet ist kumma der ahmet is au no jungt ahmet is au ahmetahmet is einzwan äh drei/ zweinzwanzicht zweinzwanzicht kann au noch ahmet der is / der wird (ästhetisch? ) der das=s was andrest mein gott dat sieht so alles so komisch aust reinwachsnt is supa und wat sieht alles so * unbeholfn aust beim berndt beim berndt ja dat wird sich au nie äh also vom * vom bewegungsablauf wird sich auch gar nich ändant <tobias tschüss net Den ersten Teil des präsentierten Ausschnitts (Z. 2022-2047) bestreiten im Wesentlichen Lothar und Matthias. Stefan hält sich zurück und stellt Mascha nur eine thematisch nicht kohärente Frage (sie betrifft den Schaumfestiger, den er sich von Mascha ausleihen will, Z. 2034). Zunächst fokussiert Matthias das Verhalten von Sven und generalisiert es als deviant: Sven schwänze das Training und melde sich beim Trainer nicht ab. Die Verstöße von Sven vor dem allen bewussten Hintergrund, wie sich ein Spieler normalerweise gegenüber den Mitspielern und dem Trainer zu verhalten hat, charakterisieren Sven als lustlosen Spieler ohne Ehrgeiz, der unzuverlässig ist. Diese Charakterisierung ist als Erklärung dafür zu verstehen, warum der Trainer den fußballerisch viel talentierteren Sven nicht als künftiges Kadermitglied ausgewählt hat. Gleichzeitig kontrastiert Matthias damit implizit Sven mit Bommi, der ausgewählt wurde. Bommi mag zwar weniger talentiert sein als Sven, dafür ist er aber zuverlässig und verfügt über den notwendigen Ehrgeiz, um den Sprung in die Oberliga zu schaffen. Stefans Äußerung (Z. 2046-2050) begründet seine zuvor vollzogene Charakterisierung Bommis als von der Konstitution her ungeeignet. Seine Beobachtung kumma der läuft ga nich wie^n fußballa ist vor dem Hintergrund zu ver- 212 Reden und Spielen stehen, dass das (fußballspezifische) Laufen, das aus vielen Richtungs- und Tempowechseln besteht und sich von der Fortbewegung in anderen Sportarten, z.B. in der Leichtathletik, unterscheidet, eine der notwendigen Voraussetzungen für einen Fußballer darstellt. Wenn Bommi selbst diese Voraussetzung nicht erfüllt, dann ist Bommi nicht nur kein potenzieller Oberligaspieler. In Stefans Augen ist Bommi dann eher ein Leichtathlet, aber eben kein richtiger Fußballer. Die Äußerungen von Lothar und Matthias betonen dagegen erneut explizit den Charakter Bommis als „Spieler, den man sich formen kann“. Stefan wiederum reagiert darauf skeptisch, womit er diese Charakterisierung nicht vollständig bestreitet, ihre Gültigkeit aber zumindest für sich einschränkt. Die Sequenz nach der Pause von vier Sekunden besteht aus den folgenden Zügen: 1) Stefan formuliert seine Einschätzung, dass es für Bommis weitere Entwicklung besser wäre, er würde zu einem Landesligaverein wechseln: Stefan nämlich ist davon überzeugt, dass Bommi im nächsten Jahr im Oberligakader nicht eingesetzt wird (Z. 2063-2069). Damit kategorisiert er Bommi durch eine Eigenschaftsbenennung als Spieler, der allerhöchstens Landesligaqualität besitzt. 2) Die Idee, dass Bommi zu einem unterklassigen Verein wechseln könnte, wird von Lothar unterstützt, in den Charakter des „Ausleihens“ umgedeutet (damit bleibt Bommi Fortuna verbunden, seine Rückkehr bleibt erwartbar) und durch das Nennen von Vereinsnamen aus der näheren Umgebung konkretisiert (Z. 2070-2071). 3) Matthias glaubt, dass Bommi im nächsten Jahr davon profitieren könnte, dass sein alter A-Jugendtrainer Manni die zweite Mannschaft übernehmen wird, und sich dies auf die Motiviertheit auswirken könnte (Z. 2072-2078). 4) Stefan wirft die Frage auf, ob der A-Jugendtrainer überhaupt die Qualifikation für das Traineramt in der zweiten Mannschaft besitzt, um junge Spieler an den Oberligakader heranzuführen (Z. 2077-2079). 5) Lothar und Matthias erweitern den Kreis der entwicklungsfähigen ehemaligen Jugendspieler um Ahmet, der ebenfalls früher unter Manni trainiert hat (Z. 2080-2088). 6) Stefan findet den Vergleich zwischen Bommi und Ahmet nicht zulässig (das=s was andres). Er erneuert seine aus der Beobachtung gewonnene Charakterisierung Bommis und generalisiert sie: Wenn Bommi laufe, sehe das komisch und unbeholfen aus und vom Bewegungsablauf werde sich das bei Bommi nicht ändern. Indem er eine Eigenschaft Bommis benennt, bestreitet er ihm die Zugehörigkeit zu der Kategorie „Fußballer“. Die Einstufungen der aktuellen jüngeren Mitspieler Kevin, Bommi, Mascha und Sven enden ohne Ergebnisfeststellung wenige Sekunden später. Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 213 5.4.4 Zusammenfassung Die Beispielanalyse hat gezeigt, dass das Kategorienschema den Beteiligten in ihren alltäglichen Interaktionssituationen auch tatsächlich als Folie dient, vor der sie Fremd- und Selbstdarstellung betreiben. Zugleich hat sie Einblick darüber gegeben, dass die Kategorisierung von der jeweiligen Relevanzsetzung abhängt, z.B. vom Relevanzbereich der fußballerischen Kompetenz oder dem Relevanzbereich der Motiviertheit oder der Alterität. Kategorisierung ist perspektivisch und aspektuell und kann funktional eingesetzt werden zur Abwicklung einer Interaktionssituation, die in den Augen der Spieler weit reichende Auswirkungen auf ihre Zukunft im Verein haben kann und daher sehr relevant ist. Bei der Abwicklung dieser heiklen Interaktionssituationen orientieren sie sich an spezifischem Handlungswissen, das analytisch als ein spezifisches Handlungsschema der sozialen Welt des gehobenen Amateurfußballs dargestellt werden kann. Die Spieler nehmen unterschiedliche Kategorisierungen ihrer Mitspieler oder potenziellen Mitspieler vor. Wenn sie die Mitspieler bzw. die Kandidaten unter einem anderen Charakterisierungsaspekt betrachten, können sie relativ umstandslos Kategorien aus unterschiedlichen Kategoriensystemen anwenden. Im Unterschied zur Fremddarstellung spielt die Selbstdarstellung eine untergeordnete Rolle in der Mannschaftsinteraktion. Auslösendes Moment für längere Kategorisierungen, Charakterisierungen und Typisierungen ist die unterstellte oder befürchtete Devianz des Mitspielers bzw. potenziellen Mitspielers. Dabei ist auffällig, dass die Spieler die taxonomischen Kategorienbezeichnungen, im Unterschied zu den ethnografischen Interviews, oft nicht durch die Kategorienbenennung aufrufen, sondern fast immer durch Eigenschaftenbenennungen darstellen (zum Teil mit formelhaften Wendungen wie z.B. der hat sie nicht alle bzw. das is keiner) oder indirekt auf sie verweisen und dass sie dies nicht vor Referenzprobleme stellt. Die Referenz auf relevante Kategorien durch Eigenschaftenbenennung funktioniert durch die Diagnose der Devianz, kategorielle oder typische Aktivitäten der Normalform nicht zu erfüllen, oder durch die Namensnennung derjenigen Kategorienträger, die der Gruppe einschlägig bekannt sind. Auffällig ist außerdem, dass die Spieler untereinander keine Einigung darüber erzielen, wie potenzielle Mitspieler einzustufen sind. Negativkategorisierungen oder -Charakterisierungen werden in ihrer Validität bestritten: Eine Verfestigung von Negativkategorisierungen wird durch den Hinweis verhindert, dass erst das Interaktionsverhalten des Neuzugangs mit seinen neuen Mitspielern erweisen wird, ob jener als deviant einzustufen ist oder nicht. Sie wird auch dadurch verhindert, dass die Mitspieler auf die Erfahrung ihrer Mannschaft im Umgang mit devianten Mitspielern bauen können. Einige Spieler wie Stefan scheinen eine klare Kategorien benennende Kategori- 214 Reden und Spielen sierung der Mitspieler bewusst zu vermeiden jedenfalls bei der Einstufung des potenziellen neuen Mitspielers Roch: Der Einstufungsdiskurs geht ohne explizite Ergebnisfeststellung zu Ende. Beides weist auf die Flexibilität des Ordnungsrahmens hin. Die Angemessenheit des flexiblen Ordnungsrahmens erklärt sich z.B. aus dem in der Zusammenfassung der Ethnografie (vgl. Kapitel 4) aufgestellten Modell der Differenzierung der sozialen Rollen und ihrer Handlungsanforderungen. Ein erfahrener und ballgewandter Stürmer, der die an ihn gestellten Anforderungen, Tore zu schießen, übererfüllt, kann für eine Mannschaft des gehobenen Amateurfußballs von so großer sportlicher Bedeutung sein, dass Mitspieler und Trainer über seine Defizite im sozialen Verhalten bis zu einem bestimmten Grade hinwegsehen. Zur Bewahrung eines gedeihlichen Interaktionsklimas im Mannschaftskader können sie sich auch verstärkt darum bemühen, die sozialen Defizite des Stürmers zu kompensieren. Dieses Hinwegsehen über und Tolerieren von Verhaltensweisen eines Mitspielers, welche die soziale Reziprozität einschränken, verdeutlicht folgender Ausschnitt aus einem ethnografischen Interview mit einem Fortuna-Spieler. Im Verlauf des Interviews bringt er das Gespräch auf den torgefährlichen, aber „verrückten“ Dennis: nützt nix in=na Oberliga muss ma dann au schon ma aufn erfolg kuckni ne\ weil sons * macht das auch kein spass also obaliga- * also muss ma=n paar gute hami * die vielleicht imma abhaun oda~ * und der dennis der hat au noch- * ganz gut mit uns- * also man konnte- * mit ihm feiernd * brauchten ja nich hab ich imma gesucht irgenwat zusammen untanehm ne'l * könn hinterher noch=n hierchen trinken dann- * is aba gut-l Zum anderen erklärt sich die Angemessenheit des flexiblen Ordnungsrahmens z.B. aus den besonderen sozialen Regeln der bedingten Zugehörigkeit in der Welt des gehobenen Amateurfußballs. Die Spieler wissen darum, dass die Zugehörigkeit zu ihrer Gruppe nicht garantiert, sondern zeitlich befristet ist: Der Trainer und der Vereinsvorstand können mehrere oder einzelne Mitspieler aus dem Kader verbannen und neue Spieler verpflichten und so die Zusammenstellung der Mannschaft jederzeit verändern - oder aber die Spieler suchen von sich aus einen neuen Verein, eine neue Mannschaft und neue Mitspieler. Die Verfestigung von Kategorisierungen besonders gegenüber potenziellen neuen Mitspielern wäre disfunktional und würde für eine Mannschaft des gehobenen Amateurfußballs eine gefährliche Quelle für die Verkümmerung ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit darstellen. Da jeder Spieler und damit jede Mannschaft sich in einem natürlichen Alterungsprozess befindet, der nicht nur positive, sondern auch negative Entwicklungen mit sich bringt und der mit der Beendigung der sportlichen Karriere oder dem Rückzug in untere Spielklassen endet, ist die Erweiterung des Kaders um neue Mitspieler zwingend notwendig. Jeder potenzielle Mitspieler kann zwar ein „Spinner“ sein Soziale Kategorisierung aus Trainer- und Spielerperspektive 215 wie Dennis, der das soziale Gefüge der Mannschaft bedroht, er kann sich aber auch als echte Verstärkung entpuppen, mit dem die gesamte Mannschaft ganz neue Erfolge erringen kann. Daher ist es logisch, dass die Mitspieler sich eine abschließende vorgreifende Kategorisierung versagen und dem potenziellen neuen Mitspieler erst eine Chance einräumen, seine fußballerischen Qualitäten für den neuen Verein unter Beweis zu stellen besonders dann, wenn er möglicherweise zu den fußballerisch „Guten“ gehört und sich zu einem Leistungsträger für die Mannschaft entwickeln könnte. 6. Die Rhetorik der Trainer Im Folgenden werden nach einer Darstellung der Theorie der Gesprächsrhetorik und einem Forschungsüberblick (Abschnitt 6.1) zunächst diejenigen typischen Handlungssituationen aufgezählt und unter interaktionstheoretischer Perspektive charakterisiert, in denen sich die verbale Interaktion der Fußballtrainer und -spieler vollzieht (Abschnitt 6.2). Die Interaktionssituationen waren in dem die Ergebnisse der Ethnografie zusammenfassenden Kapitel (vgl. Kapitel 4) bewusst nicht näher betrachtet worden. Anschließend nehme ich drei spezifische, wiederkehrende Handlungssituationen aus der sozialen Welt des gehobenen Amateursports genauer in den Blick - Mannschaftssitzung, Einzelbzw. Kleingruppengespräch und Halbzeitpause - und stelle die Handlungsschemata dieser Situationen mit ihren möglichen Teilkomponenten vor, die sich analytisch aufbereiten lassen (vgl. die Abschnitte 6.3 bis 6.5). Ausgehend von der Beobachtung, dass die Abwicklung der Handlungssituationen von den Beteiligten variabel gehandhabt wird, sollen dann einige der für die Variabilität verantwortlichen Phänomenklassen genannt werden (vgl. Abschnitt 6.6). Das Erscheinen der Phänomene veranlasst den Trainer, die sportliche Lage in einer spezifischen Weise zu definieren. Wie die Definition der sportlichen Lage die verbale Interaktion beeinflusst, soll an mehreren sich voneinander unterscheidenden rhetorischen Gestaltungsweisen, am „Dramatisieren der sportlichen Lage“, am „Instruieren“, dem „Anspornen“ u.a. anhand von Beispielen demonstriert werden (vgl. Abschnitt 6.7). 6.1 Gesprächsrhetorik Das hier zu Grunde liegende Verständnis von Gesprächsrhetorik ist geprägt durch das von Kallmeyer (1996b) eingeführte interaktionsbasierte Konzept. Unter Gesprächsrhetorik wird das sprachliche Verhalten in der Interaktion verstanden, mit dem der Sprecher versucht „sich durchzusetzen, sich in Auseindersetzungen zu behaupten, recht zu behalten und plausibel und suggestiv Sachverhalte darzustellen“ (a.a.O., S. 7). Die Bezeichnung „Gesprächsrhetorik“ verweist bereits auf eine thematische Nähe und eine konzeptionelle und methodische Ferne zu herkömmlichen Rhetorik-Konzepten. 133 Thematische Verwandtschaft besteht sowohl zur 133 Nach Kallmeyer (1996b), der sich auf Perelman (1980) stützt, lassen sich im Wesentlichen alte (Aristoteles), klassische (Quintilian, Ramus) und neue Rhetorik (Perelman und Olbrechts-Tyteca) unterscheiden. Funktionale Bestimmung im Sinne der alten Rhetorik war das „Überzeugen“ bzw. „Überreden“. Die Rhetorik befasste sich mit der monologischen Rede in bestimmten Situationen vor größerem Publikum. Die Dialektik befasste sich mit der dialogischen Rede. Während in der antiken Rhetorik alle Teilaufgaben der 218 Reden und Spielen Rhetorik als auch zur Dialektik in den Gegenständen, da auch diese sich mit den Formen der Beeinflussung der Zuhörer bzw. des Dialogpartners beschäftigen. Konzeptionelle Unterschiede bestehen darin, dass die Gesprächsrhetorik individuelles Handeln immer als den Interaktionsprozess herstellendes und veränderndes Handeln und als durch den Interaktionsprozess bedingtes Handeln versteht. Zentrale interaktionstheoretische Annahmen der Gesprächsrhetorik sind: Das individuelle Handeln ist prinzipiell abhängig von der Kooperation anderer. - Interaktion hat Prozeßcharakter und beinhaltet grundsätzlich die Möglichkeit zu ‘situationsemergenten’ Entwicklungen. - Die Beteiligten verstehen das laufende Geschehen im Prinzip nur partiell. - Ihre Möglichkeiten, das Geschehen zu kontrollieren, sind prinzipiell begrenzt (wegen der Beteiligung anderer und der Prozeßdynamik).“ (Kallmeyer 1996b, S. 9) Methodische Unterschiede bestehen darin, dass die Gesprächsrhetorik mit den empirischen Verfahren der Gesprächsanalyse operiert. Die Gesprächsrhetorik wendet sich jedoch einem bestimmten Untersuchungsfeld in der gesprächsanalytischen Forschung zu. Während bei der ethnomethodologischen conversation analysis vor allem die Leithypothese der Geordnetheit von Interaktion betont und daher ein Forschungsschwerpunkt auf interaktioneile Ordnungsstrukturen gelegt wird, fragt die Gesprächsrhetorik danach, wie die Gesprächsteilnehmer, die eigene praktische Handlungsinteressen verfolgen, mit den strukturellen Vorgaben umgehen. Für die Beteiligten „hat Ordnung instrumentellen Charakter, sie widmen ihr gerade soviel Aufmerksamkeit wie nötig und versuchen ansonsten, sie für ihre praktischen Zwecke zu instrumentalisieren“ (a.a.O., S. 10). Die Gesprächsrhetorik lässt sich von der Beobachtung leiten, dass die Gesprächsbeteiligten nicht nur in jenen Momenten, in denen sie ein Gesprächsmandat zu einer ausgebauten längeren Rede erhalten haben, sondern selbst in „Konkurrenz“-Situationen, in denen das Rederecht ein knappes Gut ist, ihre Beiträge rhetorisch gestalten. Rhetorische Verfahren werden verstanden als „strukturell definierte und systematisierbare Anstrengungen der Beteiligten, Produktion wirkungsvoller Reden gleichberechtigt waren, betonte die klassische Rhetorik den Ausdruck („elocutio“). In der neueren Rhetorik (vgl. Perelman/ Olbrechts-Tyteca 1958) wird Rhetorik wie in der alten Rhetorik als „zentrales Instrument der gesellschaftlichen Problem- und Konfliktbearbeitung gesehen“ (Kallmeyer 1996b, S. 8). Kritisch merkt Kallmeyer an, dass Perelman die kommunikationstypologische Orientierung der alten Rhetorik aufgebe, dass er alle monologischen und dialogischen Formen des Überzeugens und Überredens unabhängig vom Öffentlichkeitsgrad der Kommunikation als Gegenstand der Rhetorik ansehe und dass er die Argumentation zu Lasten der Dialektik ausweite (vgl. a.a.O., S. 8f). Die Rhetorik der Trainer 219 die unterschiedlichen (und für ihre momentanen Handlungsziele unterschiedlich relevanten) Konstitutionsanforderungen im Dienste ihrer eigenen handlungspraktischen Zielorientierung möglichst positiv zu nutzen“ (Schmitt 1997, S. 54). Relevante Konstitutionsanforderungen sind Kooperativität, Reziprozitätsgrundlage, Sachverhaltsdarstellung und soziale Identitäten und Beziehungen (vgl. die Abschnitte 2.3ff. dieser Arbeit). Die gesprächsrhetorischen Untersuchungen im Mannheimer Institut für Deutsche Sprache haben zu drei wesentlichen Konzepten geführt. Diese sind das „Forcieren“ (vgl. Kallmeyer/ Schmitt 1996), das „Unterstützen“ (vgl. Schmitt 1997) und die „Perspektivierung“ (vgl. Keim 1996). Keim analysiert, mit Hilfe von welchen rhetorischen Verfahren Gesprächsteilnehmer in Argumentationen ihre Perspektive gegen die des Kontrahenten abschotten können, wie das Abschotten der eigenen Perspektive Produkt des Interaktionsprozesses ist, aber auch, welche interaktive „Kosten“ für denjenigen damit verbunden sind, der seine Perspektive abschottet. Die Perspektivierung spielt allerdings in der vorliegenden Arbeit eine unwesentliche Rolle, im Gegensatz zum Forcieren und zum Unterstützen. Forcieren wird von Kallmeyer/ Schmitt (1996) unter mehreren Gegenstandsaspekten beschrieben: unter dem Aspekt der Interaktionsmodalität, unter dem Aspekt der Interaktionskonstitution, unter dem Aspekt des Bezuges zu kontextuell etablierten Normalformerwartungen, unter dem Aspekt der rhetorischen Bewertung in der Interaktion, unter dem Aspekt der sozialen Norm- und Stilbildung, unter dem Aspekt seines strukturellen Charakters und unter dem Aspekt seines Auftretens in komplexen Äußerungen (a.a.O., S. 27-35): 1) Forcieren sei eine spezifische Interaktionsmodalität, wobei ein Beteiligter oder mehrere Beteiligte gegen bestimmte Gemeinsamkeiten der Ziele verstießen. Die Grundstruktur der Interaktion sehe eine kooperative Balance von Selbst- und Fremdbestimmung vor. Beim Forcieren trachte der Forcierende danach, die Balance von Rechten und Pflichten egozentrisch zu seinen Gunsten und zu Ungunsten des Adressaten zu verschieben. 2) Forcierende Äußerungen berührten vor allem die konstitutionellen Interaktionsaspekte der Gesprächsorganisation, der Sachverhaltsdarstellung, des sozialen Handelns und soziale Identitäten und Beziehungen. Hinzu komme die Konstitution von Äußerungsbedeutungen, die bei allen genannten Aspekten der Interaktionskonstitution mitverhandelt werde. Im Hinblick auf den Aspekt der sozialen Identitäten und Beziehungen erläutern die Autoren, dass Forcieren z.B. Höflichkeitsmaximen verletze, dass der Forcierende dem Adressaten die Verletzung von Höflichkeitsregeln anzeige und dieser sie als solche verstehe. Forcieren könne als gezieltes „Druck machen“, aber auch unwillkürlich in der Interaktion etabliert werden. 220 Reden und Spielen 3) Forcieren sei ein interaktionstheoretisches Konstrukt, das auf den Interaktionskonzepten der Beteiligten aufsetze. Diese Beteiligtenkonzepte gäben Auskunft über die Leitvorstellungen der Interagierenden für bestimmte Gelegenheiten. Sie würden von den Beteiligten in der Interaktion an exponierten Stellen dargelegt, um ihr Forcieren gesellschaftlich zu legitimieren. Dabei orientierten sich die Beteiligten an Normalformerwartungen der Interaktion, für die sich soziokulturell und historisch geprägte Kooperationsweisen etabliert haben. Mit ihren forcierenden Aktivitäten verstießen die Beteiligten gegen die Kooperationsweise der spezifischen Interaktionsform. Das heißt, dass es Interaktionsformen gibt, in denen forcierende Äußerungen nicht als Verstoß, sondern als regelkonform innerhalb spezifischer situativer Rahmen angesehen werden. 4) Wie die Interaktionsbeteiligung rhetorisch bewertet wird, handeln die Beteiligten in der Interaktion selbst aus. Das heißt, dass formale Eigenschaften des Forcierens wie z.B. Überlappungen oder Einwürfe als Beweis für einen Eingriff in die Kooperationsbalance wahrgenommen oder aber als vernachlässigenswert betrachtet werden können. 5) Strukturell betrachtet, wähle der Sprecher für die Durchführung eines rhetorischen Verfahrens wie das des Forcierens spezifische Ausdrucks- und Aktivitätsformen aus, um die egozentrische Verschiebung der Rechte und Pflichten zu erreichen. 6) In komplexen Äußerungen und auch in einzelnen Aktivitäten könnten die Forcierenden verschiedene rhetorische Verfahren miteinander kombinieren, bestimmte Verfahren mehrfach anwenden oder an ähnliche andere Verfahren anknüpfen. Diese Kombination der lokalen, kleinräumigen Verfahren zu großräumigen, übergeordneten Verfahrensweisen führe für jeden Interaktanten zu einer spezifischen Beteiligungsweise, die die gesamte Interaktionssituation umfasse. Am Beispiel einer kontroversen Fernseh-Talkrunde analysieren die Autoren dann, wie die Kontrahenten die Mittel des Forcierens zur Problem- und Konfliktbearbeitung einsetzen und welche Chancen und Risiken in der Verwendung der Verfahren liegen. Konstitutives Merkmal von forcierenden Zügen sei, dass sie legitimiert würden und die Interaktionsdynamik prägten (a.a.O, S. 102f). In öffentlichen Situationen sei zu beobachten, dass die Interagierenden ihr Forcieren als reaktives Verhalten auf das Verhalten des Kontrahenten darstellten oder aber sich auf ihre übergreifende soziale Rolle und ihre Handlungsmaximen beriefen, um sich gegen die forcierenden Aktivitäten des Kontrahenten zu immunisieren. Schmitt (1997) arbeitet den ambivalenten Charakter rhetorischer Verfahren heraus, die einen Gesprächsbeteiligten unterstützen sollen. Dabei versteht er Unterstützen als „manifeste Form von Kooperation mit eigenständigem Die Rhetorik der Trainer 221 Handlungscharakter[...]. Mit Unterstützungen bieten Sprecher für andere Beteiligte Darstellungsgelegenheiten und versuchen, Wirkungsmöglichkeiten für fremde Aussagen, Inhalte und Positionen zu schaffen“ (a.a.O., S. 54). Dabei gehe es beim Unterstützen nicht, wie bei der konversationsanalytischen Vorstellung der ,joint production“, um die Herstellung allgemeiner, grundlegender kooperativer Voraussetzungen, die für die Interaktion generell notwendig seien. Für das Unterstützen sei konstitutiv, dass sich ein Beteiligter in einer interaktiv problematischen Situation befinde, die für einen oder mehrere Beteiligte negative Konsequenzen habe. Nachdem der Betroffene seine Unterstützungsbedürftigkeit angezeigt habe, reagiere einer der Beteiligten mit unterstützenden Aktivitäten, indem er „ganze Äußerungen für den anderen formuliert oder dessen Position für ihn und in seinem Sinne“ (a.a.O, S. 56) vertritt. Nach der Ratifizierung der Unterstützungsaktivität durch den Betroffenen trete man anschließend wieder in die unproblematische Interaktion ein. Für die Untersuchung der rhetorischen Leistungen der Trainer in denjenigen Arbeitskontexten, in denen sie die Spieler auf die nächste Aufgabe einstellen, sind diese beiden Konzepte zentraler Ansatzpunkt. Dabei ist für mich die Fragestellung relevant, wie die Trainer zwischen Formen der Kooperation und des Forcierens auswählen. Das Auswählen der Trainer lässt sich vielleicht als Navigieren zwischen den Polen des „Druck machens“ und des „Unterstützens“ beschreiben. Es ist zu erwarten, dass nicht alle Verfahren gleich legitim sind. Auf Grund der Besonderheiten der sozialen Welt wie z.B. der spezifischen Sozialbeziehung zwischen Trainer und Spieler ist auch zu erwarten, dass Trainer eher zu forcierenden Aktivitäten greifen werden. Die Analyse der rhetorischen Verfahren hat daher die Verfahren an das Kommunikationssystem rückzubinden und ihre Verteilung auf konkrete interaktive Anlässe darzustellen. Daran lassen sich dann die Funktionalität der Verfahren und ihr strategischer Charakter erkennen. Wesentliches Darstellungsmittel der Gesprächsrhetorik ist folglich das Herausarbeiten von rhetorischen Potenzialen, welche die Chancen und Risiken einer gewählten Strategie im Kontrast zu alternativen Strategien verdeutlichen. Trotz der Kontrastierung mit alternativen Strategien erhebt die Gesprächsrhetorik keinen normativen Anspruch zu bestimmen, welches „gute“ und „schlechte“ rhetorische Verfahren der Argumentation sind. 134 Die Gesprächsrhetorik versteht sich als deskriptive methodische Unternehmung, da sie die im Gespräch von den Beteiligten tatsächlich verwendeten und manifestierten Verfahren zur Beeinflussung der Interaktion untersucht sowie die Auswirkungen dieser Verfahren auf den Interaktionsprozess. 134 Normative Positionen zum Verwenden bestimmter rhetorischer Verfahren beziehen u.a. Hartig (1988), der von „schmutzigen Tricks“ und „manipulativen Techniken“ spricht, Alexy (1978), Groeben/ Schreier/ Christmann (1990), Blickle/ Groeben (1990) sowie Schreier/ Groeben (1990). 222 Reden und Spielen In der vorliegenden Untersuchung spielt vor allem folgende Frage eine Rolle: Welche rhetorischen Verfahren verwendet der Trainer in spezifischen Arbeitssituationen mit seinen Spielern, um sie auf eine bestimmte taktische Spielstrategie und/ oder moralisch-kämpferische Haltung für die anstehende Aufgabe im Meisterschaftsspiel einzustellen und sie von der Notwendigkeit bzw. Verpflichtung dieser Spielstrategie bzw. Haltung zu überzeugen? 6.2 Die Interaktionssituationen Das sprachliche Handeln der Spieler und Trainer im gehobenen Amateurfußball bzw. -handball vollzieht sich wie bereits dargestellt wurde innerhalb eines Gesamtarbeitsbogens, der sich als ein Resultat der ethnografischen Beobachtung idealtypologisch in einen Handlungsablauf des Trainings und einen des Wettkampfs gliedern lässt (vgl. Abschnitt 4.3.1 dieser Arbeit). Jeder der beiden Handlungsabläufe besteht aus spezifischen Handlungskomplexen, die wiederkehrend sind und den Status vorgesehener Interaktionssituationen erhalten. Diese Interaktionen werden von den Trainern und den Spielern jeweils durch ihre Aktivitäten neu konstituiert und ausgehandelt, sie werden durchgeführt und gegenüber den folgenden Handlungskomplexen abgeschlossen. Bei der routinisierten Durchführung orientieren sich die Beteiligten an ihrem spezifischen, durch Sozialisation erworbenen Handlungswissen, das Aspekte der Gesprächsorganisation, der Handlungskoordination (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976), der Sachverhaltsdarstellung (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1977), der Interaktionsmodalität (vgl. Kallmeyer 1979a und Schütze 1978) vereint, aber auch Aspekte der Herstellung und Sicherung sozialer Identitäten und Beziehungen und der Reziprozitätsgrundlage (vgl. Kallmeyer/ Keim 1994b) miteinschließt. Das Handlungswissen stellt einen wichtigen Bestandteil des „kommunikativen Haushalts“ (Luckmann 1985) der Beteiligten dar. Einerseits hegen die Beteiligten bestimmte Erwartungen an die vorgesehenen Situationen und die zu erwartenden Aktivitäten der Beteiligten, andererseits bringen die sozialen Ereignisse aber immer wieder auch Neues und Unplanbares hervor. Die Interaktionssituationen lassen sich m.E. typologisch in der Form ihrer oft realisierten, für die Beteiligten „normalen“ Gestalt und der an sie gestellten interaktioneilen Erwartungen im Hinblick auf die verschiedenen Aspekte der Interaktionskonstitution beschreiben. Die folgende Interaktionstypologie 135 resultiert aus der ethnografischen Beobachtung; sie basiert einerseits auf der beobachteten Strukturierung des Arbeitsprozesses in 135 Zur Kommunikationstypologie und den damit verbundenen, unterschiedlichen Typologisierens-Konzepten in der Linguistik vgl. die Beiträge in Kallmeyer (1986a). Zum wissenssoziologischen Konzept der „kommunikativen Gattung“ im Sinne Luckmanns und zum kultursemiotischen Konzept des „Genre“ im Sinne Bachtins und Volosinovs vgl. Günthner (1995). Die Rhetorik der Trainer 223 den drei Vereinen, 136 andererseits auf den Alltagskonzepten der Beteiligten in den Vereinen wie auch zum kritischen Vergleich auf der eigenen Erfahrung als Mannschaftsspieler im organisierten Freizeitfußball. Die kriterialen Merkmale sind keine Ausschlussmerkmale, sondern stellen ein Bündel von bestimmenden hinreichenden Merkmalen dar und tragen in ihrer jeweiligen Konstellation zu einer Typologisierung bei. Sie beziehen sich sowohl auf die von den Beteiligten in der Interaktion ausgehandelte interaktive Funktion des Ereignisses, auf die Schauplätze, auf die sich auf dem Schauplatz aufhaltenden Interaktanten und ihre soziale Beziehung, auf das mehr oder weniger initiative bzw. reaktive Interaktionsverhalten, auf die Interaktionsmodalität und auf die Äußerungsformate; 137 die Interaktionstypen tragen Bezeichnungen zweiter Ordnung, die zum Teil den Bezeichnungen der Fußballer bzw. Flandballer, also den ethnospezifischen Bezeichnungen der ersten Ordnung, äh- 1 TO nein. Die von mir vorgenommene Typologisierung ist mit dem Anspruch verbunden, dass die Fußballer und Handballer mehr oder minder so ihren Interaktionsprozess mit den verschiedenen Interaktionssituationen darstellen würden auch wenn sie dies mit ähnlichen Bezeichnungen bzw. mit kondensierten Bezeichnungen tun: Bspw. sprechen sie von Besprechung oder Sitzung während ich den Terminus Mannnschaftssitzung präferiere. Allerdings darf die Typologie und die Charakterisierung der Interaktionssituationen nicht zu der Annahme verleiten, dass die Interaktionssituationen stets genau so abgewickelt würden, wie sie im Folgenden beschrieben werden. Vielmehr sind die Herstellung und Durchführung dieser Handlungskomplexe immer von der Konstellation verschiedener Faktoren geprägt, die sich auf das sprachliche 136 Hiermit werden quasi zwei der Anforderungen, die Ehlich (1986) an die Entwicklung phänomenbezogener Typologien sprachlichen (und ich erweitere: ‘interaktionellen’) Handelns stellt, erfüllt: Nämlich, erstens, die Kategorien für die Typologien nicht „vorzukonstruieren“ und, zweitens, zu berücksichtigen, dass das sprachliche Handeln aus einem gesellschaftlichen Zweck (in unserem Sinne: aus spezifischen Funktionen für die Beteiligten in ihrer sozialen Welt) erwächst. Zur Bedeutung des Typisierens und Typologisierens für unsere Kommunikationspraxis und die Strukturierung des sozialen Lebens siehe auch Kallmeyer (1986b), S. 7f. 137 Vgl. auch die ähnliche Verknüpfung „grammatischer, textueller und situativer Phänomene“ zur Typologisierung von Gattungen im Konzept der kommunikativen Gattungen bei Günthner (1995), S. 210. 138 Ich gehe mit den genannten Kriterien über das von Gülich (1986) angewandte Merkmal der expliziten Typisierung durch die Kommunikationsbeteiligten bzw. der expliziten Bewertung bzw. Kommentierung im Hinblick auf Typisierungen, das auf einem ethnomethodologischen textlinguistischen Verständnis basiert, hinaus. Ich versuche auch nicht verbale bzw. nicht primär verbale Interaktionen zu erfassen. Gülich selbst (S. 33-37) deutet daraufhin, dass explizite Typisierung immer nur dort erfolgt, wo die „normale“ Typisierung für die Interaktionsbeteiligten zum Problem wird bzw. wo ein Interaktionsbeteiligter sozialen Gewinn aus der bewussten Devianz von der Normalform zieht. Die relative Geschlossenheit der sozialen Welt des Fußballs und die routinisierte Abwicklung der Interaktionssituationen des Trainings- und Wettkampfs sind zwei Gründe, warum mir ein alleiniger Rückgriff auf explizite Typologisierungen der Beteiligten nicht möglich erscheint. Vgl. auch Günthner (1995), Fußnote 17. 224 Reden und Spielen Handeln auswirken: Bspw. von dem in einer wie auch immer definierten sportlichen Lage wurzelnden funktionalen Wunsch der Interaktanten, diesmal eben keine „normale“ Halbzeitpause abzuwickeln. Die typischen, wiederkehrenden Interaktionssituationen an Trainingstagen (von denen einige auch an Wettkampftagen erscheinen 139 ) und ihre „normale“ Gestalt in ihrer „normalen“ sequenziellen Abfolge in Vorlaufphase, Kernphase und Auslaufphase (vgl. Abschnitt 4.3.1) sind: 1) Die individuelle Begrüßung des Trainers und der Mitspieler durch den Spieler bzw. die individuelle Begrüßung durch den Trainer nach der Ankunft am Schauplatz des Umziehens bzw. des Trainings. Es setzt gesprächsorganisatorisch das Zusammentreffen mindestens zweier zur Mannschaft gehörender Beteiligter zum selben Zeitpunkt am selben Ort voraus, wobei normalerweise erwartet wir, dass der Trainer sich bereits am Ort des Trainings bzw. Umziehens befindet, wenn der Spieler eintrifft. Diese Situation ist nicht unbedingt schauplatzgebunden und kann sich auf dem Parkplatz vollziehen, in der Umkleide oder aber erst auf dem Sportplatz bzw. in der Sporthalle selbst. Es wird erwartet, dass die Begrüßung reziprok vor allem nonverbal per Handschlag, aber auch verbal symbolisiert wird, wobei der Neuankömmling gegenüber allen Anwesenden generell in einer Begrüßungs„schuld“ steht. Stößt der Spieler erst auf dem Sportplatz bzw. in der Sporthalle zum Training, so begrüßt er meist als Erstes den Trainer, bevor er dann die Mitspieler in seiner näheren Umgebung begrüßt. Im Anschluss an die eigentliche Begrüßung können weitere nahe liegende Sachverhalte thematisiert werden: z.B. die Art des Auftrittes des Neuankömmlings am Schauplatz, 140 materielle oder physiologische Auffälligkeiten an den Beteiligten, das Wohlergehen der Anwesenden etc. 141 Die individuelle Begrüßung dient der Kontaktherstellung, der Demonstration, für die Herausbildung und Wahrung der gemeinsamen sozialen Identität bereit zu stehen, der ersten Demonstration, in welcher Mob9 Digel (1976) präsentiert für Handballmannschaften eine Übersicht von sprachlichen „Handlungen innerhalb der beobachteten Kommunikationsereignisse in ihrem zeitlichen Ablauf 1 (a.a.O., S. 64) an einem Wettkampftag und schickt daher der Präsentation einen groben Abriss motorischer Aktivitäten voraus (vgl. a.a.O., S. 62-80). Es lassen sich viele Übereinstimmungen zu meinen Beobachtungen feststellen. Der Unterschied zwischen Digels und meiner Darstellung (vgl. auch Kapitel 1 der Arbeit) besteht darin, dass ich nicht sprechakttheoretisch argumentiere, sondern Strauss' Konzept des Arbeitsbogens und Kallmeyer/ Schützes Konzept des Handlungschemas verwende, um so Aktivitätskomplexe in den Blick zu nehmen, die über einen einzelnen turn oder eine Abfolge von zwei, drei turns hinausgehen. 140 Das Phänomen des Sich-Präsentierens am Schauplatz untersucht Schmitt anhand von Situationseröffhungen zu Gesprächen zwischen Kunden und Betreibern in einem Kiosk (vgl. Schmitt 1992). Schmitt hat dafür das Konzept der „Präsenzform“ entwickelt. 141 Vgl. auch die Grußsequenzen in Digel (1976, S. 73), in denen die Spieler bspw. äußere klimatische Faktoren und deren Auswirkungen auf ihre Anreise thematisieren. Die Rhetorik der Trainer 225 dalität dies angegangen werden soll, sowie der Darstellung der individuellen sozialen Identität auf der Interaktionsbühne. 2) Das gemeinsame Umziehen in der Umkleide. Gesprächsgegenstände sind oft kollektive Erfahrungen und Ereignisse, die mit vergangenen oder bevorstehenden Aktivitäten der Gruppe verbunden sind (z.B. das letzte Spiel sowie die Rezeption in den Medien und durch Verwandte und Bekannte), Ereignisse des allgemeinen öffentlichen Interesses in der Region, im Land bzw. in der Welt, Erfahrungen und Ereignisse der Spieler aus ihrem individuellen Alltag (Beruf und Freizeit), sowie mit dem Vollzug des Umziehens zusammenhängende äußere Anlässe (z.B. die Aushandlung der Reichweite des Sitzplatzes oder aber die angebliche Belästigung durch den Schweißgeruch der Füße eines Mitspielers etc.). 142 Die Beteiligungskonstellation ist generell abhängig vom Zeitpunkt des Eintreffens der Spieler in der Kabine und von der Dauer ihres Umziehens, aber auch von gesprächsorganisatorischen Aspekten wie der Konstitution des Gesprächs als Gespräch der ganzen Gruppe oder als weniger öffentliches Gespräch zwischen zwei, drei Anwesenden etc. Der Trainer kann, muss jedoch nicht mit anwesend sein. Die Interaktionsmodalität dieses Handlungskomplexes, der zwischen zehn und maximal 20 Minuten währt, ist sowohl ernsthaft als auch scherzhaft, die Beteiligungsweise hängt nachvollziehbarerweise von individuellen und von soziostrukturellen Faktoren ab wie z.B. von der Qualität der Beziehungen zwischen den Mitspielern bzw. von ihren sozialen Rollen innerhalb der Gruppengemeinschaft. 3) Das Außvärmspiel. Nach der Ankunft auf der Sportfläche bzw. in der Sporthalle und noch vor der eigentlichen Begrüßung steht eine Trainingsvorbereitungsphase an: Die Handballer werfen sich ein, die Fußballer beginnen mit dem Aufwärmspiel dem so genannten „Schweinchen“ bzw. „Fünf gegen Zwei“. Dieses Aufwärmspiel wird je nach der Anzahl der Anwesenden auch von sechs, acht, neun oder mehr Spielern bestritten und sieht vor, dass eine größere Gruppe (z.B. fünf Spieler) einen Kreis bildet und sich den Ball zuspielt, wobei der Ball von jedem Spieler immer nur einmal berührt werden darf. Innerhalb des Kreises befinden sich zwei bzw. bei einer größeren äußeren Gruppe drei - Spieler, die ihrerseits versuchen den Spielfluss der äußeren Gruppe zu unterbrechen und den Ball zu berühren. Gelingt ihnen dies, wechselt der am längsten im Kreis befindliche Spieler in den äußeren Kreis, während derjenige Spieler des äußeren Kreises, der den Ball zuletzt gespielt hatte, seinen Platz in der Mitte einnimmt. Die Themen, die Beteiligungskonstellation und die Beteiligungsweise werden bestimmt durch das Spiel, die Gruppe der Spielenden und die Spielaktivitäten der Beteiligten. Der Trainer kann an dem Spiel 142 Zur Thematisierung regionaler (Sport-)Ereignisse, der Rezeption in den Medien und individueller Anliegen durch die Handballspieler in Digels Untersuchung vgl. ebd. (1976), S. 66f. 226 Reden und Spielen teilnehmen oder aber die Gruppe bei ihren Spielaktivitäten als Außenstehender explizit beobachten. Das Äußerungsformat besteht meist aus kurzen Kommentaren, Adressierungen, Interjektionen. Den Beginn des Spiels organisieren die Spieler fast immer selbst, die Beendigung legt dagegen der Trainer fest, der den nächsten Handlungskomplex ankündigt, 4) Der eigentliche Kern des Handlungskomplexes Training. Er besteht aus fünf untergeordneten Handlungskomplexen. Das Erste ist (4.1) die den Ereigniskem rahmende kollektive Begrüßung und Darstellung des Trainingsablaufes. Für Begrüßung und Entlassung aus dem Training (s. Punkt 4.5) gilt insbesondere, dass die interaktionskonstitutiven Aufgaben wie Herauslösung, Durchführung und Beendigung des Gesprächs-, Handlungs- und Sachverhaltsschemas aus dem Aktivitätsstrom, Bearbeitung der sozialen Identitäten und Beziehungen sowie Festlegung der Interaktionsmodalität etc. eigentlich nur vom handlungsmächtigeren Trainer aktiv initiiert und kontrolliert werden. Den Spielern kommen die passiven, reaktiven Rollen zu, wobei sie mit ihren Aktivitäten selbstverständlich ebenfalls die Herstellung, Aufrechterhaltung und Fortsetzung des sozialen Ereignisses mit seinen verschiedenen interaktioneilen Aspekten ratifizieren und steuern. Die Dauer der kollektiven Begrüßung und Darstellung des Trainingsablaufes beträgt in der Regel zwischen drei und 15 Minuten. Am ersten Trainingstag nach einem Meisterschaftsspiel kann die Begrüßung und Darstellung des Trainingsablaufs um die Kritik zum letzten Meisterschaftsspiel und die Projektierung der nächsten Aufgabe erweitert sein. Darüber hinaus können Vereinsverantwortliche das Wort ergreifen, auf das Spiel Bezug nehmen und die Spieler loben oder kritisieren. Die Darstellung des Trainingsablaufs beendet der Trainer mit der impliziten bzw. expliziten Aufforderung, mit dem praktischen Trainingsteil zu beginnen, und zwar zunächst mit dem (4.2) kollektiven (bzw. mit dem eher seltenen individuellen) Aufwärmprogramm. Dieser Komplex währt in der Regel zwischen zehn bis 20 Minuten. Er besteht aus einem aktiveren Teil, bei dem die Spieler sich als Gesamtgruppe, in kleineren Gruppen (zu zweit, zu dritt oder allein) über die Trainingsfläche bewegen, und einem statischeren Teil, bei dem die Beteiligten sich an einem gemeinsamen Schauplatz oder aber an verschiedenen Schauplätzen einfmden und diverse Muskelgruppen und Sehnen dehnen (bei vielen Handballvereinen selbst in der Bundesliga ist es Usus, zunächst 15-20 Minuten Fußball zu spielen, bevor man mit dem handballspezifischen Aufwärmen und Dehnen fortfährt). Der Trainer muss den aktiven Teil des Aufwärmens nicht mitbestreiten, tut dies aber gelegentlich. Beim Dehnen ist er jedoch öfter bei der Gruppe der Spieler dabei und kann die einzelnen Dehnübungen angeben, sie demonstrieren oder erklären und ihre Dauer festlegen oder aber die Spieler bei der Abwicklung dieses Programmteils beobachten. Für die Spieler ist der aktive Teil des Situationstyps (4.2) meist eine der wenigen Gelegenheiten, sich während des Trainings von Teilen der Gruppe und dem Trainer bzw. Die Rhetorik der Trainer 227 sich als Gesamtgruppe vom Trainer räumlich zu entfernen, Gesprächsthemen aktiv zu initiieren und zu behandeln und einige interaktionskonstitutionelle Aspekte wie etwa jenen der sozialen Identitäten und Beziehungen bzw. den der Reziprozitätsherstellung explizit und ohne unmittelbare Einflussmöglichkeit des Trainers zu fokussieren. Die Beteiligungsweise ist abhängig von der Intensität des Aufwärm- und Dehnprogramms, die Modalität unter den Spielern sowohl scherzhaft als auch ernsthaft, die des Trainers ist eher ernsthaft als scherzhaft. Die Trainingsübungen (4.3) werden vom Trainer eingeleitet, beschrieben und demonstriert (wobei er sich zur Demonstration meist einen Spieler auswählt) und auch von ihm beendet. Die praktische Durchführung der Übungen durch die Spieler wird einerseits vom Trainer mit kurzen evaluativen Kommentaren begleitet und gesteuert; andererseits konditioniert die praktische Durchführung der Übungen durch die Spieler das sprachliche Handeln des Trainers. Den Spielern fällt wie bei der kollektiven Begrüßung die passivere Rolle zu: Stillschweigend ratifizieren sie die Konstitution des Handlungsereignisses und sichern es durch die korrekte Ausführung der Übungen. Auf die ernsthaft vorzubringenden Aktivitäten der Ausführenden reagieren sie mit evaluativen Kommentaren oft in scherzhafter Modalität (im Unterschied zum Trainer, der fast ausschließlich in ernsthafter Modalität agiert), gelegentlich aber auch in ernsthafter Weise. Gerade die scherzhafte Kommentierung der praktischen Partneraktivitäten durch die beobachtenden Mitspieler stellt die manifeste Herstellung und Sicherung des interaktionskonstitutionellen Aspektes der sozialen Identitäten und Beziehungen dar. Das 20bis 30-minütige Trainingsspiel (4.4) schließt dann den praktischen Teil des Trainings ab. Für das Spiel gelten im Hinblick auf Gesprächsorganisation, Handlungs- und Sachverhaltskonstitution sowie Interaktionsmodalität ähnliche Beobachtungen wie für die Trainingsübungen. Die Spieler interagieren jetzt wie der Trainer jedoch fast ausschließlich in ernsthafter Art und Weise. Die Äußerungsformate des Trainers sind wie bei einem Meisterschaftsspiel kurze evaluative Kommentare und Anweisungen. Die der Spieler sind auf Grund der kontinuierlichen hohen körperlichen Belastung ebenso kurze oder noch kürzere Adressierungen, Aufforderungen und Hinweise. Die Entlassung aus dem Training (4.5) bildet den Abschluss für den sozialen Handlungskomplex und das Gesamtereignis des Trainings. Der Trainer bewertet das Training, begründet abschließend die spezifische Trainingsgestaltung des Tages, kündigt weitere Aktivitäten bzw. Ereignisse an, organisiert die Einsammlung der Trainingsmaterialien durch die Spieler und verabschiedet sich von ihnen (zur Bewältigung der Interaktionsaufgaben s.o. bei Punkt 4.1). 5) Die Situation des anschließenden Buschens und Umziehens (gelegentlich mit vorausgehender Massage). Sie dauert verständlicherweise länger als das Umziehen zum Training, zeichnet sich aber durch ähnliche interaktionskonstitutionelle Phänomene aus. Ein Teil der Gesprächsthemen wird 228 Reden und Spielen durch das voraufgegangene Training bestimmt. Der Trainer ist zwar oft anwesend, wobei er aber seltener aktiv in das Interaktionsgeschehen eingreift. Die Beteiligungskonstellationen hängen von funktionalen Faktoren ab, zum Teil jedoch auch von individuellen Faktoren. Einige Spieler duschen und ziehen sich sehr schnell um, andere sind dafür bekannt, mehr Zeit zu benötigen. Die Dauer des Handlungskomplexes variiert und ist zum Teil nicht genau zu bestimmen, da er durch die Aktivitäten der Beteiligten zu einem weiteren Situationstyp der Mannschaft und ihres Trainers transformiert werden kann, und zwar zum 6) geselligen Beisammensein nach dem Training. Es ist nicht unbedingt an einen bestimmten Schauplatz gebunden auch wenn der Schauplatz meist das Vereinsheim oder eine Stammkneipe ist, so kann es genauso gut auch innerhalb der Kabine stattfmden. Die Häufigkeit, mit der das gesellige Beisammensein nach dem Training von den Beteiligten hergestellt wird, erklärt sich zum einen daraus, dass sie währenddessen ihren Hunger und Durst stillen. Andererseits hilft es aber auch auf einfache Weise und im besonderen Maße, die soziale Reziprozität außerhalb des engeren Trainingsrahmens, in dem die Spieler sich ja immer auch als Konkurrenten erleben, explizit herzustellen und zu sichern etwa indem man sich gemeinsam Europapokalspiele im Fernsehen anschaut. Die Gesprächsthemen beziehen sich meist auf Sport. Die Dauer des geselligen Beisammenseins ist variabel, dauert aber normalerweise während der Woche nicht länger als eine Stunde, da die Beteiligten ja noch im Erwerbsleben stehen und anderntags arbeiten müssen. Die Interaktionsmodalität ist vorherrschend scherzhaft. Die Beteiligungskonstellation ist sehr verschieden, eine Teilnahme wird nicht explizit gefordert. Ein permanentes Nicht-Teilnehmen an solchen geselligen Ereignissen wird jedoch von den Gruppenmitgliedern registriert und führt zur Negativ-Charakterisierung als „ungesellig“ bzw. als „arrogant“. 143 Ob der Trainer solche geselligen Anlässe der Mannschaft wahmimmt, hängt u.a. von organisatorischen Belangen ab: Etwa davon, ob er die Umkleiden abzuschließen hat und daher wartet, bis die Spieler mit dem Duschen und Umziehen fertig sind, oder von seiner Beziehung zur Mannschaft und von seinen individuellen Präferenzen. Die Anwesenheit beim geselligen Beisammensein im Vereinsheim können sowohl der Trainer als auch der einzelne Spieler auf legitime Weise dazu nutzen, einen weiteren Handlungskomplex zu konstituieren, nämlich: 7) Das ausführliche Einzelbzw. Kleingruppengespräch über fußballbzw. handballspezifische oder private Belange. Dieses ausführliche Einzelbzw. Kleingruppengespräch weist eine etwas andere Gestalt auf als das kurze, die Einstellung der Spieler bearbeitende Einzelbzw. Kleingruppengespräch, das vor allem eine Stunde vor dem Spiel, aber auch 143 Vgl. auch Dittmar/ Hädrich (1988), S. 122f. und die gleiche Passage in Dittmar (1989), S. 432f. Die Rhetorik der Trainer 229 schon nach dem letzten Training durchgeführt wird (ausführlichere Bemerkungen zum Einzel, bzw. Kleingruppengespräch s. Abschnitt 6.4). 8) Die Mannschaftssitzung. Sie wird einmal die Woche nach dem Abschlusstraining durchgeführt. Dies kann in der Kabine oder aber im Vereinsheim geschehen. Professionellere, städtische Vereine wickeln sie unter Ausschluss der großen Vereinsöffentlichkeit an Schauplätzen ab, zu denen dann nur Mitglieder des Spielerkaders und die Vereinsführung Zugang haben. Bei weniger professionellen Vereinen, die in starke dörfliche Strukturen eingebunden sind, wird die Mannschaftssitzung dagegen im Vereinsheim vor den interessierten Vereinsmitgliedern durchgeführt. Hier hat die quasi öffentliche Mannschaftssitzung auch die Bedeutung, die gemeinsame soziale Identität und Beziehung zwischen Dorfgesellschaft und Mannschaft zu markieren (ausführlichere Bemerkungen zur Mannschaftssitzung s. Abschnitt 6.3). 9) Die Telefongespräche. Trainer und Spieler bzw. die Spieler untereinander führen des Weiteren Telefongespräche (da solche Ereignisse während der Feldforschung nicht aufgenommen werden konnten, muss auf ethnografische Interviews und auf die eigene Erfahrung im Feld zurückgegriffen werden). In der Regel ruft der Spieler den Trainer dann an, wenn er auf Grund von Krankheiten oder kurzfristiger beruflicher Schwierigkeiten nicht am Training oder am Wettkampf teilnehmen kann. Einer der Trainer erklärte mir, dass er einzelne Spieler telefonisch bereits ein bis zwei Tage vor dem Spiel informiere, wenn er ihnen eine besondere taktische Aufgabe auftrage, um ihnen genügend Zeit zu geben, sich auf die Aufgabe gedanklich vorzubereiten. Außerdem wenden sich Trainer dann telefonisch an ihre Spieler, wenn diese nicht zum Training erscheinen konnten, für das sonntägliche Spiel jedoch benötigt werden. Die Spieler gaben an, sich untereinander aus organisatorischen Gründen anzurufen, etwa wenn sie Fahrgemeinschaften bilden. Nachdem bei einem Verein der Trainer entlassen worden war, berichtete mir ein älterer Spieler, dass jüngere Spieler ihn zuvor immer angerufen und gebeten hätten, sie beim Training zu entschuldigen. Sie selbst hätten Angst gehabt, den Trainer anzurufen. Einige der genannten typischen Interaktionssituationen des Handlungskomplexes „Training“ werden auch als Bestandteil des Handlungskomplexes „Wettkampf 4 am Spieltag realisiert, weisen aber eine andere Gestalt auf als die verwandten Trainingssituationen. Es handelt sich um: Das Umziehen zum Spiel mit vorbereitender Massage (10), die Mannschaftssitzung am Spieltag (11), die Einzelgespräche am Spieltag (12), das individuelle (bzw. bei professionelleren Vereinen oft kollektive) Aufwärmprogramm (13), die Zeit nach dem Spiel in der Kabine (18) und das gesellige Beisammensein nach dem Spiel im Vereinsheim (19). 144 Die Unterschiede zwischen diesen Situationen 144 Vgl. hierzu auch Dittmar/ Hädrich (1988), S. 115. 230 Reden und Spielen und den bereits genannten Trainingssituationen bestehen im Wesentlichen darin, dass die Interaktionsmodalität noch ernsthafter ist als während des Trainings, dass in der Mannschaftssitzung und in den Einzelgesprächen (letztere sind in die Phasen des Umziehens bzw. des Aufwärmens und Dehnens eingebettet) fast ausschließlich die bevorstehenden Aufgaben fokussiert werden, nicht aber das vergangene Spiel. Das gesellige Beisammensein nach dem Spiel im Vereinsheim (19) dient der Mannschaft einerseits dazu, gemeinsam zu essen, andererseits dient es dem Austausch zwischen der Mannschaft, den Vereinsmitgliedern und den Fans. Es wird erwartet, dass die Spieler mindestens eine Stunde anwesend sind und sich auf kooperative Weise mit den Mitspielern, den Mitgliedern und den Gästen unterhalten. Andere Interaktionssituationen am Spieltag, die ausschließlich wettkampfspezifisch sind und sequenziell zwischen dem Aufwärmprogramm und dem geselligen Beisammensein im Vereinsheim stehen, sind normalerweise: Die Passkontrolle und ihr vorausgehend oder nachfolgend das letzte Einstellen auf das Spiel (14); die erste (15) und die zweite Halbzeit (17); die dazwischenliegende Halbzeitpause (16) und die Zeit nach dem Spiel in der Kabine (18, mit Massage, Duschen und Umziehen). Zu (14): Zur Spielerpasskontrolle betritt der Schiedsrichter die Kabine. Er ist in dieser Situation der Verfahrenswalter und bittet den ihn begleitenden Vereinsvertreter, die Mannschaftsaufstellung mit den Passnummern zu verlesen, während er die Fotos und die Nummern überprüft. Der Passkontrolle ist das letzte Einstellen vor- oder nachgeordnet: D.h., dass das letzte Einstellen vor oder nach der Passkontrolle stattfmdet: D.h. auch, dass das letzte Einstellen des Öfteren in zwei Schüben durchgeführt wird, nämlich dann, wenn der Schiedsrichter mit der relevanteren institutionellen Handlung der Passkontrolle in das letzte Einstellen „hineinplatzt“. Hier verliest der Trainer die Namen der Gegenspieler, weist sie den einzelnen Spielern seiner Mannschaft zu und erinnert die Mannschaft an das in der Mannschaftssitzung entfaltete Konzept. Er schließt mit anspornenden Äußerungen, in die die Spieler einstimmen (s. die Abschnitte 6.7.2.1 und 6.7.2.2, in denen neben Beispielen aus Einzelgesprächen auch Vergleichsbeispiele aus dieser Interaktionssituation präsentiert werden). Des Öfteren versichern sich die Spieler ihrer gemeinsamen Reziprozitätsgrundlage und ihrer gemeinsamen sozialen Identität mittels besonderer symbolischer Rituale: Sie legen sich die Arme um die Schultern, stampfen gleichzeitig mit einem Fuß auf, brüllen Schlachtrufe oder klatschen sich ab. Zu (15) und (17): Die verbale Interaktion während der beiden Halbzeiten 145 erinnert teilweise an das Trainingsspiel. Der Trainer kommentiert evaluierend 145 Die in der jeweiligen Nummerierung aufscheinende Unterscheidung zwischen erster und zweiter Halbzeit basiert auf der starken Annahme, dass die Trainer und Spieler ihre Die Rhetorik der Trainer 231 das Spielgeschehen, gibt den Spielern lautstarke Anweisungen, identifiziert auch gegenüber den Ersatzspielern richtige und falsche Handlungsweisen der eingesetzten Spieler und erklärt ihnen diese. Die eingesetzten Spieler ihrerseits rufen sich an, weisen sich auf Gefahren oder auf Spielalternativen hin, bewerten ihre eigenen Aktivitäten und die ihrer Mitspieler. Auch die auf ihren Einsatz wartenden Spieler adressieren die Spielenden, geben ihnen Hinweise bzw. kommentieren die Spielhandlungen. Während der Trainer in gewissen Maßen laut Kritik an dem Spiel seiner Mannschaft üben darf, gilt für die Spieler und Ersatzspieler das Gebot des motivierenden Interagierens. Kurze, situationsgebundene Kritik an Mitspielern ist verständlich, ausgebaute und fortgesetzte kritische Äußerungen aber werden vom Trainer und den Mitspielern sofort sanktioniert. Es muss beachtet werden, dass sich die Beteiligten während des Spiels in einem öffentlichen Raum aufhalten. Einer der Trainer erklärte, dass es u.U. notwendig ist, dem Schiedsrichter oder den gegnerischen Spielern und Funktionären oder den Zuschauern des Gegners lautstark zu widersprechen. Dies geschehe dann, um das Spiel zu beeinflussen bzw. um die Mannschaft der gemeinsamen sozialen Identität und Beziehung zu versichern. Zu (16): Die Halbzeitpause wird, da ich sie später ausführlich behandeln werde, an dieser Stelle ausgespart (s. Abschnitt 6.5). Zu (18): Die Zeit nach dem Spiel in der Kabine ist einer der wichtigen, stets jedoch auch latent risikobeladenen Interaktionsmomente für die Mannschaft, da sich in ihm die Verarbeitung des vergangenen Geschehens und die Definition der gegenwärtigen Situation ereignet. Die Beteiligten sind in der Regel nur die Spieler des Kaders, der Trainer und Vereinsfunktionäre, selten auch ehemalige Mitspieler. Letztere und der Trainer verhalten sich in diesen Momenten meist eher passiv, nur in kritischen Situationen greifen sie massiv ein. Die Anwesenheit von Verwandten, Freunden oder Vereinsmitgliedern ist nur dann gestattet, wenn sich diese durch ein Geschenk an die Mannschaft, beispielsweise eine Kiste Bier, Eintritt verschafft haben. Ihre Beteiligungsweise ist kooperativ, aber zurückhaltend. Nicht-alltägliche, d.h. teilweise nur einmal pro Jahr anstehende Handlungsereignisse sind Vertragsverhandlungen (20), Feiern der Fußballbzw. Hand- Kommentare und Hinweise an der Seitenauslinie bzw. auf dem Spielfeld nicht nur jeweils im Verlauf einer Halbzeit in spezifisch strukturierter Weise produzieren. Es ist auch davon auszugehen, dass sich die Äußerungsformate der zweiten Halbzeit, weil sie zu anderen sequenziellen Zeitpunkten erfolgen, auch von denen der ersten Halbzeit unterscheiden beispielsweise im Hinblick auf Emotionsäußerungen auf Grund eines scheinbar nicht mehr aufzuholenden Rückstands, auf Grund eines knapper werdenden Rückstands oder auf Grund eines scheinbar uneinholbaren Vorsprungs (generell zur Rolle von Emotionen im Gespräch vgl. Fiehler 1990). Die Überprüfung dieser Hypothese kann hier allerdings nicht geleistet werden, sondern müsste an anderer Stelle erfolgen. 232 Reden und Spielen ballabteilung (21), die Mannschaftsfeier (22), die Mannschaftsfahrt (23), mannschaftsinterne Treffen bei Hochzeits- oder Geburtstagsfeiern von Kaderangehörigen (24), informelle Verabredungen von Spielern in ihrer Freizeit (25) sowie mannschaftsinterne Krisensitzungen (26). Zu (20): Die Verträge zwischen Spieler und Verein im gehobenen Amateurfußball und gehobenen Amateurhandball beginnen in der Regel am 1. Juli und haben eine Laufzeit von einem Jahr. Bereits in der Winterpause nehmen einige Vereinsverantwortliche Kontakt zu Spielern anderer Vereine auf, um sie zu einem Vereinswechsel zu bewegen. Soll einem eigenen Spieler ein neuer Vertrag angeboten werden, so wird er im Januar, Februar (Handball) bzw. im Frühjahr, spätestens aber bis Mitte April (Fußball) angesprochen. Wird ein Spieler bis dahin nicht von den Funktionären seines momentanen Vereins angesprochen, weiß er, dass ihm kein Vertrag angeboten werden wird und er sich einen neuen Verein suchen muss (oft erhalten die Spieler aber auch schon vom Trainer ein Signal, ob er weiter mit ihnen Zusammenarbeiten möchte). Die Initiative, Vertragsverhandlungen aufzunehmen, liegt also normalerweise immer bei den Vereinen. Übernimmt dagegen der Spieler die Initiative (oder wird er durch das Schweigen seines Vereins dazu getrieben), schwächt er seine Verhandlungsposition. An den Vertragsverhandlungen nehmen ein oder zwei Verantwortliche des Vereins (gelegentlich ist auch noch der Trainer anwesend), sowie der Spieler teil, der von einem Vertrauten begleitet werden kann. Die Vertragsverhandlungen bestehen in der Regel aus mehreren Runden, die mindestens aus Kontaktaufnahme und Eruieren der Interessen des Verhandlungspartners sowie Aushandeln des Vertrages und Vertragsabschluss bestehen. Das Eruieren des Interesses beginnt zunächst mit der Darstellung der Vereinsvertreter, die dem Kandidaten den finanziellen Rahmen andeuten. Anschließend bestätigt oder verneint der Spieler sein Interesse bzw. deutet seinerseits (z.B. sportliche) Bedingungen für einen Wechsel zum Verein bzw. für seinen Verbleib beim Verein an. Daraufhin fragt der Verein den Spieler nach seinen finanziellen Forderungen. Nachdem er sie genannt hat, werden sie von den Vereinsvertretern entweder akzeptiert, abgelehnt oder in Verhandlungen gemindert. Aushandlungsversuche der Spieler, diese Reihenfolge zu ändern und zunächst das Angebot des Vereins zu erfragen, sind sehr problematisch. Das Handeln beider Parteien ist strategisch überformt, da der Verein vereinfacht dargestellt zwar gute Spieler sucht, ihnen aber möglichst nur so viel Aufwandsentschädigung bezahlen will, wie nötig. Das Interesse der Spieler besteht aber oft darin, so viel wie möglich zu erhalten. Die Interaktionsmodalität ist daher ernsthaft. Zu (21) und (22): Einer der Unterschiede zwischen den Feiern der Fußballbzw. Handballabteilung und den Feiern der Mannschaft besteht darin, dass dort die Abteilung, hier aber die Mannschaft Veranstalter ist auch wenn oft dieselben Personen erscheinen. Allerdings sind die Veranstaltungen der Abteilung oft formaler und aufwändiger als die der Mannschaft. Ein weiterer Die Rhetorik der Trainer 233 Unterschied ist die praktische Funktion der Feiern, die sich auch in den verschiedenen Terminen ausdrückt. Die „klassische“ Feier der Abteilung ist die Weihnachtsfeier, und ihre praktische Funktion besteht vor allem darin, die erste Saisonhäfte abzuschließen und sich für die anstehende zweite Saisonhälfte der gemeinsamen sozialen Identität zu versichern. Die Mannschaftsfeier dagegen wird meist zum Ende der Saison hin oder nach der Saison abgehalten und dient den Kadermitgliedern dazu, sich bei der Vereinsführung und den übrigen Beteiligten (den Betreuern, dem Masseur etc.) zu bedanken. 146 Für die verbleibenden Kadermitglieder bedeutet dies, das Beziehungsfundament und die Arbeitsgrundlage für die nächste Spielzeit zu legen, für die scheidenden Spieler liegt ihre besondere Bedeutung aber darin, Abschied vom Verein und von den Mitspielern zu nehmen. Generell ist die soziale Funktion der beiden Feiern die Aushandlung und Sicherung der Reziprozitätsgrundlage und der sozialen Identität zwischen Mannschaft und Verein. Mannschaftsintern wird dies, abseits vom Fußballplatz bzw. von der Halle, vor allem mit der Mannschaftsfahrt (23) hergestellt, die in Eigenregie organisiert wird und meist zwischen drei bis sieben Tage dauert. Spieler und Trainer sowie ihre Frauen treffen sich auch bei größeren Feierlichkeiten von Kaderangehörigen, bei Hochzeiten oder „runden“ Geburtstagen (24). Darüber hinaus verabreden sich einige Mannschaftsmitglieder in ihrer Freizeit (25). Die Interaktionsmodalität ist bei diesen zuletzt genannten Ereignissen vorherrschend scherzhaft und fröhlich. Zu (26): In Zeiten der anhaltenden Krise sind die sozialen Identitäten und Beziehungen sowie die Reziprozität in besonderem Maße gefährdet. Sie wiederherzustellen, zu sichern und den geänderten Bedingungen neu anzupassen ist die Funktion von ad hoc einberufenen mannschaftsinternen Treffen. Bei diesen äußert sich jeder der Beteiligten der Reihe nach, wo die individuellen und gemeinsamen Ursachen der Krise liegen und welche gemeinsamen Wege es aus der Krise geben könnte. Bei dieser ersten Charakterisierung der typischen Interaktionssituationen des Arbeitsbogens zwischen Trainern und Spielern wurden einige zentrale Situationen ausgespart bzw. nur kurz erwähnt, denen herausragende Bedeutung für die Situationsdefmition und Einstellung auf das unmittelbare zukünftige Handeln zukommt: Die Mannschaftssitzung, die Einzelgespräche zwischen Trainern und Spielern nach dem Training und am Spieltag sowie die Halbzeitpause. An der Herstellung, Sicherung und Abwicklung dieser Interaktionssituationen sind selbstverständlich sowohl Spieler als auch Trainer beteiligt, wobei jedoch dem Trainer in der Regel die dominante und initiative Handlungsrolle 146 Ähnliche Feste wie die Weihnachtsfeier, die Feier zum Saisonabschluss im Sommer und die Mannschaftsfahrt schildert auch Keim (1995) in der Beschreibung des FC Filsbachklause. 234 Reden und Spielen zufällt. In diesen Situationen ist vor allem der Trainer in seinen sozialen Rollen als Stratege und Coach, aber auch als Mannschaftspädagoge gefordert (s. Abschnitt 4.2.4). Unter den zahlreichen Aktivitäten des Coaches und Strategen überwiegen jene Aktivitäten, welche das Team, aber auch jeden einzelnen Spieler zu verschiedenen Zeitpunkten auf die anstehende Aufgabe vorbereiten und einstellen. Analytisch lassen sich die in diesen Interaktionssituationen normalerweise vorherrschenden Aktivitäten im „Aktivitätskomplex des Einstellens“ zusammenfassen. 6.3 Die Mannschaftssitzung Es müssen mindestens zwei Mannschaftssitzungen unterschieden werden: Die Mannschaftssitzung nach dem Abschlusstraining'''' 1 und die Mannschaftssitzung am Spieltag (die Krisensitzung als selteneres Ereignis soll an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben). Ziel der Mannschaftssitzung nach dem Abschlusstraining und am Spieltag ist es, die Mannschaft auf die anstehende Aufgabe eines Meisterschafts- oder Pokalspiels einzustellen. Auf Grund der übergeordneten organisatorischen Strukturierung des Arbeitsbogens kommt der Trainingssitzung fast immer vorbereitende Bedeutung zu: Die Aufgabe und eine Lösungsstrategie werden fürs Erste skizziert, sodass die Spieler in den Tagen vor der eigentlichen Bearbeitung der Aufgabe über diese und über die Strategie reflektieren und sie memorieren können. In der Mannschaftssitzung am Spieltag wissen Trainer und Mannschaft um das, was sie bereits zuvor ausgehandelt hatten, und so können sie die Relevanz von Sachverhalten durch die Erinnerung an die Sachverhalte steigern bzw. Sachverhalte abkürzen. Wie z.B. im folgenden Fall: mit dem Verweis auf die am Trainingstag 24 Stunden zuvor durchgeführte Mannschaftssitzung verzichtet der Trainer auf die Sitzung am Spieltag: 003 Platen: 004 ? : 005 Platen: KK: 006 Platen: KK: 007 ? : 008 Platen: 009 ? : ja mein ich dochf so ihr könnt euch umziehn ich hab drüben schon gesacht- * ich wollte- * besprechung mach ich nich #weil wa ja dat schon hinta # BEZIEHT SICH AUF DIE uns hamf# * un ich denke dass dat so ungefähr hinkomm wirdf * position und GESTRIGE MANNSCHAFTSSITZUNG# aufstelluno häng ich da hin damit ihr euch dat ankuckn könntf [H-26B] 147 Vgl. auch Dittmar/ Hädrich (1988) und Dittmar (1989), die jedoch einer stilorientierten Fragestellung nachgehen. Das Einstellen auf den nächsten Gegner wird von den Autoren nicht untersucht. Die Rhetorik der Trainer 235 Schauplatz der Durchführung des Handlungskomplexes „Mannschaftssitzung“ ist entweder die Kabine oder aber das Vereinsheim. Wenn weniger professionelle Vereine die Sitzung nach dem Abschlusstraining im Vereinsheim vor anwesenden Vereinsmitgliedern bzw. vor Personen der lokalen, meist dörflichen Gesellschaft abwickeln, so steht die Mannschaftssitzung innerhalb eines größeren Handlungsrahmens, in dem sowohl die weitere Ausrichtung des Vereins öffentlich ausgehandelt als auch Vereinsgeselligkeit hergestellt wird. Die öffentliche Mannschaftssitzung im Dorfverein löst strukturelle soziale Verpflichtungen innerhalb des überschaubaren sozialen Netzes ein und dient eben nicht nur dem Einstellen der Mannschaft auf das nächste Spiel. Sie bietet Trainer und Vereinsfunktionären Gelegenheit, gegenüber der Vereinsöffentlichkeit (dem so genannten umfeld) die Situation nach dem letzten Spiel zu definieren, das Umfeld auf die kommende Aufgabe vorzubereiten. So können z.B. allzu unrealistische Erwartungen, die die Mannschaft blockieren könnten, gedämpft werden. Die gemeinsame soziale Reziprozität zwischen Mannschaft und Umfeld kann hergestellt und gesichert werden, indem interne Informationen aus der Mannschaft und/ oder aus dem Verein öffentlich gemacht werden dabei wird den anwesenden Vereinsmitgliedern unterstellt, dass sie diese Informationen nicht dem Gegner hinterbringen. Diesen Mannschaftssitzungen im öffentlichen Raum können also vereinsgesellige Aktivitäten vorausgehen wie z.B. das gemeinsame Essen der Mannschaft im Vereinsheim, das Vereinsmitglieder für sie kochen. Es können aber auch andere organisatorische Aktivitäten der Abteilung oder des Gesamtvereins nachfolgen wie z.B. die Planung und Organisation der Weihnachtsfeier. Wie bereits erwähnt bevorzugen professionellere Vereine des gehobenen Amateurfußballs bzw. -handballs die Durchführung sowohl der Mannschaftssitzung nach dem Abschlusstraining als auch am Spieltag in nicht-öffentlichen mannschaftsinternen Räumen und unter Ausschluss der einfachen Vereinsöffentlichkeit. Diese Präferenz ist bei weniger professionellen Vereinen zumindest bei Heimspielen am Wettkampftag zu erkennen: Entweder nämlich ist die gegnerische Mannschaft bereits eingetroffen oder sie droht bald einzutreffen. Würden der Trainer und die Spieler des gastgebenden Vereins also ihre Mannschaftssitzung öffentlich durchführen, könnten gegnerische Vereinsangehörige oder gegnerische Spieler die Sitzung belauschen oder den gastgebenden Verein zwingen, die Sitzung abzubrechen und an geschützterem Ort fortzusetzen. Die Mannschaftssitzung am Spieltag kann unter ungewöhnlichen Umständen aber auch an anderen Schauplätzen stattfmden bei Auswärtsspielen etwa im Mannschaftsbus (falls man beispielsweise in einen Stau geraten ist und unter Zeitdruck steht). Die Beteiligungskonstellation ist nicht identisch. An der Mannschaftssitzung nach dem Training nehmen alle Kadermitglieder, die beim Training anwesend waren, teil. Am Spieltag beteiligen sich jedoch meist nur die 13 bis 15 auserwählten Stamm- und Ersatzspieler sowie eventuell Betreuer und Mas- 236 Reden und Spielen seure. Nicht aufgestellte oder verletzte Kadermitglieder werden zwar nicht ausgeschlossen, für sie besteht aber auch keine Anwesenheitspflicht. 6.3.1 Das Handlungsschema „Einstellen der Mannschaft auf den nächsten Gegner“ Das Handlungsziel der Mannschaftssitzung, die Mannschaft auf die nächste Aufgabe einzustellen, erreichen Trainer und Spieler, indem sie sich des in ihrer sozialen Welt bei vorhergegangenen Mannschaftssitzungen erworbenen Handlungswissens bedienen und es unter Berücksichtigung der jeweiligen einmaligen Handlungsumstände und ihrer praktischen Handlungsinteressen interaktionssensitiv aktivieren. Dieses Handlungswissen lässt sich analytisch als Handlungsschema mit einer eigenen Aufgabenkontur fassen (vgl. Kallmeyer/ Schütze 1976). Das heißt nicht, dass die Beteiligten bei der Herstellung, Sicherung, Durchführung und Auflösung einer wiederkehrenden typischen Handlungssituation nur ein starres Schema abwickelten. Vielmehr ist das Handlungsschema zu verstehen als eine Systematisierung des Handlungswissens im Hinblick auf Bestandteile, generelle Aufgabenstruktur und Beteiligungsrollen. Davon, wie die Durchführungsgestalt der Handlungskomplexe mit ihren notwendigen zu realisierenden Handlungsschritten auszusehen hat, besitzen die Interaktionsbeteiligten „Normalformerwartungen“, die sie mit dem tatsächlich sich realisierenden Handlungskomplex fortlaufend vergleichen. Dies ermöglicht es ihnen, bei der praktischen Verfolgung ihrer Handlungsinteressen Handlungsaufgaben nur verkürzend abzuhandeln oder gar auszulassen, andere jedoch ausführlicher zu gestalten, solange die Normalform des Handlungsschemas zu erkennen bleibt. Wie bereits erwähnt, sind mit der Realisierung von Handlungskomplexen unter Berücksichtigung der Handlungsschemata bestimmte Beteiligungsrollen und -aufgaben verbunden. In institutionell-organisatorischen und strategischen Verfahren müssen mindestens fünf Aufgabenbündel gelöst werden: Die ersten drei sind Herauslösung des Schemas aus dem Fluss der übrigen Aktivitäten, vorgreifende Verdeutlichung des Schemas, Bestätigung des Schemas. Die anderen zwei sind der Durchführungskomplex und der Komplex der Ergebnissicherung, Schemaschließung und Rückleitung in den übergeordneten Aktivitätsfluss (vgl. Schütze 1978). Die ersten drei Aufgaben möchte ich unter dem gemeinsamen Aufgabenkomplex „Herstellung des Handlungsschemas“ zusammenfassen, während ich den letzten Komplex „Auflösung des Handlungsschemas“ nenne. Das Handlungsschema der Mannschaftssitzung „Einstellen der Mannschaft auf den nächsten Gegner“ besteht aus den folgenden Aufgabenkomplexen (die jeweiligen Handlungsträger stehen in Klammern): Die Rhetorik der Trainer 237 1. Herstellung des Handlungsschemas (Trainer + Spieler) 2. Aufgabenpräsentation (Trainer) 3. Darstellung der kollektiven Strategien zur Aufgabenbewältigung (Trainer) 4. Verarbeitung der Strategien (Spieler) 5. Vorbereitung zur Aufgabenbewältigung (Trainer + Spieler) 5 a. Aushandlung des gemeinsamen Treffpunktes und der Uhrzeit für den Spieltag (nur bei der Trainingssitzung - Trainer + Spieler) 6. Auflösung des Handlungsschemas (Trainer + Spieler) Jeder einzelne Aufgabenkomplex besteht aus mehreren Teilkomponenten, die nicht alle durchgeführt werden, bei der Durchführung von Handlungskomplexen jedoch nachzuweisen sind. Für die von dem jeweils verantwortlichen Beteiligten realisierten Handlungskomplexe der Mannschaftssitzung lassen sich folgende Teilkomponenten anführen: 1) Herstellung des Handlungsschemas (Trainer und Spieler gemeinsam) - Herauslösen des Schemas aus dem Aktivitätsfluss - Vorgreifende Verdeutlichung des Schemas - Ratifizierung des Schemas durch die Spieler (meist durch Schweigen und Kopfnicken) 2) Aufgabenpräsentation (Trainer) - Anzeigen und Zuschreiben der Aufgabe - Aufgabenbewertung - Darstellen und Bewerten der eigenen sportlichen Lage (Tabellenplatz, bisheriger Saisonverlauf bzw. das letzte eigene Spiel, zu Tage getretene Probleme, Lösungsversuche im Training der vergangenen Tage, Trainingsleistung etc.) - Projektion der möglichen sportlichen Lage beim Gegner (Analyse und Bewertung des Saisonverlaufs bzw. der letzten Spiele des Gegners, Präsentation der Probleme des Gegners) - Benennen von äußeren (z.B. klimatischen, situativen) Bedingungen und ihren Auswirkungen auf die Handlungsmöglichkeiten auf der Spielfläche - Zusammenfassen der Analyse und Bewertung der sportlichen Lage - Andeuten des angestrebten Ziels (Klassenerhalt, herausgehobener Tabellenplatz oder ästhetische Qualität des Fußballbzw. Handballspiels etc.) 238 Reden und Spielen - Einordnen der anstehenden Aufgabe auf dem eingeschlagenen Entwicklungsweg - Andeuten der nächsten Aufgaben - Verdeutlichen des Prozesscharakters von Entwicklungen - Verdeutlichen dramatischer Auswirkungen eines Scheiterns an der Aufgabe - Erstes Andeuten erfolgreicher kollektiver Strategien zur Aufgabenbewältigung - Plausibilisierung - Bewerten der kollektiven Kompetenz zur Aufgabenbewältigung 3) Darstellung der kollektiven Strategien zur Aufgabenbewältigung (Trainer) - Präsentation des möglicherweise zu Grunde gelegten taktischen Spielsystems bzw. der generellen Spielweise des Gegners (z.B. „Abtasten“ versus „Zur-Sache-Gehen“) - Benennen der Leistungsträger des Gegners und Darstellen ihrer Handlungsräume, ihrer Handlungsmöglichkeiten und ihrer Handlungspräferenzen - Projektieren der gesamten Mannschaftsaufstellung des Gegners und Darstellen ihrer Positionierung auf dem Spielfeld (Angriff, Mittelfeld, Abwehr und Torwart im Fußball bzw. Angriff, Abwehr und Torleute im Handball) - Demonstrieren des gegnerischen Spielsystems und von gegnerischen Spielzügen per Video - Benennen des eigenen zu Grunde gelegten Spielsystems bzw. der eigenen Spielweise - Symbolisieren des Spielsystems auf der Tafel bzw. auf Papier - Erklären des Spielsystems (sowohl Gesamtsstruktur als auch für die Mannschaftsteile) - Verdeutlichen der eigenen Spielweise - Benennen der Spieler und Zuweisung zu Positionen (Torwart, Abwehr, Mittelfeld, Angriff im Fußball, Torleute, Abwehr und Angriff im Handball) - Benennen der Handlungsschritte für die Destruktion des gegnerischen Spiels (Defensivverhalten) wie zur Konstruktion des eigenen Spiels (Offensivbzw. Aufbauspiel) - Konkretisieren der Handlungsschritte (ggf. für alle Mannschaftsteile bzw. Positionen) Die Rhetorik der Trainer 239 - Spezifizieren der Handlungsschritte (ggf. für alle Mannschaftsteile bzw. Positionen) - Einfordern der kategoriellen Aktivitäten für die anstehende konkrete Aufgabe Drohen mit Sanktionen im Falle des Nichterfüllens der kategoriellen Aktivitäten Mentales Enaktieren der Konstruktionswie der Destruktionsstrategie - Praktisches Demonstrieren der Strategien auf der Tafel bzw. auf dem Papier - Plausibilisieren der Strategien - Problematisieren der Handlungsschritte - Restabilisieren der Handlungsstrategien - Ankündigen der Hilfestellung im Wettkampf - Anweisung, die Hilfestellung im Wettkampf zu ratifizieren und zu übernehmen - Einfordern einer Ratifizierung bzw. einer Problematisiemng der Strategiedarstellung Weitere mögliche Komponenten: - Benennen der Handlungsschritte für Sondersituationen (Elfmeter bzw. Siebenmeter, Freistöße bzw. Freiwürfe, Eckbälle etc.) - Benennen der an den Sondersituationen Beteiligten - Positionieren der Beteiligten in den Sondersituationen auf dem Feld - Mentales Enaktieren der Handlungsschritte bei Sondersituationen - Praktisches Demonstrieren der Handlungsschritte bei Sondersituationen an der Tafel/ auf Papier 4) Verarbeitung der Strategien (Spieler) - Problematisierungen (Hinweise auf Bedingungen, Veranlassen von Nachfragen) - Ratifizierung (meist durch Schweigen bzw. Nicken) 5) Vorbereitung zur Aufgabenbewältigung (Trainer + Spieler) Stabilisierung der Handlungsorientierung durch den Trainer - Projektieren einer erfolgreichen Aufgabenbewältigung - Bewerten der kollektiven Kompetenz - Projektieren einer Belohnung nach erfolgreicher Aufgabenbewältigung 240 Reden und Spielen - Drohen mit Sanktionen im Falle des Nichterfüllens der kategoriellen Aktivitäten - Übernahme der Handlungsorientierung durch die Spieler 5 a) Aushandlung des gemeinsamen Treffpunktes und der Uhrzeit für den Spieltag (nur bei der Sitzung nach dem Abschlusstraining; Trainer und Spieler) - Nennen des Treffpunktes und der Uhrzeit - Ratifizieren, gegebenenfalls nach einer Modifizierung, von Termin und Ort - Benennen der Auswechselspieler 6) Auflösung des Handlungsschemas (Trainer und Spieler gemeinsam) - Ergebnissicherung - Schließung des Handlungsschemas - Rückleitung in den übergeordneten Aktivitätsfluss Das Schema deutet an, dass dem Trainer die handlungsdominante Rolle zufällt. Spieleräußerungen sind fakultativ und entfallen häufig, da die Spieler durch Kopfnicken bzw. durch das Nicht-Stören des Handlungsablaufes ihre notwendigen Ratifizierungsaktivitäten ableisten können. Die Interaktionsmodalität ist dominant ernsthaft, sie kann in den rahmenden Phasen oder aber für kurze Abschnitte suspendiert und durch eine scherzhafte Modalität ersetzt werden. Wenn die Mannschaftssitzung erfolgreich durchgeführt worden ist, haben Trainer und Spieler das dargestellte Handlungsschema zumindest in Grundzügen dergestalt hergestellt und abgewickelt, dass ihre Normalformerwartungen erfüllt sind. Wesentlicher Bestandteil der Sitzung, der bei einem Gelingen immer realisiert werden muss, ist die dritte Aufgabe „Darstellung der kollektiven Strategien zur Aufgabenbewältigung“. Eine explizite Trennung wie dargestellt zwischen der dritten und der fünften Aufgabe „Vorbereitung zur Aufgabenbewältigung“ ist in den analysierten Transkripten zum Teil nicht zu finden, da die vierte Aufgabe von den Spielern stillschweigend durchgeführt werden kann und wird: Eine explizit verbale Verarbeitung der Strategiedarstellung unterbleibt häufig. Teilkomponenten der fünften Aufgabe erscheinen dann oft im Anschluss an Teilkomponenten der dritten Aufgabe. Die Rhetorik der Trainer 241 6.4 Einzelgespräche Grundsätzlich gehören Einzelgespräche mit ihrer besonderen Beteiligungskonstellation zu einer der wichtigsten Interaktionsformen für Trainer und Spieler. Der Arbeitsbogen gewährt den Beteiligten sowohl an Trainingswie an Wettkampftagen Möglichkeiten zur Durchführung dieser intimen Gespräche. Kleingruppengespräche des Trainers mit einer zweibis vierköpfigen Spielergruppe stellen die halbintime Variante dieser im Vergleich zu Interaktionen mit dem gesamten Mannschaftskader intensiveren Arbeitssituation dar und werden z.T. aus ökonomischen Gründen und gegenstandswie situationsabhängig anstelle von Einzelgesprächen eingesetzt. Die Interaktionsmodalität des Einzelbzw. des Kleingruppengesprächs ist fast immer ernsthaft, kann jedoch auch innerhalb bestimmter Interaktionssequenzen gerade bei ausführlichen Einzelgesprächen scherzhafte Qualität annehmen. Das ausführliche Einzelgespräch, dass deutlich unterschieden werden muss vom Einzelgespräch am Spieltag bzw. während des Trainings, kann leicht eine problematische symbolische Bedeutung erfahren, da es nur unter besonderen Kosten entweder zu Lasten der Redegegenstände, der Ausführlichkeit oder aber zu Lasten der sozialen Beziehung zu den übrigen Kadermitgliedern zu führen ist. Ein längeres Einzelgespräch, das thematisch nicht unmittelbar mit dem Training zusammenhängt, sondern problematische Sachverhalte behandelt wie z.B. die sportlichen Aussichten des Spielers im Kader oder die Unzufriedenheit mit Mitspielern oder mit dem Trainer, ist unter der Woche praktisch nur lange vor bzw. lange nach dem Training oder am Wettkampftag, allerdings erst einige Zeit nach dem Wettkampf oder aber in der Freizeit außerhalb des Vereins und per Telefon zu realisieren. Zum anderen birgt das ausführliche Einzelgespräch, wenn es in Anwesenheit oder vielmehr unter der Beobachtung der übrigen Spieler während des Trainings geführt wird, sowohl für den Trainer wie für den Spieler ein erhebliches Risikopotenzial. Die Spieler bzw. Mitspieler könnten im Trainer, der während der gemeinsamen Arbeitssituation viel Zeit nur einem Spieler widmet, einen Trainer ohne Autorität sehen, der sich schmeicheln lässt bzw. der dem Spieler schmeicheln will. Und im Mitspieler könnten sie ein Schätzchen des Trainers (vgl. das Kategorienschema) erkennen. Oder aber einen Spieler, der gegen die Norm verstößt, nämlich durch leistung überzeugn [zu] solln un nich durch gerede. Vor und kurz nach dem Training bzw. während des Trainings finden daher oft nur kurze Einzelgespräche zwischen Trainern und Spielern statt. Wenn die Spieler die Initiative ergreifen, dann fast immer nur in den rahmenden Phasen unmittelbar vor und nach dem eigentlichen Trainingskern. Anlässe sind z.B., den Trainer über das eigene Wohlbefinden und das Abklingen einer Verletzung zu informieren oder aber organisatorische Belange zu klären, so z.B. Dispens vom Training zu erbitten. Der Trainer ergreift seinerseits die 242 Reden und Spielen Chance zum Einzelgespräch mit dem Spieler bei dessen individueller Begrüßung, wenn er Informationen über die körperliche Verfassung des Spielers einholen will etwa, wenn er den Eindruck hat, dass der Spieler eine Verletzung verschweigt oder verharmlost, um seinen Stammplatz nicht zu gefährden. Die Einzelgespräche während des Trainingskerns dienen dagegen vor allem dem Erklären personenbezogener taktischer Sachverhalte oder in der Konstellation mit Leistungsträgern und Führungsspielern einer Vor-Orientierung auf die bevorstehende Mannschaftssitzung. Sie können aber auch genutzt werden zum demonstrativen Herstellen spezifischer sozialer Identitäten und Beziehungen und dem Versichern der gemeinsamen Reziprozitätsgrundlage mit einem Spieler — bspw. wenn der Trainer den Eindruck gewinnt, dass sich ein Spieler im Kader momentan nicht wohl fühlt. Im Unterschied zu den bislang aufgeführten Einzelgesprächen, deren Ingangsetzung im Grunde keinem regelhaften Schema folgt, sondern situations- und anlassbezogen ist, gibt es im Arbeitsbogen zwei Einzelgesprächsereignisse, die regelmäßig wiederkehren und meist mit allen Spielern durchgeführt werden, die für einen Spieleinsatz ausgewählt werden. Es sind dies die Einzelgespräche im Anschluss an die Mannschaftssitzung nach dem Abschlusstraining und die Einzelgespräche im Anschluss an die Sitzung am Spieltag, ca. eine Stunde bis 15 Minuten vor Beginn des Spiels. Ihr handlungspraktischer Zweck liegt in dem Einstellen des einzelnen Spielers auf seine Aufgabe im Spiel. Schauplatz dieser Einzelgespräche ist die Kabine oder aber die Rasenfläche (bzw. die Halle), auf der sich die Spieler warm machen. Ihre Dauer variiert zwischen einer Minute und bis zu fünf Minuten, selten auch länger. 6.4.1 Das Handlungsschema „Einstellen des Spielers auf seine Aufgabe“ im Einzelgespräch am Spieltag Das Handlungsschema des Einstellens des einzelnen Spielers auf seine Aufgabe, an dem sich Trainer und Spieler bei ihren Einzelgesprächen am Spieltag orientieren und das nach der Analyse von zehn Einzelgesprächs-Transkriptionen modelliert wurde, besteht wie das Handlungsschema des Einstellens der gesamten Mannschaft aus sechs Handlungsaufgaben: 1. Herstellung des Handlungsschemas (Trainer + Spieler) 2. Aufgabenpräsentation (Trainer) 3. Darstellung der individuellen Strategie zur Aufgabenbewältigung (Trainer) 4. Verarbeitung der Strategie zur Aufgabenbewältigung (Trainer) 5. Vorbereitung der Realisierung (Trainer + Spieler) 6. Auflösung des Handlungsschemas (Trainer + Spieler) Die Rhetorik der Trainer 243 Ähnlich wie das Handlungsschema des Einstellens der Mannschaft weist auch dieses Schema eine große Varianz all jener Teilkomponenten auf, die von den Beteiligten innerhalb der sechs Aufgaben aktiviert werden können. Die Menge der aktivierbaren Teilkomponenten sind: 1) Herstellung des Handlungsschemas (Trainer und Spieler gemeinsam) - Herauslösen des Schemas aus dem Aktivitätsfluss - Vorgreifende Verdeutlichung des Schemas - Ratifizierung des Schemas durch die Spieler 2) Aufgabenpräsentation (Trainer) - Anzeigen und Zuschreiben der Aufgabe - Aufgabenbewertung - Darstellen und Bewerten der eigenen sportlichen Lage - Projektieren der möglichen sportlichen Lage beim Gegner - Projektieren der möglichen Bedingungen für die Aufgabenlösung - Benennen von äußeren (z.B. klimatischen, situativen) Bedingungen und ihren Auswirkungen auf die Handlungsmöglichkeiten auf der Spielfläche - Zusammenfassen der Analyse und Bewertung der sportlichen Lage - Andeuten des angestrebten Ziels - Einordnen der anstehenden Aufgabe auf dem eingeschlagenen Entwicklungsweg - Bewerten der individuellen Kompetenz zur Aufgabenbewältigung - Verdeutlichen dramatischer Auswirkungen eines Scheiterns an der Aufgabe 3) Darstellung der individuellen Strategie zur Aufgabenbewältigung (Trainer) - Benennen der Position auf dem Spielfeld und der individuellen Handlungsaufgaben - Darstellen der Positionierung der Mitspieler im Handball bzw. überblicksartiges Darstellen der Positionierung der Mitspieler in der näheren Umgebung im Fußball - Präsentation des möglicherweise zu Grunde gelegten taktischen Spielsystems bzw. der generellen Spielweise des Gegners - Benennen des möglichen Gegenspielers (bzw. der Gegenspieler im Handball) 244 Reden und Spielen - Darstellen (bzw. Projektieren) der Handlungsräume, Handlungsmöglichkeiten und Handlungspräferenzen des möglichen Gegenspielers bzw. der Gegenspieler - Bewerten der Stärken und Schwächen des möglichen Gegenspielers (bzw. der Gegenspieler) - Symbolisieren der individuellen Handlungsaufgaben an der Tafel/ auf Papier - Benennen und Erklären einzelner Handlungsschritte für das Unterbinden von Spielaktivitäten des Gegenspielers bzw. der Gegenspieler (Defensivverhalten) und für eigene konstruktive Aktivitäten (Aufbauspiel) - Praktisches Demonstrieren der Strategien auf der Tafel bzw. auf dem Papier - Konkretisieren der Handlungsschritte - Mentales Enaktieren der Konstruktionswie der Destruktionsstrategie - Plausibilisieren der Strategien - Einfordern der kategoriellen Aktivitäten für die anstehende konkrete Aufgabe - Drohen mit Sanktionen im Falle des Nichterfüllens der kategoriellen Aktivitäten - Problematisieren der Strategien - Restabilisieren der Handlungsstrategien - Anzeigen und Zuschreiben konsistenter Handlungsfehler (Bedingungen, Gründe) - Belegen von konsistenten Handlungsfehlern - Handlungsanweisung zur Vermeidung der konsistenten Fehler - Mentales Enaktieren der Vermeidung konsistenter Fehler - Praktisches Demonstrieren der Fehlervermeidung - Plausibilisierung - Darstellen der Aktivitäten der (angrenzend positionierten) Mitspieler bzw. des Mannschaftsteils - Ankündigen der Hilfestellung während des Wettkampfs - Anweisung, die Hilfestellung im Wettkampf zu ratifizieren und zu übernehmen Verständnisüberprüfung Die Rhetorik der Trainer 245 - Einfordern einer Ratifizierung bzw. einer Problematisierung der Strategiedarstellung Weitere mögliche Komponenten: - Benennen der Handlungsschritte für Sondersituationen (Elfmeter bzw. Siebenmeter, Freistöße bzw. Freiwürfe, Eckbälle etc.) - Benennen der übrigen an den Sondersituationen Beteiligten - Positionierung der übrigen Beteiligten in den Sondersituationen auf dem Feld - Mentales Enaktieren der Handlungsschritte bei Sondersituationen - Praktisches Demonstrieren der Handlungsschritte bei Sondersituationen an der Tafel/ auf Papier 4) Verarbeitung der Strategien (Spieler) - Ergänzen der Darstellung des Spielsystems des Gegners bzw. der Spielweise des Gegenspielers (bzw. der Gegenspieler) - Problematisierungen (Hinweise auf Bedingungen, Veranlassen von Nachfragen) - Ratifizieren 5) Vorbereitung zur Aufgabenbewältigung (Trainer + Spieler) - Stabilisieren der Handlungsorientierung durch den Trainer - Projektieren einer erfolgreichen Aufgabenbewältigung - Bewerten der individuellen Kompetenz zur Aufgabenbewältigung - Projektieren einer Belohnung nach erfolgreicher Aufgabenbewältigung - Drohen mit Sanktionen im Falle des Nichterfüllens der kategoriellen Aktivitäten - Übernahme der Handlungsorientierung durch den Spieler 6) Auflösung des Handlungsschemas (Trainer und Spieler gemeinsam) - Ergebnissicherung - Schließung des Handlungsschemas - Rückleitung in den übergeordneten Aktivitätsfluss Wie bereits beim Handlungsschema der Mannschaftseinstellung gesehen, so ist auch hier das Aufgabenfeld ungleich aufgeteilt. Der Trainer nimmt die interaktionsdominante Rolle ein, und der Spieler die Subdominante, im Wesentlichen ratifizierende Rolle. Herstellung und Auflösung des Schemas leitet der Trainer ein und er setzt im Wesentlichen die thematischen Relevanzen. 246 Reden und Spielen Die asymmetrische Aufgabenbearbeitung schlägt sich auch auf der Oberfläche der Transkripte nieder. Die Gesprächsbeiträge der Trainer im Einzelgespräch sind weitaus zahlreicher und ausführlicher als die der Spieler. Im Unterschied zur Mannschaftssitzung jedoch hat der Spieler hier größere Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten auf den Verlauf des Ereignisses. 6.5 Die Halbzeitpause Während des eigentlichen Wettkampfs ist die Halbzeitpause die einzige Arbeitssituation, in der Trainer und Mannschaft sich in einen nicht-öffentlichen, privaten Raum zurückziehen können, um das bisherige Geschehen gemeinsam zu analysieren und zu definieren, die Handlungsziele und die Strategien, mit denen die Ziele erreicht werden könnten, für die anstehende zweite Halbzeit auszuhandeln sowie die notwendige soziale Reziprozität und gemeinsame soziale Identität herzustellen und sich ihrer zu versichern. Dieses Einstellen der Mannschaft auf die zweite Halbzeit ist jedoch nur das dominante Interaktionsanliegen der Beteiligten. Die Pause dient auch der Versorgung von Verletzungen, der allgemeinen Erfrischung und kurzzeitigen Erholung, der Flüssigkeitsaufnahme, dem Wechseln verschmutzter Trikots oder durchgeschwitzter Unterhemden, dem Gang zur Toilette etc. Der Raum, in den sich die Beteiligten zurückziehen, ist gewöhnlich die jeweilige Kabine, eine Verlegung an andere Schauplätze erfolgt nur unter besonderen Bedingungen bzw. hat höhersymbolische Bedeutung. So kann der Fußballtrainer bei hochsommerlichen Temperaturen und bei Vorbereitungsturnieren, von denen keine unmittelbaren und langfristigen sportlichen Konsequenzen für den Verein zu erwarten sind, die Halbzeitpause auch auf dem Rasen durchführen. Wenn ein Fußballtrainer jedoch im Dezember bei einem offiziellen Bundesligaspiel seine Mannschaft vor den Augen der 55.000 Stadionbesucher um die Trainerbank versammelt, wie am 7. Dezember 1996 im Müngersdorfer Stadion in Köln geschehen, wird dies von den Beteiligten und Beobachtern als Bestrafung der Spieler bzw. als strategischer Zug verstanden, die Handlungsvoraussetzungen der Spieler für die zweite Halbzeit zu beeinflussen. Beteiligt sind immer der Trainer und der bzw. die Betreuer, der Masseur sowie die eingesetzten Spieler. Für den Fußball gilt, dass bei schlechtem Wetter und unangenehmen Temperaturen auch die Ersatzspieler mit in die Kabine kommen. Ansonsten halten sie sich auf der Spielfläche auf, wo sie sich warm laufen oder sich die Bälle Zuspielen. Zugangsberechtigt sind außerdem hoch gestellte Vereinsfunktionäre wie der Vereinsvorsitzende oder der Manager, die in kritischen Situationen sogar aktiv und über längere Zeit in das Handlungsgeschehen eingreifen, das Wort ergreifen und an die Spieler richten. Diese ausführlichen und meist in heftiger Modalität und mit Nachdruck vor- Die Rhetorik der Trainer 247 gebrachten Gesprächsbeiträge der Vereinsfunktionäre und Manager fokussieren jedoch keine taktischen Sachverhalte, sondern beziehen sich eher auf Identitäts- und Reziprozitätsaspekte bzw. auf eine den Spielern unterstellte mangelhafte Motiviertheit. Normalerweise jedoch halten sich Vereinsfunktionäre in der Halbzeitpause zurück bzw. äußern sich nur in den Phasen zu Beginn bzw. zum Abschluss des Handlungsereignisses mit aufmunternden Kommentaren an einzelne Spieler oder an die gesamte Mannschaft. Die Dauer der Halbzeitpause wird vom Schiedsrichter festgelegt. Sein Halbzeitpfiff leitet die organisatorische Phase ein, in der die Beteiligten ihren Schauplatz aufsuchen. Nachdem sie sich in der Kabine eingefunden haben, beginnen Trainer und Spieler nur in den seltensten Fällen sofort mit der Durchführung des anstehenden Handlungskomplexes „Einstellen der Mannschaft auf die zweite Halbzeit“. In der Regel nutzen die Spieler die ersten Minuten der Halbzeitpause, um untereinander die Ereignisse der vergangenen Halbzeit zu verarbeiten, sich zu erfrischen und sich pflegen zu lassen. Danach erst löst der Trainer das eigentliche Einstellensschema aus dem Aktivitätsfluss heraus und beginnt mit seiner situationsspezifischen Durchführung. Die Beendigung der Halbzeitpause - und damit auch das Einstellen der Mannschaft wird durch den Schiedsrichter eingeleitet, der in die Kabine tritt oder mit einem akustischen Signal im Kabinengang zum Verlassen der Kabine auffordert. Die Regeln des Internationalen Fußballverbandes FIFA schreiben vor, dass die Halbzeitpause mindestens fünf Minuten dauern sollte. In der Realität vergehen normalerweise 15 Minuten zwischen Pausenpfiff und Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit. Im Handball gilt ebenfalls eine Halbzeitpause von ca. zehn bis fünfzehn Minuten Länge. Abhängig von der Witterung hat der Fußballschiedsrichter auch einen gewissen Ermessensspielraum, die Pause zu verlängern so bspw. bei extrem niedrigen Temperaturen. Die Transkriptionen der aufgenommenen Halbzeitpausen belegen, dass sich die Spieler im Durchschnitt für eine Zeit von acht bis 13 Minuten in ihrer Kabine aufhalten. In dieser Zeit können die Trainer die Einstellung der Mannschaft bearbeiten. 6.5.1 Das Handlungsschema „Einstellen der Mannschaft auf die zweite Halbzeit“ Das Schema, an dem sich die Beteiligten dabei orientieren, hat folgende Gestalt: 1. Herstellung des Handlungsschemas (Trainer + Spieler) 2. Spielanalyse und Problempräsentationen (Trainer) 3. Bestätigung der Problemanalyse (Spieler) 4. Handlungsanweisungen zur Problemlösung (Trainer) 5. Verarbeitung der Handlungsanweisungen (Spieler) 248 Reden und Spielen 6. Vorbereitung zur Realisierung (Trainer + Spieler) 7. Auflösung des Handlungsschemas (Trainer + Spieler) Wieder ist zu erkennen, dass die Rollen nicht gleich gewichtet sind. Der Trainer hat die dominante, initiative Rolle inne, während die Rolle der Spieler gerade zu Beginn der Halbzeitpause von subdominantem, komplementärem Charakter ist. Die Verpflichtung der Spieler, das spezifische Rollenverhältnis zu beachten, schwindet erst zum Ende hin. Der Trainer bestimmt den Beginn der Herstellung des Handlungsschemas. Er legt fest, welches die relevanten Problemstellungen und Handlungsanweisungen sind, er hat das Recht, die Erfüllung der Handlungsanweisungen einzufordern, und er besitzt ein extensives Rederecht. Die Bearbeitung der Einstellung erfolgt in der Regel nicht „in einem Stück“, sondern in mehreren, durch kleine bzw. längere Pausen voneinander geschiedenen Formulierungsschüben. Wie viele Formulierungsschübe und Durchgänge an Problemanalysen und Handlungsanweisungen vollzogen werden, hängt entscheidend von der Länge der Halbzeitpause ab, die ja vom Schiedsrichter festgelegt wird. Sie kann aber auch vom Trainer und von der Mannschaft selbst abhängen. Der Trainer mag die Mannschaft frühzeitig auf das Spielfeld zurückschicken, oder aber die Spieler betreiben eine vorzeitige Auflösung des spezifischen Rollenverhältnisses, indem sie Anstalten zum Verlassen der Kabine treffen, was von dem Trainer dann ratifiziert wird. Die Äußerungen der Spieler, mit denen sie ihre Handlungszüge in der Halbzeitpause verbalisieren, sind im Unterschied zu den Äußerungen des Trainers meist sehr kurz und wenig ausgebaut. Die Bestätigungen der Problemanalyse und der Handlungsanweisungen erfolgen oft implizit durch Schweigen oder durch kurze Hörerrückmeldungen. Ergänzungen der Problemanalyse und die Problematisierung von Lösungsanweisungen sind fakultativ, also nicht notwendig zur erfolgreichen Abwicklung des Handlungskomplexes. Sie können gerade zu Beginn vom Trainer oder von Führungspielern bzw. Leistungsträgern unterbunden werden. Die Interaktionsmodalität ist dominant ernsthaft. Die ungleiche Verteilung der Aufgaben verdeutlicht auch die weitere Differenzierung des Handlungsschemas, das folgende Aspekte und Teilkomplexe vorsehen kann: 1) Herstellung des Handlungsschemas (Trainer und Spieler gemeinsam) - Herauslösen des Schemas aus dem Aktivitätsfluss - Vorgreifende Verdeutlichung des Schemas - Ratifizierung des Schemas durch die Spieler 2) Spielanalyse, Präsentation zutage getretener oder drohender Probleme (Trainer) - Darstellen des Spielverhaltens der Mannschaft in der ersten Halbzeit Die Rhetorik der Trainer 249 - Bewerten des Spielverhaltens - Problemanzeige - Problemzuweisung Detaillieren der Problemanalyse auf Mannschaftsteile oder einzelne Spieler - Belegbeschreibungen für problematisches Spielverhalten in der ersten Halbzeit - Symbolisieren des problematischen Spielverhaltens an der Tafel/ auf Papier - Aufdecken der Problemkonstitution - Zuspitzen der Problemstellung - Verdeutlichen und Bewerten der Lösungskompetenzen 3) Bestätigung der Problemanalyse (Spieler) - Ergänzen der Problemanalyse durch zusätzliche Problemaufdeckung - Bestätigen der Problemanalyse durch Schweigen oder kurze Hörerrückmeldungen 4) Handlungsanweisung zur Problemlösung (Trainer) - Anweisen zur Problemlösung - Benennen der Problemlösungsstrategie - Darstellen der Problemlösungsstrategie - Symbolisieren der Handlungsschritte für Umsetzung der Strategie an der Tafel/ auf Papier - Einfordern von kategoriellen Aktivitäten - Androhen von Sanktionen im Falle der Verweigerung (Auswechslung etc.) - Detaillieren von Handlungsanweisungen (für einzelne Mannschaftsteile oder einzelne Spieler und für die beiden Spielsituationen ‘Ballbesitz für uns’, ‘Ballbesitz für den Gegner’) - Plausibilisieren der Lösungsstrategie (Praktikabilität, Tauglichkeit, Notwendigkeit, Umsetzbarkeit) - Erinnern an das eigene Spielsystem bzw. die präferierte Spielweise - Resymbolisieren des Spielsystems auf der Tafel bzw. auf Papier - Nochmaliges Erklären des Spielsystems (sowohl für Mannschaft wie für Mannschaftsteile) 250 Reden und Spielen - Nochmaliges praktisches Demonstrieren der Strategien an der Tafel bzw. auf dem Papier - Erinnern an die Handlungsschritte für die Destruktion des gegnerischen Spiels wie zur Konstruktion des eigenen Spiels - Verdeutlichen der eigenen Spielweise - Warnen vor und Ablehnen von entgegengesetzten oder individuellen Lösungsproj ektionen - Hinweisen auf bereits in der ersten Halbzeit erfolgte taktische Umstellungen - Plausibilisieren der bereits erfolgten Maßnahmen - Ankündigen weiterer taktischer Umstellungen 5) Verarbeitung der Handlungsanweisungen (Spieler) - Problematisieren der Handlungsanweisungen (Hinweise auf Bedingungen, Veranlassen von Nachfragen) - Ergänzen der Handlungsanweisung - Bestätigen der Handlungsanweisung - Reanalysieren des Spielverhaltens - Plausibilisieren von Handlungsanweisungen 6) Vorbereitung zur Realisierung (Trainer und Spieler gemeinsam) - Mentales Enaktieren der Handlungsschritte durch den Trainer (Durchspielen von einzelnen Spielhandlungen und kompletten Spielzügen aus der Abwehr heraus in den Angriff - Tempogegenstoß bzw. „zweite Welle“ etc. im Handball) - Nochmaliges Symbolisieren und praktisches Demonstrieren der Strategie an Tafel/ auf Papier - Projektieren eines erfolgreichen Handlungsabschlusses in der zweiten Halbzeit - Stabilisieren der Handlungsorientierung durch den Trainer, gelegentlich auch durch Führungsspieler (Wiederholung der Handlungsanweisungen zur Problemlösung für alle Mannschaftsteile, Plausibilisierungen, allgemeine Aufforderungen, Suggerieren der Umsetzbarkeit der Strategie) - Übernehmen der Handlungsorientierung durch die Spieler Die Rhetorik der Trainer 251 7) Auflösung des Handlungsschemas (Trainer und Spieler gemeinsam) - Ergebnissicherung Schließen des Handlungsschemas - Rückleiten in den übergeordneten Aktivitätsfluss Es wurde mehrfach betont, dass der handlungsschematische Orientierungsrahmen zwar die zu bearbeitenden Interaktionsaufgaben und die Menge der Komponenten des Handlungskomplexes benennt. Er gibt jedoch nicht vor, welche Komponenten die Beteiligten in der jeweiligen Interaktionssituation besonders darstellungswürdig erachten und in welcher verbalen rhetorischen Gestaltung sie die Aufgaben mit ihren Komponenten erledigen. Dies ist einer Reihe gesellschaftlicher Erscheinungen geschuldet, die in spezifischer Weise auch im Fußball relevant werden und die Interaktionsvoraussetzungen wie auch die Interaktion selbst beeinflussen. Die unterschiedliche Manifestation der gesellschaftlichen Erscheinungen veranlasst die Beteiligten, die vergangenen Interaktionsereignisse und die gerade ablaufende Interaktion in spezifischer Weise zu definieren. Die Definition der sportlichen Lage wiederum motiviert die Beteiligten, nur bestimmte Komponenten auszuwählen und sie auf rhetorisch spezifische Weise zu gestalten. 6.6 Gesellschaftliche Erscheinungen und ihr Einfluss auf die Gestaltung der Situationen Bei der Beschreibung des Arbeitsbogens und der Interaktionssituationen wurden bereits einige miteinander verknüpfte gesellschaftliche Erscheinungen indirekt genannt, die die Steuerung und Entfaltung der Interaktion etwa auch das sprachliche Handeln der Akteure z.B. bei der Mannschaftsbesprechung, bei den Einzelgesprächen und bei der Durchführung der Halbzeitpause mitbeeinflussen: Dies sind z.B. die Selbstidentitäten der individuellen und kollektiven Einheiten, nicht-handlungsschematisch gesteuerte soziale Prozesse und Aktivitäten nicht unmittelbar beteiligter Akteure, welche institutionellorganisatorische Auswirkungen haben. Eine der Annahmen des symbolischen Interaktionismus ist, dass alle gesellschaftlichen Erscheinungen in Interaktionen hergestellt, aufrechterhalten und verändert werden und interaktive Handlungsabläufe immer Neues hervorbringen, das nicht erwartbar und z.T. nicht antizipierbar ist (vgl. für das Folgende Schütze 1987b). Zum einen stehen interaktive Handlungsabläufe in einem Zusammenhang mit Handlungen anderer Akteure, die zwar an dem interaktiven Handlungsablauf nicht direkt und unmittelbar beteiligt sind, mit ihren Handlungen jedoch Bedingungen setzen. Zum anderen ist die einzelne interaktive Handlung nur eine Handlung innerhalb eines Netzes vieler simul- 252 Reden und Spielen taner, alternativer und sequenziell geordneter voraufgegangener bzw. aufeinander aufbauender interaktiver Handlungen. Des Weiteren unterliegen die Handlungsabläufe der interaktiven Dynamik des Ankündigungs-, Aushandlungs- und Durchführungsprozesses der unmittelbar Beteiligten. Zudem stehen die beteiligten Akteure und ihre Gruppen in einem Wandlungsprozess ihrer Selbstidentität, da sie sich nicht nur biografisch verändern, sondern ihr Lebensrahmen durch die Handlungsabläufe modifiziert wird und sie vollzogene Handlungen bei ihren Folgeaktivitäten berücksichtigen müssen. 6.6.1 Institutionell-organisatorische Bedingungen Unter institutionell-organisatorischen Bedingungen verstehe ich all jene Aktivitäten, Handlungsresultate und Faktoren, die die organisatorische Durchführung des Spiel- und Trainingsbetriebes betreffen. Dies sind z.B. Entscheidungen der den Vereinen übergeordneten Verbände, aber auch der Vereine selbst, etwa der ausgehandelte Status des Spieles: Handelt es sich bei dem bevorstehenden Spiel um ein Trainingsspiel, ein angemeldetes Freundschaftsspiel, ein Pokalspiel oder ein Meisterschaftsspiel, ist es ein Heimspiel oder ein Auswärtsspiel? Nur Meisterschaftsspiele werden nach einem vom Verband festgelegten und von den Vereinen ratifizierten Spielplan in Heim- und Auswärtsspiel, d.h. auf der eigenen wie auf der Spielfläche der gegnerischen Vereine ausgetragen. Gemeinhin gilt sowohl in der Welt des Fußballs wie auch in der Welt des Handballs, dass ein Auswärtsspiel für den Gast einen Nachteil darstellt und reziprok das Heimspiel für den gastgebenden Verein einen Vorteil. Er ist der Verfahrenswaiter, der dem Gast die Kabine zuweist (und im Fußball: die Bälle aushändigt), das Tor bzw. die Fläche zum Warmmachen anweist. Die Spieler der Heimmannschaft sind mit den Schauplätzen und ihren Besonderheiten vertraut, sie haben „ihr“ Territorium, das sich qualitativ oft von dem des Gastes unterscheidet. So ist etwa die Gästekabine meist kleiner und unkomfortabler, und in ihr fehlen Gegenstände wie z.B. Massagebänke oder Demonstrationstafeln, die in der Kabine des Gastgebers vorhanden sind. Das „Gästetor“ z.B. liegt oft von den Umkleiden weiter weg als Tor und Spielfläche, wo sich die Heimmannschaft normalerweise warm macht. Schließlich wird das gastgebende Team fast immer von der größeren Anzahl an Zuschauern unterstützt, die wiederum Schiedsrichter und Linienrichter in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen können. Institutionell-organisatorische Aktivitäten können sich in der verbalen Interaktion bereits auf der Oberfläche darin niederschlagen, dass der Trainer von seiner Mannschaft im nächsten Heimspiel einen Sieg einfordert, da ja von der gastgebenden Mannschaft normalerweise ein Heimsieg erwartet wird. Und gewinnt die Mannschaft ein Auswärtsspiel, in dem man normalerweise schon mit einem Unentschieden zufrieden wäre, so vermag sich allein dies schon modalisierend auf die erste Trainingssitzung nach dem Spiel niederschlagen. Die Rhetorik der Trainer 253 Beispielhaft für die Auswirkungen institutionell-organisatorischer Aktivitäten sei erwähnt, dass bei dem einen der beiden beobachteten Fußballvereine bei einem Heimsieg die im Clubhaus stattfindende Pressekonferenz über Lautsprecher in die Kabinen beider Mannschaften übertragen wurde, bei Niederlagen jedoch nicht. Die Entscheidung des Vereinsvorsitzenden, die Pressekonferenz durchzustellen, wirkte sich selbstverständlich auf die Interaktion der Mannschaft in der Kabine aus. Institutionell-organisatorische Aktivitäten des gastgebenden Vereins müssen vom Trainer des Gastvereins z.B. auch im Hinblick auf die Spielfläche und den Zustand einkalkuliert werden. So können dem gastgebenden Verein mehrere Spielstätten zur Auswahl stehen oder die Bespielbarkeit der Fläche kann sich auf Grund der Manipulationen des Gastgebers möglicherweise ändern. Im folgenden Ausschnitt, der aus einer kollektiven Begrüßung und Darstellung des Trainingsablaufes am ersten Trainingstag nach einem Meisterschaftsspiel stammt, referiert der Fußballtrainer beispielsweise nicht nur auf den letzten Heimsieg der Mannschaft {wir ham wieda son- * klein schritt [...] getan- *2* am- * sonntag-) und einer möglicherweise daraus resultierenden Selbstüberschätzung {wir mein da kann das so- * weV'ta gehni). Er spricht auch die besondere Spielfläche in Knüste an, von der er annimmt, dass man auf ihr das nächste Auswärtsspiel austragen muss. 021 022 023 024 025 026 027 028 Trainer: ’ damit ich da nichts vagessef *3* so wir ham ma wieda son- * klein schritt- *2* klein schritt getan- *2* am- * sonntag- ** und äh- * wir mein da kann das so- * wei'ta gehnf *2* nur wir müssn- * heute schon- * oda in der woche dran denken- ** wenn äh- * wenn wir nach knüste am sonntag- * dass wir da auf ein- * a'ndan platz spielnf * also auf ku"nstrasnf * spieln nich in deele- * sonnan- * in knüste- * auf dem ku“nstrasnplatzf * un da is~ * man gefordat- * sich no‘ch schnelle- * frei" zu machen no'ch schnella- * sich zu zeigen- * dem mitspiela- ** als das vielleicht hier auf diesm rasnplatz häufich ist- ** weil da komm dann- * obwohl wir keine [H-41B] In diesem Zusammenhang müssen auch für den Fußball wichtige klimatische Bedingungen und ihre Auswirkungen auf die organisatorische Durchführung des Spiels sowie ihre Einwirkungen auf die Spielfläche wie auch auf das Spielgerät genannt werden. So kann die Windunterstützung in der ersten Halbzeit den Trainer veranlassen, die Mannschaft zu aggressiverem Spiel anzuhalten, sie in der zweiten Halbzeit aber, wenn man gegen den Wind spielen muss, defensiver einzustellen. Oder er mag seine Spieler bei nassem Boden zu flachen Distanzschüssen auffordern in der Hoffnung, der gegnerische Torwart werde den durch die Nässe schneller werdenden Ball nicht halten. Oder er weist sie bei heißen Temperaturen an, mit ihren Kräften Haus zu halten und diese ökonomisch einzusetzen. Weitere Faktoren können äußere Bedingungen sein, welche die Spielfläche, die Lichtverhältnisse, die Distanz zu den Zuschauerrängen betreffen: Handelt es sich zum Beispiel um eine seinkleine oder sehr große Spielfläche, fällt der Rasenplatz zu einer Seite ab. 254 Reden und Spielen herrschen in der Halle besondere Lichtverhältnisse, stehen die Tribünen sehr dicht am Spielfeldrand, etc. Neben anderen zu nennenden institutionell-organisatorischen Faktoren wie eine vom Verband ausgesprochene Spielsperre für einen Akteur kann z.B. auch eine Rolle spielen, ob der kommende Gegner unter der Woche schon ein Nachholspiel zu bestreiten hatte. Im nächsten Beispiel nimmt der Trainer diesen Umstand zum Anlass, dem Gegner körperliche Defizite zu unterstellen und seine Mannschaft zu einem stürmischen Beginn aufzufordern: 087 088 089 090 091 092 093 Trainer: bis se im spiel sind wolln wir das auch von anfang an nutzend wir sind frisch- * wir sind austrainiert wir ham genügend- * Substanz- * un das wolln wir hier von anfang an- * ei"mal~ ** ausnutznf a'nfangn- * möchlichst wie die weltmeista- * dat heißt von vom- * draufgehn vom hingehn- * und äh- * dann- ** üba die distanz * übale: cht weita spielnf * jaf weil dann wieda zum ende- ** denk ich wir mehr stehvamögn weil se dann wieda einbrechnf ers müssn se sich locka spieln- * dann sind wir weit weg- * un naher müssn wa zusetzn könni * so wolln wa das mal [H-60A] 6.6.2 Das Netz simultaner, alternativer und sequenziell geordneter voraufgegangener bzw. aufeinander aufbauender Handlungen Die beiden Beispiele deuteten bereits an, dass verbales Interagieren immer an einen Kontext anschließt und seinerseits einen neuen Kontext für Folgeaktivitäten bildet. Sprachliches Handeln des Trainers z.B. in der Mannschaftssitzung, in Einzelgesprächen, in der Halbzeitpause besteht z.T. aus kontextualisierenden Referenzhandlungen. 148 Er bezieht sich auf verbalisierte und/ oder im Trainings- und Spielvollzug realisierte interaktive Handlungen seiner Spieler, auf taktische Fehler des Mittelfeldspielers etwa oder aber auf die gute Leistung des Torwarts im Meisterschaftsspiel, auf die rote Karte des Verteidigers am letzten Wochenende oder auf das Interaktionsverhaiten in der gerade laufenden Interaktion. Er bezieht sich auf Aktivitäten der gesamten Mannschaft und auf eigene Handlungen, auf die des Vorstands und auf die von Zuschauern und von Vereinsmitgliedern, auf die des Schiedsrichters oder des Gegners, so wie auch die Spieler auf interaktive Handlungen der Beteiligten referieren. Mal sind in der Halbzeitpause einzelne Handlungen, die zum Spielstand geführt haben, das Referenzobjekt, mal ist es die Spielweise der 148 Zum soziolinguistischen Kontextualisierungskonzept, das seine wesentliche Prägung von Gumperz erfahren hat, vgl. beispielsweise Cook-Gumperz/ Gumperz (1976), Gumperz (1982), (1992a) und (1992b) und den Sammelband von Auer/ Di Luzio (1992). Zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Kontextualisierung und Konversationsanalyse und zum interaktiven Potenzial von Kontextualisierungen im Hinblick auf die Absicherung und Verbesserung der eigenen Beteiligungsweise vgl. auch Schmitt (1993). Zum letzten Punkt vgl. besonders Kallmeyer/ Schmitt (1996). Die Rhetorik der Trainer 255 Mannschaft, die sich über einen größeren Handlungszeitraum erstreckt und aus vielen verschiedenen einzelnen Handlungen zusammensetzt. Oder der Trainer nimmt die voraufgegangene Niederlage des nächsten Gegners zum Anlass in der Mannschaftssitzung zu behaupten, der Gegner sei im Moment angeschlagen. Für die Abwicklung der typischen Interaktionssituationen und Handlungskomplexe aktivieren die Beteiligten bewusst oder unbewusst spezifisches erworbenes Handlungswissen, das sich analytisch als Handlungsschema beschreiben lässt. Ihre jeweilige situative Abwicklung erfolgt jedoch immer in einem spezifischen und sich stets verändernden Kontext und unter der Berücksichtigung, bestimmte praktische Ziele zu erreichen. Dies kann im Extremfall in den Augen des Verfahrenswalters sogar eine Nicht-Durchführung des sozialen Ereignisses sinnvoll erscheinen lassen. So soll bspw. der ehemalige Trainer des Fußballbundesligisten 1. FC Köln, Bernd Schuster, einmal seine Mannschaft „boykottiert“ haben. Schuster soll im September 1998 bei einem Meisterschaftsspiel der Mannschaft nicht zur Halbzeitpause in die Kabine gefolgt sein und soll darauf verzichtet haben, die normalerweise erwartete Spielanalyse und Einstellung auf die zweite Halbzeit durchzuführen. Grund für diese Entscheidung war, dass sein Team nach 16 Minuten mit 0: 2, nach 43 Minuten mit 0: 4 zurückgelegen hatte. Schuster soll der Meinung gewesen sei, dass es „bei so einem Resultat nichts mehr zu sagen gibt. Ich denke, daß die Spieler damit alleine zurechtkommen sollten.“ 149 Zugleich wissen die Beteiligten aber auch, dass ihre Einflussmöglichkeiten beschränkt sind und ihre interaktive Handlung nur eine mehrerer simultaner alternativer Handlungen ist. Ein Spieler muss sich nicht an das halten, was ihm der Trainer anweist, er kann sich abschotten und sich jeder Interaktion verweigern auch wenn dies wegen der Gefährdung für die Binnenreziprozität und des daraus drohenden Misserfolgs in der Regel vom Trainer und in abgeschwächter Form auch von der Mannschaft sanktioniert wird. Und Trainer und Mannschaft sind ja nicht die einzigen „Mitspieler“ in der Wettkampfauseinandersetzung. An der Interaktion auf dem Spielfeld wirken ja auch die Spieler des Gegners und deren Trainer mit. Der gegnerische Trainer kann bspw. durch seine Aktivitäten in das Spiel eingreifen, indem er Spieler aus unteren Mannschaften einsetzt oder die Positionen in der Mannschaft vollkommen anders besetzt, als dies normalerweise erwartbar gewesen wäre. 149 Kramer, Jörg: „Ein Weltmann auf dem Weg nach Elversberg. Bernd Schuster und der 1. FC Köln sind nach dem Debakel gegen St. Pauli an einem Punkt, ‘wo's runter nimmer weitergeht’“. SZ v. 16.9.98. 256 Reden und Spielen 6.6.3 Selbstidentitäten und biografische Prozesse Die Selbstidentität eines jeden auf dem Schauplatz befindlichen Akteurs ist einem fortlaufenden Veränderungsprozess mit einer eigenen innerpsychischen und zeitlichen Struktur unterworfen. Sie ist zunächst in der Interaktion mit signifikanten Anderen in der Familie und mit Gleichaltrigen geschöpft worden, erfährt in späteren Interaktionen mit weiteren signifikanten Anderen markante aspektuelle Wandlungen, unterliegt jedoch auch in jedem Handlungsvollzug spezifischen Veränderungen. Einerseits ist sie je „individualhistorisch-biographisch“ (Schütze 1987b, S. 524), andererseits unterliegt sie den jeweiligen sozialen Bezügen. Wenn Trainer und Spieler also miteinander interagieren, so haben sie es mit unterschiedlichen Manifestationen von individualhistorisch-biografisch geprägten reflexiven Selbstidentitäten und biografischen Prozessen zu tun, die bestätigt, aufrechterhalten oder modifiziert werden können. Darüber hinaus formen der Spieler mit seinem Trainer, die Mannschaft mit dem Trainer sowie die Mannschaft unter sich eine spezifische reflexive Selbstidentität, die immer wieder neu hergestellt, gesichert und den jeweiligen Anforderungen angepasst wird, um kollektives Handeln zu ermöglichen. Unter Umständen können diese Manifestationen der Selbstidentität jedoch auch die Interaktion erschweren oder gar zu einem Abbruch der Kommunikation führen. Beispielhaft sei ein Fußballtrainer zitiert, der von einem seiner Spieler, den er bereits als Jugendlicher trainierte, die Einschätzung hat: ja thorsten den kenn ich schon- * so lange— * da kommt nix. Der angesprochene Spieler wiederum entwirft folgendes Bild von diesem Trainer: der beachtet dich nich so und- ** das is schon bitter wenn— * wenn de- * an der Seitenlinie stehst machst dich ne halbe stunde warm un dann kommt einer rein ähm- ** der eimal- * inner woche trainiert und- ** du- * du trainierst dann dreimal in der woche- * is das schon bitter wenn der vor dir eingewechselt wird\? rceT [...] deswegen weiß ich au nich im- * wo ich im moment steh']' * bei ihm. Der Vollzug der verbalen Interaktion zwischen Trainer und Spieler hängt also auch davon ab, wie die Mannschaft zusammengesetzt ist, welche Geschichte jeder Einzelne hat, welche gemeinsame Geschichte die Spieler und der Trainer haben, welche Selbstidentitäten sie aufgebaut haben bzw. wie sie diese jeweils interaktiv darstellen und wie die Selbstidentitäten von den an der Interaktion Teilnehmenden ratifiziert und modifiziert werden. Aspekte der Selbstidentität werden in den Augen der Beteiligten nicht nur verbal manifestiert. Sie lassen sich u.U. quasi objektiviert auch am Tabellenplatz festmachen (vgl. die Traineräußerung aus einer Mannschaftssitzung: weil der letzte sin wir ja nwni). 150 Und auch die Leistung der Spieler, also die Art des Vollzugs nicht-sprachlicher interaktiver Handlungen im Spiel 150 Zur Bedeutung der Tabelle als „situationsübergreifende Leistungsverortung“, die eine „Selbstverortung der eigenen Mannschaft im Ligaverbund“ erlaube, sowie zu den Auswirkungen der Tabellenposition auf die Bedeutung von Sieg und Niederlage vgl. auch Paris (1983), S. 157. Die Rhetorik der Trainer 257 und Training kann als eine Form der Manifestation von Selbstidentität verstanden werden. So wurde der gegnerische Trainer Freese durch die Spielweise seiner Spieler dazu veranlasst, ihnen in der Pressekonferenz, die im Vereinsheim stattfmdet und in die Spielerkabinen übertragen wird, mangelndes Verständnis der sportlichen Lage und der Bedeutung des Spiels vorzuwerfen und ihnen Vorsatz zu unterstellen. Nach der Pressekonferenz, die von den mithörenden siegreichen Fluker Spielern mit Freude kommentiert wurde (s.u.), reichte der zitierte Trainer dann auch tatsächlich seinen Rücktritt ein. 606 Freese: Situation läuft für uns sicherlich nichts zusamm nur so wie wir in=n ersten fümmen- KK: PRESSEKONFERENZ IM VEREINSHEIM 607 Tobias: KK: du schwitzt jaf INDER KABINE 608 Freese: vierzich minutn gespielt ham~ * das war beschä: mendt man mu''ss fa'st a'nnehm- * KK: PRESSEKONFERENZ IM VEREINSHEIM 609 Köddel: keine lusl hattnf KK: IN DER KABINE 610 Freese: dass einige leute-* ehrlich nich wissn worum es geht und-* das is das- KK: PRESSEKONFERENZ IM VEREINSHEIM 611 ? : hm KK: IN DER KABINE 612 Freese: was ich nicht ni'cht akzeptie"re4- ** u: nd~ * ich muss mir einfach gedankn machnt KK: PRESSEKONFERENZ IM VEREINSHEIM [H-39B] An dem präsentierten Beispiel ist abzulesen, dass die Spieler die Auffassung des gegnerischen Trainers teilen, dass die Art des Auftretens seiner Mannschaft Rückschlüsse auf ihre innere Einstellung zulasse. Denn Köddel produziert in Zeile 609 einen Einwurf, der die an dieser Stelle noch nicht abgeschlossene Äußerungsstruktur von Trainer Freese auf grammatisch und inhaltlich sinnvolle Weise ergänzt. Er, Köddel, ist der Meinung, dass einige der gegnerischen Spieler keine Lust hattnl. Die Beteiligten manifestieren in der Interaktion Aspekte ihrer kollektiven Selbstidentität aber nicht nur nach innen (Binnenreziprozität), sondern auch nach außen, wie dies exemplarisch folgender Ausschnitt aus einem ethnografischen Interview mit einem Schwarzberger Spieler belegt. Das Bild, das er vom BSV Ederbach entwirft, ist mehrfach gebrochen. Es berücksichtigt verschiedene Perspektiven (u.a. die Perspektive des fremden Spielers, des fachkundigen Publikums und des fachunkundigen Publikums), es orientiert sich an organisatorischen Besonderheiten des ehemaligen Zweitligisten, es strahlt aus auf das Bild von den dort spielenden Fußballern, es spiegelt implizit wieder zurück auf das Bild seines Vereins, der ihm all dies nicht nicht bieten kann, und schließlich auf sich selbst als Spieler in Schwarzberg: 258 Reden und Spielen Spieler: man vaglei'cht eigentlich au nich so die kla'sse sondern man vergleicht e“derbach jetz dire'kt mit schwa“rzberg4kuck zwei'te li'ga gespie'ltJen großes sta“dionl du kriegst deine sa“chen gewa'schni du kriegst trai"ningsanzüge4' du krie'gst deine schu'he- * un das is einfach auf- * trai’ningsbedingungn du fühlst dich einfach- * wenn du in e'derbach spielst wie- * wie wie wie einer von de": n die da die irgendwo- * bündesliga oda o“baliga oda so“ fußball spielnJweißte wie einer von den- * von den nich- * nicht- * niedrigen sp/ nie"drig spielenden von diesn nicht dürchschnittlichen fußballern4' -»sondern du bist eigentlich schon was geho'benes-l' du spielst in e"derbach4<- ** un- * in schwa'rzbergt ** gut- * leu'te die a“hnung ham4- * die äh die ri/ die also die süchkenn/ oder f: a"chlich fachliche ke'nntnisse ham4un die die sich mit den spielklasn un so aüskennl * -»wenn de den sa'chst du spielst in schwa'Yzberg dann wi"sen die au"ch dass de verbä'ndsliga spielst4<aba- * eina der nich so viel a'hnung davon hat -»der sacht ja to“ll4du spielst in schwa"rzberg4 auf irgendsom ka"ff4<- * phhh net aba wenn du sachst du spielst in e"derbachf * dann weiß der schon dass du füßball spieln kannstt [SCH-35A] Jede Mannschaft baut von den gegnerischen Mannschaften bzw. von den gegnerischen Schauplätzen ein je spezifisches Bild auf. Es gibt Teams und Stadien, von denen die Beteiligten annehmen, sie kämen ihnen regelmäßig entgegen. Hinwiederum gibt es andere Mannschaften (sogenannte „Angstgegner“) oder Orte, die in der Erinnerung der Spieler ihnen noch nie einen Sieg ermöglicht hätten: is genau so äh äh~ * wie höfken da zeign wa auch negates spiel imma un valiern imma-l. Neben dem über längere Zeiträume angesammelten und tradierten Wissen über den Gegner rufen die Beteiligten auch Identitätsaspekte auf, die sie dem Gegner zuschreiben und die sich für sie aktuell z.B. in der Tabelle, aber auch in den letzten Meisterschaftsspielen manifestiert haben. Die momentane Tabellenführung des nächsten Gegners ist der Bezugspunkt für den Trainer des Tabellenvorletzten, dass er im folgenden Beispiel die Aufgabe, gegen den Tabellenführer antreten zu müssen, zunächst als vielleicht riesengroß bezeichnet (im Sinne von „kann sein, dass wir gegen die keine Chance haben, weil die Unterschiede zu groß sind“). Der Tabellenführer hat aber das letzte Meisterschaftsspiel verloren und droht die Führung abgeben zu müssen. Deshalb kann der Trainer in der Folge die Aufgabe als dankbar darstellen und vom Gegner das Bild eines angeschlagenen Spitzenreiters entwerfen: 124 125 126 127 128 129 Trainer: äh- ** wir ha“m~ * mo'rgn- * ein spiel- * was äh- ** viellei’chtt ** riesngro“ß erschein kann- * aba auch da'nkbar sein kann- * gegn ein spitznreita zu spieln der- * in diesm fall- * abgeschlagen ist- * und ich habe hier schon dem ein oda andan gesagt wenn- * bei den- * noch=n bisschn unruhe- * mehr da is~ * * unn bei uns noch=n bisschn dazu kommt von norderstadt- * dann sind auf eimal die untaschiede nich mehr so größt- [H-26A] Desgleichen ist wohl aber auch neben den genannten Faktoren eine jeweils individuelle genetische Prägung des Charakters der Beteiligten nicht auszuschließen, welche ihre Interaktionsgestaltung beeinflusst. Die Rhetorik der Trainer 259 6.6.4 Soziale Prozesse Der strukturelle soziale Prozess zwischen Trainer und Mannschaft aber natürlich auch der soziale Prozess zwischen ihnen und den übrigen Beteiligtengruppen, wie er sich in den Handlungs- und Arbeitsabläufen und in dem gemeinsam verbrachten Lebenszeitraum vollzieht, kann eigendynamische Gestalt annehmen. Diese Eigendynamik kann dazu führen, dass der soziale Prozess innerhalb des aufgebauten sozialen Rahmens nicht ausschließlich handlungsschematisch bearbeitet, eingedämmt und kontrolliert werden kann wie zum Beispiel Erleidensprozesse (vgl. Schütze 1987b, S. 525). Während die Beteiligten diese sozialen Prozesse durchlaufen, ändert sich der Zustand ihrer Identität im Hinblick auf ihre Erlebnis-, Interpretations- und Handlungsfähigkeiten. Von Trainer und Mannschaft wird gemeinhin erwartet, dass sie kooperieren und dass sich ihre Zusammenarbeit positiv niederschlägt mindestens in einer Sicherung und gegebenenfalls in einer Verbesserung der Spielklasse, des Tabellenplatzes, des individuellen und kollektiven Spielniveaus. Die institutioneile Organisation des Fußballs bzw. Handballs im regelgeleiteten Spielbetrieb bringt mit sich, dass mehrere autonome Beteiligte sich auf der Spielfläche aufhalten, die die Durchführung der eigenen interaktiven Handlungen durch das Einbringen anderer nicht-erwartbarer interaktiver Handlungen komplizieren oder verhindern. Das kann sich z.B. in einem negativen Spielergebnis ausdrücken und Erleidensprozesse auslösen. Denn in den Augen der Beteiligten stellt sowohl das einzelne Spielergebnis als auch die aus der Summe der Ergebnisse resultierende Tabelle eine quasi-objektive Grundlage zur Bilanzierung des laufenden sozialen Prozesses und der Identitätszustände dar. Eine Serie von mehreren Niederlagen in Folge kann bedeuten, dass der Trainer um seinen Posten fürchten muss. Er muss damit rechen, dass die verfahrensmächtigen Vereinsverantwortlichen ihn und die Mannschaft in einem Stadium des sozialen Prozesses wähnen, in dem vor allem er seine Aktivitäten nicht mehr kontrolliert autonom und wirksam zu steuern vermag. Diese Befürchtung kann sich beispielsweise explizit in einem Einzelgespräch zwischen Trainer und Spieler wie im folgenden Beispiel niederschlagen: jetz ham=wa zweimal valorn- * un wenn wa heut dies spiel valiern * sieht=s natüllich nich besonders gut ausi * un vor alln dingn au nich für michi * du hass ja gestern a: md gesehn wie=s auch im bezahltn fußball geht t * ne mannschaft gibt sechs siebn glasklare schangsn'l * gibt se nich- * is leider so im fußball- ** muss der traina sein hut nehmi ** weiß zwar nich wie das hier is~ * aba ich sach ma ich rechne damiti ** nee sach ich ma ganz offen un ehrlich dass das mir an=n kragn geht-l Ebenso mag aber auch der Umstand, dass die auf dem vorletzten Tabellenplatz stehende Mannschaft zwei Siege hintereinander errungen hat, den Trainer zu der Annahme verleiten, seine Mannschaft befinde sich in einem gefährlichen Stadium des sozialen Prozesses. So kann er den Eindruck gewon- 260 Reden und Spielen nen haben, das Team befinde sich in einem Zustand der Überheblichkeit, der es daran hindere, die Komplexität der sportlichen Lage und die Relevanz der nächsten Aufgaben klar zu erkennen. Doch nicht nur die Resultate der Spiele können Identitätskrisen und die Eigendynamik sozialer Prozesse befördern. Ein jüngerer Spieler bspw., besonders wenn er gerade aus dem Jugendbereich gekommen ist, unterliegt in der Regel viel stärkeren Formschwankungen als ältere Spieler. Trainer verordnen mit Rücksicht auf den jüngeren Spieler und mit Rücksicht auf die Mannschaft dem jüngeren Spieler immer wieder Erholungsphasen, die dem Selbstbild des jungen Spielers und seinen individuellen Interessen widersprechen können. Die Handlungsweise des Trainers kann dem Ich des Spielers so fremd und unverständlich sein, dass er die schützenden Aktivitäten des Trainers als kontinuierliche Beschneidung seiner natürlichen Entwicklung interpretiert. Um ein anderes Beispiel zu geben: Ein Ersatzspieler kann durch die mehrfache Nichtberücksichtigung durch den Trainer zu der Vermutung verleitet werden, der Trainer zweifle an seinen sportlichen Fähigkeiten und werde ihm nie Gelegenheiten zur Demonstration seiner Qualitäten einräumen. Ebenso mag ein Führungsspieler an seinen Fähigkeiten zweifeln, wenn ihm nicht nur in einem Spiel, sondern über einen längeren Zeitraum Aktionen misslingen, die er zuvor mühelos beherrschte. Oder der neu zum Verein gewechselte junge Spieler erhält nach einigen Wochen den Eindruck, sich auf Grund der Aktivitäten gerade der älteren Mitspieler nicht in den Kader integrieren zu können. Ebenfalls können Mannschaft und Trainer in Erleidensprozesse stürzen, wenn sich mehrere Stammspieler gleichzeitig oder kurz hintereinander verletzen und ihr Fehlen die Mannschaft auf längere Zeit schwächt. Zum mannschaftsinternen sozialen Prozess kommen aber auch im längeren Verlaufe der Spielzeiten und im konkreten Verlauf des Meisterschaftsspiels die jeweiligen sozialen Prozesse mit der gegnerischen Mannschaft und mit dem Gegenspieler sowie mit dem Schiedsrichtergespann hinzu. Die folgende auf die Leistung des Schiedsrichters referierende Äußerung eines Schwarzberger Spielers in der Halbzeitpause spiegelt seine Definition des sozialen Prozesses mit dem Schiedsrichter als problematisch wider: der kost mich nervn- [...] der schwarzkiddlX * der der is doch net ganz knusberdi is der doch nichi Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die genannten gesellschaftlichen Erscheinungen also institutionell-organisatorische Bedingungen, die simultanen und sequenziell geordneten voraufgegangenen bzw. aufeinander aufbauenden Handlungen der übrigen Beteiligten, die Selbstidentitäten und biografischen Prozesse sowie die sozialen Prozesse die Interaktion der Beteiligten im Fußball mitsteuern und beeinflussen. Die jeweilige Konstellation dieser Erscheinungen und andere Faktoren können den Trainer dazu veranlassen, dass er seine momentane Situation und die seiner Mannschaft als spezifische sportliche Lage definiert, was ihn zu der Wahl bestimmter verbaler Mittel greifen lässt. Die Rhetorik der Trainer 261 6.7 Das Konzept der Defmierung der sportlichen Lage durch den Trainer - und wie es sich auf das Handlungsschema und die Darstellungsstrategie auswirkt Die analysierten Transkripte zeigen, dass die interaktionsdominanten Trainer sehr variabel dabei verfahren, welche Teilkomponenten des Handlungsschemas sie aktivieren und welche rhetorischen Darstellungsstrategien sie wählen. Die Aktivierung der Komponenten und die Wahl der rhetorischen Strategie erfolgt offensichtlich auf Grund eines kognitiven Prozesses, der sich als Prozess der „Defmierung der sportlichen Lage“ benennen lässt. 151 Unter „sportlicher Lage“ verstehe ich den spezifischen dynamischen Situationsrahmen, der sich aus der Summe aller sozialen Faktoren und Erscheinungen ergibt. Der Prozess der Defmierung der sportlichen Lage, d.h. der Zuschreibung eines spezifischen Sinns, lässt sich am Beispiel der Trainer so darstellen: Ich habe gesagt, dass sich die verbale Interaktion der Beteiligten an verschiedenen Schauplätzen bei der Bearbeitung unterschiedlicher Handlungskomplexe, die zusammen den Arbeitsbogen ausmachen, vollzieht. Die situative Spezifik des konstituierten Handlungsereignisses ist bestimmt durch seine Position innerhalb der routinisierten Arbeitsabläufe. Die situative Besonderheit des Ereignisses ist aber auch bestimmt durch seinen Zeitpunkt innerhalb des konkreten Arbeitsprozesses. Und er ist bestimmt durch eine spezifische Konstellation gesellschaftlicher Phänomene in der sozialen Welt des Fußballs andererseits. Damit meine ich z.B. einen Rückstand, den Tabellenstand, Verletzungen der Spieler, den Status des Meisterschaftsspiels, das Selbstbild, den soziobiografischen Prozess des Trainers, den des einzelnen Spielers etc. Die jeweilige Konstellation der Erscheinungen löst bei den Trainern kognitive Prozesse aus, in deren Verlauf sie Bestände geteilten sozialen Wissens aktivieren. Die Definition der sportlichen Lage variiert also je nach der Spezifik der Situation und je nach den Arbeitsanforderungen, die an die Akteure gestellt sind. Das heißt beispielsweise, dass die Definition der sportlichen Lage in der Halbzeitpause eine andere ist als noch vor dem Spiel in der Mannschaftssitzung. Auf Grund der zeitlichen Nähe zum Handlungsereignis des Wettkampfspiels ist die Defmierung der sportlichen Lage kurz vor einem Spiel und in der Halbzeitpause in der Regel relevanter als etwa bei der Mannschaftssitzung am letzten Trainingstag oder beim geselligen Beisammensein. Denn das Wettkampfspiel gilt der Vereinsführung und der Öffentlichkeit als offizielle Überprüfung des sportlichen Leistungsvermögens und des sozialen Status der Mannschaft und liefert ein quasi objektives Ergebnis. 151 Die Vorstellung der „Definierung der sportlichen Lage“ knüpft an die Vorstellung der Situationsdefmition des Soziologen W.I. Thomas an (vgl. LZS, S. 142), fokussiert jedoch enger die Sinnzuschreibung der Situation in der sozialen Welt des Fußballs bzw. des Handballs. 262 Reden und Spielen Die geteilten sozialen Wissensbestände können sich auf alle Beteiligten und alle Erscheinungen in allen genannten Handlungsereignissen beziehen: Auf die eigene Mannschaft, auf die eigenen Spieler, auf den Gegner, auf den Schiedsrichter, auf den Vorstand, auf die Zuschauer, auf das spielerische und taktische Verhalten der eigenen Mannschaft und das des Gegners, auf den Saisonverlauf oder auf den Spielverlauf. Die Aktivierung geteilter sozialer Wissensbestände über die Beteiligten und die Erscheinungen bringt eine Defmierung des qualitativen Status der momentan sich vollziehenden Interaktionssituation z.B. als ‘bedrohlich’ oder ‘gefährlich’ mit sich. Die Situationsdefinition führt entweder zur Bestätigung des angestrebten Handlungsziels oder zum Korrigieren des Handlungsziels. Darauf folgt die Bestätigung oder Modifizierung des Aktivitätsprogramms oder die Generierung eines neuen Aktivitätsprogramms. Dieses Aktivitätsprogramm, das der Trainer für die Mannschaft - und mit ihr — entwirft, das er mit ihr umsetzt und verändert, resultiert aus den Unterstellungen, wie der Entwicklungsprozess der Mannschaft verlaufen wird. Von diesem Aktivitätsprogramm nimmt der Trainer selbstverständlich an, damit die Mannschaft so einstellen zu können, dass sie das Handlungsziel erreicht. Es gliedert sich in mehrere Arbeitsschritte, die organisiert und koordiniert werden müssen. Komplexere Aktivitätsprogramme, die nicht nur aus der Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben, sondern auch aus der Komplexität der Rollenerwartungen (vgl. Abschnitt 4.2.4) resultieren, bilden einen Arbeitsbogen (vgl. Strauss 1985). Die Definition der sportlichen Lage ist zusammen mit Faktoren wie individuelle rhetorische Fähigkeiten und Präferenzen sowie innerpsychische z.B. emotionale Zustände schließlich verantwortlich dafür, mit Hilfe welcher rhetorischen Strategie der Trainer seinen Spielern das Aktivitätsprogramm, also das Programm der kollektiven und individuellen Handlungsaufgaben präsentiert. 6.7.1 Rhetorische Darstellungsstrategien in der Mannschaftssitzung am Spieltag Im Folgenden wird an Beispielen aus Mannschaftssitzungen, Einzelgesprächen und der Halbzeitpause analysiert, welche rhetorischen Darstellungsstrategien die Trainer für das Einstellen auf die nächste Aufgabe auswählen und mit welchen rhetorischen Mitteln sie diese Strategie bilden. Es wird zu fragen sein, welche Definition der sportlichen Lage die rhetorische Strategie voraussetzt bzw. welche Definition die Trainer mit ihrer Strategie in der Interaktion mit den Spielern etablieren und mit welchen geteilten sozialen Wissensbeständen sie dies tun. Des Weiteren ist zu fragen, welche spezifischen Handlungsziele sie damit innerhalb des Aufgabenrahmens „Einstellen“ verfolgen, ob es sich um eher kooperative oder eher konfrontative Strategien handelt und welche Chancen und Risiken in der Wahl dieser rhetorischen Mittel liegen. Die Rhetorik der Trainer 263 Die rhetorische Feinanalyse erfolgt beispielhaft an zwei Strategien, am „Dramatisieren der sportlichen Lage“ (vgl. Abschnitt 6.7.1.1) und am „Instruieren“ (vgl. Abschnitt 6.7.1.2). Um zu zeigen, dass die Trainer diese Strategien nicht zufällig, sondern Stück für Stück in der Interaktion entwickeln und sequenziell gestalten (m.a.W.: dass sie die Strategien bewusst ins Spiel bringen), wird ein 22bzw. 24-zeiliger Ausschnitt aus einer Transkription detailliert analysiert. Die gesprächsanalytischen Feinanalysen werden jeweils am Ende zusammengefasst. Die weiteren Strategien werden dagegen weniger ausführlich dargestellt werden. 6.7.1.1 Das „Dramatisieren der sportlichen Lage“: sozialer Rahmen, Verlaufsbeschreibung und Analyse der Sitzung Zum sozialen Rahmen der Sitzung: Warum Schwarzberg das Spiel gegen Grobach gewinnen muss Um die rhetorische Darstellungsstrategie von Trainer Brünger in der Mannschaftssitzung am Wettkampftag vor dem Spiel gegen Grobach angemessen würdigen zu können und zu erkennen, welches Hintergrundwissen er für sich und die Spieler aktiviert, ist es wichtig, einige Bemerkungen über die Vorgeschichte zu machen. Sie beziehen sich auf die gegenwärtige schlechte Platzierung des SC Schwarzberg in der Tabelle und auf die Ursachen, die zu der Platzierung geführt haben. Diese sind der Weggang erfahrener Spieler, die Auffüllung des Kaders mit jungen unerfahrenen Spielern, ein neues Spielsystem, eine nicht-optimale Vorbereitung, ein schlechter Saisonstart, die Rückkehr zum alten Spielsystem, Verletzungspech, unerwartete Leistungskrisen der Leistungsträger, die Unzufriedenheit von Spielern mit dem Verein und mannschaftsinteme Probleme. Kurz und knapp: Bei Schwarzberg ist im Moment „der Wurm drin“, die sportliche Lage ist bedrohlich auch für den Trainer. Das Meisterschaftsspiel des SCS 152 gegen Grobach findet Ende November am 16. Spieltag statt, dem zweiten Spieltag der Rückrunde, und ist für den SCS ein Heimspiel. Weil das letzte Spiel der Schwarzberger jedoch wegen der schlechten Witterung ausfallen musste, handelt es sich faktisch erst um das fünfzehnte Saisonspiel insgesamt. Gegner wird der OSC Grobach sein, der als Aufsteiger aus der Landesliga seine erste Saison in der Verbandsliga bestreitet. Trotz dieser geringeren Erfahrung stehen die Grobächer in der Tabelle zwar nicht gut, aber als Tabellendreizehnter immerhin besser als der bereits seit einigen Jahren in der Verbandsliga spielende SC Schwarzberg da. Der SCS belegt nämlich als Tabellenletzter den 16. Platz, hat zwar bislang recht viele 152 Vgl. auch die in der Zusammenfassung der Ethnografie auftauchenden Bemerkungen über den Verein in Kapitel 4 dieser Arbeit. 264 Reden und Spielen Unentschieden errungen, aber auch erst ein Spiel gewonnen. Mit einer einstelligen Punktzahl liegen die Schwarzberger nach dem 15. Spieltag einen Punkt hinter dem Vorletzten Eintracht Haasen, vier hinter dem Drittletzten TG Rossheim und bereits sechs hinter den Grobächem zurück. Das Spiel ist, wie Schwarzbergs Trainer Brünger in der Mannschaftssitzung nach dem letzten Training im Vereinsheim gesagt hatte, ein hellerderby. Entweder gelingt seinem Team ein Sieg und damit eine Verringerung der Punktedifferenz in der Tabelle, was langfristig bedeuten könnte, den Sprung in die Tabellenmitte zu schaffen - oder aber die Mannschaft verliert und muss sich damit abfmden, wahrscheinlich keinen Nichtabstiegsplatz mehr erreichen zu können. Als letzte Hoffnung bliebe dann nur noch ein Relegationsplatz, der nach der Saison zu Ausscheidungsspielen mit den Tabellenzweiten der Landesligen berechtigte. Die sportliche Lage hatte Brünger daher in der Sitzung nach dem letzten Training wie folgt kategorisiert: 045 Brünger: 046 047 048 Brünger: 049 ? : KK: können uns auf nen relegatio'nsplatz konzentrierend * weil der abstand wi“rd also da"nn schon ziemlich trama'tischd * das heißt jeder einzelne spieler von u“ns müsste genau"- * sich je'tzt spälestensd * dadrüber im kla'ren sein wasam so'nndag auf=m spie“l stehtd * wenn wir den a'nschluss ans u'ntere #( )# »FLÜSTERND # 050 Brünger: triltel- * schaffen wollen- * dann mu"ss gegen gro"bach zu hab'se 051 ? : # # KK: »FLÜSTERND # 052 Brünger: [SCH-17A] gewo'nn werdend * so un wa"s grobach mi't nach hie"r pringtda kann sich Die Ursachen, die zu der schlechten Tabellenposition geführt haben, sind vielfältig. Kurz vor dem Saisonbeginn war der junge Torjäger, obwohl er seine Arbeitsstelle über den Verein erhalten und bereits seine Zusage gegeben hatte, ein weiteres Jahr für Schwarzberg zu spielen, abgesprungen. Er war innerhalb derselben Liga zu einem der Meisterschaftsfavoriten gewechselt, der ihm mehr Geld geboten hatte. Dieser Torjäger hatte in der Saison zuvor fast 30 Tore erzielt und war einer der Leistungsträger in der Schwarzberger Mannschaft gewesen. Den Ausfall hatten die Schwarzberger in der Kürze der Zeit nicht mehr kompensieren können. Das Fehlen eines richtigen Torjägers macht sich darin bemerkbar, dass der SCS mit Abstand die wenigsten Treffer erzielt hat: Pro Spiel ca. nur ein Tor, während die übrigen Mannschaften in der Spielklasse durchschnittlich zweimal pro Spiel ins Tor treffen. Im Sommer hatte außerdem Gregor, Stammspieler in der Abwehr, Anfang dreißig und für die Mannschaft eine ihrer Führungsfiguren, seine Karriere beendet. Zum SC waren dafür drei sehr junge Spieler gestoßen, ein offensiver und zwei defensive Mittelfeldspieler. Zwei von ihnen waren gerade erst aus Die Rhetorik der Trainer 265 der A-Jugend eines Regionalligavereins in die Seniorenklasse aufgerückt. Außerdem hatte sich der Mittelfeldspieler Ralf Biebe dem Verein angeschlossen, der zuvor bei dem Klassenkonkurrenten Vorwärts Ederbach gespielt hatte. Insgesamt umfasste der Kader zu Saisonbeginn 18 Spieler. Zum Verlust der beiden prägenden Spieler war ein unglücklicher Saisonstart hinzugekommen — dabei hattte man sich das Ziel gesetzt, in der Tabelle unter den ersten fünf, sechs Mannschaften zu landen. Trainer Brünger, im vierten Jahr in Schwarzberg tätig, hatte die taktische Defensivvariante der Viererkette und das rigorose Anwenden der Abseitsfalle einführen wollen, um die taktische Weiterentwicklung seiner Mannschaft anzustoßen. Mit diesem System hätte er im Mittelfeld offensiver und spielbestimmender agieren können als mit dem herkömmlichen tiefgestaffelten Spielsystem, bei dem der Libero hinter zwei Manndeckern und drei defensiven Mittelfeldspielern agiert. Bislang hatte Brünger immer dieses defensivere System spielen lassen. Während der Vorbereitungsphase hatte der Trainer bereits erkennen müssen, dass einige Defensivspieler der Mannschaft zu langsam sind, um die Abseitsfalle aufzustellen bzw. dass sie die kognitiven Anforderungen, die die taktisch anspruchsvollere Viererkette an sie stellt, nicht erfüllen. Nicht förderlich war zudem, dass einige Spieler während der Vorbereitungsphase in den Urlaub gefahren bzw. durch den Wehrdienst verhindert gewesen waren. In den ersten Meisterschaftsspielen, in denen Schwarzberg u.a. gegen zwei der Aufsteiger anzutreten hatte und die man leicht zu gewinnen glaubte, hatten sich Pech, eigenes Unvermögen im Sturm und in den Augen der Schwarzberger - Fehlentscheidungen der Linienrichter hinzugesellt. Die Spiele wurden fast alle knapp verloren, sodass Brünger das neue Spielsystem schnell absetzte und das alte System mit dem Libero der Viererkette wieder einführte. Der schlechte Saisonstart und der Sturz an das Tabellenende führten zur Verunsicherung und Orientierungslosigkeit der Mannschaft. Viele der Heimspiele, sonst eine Domäne der Schwarzberger, wurden verloren oder endeten mit einem Unentschieden. Obwohl diese Unentschieden vor allem gegen Mannschaften der Tabellenspitze errungen wurden, konnten sie nur wenig zur Stabilisierung und Verbesserung der Lage beitragen: Das liegt daran, dass nach der Einführung der Drei-Punkte-Regel für einen Sieg die weiterhin mit einem Punkt vergüteten Unentschieden relativ gesehen nur noch geringeren Wert haben. Zu allem Unglück hatten sich aus der Stammelf zwei Offensivspieler, der einzig noch verbliebene „echte“ Stürmer und der Spielmacher, verletzt. Während der Offensivspieler inzwischen wieder gesund ist und langsam zu alter Form findet, fallt der Stürmer bis zur Winterpause aus. Ein weiterer Stammspieler aus der Abwehr kann auf Grund von Gesundheitsproblemen nur unregelmäßig trainieren und eingesetzt werden. Obendrein bringen die beiden Führungsspieler aus dem Defensivbereich, Libero Tim und der defensive zentrale Mittelfeldspieler Torsten, nicht die Leistung, die man sich von ihnen erwartet hatte. Torsten und seine Frau haben vor kurzem 266 Reden und Spielen ein zweites Kind bekommen und kämpfen mit Organisationsproblemen in der größer gewordenen Familie. Tim ist mit seiner beruflichen Lage unzufrieden, was mit dem Verein zusammenhängt. Sein Arbeitgeber, ein ehemaliger Sponsor der Schwarzberger, hatte wegen konjunktureller Schwierigkeiten alle Gehälter um 20-30% senken müssen. Trotz gegenteiliger Beteuerungen konnte der Verein keine bessere Arbeitsstelle für Tim finden. Mittlerweile schaut sich der Libero selbst nach einer anderen Arbeitsstelle um einen Vereinswechsel schließt er nicht mehr aus. Die Stimmung im Verein ist zusätzlich dadurch belastet worden, dass mehrere Zuschauer ihren Unmut über Kapitän Torsten geäußert haben und ihm den Vorwurf machen, er könne das Schwarzberger Spiel nicht gestalten. Sie forderten seine Versetzung auf die Ersatzbank, was Trainer Brünger jedoch ablehnte. Stattdessen nahm er Torsten aus der Schusslinie und übertrug ihm die Liberoposition. Dafür beorderte Brünger den ehemaligen Libero Tim für Torsten ins Mittelfeld. Das hatte wiederum Tim nicht begeistert. Das Festhalten Brüngers an Kapitän Torsten, das missglückte Experiment mit der Viererkette und den Misserfolg nehmen inzwischen einige Vereinsmitglieder zum Anlass, die Entlassung des Trainers zu fordern. Zwar betonen die Verantwortlichen im Verein, dass man nicht daran denke, da man Brünger den Aufstieg in die Verbandsliga verdanke. Doch ist dies keine Garantie dafür, dass Brünger nicht doch eines Tages seinen Trainerposten wird räumen müssen. Ärger hat dem Trainer außerdem Ralf Biebe bereitet, der eigentlich ein technisch sehr begabter Fußballer, ein potenzieller Leistungsträger und daher einer der Besserverdienenden im Team ist. Während vieler Meisterschaftsspiele hat sich Ralf aber nicht an seine taktische Aufgabe gehalten und dadurch seine Nebenspieler verunsichert. Ralf zeigte sich in den Augen des Trainers nicht einsichtig und führte andere Gründe an: Er, Ralf, werde nicht auf der richtigen Position eingesetzt. Daher hatte Brünger ihn im letzten Spiel auf seine Wunschposition links offensiv gestellt, mit dem Ergebnis, dass Ralf diese Position selten einnahm, nach hinten auswich und den dort postierten Mitspieler irritierte. Mittlerweile denkt Brünger daran, sich von Ralf in der Winterpause zu trennen. Denn Ralf hat sich bei seinen Mitspielern auch noch dadurch unbeliebt gemacht, dass er die Forderung erhob, das ganze Spielsystem müsse geändert werden. Das Spiel gegen Grobach ist für Ralf die letzte Gelegenheit, seine Qualitäten zu beweisen. Sollte er sich erneut nicht an seine taktische Aufgabe halten, werde Ralf gehen müssen, sagt Brünger. Problematisch ist, dass sich die Ersatzspieler nicht gerade durch besondere Trainings- oder Wettkampfleistungen aufdrängen. Einzig einer der jungen Neuzugänge, von dem man dies eigentlich am wenigsten erwartet hatte, hat den Sprung in die Stammelf geschafft. Ein anderer der Ersatzspieler konnte wegen des Militärdienstes nicht mittrainieren und erscheint nur zu den Wett- Die Rhetorik der Trainer 267 kämpfen, ein weiterer begründet sein Fehlen im Training mit Sonderschichten und Wochenenddiensten im Beruf. Auch von diesem Spieler wird man sich in der Winterpause trennen. Der vierte Ergänzungsspieler weist zu große taktische Defizite auf, der fünfte, Zoran, gilt als joker, der immer dann eine gute Leistung zeige, wenn er eingewechselt wird, nicht aber, wenn er in der Anfangself auflaufe. Gegen die Grobächer muss Brünger ihn jedoch wegen der Verletztenliste von Beginn an spielen lassen. Der sechste schließlich, Pierre Motzert, einer der beiden ehemaligen A-Junioren, hat sich nicht integrieren können und gilt als stinkstiefel. Einmal hatte er sich geweigert, in der zweiten Mannschaft auszuhelfen mit dem Hinweis, er habe keine Zeit, er müsse bei einer anderen Sportveranstaltung zuschauen. Dies hatte Brünger mit einer vierwöchigen Verbannung in die zweite Mannschaft und der Nichtberücksichtigung für die Erste bestraft. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Motzert den Verein bald verlassen wird. Besonders, nachdem er sich außerdem geweigert hat, während der Woche mit der Mannschaft auf dem Parkplatz zu trainieren: Vor acht Tagen nämlich war die Temperatur schlagartig um ca. zehn Grad gefallen. Ein Tief hatte erst Regen, der sich in Eis verwandelte, und schließlich Schnee und Bodenfrost gebracht, sodass das letzte Spiel am Wochenende zuvor hatte ausfallen müssen. Am Dienstag ist an ein Training auf dem Trainingsplatz nicht zu denken. Einige Spieler, u.a. Motzert, haben vorgeschlagen, das Training ganz ausfallen zu lassen und lieber im Fernseher ein Europapokalspiel anzuschauen, Doch Brünger hat die Spieler angewiesen, sich Lauf- oder Noppenschuhe anzuziehen und ihm auf den geschotterten und gekiesten Parkplatz zu folgen. Dort hat er ein verkürztes, ca. 45-minütiges Schnellkrafttraining absolviert. Einer der wenigen, die nicht mittrainieren, ist Motzert. Er sagt, er habe nur Stollenschuhe dabei. Er unternimmt aber auch keine Anstalten, sich unter den Mitspielern ein Paar geeignete Schuhe zu organisieren. Ärger gibt es an diesem Abend auch mit einem der Leistungsträger, der im Dorf wohnt. Er war zwar zum Training erschienen, nachdem er jedoch gehört hatte, dass der Trainer auf dem Parkplatz trainieren lassen wolle, war er wieder nach Hause gegangen angeblich um sich seine Noppenschuhe zu holen und dann zur Trainingsgruppe dazuzustoßen. Zum Training ist er aber nicht mehr erschienen. Das Verhalten der beiden hat Trainer Brünger gerade in der derzeitigen bedrohlichen sportlichen Lage sehr verärgert. Seit Dienstag ist die Temperatur wieder deutlich gestiegen und der Boden oberflächlich aufgetaut. Die Beschaffenheit der Rasenfläche an diesem Sonntag umschreiben die Fußballer gemeinhin mit dem Begriff „tiefe Bodenverhältnisse“: Weich und seifig an der Oberfläche, nicht viel Halt gebend. In der Welt des Fußballs bedeutet dies, dass der Boden ein technisches Spiel wahrscheinlich nicht zulassen und höhere körperliche Anforderungen an die Spieler stellen wird als ein trockener Untergrund. 268 Reden und Spielen Die sportliche Lage hat sich für die Schwarzberger am Tag vor dem Spieltag noch zusätzlich verschlechtert. Der Tabellenfünfzehnte Haasen hat in seinem bereits am Samstag ausgetragenen Meisterschaftsspiel ein Unentschieden erreicht und weist jetzt zwei Punkte mehr auf als der SCS. Und der Tabellenvierzehnte TG Rossheim hat das Lokalderby bei Eintracht Rossheim mit 3: 1 gewonnen, hat jetzt insgesamt sieben Punkte mehr als Schwarzberg und einen mehr als Grobach. Die Ergebnisse und die dadurch veränderte Ausgangslage ist den Spielern bekannt. Die Regionalzeitung erscheint nämlich auch sonntags, berichtet über die Samstagsspiele der Verbandsliga und druckt die aktuelle Tabelle ab. Jene Spieler, die nicht aus der unmittelbaren Region anreisen, haben sich entweder über den Videotext des Landessenders informiert oder erkundigen sich spätestens beim Eintreffen bei den Mitspielern über die vortägigen Ergebnisse. Während die zweite Mannschaft das Vorspiel bestreitet, versammelt Trainer Brünger ca. eine Viertelstunde nach dem Eintreffen seiner Spieler am Sportplatz die Mannschaft in der Kabine. Sie teilt sich diese wie bei jedem Heimspiel mit der zweiten Mannschaft. Brünger begibt sich zur unteren Kopfseite der Kabine, wo er vor einer Tafel, die ihm zur schriftlichen Darstellung der Aufstellung und von Spielzügen dient, stehen bleibt. Die Spieler hocken sich auf ihre gewöhnlichen Plätze, einige beginnen schon, in ihren Sporttaschen zu kramen. Als Letzter wird Kapitän Torsten, der unter der Woche mit einer Grippe zu kämpfen hatte, die Kabine betreten. Neben Brünger und dem Beobachter werden sich damit 11 Spieler und drei Ersatzspieler in dem Raum aufhalten. Sequenzanalytische Beschreibung der Sitzung bis zum präsentierten Ausschnitt In der knapp elfminütigen Mannschaftssitzung (vgl. das Transkript SCH-19B im Anhang) bearbeiten Trainer Brünger und die Spieler alle Aufgaben des Handlungsschemas. Die Aufgaben 1 bis 3 (Herstellung des Handlungsschemas, Aufgabenpräsentation und Darstellung der kollektiven Strategien zur Aufgabenbewältigung) sowie 5 und 6 (Vorbereitung zur Aufgabenbewältigung und Auflösung des Handlungsschemas) werden explizit verbal realisiert. Die vierte Aufgabe, Verarbeitung der Strategien, vollziehen die Spieler durchgehend stillschweigend bzw. durch Gesten. Quantitativ betrachtet erfordert die Bearbeitung der ersten Aufgabe (Z. 008-023) und der sechsten Aufgabe (Z. 186-191) weniger Zeit - und in der Transkription weniger Raum als die mittleren Aufgabenkomplexe. Die sechste Aufgabe - Auflösung des Handlungsschemas wird dabei nicht allein von den Anwesenden ausgehandelt, sondern durch die in die Kabine kommenden Spieler der zweiten Mannschaft provoziert, die ihre Halbzeitpause abwickeln wollen. Die sequenzielle Durchführung der Mannschaftssitzung der ersten Mannschaft hat sich also unter den gegebenen vereinsspezifischen Bedingungen (erste und zweite Die Rhetorik der Trainer 269 Mannschaft müssen sich eine Kabine teilen, was typisch für weniger professionelle Vereine ist) daran zu orientieren, dass der Trainer der Zweiten und seine Spieler in dieser Situation unter größerem Handlungsdruck stehen als die Erste sie haben ja nur einen vom Schiedsrichter definierten Zeitraum von ca. zehn Minuten für ihre Halbzeitpause zur Verfügung. Die Ungleichgewichtung der handlungsschematischen Komplexe zeigt sich auch darin, dass Brüngers vierminütige Verbalisierung der Aufgabenpräsentation in der Transkription von Zeile 023 bis Zeile 089 reicht, während die Darstellung der Strategien und die Vorbereitung zur Aufgabenbewältigung in der Transkription ca. 100 Zeilen ausmachen. Bis zu jenem Ausschnitt aus der Aufgabenpräsentation, den ich auf seine rhetorische Gestaltung näher hin untersuchen möchte (Z. 067-089), vollziehen die Teilnehmer folgende Aktivitäten: - Brünger löst das Handlungsschema aus dem Aktivitätsfluss heraus und verdeutlicht es vorgreifend: so lasst euch noch ma zeit mit dem u“mziehn t * wir machen vo“rab jetz schon die bespre“chung'\ (Z. 008-012). - Brünger räumt ein, dass man nach den zehn Minuten ja gemeinsam noch mal die Kabine verlassen könne, weil die zweite Mannschaft ihre Halbzeit durchführen werde. Gleich danach könne man sich dann umziehen (Z. 012-016). Brünger verfolgt die Absicht, Sitzungsdauer und Sequenzierung der weiteren Aktivitäten anzukündigen und die Beteiligungsrolle und Beteiligungsweise der Spieler (absolute Aufmerksamkeit) vorzugeben. - Die Spieler ratifizieren das spezifische Beziehungs- und Reziprozitätsschema (ersichtlich daran, dass sie Nebenaktivitäten einstellen bzw. reduzieren). - Brünger begründet seine Aufforderung, sich mit dem Umziehen Zeit zu lassen. Damit legt er aber auch implizit die Interaktionsmodalität fest: Nach der Halbzeitpause verblieben noch 45 Minuten, und dann gebe es eh nichts mehr zu bereden (Z. 016-018). Er deutet zum ersten Mal an, dass er die sportliche Lage als ‘kritisch’ im Sinne von: „Nach der Sitzung heißt es nicht reden, sondern handeln“ definiert. - Brünger verdeutlich erneut vorgreifend das Handlungs- und das Modalitätsschema: Er werde die Sitzung ziemlich allgemei“n un auch relativ ku“rz halten (Z. 018/ 021). - Er begründet dies, indem er Einzelgespräche ankündigt. Damit weicht er von der üblichen Praxis ab, Kleingruppengespräche durchzuführen. - Brünger begründet die Durchführung von Einzelgesprächen mit der Bedeutung des anstehenden Spieles (er reformuliert den Sachverhalt aus der Mannschaftssitzung nach dem Training s.o.): wei“l was heu"de auf=m spiel steht denk ich mal- * vW “rd eigentlich sich je "der * bewu “sst seiri\ 270 Reden und Spielen (Z. 023-024). Er setzt das Reziprozitätsschema durch, leitet zugleich über zum Aufgabenkomplex der Aufgabenpräsentation (Komponente der Bewertung der sportlichen Lage). Interessant ist generell, dass ein scherzhaftes Aushandlungs„spiel“ der Rahmenbedingungen des Handlungsschemas, das von Spielern bei Mannschaftssitzungen nach dem Abschlusstraining manchmal initiiert und vom Trainer ratifiziert wird, 153 bei allen Mannschaftssitzungen am Spieltag, die analysiert wurden, unterblieb. Den zweiten Aufgabenkomplex, zu dem der Trainer ja mit der Thematisierung der Bedeutung des Spiels übergeleitet hatte, gestaltet Brünger als sozialen Prozess, der typisch für die soziale Welt des Fußballs ist. Indem er vordergründig andere Mannschaften fokussiert, tritt Brünger in eine Binnenarena hinein, in der er sich mit der sportlichen Lage seiner eigenen Mannschaft auseinandersetzt („Auseinandersetzungsarena“ im Sinne des symbolischen Interaktionismus, vgl. Schütze 1987b, S. 541). Die anderen Mannschaften stellen Subwelten dar, mit denen Schwarzberg in Konkurrenz steht und die auf die eigene Subwelt einwirken, so wie auch Schwarzberg auf die anderen Subwelten einwirkt. Wenn Brünger also von anderen Mannschaften und ihrer Einstellung spricht, meint er eigentlich seine eigene Mannschaft. Der Trainer verfährt jetzt wie folgt: - Die Assertion, jeder werde sich über die Bedeutung des Spiels bewusst sein, verschärft er durch eine zweiteilige Äußerung mit Konsequenz- Bedingung-Struktur: spä"testens da“nn'l ** äh wenn ich je“tz die erge “bnisse von ge “stern ma kurz mitteilei (Z. 024/ 026). - Vordergründig konditionalisiert Brünger dann metakommunikativ die Bearbeitung der kognitiven Voraussetzungen (falls es jemand noch ni“ch gelesen ham solldei, Z. 28). Auf Grund der anzunehmenden Informiertheit der Spieler (s.o.) und auf Grund der Akzentsetzung auf der Verneinungspartikel (statt z.B. auf dem Partizip) ist die Äußerung jedoch als verschärfender Zug zu verstehen. 154 153 So ein Aushandlungs„spiel“ kann der Spieler z.B. dadurch auslösen, dass er den Trainer auffordert, die Sitzung nur ganz kurz zu halten, und dass er dann auf die Bestätigung des Trainers mit einer als ironisch markierten Äußerung antwortet: jajai jajal (nach dem Motto: „Jaja, das sagst du jedes Mal. Tatsächlich aber machst du immer eine ausführliche Mannschaftssitzung“). Dies wiederum nimmt der Trainer zum Anlass, seinerseits ironisch zu kontern und den jungen Spieler sowie seine jungen Mitspieler scheinbar zu einer Geldstrafe zu verdonnern, was die Vereinsmitglieder und die älteren Spieler mit Gelächter honorieren (vgl. SCH-17A). 154 Das verschärfende Potenzial der Äußerung liegt darin, dass Brünger hier vordergründig die Beteiligungsvoraussetzungen bearbeitet (Nichtinformiertheit der Spieler über die noch kritischer gewordene sportliche Lage), dass dies aber zugleich eine Verschärfung der konditionalen Relevanzen und der Interaktionsmodalität für die Spieler im Spiel bedeutet: „Ihr müsst kämpferisch dagegenhalten“, s.u. Die Rhetorik der Trainer 271 - Zur Darstellung der sportlichen Lage nimmt er Bezug auf den Sieg des Drittletzten, TG Rossheim, bezeichnet dies metakommunikativ als was u“ns zu denken geben solide, nennt das Unentschieden des Vorletzten Haasen gegen Vorwärts Ederbach und schließt eine kurze narrative Darstellung des Verlaufs dieses Spiels an. Eingebettet ist die zweifach kontrastive darstellende Beschreibung der Spielweise von Haasen und Ederbach. Dabei stellt er Haasens erfolgreiches Spiel explizit auch dem seiner Mannschaft gegenüber: Anders als seine Mannschaft oft habe Haasen fußball gea“rbeidet, eine defensive Ordnung eingenommen und zügigen konterfiußball gespielt. Vorwärts Ederbach sei dagegen in schö“nheit gesto“rben [...]4 >{durch/ so? ) n la‘‘ngsamen überhe“blichen poma“digen spie“laufbaui (Z. 042/ 043). Erstens schreibt Brünger so seiner Mannschaft ein Defizit zu, 155 zweitens warnt er sie implizit, im kommenden Spiel eine Spielweise wie die Ederbacher zu zeigen, weil dies zu einer Niederlage führe. Der Kontrast der Spielweisen ‘Kämpferische Arbeit’ vs. ‘Überhebliche Spielkunst’, dessen Brünger sich bedient, bezieht sich auf den in der sozialen Welt des deutschen Fußballs fest verankerten und geteilten Wissensbestand, dass Arbeit und Kampf die notwendige Grundlage bilden, um im Falle eines ungefährdeten Vorsprungs kunstvoll spielen zu können. - Brünger reformuliert aufwändig die Bedeutung der Sachverhaltsdarstellung (Z. 047-067), wobei er die Kontrastierung der beiden Spielweisen fortsetzt und ausgestaltet. Die Mittel der Expandierung und Kontrastierung dienen ihm dazu, die sportliche Lage zu dramatisieren: a) Brünger nennt zwei sich zeigende positive Eigenschaften der am Tabellenende stehenden Mannschaften: die fa“ng a“n * zu kä“mpfeni die bewe “gen sich (Z. 049/ 050). b) Er zählt ihre Mittel auf (Kämpfen, Anfeuern, Miteinanderreden, „Power“ ins Spiel bringen, Z. 050-051) und kontrastiert sie z.T. formelhaft mit negativen Eigenschaften: un nit anfang ~^ha“cke schi“ppe ei“ns zwei frei und wu“ndertechniken machen (Z. 052-053, Reformulierung eines Sachverhalts aus der Trainingssitzung, den er explizit auf seine Mannschaft bezogen und als Verbot geäußert hatte). 156 c) Brünger zählt die Folgen der Umsetzung der positiven Eigenschaften von Rossheim und Haasen auf und kategorisiert sie als „sichere Spielweise“: kru“ndordnung-l kompa"kt hi“nten dri“ni * bea“rbeiden soba“ld der ge“gner über de mi“ddellinie kommt-l * un dann 155 Die Defizitzuschreibung für das eigene Kollektiv, die aus der Auseinandersetzung mit anderen Subwelten erwächst, scheint ein typisches Mittel von Trainern zu sein, die Mannschaft einzustellen und zu Verbesserungen anzuhalten. Diese Hypothese verdanke ich einer Diskussion mit Uli Reitemeier. 156 Die entsprechende Passage aus der Mannschaftssitzung nach dem Training lautet: das hei“ßt also nit anfang mit de: n zau"berfußballzu spieln (SCH-17A, Z. 088-089) 272 Reden und Spielen te “mpospiel nach vo“rnel (Z. 054-055 die Aufzählung ist die logische Abfolge von zunächst defensiven, dann offensiven Spielaktivitäten. Sie geht vom Zustand des Ballbesitzes des Gegners und einer eigenen defensiven Spielstrategie aus, besteht aus der destruktiven Aktivität des Bekämpfens des Gegners, die zum Wechsel des Ballbesitzes führt, und der daraus folgenden konstruktiven Aktivität, einen Angriffszug schnell vorzutragen). d) Brünger begründet diesen Ergebnisfeststellungsteil mit einer formelhaften metaphorischen Wendung {weil die ste“hn mit em rü“cken zur wa“nd\r Z. 056). 157 e) Er schließt ein zweites Argument an, das er eben noch als Konsequenz einer Umsetzung sportlicher Mittel bezeichnet hatte {un stehn ersma hi“nten tri“n, Z. 056). f) Er nennt den Zweck dieser defensiven Aktivität. Dabei vollzieht er einen Darstellungswechsel hinein in eine Haasener bzw. Rossheimer Perspektive und äußert aus dieser Perspektive deren (von ihm unterstellten) Willensbekundungen (um zu sagen wir spie “ln zu null-l wolln ko“mpakt hinten tri“nstehn~ * und dann versu“chen wer te“mpofußball zu spie “In'l* gegen mannschaften die [...] a“b sind von gut und bösei, (Z. 056 bis 059). Bei der Darstellung der Willensbekundungen aus der Perspektive der anderen greift er z.T. zurück auf lexikalische Ausdrücke, die er eben in der Ergebnisfeststellung verwendet hat). g) Brünger bezieht die aus der unterstellten Haasener Perspektive gewählte Charakterisierung der Gegner als a “b von gut und böse nach einem erneuten Perspektivenwechsel in die eigene Perspektive explizit auf Haasens und Rossheims gestrige Gegner. Dann reformuliert er zweimal die Charakterisierung, indem er h) zuerst die Chancen der Gegner fokussiert, an die Tabellenspitze zu stoßen und dann die Chancen, dass sie ans Tabellenende abrutschen könnten, und dann i) die daraus folgende und von der Witterung abhängige Spielweise beschreibt (die spie “ln dann ihre spielweise [...] den Witterungseinflüssen entspre“chend~ * ich würd mal sagen fa“st lu'stlos a“öt Z. 063- 065). j) Brünger schließt die aufwändige Bedeutungsdarstellung des Sachverhalts ab und benennt die aus einer lustlosen Spielweise eines demotivierten Gegners resultierenden Chancen für die Mannschaften des Tabellenendes, das Spiel zu gewinnen: un da" * -^lie“gen die gro'fien 157 Zum formelhaften Sprechen in stabilen sozialen Welten vgl. Kallmeyer/ Keim (1994a). Die Rhetorik der Trainer 273 cha“ncen für die mannschaften u“taten tri“n~<r- * da“~ * si“ch entspre “chend de pu “nkte zu ergattern-l (Z. 065-067). „so un was das heude bedeutet“ - Analyse des Formulierungsprozesses und der rhetorischen Verfahren in einem Sequenzausschnitt Der ausgewählte Ausschnitt aus der Aufgabenpräsentation folgt also auf eine Assertion der kognitiven Voraussetzungen der Spieler, auf eine Verschärfung der Voraussetzungsbedingungen und auf eine Sachverhaltsdarstellung mit expandierter Ergebnisfeststellung. Die Darstellung, welche der Situationsanalyse dienen soll, referierte auf positive Eigenschaften und erfolgreiche Aktivitäten anderer Mannschaften des Tabellenendes, gegen die man allerdings heute nicht anzutreten hat. Zweimal in ihrem Verlauf hatte Brünger auf die eigene gemeinsame Gruppe referiert. Er hatte somit verdeutlicht, dass ihm auch an einer Auseinandersetzung um eine erfolgreiche Spielweise seiner Mannschaft gelegen ist allerdings hat er dies mithilfe von subordinierten Satzkonstruktionen angedeutet. Je mehr er nun die Sachverhaltsdarstellung expandiert, umso größer wird für Brünger die Verpflichtung, die Relevanz der expandierten und sich auf andere Mannschaften beziehenden Darstellung zu erläutern. Die Darstellung von Haasens und Rossheims Spielweise referiert zwar implizit auch auf die des Gegners aus Grobach - Brünger hatte sie in der Mannschaftssitzung nach dem Abschlusstraining als se“hr ko“rperbetonte spie“lweisei * das heißt auf gu“tdeutsch die we“rn~ * erhe “blich zur sa “che gehn- * zwei “kämpfe su “chen bezeichnet. Doch wenn Brünger hier die Einstellung der Mannschaft abbrechen würde, sähe er sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass er die wesentliche Aufgabe des Handlungskomplexes nicht in ausreichender Form durchgeführt habe. Die folgende Relevanzaufdeckung vollzieht Brünger in auffällig ausgebauter Weise. Sie besteht aus drei Punkten: 1. Brünger behauptet, dass die Bewertung der sportlichen Lage als „dramatisch“ vollkommen offensichtlich sei (und somit jedem Spieler bewusst sein müsste), 2. er deutet an, dass sich die sportliche Lage möglicherweise noch dramatisieren könnte, 3. er befürchtet, dass seine Spieler eine der sportlichen Lage nicht angemessene kognitive Einstellung haben. Er bearbeitet sie, bevor sie sich im Spiel entfalten kann. Der erste rhetorische Zug Brüngers (siehe den im Folgenden präsentierten Ausschnitt, Z. 067-070) rekontextualisiert und rethematisiert die Äußerung, die er bereits in der Mannschaftssitzung nach dem Abschlusstraining gemacht und die er heute bereits als Schaltelement zwischen der Durchsetzung des Reziprozitätsschemas und der Überleitung zum Aufgabenkomplex der Aufgabenpräsentation eingesetzt hatte (s. Kap. 2.3.4): 50un was da“s heu“de bedeu “tet\ Diese rahmende Äußerung und die folgenden Äußerungen weisen aber in ihrer Realisierung noch eine weitere rhetorische Qualität auf, nämlich: 274 Reden und Spielen 1. Die Charakterisierung der Bewertung der sportlichen Lage als vollkommen offensichtlich 067 Brünger: entsprechend de pu'nkte zu ergatternf ** so‘4 un was da“s heu“de bedeu"tett 068 * wenn u"nser spie'l- *1,5* <-als hei''mspiel~ * erneu“! in die ho"se gehn so’lldet 069 Brünger: *3*->prauch ich ja je'tz nit mehr weiter KK: NASEPUTZEN EINES SPIELERS 070 Brünger: aiTszuführnf * weil wenn je'tzt- * wi“r als tabe'llenletzterf ** ->un die [SCH-19B] Nach einer signifikanten doppelten Strukturgrenze (Z. 067, Grenzton zum Abschluss der voraufgegangenen Äußerung und längere Pause) akzentuiert Brünger die Folgerungspartikel so und realisiert sie mit abfallendem Grenzton. Eine wichtige Schlussfolgerung ist erwartbar. Mit nebenordnendem Konnektor un stellt er eine Linksverknüpfung der folgenden metakommunikativen Äußerung an den Kontext her. Die Kontextualisierung wird verstärkt durch die akzenttragenden deiktischen Elemente da“s und heu"de. Die Äußerung stuft er bis zum Äußerungsende mit mehreren Akzenten hoch. Syntaktisch ist sie ein restriktiver Attributsatz in Erststellung, was verstärkt durch die schwebende Intonation auf die Nachstellung des übergeordneten Nebensatzes mit dem Bezugswort schließen lässt. Brünger schließt nach dem Äußerungsteil un was da“s heu"de bedeu'tet zunächst aber eine Äußerung an, welche die Voraussetzungen, die Bedeutung des geschilderten Sachverhaltes zu erfassen, zusätzlich konditionalisiert. Das Bedingungen verändernde und ebenfalls hochgestufte Element spie “l nennt Brünger nach der identifizierenden und referierenden akzentuierten Proform u “nser. Mit der folgenden markanten Pause deutet Brünger an, dass es sich um eine bedingungsverschärfende und nicht um eine bedingungsentlastende konditionale Äußerung handelt. Er erhöht so die Spannung. Er spezifiziert das Referenzobjekt parenthetisch als hei"mspiel und kontextualisiert so das spezifische Weltwissen der Fußballer, dass Heimspiele einen Wettbewerbsvorteil darstellen und sowohl im Hinblick auf sportliche wie soziale Aspekte wichtiger sind als Auswärtsspiele. Brünger setzt die Konditionaläußerung mit einer modalisierenden Adform und der Realisierung des angedeuteten bedingungsverschärfenden prädikativen Strukturteils fort. Dabei wählt er die Wiederholung markierende Adform erneu “t und das informelle drastische metaphorische Prädikat in die ho‘‘se gehn für die Aktivität „verlieren“. Es wird über das Hilfsverb eingebunden in eine Modalstruktur, welche das Eintreffen der Niederlage als noch abwendbar erscheinen lässt. Die steigende Intonation leitet in markanter Weise über zum erwartbaren, aber zunächst aufgeschobenen übergeordneten Nebensatz. Die Kontextualisierung des Weltwissens, die spezifische rhetorische Gestaltung der spezifizierenden Äußerungssegmente und des prädikativen Strukturteils durch die Wahl der lexikalischen Elemente, des Redetempos (langsamer im Vergleich zur vorhergehenden Äußerung), der Akzenthäufung Die Rhetorik der Trainer 275 sowie der steigenden Intonation setzen die Relevanzhochstufung fort und verstärken sie. Bevor Brünger das gewählte Formativ mit dem erwartbaren übergeordneten Strukturteil abschließen kann, setzt einer der Spieler zu einer nonverbalen Nebenaktivität an: Er putzt sich die Nase.' 58 Danach fährt Brünger nicht unmittelbar mit seiner Rede fort. Die sehr lange Pause von drei Sekunden ist nicht zufällig, sondern als dramatisierende Aktivität zu verstehen und für die zuhörenden Spieler bedeutsam. Auffällig an der folgenden metakommunikativen Äußerung ->prauch ich ja je “tz nit mehr weiter au "szuführni ist mehrerlei: Der erwartete übergeordnete Nebensatz mit einem Bezugswort für den restriktiven Attributsatz wird ohne Bezugswort, in schnellerem Tempo und mit deutlich weniger Akzenten realisiert als die Äußerungen zuvor. Diese Minderung des rhetorischen Aufwands wird lexikalisch gestützt: Brünger asseriert metakommunikativ, dass die Bedeutung der geschilderten Sachverhalte nicht weiter benannt werden müsse. Die rhetorische Gestaltung dieses ersten Zuges der Schlussfolgerung nach der Analyse der sportlichen Lage zeichnet sich also im ersten Strukturteil (restriktiver Attributsatz) und Expansion (Konditionalsatz und Parenthese) durch das Anwenden vielerlei dramatisierender Verfahren aus. Der zweite, relevantere Strukturteil wird jedoch mit geringerem rhetorischen Aufwand dargestellt. Dieser Gegensatz ist m.E. ein alltagsrhetorisches Mittel zur Steigerung der dramatischen Wirkung, das aus vielerlei Kontexten bekannt ist. 159 Der Gegensatz kommt unerwartet, und ist gerade deshalb dramatisierend: Brünger hat die Bedeutung der sportlichen Lage als sehr wichtig angedeutet; unter der 158 Dass das Naseputzen von Brünger nicht als störende Unterbrechung angesehen und sanktioniert wird (es erfolgt ja vor dem zu erwartenden relevanten Strukturteil und schiebt ihn quasi auf bzw. würde sich mit ihm überlappen), hängt an drei Umständen: 1) Das Putzen der Nase ist normalerweise Folge einer nicht steuerbaren Tätigkeit, dadurch generell als nicht lange aufschiebbar entschuldigt. 2) Torsten, einer der Leistungsträger musste wegen einer Grippe unter der Woche auf das Training verzichten. Unter dem Gesichtspunkt, dass Brünger weiß oder unterstellen kann, dass Torsten noch nicht wieder ganz gesund sein kann und er sich dennoch für die Mannschaft zur Verfügung gestellt hat, ist die unterbrechende Aktivität, wenn Torsten der Urheber ist, doppelt entschuldbar: Als Folge einer nicht-gerichteten Handlung und als in Kauf zu nehmende Aktivität, da Brünger auf den Einsatz des Leistungsträgers nicht verzichten will. 3) Der Spieler platzt zwar mit seiner Aktivität in Brüngers Äußerungsformativ, überlagert jedoch nicht eine seiner Äußerungssegmente. Der Spieler wartet auf die erwartbare grammatische Strukturgrenze. Er markiert so seine Orientierung an dem hörerseitigen Konzept der Spieler, den Trainer bei dem Einstellen der Mannschaft nicht zu unterbrechen bzw. nur in sozial entschuldbarer Weise zu stören. 159 Dieses alltagsrhetorische Mittel ist in Kontexten erwartbar, in denen der zweite Äußerungsteil durch den ersten Äußerungsteil konditionierte Aktivitäten ankündigt. Typisch wären zum Beispiel die Äußerungsfolge: (LAUT) „was hast du gemacht? (LEISER) Na warte! “ oder die Äußerungsfolge: „(LAUT) Ich soll das gemacht haben? (LEISER) Also wirklich! “. 276 Reden und Spielen Bedingung einer Niederlage wird sie sich noch mehr zuspitzen; jetzt stellt er die Bedeutung der sportlichen Lage wie selbstverständlich als vollkommen offensichtlich dar. Ohne die Defmitionskategorie ‘dramatische sportliche Lage’ oder ‘entscheidende sportliche Lage’ selbst nennen zu müssen, provoziert er die zuhörenden Spieler, die passende Kategorie aus dem geteilten Wissensbestand zu aktivieren und an der Vervollständigung der Äußerung mitzuwirken. Der nicht genannten, aber im Raum stehenden Kategorie verleiht der Trainer so einerseits die Aura des Evidenten, zugleich aber auch des Wichtigen und Gefährlichen. Sowohl die Markierung der absoluten Evidenz als auch die Mitwirkung der Spieler an der Herstellung der Äußerungsbedeutung wirkt sich auf das Beziehungsschema und die soziale Binnenreziprozität aus. Ein nicht genau definierter Bestand an geteiltem sozialem Wissen wird auf einfache Weise kontextualisiert und vorausgesetzt, ohne das Wissen explizit zu machen und durch eine Benennung einzugrenzen. Zweitens präsentiert Brünger sich dadurch, dass er die sportliche Lage ausführlich erklärt, obwohl er sie als vollkommen offensichtlich ansieht, als wissenden Experten, zugleich aber auch als gutwilligen Trainer, der nichts unversucht lässt, seine Spieler mit allen relevanten Informationen zu versorgen. Drittens ist Brüngers provoziertes Definieren der sportlichen Lage als ‘dramatisch’ oder ‘entscheidend’ konditional relevant für das künftige soziale Handeln der Beteiligten, nämlich für die anstehende gemeinsame Interaktion während des Meisterschaftsspiels: „Weil die sportliche Lage so ist, wie ich sie euch dargestellt habe, wird entsprechendes Verhalten von euch Spielern erwartet.“ Viertens veranlasst Brünger die Spieler, aktiv zu werden, zugleich aber sich auf die von ihm entworfene Struktur hin zu orientieren. Dies ist eine Symbolisierung der sozialen Orientierung von Eigeninitiative und Gemeinsamkeit, wie sie auch für die erfolgreiche Bewältigung der Aufgabe im Spiel notwendig ist. 2. Andeuten der sich möglicherweise noch dramatisierenden sportlichen Lage und Wiederholung der offensichtlichen Evidenz der Definition der sportlichen Lage 070 071 072 073 074 075 076 Brünger: aiTszuführnf * weil wenn je"tzt~ * wi"r als tabe'llenletzterf ** ->un die ma'nnschaften die u“nmiddelbar vo’r uns stehn scho'n die pu'nkte machend <-nämlich auch trei" punkte machend siebet- * #te ge rossheimt-# * ->dann müsn=mer KK: #ABK.# uns datrüber im kla'ren sein~<- * dass heu"de für u'nst * zumindestens was also- * die perspekti've- * na''ch der wi’ntersaison aus den sta"rtlöchern zu komm- * was da" auf=m spie’l steht dürfte eigentlich je'tzt spätestens je“dem kla'Y seint- * ->so na“ch dem molto bis jetztgo’tt wir harn mal n=spiel verlo’rn [SCH-19B] Ein Blick auf die jetzt präsentierten Äußerungszüge, die vor der Entfaltung der Spielstrategie zur Aufgabenbewältigung erscheinen, zeigen, dass der Trainer nicht rhetorisch unbewusst vorgeht, sondern eine spezifische rhetorische Strategie verfolgt. Er geht wie folgt vor: Die Rhetorik der Trainer 277 a) Brünger beginnt mit einer Begründung der metakommunikativen Assertion, es sei nicht notwendig, die Bedeutung einer möglichen Niederlage zu benennen (Z. 070): weil; b) Brünger wählt ein Wenn-Dann-Formativ (Z. 070/ 072) und verweist auf den unmittelbaren zeitlichen Abschnitt (Z. 070); c) Brünger verweist explizit und sich selbst einschließend auf die gemeinsame Gruppe und kategorisiert sie explizit mit der Devianzkategorie tabellenletzter.' 60 Das hat dramatisierende Wirkung. Er schließt die Äußerung mit Grenzton. Das Prädikat nennt er nicht (Z. 070). d) Brünger schließt mit einem koordinierenden Konnektor an und referiert auf die bereits genannten Mannschaften, die in der Tabelle unmittelbar vor Schwarzberg stünden, und fügt mit Graduierungspartikel ein Prädikat an, das nur für diese Mannschaften, nicht aber für die eigene Gruppe wahr sein kann (Z. 070-071). Retrospektiv müssen die Äußerungssegmente zuvor als Ellipse verstanden werden. In der Kombination der grammatischen, lexikalischen und intonatorischen Mittel ist das fehlende Prädikat für die eigene Gruppe nachträglich und rekontextualisierend als „wenn jetzt wir als Tabellenletzter das Spiel verlieren“ zu ergänzen. e) Brünger expandiert das Prädikat für die anderen Mannschaften die punkte machen um Verdeutlichungspartikel und akzentuiertes Zahlwort und verstärkt es (Z. 072): nämlich auch trei“punkte machen. f) Brünger referiert explizit auf die TG Rossheim. Damit löst er ein Konkretisierungsdilemma, vor dem er steht. Zwar hat auch der Haasener Verein gestern einen Punkt gewonnen, doch die Expansion mit dem Zahlwort drei ist nur wahr für die TG Rossheim (Z. 072). g) Der Folge-Strukturteil der Wenn-Dann-Konstruktion ist erneut eine metakommunikative Äußerung, welche die kognitiven Voraussetzungen aller Beteiligten fokussiert. Das Prowort darüber verweist voraus auf einen Sachverhalt, den Brünger sodann in einem abhängigen Nebensatz zu realisieren beginnt. Er identifiziert mit Elementen der Temporal- und Personaldeixis die unmittelbare Gegenwart und alle Anwesenden (Z. 072-073). 160 Es handelt sich um eine Devianz- und nicht um eine Inferioritätskategorie, da sie darauf verweist, dass man hinter den Selbstansprüchen zurückgeblieben ist. Mannschaft und Trainer waren nämlich in die Saison gestartet, mit dem Glauben, einen Platz unter den besten fünf Mannschaften der Liga zu erringen, man kategorisierte sich also nicht als „Tabellenletzter“. Dies verdeutlicht auch eine Äußerung im weiteren Verlauf der besprochenen Sitzung: was [sic! M.S.] die gro"bächer * >un da seh ich eigentlich auch * d/ die bekrü“ndung in den plu“spunkten trinl spie"lerisch * kla"r schwä“cher sin wie wiri * ga"r keine fra"gei * au von dem * -^rvon dem ga“nzen von der ganzen spie"lweise das ha“m=mer gese"hn~ * wo wir i“n grobach gespielt ham dass wir von der spielanlage her die bessere mannschaft warnl-e- (vgl. SCH-19B, Z. 094-099). 278 Reden und Spielen h) Brünger schiebt parenthetisch eine Einräumung und Erklärung ein, welche sich auf die sportliche Lage und den daraus resultierenden Handlungsdruck in der Zeit nach der demnächst anstehenden Winterpause bezieht (Z. 073-074). Er deutet an, dass sich die Aussichten, den Abstieg nach der Pause noch zu verhindern, bei einem Heimsieg verbessern, bei einer Niederlage aber noch verschlechtern werden. Gerade das implizite Hindeuten auf den drohenden Abstieg ist ein die längerfristigen konditionalen Relevanzen verschärfender Zug. i) Nach der Parenthese orientiert sich Brünger für die Fortsetzung der Äußerung an der bereits bekannten grammatischen Struktur des restriktiven Attributsatzes in Erststellung und einem nachgestellten übergeordneten Nebensatz. Lexikalisch ist sie fast identisch mit jener Begründung (vgl. Z. 023/ 024), die er als Schaltäußerung zwischen Herstellung des Handlungsschemas und der zweiten Aufgabe des Schemas realisiert hatte, und thematisch identisch mit der ersten Äußerung der Schlussfolgerung (vgl. Z. 067/ 068): was da“ auf=m spie“l steht dürfte eigentlich je“tzt spä“testens je“dem kla“r seinX (Z. 074-075) Die fakultativen deiktischen Elemente je “tzt und je“dem, die Graduierungspartikel spä“testens sowie die semantisch wesentlichen Elemente der Prädikate tragen Akzente. Besonders zum Ende nimmt die Relevanzhochstufung durch Akzentuierung und durch Wahl fakultativer Elemente zu. Die Äußerung endet mit Grenzton. Gerade die drei letzten Äußerungsaktivitäten (g, h und i) sind auf Grund des Abbruchs der begonnenen Konstruktion des Dann-Strukturteils und der Reformulierung interessant. Die Änderung des ursprünglichen Äußerungsplans durch den Redner ist ein riskantes Unterfangen, da er damit die Bedeutung seiner vorherigen Äußerung verdunkeln und seine Zuhörer irritieren kann. Hier führt dies aber nicht zur Irritation, da Einräumung und wiederholte Äußerung mit Proform was auf das gleiche indefinite Objekt zielen. Die Änderung ist ein gelungener strategischer rhetorischer Zug des Trainers. Mit der Rethematisierung der Äußerung rahmt Brünger die Analyse der sportlichen Lage, die er wegen der expandierten Sachverhaltsdarstellung sehr stark ausgebaut hatte. Mit der Rethematisierung verleiht er seiner Rede Kontur und deutet Konsistenz an. Er aktiviert explizit mitgeführtes Wissen und markiert den thematisierten Sachverhalt als sehr relevante Aussage seiner Rede. Mit dem Rückgriff auf die Formulierung von Z. 023/ 024 (was auf dem Spiel steht) statt der thematisch identischen Formulierung in Z. 067/ 068 (was das bedeutet) wählt Brünger den bildhafteren und stärker idiomatisierten Ausdruck. Zudem verhindert er mit der Wahl jenes Ausdrucks, dass seine Rede zu gleichförmig wirkt. Die größere Bildhaftigkeit trägt wie die zum Äußerungsabschluss zunehmenden Akzentuierungen, das dadurch notwendigerweise langsamer werdende Tempo sowie die Rückkehr zum Grenzton zu einer markanten Relevanzhochstufung bei. Der funktionale rhetorische Nutzen wird noch um die bereits bei dem vorherigen Zug genannten Faktoren er- Die Rhetorik der Trainer 279 gänzt: Brünger verpflichtet die Spieler erneut zur Äußerungsvervollständigung und markiert noch einmal die absolute Evidenz des Sachverhalts. Dies wiederum beeinflusst das Beziehungsschema, setzt konditionale Relevanzen für die Spieler und verschärft die Relevanzen. 3. Die vorgreifende Bearbeitung einer nichtangemessenen kognitiven Einstellung 076 Brünger 077 078 079 080 081 082 083 KK: 084 085 086 087 088 089 [SCH-19B] Der Trainer vollzieht im präsentierten Ausschnitt folgende Aktivitäten: a) Er referiert mit den ersten Äußerungssegmenten - Graduierungspartikel so, Inszenierungsformel na“ch dem mo“tto und temporaler Deixis bis je"tzt auf das implizit bleibende Objekt „Verhalten aus spezifischer kognitiver Einstellung“. Das lexikalische Element motto deutet eine unangemessene, unernste, die Realität verkennende Wahrnehmung an und ist pejorativ. Schwebende Intonation und Inszenierungsformel bereiten die Wiedergabe vor. b) Er gibt die kognitive Einstellung, die sich auf die momentane Definition des bisherigen Saisonverlaufs von Mannschaftsangehörigen bezieht und damit auf ihre mögliche Einstellung zu sportlichen Aufgaben, in zwei alternativen Weisen wieder (Z. 076-077). Interjektion go“tt, die zweimal verwendete Graduierungspartikel mal sowie das schnellere Tempo lassen das wiedergegebene Motto als beschwichtigende Reaktion auf eine überzogene Darstellung eines dramatischen Saisonverlaufs erscheinen. Mit dem Kontextwissen, dass Schwarzberg von 14 Spielen erst eins gewonnen, fünfmal unentschieden gespielt und achtmal verloren hat, dechiffrieren die Spieler jedoch diese Einstellung, welche die verhältnismäßig vielen Niederlagen und Unentschieden relativiert, als verzerrt und unwahr: Die Darstellung der Lage als ernst das wissen die Spieler ist dagegen nicht kla"r seinf * ->so na"ch dem molto bis jetztgolt wir harn mal n=spiel verlo'rn oder ham mal unentschie'den gespielt-«- * die a"ndern harn u’ns den gefalln ni‘t getanf * -»das ist also spätestens au seit heute endgültig vorbei“! -«- * un we'nn wir das hier heute vergei'gen gegen gro“bacht * -»da will ich nur mal kurz kucken um euch den pu''nktestand auch entspre’chend kla"r zu machent * «-die gro''bächer momenta”n kö“nnen witklich relativ befreit autspielnf * un lie'gen bei vie’rzehn plu"spunkten! - -»wenn die hie“r heude gewi'nn sind se bei #<-sie“bzehn # un wir bei a"chtf * das sin schon wetten! - * >jaT< ** weil- * -»es is # ÜBERDEUTLICH# ja nit so" wenn wi’r dann mal dana“ch n=spie"l gewi"nn is es ja nit so" dass wir dann ra"nkommtweil dann gewinnt grobach au mal mit oder holen irgendwo=n punktf«- * da müss=mer schon da"nn ne rü'ckrunde hi'nlegen- * wie mer=s schon mal frü“her in frühem ja'hren gehabt harnt * -»aber datrauf prauch ma sich nit zu beruteni * wir müsn jetzt einfach kuckn spätestens jetzt müs=mer putzmu'nter seint * und wir müsn kämpferisch dage"genhalten4 * ich hab das 280 Reden und Spielen verzerrt, sondern entspricht den Gegebenheiten. Die Intonation bleibt schwebend, ein Folgeargument ist erwartbar. c) Brünger referiert auf das Ausbleiben von nicht erwartbaren „unterstützenden“ Aktivitäten der Konkurrenz-Mannschaften (Z. 077-078, diese „unterstützenden“ Aktivitäten wären beispielsweise Niederlagen der Konkurrenten). Er rekontextualisiert so die Punktgewinne von Haasen und TG Rossheim, die die sportliche Lage für Schwarzberg verschlechtert haben. Die Äußerung ist so zu verstehen, dass die Aktivitäten der Konkurrenten die Voraussetzungen, unter denen eine verharmlosende kognitive Einstellung wie die dargestellte folgenlos bliebe, verändert haben. Die Intonation steigt zum Ende der Äußerung hin an und verbindet sie so mit der Folgeäußerung. d) Brünger schließt mit der schneller und in einem Fluss vorgebrachten assertiven Folgeäußerung das Argument ab. Er macht die Behauptung explizit, dass die Voraussetzungen für ein Verhalten, das sich auf der dargestellten kognitiven Einstellung gründet, obsolet geworden seien (Z. 078). Brünger reichert die Aussage mit den vier fakultativen ergänzenden, graduativen bzw. indexikalen Ausdrücken spä “testens, auch, seit heu “de und endgültig an, von denen er zwei zusätzlich mit Akzenten hochstuft. Diese spä“testens und heu“te erweitern die Äußerung um den Kontext, dass die Bedeutung der sportlichen Lage offensichtlich sei. e) Mit Konnektor un ergänzt der Trainer das Argument um ein weiteres Argument. Es ist als Bedingungs-Folge-Struktur im wenn-dann-Formativ realisiert (Z. 078-083). Die aufwändige Struktur besteht aus den folgenden Schritten: et) Die Bedingung fokussiert eine mögliche Niederlage gegen Grobach. Fakultative Elemente sind wiederum die auf die unmittelbare Gegenwart und den Ort referierenden indexikalen Elemente sowie die Nennung des Gegners. Für die negative Aktivität „verlieren“ wählt der Trainer den metaphorischen Ausdruck vergei“gen. Dieser, der temporaldeiktische Ausdruck, der Eigenname des Gegners sowie die Konjunktion sind akzentuiert, sodass jede dritte bzw. vierte Silbe markiert wird. Mit den genannten Mitteln und durch die Verlangsamung des Redetempos relativ zur vorherigen Äußerung sowie mit der ansteigenden Intonation lädt Brünger die Bedeutung der negativen Bedingung als Verschärfung der sportlichen Lage auf. ß) Brünger schiebt eine (erneut metakommunikative) Äußerung ein, die er zunächst im schnelleren Tempo realisiert und mit der er eine eigene kognitive Aktivität ankündigt. Sie wird mit einer Zweckbegründung rationalisiert und hat die Bearbeitung des Spielerwissens um die Auswirkungen einer Niederlage auf den Punktestand zum Inhalt. Das Objekt, das Brünger betrachten will, nennt er nicht. Es kann jedoch durch die Die Rhetorik der Trainer 281 Referenz auf den Punktestand retrospektiv als „die Tabelle“ erschlossen werden. Der Punktestand fungiert als quasi objektivierender Indikator für den Zustand der sportlichen Lage. Insgesamt ist der Außerungsteil der Expansion, der den Zweck der angekündigten eigenen Aktivität fokussiert, langsamer formuliert und mit drei Akzenten und ansteigender Intonation ausgezeichnet. y) Nach der Expansion verbalisiert Brünger das Resultat des angekündigten „Auf-die-Tabelle-Guckens“. Er fokussiert nicht die eigene Mannschaft, sondern den Gegner und nennt zunächst dessen positive Ausgangslage für das Spiel, die mit dem Handlungsdruck der eigenen Gruppe kontrastiert und die aus dem sodann benannten Punktestand folgt. Die Fokussierung des Gegners erklärt sich daraus, dass der Trainer unterstellen kann, dass die Mannschaft den eigenen Punktestand kennt. Rhetorisch wertet Brünger die zweiteilige Äußerung durch akzentuierte fakultative graduative, indexikale, modalisierende Elemente, durch langsameres Tempo und durch Akzentuierung fast aller Äußerungselemente (acht von elf) auf. 5) Brünger reformuliert die Bedingung (vgl. Z. 079 bzw. Punkt e a), diesmal mit dem Gegner als Aktor, und nennt die für Schwarzberg negativen Konsequenzen: wenn die hie“r heude gewi“nn sind se bei [überdeutlich] sie“bzehn und wir bei a"chti (Z. 082-083). Dramatisierend erscheint die Äußerung durch die kontrastive Ergänzung mit dem eigenen Punktestand, der fakultativ ist. Die Akzentuierung des Schauplatzes, der ja eigentlich für Schwarzberg von Vorteil ist, der Aktivitätsbezeichnung und der Zahlen, die überdeutliche Aussprache der Grobächer Punkte sowie das jetzt sehr knappe, „faktizierende“ Realisieren der Bedingung-Folge-Struktur tragen zur Bedeutungsverschärfung bei. f) Brünger schiebt eine recht knappe Evaluation des kontrastierten Sachverhalts mit metaphorischem Prädikat und verstärkender Partikel nach (Z. 083). Die Äußerung bezieht sich auf die mögliche negative Bedingung, dass Grobach das Spiel gewönne und dann 17 Punkte hätte. Sie ist grammatisch aber nicht konjunktivisch, sondern indikativisch realisiert. Die negative Bewertung einer möglichen Niederlage und damit der Dramatisierung der sportlichen Lage (der Rückstand vergrößerte sich immens das sin schon we “Iten - und der Nichtabstieg wäre sehr wahrscheinlich) fällt hart aus, wird nicht abgeschwächt oder differenziert. g) Nach dem Abbucher jat (der dargestellte Sachverhalt wird von den Spielern nicht bestritten) und einer etwas längeren Pause begründet Brünger 282 Reden und Spielen die an sich schon plausible Evaluation. 161 Die Begründung, mit Kausalkonjunktor angeschlossen, ist eine neue Bedingung-Folge-Struktur, wobei Brünger zunächst eine negierte Konsequenz fokussiert, dann jedoch die Bedingung benennt (Z. 083-085). Sie stellt inhaltlich für Schwarzberg eigentlich eine positive Bedingung (Spielgewinn und Verbesserung des Punktestandes) dar. Brünger schränkt sie jedoch durch die indexikale und modalisierende Prowortbzw. Partikelreihung dann mal dana “ch und den Singular n=spie“l ein: Siege sind nur in der fern liegenden Zukunft zu erwarten und wenn, dann wird es nur ein Sieg sein, nicht mehrere. Brünger schiebt die vollständige Folgestruktur nach, die eine negative Konsequenz behauptet: Selbst wenn man mal gewönne, käme man in der Tabelle nicht an die Konkurrenten heran und könnte den Abstieg nicht verhindern. h) Brünger erachtet diese letzte Assertion der Begründung wiederum als begründenswert und leitet die Folgeäußerung mit Kausalkonnektor ein. Mit dieser Begründung, die sich implizit auf die positive Bedingung eines von den Schwarzbergern gewonnenen Spiels bezieht, behauptet Brünger, dass die Grobächer ihre Spiele ebenfalls gewinnen oder unentschieden beenden werden und somit auch Punkte sammeln werden. Sie ist also für die Schwarzberger eine negative Konsequenz auf eine zunächst positive Bedingung. Erste und zweite Begründung sind schneller und in einem Fluss realisiert und mit abnehmender Akzentuierung als weniger bedeutend markiert. i) Brünger schließt eine Äußerung mit Folgestrukturteil an (Z. 086-088). Die anaphorischen Deiktika da und da“nn verweisen zurück auf die mögliche negative Bedingung, dass die Schwarzberger das Spiel vergei“gen (s. Z. 079) bzw. die Grobächer es gewi"nn (s. Z. 082) sollten. Diese die sportliche Lage verschärfende Bedingung erfordere dann zwingend eine spezifische und nicht nur singuläre Aktivität. Brünger nennt hier, zum ersten Mal in der Sitzung eine sportliche Konsequenz, welche aus der dann gegebenen Lage zwingend folgen müsste. Allerdings wäre diese Aktivität abhängig von einer noch nicht eingetretenen Bedingung. Brünger schließt an das Prädikat ne rü“ckrunde hi“nlegen eine zweiteilige Attributerweiterung an. Der erste Teil der als Zwar-Aber-Formativ konstruierten attributiven Erweiterung rekontextualisiert ein Ereignis, das drei Jahre zurückliegt. Damals befand sich der gerade aufgestiegene Schwarzberger Verein nach der Hinrunde in einer ähnlichen Ausgangslage, schaffte aber durch eine sehr erfolgreiche Rückrunde den Verbleib in der Verbandsliga. Die Bedeutung dieses an sich positiven Ereignisses wird durch Brüngers Auswahl und Wiederholung distanzierender und fortweisender Ausdrücke (frü”her in frühem ja“hreri) und die steigende Intonation, welche den 161 Ein Punktestand von nur acht Punkten aus 15 Meisterschaftsspielen gegenüber 16 oder 17 Punkten der Konkurrenten stellt tatsächlich einen nicht unaufholbaren, aber doch seinschwer auszugleichenden Rückstand dar. Die Rhetorik der Trainer 283 Aber-Teil der Formativstruktur ankündigt, jedoch vermindert. Die Bedeutungseinschränkung macht Brünger dann explizit, indem er die Wiederholung des Ereignisses allein durch verbales sich berufen als unnütz bezeichnet. j) Brünger hängt eine mehrteilige Äußerung an, welche die notwendigen Aktivitäten benennt (Z. 088-089). Er referiert zunächst auf die gemeinsame Gruppe, den Zwangscharakter der erforderlichen Aktivität, den Handlungszeitpunkt und die Aktivität selbst. Die nur mäßig markierte Formulierung (nur ein Akzent auf je“tzt, Wahl des semantisch relativ blassen und passives Verhalten ausdrückenden Lexems kucken) ersetzt Brünger durch eine zweiteilige Äußerung. An den Anfang stellt er das hochgestufte spä“testens je“tzt. Damit rekontextualisiert er den mehrfach als vollkommen evident dargestellten Sachverhalt: Die reale dramatische sportliche Lage und die damit für die Spieler gesetzten konditionalen interaktiven Relevanzen. Er benennt zwei der sich ergebenden konditionalen Relevanzen und generalisiert sie. Durch Akzente markiert er ihre Relevanz. Die erste thematisiert die notwendige kognitive Einstellung der erhöhten Wachsamkeit (putzmu“nter sein), die zweite thematisiert, unter erneuter Verwendung der Personenreferenz und des Modalverbs „müssen“, die aus der kognitiven Einstellung sich ableitende fußballerische Grundeinstellung (kä“mpferisch dage"genhalten 62 ). Die Verbindung der beiden Äußerungsteile markiert er dadurch, dass er den ersten Teil mit steigender Intonation äußert, was den zweiten Teil vorbereitet, dass er den zweiten mit Konnektor und anschließt und mit terminaler Intonation abschließt. Mit Ausnahme der Rekontextualisierungs- und Relevanzmarker spä“testens und je‘‘tzt weist die zweiteilige Äußerung keine weiteren fakultativen Elemente auf. Dadurch erhalten die beiden Äußerungsteile den Charakter von Geboten bzw. von Merksätzen. Hiermit schließt Brünger die Bewertung und Definition der sportlichen Lage ab und beginnt den nächsten handlungsschematischen Aufgabenkomplex. Zusammenfassung: Die rhetorische Strategie „Dramatisieren der sportlichen Lage“ als Relevanzmarkierung des Bedingungsrahmens Eine der Stationen des Arbeitsbogens zwischen Trainer und Spieler ist die Mannschaftssitzung, die mit dem praktischen Ziel erfolgt, die Mannschaft auf den nächsten Gegner einzustellen, sodass sie das nächste Spiel gewinnt bzw. 162 In gewisser Weise stellt die Äußerung die Rekontextualisierung und auch Umdefinierung folgender Äußerung aus der Mannschaftssitzung nach dem Abschlusstraining dar: un wenn die" kö"rperbetont zur sa"che gehn- * dann müsn mer entsprechend ge"genhaltent. Dort hatte Brünger sie also als Folge-Strukturelement eines Wenn-Dann-Formativs realisiert, wobei die Bedingung eine Aktivitätspräferenz der Grobacher thematisiert. (Zur Bedeutung des Kämpfens in der sozialen Welt des Fußballs s.o.). 284 Reden und Spielen es zumindest nicht verliert. Aufgabenverteilung und Rechte und Pflichten sind ungleichgewichtig, was den Normalformerwartungen entspricht. Die Orientierung der Beteiligten an dem ungleichgewichtigen Aufgabengerüst und den unterschiedlichen Rechten und Pflichten wird im Beispielfall nicht bestritten und ist von beiden insgesamt kooperativ. Brüngers rhetorische Gestaltung der Mannschaftssitzung bis zum Ende der analysierten Stelle ist als strategisches rhetorisches Verhalten zu verstehen. Die Strategie, die Brünger hier bei der Bearbeitung des handlungsschematischen Aufgabenkomplexes der Aufgabenpräsentation anwendet, lässt sich als „Dramatisieren der sportlichen Lage“ bezeichnen. Nicht den für Schwarzberg gewiss problematischen Ist-Status beschreibt er, sondern die Prozessualität der sportlichen Lage. Dabei zeichnet er nicht eine sich zum Positiven verändernde Lage. Brünger wählt konsequent die rhetorischen Mittel aus, welche die sportliche Lage als sich zuspitzend und verschärfend erscheinen lassen. Die zahlreichen rhetorischen Verfahren, die Brünger u.a. anwendet, sind a) die Rekontextualisierung eines geteilten sozialen Wissensbestandes für die sportliche Lage und seine mehrfache Wiederholung, b) die wiederholte und als relevant markierte assertive Zuschreibung des Wissensbestandes mittels indirekter metakommunikativer Äußerungen und ihrer Modalisierung als verpflichtend, c) die Festlegung des Bedeutungsinhalts und ihre Darstellung als vollkommen offensichtlich, d) die nur implizite Nennung und Umschreibung des Bedeutungsinhalts (ähnlich der klassisch-rhetorischen Technik der „circumlocutio“), e) die explizite Kategorisierung der gemeinsamen Gruppe mit der Devianzkategorie Tabellenletzter, f) die implizite Kategorisierung seiner selbst und implizite Fremdkategorisierung seiner Spieler, g) das Argumentieren mit hochgestuften negativen und abgeschwächten positiven Bedingungen, h) die explizite metakommunikative Fokussierung und Wiedergabe einer kognitiven Orientierung und ihre Darstellung als unangemessen und verzerrt, i) die Kontrastierung z.B. der Aktivitätsbasen von Grobach und Schwarzberg („befreit aufspielen“ vs. Handlungsdruck) und des quasi objektivierenden Punktestands, j) die insgesamt große Anzahl dramatisierender Äußerungen, k) die lexikalische Aufwertung die Lage verschärfender Aktivitäten wie „ein Spiel vergeigen“ an Stelle von „verlieren“ sowie 1) der Abschluss der Aufgabenpräsentation durch Formulierung von zwei aufeinander aufbauenden Handlungsverpflichtungen als Gebote bzw. Merksätze. Konstitutiv für die rhetorische Strategie „Dramatisieren der sportlichen Lage“ ist, dass in der Trainerrede, die wesentlich monologischer Struktur ist, geteilte Wissensbestände ausgebreitet werden, deren Bedeutung als vollkommen evident vorausgesetzt wird. Ebenfalls konstitutiv ist die wiederholte Aktivierung dieser Wissensbestände. Der Nutzen dieser Strategie liegt in ihren Die Rhetorik der Trainer 285 für die übrigen Gesprächsbeteiligten forcierenden Zügen. 163 Forcierend ist die Unterstellung eines geteilten Wissensbestandes, die Durchsetzung eigener Interpretationsbedingungen und das Festschreiben der Bedeutung der sportlichen Lage gegenüber den Spielern sowie der Umstand, dass er allein seine Problematisierungen der Situationsbedeutung zulässt. Der Trainer verzichtet darauf, sich Beistand von den Spielern zu holen. Er vertraut darauf, dass die dramatisierende rhetorische Gestaltung seiner Rede das geteilte Situationswissen aktiviert. Die Aktivierung und das Einfügen der Bedeutung in die freigebliebene Position der Sinnstruktur erfolgt nicht aus freien Stücken, sondern wird vom Trainer erzwungen. Die Evidenzmarkierung des geteilten Wissensbestandes baut hohe Hürden für den einzelnen Spieler auf, wenn er die Bedeutungszuschreibung problematisieren wollte: Was für alle als evident dargestellt ist und noch nicht einmal benannt werden muss, kann von ihm nur mit Risiken für sein positives Face in der Gruppe angezweifelt werden. Brüngers Rede setzt konditionale Relevanzen in der stattfindenden Interaktion (z.B. durch die Bedeutungsfestlegung). Sie setzt vor allem aber konditonale Relevanzen für das Interaktionsverhalten seiner Spieler in der nachfolgenden Spielinteraktion. Je dramatischer er die sportliche Lage gestaltet, umso stärker werden die interaktiven Relevanzen für das Spiel. Brünger selbst stellt sich als kompetenten Experten dar, der die Gegner beobachtet, ihr Spielverhalten und ihre kognitive Einstellung analysieren und die sich zuspitzende gefährliche Bedeutung der Lage erfassen kann, der aber auch fordernd und dominant auftritt. Seine Spieler zeichnet er dagegen als Spieler, die lieber den zweiten Schritt vor dem ersten tun, die nachgeordnete künstlerische und erfolglose Spielaktivitäten eher einsetzen als die für den Erfolg grundlegenden Aktivitäten des ‘Kämpfens’ und ‘Fußball-Arbeitens’. Sie besitzen eine sorglose, die dramatische Lage bagatellisierende und die Zuspitzung der Lage nicht erkennende kognitive Orientierung. Dass er ihre kognitive Orientierung vorgreifend und ausführlich bearbeitet, zeigt ihn aber auch als gründlichen und hartnäckigen Trainer, der selbst Evidentes noch erklärt. Brünger hat mit der Ausnahme einer metakommunikativen Äußerung die Spieler mit den sich auf alle beziehenden Referenda wir, uns bzw. jeder bezeichnet. Hierfür gibt es drei alternative Lesarten: 1. Brünger will die forcierenden Aktivitäten verdecken. 2. Die Benutzung kollektiver und inklusiver Referenda soll die Spieler noch einmal auf ihre Aufgabenerfüllung und das gemeinsame Ziel verpflichten. 3. Sie haben keine unmittelbare Funktion, sondern sind ein Spezifikum der sozialen Welt. 163 Zum Modalitätskonzept des Forcierens als Möglichkeit, eigene und fremde konversationeile Aktivitäten zu konditionieren, siehe Kallmeyer/ Schmitt (1996). Am Beispiel einer Femsehdiskussion mit mehreren im Prinzip gleichberechtigten Diskussionsbeteiligten untersuchten die Autoren unkooperative Gesprächszüge mit selbst- und fremdbestimmendem Handlungspotenzial. Dabei handelt es sich um ein alltagsweltliches Modalitätsphänomen, das auch in der Welt des Fußballs von den Beteiligten eingesetzt werden kann. 286 Reden und Spielen Wenn der Trainer die rhetorische Strategie „Dramatisieren der sportlichen Lage“ anwendet, bearbeitet er vor allem die Darstellung und Bedeutungsfestlegung des äußeren Bedingungsrahmens also den zweiten Aufgabenkomplex des Einstellensschemas, die „Aufgabenpräsentation“. Aus dem als dramatisch dargestellten Bedingungsrahmen leitet sich die vom Trainer geforderte interaktive Bearbeitungsweise für die Aufgabe in der anstehenden Interaktion ab. Die Spieler können die Bearbeitungsweise, also die erforderliche Spielweise bzw. Spielstrategie zum Gewinn des Spiels, bereits aus der als dramatisch gezeichneten sportlichen Lage in groben Zügen intuieren, ohne dass die Strategie erschöpfend dargestellt sein müsste. Für den Trainer besteht keine Notwendigkeit, immer die sportliche Lage zu dramatisieren, wenn er den Aufgabenkomplex des Einstellens bearbeitet. Auch kann er diesen Aufgabenteil abkürzen oder vernachlässigen, wenn der äußere Bedingungsrahmen nur implizit aufscheinen soll. Die Darstellung der Strategien zur Aufgabenbewältigung beispielsweise kann ebenfalls mit spezifischen rhetorischen Strategien verbunden sein. Einige dieser Strategien will ich im Folgenden vorstellen: Das „Instruieren“, das „Anweisen“, das „Drohen“, das „Anspornen“, das „Unter-Druck-Setzen“, das „Aufrichten“ und das „Tadeln“. Die Strategien fokussieren in meiner Vorstellung ein Spektrum auf einer Inszenierungsachse. Die Achse weist einen weniger forcierenden und einen stärker forcierenden Pol auf (vgl. auch die schematische Darstellung der konstitutiven Bestandteile der Strategien in Abschnitt 6.7.5). Andere Strategien mögen auf der Achse zwischen den zuletzt genannten platziert werden. Der Trainer kann auf der Inszenierungsachse von einer Strategie zur anderen überwechseln. Die rhetorische Strategie „Dramatisieren der sportlichen Lage“ operiert dagegen noch auf einer anderen Ebene, die quer zu der Achse steht. Oder um eine anderes Bild anzubringen: Stellen wir uns eine Straße in der Nacht vor. Rechts und links ragen steil und dunkel Häuserwände auf. Eine Straßenlampe am Ende der Straße wirft einen hellen Schein auf eine Kette von Autos, die am Seitenstreifen parken. Während die zuletzt genannten Strategien der Kette der parkenden Autos gleichen sollen, wirkt die Strategie des Dramatisierens der sportlichen Lage wie die Straßenlampe. Das Auto, das unter der Lampe steht, wird voll erleuchtet, das nächste noch zur Hälfte, die anderen Wagen werden ein wenig, kaum und schließlich gar nicht mehr beschienen. Das Anwenden der Droh-Strategie gegenüber dem einzelnen Spieler setzt z.B. nicht unbedingt die Dramatisierung der sportlichen Lage voraus. Andererseits kann der Trainer nach der Dramatisierung der sportlichen Lage sehr wohl dem Kollektiv mit Sanktionen drohen. „Instruieren“ und „Anspornen“ scheinen dagegen anwendbar, ohne dass die sportliche Lage zuvor dramatisiert worden ist, ganz im Gegensatz zum „Tadeln“ und zum „aggressiven Tadeln“. Die Rhetorik der Trainer 287 6.7.1.2 Das „Instruieren“: sozialer Rahmen, Verlaufsbeschreibung und Analyse der Sitzung Die dominante Interaktionsweise des Trainers von Fortuna Huke in einer Mannschaftssitzung am Wettkampftag vor dem Spiel in Knüste lässt sich als „Instruieren“ bezeichnen. Darunter verstehe ich das Unterweisen in und Vermitteln und Erklären von spezifischen Sachverhalten, Handlungsplänen und Aktivitätsabfolgen unter Verwendung und Verknüpfung bestimmter rhetorischer Mittel, die das intersubjektive Nachvollziehen der vermittelten und erklärten Sachverhalte, Handlungspläne und Aktivitätsabfolgen bewirken. Die Spieler sind keine nicht-wissenden Novizen, sondern praktische Experten, welche die meisten Sachverhalte und Handlungspläne in der Regel kennen und auch in der Lage sind, die Aktivitäten auszuführen. Der instruierende Trainer Heinrich Platen aktiviert bestimmte Bestandteile des in diesem Falle fußballerischen Wissens, die er für die Bewältigung der anstehenden Aufgabe als relevant ansieht, und verknüpft sie miteinander. 164 Das Instruieren ist also eine situationsspezifische Auswahl und Strukturierung von prinzipiell zur Verfügung stehendem Wissen und ausführbaren Aktivitäten. Mit dem Unterweisen in die Handlungspläne, dem Vermitteln und Erklären der zusammengehörigen Aktivitäten werden die Spieler zugleich zu deren Vollzug aufgefordert. Die Durchführung wird vom Trainer als selbstverständlich erwartet. 165 164 Diese inhaltliche Pointierung verdanke ich Reinhold Schmitt. 165 Mit dem hier zu Grunde gelegten Verständnis von „Instruieren“ grenze ich mich einerseits von einem Verständnis von ‘Instruktion’ ab, das bei der linguistischen Beschäftigung mit „Technischen Texten“ verwandt wird (vgl. Ehlich/ Noack/ Scheiter 1994), anderseits von Giesecke (1979) und seinem Aktivitätstyp „instrumentelle Instruktion“. Ausbildungsinstruktionen und Instruktionen im Bereich der Technischen Dokumentation werden als „Übertragung von speziellem, hoch entwickeltem Sachwissen für (noch) nicht spezialisierte Anwender dieses Wissens“ (Scheiter/ Noack/ Ehlich 1994, S. 9) verstanden. Dabei werden auch für mündliche Instruktionen ein spezifisches Nicht-Wissen bzw. das Unvermögen eines der Beteiligten, eine technische Operation ohne Instruktion durchführen zu können, und ein markantes Wissensgefälle zwischen Anleitendem und Anzuleitenden vorausgesetzt (vgl. auch die entsprechenden Annahmen bei Fickermann 1994, und Wintermantel/ Laier 1994). Diese Annahme ist m.E. in der Welt des Fußballs nicht zutreffend, da das Instruieren in meinem Verständnis die situative Konkretisierung und Verknüpfung bereits erlernter Aktivitäten darstellt. Giesecke versteht instrumentelle Instruktionen als Aktivitätstyp. Er entwirft für Instruktionen im Kindergarten ein Handlungsschema. Konstitutiv für direkte Instruktionssituationen, in denen es um die Vermittlung von instrumentellen Handlungsfähigkeiten geht, seien drei Phänomene: 1. Ein Problem, das aus einem Kompetenzdefizit einer Person erwächst. 2. Die Existenz eines Experten (Kursivmarkierungen von Giesecke). 3. Die normenunabhängige Qualität der Instruktion als Rezept, nicht als Regel. Die „Richtigkeit“ der Rezepte erweise sich in der praktischen und sinnlich erfahrbaren Problemlösung. Das Nichtbefolgen führe nur dann zu gesellschaftlichen Sanktionen, wenn die Handlungsanleitungen durch institutioneile Einbettungen als Regeln markiert seien (vgl. Giesecke 1979, S. 38f.). Ich verstehe „Instruieren“ hier als rhetorische Inszenierung des Unterweisens, Vermittelns und Erklärens von Handlungs- 288 Reden und Spielen Die sportliche Lage für Fortuna Huke ließe sich in dem ärztlichen Bulletin zusammenfassen, „der Patient ist schwer krank, aber es geht ihm besser als zuletzt.“ Da die Etablierung und die Ausgestaltung der rhetorischen Strategie des Instruierens aber nur verständlich sind unter Berücksichtigung des aktivierten Kontextwissens, sind auch an dieser Stelle einige ethnografische Bemerkungen zur Vorgeschichte notwendig. Sie beziehen sich auf den Saisonzeitpunkt und auf die momentane Tabellensituation, die die Bedeutung des Spieles prägen, auf den Saisonverlauf und auf die Ursachen, die zum Verlauf geführt haben sowie auf die organisatorischen und klimatischen Bedingungen et al. am Spieltag selbst, also auf den kleinräumigeren Kontext. Wie Fortuna Huke doch noch den Abstieg vermeiden könnte: Zum sozialen Rahmen der Mannschaftssitzung vor dem Auswärtsspiel gegen Deele-Knüste Das Auswärtsspiel des Oberligisten Fortuna Huke 166 beim ASC Knüste findet im Frühling statt. Es ist das fünftletzte Spiel der Saison. Noch immer steht Fortuna auf einem Abstiegsplatz, hat jedoch den Rückstand auf den ärgsten Konkurrenten SuS Birkenheim, der auf einem Nichtabstiegsplatz steht, bis auf einen Zähler verringert. Gelingt es Fortuna in den ausstehenden drei Auswärts- und zwei Heimspielen, diesen Rückstand aufzuholen und die Plätze mit Birkenheim zu tauschen, müsste Birkenheim absteigen, Fortuna aber würde weiter in der Oberliga spielen. plänen. Ich gehe nicht davon aus, dass der Trainer in den Instruktionssituationen im Fußball seinen Spielern ein Kompetenzdefizit zuschreibt. Ich behaupte, dass er eine Problemstellung im kommenden Spiel für möglich hält. Er vermutet, dass die Spieler möglicherweise nicht über ein situationsangemessenes Verfahren der Problemlösung verfugen, das er ihnen deshalb darsteilt. Für die Entscheidung, die Spieler zu instruieren, ist jedoch auch konstitutiv, dass die Definition der sportlichen Lage ein Instruieren zulässt. Das Ablaufschema, das Giesecke für das Instruieren im Kindergarten entwirft (vgl. a.a.O., S. 44), mit seiner Einleitungsphase, der Phase der Vorstrukturierung des Problemlösungsmusters, der Phase der praktischen Handlungsdurchführung und den fakultativen Phasen der Ratifizierung und der Nachstrukturierung kann eventuell dann auf den Fußball übertragen werden, wenn man alle drei Einstellensvorgänge (Einstellen der Mannschaft, Einstellen der Einzelspieler vor dem Spiel und Einstellen der Mannschaft in der Halbzeitpause) als „Instruieren“ verstünde: Das Einstellen vor dem Spiel entspräche der Vorstrukturierung, die Spielinteraktion entspräche der Durchführung, die Halbzeitpause entspräche der Ratifizierungsphase. Denkbar wäre auch eine Bezeichnung der rhetorischen Strategie als „Erklären“ gewesen. Auf Grund der terminologischen Missverständlichkeit mit einigen Übersetzungen des ethnomethodologischen „account“-Begriffs (vgl. die Übersetzung des Aufsatzes „Accounts“ von Scott/ Lyman als „Praktische Erklärungen“ durch Hans und Gia Degenhardt und Schröter. Vgl. aber die Kritik an dieser Übersetzung von Patzelt 1987, S. 91f.) und auf Grund dessen, dass das Erklären nicht gleichzeitig die Durchführung der Handlung erwartet und erfordert, habe ich mich für den Begriff „Instruieren“ entschieden. 166 Vgl. auch die in der Zusammenfassung der Ethnografie auftauchenden Bemerkungen über den Verein in Kapitel 4 dieser Arbeit. Die Rhetorik der Trainer 289 Lange Zeit hatte es nicht danach ausgesehen, dass Fortuna den Abstieg noch würde vermeiden können. Vier Leistungsträger zwei Abwehrspieler, ein Mittelfeldspieler und ein Stürmer sowie ein junger talentierter Stürmer hatten den Verein vor der Saison verlassen. Der Kader war mit drei Verbandsligaspielern und fünf jungen Spielern aus der eigenen A-Jugend, die z.T. gerade in die Seniorenaltersklasse aufgerückt waren, ergänzt worden. Die Perspektive vor Saisonbeginn hatte geheißen, eine junge Mannschaft aufzubauen, mit der man in einigen Jahren in die Regionalliga würde aufsteigen können. Dieses Ziel hatte sich schnell als illusorisch herausgestellt. Die junge Mannschaft hatte viele Spiele verloren und dies auch noch sehr hoch. Infolgedessen hatte sie sich früh am Tabellenende wiedergefunden. Einer der zurückgetretenen Spieler war bereits reaktiviert worden. Aus der Mannschaft war dem damaligen Trainer Volker Camenberg der Vorwurf gemacht worden, mit den 24 bis 27 Spielern, die er trainierte, einen zu unüberschaubaren und fußballerisch zu disparaten Kader zusammengestellt zu haben. Zwei von drei vertragslosen Spielern, die mittrainieren durften, zählten zu erfahrenen Oberliga- und Regionalligaspielern, wurden von Camenberg jedoch nicht für Fortunas Mannschaft angeworben, da er der Meinung in der lokalen und regionalen Fußballszene, die Spieler seien menschlich schwierig, Glauben geschenkt hatte. Daraufhin hatten sich einige der Leistungsträger an den Vorsitzenden Krumenkamp gewandt und erreicht, dass zumindest einer der beiden erfahrenen, noch vertragslosen Spieler nachträglich verpflichtet wurde. Nach drei Monaten hatte Trainer Camenberg schließlich den Vereinsvorsitzenden Krumenkamp gebeten, ihn wegen der anhaltenden Erfolglosigkeit und auf Grund privater Schwierigkeiten aus dem Vertrag zu entlassen. Dies hatte Krumenkamp, der anderntags für einige Wochen in die Kur hatte fahren wollen, abgelehnt. Nach seiner Rückkehr aber hatte Krumenkamp die Fühler nach dem ehemaligen Fußballprofi und -trainer Heinrich Platen ausgestreckt, der bereits einmal für mehrere Jahre Trainer bei Fortuna gewesen war und den Verein aus der Bezirksliga in die Oberliga geführt hatte. Platen hatte zu der Zeit eine Trainerstelle bei einem höherklassigen Verein inne, war dort aber von seinem Amt zurückgetreten, um das Training bei Huke zu übernehmen. Der höherklassige Verein hatte ihm zunächst keine Freigabe für Fortuna Huke erteilen wollen. Da sich die arbeitsgerichtliche Entscheidung hingezogen hatte und da Krumenkamp zumindest hatten dies einige Vorstandskollegen so gesehen auch wegen der anhaltenden Erfolglosigkeit von Fortuna „kalte Füße“ bekommen hatte, hatte sich Huke in der Winterpause von Camenberg getrennt. Für Camenberg hatte man aber nicht Platen, sondern Addi Kracht als neuen Trainer eingestellt, der auf eine Bezahlung verzichtete. Kracht, im medizinisch-physiologischen Bereich tätig, war es gelungen, die Mannschaft konditionell auf die Rückrunde vorzubereiten. Er war jedoch schon einige Jahre nicht mehr im Trainergeschäft tätig gewesen, und hatte, wie mir viele Beteiligte schilderten, Schwierigkeiten mit der spieltaktischen Vorbereitung und Vermittlung. Immerhin hatte Kracht, der dem Verein seit 290 Reden und Spielen vielen Jahren verbunden war, einen ausländischen, fußballerisch sehr starken Stürmer mitfinanziert, der zuvor ebenfalls mehrere Wochen bei Fortuna mittrainiert hatte. Nach einigen erfolglosen Spielen und einem Sechs-Punkte-Rückstand auf Birkenheim der Abstieg schien nicht mehr abwendbar hatten aber auch Fortuna und Kracht sich getrennt. Jetzt übernahm schließlich doch Platen, der vom höherklassigen Verein endlich die Freigabe erhalten hatte, als dritter Trainer innerhalb weniger Wochen die Trainingsleitung bei Fortuna. Dieser Wechsel war mit der Perspektive erfolgt, die Mannschaft für die neue Saison einzuspielen: Denn der Vorstand ging davon aus, dass die Mannschaft den Abstieg in die Verbandsliga nicht mehr würde verhindern können. Mit dem Trainerwechsel erhoffte sich die Vereinsführung, dann den sofortigen Wiederaufstieg einzuleiten. Seine Mannschaft hat Platen im ethnografischen Interview als insgesamt „nicht oberligatauglich“ bezeichnet. Dies hatte er der Mannschaft gegenüber aber nicht mitgeteilt. Das Auswärtsspiel gegen Knüste ist das vierte Spiel von Fortuna unter Platens Leitung. Das erste hatte man gegen eine Mannschaft von der Tabellenspitze verloren, die nächsten beiden gegen Mannschaften aus der Tabellenmitte gewonnen. Der Rückstand auf Birkenheim ist von sechs Punkten auf einen Punkt geschmolzen. Dank Platen hat Fortuna auf einmal wieder Chancen, den Abstieg zu vermeiden. Die Stimmung in der Mannschaft ist fröhlicher und optimistischer geworden, die Spieler machen sich nach einer „verkorksten“ Saison mit zwei Trainerentlassungen (drei Trainer im Verlauf einer Spielzeit zu benötigen, verleiht der Mannschaft in der Sinnwelt des Fußballs ein Merkmal der Devianz) Hoffnungen auf einen versöhnlichen Saisonabschluss. Trotz der kleinen Serie von zwei gewonnenen Spielen in Folge wird das Spiel gegen Knüste sehr schwer werden. Der ASC Knüste, Sportverein aus einem Stadtteil der Großstadt Deele, ist ein Traditionsverein, dessen diverse Abteilungen eine lange Tradition im Spitzensport aufweisen. Nur die Fußballabteilung war bisher nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Nun hat die Abteilung einiges Geld investiert, damit die Mannschaft in die Regionalliga aufsteige und den Makel der Leistungsschwäche der Fußballabteilung wegwische. Tatsächlich steht die erste Mannschaft nur wenige Punkte hinter dem Tabellenführer und könnte den Aufstieg schaffen. Allerdings hat die Mannschaft in den letzten vier Spielen nur einen Sieg erringen können, drei Spiele endeten unentschieden. Während Fortuna sich als Ziel gesetzt hat, das Spiel in Deele nicht zu verlieren, steht Knüste unter dem reziproken Druck, das Spiel unbedingt zu gewinnen. Zu Beginn der Woche war Platen davon ausgegangen, dass das Spiel auf dem Kunstrasenplatz in Knüste stattfinden würde. Daher hatte er Trainingsübun- Die Rhetorik der Trainer 291 gen ausführen lassen, welche die Spieler mit den spezifischen Anforderungen vertraut machen sollten, die ein Kunstrasenplatz im Unterschied zu einem natürlichen Rasenplatz im Hinblick auf das Abspiel des Balles und das Anspielen des Mitspielers sowie auf das räumliche Verhalten stellt. Zum Ende der Woche erfuhr Platen jedoch, dass der Knüster Verein das Spiel möglicherweise auch auf dem Naturrasen des Tussenkampstadions in Deele austragen lassen werde. Das Verhalten des ASC Knüste, den Gegner über den Austragungsort im Unklaren zu lassen, kann Huke nicht überraschen, da Knüste gewöhnlich auch den Zustand der Spielfläche manipuliert. Knüste will so den jeweiligen Gegner überraschen und sich einen Vorteil sowohl im Hinblick auf die Ausrüstung als auf die Qualität der kämpferisch-moralischen Einstellung verschaffen. In der Mannschaftssitzung nach dem Abschlusstraining hat Platen deshalb seine Spieler gewarnt, dass sie trotz des seit einigen Tagen sehr warmen Wetters mit einem gewässerten und daher morastigen Rasen in Deele rechnen müssten: 071 Platen: 072 ? : 073 Platen: 074 075 076 077 078 Platen: Komm.: 079 Platen: 080 081 [H-47A] *1,5* äh wobei' 1 - *2* äh ich- * gehö''rt habe- ** un aus ( ne junge mannschaft? ) der erfa'hrung rau"s~ * dass sie RÄUSPERN eben halt die werden ko"mm4- * die we'rden- * von a'nfang a“n- ** der sa“chte mir auch selbst- ** n/ nicht dass se nur den ku'nstrasen bewä'ssem sondern dass se auch da“ ** den 61 im tu'ssenkampsta'dion- * bewässern also n bisschen feu“cht machen- ** und äh- * da"- * bis dat- * bei dem wetter tro"cken is~ ** ne ei'nstellungssache is dass man- * frü“hzeitig~ # # ** si"ch auf=n tie'feren #HUSTEN EINES SPIELERS# bo’den einstelltf ->we"nn et so isf<- ** also- * sto"llen*schu"he~ ** para't haben- * u“m~ * ->ei“ngestellt zu sei"n~ * dass man auf=n tie'fen platz kommtf ** jaf * da kann ich freien mischen da kann ich alles machent-«- Platen kann bis auf Verteidiger Peter „Köddel“ Schmerkötter auf alle Spieler des Kaders zurückgreifen. Köddel hatte sich zwei Spiele zuvor zu einer Tätlichkeit provozieren lassen und die rote Karte erhalten. Nun ist er für mehrere Meisterschaftsspiele gesperrt worden. Trotz der Sperre begleitet er die Mannschaft nach Knüste, ebenso wie der A-Jugendspieler Bernd Böhmer, der nicht als Spieler und nicht als Ersatzspieler aufgestellt worden ist. Die Temperatur am Spieltag scheint wieder sehr warm zu werden. Vor dem Vereinsheim warten die Spieler, einige Spielerfrauen und Familienangehörige sowie der Trainer, der Vereinsvorsitzende und der Betreuerstab auf den Bus, der sie nach Knüste bringen wird. Man sonnt sich. Als der Bus immer länger auf sich warten lässt, bricht Unruhe aus, und Krumenkamp telefoniert dem Bus hinterher. Trainer Platen schickt die Spieler in den Schatten, da er einen zu großen Flüssigkeitsverlust befürchtet. Schließlich erscheint der Busfahrer 292 Reden und Spielen mit gut 30-minütiger Verspätung. Die Fahrt nach Deele müsste normalerweise eine knappe Stunde dauern. Auf der Autobahn jedoch gerät der Bus in einen Stau und verliert ca. 15 Minuten. Die voraussichtliche Ankunftszeit in Deele wird nun ungefähr eine halbe Stunde vor Spielanpfiff sein, 45 Minuten später als eigentlich geplant. Trainer und Mannschaft werden kaum Zeit haben, sich die Busfahrt aus den Beinen zu schütteln und in der Kabine in Ruhe die Mannschaftssitzung durchzuführen, da die Spieler sich noch umziehen müssen und der Schiedsrichter die Passkontrolle durchführen muss. Es ist abzusehen, dass der Zeitdruck für Fortuna bis zum Anpfiff bestehen bleiben wird. Noch während der Busfahrt kommt Trainer Platen deshalb in den rückwärtigen Teil des Busses, in dem sich immer die Spieler niederlassen, und führt hier die Mannschaftssitzung durch. Er bleibt mit dem Rücken in Fahrtrichtung in der Mitte des Ganges stehen und hält sich mit einer Fland fest. Lediglich zwei Spieler, Björn Drexhage und Martin Eickhoff, sitzen in seinem Rücken. Grobgliederung der Mannschaftssitzung Die Mannschaftssitzung dauert 14 Minuten und 25 Sekunden. Am Transkript H-48B1 ist die Bearbeitung aller im Flandlungsschema aufgeführten Aufgabenkomplexe ablesbar. 167 Allerdings hat die Aufgabenpräsention nicht den Stellenwert, den sie bei Brüngers Mannschaftssitzung in der Vorbereitung auf das Grobach-Spiel hatte. Platen handelt die Aufgabenpräsentation nur implizit und auf wenigen Zeilen gleich zu Beginn ab. Die Sitzung lässt sich grob so einteilen: 1) Z. 001-007 Herstellung des Handlungsschemas, implizit Präsentation der Aufgabe in Knüste als bewältigbar. 2) Z. 007-135 Darstellung der kollektiven Strategien zur Aufgabenbewältigung durch den Trainer und Verarbeitung der Strategien durch die Spieler. 3) Z. 135-172 Vorbereitung zur Aufgabenbewältigung durch den Trainer. 4) Z. 172-177 Auflösung des Handlungsschemas. Die grobe Einteilung verdeutlicht, dass Platen in dieser Mannschaftssitzung sehr viel Wert auf die Darstellung der kollektiven Strategien zur Aufgabenbewältigung legt. „gefühl für ham dass ich rausgehe“ - In-Gang-Setzen der rhetorischen Strategie des „Instruierens“ Die rhetorischen Verfahren, die die Strategie des Instruierens etablieren, werden im Folgenden an kurzen Ausschnitten aus der Mannschaftssitzung beschrieben. Die Ausschnitte (Z. 001-024) repräsentieren den Beginn der Sitzung und spiegeln die Aufschichtung der rhetorischen Mittel, die schließlich 167 Vgl. die Transkription der Sitzung H-48B im Anhang. Die Rhetorik der Trainer 293 zu ihrer Interpretation als rhetorischer Strategie fuhren, wider. Die Beschreibung konzentriert sich darauf, die wesentlichen Bausteine der Strategie zu benennen und die Art und die Funktion ihrer Verwendung zu verdeutlichen. Dabei wird auf alle Ebenen der Interaktionskonstitution (vgl. den Abschnitt 2.3) referiert werden. 1. Herstellung des Handlungsschemas und Situationseröffnung: 001 Platen 002 003 004 005 Marcel: so! kö"nn wir ein momentf * ei"n moment wieder zuhö'rnf *2* ich weiß nich wie viel zei"t wir nachher- * da im sta“dion harn es is schon- * ziemlich spä“t~ *1,5* äh- * vielleicht auch ganz gu’t dann- * ste“hn wa nich zu lange inner so“nne~ * sonnan- *2* so“nnan dann ha“m wa vielleicht- * u: psF * tschuldigungF 006 Platen: schne’ll u'mziehn- *2* wa'rm machen- *1.5* gewinn- * un nach hau“se 007 Matth.: gewinn un na hause fahrnF 008 Platen: fahrnF ** net # *3* ->so # ich hab mir ma so~<- * Schwerpunkte- KK: # ENTFALTET BLATT PAPIER MIT DER AUFSTELLUNG # 009 Sven: un bgnissia kuckenf [H-48B1] Die rhetorischen Mittel des Instruierens im präsentierten Ausschnitt sind: a) Die Aushandlungsfrage Platens zur Herstellung des Handlungsschemas und des spezifischen Beteiligtenverhältnisses - Platen wesentlich als Sprecher, die Spieler wesentlich als Zuhörer - (Z. 001). Die Art der Formulierung des Aufmerksamkeitsappells mit steigender Intonation, Modalverb und anschließender längerer Pause lässt eine explizite Aushandlungsreaktion der Spieler zu (im Unterschied etwa zu mit Infinitiven konstruierten Aufforderungen). b) Die Selbst-Inklusion des Sprechers als Mit-Adressat (kö “nn wir), die auf das Beziehungsschema und die Reziprozitätsebene verweist und die Gemeinsamkeit dokumentiert. c) Die implizite Begründung, den Aktivitätskomplex der Mannschaftssitzung an diesem ungewohnten Ort und zu diesem ungewohnten Zeitpunkt durchzuführen, mit dem Hinweis auf die ungewisse Ankunft am Stadion und die fortgeschrittene Zeit (Z. 00lf.). d) Die Funktionalisierung der Verspätung als eventuell positiv: viellei“cht auch ganz gu “t. e) Die implizite Begründung dieser Definition (Z. 003-008). Das mit nichtsondern-Fomrdtiv konstruierte Argument referiert zunächst auf eine inaktive disfunktionale Tätigkeit, welche die Voraussetzungen, das Spiel unentschieden zu gestalten oder zu gewinnen, mindert (das zu-lange-in-der- 294 Reden und Spielen sonne-stehen 6& könnte die Spieler z.B. dehydrieren, es könnte sie zu anhaltender Passivität verleiten). Das zweite Formativglied kontrastiert die disfunktionale Tätigkeit mit einer logischen Kette von vier funktionalen Aktivitäten: schnell umziehen warm machen gewinnen nach hause fahren. Der Kontrast zwischen disfunktionaler Flandlung und funktionalen Tätigkeiten wird semantisch unterstützt durch die Verwendung eines durativen Verbs dort (lange-in-der-Sonne-stehen) und von perfektiven Verben hier (umziehen, warm machen, gewinnen und nach-Hause-fahren). Die logische Listenstruktur ist eine Hyperbel. Die vor den Beteiligten liegenden vielfältigen Handlungsaufgaben mit ihren auf Grund der Beteiligung anderer Akteure erwartbaren Handlungskomplikationen werden übertreibend auf nur vier Aktivitäten reduziert. Mit der Äußerungsfolge funktionalisiert Platen die negativen Begleitumstände (Verspätung), deutet sie positiv um und projektiert einen erfolgreichen Handlungsabschluss. Anakoluth, Rückgriff auf die Listenstruktur, Verknappung ihrer Elemente auf Infinitive mit Adform bzw. Attribut verleiten Matthias und Sven, die syntaktisch ausgesparte Formulierung aufzufüllen und die Kette zu ergänzen (was zugleich die logische Kette als formelhafte Wendung erscheinen lässt). Dabei erweist sich die markante Zäsurierung Platens als in mehrerlei Hinsicht funktional und nicht als zufällig. Prinzipiell erleichtert er seinen Spielern so den rationalen Nachvollzug seiner Rede, zweitens erhöht er mit jeder Pause den interaktiven „Druck“, dass jeder die unabgeschlossene Formulierung für sich ergänzt oder sie für die anderen Beteiligten laut abschließt, drittens gewährt er den Zuhörern die Zeit, die sie zum Vervollständigen seiner Formulierung benötigen, viertens gibt er ihnen bei langen Pausen die Gelegenheit, die Ergänzung auch vor den Mitspielern zu formulieren. Damit erreicht Platen drei Dinge: 1. explizite interaktive Mitarbeit seiner Spieler am Prozess der Bedeutungszuschreibung, 2. nachdrückliche Stützung seines Argumentes und der positiven Bewertung (das Spiel in Knüste erscheint als bewältigbar) sowie 3. die Demonstration einer gemeinsamen positiven Sicht auf die Dinge in ihrer Welt. 2. Vorstrukturierung 008 Platen: KK: 009 Sven: 010 Platen: 011 012 013 fahrnf ** net # *3* ->so # ich hab mir ma so~<- * Schwerpunkte- # ENTFALTET BLATT PAPIER MIT DER AUFSTELLUNG# un boru'ssia kuckenf ** auf die' es- * si’chalich heule arkommtf *2* die- * personelle- * gescltf'chte spielt- * ->ni"ch die große rolle weil ich hab ma eben hie’r in dem- ** ahm- * revie'rsport- * die ham au'ch probleme mit au'fstellung sodass wir uns da" nich gro“ß an na'.m ersma aufhaltn wollni * <wi*chtich~ *1,5* ich hab das ma hie“r so 168 Die Zitate werden, wenn der Fokus nicht auf prosodischen Verfahren liegt, verkürzt wiedergegeben. Die Rhetorik der Trainer 295 014 Platen: ausgezeichnet- * dat kö"nnt ihr euch nachhe'r noch- * hängt au wieder in der 015 kabi’ne rei’n- *2,5* <wi"chtich sind hie"r die paa're auf der seiteJ- *2* lo'thar- * [H-48B1] Um die rhetorische Strategie zu sichern und zu entwickeln, vollzieht Platen diese Aktivitäten: a) Platen entfaltet ein DIN-A4-Blatt, auf dem ein Spielfeld mit den 22 Spielerpositionen zu sehen ist, und hält es seinen Spielern hin. Jede der elf Positionen von Huke ist durch einen Namen ausgewiesen, die Positionen der Knüster Mannschaft sind durch ein X gekennzeichnet. Die nonverbale Präsentation des Zettels bietet eine strukturierte Darstellung der Sachverhalte an: Platen markiert, dass er einen detaillierten Plan zur Bewältigung der Aufgabe in Knüste besitzt und und ihn bildlich symbolisiert hat, dass er wahrscheinlich auf die bildliche Repräsentation verweisen wird, um seine Äußerungen zu stützen, und dass er von dem intersubjektiven Nachvollzug dieser bildlichen Symbolisierung ausgeht. b) Sein folgender account (Z. 008/ 010) macht die Notizen als sehr relevant verstehbar und hat vorstrukturierende fokussierende Funktion. Rhetorisch greift er auf lexikalische Elemente {Schwerpunkte und darauf ankommen), auf deiktische Elemente (die und heute), auf Modalisierungen {sicherlich) und prosodische Verfahren (Akzente, Zäsurierung, langsameres Tempo relativ zu der vorherigen Äußerung, Äußerungsabschluss mit Grenzton) zurück. Zusammen mit dem Anakoluth erreicht Platen so eine „schlagzeilenartige“, herausgehobene Bedeutungszuschreibung der als relevant markierten Äußerungsfolge. c) Die anschließende Äußerungsfolge (Z. 010-013) hat ebenfalls vorstrukturierende Funktion. Die Assertion die-'* persone “lle~ * geschi"chte spielt- * ni “ch die große ro “Ile bezieht sich nicht auf die eigene, sondern auf die gegnerische Aufstellung (denn zum einen hat Platen die eigene Aufstellung bereits am Freitag bekannt gegeben, zum anderen spielt für seine Spieler sehr wohl „eine Rolle“, ob sie eingesetzt werden oder nicht). Sie fokussiert einen möglichen thematischen Gegenstand der Sitzung. Die abgeschwächte Behauptung begründet Platen mit dem Sachverhalt probleme mit au “/ Stellung. Die Nennung der Quelle faktiziert die Validität des Sachverhaltes, zugleich ermöglicht sie es den Spielern, die Validität zu überprüfen. Den Äußerungsabschluss bildet eine subordinierte metakommunikative Äußerung. Mit ihr macht Platen deutlich, dass er die mögliche Subkomponente des Aufgabenkomplexes - Projektieren der Mannschaftsaufstellung des Gegners und Darstellen ihrer Positionierung auf dem Spielfeld abwählt. Die vorstrukturierende Äußerungsfolge (des Tenors: „was ich im Folgenden nicht thematisieren werde“) hilft den Spielern, die Struktur der Rede kausal nachzuvollziehen und die thematischen Gegenstände einzugrenzen. Sie ist durch die Verknüpfung schwach markierter 296 Reden und Spielen rhetorischer Mittel gekennzeichnet (schnelleres Tempo, weniger Akzentuierungen und Zäsurierungen relativ zur voraufgegangenen Äußerung). d) Nach der Abwahl von dispräferierten thematischen Gegenständen rekontextualisiert Platen ökonomisch das wesentliche Strukturelement: <wi“chtich~ (gegenüber vorher schwe“rpunkte auf die“ es heu“te si“chalich a"nkommt). Er verstärkt dessen Relevanz für den Äußerungskontext durch Anhebung der Lautstärke, Akzentuierung und anschließende Pause. e) Er rekontextualisiert mit dem nächsten account (Z. 013f.) die zweite Symbolisierungsebene. Neben der sprachlich-symbolischen Darstellung wird er auf seine bildliche Repräsentation des Planes mittels gestisch-deiktischer Prozeduren verweisen. Die Reformulierung unterscheidet sich von der Bezugsäußerung (vgl. Z. 008) dadurch, dass das Reflexivpronomen getilgt ist, dass das Deiktikon das die als relevant markierten Sachverhalte kontextualisiert, dass das Deiktikon hie "r auf den Zettel verweist und dass die Äußerung nicht mit Anakoluth endet, sondern mit infinitem Prädikatsteil. Die ursprünglich auf sich verweisende Aktivität wird in ihrer Funktion als bildliche Darstellung für die Spieler betont. f) Platen kündigt den Spielern an, dass sie auch nach der Durchführung des Handlungskomplexes noch die Möglichkeit haben werden, diese Aufzeichnungen zu studieren. Mit dem Öffentlichmachen seiner Notizen gibt er zu erkennen, dass seine Aufzeichnungen dann auch ohne sprachliche und gestisch-deiktische Symbolisierung nachvollziehbar, quasi selbstevident und logisch sind. Damit demonstriert er sowohl sein Selbstbewusstsein und seine Kompetenz als auch sein Verständnis von „mündigen Spielern“: Sie müssen die im Folgenden dargestellte Spielstrategie nicht ohne vorheriges Verstehen ausführen, sondern haben die Chance, die Spielstrategie einer selbst-strukturierten rationalen Analyse zu unterziehen, die Valididität seiner Äußerungen und die Plausibilität der Spielstrategie zu überprüfen. Die so den weiteren Handlungsablauf bis zum Spiel strukturierende Expansion markiert Platen mithilfe einer schwebenden Intonation zwischen den Äußerungen, mithilfe von relativ gesehen wenigen Akzenten und mithilfe der Rekontextualisierung des wesentlichen Strukturelementes wi“chtich in der Folgeäußerung als informierendem Einschub. 3. Thematisieren des ersten Sachverhaltes und Instruieren kategorialer defensiver Aktivitäten 015 Platen: 016 017 018 019 020 021 kabi“ne rei'n- *2,5* <wi‘chtich sind hie"r die paä're auf der seitef *2* lo’thar- * und ste'fanf *2* wenn de"r~ * den a“nschluss hier- * ni"ch fi'nden solltet- * hie“r wenn der ma we“ggehn solltet ** gefff'hl für harn- * dass ich rau"sgehet * un der ste'fan nach i“nn geht! * wenn ich hie'Y hinterher renne scha'ff ich dat nicht * aba wenn ich den ku'rzn weg hier rei’nlaufet * dann ka’nn ich- * wie’der a'bwehrnt kann ich de"n hier überne’hmt * jat e"rsma vom ma'nn ausgehn- * ganz kla'rt * auf der a'ndern seite- *2* der- * matthi“as~ * und der- *2* äh Die Rhetorik der Trainer 297 022 Platen: tobi'as- * genau" das glefchei *1,5* net wenn der hie'r überlau"fn wird ma"l~ 023 ** dass der matthi“as dann hie“r~ *1,5* mit rau'sgeht vom geda'nken he“r~ * un 024 du" dann nach i‘nn ni“ch dass wir hinterhe'rlaufnt * gut wenn ich=n krie'ge- * [H-48B1] Platen setzt die Etablierung seiner rhetorischen Strategie folgendermaßen weiter durch: a) Mit der langen Pause nach der Expansion kündigt Platen einen relevanten Äußerungszug an. b) Die folgende Äußerung <wi"chtich s: ind hie“r die paa"re auf der seite-l rahmt nicht nur die Expansion, sie rekontextualisiert das wesentliche Strukturelement und fokussiert den ersten relevanten Sachverhalt. Sie bezieht sich auf die in der Trainingssitzung genannte Defensivaufstellung mit Matthias und Tobias auf der rechten und Lothar und Stefan auf der linken Abwehrseite. Ihre thematische Heraushebung als relevant wird rhetorisch erreicht durch die angehobene Lautstärke, die Akzentuierung der semantisch bedeutsamen Äußerungselemente (Bewertungsausdruck, Lokaldeiktikon und Prädikatsteil ohne attributive Erweiterung), die Beendigung der Äußerung mit Grenzton sowie die anschließende lange Pause. c) Das Prädikat wird durch die Referenz auf zwei Spieler bzw. die Adressierung der Spieler konkretisiert. Bei dem Verweis auf Stefan zieht Platen den formelleren Vornamen dem ebenfalls zur Verfügung stehenden Gruppennamen „Schuld“ bzw. „Schulli“ vor (den Platen noch in der Trainingssitzung gewählt hatte). Die Konkretisierung endet mit Grenzton. Die in den Zeilen 016-024 wiedergegebenen Äußerungen Platens stellen Aufforderungen an die beiden Defensivpaare dar. Sie sind mehrheitlich Aufforderungen für Ausnahmebedingungen bzw. spezifische Gefahrenfälle und werden z.T. plausibilisiert. Die Struktur der inhaltlich kohärenten und komplexen Äußerungsfolge sind drei Bedingung-Folge-Strukturen, Aufforderung, Adressierung des zweiten Paares und Reformulierung des ersten Wenn-Dann- Formativs: d) Das erste Wenn-Dann-Formativ (Z. 016-018) besteht aus der Formulierung einer Negativbedingung, Reformulierung und mehrteiligem Folgeteil. Die uneindeutige verbale Referenz zunächst auf den offensiveren Spieler und auf den Raum wird durch zeitgleiche nonverbale deiktische Handlungen Platens eindeutig. Das Prädikat a“nschluss verweist voraus auf die Nichterfüllung einer kategorialen Aktivität Stefans {den anschluss nicht finden = „seinem Gegenspieler hinterherlaufen“). Negativbedingung und Nichterfüllen der kategorialen Aktivität (was eine implizite Negativkategorisierung des Spielers bedeutet) werden als Ausnahmen dadurch abgeschwächt, dass Platen den Namen Stefans nicht nennt und dass er die Modalisierung sollte verwendet. Der Abschwächung dient auch die Reformu- 298 Reden und Spielen lierung der Bedingung: hie “r wenn der ma we "ggehn sollte-l angedeutet durch die Fokusverschiebung auf die Aktivität des Gegenspielers und auf den Raum, sowie durch die zweifache Modalisierung. Der zweite Strukturteil besteht aus unerweitertem Infinitiv mit Prädikat (es fehlt das Hilfs- oder Modalverb), Proform für Präpositionalobjekt und nachgeschobener Zweierkette von Objektprädikaten: ** gefü“hlfür ham~ * dass ich rau“sge/ iet * un der sie'fan nach i"nn gehti. Die Kette wird als Finalphrase konstruiert nicht z.B. als Temporalphrase - und verdeutlicht den zwar nicht massiven, aber dennoch konditionalen Aufforderungscharakter der Äußerungsfolge. Die erste referiert auf Lothar, die zweite auf Stefan. Die Gleichzeitigkeit der beiden Handlungen erweist sich in der prosodischen Verknüpfung (die steigende Intonation kündigt das zweite Prädikat an; die Akzente heben die deiktischen Prädikatsteile hervor) und in der lexikalischen Kontrastierung (rau“s vs. nach i“nri). e) Das zweite Wenn-Dann-Formativ (Z. 018f.) bearbeitet die Frage, was für Folgen es hätte, der Aufforderung nicht nachzukommen. Im Bedingungsteil nennt Platen die oppositive Aktivität hinterher rennen, die der nicht explizit genannte Spieler auf Stefans Position ausführen könnte. Hochgestuft sind das Deiktikon und die direktionale Adform, also Segmente, die die Aktivität und bspw. nicht den Verursacher spezifizieren. Im Folgeteil generalisiert Platen die Alternative als impraktikabel, da sie nicht das Erfüllen der kategorialen defensiven Aktivitäten bewirken kann. Die Abwahl der Alternativhandlung stützt die Validität der Handlungsaufforderung. Instruierend wirkt hier vor allem, dass Platen die Aufforderung durch die Kontrastierung mit der Alternativhandlung plausibilisiert und die Nichterfüllung erwarteter Aktivitäten durch das unpersönliche ich nicht dem Spieler zuschreibt. Die Darstellung erhält so paradigmatischen Wert auch für die anderen Zuhörer. f) Platens drittes Wenn-Dann-Formativ (Z. 019f.) plausibilisiert die Handlungsaufforderung (vgl. Z. 017f.). Sie setzt das Eintreffen der ersten Bedingung (das Anschluss-Verlieren von Stefan) und das folgende Hinausrücken Lothars voraus. Die Opposition wird durch den Oppositivmarker aba angezeigt. Das etablierte unpersönliche ich hält den Rezipientenkreis offen. Er reformuliert den zweiten Teil der Aufforderung, ersetzt das zuvor verwendete Verb nach innen gehen durch das aktionalere rei“nlaufen, dem er eine spezifizierende Objektphrase den ku“rzn weg vorausschickt. Sie lässt den Aufwand als gering erscheinen, was die Umsetzbarkeit der Handlungen plausibilisiert. Den Folgeteil realisiert Platen in drei Schüben. Im ersten akzentuiert er das Modalverb und betont den praktischen Nutzen der Bedingungshandlung, der zweite nennt das infinite Verb mit vorangestelltem Adverb, das auf die kategoriale Aktivität des Verteidigens referiert, der dritte spezifiziert die Defensivaktivität mit der Teilhandlung „Lothars Gegenspieler übernehmen“. Die Akzente und der Äußerungsabschluss bekräftigen die Gewissheit seiner Behauptungen. Lokal refokus- Die Rhetorik der Trainer 299 siert Platen den Zweck des Hineinlaufens, wesentlich ist jedoch die Plausibilisierung der Handlungsaufforderung. g) Platen fordert mit tag-question die stillschweigende Ratifizierung seiner Plausibilisierung ein. h) Er schiebt einen unerweiterten Infinity mit temporalem Bezug nach, der die konträre defensive Aktivität („den eigenen Gegenspieler decken“) thematisiert, das durch das Temporaldeiktikon aber eingeschränkt wird auf einen Normalzustand (Z. 020). Dieser Aufforderung mit schwebender Intonation, die als Erinnerung an die Grundaktivität fungiert, schiebt Platen eine markante Evidenzmarkierung hinterher. Sie endet mit steigender Intonation. Unerwartete Kontrastierung, Modalisierung und steigende Intonation lassen erwarten, dass Platen die defensive Aktivität für den Notfall wiederholen wird: Das Übernehmen. i) Platen aber referiert auf die rechte Defensivseite und macht nach langer Pause und trotz markanter Planungspausen den Bezug auf die dort eingesetzten Spieler explizit (Z. 02 lf). Erneut nennt er erst den Spieler auf der defensiveren, dann den auf der offensiveren Position. Das lässt auf ein kognitives Muster für die Bekanntgabe der eigenen Aufstellung schließen: „Nenne erst Torwart und Abwehrspieler, dann die Mittelfeldspieler und zum Schluss die Stürmer“. Die folgende elliptische Äußerung besteht aus Modalisierungspartikel und Objekt. Kandidaten für das Verb können durch die grammatische Struktur leicht erschlossen werden (z.B. „machen“, „tun“). Platen rekontextualisiert so den ersten Sachverhalt und weitet den Geltungsbereich auf Matthias und Tobias aus. j) Anschließend an die tag-question reformuliert Platen die erste Bedingung- Folge-Struktur für die so indexikalisierte Seite (Z. 022-024). Die Nichterfüllung der kategorialen Aktivität wird ebenfalls als nur eventuell modalisiert. An die Reformulierung des ersten Folge-Teils - Matthias wird explizit adressiert hängt er den mit Akzenten als relevant markierten metakommunikativen Kommentar vom geda‘‘nken he“r~ an. Mit ihm modifiziert Platen die Aufforderung, auf den Notfall sensibel zu reagieren (vgl. Z. 017). Er fordert von Matthias, dass ein eventuelles Versagen von Tobias bei Matthias sofort den kognitiven Prozess auslöse, von der defensiven Grundaktivität „Manndecken“ auf die situational begrenzte Komplementäraktivität „Übernehmen“ umzuschalten. Platen reformuliert auch den zweiten Teil der Folgestruktur, wobei er explizit nur Tobias adressiert. Platen reformuliert die als Gebot formulierte Aufforderung als Verbot. Die explizite Referenz auf Tobias ersetzt er durch die Referenz auf die gemeinsame Gruppe. Mit der Entindexikalisierung schont er Tobias 1 Ansehen in der Gruppe. 300 Reden und Spielen Zusammenfassung: Die rhetorische Strategie des „Instruierens“ Trainer Platen wählt für die Abwicklung seiner Mannschaftssitzung eine rhetorische Darstellung, die als Strategie des „Instruierens“ bezeichnet werden kann. Die Aushandlung des Handlungskomplexes setzt Platen mit Bestimmtheit durch, doch lässt sie explizit Raum für Aktivitäten der Spieler. Er begründet seine Handlungsinititative, wie er sich auch im weiteren Verlauf immer wieder bemüht, zurückliegende wie auch laufende Aktivitäten zu erklären und zu plausibilisieren. Dies etabliert bereits eine sehr kooperative Orientierung auf den Partner und appelliert an ein spezifisches rationales Rezeptionsverhalten. Die Parenthesen werden durch die Verminderung des rhetorischen Aufwands und durch Rahmungen als informierende Einschübe markiert. Platen bemüht sich von Beginn um eine klare Strukturierung und Relevanzsetzung, was den Zuhörern den Eindruck von Transparenz vermittelt. Platen legt kein Interaktionsverhalten an den Tag, das den Spielern Anlass gäbe, eine strategisch-heimliche Überformung seiner Aktivitäten mit für sie negativen Folgen anzunehmen. Relevanzmarkierung, bildliche Präsentation, Thematisierung einer spieltaktischen Problemkonstellation als ersten Sachverhalt sowie die gleichzeitigen verbalen wie nonverbalen deiktischen Handlungen verdeutlichen darüber hinaus sehr schnell, dass Platen an einer Fokussierung, Illustrierung und Bearbeitung fußballtheoretischer Phänomene und nicht an einer Bearbeitung geistig-moralischer Einstellungen gelegen ist. Ihm gelingt so nicht nur eine Inszenierung seiner Spielstrategie als strukturiert, nachvollziehbar und einleuchtend. Er suggeriert damit auch, dass allen die Bedeutung des Spieles klar ist und die sportliche Lage von ihm nicht dramatisiert werden muss, dass die geistig-moralische Einstellung nicht der Bearbeitung bedarf und die grundsätzliche spielstrategische taktische Ausrichtung sowie die „normalen“ individuellen Anforderungen evident sind. Die thematische Bearbeitung der Problemkonstellationen zielt paradigmatisch auf die Herstellung einer komplexen ganzheitlichen Orientierung der Mannschaft auf das Kollektiv und auf die Übernahme von Perspektiven anderer. Neben der Fokussierung der individuellen, den Spielern prinzipiell vertrauten und ausführbaren Aufgabe, die mit den notwendigen Teilaktivitäten detailliert und durch den Kontrast mit fehlerhaften Aktivitäten beschrieben und erklärt wird, sollen die Spieler die Aktivitäten ihrer Nebenleute beobachten. Sie sollen sich kognitiv darauf einstellen, spontan und situationsadäquat auf Problemkonstellationen zu reagieren und kollektive Handlungsprozeduren zur Gefahrenvermeidung einzuleiten. Die notwendige Darstellung der Problemkonstellationen vollzieht Platen wiederholt ohne Referenz auf den Namen des auf der Position eingesetzten Spielers und zusammen mit Modalisierungen. Andernfalls würde Platen den Einzelnen damit vor den Mitspielern als Spieler kategorisieren, der seine kategorialen Aktivitäten generell nicht erfüllte. Platen wählt stattdessen wie auch für die Darstellung der korrektiven Aktivitäten unpersönliche Referentia, was zusammen mit der Ausweitung des Geltungsbereiches auf andere Mitspielergruppen den paradigmatischen Charakter sei- Die Rhetorik der Trainer 301 ner Erklärungen erhöht. Der Charakter der direktiven Äußerungen als Aufforderungen ist nur schwach markiert, dennoch aber zu erkennen. Platen ist nicht daran interessiert, die Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung zu betonen, sondern die Einsicht der Spieler in die Plausibilität erforderlicher und zusammenhängender, komplexer Handlungsprozesse zu befördern. Die Fähigkeit des Spielers, die Handlungen umzusetzen, sowie die tatsächliche Umsetzung der Handlungen werden als selbstverständlich vorausgesetzt, was daran abzulesen ist, dass diese grundsätzliche Dimension überhaupt nicht thematisiert wird. Zur Begründung und Plausibilisierung stellt Platen nicht nur den kollektiven wie individuellen Nutzen der korrektiven Handlungen, sondern auch die Impraktikabilität der abgewählten konträren Aktivitäten dar. Seine Begründungen sind in der Modalität der absoluten Gewissheit formuliert. Platen operiert weit stärker mit Geboten als mit Verboten, bemüht sich um die positive Darstellung von zunächst negativ erscheinenden Bedingungen und projektiert eher die Lösbarkeit der anstehenden Aufgabe als die Folgen eines Scheiterns. Generell ist die Redeweise Platens sehr ruhig und bestimmt. Die Verwendung von Anakoluthen und die auffälligen Zäsurierungen setzen dabei besondere Bedingungen für die interaktive Beteiligung der Spieler an seiner Rede. Die Spieler werden in die Lage versetzt und auf der anderen Seite auch gezwungen, die Äußerungsstruktur zu verfolgen, offen gebliebene Positionen aufzufüllen, an der Bedeutungszuschreibung interaktiv mitzuarbeiten und so eine gemeinsame Reziprozität herzustellen. Der Nutzen der Strategie liegt darin, dass die Spieler den Fußballsport in seiner komplexen Gestalt als Mannschaftssport erfahren und rational begreifen lernen und in die Lage versetzt werden, die Perspektiven der Mitspieler und der Gegenspieler zu übernehmen und so selbst spielstrategisch zu denken. Dies hilft ihnen, über ihren eigenen „Tellerrand“ zu blicken, Gefahrenmomente frühzeitig zu erkennen und korrektive Aktivitäten einzuleiten. Letztendlich erzieht Platen seine Spieler so zu selbstständig handelnden, immer „kompletteren“ Fußballern, die nicht auf eine Position und einen kleinen Set kategorialer Aktivitäten festgelegt sind. Abschließend zu dieser Aufzählung der Elemente der Strategie ist festzuhalten, dass die von Platen in dieser Situation gewählte Strategie wesentlich weniger forcierend ist als die von Brünger in seiner spezifischen Entscheidungs- Situation produzierte Strategie „Dramatisieren der sportlichen Lage“. Die Ursachen, diese Strategie zu wählen, liegen zum einen sicher in der individuellen Präferenz des ehemaligen Profifußballers und -trainers Platen und in seiner besonderen intellektuellen Kompetenz, komplexe spieltaktische Vorgänge zu erklären. Zum anderen sind sie in dem Umstand zu suchen, dass Platen als dritter Trainer innerhalb einer Saison und bei den ursprünglich sehr schlechten Ausgangsvoraussetzungen nicht unter Druck steht, Spiele sofort gewinnen zu müssen. Drittens sind sie paradoxerweise - Resultat der letz- 302 Reden und Spielen ten beiden gewonnenen Spiele, was zu einer Entspannung der ursprünglich aussichtlosen sportlichen Lage geführt hat und die Bereitschaft der Spieler zusätzlich erhöht, den Ausführungen des Trainers zu folgen und ihnen Glauben zu schenken auch wenn Platen höhere kognitive Anforderungen an sie stellt als der vorherige Trainer Kracht. Die folgenden Strategien „Anweisen“, „Drohen“, „Anspornen“, „Unter- Druck-Setzen“, „Tadeln“, „Aufrichten“ und die Modalität „Aggressives Tadeln“ werde ich nicht in der bislang gewählten Ausführlichkeit behandeln, da die gesprächsanalytische Methode, die rhetorischen Strategien aus den sequenziell geordneten Äußerungen des Sprechers zu rekonstruieren, deutlich geworden sein sollte. Die Strategien sind ebenso gesprächsanalytisch aus den Materialen entwickelt worden, werden aber nur kurz definiert und mit einem Beispiel illustriert. Außerdem werden die Strategien auf ihren jeweiligen Nutzen und ihre jeweiligen Risiken hin untersucht. 6.7.1.3 „Anweisen“ Unter der rhetorischen Strategie „Anweisen“ verstehe ich die sprachlichen Aktivitäten des Trainers, mit denen sie den Spielern (meist globalere) Handlungen und Handlungsabfolgen in Erinnerung rufen und ihre Abwicklung in der anstehenden Wettkampfaufgabe anordnen. Die Handlungen und Handlungskomplexe zählen sowohl zu den kategorialen, notwendigen und von Grund auf erlernten Handlungen eines Spielers als auch zu den spezifischen und über basale Fertigkeiten hinausgehenden Handlungen, die entweder nur für das anstehende Spiel oder aber im Rahmen eines längerfristigen Lernziels im Training eingeübt wurden. Beim Anweisen fokussiert der Trainer folglich Handlungen, die Trainer Platen beim Anwenden der Instruktionsstrategie auch behandelt hatte. Im Unterschied zum Instruieren werden beim Anweisen die angeordneten sportlichen Aktivitäten nicht ausführlich erklärt, nicht ausführlich plausibilisiert, nicht ausführlich begründet, eher nur in geringem Maße konkretisiert, kaum anhand von erklärenden Zeichnungen symbolisiert bzw. anhand von Aufstellungsbildern dargestellt und nicht ausführlich mit problematischen oder gefährlichen Handlungsalternativen kontrastiert. Das folgende Beispiel, das aus einer Mannschaftssitzung des Handballvereins THV Köttersen stammt, zeigt den Unterschied zwischen dem im vorherigen Abschnitt dargestellten Instruieren und der hier von Trainer Schleisiek gewählten Strategie des Anweisens, zeigt aber auch einige Berührungspunkte mit ihr. Die sozialen Rahmenbedingungen des THV Köttersen sind ähnlich denen der beiden Fußballvereine. 169 Köttersen stand lange am Tabellenende, die Entlassung des Trainers schien unausweichlich, der Abstieg kaum mehr 169 Vgl. auch die in der Zusammenfassung der Ethnografie auftauchenden Bemerkungen über den Verein in Kapitel 4 dieser Arbeit. Die Rhetorik der Trainer 303 abzuwenden, bis man in der Winterpause einen jungen, sehr talentierten Handballspieler aus Russland engagierte, der den bis dahin eingesetzten ausländischen Spieler ablöste und sehr spielstark und torgefährlich ist. Mit Mischas Hilfe konnten zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits drei von vier Spielen der Rückrunde gewonnen werden. In der gesamten Hinrunde hatte man nur drei Siege feiern können. Köttersen steht zwar nicht mehr am Tabellenende, hat aber nur einen Punkt mehr als die Mannschaften auf den Abstiegsplätzen. Im anstehenden Heimspiel wird man auf einen Verein aus der Nachbarstadt Grautenberg treffen es handelt sich also für beide Mannschaften um ein Spiel mit hohem sozialem Prestige, es werden viele Zuschauer erwartet. 170 Die TG Grautenberg gehört dem oberen Tabellendrittel an, hat gute Chancen, einen Play-Off-Platz zu erreichen, und wird daher das Spiel vermutlich sehr engagiert angehen. Im Unterschied zu der Abwicklung der Mannschaftssitzung nach dem letzten Training formuliert Trainer Schleisiek am Spieltag ohne große Pausen, sodass der junge Aussiedler Alexander, der im Training und Wettkampf für Mischa übersetzt, simultan zu Schleisieks Äußerungen übersetzen muss (diese leisen simultanen Äußerungen Alexanders auf Russisch sind in der Transkription nicht mitrepräsentiert). Ungewöhnlich war für die Spieler an diesem Tag, dass Manager Nullmeier zum ersten Mal vor einem Spiel und vor Beginn der zu erwartenden Mannschaftssitzung des Trainers einige Worte an die Mannschaft gerichtet und ihnen die Bedeutung des Spiels und die in seinen Augen richtige moralisch-kämpferische Einstellung dargestellt hat; bislang hatte der Manager stets nur am ersten Trainingstag nach einem Spiel kleinere Reden vor der Mannschaft gehalten. 171 Nachdem Nullmeier geendet hat, beginnt wenige Sekunden später Schleisiek an zu reden. Er thematisiert zunächst die Ausgangskonstellation für beide Mannschaften, ihre momentanen Tabellenplätze und ihre Saisonziele. Anschließend drückt er seine Zuversicht aus, dass man das Spiel gewinnen werde, wenn man bestimmte Bedingungen erfülle. Daraufhin thematisiert er das Spielverhalten der beiden wichtigsten gegnerischen Spieler und welche Gegenmittel seine Mannschaft ergreifen solle: 170 Zur Bedeutung der ersten Mannschaft im institutionalisierten Amateurfußball als „Repräsentanten des partikularen Sozialsystems“ in der Auseinandersetzung „um Ruhm und Ehre der kommunalen Gemeinschaft“ vgl. Väth (1994), S. 58. Die Ausführungen Väths sind problemlos übertragbar auf Vereine des institutionalisierten Amateurhandballs insbesondere in Regionen wie der Gegend um Köttersen und Grautenberg, die als „typische“ Handballerregion gilt. Während Grautenberg eine Großstadt ist und die TG Grautenberg sich ihren bescheidenen Platz mit mehreren Handballvereinen und dem örtlichen Fußballbundesligisten zu teilen hat, genießt Köttersen die sozialen Vorzüge des ranghöchsten Handballvereins in einem, wie mehrere Informanten meinten, „klassischen Handballdorf 1 . 171 Diese kleineren Reden werden von der Mannschaft als „Nullmeiers Märchenstunde“ bezeichnet. Einige der Köttersener Spieler führten die von ihnen nicht erwartete Rede Nullmeiers vor dem Spiel auf den Beginn der Datenerhebung durch den Beobachter und folglich auf Nullmeiers Eitelkeit zurück. 304 Reden und Spielen 039 040 041 042 043 044 045 046 047 038 Schleis.: er gehindert werdend * jat *2* <we“nn sei offener decken ähnlich wie uns swienbült- * begegnet is- * is kla“r was dann geschiehtgleiche Variante wie wer da gespielt habenmischa zum kreiswolfgang hält sich erst zurück- <we“nn se fünf null plus eins spieln- * ja"i * da‘nn okayi bisschen mit au“ge spielndoppelpass mit krei'släuferrff'ckpässe- * und- * auch Wechsel parallelstoß und <we"nn> der halbe zur mitte geht- * da’ss der <mi"ddelmann> dann immer kuckt wo er hingehn kanni in der re'gel- * hinter dem rücken- * des halben hinterhe'rdann entste'hn auch da" die räume die wir braucheni * ->>vor alln dingen ruhig angehn lassen und hinten #gallig gallig gallig galligJ-# * e"ng KK: # KLATSCHT 4-MAL IN DIE HÄNDE# 048 049 050 051 052 stehn^ * wo’lfgang de'fensiv auf der position^ * jat dieter auch ni’cht zu offent der will eins gegen eins zum krei'st * die au''ßen unterstü'tzen dat * >jat u’wet * darf ni’cht werfen ->aber nicht so plumpt keine zweiminuten und sovorsichtig weil der auch mit alln wassern gewaschen is net da schön stehn- * rainer wenn de da spielst (schön ) oder 053 Schleis.: auf der halbposition- * <-da"s mu"ss~* da" stehnl <spie"lzügel 054 Rainer: jat [K-5B, ohne Transkribierung der gleichzeitigen, dolmetschenden Äußerungen von Alexander] Die Äußerungen Schleisieks zeigen spezifische Merkmale auf, die zu dem Analyseergebnis geführt haben, diese Äußerungsfolge als Strategie des Anweisens zu bezeichnen: a) Herausstellen weniger grundlegender, meist im engeren Sinne sportlicher Aktivitäten: In diesem Fall das gallig[e] Verteidigen und eng stehn in der Defensive. b) Adressieren der Spieler reihum („einer nach dem anderen“) und kaum ausgebautes, kurzes Konkretisieren der grundlegenden sportlichen Aktivitäten: wo“lfgang de'fensiv auf der position^ * jd\ dieter auch ni“cht zu offeni der will eins gegen eins zum krei "S'l' * die au “ßen unterstü “tzen da ^ * >yaf u“we\r * darf ni"cht werfen -Araber nicht so plump-l keine zweiminuten und sovorsichtig weil der auch mit alln wassern gewaschen is net da schön stehn-. Auffällige sprachliche Formen sind in diesem Falle die Elision von Verben, die Elision von Zweitelementen von Wortbildungskonstruktionen, die Elision deiktischer Elemente bzw. im Falle der an Uwe adressierten Äußerung der Name seines Gegenspielers. c) Das intonatorisch kaum markant konturierte, eher in einem Fluss gesprochene Adressieren der Spieler und Konkretisieren der basalen Aktivitäten. d) Markieren der Evidenz, welche spezifische Variante bei einer bestimmten Konstellation der gegnerischen Mannschaft gespielt wird in diesem Fall bei einer spezifischen Abwehrkonstellation, die vom Trainer als bekannte Konstellation rekontextualisiert worden ist. Die Rhetorik der Trainer 305 e) Rudimentäre Darstellung von Positionsveränderungen und der zu erfolgenden Aktivitäten bei vom Gegner ausgehenden spezifischen Konstellationen der Trainer nennt beispielsweise nur die beiden wichtigsten Spieler, die eine andere Position einzunehmen haben bzw. sich spezifisch verhalten sollen, auch wenn der Wechsel von Mischa zum Kreis die Positionsveränderung von mindestens drei Spielern, das Übernehmen von neuen Handlungsverpflichtungen und die Anpassung von mehreren Handlungsabfolgen zur Folge hat (Z. 041£). f) Reihung von für alle Spieler geltenden generalisierten Aktionen, die in einer spezifischen Konstellation gespielt werden sollen (etwa we “nn se fünf null plus eins spieln), ohne weitere situative Spezifizierung die genannten Aktionen doppelpass mit krei “släufer rückpässe- * und- * auch Wechsel parallelstoß stehen nicht in einer logischen oder sequenziellen Ordnung, sondern sind alternative Spielaktionen. Mit dem Anwenden der Anweisen-Strategie setzt der Trainer z.T. stillschweigend voraus, dass den Spielern die sequenzielle Abwicklung der angewiesenen Handlungen und Handlungskomplexe, ihre Plausibilität und ihr konkreter Nutzen sowie das Verhältnis der konkreten einzelnen Handlung zum Gesamthandlungskonzept vertraut und bewusst ist und dass sie in der Lage sind, die von ihnen geforderten Aktivitäten situativ angemessen und autonom abzuwickeln. In meinem Verständnis steht diese Strategie zwischen dem weniger forcierenden Instruieren und dem stark forcierenden Dramatisieren der sportlichen Lage, denn sie ist weniger erläuternd und verdeutlichend als das Instruieren, aber weniger Relevanzen setzend als das Dramatisieren. 6.7.1.4 „Drohen“ Die rhetorische Strategie des „Drohens“ zielt darauf ab, die Spieler dahingehend zu konditionieren, dass sie die ihnen gestellten meist basalen Handlungsanweisungen richtig ausführen, indem ihnen vorausgreifend Sanktionen angekündigt werden für den Fall, dass sie die Anweisungen nicht erfüllen sollten. Das Anwenden der Strategie verdeutlicht explizit die konditionierende Handlungsmächtigkeit des Sprechers. Die normative Grundlage, diese Macht anzuwenden, wird in der Regel nicht diskutiert, sondern erscheint evident und legitim. Der Sprecher geht davon aus, dass Widerstände existieren, die Anweisungen auszuführen, dass möglicherweise sogar Kompetenzübergriffe der Spieler vorliegen und ein deviantes Verhalten der Spieler nicht ausgeschlossen werden kann. Gleichzeitig wird suggeriert, dass das Devianzverhalten vom Trainer erkannt und sofort sanktioniert wird. Den Spielern werden ihre Handlungspflichten aufgezeigt, sie werden auf eine Handlungs- 306 Reden und Spielen richtung, nämlich den Vollzug der geforderten Aktivitäten, festgelegt. Ein Beispiel aus der Schwarzberger Mannschaftssitzung vor dem Spiel gegen Grobach zeigt die Anwendung der Strategie durch Trainer Brünger. Er rekontextualisiert eine Drohung, die er bereits in der Mannschaftssitzung nach dem Training geäußert hatte. Die Anwendung der Strategie erfolgt im Anschluss an die Dramatisierung der sportlichen Lage (s.o.) und einer ersten Darstellung der Grobächer Spielweise und stellt einen Sonderfall der im Handlungsschema als „Benennen der Spieler und Zuweisung zu Positionen“ bezeichneten Teilkomponente dar. Brünger benennt die Spieler nicht und weist sie auch nicht bestimmten Positionen im Aufstellungsschema zu (dies wird er auch im weiteren Verlauf nicht tun), sondern manifestiert seine Kompetenz, die Mannschaft vernü“nftig un am be“sten aufgestellt zu haben: 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 Brüng.: von u"ns heute gefordert seinf * oder wi"r müsn u"ns das heu“de als ziel setzent * dass wi"r~ * <mit de": n wie ich die ma"nnschaft aulstellef * <~un Klau"be4wie" sie"- * so"~ * vernünftig un am be'sten ausgestellt ist- * ->so"llde sich nur je“der einzelne spie'ler trüber im kla'ren sein- * we“nn ich den ge'rne auf rechtsau’ßen hättef * dann hä'tte ich=n au"ch als re'chtsau'ßen aulgestelltf * un wenn ich den vom ma“nndecker ge'rn- * im re“chten o"ffensiven mittelfeld hättef * >dann hä'tte ich den au'ch im re“chten offensi'ven mittelfeld aufgestelltf * da'trüber soll sich jeder im kla'ren seini * un we"r=s nit ga'nz bekreifen solide- * deswegen bin ich da recht dankbarf wir harn zwei leu'de auf der ba'nkt * die jederzeit rei'nkönnt un wie“ ich auch schon am do"nnerstach gesacht hab- * <-das sind welche die eigentlich- * zumindestens zwei“ davon wo ich klau“be~ * die lei’stungsmäsich- * we"nn sie- * entspre'chend kö'rperiich fi"t sind- * un das ei'nigerma'sen umsetzen- * si'cherlich unner die erstn e‘lf gehörnf ** könntenf ** >soT * ich hab natürlich [SCH-19B] Der Sprecher zeigt die konstitutiven Bestandteile der Drohstrategie auf: 1) Eine Bedingung-Folge-Struktur, wobei der Bedingungsteil auf ein durch die Zuhörer verschuldetes mögliches Eintreffen der negativen Bedingung implizit oder explizit referiert: Die Zuhörer hätten grundlegende Aktivitäten nicht erfüllt. In diesem Fall konstruiert Brünger den Vorwurf der Kompetenzüberschreitung, dass ein Spieler das taktische System sprengt und die vorgesehene Position mit der eines Mitspielers tauscht (Z. 106- 111). Die Bedingung verweist in diesem Fall auf Spieler mit defensiveren Positionen auf der rechten Mannschaftsseite, die sich auf Offensivpositionen vordrängeln. Im Folgeteil wird auf die Sanktion des Sprechers andeutend oder explizit benennend referiert. In diesem Fall deutet Brünger die Sanktion an, indem er auf zwei genesene Spieler verweist, die er anstelle der taktisch undisziplinierten oder eigenmächtig agierenden Spieler einwechseln könnte (Z. 111-116). 2) Die Androhung der Sanktion als auf das Devianzverhalten unmittelbar folgende reaktive und angemessene Handlung. Diese Aufgabe lösen im präsentierten Ausschnitt die akzentuierte generalisierende Temporalad- Die Rhetorik der Trainer 307 verbform je"derzeit, mit der das Auswechseln der sich abweichend verhaltenden Spieler als für das ganze Spiel währende Sanktionsmöglichkeit indiziert wird. Dass Brünger die wieder genesenen Ersatzspieler prinzipiell als Stammspieler bezeichnet, stellt die Sanktion als adäquate Handlung dar die Mannschaft würde durch eine Auswechslung nicht geschwächt werden. Zugleich hat diese Kategorisierung verschärfende Wirkung für die von Beginn an eingesetzten Spieler, da zwei von ihnen implizit als Ersatzspieler kategorisiert werden. Sie sind nur deshalb in die Startelf gerutscht, weil die zwei Stammspieler sich verletzt haben. Rhetorisch interessant an diesem Beispiel ist, dass Brünger den manifestierten Sachverhalt („Wie ich die Mannschaft aufstelle, ist vernünftig und nicht verhandelbar“) zweimal erklärt. Seine Explikation stellt Selbstverständliches als selbstverständlich klar und verschärft gerade wegen der Offensichtlichkeit der Explikation den Vorwurf der Kompetenzüberschreitung, der deviante Spieler wolle schlauer sein als der Trainer. Die Formulierung des Bedingungsteils un we“r=s nit ga“nz bekrei'fen so “Ilde ist stark akzentuiert. Das Einbauen des Quantifikators ga“nz spezifiziert zum einen die Bedeutung des Sachverhalts dieser ist nicht derart kompliziert, dass er unbegreifbar wäre -, zum anderen verdeutlicht es den Charakter der impliziten Aufforderung, den Sachverhalt gänzlich zu akzeptieren. Selbst das geringste Anzeichen, den Sachverhalt zu bestreiten, wird somit sanktionswürdig. Interessant ist noch ein zweiter Umstand: Brünger schränkt die begonnene Kategorisierung der genesenen Spieler als „im Prinzip: Stammspieler“ im Verlauf des Drohens wieder ein (vgl. Z. 112-116). Dies scheint die Drohung insgesamt abzuschwächen. Ich denke jedoch, dass Brünger hier mehreren Umständen Rechnung trägt: 1) Er hat die aufgestellte Mannschaft als vernünftige und beste Lösung bezeichnet. Ein Durchhalten der Kategorisierung der zwei wieder genesenen Spieler oder die Verschärfung der für sie zutreffenden Kategorie als „Stammspieler“ würde seiner Einschätzung der Aufstellung als „beste Aufstellung“ logisch widersprechen. 2) Die zwei Spieler sind zwar wieder gesund, doch bleibt ungewiss, ob sie den konditionellen Rückstand aufgeholt haben und ob sich die fehlende Spielpraxis auswirken könnte. Brünger umgeht so die Gefahr, dass ihm im Falle einer Einwechslung der zwei Ersatzspieler und einer Niederlage aus der Mannschaft oder aus dem Verein vorgeworfen werden könnte, zwei noch nicht ganz leistungsfähige Spieler eingesetzt und die Niederlage selbst verschuldet zu haben. 3) Im Fußball gibt es wie in der Zusammenfassung der Ethnografie und in Kapitel 5 gezeigt die Leitvorstellung, dass Kategorisierungen dynamisch sind und dass sie mehrere sich verändernde Faktoren reflektieren: Das Alter, den Gesundheitszustand, den sozialen Prozess mit der Mannschaft und 308 Reden und Spielen dem Trainer, die Spielposition, die Leistungsbereitschaft im Training und im Wettkampf, die sportliche Kompetenz, berufliche und familiäre Einflüsse, die Konkurrenz mit Mitspielern um die jeweilige Position, die psychische Disposition etc. Ein Ersatzspieler muss kein Ersatzspieler bleiben und ein Stammspieler muss kein Stammspieler bleiben. Vielmehr hat der Ersatzspieler beim Training und besonders mit jedem Einsatz in einem Meisterschaftsspiel die Möglichkeit, durch die Qualität seiner sportlichen Leistung seinen Trainer zu einer Neukategorisierung zu veranlassen. Würde Brünger die Kategorisierung der zwei Verletzten als Stammspieler nicht einschränken, verstieße er gegen diese Leitvorstellung und nähme den aufgestellten Spielern, die ja als Ersatzspieler in die Stammelf gerutscht sind, den Glauben, auf Grund von quasi objektivierten Qualifizierungsnachweisen irgendwann einmal Stammspieler werden zu können. Damit würde der Trainer jegliche „gesunde“ Konkurrenz zwischen Individuen zur Leistungssteigerung der gemeinsamen Gruppe ersticken. Die Drohstrategie mildert Brünger nur in einem Punkt ab. Dieser kann erst auf Grund von Kontextinformationen verständlich gemacht werden. Brünger referierte beim Explizieren seines manifestierten Sachverhaltes zweimal auf Spieler der rechten Mannschaftsseite, obwohl eine Referenz sowohl auf die rechte wie die linke Seite die Drohung auf die gesamte Mannschaft ausweiten würde. Ist die einseitige Referenz mit den Wissensbeständen der Gruppe vereinbar? Wieso nutzt Brünger die Gelegenheit zur generellen Referenz nicht? Die Kadermitglieder wissen, dass auf der rechten Mannschaftsseite der erfahrene Andy sowie der A-Jugendspieler Marcus spielen. Beide sind recht defensiv eingestellte Spieler, die eher zu selten als zu oft in offensive Positionen drängen. Die Spieler wissen aber auch, und das haben sie in den letzten Wochen untereinander und mit dem Trainer thematisiert, dass der Spieler, der sich in den letzten Spielen nicht an seine taktische Aufgabe gehalten und sie irritiert hatte, Ralf Biebe gewesen ist. Biebe ist linksfüßig und spielt daher auf der linken Seite. Auf seinen Wunsch wird er jetzt auf der linken defensiven Mittelfeldposition eingesetzt, wofür der eigentliche linke Defensivspezialist auf die offensive Mittelfeldposition vorrücken muss. Die Führungsspieler im Kader wissen auch, dass das heutige Spiel eine der letzten Chancen für Ralf ist, seine taktische Disziplin unter Beweis zu stellen; andernfalls muss er in der Winterpause den Verein verlassen. Die Referenz auf die rechte Mannschaftsseite ist also mit dem Kontextwissen der Mitspieler eigentlich nicht vereinbar, was auch alle Beteiligten wissen. Der Grund, ausschließlich die rechte Seite zu fokussieren, liegt darin, dass Brünger vor den Mitspielern das Image von Ralf schützt (auch wenn er ihm im Einzelgespräch später sehr wohl eine Versetzung auf die Ersatzbank androht, s.u.), dass er sich als fairer und diskreter Trainer darstellt, der Mitspieler nicht bloßstellt. Andererseits aber kann Brünger die Drohung so auch auf die eigentlich nicht gefährdeten Spieler ausweiten und sich so als harter, fordernder Trainer inszenieren. Auch Die Rhetorik der Trainer 309 wenn besonders Ralf unter kritischer Beobachtung steht: Die Leistung der übrigen Spieler wird ebenso einer andauernden Prüfung unterzogen. Der Nutzen, die Drohstrategie anzuwenden, besteht wie beim Dramatisieren der sportlichen Lage darin, stärkere Relevanzen für die anstehende Spielinteraktion zu setzen und diesen Relevanzdruck als für die gesamte Spielzeit geltend anzudeuten. Die Spieler erkennen den Konsequenzcharakter ihrer Aktivitäten: Entweder erfüllen sie ihre Aufgabe und gewinnen oder erfüllen die Aufgabe nicht und werden ausgewechselt. Damit wird das hierarchische Beteiligtenverhältnis zementiert, und die Spieler werden auf ihre untergeordneten komplementären Kompetenzen verwiesen. Weil die Strategie des Drohens aber nicht die grundsätzlichen rahmenden Bedingungen der sozialen Interaktion fokussiert, weil sie die Rollenasymmetrie nur betont, sie aber nicht verschärft, wie es die Strategie des Dramatisierens der sportlichen Lage tut, ist die Strategie des Drohens weniger forcierend als das Dramatisieren. 6.7.2 Rhetorische Darstellungsstrategien im Einzel- und Kleingruppengespräch 6.7.2.1 „Anspornen“ Unter der rhetorischen Strategie „Anspornen“ im Einzelgespräch verstehe ich all die Aktivitäten des Trainers, die darauf abzielen, den Spieler von der generellen Lösbarkeit der anstehenden Aufgabe zu überzeugen. Zugleich will der Trainer mit ihr den Spieler aber auch vom Nutzen der Aufgabenstellung, von seiner Kompetenz, die Aufgabe zu lösen, und von seinen sportlichen Fähigkeiten überzeugen. 172 Das Anspornen kann bereits im Zusammenhang mit der Aufgabenpräsentation angewandt werden, erscheint aber oft auch bei der abschließenden Vorbereitung zur Aufgabenbewältigung. Die Anwendung 72 Ein ähnliches Teilverfahren, wohl unter dem dominanten Aspekt gesprächsorganisatorischer Schwierigkeiten eines der Beteiligten, behandelt Schmitt (1997, S. 74) unter der Bezeichnung „Anspomen und den Weg weisen“. Demnach gehe „[bei] diesem Verfahren [...] der Unterstützer davon aus, dass der Betroffene aufgrund bestimmter Hindernisse nicht von sich aus zur weiteren aktiven Beteiligung an der Interaktion oder zu einem bestimmten Beitrag zu einem Thema bereit oder fähig ist. Er unterstellt jedoch, dass der Betroffene durchaus in der Lage ist, diese Hindernisse selbst zu überwinden.“ Schmitt meint, dass das Verfahren „Anspomen und den Weg weisen“ systematisch in Ausbildungssituationen eingesetzt werde. Wichtig sei „eine Kombination aus weitgehender inhaltlicher Abstinenz und gleichzeitiger offensiver gesprächsorganisatorischer Unterstützung“ (ebd.) Im Unterschied zu Schmitt fokussiere ich hier Aktivitäten, die nicht auf die Gesprächsbeteiligung in der laufenden Interaktion, sondern auf die sportliche Beteiligung des Spielers in der Folgeinteraktion (das Spiel) abzielen und sehr wohl eine inhaltliche Rekontextualisierung voraussetzen, wenngleich auch implizit: Das Anspornen vollzieht sich vor dem Hintergrund, den Spieler von seinen Fähigkeiten zu überzeugen, damit er die von ihm erwarteten und ihm bewussten kategorialen Anforderungen im Spiel erfülle. 310 Reden und Spielen setzt voraus, dass die Aufgabe, zu der angespomt wird, realistisch und (noch) erreichbar ist. Ein Beispiel soll diese rhetorische Strategie illustrieren. Es ist Teil eines Einzelgesprächs zwischen Trainer Platen und seinem afrikanischen Stürmer Doddo vor dem Spiel in Deele, das von Mitspieler Mehmet übersetzt wird (Doddos Muttersprache ist Französisch, er spricht aber auch Türkisch, da er einige Zeit in der Türkei gelebt und gespielt hat). 173 Im ersten, nicht präsentierten Teil des Einzelgesprächs hat Trainer Platen die rhetorische Strategie des Instruierens etabliert und Doddo verbal wie nonverbal eingestellt, indem er mehrfach auf die bildliche Darstellung der Spielstrategie an der Tafel verwiesen hat (Reste der Instruieren-Strategie sind noch in den Zeilen 056- 061 und 063 zu erkennen). Zum Schluss wechselt Platen jedoch die Strategie und wählt die des Anspomens. 056 057 058 059 060 061 062 063 064 065 066 067 Platen: raus-* um den pass- * hier aufzunehmt- * jat Doddo: Melm: pa's icin pas Obers.: um angespielt zu werden schp / spie'lf * jaf Platen: spielf spre“chenf spie'U net ich will ball ha'benl- Doddo: jat Mehm.: o"vna diyo~ * ama onlann topu Übers.: er sagt, spiele * aber auch Platen: net * do“ddo is kü'nstlert will i'mmer viel bä“lle habent Melm: sanavermelerinif...) Übers.: ohne dass du (...) von den anderen angespielt (...) Platen * sa“g ihmt sag ihmf * do“ddo is kü'nstlert Doddo: jat Komm.: 6 SEKUNDEN PAUSE Platen: kff'nstlert * <do“ddo is kü'nstlert du musst i“mmer ba"ll habent Mehm.: LACHT 068 Mehm.: sen diyot Übers.: er sagt du [H-48B2. Türkische Transkription und Übersetzung ins Deutsche: Ibrahim Cindark, Mannheim] Die Strategie des Anspornens greift zurück auf positive Identitäts- und Eigenschaftszuschreibungen. In diesem Fall, ca. 20 Minuten vor Spielbeginn, benutzt Platen die hier eindeutig positive Kategorie kü“nstler sowie die generalisierten Assertionen will i“mmer viel bä“Ile habend' und du musst i“mmer Sicherlich stehen die Beteiligten in Gesprächen, die den Spieler auf eine Aufgabe einstellen sollen und die wegen der Sprachdefizite des Spielers (oder weil der Trainer die Muttersprache des Spielers nicht spricht bzw. nicht sprechen will) von einem Dritten übersetzt werden, vor spezifischen Problemen. Die Lösungsbemühungen wie z.B. Reduzierung der Syntax, Reduzierung der thematischen Komplexität dürfen nicht vergessen werden, stehen hier aber nicht im Fokus. Die Rhetorik der Trainer 311 ba"ll habeni welche Doddo Eigenschaften eines Spielers zuschreiben, der das Spiel - und zwar auch das heutige Spiel prägen und dominieren will und der mit dem Ball technisch kunstvoll umgehen kann. In der Reformulierung verschiebt Platen den Fokus von einer Willenszuschreibung Doddos zu einer Zuschreibung einer elementaren Eigenschaft, wobei er offen lässt, ob die Eigenschaft für Doddo oder für die Mannschaft notwendig ist. Dass die Zuschreibungen von Platen nicht ironisch gemeint und vernachlässigenswert sind, zeigen die mehrfachen Wiederholungen, die ernsthafte Modalität und die mehrfache Aufforderung an Mehmet, diese Äußerungen zu übersetzen. Mehmet hebt zwar zu einer Übersetzung an, führt sie aber nicht durch. Dies liegt meiner Meinung nach möglicherweise daran, dass sich nur Ranghöhere oder nicht unmittelbar Beteiligte der Strategie des Anspornens bedienen dürfen. So spornen eben Trainer ihre Spieler an, spornen ältere Spieler jüngere Spieler an sowie Führungsspieler und Leistungsträger ihre Mannschaftskollegen. Die einzigen Interaktionssituationen während der Feldforschung, bei denen Rangniedrigere Ranghöhere angefeuert hätten, waren Meisterschaftsspiele, bei denen die rangniedrigeren Spieler als Ersatzspieler auf der Bank saßen. Sie hatten folglich eher den Status von Kaderangehörigen, die nicht ins Spielgeschehen aktiv verstrickt sind und die Kämpfenden von außen verbal unterstützen. Grund dafür ist möglicherweise die konstitutive Bedingung, dass Anspornen von den Beteiligten nur dann als gelungen akzeptiert wird, wenn dem Anspornenden besondere Kompetenz unterstellt wird, die seine Zuschreibungen bzw. Kategorisierungen glaubhaft erscheinen lassen. Den Ersatzspielern würde dann die Kompetenz eines externen Spielbeobachters oder eines auf den Mannschaftszusammenhalt bedachten, unterstützungswilligen Kadermitgliedes zugeschrieben. Mehmet ist jedoch jünger, fußballerisch unerfahrener als Doddo, hat keinen festen Stammplatz im Team und er befindet sich in diesem Fall möglicherweise in einer Interaktionssituation, in der ihm ein Anspornen nicht als glaubhaft abgenommen würde. Möglich wäre aber auch die alternative, mir weniger plausibel erscheinende Lesart, dass Mehmet die Äußerung do “ddo is kü “nstler nicht übersetzt, weil ihm die Zuschreibung des Trainers als zu pauschal oder übertrieben erscheint. Festzuhalten bleibt aber, dass Mehmet Probleme damit hat, diese Äußerungen zu übersetzen. Die Anwendung der Strategie des Anspornens ist insofern sinnvoll, als sie mit positiven Zuschreibungen und oft mit der Modalität der absoluten Gewissheit operiert und den Zweifel sowie die bei vielen Spielern vorhandene Nervosität vor dem Spiel über die ungewisse eigene Leistungsfähigkeit sowie über den ungewissen Spielausgang bearbeitet. Darüber hinaus inkorporieren anspornende verbale Aktivitäten oft einen emotiven, aktiven, dynamischen Impuls, der auf die Modalität der anstehenden Durchführung von Spielaktivitäten verweisen soll. Weil die Trainer mit den anspornenden Äußerungen den Spielern positive Fähigkeiten zuschreiben, weil sie auf die Androhung von Sanktionen verzichten für den Fall, dass die Spieler ihre konkreten kategoriellen Aufgaben nicht erfüllen - und weil die anspornenden Äußerungen 312 Reden und Spielen einen emotiven, dynamischen Impuls geben, ist die Strategie des Anspornens die am wenigsten forcierende Strategie in den Arbeitskontexten des Einstellens. Sie ist viel weniger forcierend als das Drohen und das Dramatisieren. Sie ist in meinem Verständnis auch weniger forcierend als das Instruieren, da diese in der Regel auch die ausgebaute Sachverhaltsdarstellung von problematischem, kritischem Verhalten in der Spielinteraktion beinhaltet. Auch in anderen Arbeitssituationen wenden sich Trainer mit anspornenden Äußerungen an die Spieler. Die Äußerungen sind z.B. wesentliches Mittel in der Trainingsarbeit, wenn der Trainer den Spielern die erklärten Übungen Vormacht, wenn er sie zu den Übungen auffordert und sie zur engagierten Mitarbeit anhält. Dabei sind Wiederholungen, Imperative und Akzentuierungen auf den besondere Bedeutung tragenden Elementen hilfreiches Gestaltungsmittel sowie Aufforderungsinterjektionen wie z.B. hopp: 691 Platen: Mein partnaf * jat ** ko"ntrolliernf i'mma wieda kontrolliernf ** ei’na spielt nurf 692 ei"na spielt den do’ppelpass fü"mfmal4- * hier zwei- ** ko"mmf * ho"pp un pra'lln 693 Lassnf * ho’ppf a'nnehmenf anne"hm un spieln jetz mi=m kevinf ho'pp und ho"ppf 694 * fü''mfmal un da“nn wechselt- * un ho"ppf * jat I'mma wieda suchenl * und ho'ppt [H-36, Training] Die Strategie kann natürlich auch in Einstellungskonstellationen mit der Mannschaft an Wettkampftagen angewandt werden wie z.B. beim letzten Absprechen unmittelbar vor dem Anpfiff (s. das folgende Beispiel) oder zum Abschluss der Halbzeitpause. Dabei werden häufig auffordernde Adverbien wie lo “s oder aufgeht^s und Imperative benutzt, die zum Beginn der Handlung auffordern la“sst komml bzw. zu grundsätzlichen kommunikativen Aktivitäten wie mi“ttenanda rednl a“nsprechenl au'fmerksam machni. Ebenso stimmen zum Ende des Einstellens hin die Spieler fast immer mit gleichlautenden adhortativen Imperativen und Aufforderungen sowie mit sprachbegleitenden nonverbalen akustischen Handlungen wie In-die-Hände- Klatschen mit ein: 213 Platen: 214 215 216 217 218 Platen: 219 Stefan: 220 Tobias: Komm.: 221 Marcel: 222 Platen: 223 Marcel: Komm.: muss eina komm oda we'ggehnf * jat * net * und äh~ ** frei" vonne le'ba weg spie'lnt ** ja't * wir- * sind hie’r zu hau'se- * müssn wa zei'gnt * <wi"chtich is dabei" auch- * wirklich- * mi'ttenanda rednt a'nsprechnt * ja"t * au"fmerksam> machnt * da"nn äh- * bisschen me"rkn drauf aha"~ * wir si'n- * gehö'rn zusa“mmt # un ich ste'h nich allei'ne dat sonnan de"r hilft un de"r hilft mir! * net * la“sst komml sojjl ko'mmtl net #auf ge"ht=sl+ au"f männal # # SPIELER KLATSCHEN IN DIE HÄNDE # komm tommyl * mehmetl und selbstbewusst reingehnl selbstbewusst drauf ausl net ko'mml ko'mmt schult! kommtl * demmil * ahmetl lotharl # SPIELER VERLASSEN DIE KABINE; STOLLENGEKLAPPER # [H-27A, letztes Absprechen vor dem Heimspiel Huke - Stuckenholt] Die Rhetorik der Trainer 313 6.7.2.2 „Unter-Druck-Setzen“ „Unter-Druck-Setzen“ impliziert eine Sanktionsandrohung für den Fall, dass die angewiesenen kategorialen Aktivitäten nicht ausgeführt werden. Dies können im engeren Sinne fußballerische wie auch moralisch-kämpferische Aktivitäten sein. Das „Unter-Druck-Setzen“ weist eine gewisse Nähe zur bereits genannten Strategie des Anweisens insofern auf, als die Handlungen, zu denen die Spieler konditioniert sind, kaum oder nur über den Kontrast mit devianten Handlungen erklärt, begründet oder plausibilisiert und auch kaum oder gar nicht relativiert werden. Ebenso fehlen meistens Problematisierungen oder Einräumungen. Allerdings schlägt sich der stärker verpflichtende Charakter z.B. in einer nachdrücklicheren intonatorischen Markierung und an dem Gebrauch von Modalverben mit „teleologischem Redehintergrund“ (GDS, S. 1882ff.) nieder. Die Bedeutung der Handlungen, ihr Zweck sowie die Lösbarkeit der konkreten Handlungsaufgaben werden als selbstverständlich vorausgesetzt. Im folgenden Beispiel, das aus einem Einzelgespräch zwischen Trainer Brünger und dem als taktisch undiszipliniert aufgefallenen Ralf Biebe vor dem Meisterschaftsspiel gegen Grobach stammt, baut Brünger eine explizite Sanktionsandrohung in die Strategie des „Unter-Druck-Setzens“ ein: 132 Brüng.: KK: 133 134 135 136 137 Brüng.: 138 Ralf: 139 Brüng.: 140 Ralf 141 Brüng: 142 Ralf: 143 Brüng.: 144 145 KK: #hm nit schlimm # rä'lf kuck ma kurzf " de'nk bitte- * das hauptproblemf #ZU SEINER TOCHTER# * denk an die gru“ndordnung im spiel! spiel links de'tensiv! nil dass de na"her de lelzten zwa'nzig minuten schla’g kaputt bist- * ->samal<weil de davor- * ich sag mal extre“m u“nnütz durch de la'ndschaft gelaufen bist! ** man muss schö‘'n korru'pt- * in sein räum stehnzwei'kampf gewinn un sauberen fußball spieln! das rei'cht! ja! is mir schon klar! (ich brau heut=n erfolg net? ) absolute weil ich sa‘q dir ich hätte keine probleme mitscheiße (darf ich nich machen die ich dich gegen vorwärts e“derbach auf de bank zu setzen! das wär=s letzte was s=klar de willst denk ich! * jaf * dahe"r~ ->un wir müsen heute das spiel hier gewinn! dadrüber müsn wer uns au“ im klarn sein! das heißt- * da muss je’der- * n=rädchen~ * i"nnerhaib der ma"nnschaft sein! * jat #weil die ä'ndern ham=s »THEMATISIERT ANDERE MANNSCHAFTEN# [SCH-20A] Sprachliche Mittel, die zur Etablierung der rhetorischen Strategie des „Unter- Druck-Setzens“ im Beispiel führen, sind: 314 Reden und Spielen 1) Die explizite Nennung der Devianz Ralfs {das Hauptproblem Z. 132). 2) Ein explizites Verbot, seine Position zu verlassen, durch die Schilderung der negativen Konsequenzen und Benennung und Pejorisierung der devianten Handlung {ni t dass de na her de le“tzten zwa“nzig minuten schla g kaputt bist weil de davor~ * ich sag mal extre“m u"nnütz durch de la"ndschaftgelaufen bisti Z. 133-135). 3) Das Hintereinanderschalten kurzer, in einem Fluss gesprochener und mit Grenzton endender Aufforderungen, die kategorialen Aktivitäten zu erfüllen. 4) Das Betonen kategorialer Anforderungen durch die Fokussierung des Spielsystems und der individuellen Position {denk an die gru“ndordnung im spielt spiel links de“fensiv\' Z. 133) durch die Fokussierung der logisch aufeinander aufbauenden Spielaktivitäten „Position beziehen erfolgreiches Bestreiten des Zweikampfes - Passspiel“ {man muss schö “n korru ‘pt~ * in sein räum stehn~ zwei“kampfgewinn un sauberen fußball spieln-l das reicht^ Z. 135-137) und durch die Fokussierung der Reziprozitätsmaxime {da muss je“der~ * n~rädchen~ * i“nnerhalb der ma“nnschaft seini- Z. 144f.). 5) Der mehrfache Rückgriff auf Imperative und das Modalverb müssen, das den teleologischen Charakter der Aufforderungen betont, und vergleichsweise starke Akzentuierung. Eingewoben in die unter Druck setzenden Äußerungen ist die explizite Androhung einer potenziellen Sanktion, deren tatsächliche Anwendung Brünger keine probleme bereiten würde. Sie bezieht sich darauf, Ralf im nächsten Meisterschaftsspiel gegen jenen Verein, bei dem Ralf mehrere Jahre gespielt hatte und den er erst vor wenigen Monaten verlassen hat, aufde bank zu setzen. Die Anwendung dieser Drohung ist insofern praktikabel, als Spiele gegen den Ex-Verein für die Spieler in der Welt des Fußballs und Handballs als besondere Herausforderungen gelten: Sie haben Gelegenheit „sich zu beweisen“, dem alten Verein noch einmal die eigene sportliche Leistungsfähigkeit vor Augen zu führen. Denn mit einer guten Leistung und einem Sieg würde der Spieler seinem alten Verein demonstrieren, dass es entweder richtig war, den Verein zu verlassen (weil er mit dem neuen Verein erfolgreich ist) oder aber es aus der Sicht des Vereins ein Fehler war, ihn gehen zu lassen. Hier erfolgt die Anwendung der Strategie nach der Mannschaftssitzung, rekontextualisiert also die von Brünger als dramatisch inszenierte sportlichen Lage für die Mannschaft und auch die Androhung einer vorzeitigen Auswechslung für den Fall, dass ein Spieler aus der Startelf die Positionsverteilung nit ga“nz bekrei “fen so "Ilde (s. Abschnitt 6.7.1.4). Die rhetorische Strategie des „Unter-Druck-Setzens“ ist wie auch die anderen Strategien nicht auf eine spezifische Arbeitssituation und auf die Beteiligten- Die Rhetorik der Trainer 315 konstellation Trainer einzelner Spieler beschränkt. Es ist. m.E., im Unterschied zu dem obigen Beispiel, nicht zwingend notwendig, dass die sportliche Lage zuvor dramatisiert werden muss und so die Grundlage für das Unter- Druck-Setzen liefert. So wäre es vorstellbar, dass ein Trainer einen Spieler unter Druck setzt, auch wenn die Mannschaft auf einem guten Tabellenplatz steht. Allerdings könnte der unter Druck gesetzte Spieler in dem Fall das Verhalten des Trainers auch als implizite Dramatisierung seiner individuellen sportlichen Lage verstehen, da ein Nichterfüllen der Aufgaben zur Verbannung aus der Stammelf oder gar aus dem Kader führen könnte. Auf der Achse der stark forcierenden und weniger forcierenden, quasi „kooperativeren“ Strategien steht die Strategie des Unter-Druck-Setzens in meinem Verständnis zwischen dem Drohen und dem Anweisen. Dafür sprechen mehrere Gründe. Während das Drohen explizit die Sanktionen für ein Fehlverhalten benennt, reicht es beim Unter-Druck-Setzen, wenn die Sanktion implizit bleibt. Die Handlungskompetenz und die Kongruenz der Relevanzsysteme werden nicht angezweifelt, die Initiativenautonomie des Spielers wird nicht wie beim Drohen beschnitten, sondern auf das Mannschaftsziel hin festgelegt. Zudem stellt sich der Trainer als fairer Trainer dar, auch wenn er seine Handlungsmacht demonstriert. 6.7.3 Rhetorische Strategien in der Halbzeitpause 6.7.3.1 „Tadeln“ Unter der rhetorischen Strategie des „Tadelns“ verstehe ich Aktivitäten des Trainers, die Spieler explizit auf persönliches oder kollektives Fehlverhalten hinweisen. Das Anwenden der Strategie setzt also voraus, dass in den Augen des Trainers zuvor ein Devianzverhalten einzelner Spieler oder der gesamten Mannschaft aufgetreten ist, das die sportliche Lage verschärft hat und das sein Tadeln rechtfertigt. Das Tadeln ist m.E. schärfer als das Kritisieren, da es sich explizit auf das Interaktionsverhalten von anwesenden Personen oder Gruppen bezieht, markant missbilligenden Charakter hat und kaum differenziert. Es operiert mit expliziten Verboten. Die gebotene Alternative muss nicht, kann aber formuliert werden, da der Tadelnde davon ausgeht, dass das korrekte Verhalten eigentlich im gemeinsamen Wissensbestand verankert ist. Das Tadeln dient vor allem der Verarbeitung vergangener Interaktionssituationen. Ausführliches Tadeln vollzieht sich in der Regel in Halbzeitpausen nach einer sehr schlechten Leistung der Mannschaft in der ersten Halbzeit, beim ersten Training nach negativ verlaufenen Meisterschaftsspielen, bei Einzelgesprächen oder bei den Mannschaftssitzungen. Das folgende Beispiel stammt aus 316 Reden und Spielen der Halbzeitpause im Meisterschaftsspiel zwischen ASC Knüste und Fortuna Huke. Vorauszuschicken sind einige Informationen über den Verlauf der ersten Halbzeit. Huke erwischt einen schlechten Start. Bereits in der ersten Minute geht Knüste, mit dem Wind im Rücken, mit 1: 0 in Führung. Vier Minuten später ratscht ein Schuss eines Knüster Spielers aus ca. 25 Metern dem Huker Libero Demmi unter der Sohle durch und saust flach in die, aus der Perspektive des Schützen, so genannte „kurze Ecke“. In dieser Situation kann sie auch als „Torwart-Ecke“ bezeichnet werden, was heißt: Der Torwart ist ihr mehr zugewandt als der anderen Ecke des Tores. Er müsste sie also besser bewachen können. Doch Torwart Sven reagiert nicht, und es steht 2: 0 für Knüste. In der Folge hat Knüste noch zwei sehr gute Möglichkeiten; doch werden sie vergeben. Huke hingegen bringt kaum einen Angriff zu Wege. Nach einer halben Stunde versucht Huke zum ersten Mal während des Spiels, dem Gegner eine Abseitsfalle zu stellen mit negativen Folgen. Beim Herauslaufen rutscht Tommy aus und bleibt liegen. Der Linienrichter, der zuvor schon mehrmals nicht auf Abseits entschieden hatte, meint, die Abseitsfalle sei nicht zugeschnappt. Ein Knüster Spieler läuft alleine aufs Huker Tor zu und erzielt das 3: 0. Platen wechselt nun einen offensiven Spieler aus und einen defensiven ein, der die linke Seite stärken soll. Platen beginnt die Durchführung der Halbzeitpause wie folgt: 013 Platen: 014 015 016 017 Komm.: 018 019 020 so" leute- ** der hat zehnmal nicht gewu'nkenf * RÄUSPERN * ze'hnmalf *1,5* dann ma"ch ich nicht bei so“ einem di“ng ge"h ich nicht rausl * dat ge“ht gar nichf * <o"der ich lauf bi"s zur mittelliniel aber rf'chtig im spri'ntf * ze’hn nullf * bi"s zur mittellinief * dann pa"ck ich etf * RÄUSPERN aber- ** so" nix halbes und nix ga'nzes- * # spieler fällt noch- # * verfü'hrt dazu- * die fa'hne # PAPPBECHER FALLEN UM# u“nten zu lassen- * und ich mei’ne dass wi"r~ *1,5* scho“n dabei“ waren- * uns zu erholen von diesen zwei"- ** to'Yen- * wie"der ins spie“! zu komml ** und dann spie"! ich dann ganz ei'nfach- * auf si"cherheitf *2* ->ja ich hab [H-49B] Verbale Aktivitäten im präsentierten Ausschnitt, die zu meiner Interpretation der Strategie des Tadelns geführt haben, sind: 1) Die übertreibende Referenz auf eine negative Bedingung des Linienrichters (der habe vorher schon ze “hnmal nicht auf Abseits entschieden) und die Wiederholung des Quantifikators. 2) Das explizite Verbot, unter dieser Bedingung auf Abseits zu spielen (Z. 014). 3) Die Abwertung der Situation, in der man auf Abseits zu spielen versuchte, als so" ein di"ng. 4) Die Bewertung der Aktion als unmöglich (Z. 014f.). 5) Die Darstellung einer Alternativaktion, die dreifache hyperbelhafte Spezifizierung von notwendigen Bedingungen sowie die Charakterisierung der Die Rhetorik der Trainer 317 Alternative unter den genannten spezifizierten Bedingungen als einzig erfolgreiche (Z. 015f.). 6) Die erneute Abwertung der misslungenen Aktion als so “ nix ha ‘‘Ibes un nix ga "nzes. 7) Das Implizieren der eigenen Schuld am 3: 0, ausgelöst durch das unentschlossene Herauslaufen und das Ausrutschen (Z. 016-018) und die Einschätzung des Verlustes - und ich mei“ne dass wi"r~ *1,5* scho“n dabei" waren— *uns zu erho“len von diesen zwei“— ** to“ren— * wie"der ins spie “l zu komm-l sowie 8) die Benennung des korrekten Spielverhaltens (Z. 020). Ich zähle das Tadeln zu den stark forcierenden Strategien und ordne es zwischen dem Dramatisieren der sportlichen Lage und dem Drohen ein. Das Dramatisieren fokussiert den äußeren Bedingungsrahmen: Die Existenz des Vereins, der Gruppe scheint bedroht. Das Tadeln richtet sich dagegen auf das unmittelbar vorausgegangene Geschehen innerhalb des Bedingungsrahmens, richtet sich quasi auf einen kleineren Ausschnitt der Interaktionsgeschichte und sanktioniert das vergangene deviante Verhalten der Spieler. Das Drohen richtet sich dagegen auf ein zukünftiges Fehlverhalten der Spieler, das nicht eintreten muss, aber eintreten könnte. 6.7.3.2 „Aufrichten“ Unter „Aufrichten“ versuche ich jene interaktiven Aktivitäten zu fassen, mit denen ein Trainer auf eine aktuelle Verschärfung der sportlichen Lage reagiert und den Spielern die Möglichkeit suggeriert, dass sie die Lage in der anstehenden zweiten Spielhälfte bzw. in der nahen Zukunft eventuell noch ändern und das (scheinbar kaum abzuwendende) Unheil doch noch abwenden können. Beim Aufrichten schreibt er der Gruppe positive Eigenschaften bzw. Fähigkeiten zu oder referiert auf die erfolgreiche Bewältigung von Aufgaben in der Vergangenheit bzw. projeziert diese Bewältigung für das (unmittelbar) anstehende Geschehen. Die erfolgreiche Aufgabenbewältigung und die damit verbundene Veränderung der verschärften sportlichen Lage stellt er den Spielern als Ausdruck ihrer Fähigkeiten bzw. Eigenschaften dar. Dabei verwendet er oft Modalpartikeln bzw. Lexeme oder Phrasen, die die Eventualität der Verbesserung der sportlichen Lage betonen im Unterschied zum mit der Modalität der Gewissheit vorgetragenen Anspornen, für das ja die akute Verschärfung der Lage nicht konstitutiv ist. Im zugrunde liegenden Beispiel hat Platen, nach dem Tadeln des Teams, auf die Einwechslung, die nun zusätzliche Sicherheit bringen wird, verwiesen und damit verbundene Umsteh 318 Reden und Spielen lungen geklärt (Z. 020-025). 174 Dann hat er Tobias einen Tadel erteilt und fährt wie folgt fort: 032 033 034 035 036 037 038 Platen: i/ nterzahlf * dat da"rf nich passie'Ynf<- * jaT also- ** hie"r ham wir ne ne ne si"cherung4mi"t~ die wir nu’tzen wollend ** und aus die"ser~ *1,5* stabileren! . ** situatio’n wollen wir dann e’ben auch nach vo"rne dann etwas- * <me"hr machen4-> me“hr machen hei"ßt~ * versuchen ins spiel zu komm- * versuchen zu korrigieren- * versuchen zu“- ** u“mzubiegen4u"mzubie"gen hei’ßt- RÄUSPERN * vieilei'cht- * ma"chen wir das ei“n oder a"ndere~ * und die" werden fi"ckerig und wir nu’tzen dasf *1,5* aber ** dazu zä’hlt dass wir- [H-49B] Platen reformuliert den Sachverhalt der durch die Einwechslung verbesserten Sicherung. Daran schließt er die direktive kollektive Willensbekundung an, die Sicherung zu nutzen und — auf Grund der durch die Maßnahme verbesserten taktischen Konstellation eben au “ch nach vo “rne dann etwas~ * me “hr machen zu wollen. Diese Willensbekundung wird dreifach reformuliert (vgl. Z. 035f): Die Reformulierungen sind parallel konstruiert und haben die Bemühungen zum Inhalt, drei Handlungskomplexe durchzuführen. Die perfektiven Handlungsausdrücke bilden eine logische Kette, deren erstes Glied eine Verbesserung der misslichen sportlichen Lage vorbereitet versu“chen ins spie“l zu komm -, deren zweites sie einleitet versu“chen (das Ergebnis) zu korrigie “ren - und deren drittes sie schließlich durchführt versa “chen (das Spiel) umzubiegen. Dieses letzte Glied reformuliert Brünger erneut, indem er den abstrakteren Begriff durch drei aufeinander aufbauende Handlungen konkretisiert: 1. Vielleicht gelingt es der Mannschaft noch, ein Tor oder mehrere zu schießen, was 2. die Knüster nervös 175 machen wird, was 3. die Huker wiederum für weitere Tore nutzen können, um schließlich doch noch zu gewinnen. Die eine eventuelle Verbesserung der sportlichen Lage indizierenden sprachlichen Ausdrücke (das mehrfach verwendete Lexem versuchen, die Partikel vielleicht sowie die Quantifikatoren das ei“n oder a “ndere) sind dem deutlichen Rückstand und der nur schwer zu realisierenden Verbesserung der sportlichen Situation geschuldet. Platen umgeht damit ein mögliches Dilemma seiner Trainertätigkeit: Auf der einen Seite muss er seiner Mannschaft den Glauben an sich selbst vermitteln und ihr Mut zusprechen, auch wenn dazu, realistisch betrachtet, kaum Anlass besteht. Auf der anderen Seite darf er aber die sportliche Situation nicht verzerrt darstellen, da ihm sonst der Vorwurf mangelnder Aufrichtigkeit und Authentizität und im schlimmsten Fall der Vorwurf der mangelnden Kompetenz gemacht werden könnte. 174 Die vollständige Transkription der Halbzeitpause H-49 B, die die mehrfache Abfolge der miteinander verknüpften Strategien belegt, befindet sich im Anhang. 175 Zur Bedeutung von „fickerig“ siehe Plattdeutsch-Hochdeutsches Wörterbuch ( 4 1993). Die Rhetorik der Trainer 319 Mit der Strategie des Aufrichtens kann der Trainer die Ausgangsbedingungen für die Interaktion in der zweiten Halbzeit zum Positiven wandeln. Er wahrt zugleich, ja, verbessert sogar das Beziehungsschema und die gemeinsame Reziprozität. Er gräbt gleichsam verschüttetes Wissen um die eigenen Fähigkeiten aus und hält es seinen Spielern vor Augen. Gerade im Anschluss an das Tadeln, das Platen ja zum Darstellen der falschen und der richtigen Handlungen in der vergangenen Halbzeit genutzt hatte, entfaltet das Aufrichten seine Stärke, vorgreifend die aktuelle sportliche Lage als vielleicht doch noch bewältigbar darzustellen und durch das Suggerieren der Stärke die Veränderung der Lage auch tatsächlich einzuleiten auch wenn die Bedingungen dagegen sprechen. Dabei ist Platens Wechsel von der Tadelstrategie zur Strategie des Aufrichtens in dieser Halbzeitpause kein Einzelfall, sondern konsistentes Mittel zum Einstellen der Mannschaft auf die nähere Zukunft, das noch in zwei weiteren Schüben vollzogen wird (vgl. Z. 046-048 expliziter Tadel, Z. 058-065 Aufrichten, Z. 066-070 Tadel, Z. 070-078 Aufrichten). Im Anschluss an diesen letzten Schub, nach einer sehr langen Pause fasst Platen den Nutzen des Wechsels von der negativen zur positiven Strategie denn auch wie folgt zusammen: 079 Platen: na ja“ aber- * nü'tzt jetz ni"chts~ ** we'nn wir jetz hier nur si'tzen- * und äh~ * 080 na'ja-t ** sondern wir ha"ben noch- * ei'niges an zei“t~ * um zu beweisen dass 081 wir et auch be“sser könni *3* jat das=s wi"chtig4- [H-49B] Das Aufrichten ist nach dem Anspornen die kooperativste Strategie. Es ist weniger forcierend als das Instruieren, weil es der Verbesserung der moralischen Einstellung dient, weil „vergessene“ positive Eigenschaften der Spieler rekontextualisiert werden, weil eine vertrauensvolle konstruktive Beziehung zwischen den Beteiligten und Handlungskompetenz und Kongruenz der Relevanzsysteme betont werden, obwohl die Fakten dem eigentlich widersprechen. 6.7.4 Zusammenfassung: Rhetorische Strategien im Arbeitskomplex des Einstellens Die Analyse hat gezeigt, welche rhetorischen Strategien die Trainer im Arbeitskomplex des Einstellens benutzen und wie sie diese auf verschiedene Anlässe des Einstellens verteilen. Des Weiteren ist deutlich geworden, dass die rhetorischen Verfahren, die die Trainer in diesem Kernbereich ihrer Arbeit heranziehen, sich hinsichtlich ihrer forcierenden Qualität voneinander unterscheiden. Die Trainer können zwischen stärker forcierenden und weniger stark forcierenden Formen wählen. Sie können sie hintereinander schalten und sie können sie auch miteinander kombinieren. Wenn die rhetorischen Strategien des Einstellens insgesamt betrachtet werden und auch wenn sie 320 Reden und Spielen den sprachlichen Formen der Spieler gegenüber gestellt werden, dann ist klar erkennbar, dass innerhalb des Kernbereichs der Trainingsarbeit das forcierende sprachliche Verhalten der Trainer dominiert. Selbst Strategien wie das „Instruieren“ und sogar das „Aufrichten“, die unter den Einstellensstrategien zu den eher weniger forcierenden Strategien zählen, sind sehr direktiv. Diese sprachlichen Formen, diese „sportliche Härte“, werden legitimiert durch die sozialen Rollen, durch die Erwartungen, dass die Kernaufgaben vom Rollenträger wahrgenommen werden (vgl. den Abschnitt 4.2.4). Zwar dürften nicht alle Formen in der sozialen Welt des gehobenen Amateursports legitim sein. Die harten Umgangsformen sind aber dann legitim, wenn sie nützlich sind, wenn sie beispielsweise helfen, die Mannschaft so auf das Spiel einzustellen, dass sie das Spiel gewinnen. Der Ausgang des Spiels bspw. entscheidet also mit über die Legitimität des sprachlichen Verhaltens beim Einstellen. Während des Trainings und in der Spielvorbereitung können die Spieler sich untereinander zwar frotzeln, sie tun dies aber nicht in den zentralen Situationen des Einstellens. Sie springen auch nicht über die sozialen hierarchischen Grenzen und verhalten sich scherzhaft gegenüber den Trainern, zumindest nicht aktiv. Wenn sie einen Witz platzieren, dann reaktiv, weil ihnen die Trainer zuvor bewusst die Möglichkeit (und quasi die Erlaubnis) gegeben haben. Ein pädagogisch einfühlsames Konzept des helfenden Unterstützens in der verbalen Interaktion scheint es im Kembereich der Trainerarbeit nicht zu geben. So scheinen Trainer ihre Spieler beispielsweise in Situationen des Einstellens auch bewusst nicht zu loben (vgl. den folgenden Abschnitt 6.7.4.1). Wenn ich sage, dass in den Situationen des Einstellens das Forcieren dominiert, so darf nicht vergessen werden, dass dieser Kembereich einen zwar wichtigen, jedoch nur einen Teil der komplexen Sozialbeziehung zwischen den Trainern und den Spielern einnimmt. Die Sozialbeziehung, die durch das forcierende Verhalten des Trainers einseitig belastet wird, wird in anderen Situationen außerhalb des Kernarbeitsbereichs ausbalanciert. Während dieser kommunikativen Anlässe etwa beim geselligen Beisammensein nach dem Training werden den Spielern mehr interaktive Rechte eingeräumt, hier können sie etwa ihre kommunikative Beteiligung, ihr Selbstbild, die Bedeutung von Äußerungen und die Handlung viel stärker steuern als in den Arbeitskernbereichen. Die Komplexität der Sozialbeziehung, die sich also auch im sprachlichen Verhalten der Beteiligten widerspiegelt und dadurch konstruiert wird, schlägt durch auf die Kategorisierung der Beteiligten (vgl. hierzu und zum Folgenden auch den Abschnitt 7.3). Ein Trainer, der über gute forcierende Qualitäten in den Einstellenssituationen verfügt und in dieser Hinsicht für die Mannschaft nützlich ist, wird daher von den Spielern selbst mit der entsprechenden Kategorie aus dem Relevanzbereich der fußballerischen Komplexität als „guter Trainer“ bezeichnet (vgl. den Abschnitt 5.2.2). Zugleich kann er von den Spielern auch als „Kumpel“ kategorisiert werden, Die Rhetorik der Trainer 321 wenn er es versteht, sich in den Situationen außerhalb seines zentralen Kernbereichs zurückzunehmen und nicht forcierend einzugreifen. Die analysierten rhetorischen Strategien und ihre konstitutiven Merkmale lassen sich unter Berücksichtigung gesprächsorganisatorischer, kontextueller und handlungsfunktionaler Aspekte sowie der Aspekte der Darstellungsmittel, der sozialen Identitäten und Beziehungen und der Reziprozitätsgrundlage schematisieren (siehe die folgende Doppelseite). Es konnten keine Anzeichen dafür gefunden werden, dass sportartspezifische strukturelle Merkmale die Verwendung von Strategien konditionieren. Das heißt, die strukturellen Gemeinsamkeiten der Mannschaftssportarten von Fußball und Handball sind so groß, dass nicht die Sportart, sondern die spezifischen situativen Bedingungen und kontextuellen Voraussetzungen, die den Trainer zu einem bestimmten Definieren der sportlichen Lage veranlassen, ihn in den Arbeitssitutionen des Einstellens zu bestimmten rhetorischen Verfahren greifen lassen. Die unterschiedlichen Aspekte werden in dem auf den folgenden Seiten präsentierten Schema auf der horizontalen Achse genannt. Bei der Betrachtung ist jedoch der Umstand zu beachten, dass sich die verschiedenen Aspekte immer überlagern und durchdringen und nur analytisch nebeneinander zu stellen sind. Die interaktionskonditionierende, forcierende Qualität der rhetorischen Strategien für die Spieler ist unterschiedlich stark. Die abnehmende konditionierende Qualität ist auf der vertikalen Achse von oben nach unten abzulesen. Es lässt sich an der Achse auch erkennen, dass es Strategie„verwandtschaften“ gibt, also Strategien mit einer minimalen Distanz und Strategien mit einer maximalen Distanz. Für die Darstellung der Strategien auf der vertikalen Achse muss jedoch die Einschränkung gelten, dass auch Strategien, die im Schema nicht unmittelbar untereinander stehen, eine gemeinsame Schnittmenge aufweisen. Wie ansatzweise gezeigt wurde, produzieren die Trainer gelegentlich Strategien, in denen viele Elemente benachbarter Strategien und nur wenige distinktive Elemente auftauchen, somit eine eindeutige Klassifizierung gelegentlich problematisch ist. Des Weiteren soll die vertikale Achse in ihrer Richtung von oben nach unten andeuten, dass die Strategien in den Arbeitssituationen des Einstellens unterschiedliche sequenzielle Positionen einnehmen. 322 Reden und Spielen Abb. 4: Rhetorische Strategien von Trainern in Arbeitssituationen des Einsteilens Die Rhetorik der Trainer 323 ^ " 4J £ g! s p N fc c u - 5 £ S S 5 ? , S “ c I S s -3 = S o g > = £ 1 ^ £ I ^ I Ö ^ *_r to \£; ^ oß a s s Sf : s * -S g S S £ c .a s 5 >. 5? c - E i 1 “! 111 §1 ä 3 I o .s s S 2 •S^£>“- C gg -a c £ -a c S C (U <u C <u <u 3 CX T3 ÖX) 3 > J3 X 's £ .2 c ■ C ffl ^ ' E 2 S ^ N 0> -t T — g ö m g | > is u. o £ 3 c ^ E > 1 _3 (U O « w c Ct TD (A -a P3 (U 15 a a ! | ü ! i q § c .2: c I ^ £ 1! -s k § <2 s .£ 'S R ä ÄJ 4J . „ öi> ”2 (U S "o a3 3 52 Q. S <U « ■ ? > o U öß : 5a ^ si*! w ^ c (u u £ ob > 4D 2 a> • > t: 12 £• ,t« s> E £ C< -n ui S ä > 1 ’S g.' s s Z j= . § 5ß Q. 3 fe 5 ,Is«.1 1 ob £ £ -3 ^ \izlii\ : « - ^3 2 o. J ' +i (U — (A DT 3 od Q. < CO ^ ÖßtÜTD § .! > ! •§ i ^ -s 2 ' : o ts ■ £ I CO ^ u Qß u S -c r-| § 'Ö. g r 2 = oo E t: : *q c oß c «£' ■ 253 -o u -c : 2 =: TD Q. .aj tu - I I “ u 1 -g £ E = i2 2 g 1 3 E •> c § .. 2 § eg 5 » 2 £ S > U H (U M -‘ O c 'n s > j-" ^ > m “ £ £ bß £ 00 u, g £ 2 E ■ - 5 £ « CX l2 — D. § 3 ^ ^ ^ 2 > £ E ^ H ^ 4> C 4D 2 C « E CQ § 00 Q 5 TD 2 , öß c C 2. <0 ? — ^ 2 £ c? iS « ^ ca 5tD 3 _v ob 'S u. 4> N c k, c i OJ -p £ W 3 i 1 s*^ ‘S I i "o e 3 C TD <2 ra £ ■ ' rtEScc^S.! 00 £ £ 3 < -G O - (U äj £ c c £ ^ ' s to 6 .1 S N~- 3 b c 0ß £ Ö £ ^ -O ^ 2 ^ > 3 C t .2 , g> a-a .2 0“ •r ^ i c ^ «j £ = •§ S T3 . „ < ■ r £ 3 ü ^ £ <0 'S öß b CG TD Z-2 : -g J .g g ’ -2 3 « £P I TD O C £ C (A ^ 1'S E rl 'S g iS ^ £ 5 -G c CG Qß C | -a : g o Z 5 E. a. .Si £ bß ^ 11 X rt 'S O S K K 1 5 ! l »-3-S i 1 ! 11SII ! § I? g - § 8 ’ o 3 £ 2 X £ E TD C £ aj a. « g 4) ca -p c a J • c =2 g i 'ca J- O Öß TD Xi 111 > E , <u 3 2> uj « fe G IG £ §-1 5 S i 'I £ l 3 ^ ■ O tA C3 "O .5 G . •—* U G rrt (U X <u £ G > uj m > (- §•§^2 = 8 .S “ " S “ 5 n vj o ofl w ü S c § 3 ^ * I I ^ 11! ! X ro > (U U ~ > Öß X) -O ö ^ a ^ Q. CA 4_, 3 co 2 £ < S > 2 o E c • Q > « |g s gs S c ^ -o g>-f 1 |5 i £pi2 g g P 3 g » > 5 c > 5 §CU « '5.-E cö > 00 o G c+i. ■ ,T v <U 3 ^ h F < i? 3 cu 3 öß öß ü I -| I Im ö»g : h u <2 -s ~ ■ - ‘P £ K ^3 ■ o £ u. -g <2 >£ Jä 2 öß 4j J I a c .a * ca cx « £ X co -g -o CA c 52 fe -u o 5 ja ja > c u cu 2 e 5 'S xi 1 K I g f « ■ c CU 3 H ^ 3 Xi < X Ja ? c2l öß 2 .2 u _g 2 aa X C <U G ll.a « > t ja ■ — : 5 ■ XV * 324 Reden und Spielen So wählt Trainer Brünger in der Mannschaftssitzung, nachdem er die sportliche Lage als dramatisch inszeniert hatte, anschließend die rhetorische Strategie des Anweisens. Trainer Platen kombinierte in der präsentierten Halbzeitpause mehrmals die Strategie des Tadelns mit der des Aufrichtens. Die Kombination und Sequenzierung der Strategien erfolgt aus ökonomischer und funktionaler Orientierung. Mit der Wahl des Dramatisierens fokussiert Brünger den äußeren Bedingungsrahmen der Interaktionssituation. Die rhetorisch aufwändige Darstellung als Situation der Entscheidung impliziert für die Spieler automatisch die Notwendigkeit, in besonderem Maße moralisch-kämpferische Anforderungen zu erfüllen. Daher kann Brünger in der Folge auf die nur mit kurzen Sachverhaltsdarstellungen operierende Strategie des Anweisens zurückgreifen, um das Wissen der Spieler über wesentliche taktische und moralisch-kämpferische Aktivitäten zu stabilisieren. Und wenn Platen zunächst die Mannschaft bzw. Tobias tadelt, bevor er sie für die zweite Halbzeit aufrichtet, dann steht hinter dieser Kombination das Einstellenskonzept, erst das unmittelbare „nähere“ Geschehen der ersten Halbzeit zu bearbeiten und dann die mittelbare „fernere“ zweite Halbzeit zu fokussieren. Zudem dient die Analyse und Bearbeitung der Fehler dazu, den Akteuren Einsicht in ihr richtiges, besseres Handeln zu vermitteln: Die Darstellung der Fehler wird abgelöst von der Darstellung der vom Trainer als erfolgreich projizierten Spielstrategie. Die Kombination der Strategien ist folglich Ausdruck eines situationsspezifischen und kontextgebundenen Defmierens der sportlichen Lage. 6.7.4.1 Praktische Rhetoriktheorien von Trainern oder Warum Trainer auf eine rhetorische Strategie des Löbens beim Einstellen verzichten Es ist auffällig, dass bei der Analyse der im Arbeitskomplex des Einstellens verwendeten rhetorischen Strategien zwar einzelne lobende Äußerungen auszumachen sind, jedoch keine Strategie des Löbens. Auch in den bislang nicht zitierten, nur transkribierten bzw. abgehörten Korpusmaterialien konnte kein Beispiel für eine Strategie erkannt werden, die explizit vergangenes Handeln positiv bewertet und in den Fokus des sprachlichen Handelns innerhalb einer handlungsschematischen Aufgabe rückt. Wenn lobende Äußerungen eines Trainers auftauchen, wie im folgenden Beispiel aus einer Halbzeitpause bei einem Landesligisten, 176 dann typischerweise als einräumendes Erstglied einer „Zwar-aber“-Struktur. 039 Trainer: somännerf 040 komplimentf drei nulldas is natürlich schon ne tolle leistungf * ja s=spiel is au=n 041 super spiel-! geht hin un her-! * nures sieht deshalb so gut ausfür beide mannschaftn- 042 weil wir ja nur absolute raumdeckung spieln-! die un wir auch-! * deshalb ham wir 176 Die Daten wurden für eine Magisterarbeit an der Ruhr-Universität Bochum aufgezeichnet, vgl. Schilling (1995). Die Rhetorik der Trainer 325 043 Trainer: 044 045 046 Trainer: 047 Hartmut: 048 Trainer: 049 Trainer: 050 Jörg: 051 Trainer: 052 ? : 053 Trainer: 054 freiheiten un die ham auch freiheitenjetz kommt es drauf andass man taktisch un (un mit köpf klug) spieltT das heißt alsodas man immer versucht zu rutschend wenn die linke seife die stark hartmut is deine aufgabeT * jat da muss=te~ * muss=te mit links aushelfnmusst rechts (aushelfn) 4 ansonsten muß=te thomas absichernT jaja4 immer von zentral aus kuckenwo tut sich was4 * un dann den frein den mann nehm4 un jörg muss au mitspielni also nich/ ja das is die lassen uns unser ti/ uns das (mach ich doch) spiel machen! necht un wir lassen de: n das spiel machengeht hin un her! nur wir sin ( ) im angriff heute durchschlagskräftiger- * un hätten natürlich noch mehr tore machen müssen! * aber is=n offnes spiel geführtes spiel von beiden seiten! * necht deshalb [Brakhausen 2, s. Korpus Schilling [1995)] Im präsentierten Ausschnitt tauchen zwei kürzere Äußerungsfolgen mit expliziter positiver Charakterisierung auf (vgl. Z. 040f. und 051/ 053). Die Halbzeitrede des Trainers beginnt mit der Einräumung, dass der 3-Tore- Vorsprung natürlich schon ne tolle leistung sei. Ihr folgt der Einwand, dass dafür das Spielsystem beider Mannschaften verantwortlich sei, nicht allein die Leistung seiner Mannschaft. Nachgeschoben wird nun eine Handlungsorientierung für die zweite Halbzeit, die offensichtlich in der ersten Halbzeit nicht gegeben war und eine Devianz des unklugen taktischen Verhaltens andeutet: jetz kommt es drauf andass man taktisch un (un mit köpf klug) spielti. Auch an der zweiten genannten Stelle ist deutlich zu sehen, dass der Trainer auf der einen Seite seinen Spielern in diesem Fall seinen Stürmern ein positives Merkmal zuschreibt, auf der anderen Seite es aber deiktisch und lexikalisch einschränkt (Temporaldeiktikon heute und Komparativform) und das Nichterfüllen einer als selbstverständlich markierten Aktivität konstatiert: un hätten natürlich mehr tore machen müssend. Es wird deutlich, dass der Trainer selbst bei einem signifikanten Vorsprung in der Halbzeitpause die notwendige Orientierung im Hinblick auf taktische Handlungsanforderungen und die richtige moralisch-kämpferische Einstellung als latent gefährdet ansieht und daher rekontextualisieren bzw. stabilisieren muss. Zum einen bearbeitet er die Problematik der Unwägbarkeit des sozialen Prozesses, welcher in der zweiten Halbzeit durch die simultanen und alternativen Handlungen des Gegners noch einen dramatischen Verlauf nehmen kann. Zum anderen bearbeitet er die Problematik, dass sich seine Spieler das Selbstbild der „Sieger“ konstruieren, während sie vom Gegner das Bild der „Besiegten“ schaffen, welches ihr Spielverhalten unter dem Aspekt der Motiviertheit beeinflussen könnte. Dafür, dass sie darauf verzichten, eine Strategie des expliziten Löbens anzuwenden und in den Mittelpunkt zu rücken, nennen Trainer praktische Gründe. 326 Reden und Spielen Den folgenden Beispielen aus einer Begrüßung der Mannschaft mit Kritik zum vergangenen Spiel ist vorauszuschicken, dass es für Trainer Platen kaum Anlass zur Kritik gegeben hat. Doch trotz des ersten Sieges unter seiner Leitung hat er seine Mannschaft nicht ausdrücklich und anhaltend gelobt, sondern den wesentlichen Erkenntnisgewinn betont, der in dem Umstand liege, etwas gemeinsam erreicht zu haben. Die positive Erfahrung erfolgreichen gemeinsamen sozialen Handelns wird durch den Kontrast mit dem dispräferierten individuellen egoistischen Handeln stabilisiert: mi“teinandal * nich der eine da“ der andre da“ un der andre da“ sonnan- * mi“teinandai * dat is vielleicht das- * positivste mit dabei (vgl. H-36B, Z. 364-366). Unmittelbar danach hat er einen Spieler getadelt, der sich zu einem Revanchefoul hat provozieren lassen und der folgerichtig die rote Karte erhalten hat. Der folgende Ausschnitt stellt den Abschluss der Begrüßung dar. Hier nimmt Platen das zufriedene Lächeln des Torwarts (der „Lange“) zum Anlass, ihn vor der Mannschaft in zurückhaltender Weise zu loben. Dann, nachdem er die Spieler zum Einlaufen losgeschickt hat, wendet er sich an den Beobachter und verdeutlicht ihm seine Präferenz des seltenen Löbens. 389 Platen: 390 391 Platen: 392 ? : 393 Platen: Komm.: 394 Platen: 395 396 [H-36 B] spielaf imma hier aus den spieln rausf ja't *3* irgendwat noch für- * von- ** montach zu bemängeln oda- * war alles zufriednT ** jaT * der lange lacht der hat- * recht ordentlich gehaltn- * hat kein hat kein reingekricht- * so ko'mmt dann ma'cht HUSTEN euch- * zwei" drei“ minutn- * hl’n un he'r- * n=bisschen laufn- * so ei'nlaufnf DIE SPIELER LAUFEN LOS; 16 SEKUNDEN PAUSE >also das werdn sie von mir seiten hörn dass ich die spiela lobet ** so lobe- * dass se... oda dass se gut gespielt habn dat sar ich schon malt aba dass ich äh- * euphorisch etwas äh sage was eina gemacht hatwerden se von mir nich hörnt Nach der Assertion, dass ein Lob von ihm nur selten öffentlich geäußert werde, differenziert Platen zwischen zwei Arten des Löbens. Die erste besteht darin, dem Spieler nur ein gemäßigtes Lob auszusprechen, wobei das Loben nicht automatische Folge der guten Leistung ist, sondern abhängt vom situativen Ermessen des Trainers (erkennbar an der Einschränkung dat sar ich schon mali). Diese Art des Löbens wird somit als spezifizierende Reformulierung der Ausgangsassertion markiert {schon mal ist bedeutungsähnlich zum Lexem selten in der Ausgangsassertion). Ihr wird die zweite Art des Löbens, das durch Akzentuierung hervorgehobene eupho “rische Lob gegenübergestellt und als dispräferierte Aktivität markiert. Dies begründet Platen wenig später damit, dass er als Trainer im Wettkampf und Training bei seinen Spielern und der ganzen Mannschaft immer etwas zu verbessern sehe. Und Die Rhetorik der Trainer 327 zweitens wisse er: wenn ich eim sage du hast warst supa~ * weiß ich dass er nächsten sonntach schon wieder scheiße machti * schlecht spielti (H-36 B, Z. 399-401) ich sach auch dem dem ein oda andan- * dass a gut wari * sach ich ihm so'! ' * aba selten- * der gruppel * weil- * wie gesucht- * es is meistens so- * dass- * dann- ** et wieda weniga wirdi * aus dem -^der mensch is numal sonI * wenn er auf de schulta gekloppt wird- * dann war alles richtichi net (H-36 B, Z. 448-452). Platens Begründungen vermitteln, dass dem Trainer die unterschiedlichen rhetorischen Potenziale von Äußerungen in den Arbeitskontexten sehr wohl bewusst sind und er vorgreifende theoretische Annahmen über die Auswirkungen von rhetorischen Äußerungen in diesem Fall des Löbens für den Spieler und für die Mannschaftsgruppe macht. Platens praktische Rhetorik geht davon aus, dass Loben disfunktional sei, da es einen drastischen Leistungsabfall des belobigten Spielers zur Folge habe. Platen kontrastiert im Beispiel seine gelegentliche Praxis des zurückhaltenden Löbens eines einzelnen Spielers mit dem seltenen Lob für die ganze Gruppe. Diese Praxis wird mit der im Folgenden abgeschwächten Annahme eines Leistungsabfalls es is meistens so- * dass- * dann- ** et wieda weniga wirdi begründet. Diese spezifische Annahme fasst Platen sodann in einer allgemeinen Sentenz über einen wesenhaften Zug des Menschen zusammen: Die Geste des öffentlichen Lobes führe dazu, dass der Mensch sein vergangenes Handeln bestätigt sehe und sich einer kritischen Überprüfung seines Handelns entziehe. Dies wiederum habe zur Folge, impliziert Platen, dass der Mensch in seinem Bemühen nachlasse und er sein in diesem Fall: sportliches - Können verliere. Das nur gelegentliche Loben des einzelnen Spielers und der weit gehende Verzicht auf Loben des Kollektivs findet auch in den Anforderungen an die Mannschaftssportler, in der sozialen Strukturierung des Arbeitsprozesses und der Differenzierung der Spieler nach Positionen seine praktische Begründung. Zu den kategorialen Anforderungen an die Spieler gehört unter anderem die Motiviertheit, Training und Wettkampf mit einer angemessenen moralischkämpferischen Einstellung zu bestreiten (s. den Abschnitt 4.2.1). Sie speist sich zum einen aus der strukturellen Bedingung der externen Auseinandersetzung mit dem Gegner und dem Ziel, diesen Gegner zu besiegen, zum anderen aus der internen Auseinandersetzung mit den Mitgliedern des eigenen Kaders um die begrenzte Anzahl von Positionen in der Startelf. Die Positionsvergabe geschieht nicht einmalig und ist nicht unumkehrbar, sondern Resultat der Aushandlung zwischen dem Trainer, dem Spieler und den Konkurrenten innerhalb des Kaders in Training und Wettkampf. Einem denkbaren Leistungsabfall eines Spielers (bspw. auf Grund des Lobes durch den Trainer, wie Platen annimmt) können der Spieler und der Trainer auf zweierlei Weise begegnen: 1. Der Spieler, der gelobt worden ist, weiß, dass sein Konkurrent auf der Ersatzbank nur auf eine Schwäche von ihm wartet, um eingewechselt zu werden, also wird er versuchen, durch nicht nachlassende Trainingsleistung einen 328 Reden und Spielen Leistungsabfall zu verhindern. 2. Sollte der Spieler, der gelobt worden ist, tatsächlich in seiner Leistung abfallen, kann der Trainer mit der Einwechslung eines Ersatzspielers angemessen reagieren. Lobt aber der Trainer die Gruppe, manifestiert er den gegenwärtigen Zustand der Positionsvergabe und der Mannschaftshierarchie. So nimmt er den Stammspielern den Druck, im Training um ihre Positionen kämpfen zu müssen, und den Ersatzspielern den Mut, sich durch gute Trainingsleistungen für die Anfangself zu empfehlen und ihre Konkurrenten von der Position in der Stammelf zu verdrängen. Wenn Trainer in Einstellenskontexten die rhetorische Strategie des Löbens anwenden, scheint dies aus der Perspektive der Spieler symbolisch bedeutsam zu sein: Als strategischer Verzicht des Trainers, den Arbeitskomplex des Einstellens durchzuführen. Sie scheinen das Lob als das Verschweigen von unliebsamen Entscheidungen zu verstehen. Darauf lässt folgendes Kleingruppengespräch schließen, das Handballtrainer Schleisiek, 34 Jahre alt, im Anschluss an die Mannschaftssitzung nach dem letzten Training führt. Seine Gesprächsbeteiligten, die er aus der Spielerkabine in die kleine DRK-Kabine gebeten hat, sind die drei Torleute Dieter, 28, Tilman, 24, und Gerri, 37 Jahre alt. Einige Hintergrundinformationen vorweg: Normalerweise verpflichten Handballvereine nur zwei Torleute, da pro Spiel nur zwei Torleute eingesetzt werden können; dritter Torwart ist dann meist der erste Torwart der A- Jugend, dem so die Möglichkeit geboten wird, sich langsam an die Seniorenklasse zu gewöhnen, oder aber der Torwart der zweiten Mannschaft. Nicht so in diesem Fall beim THV Köttersen: Nachdem sowohl Dieter als auch Tilman zu Beginn der Saison starke Leistungsschwankungen zeigten, fragte man bei dem ehemaligen Spieler Gerri an, ob er nicht ausnahmsweise die Rolle des dritten Torwarts übernehmen wolle. Dieter wird gemeinhin als erster Torwart eingesetzt; Tilman dagegen wird in der Mannschaft als kein typischer erster torwart bezeichnet. Er brauche einen „Spannmann“, einen ersten mann vor sich^ * un wenn der mal nich so gut hält- * —>mit dem er sich dann menschlich gut versteht un wenn der nich so gut hält dann kommt er rein un reißt die kohlen aus dem feuer für denl. Das Verhältnis zwischen Dieter, der das zweite Jahr im Verein spielt, und Tilman, im zehnten Jahr beim THV, wird sowohl von den Mannschaftsmitgliedern wie von den Torleuten selbst als angespannt dargestellt. Dagegen verstehen sich Tilman und Gerri sehr gut; Gerri gilt als Tilmans idealer Spannmann. Zwei Tage vor dem Lokalderby gegen den Nachbarverein und Tabellenführer Heelnhusen, gegen den man zwei Wochen zuvor im Pokalwettbewerb verloren hatte, ruft Schleisiek nun seine drei Torleute zusammen. Für die Spieler ist damit erwartbar, dass er ihnen mitteilen wird, welche zwei Torwarte er einsetzen wird, und dass er sie auf ihre Aufgabe einstellt. Das knapp 100 Sekunden währende Kleingruppengespräch beginnt und endet von Seiten des Trainers mit rhetorisch ausgebauten lobenden Äußerungen: Die Rhetorik der Trainer 329 437 Schleis.: >ja ( ) gut! # *2* <sam=ma 438 Marcel: darf ich mäuschen spielenT Komm.: # STÜHLERÜCKEN 439 Schleis.: grundsätzlich äh~ # * kann ich- * n=kompliment nur an alle drei" Komm.: STÜHLERÜCKEN # 440 Schleis.: aussprechengu"te~ * leistung im spielt gute leistung im trainingt * 441 ma“cht mir die entscheidung nur no"ch schwerert *2* <-u“nd=äh * ich 442 hab mich letzten endes noch ni"cht entschie‘'den~ * obwohl ich- * 443 auch hier sagen möchte dass ich dazu tendie'ret * tilman a''nfangen zu 444 lassen weil er- * da" auch sehr gut gehalten hat- *1,5* aber- * wie 445 gesacht aufgrund- *2,5* KLATSCHT IN DIE HÄNDE der gezeigten 446 leistung auch wieder i"n leschernich und auch hier im training is es sehr 447 schwer und=äh~ * >hu"ndertprozentig hab ich mich noch nich dafür 448 entschieden^ *1,5* klatscht leise in die Hände ** guti 449 wollt ich euch dref'ent * noch grad sagent ** und=äh~ * noch mal 450 Schleis.: sehr positiv- * mit welchem einsatz mit welcher einstellung ihr alle im 451 Gerd: #schussel# KK: #RUFT LAUT VOR DER TÜR DER DRK-KABINE# 452 Schleis.: Training arbeitet! ** >als komplimentt 453 Uwe: # ooh schon wieder freibier ey! KK: #VOR DER TÜR, SICH IN 454 Uwe: schon wieder freibier! # KK: SPIELERKABINE ENTFERNEND# 455 Komm.: 7 SEKUNDEN STILLE IN DER DRK-KABINE 456 Gerri: das lo"b hörn wer ge'Tne ->aber dass de dich noch nich entschieden 457 Schleis.: #ja! # KK: «KLATSCHT IN DIE HÄNDE# 458 Gerri: hast ist schei’ße! 459 Dieter? : ja! Komm.: GEGENSTAND FÄLLT HERUNTER, DIETER STÜRMT AUS DER KABINE, AUCH GERRI UND TIL- MAN VERLASSEN DIE KABINE [K-32A] Schleisieks Äußerungen und die Reaktion der Spieler sind wie folgt zu erklären: Schleisiek hat allen Torleuten sowohl für die Leistung im Wettkampf wie auch im Training explizit eine gute Beurteilung ausgesprochen. Die zu erwartende Festlegung auf zwei Torleute für das anstehende Meisterschaftsspiel, eine Entscheidung, die von Schleisiek als an sich schon schwierig eingestuft wird, sei le“tzten endes noch nicht getroffen, so der Trainer. Damit bearbeitet er in kooperativer Weise eine Paradoxie seines professionellen Handelns (dazu siehe auch Kapitel 7 dieser Arbeit). Schleisiek hat drei Spieler für zwei zu besetzende Positionen zur Verfügung. Mit der Aufstellung als erster und zweiter Torwart und mit der Nicht-Berücksichtigung verbinden die Spieler symbolische soziale Bedeutungen. Schleisiek steht vor der Paradoxie, den Spielern sein Vertrauen zu vermitteln, dass sie die sportlichen Anforde- 330 Reden und Spielen rungen der Leistungsklasse in Training und Wettkampf erfüllen und somit die Position einnehmen könnten (andernfalls würde man sich von den Spielern trennen), dass er aber immer zwei von ihnen durch die Nicht-Berücksichtigung für die Startmannschaft enttäuschen muss. Die einleitende Strategie des Löbens wird jetzt verstehbar als vorausgreifende Abmilderung der Enttäuschung, die er den beiden Spielern bereiten wird. In der Folge öffnet Schleisiek den Spielern einen Vorstellungsrahmen, der die noch nicht getroffene Entscheidung andeutet, nämlich dass er dazu tendieret * tilmann a“nfangen zu lassen. Mit dieser Äußerung enttäuscht er den normalerweise als ersten Torwart eingesetzten Dieter. Schleisiek begründet seine Tendenz mit der guten Leistung Tilmans im Pokalspiel gegen Heelnhusen vor zwei Wochen (vgl. Z. 440). Die Enttäuschung für Dieter, die sich durch die Äußerung ergibt, dass möglicherweise Tilman seine Position einnehmen wird, bemüht sich Schleisiek aufzufangen, indem er erneut die Vor-Entscheidung als noch nicht endgültige Entscheidung darstellt und diese mit dem Verweis auf die Leistung beim letzten Auswärtsspiel in Leschernich und im Training begründet. Damit bringt er Dieter und Gerri zurück „ins Spiel“ um die Aufstellung. Denn Dieter und Gerri waren beide in Leschernich eingesetzt worden, während Tilman dort hatte zuschauen müssen. Allerdings könnte der Verweis auf das Auswärtsspiel bedeuten, dass Dieter bessere Chancen als Gerri besitzt, nun gegen Heelnhusen als zweiter Torwart eingesetzt zu werden. Beim Sieg in Leschernich nämlich hatte Dieter ca. 50 Minuten gespielt, während Gerri die restlichen 10 Minuten im Tor gestanden hatte. Die noch nicht hundertprozentige Entscheidung ist auch der Grund dafür, dass Schleisiek die eigentlich an die Arbeitssituation gestellte Anforderung, seine Torleute auf das nächste Spiel einzustellen, nicht erfüllen kann, da dies eine Festlegung auf zwei Torleute voraussetzen würde. 177 Die Enttäuschung, die Trainer Schleisiek zwingenderweise Dieter und Gerri bereitet hat, mildert er ausleitend ab: 1. durch eine metakommunikative Erklärung, 2. durch ein erneutes explizites und sehr positives Lob, das sich auf die Trainingseinstellung und -leistung aller drei Torleute bezieht, und 3. durch einen abschließenden account {>als komplimenti). Die rhetorische Strategie, die für Schleisiek den praktischen Zweck erfüllte, paradoxale Aufgaben auf kooperative Weise zu lösen (er hätte ja auf das Lob verzichten und seinen Spielern lediglich die Vertagung seiner Entscheidung mitteilen können), befreit die Spieler aber nicht von dem praktischen Problem, das jeder von ihnen hat. Aus ihrer Perspektive haben sie hart trainiert und gut gespielt und damit die Bedingungen erfüllt, dass ihrem Wunsch, eingesetzt zu werden, entsprochen werden muss. Dies hat ihnen der Trainer gerade auch noch 177 Da das Einstellen der Spieler in dieser Interaktionssituation nicht erfolgt, sondern hinausgeschoben wird, wurde die hier angewandte rhetorische Strategie des Löbens nicht in das Schema der rhetorischen Strategien im Arbeitskomplex des Einstellens aufgenommen. Die Rhetorik der Trainer 331 einmal bestätigt. Sie werden jedoch zwei weitere Tage in einem Wechselbad zwischen Zuversicht und Ungewissheit verbringen müssen, ob sie nun zu den ausgewählten Torleuten zählen werden oder nicht. Das Problem, vor dem die Spieler stehen, ist, sich möglichst optimal auf die anstehende Aufgabe vorzubereiten und für den richtigen Grad der moralisch-kämpferischen Einstellung zu sorgen, obwohl sie mit der Frustrationsangst leben müssen, trotz einer vom Trainer positiv beurteilten Trainingsleistung am Spieltag nicht zu der Aufstellung zu gehören. Aus ihrer Perspektive ist es ihnen lieber, frühzeitig zu erfahren, ob sie eingesetzt werden oder nicht. Diese für alle Torhüter problematische Situation bringt der 37-jährige „Senior“ Gerri zum Ausdruck (und Dieter bestätigt ihn), wenn er dem Trainer antwortet: das lo “b hörn wer ge“rne -Araber dass de dich noch nich entschieden hast ist schei'ßei. Da Trainer Schleisiek in dem Kleingruppengespräch zudem jeden Augenkontakt mit den Torhütern vermieden hat, reagiert Gerri mit der Äußerung möglicherweise auch auf seine Interpretation, Schleisiek verschiebe die Entscheidung nicht aus spieltaktischen Erwägungen, sondern weil er sich vor einer ihm unangenehmen, aber notwendigen Handlung eines Trainers „drücken“ wolle. Dass die Äußerung von Gerri und nicht von Dieter ausgeht, ist möglicherweise damit zu erklären, dass Gerri als dritter Torwart am wenigsten zu verlieren hat und auf Grund seines Alters Schleisiek näher steht als Tilman und Dieter. 6.7.5 Monologisieren und Dialogisieren: Warum die Gesprächsbeteiligung der Spieler eingeschränkt ist Die dargestellten Handlungsschemata und rhetorischen Strategien und die präsentierten Beispiele haben auch einen Eindruck davon gegeben, wie die Gesprächsbeteiligung in den Arbeitssituationen des Einstellens bzw. im Nachverarbeiten einer Niederlage zwischen Trainer und Spieler bzw. zwischen Trainer und Mannschaft organisiert ist. Die Analyse der Gruppeninteraktion (vgl. das unter dem Fokus der Kategorisierungsleistungen analysierte Marmschaftsgespräch „Bohne kommt“ in Kapitel 5.4.3) hat gezeigt, dass das asymmetrische Verhältnis zwischen Ersatzspielern (z.B. Thorsten und Mascha), Stammspielern (z.B. Tobias und Lothar) und Führungsspielern (z.B. Stefan und Matthias) die Beteiligung von Thorsten und Mascha am Gespräch nicht verhindert: Thorsten hatte das Einstufen eines potenziellen zukünftigen Mitspielers initiiert und im weiteren Verlauf Bohne ebenso kategorisiert wie Mascha, Tobias und Matthias. All jene Interaktionsereignisse jedoch, in denen Trainer und Spieler die sportliche Lage, die Bedeutung der anstehenden Aufgaben und die zukünftige Ausrichtung der gemeinsamen Gruppe z.B. im Hinblick auf die Handlungskoordination definieren, sind dominant monologische Interaktionen. 332 Reden und Spielen Das heißt nicht, dass die Spieler in diesen Interaktionen nicht verbal und nonverbal an der Herstellung, Sicherung und Fortsetzung der Interaktionen und an der Sinnschöpfung beteiligt seien, doch ist das Beteiligtenverhältnis für gewöhnlich stark hierarchisiert und asymmetrisch. Diese Asymmetrie kann von den Trainern bei spezifischen Situationsdefmitionen noch ausgeweitet werden, indem sie weniger kooperative, dafür aber stärker forcierende rhetorische Strategien wählen. Für die Spieler bieten z.B. sehr leise durchgeführte Nebenkommunikationen oder das „Beiseite-Sprechen“ Möglichkeiten der verbalen Beteiligung. Allerdings ist dies, wenn es zu lange oder zu laut geschieht, ein riskantes Manöver, da es sanktionierende Reaktionen des Trainers provozieren kann. In den kollektiven Arbeitssituationen können die Spieler explizit das Wort ergreifen, wenn sie wie bei Matthias und Sven gesehen - Äußerungen des Trainers ergänzen und so seine Arbeit des Einstellens unterstützen (vgl. die Ausführungen unter Punkt 6.6.1.2.3); des Weiteren, wenn sie selbst adressiert werden und die an sie gerichteten Aufforderungen ratifizieren wollen. Die in Transkripten von Huker Arbeitssitzungen gefundenen expliziten Ratifizierungen sind fast alle Reaktionen auf übertreibende „witzige“ Aufforderungen von Trainer Platen. Offensichtlich stellt die vorherige Übertreibung des Trainers für den Spieler eine Art Erlaubnis dar, sich explizit einzuschalten, zumal die Bestätigung ja auch den Modalitätenwechsel ratifiziert sowie den Witz des Trainers. Vor allem Führungsspieler schalten sich im Verlauf von Mannschaftssitzungen verbal ein, wenn sie im Hinblick auf vom Trainer dargestellte Sachverhalte Klärungsbedarf sehen. Die Sachverhalte, bei denen sie in den kollektiven Arbeitsinteraktionen „einhaken“, waren so weit ich an Transkripten überblicken kann fast immer rein praktischer und nicht grundsätzlicher Natur. Z.B. korrigieren die Huker Spieler ihren Trainer Platen, der ja erst vor kurzem die Trainingsleitung übernommen hat und daher die gegnerischen Spieler noch nicht genau kennen kann, als er den Gegenspieler von Jens fälschlicherweise als linksfuß ankündigt. Im folgenden Beispiel ratifiziert Tobias, der Spieler mit dem härtesten Schuss bei Fortuna, explizit eine Aufforderung Platens: Bei Freistößen ab einer Entfernung von dreißig Metern, hat Platen angeordnet, müssen kö“ppe ro“llen (Z. 114). Tobias geht auf diesen Witz durch eine komplementäre witzige Ratifizierung in der Modalität absoluter Evidenz (Z. 115) ein. Diese witzige Antwort wird durch das Lachen Platens wiederum honoriert (Z. 116). Im Anschluss gibt Platen einige Anweisungen zu der spezifischen Spielsituation „Eckstöße für Huke“. Bei der Aufteilung der Spieler im Strafraum, die sich nach der Körpergröße bemisst kleine Spieler wie Tommy müssen nach vorne an den von der Ecke aus gesehen ersten Pfosten, während große Spieler sich im Fünfmeterraum bzw. im mittleren und hinteren Strafraumbereich postieren referiert Platen explizit auf Tommy (Z. 120). Dies provoziert eine Klärungsfrage von Kapitän Stefan, da die Referenz auf Tommy bedeuten Die Rhetorik der Trainer 333 könnte, dass Stefan zum Eckenschützen bestimmt sei (Z. 124). Die Klärungsfrage veranlasst Platen, die erste Aufteilung der Spieler zu korrigieren (Z. 123): 114 Platen: 115 Tobias: 116 Platen: 117 118 119 120 Platen: KK: Komm.: 121 Platen: 122 123 Platen: 124 Stefan: 125 Platen: 126 Stefan: 127 Platen: [H-48B1] für den frei'stoß tobias- * drei’ßich me'ter da müssen kö"ppe rollenalles klarf net und äh- LACHT äh * au“snutzen4- * ganz kla"r~ * anso"nsten~ * hie'T mit den- * e'cken * müssn wa se"hn wenn- ** ich we"rde mir den to'rwart dann- * ä'nsehn- * ob wir se dann z^'m to"r hinspie’len- ** Unsicher mü'ssen wer zum to"r hinspielen- ** dire‘kt in den fü''nfer rei’n- * da si'nd dann die gro'ßen- * >eventuell net * # <tommy du bist- * klei'nt klefnt ganz vo’rnt * net aber # # LACHEND # # LACHEN UND GRINSEN DER MITSPIELER # ** aber hie''r äh- ** do'ddo- * kü'rz also- * fü“nfereck~ * matthfas dahi"nter~ * hie'r noch ei'ner zum to‘rwa: t zum to"rwa: t~ * ganz ku'rz * sodass wir da"- ** äh das au“ch nutzen-! * jat <bittet soll i‘ch jetz die eckn schießen oder-! ach nee"~ >tommy muss se ja soll i"ch jetz die e’cken schießn-! * oder wer-! schie"ßen von der seitei * von de"r von der ei'nen Seite-! * hab ich n=li"nken harn Außerdem beteiligen sich die Spieler in den Mannschaftssitzungen und Einzelgesprächen, wenn der Trainer sie mit Ergänzungs- oder Prüfungsfragen adressiert, was sie dazu zwingt, die konditionalen Relevanzen zu bearbeiten, wollen sie die Beziehung nicht gefährden. Im folgenden Fall reagiert Mehmet im Einzelgespräch mit Trainer Platen auf eine Überprüfungsfrage. Dass Platen übrigens Recht daran tut, das taktische Verständnis von Mehmet zu überprüfen, erweist sich daran, dass Mehmet die falsche Antwort gibt (Z. 300) und die Bewegung seines Gegenspielers falsch einschätzt: 297 Platen: 298 Mehm.: 299 Platen: 300 Mehm.: 301 Platen: 302 Mehm: [H-26A] reindrängt-! *2* wenn du dich hie'Y draußn dich htnstellst-! * wat mei'nst du wo der hm ste'hn bleibt-! * wat mei’nste wo der blei’bt-! der geht ni'ch mit der geht auf jedn fall nich rein-! der geht ni'ch mit rau's-! der ge'ht nich hie"r hin-! der ge'ht nich hie'r hin-! * ah ja-! In den ethnografischen Interviews schildern die Spieler auch solche Ereignisse mit für sie dramatischen Auswirkungen, in denen sie in grundsätzlicher Hinsicht dem Trainer widersprochen haben. Das dramatische Potenzial für 334 Reden und Spielen Spieler liegt darin, dass Trainer Widerspruchsäußerungen nicht als legitime Aushandlungsaktivität zur Bearbeitung von offensichtlichen Fehlern (s.u.) verstehen können, sondern als Bestreiten ihrer Kompetenz und als unangemessenen Angriff auf ihre Autorität. Der Vorwurf der Kompetenzbestreitung und des Untergrabens der Autorität wiederum legitimiert den Trainer zu Sanktionsmaßnahmen, die zum Ausschluss aus der Aufstellung und sogar zum Ausschluss aus dem Kader führen können. Die Sanktionsmaßnahmen bedeuten nicht nur eine finanzielle Einbuße für den Spieler, der keine Gelegenheit hat, Auflauf- und Siegprämien zu erhalten. Da sie meist coram publico angekündigt und durchgesetzt werden und sich auch auf soziale Rollen und soziale Normen beziehen, sind sie auch als soziale Degradierung, gelegentlich gar als soziale Erniedrigung zu verstehen. Im folgenden Fall schildert ein erfahrener Spieler die Reaktion des Trainers Kracht auf eine in des Spielers Augen legitime Fehlerbearbeitung: 429 Matthias: 430 431 432 433 434 435 436 gehabt * und äh ** er hat auch wieda * so=se/ na * so artn an sich gehabt die * ebent nich * in Ordnung warn ** KLOPFT AUF DEN TISCH dann hab ich irgendwas gesacht un dann hat er zu mir gesacht du sollst mich nich imma kritisieren * ich=a gesacht ich kritisiere dich nich * ich sach dat sin fehla * und äh * fehla äh ** muss man ebn besprechn * un er sacht da wenn dir das nich pa'sst * dann kann=ze ja reingehn * da ha=ich gesacht * oda nö w/ wenn dir das nich passt dann äh * äh ja: ch ich dich weg * hab ich gesacht ich kann damit le'bm * na un dann hat=ta mich weg geschickt un da bin ich abgehaun * is ** ne ** dat [H-57, ohne prosodische Markierung] Eine weitere problematische Situation erwächst dem Spieler daraus, dass, wenn er nach einer Sanktionierung die soziale Beziehung wieder aufnehmen möchte, eine einseitige Entschuldigungssequenz erwartet wird. Der Spieler muss sich beim Trainer öffentlich entschuldigen bzw. muss seine Äußerungen weitgehend zurücknehmen und auf mildernde Umstände wie Affekt plädieren, worauf der Trainer die Entschuldigung akzeptiert. Davon unberührt ist, dass der Spieler eventuell sogar davon überzeugt war, als Führungsspieler legitim im Sinne der Gruppe gehandelt zu haben, und dass der Trainer berechtigten Anlass zum Widerspruch gegeben hat. 442 Matth.: relativ * sehr wohl dabei gefühlt habe * aba dat sin dann imma so: / so: * dat 443 sin ja alles nur so affekthandlungn die man dann ebn nachher wieda ** ebn 444 beiseiteräumt ne * dann wird einfach nur n=normales gespräch geführt vor 445 der mannschaft dass man ebn sacht äh * es is alles nich so: " gemeint wie es 446 ebn da ausges/ äh * gesehn hat * man sieht=s ja imma wieda in=ne bundesliga [H-57, ohne prosodische Markierung] Bei der Betrachtung der monologischen Grundstruktur kollektiver und individueller Arbeitssitzungen muss auf der anderen Seite gesehen werden, dass der Trainer Entscheidungen, die er vor der Mannschaft zu verkünden hat und die möglicherweise Probleme zur Folge haben werden, im Vorfeld mit den Beteiligten bzw. mit den Führungsspielern aushandelt. Dies ist insofern prak- Die Rhetorik der Trainer 335 tikabel, als der Trainer so Entscheidungen „austesten“ und modifizieren kann. Und er kann sich so Bündnispartner organisieren und mögliche Opponenten auf seine Seite ziehen. Dies macht es den vermuteten Kontrahenten schwer, im Kader Unterstützer zu finden, wenn der Trainer das problematische Thema vor der Gesamtgruppe anschneiden wird. Im folgenden Ausschnitt bestätigt Franz Brünger, dass Trainer sich in spezifischen Situationen so absichern und dass das auch logisch, vernünftig und selbstverständlich ist: Brüng.: ich hab das logischerweise mit=n torstn mid=n tim au im vorfeld abgestimmt ich mach doch da so=n ding net als alleingang ich hab mit den abwehrspielern drübber gesprochn ich sach könnt ihr euch das so=n so vorstelln * der andy maux hat * als einziger bei mir im audo klar färbe be/ bekannt un hat gesacht im krunde genomm muss ich sagn * is der volker sickich derjenige der ruft laut dazwischn geht * das is mir als abwehrspieler lieber als wenn * einer * ziemlich ruhich is * un * sam=ma wie: =n überra'schungseffekt auf etma irgendwo steht * weil der sickich ruft * laut * un stellt die leude au laut ja * un das * war war=m andy in dem fall lieber jörg sar ich ma der hat eh keene meinung in dem sinn der sacht # och mir doch egal mach du doch du KK: # AMÜSIERT biss der trainer sacht der ja is doch ** ja # * un wenn ich=n jürgen frage der sacht KK: « AMÜSIERT # [SCH-12B, ohne prosodische Markierung] Für die älteren, erfahrenen Spieler mit professionellem Background scheint es zudem auch gar nicht so relevant zu sein, ob der Trainer in den Arbeitssituationen des Einstellens Recht hat oder ob er fachliche Fehler macht. Offensichtlich ist das fehlerhafte taktische Einstellen für sie kein Grund, dass sie mit dem Trainer in diesen Situationen eine Auseinandersetzung über die richtige taktische Ausrichtung führen müssten. Entscheidender, so ein Handballspieler aus Köttersen, sei die Flexibilität des Trainers, sich mit den Spielern, die ihm zur Verfügung stünden, zu arrangieren und sich ihnen so zu präsentieren, dass diese ihn akzeptieren könnten: 277 Spieler: ganz geschickt * find ich ** ob das fachlich alles * in Ordnung is aber das is 278 ja nun was anderes ne aber * ich finde das wesentliche is doch das war bei 279 waiter damals auch * du musst mit den leuten auskomm ne * wenn * die ieute 280 was du ebn auch schon gesachst hast * dich eben nicht akzeptiern da kannste 281 * kannste noch so * fachlich gut sein oder * irgendandere Qualitäten haben 282 * kommste eben nich ran ne * (brauchen wer uns nichts vorzumachen ) [Ethnografisches Interview mit einem Spieler] Das asymmetrische Beteiligungsverhältnis und die monologische Grundstruktur der Arbeitssitzungen sind funktional und ökonomisch. Angesichts der begrenzten Zeit, die den Beteiligten sowohl an den Trainingstagen als auch an Wettkampftagen zur Verfügung steht, angesichts der großen Anzahl von Beteiligten, angesichts der Konkurrenz im Kader um die elf Positionen in der Startelf und der darin begründeten Divergenz der Ansichten sowie angesichts der immensen sportlichen, finanziellen und sozialen Bedeutung, die 336 Reden und Spielen dem Ausgang der Meisterschaftsspiele zukommt, ist es arbeitsökonomisch sinnvoll, eine inhaltlich offene Aushandlung über die Ausrichtung der gemeinsamen Gruppe nur in wirklich relevanten Fällen mit allen Beteiligten und gleichberechtigt durchzuführen, ansonsten aber die allgemeine Verantwortung dem Trainer zu übertragen. Dies verschafft dem Trainer einen größeren Handlungsspielraum und mehr Handlungsrechte als den Spielern. Zum anderen ermöglicht dies den Spielern und den Vereinsverantwortlichen, im Fall des Misserfolgs die Schuld für das Versagen weitgehend einer Person anzulasten: eben dem Trainer. Das Konzept, das in der Welt des Mannschaftssports bei der Beurteilung der Trainer vorherrscht, fasst ein Spieler wie folgt zusammen: n=guter trainer entscheidet sich immer- * an der an der summe der erfolgel net. Darum wissen auch die Trainer: am ende zählt- * eigentlich nur— * unner^m strich haste gewann haste verlorn-l * un wie sieht der tabellenplatz aus],. Dieses Konzept, die Zukunft zeigen zu lassen, ob das, was der Trainer sagt, auch stimmt, versetzt die Spieler und Vereinsverantwörtlichen in die Lage, im Falle des Misserfolges das soziale Gruppengeflecht und die Personenkonstellation ökonomisch an der wichtigen Position des Trainers zu verändern. Mit der Trennung vom Trainer und der schnell durchführbaren Rekrutierung eines neuen Trainers ist dann immer auch die Hoffnung verbunden, eine Verbesserung der sportlichen Lage zu erreichen diese Hoffnung trägt nur solange, wie der neue Trainer Erfolg hat. Aus der Perspektive der Spieler ist es also nicht notwendig, dass sie sich äußern und so dem Trainer Verantwortung abnehmen müssten. Zudem haben sie eine spezielle Waffe im Köcher: Die Immunisierung gegen den Trainer im Wettkampf. Oder wie es ein Spieler ausdrückt: im endeffekt sin wer noch fünfter geworden]' ** aba nur aus dem grund weil wir gesackt ham— * wir spieln jetz so- * wie wir spieln wollnX * was de “r erzählt- * ist uns eigentlich egal]'. 7. Längerfristige Trainer-Konzepte und ihr Einfluss auf die rhetorische Gestaltung der Handlungssituationen Das letzte Kapitel hat folgenden Aufbau: In den Abschnitten 7.1 und 7.2 werden die Arbeitskonzepte der Trainer ich werde sie als Trainer-Konzepte definieren (s.u.) vorgestellt. Während in Abschnitt 7.1 die fußballerischen Konzepte (bzw. das handballerische Konzept) der Trainer behandelt werden, stehen in Abschnitt 7.2 ihre Konzepte der Spielerführung im Mittelpunkt. Zu den Trainer-Konzepten gehören auch Trainingsgestaltungskonzepte. Da die Trainingsgestaltungskonzepte aber nicht im Vordergrund dieser Arbeit stehen und auch auf einem spezifischen Konzept der Spielerführung fußen, werden sie nicht einzeln präsentiert, sondern werden in die Darstellung der Spielerführungskonzepte mit aufgenommen. Den Abschluss dieses Kapitels bilden zwei Abschnitte, die ich als Engführung meiner Arbeit verstanden wissen möchte. Im ersten der beiden Abschnitte, 7.3, werde ich klären, wie sich die längerfristigen Trainer-Konzepte auf die Auswahl von rhetorischen Strategien und auf die Kategorisierungsleistungen sowohl der Trainer als auch der Spieler auswirken. Im vorletzten Abschnitt, 7.4, schließlich werde ich der Frage nachgehen, ob die Wahl von rhetorischen Strategien als Bearbeitung von Paradoxien professionellen Trainerhandelns zu verstehen ist. Sodann werde ich Verwendungs- und Anknüpfungskontexte für weitere Forschungen thematisieren. Doch zunächst sollen der Begriff des Trainer-Konzepts und die Materialbasis geklärt werden, auf Grund der ich die Konzepte herausgearbeitet habe. Den Konzepten Platens, Brüngers und Schleisieks, die ausführlicher dargestellt werden, werde ich außerdem einen Abschnitt über den präferierten Interaktionsstil eines weiteren Trainers vorausschicken. Bei der Darstellung der rhetorischen Strategien wurde bereits angedeutet, dass die Trainer mit ihnen taktische und moralisch-kämpferische Sachverhalte fokussieren, die thematische Bestandteile vorheriger Interaktionsereignisse waren und die den Spielern vertraut sind. In diesem abschließenden Kapitel will ich versuchen, nachzuweisen, dass Trainer längerfristige kognitive Orientierungen besitzen, die ihre Arbeit und die verbale Interaktion mit ihren Spielern prägen und durchziehen, und dass sie diese reflektieren. Die kognitive Orientierung erweist sich in Leit- und Zielvorstellungen, die auf die Ausbildung eines eigenen fußballerischen (bzw. handballerischen) Stils, einer eigenen Art der Gestaltung der sozialen Beziehung mit den Mitgliedern des Kaders 178 und einer eigenen Art der Trainingsgestaltung ausge- 178 Ähnlich das längerfristige Konzept der Vereinsführung, das Keim (1995) für den Vorstand der FC Filsbachklause rekonstruiert hat. Sein „Führungsprinzip“ sei ein menschlicher Umgang miteinander, welches Miteinander-Spaß-haben, Offenheit und Direktheit im 338 Reden und Spielen richtet sind. Diese Leit- und Zielvorstellungen sollen „fußballerisches Konzept“ (bzw. „handballerisches Konzept“), „Konzept der Spielerführung“ und „Trainingsgestaltungskonzept“ genannt werden. Gemeinsam bilden sie dann das jeweils spezifische Konzept des Trainers, das als „Trainer-Konzept“ bezeichnet werden soll. Die Konzepte verstehe ich als längerfristige Einstellungen und Vorstellungen, welche die alltägliche Arbeit mit der Mannschaft und mit dem einzelnen Spieler überspannen und die als Grundlage der Arbeit fungieren. Das fußballerische (bzw. handballerische) Konzept ist also um ein Vielfaches weiträumiger als die Spielstrategie für ein spezifisches Meisterschaftsspiel. Das Trainer-Konzept darf nicht mit dem Trainingsgestaltungskonzept verwechselt werden, da letzteres in meinem Verständnis die didaktische Art der Gestaltung des täglich wechselnden Trainingsprogramms bezeichnet. Die Konzepte sind nicht statisch, sondern dynamisch und können sich mit der Zeit wandeln. Wie bereits erwähnt (vgl. Abschnitt 4.2.1.1) ist die biografische Identität der Trainer immer auch geprägt durch ihre Sozialisation als ehemalige Seniorenspieler. Dies gilt z.T. auch für die Entwicklung eines individuellen Trainer-Konzeptes, das stark beeinflusst sein kann von eigenen biografischen Erfahrungen als Mannschaftsspieler mit Mitspielern und Trainern und deren Konzepten von Trainingsgestaltung, Spielerführung und fußballerischem (bzw. handballerischem) Stil. Bei der Darstellung der Trainer-Konzepte werde ich mich auch auf die ethnografischen Interviews stützen, in denen sich die Trainer über ihren präferierten Fußballstil (bzw. Handballstil) und ihren präferierten sozialen Stil der Spielerführung geäußert haben. Die Darstellung längerfristiger Konzepte wird dabei paradigmatisch am Trainer-Konzept von Heinrich Platen erfolgen. Dies hat zum einen darstellungstechnische Gründe, zum anderen liegt dies daran, dass die Ausführungen des ehemaligen Profispielers und -trainers über sein Konzept detaillierter und reflektierter sind als die von den Trainern Brünger und Schleisiek. Dies liegt wahrscheinlich an der spezifischen Erfahrung Platens sowie an seiner professionelleren Ausbildung als Fußballlehrer mit der höchsten Trainerlizenz im deutschen Fußball. Im Unterschied zu Platen war Brünger „nur“ Oberligaspieler und ist Inhaber eines Trainer-A-Scheins, der der Fußballlehrerlizenz nachgeordnet ist. Schleisiek war zwar selbst auch aktiver Handballer, aber nur in unteren Klassen. Bereits mit ca. 20 Jahren begann er seine Karriere als Handballtrainer. Umgang miteinander beinhalte. Führungskonzepte im Sport werden typischerweise auch in der Sportpsychologie behandelt (vgl. Lenk 1995). Ausgehend von mit standardisierten Verfahren im Rudersport erhobenen Daten wird zwischen dem „autoritären“, dem „demokratischen“ und dem „laissez-faire“-Führungsstil unterschieden. Autoritäre Trainer seien stärker aufgaben- und leistungsorientiert, demokratische eher personenorientiert. Beide Trainerstile erzielten durchschnittlich gleiche Leistungen der Rudermannschaften, nur beim „Laissez-faire-Typ“ bleibe der Leistungsstand markant am Geringsten. Wie viele sportpsychologische Darstellungen inkorporiert auch Leaks Darstellung eine normative Orientierung. Längerfristige Trainer-Konzepte 339 Mit etwas mehr Glück hätten vielleicht auch von Brünger und Schleisiek mehr Ausführungen über ihre Konzepte aufgenommen werden können. Die Feldforschung fand beim SC Schwarzberg erst im Spätherbst und Winter 1995 statt. Zu Beginn der damaligen Saison 95/ 96 hatte Schwarzbergs Trainer Brünger sein Defensivkonzept umgestellt und die Viererkette eingeführt, sie jedoch nach einigen Niederlagen bald wieder abgesetzt. Hätte zu dieser Zeit bereits die Feldforschung stattgefunden, hätten vermutlich zahlreiche Erklärungen Brüngers über sein Fußballkonzept aufgenommen werden können. Die Feldforschung beim THV Köttersen führte ich im Frühjahr 1996 durch. Der THV Köttersen hatte wegen finanzieller Schwierigkeiten erst kurz vor Saisonstart seinen Mannschaftskader - und zudem einen sehr kleinen Kader zusammenstellen können. Auf Grund dessen hatte er eine recht erfolglose Hinrunde absolviert. Die Spieler teilten mir mit, dass diese Erfolglosigkeit zu mehreren problematischen Entwicklungen geführt habe. Das wird auch an dem folgenden Protokoll eines Gesprächs mit einem Köttersener Spieler (aus Gründen der Maskierung X. genannt) deutlich: Trainer Schleisiek habe die Trainingsgestaltung vernachlässigt, die beiden Leistungsträger Gerd und Wolfgang hätten sich im Training gestritten, Wolfgang habe einen unzufriedenen Eindruck gemacht, die Mannschaftsleistung in den Meisterschaftsspielen sei kontinuierlich schwächer geworden. Nach der Niederlage in Suiderkirchen habe die Entwicklung einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Die Niederlage habe eine anschließende Krisensitzung zur Folge gehabt. Schleisiek habe kurz vor der Entlassung gestanden: Hier erzählt mir X., dass die Videoanalyse und die Vorbereitung auf den Gegner unter Ex-Trainer Walter Barrelmeier ausgezeichnet gewesen seien, bei Thomas Schleisiek sei da am Anfang jedoch „gar nichts“ gewesen. Inzwischen habe sich Thomas gebessert, bereite sich gründlicher vor und könne zum Wurfverhalten der einzelnen gegnerischen Spieler mehr sagen. Für die Torleute sei das immer ganz gut, für die Feldspieler jedoch sei das immer noch zu wenig. Auch im Training habe Thomas nicht immer die gleiche Konstanz aufgewiesen. Die Vorbereitung im Sommer sei ganz gut gewesen, nach den vielen Niederlagen jedoch habe Thomas im Training stark nachgelassen. Erst mit der Verpflichtung von Mischa habe Thomas sich gefangen und gestalte das Training jetzt wieder interessant. Ich könne froh sein, dass ich das nicht miterlebt habe, zu der Zeit hätten sich auch Gerd und Wolfgang im Training angemault. Noch nie, so X., habe er Wolfgang so unzufrieden erlebt wie in jener Zeit. Der absolute Tiefpunkt sei das Spiel in Suiderkirchen gewesen, wo man 14: 21 verloren und überhaupt keine Einstellung zum Spiel und zum Gegner gefunden habe. Nach jenem Spiel habe man sich zusammengesetzt und jeder habe seine Meinung gesagt, habe gesagt, was ihm an seinen Mitspielern missfalle und was er anders machen würde. Dann sei Mischa zur Mannschaft gestoßen. Zum ersten Mal habe er im Heimspiel gegen Schapshofen gespielt, und wenn man dies Spiel auch verloren hätte, wäre Thomas wohl entlassen worden. [Tagebuch Köttersen] 340 Reden und Spielen Lediglich die Verpflichtung eines russischen Handballprofis und sein sehr erfolgreicher Einstand verhinderten nicht nur in den Augen des zitierten Spielers X. die Entlassung des Trainers. Zum Zeitpunkt der Feldforschung hatte die Mannschaft mit Mischas Hilfe fast alle Spiele der Rückrunde gewonnen, sodass Köttersen nicht mehr auf einem Abstiegsplatz stand. Hätte die Feldforschung früher idealerweise in der kritischen Phase stattgefunden, hätten wahrscheinlich Interaktionsereignisse aufgenommen werden können, in denen Trainer und Spieler sich über das angemessene handballerische Konzept und das Trainingsgestaltungskonzept auseinander gesetzt hätten. Abgesehen vom Darstellungsniveau divergieren die Trainer-Konzepte von Platen und Brünger interessanterweise kaum. Deutliche Parallelen bestehen auch zwischen dem Spielerführungskonzept Platens und Brüngers und dem Spielerführungskonzept Schleisieks. Divergenzen zwischen den fußballerischen Konzepten und dem handballerischen Konzept sind sportartspezifisch und dürften nachvollziehbar sein. Deutlichere Unterschiede bestehen zwischen den stärker reflektierten Konzepten Platens, Schleisieks und Brüngers und dem Interaktionsstil, den Platens Vorgänger Addi Kracht im Umgang mit den Spielern von Fortuna Huke gepflegt hatte. Krachts präferierter Interaktionsstil entspricht dem Bild, das sich weite Teile der Öffentlichkeit von einem „typischen“ Fußballtrainer machen. Seine Kommentare während des Trainingsspiel am ersten Tag der Feldforschung veranlassten mich zu folgendem Eintrag im Tagebuch: Die Kommentare von Addi verdeutlichen mir, dass er dem „typischen“ Fußballtrainer entspricht, wie ihn sich die Leute immer vorstellen. Er ist der Trainer der „Scheißhausparolen“, von dem sich die beiden Trainer der von mir bereits untersuchten Vereine, Thomas Schleisiek und besonders Franz Brünger, immer distanziert haben. [Tagebuch Huke, erster Trainihgstag] Krachts präferierten Stil will ich an einem Beispiel kurz demonstrieren. Die folgende Interaktionssituation vollzieht sich im Anschluss an die deutliche Heimniederlage des Tabellenvorletzten Huke gegen den Drittletzten Birkenheim. Der Rückstand beträgt nun sechs Punkte, der Abstieg scheint nicht mehr vermeidbar. Kracht, obwohl bereits der zweite Trainer bei Huke in der Saison, muss nun umso mehr mit seiner Entlassung rechnen. Im folgenden Beispiel verarbeitet er die Niederlage auf aggressive Weise, sodass ich sowohl in Analogie als auch in Abgrenzung zu den Interaktionsstrategien der anderen Trainer seinen Redestil als „aggressives Tadeln“ bezeichnen möchte. Längerfristige Trainer-Konzepte 341 Das „aggressive Tadeln“ nach dem Spiel Unter „aggressivem Tadeln“ verstehe ich interaktive Aktivitäten des Trainers, die den Spielern Fehlverhalten zuschreiben, die aber durch die aggressive Modalität, in der sie vollzogen werden, das Beziehungsschema und die Reziprozität gefährden und die Interaktionsbasis zerstören können und das Potenzial haben, dramatische soziale Prozesse einzuleiten. Aggressives Tadeln wird erkenntlich: 1. An beleidigenden Kategorisierungen oder Charakterisierungen, die den Spielern zugewiesen werden; 2. an der Unterstellung, das Gegenüber verhalte sich bewusst und gerichtet deviant, um den Sprecher persönlich zu treffen; 3. an einem massivst forcierenden, Höflichkeitsregeln außer Acht lassenden Interaktionsverhalten; 4. an Androhungen der möglichen Beendigung der Interaktionsbeziehung; 5. am aggressiven, fast „brüllenden“ Tonfall; 6. an der massiven Akzentuierung und den fast immer mit Grenzton endenden Äußerungen; 7. an der „Monologisierung“ der Interaktion; 8. an langen „gefährlichen“ Pausen etc., in denen die Angesprochenen es vermeiden, den Turn zu übernehmen. Im folgenden Beispiel kommen sprachbegleitende Aktionen körperlicher Gewaltanwendung hinzu. Da das interaktionsbedrohende Potenzial des aggressiven Tadelns klar sein dürfte und hier nicht der Raum ist, um näher auf diesen Stil einzugehen, präsentiere ich nur einen kleinen Ausschnitt aus der insgesamt 60-minütigen Krisensitzung, die Kracht im Wesentlichen monologisch gestaltet: 044 Kracht: 045 046 KK: 047 048 049 gesehnf *8* dass ihr kein steiln kricht hier auf der prflschef *4* kei’n lebn drinf * alles kommt hie"r so reinf * drei“ leute wechselste einf * je"da konnte mir von den drein den arsch zeignf * warum habt ihr # dal # nicht gemachtf * zei“cht mir mal den arsch hierf # KRACHT HAUT ZUM ZWEITEN MAL AUF DIE EISBOX # * dass ich was falsch gemacht habf *3* will doch ma se"hn ich will doch au"ch ma aus sena ll nndagerissn werdnl * von den schreiberlingnf * dass ich wa“s gemacht habe! *4* >tu die pisskiste hier weg sons- * is die gleich gevie“rteilt duf Komm.: EISBOX WIRD VON DER MASSAGEBANK GENOMMEN UND WEGGESTELLT 19-SEKÜNDIGE PAUSE 050 Kracht: 051 052 053 doch glaubt mir eins jungsf * * ich zie'h dat durch hierf * könnt=er mir glau"bnf * ich hab mir grade zehn Sekunden wieda mit=n robert untahaltn-I * so" schnell werdet ihr mi nich losf * aba n=paa''r~ * dat könnt ihr mir glau'tinf * die rasie’r ich hier- * o“hne schau“m4- ** dat könnt ihr mir glau'bmf * un dal muss wahrscheinlich ma passie'rnf [H-8] Ob es sich in diesem Fall bei der Verwendung grober sexueller und beleidigender Ausdrücke und massivster Drohungen um ein gesteuertes intentionales Verhalten Krachts handelt oder ob er sich durch die Dramatik der Niederlage hat fortreißen lassen und quasi „ausrastet“, kann an dieser Stelle nicht eindeutig beantwortet werden. So ist denkbar, dass Kracht eine rhetorische Strategie anwendet, die weniger scharf zu fassen ist und/ oder die er sich 342 Reden und Spielen durch ständiges, weitgehend unreflektiertes Anwenden angewöhnt hat. 179 Darauf lässt sowohl das Verhalten Krachts an den sonstigen Trainingstagen und während des Meisterschaftsspiels schließen als auch die Gesamtanlage der ca. 60-minütigen Krisensitzung. Nachdem Kracht die Spieler ca. zehn Minuten lang aggressiv getadelt und auf derbe Weise zurechtgewiesen hat, 180 richtet sich sein Bemühen allmählich darauf, herauszubekommen, was zu verändern sei, um endlich wieder Erfolg zu haben: junx wo müssn wa=n hebel ansetzni (H-8, Z. 112). Zunehmend schreibt er seinen Spielern positive Eigenschaften zu: so ne truppe wie ich je “tz hab~ * hab ich mir als traina i“mma gewünschti *2* wi“rklich das is wahrl- *2* <^eine u“nkomplizierte wi“llige flei'ßige truppei * —rwat ha“b ich schon für ra“tten trainierti *3* ri“chtige ra“tten-l *10* das stimmt-l *2* nur der erfolg nichi (H-8, Z. 339- 341). Am Verlauf der Gesamttranskription des Interaktionsereignisses ist eine ähnliche rhetorische Struktur des „Erst-Tadeln-Dann-Aufrichtens“ ablesbar, wie sie Trainer Platen in der Halbzeitpause bei einem markanten Rückstand angewandt hatte. Allerdings ist Krachts Darstellungsweise unvergleichlich drastischer als Platens. Das Risiko beim aggressiven Tadeln, wie Kracht es anwendet, ist, dass die Spieler diesen Stil nicht ratifizieren, dass sie die Interaktionsbeziehung abbrechen oder zumindest implizit suspendieren und dass sie die Freiwilligkeit und Freude, an der Problembearbeitung mitzuwirken, verlieren. So wie folgender Spieler, der unter Kracht trainierte: 973 974 975 976 977 978 979 980 981 Spieler: ja man muss * oda man muss sich einfach bemühn ich hatte dem/ ich hatte zum beispie! äh auch äh * so in der zeit bei addi auch=n klein durchhänga gehabt wo ich * absolut * zu hause zu meina frau gesacht * ich glaub ich schmeiß die Sache hin ich mach dat nich mehr weita ich hab keine lust mehr * weil diese ganze Sache * mir dermalen gegn den strich ging wie er sich vahalten hatte ne * jetz mittlaweile habe ich wieda so=n spass am fussball gefunden * dadurch dass du ja auch äh jetz äh * wieda ein * total anderen * traina hass der total anders eingestellt is auf die ganze Sache ne * und schon macht dir das * fussball spieln wieda mehr spass weil du genau weiß so jetz Eine erfolgreiche Gegenstrategie der Spieler gegen das aggressive Tadeln ist das „Sich-Taub-Stellen“ bzw. das „Ohren-auf-Durchzug-Stellen“. Das verdeutlicht auch folgendes Beispiel aus einem Interview mit einem Huker Spieler: da hab ich nich hi“ngehörtl also das das- * also so “was geht bei mir re “chts rein- * und li “nks rausi 179 Das Kallmeyer-Schmittsche Konzept der rhetorischen Strategie geht nicht nur von eindeutigen intentionalen Strategien, sondern auch von unklareren, weniger intentionalen Strategien aus. 180 Diese verbale Aktivität wird in den Welten des Fußballs auch als „Spieler-Zusammenfalten“, als „Absauen“ oder als „Zusammenscheißen“ bezeichnet. Längerfristige Trainer-Konzepte 343 In den Augen der meisten Spieler und auch einiger Vereinsfunktionäre ist der präferierte Interaktionsstil von Kracht Ausdruck von Devianz. Sie bezeichnen Addi als „Choleriker“ und als suchtgefährdet. Taktisch habe er nicht viel sagen können. Kracht habe zwar von anderen Trainern Informationen über den Gegner und sogar Tipps für die eigene Aufstellung eingeholt, aber groß taktisch hat der uns nicht eingestellt wie der Heinrich (Platen). Die folgende Beschreibung des Interaktionsstils Addis stammt von einem der Huker Vereinsverantwortlichen. Am Tag zuvor haben sich Fortuna und Kracht getrennt, nachdem die Mannschaft im fünften Spiel unter Krachts Leitung die vierte Niederlage hat hinnehmen müssen. Nun sitzen die Spieler und einige Funktionäre im Vereinsheim bei einem Getränk zusammen. Einer der Funktionäre beginnt, die kurze Zeit unter Addi Krachts Leitung aufzuarbeiten, und beschreibt ihn als zwischen zwei Polen hin- und hergerissenen Menschen: Aber wenn man Addi zu nehmen wisse, diesen etwas grobschlächtigen und aufbrausenden Menschen, und nicht jedes Wort auf die Goldwaage lege, dann könne man mit ihm ganz gut auskommen. Die Anwesenden kennten ja alle „seine Fachausdrücke: ‘Ich reiß dir die Eier ab’. Und im nächsten Moment will er dir die Brust 181 geben, so lieb hat er dich.“ [Tagebuch Huke] Krachts Interaktionsstil wird von den wenigsten Spielern positiv bewertet (diese charakterisieren ihn dann z.B. als einen, der die Sprüche reinhaut da war der addi genau der- * der richtige typl * dass der die Jungs mal zusammenscheißt oder oder sacht wo: wo=s langgeht, vgl. den Abschnitt 5.4.2). Die meisten Spieler lehnen diesen Stil jedoch ab. Meine Feldbeobachtungen in den drei untersuchten Vereinen lassen den Schluss zu, dass Krachts Interaktionsverhalten eher untypisch für Trainer ist. 182 Die drei anderen beobachteten Trainer definierten sich und ihren Stil gerade im Kontrast zu einem Interaktionsstil, wie ihn Kracht präferierte. Sie bezeichneten einen solchen Stil zum Teil als unter Niveau und typisch für Trainer in den unteren Spielklassen, zum Teil als Stil vergangener Zeiten. Auch wenn Spieler und Vereinsfunktionäre Kracht als leicht aufbrausenden, sich ständig in drastischer Weise ab- und zuwendenden Menschen darstellen und wenn sie einige Zweifel daran äußern, dass Kracht sein Verhalten kontrollieren könne, so bedeutet dies aber nicht, dass Sprecher das aggressive Tadeln nicht doch gezielt als rhetorische Strategie anwenden können. Dass Addi unkontrolliert zum aggressiven Tadeln greift, ist für die meisten Spieler und Funktionäre an drei Merkmalen erkennbar: Erstens daran, dass Kracht 181 Da das Aufnahmegerät defekt war, was ich erst nachträglich feststellte, muss ich für dieses Ereignis auf den Tagebucheintrag zurückgreifen. 182 Dieser Schluss beruht auf den empirischen Beobachtungen in den drei untersuchten Vereinen. Kritisch könnte eingewandt werden, dass dieses Ergebnis nicht repräsentativ sein kann, weil sich vermutlich von vornherein nur kooperativ eingestellte Trainer mit einem weniger exponierten sozialen Stil von einem Fremden beobachten lassen. 344 Reden und Spielen die Spieler über einen sehr langen Zeitraum in der unmittelbar laufenden Interaktion massiv und aggressiv tadelt, zweitens daran, dass er in vielen verschiedenen Situationen und kurz hintereinander die Spieler massiv tadelt, und drittens daran, dass Addi in ihren Augen keine rhetorischen Zwischenstufen kennt zwischen den beiden Polen des Zuwendens und des aggressiven Tadelns: Entweder „reißt er dir die Eier ab“ oder „gibt dir die Brust“. 7.1 Fußballerische Konzepte bzw. handballerisches Konzept 7.1.1 Das fußballerische Konzept „ökonomisches Dominieren“ Heinrich Platens fußballerisches Konzept resultiert aus eigenen Erfahrungen, die er in seiner Profizeit gemacht hat. Bereits in seiner ersten Profistation in Dortmund habe sich * in dieser phase mit * bewusst etwas entwickelt * was ich auch dann * später * so übernomm hab. Platen referiert an dieser Stelle auf einen zentralen Aspekt seines fußballerischen Konzepts: Auf das Positionstauschen mit dem Mitspieler. Dieses von ihm bezeichnete Wechselspiel, das er als damaliger Vorstopper mit seinem Libero etabliert hatte, ermöglichte es ihm, als Defensivspieler auch in die offensiveren Positionen vorzurücken. Dieser Positionstausch entwickelte sich dann vollends in seiner zweiten Profistation bei einem Regionalligaverein 183 mit einem anderen Libero. Platen beschreibt dieses Wechselspiel wie folgt: 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 Platen: regionalliga wir ham da * wenn die heute * von=ner viererkette sprechen oder * sonst wat dat ham wir in dieser klasse * ohne libero gespielt * etatmäßiger libero war * fuchs * platen war Vorstopper da gab et nur ein * vorstopper weil man mit außen gespielt hat * äh kischlovsky * trahbent ham * gedeckt hinten * hatten da * gute fußballer * äh im mittelfeld ' aber * äh * einer war immer vorne von uns * also et gab nich * die absicherung selten die absicherung * sonnern * der fuchs war auch * n=verrückter der wollte auch immer na vorne wollte immer wat machen * un * im * Stadion am zoo gab et nix anderes wie * nach vorne da gab et nach hinten gab et nich sonnern nur nach vorne * und ** so hat sich dat entwickelt der * entweder war er ne halbe stunde vorne * un wenn=er kaputt war * dann war ich ne halbe stunde vorne also * wir ham in diesen zwei jahrn jeweils über * hundert tore geschossen * un im [H-45, ohne prosodische Markierung] Die persönliche Begründung, dieses Wechselspiel zu einem Bestandteil seines fußballerischen Konzepts gemacht zu haben, hegt in Platens Präferenz für l8j Die Fußballregionalliga war damals, als Platen noch als Spieler aktiv war, die zweithöchste Spielklasse in Deutschland. Sie wurde 1974 aufgelöst. An ihre Stelle trat die zweite Bundesliga. Erst 1995 wurde die Regionalliga, dann jedoch als dritthöchste Spielklasse, wieder eingeführt. Längerfristige Trainer-Konzepte 345 einen offensiven Fußballstil. Der offensive Geist drückt sich in Fremdkategorisierungen des Mitspielers Fuchs wie auch n=verrückter aus oder in Charakterisierungen wie der wollte auch immer na vorne wollte immer wat machen. Platen verweist mit dem auch als koordinierender Partikel auf sich selbst (auch n=verrückter ist durch die eindeutige Betonung Platens zu lesen als „ein Verrückter wie ich“; die Äußerung ist in diesem Falle nicht als Markierung eines zusätzlichen charakteristischen Merkmals des Mitspielers zu lesen). Platen war eigentlich Offensivspieler, bevor er von seinen Trainern immer weiter auf defensivere Positionen gestellt wurde, was zwangsläufig bedeutete, dass er defensivere Handlungsverpflichtungen zu erfüllen hatte als zuvor. Das gemeinsame Wechselspiel mit dem Libero diente Platen dazu, seine ursprünglichen offensiven Aktivitäten nun modifiziert und abgestimmt mit seinem ebenfalls defensiven Mitspieler Fuchs weiterhin ausführen zu können. Den Stellenwert und die Effektivität des Wechselspiels markiert Platen sowohl mit der einleitenden Äußerung wenn die heute * von=ner viererkette sprechen oder * sonst wat dat ham wir in dieser Masse [Regionalliga, M.S.] * ohne Utero gespielt, mit der Platen auf die Fortschrittlichkeit und Modernität seines Spielsystems verweist, und mit der zusammenfassenden Äußerung also wir ham in diesen zwei jahrn jeweils über * hundert tore geschossen, die bereits auf eine Dominanz gegenüber den anderen Mannschaften in der Spielklasse hinweist. Des Weiteren erreichte Platen als Spieler in dieser Mannschaft zweimal hintereinander die Aufstiegsrunde zur Fußballbundesliga. Im zweiten Jahr stieg die Mannschaft auch tatsächlich auf. Das fußballerische Konzept von Platen ist also ein Offensivkonzept, das den Gegner permanent dominieren soll. Auf der sprachlichen Oberfläche ist dies daran abzulesen, dass Platen den Tabellenvorletzten Huke selbst bei dem Auswärtsspiel beim Tabellendritten Knüste zum Angreifen anspornt, und die Spieler nicht nur zum Verteidigen animiert: 115 Platen: 116 117 118 119 120 121 122 123 * wi'chtig is dass wir sofo'rt- * eben halt- * <se*lbst~ * das spiel- * ma"chenf * selbst-! * ni'cht nur einfach a’bwehrn sondern- * selbst- * mil unsere mö"glichkeiten~ * au“s der abwehr raus zu spielen o“der~ * halt den ball schnell- * i"ns~ * miltelfeld da" wo- * schu'lli to'mmy oder- * je’ns- * zum spielen komm- * und von da" aus schnell in die spilze spieln-l weil- * umso schneller die'ses geht da rei“n und nach vo"rne~ * umso e’her haben wir die gele'genheit- * uns wie'der zu orientie'ren- ** und äh- *1,5* uns zu stelln- * sodass wir- *1,5* je'der * zei"t in der la'ge sind ->die situatio“n zu erke'nn und darau's letzenendes au"ch~<- * uns vo"rteile zu erspieln-1 * wichtig [H-49A, letztes Absprechen vor dem Anpfiff] Platens Zielorientierung, markiert durch den Relevanzausdruck wichtig, durch mehrfache Wiederholung des selbstreferenziellen Ausdruckes se “Ibst, durch die explizite Aufforderung zu einer initiativen Handlung (spielen) sowie durch das Verbot von nur reaktiven Handlungen, lautet : se'jbst- * das spiel ma"cheni * se“lbsti * ni“cht nur einfach a“bwehrn. Dieses überlegt- 346 Reden und Spielen konzentrierte und schnelle Aufbauspiel (im Unterschied zum planlosen Wegschlagen des Balles) hat den Nutzen, Zeit zu gewinnen, um sich in der Defensive zu orientieren und zu stelln, sodass die Angriffszüge des Gegners (die situation) schnell erkannt und durchkreuzt werden können. Auf Grund der Vorstellung, dass der Offensivdruck das ganze Spiel über andauern soll, verlangt das Dominieren des Gegners eine ökonomische Verteilung der Lasten auf die Schultern aller Feldspieler. Das fußballerische Konzept lässt sich daher als Konzept des „ökonomischen Dominierens“ bezeichnen und umfasst vier konstitutive Aspekte: 1. ständiges Besetzthalten der zehn Feldpositionen; 2. freie Positionswahl der Feldspieler; 3. mannschaftsorientiertes Interagieren; 4. spektakuläres Individualspiel. Der Spielertyp, den Platen für sein Konzept präferiert, ist der vielseitig geschulte, mehrere Positionen ausfüllende Spieler. Zu 1.: Platen arbeitet für jedes Spiel ein in seinen Augen möglicherweise erfolgreiches Aufstellungsschema aus. Jedem Feldspieler wird eine Position in dem Schema zugewiesen. Das Schema ist nicht als statischer Block mit abgezirkelten Abmessungen zu verstehen, sondern eher als flexibles Netz mit zehn Knoten. Das heißt, dass das Netz sich auch auf der Spielfläche verschieben und sich zusammenziehen kann. Wichtig ist Platen jedoch, dass das Netz seine stabile und zugleich flexible Grundform nicht verliert, dass alle Knoten im Netz erhalten, also alle Positionen besetzt bleiben. Platen unterteilt die Aufstellung des Weiteren in Gruppen. Diese Gruppeneinteilung ist ebenfalls in gewisser Weise flexibel: Für das eine Meisterschaftsspiel kann eine Gruppe die Manndecker, den Libero und den zentralen defensiven Mittelfeldspieler umfassen, die zweite Gruppe die linke Mittelfeld- und die linke Angriffsseite, die dritte Gruppe die rechte Mittelfeld- und die rechte Angriffsseite. Für ein anderes Spiel, bspw. das Spiel gegen Knüste, hat Platen ein Schema entworfen, in dem jeweils zwei Spieler paare auf der Seite bilden: Eine Gruppe auf der rechten Defensivseite, eine Gruppe auf der linken Defensivseite, die dritte Gruppe besetzt die Mitte der Spielfläche; Libero Peter nimmt die freie Rolle in der Defensive zwischen den beiden äußeren Paargruppen ein. Die Referenz auf diesen Aspekt seines fußballerischen Konzepts ist auf der sprachlichen Oberfläche an bestimmten Lexemen wie dem Positionen besetzen abzulesen oder am stellen (= der Torwart und der Libero weisen jedem Mitspieler eine Position zu, sodass alle Positionen besetzt sind). Sie ist auch thematisch zu erkennen, wenn Platen das Einnehmen von Positionen und das Organisieren der Abwehr aus der Perspektive des letzten Spielers (dies können der Torwart, der Libero, aber auch der zentrale Defensivspieler im Mittelfeld sein) anspricht. So fordert Platen in der Mannschaftssitzung z.B. das reinrücken in die Mitte des Spielfeldes jener Mannschaftsseite, über die der gegnerische Angriff nicht läuft. Das heißt, dass das Netz sich auf die eine Seite des Spielfeldes schiebt, ohne dass die Knoten aufgeknüpft würden: Längerfristige Trainer-Konzepte 347 028 Platen: * pe“ter~ *2,5* -»orientie'rt sich i“mmer zu der seile wo der Angriff- *1,5* läu"ft~ 029 is no/ normalganz kla’r- * aber die a''ndre seile muss i“mmer na/ i''mmer 030 rei"nrücken4< ** ne dat sie"ht jetz so au"s als ob die nu"r mit ei'ner spilze spieln [H-48B1] Wenig später erklärt Platen beispielsweise, wie sich ein offensiver zentraler Mittelfeldspieler bewegen soll, wenn Fortuna in Ballbesitz ist und die Möglichkeit zum Angriff hat. Seine kompliziert anmutende Erklärung (siehe das folgende Beispiel; auf die Beschreibung der Spielzüge, die Platen sprachbegleitend auf der Tafel darstellt, wird hier verzichtet) zielt darauf ab, dass der Mittelfeldspieler nicht ganz auf eine Angriffsseite rutschen soll, sondern halb nur rein (Z. 056). Um im Bild des Netzes zu bleiben: Das Netz soll so geknüpft sein, das sich mit ihm schnell verschiedene Spielkonstellationen in der Offensive einnehmen und in der Defensive schnell verschiedene Bereiche des Fußballfeldes abdecken lassen. Rutscht der Spieler ganz in den Bereich des Spielfeldes hinein, ist das Netz zu ungleichmäßig geknüpft: Die Maschen zu den Mitspielern in der Mitte sind zu eng, die Masche zu dem Außenspieler ist aber zu weit, sodass der Angriffszug der eigenen Mannschaft, der über die Außenposition läuft, an der mangelnden Unterstützung zwangsläufig scheitern muss. Rutscht der Spieler aber nur teilweise in den Bereich, hat er die Möglichkeit, schnell zurückzuweichen und seinem Mitspieler als zusätzliche Anspielstation zu dienen. Außerdem böte sich dem Gegner, wenn er in Ballbesitz ist, bei einem zu ungleichmäßig geknüpften Netz schnell die Möglichkeit, durch die zu große Masche im Netz zu schlüpfen. 047 048 049 050 051 052 053 054 055 056 057 058 Platen: wenn wir hie'r in ballbesitz sind- * hie“r rein >kannf * <nu“r ihr mü’sst so=n bi'sschen- * im rü'cken kiTckenf *1,5* wenn hie"r ein lo“ch isf * un der kann na'chrücken- * dann äh rü"ck ich rei’ni * aber nich ga"nz rei“n sonnan- * nur hie"r so teil- ** um- * noch ma zurü'ckzugehnf ** ja dann * hier is ein lo'ch- * ->da hat der die mö’glichkeit entweda hie“r rei"nzuspieln~<- * den hier mi'tzunehm * aber we“nn der nich ko"mmt~ * kann ich aber wieda zurü“ck~ * u“m~ * ->da" angespielt zu werdnf un den pa“ss<wirklich de"n pass auch aulzunehmf * jat ->dat is wi'chtich4-<- ** net wenn ich wenn ich ga"nz~ * dann blei“bt ihm nu"r dieser eine pa'ss wenn de"r nich mi'tkommtf * also mu"ss ich- * halb nur refn- * um de"n hier au“fzunehm~ * o“der wieder zurü"ck~ * we'nn er nich ko“mmt~ * um hie“r reinzugehnf *2,5* dat si“nd so- * vom vom * da’s was wi"r wollnf * un da“s was wi"r~ * uns au‘'ch so- * was- * au'fzunehm isf [H-48B1] Zu 2.: Der zweite Punkt seines fußballerischen Konzepts ist, dass jeder Spieler frei ist, jede Position im Schema einzunehmen so lange gewährleistet ist, dass trotzdem alle Positionen besetzt bleiben. Ein Nutzen dieser Möglichkeit zum Positionswechsel ist die ständige Bewegung. Die wiederum sorgt dafür, dass die Mannschaft für den Gegner schwer ausrechenbar ist und ihn mit immer neuen Konstellationen überrascht. Der zweite Nutzen ist die Ökonomi- 348 Reden und Spielen sierung der Kräfte. Wer sich mit ins Angriffsspiel eingeschaltet hat, muss nicht sofort wieder den Weg zurück auf seine alte Position finden, sondern sucht die ihm nächste Position auf. Dies bewirkt ein Verschieben der Mitspieler und die Übernahme der Aufgabe des Partners. Lexikalisch verweist Platen auf diesen Aspekt vor allem mit dem Ausdruck übernehmen. In seiner ersten Mannschaftssitzung als Trainer hatte Platen seinen Spielern diesen Aspekt des Konzeptes wie folgt erklärt (auf die Erklärung der Spielzüge, die Platen sprachbegleitend auf der Tafel darstellt, wird hier verzichtet): 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 Platen: ich hab ja deshalb- * weis ich da imma wieda drauf hin- * äh bestimmte Sachen bestimmte position- * von jemand andas zu übanehmf * ich will dat jetz nich- ** äh zu“vie'l machend * sonnan das muss so- * muss wa’chsenf * wie ich draußn gesacht habe- * hier mit dem- * übanehm- * hier mit dem- * peter und dem björn- * wenn der- ** demmi hier bei is~ * un ich bin frei“-* dann vasuch ich hier hinten-* den letzten mann zu spieln- * un der übanimmt dent- * das sind aufgabn- * die-* zwischen dies/ i"n diesen gruppen- * ganz einfach- * äh reibungslos- * gespielt werden müssent- ** jaf wenn der weg is hier- * mal weg is~* im zusammenspiel- * mit dem hier- * oda wenn a weita nach vorne is~ * dann geht hier keina- * mehr wegf * sonnan da wird dann- * nur noch- * zum mann hingehn- * abgesichatt- * vielleicht- * wenn der gä'nz weg muss- * und hie"r is eina freit- * oda hier is eina frei- * dann möcht ich- * dass der- * letzta mann ist- ** jaf * während-’ de“r hier dann- * im mittelfeld wieda absichatt- * also praktisch die aufgabe- * von dem übanimmt der hier hin ist- ** dat sind so- * ganz- * grob Sachen- * die auch normalaweise- * äh wenn ich die jetz so sage- ** äh einleuchtend sein mü"ssen~ * [H-26A] Die Verweise auf diesen Aspekt des Konzepts sind zahlreich und auch in den bereits analysierten Mannschaftssitzungen und Einzelgesprächen aufgetaucht z.B. bei der Analyse der rhetorischen Strategie des Instruierens (vgl. den Abschnitt 6.7.1.2). In dieser Sitzung hatte Platen mehrfach das übernehmen angesprochen und den Positionstausch plausibilisiert: aba wenn ich den ku'rzn weg hier rei “nlaufef * dann ka“nn ich- * wie“der a“bwehrni kann ich de “n hier überne “hmX *ja\. Zu 3.: Das Besetzthalten aller Feldpositionen bei gleichzeitiger freier Positionswahl erfolgt mit Hilfe des permanenten Stehens der Mannschaft durch den Torwart und durch den jeweils letzten Spieler in der Defensive und auch dadurch, dass die verteilten Aufgaben von den Mitspielern selbstverständlich übernommen werden, wenn die Situation es verlangt. Dies erfordert, dass die Spieler während des Spiels in besonderem Maße stark aufeinander achten und sich untereinander absprechen, also mannschaftsorientiert interagieren. Die Anforderung der mannschaftsorientierten Interaktion speist sich aus Platens Erfahrung. Im ethnografischen Interview hatte er dies wie folgt zusammengefasst: dat schlimmste is wenn wenn ne mannschaft tot is wenn keiner wat sachti [H-45]. Die Referenzen auf diesen Punkt des Konzeptes erweisen sich bspw. in den lexikalischen Ausdrücken sprechen, a “nsprechen, miteinander Längerfristige Trainer-Konzepte 349 reden und, wie im folgenden Beispiel beim letzten Absprechen kurz vor dem Anpfiff, das au“fnehm~ * macheni ** >au“fnehm~ * ma“chenl: 123 Platen: 124 125 126 127 128 erke'nn und darau's letzenendes au“ch~<- * uns vo'rteile zu erspielnt- * wichtig i'st~ * leute das muss ich i" mmer wieder sa'gen das miteinander re“den-t ** a"nsprechen! * und da gi"bt et auch kein- * ko"pfschütteln oder so'nst was sondern- * wi"chtig is ** aulnehm- * ma“chen! **>au"fnehm~ * ma“chen! < ein a'nder mal is der a’ndere dra'n um wat zu sa“gen~ * und dann bin i"ch derjenige de‘'r~ ** aulnimmt u"nd ma“cht! *4* nef anso"nsten mit sehr viel [H-49A, letztes Absprechen] Wie dieses Beispiel zeigt, versteht Platen das „Ansprechen“ und das „Aufnehmen und Machen“ als Erst- und Zweithandlung eines paarigen Aktivitätskomplexes. In Analogie zum konversationsanalytischen Konzept der konditionalen Relevanz handelt sich es sich hier um eine zweiteilige Sequenz, die aus „Aufforderung“ und „Ausführung“ besteht. Die konditionale Relevanz, die aus der Aufforderung folgt der Mitspieler fordert mich zu einer Aktivität auf und ich führe sie aus -, ist nicht unproblematisch, da sie die Handlungsautonomie des Spielers durch die auffordernde Handlung des Mitspielers bestreitet. Dadurch wird auch die soziale Identität des autarken Spielers bedroht. Platen relativiert die Bedrohung durch den Hinweis auf den Umstand, dass durch die freie Positionswahl jeder Spieler einmal in die Rolle des Anweisenden und des Angewiesenen hineinschlüpfen kann, dass die Positionswahl also Aushandlungssache ist. Für Platen gilt dabei die Maxime, dass der Anweisende seinen Mitspieler nur positiv [H-45] aufmerksam macht. Demotivierende, beleidigende oder gar körperliche Angriffe auf den Mitspieler, wie sie in der Bundesliga zwischen einem Torwart und seinem Mitspieler vorkamen, hält Platen im ethnografischen Interview für deplatziert: da kann ich noch so viel- ** ehrgeiz ham un noch so viel macht- * dann- * geh ich nich da hin un un stoß den da durch den sechzehner-l * sonnern dann sach ich ihn zwar ma wat- * aber ich schupp den da nich durch den sechzehnerX * ne * aufmerksamkeit heißt eimal positiv- * un auffehler aufmerksam machend [H-45, Z. 1010-1020, vgl. auch den in Abschnitt 5.2.3.3 präsentierten Transkriptausschnitt], Zum mannschaftsorientierten Interagieren gehören selbstverständlich auch praktische fußballerische Handlungen: Die Perspektivenübernahme und die Übernahme der Aufgabe des Mitspielers (vgl. den Abschnitt 6.7.1.2) sowie mannschaftsdienliche Beiträge zur Spielinteraktion. Zu 4.: Platens fußballerisches Konzept enthält auch eine ästhetische künstlerische Komponente. Für ihn ist es wichtig, sich selbst als Spielendem und dem Zuschauer eine Freude zu bereiten, indem der Spieler Überraschendes, Spektakuläres wagt. Wie bei der freien Positionswahl, so wurzelt auch die 350 Reden und Spielen ästhetische Komponente in der biografischen Identität Platens, wie er im Interview darlegt: 673 674 675 676 677 678 679 680 681 Platen: Weil ich äh- * s/ s/ so=n bisschen- * künstler bin! - * künstler also- * wenn ich Auf=fem platz bin- * dann will ich- * für mich- * selbst wenn ich spiele n=bisschen kirnst dabeildann * is=et nich dat dat renn alleine sonnern- * äh mal irgendwat besonderes von dem ma sa/ * wenn ma=n Zuschauer dabei/ * # boo“h4- * da is wat passie'dl'# * * und äh- * das erwarte KK: / / IMITIERT ERSTAUNTE REAKTION DES ZUSCHAUERS# ich dann- * n=bisschen auch von den Spielern dass=er da irgendwat macht was- * die Zuschauer überrascht-I * wenn ich dahinkomme dann äh- * denk ich dass ich- * nich für die mannschaft sonnern für den der draußen zuschaut- * etwas erreicht hab-I * und äh * wenn so das so * [H-45] Dieser Aspekt kollidiert nicht mit dem gerade thematisierten Aspekt des mannschaftsdienlichen Interagierens. Die Anforderung, fußballkünstlerische Aktionen zu wagen, ist eine hinreichende Bedingung an den Spieler, keine notwendige Bedingung, und sie ist dem mannschaftsdienlichen Spiel untergeordnet. Wie Platen im ethnografischen Interview erläutert, habe selbst Stan Libuda, der als einer der technisch versiertesten und dribbelstärksten Spieler des deutschen Fußballs und als „Künstler“ gilt, die wesentlich mit seiner Position verbundene Aufgabe im Sinne der Mannschaft erfüllt: nich nur- * für sich spieln- * das is dat wichtichste dabei nich nur für sich spielni * sonnern immer- * äh- * dieses- * im sinne der mannschaft nochl * dann * halt ich dat für in ordnung-l * nich den alleinunterhalteri weil- * selbs der— * stan libuda war=n alleinunterhalteri * hat trotzdem geflankt (H-45, Z. 710- 715). Nur der Zuschauer oder der Gegenspieler soll durch spektakuläre Tricks überrascht werden, nicht der Mitspieler. Denn während der Zuschauer nur auf den Ball fixiert sei, gelte es für den Spieler und den Trainer, alles, was auf dem Spielfeld geschehe, zu sehen und zu registrieren, um schnell und angemessen reagieren zu können. 7.1.2 Das fußballerische Konzept „Grundordnung in der Defensive, Wechselspiel in der Offensive“ Das fußballerische Konzept von Franz Brünger nimmt sich in den Transkripten nicht dergestalt differenziert und flexibel aus. Dies liegt (s.o.) auch daran, dass Brünger nach dem erfolglosen Versuch mit der Viererkette und dem missglückten Saisonstart nun die alte defensivere Orientierung reetabliert hat. Im Wesentlichen besteht das fußballerische Konzept aus der Verbindung eines Defensivkonzeptes mit einem modifizierten Offensivkonzept. Im Kleingruppengespräch im Anschluss an eine Mannschaftssitzung mit den beiden Führungsspielern und Leistungsträgern Tim und Torsten bespricht er das Längerfristige Trainer-Konzepte 351 neue Defensivkonzept: ich mö‘‘chte krade [...] wenn wir ko“nterfußball spieleni * ziemlich kompa“kt hier hinten dri“n steheni * der li“bero hi“nter den bei"den ma"nndeckern spielti [SCH-13B]. Angesichts des letzten Tabellenplatzes und des drohenden Abstiegs fordert Brünger, sich eines spielerisch anspruchsvollen, aber auch riskanten Spielsystems zu enthalten, wenn der Gegner in Ballbesitz sei und angreife. Dieses Defensivsystem bezeichnet Brünger als „Grundordnung“: wir müsen also ni"t a“nfang~ * sach mal spie"Itaktische wu"nderdinge zu vollbring- * wenn der ge"gner am trü"cken is-l da müss mer kucken dass mer unsere kru“ndordnung haltenl [SCH-13B], Diese Bezeichnung macht nun auch verständlich, warum Trainer Brünger in der Vorbesprechung auf das Meisterschaftsspiel gegen Grobach so aufwändig die Spielweise der Haasener Mannschaft beschrieben hatte. Mit der dort auf Haasen referierenden Charakterisierung kru“ndordnungi kompa"kt hi"nten dri"ni * bea"rbeiden soba“ld der ge“gner über de mi“ddellinie kommt-l * un dann te“mpospiel nach vo“rne\' [SCH-19, Z. 054-055 u. Abschnitt 6.7.1.1] konnte Brünger auf einfache Weise an das Spielsystem, das ebenso für seine eigene Mannschaft gelten soll, erinnern und auf eine Subkomponente des Aufgabenkomplexes, die Darstellung der eigenen Spielstrategie, vorausdeuten. Der praktische Grund für diese Defensiveinstellung, erklärt Brünger gegenüber Tim und Torsten, liege darin, dass man so Gegentore verhindern könne, dass man so=n * zu nu“lleffekt da"durch erzielnl könne [SCH-13B], Für die Offensive hat sich Brünger nun eine neue Systemvariante ausgedacht, die er im Kleingruppengespräch mit den beiden Leistungsträgern erklärt und deren Ratifizierung er sich von ihnen erhofft. Diese Systemvariante nennt Brünger „Wechselspiel“. Sie hat Ähnlichkeit mit dem zweiten Aspekt des fußballerischen Konzeptes „ökonomisches Dominieren“ von Platen: der freien Positionswahl. Allerdings bleibt das Wechselspiel nur auf Tim und Torsten, den Libero und den zentralen defensiven Mittelfeldspieler vor der Abwehr beschränkt und gilt nicht für die Mitspieler. Als Motiv, diese Modifikation einzuführen, nennt Brünger, dass das bisher angewandte Spielsystem den Gegner nicht vor große Probleme stelle: anso“nsten sim=mer ei“nfach zu schema "tischt zu “ sehr au "szurechnen-l [SCH-13B]. Das Wechselspiel auf der entscheidenden Position für den Spielaufbau resultiert wie bei Platen aus der eigenen Erfahrung Brüngers als Seniorenspieler. Mit einem seiner langjährigen Mitspieler hatte er dieses Spielsystem selbst angewandt. Das Wechselspiel in der Offensive habe den praktischen Nutzen der größeren Flexibilität und Dominanz im Mittelfeld, und es verunsichere den Gegner: ich mö"chte also bei uns im zentra“len mi"ttelfeldi insgesamt mehr tru“ck und mehr lau'ffreude reinbringen^ [...] ich de“nk ma das kö“nnte auch so=n bisschen zu"kunftsmusik seinl * das wi"rd beso"nders~ 352 Reden und Spielen * bei u“ns gegen gro“bach auch gefordert seini [...] weil ich wi“ll die einfach me‘‘hr veru“nsichern-l [SCH-13B]. 7.1.3 Das handballerische Konzept von Trainer Schleisiek Vorweg einige Bemerkungen zu den sportartspezifischen Unterschieden zwischen Fußball und Handball, die sich m.E. auf das Spielkonzept auswirken. Im Handball dürfen jederzeit beliebig viele der sieben auf dem Spielfeld eingesetzten Spieler ein- und aus- und wieder eingewechselt werden. Im Fußball dürfen z. Zt. lediglich drei Spieler ausgetauscht werden; 184 ein ausgewechselter Spieler darf nicht wieder eingewechselt werden. Ein Handballtrainer kann folglich durch Ein- und Auswechslungen viel flexibler auf Spielsituationen reagieren als ein Fußballtrainer. Zudem hat er die Chance, eingesetzte Spieler für wenige Minuten zu sich auf die Ersatzbank zu holen und ihnen individuelle Anweisungen zu geben, bevor er sie wieder aufs Feld schickt. Eine solche Einflussnahme ist einem Fußballtrainer in diesem Maße nicht möglich, auch wenn er eingesetzte Spieler zu sich an den Spielfeldrand rufen kann. Auf Grund der Größe des Fußballfeldes sind diese Ereignisse des Einstellens während der Spielzeit insofern riskant, als der Spieler seine Position verlassen muss, ohne dass sie von einem Einwechselspieler eingenommen werden könnte. 185 Ein zweiter wesentlicher Unterschied besteht darin, dass, wie die Bezeichnungen der Sportarten bereits nahe legen, Handball mit den Händen, Fußball mit den Füßen gespielt wird. Es ist für die Feldspieler im Handball verboten, den Handball mit dem Fuß gezielt weiterzuleiten oder ein Tor zu erzielen, so wie es den Feldspielern im Fußball nicht gestattet ist, den Ball mit der Hand zu berühren. Den spielentscheidenden Unterschied zwischen der Behandlung des Balles in den beiden Sportarten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen schildert Väth aus der Sicht des Fußballs wie folgt: „Im Umgang mit den physikalischen Dingen, wie dem Ball, sind die Hände technisch besser entwickelt als die Füße. Man kann daher die These vertreten, daß die Anpassung der Füße und Beine an die Bewegung des Balls schwieriger und komplizierter ist als die der Hände. Das gerichtete Werfen ist einfacher und leichter erlernbar als das gerichtete Treten. [...] Weil die Beherrschung des Balles mit den 184 Die Aus- und Einwechslung von maximal zwei Spielern pro Mannschaft während eines Spiels wurde ab 1966 gestattet (wie an den Spielprotokollen der Europameisterschaft 1968 und der Weltmeisterschaft 1970 zu erkennen ist, machten Trainer zunächst nur vorsichtig Gebrauch von der neuen Regel und ließen oft wie vor 1966 die Anfangsformation durchspielen). Seit 1994 dürfen bis zu drei Spieler pro Team ausgewechselt werden. 185 Mittlerweile hat der Internationale Fußballverband FIFA festgelegt, dass die Trainer während des Spiels eine ca. 3-10 Meter breite Coachingzone um die Auswechselbank nicht verlassen dürfen. Diese Coaching-Zone reicht nicht bis an den Spielfeldrand heran. Längerfristige Trainer-Konzepte 353 Füßen nie jenen Grad von Vollkommenheit erreichen kann, wie es mit den Händen möglich ist, sind Handlungserfolge schwieriger und seltener zu erreichen. Dies wird deutlich, wenn man ein Handballspiel mit einem Fußballspiel vergleicht. Im Fußball sind Abspielfehler, ungenaue Pässe und Schüsse wesentlich häufiger“ (Väth 1994, S. 24). Zudem ist die Spielfläche im Handball viel kleiner als im Fußball. Die leichtere und zielgenauere Beherrschbarkeit des Balles mit den Händen und die kleinere Spielfläche im Handball fuhren dazu, dass jeder der sechs angreifenden Spieler eine größere Anzahl erfolgreicher Handlungen im Spiel vollziehen und mehr Tore erzielen kann als ein Fußballer. Das heißt auch, dass von jedem angreifenden Handballer eher als von jedem Fußballer erwartet wird, dass er seine Einflussmöglichkeit auf das Spiel nutzt und Tore erzielt. Die Spezialisierung im Fußball und die Größe des Spielfeldes haben dazu geführt, dass das Tore Schießen im Wesentlichen den Stürmern und offensiven Mittelfeldspielern übertragen ist. Abwehrspieler oder defensive Mittelfeldspieler gelangen im Spiel viel seltener in jene Spielzonen, in denen Tore erzielt werden können, sodass sie auch faktisch selten erfolgreiche Spielhandlungen des Torschusses ausführen. Im Handball führen die kleinere Spielfläche und das Fehlen einer Abseitsregelung wie im Fußball außerdem dazu, dass bestimmte Mannschaftskonstellationen des Angreifens bzw. des Verteidigens eher wiederkehren als im Fußball. Trotz dieser wiederkehrenden Mannschaftskonstellationen im Handball werden einzelne Spielzüge kaum mehr in den oberen Spielklassen einstudiert und schematisch angewandt, da sie von den gegnerischen Trainern, die ihre zukünftigen Kontrahenten immer vorher beobachten oder sich Videoaufnahmen besorgen, schnell erkannt werden. Daher wäre es ihnen ein Leichtes, Gegenstrategien für bestimmte Spielzüge im Training einzustudieren. Wie mir die Informanten mitteilten, ist die Existenz und das Anwenden bestimmter Spielzüge eher das Kennzeichen von unteren Spielklassen. In den oberen Spielklassen vertraue man eher auf die individuelle Intuition des Spielers bzw. auf das Verständnis der Spieler untereinander, sich ergebende Konstellationen zu nutzen und mit einem Torwurf abzuschließen. Bezogen auf das Spielkonzept von Thomas Schleisiek heißt dies, dass in Köttersen keine Spielzüge einstudiert wurden, sondern eher Spielkonstellationen, wobei die Spieler immer zwischen mehreren Handlungsaltemativen auswählen konnten und sollten. Diese Spielkonstellationen waren stets auf die gegnerische Mannschaft bezogen, gegen die das nächste Meisterschaftsspiel zu bestreiten war, und resultierte aus der Videoanalyse. Es waren mithin spezifische Spielkonstellationen, keine generalisierten Konstellationen, die auf alle Gegner zutreffen würden. Trainer Schleisiek spricht im ethnografischen Interview zwar von einem grundkonzept, allerdings konnte ich bei der Beobachtung und der Transkribierung von Einstellensereignissen keine Er- 354 Reden und Spielen klärung oder Beschreibung eines Grandkonzeptes feststellen. Hieran sind drei Vermutungen anzuschließen: 1) Schleisiek versteht unter „Grundkonzept“ möglicherweise die Grundaufstellung, die sich aus einer Verteilung der Positionen nach den Stärken der Spieler ergibt. Das von Schleisiek präferierte „Grundkonzept“ für die Defensive würde dann „5 plus eins“ lauten: Fünf Abwehrspieler verteidigen am eigenen Kreis, während der sechste Abwehrspieler vorgezogen wird und drei, vier Meter vor dem Abwehrzentrum agiert. Lexeme, die darauf hinweisen, sind beispielsweise in der folgenden Äußerung der Ausdruck der vorgezogene (der halbe referiert auf den angreifenden Halbspieler der gegnerischen Mannschaft): das is i“mmer wieder die abfolge- * zu äh dem vorgezogenen kommt dann der- * ha‘‘lbe weil die diese kreuzung spieln. Das „Grandkonzept“ für den Angriff entspricht der Grundaufstellung mit dem Linksaußen Uwe, Rückraum links (Halblinker) Schussel, Rückraum Mitte (Mittelmann) Mischa, Rückraum rechts (Halbrechter) Gerd, Rechtsaußen Jan, Kreisläufer Rainer. 186 Schleisieks „Grundkonzept“ wird bei Verletzungen von Mitspielern und bei situationsspezifischem Abwehrverhalten des Gegners wie z.B. bei einer offeneren Verteidigung, bei der der auf der Mittelposition spielende Mischa in die so genannte „Manndeckung“ genommen wird, abgewandelt. Diese Variante weist Schleisiek in der unter dem Gesichtspunkt des Anweisens präsentierten Mannschaftssitzung an: <we"nn scnI offener decken ähnlich wie uns swienbült- * begegnet is- * is kla “r was dann geschiehtgleiche Variante wie wer da gespielt habenmischa zum kreiswolfgang hält sich erst zuriick-, 2) Köttersen hat zwei ehemalige Bundesligaspieler, einen Jugendnationalspieler und einen russischen Nationalspieler in seinen Reihen. Drei der vier zeichnen sich durch ein sehr hohes Maß an Spielintelligenz aus. Es ist zu vermuten, dass Trainer Schleisiek unter diesen kontextuellen Umständen darauf verzichten kann, sein Grundkonzept näher zu erklären, da die genannten Spieler auf Grund ihrer Spielintelligenz ohnehin wissen, wie sie situativ zu reagieren haben. 3) Möglich wäre aber auch, dass ich, selbst wenn ich über einige wenige Erfahrungen als Torwart der Handballmannschaft meiner Schule verfüge und mehrere Jahre auch über Handballvereine berichtete, trotz der Feldforschung nicht über die relevanten Informationen über die Welt des Handballs verfügt habe, um das Grundkonzept Schleisieks tatsächlich erkennen und nachzeichnen zu können. 186 Die Grundaufstellung (einschließlich Torwart) wird in der Sprache der Sportjournalisten auch als „erste Sieben“ bezeichnet. Längerfristige Trainer-Konzepte 355 7.2 Spielerführungskonzepte 7.2.1 Das Konzept der Spielerführung „Erklären und Bestärken“ Platens Konzept der Spielerführung, das auch die didaktische Vermittlung der Inhalte des jeweiligen fußballerischen Konzepts umfasst, weist Berührungspunkte mit den Konzepten der Spielerführung von Brünger und von Schleisiek auf. Allerdings stellt Platen dieses Konzept im ethnografischen Interview ausgebauter und differenzierter dar als seine Kollegen. Sein Konzept der Spielerführung, das bei der Arbeit mit den Spielern zum Tragen kommt, lässt sich als „Erklären und Aufmerksamkeit schulen“ bezeichnen. Platen fühlt sich für seine Spieler, insbesondere für ausländische Spieler verantwortlich. Bei einem höherklassigen Verein habe er, so erzählt er im ethnografischen Interview, die Erfahrung machen müssen, dass die Vereinsverantwortlichen jede Saison ungefähr die Hälfte des Kaders auswechselten. Verletzte sich ein Spieler oder erfüllte er in den Augen des Vereins nicht die Anforderungen, habe man die Spieler wie Tagearbeiter behandelt: brauch nicht widerkomm-l. Der Verein habe sie einfach nicht mehr bezahlt und sei nach der Devise verfahren: wegi brauchen wer nicht. Platen setzt sich von diesem Konzept ab und definiert seine Arbeit wie folgt: 522 Platen: 523 524 525 526 527 528 529 530 531 ** wenn=ich der kalte nüchterne bin * dann muss ich das * durchziehn * n/ ach * da komm ich vielleicht auch bei rum ** äh * meine arbeit is * ne etwas andere * und äh * die * meine ich ** geht dahin * den den spieler ** einzuschätzen * mit zu reden ** ähm * zu arbeiten * entweder * schafft=er den bereich in dem wer uns befinden * od=er schafft den nich * wenn er bemüht is * dat zu schaffen * dahinzukomm * dann * kann man mit ihm arbeiten * wenn er es nich schafft * dann schafft=er et nich dann muss er * im * normalen muss er woanders hin ** aber ** mein ** spieler * einfach * wegzuschicken ** war für mich * ne etwas ** ähm * eine neue erfahrung gewesen * spieler * die * * sich [H-45, ohne prosodische Markierung] Notwendige gemeinsame Arbeitsgrundlage von Seiten des Spielers ist das Bemühen, die Leistungsanforderungen zu schaffen. Im Gegenzug verspricht der Trainer dem Spieler eine Interaktionsbeziehung, die dem Spieler eine gewisse Kontinuität garantiert. Er muss nicht befürchten, im Falle einer Verletzung oder eines Leistungstiefs abgeschoben zu werden. Der Spieler kann im Gegenteil darauf vertrauen, dass ihm der Trainer die Leistungsanforderungen vermitteln wird und ihm die Chance gibt, sich zu bewähren. Platen legt auch Wert darauf, in der Vorbereitungszeit auf die Saison die Spieler ein ganzes Wochenende um sich zu haben und sie in Situationen, die nicht eigentlich Trainings- und Wettkampfsituationen sind, aus einem ande- 356 Reden und Spielen ren Blickwinkel kennen zu lernen: ich * mach dann hier * so * freitachs * samstachs zweimal und sonntags zweimal * sin fünffünf einheitn * wo man dann auch samstachs zusammenbleibt mittachs * abends nach hause geht * normal * un dann sonntachs nochmal * morgens trainiert und nachmittachs vielleicht n=spiel macht * oder ebn wenn man * vielleicht hier oder=n bisschen weiter wechfährt * sich dann hier frühzeitich trifft * unterwechs irgendwo * was isst * und äh * dann spielt * dann mein ich * lernt man sich au noch ma anders kennen (H-45, Z. 001-010). Bei der Zusammenstellung eines Oberligakaders achtet Platen darauf, nicht zu viele Arbeiter, die in Wechselschichten arbeiten müssen, und zu viele Studenten auszuwählen {wenn ich vier Studenten habe * dann wird et schon gefährlich * eimal * ähm ** weil sind zu intelligent manchmal * aber auch wiederum ähm ** weil die * nich immer regelmäßig * dabei sein könn), um eine konstant hohe Trainingsbeteiligung zu erzielen (vgl. H-45, Z. 1145- 1150). Dispens vom Training erteilt Platen nur in Ausnahmesituationen. Auf Grund des fußballerischen Konzepts, das Platen präferiert, fordert er von allen Spielern das gleiche Pensum und das gleiche Maß an Flexibilität, verschiedene Aufgaben im Spiel zu übernehmen wohl wissend, dass die Möglichkeiten eines jeden Spielers begrenzt sind (vgl. H-45, Z. 637-641). Es sei aber seine Aufgabe als Trainer, die Grenzen des Spielers zu erkennen und ihn anzuhalten, das zu zeigen, was er beherrsche und was er dazu gelernt habe (H-45, Z. 666-672). Platens Ziel ist es, jeden Spieler, der bemüht und lernwillig ist, zu bestärken und ihm taktische Sachverhalte zu erklären. Taktische Sachverhalte erklärt er sogar Spielern auf der Auswechselbank, die er gar nicht mehr einwechseln kann, weil er sein Auswechselkontingent bereits erschöpft hat. Dabei ist es für Platen unerheblich, ob es sich um Fehler der eigenen Mannschaft oder um Fehler der gegnerischen Mannschaft handelt: 1456 Platen: 1457 Marcel: 1458 Platen: 1459 Marcel: 1460 Platen: 1461 Marcel: 1462 Platen: 1463 Marcel: 1464 Platen: 1465 Marcel: ich aktiv bin dass ich mich mehr bewege * un so vasuch ich dann jeden hm einzelnen dann so=n bisschn * zu locken und * in seina * position * zu hm hm stärken * je'den * je'den * auch deshalb vasuch ich auch * den * draußen zu erklärn * was worauf es ankommt oda wenn=a * reinkommt dass hm das un das * vaändert wem muss * oda fehla die da" gemacht werden hm Längerfristige Trainer-Konzepte 357 1466 Platen: oda beim gee'chner gemacht werden dass ich da * aufmerksam drauf 1467 mache * versuche ich den draußen auch * möchlichst zu erkläre damit 1468 sie daraus lern ** ne nich * (denken) * der alle [H-45] Im Training achtet er darauf, ein möglichst hohes Leistungsniveau zu erzielen. Dies geschieht zum einen, um ein ähnliches Niveau wie im Wettkampf zu erreichen, zum anderen, um den technisch besseren Spielern nicht die Lust am Training zu nehmen. Die Leistungsunterschiede dürfe er nicht thematisieren, sondern müsse sie durch seine Trainingsarbeit ausgleichen. Sinke das Trainingsniveau auf Grund zu vieler Fehler, stelle er eine neue Aufgabe, um die Konzentration zu wecken. Durch die ständige Aufmerksamkeit habe der Spieler nicht die Gelegenheit, Fehler im Gedächtnis zu behalten und sich davon demotivieren zu lassen. Die Bearbeitung von fußballerischen Schwächen vollzieht Platen, indem er den Spieler auf seine Stärken hinweist oder dass er ihn anweist, was zu tun und was zu forcieren sei (vgl. H-45, Z. 933-966 und 1219-1267). Dies müsse der Spieler dann versuchen zu registrieren und zu verarbeiten. Wichtig sei dabei eine optimistische Einstellung und das Selbstbewusstsein des Spielers, die an ihn gestellte Aufgabe lösen zu können: kann ich nich darf er sich nich sagn (Z. 927). Anweisungen für Meisterschaftsspiele sind für Platen eher Richtschnur denn Befehl, da der Gegner sich in einem anderen taktischen Gewand präsentieren könne, als er es in der Mannschaftssitzung projiziert habe. Zum anderen bedeutet die Freiheit, jede Position im Aufstellungsnetz einnehmen zu können, wenn dies die Spielsituation zulässt und mit den Mitspielern abgesprochen ist, dass jeder Spieler des Gegners potenziell zum unmittelbaren Gegenspieler werden kann: 1332 Platen 1333 1334 1335 1336 1337 1338 1339 1340 * ich weiß aber dass man * dass man nich programmiefn kann * sonnern dass man i"mprovisie"rn muss * man hat das un auf eimal hat der geechner hat * wat anderes seetma/ saatmann spielt nich * vor=de * sonnern der spielt auf eima linksau'ßn * * dat is natürlich * deshalb * Versuch ich den spiela auch * vie’lseitich zu schulen * dass er nich Fixiert is nur auf auf das auf das sonnern * auch ach jetz kommt de"r * Und ich weiß ach dat is der * saatmann macht dat * un das ** un dat is nich der den ich hatte un jetz * bin ich auf dat vor/ nein dat is jetz de“r * dat hat der traina hat ja gesacht * für de“: n hat=ter dat gesacht * [H-45, ohne prosodische Markierung] Trainerinformationen über einzelne Gegnerspieler in der Mannschaftssitzung richten sich daher nicht nur an denjenigen, der auf seiner Ausgangsposition diesem Gegenspieler zugeordnet werden soll, sondern immer an die gesamte Mannschaft. Der Spieler soll die Informationen über den Gegner aufnehmen 358 Reden und Spielen und so behandeln, dass er sie während des Spiels abrufen und situationsadäquat anwenden kann. Platens Konzept der Spielerführung besteht also aus den Komponenten: 1) Verantwortungsgefühl gegenüber den Spielern, 2) Beobachtung der Spieler außerhalb von reinen Trainings- und Wettkampfsituationen in der Saisonvorbereitung, 3) Zusammenstellung eines homogenen Spielerkaders, 4) kooperative Wissensvermittlung, 5) Vermittlung der relevanten Informationen an die Gesamtgruppe, 6) Gestaltung eines intensiven, abwechslungsreichen, intellektuell anspruchsvollen Trainings, 7) Ermutigung zu einer selbstständigen Aufgabenbewältigung. 7.2.2 Das Konzept der Spielerführung „Erklären und Hilfestellung-Leisten“ Das Konzept der Spielerführung Brüngers ist kooperativer und weniger autoritativ als das von Platen. Dies mag daran liegen, dass Brünger mehrere Jahre Spielertrainer in Schwarzberg war und sich auch jetzt noch gelegentlich einwechselt. Die Rollendistanz zwischen ihm und der Mannschaft wird erst langsam größer, allmählich entwickelt sich das einst sehr vertrauliche Verhältnis zu einem Verhältnis zwischen Trainer und Spielern. Oft, viel öfter als Platen etwa, setzt sich Brünger nach Trainingsende mit seinen Spielern zu einer Flasche Wasser oder Bier zusammen. Die sehr kooperative Verhaltensweise Brüngers zeigt sich beispielsweise darin, dass er möglicherweise problematische Sachverhalte mit seinen Führungsspielern und den betroffenen Spielern im Vorfeld bespricht (vgl. auch den Abschnitt 6.7.6). Seine kooperative Verhaltensweise sei an drei weiteren Begebenheiten illustriert, die Brünger im ethnografischen Interview selbst schildert: 1) In der Mannschaft wird ihm der Vorwurf gemacht, er habe seine Lieblinge. Einer, Heiner Kranz, habe ihm in aller Öffentlichkeit den Vorwurf gemacht: der bulau steckt dir doch im arsch drin sacht der vor * un da stehn zehn leude drumrum * da sacht der henner zu mir * der bulau steckt dir doch im arsch drin der hat narrenfreiheit der brauch nit zu deckn der kann bei dir alles machen * du umhätschelst den dem sachst du nie de meinung un was nit alles *3 * muss ich grinsen weil ich kann nit drauf nett antworten [SCH-25]. Interessanterweise zieht es Brünger vor, auf diesen Vorwurf nur nonverbal zu reagieren, obwohl die drastische Art des Vorwurfs in der Öffentlichkeit eine explizite Antwort Brüngers erwarten lassen könnte. Längerfristige Trainer-Konzepte 359 2) Einer der Spieler entschuldigte sich vom Training und von Einsätzen in der zweiten Mannschaft mit Wochenenddiensten am Arbeitsplatz. Am Abend, an dem das ethnografische Interview stattfindet, ruft er an und teilt Brünger mit, dass er den Dienst öfters auch nur vorgetäuscht habe, da er auf Grund der Nichtberücksichtigung für die erste Mannschaft Motivationsschwierigkeiten gehabt habe. Dieses Geständnis nimmt Brünger aber nicht zum Anlass, Sanktionsmaßnahmen zu ergreifen. Er begründet dies wie folgt: wenn sich einer mir gegenüber so öffnet un ich würde das ausnutzen un würde sagn übrigens^ * schön dass de mir das jetz suchst^ * den vorteil ziehe ich daraus jetz aus diesen gespräch aus mein wissensvorsprung weil de dich mir gegenüber so geöffnet hastt * ich fordre dich auf in=n nächsten zwei wochen bei der zweiden mannschaft mitzuspieln- * weil die habn tringnd personal nödich- * halt ich in de “m fall- * für überspitzt^ [SCH-25], Brünger zieht auch hier eine kooperative Interpretation des Sachverhalts („der Spieler hat sich mir gegenüber geöffnet“) der negativen Interpretation („der Spieler hat mich belogen“) vor. 3) Im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten um den jungen Spieler Motzert hat Brünger den SC Schwarzberg als wirklich n=se “hr sozialer verein bezeichnet [SCH-25], Im Unterschied zu anderen Vereinen würden beim SCS Spieler, die man nicht mehr weiter beschäftigen wolle, nicht sofort vor die Tür gesetzt. Obwohl es angemessen wäre, Motzert, der sich nicht hat integrieren können, einen Vereinswechsel nahe zu legen, äußert Brünger auch für ihn Verständnis: da bin ich wiederum einer von denjenigen der dann sacht- * der junge ist achtzehn neunzehn jahre vielleicht fängt der sich noch mal der geht halt ma so durch so=n loch durch un ich versuch da mit ihm noch ma drüber zu redeni [SCH-25]. Nachdem ihm zu Ohren gekommen ist, dass Motzert auf die Mitspieler und das Training schimpft, zieht Brünger auch hier die „positive“, nicht die negative Konsequenz: Statt Motzert explizit aufzufordern, den Verein zu wechseln, präferiert Brünger die Haltung mit dem red ich nit mehr * im positivn dass er bleibn soll [SCH-25; vgl. auch den Transkriptausschnitt im folgenden Abschnitt 7.3], Eine Annahme Brüngers über die interaktiven Absichten seiner Spieler ist, dass die Spieler in der Regel nicht absichtlich Fehler begingen und, wenn ihnen Fehler unterliefen, sie sich derer oft bewusst seien: a01 Brüng.: also ich sage * es is ja in der regel so ** dass also keiner absichtlich n=fehler a02 macht so un wenn jemand =n fehler macht dann weiß er das * im normalfall a03 selbst * un dann prauch ich nit noch von außen reinzuprülln dem zu sagen [SCH-25] Brüngers Anspruch ist es daher, Spielern zu helfen, ihnen Erklärungen zu liefern und Hilfestellung zur Aufgabenbewältigung zu geben, statt ihnen ihre 360 Reden und Spielen unbeabsichtigten Fehler vorzuwerfen. Sein Ziel ist es, diejenigen Spieler auf ihrem Entwicklungsweg anzuleiten, die über die notwendige Einstellung verfügten, an sich arbeiten zu wollen. Dieses Ziel resultiert aus den spezifischen finanziellen Bedingungen, denen der SC Schwarzberg unterliegt: Dahinter steht die Überlegung, die Mannschaft taktisch so weit zu bringen, dass junge Spieler, die Brünger aufgebaut und geschult hat und die weniger Geld kosten als erfahrene und von anderen Vereinen „gekaufte“ Spieler, wichtige Positionen in der Mannschaft besetzen können. Brünger verfolgt zudem das Ziel, die Mannschaftsleistung von den individuellen Fähigkeiten einzelner Spieler unabhängig zu machen. Brüngers Anspruch ist an folgenden Zeilen des Interviews abzulesen: a15 Brünqer a16 a17 a18 a19 Brüng.: a20 Marcel: a21 Brüng.: KK: a22 KK: a23 [SCH-25] ausübst is=n kurzfristiger * mein ich ne * un * wenn d/ wenn du spieler weiderentwickln willst * die an sich arbeiten un au bereit sin an sich zu arbeiten oda am an=na mannschaftsleistung einfach was zu machen * im taktischen bereich dann schaffste das eigentlich mit verbaln rundumschlägn überhaupt nit dann haste eigentlich ne ferdige mannschaft ** die de hm absaun kannst wo jeder genau weiß # der hat recht klar wir ham scheise #IMITIERT TONFALL DES EINSICHgespielt * gutt so ja # * aber du musst ja au immer ma ne erklärung oder ne TIGEN SPIELERS# hilfestellung pringen * wie köm=mer was verändern * ne ** un * da denk ich Brüngers Konzept der Spielerführung beinhaltet folglich die Verfahren: 1) Vermeiden von Auseinandersetzungen mit Spielern in der Öffentlichkeit, 2) Vertrauensschutz für sich öffnende Spieler, 3) Unterstellen einer positiven Grundeinstellung bei den Spielern, 4) Erklären und Plausibilisieren taktischer Maßnahmen, 5) Hilfegewähren im Training und Wettkampf. 7.2.3 Das Spielerführungskonzept „Sich-Austauschen, Überzeugen und Gutes-Klima- Schaffen“ Das Spielerführungskonzept Schleisieks ist von seiner kooperativen Ausrichtung her einerseits den Konzepten von Platen und Brünger vergleichbar, unterscheidet sich aber darin, dass es die mannschaftsspezifische Zusammenstellung erfahrene ehemalige Bundesligaprofis hier, unerfahrene und junge Spieler dort reflektiert. Zwei weitere Punkte, die Schleisiek implizit mit berücksichtigt, sind seine eigene geringere Erfahrung relativ zu der Kenntnis Längerfristige Trainer-Konzepte 361 der beiden ehemaligen Profis - und sein Alter, das in etwa das gleiche ist wie das Alter der ehemaligen Profis. Schleisiek definiert sich als teil der mannschaft und kontrastiert seine Rolle mit dem in seinen Augen devianten, dominanten Trainer: 018 019 020 021 022 023 024 Schleis.: ich seh mich grundsätzlich als teil der mannschatt- *1,5* un nich unbedingt als gro'ßer dompteu“rt ** äh weil da"s bei de“r mannschaftszusammensetzung auch- * nach meiner sicht der falsche weg ist * ich kann leu'ten wie wolfgang schu“sselmann oder ** ge“rt vleiß die selbst jahrelang in der bundesliga gespielt haben- * und etwa so ein alter sind wie i“ch~ * da ni’cht äh groß au“foktroyieren was sa'che ist sondern muss da auch durch überzeiTgungt * durch Zusammenarbeit eben es Wnbekomment * auch ü"berzeugenl >selbst überzeugen-! « * da"s is glaube ich [K-10] Schleisieks Mittel, mit denen er das gemeinsame Ziel aushandeln will, sind die Kooperation mit den ehemaligen Profis und den erfahrenen vernünftige[n\ Spielern und das persönliche überzeugende Auftreten und Verhalten. Wie sehr er die Arbeitsumstände reflektiert, zeigt folgender Ausschnitt, mit dem Schleisiek sein Konzept der Spielerführung abschließt: 076 Schleis.: treffen ( )-! • ** aber es is scho'n wi'chtig eben ni'ch unbedingt äh- * da" 078 so ko'ntrapunkte aufzubaunf * was ma'nche trai"ner sichalich au“ch machen aber- 079 ** da"s~ * ka"nn ich denk ich nicht ** un wi"ll ich auch überhaupt nich sondern 080 für mi''ch is die Zusammenarbeit wichtichf ** ü’berzeugung gutes- * kli"ma in der 081 ma'nnschaft erzeugen dann kann man- * se“hr viel erreichen-! * wenn [K-10] Die Entscheidung Schleisieks, seine Rolle nicht über die Konfrontation mit der Mannschaft zu definieren, sondern über die Kooperation, ist in Kenntnis alternativer und konträrer Konzepte (das ko “ntrapunkte Setzen) und nach der Analyse sowohl äußerer Umstände (da“s~ * ka“nn ich denk ich nich'l) als auch individueller Präferenzen gefallen (und wi“ll ich überhaupt nich). Das Anwenden seiner Mittel - Zusammenarbeit, persönliches Überzeugen und gutes kli“ma in der ma“nnschaft schaffen erklärt sich aus Schleisieks Annahme, dass dies funktional sei. Mit den genannten Mitteln lasse sich sehr viel Erfolg verbuchen. Ihre konkrete Umsetzung erreicht Schleisiek, indem er besonders mit den ehemaligen Spielern das gespräch sucht sich austauscht, in diesen Momenten auf ein Betonen einer Rollenasymmetrie verzichtet und de “ren ra “t auch sucht. 031 Schleis.: intakt- * si"ndT *1,5* äh wo man eben mi“tt i"nsbesondere mit die'sen beident 032 erfahrenen leu'ten auch immer wieder das gespräch sucht sich austauscht- * sie 033 fra'gt- ** äh oder de“ren rat auch sucht und dann natürlich le'tzten e'ndes selbst 034 die entscheidung trifft was zu machen istl * nech es sind noch- * zuma'l du kennst [K-10] 362 Reden und Spielen Die Arbeit mit den jungen Spielern ist ebenfalls geprägt von den spezifischen Umständen. Da die Finanzierung des Spielbetriebs lange Zeit ungewiss war und letztendlich weniger Geld aufzutreiben war, als den Konkurrenten in derselben Spielklasse zur Verfügung stand, konnten Vorstand und Trainer erst sehr spät damit beginnen, einen Kader zusammenzustellen. Dies führte dazu, dass nicht alle Spielpositionen mit jeweils zwei Spielern besetzt werden konnten und man überdies notgedrungen auf junge Spieler zurückgreifen musste. Jüngere Spieler sind jedoch anfälliger für Leistungsschwankungen. Schleisieks Konzept für die jüngeren Spieler besteht daher nicht darin - und damit ähnelt sein Konzept in diesem Punkt den Konzepten von Brünger und Platen ihnen ihre Fehler vorzuhalten, sondern ihr Selbstbewusstsein zu stärken, sie bei den zu erwartenden unvermeidbaren Misserfolgen i “mmer wieder au“fzufangen und ihnen den rü“cken zu stärken: 041 Schleis.: kann J * die ju“ngen leute gilt es eben zu fff'hrent * Selbstbewusstsein aufzubaun- * 042 äh~ * RÄUSPERT SICH und au"ch bei- * misserfolgen oder schwächeren spielen 043 i'mmer wieder au'fzufangenrü"cken zu stärken- * was diese saison wi’chtig war- 044 weil wa~ * da“ auf den Positionen noch keine gro'ßen alternativen hatten-! net bei [K-10] Das Spielerführungskonzept von Schleisiek ist folglich ähnlich kooperativ wie das von Platen und Brünger und umfasst die Elemente: 1) Berücksichtigung der Heterogenität das Spielerkaders, 2) Berücksichtigung der besonderen fachlichen Kompetenz der Leistungsträger, 3) Überzeugen durch persönliches Auftreten, 4) Kooperation mit den älteren Spielern durch vertrauliche Gespräche, 5) Kooperation mit jüngeren Spielern durch Stärkung des Selbstbewusstseins und des Vertrauens, 6) Kreieren einer produktiven Arbeitsatmosphäre. 7.3 Der Zusammenhang zwischen längerfristigen Trainer-Konzepten, präferierten rhetorischen Strategien und der Selbst- und Fremddarstellung in kategorisierenden Äußerungen Wenn wir die in diesem Kapitel bislang vorgestellten Ausschnitte aus den Interviews und den natürlichen Interaktionen betrachten, fällt auf, dass die Trainer bei der Darstellung ihrer Trainer-Konzepte immer auch die praktische didaktische Vermittlung durch Sprache mit ansprechen. Ich will die von den Trainern selbst hergestellte Verbindung von Konzept und Vermittlung im Längerfristige Trainer-Konzepte 363 Folgenden nutzen, um die rhetorisch strategische Praxis in den Arbeitssituationen des Einstellens auf ihr Trainer-Konzept zu beziehen. Des Weiteren fallt auf, dass die Trainer ihre sprachliche Praxis mit der rhetorischen Praxis jener Trainer vergleichen, die in ihren Augen eine konträre Position zu ihrer eigenen einnehmen. Sie vergleichen sich demnach mit solchen Trainern, die sie als ihnen gegensätzlich und als von ihnen abweichend kategorisieren. Es lohnt sich daher, die von den Trainern selbst aufgeworfene Frage zu erweitern und zu fragen, welchen Einfluss die Konzepte auf die Art und Weise haben, wie die Trainer von den Spielern kategorisiert werden, aber auch, wie sie ihre Spieler selbst kategorisieren. Platens komplexes fußballerisches Konzept umfasst wie dargestellt wurde vier Aspekte und erfordert eine hohe Bewusstheit der Spieler. Da er vor kurzem erst seine Stelle bei Fortuna Huke angetreten hat (oder besser: wieder angetreten hat) und da die meisten Spieler mit seinem fußballerischen Konzept nicht vertraut sind, ist es vollkommen einsichtig, dass Platen vorwiegend auf die rhetorische Strategie des Instruierens zurückgreift, um die einzelnen Aspekte seines Konzeptes und ihr komplexes Zusammenspiel zu vermitteln. Gerade während des Trainingsspiels hält Platen immer wieder das Spiel an und bittet die Spieler, auf ihrem Fleck stehen zu bleiben, um ihnen eine bestimmte Spielkonstellation vor Augen zu führen. In diesen Momenten demonstriert er den Spielern praktisch, welche Handlungsalternativen die Spieler besitzen und welche Konsequenzen bestimmte Handlungen nach sich ziehen. Er orientiert sich dabei an den Spielweisen des großen fußballer[s\ wie Overath und Beckenbauer - und bemüht sich, den Spielern die Sequenzialität des Spiels und das damit verbundene vorausdenken zu vermitteln: 755 756 757 758 759 760 761 762 Platen: sehn un muss dann sehn was in der andern ecke passiert * oder * äh ich hab mal gesagt beim training da is (dir) aufgefalln * sag ich nich immer der direkte weech is derjenige welcher * sonnern * der indirekte * kann genauso erfolchreich sein * ne und äh ein overath hat * den pass da hingespielt um da hinzukomm * oder ein beckenbauer hat * den da hingespielt um da hinzukomm * und äh * dieses vorausdenken * das macht ja auch * den großen fußballer aus vorausdenken * drei schritte vorausdenken * ein boxer der nich vorausdenkt der kricht immer wat [H-45] Bei der Darstellung seines didaktischen Trainingskonzepts hatte Platen folgerichtig betont, dass er stets neue Wahmehmungsreize setze und neue Aufgaben stelle. Dieses Ziel erfordert von Platen, dass er die rhetorische Strategie des „Instruierens“ anwendet, um die Aufgabe darzustellen und in der richtigen Ausführung zu erklären und vorzumachen. Platen vermittelt seine Vorstellungen eines kreativen Fußballspiels, indem er spielerische Aufgaben stellt, die die Wahrnehmung schulen. Er ist der Meinung, dass das perma- 364 Reden und Spielen nente Setzen neuer Wahrnehmungsreize im Training (bedingt durch das Stellen immer neuer Aufgaben) den Spieler zu einer umfassenden Wahrnehmung im Spiel verhelfe und seine Fähigkeiten verbessere, schnell und angemessener zu agieren: 642 643 644 645 646 647 648 649 650 Platen: im spiel * und äh * ich versuche * dieses alles * im training * * ähm * zu vermitteln * damit das im spiel * klappt ** durch trainingsformen * * in der * äh * viel * gedacht werden muss * un veränderte trainingsform Innerhalb einer trainingseinheit * um * die aufmerksamkeit immer * zu Schulen ** und * deshalb bin ich auch immer bemüht den spieler * auch wenn er * mal glaubt * durchatmen zu müssen * immer wieder Anzuregen zu beobachten ** ich sach * ein spieler * muss auf=fem platz alles sehn ** alles sehn * un wenn ich so weit bin dass er alles sieht * kann er auch schneller handeln * un besser spieln * das is so * [H-45, ohne prosodische Markierung] Wie bereits gesagt, führt Platen seine Übungsgestaltung, die Bearbeitung der Fehler und das Einstellen auf die Spieler auf kooperative Weise durch. Dies ist kein Widerspruch zu seiner Maxime, nie einen Spieler euphorisch und nur selten die ganze Gruppe zu loben: ich sach auch dem dem ein oda andan- * dass a gut wari * sach ich ihm SO'I' * aba selten- * der gruppet * weil- * wie gesucht- * es is meistens so- * dass- * dann- ** et wieda weniga wirdi aus dem der mensch is numal * wenn er auf de schulta gekloppt wird- * dann war alles richtichi net (H-36, Z. 448-452). Die Maxime resultiert aus seiner Erfahrung, dass ein Lob oft zu einem Leistungsverlust im nächsten Meisterschaftsspiel führe (vgl. auch den Abschnitt 6.7.4.1). Zum anderen ist die Entwicklung einer Mannschaft und eines Spielers in den Augen Platens nie abschließbar, er sehe als Trainer immer etwas, was es zu verbessern gebe. Selbst wenn er Fortschritte bei seinen Spielern erkenne, könne er tatsächlich nie zufrieden sein, sondern immer nur zufriedener als am Anfang. Die nicht eingeschränkte, sondern generalisierte Anforderung für Trainer und Spieler sei, sich immer weiter zu entwickeln, immer weiter Fehler zu beheben, in Platens Worten: (man) muss immer weiterkomm. 663 Platen: 664 665 666 Platen: 667 Marcel: 668 Platen: 669 zu tun habef ** und- ** dannT * meine ich- * wenn ich das gefühl habe dass gewisse Sachen übernomm werden- * äh dass ich in meiner arbeit dann auch- * zufrieden- * zufrie'dener binf * ni'ch zufriedenf * zufrie"denerf * weil * es gibt immer wat zu verbessernd * et gibt immer immer muss hm hm hm [H-45] immer weiterkommf ** und äh- * da versuch ich den spieler- * hinzubringnd * natürlich weiß ich dass=se dass et- * grenzend * gibtd für Längerfristige Trainer-Konzepte 365 In den Situationen des individuellen Einstellens und der Fehlerbearbeitung mit einem Spieler präferiert Platen ebenfalls die rhetorische Strategie des Instruierens (vgl. den kurzen Instruktions-Ausschnitt aus einem Einzelgespräch mit Mehmet in Abschnitt 6.7.4.1) bzw. die des Anspornens. Platen besitzt neben einer praktisch-rhetorischen Theorie des Löbens auch eine praktischrhetorische Theorie des Anspornens. Damit meine ich eine Bewusstheit über die rhetorische Strategie, die sich aus der praktischen Alltagserfahrung mit seinen Spielern speist. Seine folgende Reflexion zeigt an, dass Platen zwischen dem aggressiven Tadeln und dem positiven Anspornen unterscheidet. Bei der Demonstration eines aggressiven Tadelns fokussiert der Trainer ein deviantes Verhalten des Spielers, wobei er auf intime Körperteile des Spielers referiert. Diese Referenz habe zur Folge, meint Platen, dass der Spieler dies als Übergriff auf seine Privatsphäre wahrnehme, sich dagegen verwahre, gegen den Trainer aufbegehre und in seiner Leistung nachlasse. Die positive Art des Anspornens hingegen fordere in verständlicher Weise den Spieler zu konkreten Aktivitäten auf, die der Spieler praktisch umzusetzen vermöge: 1443 Platen: 1444 1445 filtan * zu sagen * der schulli der * bewecht sich der kricht die arschbacken normalerweise nich aussenander * ka'nn ich aber nich sa“gen du krisst die a'Yschbacken dann dann weiß ich der schulli spielt 1446 Platen: nich gu‘t * >schulli * komm * du muss * alles (gebn) * komm du * 1447 Marcel: ja 1448 Platen: muss mal auf dein ball komm komm * dat geht * ne <dann welß=a dass 1449 Marcel: hm 1450 Platen: er gefordert is * * abajch ich (order ihn zwar auf du muss die 1451 Marcel: hm hm hm 1452 Platen: arschbacken aussenander kriegen * aba dat is * negativ dann sacht=a hö 1453 Marcel: hm jaja 1454 Platen: 1455 Marcel: wat wat geht den mein arsch an sonnern äh * dat andere der wijl dass hm hm hm hm hm hm 1456 Platen: ich aktiv bin dass ich mich mehr bewege * un so vasuch ich dann jeden 1457 Marcel: hm 1458 Platen: einzelnen dann so=n bisschn * zu locken und * in seina * position * zu 1459 Marcel: hm hm 1460 Platen: stärken * je'den * je'den * auch deshalb vasuch ich auch * den * draußen 1461 Marcel: hm [/ / -«] Das Beispiel macht nicht nur die Bewusstheit Platens über die Vor- und Nachteile und die praktische Realisierung einer bestimmten Strategie deut- 366 Reden und Spielen lieh, sondern zeigt auch die Art und Weise, wie Platen seine Spieler charakterisiert. An dieser Stelle des ethnografischen Interviews definiert er zwar ein Devianzmerkmal von Schulli, doch in der konkreten Arbeitssituation zieht er es vor, dem Spieler die Devianz nur indirekt durch das Thematisieren von Anforderungen bzw. von Zielen aufscheinen zu lassen. Die Charakterisierung seiner Mannschaft an früherer Stelle des ethnografischen Interviews fällt in analoger Weise trotz der Defizite, die zum Sturz auf einen Abstiegsplatz geführt haben kurz und eher uneindeutig als eindeutig aus: 823 824 825 826 827 828 829 830 831 832 Platen: nur hier so sonnern allgemein so * ähm was * hier zur zur mannschaft ** ähm da is festzustelln * und äh das war auch dadurch dass ich ja nich * in=ne nähe wohne und dat alles so mit * kriege und auch auch das ein oder andere spiel gesehen habe * ähm is dass ** eine mannschaft zusammengestellt worn is in der * ein paar * routinierte spieler * sind * ein * paar spieler sind die * vielleicht nich Oberligaqualität harn * und viele ju“nge spieler ** ähm junge spieler heißt * a-jungen a-jugendliche die * hochgehoit wordn sind * und äh man hier zwar ein kader von * was weiß ich von zu anfang fünfnzwanzich leute hatte * aber * in der * die o'berligaqualität fehlte ** un dann is et natürlich sehr schwierich * [H-45] Erst, nachdem der Beobachter Trainer Platen signalisiert hat, dass ihm die Charakterisierung nicht ausreicht, und er um eine Detaillierung bittet, beschreibt Platen seine Spieler ausführlicher und erklärt ihre Stärken und Schwächen (Z. 1049-1140). Ein kurzer Ausschnitt aus dieser sehr detaillierten Beschreibung verdeutlicht, dass Platen sehr wohl die relevanten Kategorien kennt und seine Charakterisierungen auf diesen Kategorien aufbaut. An dieser Zurückhaltung Platens wird klar, dass die Beteiligten Devianzkategorien normalerweise eher im Hintergrund halten. Sie ziehen es vor, sie erst auf Grund situativer oder interaktioneller Zwänge zu verdeutlichen. Damit wird auch verständlich, warum im Gegensatz zu den markierten Normalformen mehr als ein Drittel der Devianzkategorien im Kategorienschema rekonstruierte Bezeichnungen sind (vgl. den Abschnitt 5.2.3.3): 1062 Platen: 1063 1064 1065 auch gerne schläft * äh demopoulidis * is ein * libero * der * wenn er dosiert arbeitet * ein guter libero is * kein guter kopfballspieler aber der * sieht * wo der pass hinkommt * also in der deckungsarbeit * sehr gut sein kann dosiert nach vorne * auch positiv er hat ja probiert mittelfeld 1066 Platen: * geht nich is er zu langsam zu spielt nich schnell genuch den pass * 1067 Marcel: ja ja hm 1068 Platen: sondern * äh hier vorbereiter wenn er mal nach vorne geht sich 1069 einschaltet * sicherlich äh * abwehrspieler wenn sie oben spieln also 1070 Platen: Komm.: 1071 Marcel: an=ne grenze spieln * #starke# sowieso kopfballstark erfahrung * äh #NAME EINES SPIELERS# ja Längerfristige Trainer-Konzepte 367 1072 Platen: schmerkötter * wenn=er * äh kleinere schritte macht sich sich schneller 1073 noch beweecht * äh * drexhage wenn=er mit=n gedanken * im spiel is * * [H-45] Platens fußballerisches, pädagogisches (d.h. Spieler führendes) und didaktisches Trainer-Konzept, seine kooperative und bestärkende Zuwendung zu den Spielern ist denn auch der Referenzpunkt für die positive Kategorisierung Platens beispielsweise durch seine Spieler. Matthias hatte ihn ja als ruhigen, sachlichen Trainer mit Autorität und einem sehr sehr guten fußballvastand kategorisiert, als Trainer, der einem Fußball richtig erklären könne (vgl. den Abschnitt 5.4.2). Ähnlich kategorisieren ihn zwei weitere Spieler. Beide stellen sie Heinrich Platen seinem Vorgänger Addi Kracht gegenüber. Der erste Spieler schreibt Platen zwar überragende Fußballkenntnisse, aber auch ein Defizit zu, nämlich nicht richtig anspornen zu können: also vom vom fu'ßballverständnis oder'l *1* is er natürlich- * ne rake'fe also auch wie wie- * wie ru“hich er spricht und ähm- * aber er is nich so der typ der- * der ein pushen kannl. Der zweite Spieler kontrastiert die beiden Trainer im Hinblick auf ihre Sprache: b01 Spieler: b02 b03 Spieler: b04 Marcel: b05 Spieler: b06 Marcel: b07 Spieler: b08 Spieler: b09 Marcel: ich meine alle die unterm heinrich- ** trainiert harn oda so die sin fro“hf * weil der nie einen so blo“ßstellen würdef ->oder wie die sagen ja wat spielst du da für ne fo'tzenscheißef wat der addi ja laufend gemacht ja hat oder watf net ** dat würd- * dem heinrich nich passiern oda sof * hm hm hm «-der macht das dann ganz ruhigt * und sa“chlicht * bleibt auf em te'ppich mit den ausdrückent * un dann würd dat nie passiern net hm hm Trotz der oben genannten, nur von zwei Spielern im Kader geteilten Kritik, nicht pushen zu können, kann Platen also mit Rückgriff auf die Kategorisierungen der Spieler und im Unterschied zu seinem Vorgänger als Trainer bezeichnet werden, der neben den Rollenerwartungen des Strategen die Rolle des Mannschaftspädagogen (vgl. den Abschnitt 4.2.4) in hohem Maße erfüllt. Wie Trainer Platen, der sein rhetorisches Konzept des positiven Anspornens über den Kontrast mit dem aggressiven Tadeln definiert, so definiert auch Trainer Brünger im Interview die praktische Vermittlung seines Trainer-Konzepts in Auseinandersetzung mit der rhetorischen Strategie des aggressiven Tadelns. Dabei bezieht er sich im folgenden Kontext auf die rhetorische Inszenierung des Trainers im öffentlichen Raum an der Seitenlinie während des 368 Reden und Spielen Spiels. Ähnlich wie Platens praktisch-rhetorische Theorie beinhaltet auch Brüngers praktisch-rhetorische Theorie eine Bewertung der miteinander kontrastierten Strategien. Die Bewertung berücksichtigt erstens persönliche Bedürfnisse (prauch ich nit), zweitens die Funktionalität für den einzelnen Spieler und drittens die Sozialität der Strategien: a04 a05 a06 a07 a08 a09 a10 a11 a12 a13 a14 a15 Brünger: KK: was bausten da für ne scheise wenn sich manchma einer immer so verbal gehn lässt * prauch ich nit * in dem fall * m/ * helf ich dem spieler eigentlich nur wenn ich sage hie"r ko"mm ma'cht n‘ix * wei'der ge"ht=s * a”bschalten o"ben drin de’nk wieder an die aulgabe im spie“! * nimm das spie"! wieder auf * ja *3* da kommste eigentlich weider mit aber ja gut da kam ma lange trüber filosofiern ob das so richtich is am ende zählt * eigentlich nur * unnerm strich haste gewonn haste verlorn * un wie sieht der tabellnplatz aus ja * das is dann * halt * das eine is angenehm * sam=mal würde # fast sagen * fast sagen # sozial ** ausgeglichen * das andre is * #ANFLUG EINES LACHENS# kannst sicherlich auch mit * ner ganzen portion truck * den de ausübst * kannste auch zum erfolg komm * ja * nur der * erfolg den de mit truck ausübst is=n kurzfristiger * mein ich ne * un * wenn d/ wenn du spieler [SCH-25] Allerdings betont Brünger auch, dass die Bewertung der Anwendung einer bestimmten rhetorischen Praxis immer sowohl vom unmittelbaren als auch vom langfristigen konkreten sportlichen Erfolg abhänge: 187 da kam ma lange trüber filosofiern ob das so richtich is am ende zählt * eigentlich nur * unnerm strich haste gewonn haste verlorn * un wie sieht der tabellnplatz aus. Der konkrete oder länger anhaltende Misserfolg führt vor allem zu Erklärungsschwierigkeiten gegenüber der Vereins- und der Dorföffentlichkeit und setzt Trainer und Spieler insofern unter Druck, als mit dem sportlichen Erfolg Zuschreibungen ihrer sozialen Identität verbunden sind. Ein Schwarzberger Spieler bestätigt die Einschätzung seines Trainers. Der Spieler zeigt an, von welchen Faktoren die Kategorisierung in der Öffentlichkeit abhängt und wie schnell sie sich wandeln kann: so lange das gut geht un solange du“ eins null durch=n abgefälschtes tor gegen schonen-rauendahl gewinnst * macht der immer alles richtich * un wenn wer dadurch in der verbandsliga bleim * ist derfranz der beste trainer der weitfür alle * un wenn wer absteigen sagen se alle * absoluter idiot * der hat so vielfalsch gemacht. Die Reflexion äußerer Faktoren und daraus resultierender Zwänge bei Brünger und seinen Spielern im Unterschied zu Platen erklärt sich daraus, dass Platen (noch) unter anderen Voraussetzungen arbeiten kann als Brünger. Platen hat, obwohl die Saison noch nicht beendet ist und noch sehr ungewiss ist, 187 Vgl. auch den Abschnitt 6.7.6. Hier wurde der Erfolgsdruck als Erklärung dafür interpretiert, dass die Beteiligungsweise in den Arbeitskontexten des Einstellens hierarchisch und asymmetrisch ist. Längerfristige Trainer-Konzepte 369 ob Huke den Klassenerhalt schaffen wird, gerade erst seinen erfolglosen Vorgänger abgelöst mit der Aufgabe, die Mannschaft bereits jetzt auf sein Spielkonzept einzustellen und die Kandidaten für den Kader der nächsten Saison zu prüfen. Da der Abstieg als fast nicht mehr abwendbar gilt, steht Platen folglich unter keinem unmittelbaren Erfolgsdruck. Ganz anders dagegen die Situation für Brünger. Er ist seit mehreren Jahren im Verein tätig und mit der Mannschaft einmal aufgestiegen, doch im Moment steht er mit ihr auf dem letzten Tabellenplatz. Drei Tage vor dem ethnografischen Interview, nach einem Heimspiel, das nur unentschieden endete, waren einige Vereinsmitglieder so enttäuscht gewesen, dass sie Brünger vorgeworfen hatten, er könne die Mannschaft nicht mehr motivieren und habe sich „abgenutzt“. Diese negativen Charakterisierungen waren von Brünger wahrgenommen worden und veranlassen ihn im Interview, über einen Abschied aus Schwarzberg nachzudenken: aber das sin au so momende wo ich dann denke is es nit doch beser nach diesem fahr zu gehn * weißte * weil: * jetz bin ich fünfjahre lang mit meiner art * zu führen * un das: so zu machn denk ich insgesamt recht gut gefahren * aber mittlerweile merk ich natürlich au dass es langsam pröckelt * das pröckelt dann * bewusst oder man empfindet=s wesentlich bewusster dann wenn de an letzter stelle stehst. Sein Trainer-Konzept versucht Brünger vorzugsweise auf kooperative Weise umzusetzen. Wie Platen bemüht er sich, der Mannschaft taktische Sachverhalte zu erklären und ihnen während des Spiels Hilfestellung zu gewähren, was ihn einerseits zu der rhetorischen Strategie des Instruierens und des Anspornens greifen lässt. Ebenso präferiert Brünger im Einzel- und Kleingruppengespräch einen „sozial angenehmen“ Stil, der es dem Spieler ermöglicht, sich zu öffnen und dem Trainer bewusstes Fehlverhalten, z.B. das Schwänzen des Trainings, zu beichten (s.o.). Die rhetorischen Präferenzen spiegeln sich wie bei Platen in positiven Charakterisierungen und in Annahmen wider, dass die Spieler eine positive moralische und soziale Einstellung besäßen. Erst wenn ein Spieler wie Motzert gegen soziale Normen verstößt und Anforderungen der Alterität missachtet, greift Brünger zu Negativkategorisierungen: c01 Brünger: wenn=s geht * zur winderpause nen annan verein * hätte man sagn kenn * da bin ich c02 wiederum einer von denjenigen der dann sacht * der junge ist achtzehn neunzehn c03 jahre vielleicht fängt der sich noch mal der geht halt ma so durch so=n loch durch un c04 ich vasuch da mit ihm noch ma drüber zu redn * nur wenn ich dann natürlich dann c05 mitkriege über andre mitspieler un deswegn denk ich is der ml menschliche kontakt c06 immer noch recht gut bei uns * über andre mitkriege hier * motzert un da * schimpft c07 er auf=s training * da schimpft er auf mitspieler da sacht er scheißtraining ja und * c08 un das passt ihm nit un * un das läuft unrund das krieg ich in dem sinn ja au immer c09 wieder zugetragn * ja sam=ma gut wenn einer so=n stinkstiefei is mit dem red ich nit clO mehr * im positive dass er bleibn soll weil da denk ich * wenn einer sich so verhält cl 1 dann is beser wenn er wirklich geht [SCH-25] 370 Reden und Spielen Wenn Trainer und Spieler für einen Mitspieler im Falle seiner fehlenden sozialen Orientierung negative Kategorien finden, dann steht dahinter die Annahme, dass soziale Defizite nicht mehr oder nur schwer durch den Trainer bearbeitbar sind ganz im Gegensatz zu sportlichen Mängeln, zu taktischen und motivationalen Defiziten. Dies erklärt nun auch, warum Normalformkategorien vor allem auf die fußballerische Kompetenz referieren, während die meisten Devianzformen aber auf den Relevanzbereich der Alterität referieren (vgl. den Abschnitt 5.2.3.2). Und es erklärt außerdem, warum ausgerechnet fast alle rekonstruierten Devianzformen, welche die Trainer verwenden, auf die fußballerische Kompetenz und auf bestimmte Positionen in den drei Mannschaftsteilen referieren. Die Verwendung von Devianzformen mit sportlichem Hintergrund ist für den Trainer insofern disfunktional, als er ja gerade an der permanenten Verbesserung der sportlichen Fähigkeiten der Spieler interessiert ist. Zudem könnte die Kategorisierung als sportlich deviant den Spieler glauben machen, der Trainer traue ihm keine positive Entwicklung zu, was wiederum die Vertrauensbasis erschüttern würde. Und wenn der Trainer in Arbeitssituationen des Einstellens für gegnerische Spieler oder Mannschaften Devianzformen benutzen würde, die auf deren sportliche Kompetenz referieren, muss er befürchten, dass dies seine Spieler überheblich werden lässt und sie infolgedessen den Gegner unterschätzen. Gewinnt Brünger den Eindruck, dass die Spieler sein kooperatives Verhalten ausnutzen, dass sie den Ernst der Lage verkennen und ein sorgloses Spielverhalten zeigen, greift Brünger in der Mannschaftssitzung zur Strategie des Dramatisierens der sportlichen Lage. Wie in der analysierten Mannschaftssitzung kontert Brünger taktische Disziplinlosigkeiten, etwa von Ralf Biebe, mit der Strategie des Drohens und des Unter-Druck-Setzens, wenn der Spieler die Disziplinlosigkeiten nicht einstellt und er auf die kooperative Fehlerbearbeitung des Trainers nicht reagiert. Im ethnografischen Interview deutet Brünger an, dass er forcierendere Strategien immer erst dann verwendet, wenn weniger forcierende Strategien nicht den gewünschten Erfolg hatten: ich hab erst versucht * n=paarmal ihm das * auf vernünftcher ebene zu erklärn * ich denk *jetz hab ich vielleicht den richtchen anschlag gefunden * weil ich gesackt hab ich hab keine problerne damit * wenn das so nit rund läuft ** dann biste weg vom fenster * nehm ich dich raus * un dann is sense * also richte dich danach was ich dir an vorgabe gebe * un das versuch umzusetzn * seh ich ansatzweise dass es so nit läuft * ich nimm dich sofort raus kannst glaubn * un das * machten vielleicht doch=n bisschen nachdenklich [SCH-25]. Dieser Interaktionsstil und die dabei angewandten kooperativeren rhetorischen Strategien sind der Grund dafür, dass die Spieler Brünger einerseits als einen menschlich feinen kerl kategorisieren und in ihm einen kumpeltyp (SCH- 49, Z. 558) sehen, dass andererseits die Führungsspieler diese kooperative Orientierung als eine Schwäche Brüngers betrachten. Im folgenden Ausschnitt ersetzt ein Führungsspieler das positive markierte Anspornen durch Längerfristige Trainer-Konzepte 371 das negative zusammenscheißen (vgl. die ähnliche Unterscheidung Platens zwischen Anspornen und aggressivem Tadeln in diesem Abschnitt). Torstens Ausführungen machen jedoch klar, dass er den Einsatz der unkooperativen rhetorischen Strategie nur für bestimmte Wettkampf- und Trainingssituationen und als Reaktion auf deviantes Verhalten von Mitspielern wünscht: 563 Torsten was vielleicht teilweise * etwas * äh * zu bea“nsta"nden is was ma ihm vielleicht au 564 scho ma * ab un zu gesagt hat is dass er in manchen situation * äh sar ich ma lauter 565 Tersten: oder energischerreagiern müsste von=ner bank * dass ma wirklich dass er nun äh was 566 Marcel: hm 567 568 569 570 Torsten: weiß ich auf=n äh * irgendwie * sar ich ma n * n=ansporn oder äh sar ich ma was negatives oder ein ma auch * wenn=s man kann zwar ein nit immer zusammscheisen aber wenn=s ma nötich is # auch ma ein wirklich klipp un klar sagen mensch # * hör KK: # KLOPFT MEHRFACH AUF DEN TISCH # auf mid der scheise un hin un her * un etwas lauter sich * einsetzen klar in letzter zeit 571 Torsten: muss ich sagen hat es sich * hat er=s etwas mehr gemacht un so aber insgesamt die 572 Marcel: hm hm 573 574 575 576 577 578 Torsten: ganze zeit * äh hat * könntest vielleicht etwas äh das is auch die meinung von manchen Spielern könnte es etwas * mehr oder energischer wobei er natürlich= n typ is der äh * der äh glaub ich au grundsätzlich dafür is er menschlich auch=n viel zu feiner kerl der nun als äh schreit un rummärt aber ab un zu sar ich ma is es vielleicht angebracht wem=man vielleicht wirklich ma * äh n=brüll auf=m Sportplatz losgelasen * würde ne [SCH-49] Torstens Kritik an Trainer Brünger ist insoweit zu relativieren, als er aus einer spezifischen Perspektive und auf Grund besonderer Umstände auf das Geschehen während des Wettkampfes blickt. Als Führungsspieler muss er darauf achten, dass die Mitspieler ihre Aufgaben erfüllen. Tun sie dies nicht, so ist er dazu berechtigt, ja, es wird von ihm sogar erwartet, dass er die Mitspieler auf das richtige Verhalten aufmerksam macht. Dabei steht der Führungsspieler vor mehreren Schwierigkeiten: Er ist selbst aktiv in das Spielgeschehen verstrickt und muss mit spielimmanenten Bedingungen wie Unwägbarkeit der Spielaktionen, schnellem Tempo, körperlicher, mentaler und emotionaler Involviertheit, die eine rationale und kooperative Orientierung erschweren, kontrolliert umgehen. Flinzu kommt, dass auch mannschaftsinterne hierarchische Verhältnisse und Anweisungen des Führungsspielers an den Mitspieler Aushandlungssache sind. Ein Tadel könnte den Widerspruch des Mitspielers provozieren etc. Zudem hat Kapitän Torsten (wie auch andere Leistungsträger) in dieser Saison ein unerwartetes und lange anhaltendes Leistungstief hinter sich das Publikum hatte mehrfach seine Auswechslung verlangt. Trotz der öffentlichen Rückendeckung durch Trainer Brünger (die potenzielln leistungsträger auszuwechsln des=is=sch/ * mein ichbin ich der 372 Reden und Spielen * Überzeugung * absolut der falsche weg, [SCH-12]) hat Torstens Status als Führungsspieler unter seiner Formschwäche gelitten. Wenn statt Torsten selbst nun Trainer Brünger, wie von dem Spieler gewünscht, während des Spiels die Mitspieler auf ihr Fehlverhalten hinweisen würde und auch noch mit Hilfe der rhetorischen Strategie des aggressiven Tadelns, hätte dies für Torsten einige Vorteile: Er würde sowohl von einigen Aufgaben eines Führungsspielers, die in der gegenwärtigen Situation für ihn mit einem gewissen Risiko verbunden sind, entlastet werden und er würde auch von seinem Frustrationsdruck auf Grund des Fehlverhaltens der Mitspieler entlastet werden. Ebenso wie Brünger und Platen charakterisiert auch Schleisiek, dessen Spielerführungskonzept ja als Sich-Austauschen, Überzeugen und Gutes-Klima- Schaffen bezeichnet wurde, auf deutlich positive Weise seine Spieler. Die ehemaligen Bundesligaprofis werden als pfeiler, als Vorbild für die Jungen, als integrationsfiguren bezeichnet und es werden ihre Erfahrung betont. Die Mängel der anderen älteren Spieler wie Rainer, die handballerisch den Ex- Profis logischerweise unterlegen sind und deren Entwicklung langsamer fortschreitet als die der jüngeren Spieler, nennt er zwar auch, doch endet deren Charakterisierung mit der Darstellung ihrer Bedeutung für das soziale System in der Mannschaft: 035 036 037 038 Schleis.: ja rainer noch von frühert * ist ja auch ein se"hr vernü'nftiger der eben auch schon durchaus erfä'hrung hat sicherlich- * «-selbst äh- * ni"cht die" lei'stung bri'ngen kann die andere bringn aber anso"nsten so als- * ja- -»verbi"ndungsmann in der ma"nnschaft als gu“te see'le auch ne durchaus wichtige rolle spieltf * und [K-10] Bei jüngeren Spielern dagegen streicht Schleisiek deren Entwicklungsfähigkeit heraus und seine Zuversicht, dass sie ihre Schwächen und die bereits erwähnten Leistungsschwankungen in den Griff bekommen werden. Typische rhetorische Strategien Schleisieks in Arbeitssituationen des Einstellens waren das Anspomen gerade in Einleitungssequenzen und im Unterschied zu Platen und Brünger vor allem das Anweisen. Gerade die Mannschaftssitzungen zeichnen sich durch vielfältige kurze Anweisungen an die Spieler aus, während Erklärungen und Verdeutlichungen des allgemeinen Spielkonzepts und der spezifischen Spielstrategie eher selten sind. Diese Beobachtung findet wiederum ihre Entsprechung in der Charakterisierung durch seine Spieler. Sowohl ältere als auch jüngere Spieler sagen, Thomas Schleisiek sei kein großer Trainer und habe fachliche Schwächen. Er könne keine taktischen Sachverhalte erklären und den Spielern nichts Neues beibringen: Längerfristige Trainer-Konzepte 373 306 Spieler: die ich so erlebt hab gibt=s natürlich gute und weniger gute ne * und * vom 307 fachlichen her ja thomas bringt mir nichts mehr bei ne aber wer wer will mir 308 jetzt noch was beibring in meim alter * zum beispiel so=n trainer wie kalla 309 rühse der hatte * für meine begriffe * is fachlich besser als thomas ne * ne [Ethnografisches Interview mit einem Spieler] Ein jüngerer Spieler meint sogar, einer seiner Mitspieler habe ihm mehr taktisches Wissen vermittelt und sei für ihn mehr Trainer gewesen als Schleisiek. Anders als Schleisieks Vorgänger Rühse, der in den Augen der Spieler handballverstand nz besitze, habe Schleisiek Schwierigkeiten, in Wettkampfsituationen den Überblick zu behalten, die Fehler zu erkennen, sie zu benennen und die richtigen Gegenmaßnahmen zu treffen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Schleisieks Wahl der rhetorischen Mittel keine Emotionalisierung bewirke, keine Begeisterung wecke, dass er kein feua auf die mannschaft übatragn könne: der kann: nich *ja grad gesackt der bringt kein feua rüba * ich kann das nich anders erklärn er kann thomas kann mich nich motiviern * durch seine art * in keina weise. Im Kleingruppengespräch hatte Schleisiek die rhetorische Strategie des Löbens angewandt, um seine für die Torhüter enttäuschende Mitteilung, sich noch nicht auf zwei Torhüter festlegen zu wollen, abzumildern. Die Mitteilung, seine Entscheidung noch aufzuschieben, und die Art der Realisierung, den Augenkontakt mit den Torhütern zu vermeiden, waren von den Spielern auch so verstanden worden, dass Schleisiek sich vor einer Entscheidung habe „drücken“ wollen. Interessanterweise lassen sich in den ethnografischen Interviews mit den Spielern zahlreiche Stellen finden, in denen sie Schleisieks Präferenz, in Gesprächen den Augenkontakt zu vermeiden, kritisieren und als deviantes Verhalten charakterisieren: er hat also kein mut * etablierten Spielern ** was zu sagn un wenn=a=s ihnen sacht * dann macht er=s ebn nich mit blickkontakt sondan äh trappelt rum un tritt auf=fa stelle oda geht zur Seite un * kuckt in der gegend rum aba kuckt dich nich an er sucht nicht die konfrontation nach dem motto so hier bleibst du jetzt stehn un das will ich dir jetz sagn * 2* weil ich der traina bin un du bist der spiela so * un wenn dir das nich passt dann gehst du ebn nach hause *2* da scheut er ganz einfach die * konfrontation. Auch hier ziehen die Spieler die Art und Weise, wie Schleisiek mit ihnen interagiert, als Grundlage für ihre Kategorisierungen und Charakterisierungen heran, was sich dann natürlich auch wieder auf die soziale Beziehung zwischen den Beteiligten auswirkt. Vgl. die ähnliche Formulierung ‘Fußballverstand haben’ für einen „ruhigen, sachlichen Trainer“ bei den Fußballern. 374 Reden und Spielen 7.4 Die Wahl rhetorischer Strategien als Bearbeitung von Paradoxien und Schwierigkeiten im professionellen Trainerhandeln? Bei der Analyse des gerade angesprochenen Kleingruppengesprächs zwischen dem Handballtrainer und seinen Torhütern war Schleisieks Verhalten, die rhetorische Strategie des Löbens zu wählen, als Verfahren bezeichnet worden, spezifische Schwierigkeiten seines Trainerhandelns zu lösen. Eine dieser Schwierigkeiten, in denen sich Trainer wie Schleisiek befinden können, ist es beispielsweise, Spieler im Training aufzubauen und ihnen das Vertrauen auszusprechen, dass sie in der Lage sind, die an sie gestellten Aufgaben erfüllen zu können bzw. dass sie mit seiner Hilfe auf diesen Weg gebracht werden, dass der Trainer aber notwendigerweise immer mehrere Spieler aus seinem Kader enttäuschen muss, indem er sie als Ersatzspieler und nicht als Spieler der Anfangsformation nominiert. Schleisieks Präferenz, in den Arbeitssituationen des Einstellens vor allem die rhetorische Strategie des Anweisens zu verwenden, ist m.E. als Versuch zu verstehen, mit den spezifischen Schwierigkeiten seiner Arbeitssituation produktiv umzugehen. Sein Kader ist sehr heterogen. Auf der einen Seite hat er erfahrene ehemalige Bundesligaspieler und Nationalspieler in seinem Kader, um deren große Erfahrung, um deren großes taktisches Wissen und um deren große Spielintelligenz er weiß, sodass er sich mit ihnen oft bespricht und sie um Rat fragt. Auf der anderen Seite hat er sehr junge Spieler in seinem Kader, die noch unerfahren und hohen Leistungsschwankungen unterworfen sind. Das heißt, dass Schleisiek vor der Bearbeitung von deviantem Spielverhalten für sich analytisch klären muss, ob das Fehlverhalten seiner jungen Spieler auf Unkenntnis, Unvermögen oder auf nicht steuerbare physiologische Prozesse zurückzuführen ist. Die spezifischen Arbeitsbedingungen beim THV Köttersen stellen Schleisiek vor die Schwierigkeit, in den kollektiven Besprechungssitzungen solche grundlegenden taktischen Sachverhalte seines Konzepts zu erklären und zu verdeutlichen, die einem Teil seiner Mannschaft schnell einleuchten bzw. die für diesen Teil der Mannschaft evident oder hinreichend bekannt sein können. Die Folge kann sein, dass sich diese Spieler langweilen und durch ihr Desinteresse und durch mögliche Nebenaktivitäten die Aufmerksamkeit der Mitspieler behindern. Viel gefährlicher ist aber für Schleisieks Ansehen, dass er sich mit dem Erklären seines handballerischen Konzepts und der spezifischen Spielstrategie als Trainer entlarven könnte, der über weniger taktische Kenntnisse verfügt als seine Spitzenkräfte. Diese Schwierigkeit lässt ihn zu der Strategie des Anweisens greifen, wobei er lediglich die erforderlichen Aktivitäten zur erfolgreichen Bewältigung der Aufgabe nennt und sie den einzelnen Spielern zuweist, ohne sie in ihrem Zusammenhang darzustellen und plausibel zu machen. Dies wiederum bestärkt die älteren Spieler in ihrer Annahme, dass Schleisiek ihnen nichts mehr beibringen könne, und trägt so dazu bei, dass es für Schleisiek noch schwieriger Längerfristige Trainer-Konzepte 375 wird, taktische Sachverhalte anzusprechen. Schleisieks Problemlösung stürzt ihn darüber hinaus in einen weiteren Konflikt: Die jungen Spieler, die eigentlich noch der taktischen Unterweisung bedürften, werden zwar durch die Anweisungen von Schleisiek informiert, was sie zu tun haben, ihnen wird aber nicht erklärt, wie sie es zu tun haben, sodass sie Schleisiek wie die älteren Spieler vorwerfen, er könne ihnen kein taktisches Wissen vermitteln. Die Problematik, in der Schleisiek steckt, lässt sich sehr gut am Interaktionsverhalten aller Beteiligten während einer Marmschaftssitzung (K-32) beschreiben, auf die hier zusammenfassend referiert wird: Schleisiek beginnt mit einer sehr kurzen Sachverhaltsdarstellung der eigenen Strategie. Anschließend stellt er die Gegenspieler mit ihren markantesten Merkmalen (Wurfverhalten, Körpereinsatz o.Ä.) vor und schließt unmittelbar eine Handlungsanweisung für denjenigen seiner Spieler an, der diesem Gegenspieler zugeordnet ist. Nachdem er geendet hat, äußert sich einer der ehemaligen Bundesligaprofis und fragt, ob man den entscheidenden Spieler des Gegners nicht in Manndeckung nehmen solle. Schleisiek wehrt zwar ab, mit dem Argument, das hätten andere Mannschaften auch schon versucht, doch in der Folge zweifeln auch jüngere Spieler Schleisieks Beschreibungen der Gegenspieler an. Schleisiek hat einige Mühe, die Mannschaftssitzung geordnet zu Ende zu bringen, und er muss immer wieder auf Einwürfe und Einwände der Spieler eingehen. Einen dieser Einwürfe der schießt ganz selten, den ein junger Spieler macht, kontert Schleisiek beispielsweise mit der Äußerung der schie'fit dann scho“n -^ralso i“ch hab si“cherlich vie“l mehr [VERÄCHT- LICH-AMÜSIERT] spie“le von denen gesehn# als dul. Mit der Äußerung macht Schleisiek geltend, dass er eine größere Kompetenz besitze als der junge Spieler. Die Kompetenz wird an dieser Stelle nicht belegt und nicht so fruchtbar gemacht, dass der Spieler daraus mehr Wissen über das Spiel des Gegners und über sinnvolle Gegenmaßnahmen ziehen könnte. So tragen beide Seiten, Spieler und Trainer, in den gemeinsamen Interaktionen dazu bei, dass Schleisiek sich als ein Trainer mit fachlichen Schwächen bzw. als Trainer ohne Autorität präsentiert. Halten wir zunächst fest: Trainer benutzen rhetorische Strategien, um bestimmte Arbeitsanforderungen zu erfüllen, die mit ihrer Trainertätigkeit verbunden sind und in diesem Fall Anforderungen des Einstellens auf das nächste Meisterschaftsspiel betreffen. Dieser Befund kann das sprachliche Verhalten in den ausschnittweise vorgestellten Situationen erklären. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal das eingangs dieser Arbeit präsentierte Beispiel. 001 Platen sof kö“nn wir ein momentt * ei"n moment wieder zuhö"rnT *2* ich weiß nich 002 wie viel zeit wir nachher- * da im sta"dion harn es is schon- * ziemlich spät- 003 *1,5* äh- * vielleicht auch ganz gut dann- * ste'hn wa nich zu lange inner *2* so'nnan dann ha"m wa vielleicht- * u: psl-* tschuldigungf 004 Platen: so'nne- * sonnan- 005 Marcel: 376 Reden und Spielen 006 Platen: schne*ll u’mziehn- *2* wa'rm machen- *1.5* gewi'nn- * un nach hau'se 007 Matth.: oewi'nn un na hause fahrnl 008 Platen: fahrni ** net # *3* ->so # ich hab mir ma so~<- * schwe'rpunkte- KK: # ENTFALTET BLATT PAPIER MIT DER AUFSTELLUNG # 009 Sven: un boriTssia kuckent [H-48B1] Die sprachlichen Aktivitäten Platens in den Zeilen 006 und 008, die von Matthias und Sven (vorgreifend) ergänzt werden, sind wie wir jetzt wissen als anspornende Äußerungen zu Beginn der Mannschaftsbesprechung zu verstehen. Mit ihnen projektiert er die anstehende Aufgabe als bewältigbar und demonstriert eine optimistische positive Sicht auf die Welt. Wie die Ergänzungen von Matthias und Sven zeigen, teilen die Spieler die optimistische Sicht Platens und sehen das Spiel ebenfalls als lösbar an. Danach wechselt Platen jedoch die Strategie und wählt die Strategie des Instruierens, die er über ca. neun bis zehn Minuten beibehält, bevor er zum Schluss wieder die Strategie des Anspornens wählt. Eine Durchsicht des Korpus zeigt, dass die Wahl bestimmter rhetorischer Strategien keinen Ausnahmefall darstellt, sondern dass Trainer zu verschiedenen Punkten des Arbeitsprozesses bestimmte rhetorische Strategien anwenden. Des Weiteren fällt auf, dass sie bestimmte stabile, oft wiederkehrende Strategiekombinationen wie das eben dargestellte Muster „Anspornen- Instruieren-abschließendes-Anspornen“ oder das Muster „Erst-Tadeln-dann- Aufrichten“ einsetzen. Außerdem treten Fälle wie der folgende auf, bei dem der Trainer eine rhetorische Strategie anwendet, die aus Bestandteilen zweier verschiedener Strategien besteht: 173 174 175 176 Brüng. KK: #spie"lerf# de"nk bitte tranf * etwas ä'bgezockt zu spie'lenf ** a N ngaschie"rt~ * im »SPITZNAME VON STEFAN WERNER# zwetkampff * was defensivverhalten anbetrifftf ->nimm die leu'te aufspie'1 entsprechend«a"ggressivf ich de"nk du bi'st mi"ttlerweile fa"st wieder soweit- * dass ich- * behaupten mö“chte du wä'rst fa“st wieder bei alter stä'TkeP * aber 177 Brüng.: ma“ch bitte ni'cht <-den seu"chenfe"hler den de oftmals ma''chstP * <ba*ll ne'hm- * 178 Stefan: jaf 179 Brüng.: ich se“h den rau''m~ a“cht meder vo'Ylegen un lo‘'srennP * >->spie’lt middennander 180 Stefan: 181 Brüng.: 182 WßballP * versucht wirklich au auf den e'ngen rau“m middenander fu'ßball zu spielnP plei'b in der linken seile- <-re"d mit bei’den ra'lfsP du bist derjenige der Längerfristige Trainer-Konzepte 377 183 Brüng.: KK: 184 Brüng.: KK: 185 Stefan: [SCH-20A] dazwischen stehtJ- * jat ** un im positiven sinni nil #->was maShst du denn da # ASPIRIERTER; IMITIERT für ne scheiSe-# net <-das hilft uns heu‘de überhaupt nit weidert ->heu"de „MOTZIGEN" TONFALL# iat klart klarl In diesem Beispiel beginnt Trainer Brünger das Einzelgespräch mit der Strategie des Anweisens, schließt jedoch in Zeile 175 anspomende Äußerungen an, die vielfach abgeschwächt und relativiert sind und als strategische Äußerungen zu verstehen sind: ich de"nk du bi“st mi“ttlerweile fa“st wieder sowei“t~ * dass ich- * behau“pten mö“chte du wä“rstfa“st wieder bei a“lter stä“rkei. Anschließend wechselt Brünger erneut zurück zur Strategie des Anweisens. Warum greifen Trainer bei verschiedenen Interaktionsereignissen immer wieder zu bestimmten rhetorischen Strategien? Warum wechseln sie rhetorische Strategien? Warum verwenden sie bestimmte stabile, oft wiederkehrende Strategiekombinationen? Warum verwenden sie in bestimmten Situationen Strategiekombinationen, deren einzelne Strategien nicht so klar zu trennen sind, sondern quasi Mischstrategien darstellen? Warum verwenden Trainer wie Platen eine Strategie wie die des Instruierens über längere Zeiträume von zehn Minuten? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, will ich auf das Konzept der Paradoxien professionellen Handelns zurückzugreifen. Dilemmata und Paradoxien professionellen Handelns sind schon seit je her ein Untersuchungsfeld der strukturfimktionalistischen Theorie wie auch der interaktionistischen Theorie gewesen (vgl. Schütze 1996). Gerade letztere hat sich zunehmend auf konkrete Arbeitsabläufe in professionellen Welten konzentriert (vgl. Glaser/ Strauss 1968, und Strauss u.a. 1985, die Professionswelten der Medizin untersuchen). Schütze (1996), der Organisationszwänge und hoheitsstaatliche Rahmenbedingungen des Sozialwesens betrachtet, nennt verschiedene unaufhebbare Grund- und Grenzprobleme der Profession an sich: Professioneller und Klient befänden sich in einem „im Kern paradoxen sozialen Verhältnis“ (a.a.O., S. 193): Einerseits bestehe ein unaufhebbares Wissens-, Könnens- und Machtgefälle, andererseits müssten beide ein Arbeitsverhältnis des Konsenses, des Vertrauens und der Freiwilligkeit aufbauen. Eine der sich daraus ergebenden Paradoxien sei, allgemeine Typenkategorien des professionellen Wissens auf den spezifischen Fall bzw. das spezifische Projekt anwenden zu müssen. Dabei verändere sich die Projekt- und Fallentwicklung durch das Leben der Klienten und der Professionellen stets fortlaufend. Allgemeine Wissensbestände des Professionellen zur Kategorisierung und Typisierung des Projektes bzw. des Falles könnten nur nach genauer Analyse angewandt werden. Trotzdem könne sich der Professionelle nie sicher sein, das sich ent- 378 Reden und Spielen wickelnde Projekt bzw. den Fall angemessen erfasst zu haben, da zudem die Kategorien und Typisierungen durch gesellschaftliche Rahmenveränderungen und durch die Projekt- oder Fallentwicklung sich verändern und nicht mehr greifen könnten. Daher müsse der Professionelle fortlaufend neue Kategorien und Typisierungen finden und stets neue respezifizierende Analyseschritte unternehmen, was wiederum seine professionelle Sicht auf das Projekt oder den Fall verändere. Eine zweite Paradoxie sei, auf Grund einer unsicheren empirischen Basis Prognosen über die Fall- und Projektentwicklung abgeben zu müssen. Eine dritte Paradoxie sei, entscheiden zu müssen, ob man lieber abwarte, wie sich der Fall bzw. das Projekt „natürlich“ entwickele, oder ob man mächtige Verfahren anwende und interveniere und zu welchem Zeitpunkt man in die Fallentwicklung eingreife (a.a.O., S. 192 ff). Gib es Paradoxien und Dilemmata auch in der professionellen Arbeit für die Trainer und welche sind dies? Können die von den Trainern gewählten Strategien eventuell als Versuche verstanden werden, für diese Paradoxien und Dilemmata Lösungen zu finden? Unter Paradoxien verstehe ich in Analogie zu Schütze grundlegende und unaufhebbare handlungslogische Widersprüche. Diese wirken sich auf verschiedene (und gelegentlich auf dramatische) Weise aus. Sie werden im Flandeln oft in Entscheidungssituationen erkennbar, die für die Beteiligten dilemmatisch sind - Situationen also, bei denen jede Entscheidung Nachteile mit sich bringen wird. Im Wesentlichen sind wohl folgende Paradoxien und Dilemmasituationen im Trainerwesen zu nennen: Im spezifischen sozialen Verhältnis zwischen dem Trainer, den Spielern und den Vereinsverantwortlichen können immer wieder Dilemmasituationen auftauchen. Nur im theoretisch anzunehmenden Idealfall handelt es sich um ein konsensuelles, vertrauensvolles und freiwilliges Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten. Tatsächlich jedoch spielen die Interessen der Spieler in den meisten Vereinen des gehobenen Amateursports eine untergeordnete Rolle: Z.B. werden in der Regel Trainer verpflichtet, ohne dass die Spieler bei der Auswahl beteiligt sind. Vereinsverantwortliche entlassen Trainer dann, wenn die Mannschaft erfolgloser als erwartet spielt und das gesetzte Ziel nicht erreicht zu werden scheint. In diesen Situationen, die sich über einen längeren Zeitraum aufgeschichtet haben, empfinden Spieler, Trainer und Vereinsverantwortliche den anhaltenden Misserfolg als Leid, auf das sie reagieren wollen, wobei sie aber nicht mehr genau wissen, was sie noch alles tun und verändern sollen. Ihre Erwartungen, sie hätten die Ursachen für ihre Probleme gefunden und erfolgreich bearbeitet, sind durch die mehrfache und gehäuft auftretende Wiederholung des Misserfolgs enttäuscht worden. Ihre Situation lässt sich in der Terminologie des symbolischen Interaktionismus als „Verlaufskurve“ (Strauss/ Glaser 1970 und Schütze 1987b) bezeichnen. Die Vereinsverantwortlichen, die sich zum Handeln und zur Veränderung gezwungen sehen, versuchen aus dieser Verlaufskurve herauszukommen, indem sie die Trainer entlassen. Sie verpflichten dann aber meist Längerfristige Trainer-Konzepte 379 nicht den Trainer, der am besten zu ihrer Mannschaft passen würde, sondern den Trainer, der auf dem „Trainermarkt“ zur Verfügung steht und der für sie bezahlbar ist. Meistens stehen die Vereinsverantwortlichen dabei unter erheblichem Entscheidungsdruck, da die meisten Trainerentlassungen und -neurekrutierungen nicht in der spielfreien Zeit, sondern während der laufenden Saison erfolgen. Im Durchschnitt wechselt ca. ein Drittel der Vereine während der Saison den Trainer aus. Dabei stehen die Vereinsverantwortlichen vor dem Problem, einen Trainer verpflichten zu müssen, ohne dass sie genau hätten analysieren können, was die Charakteristik der Verlaufskurvenproblematik ist. Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass die Vereinsverantwortlichen oft keine Professionellen sind, die über das analytische Wissen verfügten, um den Fall richtig zu kategorisieren. Auch können sie oft nicht beurteilen, wie die sportlichen, pädagogischen und didaktischen Konzepte des neuen Trainers zu bewerten sind und ob der Trainer sie auch umsetzen kann. Passt er zu der Mannschaft und passt die Mannschaft zu ihm? Verfügt er über die sprachlichen Fertigkeiten, seine Konzepte zu vermitteln, und wird er sie auch umsetzen? Aufgabe des neuen Trainers ist es nun, die Ursachen, die zu der Verlaufskurve geführt haben, zu bearbeiten und solche Strategien einzustudieren, die das Wiederauftreten der Verlaufskurvenprobleme im Spiel unterbinden. Strategien also, die auch dabei helfen sollen, Auswirkungen neuartiger Verlaufskurvenprobleme, die im Wettkampf auftreten kömren, gering zu halten. Problematisch ist für den neuen Trainer, dass er den Fall in seiner spezifischen Problematik gar nicht kennt, dass er seine neuen Spieler nicht kennt, dass er nicht wissen kann, ob er mit den Spielern den Fall überhaupt lösen kann. Und vor allem ist problematisch, dass er in den meisten Fällen nicht die Zeit besitzt, dem Fall wirklich auf den Grund zu gehen, da das nächste Meisterschaftsspiel unmittelbar ansteht. Gerade Trainer, die während einer Saison einen Verein übernehmen, müssen von Beginn an in Wettkämpfen ihre Qualitäten unter Beweis stellen obwohl die Wettkämpfe immer auch Examenssituationen sind, in denen sowohl Spieler als auch Trainer die weitere Fallentwicklung, die Bearbeitung der Verlaufskurvenprobleme und die Tauglichkeit von Strategien unter realen Bedingungen überprüfen. In spezifischer Weise problematisch ist für Trainer und Spieler das Verhältnis von Individualwohl und Kollektivwohl. Auf der einen Seite muss der Trainer danach trachten, Erfolge oftmals kurzfristig zu erzielen, damit er nicht entlassen wird. Auf der anderen Seite benötigt der Trainer aber eigentlich Zeit, um die Mannschaft und die Spieler langfristig aufzubauen und zu stabilisieren und sie in einem über den Tag hinausreichenden, erfolgreichen Spielkonzept zu unterweisen. Misserfolge können dem Trainer dabei helfen, seine Mannschaft auf Fehler aufmerksam zu machen. Dieses Dilemma kann dazu führen, dass er um seine Entlassung zu vermeiden junge Spieler „verheizt“, dass er sie einsetzt, obwohl sie eigentlich langsam an den Senioren- 380 Reden und Spielen sport herangeführt werden müssten und Ruhepausen benötigten, dass er verletzte Spieler zum Einsatz zwingt, die der Regeneration bedürften, oder dass er seine Spieler in entscheidenden Spielen zu einem körperlichen Engagement verpflichtet, das zu Verletzungen führen kann. Er kann auch seine Mannschaft emotionalisieren und euphorisieren, sodass sie zwar übernatürliche Willensreserven mobilisiert und über ihren eigentlichen Möglichkeiten spielt. Das kann aber auch zur Folge haben, dass sie sich taktisch nicht weiterentwickelt, sondern „überdreht“. Oder aber der Trainer stellt sein eigenes Interesse eher hintan und konzentriert sich auf das Kollektivwohl der Mannschaft und ihre längerfristige taktische und spielerische Weiterentwicklung. Dies kann jedoch gerade zu Beginn der Unterweisung in ein neues Spielsystem leicht zu Niederlagen oder zu Rückschlägen führen und sich für die Karriere des Trainers als nachteilig erweisen. Für den Spieler ist problematisch, dass er einerseits auf das Kollektivwohl der Mannschaft oder seines Vereins achten, dass er aber andererseits seine individuellen Interessen verfolgen muss. So kann es für ihn gerade sinnvoll sein, den Verein zu wechseln oder sich in einem entscheidenden Spiel so überlegt und vernünftig zu verhalten, dass er sich nicht verletzt und seiner Tätigkeit als Spieler weiter nachgehen kann, auch wenn sein kontrollierter Einsatz den Abstieg der Mannschaft zur Folge haben könnte. Eine Paradoxie des Trainerhandelns ist, wie bereits erwähnt, einerseits Spieler im Training aufzubauen, sie andererseits in Wettkampfsituationen durch die Versetzung auf die Ersatzbank oder Tribüne zu enttäuschen, einerseits den Spielern Vertrauen entgegenzubringen, dass sie so trainieren und sich im Wettkampf einsetzen werden, dass sie die Aufgabe bewältigen werden, andererseits ihnen immer misstrauen und ihre Leistung einer kritischen Analyse unterziehen zu müssen. Des Weiteren ist paradoxal, dass wie Trainer Platen reflektiert die Trainer einerseits Spielstrategien entwerfen, schematisieren und programmieren müssen, um die eigenen Stärken zu optimieren und die Schwächen des Gegners gezielt auszunutzen. Andererseits aber sind die zukünftigen Ereignisse des Spieles unplanbar, sodass die Trainer die Spielstrategiedarstellung so vage halten müssen, dass die Spieler sich ihrer Freiheiten bewusst werden, auf Grund von situativen Bedingungen improvisieren und das Schema abändern zu können und zu dürfen. Als letzte Trainerparadoxie soll an dieser Stelle noch das Problem genannt werden, dass der Trainer auf der einen Seite stets (und in besonderem Maße in der flalbzeitpause) die Vergangenheit bewältigen und konsequent alle relevanten Fehler bearbeiten muss, dass er auf der anderen Seite aber der Mannschaft eine Zukunftsorientierung geben muss, um sie auf die kommenden Ereignisse vorzubereiten. Gerade in Situationen wie der Halbzeitpause, die zeitlich begrenzt sind, ist der Trainer darauf angewiesen, das richtige Verhältnis zwischen der Bearbeitung von Problemen, die in der ersten Halbzeit aufgetreten sind, und der Vermittlung der Problemlösungsstrategien für die zweite Halbzeit zu finden. Längerfristige Trainer-Konzepte 381 In Arbeitssituationen des Einstellens bearbeiten Trainer den Widerspruch zwischen den gegebenen situativen Anforderungen und den Voraussetzungen der Mannschaft und der Spieler, diese Anforderungen zu erfüllen. Die Professionalität von Trainern erweist sich gerade darin, dass sie über rhetorische Strategien und Strategiekombinationen verfugen, mit denen sie diese Einstellenssituationen und auch die paradoxale Grundstruktur ihres professionellen Handelns sowie ihre dramatischen Auswirkungen auf ökonomische Weise und jederzeit bewältigen. Die Kombination der Strategie des Dramatisierens der sportlichen Lage, in deren Verlauf ausführlich und paradigmatisch die Spielweise Haasens thematisiert wird, mit dem anschließenden Anweisen erlaubt es Brünger, erst die Bedeutung des konkreten Spiels zu betonen, dann einen Bestandteil seines längerfristigen fußballerischen Trainer-Konzeptes (die grundordnung in der Defensive) zu fokussieren. Das Unter-Druck-Setzen im Einzelgespräch und das Drohen in der Mannschaftssitzung dienen der Demonstration seiner Distanz. Einerseits stellt der Trainer die Spieler auf und gibt ihnen eine Chance, andererseits zeigt er seine prinzipielle Bereitschaft und seine Distanz an, die Spieler im Falle der Nichterfüllung ihrer Aufgaben sofort auszuwechseln. Das Anspornen dagegen dient der expliziten Demonstration des Vertrauens. Das Anweisen wiederum ist eine ideale Strategie, die komplexe Spielstrategie zu schematisieren und an die wesentlichen Anforderungen zu erinnern. Trainer Platen, der die Strategie des Instruierens in der Mannschaftssitzung anwendet, stellt auf der einen Seite die für die spezifische Aufgabe entwickelte und schematisierte Spielstrategie dar. Auf der anderen Seite konkretisiert und problematisiert Platen sie durch das Konstruieren von möglichen Spielsituationen, was wiederum die Situativität und Vagheit der Strategie und damit die Notwendigkeit verdeutlicht, dass jeder Spieler im Spiel improvisieren muss. Zudem ordnet das Instruieren die ausgewählte Spielstrategie als eine Variante unter vielen verschiedenen Spielstrategien ein. Mit ihm klärt Trainer Platen den Bezug zum langfristigen sportlichen Konzept und leitet die Spieler an, immer komplettere Spieler zu werden: Die Spieler lernen, ein Spiel vorausschauend zu planen, sie lernen aber auch so viele Spielstrategien kennen, dass sie im Fall des Improvisierens schnell zwischen möglichen Alternativen wählen können. Die stabile Strategiekombination nach dem Muster „Erst- Tadeln-dann-Aufrichten“ in der Halbzeitpause löst in praktischer und ökonomischer Weise das Paradoxon Vergangenheitsbewältigung vs. Zukunftsorientierung. Da die Halbzeitpause durch den Schiedsrichter und nicht durch den Trainer festgelegt wird, ist es sinnvoll, das Muster in einer Kurzrepräsentation voranzustellen und in mehreren nachfolgenden Schüben zu vertiefen, bis eine Sättigung erreicht ist. Begänne der Trainer erst mit einer ausführlichen Vergangenheitsbewältigung, könnte er Gefahr laufen, keine Zukunftsorientierung mehr liefern zu können, weil der Schiedsrichter zur zweiten Halbzeit gepfiffen hat. Das Loben hilft Trainer Schleisiek, wie bereits geschildert, bei der Bewältigung des Paradoxons, alle Spieler einerseits aufzu- 382 Reden und Spielen bauen und ihnen Mut zu machen, andererseits immer einige von ihnen enttäuschen zu müssen. Der häufige Rückgriff auf rhetorische Strategien und das Festhalten an einer Strategie über lange Zeiträume bergen für den Trainer jedoch besondere Gefahren. Eine kleinere Gefahr ist, dass Spieler und Manschaft die zu oft oder zu lange angewandte rhetorische Strategie des Trainers als strategisches Mittel erkennen, dass sie die Strategie fokussieren und die Sachverhalte, die er mit ihr transportiert, eher in den Hintergrund rücken. Die rhetorische Strategie mit ihrem interaktionellen Wirkungspotenzial nutzt sich gleichsam durch Gewöhnung ab. In extremen Fällen kamt das Verwenden von rhetorischen Strategien dazu führen, dass der Spieler das Verhalten des Trainers als strategisches Verdecken und Verschleiern seiner wahren Absichten interpretiert und es ihm als kalkulierte Unaufrichtigkeit auslegt, so wie im folgenden Beispiel, das aus einem ethnografischen Interview mit einem Spieler stammt. Im Ausschnitt wirft er seinem Trainer vor, ihm im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung für die erste Mannschaft und die Versetzung in die Reservemannschaft nicht die Wahrheit gesagt und ihn angelogen zu haben: Y: dies jahr das war so-n punkt wo ich ihm gesucht hat franz da hast du mich angelogen das is einfach scheise * da hat er versucht sich rauszureden ich wusste ganz genau dass es anders war * da hat er zu mir gesucht vor dem spiel gegen * gegen biestlau war=s glaubeja * da hab ich mitgekricht da hab ich dem schnalle über die Schulter geguckt da hat der schnalle mich für die zweite aufgeschrieben ich sach was machst du denn da das is doch zweite mannschaft * da hat schnalle gesucht das hat mir der trainer grade gegeben so steht=s hier im buch * bei der ersten biste net dabei * da bin ich zum franz hin hörma franz * fahr ich mit nach biestlau * da hat derfranz gesucht das weiß ich noch net * un da hab ich mir gedacht das kann nu einfach net angehn hm * un hab gesucht na das is aber komisch ich sach beim schnalle im buch steht ganz was anderes * [leiser, weiter im Hals gesprochen, verlegene Stimme von Franz imitierend] ah ich wollte dir das eigentlich gestern a: md erzäh/ äh morgen a: md erzähln * wir wollden das im Vorfeld klärn# ich sare franz du brauchst mir nix mehr zu erklärn ich sach das is einfach scheise * hab mich rumgedreht bin gegang * da red ich vierzehn tare später mit ihm drüber da hab ich ihm gesucht ich find das einfach scheise dass de mich da angelogen hast * das kannste einfach net machen * hat er sich versucht rauszureden aber * schlicht und ergreifend damals hat er hald gelogen ne * un ich denk mir da wird er vleicht in zwei drei situation * vleicht vorjedem spiel mit irgendnem spieler * aber vielleicht is das auch ganz einfach so * dass wenn de halt n=kader mitfuffzehn sechzehn leuden hast dass es gar net anners geht um die leude ers ma ruhich zu holden ne * weiß ich net is möglich * aber gut wie gesackt das sin halt alles entscheidungen * die * die er als trainer trifft un die er zu verantworten hat * so lange das gut geht un solange du" eins null durch=n abgefälschtes tor gegen schonen-rauendahl gewinnst * macht der immer alles richtich * un wenn wer dadurch in der verbandsliga bleim * ist derfranz der beste trainer der weitfür alle * un wenn wer absteigen sagen se alle * absoluter idiot * der hat so vielfalsch gemacht [ Verlaufsprotokoll SCH-47\. Längerfristige Trainer-Konzepte 383 Interessant ist an dieser Stelle, dass der Spieler, obwohl er aus seiner Perspektive das Verhalten des Trainers als unaufrichtig kritisiert, er es aus der Perspektive des Trainers als eventuell vernünftig einschätzt, um mit den strukturellen Bedingungen der sozialen Welt umzugehen und Unruhe im Kader bis kurz vor Spielbeginn zu vermeiden. Und aus der Perspektive der Zuschauer und gegebenenfalls des Vorstands schätzt der Spieler dieses Verhalten als legitimes Verhalten ein, allerdings nur so lange, wie der Trainer Erfolg hat. Problematischer scheint jedoch noch eine andere Gefahr zu sein. Rhetorische Strategien dienen wie gesagt vor allem dazu, bislang nicht ausreichend vorhandene Voraussetzungen zur Bewältigung der Aufgaben zu schaffen. Damit werden zugleich grundlegende Paradoxien des professionellen Handelns (zunächst ausreichend) bearbeitet und in den Hintergrund gerückt. Gerade weil die Beteiligten die paradoxalen Grundstrukturen zum Teil und vorübergehend ausblenden bzw. sie nicht auf sich beziehen, wird eine Bewältigung der anstehenden Aufgaben für sie möglich. So wird eine Leistungssteigerung eines jeden Spielers und letztendlich des Kollektivs dadurch erreicht, dass alle Spieler daran glauben, durch ihren Trainingsfleiss und -einsatz vom Trainer eine Chance auf einen Platz in der Mannschaftsaufstellung zu erhalten obwohl ihnen allen eigentlich klar sein müsste und auch ist, dass es mehr Kandidaten als Plätze gibt und der Trainer sich immer für und gegen einige ihrer Mitspieler entscheiden muss. So weiß der Trainer, dass der Spieler sein Vertrauen benötigt, die an ihn gestellte Aufgabe lösen zu können, und deshalb schenkt der Trainer dem Spieler durch die Berücksichtigung für die Stammmannschaft auch sein Vertrauen obwohl er eigentlich auch kalkulieren und dies auch in seine Überlegungen einbeziehen muss, dass sein Spieler möglicherweise an der Aufgabe scheitert, weil bspw. sein Gegenspieler ihm überlegen ist. Und der Spieler vertraut dem Trainer, dass dieser ihm alle relevanten Informationen über den Gegner geben wird obwohl der Spieler eigentlich wissen müsste und dies auch weiß, dass das Verhalten des Gegners für den Trainer nie vollständig vorhersagbar ist. Die Beteiligten handeln und verhalten sich also zeitweilig so, dass sie paradoxale Grundstrukturen ausblenden oder nicht auf sich beziehen. Selbst wenn ein Trainer seinen Spielern die Grundstrukturen verdeutlicht, muss er sie doch ein Stück weit suspendieren, um mit seinen Spielern arbeiten zu können. Dabei holen diese paradoxalen Verhältnisse die Beteiligten immer wieder ein. Dies kann sie in die Frustration treiben. Wenn die Beteiligten auf das Bewusstwerden der paradoxalen Grundstrukturen dadurch reagieren, dass sie übermäßig oft oder übermäßig lange oder gar ausschließlich auf ihre professionellen Instrumente „rhetorische Strategien“ zurückgreifen, können die Frustrationen und Widersprüche für sie unlösbar werden, gerade weil sie so lange mit Strategien argumentieren. Die übermäßige oder ausschließliche Verwendung rhetorischer Strategien kann krisenhafte Verlaufskurven auslö- 384 Reden und Spielen sen, die den einzelnen Spieler, die Mannschaft, den Trainer selbst gefangen nehmen. Einem Spieler, dem der Trainer zu oft Hoffnungen auf einen Stammplatz gemacht hat, der dann aber permanent enttäuscht worden ist, können rhetorische Strategien allein nicht aus seinem Dilemma helfen; eine Mannschaft, die vom Trainer zu lang und ausschließlich angespomt worden ist und der stets ein Sieg in Aussicht gestellt worden ist, wird an dem sonst so probaten professionellen Mittel der rhetorischen Strategie zweifeln, wenn sie nur Niederlagen erlitten hat: Sie ist praktisch eine „tote“ Mannschaft. Dies verdeutlicht folgender Ausschnitt aus einem ethnografischen Interview. Der Spieler rühmt auf der einen Seite die Fähigkeit des früheren Huker Trainers Volker Camenberg, seine Spieler über die Stärken des jeweiligen Gegenspielers detailliert zu instruieren. Auf der anderen Seite führt er die Detailliertheit und Genauigkeit des Trainers, die Stärken des Gegners mit den Fähigkeiten der eigenen Mannschaft ehrlich und realistisch zu vergleichen (also die Kräfteverhältnisse nicht zu verschleiern) als Grund dafür an, warum die Mannschaft am Schluss auch nicht mehr habe gewinnen können: Z: [Volker Camenberg] also der hat dir genau erzählt der nimmt den ball * dreht sich links rum oder rechts rum oda oda genau wenn der ball auf den rechten fuß kommt dreht er sich links rum also der hat dir genau “ gesackt wie wie der sich bewe.cht der gegnspiela ** aba der hat dann auch die * also=n gegnspiela [*3* Begrüßung eines Gastes nicht transkribiert] oft ahm * ja so stark geredet da dachte man * [...] man dachte manchma man spielt gegn ähm * ja gegen ne nationalmannschaft ne oda oda wenn a dann geschwärmt hat von von leverkusen [Amateurmarmschaft des Bundesligavereins] * wie gut * wie gut die sind und ähm booh die gehn ab sicha dat * is ne gute mannschaft aba wenn ich so viel üba die erzähle un imma nur dat positive un er sacht * da ham wir keine schangse gehn gegn * setzt sich dann doch fest un das war * also hintaher ** auch mit=n * ausschlach oda oda oda oda war=n grund * dass wir kein erfolg mehr hatten weil * der hat uns au nur noch * schlecht geredet. [ Verlaufsprotokoll H-54B/ 55A] Gefährliche Momente, in denen sich Trainer in rhetorischen Strategien verstricken können, lassen sich an Expansionen, an Relativierungen erkennen. Und sie lassen sich daran erkennen, dass Trainer Kontexte präsent halten, die sich ausschließen bzw. die eine Orientierung für die Spieler erschweren etwa in der Art, dass der Trainer dem Spieler sagt: „denk an Handlung A, aber denk auch an Handlung B“. Als Beispiel präsentiere ich einen Ausschnitt aus einer fast zwanzigminütigen Spielersitzung. Es ist für Trainer Platen die erste Spielersitzung, seitdem er die Mannschaft von seinem Vorgänger übernommen hat. Zu Beginn der Sitzung hat Platen, der sich seiner präferierten rhetorischen Strategie des Instruierens bedient, an der Tafel mit Kreide zwei Aufstellungsvarianten skizziert (eine defensivere und eine offensivere) und zwei prinzipielle Aspekte seines Trainerkonzeptes erklärt (das ständige Besetzthalten der zehn Feldpositionen und die freie Positionswahl der Feldspieler, s.o.). Anschließend hat er die geplante Aufstellung und die jeweiligen Aufga- Längerfristige Trainer-Konzepte 385 ben der Spieler sowie die mögliche Aufstellung des Gegners auf der Tafel markiert, und seiner Mannschaft einen möglichen Gewinn des anstehenden Spiels projiziert. Platen scheint die Spielersitzung zu schließen, indem er den Treffpunkt und die Ersatzspieler benennt, die zu den genannten elf Spielern der Startelf hinzukommen sollen, und indem er eine den Handlungskomplex ausleitende Frage an die Spieler richtet: irgendwelche- * <fragn offeri\: 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 Plat.: dazu- * eric~ * >wen hab ich noch- * na thorsten- ** kevin muss ich gleich ma sehn- ** der schlichten- und divert- ** irgendwelche- * <fragn offent * weil ich mach heut nich zu vieltsonnan dat is dat wichtigste denk ich mitf * ich hab mal draußen anklingn lassn- * mit mit äh a"ngreifen frühzeitich a'ngreifen J- * hier wenn der ge: chna hier #^3 in ballbesitz ist- * rü'ckn KK: # 43 DEUTET AUF LINKES DEFENSIVES MITTELFELD DES GEGNERS# 43 halbwe: chs zum zum spielfeldtzu"machentzu'machentzu“machent- * aba dat müssen wa ü“bntda müssn wa probiernt- * jat et ge"ht nich- * dass- * ei“na macht da zu- * und der kuckt auf eima im rückn da stehn- * zwei ge: chna stehn frei- * un der- * läuft sich die bl/ brand- * blasn- * und * kommt nie'mand dazut- * nur we’nn man- ’ angreift- * dann müssen imma- * drei vie"rt- * i“n der umgebungt- * sich vaschiebnt- * und- * angreifentei’na geht drauf aba dann müssn- * # 44 hie'r die müssen alle mitmachent- # 44 * ja dat gleiche gilt KK; # 44 DEUTET AUF HUKES RECHTES OFFENSIVES MITTELFELD# 44 wenn wenn # 43 a hie’r ist- * der geht drauf- * un hie“r die Umgebung # 43 muss i“mma mitmachent- KK: # 45 DEUTET AUF HUKES LINKES OFFENSIVES MITTELFELD# 45 * un zwi’ngn fehla zu machent- * vor alln dingn wemm man hie"/ hie"r oda hie"r sich=n ball erkämpftt- * dann bin ich ja nur noch- ** dreißich meta vom tor wecht- * >un bei zwanzich kann ich scho ma schießen-! - * ne- * <wenn ich=n hie"r erkämpfe dann muss ich wieda langsam aufbaun und hab achtzich- * siebzich achtzich metaJ- * zu übabrückent- * ne wenn ich=n hier habe- ** >sind et nur- * dreißicht- * fümmnzwanzicht- * >dann kann ich schon ma=n ausgewachsenen torwa: t valetzent- * jat * sot- * <is manni schon dat ** >na muss ich [H-26A] Die anvisierte Beendigung des handlungsschematischen Komplexes wird von Platen nach seiner Ratifizierungsfrage kurz begründet: weil ich mach heut nich zu vieler sonnan dat is dat wichtigste denk ich miti (Z. 250f.). Doch trotz dieser Relevanzhochstufung des bereits Thematisierten und der angesprochenen Fülle der Informationen und obwohl die Spielersitzung bereits ca. 18 Minuten andauert, droht Platen sich in einer weiteren Runde des Instruierens zu verstricken. Ausgelöst wird dies dadurch, dass er an eine Anweisung aus dem Training erinnert, die auf das frühzeitige Angreifen des Gegners referierte: zu“machend zu“machend zu"machen-l (Z. 253). Platen verweist zwar zunächst darauf, dass man diese spezifische und situativ gebundene Art des frühen Angreifens im Training praktisch üben müsse. Er fährt jedoch fort, die richtige Art des Angreifens detailliert zu erklären und an der Tafel zu skizzieren. Die Gefahr besteht jetzt darin, dass Platen komplizierte Wissensbestände einführt, welche die Spieler nicht praktisch umsetzen können und für die sie (Übungs-)Zeit benötigen. Zudem besteht die Gefahr darin, dass die neu eingeführten Wissensbestände des frühen Störens jene Wissensbestände überlagern, die Platen zuvor ausführlich dargestellt und die er für das Spiel als die wichtigeren Wissensbestände ausgewiesen hatte. Platen löst sich aus 386 Reden und Spielen der drohenden Verstrickung, indem er den positiven Nutzen des zuletzt angesprochenen Sachverhaltes ironisiert. Er macht den Spielern plausibel, dass sie sich so ein langwieriges, komplizierteres Aufbauspiel aus der eigenen Abwehr ersparen und schneller zu Schüssen aus kurzer Distanz auf das gegnerische Tor kommen können: wenn ich=n hier habe- ** >sind et nur- * dreißich-i * fümmnzwanzichi * >dann kann ich schon ma=n ausgewachsenen torwa. t valetzeni. Wichtig scheint mir abschließend festzuhalten, dass mit der übermäßigen oder ausschließlichen Verwendung von rhetorischen Strategien auch Gefahren verbunden sind, mit denen alle Trainer aufgrund der paradoxalen Grundstrukturen ihres professionellen Handelns immer wieder konfrontiert werden können. 7.5 Verwendungs- und Anknüpfungskontexte Die in dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse und angestellten Überlegungen können m.E. sowohl in der Trainerpraxis als auch in der Trainerschulung und der Supervision des professionellen Trainerwesens fruchtbar gemacht werden sowie Anlass zu weiteren sportwissenschaftlichen Untersuchungen der verbalen Interaktion im Sport geben. Die anhand der Transkripte rekonstruierten Handlungsschemata und rhetorischen Strategien, die die beobachteten Trainer anwenden, können dem praktizierenden Trainer dabei helfen, sein verbales Handeln mit den Spielern und Mannschaften zu überprüfen, die Sequenzierung der einzelnen Handlungsschritte situationsangemessen anzuordnen und die rhetorische Darstellung zu kontrollieren bzw. die Chancen und Risiken der angewandten Strategien abzuwägen. Rhetorik ist bereits Bestandteil der Trainerausbildung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Die dortige Lehre sowie die Sportwissenschaft allgemein fokussieren Kommunikation aus psychologischer bzw. sprechakttheoretischer Perspektive. Die vorliegende Studie kann m.E. in der Trainerausbildung dazu dienen, den Trainernovizen die Komplexität von Kommunikation zwischen Trainer, Spielern, Vereinsfunktionären und Fans zu vermitteln. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Struktur der wechselseitigen Einflüsse aller Beteiligten. Kommunikation im Sport ist kein einseitiges Geschäft, in dem der Trainer dem Spieler etwas anweist und der Spieler lediglich etwas ausführt. Zweiter wesentlicher Punkt ist die Prozessualität der Interaktion, die kontinuierliche Veränderung und Variabilität von sozialen Beziehungen und Identitäten und von Interaktionsbedingungen. D.h., dass Trainer und Spieler verfestigte Kategorien aufbrechen müssen, um situationsangemessen auf die jeweiligen interaktioneilen Anforderungen reagieren zu können. Notwendig Längerfristige Trainer-Konzepte 387 ist die Flexibilität im Umgang mit handlungsschematischem Wissen und der rhetorisch-strategischen Durchführung. Obwohl das Handeln der Beteiligten zielorientiert ist, müssen die Beteiligten sehr viel von Interaktionskonstitution wissen, müssen die Beteiligten die Veränderungen des Interaktionsprozesses wahrnehmen und auf sie reagieren, wenn sie die Voraussetzungen zur Lösung der Arbeitsprobleme herstellen wollen. Gleichzeitig dürfen die Beteiligten trotz aller Flexibilität nicht vergessen, dass ihr Handeln eingebunden ist in komplexe, übergreifende Strukturen und Ziele. Die vorliegende Studie kann verdeutlichen, dass sprachliche Äußerungen keineswegs kognitive Zustände und Prozesse nur repräsentieren, sondern dass sie soziale Prozesse initiieren und steuern. Die Äußerungen, die im gemeinsam hergestellten sozialen Phänomen „Interaktion“ produziert werden, konstituieren Sinn und Bedeutung. Hieraus leiten die Beteiligten sekundär Erwartungsmuster ab, die ihnen als Orientierung für das individuelle Handeln dienen. Die Studie kann darüber hinaus die Bewusstheit der Trainernovizen fördern, welche Rollenträger an den Interaktionen in der jeweiligen sozialen Welt beteiligt sind, welche Rollenerwartungen für die Rollenträger bestehen. Und sie kann dafür sensibilisieren, dass die Wahrnehmung der anfallenden Aufgaben abgesehen von Kernaufgaben eine Frage der Aushandlung zwischen den Beteiligten ist. Die Erwartungsmuster und Handlungsrelevanzen sind in den Kategorisierungen kondensiert. Die Kenntnis der Erwartungsmuster und Handlungsrelevanzen ist elementar notwendig, um unter den gegebenen Arbeitsbedingungen der sozialen Welt die jeweiligen Aufgaben erledigen zu können, um Problembestände, die in der Interaktion mit den Gruppenmitgliedern virulent und z.B. durch die anscheinende Nicht-Wahrnehmung der Aufgaben bedingt sind, frühzeitig zu erkennen und um eine Bearbeitung der Problembestände zu ermöglichen, bevor diese gefährliche soziale Prozesse eingeleitet haben. Desweiteren gewährt sie Einblick in die Komplexität größerer Handlungsabläufe wie den der Mannschaftssitzung, der Halbzeitpause und des Einzelgesprächs und in die sequenzielle Organisation dieser Handlungsereignisse. Sie zeigt den Trainernovizen auf, dass sie handlungsschematisches Wissen aller Beteiligter aktiv nutzen können, um Handlungsereignisse mit den Spielern zu konstituieren, die flexibel dem singulären Charakter jeder Situation Rechnung tragen. Sie vermittelt zudem einen schematischen Überblick über rhetorische Strategien und ihre Verknüpfungen, die sie in ihrer zukünftigen Trainerpraxis anwenden können. Und sie schärft schließlich das Bewusstsein dafür, dass rhetorische Strategien zwar dabei helfen, spezifische Probleme der sozialen Welt zu bearbeiten, paradoxale Grundstrukturen des professionellen Trainerhandelns aber nicht aus der Welt schaffen. Es wird zugleich sichtbar, dass eine zu lang anhaltende und ausschließliche Verwendung der rhetorischen Strategien die praktische situationsangemessene Bearbeitung dilemma- 388 Reden und Spielen tischer Situationen und ihrer zugrunde liegenden Paradoxien unmöglich machen kann. Gerade dieser zuletzt angesprochene Sachverhalt kann m.E. Gewinn bringend für die Supervision des Trainerwesens genutzt werden. Supervisoren könnten gemeinsam mit den praktizierenden Trainern arbeitsweltliche Problematiken und Paradoxien des Trainierens aufspüren bzw. bewusst machen und aufgetretene Verstrickungen in Paradoxien und dilemmatische Situationen lösen helfen. Sie könnten die Trainer bei der Organisation und Gestaltung ihrer Trainings- und Einstellensarbeit unterstützen, die sensibel für situative Erfordernisse einerseits und für potenziell krisenhafte soziale Prozesse andererseits bleibt. Zukünftigen Untersuchungen bleibt die Klärung Vorbehalten, ob weitere Dilemmata und Paradoxien des Trainer-, Spieler- und Funktionärshandelns im gehobenen Amateursport neben den bereits genannten bestehen und inwieweit der höhere Grad der Professionalisierung in den sozialen Welten des Profisports zu spezifischen Paradoxien professionellen Trainerhandelns in diesen Welten geführt hat. Es wird zu überprüfen sein, inwieweit die dargestellten rhetorischen Strategien universelle Trainerstrategien sind unabhängig davon, ob es sich um Mannschaftssportarten oder um Individualsportarten handelt. Im Bezug auf die Mannschaftssportarten wird zudem zu analysieren sein, welche rhetorische Strategien die Beteiligten in Situationen außerhalb des Einstellens auf den Wettkampf nutzen und wie sie den spezifischen Anforderungen der Mannschaft als kollektiv handelnde soziale Gruppe Rechnung tragen, zugleich aber auch individuelle Interessen als autonome Subjekte verfolgen: Beispielsweise bei der Verarbeitung von Sieg und Niederlage nach dem Wettkampf, aber auch in randseitigen Situationen zur Herstellung und Sicherung der gemeinsamen Identität. Runde Sache, Teil II: Die für mich aufregende Zeit der Feldforschung von November 1995 bis Mai 1996 für die drei Vereine Fortuna Huke, SC Schwarzberg und THV Köttersen waren es sportlich dramatische Wochen. Die beobachteten Fußballteams und die Handballmannschaff standen auf dem letzten oder vorletzten Tabellenplatz, ein Abstieg in die nächstuntere Spielklasse drohte. Was nicht passieren sollte, trat zum Glück auch nicht ein. Alle drei Mannschaften schafften aus eigener Kraft den Klassenerhalt, konnten auch in der nachfolgenden Saison in der Regionalliga, Oberliga bzw. Verbandsliga auf Punkte- und Torejagd gehen. Ich weise alle Verdächtigungen zurück, an dem Leistungsanstieg der Mannschaften in der fraglichen Zeit Schuld zu sein. Weder habe ich verbotene Stimulanzien eingenommen noch an die Spieler weitergegeben. Auch habe ich mich aufputschender Kommentare und sonstiger manipulativer Handlungen enthalten. Wenn es denn ein Wunder war (an das selbst manch einer im Verein nicht mehr glauben wollte), dann war es SEin Werk. Denn ER bestimmt den Lauf aller Dinge, darunter auch den der Kugel.® 8, Anhang 8.1 „Treter Trittin“ - Karikatur aus der Süddeutschen Zeitung, Frühjahr 1998 SZ-Zeichnung: Pepsch Gottscheber 392 Reden und Spielen 8.2 Zeichenlegende des Transkriptionssystems: T trai/ ( ) (heimsieg? ) wem=mer aber ja nein nie «verstehst du >kerr ey ->zeig ma kurz <-also äh nun ja alles klartokayt denk drangroßartig großartig KK: HASTIG Komm.: LACHEN DER MITSPIELER # # kurze Pause bis ca. 0,3-0,4 Sekunden mittlere Pause zwischen ca. 0,4 und 0,8 Sekunden Pause länger als ca. 0,8 Sekunden mit Angabe der Dauer in Sekunden (in halbsekündigen Schritten: *1*, *1,5*, *2* etc.) Wortabbruch unverständliche zweisilbige Äußerung vermuteter Wortlaut („wenn wir“) Kontraktion zweier Worte simultan gesprochene Sequenzen von zwei oder mehreren Sprechern sind unterstrichen lauter als die vorherige Äußerung leiser als die vorherige Äußerung schneller gesprochen als die vorherige Äußerung langsamer als die vorherige Äußerung Intonation nach unten Intonation nach oben Intonation in der Schwebe auffällige Betonung auffällige Dehnung Kommentar zu Äußerung eines einzelnen Sprechers, steht in Großbuchstaben in der individuellen Kommentarzeile. Kommentar zu kollektiven Aktivitäten oder Geräuschen außerhalb der Interaktion (z.B. KLOPFEN AN DER TÜR), steht in der globalen Kommentarzeile unter dem System markiert den Abschnitt in Text- und Kommentarzeile, für den der Kommentar gilt Um die Lesbarkeit der Transkription zu erleichtern, habe ich auf konsequente Markierungen der Akzente verzichtet. Anhang 393 8.3 H-56 B-Seite (Ausschnitt): Umziehen der Spieler, Bierchen auf Jens' Kind Thematischer Verlauf der Interaktion während des Umziehens/ Biertrinkens: A: Nicht präsentierte Teile: 1. Der Beobachter und sein Trainingsunfall mit dem Baum 2. Demmi sollfür einen Mitspieler eine Arbeitsplatte aus Holz für die Küche besorgen 3. Vorbereitung auf die Mannschaftsfahrt und Saisonabschlussfete: Kapitän Stefan erinnert daran, dass die fehlenden Spieler Personalausweis und Geld mitbringen sollen; wer kam einen zweiten CD-Spieler organisieren? 4. Frotzelnde Beleidigungen der Spieler 5. Inlineskates - Rollerblades 6. Vereinsvorsitzender Robert kommt mit einem Gips in die Kabine: er hat sich am Abend zuvor die Hand gebrochen 7. Die Harald Schmidt-Show im Fernsehen B: Im Folgenden präsentierte Ausschnitte: 8. Klaus Stasni, der vom vorherigen Trainer Adi Kracht aus dem Kader geschmissen worden ist, über Adi 9. Demmi, der ,plbsahner“: Wer bekommt wieviel Geld im Verein? 10. Ist derfür die nächste Saison verpflichtete Spieler „Bohne“ alias Lennart Roch ein „Guter“ oder einer, „der sie nicht aufdem Seil hat“? 11. Kann aus dem aus der eigenen Jugend kommenden Bommi ein Oberligaspieler werden? Dauer: ca. 46 Minuten Ort: Huke, Kabine 2 Datum: 25.4.96 Zeit: 20 00 -20 45 Uhr Zählerstand auf Transkriptionsgerät: 000-710 (B-Seite) Aufnahmeart: offen Position des Aufnahmegeräts: in der Innentasche der Jacke, Mikro am Revers Anwesende Personen: Heinrich Platen Peter Demopoulidis = „Demmi“ Stefan Schulten, Kapitän von Fortuna = „Schuld“ oder „Schult! “ Tobias Dyballa Tommy Glasse Mehmet Gökal Lothar Rabe Matthias Starke 394 [...] 1466 1467 1468 1469 1470 1471 1472 1473 1474 1475 1476 1477 1478 1479 1480 1481 1482 1483 1484 1485 1486 1487 1488 1489 1500 1501 Reden und Spielen Ahmet Vural Sven Höner Maschalinski = „Mascha“ Björn Drexhage Thorsten Lüttemann Peter Schmerkötter = „Köddel“ Oliver Tielker Jean-Pierre Doddo Klaus Stasni Jens Schlichten später kurz: Erwin Läppich, 2. Vorsitzender Robert Krumenkamp, 1. Vorsitzender Marcel Schilling Demmi: der teuaste landesliaaspiela der weit der we"lt dui Tobias: Sven: in norderstadt Klaus: wenn die beidn schon so aut könn~ dat is schon gut also dann Demmi: 4 Tobias: i Sven: hatta auch qespieltli Klaus: ich kenn kein der da hin willJ * bis letz also nichts von unsan sportlanl- ** ich kenn nur Tobias: 4 Matth.: demmi du krisst doch hier auch reichlich-! Klaus: jemand der da war un die hat gesacht das war supa I Tobias: (hier wird nur in diesa große Mascha: mehr ah nee weniga-1 Klaus: aba ich muss jetz da unbedingt ma hin ey-l Tobias: bezahlt-! ) Matth.: also ich krich reichlich-1 Sven: haste ietz gehört oda gesacht hat-! Thorst.: demmi hat die null vorm Klaus: ma anhaun -1 Thorst.: komma-! Komm.: 3 Sekunden Stille Tobias: mascha dat müss wa gleich noch ma übn net hier von hier-! Mascha: ja-! ? : was denn... Matth.: ich weiß do wat Sven: dass du dat so geheim haltn kanns-! Klaus: langen wir müssn ja gleich no am kiosk haltn-! ja hier- 1502 1503 1504 1505 1506 1507 1508 1509 1510 1511 1512 1513 1514 1515 1516 1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523 1524 1525 1526 1527 1527 1528 1529 1530 1531 1532 1533 1534 1535 1536 1537 1538 1539 1540 Anhang 395 Demmi: du hast oa" nichts aesehnl Lothar: der demmit Matth.: der kricht ich hab dat do aesehnl wat wettn wa dass ich dat Sven: (formt die neue bis hierhin? l4- Klaus: wenn die reviersport ham ham die=n revier- Tobias: glaub ich nich langenl Matth.: oesehn habl wat wettn wa dass ich dat gesehn habJ- Klaus: sport dat ia dann brinost=n mit-l- Demmi: mann du hast ga nix gesehnt dat stimmt übahaupt nicht-l Tobias: ey sechs fümfe net Matth.: wat wettn wat ich Lothar: der demmi vadient dat auch! Tobias: is doch Matth.: weiß ganz genau wat der gekricht halt docht Klaus: hm Marcel: Tobias: (irgendwat schei..? )t Matth.: weil ich zufällich beim robert war als die als der die auflistung gemacht hat- Klaus: hab dich nich vastandnt nein nein Marcel: also du Tobias: der demmi Matth.: was die an ausgabn im letztn iahr hattni un unta andam stand da dem- Klaus: ich denkeich bin Marcel: könntest auch letz wieda auf=m gut Demmi: ausgabn an micht dat kann aba nich seint Tobias. hast ganz schön pech gehabtt Matth. mipulidis drauft Klaus: ^... Demmi: <ev ev ich vadien genauso viel wie ihr auch ihr nüsset ieda vasucht Tommi: Tobias: iaiaiaiaiaia ia sichat ? : Klaus ich hatte ich war ers ich war doch mit der uni weg Demmi: i eyjfhab mich auf dein level Tobias: dat is nich wahrt Sven: mei: n gottey weißtewast Klaus: ne oda üba die uni mit mein skilehrascheint und teh Demmi: begegnt Tobias: da brauchst du ga kein (geld) ieda is für sich selbst ver- Klaus: bin letz imma nur den märz und dann nächstes iahr nochmal un dann noch 396 Reden und Spielen 1541 Tobias: antwortlich4also demmi- 1542 Lothar: au noch 1543 Ihorst.: ev lasst den demmi doch letz in ruhe4- 1544 Klaus: ma also nächstes ietz hab ich den untastan qemacht'lnur den untastan-l 1545 Demmi: # neiri'l- # KK: # L4CHEND# 1546 Lothar: r^absahna-l 1547 Sven: ja weil de ganz sachn hier saan könntest! 1548 Klaus: nächstes iahr machte=s untastufe un dann haste ja obastufeNlvom 1549 Lothar: demmi4- 1550 ? : ( ) 1551 Ihorst.: ev deswean hat der auch so scheiße trainiertl 1552' Klaus: #de es vau#-! ' das =s vom de es vau ausgeschriebnl un wenn de das abqeschlossn Komm,: # ABK. deutscher ski-verband # 1553 Tobias: da brauchs dir aa keine oedankn machend 1554 Tommi: ey dat liecht nich am geld4- 1555 Lothar: LACHT 1556 Klaus: hast mit mit der note zwei krist 1557 Demmi: ich habnur~ 1558 Tobias: kla: is au nich das was wir saan wolln demmij- 1559 Klaus: den skilehraschein obastufe un kanns in fast ledern europäischn schigebiet den 1560 Lothar: ich hab gesacht- 1561 Matth.: genau das (krisle raus? l4- 1562 Sven: er is doch ietz vata aewordn4- 1563 Klaus: skipass zum halbn preis krieanl un kanns fürn #de es vau# arbeitn un krist dann richtich Komm.: # ABK. deutscher ski-verband # 1564 Tobias: du brauchs nich iammani 1565 Lothar: schieb ich mal ne ruhigeminute'i- 1566 Matth.: jedajs- 1567 Sven: tobiasi 1568 Klaus: reise mittel! net un dat is ne * dat is ia ne ne so ne Sache für 1569 Matth.: für sein vertrach / 1570 Sven: (winke! übhch-lO net 1571 Klaus: auf auf auf späta hin nich für ietz aba * auch späta mal! skigruppn 1572 Demmi: ich muss ersmal meine taschn holn wo meine gage is! 1573 Sven: hat der qa nich 1571 Klaus: zu begleiten oda mit kindaqruppn iugendaruppn oda was egal 1575 Demmi: LACHT 1576 Tobias: LACHT ( l! 1577 Sven: verzapft! 1578 Klaus: einfach desweqn und ich war auf ieda danach auf der fahrt 1579 1580 1581 1582 1583 1584 1585 1586 1587 1588 1589 1590 1591 1592 1593 1594 1595 1596 1597 1598 1599 1600 1601 1602 1603 1604 1605 1606 1607 1608 1609 1610 1611 1612 1613 Anhang 397 Tobias: un der längere muss im tor4lass ma den torwat runta'l- ? : der bleibt-l- Klaus: un wenn mir irgendjemand wat sacht ich kann zu hause bleim Tobias: ietz is a weg-l Sven: wie willste dal schaffn dass 4- Klaus: brau i nich-ldann bleib ich auch zuhause-! ich kriech hier Marcel: klar Komm; TÜRENKNALLEN; DEMMI HAT DIE KABINE VERLASSEN Lothar: tapeziern-l- ? : 4- Klaus: keim im a: sch echt nich-lkeimi ich hab hab ich nich nötich-lich mein ich hab Sven: ja-l- Thorst.: ja-l- Klaus: jetz ** siebn jahre ** also auch schon länga gespielt und ** nebenbei auch * Sven: (mit dem Klaus: in klassen die etwas höher * ( ) * was da war das könnt das könnt ich mir Sven: ausblick ev was gespielt hat heute-? ) Klaus: nich könnt ich mir echt nich ziehn-l ey * ellich nichl * könnt ich mir nich ziehn-l- Sven: äh: Klaus: * tut mir leid wenn jemand sacht * du hast=n scheißtag dann der kann * is bei Sven: wir müssn ja wieda ne bomben(trupoe) Klaus: mir so weg-lder kuckt mich nich mehr an-! * weil dat is Sven: -l-l (ja weil eina Thorst.: wiesot Klaus: wirklich nich wahr-ldat is wirklich nich * wi/ ich hab noch in keim vaein pro / pro- Lothar: (von den die Sven: von neun spielan wascheinlich bessa is-l Matth.: der hat schon untaschrie: m-l- Klaus: bleme gehabt aba wirklich-! mit keim vonna mannschaft nur mit de"m-lmit dem Lothar: trainiert hami der der nich trainiertJ- Matth.: ffmhm-l-# der hat schon untaschrie: mü nee-l neenee-1- KK: «VERNEINEND# Sven: wast Mascha: wer den nt Klaus traina-iun das kann nich sein-1- Thorst.: nein diesa * der hat dem (nöcker) erzählt da rauch oda sowas-! aus kaasfeld-! Marcel: für mich war es hochspannend 398 1614 1615 1616 1617 1618 1619 1620 1621 1622 1623 1624 1625 1626 1627 1628 1629 1630 1631 1632 1633 1634 1635 1636 1637 1638 1639 1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 1647 1648 1649 1650 1651 1652 Reden und Spielen Tobias: lennart rocht Sven: (massör-) Thorst.: aus jhlen4- Klaus: hast den kracht auch erlebtt Marcel: weil ich no nie son traina erlebt hab-l ja aus aus Tobias: das glaub ich nichT- Sven: lennart rocht welche Matth.: \ai ja4 Mascha: bohneT wer kommtt bohne kommtT weiß i nichJ- Thorst.: ja lennart roch-ltennart ? : Marcel: weil Matth.: tobias- Sven: bohneT- Mascha: ev ja supaT- Thorst.: ja" hat er=m addi erzähltjdas-s kein scherzT- Marcel: ich könnt nich glaubn dass son mensch wie Tobias: der is okey der hat Mascha: neenee bohne is okevT- Thorst.: der is total hohl in=na birne hat der... gesachtT- Marcel: aba wenn ich spiela gewesn wäre Tobias: se nich alleJ- Thorst: der hat se nich alle aufm seil-l- Köddel: bohne den kenn ich noch der ist bestimmt aus Marcel: dann Tobias? : aus tenne Matth.: der kommt aus fenne jai neunzehn is Mascha: der is so alt wie ichJ- Köddel: lütoenwerse wollt Klaus: hmThmT- Lothar: werjsdatJder muss do=n na: *m ha: ‘mT- Matth.: der erst4lennart roch-l- Mascha: ja is=n blonda der le’nnart rtfchJvon Marcel: Tobias: das=s son typ langenjlanaenT- Sven: der hatte da Mascha: von uhlenT- Thorst: in schalke ham se=n rausoeschmissn oda so- Marcel: gesacht 1653 1654 1655 1656 1657 1658 1659 1660 1661 1662 1663 1664 1665 1666 1667 1668 1669 1670 1671 1672 1673 1674 1675 1676 1677 1678 1679 1680 1681 1682 1683 1684 1685 1686 1687 1688 1689 1690 1691 1692 1693 1694 Anhang 399 Tobias: diewolln den Matth.: die ham=n in schalke übahaupt nich rausgeschmissn die schalker ham den an Sven: i Klaus: hat a zu dir aesacht zu ihm Marcel: ich hätte aesacht ich hätte zu ihm aesacht Tobias: aba nich widdahamjdie wolln den nich widda ham4- Matth.: uhlen ausgeliehnl aba die ham den nur Thorst.: iaia is kla: l Klaus: ajaT wollt grad saonT Marcel: iü zu ja ne Tobias: (wolln sen denn widdahamT) der hat se nich allei Matth.: ausgeliehnT jaT Mascha: is aba=n gutal der=s aba=n gutaT Thorst.: ja er war ja auch Klaus: er hat vom fußball Matth.: jaT Sven: ja is das so schlimmt Thorst.: von oda sowas auch-i- Klaus: von der trainings methodik an sich müsst a es müsste er ahnung hamj- Stefan: werT Matth.: lennart roch Sven: jat Mascha: der lennart rochT Thorst.: s=qanz schlimmT wirklichJlennart rochi Klaus: eigentlich weilerso=n lob hat und so viel damit zu tun hat! sein sohn Stefan: wer sacht das4rgbertT Tobias: dat kann nich sein eyT Matth.: ja robertJ- ? : der kommt doch zu uns4- Klaus: is bei borussia phvsiotherapeutT ja gut ne der kennt den Tobias: also weißte weißte bescheidT Sven: mit andan na: m wollt er njch rausrückn4- Klaus: der kennt das haltT aba menschlich also sowas Thorst.: wie andan na: mT ich muss doch wissn was=s Klaus: der=s noch schlechta als der traina den ich letztes iahr hatte4- Stefan: ich weiß übahaupt nich Sven: ja und aba der weiß der hat ^ Thorst.: nächstes jahr gibt Klaus: echtT mit dem konnste nich rednjbei Marcel: wo hast du oespieltt Sven: der kann do mit mir nich saqn äh: dass a irgendwelche leute Klaus: pe es vau schnoddeseT vabandslioa hab ich gespielt also hier vabandslioaT- 400 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704 1705 1706 1707 1708 1709 1710 1711 1712 1713 1714 1715 1716 1717 1718 1719 1720 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730 1731 1732 1733 Reden und Spielen Matth.: nein Sven: hat * die noch ga nich untaschriebn ham man weiß doch ga nich ob der kommtt Klaus: ajsg dat kann doch nich seinl Stefan: was=s denn mit dir haste mi=m robert gesprochnt Matth.: das is nich Sven: het Klaus: ajsp wenn ich sage acht Marcel: hm Stefan: was denn mit dir ietz haste mit=m robert ge/ Sven: nee muss ich no machen-l- Klaus: ich hatte noch in der Vorbereitung fünf vorlesunan monta: chsamds das heißt Stefan: ach Matth.: hat a dir=n angebot ietz Sven: Klaus: für mich fiel sauna imma aus4ich konnte nich zur saunai dann Stefan? : ietz übalecht a doch noch4 Matth.: gamacht oda was-l hatt a dir=n angebot Sven: ja- Klaus: hatt ich acht Prüfung und die warn da warn * sechs * a: mds da- Ko/ rm: LEERE BIERFLASCHE FÄLLT UM Stefan: Matth.: hat der dirt Sven: ja m / äh ich hab ihm ja ersmal meine vorstellungn gesachtT- Klaus von und * die zwölf tage in frankreich noch ja ich kann nich ich Matth.: du hast ihm deine vorstellungn gesachtTer hat dir no nichts gesachti Sven: ja4- Klaus: kann ich einfach nich i das sin so Sachen die kann jch nich a"bsaon so Marcel: jim Stefan: # ja sicha hat der-1- # KK: #LACHEND # Matth.: odawati Sven: er muss mir ja wat gesacht ham-i- Klaus: Prüfung scho ma ga nich un die fahrt hab ich au bezahlt also ne ich hab das Lothar: er hat wieda gepolstert un ietz Sven: sons wäre ja nichts zu valiern dabeii Klaus: mit=m traina vorher abgesprochn der wusste davoni un der hat gesacht machT- Stefan: scheiße kerrJ- Lothar: übale: cht erjis doch logisch! Klaus: das mach das mich ne weil wir sind ja keine profisun er hat so=n Matth.: watismitdjr! Klaus: imma hier au bei der mannschaft dannso viele studentn hab ich ich hab 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 Anhang kannst dir 401 Tobias: Lothar: Klaus: Stefan: Tobias: Sven: Klaus: Stefan: Tobias: KK: Sven: Klaus: Sven: Klaus: Stefan: Tobias: Matth.: Klaus: Stefan: Matth.: Thorst? : ? : Klaus: Tobias: Matth.: Klaus: Stefan: Thorst: Klaus: Matth.: Thorst.: Oliver? : Klaus: Sven: Thorst.: Oliver? : Klaus: Stefan: Matth.: Sven: Klaus: Marcel: ich kann gar nich mehrl' zuviele schüla die: trainiern hier nich für fußball die machn ja wat andres! - (wieso die gegna nich holn wenn de nich . der=s doch alkoholikalimma haste als negativ bei/ beisoiel da/ daaestannlkru: mkampt # der=s doch alkoholika-l # «LACHEND # dersäultl und äh dann kam dat halt da zehnmal mit der zweitnlgut4 sowie der robert mir erzählt hat soll der ja wahrscheinlich wieda am werk anfangn-l das=s ne Sache normalaweise wenn traina aba das war auch gut dat is doch gut dir sacht du spielst inna zweitn dann mach ich das auchT hab auch zweimal der neunalia dat is ganz dann aus gespielt un dann hab ich nacher son hals gehabt weil der imma einfach mit dem lob dich gelobt hat ohne ende hat imma gesacht ich brauch dich brauch dich un dann ja der robert hat doch letztens der robert hat doch letztens schon kommt sonntachsmorgens pa'tschldu gehst dann trotzdem inne zweite schultiT gesacht wenn ian hier nächstes iahr wohnt wahrscheinun warn imma imgrund war imma wieda ja du fährs der war glaub ich äh der robert hat wieda ne ( 1) lichlnoch zwölf tage weg du fährs noch zwölf tage weg ja nun was hat das wenn er jaT gestan oda vorgestan beim Vorstellungsgespräch damit zu tun ob ich ietz ie’tz gut bini un dann zwölf tage weghm 402 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794 1795 1796 1797 1798 1799 1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806 1807 1808 1809 1810 1811 1812 1813 1814 Reden und Spielen Stefan: wenn der ne arbeit kricht dann spielt der hier4wenn der hier ne arbeit krieht Tobias: ja: 4 Klaus: un samma das: war für mich keine bearündungJhab ich dann gesacht ich spiel da Stefan: dann spielt er hierl das =s wahr-l- Tobias: na4 Sven: was wird er dann wo machn der kann doch nich Klaus nich4 und äh dann hat er gesacht phhrrr # Komm.: »AKUSTISCHE „FURZ'ÄHNLICHE ÄUSSERUNG# Sven: ? : Klaus: musste gut wenn de spielst bleibst zuhause un dann un dann hab ich gesacht au iai Tobias: Matth.: Sven: ? : Klaus: Marcel: der muss ja dann weq4 vor alln dingn ja sicha frach ma beide sachn machn? ) is: wenn mir dat jemand sacht der dann am hm Tobias: Matth.: wenn äh vor alln dingen der hat der hat ia grade Klaus telefon anfängt üba übaschätzt dich und du hasten scheißcharakta und Matth.: ers vorder hinrunde=n haus gekauft dat muss ersma vakauft wernÄ Klaus: ja da kann ich nur saqn kann ich nur sagn kann Marcel: ja Stefan: das=s scheißegal dui Matth.: du sachst das so is doch scheißegaNs do Klaus: kann ich mir nich ziehni * brau i nich und ach Matth.: ne steuasachei Mascha: wat (vadient der eigentlich? ) Klaus: ich hab vier jahre landesliga und ach vabandsliqa vorher fünf Matth.: (wo genuch? 1 Sven: na tobias willste au Klaus: jahre war=s ein iahr vabandsliga und *2* brauchte dat nich4 * echt nichJ- Tobias: ah langen sei ruhich4 Lothar: Sven: schon duschn gehn? du ekelhafte sau du? Klaus: lennart? wer is das lennart Marcel: LACHT Stefan: aba lennart roch ich Lothar: schlecht gelaunt? Sven: kein grund so lange zeit hier so unqeduscht zu sitzn ev? Klaus: roch? von uhlen? 1815 1816 1817 1818 1819 1820 1821 1822 1823 1824 1825 1826 1827 1828 1829 1830 1831 1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840 1841 1842 1843 1844 1845 1846 1847 1848 1849 1850 1851 1852 Anhang 403 Stefan muss sagn das spiel in uhien hat er zweite halbzeit gegn uns gut gespielt! Mascha: der is au Stefan: Sven: Mascha: Ihorst.: weil der weil der nämlich noch schnell is! äh nee rechts! linksfulit gut! also rechte Seite! Tobias: schulli! Lothar: ja aba gut Sven? : schulli war ja au nich da! Mascha: der kann rechts wie links! Ihorst: hat der gespielt! Stefan: ja! nee! echt! Tobias schulli! s=is keina der der hat se nich alle glaubst du die die Matth.: ich weiß es nichl Mascha: is aba=n guta tobias! Marcel: ne Tobias: schalka wolln den oenna harnt und auch und auch die uhlna wolln den au nich Mascha: der is der is ? : Tobias: harn! jch hab mit dem addi dadrüba gesprochn! Lothar: ja nimm mal ja! Matth.: nimm ma ruhich! du hass Mascha: trotzdem gut! Komm.: MARCEL NIMMT SICH EINE BIERFLASCHE; WILL SIE WEITERGEBEN AN LOTHAR BZW: MATTHIAS Tobias: lens is bessa! gib mir die adresse da hat iens gesacht also ich kann dir Lothar: ja dat brauchste nich zeign hier! Matth.: den härtestn! oass auf Marcel? ja ich äh Matth.: du nimmst raus Tobias: da sachte addi er habe sich auch erkundicht! un den will a nich harn! Marcel? : un dann is der weg! Stefan: Tobias: so is es! der=s Matth.: hier brauch nich gefra: cht wem! # auch auch wenn du bettelstudent bist! # KK: #LACHEND # Marcel: jaa aba Stefan: glaub ich nich! lass Tobias: son son typ wie der kevin grosse! Matth.: LACHT LACHT Marcel: ia dat is richtich! aba 404 1853 1854 1855 1856 1857 1859 1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 Reden und Spielen Stefan: den ersma komm4 Mascha: ich kam mit dem Ihorst.: Marcel: wenn eina son durst hat dann: steh ich gerne zurück! Tobias: was is wieda drauf Matth.: wenn der wenn der wenn der hier star- Mascha: imma gut aus! (mann fast) Klaus: LACHT Stefan: der fängt voll Tobias: Matth.: allürn hat dann dann ziehn wa den üba den leda und dann äh Klaus: dann spielst du au noch mit oda Stefan: starall ürn an! Sven: der hatte glaub ich Matth.: ja! ja sicha! alles mitm robert beredet! Klaus: wat! jat machste noch=n jahrt Sven: auch mitm robert Mascha: der hat auf fe deutsche meistaschaft Klaus: LACHT du krisst den hals au nich voll ev! Marcel: zwei von viern! Matth.: nein! Mascha: fümfzich Prozent Klaus: ich dachte du wollst dies iahr nur die zweite machen! Marcel: wer=s denn Matth.: der penna der wollte ganz schnell in haupt- Mascha: harn wa=n für die kreisauswahl da wurdnwa Marcel: schrötert Matth.: sache weg! hab ich zu ihm gesacht von mir aus gerne Mascha: vizeniedarheinmeista da hat der alles gemacht! der war supa! Stefan: lass den doch Matth.: aba ich mach das nich wenn meine frau nich damit einvastann is! Mascha: echt! Marcel: vizeniedarheinmeistaT supa! Stefan: ersma komm! Matth.: meine frau hat für fußball absolut kein intresse du! Mascha: war wirklich supa! Matth.: für mich qibt=s nie oenuch fußball! oda so=nann imma Sven: ich war bei der deutschen meistaschaft gewesn un bin ? : spielentscheidend! Matth.: untawechs bleibn! da hat der traina gesacht er äh Sven: fümfta geworn ohne zu valiern! harn wa gegn den 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 Anhang 405 Matth.: Sven: Mascha: ? ; Matth.: Sven: Mascha: Matth.: Sven: Mascha: Klaus: Matth.: Sven: Mascha: Klaus: Marcel: Lothar: Matth.: Sven: Mascha: Klaus: Sven: Mascha Klaus: Mascha: Klaus: Stefan: Mascha: Komm.: Mascha: Stefan: Matth.: Mascha: Marcel: Stefan: Matth.: Stefan: Matth.: (okee ich sprech ma mit ihr-l-) hat er mit meina frau gesprochn und da=at qeqn Württemberg sind wir inne niedarheinauswahl von meine frau qesacht is in ordnungi die ham drei drei gegn uns gespieltJbohne hat au inna ja un deswegen nationalmannschaft gespielt^ is links au=n quta schütze4 dann war okee hat er=n aba au Schluss danach bei ihrnJ- (scherze)/ ich hab is supa wenn de so=n traina hasti net der=sleert hat er=n der war neulich inne niedarheinauswahl auf der bankt als oda war ja letztes mal noch jat spielplan das neulicht letztes iahrt als ich ja gut die machn ja nur ne u: einzwanzich inna niedarheinnee damals da warn wir * noch a-jugendspielat also da warn wir auswahlt net da ach sgt werwot in honnef da ham die ne vorzeitige seniornerklärung gekricht un da hat_er inne BIERKISTE WIRD MIT LEEREN BIERFLASCHEN GEFÜLLT niedarheinauswahl gespielt da saß er nur no auf a bankt obwohl der ma * nationalwerdennt spiela wart der bohnet * der jetz * lennart roch danke dirt also als ich i glaub wenn mein traina als ich meine trainalizenz gemacht hab da hat der gespieltt der heinrich den schon- * holt dann- ** mein ich das war kein schlechtat dat stimmtt 406 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 Reden und Spielen Stefan: Mascha: Klaus: Stefan: Matth.: Mascha: Stefan: Matth.: KK: Sven: Stefan: Klaus: Stefan: Sven: Stefan: Matth.: Sven? : Marcel: KK: Stefan: Matth.: Sven: Mascha: Komm.: Stefan: Lothar? : Matth.: Klaus: ? : Stefan: Matth.: Marcel: Komm.: Matth.: Komm.: Stefan: Matth.: Mascha: der is au nich schlimmJ- (also dat wem der kannJ- * aba wenn a hier rum * total bummeltt wa ja sehni * nehm den) derda: f nur nich so der da: f nur nich also ich komm mit dem eiqntlich bestens aus ... so sein wie der dennis is-l wie wert najaguft #wie derdennist# # LACHEND # vielleicht kam=man mit dem scheiße machend obwohl ja * der varückte hat ja hier au gespieltt der varückte hat hier au gespielt^ hmt supajacke langent ehrlicht oda sot also hier der dennis is bessa als der andret wie wer nee die selbet ey hass die gleich oda wast wollt ihrtauschnt het meine is größaJmeine is # redet ihr von dem hiert # «MARKIERT SEGELOHREN# jacke der kommt nich neenee nein nein neint tschüss dennis linkt # >der affet # # TÜRENSCHLAGEN# wiedat kommt nich wieddat tschüsst total sichat het net bleibt der eiqntlich tschüss tschüsst tschüsst is noch valetztt bleibt der in in in krüsbeernt tschüss klaust 4 SEKUNDEN PAUSE ja bei dennis is dat ja au ne geldfrage net 4 SEKUNDEN PAUSE »das auf jedn fallt der doddo- * is kia: t doddo hauptsache die haltn den doddot jat 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Anhang 407 Matth.: Mascha: Komm.: Stefan: Matth.: Mascha: Stefan: Matth.: Stefan: Matth.: Mascha: Stefan; Matth.: Mascha: Stefan: Matth.: Mascha: Lothar: Matth.: Mascha: Lothar: Mascha: Stefan: Lothar: Matth.: Mascha: Lothar: Matth.: Mascha: Matth.: Stefan? : Matth.: Mascha: Stefan: Matth.: Mascha: bleibt4 doddo bleibt4- * das=s kla: i das=s gut4 4 SEKUNDEN PAUSE vateidigung kommt ga nix net weiß ich nicht (puzniak? ) der geht na saatbeket wert der altet der grossi der war gestan dagewesn oda vorgestan grossit der=s nee jat nich der altet der äh reinhardt der war beim robert gewesn un hat reinhard glaub icht vakaufn sofortt gefracht wie dat aussieht für ein jahr ausleihn und äh der kevin geht LACHT kevin grosset au wahrscheinlich au na saatbeket (ham wir nich? ) aba wenn der hört ja dat nütz do nixt wieso kenn die sicht dass der bohne kommt bleibt a vielleichtt die ham jahrelang der beisst sich dann trotzdem da nich durcht da hass dann zusamm gespieltt der is zu leicht dich davor dann holn se noch ein letz dat is dann der der will ga kein stürma spielnt ja wat dennt neint acht pass auft et liecht ja nich daran et liecht will a nicht hat a do gesachtt da- * in ersta linie an dem traina wenn der traina sacht- * den un den un den un den möcht ich gerne haltn- ** dann wird es ** irgendwie ermöglichtt *2* und die: die einzigen- * soweit i'ch weißt * bis du" un der bernd böhmert * un sons ga nichtst (wat denn)t von dem * jugendspielan die jetz warnt sven hauptmann nicht ( ■ die: * bei dem * kada der erstn mannschaft dabeisein sollnt »geilt 408 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2032 2033 2034 2035 2036 2037 2038 2039 2040 Stefan: Matth.: Stefan: Matth.: Stefan: Matth.: Stefan: Tobias: Matth.: Lothar: Matth.: Stefan: Lothar: Matth.: Stefan: Lothar: Matth.: Stefan: Matth.: Matth.: Mascha: Mascha: Marcel: Lothar: Matth.: Mascha: Marcel: KK: Lothar: Matth.: Stefan: Matth.: Mascha: Stefan Matth.: Mascha: ? : Reden und Spielen also meine meinung bommi hat keine schangse nein-l- That keine schanaS'l ja der n/ bernd muss ja der is~ * nein alsoranwachsn net aba der muss imma also ich vagleich den Io/ äh ja von den bernd so=n bisschen mi=m lothar weil- ** von von von der kondition heri der kondition aba- * von der- ** konstitutiont ey hömma der bernd hat zeit net ja aba ne/ wie alt wird iaia... kumma ich bin- * wann bin ich hierhin wie alt bist du un wie alt is der bernd bernd is neunzehnt bei dir hat man sofort gekomm drei jahret * viernzwanzicht bernd is no iunq-lgesehn dassweilja jaaba der war viemzwanzicht aba bei demt * also dat also so najat seh ich die Sache weil=n die- ’ der der sven der vasaut sich die ganze Sache selba dadurch dass a dem training fernbleibt un dass a ihn nich anruftt ja ich hab ihm heute gesacht er war bei mir der sollte anrufn ich glaub dat hat a aucht hmhmt hat a net hat a mir gesacht der trainat ia der dings der bommi der bomjat ia dat is dann dann is dat ja ne gute # der hat # #LACHEND # mi kann dat ma schaffn 4 * hab ich ihm au gesachtt sachet ja4 da bin i au vom bernd is dat von dir der scheißt ah sot bin ich einoe / vom bernd vom bernd bin i eigntlich übazeuchtl schaumfestigat von dirt also also da is ja mit beim beim sven is es äh * sven muss * sich in sein jai müsste obn liegnt Anhang 409 2041 Lothar: 2042 Matth.: 2043 Stefan: 2044 Tobias: 2045 Lothar: 2046 Matth.: 2047 Stefan: 2048 Matth.: 2049 Stefan: KK: 2050 Matth.: 2051 Stefan: 2052 Lothar: 2053 Matth.: 2054 Stefan: 2055 Lothar: 2056 Matth.: 2057 Stefan 2058 Lothar: 2059 Stefan: 2060 Lothar: 2061 Matth.: 2062 Matth.: 2063 ? : Komm.: 2064 Stefan: 2065 2066 Stefan: 2067 Lothar: 2068 Matth.: 2069 Mascha: 2070 Stefan: 2071 Lothar: 2072 Lothar: 2073 Matth.: 2074 Matth.: der bernd der wächst da rein'lglaub i bemühungn ** total ändani * wenn a dat nich macht dann schafft a dat nich4draußen-idemmi4. auch 4weil er vom ehrqeiz her der der sven weiß ich nich das is so so lässich nur bernd ich hab den ma wenn ich den so auf=m platz ma gesehn hab un sokumma der läuft ga nich wie=n fußballa4 #weiß nich# ich hab da meine Probleme #LACHEND# jaaba mit4 ehrlich4 dat is ja au mitschulli dat is=n spiela den de dir form kannzl garantiert^. ja hab ich au gesacht-lder kann mada bin ich fest von übazeucht also! ich meinja4 ich bin da skeptisch ich ich wünschte et war andas aba ich bin da skepwie bei mir reinwachsnl un wenn a so tisch4er will ja au spieln4weit is~ schulli ich weiß wie ich früha angefangn bin4als ich von von iidder na=che fortuna gegangn bin4- 4 SEKUNDEN PAUSE fürn bernd war et vleicht am bestn wenn a=n irgndwo landesligavaein hätte oda sons noch so aba hier wird a nächses jahr nich spieln hunnatprozentig nich4 * bin ich alsokann aba wenn du nich spieln kannst der kann vielleicht is a vielleicht wär=t ich mein ich ich rede ich rede nich / du nich nich spielnj. jaai aba vielleicht war et aba gut daran solche spiela auszuleihn für ein jahr4 sagn wa ma na iidda4zum beispieli bezirksliqa landesliga je nach dem4aba du muss imma da/ aba du muss/ na ja pass ma auf du musst dat aba/ du muss dat aba jetz so sehn- * wenn dat der * manni * nächses jahr macht mit der zweitn 410 2075 2076 2077 2078 2079 2080 2081 2082 2083 2084 2085 2086 2087 2088 2089 2090 2091 2092 2093 2094 2094 2095 2096 2097 2098 2099 2100 2101 2102 2103 2104 2105 2106 2107 Reden und Spielen Lothar: Matth.: Matth.: Stefan: Matth.: Stefan: Lothar: Matth.: Stefan: Lothar: Matth.: Mascha: Stefan: Lothar: Matth.: Stefan: Matth.: ? : Stefan: Matth.: Stefan: Mascha: Marcel: Stefan: Lothar: Marcel: Stefan: KK: Matth.: KK: Komm.: Tobias: Marcel: Tobias: Tobias: Marcel: wert ja! mannschaftt * der manni käst der manni kastt "dann haste den altn a-jugendtraina und äh * i glaub- * wenn die zu ihm runtakomm dann äh- * reissn die sich auch wer weißt weiß nicht ob übahaupt andas am riem als jetz beim dietmar oda sot und der a-jugendtraina dafür geeignet ist kumma der ahmet is au no jungt ahmet is au ahmetahmet is einzwan äh drei/ zweinzwanzicht zweinzwanzicht kann au noch ahmet der is der wird (ästhetisch? ) der das=s was andrest mein gott dat sieht so alles so komisch aust reinwachsnt is supa und wat sieht alles so * unbeholfn aust ja dat wird sich au nie äh also beim berndt beim berndt vom * vom bewegungsablauf wird sich auch gar nich ändant <tobias tschüss net dreckfinkt tschüss tobias viel spass beim duschnt un dat bier da: f ich nich mit ach wast ouh dat is=n krisste nie wieda wast raufnehmt dann gibt=s gibt=s=n anschiss net nein * mach dat nicht * # ( ) (ja aba wer weiß# nimm do mit rauft # SICH ENTFERNEND # #( ? )# #SICH ENTFERNEND# 26 SEKUNDEN PAUSE LACHT hier das warn ma wieda weißte- ** n=bisken valust haste immat diese typischn trainingsbedingungn net * wenn deine freundin fra: cht * wat passiert is ja sachst du bist vorn bäum gelaufn fracht die natürlich auch * auf welchem Sportplatz denn steht ersma=n bäum net LACHT aba is aba jetz ja kennze den film Anhang 411 2108 Tobias: 2109 Marcel: 2110 Tobias: 2111 Marcel. 2112 Tobias: 2113 Marcel: 2114 Tobias: 2115 Marcel: 2116 Tobias: 2117 Marcel: 2118 Tobias: 2119 Marcel: 2120 Tobias: 2121 Marcel: 2122 Tobias: 2123 Marcel: Komm.: \a-l jaJder mit der ähm jede menge kohlet von adolf winkelmannt der is supat mit der mil der säge net es kommt der tag da will die säge sägen net tana schanzara und genaut der kam vor kurzem no im fernsehnt genau genau genaut ** das sin so supa sprächet Ijm der kam vor kurzem um mittanachtt * inruegionalnt * oda im erstn soga: t * un ich LACHT LACHT sach dir eigentlich dat is der be"ste film den ich je wirklich mein lieblingsfilmt is=n kultfilm das stimmtt un da is da"~ * denk ich auch- LACHT n=bissken valust haste immat hat dir die moni schon gesacht wieviel se ACHT nach hause bringtt * bald mehr wie icht 13 SEKUNDEN PAUSE, Aufnahmeende 412 Reden und Spielen 8.4 SCH-19 B-Seite: Mannschaftssitzung in der Kabine vor dem Meisterschaftsspiel gegen Grobach Dauer: 10 Minuten, 54 Sekunden Ort: Schwarzberg, in der Kabine Datum: 26.11.95 Zeit: zwischen 13 30 und 13 45 Uhr Zählerstand auf Transkriptionsgerät: 002-134 Aufnahmeart: offen Position des Aufnahmegeräts: in der Innentasche der Jacke, Mikro am Revers Anwesende Personen: Trainer Franz Brünger Tim Müller Thorsten Fritz, Kapitän von Schwarzberg Ralf Katz Marcus Strauß Stefan Werner = „Spieler“ Pierre Bulau = „Bulle“ Pierre Motzert Jürgen Eylmann Andreas Maux = „Andy“ Tom Wiehler Ralf Biebe = „Biber“ Jörg Werner Thomas Späth Zoran Pumic = „Zorro“ Marcel Schilling Aufnahmebeginn 001 ? : 002 Marcel: 003 ? : 004 Jörg: 005 Marcel: 006 ? : 007 Marcel: 008 Brüng.: 009 Tim: 010 ? : 011 Marcel: ohi schöne bi"ld kaputtf wat kommt denn je'tz bay'ern oder wast *2* oder heute morjen hättste fast jaf LACHT fra'nkfurt oder wasi ** noch bessert het iörqt kannst doch so=n kleines mädchen nich enttäu'schenf ** schwa'rzberg heißt (...) so lasst euch noch ma zeit mit dem u"mziehnt * wir machn thorstenf dich STÖHNT wast * herthat 012 Brüng,: vo"rab jetz schon die bespre'chungf ** wir könn ja da'nn noch mal rau'sgehn Anhang 413 013 Brüng.: 014 ? : Komm: 015 Brüng.: Komm.: 016 Brüng.: Komm.: 017 Brüng.: Komm.: 018 Brüng.: 019 ? : KK: 020 ? : 021 Brüng.: Komm.: 022 Brüng.: 023 024 Brüng.: 025 Spieler? Komm.: 026 Brüng.: 027 ? : Komm.: 028 Brüng.: Komm'.: 029 ? : KK: Komm.: 031 Brüng.: 032 ? : KK: 033 Brüng.: 034 035 036 037 038 039 040 wenn wir die ze'hn minuden ru"mhamt * #kommt die zwei'te mannschaft rein und LACHT «TOILETTENSPÜLUNG; TORSTEN machen ihre ha'lbzeitT * un wenn die" raus sind dann könn wer hier reingehnun BEGRÜSST DIE MITSPIELER PER HANDSCHLAG; LEICHTE UNRUHE; könn uns da"nn entsprechend gleich u'mziehn-l- # weil dann gibt=s au nix mehr zu GESPRÄCHE DER SPIELER # bere'denT * un dann ham=mer i'mmer noch ne gu'te dreivierteistunde zei"t~ GERÄUSCH zum u'mziehn un zum eidaufni ** ich we"rd das also * heude ziemlich # # # FLÜSTERND # allgemein un auch relativ ku"rz halten das ganzeT # **# weil * ich we'rd also # HUSTEN EINES SPIELERS# überwiegend ma mehr das ei'nzelgespräch nehmT auch we'niger die kru'ppen sonnern wirklich au je"den ei'nzeln ma dazuT * wei"l was heu'de auf=m spiel steht denk ich mal- * wi'rd eigentlich sich je'der * bewu'sst seint * spätestens #LÄSST FUSSBALLSCHUHE AUS DER TASCHE FALLEN # #da"nnt ** äh wenn ich je"tz die erge'bnisse von ge’stern ma kurz mitteileT «GERÄUSCHE VON KNISTERNDEN PAPIERTÜTEN IM HINTERGRUND * falls es jemand noch ni'ch gelesen harn solldeT# * der tri'ttletzte te ge # ro'ssheim # ABK. turngemeinde # # # «FLÜSTERND# ...GERÄUSCHE... # gewinnt in eintracht rossheim trei ei'nst ** ->das is also au" scho ma so=n #nee# «FLÜSTERND# stü"ck<- * was u"ns zu de'nken geben solide- * un haa‘sen erkä'mpft sich gegen vo'rwärts e"derbach * bezeichnenderweise mit ze’hn mann über se'chzig minuden n eins ei'nsT * nachdem se nach trei'ßig minuden ** <-de: n liberal * den wehling den lars wehling mit ner roten ka'rte verloren harnt * beim stände von null nullt * vo’rwärts e’derbach ei'ns null in führung gegangent *2* <-und abschließend na’ch dem * eins null war=s also so" * dass haa’sen sich komplett hinden* zurückgezogen hat- * un die ham da's gemacht was uns a"b und an-> immer noch so=n bisschen abgegangen ist die harn fußball gea'rbeidett 414 Reden und Spielen 041 Briing.: 042 043 044 045 046 047 048 * die ham sich hi'ngestellt hinden rei'nt * un * ham ko'nterfußball gespieltt zü’gigen ko'nterfußballT * wä'hrend vorwärts ederbach in schö'nheit gesto'rben is(4 >(durch/ so? ) n langsamen überhe'blichen poma'digen Spielaufbau! - * die krö’nung wa'r ich hab mir das spiel gestern angeguckt- * mit=m schlu"sspfiff * war der schall alleine du'rch4 von drei' metern4 zum klück hat=n der waldheim gehalten! das ding hätte haasen kla’r gewinn müsn! un das obwohl se mit ze'hn ma'nn gespielt ham! - * nur das zei'gtt * da'mit * ich hol deswegen damit auch au'st * das is de'swegen * bezeichnend * die mannschaften von <u"ntenl- * 049 Brüng.: Komm.: jetzt! - * >krade haa'sen und # te ge # ro'ssheim! die fa'ng a"n * zu kä'mpfen! die #ABK. turngemeinde# 050 Brüng.: 051 052 053 054 055 056 057 058 059 060 bewe'gen sich! - * <und * «-durch das kämpferische eleme'nt durch das a"nfeuern! mi’ddenander re’den! - ** ri'chtig po'wer in=n spiel reinzupring! - * un nit anfang ->hier ha'cke schi’ppe ei'ns zwei trei zu ma'chen! -«- * mit=m ball un wu'ndertechniken zu vollpri’ngen! - * spie'ln die ** von=ner si'cheren ** spielweise! kru'ndordnung! kompa'kt hi'ntn dri'n! - * bea'rbeiden sobald der ge'gner über de mi'ddellinie kommt! - * un dann te'mpospiel nach vo'rne! - * weil die ste'hn mit em rü'cken zur wa'ndl- * un stehn ersma hinten trln um zu sagen wir spie'ln zu null! - * wolln kompa'kt hinten tri'nstehn- * un dann versuchen wertempofußball zu spielnT * gegen mannschaften die jelzt schon! - ** >in anführungsstrichent< * a“b sind von gut und böse! - * >das=s bezeichnend für vorwärts e'derbach un auch ** -bezeichnend sar ich mal bei 061 Brüng,: eintracht rossheim ä'hnlich! - * ich denk mal die wem oben nix mehr zu bestelln Komm.: HUSTEN VON THORSTEN 062 Brüng.: 063 064 065 066 067 068 ham eintracht rossheim- * wem au nimmer nach unten reinkomm! bei vorwärts ederbach kam=ma (ä'hnlich/ e'h nich? ) davon ausgehn! -«- * <das heißt die spie'ln dann ihre spielweise der witterungs/ ** oder den Witterungseinflüssen entsprechend- * ich würd mal sagen fa'st lu'stlos a’bt * un da" * ->lie"gen die gro'ßen cha'ncen für die mannschaften u'nten tri'n-«- * da" * sich entsprechend de pu'nkte zu ergattern! - ** so"! un was da"s heu'de bedeuletT * wenn u'nser spiel *1,5* «-als heimspiel * erneu't in die ho'se gehn solldet 069 Brüng.: Komm.: NASEPUTZEN EINES SPIELERS *3* ->prauch ich ja je'tz nit mehr weiter 070 Brüng.: au'szuführn! - * weil wenn jelzt * wir als tabe’llenletzterl- ** ->un die 071 ma'nnschaften die uCmiddelbar vo"r uns stehn scho'n die pu'nkte machen! - 072 Brüng.: «-nämlich auch trei" punkte machen! siehe! - * # te ge # rossheim! - * -»dann müsn=mer Komm.: # ABK. turngemeinde # 073 Brüng.: 074 075 076 077 078 uns datrüber im kla'ren sein-«- * dass heu'de für u'nst * zumindestens was also * die Perspektive * naCh der wintersaison aus den sta'rtlöchern zu komm- * was da" auf=m spiel steht dürfte eigentlich jelzt spälestens je'dem kla'r sein! - * -»so na’ch dem mo'tto bis jelzt golt wir ham mal n=spiel verloln oder ham mal unentschie'den gespielt-«- * die a'ndern ham u"ns den gefalln nil getant * -»das ist also spälestens au seit heule endgültig vorbei"! -«- * un Anhang 415 079 Brüng.: we'nn wir das hier heu’te vergei'gen gegen gro"bacht * ->da will ich nur mal 080 kurz kucken um euch den pu'nktestand auch entsprechend kla"r zu machent 081 * <-die gro'bächer momenta'n kö"nnen wirklich relativ befrei"! au'lspielnf * un 082 lie'gen bei vierzehn plu'spunktenl' -^wenn die hie"r heude gewi’nn sind se bei 083 #<-sie"bzehn # un wir bei a"cht4 * das sin schon weiten! - * >jat< ** weil * -»es is KK: # ÜBERDEUTLICH# 084 Brüng.: 085 086 087 088 089 090 091 ja nit so" wenn wi"r dann mal dana'ch n=spiel gewi'nn is es ja nit so” dass wir dann ra'nkomml weil dann gewinnt grobach au mal mi't oder holen irgendwo=n punkt! -<- * da müss=mer schon da“nn ne rü'ckrunde hi'nlegen- * wie mer=s schon mal frü'her in frühem ja"hren gehabt hamt * -»aber datrauf prauch ma sich nit zu beru’fenJ- * wir müsn je'tzt einfach kuckn spä'testens jelzt müs=mer putzmu"nter seint * und wir müsn kä'mpferisch dage'genhaltenl- * ich hab das am do'nnerstach schon erwähnt! -«- * <heu'te gro'bach die harn ni"x zu verlie’ren! - * aber wa"s die machen! - * un das is die i'mmer * schon 092 Brüng.: kru"ndsä"tzlich! - ** die gro"bächer spielweise gewesen! - * is * kö"rperbeto"ntes 093 ? : # # KK: # MURMELND # 094 Brüng.: 095 096 097 098 099 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 ka"mpfspiel! - ** von hi'nten raus langen ha'fer spieln! - * was die gro'bächer * >un da seh ich eigentlich auch * d/ die bekrü'ndung in den plu'spunkten trin! spielerisch * kla’r schwächer sin wie wir! * ga'T keine fra’ge! - * au von dem * -»von dem ga'nzen von der ganzen spielweise das ha"m=mer gese'hn- * wo wir i"n grobach gespielt harn dass wir von der spielanlage her die bessere mannschaft warn! -«- * a'ber was die u"ns in teilberei'Chen do'Ch deu'llich vorau"shat ist die gewisse disziplin im spiel! - * <das hei'ßt da wi"rd einer li'nks der a'ndere wird re'chts hingestellt un dann blei'ben di/ * dann blei'ben die au da"! un genau" da" a'rbeiden die" i'hre * i'hr pe'nsum a"bt * >un da"s wird von u"ns heute gefo'rdert sein! - * oder wi"r müsn u"ns das heu'de als zie'l setzent * dass wi"r * <mit de": n wie ich die ma'nnschaft au'fstelle! - * <-un klau'Ce! wie" sie" * so" * vernü'nftig un am be"sten au'fgestellt is! - * -»solide sich nur je"der ei'nzelne spie'ler trüber im kla'ren sein * we"nn ich den ge"rne auf rechtsau'ßen hätte! - * dann hälte ich=n au'Ch als re'Chtsau'ßen au'fgestellti * un we’nn ich den vom ma'nndecker ge"rn~ * im rechten o'ffensiven mittelfeld hätte! - * >dann hä'tte ich den au'Ch im rechten offensten mittelfeld aufgestellt! - * da’trüber soll sich jeder im kla'ren sein! - * un we"r=s nit ga"nz bekrei'fen solide * deswegen bin ich da recht da'nkbar! wir harn zwei leu'de auf der ba’nkt * die jederzeit rei'nkönnt un wie" ich auch scho'n am do'nnerstach gesacht hab * «-das sind welche die eigentlich * zumindestens zwei" davon wo ich klau'be * die lei'stungsmäsich * we'nn sie * entsprechend kö'rperlich fi"t sind * un das ei'nigerma'sen umsetzen * sicherlich unner die erstn elf gehörn-l ** könnten! - ** >so! - * ich hab natürlich au die <hoffnung dass wir durch den erhö'hten lei'stungsdruck der je'tzt zum klü'ck entste'ht * dass wir da'nn au" davon profitie'rent * un das da’nn entspre'chend anwe'ndeni ** ich sach nur ei'ns no"ch~ * Beschließend jetz dazu! bevo'r jetzt gleich hier halbzeit is-l * stellt euch bitte trauf ei"nt ** un das sa’r ich jetzt zum tri'tten oder vie’rten mal! - * un * deswe'gen sa"g ich=s auch ga'nz bewu'sstJ- * die ste'hn kompa'kt hinten tri'nt * und <erschre"ckt euch ni’chtt * ^wenn ihr klau'bt ihr könnt n=ba"ll annehm und ihr hättet=s fu"ßballspieln erfu'nden räu’m die euch a'b! - * «-un bi'tte wei'nt auch nicht deswegen! - * ha'ltet kä'mpferisch dage'gen! o'hne na'chzutretent * ste'llt euch 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 Reden und Spielen drauf ei'nt ->dass es hier se'hr körperbetont zur sa'che gehtT<un dass wi’r kra'de de"swegen4- ** kä’mpferisch dage'genhaltenJo'hne na'chtreteno"hne nachschlagen4- * und au'ch uns hie"r nit irgendwo befrei'enj- * weil <tö"dlich i"st und la'sst eure pfo"ten wegl * absichtliches ha'ndspiel ro”te ka'rte oder i"rgendso=n schei"ß4- ** un sei'd euch dadrüber bewu'sst'l- ** haltet kämpferisch dage'gent e'ngagie’rt in die zwei’kämpfeT * te'mpofußballi se"lbstvertraun te'mpofu'ßball nach vo’mel * ^>weil die gro'bächer sind au ne tru'ppe die <ha"m au scho ma sechs sieben stü'ck gefangJ- * das hei'ßt die sind also auch hi'nten entspre'chend verwu'ndbarl und * das ha"m=mer au i’n grobach schon praktizie’rti * nur wir ha'm unsre cha'ncen net reibgemachti ** darum mu"ss ich aber te"mpofußball spieln4weil webn wir <-la"ngsam poma'dig hier hi’nten raus au"fbau"n4- * un da"nn versubhen hie'r in der gegnerischen hä"lfte4- * ga'nz la'ngsam sibheres fu’ßballspielJ' * -»da ste’hn die kompa’kt hinten dri’n un dann hau’n die uns auf de hö’lzer un da’nn spieln se~ * nu’r * <-bli"nden la’ngen ha’fer auf den stae’dtler draufl ** >un da’nn pre’nnt=s libhterlo’hl-» * weil da"s is ei’ner der sar mal der ba’lltechnisch erhebliche proble’me hati * lau’fstark- * kampfstark- * ko"pfballstark-l. da"s is de’m sein lebenselexier-idem spri’ngt der ball au fünf me’der vom fu'ß wenn er=n a’nnimmti * aber de"s=s einer der na'chsefztt * un we’nn jemand klaubt bei uns in dem bereibhJ- * er hätte hier=n ball und er könnte ku’cken wie=n india’ner hier nach vo'rne-1- * das di’ng hi’n/ irgendwo hi’nzuspieln aus der hü'fte raus4- * -»da ko'mmt der stae’dtler irgendwo von=ner sei’de un räu"mt euch ab! * un dann ha't der seine to'rchance hier vorne4' das is die grobächer spielweisei«die grobächer selbst kö’nn kei’n spiel machend * <wenn se=n spiel gestalten solln4- * >is ga"r nit de: n ihre we’ltl * un das wi’ssen die au’l ** als neulingi hie’r o’bn in=ner verbabdsligai * beschrä’nken sich genau" auf da"s was se kö"nn4- * sich hi’nten zurübkziehnT * zwei’kampf bea’rbeident weil=s i’s bezeibhnendl bei den grobächer spielen- * es gibt erschre’ckend viel'l' * gelbe gelbrote karten ro’te kartend * -»ei’ner der a’bräumer von den hannemann hat zum klübk nobh de rode ka’rte den ke’nnt ja der bulle be’stensJwo der=n abgeräumt hat ei’mal in gro"bach4- * in de wei’chteile rei’ngerutscht is-l jat ** <-da"nn ist der hu’ssl sicherlich n=se"hr wichtiger mann für die im spielaufbauJ- * is also nobh * verle’tzungsbedingti ** dass de’r also da" noch fe’hltJ- * <alle ä'ndern die da bei de’n in der zei’tung stehn bin sa’hleb un wie' die heisen das sin alles in der re'gel ba’nkspielert * die austauschbar sin-l- * das hei'ßt da fe’hln im kru’nde genomm zwei" leu'de-l- * mit dem ha’nnemann sicherlich einer der im de’fensiven bereich sehr sta’rk ist * un au" entsprechend abräumtt der das kö’rperbetonte spiel se’hr im vo’rdergrund stelltt * un der hu’ssl is si'cherlich n=se"hr schneller * spielstarker ma’nnt * der also o"ft entweder im o’ffensiven mi’ttelfeld oder aber auf der liberopositon gespielt hat! ** <der tre’h un a'ngelpunkt im grobächer spiel is der rü’hlei * der also im zentralen mi’ttelfeld gespielt hat4- -»un we’nn ich das also so ri’chtig mitgekricht hab hat der letzte woche li'bero gespieltl»- * vedi/ bedi’ngt vielleicht da durch den au’sfall von dem hu'ssl4- * aber ich kann mir vo’rstelln »dadurch dass der kali nicht auf der verletztenliste bei den drauf istt * ist der ka’ll eigentlich=n eta’tmäsicher li’bero der da spieln kannt * so dass der rü’hle da’nn wiederum * im mi’ttelfeld au'flaufen würdel * und den rü'hle * würd ich da’nn a’bgesehn von unsrer kru’ndordnung die wi’r im spiel harn krundsätzlich dem marcus strau’ß zuordnen wollnt weil das also=n dau'erläufer ist * der pe’rmanent wieder ins spiel komm sollt un da de’nk ich ma damit wir unsre kru’ndordnung nit zu sehr aufgebenl u’nd ich Anhang 177 Brüng.: KK: wi'll also au den tim mü'ller vom au'fbauspiel her # ni'cht zerschlei"sen4- # * # ÜBERDEUTLICH # 417 178 Brüng.: wenn de"r gegen den lo'srenn soll! weil das is ei'ner- * der erwa’rtet dass er 179 hie"r räu'me kricht un dann ra'st der i'mmer wieder hier rei"n und wird 180 Brüng.: 181 ? : Komm.: a"ngespielt4 * das war schä'dlich für unser au"fbauspiel4deswegen mö'cht ich HUSTEN VON THORSTEN 182 Brüng.: ein de*fensiven mi'ttelfeldspieleri * da'für be’ordern sich ausschließlich um den 183 ? : 184 Brüng.: rü'hle zu kümmern! - ** das ganze is da"nn hinfällig * >wenn der rühle li'bero 185 spieln solide! - * solide er aber ni'cht libero spieln dass vielleicht der ka'll dabei" 186 Brüng.: is * da"nn wern=wer die ma'nnzuordnung # dazu machn! - ** >so! -< * das soll Komm.: # TÜRQUIETSCHEN, SPIELER DER 187 Brüng.: e'rstmal so'weit rei'chen ge"h=mer erstmal rau'st ** maSnschaftsauTstellung Komm.: ZWEITEN MANNSCHAFT KOMMEN ZUR HALBZEIT IN DIE KABINE 188 Brüng.: is vom do'nnerstag her beka'nntt * wir gehn abschließend wenn die ju'ngs hier 189 ? : hallo Komm.: ZUNEHMENDE UNRUHE IN DER KABINE 190 Brüng.: 191 ? : 192 ? : 193 ? : 194 ? : 195 ? : 196 ? : 197 Andy: Komm.: rau'skomm wieder hier rel'n! alles klar! hey mo'nster! - LACHT vie’r nullt ja4 vie'r null # SPIELER DER ERSTEN VERLASSEN DIE KABINE, WÄHREND DIE SPIELER DER ZWEITEN IHRE HALBZEITPAUSE DURCHFÜHREN # 418 Reden und Spielen 8.5 H-48 B-Seite: Spielersitzung im Bus nach Knüste Dauer: 14 Minuten, 25 Sekunden Ort: auf der Autobahn auf dem Weg nach Knüste Datum: 21.4.96 Zeit: ca. 13 30 -14 30 Uhr (mit Unterbrechungen) Zählerstand auf Transkriptionsgerät: 180-381 Aufnahmeart: offen Position des Aufnahmegeräts: in den Händen, dann in der Innentasche Anwesende Personen: Trainer Heinrich Platen Peter Demopoulidis = „Demmi“ Stefan Schulten, Kapitän von Huke = „Schulli“ oder „Schuld“ Matthias Starke Jens Kaminski Tobias Dyballa Tommy Glasse Mehmet Gökal Lothar Rabe Sven Höner Eric Maschalinski = „Mascha“ Björn Drexhage Thorsten Lüttemann Peter Schmerkötter = „Köddel“, nach seiner roten Karte gesperrt, aber als Fan dabei Oliver Tielker Martin Eickhoff Jean-Pierre Doddo Bernd Böhmer = „Bommi“ Ralf Tüselmann = „Ralle“, ehern. Spieler, jetzt quasi „Assistent“ Masseur Manni Die Betreuer Willi Lüttemann und Konrad Bokelmann, ihre Frauen • sowie einige wenige Fans Schiedsrichter = „Schiri“ Marcel Schilling Kommentar: Der Bus, der die Mannschaft, Trainer, Vorstand und einige Fans zum Auswärtsspiel mitnehmen soll, hat sich verspätet. Deshalb führt der Trainer die Spielersitzung während der Fahrt im Bus durch. Die Spieler sitzen im hinteren Teil des Busses. Der Trainer begibt sich zu ihnen nach hinten. Anhang 419 Aufnahmebeginn 001 Platen so4 kö"nn wir ein momentt * ei"n moment wieder zuhö’rnt *2* ich weiß nich 002 wieviel zei't wir nachher- * da im sta'dion harn es is schon- * ziemlich spä’t- 003 *1,5* äh * viellei'cht auch ganz gu"t dann- * ste"hn wa nich zu lange inner 006 Platen: so'nne-* sonnan *2* so'nnan dann ha"m wa viellei'cht-* 005 Marcel: ups * tschuldigung 006 Platen: schne'll u’mziehn- *2* wa"rm machen- *1.5* gewi'nn- * un nach hau'se 007 Matth.: gewi'nn un na hause fahrn4 008 Platen: fahrnl- ** net # *3* ->so # ich hab mir ma so~<- * Schwerpunkte- Komm.: # ENTFALTET EIN BLATT PAPIER MIT DER AUFSTELLUNG # 009 Sven: un bpru'ssia kuckend 010 011 012 013 014 015 016 017 018 019 020 021 022 023 024 025 026 027 028 029 030 031 032 033 034 035 036 037 038 039 040 041 042 043 044 045 Platen: ** auf die’ es- * si'chalich heu'te a'nkommtJ- *2* die- * personelle- * geschi'chte spielt- * ->ni"ch die große rolle weil ich hab ma eben hie'r in dem- ** ähm~ * revie'rsport- * die ham au'ch Probleme mit au'fstellung so dass wir uns da" nich gro'ß an na": m ersma aufhaltn wolln4 * <wi"chtich~ *1,5* ich hab das ma hie'r so ausgezeichnet- * dat kö'nnt ihr euch nachher noch- * hängt au wieder in der kabi'ne rei'n- *2,5* <wi"chtich sind hie'r die paa're auf der seitei *2* lo'thar- * und ste'fanl- *2* wenn de’r- * den a'nschluss hier- * ni'ch fi'nden sollte! * hie'r wenn der ma we'ggehn sollte! ** gefö'hl für ham- * dass ich rau'sgehet * un der ste'fan nach i'nn geht! * wenn ich hie'r hinterher renne scha'ff ich dat nich! * aba wenn ich den ku'rzn weg hier rei'nlaufet * dann ka'nn ich- * wie'der a'bwehrn! kann ich de"n hier überne'hm! * jat e'rsma vom ma'nn ausgehn- * ganz kla'rT * auf der a'ndern seite- *2* der- * matthi'as- * und der- *2* äh tobi'as- * genau" das glei'che! *1,5* net wenn der hie'r überlau'fn wird mal- ** dass der matthi'as dann hie'r- *1,5* mit rau'sgeht vom geda'nken he'r * un du" dann nach i"nn ni'ch dass wir hinterhe'rlaufn! * gut wenn ich=n krie'ge * dann blei'bt der natürlich dri'n! * is ga'nz kla'r! * aba wenn ich=n ni'ch mehr krie'ge- * dann muss ich gefü'hl für entwickeln- * rau'szugehn- * zu stö'rn un der a'ndre geht nach i'nn und schlie'ßt dann! *1,5* vom verha'ltn her! *1,5* de'r * pe'ter- *2,5* -»orientie'rt sich i'mmer zu der seile wo der a'ngriff- *1,5* läu'ftis no/ normalganz kla'r- * aber die a'ndre seile muss i'mmer na/ i'mmer rei'nrücken! ** ne dat sie'ht jetz so au"s als ob die nu"r mit ei'ner spi'tze spieln aber dat wem i'mma wieda- ** <-de"r nachrücken oder de'r nachrückendie werden immer mit- * drei" oder viel leu'ten vo'rne dri'n sein! * un die weiden au'ch schnell na'chrücken! * so dass wir scho'n aus der abwehr spieln könn! *3* ich ha'b mal hie'r so=n~ ** berei’ch gemacht in de"m wir wahrschei'nlich- *2* unser spiel mil- * au'fziehn könn! ** aus/ * au'ßen- * ->klar we'nn et sich a'nbietet tobi'as- * dann geht a ma! <- * oder- * matthias we'nn- * dann ge'ht ma! * da i"s ja dann auch hie'r- * n=lo"ch! * aber dadulch dass- * hie'r i'mmer bese'tzt sein wird is et schwel- * da" * über die au'ßen zu ko'mm- * aber unser spiel au'fzubaun! * denk ich mal dü'rfte in die'sem bereich hier sein! *1,5* äh ei'ns gegn ei'ns wenn der/ wenn der * äh to'mmie sich frü'hzeitich lö'sen ka'nn- * n=ball zu holen oder den je’ns den ball hier holen- * da'nn sind wir im spiel! * ne un da'nn kann ich au'ch hie’r- ** wenn wir hie'r in ballbesitz si'nd- ** ~>da ka'nn ich auch hier au'ßen ma milgehn! dann is hie’r ein loch in den ich den pa'ss reinspieln kann! * oder hie'r reinspieln kann! * wo der do'ddo dann rei'ngeht! * ja i'mmer- * entweder nach au'ßen- * <-o"der~ * so diagonal- * 420 Reden und Spielen 046 047 048 049 050 051 052 053 054 055 056 057 058 059 060 061 062 063 064 065 066 Platen: vo'rne reiV * wo wir dann- * hie"r~ * oder der- * e’ric- * auf die a’ndre seife wenn wir hie"r in ballbesitz sind- * hie'r rein >kann4 * <nu"r ihr mü'sst so=n bi"sschen~ * im rü'cken ku’ckeni *1,5* wenn hie'r ein lo'ch is4 * un der kann na'chrücken- * dann äh rü’ck ich rei"n4 * aber nich ga'nz rei'n sonnan- * nur hie'r so tei'l- ** um- * noch ma zurü"ckzugehn4- ** ja dann/ * hier is ein lo'ch- * ->da hat der die mö'glichkeit entweda hie'r rei"nzuspieln~<- * den hier mi'tzunehm * aber we'nn der nich ko'mmt- * kann ich aber wieda zurü'ck- * u"m~ * ->da" angespielt zu werdnJun den pa'ss«wi'rklich de"n pass auch au'fzunehmJ" * jat ->dat is wi"chtich4<- ** net wenn ich/ wenn ich ga'nz- * dann blei'bt ihm nu'r dieser eine pa'ss wenn de'r nich mi"tkommt4- * also mu'ss ich- * ha'lb nur rei'n- * um de'n hier au'fzunehm- * o'der wieder zurü'ck- * we'nn er nich ko'mmt- * um hie'r reinzugehn-t- *2,5* dat si'nd so- * vom/ vom * da's was wi'r wo"lln4 * un da's was wi'r- * uns au'ch so- * was- * au'fzunehm isJ- *2,5* ähm- ->ich ha"b das schon gesa'gt4 dies sind so klei'nigkeiten die je'tz viellei'cht~<- * mi't ausschlaggebend sind4 ->der heiko lu'ft hatte mir gesagt dass die auch<die'sen- ** pla'tz * wä"ssern4- * aber we'rden wir vo'rher me'rkenJ- * also~*1,5* dat is normalerweise gu'tJ- * ha'rter pla'tz is es- * <ni'ch aber wenn wei'ch is dann fühlt man sich irgendwo~-> * nu'r- ** das hei'sst dann dass se sich davo'n ein vo'rteil versprechen schne'll im spie'l zu komm4 * un genau'so wa'ch müssen wi'r sein-1- * genau das- * dürfen wir uns ni'ch davon a'blenken lassen da wi'rd- * viel- * gemeckert! * oder viel beeinflusst! * 067 Platen: Schiedsrichter- * ge'gner- ** und dass uns dat ni'ch passie'rt wie # hie'r! # KK: #ZEIGT AUF KÖDDEL - VOR ZWEI WOCHEN VOM PLATZ GEFLOGEN# 068 069 070 071 072 073 074 075 076 077 078 079 080 081 082 083 084 085 086 087 088 089 090 Platen: jat sondern- ** kna'lln- * drau'fgehn * zwei'kämpfe gewi'nn- * ru'hig sein- ** neT auch ma tre'ffen spielt überhau'pt keine ro'lle- * aber schli'mm wird et wenn ich erzä'hle- * und- * dadurch ru'nterfliege! * oder mich revanchie're! * sondern- ** zwei'kampf gewo'nn- * da pfeift erpfeift nich- * un dann ge'ht et weiter! also ni'ch erzä’hlen weil- * neu'nzich minu'ten brauchn wa die- * kra'ft für- ** >wat a'nderes! *3* ähm *4* <e"cken~ * spielen sie- * teilweise- * sagt er mir * auch ku'rz! es läu'ft einer vom to'r we'g! * to'mmie du'gehst- * mit rau's! also am ku'rzen pfostn! * wenn da einer hi'nstellt- * ge'hst du mit rau's! wenn der rau'släuft- * dann wird der a'ngepasstrau'sgespielt un da’nn- * harn die dann a'ndern wi'nkel zum to"r! * du' gehst dann mi't am ku'rzen pfo'stn- * un verhinderst das! * jat dann sie'hste jadann kommt der pa'ss zu de'mder p/ lässt ihn prallen un dann bi'st du dann drau'f- * wenn die a'ndern dann en schri'tt mit rau'sgehn- * viellei'cht könn wa dann * ö'fter mal auf a'bseits spieln! * a'bseits aber nu'r- ** >in a'nführungsstrichn! weil dat- ** dat braucht zei’t! *2* ähm ** <das glei'che d/ der e'ric ge'ht- * hö'he se'chzehna! *2* da kommt au'ch scho mal so einer- * rau's! * ü'blich! * net un sonst st/ * steht e'r da- ** der is ku'rz un du" ge'hst mi't- * da'hin- * um den au'fzunehm- * am se'chzehner- * >wenn sich da etwas- * au'ftut! *2* <frei"stöße~ * mü'ssen wa- ** mi'ttelfeld- * also so- *1,5* in drei'ßig me'ter- * ne mau'erbildung! drei" ma'nn! *1,5* net also- * äh die schie'ßen- * sa'gten die mir- * au'ch entfernt von entfernung ei'nfach drau'f! * ei’nfach heißt- * i'rgendwo ste'ht einer- * der viellei'cht mal- * a'bfälscht! oda wo einer a'bgefälscht wird! * also die- * spielen frei'stöße nich i'mmer hoch rei'n sonnan- * die" * schie'ßen se auch! * Platen: ? ■ 091 092 schie'ßendass da einerja! dass da einer- * a'blenkt- * u'nd- * se 093 094 095 096 097 098 099 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 Anhang 421 Platen: Platen: Tobias: Platen: Platen: KK: Komm.: Platen Platen: Stefan: Platen: Stefan: Komm.: Platen: Platen: Matth.: Mascha: Platen: rei'nmachtT * also da" müssn wa aiT’ch =n bisschen au"fpassn~ * zu"m ma'nn orientie’rt sei'n- * rich dass sich irgendwo einer we'gschleicht- * ->un der ste’ht dann wirklich da" un die ha"m das glü"ck~ * ein vor=n ko"pp zu schie"ßen un de"r geht rei"n4- * net aber- * mu'ss nich sei'n sonnan da" imma aufmerksam sein-l *2* ähm *3* -»es wi'rd natürlich so" sein<dass sie- * versuchen- * das spie"l frü/ f: / schne"llmö"glichst~ ** ma"~ * zu entschei'dni * ganz kla'rT ^bei de"n bedingungn wer=n vo'rsprung rau"sschießt~ * <-hat et viellei'cht- * e'twas lei'chterl ** äh~ ** da wird von au'ßen wird viel ko"mm4 * la’ngeri"mmer~ * spre"chen~ * pe'ter- * i"mmer wieder spre'chen- * dami’t wir~ * ste'llen * damit wir- * geordnet ste'hn- * um äh vieles au'fzunehm- *3* fa'ngen- *1,5* spi"tze4 ** ne't * au"ch~ * versuchen- * in die spi'tze zu kommT * ma so=n bi'sschen hö'rn wo ich hi'nrufe- * links re"chts~ * äh~ ** dass wir da" vielleicht n=ko"nter machen! - * fa'ngen- * un den ko'nter machen-l * ne au"ch tobiasi * de"r der den- * werten pa'ss spie'len kann-l * oder wenn- * wir i"m mi'ttelfeld den ball a"nwerfen4- * je'ns oder- * to’mmy- * a"nwerfen das wir da'nn den schne'llen ko'nter machen! - * und äh da'nn die entblö'ßte- * a“bwehr~ * dann- * au'sspieln- * und äh- * -»soweit ich gele'sen habe is auch der sta’mmtorwart- * da- * verle'tzt wobei- ** äh dass- * nich/ kein na'chteil sein muss- * jat a"lle verei'ne harn- * zwei" oda drei" gu’te torhüter- * muss nich- * u"nbedingt=n na'chteil sein a"ber~ ** äh man brau'cht dann irgendwo ne zei"t~ * um- * si'cher zu werden- * un das kö'nn wir dann- * so au'snützeni -»dat glei'che gilt hie'r für den frei'stoß tobias- * drei'ßich me'ter da müssen kö"ppe ro’llenalles klar! net und äh- LACHT äh * au'snutzen! - * ganz kla"r~ * anso'nsten- * hie'r mit den- * e’cken * müssn wa se'hn wenn- ** ich we'rde mir den to"rwart dann- * a'nsehn- * ob wir se dann zu"m to'r hinspie'len- ** u’nsicher mü’ssen wer zum to"r hinspielen- ** dire"kt in den fü'nfer rei'n- * da si’nd dann die gro'ßen- * >eventuell net * # <tommy du bist- * klei'n! klei'n! ganz vo'rn! - * net aber # #LACHEND # LACHEN UND GRINSEN DER MITSPIELER ** aber hie'r äh- ** do"ddo~ * ku'rz also- * fü’nfereck- * matthi'as dahi"nter~ * hie'r noch ei'ner zum to"rwa: t zum to"rwa: t~ * ganz ku'rz * so dass wir da"- ** äh das au'ch nutzen! - * jat <bittet soll i'ch jetz die eckn schießen oder-fach nee"~ >tommy muss se ja soll i"ch jetz die e'cken schießnt * oder wert LACHEN EINES WEIBLICHEN FANS schie'ßen von der seitet * von de'T von der ei’nen seitet * hab ich n=li"nken harn nich dabei" net * n=linkn von re'chts- * ja denn mu'ss denn von/ von den martin tobias hauptsächlich von- * von der a'ndern Seite- * von li'nks- * dann zu'm to'r hint 422 Reden und Spielen 132 Platen: 133 Sven: 134 Tobias: * ganz klar4 muss tobi"as zum zweitn mal hingehni aber- * dei'ne komm so" LACHT 135 Platen: gut du kannste auch von re’chts mit reinschießn'l-* >ne klar zum tor hinspielen * 136 Tobias: ich hab zwei füße aber ein schu’ss 137 138 139 140 141 142 143 Platen: kurz auch! müssnwavonja-l'**<anso"nstenleu"te~‘* Björn: dat bleibt dann auch ne4- Platen: fahrn wir da" hin- * die so'nne stra'hlt- * net * un dat mü'ssen wir- Trgendwo Platen: *nu"tzn4für die prä'mlet is doch ganz kla ,l r4*ja'4* net Jens: prä'mie Platen: dat is dat dat is dat wi'chtigstet Tobias: de"r hat das jetz au kapiertt haste jetz au"ch kapiert net * net 144 Platen: LACHT ja- * gu"t 145 Tobias: LACHT 146 Jens: 147 ? : ich weiß dass die läge is doch noch nich zu spätl hat ein bisschen 148 Platen: 149 Stefan: 150 Jens: ne da ha"t in den/ in der zei'tung (warum) gedauert aber (wir spielen für die prämiett) 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 Platen: hat hie'r wat gestanden ich hä'tte gesa"cht äh ( ) mit dem sto’ttern oder was- ** ähm *4* et ge"hn viele auf=n pla'tz- *1,5* so ha"b ich das sinngemäß gesa’gt- * oder je"der geht auf=n pla'tz und sa'gt- * is heu'te so=n spru'ch- * ich will gewi'nnt ** je'der sagt dat4 * un ich hab gesagt- * nich je'der is davon überzeu’gtt * dass er auf=n pla'tz geht- ** u"m zu gewinnt * der spru'ch ste'ht- * aber bi'n ich i'nnerlich davon überzeu’gtt ** dat is si'cher nich- * bei je'dem gege'bent das war mei'ne- * äh- ** au'skunft auf die fra'geihr wo'llt doch gewi'nnt ** wenn er da- * diesen- * a'nspruch hat- * da'nn hab ich gesa'gt je'dert * nu'rwenn ich auf=m pla'tz stehe dann muss ich davon überzeu'gt sein- * da'ss ich gewi'nn willt * der spru'ch allei'ne- * rei'cht nicht * >das hab ich dami't- * gemei’ntt * wer das gele’sen hat- * äh- ** mit dem- * sto'ttern- * is im übertra'genen sinne ri'chtigt *nur so ha'b ich dat ni'ch gesa'gtt ** nu"r~ * et i"s halt so" wenn ich- * über i'rgendetwas sprechen- * spre'che * dann muss ich davo'n * überzeu'gt sein da'ss et so ist *3* natürlich zählt dazu" auch- *2* das erle'bnis- * dass es ge'htt * ne en erlebnis is ja letztenendes auch da"t * das- * also ka'nn ich auch da hi'ngehn kann mich hi'nstellen un sa'gen- ** >ich wi’ll ett ** du ni'mmst mir die- * wie je’ns grade gesa'gt hat * du ni'mmst mir die prämie ni'ch wegt * is e'gal wer da auf der a'ndern seite ste'hatt * du ni'mmst mir die 169 Platen: prä'mie nicht wegt*# grade sind die hier* strafe # Komm.: #8 SEKUNDEN UNVERSTÄNDLICHE PASSAGE - BUSMOTOR BRUMMT # 170 Platen: ** n=bi"sschen~ * äh muss ich davo'n- * un ich mei'ne dass auch in le'tzter zeit- 171 * wat übergeblieben is~ * überzeu'gt zu sein dass- * das >( ? ) ** die 172 a'ndern we'rden viellei'cht n=bisschen me'hr- * wir spielen dafür n=bisschen Anhang 423 173 Platen: 174 175 176 177 be'sser-l- ** jat * <so ich wei"ß nich~ * genau" wann wirjetz ankomm aber kei'ne he'ktik- * sonnan ich denke dadu'rch dass sich sowieso nur drei" mann massie'rn lassen- * die andern- * ö'l an=ne beine kriegen- * dass wir genü'gend zei't haben- ** äh- * uns dann auf das spiel vo’rzubereiten- *si"nd wir je'tz- * so dass wir da" auch nich mehr allzuviel zei’t für nö'tig haben- * und dann äh *2* >net 178 Platen: und dann (.machen wir das tor? 4) * <so"4 * noch en bisschen veri’nhaltlichen- Komm.: PLATEN WENDET SICH ZU ZWEI HINTER IHM SITZENDEN SPIELERN 179 180 181 182 183 184 Platen: *2,5*ich ha"b das gesacht hier martin- * is wi'chtig für a"lle die die bespre"chung Platen: jetz nicht mitgehört habeni *2*#a"lle ( )#** et kann sein- ** äh ** dass Komm.: # UNVERSTÄNDLICH; DA SEHR LEISE# Platen: ich austauschn muss4 Meh.: absatz Lothar kopfhöra Björn: Transkriptionsende 424 Reden und Spielen 8.6 H-49 B-Seite: Halbzeitpause im Spiel Knüste - Fortuna Huke, Halbzeitstand 3: 0 für Knüste Ort: Knüste, Kabine von Fortuna Datum: 21.4.96 Zeit: ca. 15 45 -16 00 Uhr Dauer: 10 Minuten, 45 Sekunden Zählerstand auf Transkriptionsgerät: 455-668 Aufnahmeart: offen Position des Aufnahmegeräts: in der Innentasche der Jacke, Mikro am Revers Anwesende Personen: Trainer Heinrich Platen Peter Demipoulidis = „Demmi“ Stefan Schulten, Kapitän von Fortuna = „Schulli“ oder „Schuld“ Jens Kaminski Tobias Dyballa Tommy Glasse Lothar Rabe Matthias Starke Sven Höner Björn Drexhage Martin Eickhoff Jean-Pierre Doddo Manni Mörchen, Masseur Willi Lüttemann, Betreuer Ralf Tüselmann = „Ralle“ , ehern. Spieler, jetzt quasi „Assistent“ Schiedsrichter = „Schiri“ Marcel Schilling Komm.: STOLLENGEKLAPPER, TUR WIRD GESCHLOSSEN, PLATEN RÄUSPERT SICH, JENS UND DODDO SITZEN IN DER ZWEITEN KABINE UND REDEN MITEINANDER 001 Sven: vo'Tne war nur do"ddo4- * ja das is ja e"kelhaft4. ** rau'ft euch mal en bi'sschen 002 Demmi: 003 Stefan: >so ein scheiß eyf 004 Sven: zusa'mmf 005 Willi: 006 ? : doddof >das gewinn wir heute nochf heT Komm.: 10 SEKUNDEN PAUSE, STOLLENGEKLAPPER UND STÖHNEN 007 Stefan: gib ma her bittet- 008 Jens: # mann ey # KK: # STÖHNEND # 009 010 011 012 013 014 015 016 017 018 019 020 021 022 023 024 025 026 027 028 029 030 031 032 033 034 035 036 037 038 039 040 041 042 043 044 045 Anhang 425 Komm.: 6 SEKUNDEN PAUSE, WEITGEHEND STILLE ? : manni machste mir weichet Stefan: jenst ? : wast Jens: wast Komm.: SPIELER STÖHNT Komm.: 81 SEKUNDEN PAUSE, HUSTEN DER SPIELER, GERÄUSCHE DER TOILETTEN- SPÜLUNG, LEICHTE UNRUHE: SVEN UND EIN SPIELER UNTERHALTEN SICH IN DER DUSCHE, EBENSO PLATEN UND EIN DRITTER SPIELER Platen: so" leute- ** der hat ze'hnmal nicht gewu"nkent * RÄUSPERN * ze'hnmal-l *1,5* dann ma"ch ich nicht bei so" einem di'ng ge"h ich nicht raust * dat ge'ht gar nicht * <o"der ich lauf bi"s zur mittelliniet aber ri'chtig im spri"ntt * ze'hn nullt * bi"s zur mittelliniet * dann pa'ck ich ett * RÄUSPERN aber- ** so" nix Platen: halbes und nix ga'nzes- * # spieler fällt noch- # * verfü"hrt dazu- * die fa'hne Komm.: # PAPPBECHER FALLEN UM # Platen: u'nten zu lassen- * und ich mei'ne dass wi’r- *1,5* scho'n dabei" waren- * uns zu erholen von diesen zwei"- ** to’ren- * wie'der ins spie’l zu kommt ** und dann spie'l ich dann ganz einfach- * auf si'cherheitt *2* ->ja ich hab je"tz~<- ** ein bisschen Sicherheit ei"ngebaut indem ich- ** die li"nke seife besetzt habet * ri’chtig besetzt habe- * der- * ma"rtin spielt gegen den- * ze'hner da drau'ßen- * so dass der schutli auch frei" is me'hr- * für das mi’ttelfeldt ** der- * to'mmy- * ge’ht dann mi't nach vo'rne- * dra"n~ * bewe’gt sich da- * und der- * tobi’as ** ähm *2* <-du ha"st~-> kel"n ge’genspielert kei"n dire'ktnt ** we'nn der- ** de'mmi rau'sgehtt ** -»dann su"ch ich mir kei"n mehrt sondern dann <bi"n ich letzter ma'nnt * wenn ich dazwi'schn ste’he dann su'ch ich mir da" kein mehrt * sondern dann bi"n ich letzter ma'nnt * dann kann ich alles überbli"ckn und kann ste'llent ** we"nn ich a"ber wieder rau'sgehe- * dann ste’hn wir ei'ns gegen ei"ns oder ei'ner kommt noch aus dem mittelfeld i"n diese rei'he mit rei"n und da'nn spielen wir u'nterzahlt * dat da'rf nich passie’rntx- * jat also- ** hie"r harn wir ne/ ne/ ne si'cherungt mi'tdie wir nutzen wollent ** und aus die'ser- *1,5* stabi'lerent ** situatio'n wo'llen wir dann e'ben auch nach vo'rne dann etwas- * <me"hr machent> me'hr machen hei’ßt- * versuchen ins spie'l zu komm- * versuchen zu korrigie'ren- * versuchen zu"- ** u’mzubiegent u'mzubie'gen hei’ßt- RÄUSPERN * viellei'cht- * ma'chen wir das ei"n oder a'ndere- * und die" werden fi'ckerig und wir nutzen dast *1,5* aber ** dazu zä'hlt dass wir- *1,5* diese fe'hler nicht machent * diese fe’hler- ** gutei'ns gegen ei'ns da ka'nn ich mal en zwei'kampf verlie’rnaber ne si'cherung muss da seint ** das heißt u'nter eina'nder- *1,5* helfen- *3* ->deT der dane'bensteht ge'ht vielleicht mal hi"n und der a'ndere überni’mmt das was ich gesa'cht habet * aber im gru’nd is dat nicht unbedingt nö'tw/ notwendig weil die- * se'hr bewe'glich spielen- * sondern hie'r geht es darum wenn e"r rau's ist- * dass du"- * de'rjenige bi'st der sich da hi'nten orientie’rn kannt Komm.: 8 SEKUNDEN PAUSE, WEITGEHEND STILLE 426 046 047 049 050 051 052 053 054 055 056 057 058 059 060 061 062 063 064 065 066 067 068 069 070 071 072 073 074 075 076 077 078 Reden und Spielen Platen: net wir spielen- *2* teilweise- * <-den pa’ss etwas zu"- * spä'tl ** halten den ba’llku'cken- * und spielen dann letztendlicht ** sondern e'rst ku'ckenba'll un da'nn spieleni ** jat wir ha'ben- * gesa'gt auf den au'ßenpositio'nen * ->ham wir i'mmer wieda die mö"glichkeit<-~ * ru'hig mal hö'rni * net ** wenn ich/ wenn ich auf der halbpositio'n bin- * kann ich de li'nie la'ng spielenmei"stens~ * bewe'gt sich einer da rau"s~ * äh- * re'chts- * wenn da/ dat s/ fü'hl ich jat * der ist im ha'lbfeld- * dann ge"ht der rau’s- * un dann spiel ich ihn an der li'nie langt * ->dann si'nd wir wieder frei't dann brau'ch ich nicht dri’bbeint ** glei'ches auf der a'ndern seitet<- *1,5* net da harn wir den/ ■ den * to'mmy mi't- * ->der we'nn er da drau'ßen ist an der li'nie <vorbei" da mu'ss ja aber au"ch was ko"mmt de"r den ball ha'ben will mu'ss et dann a'ber auch sa'gent * dami't der nicht wieder a"bbrichtt<- *1,5* net un wir ha'ben die gu'te kombinatio'n scho'n- * im mi'ttelfeld- * spie'lnden- * dane'ben- * ->ste"henden mi'tzunehmt da si'nd wir schon frei't da ha'm wir schon spielt da ha"m wir schon- * vo'rteilet we'nn wir in der vo'rwärtsbewegung sindt<- * und die" müssen wir dann- * eben halt nach vo'rne hin nu'tzn- * zu'm do'ddo hin- * und zum to'mmy hin- ** so da'ss wir- * dann au'ch- * no'ch näher zum to"r hinkommwir wa’ren ja schon- ** ei'nige male- * nah dra'n * so dass wir da'nn auch da’nn zum to'rerfolg ko'mmt Komm.: 16 SEKUNDEN PAUSE, WEITGEHEND STILLE Platen: net ni'mmt man die to're- * wie’ se gefallen sind- * nu"r die to're- * tota'l- Platen: *4* u'nnötig- * u'nnötig- ** obwo'hl wenn- ** ei'nstudiertes #kla"ppt is et für Komm.: #STOLLEN- Platen: den a'ndern gu"t~ *1,5* für uns we'niger- *2* und wenn ei'ner riskie'rt# von Komm.: GEKLAPPER, SPIELERGEHT AUF TOILETTE # Platen dreißig me'ter so=n di’ngen zu schie'ßen- ** dann mu'ss ich dat au'ch akzeptie'rn- * ei’nmal- * aber wir harn fü'nfundvie'rzig minuten zei't dat i'rgendwo"- * noch zu ä'ndernt *3* <-weil~ * gra'de wenn wir- * im mi'ttelfeldt * si'ndt * ha'ben wi"r~ * die mö'glichkeitau'ch da" zu spie'lnt den ba'll zu h/ ** zu" kombinie'rn ->und de'n dann in die spi'tze reinzutragnt *1,5* net dadu'rch dass der ma'rtin die li’nke seite jetzt zu'macht de'nk ich Platen: auch dass wir da"~<- * ni'cht mehr überra'scht werden- ** #und äh- *2,5* Komm.: #STOLLEN- Platen: könn dann- * von da" aus- * vo"n dieser positio'n au'ch- * mit dem ball von Komm.: GEKLAPPER; SPIELER SETZT SICH WIEDER AUF SEINEN PLATZ Platen: da" aus ins mi'ttelfeldt net ->u"nd vor allen dingen# da ko'mm auch da'nn Komm.: » # Platen: nicht mehr soviele bä'lle rau's- * wenn die se'hn dass da zu" ist Komm: 31 SEKUNDEN PAUSE, WEITGEHEND STILLE 079 080 081 082 083 084 085 086 087 088 089 090 091 092 093 094 095 096 097 098 099 100 101 102 103 104 105 Anhang 427 Platen: na ja" aber- * nü’tzt jetz ni“chts~ ** we"nn wir jetz hier nur si'tzen- * und äh~ * na"ja4" ** sondern wir ha'ben noch- * ei"niges an zei"t~ * um zu beweisen dass wir et auch be'sser könni *3* jat das=s wi'chtigi Komm.: 36 SEKUNDEN PAUSE, HUSTEN EINES SPIELERS, STILLE, DANN GERÄUSCHE DES AUFNEHMENDEN Platen: KK: Platen: KK: # >wenn der se"chser da rei'ngeht un der tobi'as is derjenige der- * frei" ist4 ’ # ZU TOBIAS UND SVEN dadu'rch dass der se'chser we"g isi da müsst ihr spre"chen4 * spre"chen4 * Platen: KK: Stefan: Tobias: dass der hi"ngeht~ * <dass du" dat aufnimmsti * auf de"r seite-lnet du » hm4- Platen: KK: musst nicht tau"send meter lau'fen- * um dem hinterhe"r zu re'nn- * so'ndern- » Platen: KK; Doddo: Platen: KK: Doddo: Komm.: * da wi'Td dann überno"mm4# » # hier4 # >net wei"terhin~ * # ZU DODDO ja versuchen- * <dri"bbling~ * a'bschluss- * versu'’chen4- » jai 10 SEKUNDEN PAUSE, WEITGEHEND STILLE Platen: KK; Marcel: Platen: Stefan: Sven: Marcel: >i"mmer wieder versu"chen4 # »ZU DODDO # net e'ssayer enco'reT >essayer enco"re4- ->de dribbleri Komm.: TOILETTENSPULUNG IM HINTERGRUND Platen: Demmi: Stefan: Schiri: Komm.: keine Unterstützung eyl het so"4 i’st auch keiner da"4- KLOPFEN AN DER TÜR wir machen Platen: Matth.: Schiri: weiterT alles klar! * ko'mmt'lko'mmti alles ja! kommt männersJkommti 428 Reden und Spielen 106 Platen: rausschiitteln- und ko'mmtl ge'ht noch mal4- 107 Marcel: komm! doddoi matthias ko"mm4-bjö'rnl 108 Platen: matthi"ast 109 Marcel: lothar ko"mm-l-sve"n4. * tobi'asi * ra'llei * jens ko'mmi *schulti4- 110 Platen: 111 Willi: 112 Marcel: <-blel"b ru'hig nä"her4heut krieg ich et am kopp hömmaJdoddoJ- *5* i'ch mach zu4 Komm.: 11 SEKUNDEN PAUSE 113 Marcel: ko’mmdoddoi Aufnahmeende 9. Literatur Alexy, Robert (1978): Theorie der juristischen Argumentation. Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung. Stuttgart. Allmer, Henning (1978): Handlungszufriedenheit im Sport. Schorndorf. Allport, Gordon W. (1954): The nature of prejudice. Garden City. Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hg.) ( 5 1981): Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit. 1: Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie. 2: Ethnotheorie und Ethnographie des Sprechens. Opladen. Archetti, Eduardo P. (1994): Argentina and the World Cup: In Search of National Identity, ln: Sugden, John/ Tomlinson, Alan (Hg.): Hosts and Champions. Soccer Cultures, National Identities and the USA World Cup. Aldershot. S. 37-63. Archetti, Eduardo P. (1995): Estilos y virtudes masculinas en El Gräfico. La creaciön del imaginario del filtbol argentine. In: Desarrollo Economico 35, S. 419-442. Archetti, Eduardo P. (1997a): ‘And Give Joy to my Heart’. Ideology and Emotions in the Argentinian Cult of Maradona. In: Armstrong, Gary/ Giulianotti, Richard (Hg.): Entering the Field. New Perspectives on World Football. Oxford/ New York. S. 31-51. Archetti, Eduardo P. (1997b): Argentinien. In: Eisenberg, Christiane (Hg.): Fußball, soccer, calcio. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt. München. S. 149-170. Armstrong, Gary/ Giulianotti, Richard (Hg.) (1997): Entering the Field. New Perspectives on World Football. Oxford/ New York. Atkinson, J. Max/ Heritage, John (Hg.) (1984): Structures of social action: Studies in conversation analysis. Cambridge. Auer, Peter/ Di Luzio, Aldo (Hg.) (1992): The Contextualization of Language. Amsterdam. Baumann, Heinrich (1887): Londinismen: Slang und cant. Alphabetisch geordnete Sammlung der eigenartigen Ausdrucksweisen der Londoner Volkssprache sowie der üblichsten Gauner-, Matrosen-, Sport- und Zunft-Ausdrücke. Berlin. Baumann, Heinrich (o.J.; vermutl. 1914): Londinismen: Slang und cant. Wörterbuch der Londoner Volkssprache sowie der üblichsten Gauner-, Matrosen-, Sport- und Zunftausdrücke. Ein Supplement zu allen englisch-deutschen Wörterbüchern. 4. Aufl. Berlin. Baumgärtner, Klaus (1967): Die Struktur des Bedeutungsfeldes. In: Satz und Wort im heutigen Deutsch. In: Jahrbuch 1965/ 66 des Instituts für deutsche Sprache. Düsseldorf. (= Sprache der Gegenwart 1). S. 165-197. Bausinger, Hermann ( 2 1984): Deutsch für Deutsche. Dialekte, Sprachbarrieren, Sondersprachen. Frankfurt a.M. Becker, Hartmut (1992): Sportsprache. In: Röthig, Peter u.a. (Hg.): Sportwissenschaftliches Lexikon. 6., völlig neu bearb. Aufl. Schorndorf S. 450f. Becker, Howard (1982): Art worlds. Berkeley, CA. 430 Reden und Spielen Becker u.a. (1961/ 1977) = Becker, Howard/ Geer, Blanche/ Hughes, Everett D./ Strauss, Anselm L. (1961/ 1977): Boys in white. Student culture in medical school. New Brunswick, NJ. Becker, Peter (1990): Fußballfans. Vormodeme Reservate zum Erwerb und zur Verteidigung männlicher Macht und Ehre. In: Völger, Gisela/ Welck, Karin v. (Hg.): Männerbande Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich. Köln. S. 149-156. Bergenholtz, Henning (1980): Das Wortfeld „Angst“. Eine lexikographische Untersuchung mit Vorschlägen für ein großes interdisziplinäres Wörterbuch der deutschen Sprache. Stuttgart. Berger, Peter/ Luckmann, Thomas (1977): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt a.M. Bergmann, Jörg R. (1981): Ethnomethodologische Konversationsanalyse. In: Schröder, Peter/ Steger, Hugo (Hg.): Dialogforschung. Düsseldorf. (= Jahrbuch 1980 des Instituts für deutsche Sprache). S. 9-52. Bergmann, Jörg R. (1994): Ethnomethodologische Konversationsanalyse. In: Fritz, Gerd/ Hundsnurscher, Franz (Hg.): Handbuch der Dialoganalyse. Tübingen. S. 3-16. Bertram, Alfred ( 2 1967): Deutsche Tumsprache. Einheitliche Übungsbezeichnungen im Geräteturnen. Frankfurt a. M. Bette, Karl-Heinrich (1984): Die Trainerrolle im Hochleistungssport. System- und rollentheoretische Überlegungen zur Sozialfigur des Trainers. St. Augustin. Bette, Karl-Heinrich (1992): Theorie als Herausforderung. Beiträge zur systemtheoretischen Reflexion der Sportwissenschaft. Aachen. Bette, Karl-Heinrich (1994): Neuere Systemtheorie. In: Bette, Karl-Heinrich/ Hoffrnann, Gerd/ Kruse, Carsten/ Meinberg, Eckhard/ Thiele, Jörg (Hg.): Zwischen Verstehen und Beschreiben. Forschungsmethodologische Ansätze in der Sportwissenschaft. 2. Aufl. Köln. S. 215-253. Beyer, Erich (1960): Die amerikanische Sportsprache. Schorndorf. (= Beiträge zur Lehre und Forschung der Leibeserziehung 4). Binnewies, Harald (1983): Der „vergessene“ Fußballsport. In: Der Satz „Der Ball ist rund“ hat eine gewisse philosophische Tiefe. Sport, Kultur, Zivilisation. Herausgegeben vom Modellversuch Joumalisten-Weiterbildung der Freien Universität Berlin. S. 113-127. Blickle, Gerhard/ Groeben, Norbert (1990): Argumentationsintegrität (n): Zur psychologischen Realität des subjektiven Wertkonzepts ein experimenteller Überprüfungsansatz am Beispiel ausgewählter Standards. Heidelberg. (= Arbeiten aus dem SFB 245, Bericht Nr. 29). Bohnsack, Ralf (1991): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und Praxis qualitativer Forschung. Opladen. Brandt, Wolfgang (1979): Zur Sprache der Sportberichterstattung in den Massenmedien. In: Muttersprache, 3-4, 1979, S. 160-178. Brandt, Wolfgang (1983): „Schwere Wörter“ im Sprachbereich ‘Sport’. In: Henne, Helmut/ Mentrup, Wolfgang (Hg.): Wortschatz und Verständigungsprobleme. Was sind „schwere Wörter“ im Deutschen? Düsseldorf. (= Jahrbuch 1982 des Instituts für deutsche Sprache). S. 92-118. Literatur 431 Bredekamp, Horst (1993): Florentiner Fußball. Die Renaissance der Spiele. Calcio als Fest der Medici. Frankfurt a.M./ New York/ Paris. Brunner, Otto/ Conze, Wemer/ Koselleck, Reinhart (Hg.) (1972-1997): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. 8 Bde. Stuttgart. Buchloh, Paul G./ Freese, Peter (1967): Nationale Tendenzen in der englischen und deutschen Presseberichterstattung zur Fußballweltmeisterschaft 1966. In: Sprache im technischen Zeitalter 6, 1967, S. 335-346. Buchmann, Günter (1972): Terminologie Geräteturnen. Berlin. Bues, Manfred (1937): Die Versportung der deutschen Sprache im 20. Jahrhundert. Diss. Greifswald. Castro, Tomäs (1997): „Ästhetik statt Ergebnisterror. Trainer Jupp Heynckes will Real Madrid das Schönspielen lehren“. In: SZ v. 5.8.97. Cicourel, Aaron V. (1968): The Social Organisation of Juvenile Justice. New York. Cicourel, Aaron V. (1975): Sprache in der sozialen Interaktion. München. Cook-Gumperz, Jenny/ Gumperz, John J. (1976): Context in Children's Speech. Papers on Language and Context. Working Paper 46. Language Behavior. Research Laboratory. University of California. Berkeley, CA. Coulter, Jeff (1976): Harvey Sacks: A preliminary appreciation. In: Sociology 10, 1976, S. 507-512. Cressey, Paul G. (1932): The taxi-dance hall: a sociological study in commercial recreation and city life. Chicago. Czyzewski, Marek/ Drescher, Martina/ Gülich, Elisabeth/ Hausendorf, Heiko (1995b): Selbst- und Fremdbilder im Gespräch. Theoretische und methodologische Aspekte. In: Czyzewski, Marek/ Gülich, Elisabeth/ Hausendorf, Heiko/ Kastner, Maria (Hg.): Nationale Selbst- und Fremdbilder im Gespräch. Kommunikative Prozesse nach der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Systemwandel in Ostmitteleuropa. Opladen. S. 11-81. Czyzewski, Marek/ Gülich, Elisabeth/ Hausendorf, Heiko/ Kastner, Maria (Hg.) (1995a): Nationale Selbst- und Fremdbilder im Gespräch. Kommunikative Prozesse nach der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Systemwandel in Ostmitteleuropa. Opladen. Dal Lago, Alessandro (1990): Descrizione di una battaglia. I rituali del calcio. Bologna. Danken, Harald (1969): Sportsprache und Kommunikation. Untersuchungen zur Struktur der Fußballsprache und zum Stil der Sportberichterstattung. Tübingen. Di Luzio, Aldo/ Auer, Peter J. C. (1986): Identitätskonstitution in der Migration: Konversationsanalytische und linguistische Aspekte ethnischer Stereotypisierungen. In: Linguistische Berichte 104, 1986, S. 327-351. Digel, Helmut (1976): Sprache und Sprechen im Sport. Eine Untersuchung am Beispiel des Hallenhandballs. Schorndorf. Digel, Helmut (Hg.) (1983): Sport und Massenmedien. Reinbek. Digel, Helmut (1993): Probleme der Sportberichterstattung - Versuch einer konstruktivkritischen Betrachtung. In: Kröger, Christian (Hg.): Zeitzeichen des Sports. Schorndorf. S. 69-88. 432 Reden und Spielen Dittmar, Norbert (1989): Soziolinguistischer Stilbegriff am Beispiel der Ethnographie einer Fußballmannschaft. In: Zeitschrift für Germanistik 4, 1989, S. 423-444. Dittmar, Norbert/ Hädrich, Doris (1988): Gibt es die Berliner Schnauze? In: Dittmar, Norbert/ Schlobinski, Peter (Hg.): Wandlungen einer Stadtsprache. Berlinisch in Vergangenheit und Gegenwart. Berlin. S. 103-144. Dotzert, Ludwig (1959): Eine Lanze für den Sportjoumalisten-Stil. In: Presse und Sport. Jahrbuch des Verbandes Deutsche Sportpresse 1960. Frankfurt a.M. S. 24-27. Dreitzel, Hans Peter (1987): Rollentheorie. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Halbbd. Berlin/ New York. S. 114-119. Drescher, Martina (1993): Zur Konstitution von Selbst- und Fremdbildem in der interkulturellen Kommunikation. Vortrag gehalten auf dem 3 cme Colloque Franco-Allemand Xenophobie, Nancy, Dezember 1993. Drescher, Martina/ Dausendschön-Gay, Ulrich (1995): sin wer an son immobilien ehm makler da eh gekommen. Zum Umgang mit sozialen Kategorien im Gespräch. In: Czyzewski, Marek/ Gülich, Elisabeth/ Hausendorf, Heiko/ Kastner, Maria (Hg.): Nationale Selbst- und Fremdbilder im Gespräch. Kommunikative Prozesse nach der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Systemwandel in Ostmitteleuropa. Opladen. S. 85-119. Drexel, Gunnar (1975): Sprechhandlungen des Lehrers im Sportunterricht. In: Sportwissenschaft 5, 1975, S. 162-184. DUW=Duden ( 2 1989): Deutsches Universalwörterbuch. 2. völlig neu bearb. u. stark erw. Aufl. Hrsg. u. bearb. vom Wissenschaftlichen Rat u. den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter Leitung von Günther Drosdowski. Mannheim/ Wien/ Zürich. Eberspächer, Hans (1987): Motivation. In: Eberspächer, Hans (Hg.): Handlexikon Sportwissenschaft. Reinbek. S. 280-284. Eberspächer, Hans (1993): Sportpsychologie. Grundlagen, Methoden, Analysen. Vollst. überarb. u. erw. Aufl. Reinbek. Eckardt, Olga (1937): Die Sportsprache von Nürnberg und Fürth. Eine volkssprachliche Untersuchung. Erlangen. (= Fränkische Forschungen 8). Ehlich, Konrad (1986): Die Entwicklung von Kommunikationstypologien und die Formbestimmtheit sprachlichen Handelns. In: Kallmeyer, Werner (1986a) (Hg.): Kommunikationstypologie. Handlungsmuster, Textsorten, Situationstypen. Düsseldorf. (= Jahrbuch 1985 des Instituts für deutsche Sprache). S. 47-72. Ehlich, Konrad ( 2 2000): Konversationsanalyse. In: Glück, Helmut (Hg.): Metzler Lexikon Sprache. 2. Aufl. Stuttgart/ Weimar. S. 377f. Ehlich, Konrad/ Noack, Claus/ Scheiter, Susanne (Hg.) (1994): Instruktion durch Text und Diskurs. Zur Linguistik ‘Technischer Texte’. Opladen. Ehlich, Konrad/ Rehbein, Jochen (Hg.) (1983): Kommunikation in Schule und Hochschule. Tübingen. Ehlich, Konrad/ Rehbein, Jochen (1986): Muster und Institutionen. Tübingen. Ehlich, Konrad/ Rehbein, Jochen (1994): Institutionsanalyse. Prolegomena zur Untersuchung von Kommunikation in Unternehmen. In: Brümmer, Gisela/ Graefen, Gabriele (Hg.): Texte und Diskurse. Opladen. S. 287-327. Literatur 433 Eisenberg, Christiane (1997a): Einführung. In: Eisenberg, Christiane (Hg.): Fußball, soccer, calcio. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt. München. S. 7-21. Eisenberg, Christiane (1997b): Deutschland. In: Eisenberg, Christiane (Hg.): Fußball, soccer, calcio. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt. München. S. 94-129. Elias, Norbert/ Dunning, Eric (1985a): Volkstümliche Fußballspiele im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen England. In: Hopf, Wilhelm (Hg.): Sport im Zivilisationsprozeß. Studien zur Figurationssoziologie. Münster. S. 85-104. Elias, Norbert/ Dunning, Eric (1985b): Zur Dynamik von Sportgruppen. Unter besonderer Berücksichtigung von Fußballgruppen. In: Hopf, Wilhelm (Hg.): Sport im Zivilisationsprozeß. Studien zur Figurationssoziologie. Münster. S. 105-122. Erickson, Frederick/ Shultz, Jeffrey (1982): The counselor as gatekeeper: Social interaction in interviews. New York. Feie, Giolo (1997): Sociology of Action. Ethnomethodological Interpretations of Soccer. In: Marcarino, Aurelia (Hg.): Analisi della Conversazione e Prospettive di Ricerca in Etnometodologia. Atti del Convegno Intemazionale di Urbino, 11-13 Luglio 1994. S. 43-58. Fickermann, Ingeborg (1994): Mündliche und schriftliche Instruktion. In: Ehlich, Konrad/ Noack, Claus/ Scheiter, Susanne (Hg.): Instruktion durch Text und Diskurs. Zur Linguistik ‘Technischer Texte’. Opladen. S. 79-99. Fiehler, Reinhard (1990): Kommunikation und Emotion. Theoretische und empirische Untersuchungen zur Rolle von Emotionen. Berlin. Fingerhut, Monika (1991): Fußballberichterstattung in Ost und West. Eine diachronische Sprachanalyse. (= Europäische Hochschulschriften Reihe 1, Bd. 1268). Frankfurt a.M. Fleischer, Wolfgang/ Barz, Irmhild ( 2 1995): Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Unt. Mitarb. v. Marianne Schröder. 2. durchges. u. erg. Aufl. Tübingen. Fluck, Hans-Rüdiger ( 5 1996): Fachsprachen. Einführung und Bibliographie. Tübingen/ Basel. Frake, Charles O. (1961): The diagnosis of disease among Subanum of Mindanao. In: Frake, Charles O. (1980): Language and cultural description. Essays by Charles O. Frake, selected and introduced by Anwar S. Dil. Stanford. S. 104-131. Franke, Elk (1992a): Handlung. In: Röthig, Peter u.a. (Hg.): Sportwissenschaftliches Lexikon. 6., völlig neu bearb. Aufl. Schorndorf. S. 197-199. Franke, Elk (1992b): Handlungstheorie. In: Röthig, Peter u.a. (Hg.): Sportwissenschaftliches Lexikon. 6., völlig neu bearb. Aufl. Schorndorf. S. 199-201. Friedrich, Georg (1984): Spielsteuerung im Kurzzeitbereich - Zum Sprachverhalten des Trainers in der Volleyball-Auszeit. In: Andersen, Rolf/ Hagedom, Günter (Hg.): Steuerung des Sportspiels in Training und Wettkampf. 5. Internationales Berliner Sportspiel- Symposion. Ahrensburg. S. 195-207. Friedrich, Georg (1991): Methodologische und analytische Bestimmungen sprachlichen Handelns des Sportlehrers. Frankfurt a.M.. Gabler, Hartmut ( 3 1981): Leistungsmotivation im Hochleistungssport. Schorndorf. Gabler, Hartmut (1992): Motivation. In: Röthig, Peter u.a. (Hg.): Sportwissenschaftliches Lexikon. 6, völlig neu bearb. Aufl. Schorndorf. S. 316-317. Garfinkei, Harold (1967): Studies in ethnomethodology. Englewood Cliffs, NJ. 434 Reden und Spielen GDS = Grammatik der deutschen Sprache (1997): Von Gisela Zifonun, Ludger Hoffmann, Bruno Strecker u.a., 3 Bde. Berlin/ New York. (= Bd. 7.1., 7.2. und 7.3. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). Geertz, Clifford (1983): Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt a.M. Gemeth, Georg Stefan/ Schaefer, Dieter/ Wolf, Jörg (1971): Zur Fußballsprache. In: Linguistik und Didaktik 7, 1971, S. 200-218. Giesecke, Michael (1979): „Instruktionssituationen in Sozialisationsinstitutionen - Ablaufschemata und Bedeutungsübertragung bei instrumentellen Instruktionen im Kindergarten. In: Soeffner, Hans-Georg (Hg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften. Stuttgart. S. 38-64. Giulianotti, Richard/ Armstrong, Gary (1997): Introduction: Reclaiming the Game - An Introduction to the Anthropology of Football. In: Armstrong, Gary/ Giulianotti, Richard (Hg.): Entering the Field. New Perspectives on World Football. Oxford/ New York. S. 1- 29. Glaser, Bamey/ Strauss, Anselm (1968): Time for Dying. Chicago. Göhler, Josef ( 2 1967): Die Leibesübungen in der deutschen Sprache und Literatur. In: Deutsche Philologie im Aufriß. 2. Auf], Berlin. Sp. 2973-3050. Gofffnan, Erving (1963): Stigma. Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt a.M. Goodenough, Ward H. (1957): Cultural anthropology and linguistics. In: Garvin, Paul I. (Hg.): Report of seventh annual round table meeting on linguistics and language study. Washington, D.C. S. 109-113. [Wieder abgedruckt in: Gumperz, John J./ Hymes, Dell H. (Hg.) (1964): The ethnography of communication. American Anthropologist. Spec. Publ., Vol 66, No.6, Pt. 2. S. 36-39.] Graumann, Carl F. ( 2 1971): Motivation. Bem/ Stuttgart. Graumann, Carl F. (1994): Discriminatory Discourse: Conceptual and methodological problems. Heidelberg/ Mannheim. (= Arbeiten aus dem SFB 245 „Sprache und Situation“. Bericht Nr. 71). Graumann, Carl F./ Wintermantel, Margret (1989): Discriminatory Speech Acts: A Functional Approach. In: Bar-Tal, Daniel/ Graumann, Carl F./ Kruglanski, Arie W./ Stroebe, Wolfgang (Hg.): Stereotypes and Prejudice: Changing Conceptions. New York. S. 184-204. Groeben, Norbert/ Schreier, Margrit/ Christmann, Ursula (1990): Argumentationsintegrität (I): Herleitung, Explikation und Binnenstrukturierung des Konstrukts. Heidelberg. (= Arbeiten aus dem SFB 245, Bericht Nr. 28). Gsella, Thomas/ Lenz, Heribert/ Roth, Jürgen (1995): So werde ich Heribert Faßbender. Grund- und Aufbauwortschatz Fußballreportage. Essen. Gülich, Elisabeth (1986): Textsorten in der Kommunikationspraxis. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Kommunikationstypologie. Handlungsmuster, Textsorten, Situationstypen. Düsseldorf. (= Jahrbuch 1985 des Instituts für deutsche Sprache). S. 15-46. Gumperz, John J. (1975): Die soziale Bedeutung in sprachlichen Strukturen: Kodewechsel in Norwegen. In: Gumperz, John J.: Sprache, lokale Kultur und soziale Identität. Düsseldorf. S. 33-63. Literatur 435 Gumperz, John J. (1982): Contextualization Conventions. In. Gumperz, John J.: Discourse Strategies. Cambridge u.a. S. 130-152. Gumperz, John J. (1992a): Contextualization Revisited. In: Auer, Peter/ Di Luzio, Aldo (Hg.): The Contextualization of Language. Amsterdam. S. 39-53. Gumperz, John J. (1992b): Contextualization and Understanding. In: Duranti, Alessandro/ Goodwin, Charles (Hg.): Rethinking Context. Language as an Interactive Phenomenon. Cambridge u.a. S. 191-252. Gumperz, John J./ Hymes, Dell H. (Hg.) (1964): The Ethnography of Communication. In: American Anthropologist, Spec. Publ., Vol. 66, No. 6, Pt. 2. Gumperz, John J./ Hymes, Dell H. (Hg.) (1972): Directions in Sociolinguistics. The ethnography of Communication. New York/ Chicago. Günthner, Susanne (1995): Gattungen in der sozialen Praxis. Die Analyse „kommunikativer Gattungen“ als Textsorten mündlicher Kommunikation. In: DS 3, 1995, S. 193-218. Haag, Herbert (1994): Der hermeneutische Zweig. In: Strauss, Bemd/ Haag, Herbert (Hg.): Forschungsmethoden - Untersuchungspläne - Techniken der Datenerhebung in der Sportwissenschaft. Forschungsmethodologische Grundlagen. Schorndorf. S. 39-47. Hackforth, Dieter (1994): Zum qualitativen und quantitativen Forschungsansatz. In: Strauss, Bemd/ Haag, Herbert (Hg.): Forschungsmethoden - Untersuchungspläne - Techniken der Datenerhebung in der Sportwissenschaft. Forschungsmethodologische Grundlagen. Schorndorf. S. 89-94. Hahn, Heinrich (1996): Trainer Wörgötter: „Habe mich für den Offensivverteidiger Wellmann entschieden.“ Der Wandel der Spielsysteme und seine Auswirkungen auf die Bezeichnungen für Fußballspieler. In: König, Wemer/ Ortner, Lorelies (Hg.): Sprachgeschichtliche Untersuchungen zum älteren und neueren Deutsch. Festschrift für Hans Wellmann zum 60. Geburtstag. S. 59-91. Hahn, Walther v. (1980): Fachsprachen. In: Althaus, Hans Peter/ Henne, Helmut/ Wiegand, Herbert Ernst (Hg.): Lexikon der germanistischen Linguistik. Tübingen. (= LGL). S. 390- 395. Hamei, Rainer Enrique (1988): Sprachenkonflikt und Sprachverdrängung. Die zweisprachige Kommunikationspraxis der Otomi-Indianer in Mexico. Bem/ Frankfurt a.M./ New York/ Paris. Hartig, Willfred (1988): Moderne Rhetorik. Rede und Gespräch im technischen Zeitalter. 11., durchges. Aufl. Heidelberg. Haubrich, Werner (1963): Die Metaphorik des Sports in der deutschen Gegenwartssprache. Diss. Köln. Hausendorf, Heiko (1998): Zugehörigkeit durch Sprache. Eine linguistische Studie am Beispiel der deutschen Wiedervereinigung. Habil. Bielefeld. Heckers, Herbert (1977): Sportunterricht, Freizeit und Spitzensport. Eine Einstellungs- und Motivenanalyse unter besonderer Berücksichtigung des Leistungsprinzips. Göppingen. Heckhausen, Heinz (1980): Motivation und Handeln. Lehrbuch der Motivationspsychologie. Berlin/ Heidelberg/ New York. Heidtmann, Daniela (1997): Kommunikation in einer Großfamilie. Magisterarbeit. Mannheim. 436 Reden und Spielen Heinemann, Klaus (1992): Handeln, soziales. In: Röthig, Peter u.a. (Hg.): Sportwissenschaftliches Lexikon. 6., völlig neu bearb. Aufl. Schorndorf. S. 196f. Henn-Memmesheimer, Beate (1987): Volkskunde/ Ethnologie. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Halbbd. Berlin/ New York. S. 495-510. Henne, Helmut/ Rehbock, Helmut ( 2 1982): Einführung in die Gesprächsanalyse. 2., verb. u. erw. Aufl. Berlin. Henschel, Gerhard/ Willen, Günther (1994): Supersache! Lexikon des Fußballs. Greiz. Heritage, John C. (1985): Recent developments in conversation analysis. In: Sociolinguistics 15/ 1985,8. 1-19. Herold, Wolfram/ Fluch, Dorle. (1972): Handbuch der Tumsprache. 1. Teil. Celle. Herold, Wolffam/ Göhler, Josef/ Fluch, Dorle (1980): Handbuch der Tumsprache. 2 Teil. Celle. Hildenbrandt, Eberhard (1984): Aspekte der sprachlichen Steuerung des Sportspiels durch den Trainer. In: Andresen, Rolf/ Hagedom, Günter (Hg.): Steuerung des Sportspiels in Training und Wettkampf. 5. Internationales Berliner Sportspiel-Symposion. Ahrensburg. S. 186-194. Hildenbrandt, Eberhard/ Friedrich, Georg (1989): Die Sportwissenschaft entdeckt das Thema Sprache. In: Feldbusch, Elisabeth (Hg.): Ergebnisse und Aufgaben der Germanistik am Ende des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Ludwig Erich Schmitt zum 80. Geburtstag. Hildesheim/ Zürich/ New York. S. 380-398. Hildenbrandt, Eberhard/ Friedrich, Georg (1996): Konturen einer sprachbezogenen Sportpädagogik. In: Boschert, Bemhard/ Gebauer, Gunter (Hg.): Texte und Spiele. Sprachspiele des Sports. St. Augustin. S. 17-37. Hitzier, Ronald (1988): Sirmwelten. Opladen. Hoffmann, Ludger (1996): Trapattoni spricht deutsch. Ein Kommentar. In: Zielsprache Deutsch 3/ 1998, S. 134-138. Hoffmann-Riem, Christa (1980): Die Sozialforschung einer interpretativen Soziologie. Der Datengewinn. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialforschung. S. 339-372. Hornby, Nick (1992): Fever Pitch. London. Hortleder, Gerd (1974): Die Faszination des Fußballspiels. Soziologische Anmerkungen zum Sport als Freizeit und Beruf. Frankfurt a.M. Hug, Otto (1991): Menschenführung und Gruppenprozesse. Situative Führung für Trainer. Studienbrief der Trainerakademie Köln des Deutschen Sportbundes, 12. Schorndorf Hummell, Hans J./ Bloch, Gerhard (1987): Institution. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Halbbd. Berlin/ New York. S. 187-196. Hymes, Dell H. (1997): Soziolinguistik. Zur Ethnographie der Kommunikation. Frankfurt a.M. Ilg, Hubert/ Sikora, Wolfgang (1982): Untersuchungen zur Lehrersprache im Führungsverhalten von Sportlehrern. In: Theorie und Praxis der Körperkultur 31, 1982, S. 611-616. Literatur 437 Jayyusi, Lena (1984): Categorization and the moral order. Boston u.a. Kallmeyer, Werner (1978): Fokuswechsel und Fokussierungen als Aktivitäten der Gesprächskonstitution. In: Meyer-Hermann, Reinhard (Hg.): Sprechen, Handeln, Interaktion. Ergebnisse aus Bielefelder Forschungsprojekten zu Texttheorie, Sprechakttheorie und Konversationsanalyse. Tübingen. S. 193-243. Kallmeyer, Werner (1979a): (expressiv) eh bien dis done, kein'pas bien - Zur Beschreibung von Exaltation von Interaktionsmodalität. In. Kloepfer, Rolf/ Rothe, Amold/ Krauss, Henning/ Kotschi, Thomas (Hg.): Bildung und Ausbildung in der Romania. Bd. 1 Literaturgeschichte und Texttheorie. München. S. 549-568. Kallmeyer, Werner (1979b): Kritische Momente. Zur Konversationsanalyse von Interaktionsstörungen. In: Frier, Wolfgang/ Labroisse, Gerd (Hg.): Grundfragen der Textwissenschaft. Linguistische und literaturwissenschaftliche Aspekte. Amsterdam. S. 59-109. Kallmeyer, Werner (1982): Zur Handlungsstrukturanalyse von Beratungen. Mannheim. (Ms.). Kallmeyer, Werner (1985): Handlungskonstitution im Gespräch. Dupont und sein Experte fuhren ein Beratungsgespräch. In: Gülich, Elisabeth/ Kotschi, Thomas (Hg.): Grammatik, Konversation, Interaktion. Beiträge zum Romanistentag 1983. Tübingen. S. 81-122. Kallmeyer, Werner (Hg.) (1986a): Kommunikationstypologie. Handlungsmuster, Textsorten, Situationstypen. Düsseldorf. (= Jahrbuch 1985 des Instituts für deutsche Sprache). Kallmeyer, Werner (1986b): Vorwort. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Kommunikationstypologie. Handlungsmuster, Textsorten, Situationstypen. Düsseldorf. (= Jahrbuch 1985 des Instituts für deutsche Sprache). S. 7-12. Kallmeyer, Werner (1988): Konversationsanalytische Beschreibung. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 2. Halbd. Berlin/ New York. S. 1095- 1108. Kallmeyer, Werner (Hg.) (1994a): Kommunikation in der Stadt. Teil 1: Exemplarische Analysen des Sprachverhaltens in Mannheim. Berlin/ New York. (= Bd. 4.1. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). Kallmeyer, Werner (1994b): Das Projekt „Kommunikation in der Stadt“. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Kommunikation in der Stadt. Teil 1: Exemplarische Analysen des Sprachverhaltens in Mannheim. Berlin/ New York (= Bd. 4.1. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). S. 1-38. Kallmeyer, Werner (Hg.) (1995a): Kommunikation in der Stadt. Teil 2: Ethnographien von Mannheimer Stadtteilen. Berlin/ New York. (= Bd. 4.2. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). Kallmeyer, Werner (1995b): Ethnographie städtischen Lebens. Zur Einführung in die Stadtteilbeschreibungen. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Kommunikation in der Stadt. Teil 2: Ethnographien von Mannheimer Stadtteilen. Berlin/ New York (= Bd. 4.2. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). S. 1-41. Kallmeyer, Werner (1995c): Zur Kontextualisierung sozialer Kategorien und Stereotype in der sprachlichen Interaktion. In: Czyzewski, Marek/ Gülich, Elisabeth/ Hausendorf, Heiko/ Kastner, Maria (Hg.): Nationale Selbst- und Fremdbilder im Gespräch. Kommunikative Prozesse nach der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Systemwandel in Ostmitteleuropa. Opladen. S. 396-401. 438 Reden und Spielen Kallmeyer, Werner (Hg.) (1996a): Gesprächsrhetorik. Rhetorische Verfahren im Gesprächsprozeß. Tübingen. Kallmeyer, Werner (1996b). Einleitung. Was ist Gesprächsrhetorik? ln. Kallmeyer, Werner (Hg.): Gesprächsrhetorik. Rhetorische Verfahren im Gesprächsprozeß. Tübingen. S. 7- 18. Kallmeyer, Wemer/ Keim, Inken (1994a): Formelhaftes Sprechen in der Filsbachwelt. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Kommunikation in der Stadt. Teil 1: Exemplarische Analysen des Sprachverhaltens in Mannheim. Berlin/ New York. (= Bd. 4.1. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). S. 250-317. Kallmeyer, Werner/ Keim, Inken (1994b): Bezeichnungen, Typisierung und soziale Kategorien. Untersucht am Beispiel der Ehe in der Filsbachwelt. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Kommunikation in der Stadt. Teil 1: Exemplarische Analysen des Sprachverhaltens in Mannheim. Berlin/ New York. (= Bd. 4.1. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). S. 318-386. Kallmeyer, Wemer/ Schmitt, Reinhold (1996): Forcieren oder: die verschärfte Gangart. Zur Analyse von Kooperationsformen im Gespräch. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Gesprächsrhetorik. Rhetorische Verfahren im Gesprächsprozeß. Tübingen. S. 19-118. Kallmeyer, Wemer/ Schütze, Fritz (1975): Konversationsmaximen/ Interaktionspostulate. In: Kleines Lexikon der Linguistik. Linguistik und Didaktik 21, 1975, S. 81-84. Kallmeyer, Wemer/ Schütze, Fritz (1976): Konversationsanalyse. In: Studium Linguistik 1, 1976, S. 1-28. Kallmeyer, Wemer/ Schütze, Fritz (1977): Zur Konstitution von Kommunikationsschemata der Sachverhaltsdarstellung. In: Wegner, Dirk (Hg.): Gesprächsanalysen. Hamburg. S. 159-275. Katz, Daniel/ Braly, Kenneth W. (1933): Racial stereotypes of 100 college students. Journal of Abnormal and Social Psychology 28, S. 280-290. Keim, Inken (1995): Die Westliche Unterstadt. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Kommunikation in der Stadt. Teil 2: Ethnographien von Mannheimer Stadtteilen. Berlin/ New York. (= Bd. 4.2. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). S. 42-191. Keim, Inken (1996): Verfahren der Perspektivenabschottung und ihre Auswirkung auf die Dynamik des Argumentierens. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Gesprächsrhetorik. Rhetorische Verfahren im Gesprächsprozeß. Tübingen. S. 191-277. Kiefer, Claus (1970): Der Jargon der Sportreportage. In: Der Deutschunterricht 1, 1970, S. 114-116. Kistner, Thomas/ Weinreich, Jens (1998): Das Milliardenspiel. Fußball, Geld und Medien. Frankfurt a.M. Klein, Edwin (1994): Rote Karte für den DFB. Die Machenschaften im deutschen Profifußball. München. Klein, Joseph (1995): Sprache und soziales Vorurteil. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 42/ 1, 1995, S. 3-11. Klein, Michael (1990): Sportbünde - Männerbünde? ln: Völger, Gisela/ Welck, Karin v. (Hg.): Männerbande Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich. Köln. S. 137-148. Literatur 439 Kling, Robert/ Gerson, Elihu M. (1977a): The dynamics of technical innovation in the computing world. In: Symbolic Interaction 1, S. 132-146. Kling, Robert/ Gerson, Elihu M. (1977b): Patterns of segmentation and intersectation in the computing world. In: Symbolic Interaction 2, S. 24-43. Koppe, Günter/ Köppe, Hans-Uhich (1977): Zur Lehrersprache im Sportunterricht. Probleme ihrer Analyse. In: Sportunterricht 26, 1977, S. 292-298. Koselleck, Reinhart (1989): Vergangene Zukunft: zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt a.M. Kotthoff, Helga (1993): Disagreement and concession in disputes: On the context sensitivity of preference structures. In: Language in Society 22, 1993, S. 193-216. Kramer, Jörg (1997a): „Das Fauchen der Frau Tigerin. Kicker Effenberg und Gattin müssen von Borussia Mönchengladbach eine Ausstiegsklausel fordern, um das Gesicht zu wahren“. In: sz v. 27.8.97. Kramer, Jörg (1997b): „‘Wieso gerade ich? ’ Mönchengladbachs neuer Trainer Meier ist eine preiswerte Lösung“. In: SZ v. 3.12.97. Kramer, Jörg (1998): „Ein Weltmann auf dem Weg nach Elversberg. Bernd Schuster und der 1. FC Köln sind nach dem Debakel gegen St. Pauli an einem Punkt, ‘wo's runter nimmer weitergeht’“. In: SZ v. 16.9.98. Kröger, Christian/ Schädle, Walter (1984): Auszeit als zielgerichtete Maßnahme der Wettkampfsteuerung? In: Andresen, Rolf/ Hagedom, Günter (Hg.): Steuerung des Sportspiels in Training und Wettkampf. 5. Internationales Berliner Sportspiel-Symposion. Ahrensburg. S. 208-221. Kuhlmann, Detlef (1983): Sprechen im Sportunterricht. Eine Analyse sprachlicher Inszenierungen von Sportlehrern als Beitrag zur Unterrichtsforschung. Diss. Bielefeld. Kuhlmann, Detlef (1986): „... im großen und ganzen also wie gesagt! “ Zur Praxis der lokalen Sportberichterstattung am Beispiel des Handballs. In: Andresen, Rolf (Hg.): Beiträge zur Sportspielforschung. 6. Internationales Berliner Sportspielsymposion. Ahrensburg. S. 231-244. Kuhlmann, Detlef (1998): Sprache im Sport. In: Grupe, Ommo/ Mieth, Dietmar (Hg.): Lexikon der Ethik im Sport. Redaktion und Mitarbeit Christoph Hübenthal. Schorndorf. S. 535-538. Kuntz, Eva Sabine (1998): „... potenza tedesca contro la classe e la tecnica degli ungheresi.“ Nationenbilder in Sport und Politik. Die Fußball-WM 1954. In: Zibaldone 25, 1998, S. 28-41. Labov, William (1973): The boundaries of words and their meaning. In: Bailey, Charles- James N./ Shuy, Roger W. (Hg.): New ways of analyzing variation in English. Washington, DC. S. 340-373. Lenk, Hans (1995): Führung im Sport. In: Kieser, Alffed/ Reber, Gerhard/ Wunderer, Rolf (Hg.): Handwörterbuch der Führung. 2., neu gestaltete u. erg. Aufl. Unter Mitarbeit von zahlreichen Fachgelehrten und Experten aus Wissenschaft und Praxis. Stuttgart. S. 1968- 1977. Levinson, Stephen C. (1983): Pragmatics. Cambridge. Luckmann, Thomas (1985): Kommunikative Gattungen im ‘Haushalt’ einer Gesellschaft. Ms. Konstanz. 440 Reden und Spielen Lutzeier, Peter Wolf (1981): Wort und Feld. Wortsemantische Fragestellungen mit besonderer Berücksichtigung des Wortfeldbegriffs. Tübingen. LZS = Lexikon zur Soziologie ( 2 1978). Hrsg, von Werner Fuchs, Rolf Klima, Rüdiger Laubmann, Ottheim Rammstedt und Harms Wienold. Opladen. Malinowski, Bronislaw (1922): Argonauts of the western pacific. An account of native enterprise and adventure in the archipelagoes of the Malenesian New Guinea. London. Malinowski, Bronislaw (1926): Myth in primitive psychology. London. Mangasser-Wahl, Martina (1997): Roschs Prototypentheorie in Deutschland ein nicht typischer Rezeptionsfall, ln: DS 4, 1977, S. 360-378. Mangasser-Wahl, Martina (Hg.) (1998): Prototypentheorie in der Linguistik. Tübingen. Marr, Liz/ Francis, Dave/ Randall, Dave (1999): ‘The soccer game’ as journalistic work: Managing the production of stories about a football club. In: Jalbert, Paul L. (Hg.): Media Studies: Ethnomethodological Approaches. Lanham, MD. S. 111-133. Mason, Tony (1997): Großbritannien, ln: Eisenberg, Christiane (Hg.): Fußball, soccer, calcio. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt. München. S. 22-40. Meinberg, Eckhard (1992): Sportanthropologie - Was könnte das sein? Versuch einer Ortsbestimmung. ln: Arbeitskreis Berlin: Aspekte einer zukünftigen Anthropologie des Sports. Clausthal-Zellerfeld. (= dvs-Protokolle 46). S. 3-20. Meinberg, Eckard (1994a): Zwischen Verstehen und Beschreiben. Einige Motive zur Fortsetzung des Methodendiskurses in der Sportwissenschaft. In: Bette, Karl-Heinrich/ Hoffmann, Gerd/ Kruse, Carsten/ Meinberg, Eckhard/ Thiele, Jörg (Hg.): Zwischen Verstehen und Beschreiben. Forschungsmethodologische Ansätze in der Sportwissenschaft. Köln. 2. Aufl. S. 9-20. Meinberg, Eckard (1994b): Hermeneutische Methodik. In: Bette, Karl-Heinrich/ Hoffmann, Gerd/ Kruse, Carsten/ Meinberg, Eckhard/ Thiele, Jörg (Hg.): Zwischen Verstehen und Beschreiben. Forschungsmethodologische Ansätze in der Sportwissenschaft. Köln. 2. Aufl. S. 21-75. Meyer, Peter/ Wind, Jan/ Roele, Marcel (1990): Männerbünde in soziobiologischer Sicht. In: Völger, Gisela/ Welck, Karin v. (Hg.): Männerbande Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich. Köln. S. 73-84. Moerman, Michael (1974): Accomplishing ethnicity. In: Turner, Roy (Hg.): Ethnomethodology. Harmondsworth. S. 54-68. Möhn, Dieter (1980): Sondersprachen. In: Althaus, Hans Peter/ Herme, Helmut/ Wiegand, Herbert Emst (Hg.): Lexikon der germanistischen Linguistik. Tübingen. (= LGL). S. 384- 390. Möller, Jens (1994): Systemtheorie: Ursprünge, Entwicklungen und kritische Anmerkungen. In: Strauss, Bemd/ Haag, Herbert (Hg.): Forschungsmethoden - Untersuchungspläne - Techniken der Datenerhebung in der Sportwissenschaft. Forschungsmethodologische Grundlagen. Schorndorf. S. 69-78. Moritz, Rainer (1997): Immer auf Ballhöhe. Ein ABC der Befreiungsschläge. München. Mrazek, Joachim/ Rittner, Volker (1992): Übungsleiter und Trainer im Sportverein. Bd. 1: Die Personen und die Gruppen. Schorndorf. Müllender, Bemd/ Nendza, Jürgen (Hg.) (1992): Gib mich die Kirsche, Deutschland! Bunte Ligen und Altemativfußball. Essen. Literatur 441 Nothdurft, Werner (1984a): äh, folgendes problem äh Die interaktive Ausarbeitung ‘des Problems’ in Beratungsgesprächen. Tübingen. Nothdurft, Werner (1984b): Ein Instrument zur Verlaufsanalyse von Sprechstundeninteraktion. In: Tewes, Ulrich (Hg.): Angewandte Medizinpsychologie. Frankfurt a.M. S. 115-126. Nothdurft, Werner (1985): Schilderung von „Beschwerden” in ärztlichen Sprechstundengesprächen. Die interaktive Konstitution des klinischen Sachverhalts. In: Löning, Petra/ Sager, Sven (Hg.): Kommunikationsanalysen ärztlicher Gespräche. Ein Hamburger Workshop. Hamburg. S. 17-38. Nothdurft, Werner (1992): Medizinische Kommunikation: Geschlossene Diskurssysteme. In: DS 3, 1992, S. 193-206. Nothdurft, Werner (1995): Streit schlichten. Gesprächsanalytische Untersuchungen zu institutioneilen Formen konsensueller Konfliktbearbeitung. Berlin. Nothdurft, Werner (1996): Schlüsselwörter. Zur sprachlichen Herstellung von Wirklichkeit. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Gesprächsrhetorik. Rhetorische Verfahren im Gesprächsprozeß. Tübingen. S. 351-418. Nothdurft, Wemer/ Spranz-Fogasy, Thomas (1991): Gesprächsanalyse von Schlichtungs- Interaktion. Methodische Probleme und ihre Hintergründe. In: Flader, Dieter (Hg.): Verbale Interaktion. Studien zur Empirie und Methodologie der Pragmatik. Stuttgart. S. 222- 240. Oksaar, Eis (1958): Semantische Studien im Sinnbereich der Schnelligkeit. „Plötzlich, schnell“ und ihre Synonymik im Deutsch der Gegenwart und des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters. Stockholm. Ormezzano, Gian Paolo (1998): Presse und Fußball. In: Zibaldone. Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart 25, 1998, S. 21-27. Paris, Rainer (1983): Fußball als Interaktionsgeschehen. In: Der Satz „Der Ball ist rund“ hat eine gewisse philosophische Tiefe. Sport, Kultur, Zivilisation. Herausgegeben vom Modellversuch Joumalisten-Weiterbildung der Freien Universität Berlin. S. 146-164. Park, Robert E./ Burgess, Guest W. (1921): Introduction to the Science of Sociology. Chicago- Patzelt, Werner (1987): Grundlagen der Ethnomethodologie. Theorie, Empirie und politikwissenschaftlicher Nutzen einer Soziologie des Alltags. München. Perelman, Chaim (1980): Das Reich der Rhetorik. Rhetorik und Argumentation. München. Perelman, Chaim/ Olbrechts-Tyteca, Lucie (1958): La nouvelle rhetorique. Traite de l'argumentation. Paris. Plattdeutsch-Hochdeutsches Wörterbuch ( 4 1993). Bearbeitet von Wolfgang Lindow. Herausgegeben vom Institut für niederdeutsche Sprache. Reihe: Dokumentation Nr. 8. Leer. Pomerantz, Anita (1975): Second assessments: A study of some features of agreements/ disagreements. Diss. Irvine. Pomerantz, Anita (1978): Compliment responses. Notes on the co-operation of multiple constraints. In: Schenkeln, Jim (Hg.): Studies in the organization of conversational interactions. New York/ San Francisco/ London. S. 79-112. 442 Reden und Spielen Pomerantz, Anita (1984): Agreeing and disagreeing with assessments: some features of preferred/ dispreferred turn shapes. In: Atkinson, J. Max/ Heritage, John (Hg.): Structures of social action: Studies in conversation analysis. Cambridge. S. 57-101. Quasthoff, Uta M. (1973): Soziales Vorurteil und Kommunikation. Eine sprachwissenschaftliche Analyse des Stereotyps. Frankfurt a.M.. Quasthoff, Uta M. (1978): Bestimmter Artikel und soziale Kategorisierung. Zum Mechanismus von Referenz und Kohärenz. In: Hartmann, Dietrich u.a. (Hg.): Sprache in Gegenwart und Geschichte: Festschrift für Heinrich Matthias Heinrichs zum 65. Geburtstag. Köln/ Wien. S. 154-173. Quasthoff, Uta M. (1987): Linguistic prejudice/ stereotypes. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Halbbd. Berlin/ New York. S. 785-799. Quentin, Regina (1989): Sprache im Bild: Fußballreportagen in Sportsendungen des deutschen Fernsehens. Marburg. (= Marburger Studien zur Germanistik 11). Raith, Joachim (1993): Ethnographie. In: Glück, Helmut (Hg.): Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart/ Weimar. S. 174. Rehbein, Erhard (1978): Systematische Beobachtung verbaler und extraverbaler Kommunikation im Sportunterricht. Diss. Kiel. Rehbein, Erhard (1983): Systematische Erfassung der Lehrersprache im Sportunterricht. In: Kayser, Dietrich/ Preising, Wulf (Hg.): Aspekte der Unterrichtsforschung im Sport. Schorndorf. S. 129-169. Reng, Ronald (1998): „Chef unter Kumpels. Gianluca Viallis seltsame Rolle als Spielertrainer bei Chelsea“. In: SZv. 13.5.1998. Rigauer, Bero (1982): Sportsoziologie. Grundlagen, Methoden, Analysen. Reinbek. Rigauer, Bero (1987): Kommunikation und Interaktion. In: Eberspächer, Hans (Hg.): Handlexikon Sportwissenschaft. Reinbek. S. 172-177. Riha, Karl (1979): „Männer, Kämpfe, Kameras“. Zur Dramaturgie von Sportsendungen im Fernsehen. In: Kreuzer, Helmut/ Prümm, Karl (Hg.): Fernsehsendungen und ihre Formen. Stuttgart. S. 183-193. Riordan, Jim (1997): Rußland und Sowjetunion. In: Eisenberg, Christiane (Hg.): Fußball, soccer, calcio. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt. München. S. 130-148. Roberts, Glen C. (Hg.) (1992): Motivation in Sport and Excercise. Champaign, IL. Rosch, Eleanor (vorm. Heider) (1971): „Focal“ color areas and the development of color names. In: Developmental Psychology 4, 1971, S. 447-455. Rosch, Eleanor (vorm. Heider) (1972): Universal in color naming and memory. In: Journal of Experimental Psychology 93, 1972, S. 10-20. Rosch, Eleanor (vorm. Heider) (1973): On the internal structure of perceptual and semantic categories. In: Moore, Timothy E. (Hg.): Cognitive development and the acquisition of language. New York/ San Francisco/ London. S. 111-144. Rosch, Eleanor (1974): Linguistic relativity. In: Silverstein, Albert (Hg.): Human Communication: Theoretical explorations. New York. S. 95-121. Literatur 443 Rosch, Eleanor (1975a): Cognitive reference point. In: Cognitive Psychology 7, 1975, S. 532-547. Rosch, Eleanor (1975b): Cognitive representations of semantic categories. In: Journal of Experimental Psychology, General 104, 1975, S. 192-233. Rosch, Eleanor (1975c): Universals and cultural specifics in human categorization. In: Brislin, Richard W./ Bochner, Stephen/ Lonner, Walter J. (Hg.): Cross-cultural perspectives on learning. New York. S. 177-206. Rosch, Eleanor/ Mervis, Caroline B. (1975): Family resemblance. Studies in the internal structure of categories. In: Cognitive Psychology 7, 1975, S. 573-605. Röttgen, Kurt (1997): „‘Ich bin nicht der Papi der Spieler’“. Der Hamburger Fußballtrainer Felix Magath fordert von den HSV-Profis eine Härte, die ihm selbst in seiner Karriere fehlte.“ In: SZ v. 10./ 11.5.97. Russell, Gordon W. (1993): The Social Psychology of Sport. New York/ Berlin/ Heidelberg u.a. Sacks, Harvey (1972a): On the analyzability of stories by children. In: Gumperz, John J./ Hymes, Dell H. (Hg.): Directions in sociolinguistics. The ethnography of communication. New York. S. 329-345. Sacks, Harvey (1972b): An Initial Investigation of the Usability of Conversational Data for Doing Sociology. In: Sudnow, David (Hg.): Studies in Social Interaction. New York/ London. S. 31-74. Sacks, Harvey (1978): Zwei Präferenzen in der Organisation personaler Referenz in der Konversation und ihre Wechselwirkung. In: Quasthoff, Uta (Hg.): Sprachstruktur, Sozialstruktur: zur linguistischen Theorienbildung. Königstein/ Ts. S. 150-157. Sacks, Harvey/ Schegloff, Emmanuel A./ Jefferson, Gail (1974): A simplest Systematics for the Organization of Tum-taking for Conversation. In: Language 50, 1974, S. 696-735. Salber, Wilhelm (1990): Zur Psychoanalyse von Männerbünden (Morphologie von Brüderlichkeit). In: Völger, Gisela/ Welck, Karin v. (Hg.): Männerbande Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich. Köln. S. 41-58. Sandig, Barbara (1993): Zu einer Alltagsrhetorik des Bewertens. Negationsausdrücke und Negationsformeln. In: Heringer, Hans Jürgen/ Stötzel, Georg (Hg.): Sprachgeschichte und Sprachkritik. Berlin/ New York. S. 157-184. Saville-Troike, Muriel (1987): Ethnography of Speaking. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Halbbd. Berlin/ New York. S. 660-671. Schaeder, Burkhard (1993): Wortfeld. In: Glück, Helmut (Hg.): Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart/ Weimar. S. 696. Schäfer, Jürgen (1989): Sprachliche Strukturen in Texten der Sportberichterstattung. Bochum. Ms. Ruhr-Universität. Schegloff, Emmanuel A. (1968): Sequencing in conversational openings. In: American Anthropologist 70, 1968, S. 1075-1095. [Wieder erschienen in: Gumperz, John J./ Hymes, Dell H. (Hg.) (1972): Directions in sociolinguistics. New York. S. 346-380.] Schegloff, Emmanuel A. (1972): Notes on a conversational practice: formulating place. In: Sudnow, David (Hg.): Studies in Social Interaction. New York. S. 75-119. 444 Reden und Spielen Schegloff, Emmanuel A./ Jefferson, Gail/ Sacks, Harvey (1977): The preference for selfcorrection in the organization of repair in conversation. In: Language 53, 1977, S. 361- 382. Schegloff, Emmanuel A./ Sacks, Harvey (1973): Opening up closings. In: Semiotica 8, 1973, S. 289-327. Scheiter, Susanne/ Noack, Claus/ Ehlich, Konrad (1994): Einleitung. In: Ehlich, Konrad/ Noack, Claus/ Scheiter, Susanne (Hg.): Instruktion durch Text und Diskurs. Zur Linguistik ‘Technischer Texte’. Opladen. S. 7-13. Schenkein, Jim (1978): Identity negotiations in conversation. In: Schenkein, Jim (Hg.): Studies in the organization of conversational interaction. New York/ San Francisco/ London. S. 57-78. Scherler, Karlheinz/ Schierz, Matthias (1993): Sport unterrichten. Schorndorf. Schilling, Marcel (1995): Kommunikative Strategien von Trainern im Fussballsport. Handlungsschemata und rhetorische Verfahren in der Interaktion mit der Mannschaft in der Halbzeitpause von Meisterschaftsspielen. Magisterarbeit. Bochum. Schlieben-Lange, Brigitte (1998): Die Dialektik von Identität und Alterität. In: LiLi 110, 1998,8.41-56. Schmidt, Gerhard/ Lüttke, Dieter (1984): Zur Analyse des Sprachverhaltens von Sportspieltrainem im Wettkampf. In: Andresen, Rolf/ Hagedom, Günter (Hg.): Steuerung des Sportspiels in Training und Wettkampf. 5. Internationales Berliner Sportspiel-Symposion. Ahrensburg. S. 171-185. Schmitt, Reinhold (1992): Die Schwellensteher. Sprachliche Präsenz und sozialer Austausch in einem Kiosk. Tübingen. Schmitt, Reinhold (1993): Kontextualisierung und Konversationsanalyse. In: DS 4, 1993, S. 326-354. Schmitt, Reinhold (1997): Unterstützen im Gespräch. Zur Analyse manifester Kooperationsverfahren. In: ZS 16, 1/ 2, 1997, S. 52-82. Schneider, Peter (1974): Die Sprache des Sports. Terminologie und Präsentation in Massenmedien. Eine statistische und vergleichende Analyse. Düsseldorf. Schreier, Margrit/ Groeben, Norbert (1990): Argumentationsintegrität (Hl): Rhetorische Strategien und Integritätsstandards. Heidelberg. (= Arbeiten aus dem SFB 245, Bericht Nr. 30). Schulze, Ludger (1998): „Eine Verheißung namens Andreas“. In: SZ v. 3.7.98. Schulze-Marmeling, Dietrich (1992): Der gezähmte Fußball. Zur Geschichte eines subversiven Sports. Mit Beiträgen von Michael John, Martin Krauß, Matti Lieske, Pit Wuhrer. Göttingen. Schütte, Wilfried (1991): Scherzkommunikation unter Orchestermusikem. Interaktionsformen in einer Berufswelt. Tübingen. Schütz, Alfred (1971a): Gesammelte Aufsätze. Bd. 1: Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag. Schütz, Alfred (1971b): Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten. In: Schütz, Alfred: Gesammelte Aufsätze. Bd. 1: Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Den Haag. S. 237-298. Literatur 445 Schütze, Fritz (1978): Strategische Interaktion im Verwaltungsgericht eine soziolinguistische Analyse zum Kommunikationsverlauf im Verfahren zur Anerkennung als Wehrdienstverweigerer. In: Hassemer, Winfried/ Hoffman-Riem, Wolfgang/ Weiss, Manfred (Hg.): Schriften der Vereinigung für Rechtssoziologie. Bd. 2: Interaktion vor Gericht. Baden-Baden. S. 19-100. Schütze, Fritz (1981): Prozeßstrukturen des Lebensablaufs. In: Matthes, Joachim/ Pfeifenberger, A./ Stosberg, M. (Hg.): Biographie in handlungswissenschaftlicher Perspektive. Nürnberg. S. 67-156. Schütze, Fritz (1987a): Situation. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Halbbd. Berlin/ New York. S. 157-164. Schütze, Fritz (1987b): Symbolischer Interaktionismus. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Halbbd. Berlin/ New York. S. 520-553. Schütze, Fritz (1996): Organisationszwänge und hoheitsstaatliche Rahmenbedingungen im Sozialwesen: Ihre Auswirkungen auf die Paradoxien des professionellen Handelns. In: Combe, Amo/ Helsper, Werner (Hg.): Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus pädagogischen Handelns. Frankfurt a.M. S. 183-275. Schweickard, Wolfgang (1987): Die „cronaca calcistica“. Zur Sprache der Fußballberichterstattung in italienischen Sporttageszeitungen. Tübingen. (= Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 213). Schweizer, Thomas (1990): Männerbünde und ihr kultureller Kontext im weltweiten interkulturellen Vergleich. In: Völger, Gisela/ Welck, Karin v. (Hg.): Männerbande Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich. Köln. S. 23-30. Schwitalla, Johannes (1995): Vogelstang. In: Kallmeyer, Werner (Hg.): Kommunikation in der Stadt. Teil 2: Ethnographien von Mannheimer Stadtteilen. Berlin/ New York (= Bd. 4.2. der Schriften des Instituts für deutsche Sprache). S. 189-343. Scott, Marvin B./ Lyman, Stanford M. (1976): Praktische Erklärungen. In: Auwärter, Manfred/ Kirsch, Waltraud/ Schröter, Klaus (Hg.): Seminar: Kommunikation, Interaktion, Identität. Frankfurt a.M. S. 73-114. Smith, Dorothy (1978): „K is mentally ill“. The anatomy of a factual account. In: Sociology 12, 1, 1978, S. 23-53. Sodhi, Kripal S./ Bergius, Rudolf (1953): Nationale Vorurteile. Eine sozialpsychologische Untersuchung an 881 Personen. Berlin. Speier, Matthew (1973): How to observe face-to-face communication: a sociological introduction. Pacific Palisades, CA. Spradley, James P. (1980): Participant Observation. New York. Spradley, James P. (1997): The ethnographic Interview. New York. Spranz-Fogasy, Thomas (1988): Medikamente im Gespräch zwischen Arzt und Patient - Gesprächsanalysen für die Praxis. In: DS 3/ 88, S. 240-258. Spranz-Fogasy, Thomas (1992): Bezugspunkte der Kontextualisierung sprachlicher Ausdrücke in Interaktionen - Ein Konzept zur analytischen Konstitution von Schlüsselwörtern. Heidelberg/ Mannheim. (= Arbeiten aus dem SFB 245, Bericht Nr. 50). 446 Reden und Spielen Spranz-Fogasy, Thomas (1997): Interaktionsprofile. Die Herausbildung individueller Handlungstypik in Gesprächen. Opladen. Spranz-Fogasy, Thomas (1998): Interactional Resources of Argumentation. Ms. Stark, Jürgen/ Farin, Klaus (1990): Das Fußball-Lesebuch. Reinbek. Strauss u.a. (1964/ 1981) = Strauss, Anselm L./ Schatzmann, Leonard/ Bucher, Rue/ Ehrlich, Danuta/ Sabshin, Melvin: Psychiatric ideologies and institutions. London 1964/ New Brunswick, NJ 1981. Strauss u.a. (1985) = Strauss, Anselm L./ Fagerhaugh, Shizuko/ Suczek, Barbara/ Wiener, Carolyn (Hg.): Social Organization of Medical Work. Chicago/ London. Strauss, Anselm L. (1959): Mirrors and Masks. The Search for Identity. San Francisco, [deutsch 1968: Spiegel und Masken. Die Suche nach Identität. Frankfurt a.M.]. Strauss, Anselm L. (1978): A social world perspective. In: Denzin, Norman (Hg.): Studies in symbolic interaction 1. Greenwich, CT. S. 119-128. Strauss, Anselm L. (1979): Social worlds and spatial processes. San Francisco, CA. (Paper). Strauss, Anselm L. (1982): Social worlds and legitimation processes. In: Denzin, Norman (Hg.): Studies in symbolic interaction 4. Greenwich, CT. S. 171-190. Strauss, Anselm L. (1984): Social worlds and their segmentation. In: Denzin, Norman (Hg.): Studies in symbolic interaction 5. Greenwich, CT. S. 123-139. Strauss, Anselm L. (1994): Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen Sozialforschung. München. Strauss, Anselm L./ Glaser, Bamey (1970): Anguish. The case history of a dying trajectory. Mill Valley, CA. Streeck, Jürgen (1983): Konversationsanalyse. Ein Reparaturversuch. In: ZS 2, 1983, S. 72- 104. Taylor, John R. (1989; 2 1995): Linguistic categorization: prototypes in linguistic theory. Oxford. Thiele, Jörg (1994): Phänomenologie. In: Bette, Karl-Heinrich/ Hofftnann, Gerd/ Kruse, Carsten/ Meinberg, Eckhard/ Thiele, Jörg (Hg.): Zwischen Verstehen und Beschreiben. Forschungsmethodologische Ansätze in der Sportwissenschaft. 2. Aufl. Köln. S. 77-118. Thiele, Jörg/ Kolb, Michael (1994): Phänomenologie und qualitative Forschung. In: Strauss, Bemd/ Haag, Herbert (Hg.): Forschungsmethoden - Untersuchungspläne - Techniken der Datenerhebung in der Sportwissenschaft. Forschungsmethodologische Grundlagen. Schorndorf. S. 49-67. Thomas, Jobst (1988): Denn sie leben ja voneinander. Analyse von Sport-Interviews im Zweiten Deutschen Fernsehen und im Fernsehen der DDR. Frankfurt a.M. (= Sprache in der Gesellschaft 11). Trawinski, Hans-Joachim (1996): Nonverbale Kommunikation im Sport. - Eine Untersuchung subjektiver Bewegungsbewertungen und soziologischer Parameter im Kontext nonverbaler Kommunikation im Sozialfeld Sport. Diss. Oldenburg. Trier, Jost (1931): Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Die Geschichte eines sprachlichen Feldes. Bd. 1: Von den Anlangen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Heidelberg. Literatur 447 Ungerer, Friedrich/ Schmid, Hans-Jörg (1996): An Introduction to Cognitive Linguistics. London/ New York. Vath, Heinrich (1994): Profifußball. Zur Soziologie der Bundesliga. Frankfurt a.M./ New York. Van Dijk, Teun (1984): Prejudice in discourse. Amsterdam/ Philadelphia. Van Dijk, Teun (1993): Elite discourse and racism. Newbury Park, CA. Vinnai, Gerhard (1970): Fußballsport als Ideologie. Frankfurt a.M. Voigt, Dieter (1992): Sportsoziologie, Soziologie des Sports. Frankfurt a.M./ Aarau/ Salzburg. Vollmert-Spiesky, Sabine (1996): Vergleichende Untersuchung der Lexik des Fußballspiels im Russischen, Polnischen und Deutschen: ein Beitrag zur Eurolinguistik. Wiesbaden. Wallis, Edmund (1990): Kommunikation und Kooperation im Unterricht der Unterstufe an der Spezialschule für Sport. Diss. Leipzig. Wappenhans, Friedrich (1905): Entwurf eines Verdeutschungswörterbuchs für Spiel und Sport: Zur Begutachtung vorgelegt vom Gesamtvorstande des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. o.O. WDW=Wahrig Deutsches Wörterbuch ( 6 1997). Neu herausgegeben von Renate Wahrig-Burfeind. Mit einem „Lexikon der deutschen Sprachlehre“. 6. Aufl. Gütersloh. Wehlen, Rainer (1972): Duden. Wortschatz und Regeln des Sports. Ballspiele. Mannheim. Weinberg, Martin S./ Williams, Colin J. (1973): Soziale Beziehungen zu devianten Personen bei der Feldforschung. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Teilnehmende Beobachtung abweichenden Verhaltens. Stuttgart. S. 83-108. West, Candace/ Zimmermann, Don H. (1982): „Conversation analysis“. In: Handbook of methods in nonverbal behavioral research. Cambridge. S. 506-541. Wiener, Carolyn (1981): The politics of alcoholism. New Brunswick. Wintermantel, Margret/ Laier, Roland (1994): Hörer-Orientierung in technischen Instruktionen. In: Ehlich, Konrad/ Noack, Claus/ Scheiter, Susanne (Hg.): Instruktion durch Text und Diskurs. Zur Linguistik ‘Technischer Texte’. Opladen. S. 100-115. Wodak, Ruth (1987): Kommunikation in Institutionen. In: Ammon, Ulrich/ Dittmar, Norbert/ Mattheier, Klaus J. (Hg.): Sociolinguistics/ Soziolinguistik. An International Handbook of the Science of Language and Society/ Ein Internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Halbbd. Berlin/ New York. S. 799-820. Wodak, Ruth/ Menz, Florian/ Mitten, Richard/ Stem, Frank (1994): Die Sprachen der Vergangenheit. Öffentliches Gedenken in österreichischen und deutschen Medien. Frankfurt a.M. Wodak, Ruth u.a. (1990): „Wir sind alle unschuldige Täter“: Diskursanalytische Studien zum Nachkriegsantisemitismus. Frankfurt a.M. Studien zur deutschen Sprache FORSCHUNGEN DES INSTITUTS FÜR DEUTSCHE SPRACHE Katharina Meng Russlanddeutsche Sprachbiografien Untersuchung zur sprachlichen Integration von Aussiedlerfamilien Unter Mitarbeit von Ekaterina Protassova Band 21, 2001, 540 Seiten, div. Tab. DM 198,-/ € 99,-/ SFr 178,- ISBN 3-8233-5151-6 Franc Wagner Implizite sprachliche Diskriminierung als Sprechakt Lexikalische Indikatoren impliziter Diskriminirung in Medientexten Band 20, 2001, 180 Seiten, DM 58,-/ € 29,-/ SFr 55,- ISBN 3-8233-5130-3 Isolde Nortmeyer Das Präfixe inter- und trans- Beiträge zur Lehn-Wortbildung Band 19, 2000, X, 456 Seiten, DM 158,-/ € 79,-/ SFr 142- ISBN 3-8233-5149-4 Michael Kinne Die Präfixe post-, prä- und neo- Beiträge zur Lehn-Wortbildung Band 18, 2000, XIV, 391 Seiten, DM l48,-/ € 74,-/ SFr 133- ISBN 3-8233-5148-6 Jarochna Dabrowska Stereotype und ihr sprachlicher Ausdruck im Polenbild der deutschen Presse Band 17, 1999, 346 Seiten, DM 138,-/ € 69,-/ SFr 124- ISBN 3-8233-5147-8 Leslaw Cirko Kookkurrenzanalyse der deutschen Gegenwartssprache Band 16, 1999, 249 Seiten, DM 120,-/ € 60,-/ SFr 108,- ISBN 3-8233-5146-X Gabriele Hoppe Das Präfix ex. Beiträge zur Lehn-Wortbildung Mit einer Einführung in den Gegenstandsbereich von Gabriele Hoppe und Elisabeth Link Band 15, 1999, X, 270 Seiten, DM 120,-/ € 60,-/ SFr 108,- ISBN 3-8233-5145-1 Nina Berend Sprachliche Anpassung Eine soziolinguistisch-dialektologische Untersuchung zum Rußlanddeutschen Band 14, 1998, X, 253 Seiten, DM 68,-/ € 34,-/ SFr 65- ISBN 3-8233-5144-3 gHW Gunter Narr Verlag Tübingen Die Sprache der Fußballer wird erst dann verständlich, wenn man die Strukturen der Fußball-Welt kennt: Wo und wie begegnen sich Trainer und Spieler, wer hat was zu leisten, welche sozialen Regeln sind einzuhalten, was und wer kann die Interaktion beeinflussen? Vor dem Hintergrund dieser sozialen Strukturen werden auch die rhetorischen Strategien der Trainer erklärbar: als funktionale, individuell geprägte kommunikative Verfahren, um die Spieler möglichst effektiv auf das nächste Spiel einzustellen.