eBooks

Bruxelles surréaliste

2013
978-3-8233-7729-0
Gunter Narr Verlag 
Thomas Amos
Christian Grünnagel

Die starke Affinität zu einer amimetischen Thematik und Darstellungsweise kennzeichnet die französischsprachige Literatur und die Bildende Kunst Belgiens gleichermaßen. Der Kulturwissenschaftlich und interdisziplinär ausgerichtete Band verfolgt diese als "Bruxelles surréaliste" bezeichnete Konstante von der Staatsgründung bis in die unmittelbare Gegenwart. Untersucht werden dabei neben intertextuellen und -medialen Bezügen vor allem Erscheinungsformen und Funktionalisierungen des Amimetischen, wobei ein Schwerpunkt auf dem belgischen Surrealismus liegt.

edition lendemains 31 Thomas Amos / Christian Grünnagel (Hrsg.) Bruxelles surréaliste Positionen und Perspektiven amimetischer Literatur Bruxelles surréaliste edition lendemains 31 herausgegeben von Wolfgang Asholt (Osnabrück), Hans Manfred Bock (Kassel) und Andreas Gelz (Freiburg) Thomas Amos / Christian Grünnagel (Hrsg.) Bruxelles surréaliste Positionen und Perspektiven amimetischer Literatur Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: »Après la mort, après la vie« aus dem Animationsfilm »Après la mort, après la vie« von Olivier Deprez . © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 1861-3934 ISBN 978-3-8233-6729-1 L’ŒIL BLESSÉ saigne toutes ses images Paul Nougé Inhaltsverzeichnis - Table des matières I. Thomas Amos / Christian Grünnagel Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien ......................................................................................... 1 II. Thomas Amos Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens ................................................ 16 III. Jana Náprstková-Dratvová De l’extrême conscience à la naïveté du regard : Rodenbach, Verhaeren, Maeterlinck et les racines symbolistes du surréalisme belge .......................................................................... 42 IV. Annette Runte Des béguines mystériques. Traces surréalistes chez Georges Rodenbach ...................................................................................... 53 V. Juliane Prade Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt .......................................................................................... 65 VI. Christian Grünnagel Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge .................................................................. 84 VII. Angelos Triantafyllou L’objectile surréaliste : Magritte, Dotremont et Breton ....................................................................................... 106 VIII. Jan Baetens Surréalisme voulu ou surréalisme involontaire? .................... 119 IX. Thomas Amos / Christian Grünnagel Jan Baetens, professeur-poète .................................................... 121 X. Jan Baetens Choix de poèmes ......................................................................... 122 XI. Abstracts ....................................................................................... 135 Thomas Amos / Christian Grünnagel Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien Annäherungen. Baudelaire in Belgien „La Belgique se croit toute pleine d’appas / Elle dort. Voyageur, ne la réveillez pas.“ (Baudelaire: 1976, 971) Diese beiden Alexandriner mit dem Titel Le Rêve belge gehören zu den Gedichten der Amœnitates Belgicæ, die ihrerseits Teil des Fragment gebliebenen, erst 1952 komplett publizierten 1 Projekts Pauvre Belgique! sind, jenes notorischen Pamphlets, das Charles Baudelaire während seines Aufenthaltes in den Jahren 1864-65 schrieb. 2 Verbittert von persönlichen Mißerfolgen, überzieht Baudelaire darin mit wütendem Hass ein Land, das ihm im Vergleich zu Frankreich als Inbegriff des Barbarischen und Vulgären vorkommt. So verlacht er das Musikverständnis der Belgier („Le Belge dans un concert, accompagne la mélodie avec le pied ou la canne, pour faire croire qu’il la comprend“ (871) oder beschreibt an anderer Stelle das ungenießbare Brot („Enfin, le pain est exécrable, humide, mou, brûlé“; 833); ausführlich behandelt werden weiter u.a. die Hauptstadt Brüssel, die Sitten der Belgier und, was als imagologischer Gemeinplatz bis in die Gegenwart Bestand hat, das in Belgien gesprochene, nach dem Regelwerk der Académie française falsche Französisch, dessen für französische Ohren kurios anmutenden Redewendungen eine eigens zusammengestellte Auflistung präsentiert (vgl. 877-879). Obwohl Pauvre Belgique! geradezu exemplarisch jenen zwischen Geringschätzung und spöttischer Herablassung changierenden Tenor aufweist, der das französische Urteil über den Nachbarn im Norden gelegentlich bis heute mitbestimmt, konnte Baudelaire keineswegs das damals bereits seit geraumer Zeit existierende skeptische bis negative Belgien-Bild der Franzosen beeinflus- 1 Als Band III der Œuvres posthumes innerhalb der von Jacques Crépet und Claude Pichois herausgegebenen Œuvres complètes de Charles Baudelaire. Amœnitates Belgicæ erschien als Teilabdruck 1866, 1872 und 1881, komplett erst 1925 (vgl. Baudelaire: 1976, 1524f.). 2 Zum Hintergrund des Aufenthaltes vgl. die von Claude Pichois stammende Einführung in der Pléiade-Ausgabe (Baudelaire: 1976, 1470-1475); vgl. komplementär das Kapitel „Exile 1864-1866“ in Joanna Richardsons Biographie (1998, 396-465). Pichois’ Urteil zur Qualität der Aufzeichnungen, deren despektierlichen Ton er fraglos eingesteht, lautet: „Le génie reste le génie, même frappé à mort.“ (Baudelaire: 1976, 1475). Thomas Amos / Christian Grünnagel 2 sen; 3 eher bestärkte er mit prägnanten Formulierungen in Frankreich kursierende Meinungen und Vorurteile. Besitzt aber diese Vorstellung des schlafenden, reizlosen und ansonsten karikaturistisch überzeichneten Belgien heute noch Gültigkeit? Die Tatsachen scheinen dies zu bestätigen. Belgien, 1958 eines der drei Gründungsmitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, erregt im Ausland hauptsächlich Aufmerksamkeit durch absurd anmutende politische Verhältnisse, den schwelenden Streit zwischen Flamen und Wallonen und die notorischen Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung. Nicht minder augenfällig ist freilich die fehlende Präsenz auf einem anderen Gebiet: Das zweitgrößte frankophone Land des Kontinents vermag sich anscheinend nicht gegen die kulturelle Hegemonie Frankreichs zu behaupten und nimmt jedenfalls, trotz geografischer Lage und politischer Bedeutung, im Bewusstsein Europas eine reichlich marginale Rolle ein. Oder sollte uns eine Fehldeutung des zweizeiligen Gedichtes unterlaufen sein? Gewiss lässt sich der Titel Amœnitates Belgicæ (etwa: die Reize, die Annehmlichkeiten Belgiens) im Kontext der darunter zusammengefassten boshaften Schmähgedichte (z.B. Épitaphe pour la Belgique oder La Civilisation belge) ironisch verstehen. Demnach wäre Belgien ein einziger locus terribilis. Zugleich jedoch, darauf verweist auch Claude Pichois (vgl. 1525), erscheint das - dann eindeutig positiv konnotierte - Substantiv „amoenitates“ im vorklassischen 17. Jahrhundert, das Baudelaire à fond kannte, 4 regelmäßig als Titel von Sammlungen. Der solcherart im Paratext des Titels erkennbare, die Aufzeichnungen verdeckt durchziehende vor-klassische bzw. manieristische Diskurs schlägt eine alternative Lesart vor. Dafür sprechen die anthropomorphe Darstellung des Landes, genauer: seine Personifikation als schlafende, möglicherweise nackte Frau; die offensichtlichen Diskrepanzen zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung, Imagination und Realität, Schein und Sein, die eine insgesamt problematische Persönlichkeit ankündigen sowie die implizierte Ausschaltung der Ratio im Schlaf zugunsten des (nicht beschriebenen, doch in den Titel gestellten) Traumes. Das unter veränderter Prämisse betrachtete Gedicht Le Rêve belge enthält in nuce einen völlig anderen, d.h. amimetischen Diskurs, der sich von jenen banal-naturalistischen Schilderungen des belgischen Alltag, die potenziellen Besuchern zur Warnung dienen mögen, grundlegend unterscheidet. Während sich zahlreiche 3 Vgl. die imagologische Studie von Claude Pichois: L’Image de la Belgique dans les lettres françaises de 1830 à 1870; im Kommentarteil der Pleiade-Ausgabe resümiert C. Pichois: „C’était un pays qui singeait la France: le pays de la contrefaçon. […] Un pays qui écorchait la langue française.“ (Baudelaire: 1976, 1470) 4 Ein Exemplum dafür (und ein Fingerzeig Baudelaires, wen er zu seinen Vorbildern zählt) ist das Motto auf dem Titelblatt der Erstausgabe der Fleurs du Mal von 1857, das aus Théodore Agrippa d’Aubignés Epos Les Tragiques (1616) entnommen ist (vgl. Baudelaire: 1961, 3). Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien 3 Passagen von Pauvre Belgique! der von Baudelaire verabscheuten, in seinen Augen widrigen belgischen Wirklichkeit widmen, kündigen die beiden Verse denkbar beiläufig ein besonderes, für Belgien geradezu typisches ästhetisch-weltanschauliches Programm an, das zu einer Umwertung und Überwindung des (konventionellen) Realitätsbegriffes samt impliziter Neudefinition ansetzt. Grundlage ist Baudelaires Ideal des Bizarren, das sich als radikal anti-klassische Position in seinem Aperçu „Le beau est toujours bizarre“ (Hervorhebung CB; Exposition universelle 1855; 578) ausdrückt. Entsprechende, die naturalistische Drastik des Pamphlets unvermittelt durchbrechende Passagen finden sich in Pauvre Belgique! mehrfach, gehäuft sogar dann, wenn Baudelaire die belgische Hauptstadt verlässt. Der kurze Text „Promenade à Bruges“ skizziert, gleichsam nach Art eines Prosagedichtes, durch dezente Andeutungen höchst wirksam den symbolistischen Archetopos der toten Stadt: „Ville fantôme, ville momie, à peu près conservée. Cela sent la mort, le Moyen Âge, Venise, en noir, les spectres routiers et les tombeaux.- Grand Béguinage; carillons. Quelques monuments. Une œuvre attribuée à Michel-Ange. Cependant Bruges s’en va, elle aussi.“ (vgl. 952- 953) Diese knapp evozierte morbide Atmosphäre wird Georges Rodenbach in seinem Kurzroman Bruges-la-Morte (1892) später intensiv ausgestalten. Ein weiteres Beispiel: In der Hafenstadt Antwerpen („A Anvers, on respire, enfin! “; 950) spürt der Flaneur Baudelaire der vitalen Poesie Flanderns nach: „Musique de foire à côté des navires. Heureux hasard.“ (950). Indes gebiert, wie Baudelaire sehr wohl weiß, der Schlaf der (künstlerischen) Vernunft bekanntlich auch Ungeheuer und Ungeheures, so eine Trompe l’œil- Grabskulptur („Un squelette blanc se penchant hors d’une tombe de marbre noir suspendu au mur“; 945), oder ein groteskes, nachtmahr-ähnliches Geschöpf, die in einen gesuchten Vergleich gepackte Verkörperung des Belgiers an sich: „Un hyperboréen, un gnome sans paupière, sans prunelle et sans front, et qui sonne le creux, comme un tombeau vide, quand une arme le frappe.“ (954). Wie die Tableaux parisiens mit ihren Szenerien „où le spectre en plein jour raccroche le passant“ (Les Sept Vieillards; Baudelaire: 1975, 87) lassen diese Einschübe durch die mehr oder minder tiefen Risse der Wirklichkeit blicken. Baudelaires Behauptung „On n’a jamais connu de race si baroque / Que ces Belges.“ (Amœnitates Belgicæ, Les Belges et la Lune; Baudelaire: 1976, 968) versieht, bevor das Gedicht im gehässigen Schlussbild der mondsüchtigen Säufer kulminiert, die Belgier mit dem Adjektiv „barock“ 5 und greift damit Heinrich Wölfflin in gewisser Weise vor, dessen 1888 geprägter kunsthistorischer Barockbegriff die umgangssprachliche Semantik 5 Das Dictionnaire de l’Académie von 1835 erläutert das Adjektiv „baroque“ so: „Irrégulier, bizarre, étrange. Il se dit Des [sic] choses physiques et des choses morales. […] Cet homme a une figure baroque. Avoir des goûts baroques. Un esprit baroque. Expression baroque. En jouaillerie, perles baroques: Perles qui ne sont pas bien rondes, et qui, à cause de ce défaut, sont moins estimées.“ (Hervorhebungen DA, Vol. 1, 160) Thomas Amos / Christian Grünnagel 4 des Wortes als „merkwürdig, exzentrisch“ durchaus einschließt. 6 Baudelaires im heutigen kunsthistorischen Sinne unpräzise Semantik lässt sich im Selbstverständnis der Franzosen nun allerdings nicht auf das trotz gewisser Spannungen letztlich harmonische Barock unter Ludwig XIV. beziehen, das üblicherweise in Frankreich als modellbildendes, klassisches Zeitalter aufgefasst wird, sondern auf die vorausgegangene manieristische Epoche. Die hier bei der Bezeichnung der Belgier und ihres Landes erkennbare semantische Offenheit ist Ausdruck einer gewissen Ratlosigkeit. In einem „Epilogue“ bestätigt sich Baudelaires eigentümliches Verhältnis zu Belgien, seine ambivalente Wahrnehmung, welche die emotionale Zerrissenheit der europäischen Romantik immer noch verinnerlicht hat, wenn er lapidar fragt: „La Belgique est un monstre. Qui veut l’adopter? “ (953) Hier das (kindliche) Monstrum, bevorzugte Un-Gestalt und (durch das ihm eigene suggestive Potenzial) Meta-Persona des Manierismus, dort die schlafende Hässliche, sich schön Wähnende namens Belgica: Baudelaire findet - paradoxerweise - höchst eindrückliche Bilder für ein Land, das er zu verachten vorgibt. 7 Im Sinne Sigmund Freuds (Das Unheimliche, 1919) ist Belgien Baudelaire unheimlich, „denn dies Unheimliche ist wirklich nichts Neues oder Fremdes, sondern etwas dem Seelenleben von alters her Vertrautes, das ihm nur durch den Prozeß der Verdrängung entfremdet worden ist.“ (Freud: 1970, 264). Das schlafende, das träumende Belgien - dem rationalistischen, technizistischen und hochindustrialisierten Frankreich des Second Empire könnte 6 „Dagegen stellen sich als Merkmale bei den Kunstschriftstellern jetzt [das heißt: spätes 16. und frühes 17. Jahrhundert] einige Begriffe ein, die man früher nicht gekannt hatte: capriccioso, bizzaro, stravagante u.a. Man empfand mit Wohlgefallen das Eigenthümliche, was über die Regel hinausging. Der Reiz des Formlosen beginnt zu wirken […] Die Unterscheidung von baroque und bizarre ist uns nicht geläufig; vielleicht empfinden wir eher den zweiten Ausdruck als den schärferen. Als kunsthistorischer Name hat das Wort [barock] den Nachgeschmack des Lächerlichen verloren; der gemeine Sprachgebrauch dagegen bedient sich desselben noch immer zur Bezeichnung eines Widersinnigen und Ungeheuerlichen.-” (Hervorhebungen HW; 8 1986, 21f.) Wölfflin gelingt es davon ausgehend, die lange Zeit (ab)wertende Antithese von ‚Klassik‘ und ‚Barock‘ in (weitgehend) wertfreie Kunstgeschichtliche Grundbegriffe (Wölfflin: 4 1920) zu überführen, die erstmals eine Annäherung an ‚barocke‘ oder ‚bizarr-extravagante‘ Kunstformen ermöglichten und nicht sofort das vermeintlich Minderwertige des Barock behaupteten. Zu einer neuen Lektüre des Grand Siècle/ Siglo de Oro in Frankreich und Spanien vor der Folie des Barockbegriffs vgl. Grünnagel (2010), zu Manierismus in der französischsprachigen belgischen Literatur des 20. Jahrhunderts am Beispiel Jean Rays vgl. Amos (2006). 7 Michel de Ghelderode wird in Le Jardin malade (Sortilèges, 1941; entstanden zwischen Februar 1939 und April 1940) auch die leicht durchschaubare Allegorie der Kind-Figur als historische Situation des unmitelbaren Praebellum aufstellen, wenn er schildert, wie die dämonische Katze Tétanos und der Hund Mylord um das kranke Kind Oda, eine Personifikation des zeitgenössischen Belgien, kämpfen. Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien 5 kaum ein stärkerer Kontrast gegenübergestellt sein. Letztlich gehört also das in Le Rêve belge evozierte Belgien als kuriose Ausnahme zu all jenen stilisierten, geografisch ansonsten meist auf der tropischen Südhalbkugel verorteten Gegen-Modellen einer als ungenügend empfundenen Wirklichkeit, denen Baudelaires Sehnsucht gilt. Allerdings, und auch dies scheint bezeichnend, bleiben die beiden komprimierten Verse von Le Rêve belge änigmatischer als es beispielsweise die Versfassung des in den Niederlanden angesiedelten Gedichtes L’Invitation au Voyage mit seiner spätromantisch-symbolistischen Sprach- und Stimmungsmagie ist. 8 Baudelaire entwirft somit in Pauvre Belgique! eine ästhetisch-künstlerische Utopie mit einkalkulierten Dissonanzen und deutlich zutage tretenden Brüchen, eine Utopie, die aus ihrer, dem Dichter oft lächerlich-bizarr wirkenden Umgebung ex negativo entsteht. Indem er gerade bei der Thematisierung selbstreferenziell-programmatischer Aspekte, die seine Évasion-Gedichte stets enthalten, in Le Rêve belge der manieristischen Form des Concetto den Vorzug gibt, treten die epochensynthetischen, Frühbarock bzw. Manierismus bewusst integrierenden Züge seiner poetologischen Konzeption hervor. Deren wesentliches Ziel ist die durch Verfahren der Überhöhung, Verfremdung und Verklärung bewerkstelligte Infragestellung und in letzter Konsequenz auch Überwindung der Realität; ihre Mittel sind vielfältig: „Il faut être toujours ivre“ (Enivrez-vous; Le Spleen de Paris; Baudelaire: 1975, 337) sieht zum Beispiel im Rausch den Idealzustand der menschlichen und schöpferischen Existenz. Der Dichter, der sich selbst in Abwandlung von Heinrich Heines Diktum („In der Kunst bin ich Supernaturalist.“ Lutetia, 1831; Heine: 1980, 25), als künstlerischer „surnaturaliste“ (Salon de 1846; Baudelaire: 1976, 432) bezeichnet, antizipiert mit der träumenden Belgica den Surrealismus, wie übrigens auch das für die spätere Gruppe um André Breton so zentrale Unbewusste in Pauvre Belgique! eine bedeutende Rolle spielt, sei es unter produktionsästhetischen Gesichtspunkten als ein wichtiger, im spontan entstandenen Notat Baudelaires manifester Faktor, oder, bei den amimetischen Passagen, als gezielt anzusprechende und zu aktivierende psychische Kraft des Rezipienten. Komprimiert finden sich diese zwei surrealistischen Grundprinzipien in einem der Wortspiele, wie sie die Surrealisten später lieben sollten: dem auch in Le Rêve belge eingesetzten mot-valise. Das Verb „dormir“, von Baudelaire mit Belgien verbunden („Elle dort.“), enthält - verborgen und sichtbar: manieristisches Paradoxon - das Gold („or“) einer höheren, poetischen und poetologischen Realität. 8 Verswie Prosafassung des Gedichtes L’Invitation au Voyage beschwören eine Hafenstadt herauf, die sich sowohl in den Niederlanden als auch in Flandern befinden kann und dort Antwerpen wäre. Der flämische, gerade nicht frankophone Landesteil stünde dann für die von Baudelaire positiv wahrgenommenen evasiven Seiten Belgiens. Thomas Amos / Christian Grünnagel 6 Bruxelles surréaliste: Versuch einer Begriffsbestimmung Bezeichnet Baudelaire in Pauvre Belgique! die Belgier allgemein, ihre Lebensführung und -Einstellung, als barock - das heißt hier: bizarr, grotesk und spannungsreich, mit einer prinzipiellen Neigung zum Unwirklichen -, so konstatiert er zu Recht ein seit der Entstehung des belgischen Staates bestehendes und unvermindert bis in die Gegenwart andauerndes Phänomen, das sich reziprok auf dem Gebiet der belgischen Literatur und Kunst in einer bemerkenswert starken Affinität zum Irrealen, Phantastischen und Amimetischen manifestiert. Hierin erweist sich Belgien als ganz singulär, Vergleichbares trifft auf kein anderes europäisches Land zu. Stark unwirkliche Züge trägt bereits der unmittelbare Anlass zur Staatsgründung am 25. August 1830, die sich schwerlich eindrücklicher imaginieren ließe: Während der Aufführung der Oper La Muette de Portici springt der später zur Revolution, dann zur Unabhängigkeit Belgiens führende Funke auf die Zuschauer über und veranlasst sie, unter den Rufen „Aux armes! “ aus dem Brüsseler Théâtre de la Monnaie auf die Straße zu stürzen. 9 Die hier auf höchst theatralische, sozusagen interaktive Weise erfolgte Stimulation des Lebens durch die Kunst, wie sie der romantischen Emphase eignet, wird sich samt dem dazugehörigen, sehr speziellen Verhältnis gegenüber der Realität zu einem wichtigen Charakteristikum Belgiens entwickeln. Das Königreich Belgien kann jedenfalls seine Herkunft aus der europäischen Romantik, deren exzentrischstes Kind es ist, niemals verleugnen. Da uns eine terminologische Zuspitzung nicht allein um suggestiver Eingängigkeit willen förderlich erschien, sondern weil sie dem Wesen des Gegenstandes insgesamt entgegenkommt, bringen wir die für Belgien geltende amimetische Konstante, ein trans-temporales Phänomen, auf die komprimierte, in den Titel des vorliegenden Bandes gestellte, ausdrücklich metonymisch intendierte Formel eines „Bruxelles surréaliste“. Der Name der belgischen Hauptstadt, zugleich kulturelles Zentrum des frankophonen Landes, ist hier mit Bedacht eingesetzt. Dennoch beinhaltet die Entscheidung für die französische Version des Stadtnamens keineswegs eine Abgrenzung gegenüber dem Flämischen, verbinden sich doch gerade in Brüssel auf höchst fruchtbare Weise die zwei großen, mitunter rigid separierten Landesteile, die Wallonie und Flandern, und bilden ein drittes, komplexes und mitunter in seinen architektonischen und städtebaulichen Details unwirklich schillerndes Stadt-Gebilde; ebenso findet an diesem europaweit einzigartigen transnationalen Kreuzungs- und Schnittpunkt seit Mitte des 19. Jahrhunderts gezielt die Annäherung zwischen der (lange dominierenden) französischen (vorgeblichen Hoch-) Kultur und der flämischen (Popu- 9 Ansonsten übt sich die proto-belgische Literatur allerdings in prä-revolutionärer Zurückhaltung; M. Quaghebeur bemerkt lapidar: „[…] de grands textes ne préparent ni n’appellent notre indépendance.“ (Quaghebeur: 1998, 28) Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien 7 lär-)Kultur statt. Dass sich unser Band mit dem frankophonen Belgien beschäftigt und die belgische Literatur niederländischer Sprache ausklammert, sei nicht ohne Bedauern vermerkt; der Grund hierfür liegt in der fachlichen Ausrichtung (und Kompetenz) der Herausgeber, die sich als Romanisten und Komparatisten und nicht als Niederlandisten verstehen. Wünschenswert wäre es ohne Frage, wenn weitere Forschung dieses Desiderat beheben und eine angezeigte gesamt-belgische Betrachtung wagen würde, denn bei jeder wissenschaftlichen Beschäftigung mit Belgien gilt: Bruxelles und Brussel unterscheiden sich lediglich durch ihre Aussprache. Ohnehin ist der von der Hauptstadt Brüssel und ihrer kulturellen Infrastruktur wesentlich ausgehende, gleich noch zu präzisierende belgische „Surrealismus“ nicht nur eine intra-belgische Konstante bzw. Gemeinsamkeit, sondern bezieht andere europäische Länder ausdrücklich mit ein. Als Teil des frankophonen Kulturraumes innerhalb Europas hat Belgien naturgemäß eine besondere Beziehung zu Frankreich, das ständige Referenzgröße bleibt; gleiches gilt für Flandern in Hinblick auf die Niederlande, aber auch auf Deutschland und England. Hierbei handelt es sich nicht allein um die für flächenmäßig kleine Länder übliche starke Orientierung nach außen, sondern um ein synthetisierendes Prinzip, das bei der Schaffung einer Nationalliteratur andere Literaturen einbezieht, mithin gezielt in Richtung einer trans-nationalen Literatur ausgreift; Brüssels Rolle und Selbstverständnis als informelle „Hauptstadt Europas“ seit den späten 1950er Jahren dürfte ebenfalls dazu beitragen. Mit „Bruxelles“, darin Brussel, Brüssel und Brussels mitklingen sollen, steht also ein denkbar weiter Raum bereit, der, über seine geografischen Grenzen hinauswachsend, eine Vielzahl von politischen, historischen und literarisch-künstlerischen Dimensionen eröffnet, die ihrerseits unentwegt weitere Räume integrieren und neue Räume generieren, aus deren Zusammenschluss das Labyrinth, die möglicherweise archetypischste Form der amimetischen Literatur erwächst. Folglich meint „Bruxelles surréaliste“ längst nicht allein das bloße Territorium der Hauptstadt: Bruxelles, französische und flämische Stadt, ist symbolhaft Synonym eines Belgien, das sich hier in einem ihm gemäßen, einem amimetischen, eben „surrealistischen“ Konzept vereint. Schließlich soll die Fügung „Bruxelles surréaliste“ mittelbar (und nicht ohne Selbstbewusstsein) das traditionelle Spannungsverhältnis zwischen den beiden großen frankophonen Hauptstädten Paris und Brüssel signalisieren, deren kultureller Austausch in der Vergangenheit zwar stets rege und ergiebig war, sich aber dadurch kennzeichnete, dass wie selbstverständlich stets Paris den dominierenden Part übernahm. Mithin enthält „Bruxelles surréaliste“ indirekt auch ein Plädoyer für eine verstärkte Hinwendung zum frankophonen Teil Belgiens, zu seiner Kunst und Kultur, die, wie eingangs bereits angemerkt, trotz überaus beachtlicher Leistungen im Ausland immer noch wenig Beachtung finden. Thomas Amos / Christian Grünnagel 8 Der zwar geografisch präzis bestimmte, doch, wie wir dargelegt haben, in Wirklichkeit multi-dimensionale Raum namens „Bruxelles“ findet nun dahingehend seine Erweiterung und Ergänzung, dass ein Epitheton, „surréaliste“, viele der für den Stadt-Raum Bruxelles geltenden Prämissen relativiert, zurücknimmt oder wenigstens ein gleichsam dialektisches Verhältnis unter den beiden Teilen der Formel bewirkt. Im spatio-temporalen Koordinatensystem der Realität lässt sich dieses „Bruxelles surréaliste“ allerdings nicht fixieren, ja konventionelle Termini und Schemata scheinen hier zu versagen. 10 Unter dem Adjektiv „surréaliste“ subsumieren wir davon ausgehend mit bewusst synthetischem Ansatz drei unterschiedliche, definitorisch bzw. in der Sache teilweise umstrittene literarbzw. kunsthistorische Termini: den historischen Surrealismus im Belgien und Frankreich von den 1920er bis in die späten 1940er Jahre und teilweise darüber hinaus; die epochenübergreifende Phantastik samt benachbarter Genres; den ebenfalls überzeitlichen Manierismus. Gemeinsam ist allen drei Begriffen ein nachdrücklicher amimetischer, gelegentlich auch anti-mimetischer Impetus, den wir mit Baudelaire als für die belgische Kultur typisch erachten. Die Entscheidung fiel zugunsten des Adjektivs „surréaliste“, da der Surrealismus die seinem Anspruch nach totalste unter den Klassischen Avantgarden und auch die für den weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts folgenreichste und beständigste ist, wurden doch surrealistische Verfahren oder Prinzipien längst von der postmodernen Kultur vereinnahmt, was beispielsweise die zitathafte Verwendung von René Magrittes Traum-Bildern in Werbung und Populärkultur aufs Schönste belegt. Unter „surreal“ begreifen wir zunächst dem Literalsinn des Wortes nach den über die Realität und ihre vorgeblichen Beschränkungen hinausreichenden Gestus. Nachdem Guillaume Apollinaire sein Stück Les Mamelles de Tirésias (1917) mit dem Untertitel eines „drame surréaliste“ versehen und das Adjektiv im Vorwort noch recht unbestimmt angedeutet, im Prolog dann präziser ausgeführt hat (vgl. Apollinaire: 1959, 865-882), ist ein griffiger Ausdruck gefunden, den nach dem Ersten Weltkrieg André Breton, Louis Aragon und Philippe Soupault übernehmen. Für den sich nun bildenden Pariser Surrealismus steht die Überschreitung unterschiedlichster Grenzen und Beschränkungen, seien sie physischer oder psychischer, ästhetischer und dichtungstheoretischer Art, als basales Charakteristikum im Vordergrund. Das zweifache Primat des Ludischen und des Unbewussten, die Hinwendung zum Traum, das Intoxikationsmotiv, die ästhetische Kategorie des Grotesken, der Schwarze Humor und sexuelle Devianz/ Perversion tre- 10 „Bruxelles surréaliste“ ähnelt hierin dem von Edgar Allan Poe in seinem Gedicht Dream-Land (1844) mit der berühmten Fügung „Out of S PACE - out of T IME .“ (Hervorhebungen EAP; Poe: 1938: 968) bezeichneten Reich, das zu einem Synonym für ein imaginäres Land wurde. Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien 9 ten, um nur die wichtigsten Kennzeichen des surrealistischen Mouvement zu nennen, flankierend hinzu. André Bretons notorische, schon im ersten Manifeste du Surréalisme (1924) postierte Definition akzentuiert bei einer Ausschaltung des Verstandes einseitig das Unbewusste und deutet ein subversives Potenzial an: S URRÉALISME , n. m. Automatisme psychique pur par lequel on se propose d’exprimer, soit verbalement, soit par écrit, soit de toute autre manière, le fonctionnement réel de la pensée. Dictée de la pensée, en l’absence de tout contrôle exercé par la raison, en dehors de toute préoccupation esthétique ou morale. (Breton: 1988, 328) Noch deutlicher formuliert René Magritte 1938 in einem Vortrag das Wesen des Surrealismus: Enfin, le Surréalisme, qui apporte à l’humanité une méthode et une orientation de l’esprit propres à poursuivre des investigations dans les domaines que l’on a voulu ignorer ou mépriser et qui cependant intéressent directement l’homme. Le Surréalisme revendique pour la vie éveillée une liberté semblable à celle que nous avons en rêvant. (Magritte: 1994, 40) Diese Definition, die im Vergleich zu Breton stärker die dem Surrealismus innewohnende (künstlerische) Freiheit und Freizügigkeit hervorhebt, postuliert - und das trifft auf den belgischen Surrealismus im eigentlichen Sinne wie auf „Bruxelles surréaliste“ zu - die Vermischung von Realität und Traum. Entsprechend sieht Magritte im Alltag, in seinen Konventionen und Zwängen, einen (kontrastiven) Ausgangspunkt, der auf seinen penibel realistisch gemalten Bildern überwunden wird: Cette liberté, l’esprit la possède en puissance et pratiquement il suffit que de nouveaux techniciens s’attachent à réduire quelque complexe - celui du ridicule peut-être - et recherchent quelles légères modifications il faudrait apporter dans nos habitudes pour que cette faculté que nous avons de ne regarder que ce que nous choisissons de voir, devienne la faculté de découvrir immédiatement les objets de nos désirs. L’expérience quotidienne, empêtrée qu’elle est dans les morales religieuses, civiles ou militaires, réalise déjà dans une certaine mesure ces possibilités. (40) Aus Magrittes Sicht unterliegt das Leben in Belgien strengen Moralvorstellungen, vornehmlich religiöser Art, was Breton im laizistischen Frankreich der Dritten Republik naturgemäß als weniger bedrängend wahrnimmt. Die durch die surrealistischen Verfahren virtuos inszenierten Brüche in Magrittes Werk sind Versuche, die belgische Realität, wenn nicht zu verändern, so doch abzumildern und erträglicher zu machen. Nebenbei demonstriert Magrittes wie extemporiert wirkende Definition auch, dass, entgegen allgemeiner Auffassung, durchaus Unterschiede, feinerer Art zumeist, zwischen dem belgischen und dem französischen Surrealismus bestehen. Da letzterer unter den übrigen europäischen Surrealismen eine eindeutige Vor- Thomas Amos / Christian Grünnagel 10 rangstellung einnimmt, ist „Bruxelles surréaliste“ auch angetan, die (außerhalb Belgiens weitgehend unbekannte) belgische Fraktion der Bewegung aufzurufen, die 1924 von Paul Nougé, Camille Goemans und Marcel Lecomte gegründete Groupe de Bruxelles. Der 1926 beigetretene Magritte und Paul Delvaux vertreten in der Nachfolge von James Ensor diesen „belgischen Surrealismus“ überaus prominent auf dem Gebiet der Bildenden Kunst. 11 Eine Alternative hätte der Begriff des „Phantastischen“ geboten - „Bruxelles fantastique“. Tzvetan Todorov hat mit seiner Introduction à la littérature fantastique (1970) eine valide Definition vorgelegt, welche die dem Phantastischen benachbarten Kategorien des Unheimlichen („l’étrange“) und des Wunderbaren („le merveilleux“) ebenfalls berücksichtigt (vgl. 28-45). Das Kriterium des Zögerns („hésitation“), das der zwischen zwei Erklärungsmöglichkeiten, der Anerkennung bzw. der Verneinung des erzählten übernatürlich-numinosen Ereignisses schwankende Leser erlebt, offeriert eine Art Lackmustest, um das Phantastische von anderen Genres zu unterscheiden (vgl. 36). Allerdings durchzieht das Phantastische im Todorov’schen strengen Sinne wie auch in originären, selbstreferenziellen Ausformungen die belgische Literatur französischer (und niederländischer) Sprache und zeitigte teilweise außerordentlich bedeutende Werke, so dass die Phantastik, die im Unterschied zum Surrealismus längst noch keine vollständige Nobilitierung von literaturwissenschaftlicher Seite erfahren hat und üblicherweise der Para- oder gar der Trivialliteratur zugeschlagen wird, gemeinsam mit den Literaturen des Unheimlichen und des Wunderbaren unbestreitbar ein wichtiges Teilgebiet innerhalb des „Bruxelles surréaliste“ bildet. Da der Surrealismus mit der ihm eigenen terminologischen Sorglosigkeit diese drei Kategorien integriert und amalgamiert, wirkt er bei einem ohnehin größeren inhaltlichen und formalen Spektrum als Ober- und Sammelbegriff geeigneter, um die amimetische Literatur und Kunst Belgiens auf den Begriff zu bringen. Nichtsdestoweniger ist der Surrealismus auch eine dezidiert antiklassische, d.h. manieristische Kunstrichtung - „Bruxelles maniériste“. Gustav René Hockes proto-strukturalistische kunsthistorische Abhandlung Die Welt als Labyrinth (1957) und der Nachfolgeband Manierismus in der Literatur (1959) begreifen in der Nachfolge von Ernst Robert Curtius 12 die Kulturge- 11 Bezeichnenderweise kommen die bedeutenden Künstler der Pariser Gruppe um Breton, Dalí und Max Ernst, aus Spanien bzw. Deutschland. 12 Ernst Robert Curtius schlägt in Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter vor, dass das Wort „Manierismus“ „nur noch den Generalnenner für alle literarischen Tendenzen bezeichnet, die der Klassik entgegengesetzt sind, mögen sie vorklassisch oder nachklassisch oder mit irgendeiner Klassik gleichzeitig sein. Es ist die Komplementär- Erscheinung zur Klassik aller Epochen.“ (Curtius: 11 1993, 277) Den Begriff „Barock“ weist er für anti-klassische Strömungen hingegen zurück („Mit diesem Wort ist aber so Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien 11 schichte der Menschheit als Aufeinanderfolge von klassischen und manieristischen Epochen. Für die Neuzeit sind dies manieristische Perioden: die im eigentlichen Sinne manieristische Epoche von 1520 bis 1650, die Romantik von 1800 bis 1830 und schließlich die von den anti-naturalistischen Literaturen unter Führung von Symbolismus und Surrealismus geprägte Zeit von 1880 bis etwa 1950 (vgl. Hocke: 1957, 225). Laut dieser Periodisierung gilt, abgesehen von einer Sammlungs- und Konsolidierungsphase zwischen 1830 und etwa 1880, das alternierende Prinzip für Belgien ausdrücklich nicht, dort herrscht, pointiert gesagt, bereits über einhundertfünfzig Jahre ein Manierismus in Permanenz. Insgesamt kennzeichne der Begriff, so Hocke, eine bestimmte „Ausdrucksgebärde der Menschheit“ (226), was sich in einer Vorliebe für un- und anti-klassische, stets amimetische künstlerische Verfahren äußere und im Gegenzug zweierlei bewirke: ein gebrochenes Verhältnis zur Religion wie zum Numinosen überhaupt und die vehemente Ablehnung der empirischen Wirklichkeit. Wir postulieren: Derartige Bestrebungen finden sich durchgängig in der amimetischen belgischen Literatur französischer Sprache. Die Präferenz der belgischen Literatur französischer Sprache für das Amimetische beginnt im 19. Jahrhundert und findet nach dem Symbolismus, darin Belgien eine überaus prominente Rolle spielt, im 20. Jahrhundert einen weiteren, doppelten Kulminationspunkt im belgischen Surrealismus und der etwa zeitgleich mit der in den 1920er Jahren aufkommenden sogenannten École belge de l’étrange, einer dem Phantastischen und Unheimlichen verschriebenen Strömung unter der Autoren-Trias Jean Ray, Michel de Ghelderode und Thomas Owen. 13 Zur Erklärung einzelner Teilbereiche dieses Kontinuums wurden eine psychische Disposition der Belgier oder gewisse landschaftliche und klimatische Gegebenheiten in Betracht gezogen, was auf These hinausläuft, dass Belgien nicht dem romanischen, sondern dem nordeuropäisch-germanischem Kulturraum angehöre, der dem Numinosen stärker zuneige. Der Ursprung dieser von der Romantik inspirierten Volksgeist- und Klimathese dürfte bis auf Mme de Staëls wirkungsmächtiges De l’Allemagne (1813) zurückreichen: „[…] les revenants et les sorciers plaisent au peuple comme aux hommes éclairés: c’est un reste de la mythologie du Nord; c’est une disposition qu’inspirent assez naturellement les longues nuits des climats septentrionaux […]“ (1967: 237) bzw. „La croyance aux mauvais esprits se retrouve dans un grand nombre de poésies allemandes; la nature du Nord s’accorde bien avec cette terreur […].“ (366) viel Verwirrung angerichtet worden, daß man es besser ausschaltete“; 277). Durchgesetzt hat sich seine Terminologie freilich auch nicht. Vgl. zur Begriffsverwirrung, die vom ‚Barock‘ bis in die Gegenwart ausgeht, ohne dass man unbedingt größere Klarheit vom ‚Manierismus‘ erwarten dürfte Grünnagel: 2010, 1-17. 13 Vgl. infra Thomas Amos: „Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen Literatur Belgiens französischer Sprache“, S. 16-39. Thomas Amos / Christian Grünnagel 12 Ähnlich gebraucht Hocke den Ausdruck „Manierismus“ auch in einem produktionsästhetischen bzw. soziologischen Sinne, um „ein bestimmtes ,problematisches‘ Verhältnis zur Welt zu kennzeichnen, um die entsprechende Ausdrucksgebärde des aus mannigfachen psychologischen und soziologischen Gründen ,problematischen‘ Menschen zu deuten.“ (Hocke: 1957, 226) Plausibler als der trivialpsychologisch wirkende Rückgriff auf einen vermeintlichen „Nationalcharakter“ scheint jedoch die auch von René Magritte geteilte Ansicht, dass das Phantastische eine Reaktion auf die Überschaubarkeit Belgiens und die Monotonie des Alltags sei, mithin Kompensation, Protest und Eskapismus darstelle (vgl. Magritte: 1994, 39f. u. Baronian: 1978, 242-245). Dem Phantastischen förderlich bzw. dazu in einem spannungsvollen Verhältnis stehend, dürfte ebenfalls der den Aberglauben begünstigende Katholizismus in Belgien sein. Diesen aus unterschiedlichen Quellen gespeisten amimetischen Strömungen in der belgischen Literatur (französischer Sprache) nachzuforschen, hat sich der vorliegende Band „Bruxelles surréaliste“ zur Aufgabe gestellt. * Den Ausgangspunkt dieses Bandes bildete die Sektion „Bruxelles surréaliste. Topographies d’une cité“, die wir im Jahre 2010 auf dem 7. Kongress des Franko-Romanisten-Verbandes an der Universität Duisburg-Essen veranstalteten. Im Ankündigungstext im Programmheft des Kongresses führten wir unser Thema wie folgt aus: Étant donné qu’une tendance fondamentale au surréel est inhérente à la ville de Bruxelles, et, somme toute, à la littérature belge d’expression française, le groupe de travail interdisciplinaire traite de multiples manifestations du surrélisme dans la Belgique du XX e siècle. […] Bruxelles reste le point de répère géographique qui connaît une thématisation et des transformations incessantes aussi bien dans la littérature que dans les arts: c’est là que culmine la constante surréaliste, qu’une métropole se change en cosmos surréaliste. (Bauer-Funke u.a.: 2010, 233) Für den Tagungsband, der, über die Sektion hinausgewachsen, längst keiner mehr ist, haben wir die im Sektionstitel noch sichtbare explizierte Zentrierung auf den Raum, den Leitbegriff des Kongresses, getilgt. Natürlich kommt dennoch weiterhin dem Raum in allen Beiträgen eine wichtige Bedeutung zu, konstituiert sich doch ein derart zwischen Ländern, Kultur- und Sprachräumen liegendes Land wie Belgien erst durch den Raum. Ziel dieser Sektion war es jedoch mittelbar auch, bei der romanistischen Öffentlichkeit Interesse für das frankophone Belgien zu wecken, das in einem Maße ignoriert wird, wie es ansonsten in Westeuropa einzig auf die Niederlande zuzutreffen scheint. Bruxelles surréaliste soll einen gewissen Pioniercharakter haben und, über den Kongress hinaus, der Romanistik Impulse geben. Dass dies mit Erfolg gelungen ist, zeigte sich nicht allein an der internationalen Besetzung der Sektion, die Teilnehmer und Teilnehme- Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien 13 rinnen aus verschiedenen europäischen Ländern versammelte. In persönlichen Gesprächen bestätigten uns zahlreiche Kollegen ausdrücklich das für die deutschsprachige Romanistik immer noch geltende Desiderat einer Beschäftigung mit den literatur-, sprach- oder kulturwissenschaftlichen Spezifika des frankophonen Belgiens. Intensiv diskutierte man die sich in diesem Zusammenhang geradezu aufdrängende Frage, weshalb Belgien als Forschungsgegenstand im Ausland so wenig Anklang findet, da hier doch für die Romanistik und die Vergleichende Literaturwissenschaft gleichermaßen ein unstreitig ergiebiges Forschungsgebiet bereitsteht. Über die Gründe hierfür lassen sich indes, das zeichnete sich klar ab, nur Mutmaßungen anstellen. Die wiederholt geäußerte, zugegebenermaßen naheliegende Annahme, dass die Vielfalt und die Bedeutung der Literatur Frankreichs den Nachbarn im Norden schlichtweg überstrahlen, scheint kaum haltbar angesichts der bereits seit geraumer Zeit zu beobachtenden Hinwendung zu kleineren National- und Regionalliteraturen innerhalb der Romania, mag aber dennoch eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Eine andere, von verschiedener Seite vertretene These besagt, dass die zweifelsohne zögerliche Selbstdarstellung der Belgier nach außen aus der geografischen Zwischen- Stellung des Landes resultiere, die sich in Belgien zusätzlich in den beiden Landesteilen spiegele: Eine nationale Identität im eigentlichen Sinne gebe es folglich nicht, der Belgier verstehe sich entweder als Flame oder als Wallone. 14 Führte man diese These konsequent weiter, wäre Belgien selbst ein amimetisches Artefakt, gleichsam Simulakrum einer Nation - so weit wollen wir indes nicht gehen. Vielmehr begreifen wir mit „Bruxelles surréaliste“ Belgien als kulturellen Raum, der stets imaginäre Räume hervorbrachte und darin agiert, diese Räume unentwegt neu gestaltend. Nimmt man Postulat und Praxis der amimetischen Darstellung als Zeichen künstlerischer Modernität, darf Belgien als absolut modern gelten. Amos, Thomas (2006): Architectura cimmeria. Manie und Manier phantastischer Architektur in Jean Rays Malpertuis. Heidelberg. Apollinaire, Guillaume (1959): Œuvres poétiques. Préfacé par André Billy. Texte établi et annoté par Marcel Adéma et Michel Décaudien. Paris. Baronian, Jean-Baptiste (1978): Panorama de la littérature francophone de langue française. Paris. 14 Dies ist eine redensartlich gewordene Formulierung des wallonischen Schriftstellers und Politikers Jules Destrée, der bereits 1912 in einem in mehreren belgischen Zeitungen publizierten offenen Brief an Albert I. die Unvereinbarkeit der beiden Landesteile folgendermaßen ausdrückte: „Vous regnez sur deux peuples. Il y a en Belgique, des Wallons et des Flamands; il n’a y pas de Belges.“ (Destrée: 1963, 8) Thomas Amos / Christian Grünnagel 14 Baudelaire, Charles (1961): Les Fleurs du mal. Les Épaves - Bribes - Poèmes divers - Amœnitates Belgicæ. Introduction, relevé de variantes et notes par Antoine Adam. Paris. — (1975): Œuvres complètes I. Texte établi, présenté et annoté par Claude Pichois. Paris.. — (1976): Œuvres complètes II. Texte établi, présenté et annoté par Claude Pichois . Paris. Bauer-Funke Cerstin u.a. (2010): Stadt Kultur Raum. 7. Kongress des Franko- Romanisten-Verbandes. 29. 9. bis 2. 10. 2010 in Essen. Essen. Breton, André (1988): Œuvres complètes I. Édition etablie par Maguerite Bonnet avec, pour ce volume, la collaboration de Philippe Bernier, Étienne-Alain Hubert et José Pierre. Paris. Curtius, Ernst Robert ( 11 1993): Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Tübingen / Basel. Destrée, Jules (1963): Lettre au Roi. Gambloux. Dictionnaire de l’Académie française (1835): Deux volumes. Paris. Freud, Siegmund (1970): Psychologische Schriften. Studienausgabe, Band I V. Frankfurt am Main. Grünnagel, Christian (2010): Klassik und Barock - Pegasus und Chimäre. Französische und spanische Literatur des 17. Jahrhunderts im Dialog. Heidelberg. Hocke, Gustav René (1957): Die Welt als Labyrinth. Hamburg. Magritte, René (1994): Les mots et les images. [Bruxelles]. Pichois, Claude (1957): L’image de la Belgique dans les lettres françaises de 1830 à 1870. Paris. Poe, Edgar Allan (1938): The Complete Tales and Poems of Edgar Allan Poe, New York. Quaghebeur, Marc (1998): Balises pour l’histoire des lettres belges. [Bruxelles]. Richardson, Joanna (1994): Baudelaire. New York. Staël, Madame de (1967): De l’Allemagne. Chronologie et introduction par Simone Balayé. Paris. Todorov, Tzvetan (1970): Introduction à la littérature fantastique. Paris. Wölfflin, Heinrich ( 8 1986): Renaissance und Barock. Eine Untersuchung über Wesen und Entstehung des Barockstils in Italien. Basel / Stuttgart. Über-Wirklichkeiten: Konzeptionen des Amimetischen in Belgien 15 Danksagung Die Herausgeber danken für die vielfältige Hilfe, die ihnen bei der Entstehung dieses Buches zuteil wurde: Gunter Narr (Tübingen) für die Aufnahme in das Verlagsprogramm; Prof. Dr. Wolfgang Asholt (Osnabrück) für die Aufnahme in die Reihe édition lendemains; Kathrin Heyng und Karin Burger (Tübingen) für ihre geduldige wie kompetente Unterstützung; Olivier Deprez (Rogues, Frankreich) für die Cover-Illustration; Randy D. Owens (Kaiserslautern) für die Durchsicht der englischsprachigen Abstracts; Claire Maillet (Gießen) und Agnès Schachermayer (Frankfurt am Main) für die Durchsicht der französischsprachigen Aufsätze; Sabine Owens (Kaiserslautern) für tatkräftigen Rat bei allen technischen Fragen; Horst Grünnagel (Jockgrim) für seine großzügige Unterstützung. Besonderer Dank gilt Jan Baetens (Löwen) und dem Verlag Les Impressions Nouvelles (Brüssel) für die Erlaubnis, eine Auswahl seiner Gedichte abzudrucken. Thomas Amos Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens Cette évocation de la nuit et du jour me semble douée du pouvoir de nous surprendre et de nous enchanter. René Magritte Wie jeder Autor eine gewisse Tendenz besitzt, Vorläufer und Vorbilder zu benennen, so erstellt insbesondere die künstlerische Moderne gern eine mehr oder minder umfangreiche Bibliothek aus Modellautoren und kanonischen Werken. Lautréamont versucht dies ex negativo in den Poésies (1870), was Bemerkungen der Maldoror eigenen Art ergibt („Chaque fois que j’ai lu Shakespeare, il m’a semblé que je déchiquète la cervelle d’un jaguar“; 1970: 276), oder er verhöhnt die „Grandes-Têtes-Molles de notre époque“ (268), das sind: „Jean-Jacques Rousseau, le Socialiste-Grincheur; […], Georges Sand, L’Hermaphrodite-Circoncis, […], Lamartine, La Cigogne-Larmoyante, […] Musset, le Gandin-Sans-Chemise-Intellectuelle“ (268f.). Konstruktiver führt Alfred Jarry in Gestes et opinions du docteur Faustroll, pataphysicien (1897f.) die 27 Bände umfassende Handbibliothek des Protagonisten auf, die, alphabetisch geordnet, von Baudelaires Poe-Übersetzung zu Jules Vernes Voyage au centre de la terre führt (vgl. Jarry: 1972, 661); André Breton, der den Faustroll in der 1923 erschienenen, von Philippe Soupault mit einem Vorwort versehenen Ausgabe gelesen haben dürfte, zählt beginnend mit Edward Young und endend mit Raymond Roussell im ersten Manifeste du surréalisme 21 Surrealisten (teils ante litteram) auf (vgl. Breton: 1988, 329). Diesen Verzeichnissen, die bereits an sich eine gewisse Poetizität beanspruchen, antwortet der belgische Surrealist Paul Colinet 1955 in seinem kurzen Text De l’opportunité et du catalogue type d’une bibliothèque dérisoire. Dort finden sich zwanzig Positionen, eine kuriose Mischung aus bereits lädierter high brow - „Horace, de Corneille (édition fortement annotée, mais avec une dizaine de pages manquantes“; Bussy: 1972, 183) -, und stärker vertretener low brow: alte Zeitschriften, Kriminal- und Populärliteratur (Gaston Leroux, Nick Carter). 1 Dabei handelt es sich um eine exakte Paraphrasierung jener margina- 1 Der weit gefasste Literaturbegriff der Postmoderne kündigt sich an, zu dem die tiefsitzende Skepsis gegenüber jeder angeblich vorbildhaften Klassik gehört. Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 17 len, volkstümlichen und dem Zeitgeschmack zuwiderlaufenden Literatur meist anonymer Autoren, die Arthur Rimbaud in Alchimie du Verbe (Une saison en enfer, 1873) so überaus lobend erwähnt. 2 Paul Colinet versteht seinen para-literarischen Katalog als „[u]n correctif, un dérivatif, un contrepoids, un levée de’écrou, une clef des champs“ (182), d.h. als schlagkräftiges Gegenbild („bibliothèque de combat“; 182) zu pompösen Bücheranhäufungen, Bibliomanie und Buchhandel. Seine Auswahl begründet er sorgsam: Le choix des volumes s’opéra sans égard à leur valeur consacrée, à leurs cours forcé, sans tenir compte ni de la superfluité solennelle des genres, ni des digestions grandioses de la tradition, ni des laboureuses bagatelles du bon ton. Seuls présidéront à ce choix les caprices, les mystères et les sinuosités de l’idiosyncrasie abyssalle. (182) Ohne mit einem derartigen Anspruch konkurrieren zu wollen, versucht unsere Skizze etwas ähnliches. Die folgenden Ausführungen gelten der als amimetisch zu bezeichnenden Konstante der französischsprachigen Literatur Belgiens, die von der Gründung des belgischen Staates bis in die unmittelbare Gegenwart reicht. 3 Ziel dieser als Vorstufe zu einer eigenen, noch zu schreibenden Literaturgeschichte gedachten Einführung ist es, nicht lediglich eine chronologische Skizze zu entwerfen, sondern auch, den Leser zur Beschäftigung mit einer Literatur anzuregen, die deshalb zunächst fremdartig erscheinen mag, da, anders als in den englischsprachigen Ländern oder in Frankreich, amimetische Literatur in Deutschland vorschnell oft mit dem Verdikt des Banalen und des handwerklich schlecht Gearbeiteten belegt und entsprechend der Populär- oder Trivialliteratur zugeschlagen wird. Amimetische Literatur aber wirkt im Idealfall nicht vermittelnd zwischen Höhenkamm- und Paraliteratur, wie es die Belletristik mit wechselndem Erfolg tut, sondern stellt provozierend diese konventionelle Unterscheidung zur Diskussion. Höchst reizvoll wird es insbesondere sein zu verfolgen, wie das Amimetische und Irreale, das Surreale und Surrealistische im Laufe der belgischen (Literatur-)Geschichte funktionalisiert und instrumentalisiert wird - und dabei niemals aufhört, die scheinbar ignorierte oder abgelehnte Realität mittelbar aufzurufen, die, wie in einem Zerrspiegel, dann als Tragödie oder Farce wiederkehrt. Geraten, und zwar nicht allein des beschränkten Raumes wegen, erschien der Verzicht auf Vollständigkeit. Statt durch die Aufzählung sämtlicher in Frage kommender Autoren und ihrer Werke lexikalischen Anspruch zu erheben, begnügen wir uns mit einer Auswahl, die bekannte neben unbekanntere Autoren stellt und somit auch zur Revision 2 „[…] littérature démodée, latin d’église, livres érotiques sans orthographes, romans de nos aïeules, contes de fées, petits livres d’enfance, opéras vieux, refrains niais, rhythmes naïfs“ (Rimbaud: 1972, 106). 3 Vgl. ausführlich supra, S. 1-13. Thomas Amos 18 tradierter literarischer Wertungen beitragen will. Gelegentliche Textproben mögen diesen Anspruch unterstreichen. Der Entwurf, ein schillerndes Florilegium der amimetischen französischsprachigen Literatur Belgiens und Einladung zur Lektüre, vertritt mithin auch das Konzept einer Literaturgeschichte für Leser, denen man freilich auch abverlangt, Abenteurer des Geistes zu sein, geht es doch in jene terrae incognitae, die auf alten Landkarten den Zusatz ubi leones tragen. * Als Einstieg in die Welt der amimetischen französischsprachigen Literatur Belgiens, die, unter dem Primat des Visuellen stehend, in hohem Maße eine Bilder-Welt ist, was regelmäßige Ausblicke auf die Bildende Kunst belegen werden, dienen zwei Gemälde des belgischen Malers Antoine Wiertz (1806- 1865), darunter sein berühmtestes Werk La Belle Rosine (1847): Vor dunklem Grund betrachtet ein Frauenakt halb bewundernd, halb ehrfürchtig ein Skelett. Die Pointe des Bildes ist, dass der Bildtitel eben nicht die lebende Frau meint, sondern, worüber ein am Schädel befestigtes Etikett informiert, das Skelett. Wiertz präsentiert den barocken Dualismus Leben/ Tod am Beispiel des gleichsam umgekehrten Vanitas-Motivs, verfremdet ihn aber durch zwei formal auffällige Details - die disproportionalen Finger der jungen, blumenbekränzten Frau und die im Beckenknochen des Skelettes verborgene Anamorphose - ins Manieristische. Der Schauplatz, ein Maleratelier, unterstreicht die programmatisch vertretene Ästhetik der Schwarzen Romantik bzw. der Schauerromantik, die, gleichwohl hier zeitlich etwas verspätet, mit einer Lust am Makabren das vermeintlich Hässliche und Grausige voll Selbstbewusstsein zum idealen Thema der Kunst deklariert. Noch ironischer geht Wiertz in La Lectrice de romans (1853) vor, wenn er Einblick in einen Alkoven gewährt, darin eine nackt Frau geradezu verzückt in ihre Lektüre versunken ist; währenddessen legt eine kleine Teufelsgestalt weitere Bücher auf dem Bett aus, u.a. einen Roman von Alexandre Dumas. Auch bei dieser durchaus selbstreferenziell deutbaren Studie über das Verhältnis von Realität und Fiktion entgleitet Wiertz der künstlerische Realismus, wie die im Wandspiegel gezeigte Deformation des Frauenkörpers zu einem amorphen Gebilde veranschaulicht. Allerdings vermögen diese beiden virtuosen, nicht zufällig der Bildenden Kunst entnommenen Exempel nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sich eine eigene, landespezifische: belgische Literatur nach 1830 allenfalls zögerlich entwickelt, eine Literatur, die sich angesichts des damals geringen Renommees der niederländischen Sprache notwendigerweise des Französischen bedient. So versucht Adolphe Borgnet (1804-1875), Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität zu Liège, in seinen Légendes namuroises (1837) den Geist des 18. Jahrhunderts zu evozieren, wozu auch gehört, dass er vorgibt, als Herausgeber lediglich die von einem Vorfahren, Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 19 Jérôme Pimpurniaux, verfassten Texte zu publizieren. 4 (Verbunden mit der dazugehörigen sorgsam stilisierten und imaginierten fiktiven Vita, durchzieht der Gebrauch eines Pseudonyms die amimetische belgische Literatur.) Die vierzehnte légende, die auf orthodoxe Weise davon erzählt, wie der Maréchal de Tamines den Teufel überlistet, bleibt trotz mehrfacher Leseranrede und gelegentlicher ironischer Brechung letztlich dem biederen Ton des Genres verhaftet. 5 Dem Teufel, damals europaweit in Mode, gelingt es nicht, sich während seines Aufenthaltes in Belgien gegen einen jovialen, volkstümlichen Katholizismus zu behaupten, wie ihn die Titelfigur verkörpert. 6 Längst verschwunden ist die Doppelbödigkeit einer existenziell verunsicherten Romantik, das gilt ebenso für die phantastische Erzählung Cécile (1847) von Léon Wocquier (1821-1864), die das Thema der Liebe über den Tod hinaus mit einem Auftritt des deutschen Schriftstellers Justinus Kerner kombiniert. 7 Beide Texte sind ein Beleg dafür, dass die 1828 mit der Veröffentlichung der ins Französische übersetzten Werke beginnende Rezeption E. T. A. Hoffmanns zwar von Frankreich auch Belgien erreicht, aber über schwache Pastiches nicht hinausgelangt. Während 1857 im Nachbarland Frankreich Les Fleurs du mal und Madame Bovary erscheinen, zwei epochale Werke, die den Symbolismus bzw. Naturalismus der zweiten Jahrhunderthälfte entscheidend stimulieren, erscheint 1867 der „texte fondateur“ (Quaghebeur: 1998, 34) einer belgischen Nationalliteratur, der bis heute bei dem ihm zugedachten Publikum, den Belgiern, auf eine gewisse Reserviertheit stößt (vgl. 34f.) - Charles De Costers (1827- 1879) Roman La Légende et les Actions héroïques, joyeuses et glorieuses d’Ulenspiegel et de Lamme Goedzak au pays de Flandres et ailleurs, der zugleich Schelmenroman, historischer Roman und Nationalepos in spe ist. Fortwährend stellt De Coster Parallelen zwischen den in den Niederlanden ausgetragenen Religionskriegen des 16. Jahrhunderts und der eigenen Epoche her, außerdem dient sich der Protagonist Thyl - vital und dickköpfig, gewitzt und närrisch im besten Wortsinne - dem zeitgenössischen Publikum als nationale Identifikationsfigur geradezu an. Der amimetische Grundzug, den formale Charakteristika des komplex angelegten Romans (u.a. heterogene Struktur, Hybridcharakter des Romans, diverse Sprachebenen, Polyphonie) 4 E. Lysøe eröffnet mit A. Borgnet denkbar verhalten seine vierbändige Anthologie zur Phantastischen Literatur Belgiens (zu A. Borgnet vgl. Lysøe: 2003, 39-42). 5 Ein Vergleich mit Théophile Gautiers Erzählung Deux acteur pour un rôle (1841), einem exemplarischen Text der französischen Romantik, verdeutlicht die mäßige Qualität der Texte Borgnets. Während Gautier so subversiv wie virtuos Rolle und Selbstverständnis des romantischen Künstlers thematisiert, indem er den Teufel selbst den betreffenden Schauspieler ausschalten und sich kurzerhand selbst in Goethes Faust spielen lässt, zeigt Borgnet gesellschafts- und glaubenskonform den düpierten Widersacher. 6 Wenn E. Lysøe in Le Maréchal de Tamines die „mentalité des Lumières“ (2003: 40) feststellt, verkennt er komplett den orthodox-katholischen Grundtenor. 7 Zu Léon Wocquier vgl. Lysøe: 2003, 55-57. Thomas Amos 20 bereits bestätigen, findet seinen reinsten Ausdruck in einem sehr speziellen Verhältnis zur Realität, das, am ehesten als spielerisch zu definieren, fortan ein Charakteristikum der belgischen Literatur französischer wie niederländischer Sprache darstellt. Erst etwa fünfzig Jahre nach der Staatsgründung, in den 1880er Jahren, erreicht die amimetische belgische Literatur französischer Sprache ihren ersten, ganz originären Höhepunkt in einem Fin de Siècle, das sich, mit einem Ausdruck von Hubert Juin zu sprechen, mehr und mehr als Avant- Siècle geriert und den Klassischen Avantgarden den Weg bereitet (vgl. Juin: 1972, passim). Intertextueller Humus französischer Provenienz sind neben den Fleurs du mal weitere bahnbrechende kunsttheoretische Essays Baudelaires (De l’essence du rire, 1855; Les Paradis artificiels, 1860; Richard Wagner et „Tannhäuser“ à Paris, 1861) oder das 1886 von Jean Moréas verfasste Manifeste littéraire, die Programmschrift des sich formierenden Symbolismus. Im wirtschaftlich enorm prosperierenden Belgien des späten 19. Jahrhunderts findet eine avantgardistische bis experimentelle Literatur bzw. Kunst ideale sozio-kulturelle Bedingungen vor. Wie in den meisten europäischen Ländern hat sich dort auch und zumal in Brüssel, der damals elegantesten Stadt des Kontinents, neben einer gut entwickelten kulturellen Infrastruktur mit der bürgerlichen Oberschicht ein wohlhabendes wie kunstsinniges Publikum herausgebildet, das künstlerische Modernität und nationale Identität als miteinander verschränkte Einheit begreift. Dadurch findet der belgische Symbolismus, der homogener als die französische, in zahllose Untergruppen aufgesplitterte Varietät erscheint, verhältnismäßig rasch zu eigener Ausprägung, was in Frankreich aufmerksam registriert wird. Stéphane Mallarmé spricht in seinem Sonett Remémoration d’amis belges die Dichterbrüder voll Hochachtung an: „O très chers rencontrés en le jamais banal / Bruges multipliant l’aube au défunt canal / Avec la promenade éparse de maint cygne“ (Mallarmé: 1945, 60). Eine gewisse Ausrichtung auf Frankreich und die französische Literatur besteht indes weiterhin, trotz deutlich vernehmbarer emanzipatorischer Tendenzen, deren Sprachrohr ab den 1880er Jahren die avantgardistischen Zeitschriften La Jeune Belgique (1891-1897) und L’Art moderne (1881-1914) bilden. Als bezeichnend für den schwierigen Entstehungsprozess der belgischen Nationalliteratur in progress darf folgendes produktionsästhetisches Phänomen gelten: Die bedeutendsten Autoren des belgischen Symbolismus, Maurice Maeterlinck (1862-1949) oder Charles van Lerberghe (1861-1907) gehören, wovon allein die Familiennamen zeugen, dem Genter Bürgertum an bzw. wachsen in Flandern auf wie Georges Rodenbach (1855-1898), schreiben jedoch in französischer Sprache. Dieses reflexhaft anmutende Verhalten ist weniger Zugeständnis an eine Bildungskonvention und nur bedingt Indiz der tatsächlichen oder vorgeblichen poetischen Qualität der gewählten Schriftsprache, sondern Ausdruck einer gewissen Verunsiche- Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 21 rung und fehlender oder zumindest ungewisser nationaler Identität. Tatsächlich aber strebt die nur scheinbar ästhetizistisch und apolitisch operierende belgische Avantgarde um 1900 dezidiert nach eigenen künstlerischen Positionen, was gelegentlich in den Bereich der Politik führt und beispielsweise eine Gleichstellung der beiden Landesteile, der industrialisierten Wallonie und des agrarisch geprägten Flandern, impliziert. Auf künstlerischem Gebiet wird von den belgischen Symbolisten in diesem Zusammenhang dreierlei propagiert und sogleich in die Praxis umgesetzt: eine Hinwendung zum vorgeblichen Irrationalismus der deutschen Literatur und Philosophie, insbesondere zur Romantik, 8 was mittelbar eine demonstrative Abkehr vom bislang geltenden Vorbild Frankreich bedeutet, das europaweit die Aufklärung repräsentiert, die verstärkte Berücksichtigung der Lebenswirklichkeit des Volkes sowie ein zumindest zeitweiliges politisches Engagement 9 sowie der Rekurs auf populäre Kunstformen, etwa auf das Märchen oder das Volkslied als Basis einer Nationalliteratur (vgl. Paque 1989, 25-31). Dieser dichtungsinnovatorische bzw. kunst- und lebensreformatorische Anspruch des belgischen Symbolismus äußert sich - anders als in Frankreich, wo die Lyrik klar dominiert - in der Hinwendung zu sämtlichen drei literarischen Hauptgattungen und insbesondere, was beispielsweise Maeterlincks statische Dramen demonstrieren, in der bevorzugten Bildung hybrider Formen, die, selbstreferenziell lesbar, die spezifische Situation einer zwischen den Literaturen und Sprachen stehenden Literatur widerspiegeln. Nachdrückliche lebensreformatorische Bestrebungen zeigt die Architektur der Zeit. Maurice Maeterlinck (1862-1949), von der französischen Kritik emphatisch als „Shakespeare belge“ tituliert, 10 verschafft dem Drama, einer am Jahrhundertende eher gemiedenen (und dann auf die lyrische Variante reduzierten) Gattung, in der symbolistischen Ausprägung europaweit Geltung. Bereits sein Erstling, das formal noch konventionelle fünfaktige Schauspiel La Princesse Maleine (1889) enthält zahlreiche Bezüge zur Weltliteratur (u.a. zu Shakespeare, Edgar Allan Poe und den Brüdern Grimm, kaum zu den romanischen Literaturen), die nicht als Synkretismus mißzuverstehen sind, sondern in intertextuellem Sinne Hommage und Aneignung meinen. Maeterlincks hier bereits vollendet vorliegende anti-naturalistische Theaterkonzeption besticht durch ihre höchst suggestive Symbolik und eine eindrückliche, zwischen Sprechen und Schweigen changierende, hochgradig 8 Maurice Maeterlinck übersetzt 1895 Die Lehrlinge zu Sais und die Fragmente von Novalis. 9 So wendet sich Maeterlinck im April 1905 in einem Zeitungsartikel gegen die seiner Ansicht nach reaktionäre belgische Regierung; 1913 unterstützt er finanziell den Streik für ein allgemeines Wahlrecht. 10 So emphatisch begrüßt ihn der Kritiker Octave Mirbeau in seinem Artikel über La Princesse Maleine im Figaro vom 24. August 1890. Thomas Amos 22 allusive Figurenrede, wofür die notorischen, am Satzende eingesetzten Auslassungspunkte als Negation jeglicher Rhetorik stehen. Dem Anschein nach Märchenspiele, in Wirklichkeit aber großes Welttheater, verhandeln diese teils ausdrücklich für Marionetten geschriebenen Stücke (Intérieur; Alladin et Palomides; La Mort de Tintagiles, alle 1894) gewichtige existenzialphilosophische Fragen. So lässt sich der von Bildern Pieter Breughels des Älteren (Der Blindensturz, 1568) und Arnold Böcklins (Die Toteninsel, verschiedene Fassungen 1880-86) angeregte, nahezu handlungslose Einakter Les Aveugles (1890) über eine Gruppe von Blinden, die führer- und orientierungslos ihren Tod erwartet, leicht als Parabel auf das Fin de siècle deuten. Fatalismus und Nihilismus dieses dystopischen Endspiels antizipieren das Absurde Theater, was deutlich hervortritt, wenn der älteste Blinde das bei (Maeterlinck allgegenwärtige) Gefühl des Fremdseins inmitten der Gemeinschaft Blinder paraphrasiert: Nous ne nous sommes jamais vus les uns les autres. Nous nous interrogeons et nous nous répondons; nous vivons ensemble, nous sommes toujours ensemble, mais nous ne savons pas ce que nous sommes! ... Nous avons beau nous toucher des deux mains; les yeux en savent plus que les mains. (Maeterlinck: 1925, 311) Neben der Erzählung Onirologie (1889) 11 ist indes auch Maeterlincks Lyrik von Bedeutung. Während das Album de douze Chansons (1896; 1900 erweitert zu Quinze Chansons) kunstvoll den Ton des Volksliedes nachbilden, zeigen die zum Teil in freien Versen verfassten Gedichte der Sammlung Serres chaudes (1889) bemerkenswert änigmatische Bilder: „Ailleurs la lune avait fauché toute l’oasis […]“ („Attouchements“; Maeterlinck: 1980, 170), „On a l’idée que des corsaires attendent sur l’étang / Et que des êtres antédiluvines vont envahir les villes“ („Cloches de verre“; 136) oder: „Les pensées d’une princesse qui a faim“ („Serre chaude“; 131). Allerdings erschöpfen sich diese concetto-ähnlichen Fügungen nicht in der extremen Künstlichkeit scheinbar routiniert gefertigter Paradoxa. Den philosophischen Hintergrund bildet vielmehr die von Novalis übernommene animistische Vorstellung einer belebten, durch Analogien und geheime Wechselwirkungen verbundenen Natur, die vorrangig an das Unbewusste appelliert; gemäß dieser protosurrealistischen Ästhetik stellen die drei leitmotivartig wiederkehrenden Metaphern - Gewächshaus, Aquarium und Taucherglocke - zeittypische Heterotopien mit hohem meta-lyrischem Gehalt dar. Neben seinerzeit vielgelesenen populär-philosophischen Essays (u.a. La Mort, 1913; Le grand Secret, 1922; La vie des fourmis, 1930) beschäftigt sich Maeterlincks dramatisches Spätwerk mit indischer Kosmogonie (Les Finaçailles, 1922), Geistesge- 11 Paul Gorceix sieht in der Erzählung Onirologie die Verbindung von Para- und Tiefenpsycholgie (vgl. Gorceix: 2006, 59-72). Zu den höchst raren Bespielen einer phantastischen Narrativik bei Maeterlinck vgl. Lysøe: 2003, 27-30. Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 23 störtheit (La Princesse Isabelle, 1935) und Spiritismus (Le Miracle des Mères, 1942). 12 Georges Rodenbach (1855-1898) 13 verlegt in Bruges-la-Morte (1892), einem der berühmtesten narrativen Texte des Symbolismus, 14 den Topos der toten Stadt nach Flandern, in das wie Venedig amphibische und durch die fehlende Industrialisierung anachronistisch wirkende Brügge. Weniger die Handlung - eine tragisch endende Liebesaffäre zwischen dem Witwer Hugues Viane und einer Tänzerin samt der Ingredenzien sexuelle Devianz wie Haarfetischismus - steht im Vordergrund als vielmehr der von Stille, Niedergang und Melancholie beherrschte, atmosphärisch extrem dicht gestimmte Schauplatz, ein Stadt-Körper mit stark anthropomorphen Zügen. Die weitgehend erhaltene mittelalterliche Stadt, die eigentliche Protagonistin, versieht Rodenbach mit einer eindringlich morbiden Aura aus Geheimnis und Stillstand, latenter Bedrohung und Dekadenz, darin der Zeitgeschmack seine eigene kritische psychische Verfassung erkennt („Toute cité est un état d’âme […]“; Rodenbach: 1986, 619). Die erhöhte und mit einer suggestiven Bildlichkeit aufgeladene, stilisierte Wirklichkeit, gemalt in den für Flandern typischen gedämpften Farben, charakterisiert Bruges-la Morte wie auch den Roman Le Carillonneur (1897) und die in Le Rouet des brumes (1901) posthum gesammelten Erzählungen. 15 Das Übernatürliche steht hier in den häufigen Deskriptionen der Stadt-Topographie Brügges überall bereit, ohne je konkret in Erscheinung zu treten: Dieses Prinzip der suggestiven Atmosphäre und der sublimen Andeutung wird noch den Magischen Realismus der 1920er Jahre beeinflussen. Die starke Nähe des Textes zum Prosagedicht und die eigenwillige, Neologismen bewusst einsetzende Sprache befördern außerdem die angestrebte Darstellung eines Traumzustandes, in den auch der Leser überführt werden soll. Beispielsweise erfahren über das Homophon „cygne“/ „signe“ die Beguinen eine geheimnisvolle Metamorphose: „Seules quelques béguines peuvent logiquement circuler là; car elles ont moins l’air de marcher que de glisser, et ce sont plutôt des cygnes, les sœurs des cygnes blancs des longs canaux.“ (61) Noch deutlicher wird der eigentümliche Zeichen-Charakter der Stadt, der bereits ein Misstrauen gegenüber den Zeichen und der Sprache überhaupt enthält, bei folgender staccato-hafter Beschreibung, die Kunst und Tod im Lied des sterbenden Schwans zusammenbringt: 12 Zu diesen von der Forschung bislang übergangenen Dramen vgl. Gorceix: 2006, passim. 13 Zu Rodenbachs Modernität vgl. Juin: 1972, 31-56. 14 Obwohl Rodenbach den Untertitel „Roman“ hinzufügt (vgl. Rodenbach: 1986, 107), handelt es sich bei Bruges-la-Morte eher um eine Erzählung, die sich regelmäßig zum poème en prose verdichtet. 15 Rodenbach unterstreicht durch visuelle Paratexte die starke Nähe seiner Prosa zum Bild: Die Erstausgabe enthält neben einem Frontispiz von Fernand Khnopff 35 Fotografien, im übrigen wurde das tote Brügge von der Bildenden Kunst bevorzugt dargestellt (vgl. Rodenbach: 1986, 138). Thomas Amos 24 Or les cygnes, si calmes et blancs d’ordinaire, s’effarèrent, éraillant la moire du canal, impressionables, fiévreux, autour d’un des leurs qui battait des ailes et, s’appuyant, se levait sur l’eau, comme un malade s’agit, veut sortir de son lit. L’oiseau semblait souffrir: il criait par intervalles; puis s’enlevant d’un essor, son cri, par la distance, s’adoucit; ce fut une voix blessée, presque humaine, un vrai chant qui se module… (88) Rodenbach transponiert nicht allein den von Venedig jahrhundertelang vertretenen Topos der toten Stadt nach Norden: Seine Sprachskepsis, die sich in Bruges-la-Morte etwa am bemerkenswert seltenen Gebrauch der direkten Rede manifestiert, erklärt Brügge zu einem meta-fiktionalen, nebelverhangenen waste land der Moderne. 16 In der Bildenden Kunst ist Belgien bei teilweise noch stärkerer avantgardistischer Tendenz nicht minder prominent vertreten. Neben dem skandalumwitterten, 1874 nach Paris übergesiedelten Félicien Rops (1833-1898) leisten zahlreiche weniger bekannte Namen - William Degouve de Nunques (1867-1935), Jean Delville (1867-1953) oder Georges de Feuré (1868-1928) beispielsweise -, die keineswegs als pictores minores abzuqualifizieren sind, einen gewichtigen Beitrag zum europäischen Symbolismus. Merkmale sind (wie bereits bei Rops) eine christliche bzw. metaphysische Thematik, satirische Intention und eine überhöhende Darstellung der Wirklichkeit. Ein Künstler indes überwindet auf höchst originäre Art die konventionelle symbolistische Form- und Bildersprache: James Ensor (1860-1949). Masken, die zu Chiffren erhöhten Requisiten des Symbolismus, durchziehen Ensors Werk, oft begleitet von Skeletten, der allegorischen Todesdarstellung des Barock. Als früh-barocker oder manieristischer Künstler hat sich Ensor, der seine Heimatstadt Ostende kaum je verließ, zeitlebens begriffen, davon zeugt etwa das Ensor au chapeau fleuri (1883/ 88), das seinen Landsmann Rubens und, versteckter, Parmigianinos berühmtes Selbstportrait im Konvexspiegel von 1523 zitiert, eines der Schlüssel-Bilder der manieristischen Epoche. Ensor, der zwecks Verzerrung der Wirklichkeit eine versilberte Zierkugel in seinem Atelier anbrachte, charakterisiert sich auf diesem Bild mittelbar als problematischen, an sich und seiner Zeit leidenden Menschen, der gegen vielerlei anmalt: gegen Selbstzweifel, eine verständnislose Kritik, existenzielle Verlorenheit, den Tod. Die sinnlich-prallen Motive des Karnevals in Ostende muss Ensor lediglich ins Bedrohliche kehren, wobei ihm sein Vergnügen an Travestie und Maskierung zustatten kommt. Eines seiner eindrücklichsten Bilder, La mort et les masques aus dem Jahre 1897, zeigt einen grinsenden Totenschädel inmitten einer Gruppe maskierter Gestalten, deren Entsetzen und Angst so groß ist, dass die expressiven Gesichter fast zu zerfließen scheinen. Ensor spielt mit dem Betrachter: Sind es 16 Zur toten Stadt und zur Wirkung von Bruges-la Morte auf H. P. Lovecraft vgl. Amos 2005, S. 157-181. Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 25 wirklich Masken oder nicht vielmehr maskenhaft starre, erstarrte Gesichter, die nun angesichts des Todes erstmals menschliche Regungen überkommen? Nur notdürftig verkleiden diese Masken das Nichts, jene innere Leere, welche die damalige Schwellenepoche umtreibt. Ensor relativiert auf diesem Bild die schaurige Wirkung: Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass eine fleischfarbene, offenbar sehr lebendige Hand die erlöschende Kerze hält, sich jemand also als Tod verkleidet hat und mit dem Entsetzen Scherz treibt. Es ist Ensor, der die jäh zum Totentanz mutierte Belle Epoque beleuchtet. Künstlerisch agiert er in jenem Niemandsland, aus dem die Moderne Kunst erwächst: Seine Malweise und Farbgebung kündigen den Expressionismus, sein absurder Humor Dada und Surrealismus machtvoll an. Mehr noch als Le squelette peintre (1896/ 97), ein für Ensors makabre Späße bezeichnendes Selbstportrait vor den eigenen Bildern, präsentiert Squelettes dans l’atelier (1900) mit den dort exponierten gegensätzlichen Objekten die höchst bizarre, doch gerade in ihren Widersprüchen stimmige Welt des flämischen Künstlers: Chinoiserien und Reiseandenken, entnommen dem von seiner Mutter in Ostende betriebenen Souvenirladen; außerdem Madonnenfigur und Violine, allerlei Geschirr, Bücher, Skizzenmappen. Dazwischen Puppen, Masken, Schädel, die den Betrachter unverwandt anblicken und nur darauf warten, zum gespenstischen Leben zu erwachen. 17 In seiner Janusgesichtigkeit typisch für Ensors kunsthistorisches Selbstverständnis, setzt dieses Sammelsurium parodistisch die Wunderkammern des 16. Jahrhunderts fort und weist zugleich auf den Surrealismus voraus, der die Unterscheidung zwischen Artefakten und objets trouvés, zwischen Kunst und vorgeblichem Kitsch, aufhebt. Ein an die Wand gehefteter Zettel droht mit der programmatischen Losung „Mort aux conformes“ und vermittelt jenen heterodoxen Impetus, der, auf dem Le foudroiement des anges rebelles (1889) noch einmal ausgeführt, das ureigene Thema des gern als Bürgerschreck posierenden Ensors ist. Die tatsächlich oder auf sublime Weise mit Bedeutung aufgeladenen Objekte erzeugen eine unheimliche und verhalten bedrohliche Atmosphäre, entwickeln jedoch kein Eigenleben, sondern verharren diesseits der Grenze zum Spuk in einer möglicherweise trügerischen Wartestellung. Dem Betrachter will Ensor glauben machen, dass die abgebildete Szenerie das Potenzial in sich birgt, jederzeit in die (übernatürliche) Katastrophe umzuschlagen. Besser ließe sich die Atmosphäre des belgischen Fin de siècle schwerlich wiedergeben. An dieser Stelle müsste, sind doch die Filiationen zu augenfällig, der belgische Surrealismus Behandlung erfahren. Eine kuriose und bedenkenswerte Tatsache ist es, dass die belgische Strömung außerhalb des eigenen Lan- 17 Ensor verfasste eine 1920 aufgeführte Ballet-Pantomime, La Gamme d’amour (Flirt de Marionettes); zum nicht minder barocken Prosastil-Stil Ensors vgl. die mehrfach aufgelegten Schriften (zuletzt 1999). Thomas Amos 26 des nahezu unbekannt geblieben ist - wieder gilt die kulturelle Hegemonie Frankreichs - und vergleichsweise geringes Interesse bei der nichtbelgischen Forschung erweckte, so dass Françoise Toussaint das Schlusskapitel ihrer excellenten Übersichtsdarstellung zu Recht mit der polemischen Frage „Quel surréalisme belge? “ überschreiben konnte (vgl. Toussaint: 1986, 120). Verantwortlich für diese weitgehende (und fortdauernde) Ignoranz dürften vorrangig die gerade im Vergleich zur Gruppe um André Breton unzureichend entwickelten Marketingstrategien sein. Obwohl zwischen 1916 und 1968 immerhin 68 im engeren Sinne surrealistische Avantgarde- Zeitschriften verzeichnet sind (vgl. 70-73), fehlen große Manifeste mit nach außen signalhafter, nach innen identitätsstiftender Wirkung - Breton operiert hier versierter. Außerdem meiden die belgischen Surrealisten narrative Langformen, vor allem den Roman, was eine Präsenz auf dem Buchmarkt verhindert. 18 Einer breiteren Rezeption abträglich ist gleichfalls die Aufsplitterung in verschiedene Gruppen bzw. Phasen: die sich 1924 konstituierende Brüsseler Gruppe um Paul Nougé (vgl. 14-27), die 1930, nach René Magrittes Bruch mit Breton und seiner Rückkehr aus Paris neu belebt wurde und bis 1945 dauerte; die Hainaut-Gruppe (ab 1930; vgl. 28-41); der revolutionäre Surrealismus und die Gruppe Cobra (1948-1960er Jahre; vgl. 49-69). F. Toussaint stellt den belgischen Surrealismus explizit in die Tradition einer nordeuropäischen Literatur, worunter sie offenbar die Niederlande und Deutschland versteht, und sieht ihn als Nachfolger des Dadaismus, was freilich, so wäre einzuwenden, für den französischen Surrealismus ebenso gilt (vgl. 121); desgleichen erkennt sie, ohne dies näher zu präzisieren, belgienspezifische sozio-kulturelle Gegebenheiten und folglich andere produktionsästhetische Konditionen (vgl. 121). Interessanter ist ihr Versuch, den besonderen und widersprüchlichen Charakter des belgischen Surrealismus auszumachen; sie diagnostiziert erstens die Akzentuierung des Lebens (statt der Freiheit) und einen praktizierten Hedonismus, der seinerseits der antibürgerlichen Provokation bedarf; zweitens die schon (vom belgischen Art nouveau geteilte) Begeisterung für fortschrittliche bis revolutionäre Ideen; das meint nach Kriegsende 1918 die russische Oktoberrevolution und die Sowjetunion (vgl. 122). 19 Weitere Merkmale der belgischen Surrealisten sind der permanente Austausch und die enge Zusammenarbeit zwischen Auto- 18 Françoise Toussaint geht soweit, eine grundsätzliche Abneigung der Belgier gegenüber längeren narrativen Texten festzustellen (vgl. 1986, 120), was sicherlich so nicht zutrifft. 19 F. Toussaint beschließt ihr im übrigen verdienstvolles Buch mit einer eigentümlichen Mutmaßung; wir zitieren in extenso: „La Belgique, toujours en marge de l’histoire, marche de l’Imperium Romanum et de la Germanie, pays d’Entre-deux, pays de Par- Deçà, acentrée, toujours traversée, n’a-t-elle pas gardé dans les brumes de son inconscient collectif quelques semences de ses origines celtes? Ses divisions, ses régionalismes, son échappée dans le rêve et Le Mythe conforteraient cette hypothèse.“ (123f.) Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 27 ren, bildenden Künstlern und Komponisten (vgl. 120). René Magritte illustriert besonders eindrucksvoll diese zum Prinzip erhobenen intermedialen Verflechtungen. Nicht nur verfasst er eine stattliche Zahl kunsttheoretischer Artikel und liefert Beiträge für Avantgarde-Zeitschriften (vgl. Colin/ Lust: 1998, 321-327 u. Magritte: 1994, passim): Buchillustrationen (u.a. zu Gedichten Paul Eluards und zu den Chants de Maldoror; vgl. 280-282) und Illustrationen von Partituren und Notenwerken (vgl. Raspe: 1998, 298-307) bezeigen einen ausdrücklich interdisziplinären Anspruch. Der sehr belesene Magritte stellt auch häufig Bezüge zu einzelnen literarischen Werken her, was ausdrücklich über den Titel geschieht. Hat im Falle von L’Île au trésor (1942) das abgebildete, grüne Vogel-Pflanzenwesen, noch vage mit Stevensons Roman zu tun, zeigt bei Les Liaisons dangereuses (1936; 237) der Spiegel, den die Nackte vor sich hält, ihre Rückenansicht. Magritte schlägt hier dem Betrachter ein Spiel vor, das zwischen dem Bild- / Buchtitel und dem Bild selbst Beziehungen herstellen soll, aber statt Lösungen Assoziationen bereithält, also nach surrealistischem Verständnis reichen Gewinn verheißt. Die offenbar willkürlich, rational nicht nachvollziehbare Verbindung des Bildtitels ist ohnehin bezeichnend für Magritte. Sein kurzer Aufsatz „Sur les titres“ (1930) erläutert die Aufgabe des Titels: Remarque générale à propos des titres: Les titres des tableux ne sont pas des illustrations des titres. La relation entre le titre et le tableau est poétique, c’est-à-dire que cette relation ne retient des objets que certaines de leurs caractéristiques habituellement ignorées par la conscience, mais parfois pressenties à l’occasion d’événements extraordinaires que la raison n’est point encore parvenue à élucider. (Hervorhebung RM; Magritte: 1994: 80) Magrittes literarisch ausgerichtete Malerei hat sich, so könnte man zugespitzt formulieren, mit ihren ins kollektive Unterbewusstsein eingegangenen Bildern als alleinige Manifestation eines „belgischen Surrealismus“ durchgesetzt. Die zweite, ebenfalls außerordentlich reiche Blütezeit der amimetischen Literatur Belgiens, die ihre niemals verleugnete Herkunft aus dem Symbolismus produktiv verarbeiten wird, setzt in der Zwischenkriegszeit ein und erreicht 1940-1944 einen Höhepunkt unter der deutschen Besatzung. Dieser von Jean-Baptiste Baronian „École belge de l’étrange“ genannte, mehr oder minder lockere Zusammenschluss belgischer Autoren bildet einen vielgestaltigen, höchst originären Beitrag zur Phantastik des 20. Jahrhunderts (vgl. Baronian: 1978, 235-270). Anderen europäischen Ländern, vor allem Deutschland nach 1933, fehlt ein vergleichbares Phänomen. Die Voraussetzungen dafür sind in Belgien ideal: Nachdem der belgische Symbolismus Bekanntheit bzw. mit Maurice Maeterlinck Weltruhm erlangte, hat sich, nach erfolgter Konsolidierungsphase spätestens zu Anfang der 1920er Jahre, eine selbstbewusst auftretende belgische Literatur französischer Sprache installiert, die nicht mehr der permanenten Vergleichsgröße „Frankreich“ Thomas Amos 28 bedarf. Die nun einsetzende Erneuerung der Phantastischen Literatur und ihrer benachbarten Gebiete (Kriminalliteratur, Science Fiction, unheimliche Literatur u.a.) mit dem Ziel, sie einer Modernisierung zu unterziehen und an die gewandelte Realität anzupassen, geschieht unter Rückgriff auf ein transtemporäres und -nationales Textkorpus. Integriert werden einerseits sowohl die aktuellen literarisch-künstlerischen Strömungen der Zeit (Expressionismus, Surrealismus und Magischer Realismus), andererseits erfolgt eine Bezugnahme auf die zentralen Epochen der Phantastischen Literatur, namentlich (Schauer-)Romantik und Symbolismus, wobei der deutschen, niederländischen, englischen und französischen Literatur jeweils Referenzcharakter zukommt. 20 Eine entscheidende Erweiterung erfährt diese sehr sorgsam konzipierte und mit Bedacht synthetisch vorgehende Phantastik durch Albert Einsteins Relativitätstheorie; ebenso nähern sich manche Autoren H. P. Lovecrafts cosmic horror an, der eine Bedrohung der Menschheit durch monströse Wesenheiten aus dem Weltraum annimmt (vgl. Van Herp: 1995, 111-116). Das recht umfangreiche Werk des sehr produktiven und in der Qualität seiner Texte kontrovers beurteilten 21 Autors Franz Hellens (eigentlich Frédéric van Ermengem, 1881-1972) veranschaulicht trefflich die Entstehung der École belge de l’étrange aus dem Geiste des Symbolismus und ihre Entwicklung hin zu einem eigenen Ton samt der dabei relevanten Einflüsse. Die pittoresken Skizzen von En ville morte. Les scories (1998) und die unter dem Titel Les Hors-le-Vent (1909) gesammelten Novellen folgen noch der Tradition Rodenbachs und versuchen statt Brügge Gent zur geheimnisumwitterten Stadt zu stilisieren, wenn auch Hellens zu einer stark naturalistischen bzw. expressionistischen, übrigens sozialkritischen Darstellung tendiert. Eine deutliche Scharnierfunktion nimmt hingegen Nocturnal, précédé de Quinze histoires (1919) ein: Während die fünfzehn histoires die tradierten Themen des Phantastischen aufgreifen, gibt der zweite, experimentellere Teil des Bandes fünfzehn verwirrende wie heitere Träume wieder. Mit Mélusine (1920, definitive Fassung 1952), angeblich in einem Trancezustand verfasst, praktiziert Hellens den von den Surrealisten propagierten idealen Schreibprozess; der 20 Im Vorwort zu Thomas Owens Sammlung Les Chemins étranges. Nouvelles fantastiques (1942) schreitet Jean Ray den weiten intertextuellen Horizont der für ihn relevanten Phantastik ab; erwähnt werden Dostojewski, Jakob Elias Poritzky Johann Heinrich Zschokke, E. T. A. Hoffmann, Georg von der Gabelentz, Goethe, Edgar Allan Poe, Ambrose Bierce, Adalbert von Chamisso, Henri Conscience, Hanns-Heinz Ewers, H. G. Wells, Stéphane Mallarmé, André de Lorde und Robert Poulet (vgl. Owens: 1994, 798- 800), 21 J. B. Baronians Urteil über Franz Hellens fällt ambivalent aus: „Franz Hellens a beaucoup trop écrit. Et peut-être pas toujours des livres qui auraient mérité de paraître. Ce qui donne aussi à son œuvre un aspect composite.“ (1978, 247); später zählt er ihn allerdings zu den „grands inspirateurs du fantastique belge“ (248; vgl. zu Hellens 245- 248). Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 29 Band Réalités fantastiques (1923) gestaltet dann den für Hellens typischen, zwischen lyrischer Exaltiertheit und traumhaftem Zustand liegenden Wirklichkeitsbegriff aus. Die Autoren der École belge de l’étrange von weltliterarischem Rang, jene, bei denen Ordnungsbegriffe wie Paraliteratur oder Kunstliteratur obsolet werden, sind Thomas Owen, Michel de Ghelderode und Jean Ray. Thomas Owen (i.e. Gérald Bertot, 1910-2002; vgl. Soncini Fratta 1996, Kiesel 1995, Baronian: 1978, 258-260) verfasst 1941 als Stéphane Rey zwei Kriminalromane, bevor er den Namen des Kommissars aus Ce soir, huit heures beginnend mit Destination inconnue (1942) an zum eigenen Pseudonym bestimmt. 22 Nach dem programmatisch betitelten Kriminalroman L’Initiation à la Peur (1942) bedeuten die Sammelbände Les chemins étranges (1943) und La cave aux crapauds (1945), letzterer erschienen kurz nach der Befreiung, trotz des Untertitels „Nouvelles fantastiques“ mit ihren komprimierten, der Kurzgeschichte angenäherten Erzählungen und der sachlich-lakonischen, mit Dino Buzzati vergleichbaren Écriture eine zeitgemäße Abkehr von der sprachlich häufig redundanten Phantastik des 19. Jahrhunderts, verwenden allerdings weiterhin neben innovativen auch traditionelle Themen. Beispiele hierfür sind die Erzählungen 15.12.38 (Les Chemins étranges) über einen momentanen Zusammenbruch des Raum-Zeit-Gefüges oder Père et fille (La cave aux crapauds), die von einer Tier-Verwandlung handelt. Beide Male kommen die Hauptfiguren auf grauenhafte Weise zu Tode, werden zerquetscht bzw. im Falle des Vaters von einer aufgebrachten Menge mit Eisklumpem erschlagen. Die allen Erzählungen Owens seit 1945 vorangestellten Motti sind letztes Zugeständnis an einen barocken Dekor und stellen gleichzeitig auf paratextueller Ebene, was man durchaus als postmodernes Verfahren sehen kann, die Verortung im weltliterarischen Kontext der (phantastischen) Literatur her. Wie sehr Owens unter der deutschen Besatzung erschienenen Geschichten als Zeitkommentar bzw. -kritik lesbar sind, bestätigt Jean Ray, wenn er in seinem Vorwort zu Les Chemins étranges ausführliche Überlegungen zum Begriff der Angst anstellt: La Peur n’est est-elle qu’un produit de l’Imagination, cette imagination qu’un docteur, faisant douteuse autorité en la matière, appela la folle du logis? Il ne manque pas d’arguments pour arriver au Q.F. D. du contraire. La Peur est une fin, elle se situe au bout de la raison de l’entendement, de la compréhension; c’est l’expression du désespoir devant la route barrée d’obstacles insurmontables, le premier réflexe de l’âme devant le Néant apparu. (Owen: 1994- 1998, Vol. I, 800) 22 Vgl. die zu diesem Pseudonym gehörige stilisierte Vita am Anfang von Destination inconnue (Owen: 1994, Vol. 1, 133). Thomas Amos 30 Diese phänomenologischen Ausführungen zur Angst haben den Anlass, Owens Erzählungen, längst verlassen, und Ray wird alsbald zu einer Eloge der Angst zurückkehren, die einem Meister der Phantastik wohl ansteht: „Et comme telle encore, elle [la Peur] a le droit à ce que les hommes la cultivent, comme une fleur rare, aux sucs et aux parfums salutaires. La Peur est d’essence divine, sans elle les espaces hypergéométriques seraient vides de Dieux et d’Esprits“. (801) Zuvor allerdings befindet er: La ,Grande Peur‘ est une réalité historique, reconnue par les chroniqueurs: ce fut une terreur grégaire surgie à l’orée d’événements horribles fondant comme rapaces sur l’humanité impuissante, comme les invasions des Normands, la peste de Bergame, les famines des Indes, l’apparition massive de céphalopodes géants sur les côtes de la Nouvelle-Guinée, les grandes révolutions. Elle était alors nettement prémonitoire et essayait de venir au secours des hommes, qui allaient être frappés. (801) Allein die hier unvermittelt eingenommene Stilhöhe kündigt einen Wechsel an: Ray verweist höchst sublim auf die realiter herrschenden historischen Verhältnisse des Zweiten Weltkriegs und des besetzten Belgien im besonderen. Er unterlässt explizite Kritik an der deutschen Besatzung, evoziert statt dessen andere historische Katastrophen und ruft mittelbar zu einem Vergleich mit der eigenen Gegenwart auf. Der hier so nachdrücklich angesprochene zentrale Begriff der Angst erscheint ihm charakterisiert für die Besatzungszeit; W. H. Auden prägte für den Zweiten Weltkrieg die Wendung „age of anxiety“. 23 Obwohl der Protest reichlich indirekt, denkbar vorsichtig erfolgt, wozu auch der abgelegene Ort, ein Band „phantastischer Novellen“, beiträgt, fällt Rays Vorwort der Rang eines Schlüsseltextes hinsichtlich der Haltung der damaligen, vermeintlich apolitischen phantastischen belgischen Literatur gegenüber den politischen Verhältnissen zu. Ohne konkret Widerstand zu leisten, widerspricht Ray der Besatzungsmacht durch die Nennung der Angst, die, doppeldeutig, eben nicht nur auf die Literatur anwendbar ist. Am Ende seines Vorwortes kommt er auf die Funktion der Angst zurück: „[…] si votre âme est ouverte à son ardeur ténébreuse [de la Peur], comme à la beauté sans bornes des nuits, laissez-vous porter sur les ailes que vous prête Thomas Owen, pour l’évasion monstrueuse hors des pistes battues, par les chemins étranges.“ (801) Ray redet allerdings nur scheinbar einer eskapistischen Lesestrategie das Wort. Da die Angst Gegenwart und Literatur gleichermaßen beherrscht und die Schrecknisse der Zeit dort gespiegelt, verzerrt, verschlüsselt wiederkehren, kann Literatur niemals eine zuverlässige Fluchtmöglichkeit bieten. Michel de Ghelderode (i.e. Adhémar Adolphe Louis Martens, 1898-1962; vgl. Vandromme: 2001, Quaghebeur: 1998, 217-240, Parsell: 1993, Francis: 23 In der gleichnamigen Gedichtsammlung von 1947. Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 31 1968), der sich nach einer Ortschaft im flämischen Brabant nennt, 24 ist insbesondere als Dramatiker bekannt, der seine über sechzig Theaterstücke durch grelle burleske und groteske Elemente verzeichnet und dabei die Grenze zum Absurden ständig überschreitet, so dass eine ausdrücklich amimetische, vom Grundsatz her artifizielle Theaterkonzeption entsteht, die zum Verlachen, mithin zur Relativierung der Realität einlädt. Das flämische Populärtheater, heute noch lebendig in der Brüsseler Marionettenbühne Théâtre royal de Toone, und die europäische Theatertradition vom mittelalterlichen Mysterienspiel bis zur Commedia dell’Arte gehen eine ganz eigene Verbindung von hoher Bühnenwirksamkeit ein. Seine Stoffe entnimmt Ghelderode der Literatur (u.a. La Mort du Docteur Faust, 1926), der christlichen Überlieferung (Barrabas, 1929; Le mystère de la Passion de Notre Seigneur Jésus-Christ, 1924) und der Weltgeschichte (u.a. Karl V. in Le soleil se couche, 1939). Ein vorzügliches Beispiel, Ghelderodes Verfahren zu veranschaulichen, bietet Don Juan (1928) mit seinem die hybride Form akzentuierenden Untertitel „une drama-farce pour le music-hall“ (Ghelderode: 1999, 204). 25 Ghelderode beruft sich auf das populäre Theater und Jahrmarktsunterhaltungen; dafür steht der Ausrufer am Anfang jeder der drei „Episoden“, dem die Aufgabe zufällt, den Zuschauer in das Bühnenspektakel und den Schauplatz, die Bar Babylon, gleichermaßen einzustimmen. Als Don Juan auftritt - „Gentilhomme du XVIII me siècle. Bas blancs; souliers à élastiques. Piteux gentihomme! ... Après on saura qu’il est blond, frisé, menu, blafard. Visiblement, il ne sait où aller“ (15) lautet der dramatische Nebentext - kommentiert ihn der bonimenteur gleichzeitig: O petit passant, tu fis bien en t’affublant de cette défroque. Travesti, tu es vrai! Ne montre jamais ton visage, s’il est vrai que l’homme en possède un! … Ton aventure est sans pareille! […] Tu es mieux que l’original! Les maroufles s’esclafferont; va ton destin, tu rayonneras … Ceux qui rient pâliront de dépit et ne seront point pardonnés, car la folie est d’essence divine… C’est le carnaval… Heure de toutes méprises… […] Un spectacle commence dont nul n’oserait prévoir la fin ni la morale… Don Juan, hésites-tu? ...Tu parais avoir le trac… Hé, connais-tu ton rôle? ... (15f.) Mit den meta-dramatischen, illusionsdurchbrechenden Kommentaren gibt Ghelderode die Grundrichtung seines Stückes vor, das ist: die Entmythisierung der literarischen Figur namens Don Juan und, damit eng verschränkt, die Transformation (auch: Dekonstruktion) des Dramas. Die Erkenntnis des 24 Marc Quaghebeur sieht hierin das Bekenntnis zum Französischen als Schriftsprache und die geistige Verwurzelung in der flämischen Kultur zur Synthese gebracht (vgl. 1998, 218). 25 Die 1937 überarbeitete, 1942 veröffentlichte zweite Fassung trägt den Untertitel „Les Amants chimériques“ (Ghelderode: 1999, 7). Die von Michel Lisse besorgte Ausgabe bringt beide Fassung; wir beziehen uns auf die erste Fassung, die gemäß der Erstausgabe als „reproduction anastatique“ (87) abgedruckt wird. Thomas Amos 32 Protagonisten am Ende: „Ma légende est bien finie...“ (111) war seit einem ersten Auftritt offensichtlich. Don Juan, Stück und Figur, haben ihre dramatisch-tragischen Aspekte verloren, sind zur bloßen Zustandsbeschreibung, zur (lebenden) Groteske herabgekommen, die freilich weiterhin über einen gewissen Unterhaltungswert verfügt. Mit bemerkenswerter Radikalität vollzieht Ghelderode die Abkehr vom herkömmlichen Drama. Nicht zufällig widmet er sein an Slapstick bzw. kinematographischen Verfahren reiches Stück Charlie Chaplin. Das Primat des Populärtheaters, das bei hohem Tempo stark mit non-verbaler Komik und einer gewissen Drastik arbeitet, wird komplettiert durch ausgefeilte Dialoge. Die Gespräche der Figuren miteinander und gegeneinander sind das eigentliche dramatische Ereignis: Ghelderodes großes Thema ist immer die Sprache, die scheinbar Alltagsprache, alle Stilregister vom Komischen bis zum Pathetischen zieht und durch diese barocke Überfülle verblüfft. Die Handlung bleibt nebensächlich, rudimentär: Als Don Juan eines Regenabends während des Karnevals die Bar Babylon, ein getarntes Bordell betritt, trifft er auf eine bizarre Gesellschaft: den schwarzen Barkeeper Béni-Bouftout, die drei Prostituierten Aurora, Diana und Vénuska, eine Clown-Corona, bestehend aus dem stummen Hanski, dem tauben Pamphile und dem blinden Théodore, der schönen, automatenhaften Olympia („Pour résumer, femme aussi jolie que les mannequins oxygénés dans les vitrines de coiffeur pour dames. Jolie jusqu’aux limites, où commence l’horreur des choses extrêmes“; 30) und einem „petit homme creux“, der, ein parodierter Amor, sich am Ende als Personifikation der Syphilis erweist und Don Juan nachstellt. Zynischer, desillusionierter lässt sich eine moderne Version des Don Juan-Stoffes schwerlich denken. Eine narrative Sonderstellung in Ghelderodes Werk nimmt der Band Sortilèges et autres contes crépusculaires (1941), die er, damals morphiumabhängig, zwischen Februar 1939 und April 1940 schrieb. Der sich ankündigende, dann begonnene Weltkrieg samt der erwarteten und schließlich erfolgten erneuten Besetzung Belgiens lastet auf den zwölf unterschiedlich langen, alle wie vom Untertitel verheißen in düsteres Halblicht getauchten Texten. Mögliche Bezüge zur Entstehungszeit sind vom Autor intendiert und durchgängig festzustellen. Bereits die Eröffnung, L’Ecrivain public, lässt, phantastische Ungewissheit, offen, ob der (unschwer als Ghelderode selbst identifizierbare) Erzähler oder die einen öffentlichen Schreiber darstellende Wachsfigur namens Pilatus in einem gleichsam automatischen Schreibprozess die hinterlassenen Erzählungen, also den Band Sortilegès, verfasst hat. Sicherlich kokettiert Ghelderode mit dem barocken Vanitas-Topos, bezogen auf das Lebens und, entsprechend das Schreiben („[…] j’eusse aimé être Pilatus, dans un éternel silence: un homme oublié des hommes, dans un éternel silence, qui sait écrire merveilleusement et qui n’écrit jamais, sachant que tout est vanité“; Ghelderode: 2001, 19). Wichtiger ist indes die selbstreferenzielle Frage nach der Aufgabe des Schriftstellers, dem Ghelderode mittels Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 33 der Metapher des „öffentlichen“ Schreibers/ Schriftstellers, der seiner Kleidung nach aus dem 18. Jahrhundert stammt, schon am Eingang der Sammlung klar eine Chronistenfunktion zuschreibt. In der berühmten Erzählung Le jardin malade, die zwischen Juni und Dezember 1917 spielt, entbrennt ein metaphysischer Kampf, vertreten durch den Hund Milord und die Katze Tétanos, um ein krankes, puppenhaftes Mädchen. Die Titelmetapher kehrt das gängige Bild Belgiens als Garten ins Pathologische, um das unmittelbare Praebellum zu veranschaulichen. Ghelderode gelingt es auch sprachlich, jene bedrückende, morbide Atmosphäre zu vermitteln: C’est une zone interdite - je le sens - et de même que certains visages restent fermés, ce jardin se veut hostile, se garde seul. Il ne se défend pas qu‘avec les mailles des branchages et les faisceaux d’épines; c’est pire, il se défend par son expression, oui, c’est le terme: il semble malade, et malgré l’air circulant largement dans ce quartier et le soleil généreusement distribué, ce qui le compose reste sans éclat, blafard, si tant est que des végétations épanouies jusqu’au paroxysme puissent paraître dépérissantes. Non, le jardin n’est pas anarchiquement rendu à lui-même par l’oubli des hommes; il a une mauvaise fièvre, ou mieux: il délire - cela même… (Ghelderode: 2001, 55) Es ist nur folgerichtig, dass in der metaphysisch aufgeladenen Welt der Sortilèges, die stets das tua res agitur auf dem Panier führt, der in der Phantastischen Literatur gemeinhin selten eigesetzte Teufel in Erscheinung tritt. Ghelderode erfindet zwei originelle Verkleidungen des Bösen: Einmal den sich gütig gebenden Varieté-Zauberer Mephisto, der dem schwermütigen Erzähler erneut das (fragwürdige) Paradies der Kindheit aufschließt (Le Diable à Londres), das andre Mal den gläsernen Frosch, dessen divinatorische Fähigkeiten den Erzähler längst nicht mehr interessieren (Rhotomago). In der letzten Erzählung, L’odeur du sapin, bricht der leibhaftige Tod die Schachpartie mit dem Erzähler ab und holt statt dessen die Dienerin „Péché Mortel“ - ob diese existenzialistische Wendung eine optimistische Schlussnote ausdrücken soll, sei dahingestellt. Jean Ray (i.e. Raymondus Joannes de Kremer, 1887-1964; vgl. Huftier: 2010, Quaghebeur: 1998, 242-249, Briot: 1995, Baronian / Levie: 1981, Truchaud / Van Herp: 1980) 26 schuf ein vielgestaltiges, sowohl in französischer wie niederländischer Sprache geschriebenes Werk, das neben einer phantastischen Sektion auch Jugendbücher (u.a. für die Reihe Presto-Films) und 150 Heftromane der Serie um den amerikanischen Detektiv Harry Dick- 26 Als beste Einführung in Rays von ihm selbst sorgsam stilisierte Person eignet sich der Thomas Owens Nekrolog Jean Ray, l’insaisissable (in: Owen: 1994-1998, Vol. I, 1043- 1048) sowie seine Würdigung bei Truchaud / Van Herp: 1980, 11. Eine besondere Hommage ist, dass Owen seinen Freund Ray in der Erzählung Au cimetière de Bernkastel (in: Cérémonial nocturne et autres histoires insolites (1966) auftreten und einen Exorzismus vornehmen lässt (vgl. Owen: 1994-1998, Vol. II, 1057-1070). Thomas Amos 34 son einschließt. 27 Rays Debüt Les Contes du Whisky (1925) 28 , das ihm den Titel eines belgischen Edgar Allan Poe einbringt (vgl. Truchaud / Van Herp: 1980, 106 u. Baronian / Levie: 1981, 96), markiert einen Meilenstein der École belge de l’étrange. Hervorgehoben sei zunächst das außerordentlich dicht gearbeitete Netz intertextueller Referenzen aus Vergangenheit und unmittelbarer Gegenwart. Einflüsse aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert liegen mehrfach vor, u.a. von Rays Lieblingsautor Charles Dickens (Irish Whisky), Edgar Allan Poe (La Vengeance) und Gustav Meyrink (Mon ami le mort). Daneben rezipiert Ray in diesem Panorama der Années folles, das, über Belgien hinausweisend, europäische Dimensionen annimmt, die zeitgenössischen Avantgarden - Expressionismus, Magischen Realismus, Neue Sachlichkeit, auch Surrealismus - und fängt den Zeitgeist der ersten Nachkriegsjahre mit dessen Vorliebe für das Extreme und scharfe Gegensätze präzise ein. Dazu gehört ein mehr oder weniger pessimistischer, die Sammlung durchziehender Grundton. So gibt, bezeichnendes Exempel, La dernière gorgée den tragikomischen Dialog zweier Matrosen in Seenot wieder; wobei die doppelte Schiffs-Metapher den disparaten Zustand Europas wie auch meta-fiktional die ungewisse Situation der veränderten und sich verändernden Literatur meint. Formal höchst abwechslungsreich, rufen die 27 Texte ganz unterschiedlicher Länge eine Vielzahl zum Teil damals erst im Entstehen begriffener narrativer Formen auf (Groteske, conte cruel, Märchen, urban legend, Novelle usw.) und kombinieren sie, was nur folgerichtig erscheint, thematisch mit dem Unheimlichen und Phantastischen. Zentrales Gestaltungsprinzip der Contes du Whisky ist demnach, wie in der Bildenden Kunst der Zeit, die Collage. Das Phantastische erscheint unter einer eher tradierten Thematik (z. B. Tier-Verwandlung, belebtes Objekt, weiblicher Vampir); der für das 19. Jahrhundert recht untypische Auftritt zweier Monstren fällt dagegen auf (Dans les marées du Fenn, La Bête blanche). Zukunftweisend ist die kurze Erzählung Les étranges études du Dr Paukenschläger, darin Ray einen kosmischen Horror einführt, der aggressive, aus einer Vierten Dimension einfallende Wesenheiten präsentiert; interessante Parallelen bestehen zu H. P. Lovecrafts zeitgleich konzipiertem Cthulhu-Mythos, ebenso kann sich Ray auf die in popularisierter Form damals weitverbreiteten Theorien Albert Einsteins sowie auf Gaston de Pawlowskis Roman Voyage au pays de la quatrième dimension (1912) berufen (vgl. Van Herp: 1995; Vuijlsteke: 1980, 234-247). Gemeinsam mit dem Dr. Paukenschläger, einem Idealbild des romantisch-exzentrischen mad scientist, nähert sich der Journalist Denver dieser fremdartigen Welt und berichtet, bevor er dorthin für immer verschwindet, andeutungsweise über ihre Beschaffenheit: 27 Zu Harry Dickson vgl. die Überblicksdarstellung von Jacques van Herp (in Truchaud / Van Herp: 1980, 271- 281). 28 Zur Situierung der Sammlung in einem größeren, weltliterarischen Kontext vgl. Amos: 2007. Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 35 Nous sommes […] toujours sur le petit tertre sablonneux, mais un singulier monde diaphane, à peine visible, s’y juxtapose. Je vois le bois de sapins à travers un cône d’une transparence presque parfaite et rempli d’une sorte de fumée, violemment tourmentée. Une dizaine de grosses sphères, bulles bizarres, bondissent sur le marais, et les mêmes fumées tourbillonnantes les remplissent. Je me rends compte que ce sont celles qui rendent le cône et les sphères visibles. (Ray: 1963- 1966, Vol. II, 140) Fortgeführt wird dieser cosmic horror, der erstmals das Böse aus dem bislang ausschließlich positiv besetzten Himmel herabfahren lässt, von Ray mit drei Meisterwerken, die, über den Sammelband Le Grand Nocturne (1942) verteilt, eine Art Tryptichon bilden. Dessen linke Tafel, die titelgebende Novelle, ist ein komplex strukturiertes, auf verschiedenen Zeit-Eben angesiedeltes Vexierspiel, an deren Ende der Kurzwarenhändler Hippolyte Baes seine wahre, numinose Abstammung erfährt. Nachdem Théodule als eine Art Initiationsritus drei Morde begehen musste, rettet ihn sein Jugendfreund Hippolyte Baes vor der aufgebrachten Menge, indem er mit ihm in jene spatiotemporale Zwischen-Ebene flieht, woher er selbst kommt. Das Ende der Novelle enthüllt theatralisch seine wahre Identität: „Hippolyte Baes n’était plus à ses côtés, mais une forme immense dont le front formidable s’auréolait de nuées: - Le Grand Nocturne! soupira Théodule! “ (237) Es bestätigt sich nun jene Vorstellung des „Grand Nocturne“, die sich Théodule bereits anhand eines okkultistischen Buches machte: „[…] cette créature, si créature elle était, serait une sorte de valet des Grandes Puissances des Ténèbres, délégué, pour d’obscures et coupables besognes, parmi les hommes“ (216) Den basalen Magischen Realismus der Novelle ergänzt Ray um die Arcandisziplinen und die Vierte Dimension, wobei der den Text beherrschende „Grand nocturne“ („der große Nächtliche“ oder „der große Nachtvogel“) zwar ungemein faszinierend, doch letztlich schwer deutbar bleibt. Gewissheit kann lediglich darüber herrschen, dass die ambivalent konzipierte Figur christliche-ethische Kategorien für obsolet erklärt und indirekt für eine Umwertung dieser Werte plädiert (vgl. Amos: 2003, 91-96). Die mittlere Tafel, La Ruelle ténébreuse, ist angesiedelt vor dem historisch stimmigen Hintergrund des Jahres 1842, als die Hamburger Altstadt durch ein großes Feuer weitgehend zerstört wurde. Ray erfindet eine dem Brand vorausgehende Serie ebenso schrecklicher wie rätselvoller Verbrechen und Vorfälle, wozu das plötzliche Verschwinden zahlreicher Hamburger Bürger gehört. Zwei miteinander auf komplizierte Weise verschlungene Binnenerzählungen liefern die Erklärung. Dargelegt wird, wie der Lehrer Alphonse Archipêtre zufällig die in die real existierende Stadt Hamburg hineinragende Vierte Dimension entdeckt und ihrer Kunstschätze beraubt, um die Tänzerin Anita auszuhalten; im Gegenzug rächen sich die Wesenheiten, durch den verborgenen Zugang, die Sankt-Bérégonne-Gasse, eingedrungen, grausam an den Bewohnern der Stadt. Als Anita sich ebenfalls in die Zwischen-Welt auf- Thomas Amos 36 macht, legt Archipêtre dort Feuer und löst damit den Großbrand aus. Das brennende, obendrein von mysteriösen Unholden heimgesuchte Hamburg erinnert an die Höllenstädte Hieronymus Boschs und des Manierismus, und die Novelle selbst erscheint mit ihrer apokalyptischen Stimmung als einziger Mahlstrom des Schreckens, dem auch der Leser verfallen soll. Die rechte Tafel des Tryptichons nimmt die Seefahrtsgeschichte Le Psautier de Mayence ein. Die von einem mysteriösen maître d’école für sein Schiff Psautier de Mayence zusammengestellte Mannschaft begreift bald, dass sie den Atlantik längst verlassen haben. Ray gibt, hier am Ende der Sammlung, einen recht ausführlichen, populärwissenschaftlich gehaltenen Überblick aus „Hypergeometrie“, Astrologie und Psychologie, der nichtsdestoweniger die Phantasie anregt. Nous sommes probablement sur un autre plan de l’existence. Vous avez des connaissances en mathématiques; elles vous aideront peut-être à comprendre. Le monde tri-dimensionel, qui est le nôtre, est probablement perdu pour nous, et je définirai celui-ci par le monde de la n me dimension, ce qui est très vague. En effet nous serions, par la vertu d’une inconcevable magie, ou d’une monstrueuse science, transportés sur Mars ou Jupiter, ou même sur Aldébaran […] ce qui est certain pour moi, c’est qu’un espace, différent du nôtre proprement dit, existe, celui que nos rêves, par exemple, nous font discerner et qui présente sur un plan unique le passé, le présent, et peut-être l’avenir; le monde même des atomes et des électrons, avec des astres tourbillonnants; des espaces relatifs et immenses, une vie vertigineuse et mystérieuse. (Ray: 1963-1966, Vol. II, 329) Das Ungetüm, das später für einen Moment aus dem Meer emportaucht, erinnert an die Monstren H. P. Lovecrafts: Du fond de l’abîme, un de ces êtres venait de surgir avec une vélocité incroyable et, en moins d’une seconde, son ombre immense nous masqua la cité sous-marine; c’était comme un flot d’encre s’épandant instantanément autour de nous. La quille reçut un coup violent; dans la clarté écarlate, nous vîmes trois énormes tentacules, d’une hauteur de trois mâts superposés, battre hideusement l’espace et une formidable figure d’ombre, piquée de deux yeux d’ambre liquide, se hausser à la hauteur de la muraille de bâbord et nous jeter un regard effroyable. (334) Zu nennen sind weiter die zumeist unter der deutschen Besatzung herausgekommenen Sammlungen Les Cercles de l’épouvante (1943), Les Derniers Contes de Canterbury (1944) und Le Livre des fantômes (1947) sowie der Roman La Cité de l’indicible peur (1943). Eindeutiges Hauptwerk Rays aber und einer der bedeutendsten phantastischen Romane des 20. Jahrhundert ist Malpertuis (1943; 1971 verfilmt von Harry Krümel), genannt nach der Burg des Fuchses im mittelalterlichen Roman de Renart. Bei Ray dient das irgendwo in Flandern gelegene, einstmals prachtvolle, nun herabgekommene Patrizierhaus Malpertuis den nach Nordeuropa verschleppten griechischen Göttern als neuer Wohnort, ist abschätzige Parodie des Berges Olymp. Haus und Roman entsprechen sich in ihrer labyrinth-artigen Struktur, ihrem synkretisti- Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 37 schen und manieristischen Stil. Durch überaus vielfältige Anspielungen, Verweise und Zitate integriert und amalgamiert Ray für sein Meta-Haus Malpertuis real existierende wie fiktive, von der Phantastischen Literatur beschriebene Architektur, so dass das phantastische Bau-Werk Malpertuis musterhaft zum einen die Funktionalisierung eines Gebäudes für das Phantastische, zum anderen die engen Verbindungen zwischen Phantastik und Manierismus belegt. Um die Eigenart des stets in Zwielicht und Dunkel getauchten fiktiven Hauses Malpertuis zu bezeichnen, das an einem zweifachen, einem geographischen und einem literarischem Grenzbereich liegt, wurde in Anlehnung an die Odyssee (XI, 13-15,) der Begriff architectura cimmeria vorgeschlagen (vgl. Amos: 2006, 16). Besonders eindrucksvoll verdeutlicht Malpertuis’ Nähe zu anderen räumlichen und zeitlichen Regionen und insbesondere zum Weltraum der über das gewaltige Treppenhaus ins Haus hineinragende weitläufige Dachboden. Der jugendliche Held Jean- Jacques Grandsire macht sich eines Tages dorthin auf: Je montai des escaliers interminables, les uns larges et majestueux qui semblaient vouloir donner accès à des salles de temples, les autres tourmentés, en minces et accores spirales aboutissant à des trappes que je dus pousser à force d’épaules. J’y fus brusquement. C’étaient des enfilades pénombreuses de polyèdres creux, piqués de la lumière grise des lucarnes et des œils de bœufs. Ils étaient complètement vides; aucune chaise bancale ne se réfugiait dans un coin; aucun bahut démodé ne s’appuyait contre les murailles de briques vernies pour éviter qu’elles ne s’abîment en poussière; aucune suite de malles vermoulues ne jalonnait le plancher, net comme un paquebot. Il y faisait froid, et le vent, rasant les tuiles, emplissait l’espace de miaulement et de soupirs. (Ray: 1963-1966, Vol. III, 299) Der initiationsartige Aufstieg durch ein an die Carceri Piranesis erinnerndes Treppenlabyrinth, der leere Dachbodenraum, der mittelbar an ein Passagierschiff erinnert, das Geheul des Windes: Indem Ray hier den gotischen locus horribilis radikal verändert und, wie der Kontext des Romans bestätigt, als Einfallstor böser kosmischer Mächte andeutet, erreicht seine Erzählkunst in dieser ganz ohne das Numinose auskommenden Passage einen Höhepunkt. Die Phantastik des 20. Jahrhunderts findet hier und in anderen Räumen von Malpertuis ihre Vorbilder. Ein bedeutendes Beispiel für das Fortleben der belgischen Tradition des Amimetischen bis in die unmittelbare Gegenwart hinein (und gleichermaßen für die in Belgien so hochgeschätzte Neunte Kunst) ist die 1983 von François Schuiten und Benoît Peeters mit dem Album Les Murailles de Samaris begonnene und seither auf zwölf Alben angewachsene Comic-Serie Les Cités obscures. Deren Gestaltungsprinzipien enthält in nuce das Album Brüsel (1992), das einem Comic-Geschäft in der belgischen Hauptstadt den Thomas Amos 38 Namen gab. Erzählt wird die Geschichte des Plastikblumenhändlers Constant Abeels, der, nachdem er sein im Zuge der Stadtsanierung abgerissenes Geschäft verlassen hat, gemeinsam mit der Angestellten und Saboteurin Tina Tonero eine Odyssee durch die von den gewaltigen Bauprojekten des Spekulanten Freddy de Vrouw verunstaltete Stadt Brüsel antritt, bis die halbfertigen Wolkenkratzer in einer Sintflut versinken und ein hypermodernes Motorboot beide in eine dem Anschein nach bessere Zukunft davonträgt. Obwohl die gesamte Serie Architektur und Städte extensiv thematisiert, fiel niemals zuvor Architektur in einem Comic eine derart zentrale Rolle zu, enthielt kein Comic zeichnerisch derart präzise ausgearbeitete Architekturansichten, die an nachkolorierte Stahlstiche erinnern. Wesentliche Rollen in dieser (Architektur-)Dystopie spielen Bauwerke. Zentrales, leicht zu identifizierende Gebäude ist der durch den Architekten Joseph Polaert von 1866 bis 1883 über dem Quartier des Marolles errichtete Justizpalast, den die Autoren als bedrohlich über der ganzen Stadt aufragendes Monumentalgebäude darstellen, als Paradebeispiel säulengestützter Herrschafts- und Machtarchitektur (vgl. Schuiten / Peeters: 1992, 15). Bezeichnenderweise jedoch liegt ausgerechnet hier auch die durch den Einsatz von Computern längst anachronistisch gewordene Registratur, ein aufgegebener, der Zeit entrückter Raum, der mit Gebirgen aus Akten, Wasserflächen und Möwenschwärmen beträchtliche surreale Qualitäten aufweist (vgl. 19). Dass Schuiten / Peeters architekturtheoretische Fragestellungen mehr oder minder direkt behandeln, zeigen zwei außerordentlich konträre Krankenhäuser: ein völlig veraltetes, in einem gotischen Gebäude untergebrachtes Spital, zum anderen eine futuristisch wirkende riesige Anlage namens „gratte-ciel de la douleur“, wo, barocker Schnörkel, ein als Tod verkleideter Animateur die Kranken unterhält (25-28 u. 79). Von Seiten der Autoren wird keineswegs die Notwendigkeit des (architektonischen) Fortschritts bestritten, jedoch gilt ihre Kritik der inhumanen Umsetzung ursprünglich progressiver Ideen, die freilich ins Absurde kippten. Brüsel, ein Comic-Album, dessen Aufmachung u.a. mit der Einteilung in Kapitel ein Buch imitiert, ist ein postmodernes Comic-Opus, das unentwegt mit Anspielungen, Zitaten und Verweisen operiert. Insbesondere Negativ-Utopien des 19. und 20. Jahrhunderts, 1984 von George Orwell und vor allem der 1863 geschriebene und erst mehr als hundert Jahre später entdeckte Roman Paris au XX e siècle von Jules Verne, den François Schuiten mit Illustrationen versah, dienen neben Das Schloß von Franz Kafka als wichtigste Prätexte. Ein weiteres Beispiel der hier auf die Spitze getriebenen Kunst der (teils auch visuellen) Intertextualität sind die Gemeinsamkeiten zwischen dem Kunstblumenhändler Abeels und Charles Baudelaire, die das Interesse an Stadtgestaltung, ein ambivalentes Verhältnis zu Brüssel sowie exzentrische Liebesaffären einschließen und bis zu einer gewissen physischen Ähnlichkeit reichen (vgl. 12). Dem im besten Sinne synkretistischen Anspruch genügend, deckt die gezeigte Architektur Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 39 alle Epochen ab, ausgehend von der Gotik über den Art nouveau und den Art déco der Zwischenkriegszeit bis zum International Style. Mit den mitten durch die Wolkenkratzer hindurchführenden Straßen nehmen die Autoren unverkennbar Anleihen bei Fritz Langs Film Metropolis (1927); ebenso absichtlich erinnern die Hochhäuser an die gigantomanische Stadtumgestaltung totalitärer Systeme. Entstanden an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, übernimmt das Album das Leiden an der unbefriedigenden bis bedrohlichen eigenen Epoche, das in Belgien die Romantik, Symbolismus und Surrealismus und die École belge de l’étrange umtreibt, und transponiert es in eine seltsam stilisierte überzeitliche Gegenwart, eine gleichsam ewig währende Moderne mit der Anmutung eines Alptraums. Die hier gerade mit Bildern so erbittert geführte Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit setzt auf sehr belgische Art als schärfste Waffen die groteske bis surreale Verfremdung und den Eskapismus ein - und steht damit in der besten amimetischen Tradition des Landes. Das dem Leser so merkwürdig vertraut erscheinende Brüsel zieht auf virtuos-ludische Weise die, so ist anzunehmen, vorläufige Summa der amimetischen belgischen Literatur und Kunst, dazu gehören: die derbe Komik De Costers, die Hospitäler und loci amoeni Maeterlincks, die visuelle Poesie Magrittes, die anarchistische Exzentrik Ghelderodes, die pseudo-kleinbürgerliche Welt Jeans Rays samt den ins Unendliche geweiteten Perspektiven von Malpertuis. Brüsel, die „cité obscure“ schlechthin und Projektionsfläche für Träume und Alpträume, ist eine weitere, wieder perfekte Ausformung des unverändert lebendigen „Bruxelles surréaliste“. Amos, Thomas (2007): A Sulphurous Time: Les contes du whisky by Jean Ray, a Translation of ‘les années folles’, in: Nathalie Aubert / Pierre-Philippe Fraiture / Patrick McGuiness (Hg.) (2007): From Art Nouveau to Surrealism. Belgian Modernity in the Making. London, S. 78-94. — (2006): Architectura cimmeria. Manie und Manier phantastischer Architektur in Jean Rays Malpertuis. Heidelberg. — (2005): „Von Brügge nach Innsmouth. Topos und Topographie der toten Stadt bei Rodenbach und Lovecraft“, in: Thomas le Blanc / Bettina Twrsnick (Hg.) (2005): Die phantastische Stadt. Wetzlar, S. 157-181. — (2003): „Le diable en Belgique 1939-1945. Quelques portraits en pied peints par Ghelderode et Ray“, in: lendemains 110/ 111, S. 84-98. Baronian, Jean Baptiste (Hg.) (1984): La Belgique fantastique. Avant et après Jean Ray. Bruxelles. Baronian, Jean Baptiste / Levie, Françoise (1981): Jean Ray. L’archange fantastique. Paris. Baronian, Jean Baptiste (1978): Panorama de la littérature fantastique de langue française. Paris. Thomas Amos 40 Breton André (1988): Œuvres complètes, Vol. I. Edition établie par Marguerite Bonnet avec, pour ce volume, la collaboration de Philippe Bernier, Etinne-Alain Hubert et José Pierre. Paris. Briot, Murielle (Hg.) (1995): Jean Ray / John Flanders. Bruxelles. Bussy, Christian (1972): Anthologie du surréalisme en Belgique. Paris. Colin, Micheline / Lust, Jacques (1998): „La Fidelité des mots“, in: Giselle Ollinger- Zinque / Frédéric Leen (1998): René Magritte 1898-1967. Bruxelles, S. 321-327. Ensor, James (1999): Mes écrits ou les suffisances matamoresques. Choix de textes et lecture établis par Hugo Martin. Bruxelles. Francis, Jean (1968): L’éternel aujourd’hui de Michel de Ghelderode. Bruxelles. Ghelderode; Michel de (2001): Sortilèges. Bruxelles. — (1999): Don Juan. Bruxelles. Gorceix, Paul (2006): Maurice Maeterlinck: Du mysticisme à la pensée ésotérique. Essai. Paris. Herp, Jacques van (1995): „La quatrième dimension“, in: Murielle Briot (1995): Jean Ray / John Flanders. Bruxelles, S. 111-116. Huftier, Arnaud (2010): Jean Ray, l’alchimie du mystère. Paris. Jarry, Alfred (1972): Œuvres complètes. Textes établies, présentés et annotés par Michel Arrivé. Paris. Juin, Hubert (1972): Ecrivains de l’avant-siècle. Paris. Kiesel, Frédéric (1995): Thomas Owen: Les pièces du Grand Malicieux. Ottignies. Lautréamont / Germain Nouveau (1970): Œuvres complètes. Textes établies, présentés et annotés par Pierre-Olivier Walzer. Paris. Lysøe, Eric (Hg.) (2003-2005): Littérature fantastique. Contes réunis et présentés par Eric Lysøe. Belgique, Terre de l’étrange. Tome I. 1830-1887; Tome II. 1887-1914; Tome III. 1914-1945. Bruxelles. Maeterlinck, Maurice (1980): Œuvres. Quinze Chansons. Les Aveugles. L‘Intruse. Serres chaudes. Bruxelles. Magritte, René (1994): Les mots et les images. Préface de Jacques Lennep, lecture de d’Éric Clémens. Bruxelles. Mallarmé, Stéphane (1945): Œuvres complètes. Texte établi et annoté par Henri Mondor et G. Jean-Aubry. Paris. Ollinger-Zinque, Giselle / Leen, Frédéric(1998): René Magritte 1898-1967. Bruxelles. Owen, Thomas (1994-1998): Œuvres complètes. Bruxelles. Paque, Jaennine (1989): Le Symbolisme belge. Bruxelles. Parsell, David B. (1993): Michel de Ghelderode. New York. Quaghebeur, Marc (1998): Balises pour l’histoire des lettres belges. Bruxelles. Raspe, Paul (1998): „Les partitions illustrées de René Magritte“, in: Giselle Ollinger- Zinque / Frédéric Leen (1998): René Magritte 1898-1967. Bruxelles, S. 296-307. Ray, Jean (1963-1966): Œuvres complètes, Vol. I-IV. Paris. Rimbaud, Arthur (1972): Œuvres complètes. Edition établie, présentée et annotée par Antoine Adam. Paris. Rodenbach, Georges (1986): Bruges-la-Morte. Bruxelles. Schneider, Marcel (1964): La littérature fantastique en France. Paris. Schuiten, François / Peeters, Benoît (1992): Brüsel. Bruxelles. Soncini Fratta, Anna (1996): Thomas Owen, le fantastique de la belgité. Bologna. Toussaint, Françoise (1986): Le surréalisme belge. Bruxelles. Praeliminarien zu einer Geschichte der amimetischen frankophonen Literatur Belgiens 41 Truchaud, François / Van Herp, Jacques (1980): Jean Ray. Cahiers de l’Herne 38. Paris. Vandromme, Paul (2001): Michel de Ghelderode, la Flandre espagnole. Lausanne. Vuijlsteke, Marc (1980): „Les univers intercalaires de Jean Ray“, in: François Truchaud / Jacques van Herp (1980): Jean Ray. Cahiers de l’Herne 38. Paris, S. 234- 248. Jana Náprstková-Dratvová De l‘extrême conscience à la naïveté du regard : Rodenbach, Verhaeren, Maeterlinck et les racines symbolistes du surréalisme belge Dans l’avant-propos de son ouvrage intitulé L’activité surréaliste en Belgique Marcel Mariën note : « Il est […] absurde de supposer que les poètes belges du XIX e siècle aient eu une influence sensible sur Nougé, Goemans ou Lecomte, à l’exception sans doute de […] Max Elskamp et de Maeterlinck des Serres chaudes » (Mariën: 1979, 11). Notre but n’est donc pas de vouloir chercher un lien direct entre les auteurs concrets apparentés au symbolisme et les surréalistes ; nous prenons pour objectif de simplement élucider la façon dont la poétique symboliste belge a préparé la sensibilité esthétique de la fin du XIX e siècle, afin d’accueillir les idées du modernisme et ensuite celle du surréalisme belge. Germanisme - latinisme Pour pouvoir saisir le lien de continuité entre le surréalisme et le symbolisme belges, il faut tout d’abord évoquer le trait principal qui relie les deux conceptions esthétiques, moins par leur proximité chronologique que par leur parenté nationale. Il s’agit de l’opposition par rapport à ce que Jacques Rivière caractérise, en parlant du symbolisme français, comme « l’art de l’extrême conscience, l’art des gens qui savent terriblement ce qu’ils pensent, ce qu’ils veulent, ce qu’ils font » (Rivière: 1913, 749). Aux yeux de Maeterlinck, qui décrit à merveille dans ses écrits théoriques la séparation entre le « Germanisme » et le « Latinisme » (cf. Maeterlinck: 1999, 169), la recherche de la vérité à travers l’art ne peut jamais s’opérer par la raison, propre à l’esprit latin, mais uniquement en gardant son instinctivité et sa spontanéité : Les Français ne semblent porter aux choses, qu’un intérêt de convention et de politesse, et c’est pourquoi ils n’ont jamais découvert, et ne se sont jamais intéressés, comme des enfants, (à la manière des Germains) ce qui est la seule manière dont les hommes de génie s’intéressent aux choses, ils ne se sont jamais intéressés aux mille positions des êtres, à leurs formes, à leur silhouette, à leur proportions, à leur combinaisons. A tout ce que ces ensembles extérieurs pouvaient produire d’étrange, de complexe, d’inattendu et de pensées virtuelles […]. (Maeterlinck: 1999, 178, « Cahier bleu ») Rodenbach, Verhaeren, Maeterlinck et les racines symbolistes du surréalisme belge 43 Pour Maeterlinck, une seule chose importe, c’est de garder de la naïveté et de l’humilité dans le regard. Ce n’est pas seulement une attitude esthétique ; il s’agit de toute une façon de voir la réalité, qui mène Maeterlinck à prêcher un art de la continuité, de la fraternité des idées, de l’unité de l’idée et de l’action telle qu’elle est dictée à un homme primitif qui n’est pas ligoté par mille petits liens de civilisation. Car « le sauvage est bien plus sûr que nous de son identité » (Maeterlinck: 1999, 185, « Menus propos »). Et si l’homme ne se trompe pas sur son identité, « pourquoi ne saurait-[il] pas l’avenir ? L’avenir n’est que la conscience de [son] identité » (Maeterlinck: 1999, 185 « Menus propos »). Une confiance illimitée en la raison et par là-même, en la connaissance, semble inacceptable également à Paul Nougé qui dit : « la connaissance suppose un certain état, une manière d’immobilité de l’esprit, et à la limite une sorte de contemplation de soi-même » (Nougé: 1980, 109, « La Solution de continuité »). Nougé, pour qui l’art se confond avec la vie, et la vie avec l’action, refuse l’immobilité découlant de la séparation qui se fait à chaque fois quand la connaissance entre en relation avec l’observation : « Au plus vif du mouvement, il échappe au mouvement. L’homme qui connaît se dédouble. Il s’arrête. Il s’immobilise » (Nougé: 1980, 109, « La Solution de continuité »). L’observation passive est impossible à celui pour qui « l’action est la condition essentielle de la « vie ». Il s’agit de vivre - donc agir. J’agis - donc je suis » (Nougé: 1980, 110, « La Solution de continuité »). Activité de l’esprit et moyen d’expression La conception de l’art, qui se confond avec la vie, est aussi celle de Tristan Tzara qui dénonce toute poésie se limitant à « exprim[er] uniquement soit des idées soit des sentiments » (Tzara: 1975, 9, « Essai sur la situation de la poésie »), parce que c’est la poésie de ceux qui ne se doutent pas « qu’en dehors de l’exprimable et de l’exprimé, de la raison, un sens du merveilleux, encore inexploré, pouvait exister » (9). Tzara se réfère aux pré-romantiques et aux romantiques en tant que prédécesseurs du surréalisme et approuve ainsi la continuité de l’esprit germanique là, où l’art déborde dans tous les autres domaines de la vie humaine. Tzara établit l’opposition entre la « poésie-moyen d’expression » et la « poésie-activité de l’esprit », cette dernière servant à « transposer la poésie dans la vie quotidienne, tendance qui, inconsciemment, impliquait l’idée que la poésie pouvait exister en dehors du poème » (Tzara: 1975, 12, « Essai sur la situation de la poésie »). Puisque nous parlons littérature, revenons au poème qui ne pourra jamais se passer des mots, ne serait-ce qu’en tant que sonorités. Comme « nous pensons en paroles » (16), il sépare deux façons de penser et donc de parler. D’un côté se Jana Náprstková-Dratvová 44 situe le penser dit « dirigé », qui est logique et sert à communiquer avec le milieu à but adaptatif et constructif. D’un autre côté le penser « non-dirigé », associatif ou hypologique [qui] se détourne (de la réalité), libère des désirs subjectifs et reste absolument improductif, réfractaire à toute adaptation. Ce penser consiste en un enchaînement, en apparence arbitraire, d’images : il est supra-verbal, passif, et c’est dans sa sphère que se placent le rêve, le penser fantaisiste et imaginatif ainsi que les rêveries diurnes. Le penser dit non dirigé domine l’ensemble des phénomènes humains improprement appelé la mentalité primitive […]. (Tzara: 1975, 16, « Essai sur la situation de la poésie ») Retour aux sources par la naïveté La « mentalité primitive » est exigée par Maeterlinck là où il revendique le retour à la naïveté, tout comme Nougé qui cherche « un moyen nouveau qui nous ferait rejeter l’écriture au second plan et peut-être l’abandonner en raison de son efficacité par trop limitée » (Nougé: 1980, 106-107, « La Solution de continuité »). C’est pour cette raison qu’il n’accepte pas l’automatisme psychique de Breton, qui aspire à dévoiler « soit verbalement, soit par écrit, soit de toute autre manière, le fonctionnement réel de la pensée » (Breton: 1924), et qui reste donc toujours fatalement fondé dans la croyance que le langage peut traduire un état psychique. La stagnation de l’idée enfermée soit par un choix minutieux du mot, soit par l’expression automatique, qui ne peut pas passer outre la référentialité inévitable du langage, contredit celui qui désire retourner « à la source originelle, essentielle et primitive, en s’éloignant de la source artificielle latine » (Maeterlinck: 1999, 172, « Cahier bleu »). C’est donc là où aboutit la « recherche d’un moyen nouveau ». Ce nouveau, c’est le retour à la naïveté du regard de l’enfance, dominé par l’émotion pure, à laquelle aussi la poésie aspire. Et ce n’est que dans ce regard que seulement l’émotion peut se trouver, épurée de toute influence de culture et de cliché. Le « moyen nouveau », c’est l’usage nouveau de la langue qui fait disparaître la valeur référentielle du mot isolé en faveur de la valeur métaphorique et symbolique d’un ensemble de signes où le premier sens des mots se perd et ouvre une couche supplémentaire de signification à tout l’ensemble. Picturalité La force évocatrice de ces éléments passe surtout par la picturalité de leur côté visuel. Par les éléments visuels, le poète réussit à passer en quelque sorte à travers le mot et à se débarrasser ainsi du cliché contextuel et culturel qui déforme sa signification primitive. Se servant de la première couche Rodenbach, Verhaeren, Maeterlinck et les racines symbolistes du surréalisme belge 45 référentielle du mot, le poète dépasse l’évidence illusoire, et s’élève vers une image dont la signification symbolique se situe au-delà du texte, dans chaque expérience individuelle vécue pendant la lecture. Maeterlinck affirme qu’« il faut vivre, souffrir, être heureux et mourir dans l’image » (Maeterlinck: 1999, 183, « Cahier bleu »). La lecture n’est pas un geste passif de perception, mais une activité créatrice « destiné[e] à contraindre le lecteur à plus d’effort qu’il n’est accoutumé » (Bussy: 1979, 18) et qui amène l’individu à accéder par cette nouvelle expérience unique à un peu plus de sa propre identité. Aux yeux des symbolistes belges, ceci est la seule façon possible de provoquer une véritable émotion chez l’autrui. Elle ne peut pas être décrite ou simplement transférée un tant que telle d’un individu à l’autre. L’importance du rôle de l’image dans l’esthétique surréaliste belge est incontestable. De nombreux essais de Nougé sont consacrés à la picturalité et notamment à la notion de l’objet ; bien qu’ils soient destinés en premier lieu à aborder la peinture, l’envergure de la conception esthétique s’étend audelà du média utilisé par l’artiste. Qu’il s’agisse de la peinture ou de la littérature, l’objet reste toujours au centre de l’attention de l’artiste surréaliste belge. Isolement de l’objet Pour arriver à saisir l’objet, dans son essence, l’artiste passe par ce qui a été désigné comme l’objet bouleversant 1 . Pour Nougé, l’objet acquiert sa « valeur subversive […] de la capacité d'occuper la conscience humaine au point d’en tarir le flux monotone, au point de forcer l’esprit à inventer de quoi passer outre » (Nougé: 1980, 239, « Pour s’approcher de René Magritte »). Le cliché réceptif se brise donc au moment où on arrive à dégager l’objet « non seulement de ses rapports matériels, mais aussi de ses rapports intellectuels ou affectifs normaux […] » (Nougé: 1980, 235, « Toujours l’objet »), c’est-à-dire quand on arrive à son isolement. Le regard naïf, celui qui est propre à l’enfance ou au songe, sépare l’objet en son état pur et le lecteur se rend compte ainsi que l’objet le plus banal et le plus simple comme le plus rare et le plus complexe peu[t] nous toucher de façon identique, à la manière d’une chose « jamais vue » et tout à fait mystérieuse, en un mot « incompréhensible » : une ficelle, une table, un pain, un mot, un dessin, un tableau, une action observée ou racontée, un souvenir, une idée. (Nougé: 1980, 235-236, « Toujours l’objet ») Nougé souligne ce qui sera décisif pour saisir le rapport entre le surréalisme et le symbolisme : qu’« isolé, le charme d’un objet est en raison directe de sa 1 L‘expression utilisée par Nougé et mise en œuvre notamment par Magritte. Jana Náprstková-Dratvová 46 banalité » et que « la puissance subversive d’un objet isolé est en raison directe de l’intimité des rapports qu’il entretenait jusque-là avec notre corps, avec notre esprit, avec nous-mêmes » (Nougé: 1980, 239, « Pour s’approcher de René Magritte »). Par l’isolement d’un objet banal, vu par un regard naïf qui passe en dehors de la raison et de la langue, celui-ci acquiert une valeur neuve lui permettant d’entrer en contact direct avec la sensibilité profonde du lecteur. Le surréalisme et le symbolisme belges favorisent l’ingénuité de la sensation visuelle directe et la transfèrent également dans la poésie. La langue est donc au premier regard fort marquée par la référentialité, mais l’artiste garde à l’esprit le fait que le langage reste toujours imposteur dans la mesure où il a dû être appris et ne peut que passer à travers la conscience. Pour que la perception du mot reste parfaitement spontanée et donc vraie, le mot n’a qu’une valeur évocatoire de quelque chose qui se présentera au lecteur à un deuxième ou troisième niveau de relecture. La signification référentielle du mot s’estompe en faveur de sa forme sonore et rythmique inarticulée, telle qu’elle se trouve, par exemple, dans un simple cri. Si l’artiste surréaliste détache l’objet quotidien de son contexte usuel et le place dans d’autres circonstances pour souligner sa valeur propre, c’est qu’il pousse plus à l’extrême le procédé de focalisation et d’isolement progressifs que les symbolistes belges ont commencé à effectuer en supprimant l’anecdote banale en faveur d’une monotonie méditative. Voyons maintenant les procédés dont les symbolistes se servent pour isoler l’objet. Brume et ombres - Rodenbach L’atmosphère brumeuse des œuvres symbolistes, tant poétiques que picturales, s’associe à la mélancolie, la monotonie et à un goût quelque peu morbide, et semblerait s’opposer au goût de l’action de Nougé. Mais ceci n’est qu’une apparence. Si les symbolistes préfèrent la monotonie au vacarme, ce n’est que pour empêcher le mouvement superficiel de détourner l’attention de la vraie activité qui s’opère au sein de l’esprit. Maeterlinck se demande à ce propos : « Est-ce que le bonheur ou un simple instant de repos ne découvre pas des choses plus sérieuses et plus stables que l’agitation des passions ? » (Maeterlinck: 1999, 488, « Le tragique quotidien ») Il rejette donc l’aventure anecdotique en faveur du « tragique quotidien […] qui est bien plus réel, bien plus profond et bien plus conforme à notre être véritable que le tragique des grandes aventures » (Maeterlinck: 1999, 487, « Le tragique quotidien »), puisque là, « il ne s’agit plus d’un moment exceptionnel et violent de l’existence, mais de l’existence elle-même » (Maeterlinck: 1999, 490, « Le tragique quotidien »). C’est pour cela que son attention se tourne vers la quiétude apparente qui pourtant se dédouble d’un drame intérieur et Rodenbach, Verhaeren, Maeterlinck et les racines symbolistes du surréalisme belge 47 sous-entendu. Le poète symboliste couvre donc le va-et-vient quotidien d’un écran de brume. Le lecteur n’aperçoit que des ombres de la réalité passer à travers la vue voilée, tantôt par la brume ou l’obscurité, tantôt par une lumière aveuglante, et ne peut que deviner selon une image imprécise les contours qui se laissent entrevoir. Les objets qui se dessinent sur le fond brumeux se complètent dans l’imaginaire du lecteur, et c’est là qu’ils trouvent leur véritable existence. Le voisinage le plus saugrenu d’objets ainsi ressuscités n’est pas différent du bric-à-brac des greniers où chaque objet est apparenté à un autre uniquement à travers l’état d’esprit de celui qui l’y avait posé. L’isolement est le premier procédé qui donne accès à une nouvelle perception épistémologique, poursuivie en deuxième lieu par la recherche active de nouvelles relations. L’objet est ainsi comme retourné à nouveau dans son état premier, comme si, enfant, on l’avait vu pour la première fois. La pose d’un écran devant les yeux de spectateur est le procédé de prédilection de Rodenbach. La vue voilée domine Bruges-la-Morte, où la brume, la bruine et l’ombre assurent l’isolement quasi parfait du héros qui ne peut se faire qu’une idée très approximative de ce qui se passe autour de lui. Le lecteur plonge dans l’ombre dès la première phrase : « Le jour déclinait, assombrissant les corridors de la grande demeure silencieuse, mettant des écrans de crêpe aux vitres » (Rodenbach: 1892, 1). La pénombre incite à la fusion de la totalité du monde extérieur en une sorte de forêt d’analogies où tout se confond entre les seuls petits espaces lumineux, destinés, eux aussi, plus à brouiller qu’à voir clair : « Dans les rues vides où de loin en loin un réverbère vivote, quelques silhouettes rares s’espaçaient, des femmes du peuple en longue mante, ces mantes de drap, noires comme les cloches de bronze, oscillant comme elles. Et, parallèlement, les cloches et les mantes semblaient cheminer vers les églises, en un même itinéraire » (Rodenbach: 1892, 148-151). Sous le charme de la fusion, la ville et ses habitants ne se séparent plus. La seule personne qui s’en détache pourtant, c’est Jane. Tout d’abord, elle aussi se présente comme une apparition, brouillée par l’obscurité des ruelles de Bruges. Éloignée, elle n’a qu’une forme vague, recréée et complétée par Hugues dans son grand désir de ressemblance avec sa femme morte ; de loin, il ne la voit pas clairement, car : « des mousselines blanches, des voiles de noce, des cortèges des Communiantes avaient brouillé ses yeux » (Rodenbach: 1892, 36-37), et même, quand elle est tout près, elle reste indistincte, rien qu’une « tache de la silhouette qui allait passer contre lui » et qui « apparaissa[it] plus nette et d’une silhouette mieux découpée chaque fois qu’elle passait devant la vitrine éclairée d’un magasin ou le halo répandu d’un réverbère » (Rodenbach: 1892, 39). Il la devine derrière les rideaux de sa maison quand la crise de jalousie l’amène à guetter devant les fenêtres, il observe « l’écran du store où passe en ombres chinoises une silhouette qu’on croit à chaque seconde voir apparaître double » (Rodenbach: 1892, 171). A Jana Náprstková-Dratvová 48 travers l’écran, Jane entre vraiment dans le for intérieur du héros. Ce n’est qu’après un contact tout proche qui ne donne plus lieu à l’imaginaire que sa chère apparition devient vulgaire et privée de tout intérêt, n’apportant que déception, de par son évidence devant les sens d’Hugues. Mais la technique rodenbachienne de brouiller la vue ne s’arrête pas là. La communion entre Hugues et la ville s’opère par un miroir polymorphe où chaque particule élémentaire de son chagrin est reflétée à l’extérieur, et au contraire, la tristesse du lieu se répercute sur son âme en deuil. L’œuvre se compose ainsi d’une multitude d’éclats d’un miroir qui ne peut donner justement qu’un reflet. Chaque répercussion modifie un peu l’image et ne renvoie qu’indirectement au fond de son moi profond. Les canaux tant de fois évoqués dans le roman et qui longent les maisons sur les quais, « mirée[s] dans l’eau » (Rodenbach: 1892, 2), ne peuvent donner qu’un reflet un peu flou et secoué à chaque petit coup de vent, notamment par la « bruine fréquente […], petite pluie verticale qui larmoie, tisse de l’eau, […] hérisse d’aiguilles les canaux planes » (13) quand Hugues flâne dans les rues et cherche « des analogies à son deuil dans de solitaires canaux et d’ecclésiastiques quartiers » (4). C’est la barrière de deuil posée entre l’âme de Hugues et le monde extérieur qui finit par refléter son émotion et créer des images multiples, mille parallèles à ce qu’il doit vivre dans sa solitude. Et le jour où l’apparition de Jane, peut-être tout aussi bien rêvée et irréelle, l’arrache de l’harmonie avec cette ville, c’est la ville qui continue de vivre le regret de sa femme. En traversant la ville, il ne s’aperçoit plus des « quais mortuaires au long desquels l’eau soupire » (74), les cloches semblaient « déjà si lointaines de lui, tintant comme en d’autres ciels… Et le trop-plein des gouttières avait beau dégouliner, le tunnel des ponts suinter des larmes froides, les peupliers du bord de l’eau frémir comme la plainte d’une frêle source inconsolable, Hugues n’entendait plus cette douleur des choses » (Rodenbach: 1892, 75). Et c’est encore le reflet de la ville qui finit par le trahir : le regard des passants anonymes, à travers les jumelles des spectateurs au théâtre, par des miroirs espions montés sur les bordures des fenêtres. Paradigmatisme - Verhaeren Le deuxième procédé, que nous allons nommer paradigmatisme, juxtapose les objets ressortis du fond brumeux. Fragmentaires par manque de liens évidents entre eux, ils constituent un tableau composé d’éléments dont la référentialité propre est quasi supprimée, mais qui fonctionnent comme des flèches pointant toutes ensemble vers un tableau complexe de ce qui ne peut pas être décrit ni autrement exprimé, mais qui doit se faire sentir en dehors de la connaissance. Tous ses éléments constituants portent donc un peu de ce tableau en eux, mais ne sont pas capables de l’évoquer entièrement. Ainsi Rodenbach, Verhaeren, Maeterlinck et les racines symbolistes du surréalisme belge 49 se forment des enchaînements de mots fraternisés par la direction dont ils essaient d’orienter l’émotion du lecteur vers un concept inexprimable par une seule expression. Verhaeren, lui aussi, voile les sens pour éviter une perception trop directe. A part la brume des villes, la vapeur des locomotives et la fumée des usines qui brouillent la vue (« le soleil clair ne se voit pas : / bouche qu’il est de lumière, fermée / par le charbon et la fumée, / un fleuve de naphte et de poix » ; Verhaeren: 1893, 8, « La Ville » ; les brumes ployées ; les yeux broyés ; le soleil noyé ; le soir reployé ; Verhaeren: 1891, 27-29, « Une heure de soir »), Verhaeren brouille la perception également au niveau sonore. En évoquant « les sifflets crus des navires qui passent / hurlent la peur dans le brouillard » (Verhaeren: 1893, 8, « La Ville ») le poète génère un environnement dans lequel la langue est abolie et la seule voix qui pénètre le vacarme reste la voix intérieure. Verhaeren supprime la perception par les deux sens les plus susceptibles d’être modifiés par la culture, la vue et l’ouïe ; le lecteur étant aveuglé et assourdi est donc renvoyé à sa vision et à sa voix intérieure dans des passages tels que : « Automatiques et minutieux, / des ouvriers silencieux / règlent le mouvement / d’universel tictacquement / qui fermente de fièvre et de folie / et déchiquette, avec ses dents d’entêtement, / la parole humaine abolie. / Plus loin : un vacarme tonnant de chocs / monte de l’ombre et s’érige par blocs ; / et, tout à coup, cassant l’élan des violences, / des murs de bruit semblent tomber / et se taire, dans une mare de silence, / tandis que les appels exacerbés / des sifflets crus et des signaux / hurlent toujours vers les fanaux, / dressant leurs feux sauvages, / en buissons d’or, vers les nuages » (Verhaeren: 1904, 153, « Les Usines »). Sur le fond bruyant ressortent pourtant des mots ou des sonorités enchaînés, qui forment de longues suites pour ne jamais exprimer, mais pour renvoyer par le paradigme d’éléments vers le concept cible. La mort est ainsi évoquée à de multiples niveaux. Verhaeren alterne entre la simple sonorité des mots (« En ces heures de soirs et de brumes ployés / Sur des fleuves partis vers des fleuves sans bornes, / Si mornement tristes contre les quais si mornes, / Luisent encore des flots comme des yeux broyés. / / Comme des yeux broyés luisent des flots encor […] » (Verhaeren: 1891, 27, « Une heure de soir ») et l’enchaînement des expressions évoquant des objets associés au thème du poème. « La mort » est ainsi évoquée à travers un long paradigme d’expressions référentiellement liées à la mort, mais cette signification reste secondaire ; le tout étant surtout de créer des axes convergents à l’aide desquels la notion très individuelle du concept concret serait peu à peu évoquée dans la vie émotionnelle de chaque lecteur différent. Tous les « larges corbillards, tambours voilés, pâles lampadaires, gros cercueils, des glas, catafalque, des faulx et des clepsydres, linceuls blancs, funérailles, enterrement, défunt, cierges, pauvres flammes, pourriture, nécropoles, etc… » (Verhaeren: 1904, 187-194, « La Mort ») représentent ainsi non pas des fragments, à Jana Náprstková-Dratvová 50 l’instar des taches indistinctes des tableaux impressionnistes ou pointillistes, mais sont une collection d’objets très précis et bien déterminés dont la véritable signification se trouve au-delà de leur sphère référentielle, dans celle de l’inexprimable par le procédé référentiel. La même structure paradigmatique se manifeste également au niveau plus général, à la composition des recueils entiers : un exemple pour tous peut être Les Apparus dans mes chemins, dont chaque poème est une évocation picturale itérative du pays de Verhaeren, de sa condition géographique qui renvoie à la monotonie, la platitude, la stagnation, l’arrêt et donc à la mort. Délocalisation - Maeterlinck Le dernier procédé que nous allons analyser, celui qui relie le symbolisme au surréalisme avec le plus d’insistance, est la délocalisation. Développée beaucoup plus par les surréalistes, cette technique est déjà utilisée dans le symbolisme là où les visions songeuses prennent pour point de départ un objet bien cerné, mais isolé et juxtaposé de façon inédite à un autre. Le récepteur est ainsi amené à chercher le lien hors de la logique apparente ; parce qu’il passe outre toute possibilité d’être retrouvé passivement à travers un cliché habituel, ce lien est activement créé comme une source nouvelle de découverte à travers l’identité individuelle. Dans son œuvre poétique, Maeterlinck utilise la délocalisation à plusieurs niveaux. Son jeu avec la langue témoigne d’un côté d’une grande foi en sa capacité évocatoire, mais, d’un autre côté, d’une méfiance très forte vis-à-vis de chaque mot en particulier. Pour saisir une impression, une émotion ou un concept trop abstrait pour qu’il puisse être simplement nommé ou décrit, Maeterlinck se sert justement de la technique de délocalisation. Au niveau lexical, il continue dans la lignée de l’héritage baudelairien du spectacle polysensoriel et construit des images synesthétiques, telles que « songes lilas, ennui bleu, sanglot glauque, glauques tentations, flammes végétales », et des mini-scènes évocatrices du renversement de l’ordre habituel : « les pensées d’une princesse qui a faim » ; « l’ennui d’un matelot dans le désert » (Maeterlinck: 2010, 57, « Serre chaude ») ; « un vagabond sur le trône » (60, « Cloches de verre ») etc., etc… Mais la délocalisation se manifeste également dans la structure des dialogues, desquels la cohérence logique traditionnelle semble s’être évaporée. Les énoncés explicites, juxtaposés de façon à ce que la ligne anaphorique soit brisée au premier plan, semblent se suivre davantage sur une ligne implicite, qui prend son sens dans la symbolique globale de l’ensemble de toute la situation extralinguistique de l’énoncé. Des séquences telles que : « Tu ne partiras pas ? … - Je vois une rose dans les ténèbres… » (Maeterlinck: 1990, 36) ; « Quel âge avez-vous ? - Je commence à avoir froid… » (16) ; « Je ne Rodenbach, Verhaeren, Maeterlinck et les racines symbolistes du surréalisme belge 51 dormirai pas avant d’avoir la bague. - Je ne suis pas heureuse ! … » (28) n’expriment pas l’impossibilité de la communication entre les êtres humains ; elles soulignent uniquement la nécessité de passer à un niveau de communication plus profond où le sens premier des mots doit être aboli en faveur du questionnement sur l’énoncé lui-même plutôt que sur la recherche des réponses logiques et prévisibles. Dans la même optique, on trouve également la communication paradoxale par le silence ; c’est lui qui rapproche les amants plus que toutes les paroles : « Comme on est seul ici… On n’entend rien. - Il y a toujours un silence extraordinaire. On entendrait dormir l’eau… » (Maeterlinck: 1990, 22) Et puis Mélisande sur son lit de mort : « Que dis-tu ? Je ne te comprends pas… - Je ne comprends pas non plus tout ce que je dis, voyez-vous… Je ne sais pas ce que je dis… Je ne sais pas ce que je sais… Je ne dis plus ce que je veux… » (Maeterlinck: 1990, 65). Il peut paraître paradoxal que dans une telle mystification de la parole, ce soit précisément sur le mot que notre attention se pose. Disons avec Christian Lutaud que : [d]es mots comme « clarté », « navire », « chevelure », sous la plume de Maeterlinck et dans la bouche des personnages, ont une puissance d’évocation incommensurable ; ils déclenchent tout un processus onirique, alors même que ce sont des mots de tous les jours. (Lutaud in: Maeterlinck: 1990, 95) La délocalisation énonciative concerne aussi les situations où le même énoncé est multiplié à tel point que, par son écho seulement, la notion désirée fait vibrer le concept dans l’esprit du récepteur. Le même mot trop de fois répété commence à prendre une signification plus profonde, se décompose d’abord en une suite de sons insignifiants pour se recomposer par la suite dans la conscience du lecteur en un concept directement incommuniquable et indescriptible. Ainsi Pelléas ne veut dire à Golaud que : « La vérité, la vérité, la vérité » (Maeterlinck: 1990, 24) ; et plus loin quand les amants sont surpris par Golaud : Va-t’en, va-t’en tout de suite par ici […] - Non, non, non ! … - Va-t’en, va-t’en ! […] Il nous tuera ! … - Tant mieux ! tant mieux ! tant mieux ! … - Il vient ! il vient ! … Ta bouche ! … Ta bouche ! … - Oui ! … oui ! … oui ! … - Oh ! oh ! Toutes les étoiles tombent ! … - Sur moi aussi ! sur moi aussi ! … - Encore ! Encore ! … donne ! donne ! … - Toute ! toute ! toute ! … (Maeterlinck: 1990, 58-59) Conclusion La situation chronologique et géo-culturelle du symbolisme et du surréalisme belges ne saurait à elle seule expliquer la proximité de ces deux courants esthétiques. Il s’agit bien plus d’une véritable fraternité philosophique ; le surréalisme belge développe et pousse à l’extrême le questionnement sur le pouvoir épistémologique du signe en tant que tel, qu’il s’agisse du mot, de Jana Náprstková-Dratvová 52 l’image ou du son. La nécessité de passer outre les mécanismes communicationnels, qui débilitent la richesse interprétative en faveur d’un transfert pragmatique de l’information codée par un langage référentiel, le symbolisme, et après lui le surréalisme, préfère voiler l’objet désigné pour en multiplier le sens. Mais l’objet peut se voiler de plusieurs façons différentes. Comme on l’a vu, l’écran posé entre l’objet et le récepteur suscite un effort interprétatif au même titre que le regard direct sur un objet bien déterminé, mais posé dans un contexte inhabituel, qui brise toute compréhension mécanique, fait basculer sa signification et amène le lecteur à l’ouverture d’un multiple questionnement, à la communication avec le texte et, par le texte, avec lui-même. Breton, André (1924): « Manifeste du surréalisme », in: André Breton (1924): Poisson soluble. Paris. Bussy, Christian (1972): « Entretien de Christian Bussy avec Marcel Mariën », in: Christian Bussy (1972): Anthologie du surréalisme en Belgique. Paris. Jung, Carl Gustav (1973): « Les deux modes de la pensée », in: Carl Gustav Jung (1973): Métamorphoses de l’âme et ses symboles. Genève, pp. 52-87. Maeterlinck, Maurice (1999): Œuvres I, Édition de Paul Gorceix, Bruxelles [Complexe]. — (1990): Pelléas et Mélisande. Suivi d’une lecture de Christian Lutaud. Bruxelles. — (2010): Œuvres I, Édition de Paul Gorceix, Bruxelles [André Versailles]. Mariën, Marcel (1979): L’activité surréaliste en Belgique : 1924 - 1950, Bruxelles. Nougé, Paul (1980): Histoire de ne pas rire, Lausanne. Rivière, Jacques (1913): « Le Roman d’aventure », in: Nouvelle Revue Française, n o 53, pp. 748-765. Rodenbach, Georges (1892): Bruges-la-Morte, Paris. Tzara, Tristan (1975): Œuvres complètes V, Paris. Verhaeren, Émile (1891): Les Apparus dans mes chemins. Bruxelles. — (1893): Les Campagnes hallucinées. Bruxelles. — (1904): Les Villes tentaculaires. Paris. Annette Runte Des béguines mystériques. Traces surréalistes chez Georges Rodenbach « Miracle presque effrayant d’une ressemblance qui allait jusqu’à l’identité » (Rodenbach) « […] un génie presque unique » (Mallarmé) Dans l’œuvre du symboliste belge, Georges Rodenbach (1855-1898), poète des villes mortes, le sujet du béguinage, qu’il introduisit dans la littérature francophone (Maes: 1952, 294), est omniprésent. Dans ce cas présent, ce thème dont Heine s’empara déjà pour une mascarade satirique 1 surgit tout d’abord dans un recueil lyrique d’inspiration baudelairienne, La jeunesse blanche (1886), puis constitue le cadre du roman célèbre Bruges-la-Morte (1892) et se remanifeste ensuite aussi bien dans une pièce dramatique (Le Voile 1894) que dans un certain nombre de poèmes (Les vies encloses 1896) et de nouvelles (Le Rouet des brumes, posthume 1901), afin de dominer la prose romanesque tout entière, de l’Art en exil (1888) jusqu’au Carilloneur (1897). Rodenbach, élevé à Gand dans une famille aisée, connaissait le milieu des béguines dès son enfance, vénérant ce type de nonnes séculaires en tant que substitut de ses deux propres sœurs qu’il avait perdues très tôt. Son recueil de récits brefs, Musée de Béguines (1894), se présente comme une suite de « natures mortes », ponctuée par une série d’intermèdes portant sur la vie retirée et charitable des femmes « recluses » vivant en communauté quasireligieuse. L’ordre laïque qui existait depuis le Moyen Âge (Liège 1180), surtout en Flandres, permit aux vierges et aux veuves de choisir une « troisième voie » au-delà de l’alternative exclusive entre mariage et cloître 2 . En se penchant sur cette légende, l’ami de Mallarmé (cf. Ruchon: 1949) qui, de son côté, appréciait fort ces poèmes en prose, laissa des traces d’un style qu’on pourrait qualifier de (pré-)surréaliste, aussi bien au niveau de la rhétorique d’images qu’à celui des connexions associatives « para-logiques ». Dans la tradition du romantisme allemand, le surréalisme, défini par André Breton (1924) comme « automatisme psychique » « en l’absence de tout contrôle exercé par la raison » (Breton: 1988, 328), n’idéalise pas seulement le rêve, la folie et l’amour « fou », mais s’ouvre à la logique de l’inconscient au lieu de 1 Cf. « In der Tracht der Beguinen » (Romanzero, 1851). 2 Cf. Gabrielle Suchon (1994) qui parle de femmes « neutralistes ». Annette Runte 54 se borner au « non-sens » dadaiste (Bürger: 1996, 53). 3 Par rapport au symbolisme (Theisen: 1974, 3-5), l’esprit surréaliste tend à remplacer le mystère par le hasard (71), le mysticisme par la magie du quotidien (Benjamin: 1988, 200- 202), le sens profond (Theisen: 1974, 9) par un jeu de mots arbitraire et l’écriture « symptomatique » par « l’écriture automatique ». Sous un angle poétique, les analogies et correspondances (11 et 21-22) cèdent aux images disparates, la personnification à l’allégorie au sens de Walter Benjamin (1963) mettant en scène l’abîme entre le signifiant et le signifié. Georges Rodenbach, l’auteur pourtant « modéré » d’un roman symboliste par excellence (Paque: 1989, 54-56), notamment Bruges-la-Morte, y dramatise la figure (post-)romantique du dédoublement, mais en même temps, donne à la ville, d’ailleurs féminisée, le statut du protagoniste central et anticipe partiellement quelques traits particuliers du style surréaliste dans ce texte. En m’appuyant là-dessus, j´aimerais poser une question supplémentaire portant sur les liens systématiques et historiques entre « genre textuel » et « genre sexuel ». Quels rapports existe-t-il entre l’imaginaire topologique du béguinage, en tant que « ville dans la ville », et la mise-en-scène de la différence sexuelle ? Les variations de certains leitmotive, tels que l’obsession des cheveux ou le clivage du féminin, forment un réseau d’indices symptomatiques qui ne renvoie pas seulement à la littérature décadente et en particulier à son échange étroit avec les discours médicaux de l’époque, mais aussi au rôle important que l’aliénation mentale jouait pour le mouvement surréaliste. Dans ma contribution, je me propose d’examiner les parallèles entre la glorification esthétique de l’hystérie, c’est-à-dire d’un phénomène clinique, d’une part, et de l’idéalisation morale du béguinage, c’est-à-dire d’un phénomène religieux historique, d´autre part. En mystifiant justement la tradition mystique dans laquelle s’inscrivent les célèbres béguines comme Hadewige d’Anvers, Rodenbach crée un nouveau mythe, mettant en scène les béguines ordinaires comme des hystériques modernes. Après un bref regard sur le « roman de l’analogie » (Michelet Jacquod: 2008, 79) qu’évoque l’économie narrative et sémantique de Bruges-la-Morte, l’analyse textuelle portera sur le recueil Musée de Béguines, non seulement dans le contexte culturel du « Réveil catholique », mais surtout par rapport à l’éclosion d’un nouveau genre littéraire situé entre le biographique et le fictionnel, voire le fantastique, prenant comme exemple les Vies Imaginaires (1894) de Marcel Schwob. L’ambiguité entre la position mystique et la position hystérique, exprimée dans le néologisme féministe « mystérique » (Irigaray: 1974, 238-240), pose la question de savoir quelles corrélations se constituent entre le « genre sexuel » et le « genre textuel » dans une perspective généalogique, notam- 3 Je ne peux pas détailler ici les rapports difficiles entre le programme esthétique et le programme politique dans l’historie du mouvement surréaliste français. Des béguines mystériques. Traces surréalistes chez Georges Rodenbach 55 ment celle de l’héritage symboliste du surréalisme. Si le psychanalyste Jacques Lacan attribue « l’amour extatique » (Lacan: 1975, 70) des mystiques, dont Rodenbach fait l’éloge, au « plus-de-jouir » féminin, la féministe Catherine Clément dévie la figure moderne de l’hystérique castratrice, fascinant tant les surréalistes, dans la figure beaucoup plus archaïque de la sorcière persécutée, les deux transgressant la « loi du père » (Clément: 1975, 103). 1. Leurre de la ressemblance: Le béguinage comme garde-fou de la cité Si les « œuvres narratives organisent des histoires distinctes autour des mêmes thèmes-clefs », par exemple la mélancolie des villes gothiques morbides, Bruges-la-Morte, le livre le plus populaire de Rodenbach, rassemble tous ses sujets d’élection, plongés dans l’imagerie « aquatique » de « l’eau recluse » (Paque: 1989, 64). Le mariage idéal y est défini « comme les quais parallèles d’un canal qui mêle » (Bruges-la-Morte, 2) les reflets des deux époux. L’alchimie des mots répond à l’atmosphère des lieux de manière parfois impressionniste. Bien que ce roman, inspiré par les « correspondances baudelairiennes » et la « théorie de la suggestion mallarméenne » (Michelet Jacquod: 2008, 79), renoue « épisodiquement avec certaines pratiques réalistes ou même naturalistes » (Paque: 1989, 55), il est basé sur un système complexe de procédures analogiques à tous les niveaux textuels. Comme Paul Gorceix (1985) l’a montré, le « roman de l’analogie » se construit « sur le principe d’une correspondance des mots entre eux, des séquences du récit entre elles, […] doublé par un réseau de correspondances thématiques » de sorte que tout « se réverbère et se diffracte en conservant l’illusion […] d’un texte ‹ bouclé › […] dans sa propre clôture fictionnelle » (cf. Michelet Jacquod: 2008, 80). Au fur et à mesure que l’illusion se transforme en mensonge, l’hallucination en leurre et la ressemblance en simulacre, le héros se trouve captif d’un univers ambivalent, déterminé par le « démon de l’analogie » (Bruges-la-Morte, 64). Retiré à Bruges depuis la mort de sa femme, Hugues Viane, qui se voue à un culte mélancolique de la défunte, la retrouve par hasard dans l’apparence « presque identique » (Brugesla-Morte, 68) d’une danseuse, Jane Scott, qui devient sa maîtresse et le trompe autant qu’il est trompé par l’effigie de ce sosie. Car la cocotte, dont il chérit le portrait vivant « le plus ressemblant de la morte » (Bruges-la-Morte, 106), dévoile cependant des traits de caractère contraires à ceux de l’épouse disparue, notamment une vulgarité insupportable, accentuée par le travestissement en « copie originale », et un matérialisme sans bornes. Au clivage du féminin selon le schéma habituel « madone versus putain » correspond un ego masculin fragilisé par la désillusion témoignant de la fonction imaginaire en tant qu’ordre de l’équivalence et de l’opposition. La reconnaissance Annette Runte 56 s’avère être toujours déjà une méconnaissance. Le « miracle presque effrayant d’une ressemblance qui allait jusqu’à l’identité » (italiques GB ; Bruges-la- Morte, 33) « totale » (Bruges-la-Morte, 40), ce qui fait que le veuf ne trouve « nulle différence entre sa femme ancienne et la nouvelle » (Bruges-la-Morte, 64), cède à une première déception, la découverte d’une « distance » infime (et infâme) entre l’une et l’autre (Bruges-la-Morte, 153), ce qui dérange l’« oubli » (Bruges-la-Morte, 108) de la mort(e). L’homme qui avait cru que l’objet perdu, analogue aux anciennes villes « en agonie », « lui était rendu » (Bruges-la-Morte, 34), se confronte à « l’illusion de sa morte retrouvée » (Bruges-la-Morte, 67). Ce qui l’intéresse au fond est moins de regagner la bien-aimée, mais d’abolir la mort. « Il cherchait dans » le « visage » de l’actrice « la figure de la morte », « presque identique » (italiques GB ; Brugesla-Morte, 68). « Or la mort ici n’avait été qu’une absence, puisque la même femme était retrouvée » (Bruges-la-Morte, 70), et celle qui l’incarnait « lui apparaissait comme la morte plus ressemblante » (Bruges-la-Morte, 35). La structure paradoxale insinue qu’Hugues est peut-être « effrayé » - terme redondant - du fait d’être trop comblé. En dessous de la dialectique entre identité et différence, Rodenbach, propagateur de Schopenhauer en Belgique (cf. Berg: 1982), ne réduit pas seulement le problème philosophique au fait psychologique, mais fait allusion à une forclusion de la finitude sur le plan imaginaire: «Oubli total ! Recommencements ! […] Et il semble que, vivant, on vive déjà d’éternité ! » (Bruges-la-Morte, 72) Si tout ce que « désirait » l’anti-héros, « était pouvoir éterniser le leurre de ce mirage » (Bruges-la- Morte, 76), la raison pour laquelle le héros tombe dans la folie à la fin du roman paraît moins due au meurtre de la danseuse qu’il commet qu’à l’incapacité du meurtrier de distinguer entre les deux femmes trépassées, « unique visage de son amour » (Bruges-la-Morte, 272). Ce brouillage de la fonction symbolique s’exprime au moyen d’une ville anthropomorphique à laquelle le veuf s’identifie dès le départ. Pour lui, « à l’épouse morte, devrait correspondre une ville morte ». « Bruges était sa morte. Et sa morte était Bruges » (Bruges-la-Morte, 18-19). La ville peut être érigée en « personnage essentiel » dans cette « étude passionnelle » 4 , parce que le narrateur établit une correspondance entre l’atmosphère du lieu et l’humeur du personnage qui y vit, en identifiant les deux à l’aide de « muettes analogies » (Bruges-la-Morte, 171) : « Toute cité est un état d’âme, et d’y séjourner à peine, cet état d’âme se communique, se propage en nous en un fluide qui s’inocule et qu’on incorpore avec la nuance de l’air» (Brugesla-Morte, 172). Selon une lecture psychanalytique, par contre, la métaphysique néo-platonicienne cache l’asymétrie constitutive entre l’introjection, en tant qu’identification symbolique, et la projection, en tant que fantasme imaginaire (cf. Lacan: 1966, 655), deux processus hétérogènes que la voix du 4 Ainsi dans la préface de Rodenbach (Bruges-La-Morte, p. I ). Des béguines mystériques. Traces surréalistes chez Georges Rodenbach 57 texte égalise de façon jubilatoire : « Pénétration réciproque de l’âme et des choses! Nous entrons en elles, tandis qu’elles pénètrent en nous ! » (Brugesla-Morte, 171) Quoique, depuis le Moyen Âge, la ville se présente comme une métaphore du féminin, le protagoniste de Bruges-la-Morte s’identifie luimême à la cité grise et brumeuse : « Il se retrouvait le frère en silence […] de cette Bruges douloureuse, soror dolorosa » (italiques GB ; Bruges-la-Morte, 171). Le langage religieux nous ramène au sujet des béguines servant en vain de garde-fou pour un mélancolique cherchant « des analogies à son deuil dans de solitaires canaux et d’ecclésiastiques quartiers » (Bruges-la-Morte, 5). Tandis qu’il y cherche le « silence infini et […] une existence […] monotone » (Bruges-la-Morte, 18), on fait la morale au « libertin » (Bruges-la-Morte, 144), pourtant dévoué à un culte privé, celui de sa chère épouse disparue dont il conserve la « chevelure intégrale » (Bruges-la-Morte, 11) comme une relique, contemplant la « boîte de cristal où reposait la tresse nue » (Bruges-la-Mort, 12), synecdoque du corps féminin, mais aussi indice intertextuel. Car la psychopathologie positiviste de l’époque, classant la gamme large des perversions dans des taxonomies de plus en plus fines et abstruses, ne connaissait pas seulement le fétichisme des cheveux dont témoignent, entre autres, les fameux cas des « coupeurs de nattes » 5 , mais ne cessait d’inspirer un certain type de littérature décadente, la série des romans « sexologiques » d’un Armand Dubarry (1836-1910 ? ), par exemple. 6 Si la logique du fétichisme selon Freud (1927) cherche à colmater un manque qu’on expose en même temps, la double fascination de Rodenbach portant sur les cheveux, d’une part, et sur ce qui les cache, les cornettes des Béguines, d’autre part, s’y inscrit. Dans la mesure où l’ironie de l’histoire de Bruges-la-Morte consiste dans le fait que la danseuse est étranglée à l’aide d’une tresse sacrée qu’elle avait profanée, l’objet du désir devient l’instrument de sa destruction. « Elle était morte - pour n’avoir deviné le Mystère » (Bruges-la-Morte, 272). Si la condition de l’idéalisation du féminin est sa mortification dans le cadre de l’esthétique (post)romantique, Bruges-la-Morte, roman-photo commercialisé (Michelet Jacquod: 2008, 88), focalise une névrose obsessive, typiquement masculine selon Freud, qui trouvera son image inverse dans l’hystérie « mystérique » des béguines. 5 Cf. par exemple Ambroise Tardieu, Émile Laurent, Richard von Krafft-Ebing etc. 6 Que les allusions implicites et quelque peu ironiques à la psychopathologie de l’époque prennent parfois une allure métapoétique semble assez évident dans le poème de Rodenbach intitulé Strophes Blondes et dédié à Paul Bourget. Je remercie la romaniste tchèque, Jana Naprstková (voir son article dans ce recueil), d’avoir attiré mon attention sur ces vers. Annette Runte 58 2. Le Musée de Béguines : une féminité neutralisée Le chant hymnique adressé aux Béguines se rapporte et à un lieu, le « jardin des vierges », et à une forme de vie, caractérisée par le calme et la quiétude, la simplicité et l’isolement du monde, « loin de tout, et loin de soi-même » (Musée de Béguines, 21). Ainsi les nonnes laïques meublent - pour ainsi dire - leur propre existence. Dans le poème Béguinage Flamand, le regard voyeuriste focalise plus un espace de vie que ses habitantes: Au loin, le Béguinage avec ses clochers noirs, Avec son rouge enclos, ses toits d’ardoises bleues Reflétant tout le ciel comme de grands miroirs, S’étend dans la verdure et la paix de banlieue. […] Fenêtres des couvents ! attirantes le soir Avec leurs rideaux blancs, voiles de mariées Qu’on voudrait soulever dans un bruit d’encensoir Pour goûter vos baisers, lèvres appariées ! […] Rien d’impur n’a flétri leurs flancs immaculés, Car la source de vie est enfermée en elles Comme un vin rare et doux dans des vases scellés Qui veulent, pour s’ouvrir, des lèvres éternelles ! Cependant, quand le soir douloureux est défunt, La cloche lentement les appelle à complies Comme si leur prière était le seul parfum Qui pût consoler Dieu dans ses mélancolies ! (Rodenbach: 1923, 69-71) Ce que Rodenbach fête ici au moyen de son « alexandrin fluide » et « ductile » (Paque: 1989, 65), renvoie à une autonomie féminine qui s’ancre dans la loi de l’ascèse. L’oscillation entre discours religieux et érotique met en relief une perspective masculine, selon laquelle le manque féminin serait la condition de l’extase sublime, comme Lacan l’insinue dans son interprétation de la statue de Sainte Thérèse créée par Bernini (cf. Lacan: 1975, 70-71 et 98-99). La résistance des fiancées de Jésus au commerce charnel spiritualise le corps du Christ de manière « baroque », « la régulation de l’âme par la scopie corporelle » d’après Lacan (1975, 105) : Mais ces femmes sont là, leur cœur pacifié, La chair morte, cousant dans l’exil de leurs chambres ; Elles n’aiment que toi, pâle Crucifié, Et regardant le ciel par les trous de tes membres ! (Rodenbach: 1923, 70) Des béguines mystériques. Traces surréalistes chez Georges Rodenbach 59 Le cycle des neuf contes du Musée de Béguines passe en revue des motifs typiques de Rodenbach, par exemple la fascination des cornettes, protection phallique du secret. Le protagoniste de L’Art en Exil, Jean Rembrandt, ne souhaite que « connaître la couleur » (Maes: 1952, 173) des cheveux, mais risque de perdre son désir en découvrant, comme le héros du drame Le Voile, que: « C’est fini. […] De trop savoir. L’amour a besoin - d’un secret » (Maes: 1952, 217). Dans le sixième récit portant le titre L’oiseau de linge, Sœur Godelieve souffrante exagère le ridicule, en ne tolérant point qu’un médecin l’ausculte, préférant mourir au lieu de se laisser guérir : « Découvrir de son corps ce qu’elle-même n’en avait jamais regardé. Ce serait un grand péché ! » (Musée de Béguines, 95) Les esquisses de la « vie contemplative » traitent en majeure partie ce que Freud appellera les états névrotiques: la première porte sur le refoulement du sexuel, la deuxième sur la superstition, la troisième sur le rêve, la quatrième sur la psychose, la cinquième sur le fétichisme, la sixième sur la pruderie, la septième sur l’angoisse, la huitième sur la vieillesse et la neuvième sur la mort. Sous des aspects intertextuels, les récits moralisants détournent la tradition hagiographique. Sœur Ursule, jamais sortie du couvent, perd son innocence quand elle procure de la dentelle liturgique pour le mariage d’un jeune couple: « Tout à coup elle venait d’en pénétrer le sens […] intime, équivoque, où le mystère de la chair transparaissait derrière le linge calme du texte. Elle se jugea moins pure. Elle se sentit plus femme. […] Même elle n’osa plus regarder le crucifix. Elle avait maintenant la notion de l’homme. Ah ! cette nudité sur la croix ! » (Musée de Béguines, 32-33) À travers le regard naïf, l’ambiguïté fondamentale du discours religieux, chargé d’érotisme sous-jacent, se manifeste comme le « retour du refoulé ». Mais la différence sexuelle troublant la paix des « vies encloses » 7 est vite oubliée. Décorant la « Madone du Béguinage », « la dentelle de la Tentation […] était revenue enfin faire cortège à Dieu » (Musée de Béguines, 37). Bien que la foi de Rodenbach, ancien élève du Collège de Jésuites, traverse des crises, les sujets théologiques le hantent. La victoire d’un catholicisme humaniste dans le contexte de la révolution belge des années 1830 mena au « Renouveau Catholique » centré sur la question sociale et l’engagement laïc dont fait partie la charité des béguines modernes. Dans la mesure où elles ne sont plus des mystiques, leur union avec Dieu étant réduite au privilège de « le tutoyer» (Musée de Béguines, 110), le miracle d’autrefois est remplacé par le merveilleux symptomatique des fantasmes. Tandis que les légendes perverties de Rodenbach produisent encore du sens herméneutique, les Vies imaginaires (1894) de Marcel Schwob, publiées la même année, affichent l’auto-référentialité de l’écriture moderniste, en tant que « vies allégoriques d’elles-mêmes » (Mallarmé ; Jefferson: 2006, 156). Exposant la contingence pure du singulier, elles ne s’écartent pas seulement 7 Titre d’un recueil de poèmes de Georges Rodenbach. Annette Runte 60 de la présupposition d’une vérité historique toujours fictionnelle, mais renoncent également aux lois de la causalité ou de la nécessité universelle. Se moquant de la mode biographique du XIX e siècle, 8 Schwob parodie le genre populaire de la biographie collective, en inventant des personnages inconnus, marginaux et plutôt immoraux. Katherine, la dentellière, « naquit vers le milieu du XV e siècle […]. Une vieille femme, qui avait le nez rouge, […] l’éleva. » Plus tard, elle « devint fille amoureuse » et « s’enfuit sur les routes » avant d’être assassinée par « un ruffian » (Schwob: 2002, 564-567). Donnant des informations inutiles ou incohérentes, décalant l’important vers le détail anodin, déformant des sources de façon poétique, Schwob déconstruit le binarisme de l’historique et du fictionnel, puisque le lecteur construit autant de sens que l’auteur (cf. Jefferson: 2006, 154). Néanmoins, l’élève de Saussure est aussi bien adepte de la conception romantique du langage magique que d’une sémiologie des correspondances : « Toutes choses ont entre elles des rapports » (Maes: 1952, 307). Tandis que l’arbitraire du signifiant risque le non-sens, la métaphore symboliste l’évite. Si le nom propre radicalise la fonction signifiante, il n’est pas étonnant que, dans un des récits du Musée de Béguines, il « résonna dans le silence du parloir, tout incolore et […] posthume. […] ‹ Dorothée ! ›, […] appuyant sur la dernière syllabe […], prolongeait ses voyelles jumelles dans l’air, dont l’une, avec l’accent, semblait la lettre mise au soleil et dont l’autre, sans accent, semblait la même lettre, mise à l’ombre » (Musée de Béguines, 36). 3. Futur antérieur de la fascination hystérique : traces surréalistes au sein du symbolisme L’explication psychologique de la phobie «étrange » de la poussière (Musée de Béguines, 61) que montre Sœur Marie des Anges s’approche déjà de la conception freudienne de l’hystérie en tant que transposition d’un conflit inconscient au niveau du « langage » du corps qui le traduit en symptôme, masque et signal à la fois (cf. Freud: 2000, 227-229): « […] sa raison s’obscurcit. Et maintenant sa démence, par une mystérieuse transposition, consistait précisément à avoir matérialisé son inquiétude. Les scrupules s’étaient extériorisés » (Musée de Béguines, 74). Tandis que Jacques Lacan 8 Si le terme français de « biographie » date de 1750 (Abbé Prévost), il y a deux courants au XIX e : la tendance au dictionnaire biographique « universel », avec beaucoup d’entrées minuscules (Louis-Gabriel Michaud: Biographie universelle ancienne et moderne, 52 tomes, 1811-1862) et le genre populaire des articles journalistiques. Sont en vogue surtout des biographies collectives. Sainte-Beuve et Barbey d’Aurevilly critiquent le narcissisme inhérent : La photographie et la biographie sont les « filles siamoises de la même vanité » (Jefferson: 2006, 147) ; cf. Gautier: Grotesques ; Baudelaire: Réflexions sur quelques-uns de mes contemporains ; Verlaine: Poètes maudits (1884) ; Mallarmé: Médaillons et portraits en pied (1897). Des béguines mystériques. Traces surréalistes chez Georges Rodenbach 61 soumet le « discours hystérique », centré autour de la question du désir, au « discours analytique » qu’il a déclenché (Lacan: 1975, 20-22), Breton et Aragon idéalisent la figure mythique de l’hystérique, comme la fameuse « Augustine », vedette de la Salpêtrière. Les surréalistes « n’ont pas trouvé mieux que commémorer un Cinquantaire de l’Hystérie en 1928 » (Didi-Huberman: 1982, 147), commentant les « clichés » (photographiques) de l’exstase avec des slogans : « Nous, surréalistes, tenons à célébrer […] la plus grande découverte poétique de la fin du XIX e siècle […]. Nous qui n’aimons rien tant que ces jeunes hystériques, dont le type parfait nous est fourni par l’observation relative à la délicieuse X.L. (Augustine) » (Didi-Huberman: 1982, 147). D’après Georges Didi-Huberman, « c’était encore annexer l’hystérie à un ‹ moyen d’expression ›, à de ‹ l’art › », ce à quoi il objecte que la transfiguration du « témoin » en « spectateur » hypnotisé se produirait uniquement à cause d’« un appel excessif » des hystériques, lequel « s’adresse toujours au-delà des présents. Il les provoque, certes, mais il s’adresse à un Absent - au très antérieur futur » (italiques GD-H ; Didi- Huberman: 1982, 147). De même que les surréalistes soutenaient que les médecins abusaient de leurs patientes, quand « la nuit tombante, les malades […] les recevaient dans leur lit » (Schlesier: 2005, 202), ils croyaient au pouvoir de rébellion de l’hystérie définie comme [...] un état mental plus ou moins irréductible se caractérisant par la subversion des rapports qui s’établissent entre le sujet et le monde moral dont il croit pratiquement relever, en dehors de tout système délirant. Cet état mental est fondé sur le besoin d’une séduction réciproque, qui explique les miracles hâtivement acceptés de la suggestion (ou contre-suggestion) médicale. L’hystérie n’est pas un phénomène pathologique et peut, à tous égards, être considérée comme un moyen suprême d’expression » (Schlesier: 2005, 202, note 61). Tandis que les « partisans » surréalistes détournent un dispositif clinique à leurs propres fins, 9 la pensée féministe le déconstruit et voit dans la figure de l’hystérique, l’obsédée exorcisée de jadis, une révoltée rusée contre l’ordre patriarcal. « Indifférente, l’hystérique signale sa différence et se marque comme archaïque; insensible, elle défie l’excitation. Sorcière inversée, rentrée à l’intérieur, elle a placé toutes ses érotisations dans des souffrances internes » (Clément: 1975, 78). Les béguines de Rodenbach qui font des « rêve[s] blancs » de mariage deviennent folles, parce qu’elles ne savent pas si elles ont commis un péché mortel, en buvant un verre d’eau avant la communion, ou encore en posant le cadavre d’un garçonnet à la place d’une statuette brisée, convaincues que 9 Renate Schlesier parle d’un « dialogue de sourds » entre les surréalistes et les représentants de la psychanalyse dont le différend fondamental réside dans le fait que la critique psychanalytique de la métaphysique serait beaucoup plus radicale que celle du surréalisme. Annette Runte 62 « l’enfant n’était décédé […] que pour ce miraculeux dessein de suppléer Jésus dans la crêche » (Musée de Béguines, 135), font signe aux hystériques dans leur « ruche mystique » (Musée de Béguines, 113). L’hystérie semble aller de pair avec une écriture symboliste dont la recherche métaphorique du mystère inaccessible produit des « lapsus » presque surréalistes, comme l’« assomption de langes » (Musée de Béguines, 135) dont l’homophonie à celle de l’ange est assez comique. Dans la mesure où « la mise à l’écart » des femmes recluses « s’inverse en force symbolique », puisque les « vierges encloses » se voueraient aux joies de l’esprit, comme dit Julia Kristeva à propos des béguines, la solitude du couvent leur donnerait la possibilité de surmonter la « séparation » difficile et souvent « inachevée » (Kristeva: 2007, 156) d’une femme d’avec sa mère. Comme la « passion de souffrir » (158) les mettrait au niveau du Christ déjà intériorisé, la figure de Saint Joseph, l’équivalent masculin de la vierge, leur permettrait de s’identifier avec le père symbolique. Si c’est la sensualité qui est indicible (Kristeva: 2007, 159), la poétique symboliste, avec sa synesthésie, sa musicalité et son penchant métaphorique, permet à merveille de s’en approcher comme d’un secret transcendantal à jamais différé. A cause de ses traits fusionnels et spéculaires, l’écriture de Georges Rodenbach - centrée sur des héros sensibles, sinon « féminisés » - semble prédestinée à introduire la béguine « mystérique » dans la littérature (symboliste), avec des effets surréalistes « avant la lettre ». Si dans le plus fameux roman il est question de « Bruges d’où la mer [sic ! mère] s’était retirée » (Bruges-la-Morte, 95), l’homophonie lexicale assez ambiguë joue un tour à l’auteur qui devine le complexe d’Œdipe en multipliant les structures triangulaires. La constellation actantielle d’une vieille femme malade, la mère dans la nouvelle Amour en nuances (1888), la tante dans la pièce de théâtre Le Voile, et d’une béguine qui la soigne, complétée par un fils, voire un neveu, désirant la femme chaste à la tête voilée, témoigne des correspondances encore à explorer entre « genre textuel » et « genre sexuel » dans l’œuvre de Rodenbach. Laissons le dernier mot à Mallarmé qui - à propos du Musée de Béguines - joue sur l’évidence que c’est le style qui est le sujet à qui l’on s’adresse : « La merveille n’est Rodenbach que d’aussi délicats types hantant, vous en donniez les équivalences; mais plutôt que chacun de ces portraits par soi vivant se transpose, pour l’esprit, en état de rêverie envolée pure hors du prétexte, plus haut que la coiffe même. Quelque fleur conventuelle, aussi celle de tout beau soleil d’âme, y déplie une pensive blancheur. Rendre le genre de charme ici voudrait des mots, vous ne m’en laissez pas un, on aurait à se servir des vôtres : je crois, certes, que vous les avez tous, mis au cours du volume avec quelle saveur et pourtant les espaçant magistralement » (Lemaire: 1997, 16). Des béguines mystériques. Traces surréalistes chez Georges Rodenbach 63 Benjamin, Walter (1963): Ursprung des deutschen Trauerspiels. Frankfurt am Main. — (1988): « Der Sürrealismus. Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz », in: Walter Benjamin (1988): Angelus Novus. Ausgewählte Schriften 2. Frankfurt am Main, pp. 200-216. Berg, Christian (1982): « Le lorgnon de Schopenhauer. Les symbolistes belges et les impostures du réel », in: Cahiers de l’Association Internationale des Études Françaises 34, pp. 119-135. Breton, André (1988): « Manifeste du surréalisme », in: André Breton (1988): Œuvres Complètes I. Paris, p. 328. Bürger, Peter (1996): Der französische Surrealismus. Studien zur avantgardistischen Literatur. Um Neue Studien erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main. Clément, Catherine B. (1975): «La coupable », in: Catherine Clément/ Hélène Cixous (1975): La jeune née. Paris, pp. 9-114. Didi-Huberman, Georges (1982): L’invention de l’hystérie. Charcot et l’iconographie de la Salpêtrière. Paris. Freud, Sigmund (2000): « Hemmung, Symptom und Angst », in: Sigmund Freud (2000): Studienausgabe VI. Frankfurt am Main, pp. 227-308. — (1999): « Der Fetischismus », in: Sigmund Freud (1999): Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet XIV (Werke aus den Jahren 1925-1931). Frankfurt am Main, pp. 309-319. Gorceix, Paul (1985): « Bruges-la-Morte, un roman symboliste », in: L’information littéraire (novembre-décembre), pp. 205-210. Irigaray, Luce (1974): Speculum de l’autre femme. Paris. Jefferson, Ann (2006): « Die Konstruktion von Literatur aus dem Geist der Biographie. Marcel Schwobs Vies imaginaires », in: Bernhard Fetz/ Hannes Schweiger (éds.) (2006): Spiegel und Maske. Konstruktionen biographischer Wahrheit. Wien, pp. 145-160. Kristeva, Julia (2007): « Le bonheur des béguines », in: Julia Kristeva (2007): Seule une femme. Paris, pp. 153-170. Lacan, Jacques (1966): Écrits. Paris. — (1975): Le Séminaire. Livre XX. Encore. 1972-1973. Texte établi par Jacques-Alain Miller. Paris. Lemaire, Gérard-Georges (1982): « Rodenbach, le poète des villes mortes », in: Georges Rodenbach (1997): Musée de Béguines. Paris, pp. 7-19. Maes, Pierre (1952): Georges Rodenbach, 1855-1898. Nouvelle édition refondue et augmentée de nombreux documents inédits. Gembloux. Michelet Jacquod, Valérie (2008): Le roman symboliste : un art de l’extrême conscience. Paris. Paque, Jeannine (1989): Le symbolisme belge. Bruxelles. Rodenbach, Georges (1947): Bruges-la-Morte. Roman. Paris. — (1997): Musée de Béguines. Paris. — (1923): « Béguinage Flamand », in: Georges Rodenbach (1923): Œuvres I. Paris, pp. 69-72. Ruchon, François (éd.) (1949): L’amitié de Stéphane Mallarmé et de Georges Rodenbach. Genève. Schlesier, Renate (2005): « Drei Visiten. Aus der Geschichte des Verhältnisses von Surrealismus und Psychoanalyse », in: Freiburger literaturpsychologische Gespräche 24, pp. 185-217. Annette Runte 64 Schwob, Marcel (2002): « Katherine la Dentellière. Fille amoureuse », in: Marcel Schwob (2002): Œuvres. Texte établi et présenté par Sylvain Goudemare. Paris, pp. 564-567. Suchon, Gabrielle (1994): Du célibat volontaire ou La vie sans engagement, vol. I. Introduction et notes de Séverine Auffret. Paris. Theisen, Josef (1974): Die Dichtung des französischen Symbolismus. Darmstadt. Juliane Prade Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt Marcel Lecomtes Le vertige du réel, eine 1936 publizierte Sammlung von Prosagedichten, beginnt mit dem Stück „La statue endormie“. Es ist nur ein Satz: Des fils invisibles tissent un drame silencieux entre trois personnages immobiles, aux ombres légères, dans le fond d’une rue - chambre ouverte - où brille la lueur de l’aube et là-bas, au carrefour, la statue rêve d’un cri, brisant l’atmosphère, et qui brusquement, l’éveille. (Lecomte: 2009, 97) 1 Der Satz beschreibt die Statue nicht. Er leitet zu ihr hin, ohne ihr Aussehen zu entwerfen oder zu erläutern, wie es möglich ist, dass ein Standbild schläft. Der Satz beginnt bei anderem, beschreibt aber auch dieses nicht, sondern benennt es je als Nicht-Wahrnehmbares, das sich folglich der Beschreibung entzieht: Die Fäden sind unsichtbar. Das Drama, das sie weben, ist lautlos. Die bewegungslosen Figuren, die es am Ende einer Straße miteinander verknüpft, befinden sich sowohl im Schatten als auch im Gegenlicht der Morgendämmerung. Ein Blick, der sich auf sie richtete, würde geblendet werden und könnte im dunkleren Zimmer kaum etwas sehen. Wird der Satz aber in dieser Weise als Beschreibung einer Wirklichkeit gelesen, so ist es unumgänglich, den Schluss zu ziehen: Sofern die Dramatis Personae ebenso wenig sichtbar sind wie die Fäden, die das Drama schürzen, und sofern dieses weiterhin unhörbar ist, gibt es kein Drama. Doch es gibt ein Drama, Lecomtes Text sagt es. Und es gibt auch eine schlafende Statue, der Titel benennt sie. Der folgende Text aber beschreibt sie nicht, sondern zeigt sie als Schlafende, indem er sie zunächst nicht anspricht; er lässt sie ruhen. Seit 1922 ist Lecomte mit René Magritte bekannt, seit 1924 Mitglied der Brüsseler Surrealistengruppe Correspondance (Lecomte: 1980, 153f.) Was an den in Le vertige du réel versammelten Texten „surrealistisch“ heißen kann, ist dies: Sie beschreiben keine Wirklichkeit, um von Bewegungen oder Dramen in ihr zu erzählen, sondern nehmen den Sur-Realismus wörtlich und 1 Auch der 1944 publizierte Band L’accent du secret enthält eine Sammlung des Titels Le vertige du réel, die jedoch weniger Texte umfasst als die hier zitierte - „La statue endormie“ zum Beispiel nicht -, dafür drei in Poésies nicht enthaltene (Lecomte: 1944, 23-28), und die zudem einige Varianten aufweist. Juliane Prade 66 stellen dar, wie es überhaupt möglich ist, über die so genannte Wirklichkeit zu schreiben. Le vertige du réel widmet sich der Frage, wie ein Text etwas darstellt, wie geschriebene, also lautlose Worte etwas erscheinen lassen. „La statue endormie“, der erste Text des Bandes, zeigt, dass es zuerst Worte sind, die in einem Text erscheinen. Beim Schreiben entstehen zwischen bewegungslosen Figuren - geschriebenen Wörtern, zarten schwarzen Schatten im Gegenlicht weißen Papiers - Fäden, Syntagmen, die sich zum Text verweben und so ein lautloses Drama formen. Erst wenn Wörter Syntagmen und diese ihrerseits eine Textur formen, kann von der Statue die Rede sein: Erst dann, wenn zwischen unbeweglichen Punkten Fäden gespannt und diese zum Drama verwoben sind, kann an einer der Kreuzungen der Fäden, „au carrefour“, ein Standbild stehen. Erst dann gibt es eine Szenerie, in der es erscheinen kann. Die Statue träumt, sie schläft. Sie ist ebenso regungs- und lautlos wie das Wort, das sie benennt. Beide sind Standbilder, die benannte Statue ebenso wie das sie benennende Wort, „la statue“: Sie sind sichtbare Zeichen, die von einem Klang träumen. Geweckt werden sie in dem Moment, da die Syntagmen einen Satz formen, in dem die Fäden bis zum Punkt gespannt sind und „la statue“ nicht mehr bloß geschrieben steht, sondern in einen syntaktischen Zusammenhang gestellt ist. Dann ist der Satz nicht lediglich zu Ende geschrieben, dann ist er auch lesbar als Satz, der eine Statue in bestimmter Weise erscheinen lässt. In der phonetischen Schrift heißt aber lesen soviel wie aussprechen. Beim Lesen des Textes erscheinen die unsichtbaren Fäden zunächst nicht als semantische, sondern als phonetische Verbindungen, als Liaisons und Zusammenklänge wie jener auf [i] in fils - tissent - silencieux - immobiles. 2 Beim Lesen der Fäden, die an der Nennung der Statue anknüpfen, geschieht darum eben das, was in den Syntagmen gesagt wird: „la statue rêve d’un cri, brisant l’atmosphère, et qui brusquement, l’éveille“. Wird dies gelesen, also ausgesprochen, so ertönt der Klang, von dem die lautlosen geschriebenen Worte träumen. Jäh, wie Schreien gegen ihre Stille, hebt der von der Interpunktion schroff gegliederte Klang der Worte von der Schrift - dem Standbild - ab. Dann ist die Statue geweckt, dann ist sie zur Sprache gebracht. In den Metamorphosen erweckt auch Ovid ein Standbild zum Leben. Dort erliegt Pygmalion dem Reiz einer Statue aus Elfenbein, die er selbst schuf, als sei sie ein Mädchen - „ars adeo latet arte sua“ (Ovid: 1996, X 251), „so sehr verbirgt das Kunstwerk die Kunst“. Das Elfenbein wird unter den Händen lebendig; „subsidit digitis ceditque“ (284), „es gibt nach und fügt sich den Fingern“, die es formen. Dies aber sind nicht allein die dargestellten Finger Pygmalions, sondern ebenso die Finger Ovids, die den Mythos von Pygmalion darstellen. Denn vermittels der Buchstaben, die er schreibt, wird 2 Vgl. auch den Zusammenklang auf [y] in d’une rue, auf [u] in ouverte - où, auf [l] in la lueur, l’aube, là-bas. Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 67 das Standbild lebendig - es durchläuft eine anagrammatische Metamorphose: Das vormals „weiße Elfenbein“, „niveum […] ebur“ (247f.), „errötet“, erub-uit (293). Bei Lecomte dagegen erwacht die Statue allein dadurch, dass dies von ihr gesagt wird. In Le vertige du réel verbirgt das Kunstwerk die Kunst nicht, sondern stellt sie aus. Wie „La statue endormie“ entwerfen viele Texte des Bandes eine urbane Landschaft. 3 Die Stadt erscheint als Terrain, auf dem Lecomte der Frage nachgeht, wie irgend etwas vor Augen erscheint beim Schreiben, beim Lesen, beim Sehen - und dies so, dass das Dargestellte und Erblickte für die Wirklichkeit gilt. Ein Vergleich mit André Bretons Nadja ist geeignet, näher zu erläutern, wie in Le vertige du réel der Blick auf Stadt und Text verbunden sind. Zunächst ist zu fragen, wem jeweils etwas vor Augen erscheint, von wessen Blick Lecomtes und Bretons Texte sprechen. I Le spectateur effacé „[Ü]ber Dächer, Blitzableiter, Regenrinnen, Veranden, Wetterfahnen, Stukkaturen geht“, so schreibt Walter Benjamin 1929, „der halsbrecherisch[e] We[g] des Sürrealismus“, den Breton 1928 in Nadja weist. „[D]em Fassadenkletterer“, so fährt Benjamin fort, „müssen alle Ornamente zum Besten dienen“ (Benjamin: 1991, 298). Die Ornamente, an die Bretons Text sich auf dem Weg durch Paris vor allem hält, sind die Beschriftungen der Stadt: Schilder an Häuserfronten und Straßennamen. Sie „dienen“, wie Benjamin sagt, dazu, Trassen durch Paris freizulegen. 4 Breton lässt sich von Schildern und Straßennamen leiten. Er liest die Stadt, jedoch nicht auf einer Karte, nicht anhand eines geographischen Leitfadens, sondern er folgt ihrer Beschriftung wie einer Spur: „Les mots B OIS -C HARBONS qui s’étalent à la dernière page 3 Andere Stücke entwerfen zum Kontrast eine rurale Landschaft (vgl. Lecomte: 2009, 98f.). 4 Benjamin sucht im zitierten Passus weniger das poetische Verfahren von Nadja als vielmehr „störende Ausfallserscheinungen“ darin zu erläutern. Er konzediert die „halsbrecherischen Wege“, erhebt aber Einspruch gegen Bretons Verbindung zweier Namen, die er auf diesem Wege findet; gegen die Verbindung „eine[r] ausgezeichneten Stelle über die ‚hinreißenden Pariser Plünderungstage im Zeichen Saccos und Vanzettis‘“ mit Mme Sacco, die „eine voyante, eine Hellseherin ist“. Benjamin erhebt Einspruch gegen Allusionen der Surrealisten an den „Spiritismus“, denn: „Wer möchte nicht diese Adoptivkinder der Revolution aufs genaueste von allem geschieden wissen, was in den Konventikeln von abgetakelten Stiftsdamen, pensionierten Majoren, emigrierten Schiebern sich abspielt? “ (Benjamin: 1991, 297f.) Scharfe Auseinandersetzungen darüber, was der Surrealismus ist oder sein sollte, gehören inhärent zu ihm. Benjamins Einwand weist darauf hin, dass der Surrealismus - jenseits dessen, was Manifeste erklären - es zuerst mit dem Lesen zu tun hat, auch in seinen abseitigen Formen und eben unerachtet des Weges, auf den die Lektüre (von Straßenschildern oder Linien der Hand) sonst führen soll. Juliane Prade 68 des Champs magnétiques m’ont valu, tout un dimanche où je me promenais avec Soupault, de pouvoir exercer un talent bizarre de prospection à l’égard de toutes les boutiques qu’ils servent à désigner“ (Breton: 1988, 658). 5 Die Trasse, die die Worte B OIS -C HARBONS durch Paris schlagen, führt nicht allein durch die Stadt. Sie beginnt am Ende von Les champs magnétiques, einem Text, den Breton und Soupault mit einem Schild dieser Aufschrift beschließen (104). Der Leitfaden B OIS -C HARBONS führt aus einem Text Bretons heraus durch Paris, um die Stadt wie einen Text zu lesen - und leitet wiederum hin zur Selbstbeschreibung Bretons, souffliert durch die titelgebende Nadja: „Au sortir du jardin, nos pas nous conduisent rue Saint-Honoré, à un bar, qui n’a pas baissé ses lumières. Elle souligne que nous sommes venus de la place Dauphine au ‚Dauphin‘. (Au jeu de l’analogie dans la catégorie animal j’ai souvent été identifié au dauphin.)“ (698) Als könnte die Lektüre der Pariser Stadtbeschriftung auf die Fährte einer Antwort führen, schwebt über dieser Lektüre bei Breton die initiale Frage: „Qui suis-je? “ (647) Auch Lecomte liest in Le vertige du réel die Stadt. Seine Texte aber nehmen keine Wege an Fassaden entlang. Sie bleiben auf dem Boden und bewegen sich gar nicht, obgleich in ihnen nicht selten von „un promeneur“, „une promenade“ die Rede ist (103, 107, 121). Sie beobachten, ohne Bewegungen mit mehr als dem Blick zu folgen und ohne das Beobachtete oder einen Beobachtenden zu identifizieren. Dies wird deutlich in einem weiteren, zuerst 1928 einzeln publizierten Text (Lecomte: 1980, 155), „Le voyageur immobile“: Dans les rues désertes, dans les quartiers isolés d’une ville inconnue, le songe attentif divise la nuit en fleurs mystérieuses. À cette heure où les lèvres jouent avec les mots choisis et les autres, les mains avec les gestes de la journée. (Lecomte: 2009, 102) Wie „La statue endormie“ beschreibt auch dieses Stück den im Titel genannten „voyageur“ nicht. Der Text lässt ihn ruhen und spricht nicht ihn an, sondern einen Traum. Von diesem aber ist, wie von jedem Traum, nicht sicher zu sagen, wer oder ob überhaupt einer ihn „hat“, ob er also ein Traum des Reisenden ist. Die Verbindung zwischen ihnen ist vage, bringt aber gerade die Auflösung fester Zuordnungen zur Erscheinung, die Träume auszeichnen. So setzt der Text auch mit Ortsangaben ein, löst sie jedoch umgehend auf, nicht allein indem er die Stadt nicht nennt, der die Straßen und Viertel angehören, sondern auch indem er offen lässt, ob die urbane Szenerie die Umgebung ist, in der geträumt wird, oder eine geträumte Umgebung. In gleicher Weise wird die Verbindung zwischen Reisendem und Traum zu- 5 Vgl. auch: „Il n’y a que quelques jours, Louis Aragon me faisait observer que l’enseigne d’un hôtel de Pourville, qui porte en caractères rouges les mots : MAISON ROUGE , était composée en tels caractères et telle façon que, sous une certaine obliquité, de la route, ‚ MAISON ‘ s’effaçait et ‚ ROUGE ‘ se lisait ‚ POLICE ‘“ (Breton: 1988, 679f.). Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 69 gleich geknüpft und in Frage gestellt. Denn in dem Maß, in dem im ersten Satz von einem Traum die Rede ist, erlaubt er es, das Oxymoron des Titels als Metapher zu verstehen, den „bewegungslosen Reisenden“ also als einen Träumenden, der sich nicht bewegt, aber sich zu bewegen träumt. Andererseits deutet der erste Satz, in dem der Traum erscheint, auf keine Bewegung hin. Die Szene ist statisch. Wenn der Reisende als Träumender verstanden werden kann, dann ist er in dem Moment, der dieses Verständnis zulässt, bereits abgereist. Dem allerdings widerspricht wiederum das Attribut „immobile“. Eine ähnliche Ruptur wie zwischen Titel und erstem Satz öffnet sich zwischen dem ersten und zweiten Satz und Absatz. Der Text nennt den Reisenden weiterhin nicht, sondern hebt dazu an, zum Ort des Traums seine Zeit zu ergänzen. Womit der zweite Satz fortfährt, ist jedoch nicht allein eine Beschreibung der nächtlichen Formung und Deutung von Worten und Gesten im Traum. Dieser Satz formuliert zugleich einen Kommentar zu dem Bild, mit dem der vorangegangene schließt und das aus Lecomtes Prosa heraussticht: „[L]e songe attentif divise la nuit en fleurs mystérieuses. / À cette heure où les lèvres jouent avec les mots choisis et les autres“. In dem Moment, in dem dies gelesen wird - in dem sich die Frage stellen kann, wie die Nacht in Blumen teilbar ist und was mysteriöse Blumen sind -, spielen die Lippen mit gewählten Worten und mit anderen. Der Text durchkreuzt seine Figuralität, indem er sich nicht allein auf das Bild bezieht, das er zuvor entwirft, sondern zugleich auf die Worte, die es formen - als Worte, als „les mots choisis et les autres“, mit denen die Lippen vielleicht gar nicht wegen ihrer Bedeutung spielen, sondern wegen ihres Klangs. Der Text zieht in Zweifel, was er zuvor vorstellt: nicht allein das Bild, auch die Szenerie, der es entspringt, und somit auch den „voyageur immobile“, den diese Szenerie als Metapher deutet, als sprachliches Bild für einen Träumenden. Der zweite Satz revidiert die Figuration nicht, sondern weist sie als Fiktion auf, der keine Wirklichkeit entspricht; er zeigt sie als sprachliches Bild, als ein Geformtes, kein Abbildendes. Der zweite Satz von „Le voyageur immobile“ zeigt den Text als Text, der etwas zeigt. Dabei weist er auf eines, das nicht Figur wird, obgleich es mitgesagt ist: Im „voyageur immobile“ ist ein voy…eur immobile lesbar, ein bewegungsloser Beobachter. Er ist in den Worten des Textes ebenso enthalten wie der Blick auf die nächtliche Szene in ihrer Darstellung impliziert ist. Le voy…eur immobile ist weder der, der beim Schreiben, noch der, der beim Lesen bewegungslos auf den Text blickend in diesem fortfährt; er ist weder der Autor noch der Leser. Le voy…eur immobile wird nicht zur Figur, ist jedoch auch keineswegs bloß nicht-figurativ, sondern der Name desjenigen, das eine Figuration allererst ermöglicht: der Blick. Zum einen ist es das Sehen der Schrift, das sprachliche Bilder ermöglicht, das heißt jener Blick auf die Zeichen, der die nicht semantische, son- Juliane Prade 70 dern semiotische Verbindung des voyageur zum voyeur erfasst. 6 Prä-figurativ ist aber gleichermaßen derjenige Blick, den jeder Text imaginiert, der etwas vorstellt - gleichgültig, ob er dabei zu bilden oder abzubilden behauptet. Lecomte, so schreibt Estrella de la Torre Giménez, „fit de l’observation une constante dans sa production littéraire […]“ Doch Lecomtes Texte untersuchen den Blick nicht, sofern er schon einer Figur zugeschrieben ist, sondern sofern in ihm eine Figur überhaupt erst Gestalt annimmt. Daher ist es ein Kurzschluss, wenn de la Torre fortfährt: „ses récits ne sont que la transcription de ce que le narrateur ou les personnages voient“ (de la Torre Giménez: 2011, 126). Denn einzig im Sehen erscheint der unbewegliche Beobachter, le voy…eur immobile, in „Le voyageur immobile“. Der zweite Satz des Textes zeigt, was das Sehen sieht: Lippen und Gesten. Doch der Satz hat kein Prädikat, das das Gesehene einem Sehenden zuschriebe, er unterstellt dem Blick keinen Blickenden. Le vertige du réel betrachtet das Sehen, beobachtet beim Beobachten. Daher rührt der „Schwindel“, den der Band im Titel trägt, und daher rührt es ebenso, dass darin kein Beobachter identifiziert wird. In Le vertige du réel spricht stets, wie ein weiteres Stück darin heißt, „Le spectateur effacé“ (Lecomte: 2009, 106). 7 Denn ein Sehender kann sich - sein Gesicht - nicht sehen. In „Le voyageur immobile“ zeigt sich der Text als derjenige, der mit Wörtern etwas vor Augen stellt. Dieses Vorgestellte aber schwankt, wie eingangs die urbane Szenerie, zwischen Traum und Wachen: Es ist nicht sichtbar, es ist (wie die in Blumen geteilte Nacht) vielleicht sogar unmöglich, und dennoch da, gesagt, bedeutet. Nicht allein da die Schrift den Klang der Worte trägt, ohne ihn zu bergen, gleicht sie einem Traum, sondern auch in ihrer Figuralität. Texte wie Ovids Metamorphosen und Bretons Nadja sprechen von Dingen, die es außerhalb der Texte nicht gibt, in derselben Weise wie von solchen, die es durchaus gibt. Allein die Konvention, bestimmte Texte fiktional zu nennen und von so genannten dokumentarischen zu unterscheiden verhindert, dass jeder Text surrealistisch heißen muss. Denn 6 Auch das Stück „La perspective intérieure“ liest das Wort voyageur auf voy…eur hin: „Ce voyageur qui se porte vers l’horizon, serait-ce un observateur sincère du pittoresque. / Mais pourtant il ne regarde pas la campagne, ne tourne pas la tête.“ (Lecomte: 2009, 111) In dem Stück, das den gleichen Titel trägt wie der Band, sind die Worte voyageur und voyeur ebenfalls verschränkt. Le vertige du réel hat drei Teile, die einsetzen mit: „Le voyager observe […], De la route, le voyageur regarde […], Mais le voyageur aperçoit à nouveau […]“ (114f.) Der je darauf folgende Text schildert keinen Reisenden beim Reisen, sondern zeigt, was sein Blick sieht. 7 Denselben Kurzschluss wie de la Torre formuliert Henri Ronse, wenn er schreibt: „Le personnage central de tous les récits de Lecomte, c’est ce ‚spectateur effacé‘, qui n’est autre bien sûr que Lecomte lui-même“ (Ronse: 1980, 12). Freilich ist es möglich, den Blick, den allein der Text formuliert, in solcher Weise oder auch anders einem Blickenden zuzuschreiben, doch dabei wird eben übergangen, dass der Text dies nicht tut, weil er ihn nicht allein wiederzugeben, sondern zu beobachten sucht. Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 71 jeder Text geht über das hinaus, was eine bloß vorliegende Wirklichkeit zu nennen wäre, da doch jeder Text sie verändert, indem er ein neues Verständnis ihrer gewährt oder etwas Neues zu verstehen gibt. Darin gleichen sich ein Straßenschild und Bretons Nadja, eine Zeitung und Ovids Metamorphosen. Der Surrealismus unterläuft die konventionelle Unterscheidung zwischen fiktionalen und dokumentarischen Texten, um danach zu fragen, wie die Wirklichkeit verfasst wird. Die Stadt ist ein ausgezeichnetes Terrain, um dieser Frage nachzugehen, denn sie ist - wie die ars Pygmalions - eine von Menschenhand geschaffene Wirklichkeit, die so heißen kann, da sie nicht bloß vorliegt, sondern auf den Schaffenden zurückwirkt, ihn leitet und sein Leben bestimmt. Um zu verdeutlichen, worum es den Surrealisten geht, schildert Benjamin als eine ihrer Orientierungsmarken Arthur Rimbaud, wie er ein sprachliches Bild in Zweifel zieht: In sein Handexemplar von Une Saison en enfer, so berichtet Benjamin, „schreibt er, wo es heißt ‚auf der Seide der Meere und der arktischen Blumen‘, späterhin an den Rand: ‚Gibt’s nicht‘“ (Benjamin: 1991, 296). Lecomtes „Le voyageur immobile“ revidiert sein florales Bild nicht wie Rimbaud, um es als in seiner Figuralität nachträglich durchgestrichenes stehen zu lassen: „sur la soie des mers et des fleurs arctiques; (elles n’existent pas.)“ (Rimbaud: 1972, 144) 8 Lecomtes Wendung - „[à] cette heure où les lèvres jouent avec les mots choisis et les autres“ - bringt etwas zur Erscheinung und formuliert zugleich den Zweifel an der Erscheinung. Weil beides an derselben Stelle nebeneinander stehen kann, sind bei Lecomte Wörter Träume. Mit ähnlichen Worten wie Rimbaud zieht bei Breton Nadja die Figuration in Zweifel: „[E]lle s’empare des livres que j’ai apportés (Les Pas perdus, Manifeste du surréalisme): ‚Les Pas perdus ? Mais il n’y en a pas.‘“ (Breton: 1988, 689) Der Bruch in Lecomtes „Le voyageur 8 Anders als bei Benjamin angegeben, steht dieser Passus (der wiederholt wird) nicht in Une Saison en enfer, sondern in Illuminations, im Text „Barbare“. Dass gerade ein Bild von Blumen aus Lecomtes Prosa heraussticht und in seiner Figuralität bezweifelt wird, legt insbesondere in einer Untersuchung der Darstellung einer Stadt einen Bezug zu Charles Baudelaires Les Fleurs du mal nahe, vor allem zu den Tableaux Parisiens. Baudelaire spricht in der Tat von „fleurs mystérieuses“, jedoch im Text Méthode de critique anlässlich der Weltausstellung 1855: Die „voyageurs solitaires“ nennt er dort als diejenigen wenigen, die imstande seien, als Betrachter „d’un produit chinois, produit étrange, bizarre“ in sich eine Verwandlung zu bewirken, die es erlaubt, an der Welt teilzuhaben, die solche Blüten treibt („cette floraison insolite“). Denn, so Baudelaire weiter, versetzt man einen Menschen - keinen Gelehrten - in eine entlegene Region der Welt, dann entstehe in ihm bald eine neue Welt von Ideen, in der auch sie ihren Ort haben: „ces fleurs mystérieuses dont la couleur profonde entre dans l’œil despotiquement, pendant que leur forme taquine le regard […]“. Baudelaire ist auf mehr aus als die Binsenweisheit vom Reisen, das bildet. Nur die, denen es gelungen ist, der Bildung zu entgehen, sehen: „Ils ne critiquent pas, ceux-là: ils contemplent, ils étudient.“ (Baudelaire: 1975, II 576f.) Der Surrealismus bereist nicht die ferne Fremde, die statt Kritik den studierenden Blick erfordert, sondern die Fremde, die gewöhnlich nicht für eine solche gehalten wird: die „eigenen“ Träume, die „eigene“ Sprache. Juliane Prade 72 immobile“ ist nicht von gleicher Struktur wie dieser Zweifel. Bretons Text schreibt Nadja, einer Figur, den Einwand zu, es gebe keine verlorenen Schritte, während es womöglich Nadja nicht gibt, wohl aber den Band Les Pas perdus. Le vertige du réel stellt nicht vor allem die Frage, ob es „das gibt“, wovon die Rede ist, stellt nicht ein sprachliches Bild und die Wirklichkeit einander gegenüber, sondern weist auf den Riss, der die Wörter durchzieht: Sichtbar sind nichts als „les mots (choisis et les autres)“. Wo sie aber nicht bloß gesehen, sondern gelesen werden (wo die Lippen mit den Worten spielen), dort erscheinen eine unbekannte Stadt, die Nacht und Blumen, in die sie geteilt wird. Lecomtes Text untersucht das Erscheinen durch die Schrift. Er ist in jedem Stück erneut erstaunt darüber, dass Worte niemals nichts bedeuten, dass sie stets etwas nennen und damit vor Augen stellen - selbst im Spiel, selbst im Traum bedeuten Worte etwas und deuten Gesten auf etwas, auch wenn es kein Wirkliches gibt, das dem entspräche. Der Bruch der Figuration in „Le voyageur immobile“ gemahnt stärker noch als an Nadjas Worte an Magrittes La trahison des images von 1929, an die gemalte Pfeife mit der Bildunterschrift Ceci n’est pas une pipe - abzüglich der gemalten Pfeife. 9 Lecomte untersucht nicht die Abbildung, sondern er untersucht am sprachlichen Bild jenen Zug der Sprache, den man das Bedeuten nennt. In der Weise, wie er die Untersuchung des Bedeutens, des Zeigens und Sichtbarmachens, vornimmt, ist Lecomtes Text ganz verschieden von demjenigen Bretons. Um zu verdeutlichen, was Lecomtes Untersuchung vor Augen stellt, wird es instruktiv sein, zunächst wieder Nadja zu folgen. II Une ville inconnue Bretons Text lässt sich von der Stadtbeschriftung leiten, also von dem, was auf der Wirklichkeit geschrieben steht, darin nimmt er den Sur-Realismus wörtlich. Breton liest diese Schrift wie seine Texte und zeichnet die Lektüre wiederum auf. Die Orte, zu denen die Wege durch Paris in Nadja leiten, markiert Breton deutlich - wenngleich er die Stadt, in der er lebt, von „la vraie ville“ unterscheidet (Breton: 1988, 749) und insistiert: „ces pas sont tous“ (687); nicht auf die Orte also, sondern auf die Schritte zwischen ihnen kommt es an. Nichtsdestotrotz verzeichnet er: „Je prendrai pour point de départ l’hôtel des Grands Hommes, place du Panthéon, où j’habitais vers 9 Lecomtes Applications, eine 1925 publizierte Sammlung von Prosatexten, enthält zwei Zeichnungen von Magritte (Lecomte: 2009, 84 u. 94). Philippe Dewolf sieht im Bruch zwischen Titel und Betiteltem eine Korrespondenz zwischen Lecomtes Texten und Magrittes Bildern: „Il arrive aussi qu’apparaisse un décalage entre le titre d’un poème et son contenu, celui-ci n’étant pas nécessairement le commentaire de celui-là : cette distance entre titre et texte est semblable à celle que Magritte établit entre l’intitulé et le sujet d’un tableau […]“ (Dewolf: 2009, 15). Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 73 1918“ (653), und illustriert diese Angabe durch eine Photographie des beschrifteten Hauses, die er seinerseits beschriftet (654). Breton liest, wie Paris sich präsentiert, wie die Orte und Straßen der Stadt sich nennen und ausweisen, um Orientierung zu geben, diese aber ebenso nehmen, sofern die Aufschriften und Namen beim Wort genommen werden. Breton präsentiert ein Paris, wie es sich demjenigen zeigt, der sich von der Stadtbeschriftung leiten lässt, wie um sie zur Rede zu stellen. Das Unterfangen, „la vraie ville“ aufzuzeigen als „distraite et abstraite de celle que j’habite“ (749) - das heißt aus der „wirklichen Stadt“ durch Lektüre ihrer Beschriftungen nicht allein eine eigene Stadt auszuschneiden, sondern letztere auch als ausgeschnittene zu präsentieren -, macht es erforderlich, im Text das mit zu zeigen, was in ihm eine Lektüre erfährt. Kurz, Bretons Unternehmen macht es erforderlich, Photographien von Paris in den Band aufzunehmen. Lecomtes Band enthält keine photographischen Abbildungen, weil er dem Zustandekommen sprachlicher Bilder nachgeht. Aus demselben Grund verzichtet er auf alles die urbane Landschaft Identifizierende, auf jede Beschriftung, jeden Eigennamen. Nicht allein „Le voyageur immobile“ spricht von „une ville inconnue“. Lecomte liest in Le vertige du réel die Stadt, die nicht ein einziges Mal „Bruxelles“ genannt wird. Er nennt keine Adressen, er nennt die Wege, deren Kreuzungen er zeigt, nicht einmal - wie in einem früheren Text von 1922 - „les rues de la grand ville“ (Lecomte: 2009, 33), das heißt er weist sie nicht einmal als Orte einer Stadt aus. Gleichwohl, Lecomtes Beobachtung des Beobachtens liest eine Stadt: Bruxelles. Eine Überlegung am Beginn von Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften kann die Auslassung des Namens der Stadt bei Lecomte erläutern: „Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.“ Ihr Name hingegen gebe von dem ihnen Charakteristischen nicht viel zu erkennen, daher fährt Musil fort: „Es soll also auf den Namen der Stadt kein besonderer Wert gelegt werden. Wie alle großen Städte bestand sie aus Unregelmäßigkeit, Wechsel, Vorgleiten, Nichtschritthalten, Zusammenstößen von Dingen und Angelegenheiten, bodenlosen Punkten der Stille dazwischen, aus Bahnen und Ungebahntem“ (Musil: 1987, 9f.) Lecomte geht in Le vertige du réel der Frage nach, wie aus solchem etwas „bestehen“ kann, das zudem gewöhnlich auf Plänen erfasst wird. Er untersucht, wie das erscheint, was eine Stadt genannt wird - nicht wie eine Stadt sich nennt und beschriftet, sondern wie sie jenseits ihrer Selbstausweise dem Blick erscheint. Ähnlich wie Musil bemerkt, zeigt sich Lecomte, dass dasjenige, was eigentlich „Stadt“ heißt, nicht aus Gebäuden „besteht“, sondern aus Zwischenräumen, Plätzen und Straßen - nicht sofern sie fixierte, identifizierte Korridore sind, sondern sofern sie ausgemessen werden durch Wege, die sich berühren. Lecomte geht Juliane Prade 74 es um beobachtbare Bewegungen, daher lässt er alle Namen fort. 10 Und daher finden sich von Bruxelles in Le vertige du réel lediglich Schatten, nämlich Schatten der lesbaren Gestalt des Namens Bru-x-elles. Das Kreuzen, die Überschneidung von Wegen im Zentrum des Sichtbaren - x - ist einer von ihnen. Das Überkreuzen ist der, wie Musil formuliert, „Gang“, an dem die Stadt sich erkennen lässt. Ausgiebiger noch als „La statue endormie“ die Formung eines carrefour, beobachtet das Stück „Une place de la ville“ die Kreuzung von Wegen: Des hommes habillés de soleil ou d’ombre traversent une grande place, entourée de hautes maisons, dont les unes illustres et d’âge antique, éveillent l’attention du voyageur averti et dont quelques autres banales, ne datent que de peu d’années. Et les pas de ces hommes constituent un somptueux lacis qui, de minute en minute, se complique… Mais il n’est peut-être point sans réconfort de penser que en [sic! ] dépit de ce que ces hommes croient sans doute avoir tracé leur vie à l’avance, il leur reste à rencontrer quelque jour ce qu’ils n’ont pas encore rencontré. (Lecomte: 2009, 104) La Grand-Place ist der Name eines Ortes, den Reiseführer das „Wahrzeichen“ Brüssels nennen. Dieser Name ist freilich so wenig ‚eigen‘, wie der Eigenname eines Ortes nur sein kann. Kaum eine Stadt, die der Aufmerksamkeit des Reisenden nicht „une grande place“ als Sehenswürdigkeit anempföhle. Lecomte fragt aber, wiederum den voy...eur im voyageur akzentuierend: Was ist dort eigentlich zu sehen? Häuser beschreiben den Rand des Platzes, doch das heißt: Dort, wo sie sind, ist er nicht mehr. Er ist die Form des Raums zwischen ihnen. Wie aber ist die Form eines Raums anders beobachtbar als mit Blick auf seine Begrenzung, die schon etwas anderes ist? Diejenigen, die den Raum durchqueren, machen ihn bei Lecomte sichtbar. Die Wege derer, die statt Passanten Traversanten heißen müssen, beschreiben den Platz nicht wie die umstehenden Häuser, sondern messen den Raum aus, den der Platz ihnen bietet. Um das Durchqueren in der linearen Schrift darzustellen, sind die Worte - die Schritte des Textes - so aneinander gesetzt, dass sie sich zwar zu Syntagmen und diese zum vollständigen Satz fügen - gleichwie die mit ihnen bedeuteten Häuserfronten zum Platz -, dass dabei jedoch die 10 In Lecomtes Le Carnet et les instants von 1964 findet sich ein gegenläufiges Moment, das ebenso der Überlegung Musils korrespondiert, der Name einer Stadt sage wenig über den Ort, an dem man sich befindet. Zwei Texte dieser Sammlung beginnen damit, das Geschehen in Brüssel zu situieren, fahren aber umgehend mit einer Auflösung der lokalisierten Stadt fort; vgl. „L’agression“: „Cette scène singulière se situe à Bruxelles, à hauteur de la rue de Turin, qui, l’été, a la qualité de silence des via à petits palais et à jardins de Turin même.“ (Lecomte: 1980, 101) - „Discrétion“: „A Bruxelles, le 7 septembre 1943, Madame H. vécut pour la première fois le phénomène du bombardement aérien.“ (105) Vgl. Daniel Acke, La place du paysage dans le surréalisme belge: Les villes de Marcel Lecomte für diese und weitere Darstellungen der Stadt in Lecomtes œuvre romanesque (1994, 74). Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 75 phonetischen Fügungen sich immer wieder unterbrechen. Die Zusammenklänge und Liaisons kommen einander in die Quere und werden zudem unterbrochen von der Interpunktion, die semantische Fügungen schafft: Der Text beginnt mit dem phonetischem Glissando „hommes habillés de soleil“, das durchkreuzt wird von „ou d’ombre“; zwischen „traversent“ und „place“ zieht er wieder die Linie eines Zusammenklangs, der jedoch von der Interpunktion wiederum aufgehalten wird und so fort. Es ist nicht allein Bild für die Wege der Traversanten, sondern auch eine Beschreibung der Phonetik des Texts, wenn gesagt wird: „les pas de ces hommes constituent un somptueux lacis qui, de minute en minute, se complique…“ Damit fällt das Stichwort für die weitere Verschlingung des netzartigen Gewebes. Denn die semiotische und semantische Strukturen des Textes setzen sich nicht bloß nebeneinander fort, sondern überkreuzen sich: „les pas de ces hommes“, die Schritte, führen gleichsam zu der anderen, noch offenen Möglichkeit, das Homonym pas zu lesen und damit zu dem, was den Gehenden noch aussteht, zu „ce qu’ils n’ont pas encore rencontré“. Das Wort pas, das den Schritt zugleich benennt und negiert, ist im Text das, was in einer Stadt ein Platz (place) ist: Es lässt verschiedenen, sich über- und durchkreuzenden Wegen Raum. Dass der Platz aber zu einer Stadt gehört, dass er „[u]ne place de la ville“ ist, dies ist niemals sichtbar. Darum wird die Stadt in dem Text nicht genannt, der untersucht, wie sie dem Blick erscheint. Gegen Ende von Nadja schreibt Breton: „C’est ne pas moi qui méditerai sur ce qu’il advient de ‚la forme d’une ville‘“ (Breton : 1988, 749). Es ist Charles Baudelaire, der in den zitierten Worten darüber nachdenkt, dass Paris sich verändert und was mit der Form der Stadt geschieht (Baudelaire: 1997, vol. I, 85). Lecomte geht - so eigentümlich diese Wendung klingen mag - der Frage nach, wie die Form einer Stadt ‚geschieht‘, wie sie ‚statt hat’. In Le vertige du réel spricht „Le spectateur effacé“: „Il attend les gestes“ (Lecomte: 2009, 106). Der Blick sammelt Bewegungen. In ihm überkreuzen sich Wege und formen „un somptueux lacis“, ein Netz, die lesbare Textur der Stadt. Bei Lecomte gilt wie bei Breton: „ces pas sont tous“. Gerade deshalb jedoch trifft für Lecomtes Text nicht zu, wie Breton fortfährt: „Où vontils, voilà la véritable question.“ (Breton: 1988, 687) Schritte erscheinen bei Lecomte weder als irgendwohin führende, noch als von Figuren ausgeführte, Gesten lediglich als „les gestes des vivants“ (Lecomte: 2009, 119). Gesten weisen zwar auf die Verschiedenheit derjenigen hin, die sie ausführen, machen diese aber nicht namentlich benennbar, sondern einzig als Gestikulierende sichtbar, ebenso wie die Wege derer, die einen Platz überqueren, sie lediglich als Überquerende zeigen - und wie vice versa die lesbare Schrift zwar auf die Geste des Schreibens verweist, bei Lecomte jedoch keinen Schreibenden oder Erzähler verbürgt: „Tant des mains écrivent, il se fait tant des gestes vers midi, à la Bourse et le soir, à la sortie des ateliers, des bureaux, tant de gestes qui donnent au spectateur attentif le sens des Juliane Prade 76 différences personnelles.“ (125) Lecomtes Text zeigt Gebärden und Schritte, deutet sie aber als Bewegungen nicht ihrer Urheber, sondern des Raumes, in dem sie sich vollziehen. Gesten und Schritte zeigen in Le vertige du réel die Stadt als Rhythmus. Daher werden „les gestes de la journée“ am Ende von „Le voyageur immobile“ ebenso wenig einer gestikulierenden Figur zugeschrieben wie einer sie erblickenden. Hände, so wird gesagt, führen die Gesten aus, doch es sind in der Tat „die Gesten des Tages“ im „genitivus subiectivus“ statt „qualitatis“: Sie gehören zu den Verrichtungen, an denen sichtbar ist, was im Unterschied zur Nacht den Tag ausmacht (da man doch in der Stadt, wie eine Wendung besagt, die Nacht oft zum Tag macht). Desgleichen sind, was sonst „Bewegungen in einer Stadt“ hieße, bei Lecomte Bewegungen von Stadtteilen: „Dans la nuit complexe, le paysage de ce quartier de gare, à lui seul pose une énigme. / […] / Tant l’énigme que pose ce quartier de gare paraît se suffire à elle-même.“ (105) In dieser Zurückhaltung zeigt Lecomtes Text, wie eine Stadt geschieht: Verschiedene Bewegungen in ihr verstricken sich im Blick des Beobachtens zu einem Netz, das sich über die immobile Topographie legt. Nicht allein wenn sie beobachtet wird, hat aber die Stadt statt, sondern wenn das beobachtete Netz auch als Stadt beschrieben und somit sehen gelassen wird. Breton verdeutlicht dies, indem er die Stadtbeschriftung liest, denn an deren Leitfaden findet er nicht nur Wege durch Paris, sondern auf diesem Weg wird Paris im Text überhaupt als eine aus heterogenen Teilen bestehende Struktur sichtbar. Wie jedoch bei Breton die Beschriftung die Schritte der Figuren zu leiten scheint, so gibt es auch bei Lecomte einen Wechselbezug zwischen dem Betrachten und dem Betrachteten: In Le vertige du réel bringt der Blick auf die Stadt den Beobachter hervor - er geht dem Blick keineswegs als blickendes Subjekt voraus. Die Form, die der Stadt zugeschrieben wird, prägt denjenigen, der sie betrachtet, sie weist ihm einen Platz im Netz zu; diese Bewegung ist es, die Breton „eine Stadt bewohnen“ nennt. Dass die Stadt eine Kulturlandschaft ist, ist freilich nicht erst eine Erkenntnis des Surrealismus. Ihm ist allerdings diejenige zuzurechnen, dass die wechselseitige Formung der Umgebung durch Menschen und des Menschen durch diese Umgebung eine sprachliche Bewegung ist, eine Formung, wie sie in Texten geschieht. Um die Parallele zu verdeutlichen, ist ein weiteres Moment in den Texten Lecomtes zu betrachten. Le vertige du réel beobachtet, wie eine Stadt geschieht, ohne wie Breton einzelnen Stadtbewohnern Gestalt zu geben, ihnen zu folgen und Begegnungen zwischen ihn zu schildern. Dennoch erscheint die Stadt in Lecomtes Text wie in Nadja als Landschaft des Begehrens. Das Begehren aber ist je das Begehren zu lesen. Dem lesenden Blick zeigt Le vertige du réel Gesten und Schritte zugleich als Bewegungen der Glieder eines Stadtkörpers und als Rhythmus eines Stadtcorpus. Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 77 III Leib und Landschaft Bei Breton ist Nadja der Name der Lektüre. Allein Nadjas Augen sind - allerdings mehrfach - auf einer Photographie im Band abgebildet (Breton: 1988, 715). Nadja liest Bretons Texte, zweifelt deren sprachliche Bilder an, und liest mit ihnen Paris, um sie fortzuschreiben: 11 Une courte scène dialoguée, qui se trouve à la fin de « Poisson soluble », et qui paraît être tout ce qu’elle a lu du Manifeste, […] lui donne l’impression d’y avoir participé vraiment et même d’y avoir joué le rôle, pour le moins obscur, d’Hélène. Le lieu, l’atmosphère […] étaient bien ce que j’ai conçu. Elle voudrait me montrer « où cela se passait » : je propose que nous dînions ensemble. Une certaine confusion a dû s’établir dans son esprit car elle nous fait conduire, non dans l’île Saint-Louis, comme elle croit, mais place Dauphine où se situe, chose curieuse, un autre épisode de « Poisson soluble » : »Un baiser est si vite oublié. » (Breton: 1988, 693/ 695) Nadja liest Bretons Text, als beschriebe er Straßen und Räume nicht, sondern böte sie ihr zur Bewegung darin dar; als schildere er Begebenheiten nicht, sondern lasse sie geschehen. Nadja liest, als würde Bretons Text ihr sie selbst erzählen. Umgekehrt bewegt Nadja sich in Paris, als sei sie die Figur eines Textes, dessen Buchstaben - wie denen des Namens Dauphine - sie zu folgen habe. 12 Sie wird bewegt und gezeichnet von „[u]ne certaine confusion“ zwischen der Figuration und dem, was man Wirklichkeit nennt. Doch Nadja ist damit nicht allein, denn auch das Vorgesagte lässt sich nur dann sagen, wenn dieser Unterschied übersehen wird: Nadja bewegt sich durch Paris wie die Figur eines Textes - und das ist sie auch. Sie wird nicht die einzige gewesen sein, die am Ende eines Textes einer gewissen Verwirrung erliegt, ja wahnsinnig wird über die Frage, ob es nicht gerade so ist, dass ein Text 11 Auch eine andere weibliche Figur liest in Nadja Texte der Surrealisten, spricht aber anders als Nadja mit diesem Wort „Surrealisten“ über sie, statt ihre Texte fortzuschreiben. Ihr geht der Text nach einmaliger Erwähnung nicht weiter nach: „À notre tour, nous engageons la conversation avec elle. Très cultivée, elle ne fait aucune difficulté à nous entretenir de ses goûts littéraires qui la portent vers Shelley, Nietzsche et Rimbaud. Spontanément, elle nous parle même des surréalistes, et du ‚Paysan de Paris‘ de Louis Aragon qu’elle n’a pu lire jusqu’au bout, les variations sur le mot Pessimisme l’ayant arrêtée.“ (Breton: 1988, 676-679) 12 Wie Les Champs magnétiques von Breton und Soupault produziert auch Nadja eine écriture (oder narration) automatique und schließt die Augen, wie um sie nicht als Text zu lesen, sondern als ein Geschehen - zu sehen: „Nous demeurons quelque temps silencieux, puis elle me tutoie brusquement : ‚Un jeu : dis quelque chose. Ferme les yeux et dis quelque chose. N’importe, un chiffre, un prénom. Comme ceci (elle ferme les yeux) : Deux, deux quoi ? Deux femmes. Comment sont ces femmes ? En noir. Où se trouvent-elles ? Dans un parc… Et puis, que font-elles ? Allons, c’est si facile, pourquoi ne veux-tu pas jouer ? Eh bien, moi, c’est ainsi que je me parle quand je suis seule, que je me raconte toutes sortes d’histoires. Et pas seulement de vaines histoires : c’est même entièrement de cette façon que je vis.‘“ (Breton: 1988, 690) Juliane Prade 78 das geschehen lässt, wovon er spricht, statt bloß eine Wirklichkeit wiederzugeben. Die Konfusion der Figur Nadja entspricht der Fusion von lesbarem Text und auf Photographien abgebildeter, sichtbarer Wirklichkeit in Nadja. Eine Photographie ist alles andere als bloße Wiedergabe; sie ist eine Abbildung, die etwas Bestimmtes in bestimmter Weise sehen lässt wie auch ein Text. Die Breton wichtige Differenz liegt zwischen Sehen und Lesen: Zwischen photographisch festgehaltenen Punkten (auch Personen, Objekten) stellt der Text Verbindungen her, beschriftet die Photographien, womit sie in einen neuen Kontext gestellt werden. Dieser Zusammenhang wird seinerseits durch Nadja zugeschriebene Zeichnungen illustriert, wie etwa eine des Titels La Fleur des amants (720): Sie zeigt zwei zur Blume verbundene Augenpaare. In Lecomtes Le vertige du réel richtet sich das Begehren nicht auf eine lesende weibliche Figur, sondern auf das Betrachtete, das im Betrachten als weiblich erscheint: In „Une place de la ville“ durchqueren Schritte von „hommes“ - insgleichen „Menschen“ und „Männer“ - eine urbane Topographie, die von der Grammatik der Sprache des Textes, der dies zeigt, als weiblich bestimmt ist: place und ville sind Feminina. Darin liegt ein weiterer Schatten der lesbaren Gestalt des Namens Bru-x-elles: elles. Der Name der Stadt spricht von Feminina. In umgekehrter Weise widmet sich „Terre de chair“ der lesbaren Gestalt. In diesem Stück wird nicht ein Wort zur Szenerie, sondern eine als sichtbar imaginierte Szene auf die lesbaren Worte zurückgeführt: Il s’agit d’un très vaste espace et ce que l’on voit maintenant est une femme étendue au milieu du monde. C’est la tête, le corps et ce sont les bras et les mains. Les jambes et les pieds sont cachés sous une hauteur à droite. Au-dessus quelque ville repose, étagée. Mais ce paysage ne se monte pas à tous. Il convient de le lire avec lenteur. (Lecomte: 2009, 100) Der Text eröffnet zunächst einen Raum und ‚legt‘ im Wortsinn eine Figur darin ‚vor’, um sie anschließend im Detail zur Erscheinung zu bringen. In dem Moment jedoch, da die Schilderung der auf dem Boden liegenden Frau einen Schluss auf den Ausgangspunkt des beobachtenden Blicks zulässt, vollzieht der Text einen Sprung. Sobald gesagt ist, Beine und Füße lägen rechts verborgen unterhalb einer Erhöhung - was die Orientierung erlaubt, dass der Blick vom Oberkörper der Frau ausgeht -, springt der Text, spricht in einem neuen Absatz von einer Stadt, und nennt das zuvor Geschilderte eine Landschaft. Nicht zuletzt der Titel des Stücks legt es nahe, den Sprung als eine Metapher zu verstehen, deren Angelpunkt die hauteur ist: Der Text spricht den Teil des Körpers an, den man Mont de Vénus nennen kann, nennt Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 79 ihn jedoch nicht so, sondern nimmt diese Metapher wörtlich, spricht von einer „Anhöhe“ und fährt in seiner Darstellung der Topographie, in der Lagebeschreibung, eben im Vokabular einer Landschaftsbeschreibung fort. Damit formuliert der Text einerseits das vom Titel angekündigte Bild einer Leibeslandschaft, untersucht - das heißt bezweifelt - es andererseits aber auch. Die Schilderung als Landschaft lässt jene Körperteile unbenannt, die sich nicht jedem zeigen und die in einer erotischen Begegnung langsam zu studieren sich empfiehlt. Sie werden als Verborgene gezeigt, indem sie gar nicht Körperteile, sondern paysage genannt werden. So formuliert, nimmt die Erläuterung aber eine Übertragung vor: Sie nimmt das nach dem Sprung zur Landschaftsschilderung Gesagte weiterhin als Rede von der Frau und nimmt also an, dass „eigentlich“ sie erscheint, während die Rede von ce paysage lediglich ein Mittel ist, sie zugleich zur Erscheinung zu bringen und doch nicht dem Blick eines jeden offenzulegen. Diese Unterscheidung wird vom Titel souffliert. Der folgende Text nimmt sie jedoch nicht an, er sagt nicht: „Il convient de l[a] lire“, sondern nimmt das Vorgesagte ebenso wie die evozierte Metapher vom Venusberg beim Wort und bezieht sich auf die grammatisch männliche Landschaft, „[l]e paysage“. So liest der Text sich langsam selbst, langsamer als eine Lektüre, die in dem Stück allein die dezente Beschreibung einer Frau sieht. Der Text unterläuft seine Figuralität, indem er sich nicht auf das Bild bezieht, sondern auf die Worte, die es bilden. Er zeigt dabei, dass die Landschaft zwar für die Frau stehen kann, dies aber deshalb, weil beide im Text in gleicher Weise erscheinen und kein Bild „wirklicher“ ist als das andere. Denn der Sprung, der vom Wort hauteur abhebt, kann Zweifel daran wecken, ob nicht schon im Wechsel vom ersten zum zweiten Absatz auch das Beschriebene wechselt und somit dort bereits nicht von einer am Boden ausgestreckten Frau, sondern von einer sich erstreckenden Landschaft die Rede war - und ob nicht überhaupt das ganze Stück „Terre de chair“ viel eher als eine Leibeslandschaft eine Landschaft als Leib schildert, als ein Belebtes. In einem anderen Stück ist in solcher Weise die Rede von einem ermüdenden Spaziergang „dans une artère très fréquentée de grande ville“ (103). Zweifel daran, wovon in „Terre de chair“ die Rede ist, weckt das Wort hauteur nicht zuletzt da es ein Homophon - ausgerechnet - zu auteur ist und ihn auch mitbuchstabiert. Wie hauteur ein weiteres Wort birgt und also anderes als die „Anhöhe“ stets mit bezeichnet, so entwirft das Stück untrennbar zwei Bilder zugleich. Was Ovids Mythos von Pygmalion als Metamorphose schildert, als Übergang eines Bildes in ein anderes vermittels der Umstellung zweier Buchstaben, das zeigt Lecomte in „Terre de chair“ als ständige Ununterscheidbarkeit. Am Ende des Stückes ist dasjenige, was man (wie der erste Satz sagt) nun sieht, vor allem die Schrift des Textes. Es empfiehlt sich, ihn langsam zu lesen. Dabei fällt auf, dass dieser Übertragung des letzten Satzes ins Deutsche ein Moment entgeht. Der erste sowie der letzte Satz von „Terre de chair“ beginnen mit „[i]l“: Die un- Juliane Prade 80 persönlichen Wendungen „Il s’agit d[e]…“ und „Il convient de…“, in denen keiner handelt und empfiehlt, werden freilich mit „Es…“ übersetzt. In der Sprache aber, in der Lecomte die Figuration untersucht, sprechen die Wendungen von einem männlichen Subjekt der Handlungen. Als dieser unpersönliche „er“ artikuliert sich der im Text implizite Betrachter, so wie der voy…eur im voyageur immobile. Was er begehrt, ist keine weibliche Figur, sondern die Figuration. „Il“ ist der Blick auf den Text. Ihn verlangt zu sehen, was die Schrift vorstellt: ein sprachliches Bild. IV Die Gestalt der Stadt In „Terre de chair“ erscheint das Betrachten als Lesen, denn wie dieses ist es still und erfasst Verläufe. Das Stück zeigt einen Körper nicht als vollständiges Bild, sondern als Landschaft, in der sich Linien kreuzen. In gleicher Weise entwirft Le vertige du réel die Stadt als „somptueux lacis“ aus Bewegungslinien, als seien sie Zeilen und die Stadt eine Textur. In Le vertige du réel liest Lecomte die Stadt. Weil er untersucht, wie ihr sprachliches Bild zustande kommt, wird die Stadt nicht einfach benannt. Wie bei jedem Lesen der Klang der Worte sukzessive von der Schrift abhebt, so klingt in den Texten der Sammlung der Name der Stadt bisweilen als Echo an - als „échos affaiblis“, wie es an anderer Stelle heißt (Lecomte: 2009, 122). Lecomte eröffnet damit ein sprachliches Äquivalent dessen, was die urbane Topographie denjenigen ermöglicht, die diese auf ihren Wegen durchmessen: ein mögliches Zusammentreffen. Das Stück „Visage de la nuit“ evoziert ein mögliches Zusammentreffen von Wörtern, ein Echo: Des maisons rusées qui commandent à des hommes inquiets. Une rue qui commande aux maisons rusées. De surprise en surprise, de menace en menace, une rue librement circule entre des maisons attentives. Rue pour elle. (Lecomte: 2009, 113) Der Text entwirft zunächst ein Geflecht von Beziehungen zwischen Menschen und der städtischen Architektur. Sie besteht - wie in „Une place de la ville“- aus grammatischen Feminina, was ebenso wie der abschließende Verweis auf „elle“ akzentuiert, dass diejenigen, die sich in der Stadt befinden, nicht allein als „Menschen“ zu verstehen sind, sondern konkreter auch als „Männer“. Anders als der Titel erwarten lassen mag, schließt das Stück nicht damit, dieses Geflecht das (oder ein) Antlitz der Nacht zu nennen. Das Stück schließt eigentlich gar nicht, sondern endet, indem es die Szenerie öffnet für eine zuvor ungenannte ‚Sie‘ („elle“). „Kein Gesicht“, so bemerkt Benjamin zu Bretons Stadtlektüre, „ist in dem Grade sürrealistisch wie das wahre Gesicht einer Stadt.“ (Benjamin: 1991, 300) Ein solches Stadtgesicht Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 81 scheint in Lecomtes „Visage de la nuit“ dort auf, wo der Name der Stadt im Durchmessen ihrer Straßen widerhallt: „Rue pour elle“, darin liegt ein Echo von Bruxelles. Dieses Gesicht ist „wahr“, nicht weil es etwas Einzigartiges in dieser Stadt beschriebe oder ihr etwas Charakteristisches zuspräche, sondern da es eine Korrespondenz zwischen dem in der Stadt zu Beobachtenden und ihrem Namen ausweist; da der Text sich also an das hält, was von der Stadt sicht- und lesbar ist. Surrealistisch kann das in Le vertige du réel entworfene Antlitz der Stadt Bruxelles heißen, da es - statt auf dem zu beruhen, was man über die Stadt sagt oder wie man ihre Straßen und Plätze nennt - gerade untersucht, wie in der Sprache etwas bedeutet wird, so dass es Gestalt gewinnt. Dies geschieht im Wechselbezug zwischen Semiotik und Semantik, wie die in Le vertige du réel versammelten Stücke aufweisen, indem sie nicht allein etablierten Trassen dieses Wechselbezugs folgen, sondern auch neue herstellen: Die Stücke stellen das Kreuzen von Wegen als Schatten der Gestalt des Namens Bru-x-elles ins Zentrum, lesen die Form des Zeichens also als Form des Bezeichneten. Dabei bilden sie das Sich-Kreuzen nicht bloß ab, sondern vollziehen es, wenn sie formulierte Bilder sogleich durchkreuzen, nämlich als sprachliche Bilder - nicht als sichtbar vorgestellte Anblicke - offenlegen. In gleicher Weise nehmen Lecomtes Stücke den letzten Teil des Namens Bru-x-elles als Hinweis auf die Weiblichkeit der urbanen Topographie und lassen ihn als Echo widerklingen. Weiterhin variieren die Stücke den ersten Teil des Namens der Stadt in dem Wort brusque und beschreiben damit die Weise, in welcher die Stadt erscheint. Denn nicht allein die schlafende Statue im ersten Stück erwacht jäh („brusquement“), und jäh ist auch nicht lediglich das dort zur Erscheinung gebrachte Abheben des Klangs der Worte von der stummen Schrift beim Lesen. „[À] un angle brusque“ zeigt sich in einem anderen Stück das Erscheinen und Verschwinden von Passanten in einer Drehtür (Lecomte: 2009, 103), ein weiteres entwirft die plötzliche Entscheidung, auf die Straße zu treten, während der Körper drinnen zu bleiben verlangt: „[I]l arrive que nous nous décidions brusquement à sortir“ (108). Jäh erscheint bei Lecomte die plötzliche Wendung der geschriebenen Buchstaben in Worte, die etwas bedeuten: die Trennung des lesbaren Sinns, auf den ein Satz hinaus will, von der sichtbaren Gestalt der reglosen Zeichen. Da Lecomte an der Stadt untersucht, wie etwas in einem Text Gestalt erhält, gehört dieses Brüske der Sprache zur Gestalt der in Le vertige du réel gezeigten Stadt selbst. Anders als das in Bretons Nadja gezeigte Paris ist Lecomtes Bruxelles keine - wenn auch im Wortsinn - gelesene und neu beschriebene Stadt, die aus einer photographisch abzubildenden, beschrifteten Architektur besteht, sondern eine Stadt aus Sprache. Sie besteht, wie Musil sagt, „aus Unregelmäßigkeit, Wechsel, Vorgleiten, Nichtschritthalten, Zusammenstößen“. Bei Lecomte sind die Zusammenstöße aber solche von Semiotik und Semantik, Wechsel und Unregelmäßigkeiten solche der Phonetik und Grammatik. In Le vertige du réel spricht „Le Juliane Prade 82 spectateur effacé“. Was sich in seinem Blick sammelt, sind Bewegungen der Sprache: Il attend les gestes et les paroles. C’est n’est pas un homme sans mémoire. Il guette les coïncidences au milieu des rues, dans la foule d’un café. Et qu’elles soient touchantes ou déconcertantes, ces coïncidences, peu importe, car il les copie pour leur accent, leur ton brusque, leur dessin dur et net. Il cherche leur présence. Il songe aussi à ces hommes qui se rencontrent à plusieurs reprises dans la même journée, mais sans se connaître. (Lecomte: 2009, 106) Wie eingangs das stumme Standbild von einem Klang, so träumt der in diesem Stück explizite Beobachter davon, dass die Überschneidungen und Zusammentreffen, die er ob ihres besonderen, brüsken Tons festhält, von der Textur des Tages in der Stadt zeugen. In gleicher Weise - wie geträumt, ineins beschreibend und am Beschreiben in der Sprache zweifelnd - bergen die in Le vertige du réel versammelten Stücke die sonst ungewusste, da ungelesene Gestalt der Stadt Bruxelles: ihre Sprachgestalt. Acke, Daniel (1994): „La place du paysage dans le surréalisme belge: Les villes de Marcel Lecomte“, in: Robert Frickx / David Gullentops (Hg.) (1994): Le Paysage urbain dans les Lettres françaises de Belgique. Bruxelles, S. 73-81. Baudelaire, Charles (1997): Œuvres complètes, Vol. I-II. Hg. von Claude Pichois. Paris. Benjamin, Walter (1991): „Der Sürrealismus. Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz“, in: Walter Benjamin (1991): Gesammelte Schriften, Vol. II. Hg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser. Frankfurt am Main, S. 295- 310. Breton, André (1988): Œuvres complètes, Vol. I. Hg. von Marguerite Bonnet u.a. Paris. de la Torre Giménez, Estrella (2001): „Le regard de Marcel Lecomte: À la recherche de l’essence des choses“, in: Mélusine XXI: Réalisme - Surréalisme. Hg. von Henri Béhar. Paris, S. 125-132. Dewolf, Philippe (2009): „Poésie sans défense“, in: Marcel Lecomte (2009): Poésies complètes. Hg. von Philippe Dewolf. Paris, S. 7-24. Lecomte, Marcel (1944): L’accent du secret. Paris. — (1980): Œuvres: L’homme au complet gris clair. La servante au miroir. Le carnet des les instants. Bruxelles. — (2009): Poésies complètes. Hg. von Philippe Dewolf. Paris. Musil, Robert (1987): Der Mann ohne Eigenschaften I. Erstes und Zweites Buch. Hg. von Adolf Frisé. Reinbek. Ovid (1996): Metamorphosen. Lateinisch und deutsch. Übers. von Erich Rösch. Zürich / Düsseldorf. Rimbaud, Arthur (1972): Œuvres complètes. Hg. von Antoine Adam. Paris. Lire avec lenteur - un somptueux lacis. Lecomte liest die Stadt 83 Ronse, Henri (1980): „Préface“, in: Lecomte, Marcel (1980): Œuvres: L’homme au complet gris clair. La servante au miroir. Bruxelles, S. 7-15. Christian Grünnagel Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge Monsieur le Marquis de Sade je vous tire mon chapeau mais ensuite rideau Paul Nougé Dès le premier Manifeste du surréalisme en 1924, André Breton considère Sade comme l’un des ancêtres de ce mouvement littéraire, artistique et politique (cf. Breton: 1962, 41). En se fondant sur cette généalogie, la critique a déjà constaté la présence d’éléments sadiens ou bien sadiques au cœur de l’esthétique surréaliste (cf. Bezzola et al.: 2001, 177-219 et Lyford: 2007, 151). On connaît bien, par exemple, la fascination exercée par le « divin marquis » - l’expression est d’Apollinaire - sur des peintres et des photographes comme Man Ray, des metteurs en scène comme Luis Buñuel et des auteurs tel qu’André Breton. 1 Ce qui reste néanmoins frappant est que la critique littéraire ne fait pas souvent la distinction entre la réception explicite de l’œuvre sadienne et la présence d’éléments sadiques quand on parle de Sade et du surréalisme. Un exemple assez typique de la manière de présenter les « liaisons dangereuses » entre Sade et les surréalistes est le catalogue d’exposition Sade / Surreal, édité par Bezzola (et d’autres). On y trouve rassemblées des œuvres comme le célèbre Portrait imaginaire de D.A.F. de Sade de Man Ray (1938) et une série de photographies du même artiste, 2 d’ailleurs beaucoup moins 1 Cf., entre autres, Buñuel, L’Âge d’Or (1930) et Breton, « Le marquis de Sade a regagné... » (Breton: 1960, 142). 2 L’intérêt, voir la fascination, de Man Ray pour Sade et le sadomasochisme est, au moins, très probable (cf., entre autres, des œuvres comme L’énigme d’Isidore Ducasse, Vénus restaurée et, beaucoup plus évident, voir « pornographique », Woman in Mask and Handcuffs, commentées par Burtschell: 2006; cf. aussi Lyford: 2007, 151). D’autre part, c’est plutôt l’homme « Sade » et sa biographie que la « perversion » qui est probablement à l’origine d’une série photographique du même artiste américain - comparable Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 85 connues, intitulées Les fantaisies de Monsieur Seabrook (vers 1930), l’un montrant un Sade pétrifié, monument de lui-même, juxtaposé à la Bastille en feu, sa prison, prise par les révolutionnaires ; l’autre mettant en scène deux femmes, l’une ligotant et bâillonnant l’autre. Dans le cadre de cet essai, il est important de préciser que la réception est quelque peu différente si l’on compare les deux œuvres : d’une part, le travail artistique se concentre sur Sade lui-même, l’homme et ses écrits - deux lignes de son testament apparaissent comme citation en bas de la peinture - d’autre part, c’est plutôt une allusion à ce qu’on a tendance à qualifier d’« érotisme sadomasochiste », plus précisément ici : la fantaisie du « bondage ». (Man Ray, Imaginary Portrait of D.A.F. de Sade, 1938 ; © VG Bild-Kunst, Bonn 2012) (Man Ray, Les fantaisies de Monsieur Seabrook, vers 1930 ; VG Bild-Kunst, Bonn 2012) La question est la suivante : quelle est la filiation du sadomasochisme ? De plus, est-il en contact direct avec l’œuvre écrite par le marquis de Sade au XVIII e siècle ? Quelle relation entretient la fascination érotique du « bondage » 3 à la manière de « Monsieur Seabrook » avec des scènes sadiennes, par exemple au Château de Silling (Cent Vingt Journées de Sodome, vers 1785 ; cf. Sade: 1990, 1123) ? Faut-il différencier entre l’œuvre, l’homme et une « perversion » sexuelle « inventée » par Krafft-Ebing à la fin du XIX e siècle sous cet aspect à son Portrait imaginaire... - dédiée à La Coste et au « Château de Sade », en Provence (cf. Man Ray: 2009, 216-239). 3 Selon Burtschell, le corps lié, érotisé, constitue un motif important du surréalisme, jusqu’à aujourd’hui quelque peu négligé par l’histoire de l’art (cf. Burtschell: 2006, 35). Christian Grünnagel 86 (cf. 1984, 69) ? 4 Et si tel est le cas, cette différenciation est-elle pertinente pour la conception des surréalistes du XX e siècle ? Breton ne nous vient pas vraiment en aide dans le premier Manifeste du surréalisme 5 quand il nous apprend que « Sade est surréaliste dans le sadisme. » (Breton: 1962, 41) Breton poursuit: J’y insiste, ils [les « ancêtres » du surréalisme, parmi eux, Sade] ne sont pas toujours surréalistes, en ce sens que je démêle chez chacun d’eux un certain nombre d’idées préconçues auxquelles - très naïvement ! - ils tenaient. Ils y tenaient parce qu’ils n’avaient pas entendu la voix surréaliste, [...] parce qu’ils ne voulaient pas servir seulement à orchestrer la merveilleuse partition. C’étaient des instruments trop fiers, c’est pourquoi ils n’ont pas toujours rendu un son harmonieux. (italiques AB ; Breton: 1962, 41-42) Nous pourrions risquer l’hypothèse suivante : pour le groupe surréaliste parisien autour de Breton, ce n’est ni l’homme, « instrument trop fier », ni son style littéraire (rien à voir avec l’écriture automatique, « la merveilleuse partition »), ni sa philosophie - un « certain nombre d’idées préconçues » -, mais bel et bien la « perversion » qui est « surréaliste » et perçue comme moyen, véhicule et/ ou source d’inspiration des surréalistes parisiens des années vingt. 6 La présence « évidente » du marquis de Sade et de ses écrits littéraires et philosophiques dans une œuvre surréaliste ne serait donc qu’une métaphore pour désigner ce qui est « surréaliste » en lui : la « perversion » sexuelle. 7 On va cependant voir qu’il n’est pas si facile que cela de séparer complètement et nettement les deux camps et qu’il y a malgré tout des exemples où une réception des écrits sadiens est aussi probable au sein de l’art surréaliste qu’une allusion au sadisme, des exemples qui nous présenteront donc un mélange troublant, sadien et sadique à la fois. Comme il est impossible de trouver une solution, a priori, à ce dilemme terminologique brièvement esquissé (Sade et/ ou le sadisme), il faut se pencher sur les œuvres surréalistes qui peuvent représenter ces deux facettes : réception « évidente » de l’œuvre sadienne d’une part et fascination - plus camouflée - pour l’érotisme dit « sadique » d’autre part, au cœur du surréa- 4 Krafft-Ebing souligne que le terme était déjà usuel dans la « littérature française » (1984, 69, note 1). S’y ajoute, avec le nom de Sacher-Masoch, une complication supplémentaire : la relation qu’entretiennent sadisme et masochisme (cf. Deleuze: 1961). 5 Pour une lecture du « Manifeste » de 1924 cf. Bürger: 1996, 59-73. 6 Mais il faut être prudent et ne pas prendre trop au sérieux le catalogue des ancêtres du surréalisme dans lequel Breton met aussi Victor Hugo, qui « est surréaliste quand il n’est pas bête » (Breton: 1962, 41). 7 Pour Robert Bréchon, c’est au contraire la philosophie de Sade, « l’étoile noire où le surréalisme reconnaît un des pôles de sa pensée », qui serait à l’origine de l’introduction du « divin marquis » au « panthéon surréaliste » (Bréchon: 1971, 148- 149). Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 87 lisme belge qui, selon Fuessle (s.a., s.p.), « did not openly champion Sade as Breton and his group did. » 8 Cet essai se concentrera donc sur trois exemples : la Subversion des Images et les Érotiques de Paul Nougé pour la photographie et la littérature surréalistes et La Philosophie dans le boudoir de René Magritte pour la peinture. Commençons par le tableau du célèbre peintre belge car son titre 9 explicite la relation directe avec l’œuvre sadienne : (Magritte, La Philosophie dans le boudoir, 1947 ; © VG Bild-Kunst, Bonn 2012) Comme on le sait, La Philosophie dans le boudoir est aussi le titre d’un ouvrage dialogué de Sade qui met en scène des libertins (hommes et femmes débauchés) et une jeune fille, Eugénie, apprentie libertine, dans le boudoir de la marquise de Saint-Ange. Les études de l’« élève » sont à la fois théoriques et pratiques. Les philosophèmes typiques et récurrents dans les écrits sadiens (anticléricalisme radical, athéisme, matérialisme, hédonisme et un fort penchant au nihilisme moral - cf. Schröder: 2005, 137-168) entrent en contact direct avec l’initiation de la jeune fille à la sexualité et aux « perversions » typiquement sadiennes comme la sodomie, prônée par les libertins comme 8 (www.imageandnarrative.be/ inarchive/ surrealism/ fussle.htm - 20/ 08/ 2012). Cet article est le premier, à ma connaissance, qui traite de ce sujet. L’hypothèse centrale de Fuessle est la suivante : la figure du criminel constitue le lien unissant Sade et les surréalistes belges, mais ce « lien » n’est jamais évident : il s’agit plutôt d’une « affinité », selon le titre de l’article. 9 Le titre du tableau fut apparemment proposé par Marcel Mariën (cf. Gohr: 2009, 158). Christian Grünnagel 88 une technique sûre de contraception au XVIII e siècle (cf. Carter: 1979, 96). L’éducation « sentimentale » d’Eugénie se termine par une expérience pratique : on lui livre sa mère, représentante de la morale, de la religion et de tout ce que les libertins haïssent et méprisent, pour que sa propre fille la punisse et la torture en lui cousant les parties génitales. La haine envers la procréation et une sexualité prétendue « naturelle » culmine et déborde dans cette « pointe » finale de La Philosophie dans le boudoir du marquis de Sade (cf. Jallon: 1999, 26-40). Quelle est donc la relation qu’entretient cet écrit du XVIII e siècle avec le tableau de Magritte datant de 1947 ? Pourquoi le peintre belge a-t-il accepté ce titre évidemment « sadien », proposé par Marcel Mariën ? Afin de trouver une réponse forcément provisoire à cette question, il faut d’abord identifier les éléments qui constituent la peinture de Magritte. Nous pouvons y voir un panneau de bois en arrière-plan, une tringle à laquelle est accroché un cintre auquel est suspendue une chemise de nuit blanche faisant du sein féminin une partie du vêtement, 10 une table de couleur grise dans un matériel indéfini, sur laquelle est posée une paire de souliers de femme, à talons hauts, se terminant par des orteils ; nous pouvons penser que les chaussures sont en cuir (brun très foncé ou presque noir) ; l’ombre de la chemise de nuit et des souliers se projetant sur l’arrière-plan en bois et sur la table. Ce « boudoir » de Magritte ne rappelle en rien les fastes de l’Ancien Régime. Il s’agit, à deux exceptions près, d’objets d’une sobriété extrême, quotidiens ou même petits-bourgeois, « [t]he Empire of Commonplaces », tellement typique de l’art chez Magritte, selon l’heureuse expression de Ceuleers (1999, 37). Mais ce qui perturbe cette vision « réaliste », c’est justement la présence troublante du corps féminin. Le corporel envahit, pour ainsi dire, les objets et s’entremêle avec eux pour en devenir inséparable. L’érotisme présent - non seulement dans le surréalisme en général (cf. Gauthier: 1971), mais aussi dans ce tableau concret de Magritte - est teinté d’une forte connotation « perverse » : le corps de la femme se réduit aux seins et aux pieds, on peut donc penser au fétichisme, encore évoqué à travers les souliers noirs à talons (cf. Sylvester: 2009, 392). L’érotisme du tableau se concentre donc exclusivement sur deux parties du corps féminin excluant ainsi toute conception de la femme en tant qu’individu, personne. 11 « Elle » n’est qu’un 10 Même « jeu » déjà dans un autre tableau du grand peintre belge : son Hommage à Mack Sennett (1936) nous montre une robe de femme qui fait du sein féminin une partie d’un objet inanimé, « habituel », ainsi transformé en quelque chose de surréel. La Philosophie dans le boudoir serait donc « a combination of old images », mais « more aggressive » que le tableau de 1936 et « provocative » (Magritte: 1993, vol. II, cat. 633, 391). 11 La réification sensible de la femme devenue un objet « utilisable » selon La Philosophie dans le boudoir de Magritte peut donc réapparaître comme illustration de la couverture Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 89 objet, 12 fragmentaire, un objet portant une chemise de nuit blanche, des chaussures, mais également des seins et des pieds. 13 Le spectateur ou la spectatrice va même jusqu’à soupçonner que les souliers sont en peau de femme, c’est-à-dire que le matériel brun foncé est du cuir « humain ». 14 Revenons à notre question : quelle pourrait être la relation entre cette peinture et l’œuvre sadienne ? Et quelle signification a le titre - si signification il y a ? Magritte, pour sa part, souligne que « [l]es titres des tableaux ne sont pas des explications et les tableaux ne sont pas des illustrations des titres » et poursuit : La relation entre le titre et le tableau est poétique, c’est-à-dire que cette relation ne retient des objets que certaines de leurs caractéristiques habituellement ignorées par la conscience [...] Le titre poétique n’a rien à nous apprendre, mais il doit nous surprendre. (Magritte: 2009, 259-263) 15 d’une étude sociologique sur Prostitution, Power and Freedom (O’Connell Davidson: 1998). 12 Cf. Passeron (chap. « Der Blick auf die Frau ») : « [e]in Ateliergegenstand, ein Gegenstand für den Blick des Malers », « verdinglicht, unbeweglich » (1985, 46). 13 Cf. Adorno: « Abgeschnittene Brüste, Beine von Modepuppen in Seidenstrümpfen auf den Collages - das sind Erinnerungsmerkmale jener Objekte der Partialtriebe, an denen einst die Libido aufwachte. » (2003, 104-105) 14 En ce qui concerne le motif récurrent des chaussures-orteils chez Magritte, par exemple dans Le Modèle rouge (1935), et sa relation avec La Philosophie dans le boudoir magrittienne cf. Jongen: 1994, 117 et Gohr: 2009, 156 ; cf. aussi Sylvester: 2009, 392 : « Auf einer Tischplatte im Vordergrund [de La Philosophie dans le boudoir] sitzt [! ] eine Variante von Das rote Modell [...] ». 15 Qu’une approche herméneutique à une œuvre d’art surréaliste ne soit cependant pas a priori captieuse devrait être clair si l’on pense à la fascination des surréalistes pour la psychanalyse freudienne (cf. Bürger: 1996, 84-91) qui se base, elle aussi, sur une herméneutique spéciale à la manière de la Traumdeutung, l’explication des rêves (cf. Ricœur 1965, 16), qui - selon le titre original allemand - n’est pas une « explication » suivant la logique que Dilthey voit à l’œuvre, en premier lieu, dans les sciences exactes (cf. Jung: 3 2007, 85), mais une « interprétation », une herméneutique du rêve. Dans le cas de Magritte, les choses se compliquent néanmoins encore plus puisque le peintre belge s’est souvent exprimé d’une façon ironique à l’égard de Freud et son herméneutique (cf., p. ex., Magritte: 2009, 171-172, et son opposition à une interprétation « symbolique » de son œuvre, 596-597 ; cf. aussi ses tableaux intitulés Le Thérapeute et la série La Clef des songes). Sylvester comprend les titres des tableaux magrittiens comme parties du « principe de collage », très répandu chez les surréalistes : « Die Verknüpfung eines poetischen Titels mit einem Bild entspricht genau dem Nebeneinanderstellen von Collageelementen. » (Sylvester: 2009, 291) En ce qui concerne La Philosophie dans le boudoir en concret, Passeron insiste : « es [le tableau] ist auch nicht grundlos unter Bezugnahme auf de Sade betitelt » (1985, 46). Une interprétation serait donc possible - malgré la récalcitrance du surréaliste belge (cf. aussi Bürger: 1996, 15 : « [die Surrealisten] haben [...] die Surrealismusforschung als ein Mittel ergriffen, um die Selbstdeutung als die einzig zulässige Interpretation der Bewegung festzulegen » ; italiques CG). Christian Grünnagel 90 Quelle serait donc cette « relation poétique », « surprenante », entre La Philosophie dans le boudoir et l’image présentée par le tableau ? Quelles « caractéristiques » sont « retenues » ? S’agit-il de la même « philosophie » transférée du boudoir dix-huitiémiste à la garde-robe du XX e siècle ou bien d’une autre, plus ou moins proche, plus ou moins éloignée de Sade ? Ce qui est évident, c’est que Magritte se concentre sur le corporel en excluant les allusions à la Raison, à l’athéisme - éléments pourtant centraux de la pensée sadienne -, etc. 16 La jeune femme-apprentie chez Sade est devenue femme-objet chez Magritte. Toute trace d’une individualité ou d’une personnalité féminine est effacée, la femme n’est qu’un objet, parmi d’autres, 17 de la vie quotidienne. La « jeune fille rangée » (Beauvoir) est « rangeable » parmi les vêtements d’une garde-robe. Le boudoir aristocratique du XVIII e survit dans une sorte de garde-robe petite-bourgeoise. Les souliers faits de cuir humain rappellent la cruauté sadienne : comme l’éducation d’Eugénie est couronnée par un ouvrage à l’aiguille (« needlework » 18 ), l’artisanat est bien présent chez Magritte à travers la cordonnerie. Le tertium comparationis entre tableau « philosophique » (cf. Paquet: 1993, 21) et dialogue philosophique est le corps humain utilisé comme matériel : les parties génitales cousues par Eugénie et les pieds féminins transformés en souliers chez Magritte. Si l’on considère la paire de souliers comme une métaphore remplaçant l’ « original » sadien, la signification fétichiste des souliers de femme s’en trouve renforcée : selon Freud, le fétiche symbolise et remplace le génital de la femme toujours imaginé comme « phallique » chez l’individu « pervers ». 19 La « perversion » artistique de Magritte suit le même chemin : les parties génitales de la mère d’Eugénie sadienne reviennent sous le travestissement fétichiste, pictural, des souliers, « faits » de cuir humain. 16 Pour un bref résumé de la pensée sadienne cf. Schröder: 2005, 163-168. 17 Il est vrai que la majorité des personnages féminins ne sont plus qu‘« objets » du désir libertin, masculin chez Sade, donc comparables à la féminité présente dans le tableau magrittien. Toujours est-il qu’il y ait de notables exceptions, des femmes fortes, libertines et criminelles, elles aussi, dans l’œuvre du « divin marquis » comme, notamment, la marquise de Saint-Ange et l’Eugénie de La Philosophie dans le boudoir ou Juliette, sœur et antipode de Justine, l’éternelle victime, l’éternel objet (cf. Philips: 2005, 84-111 et l’étude remarquable d’Angela Carter: The Sadeian Woman 1979, particulièrement le chapitre « Sexuality as Terrorism. The Life of Juliette », 89-133). Nougé, pour sa part, commente dans ses Érotiques (que nous allons présenter par la suite) : « On a tort [...] de supposer qu’une femme très féminine soit incapable de tendances sadiques. » (Nougé: 1994, 149) 18 Philips: 2005, 79 ; cf. aussi Carter: 1979, 135-155. 19 Cf. « [D]er Fetisch ist der Ersatz für den Phallus des Weibes (der Mutter), an den das Knäblein geglaubt hat und auf den es [...] nicht verzichten will. » (Freud: 7 1991, 312) Cf. aussi p. 314 pour les souliers comme fétiche typique. Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 91 La « philosophie » du boudoir de Magritte, « peintre des pensées visibles » (Paquet: 1993, 19) serait, par conséquent, « matérialiste » et surtout un commentaire quelque peu ironique de la psychanalyse freudienne, si chère au mouvement surréaliste (parisien). 20 En font partie les « perversions » sadiques, 21 déjà présentes dans l’œuvre sadienne, et surtout le fétichisme. 22 Cette interprétation est renforcée si l’on prend en considération la seconde version, une gouache, qui existe de La Philosophie dans le boudoir : 23 (Magritte, La Philosophie dans le boudoir, 1947, détail ; © VG Bild-Kunst, Bonn 2012) Cette Philosophie dans le boudoir supprime les souliers pour montrer directement les organes génitaux de la femme, les uns valent donc bien les autres 20 Cf. l’appel de Breton « Freud en danger » (1938) où le leader du groupe surréaliste parle de l’ « existence spirituelle » du « fondateur de la psychanalyse » comme d’une existence « à laquelle nous tenons comme à la nôtre. » (Breton: 1960, 182) Mais il faut donner également raison à la critique d’Adorno : les œuvres surréalistes ne sont pas « eine Sammlung literarischer und graphischer Illustrationen zu Jung oder selbst Freud » (Adorno: 2003, 101). 21 Pour Sylvester, le soulier bizarre du tableau est suffisant pour parler d’une « image érotique, sadomasochiste et fétichiste » (Sylvester: 2009, 392). 22 L’explication facilior de la relation entre Sade et le(s) tableau(x) de Magritte, proposée par Marcel Paquet, est qu’il s’agit d’un « hommage » à Sade, car ce que Magritte montre, c’est justement « le regard du désir » (cf. Paquet: 1993, 57), un regard qui pénètre les obstacles de la vie sociale bourgeoise. Ma propre interprétation ne contredit point cette approche, mais tente de montrer que « l’hommage » est plus complexe, à savoir un dialogue avec l’œuvre sadienne à plusieurs niveaux. 23 Bien que les allusions à Sade et au sadisme soient peu nombreuses dans l’œuvre de Magritte, les deux versions de La Philosophie dans le boudoir montrent l’importance de cette présence chez lui. D’autres exemples de sa réflexion sur Sade et/ ou le sadomasochisme sont Le Joueur secret (1927 ; femme bâillonnée à la Masson? ), Souvenir de voyage (1955 ; citation du Imaginary Portrait of D.A.F. de Sade de Man Ray - cf. Bezzola et al.: 2001, 259), Les complices du magicien (1926 - cf. Calvocoressi: 2 1984, 42 : « distinctly sadistic overtones »), Jeunes fille mangeant un oiseau / Le Plaisir (1927) et Les menottes de cuivre (1935). Christian Grünnagel 92 selon la logique picturale « fétichiste » bien présente dans les deux peintures magrittiennes. 24 Le deuxième cas choisi pour illustrer la présence de Sade au sein du surréalisme belge ne constitue pas une allusion aussi transparente à l’adresse du marquis que le titre du tableau de Magritte. Il s’agit d’un exemple comparable aux photographies de Man Ray exemplifiant l’érotisme sadique d’un William Seabrook, 25 c’est-à-dire une réflexion impliquant quelques ingrédients « sadomasochistes » : je parle de la Subversion des Images, « laboratoire poétique » (Smolders: 1995, 127) et œuvre « multimédia » avant la lettre de Paul Nougé 26 regroupant des photographies et des textes descriptifs et programmatiques, publiée à titre posthume, par Marcel Mariën en 1968. 27 Une lecture du titre choisi pour la collection de photographies, datant de 1929-1930 (cf. Centre Pompidou: 2009, 14), nous fournira une première clé pour élucider son possible rapport avec Sade, le sadisme et les « perversions » liées autant à l’œuvre qu’au terme introduit par Krafft-Ebing : la « Subversion » nougéenne partage la même racine étymologique avec la « perversion », à savoir, le verbe latin vertere. On pourrait donc voir dans la Subversion des Images une allusion - certes bien dissimulée et, pour le moment, incertaine - aux « perversions sadiennes », à la « perversion » sadique ou à la « perversion » tout court. 28 Que le mot « subversion » ne soit pas un terme quelconque pour Nougé, mais bel et bien d’une importance capitale, cela devient évident à la lecture de son Journal : Les circonstances, les médiocres circonstances de ma vie, ont voulu que tout ce que j’ai fait de valable l’ait toujours été sous le signe de la subversion, de l’action délictueuse. (italique PN ; Nougé: 1968b, 25 [« Mercredi 18 juin 1941 »] ; cf. aussi Ceuleers: 1999, 78) 24 Le fait de montrer directement le génital féminin réel peut s’interpréter aussi comme une critique à l’adresse de la théorie freudienne du fétiche car la seconde Philosophie dans le boudoir du peintre belge confronte le spectateur justement avec le « manque » de phallus dans l’anatomie féminine, « manque » dont le fétiche (les souliers de la première version du tableau) serait, selon Freud, l’« Ersatz » (cf. Freud: 7 1991, 312). 25 Cf. son autobiographie (Seabrook: 1942, 328-329). 26 La bibliographie actuelle la plus complète sur le surréaliste bruxellois se trouve dans la monographie de Geneviève Michel (cf. 2011, 396-419). 27 Comme modèles, on y trouve René Magritte et la seconde épouse de Nougé, Marthe Nougé-Beauvoisin, participant à ce projet photographique et littéraire. Le titre choisi - Subversion des images - a également fourni le titre à une exposition au Centre Pompidou en 2009/ 2010, dédiée à la photographie et au film surréalistes (cf. Centre Pompidou: 2009). 28 La monographie de Geneviève Michel dédiée à l’œuvre nougéenne, analyse, comme procédé de l’auteur bruxellois, « [l]’imitation perverse » visant à un « effet pervers » tout en se basant, elle aussi, sur l’étymologie latine de la « perversion » (italiques GM ; cf. Michel: 2011, 143 ; à compléter avec le chapitre « L’effet pervers », 178-204). Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 93 Ce mot clé de la pensée nougéenne a engendré le titre de l’œuvre dont il est question maintenant. Sa Subversion des Images confronte le lecteur d’abord avec ces quelques vers en guise d’épigraphe et d’introduction programmatique : A quoi peut-on faire servir une main, une bouche, un œil, un pied, la peau, l’homme, la femme, un miroir, une chaise, une corde, des ciseaux, etc. ? Il s’agit de donner aux êtres, aux objets, une fonction, un usage différent de l’habituel. (italiques PN ; Nougé: 1968a, 9-10) L’énumération parallèle et indiscriminatoire de parties (fragmentaires) du corps humain et d’objets inanimés, légèrement menaçants au final (« une corde, / des ciseaux ») culmine dans la réponse à la question initiale : le programme de la Subversion des Images se concentrera, par la suite, sur les « usages » et « fonctions » inhabituels que la pensée surréaliste peut « donner » tantôt « aux objets », tantôt « aux êtres ». Au centre de la liste - si nous excluons provisoirement le « etc. » final - est « l’homme », précédé par cinq parties du corps et suivi de « la femme » et quatre objets. La pensée patriarcale de l’homme en tant qu’être supérieur à la femme et centre de cet univers poétique in nuce est donc, à première vue, bien présente dans l’énumération. De plus, la femme se voit reléguée du côté des « objets » tandis que les parties du corps humain se regroupent autour du côté « masculin » ou, plus précisément, lui précède, une clé annonçant déjà une fragmentarisation du corps, peut-être comparable à La Philosophie dans le boudoir magrittienne où - comme nous l’avons vu - l’individualité de l’être humain est reléguée au second rang en faveur d’une domination exercée sur lui par les parties du corps. Mais bien que « l’homme » semble occuper la position centrale de l’énumération nougéenne, il y a au moins deux détails troublants, contredisant cette usurpation traditionnelle : d’une part, Christian Grünnagel 94 sa position change radicalement si l’on prend en compte le dernier mot de la liste, le « etc. » qui clôt, avec le signe d’interrogation, l’énumération. Ainsi la femme prendrait-elle la place au centre ? Pas vraiment : « la femme » occuperait plutôt la place d’un « centre » asymétrique, précédé par six mots, tous liés aux êtres humains, et suivis de cinq objets. À vrai dire, en comptant le « etc. », il n’y aura plus aucun centre unique, la place de « l’homme » et de « la femme » serait numériquement équivalente, comparable aux deux centres caractéristiques de l’ellipse, figure géométrique bifocale tellement chère, par exemple, aux théoriciens du « néo-baroque » des années soixante, date de la publication posthume de La Subversion des Images. 29 D’autre part, le comptage des syllabes selon les règles traditionnelles de la poésie francophone montre clairement que « l’homme » est « unique » au sens que le mot n’a qu’une syllabe métrique. Tous les autres mots de la liste comptent deux ou mêmes trois syllabes. Est-ce donc quelque chose d’exceptionnel, quelque chose de « positif » ce monosyllabe ? Ou, au contraire, « l’ho/ mm(e) [= une syllabe] » est-il plutôt dominé par « la/ femm/ (e) [= deux syllabes] », les parties particulières de son corps comme « un/ e main [= trois syllabes] » et les objets comme « un/ e cord/ (e) [= trois syllabes aussi] », tous beaucoup plus « grands », « plus longs » et phonétiquement plus « pesants » que lui ? Dès l’introduction nougéenne aux photographies suivantes, la place de « l’homme » s’avère donc précaire, entourée ou bien cernée par d’autres entités (femme, corps, objets) qui le dépassent. 30 Toute conception d’une centralité (métaphysique) est donc sensiblement vouée à l’échec (cf. aussi Quaghebeur: 2000, 43). Ce qui reste chez Nougé - si l’on préfère une lecture déconstructiviste - ce sont des signifiants flottants librement autour de deux centres/ deux foyers très instables et incertains ; « incertains » parce que le « etc.» final y est plus qu’une abréviation d’origine latine ou un simple mot banal de trois lettres et quatre syllabes (par conséquent, le plus long de toute l’énumération ! ) : il ouvre la liste plutôt qu’il ne la clôt - vers la contingence et vers l’infini. Ce qui en découle chez Nougé c’est l’exploration expérimentale de quelques possibilités inhérentes au champ d’action esquissé - et non pas « cerné » - dans cette question programmatique et cette énumération exemplaire en guise d’ouverture à La Subversion des Images : « À quoi peut-on faire servir [...] ? » 29 Tandis que le cercle a un centre unique, l’ellipse en compte deux, nommés « foyers ». Pour la théorie du (néo)baroque cf. Sarduy: 1999, 1195-1261. 30 L’ouverture programmatique de La Subversion des Images ferait donc partie de la « Gender Anxiety » typique des « masculinités surréalistes », analysées brillamment par Lyford: 2007. Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 95 La première photographie (aussi programmatique ? ) de la collection, après cette introduction, est celle-ci (Nougé: 1968a, 13): (Nougé, La Subversion des Images, « photo 1 », 1929-1930 ; © VG Bild-Kunst, Bonn 2012) En-dessous, nous lisons le commentaire suivant qui « explique » et « décrit » la « Photo 1 » : 31 - Un entrelacs de corde au milieu d’une table nue provoque un geste de terreur chez la femme assise à cette table : un objet familier, indifférent, provoque une réaction imprévue, exceptionnelle, éveille un sentiment imprévisible. (Nougé: 1968a, 13-14) Le texte nougéen envisage, par la suite, trois réactions possibles, alternatives proposées au lecteur/ spectateur : Quel effet peut avoir sur nous le spectacle de cette réaction particulière [...] ? Pour le spectateur, quelle conséquence peut avoir le spectacle d’une femme terrorisée par un nœud de ficelle ? a) Nous sympathisons avec le personnage, nous nous substituons à lui, la ficelle devient terrible, nous sommes plongés dans la terreur. b) Nous sympathisons jusqu’à admettre la terreur mais sans l’éprouver réellement ; gêne ; sentiment équivoque ; curiosité. Pourquoi cette terreur ? La ficelle 31 Selon De Naeyer (1995, 48), le modèle est Marthe Beauvoisin, la seconde épouse du surréaliste bruxellois. Christian Grünnagel 96 est donc une chose terrible ? Inventions. Poésie. Comment faire de la ficelle un objet de terreur ? Excitation. Découvertes. Changements de perspectives, etc. c) Sympathie nulle. Nous n’admettons pas le sentiment de terreur. Ridicule. Comique. Indifférence... (italiques PN ; Nougé: 1968a, 14-15). Fuessle commente brièvement le « pseudo-logical language and organization » du paragraphe, 32 mais ne nous offre aucun lien convaincant qui puisse relier la photo 1 et le texte qui l’accompagne à Sade ou au sadisme. Par conséquent, il convient d’aller plus loin avant de postuler pour une lecture « sadienne » ou bien « sadique » de la scène. Pour ce faire, il est utile de rappeler que la « corde », l’objet qui inspire la « terreur » chez Nougé, remplit des fonctions assez concrètes chez Sade : l’« usage différent de l’habituel » qu’on peut faire de cet objet dans les œuvres du « divin marquis » est multiple : la corde sert à attacher et, surtout, à pendre et à étrangler. Pour l’un des libertins sadiens, ravisseurs et bourreaux de Justine, ce genre de mort - étrangler quelqu’un en le pendant ou être étranglé de la même façon - est même perçu comme le nec plus ultra du désir sexuel : Ce tourment [être étranglé, être pendu] est plus doux que tu ne penses, Thérèse [...] tu ne sentiras la mort que par d’inexprimables sensations de plaisir ; la compression que cette corde opérera sur la masse de tes nerfs va mettre en feu les organes de la volupté ; [...] Rassure-toi [...], tu n’as rien à craindre, il s’agit de quelque chose qui ne concerne que moi... Une volupté singulière dont je veux jouir [...] Thérèse [...], il n’y a que toi dans la maison à qui j’ose me confier pour ce dont il s’agit ; il me fallait une très honnête femme [...] ; je puis être guetté, [...] et si ce malheur arrive, ce qui m’attend, Thérèse, c’est la corde ; c’est le même plaisir que je me plais à faire goûter aux femmes, qui me servira de punition ; [...] c’est sur mon propre individu que j’en veux connaître la sensation. [...] - Ah, monsieur, répondis-je [Thérèse/ Justine], il y a de l’extravagance à cette proposition. - Non, Thérèse, je l’exige » [...] Nous nous disposons ; [...] bientôt que son dard menace le Ciel, lui-même me fait signe de retirer le tabouret, j’obéis ; [...] ce ne furent que des symptômes de plaisir qui se peignirent sur son visage [...], je vole le dégager [...]. « Oh, Thérèse », me dit-il en rouvrant les yeux, « on ne se figure point ces sensations ; elles sont au-dessus de tout ce qu’on peut dire [...]. Tu vas me trouver encore bien coupable envers la reconnaissance, Thérèse », me dit Roland en m’attachant les mains derrière le dos [...] (Sade: 1998, vol. II, 329 et 340 ; c’est Roland, le faux-monnayeur, qui parle à Thérèse/ Justine, premièrement victime pendue pour un bref instant par le libertin, après « assistante » qui pend son « maître » ; c’est moi qui souligne la présence polyfonctionnelle et les effets de la « corde » dans la séquence). Il est important de noter que, chez Nougé, la « terreur » de la femme s’exprime à travers « un geste », un mouvement des mains. Avec le surréa- 32 www.imageandnarrative.be/ inarchive/ surrealism/ fussle.htm - 20/ 08/ 2012. Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 97 liste belge, nous pouvons dès lors et à l’aide de l’intertexte sadien cité, répondre à la question posée: « A quoi peut-on faire servir / une main, / [...] une corde [...] ? » : La main peut étrangler avec la corde ou peut être ligotée avec la corde. Ou, si l’on « préfère » cette variante : on peut d’abord lier les mains de la femme terrifiée pour l’étrangler ensuite avec les mains. La « terreur » de la femme, « aficionada » du mouvement surréaliste (belge) et, par conséquent, probablement bonne lectrice de Sade, 33 est donc compréhensible : elle sait que des objets de la vie quotidienne peuvent acquérir une fonction meurtrière au sein d’un roman sadien. La pièce anodine et par trop petitebourgeoise peut se transformer en cachot à l’instar du château de Silling dans Les Cent Vingt Journées de Sodome (Sade: 1990, 13-383). La corde peut se métamorphoser en arme du bourreau, 34 la femme peut devenir une nouvelle Justine, belge cette fois. La photographie surréaliste n’est donc pas seulement capable de « mettre en images » la théorie nougéenne des « objets bouleversants », mais peut également « capter la présence de l’étrange » - ou bien du poétique et du surréel - « dans le familier » (Centre Pompidou: 2009, 14) d’une ambiance banale, d’ailleurs très proche de l’« Empire des lieux communs » magrittien (Ceuleers: 1999, 37 ; pour Nougé, cf. aussi Michel: 2011, 113-119 : « Vie quotidienne et lieux communs ») et de la mise en scène envisagée par Man Ray pour sa série photographique Les fantaisies de M. Seabrook (vers 1930), brièvement commentée au début de cet essai : selon l’analyse convaincante de Lyford, la présence d’éléments banaux de la vie domestique quotidienne juxtaposés aux images des femmes liées, bâillonnées, suspendues, etc. « suggère » un effet « do-it-yourself » : « a domestic environment is a fine location for such S-M play » (Lyford: 2007, 160) ; c’està-dire, une surréalité « perverse » et troublante peut faire irruption dans la vie privée, bourgeoise. Les expériences photographiques de Nougé, 35 plus camouflées, plus allusives, seraient donc bien comparables au projet parisien d’artistes - autant hommes que femmes - comme Man Ray et Lee Miller, entre autres : By expressly demanding that their viewers [les spectateurs et spectatrices des œuvres de Man Ray et Lee Miller] confront alternative sexualities, desires, and practices, they effectively took the apparently private spaces of the bedroom and the unconscious and pushed them into the light for viewing, analysis, and perhaps even admiration. In this way, they created their own collaborative version of photographic surrealism. They fashioned surrealist identities on the backs of 33 À comparer avec le tableau magrittien La lectrice soumise (Calvocoressi: 2 1984, 71 ; Schneede: 1982, 59: « Was läßt die Frau bei der Lektüre aufschreien ? »). 34 Cf. aussi la conception des « objets bouleversants » selon Nougé (Fuessle, www.imageandnarrative.be/ inarchive/ surrealism/ fussle.htm - 20/ 08/ 2012 et Smolders: 1995, 124). 35 Pour une étude globale de l’œuvre photographique de Nougé cf. De Naeyer: 1995. Christian Grünnagel 98 sexual ambiguity, deviance, and perversion, and they did so by asking their viewers to confront their own assumptions about permissible ways of talking about and having sex. (Lyford: 2007, 164) Si l’on admet notre lecture ou « vision », jusqu’ici peut-être plus « sadiennes » que « sadiques », de la photo 1, les trois effets énumérés par Nougé ne nous semblent plus tellement « pseudo-logiques », comme l’a insinué Fuessle. Prenons « le sentiment de la terreur » qui domine la photo 1 comme métonymie à la manière de l’Explication des rêves de Freud 36 ou bien à la manière du « Problème économique du masochisme » : dans le masochisme, des excitations « normalement » perçues comme désagréables, humiliantes et/ ou douloureuses, acquièrent une nouvelle signification synonyme de plaisir : être lié et torturé peut donc se substituer à l’acte sexuel ; métonymie. 37 Résultat comparable au fétichisme : le contact avec le fétiche, par exemple, la fourrure stéréotypée à l’époque de la Kakanie freudienne, équivaut et remplace le coït, c’est-à-dire, le contact avec les organes génitaux féminins réels (cf. Freud: 7 1991, 312 et 314). 38 Ce qui peut paraître, à première vue, une digression qui nous éloigne de la Subversion des Images, s’avère d’une importance capitale pour notre interprétation, car c’est Nougé lui-même qui nous suggère différents « rapports anormaux que peut entretenir un être humain avec un objet inanimé », entre autres ceux-ci : « une femme fouettant une chaise [...] ; un homme caressant un soulier de femme - on rencontre ici le fétichisme [...] ; un homme mange sa main [...] » (italiques CG ; Nougé: 1968a, 16-17) - à part la mention directe du « fétichisme », il est aisé de retrouver des indices « sadiques » dans ces « rapports anormaux » 39 dont l’un d’entre eux est justement la « femme terrorisée par une ficelle » (Nougé: 1968a, 16). 36 Freud parle du processus de la « Verschiebung » à l’œuvre au rêve, ce qui serait équivalent à la figure rhétorique de la métonymie, tandis que la « Verdichtung » nous fait penser à la métaphore (cf. Freud: 1999, 285-314). 37 Freud nomme le « masochisme érogène » soit comme « Selbstzweck » - dans ce cas-là, l’activité masochiste remplace le coït -, soit comme ayant la fonction « de préparer » le coït (cf. Freud: 9 1987, 374) ; cf. aussi Freud: 2007, 240-242 et 249. 38 Cf., pour la fourrure Freud: 7 1991, 314. Cf. aussi, pour la combinaison de fétichisme et masochisme le roman Venus im Pelz (La Vénus à la fourrure) de Sacher-Masoch (1997). 39 L’homme (ou la femme) mangeant sa (ou une) main est aussi un motif connu du cinéma surréaliste ; cf. Buñuel, L’Âge d’Or (1930). Il y a un autre exemple d’une possible influence de Buñuel sur Nougé: cf. les photos 8 et 9 de la Subversion des Images (Nougé: 1968a, 29-30) : « Une main de femme armée de ciseaux crève les yeux à un portrait de femme. [...] Une femme, au moyen de ciseaux, s’apprête à se couper les cils. » - honni soit qui pense au Chien andalou (1929) (cf. De Naeyer: 1995, 50). Le modèle est, soit dit en passant, la seconde épouse de Paul Nougé, Marthe, destinataire d’un « Hymne » fragmentaire, osé et obscène, faisant partie des Érotiques nougéennes (cf. Nougé: 1994, 177-198). Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 99 Avec Nougé, nous pouvons donc nous demander : « Quel effet peut avoir sur nous le spectacle de cette réaction particulière [...] ? » a) Nous sympathisons avec le personnage, nous nous substituons à lui [...]. » [- ce serait la réaction d’un masochiste, d’un fétichiste ; « nous » serions donc aussi du côté des « pervers ».] b) Nous sympathisons jusqu’à admettre [ce sentiment] mais sans l’éprouver réellement ; gêne ; sentiment équivoque ; curiosité. Pourquoi [ce sentiment] ? [...] Inventions. Poésie. [...] Excitation. Découvertes. 40 Changements de perspectives, etc. » [- ce serait la réaction d’un artiste, d’un poète, d’un chercheur ou d’un psychanalyste, par exemple, qui veut comprendre, qui est curieux, mais qui n’éprouve pas directement le même sentiment que le masochiste ou le fétichiste.] c) Sympathie nulle. Nous n’admettons pas [ce] sentiment [...]. Ridicule. Comique. Indifférence... [- voilà la réaction de l’homme « normal » : « la fourrure est donc une chose aimable ? » « Être lié(e) par une corde, c’est donc plaisant ? »] 41 Attardons-nous désormais - après ce commentaire de La Subversion des Images, qui est donc bel et bien aussi une « perversion » (cf. aussi Smolders: 1995, 127) - sur la manière avec laquelle Nougé lui-même commente l’homme « Sade », l’œuvre du « divin marquis » et surtout le « sadisme » dans ses Érotiques, publiées à titre posthume en 1994, où se regroupent des réflexions essayistes, car libres et fragmentaires, 42 sur le désir sexuel, la pornographie et la cruauté comme ressort de la jouissance, entre autres, écrites entre 1928 (« Le Carnet Secret de Feldheim ») et 1953 (« Sans Obligations ni Sanctions »). Nous allons nous concentrer, par la suite, sur les « Commentaires » de Nougé (1994, 75-168), rassemblés pendant la Seconde Guerre mondiale (entre 1942 et 1943 ; cf. Gonzalez Salvador: 1997, 276), des « fragments » présentés par l’auteur comme provenant « d’un érotique commercial écrit au cours des années mille neuf cent trente. » (Nougé: 1994, 77) Le style est cependant troublant pour un écrit prétendument « pornographique » même si l’on croit l’affirmation du surréaliste bruxellois d’avoir supprimé « presque tout le décor [...] absurde et facile » (77) de l’original : parsemés de discussions scientifiques (psychanalytiques, biologiques, ethnographiques...), citations, par exemple de Breton (80), La Rochefoucauld (81), Restif de la Bretonne, Cervantès (135), Shakespeare (138), Stendhal (140) 40 La Découverte, tableau de Magritte datant de 1927, nous montre, comme exemple d’une « découverte » surréaliste, une femme nue dont la peau fusionne avec le bois, c’est-àdire avec un objet inanimé, motif que nous connaissons déjà de sa Philosophie dans le boudoir. 41 Dans ses Érotiques - que nous allons commenter par la suite - Nougé raconte le « cas » d’une femme « souvent sexuellement excitée [...] lorsque [ses] yeux sont bandés ou [ses] mains liées. » (Nougé: 1994, 165) 42 Cf. aussi Halen pour le caractère principalement fragmentaire des œuvres nougéennes (2001, 433-435). Christian Grünnagel 100 et de longs extraits des Liaisons dangereuses (126-131), 43 les Commentaires n’ont pas l’air d’être issus d’une quelconque « publication pornographique », mais de revenir à la plume du propre auteur qui confesse dès le début son intention : « je souhaite mettre en évidence certains traits caractéristiques de la passion érotique. » (italique CG ; 77) Ses Commentaires - « autobiographiques (ou pseudo-) accompagnés de paraphrases de référents » (Paque: 1997, 266) - reflètent, par la suite, des sujets divers comme l’acte sexuel lesbien et sa fascination exercée sur l’homme (voyeur), la sexualité féminine en général et la masturbation concrètement, l’inceste, l’exhibitionnisme et justement la relation entre « [l’]amour et la douleur » (135). Sade occupe une place centrale dans ces « Commentaires » : plus de cinq pages entières lui sont consacrées, y comprise une esquisse de la biobibliographie sadienne à laquelle s’ajoute la vie et l’œuvre de Sacher-Masoch (cf. Nougé: 1994, 143-148 et 150- 158) ce qui montre clairement l’importance accordée aux « parrains » du sadomasochisme. Après avoir cité la littérature érotique latine (Lucien, Ovide ; 136) et quelques « cas » de masochisme féminin, Nougé, respectivement son alter ego, le « pornographe » anonyme, s’avère bon lecteur de la sexologie de son temps en citant plusieurs fois Havelock Ellis à l’égard de la structure sadomasochiste de base des rapports sexuels de l’être humain, par exemple : Dans la psychologie humaine, dit Havelock Ellis, nous rencontrons deux groupes séparés de sentiments : l’un, du côté masculin, qui se réjouit de déployer de la force et qui souvent inflige de la douleur ou un simulacre de douleur ; et l’autre, du côté féminin, qui aime à se soumettre à cette force, et qui même trouve plaisir dans une légère douleur, si cette douleur est associée avec l’expérience d’amour. (Nougé: 1994, 142) Les « Commentaires » insistent sur la « normalité » principale de ce phénomène. Il faudrait néanmoins différencier d’une part « cette manifestation purement normale », à savoir « ces deux groupes de sentiments », structuralement sadomasochistes, et d’autre part les « perversions sexuelles les plus terribles » en constatant en même temps que « normalité » et « pathologie » criminelle ne sont plus que deux extrêmes d’une même gamme, deux degrés enchaînés entre eux (cf. Nougé: 1994, 142). En ce qui concerne Sade et sa relation avec le sadisme qui nous a intriguée au début de notre essai, « Nougé » s’apprête à souligner la complexité de cette relation, voir la confusion du sadisme sadien avec son antipode, le masochisme : 43 « On y retrouve un Nougé porté aux spéculations sur l’érotisme et la jouissance sous ses aspects éventuellement les plus ‹ techniques ›, un Nougé scientifique qui s’est documenté et qui se base sur des observations diverses, dont des enquêtes mais aussi des citations littéraires. » (Halen: 2001, 444) Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 101 Il n’y a pas de véritable ligne de démarcation entre le sadisme et le masochisme. Sade ne fut pas un sadiste pur. On peut même soutenir qu’il était en réalité un masochiste. (Nougé: 1994, 158) Inséré dans la dichotomie « normal, naturel » vs. « anormal, pervers, dénaturé », les phénomènes nommés « sadomasochistes » nous donnent aussi une clé pour mieux comprendre comment la Subversion des Images nougéennes est à l’œuvre dans la photographie surréaliste. Quand Nougé commente le sadisme dans ses Érotiques, il nous semble offrir une analogie à sa propre procédure artistique : La morsure d’amour est une manifestation normale de la connexion entre l’amour et la douleur qui nous conduit de la manière la plus naturelle au-delà des limites du normal. (Nougé: 1994, 158) Si nous revenons à la photo 1 (« femme terrorisée par une ficelle » ; Nougé: 1968a, 16), il est aisé de constater que tous les éléments présents dans l’image - femme assise, table, ficelle/ corde, etc. - sont d’une parfaite « normalité », seul le geste de la femme, un geste de terreur, est troublant pour le spectateur, indice de l’infraction de quelque chose de « surréel » dans l’espace bourgeois, lié - comme nous l’avons démontré - au marquis de Sade et à la « perversion » sadique. Le geste seul est porteur de cette dose de « surréalité » qui, pour les surréalistes, n’est pas l’antithèse de la « normalité » et du « naturel », mais une sorte de réalité englobant la petite normalité quotidienne, subjuguée aux contraintes de la morale et aux règles de la société bourgeoise (cf. aussi Gohr: 2009, 154). Le geste de la « femme terrorisée par une ficelle » - et non pas le sentiment de la femme, seulement visible/ extériorisé à travers son geste - « nous conduit » donc « de la manière la plus naturelle au-delà des limites du normal », quotidien, parfois banal. Même procédé chez Magritte : sa Philosophie dans le boudoir regroupe des éléments banaux, mais d’une telle manière que les « limites du normal » sont transgressées et une surréalité troublante se fait visible au spectateur. S’il est vrai ce que Nougé remarque - « [i]l n’y a pas de solution de continuité dans les chaînons qui relient les manifestations absolument normales du sexe aux violations les plus extrêmes de toute loi humaine » (Nougé: 1994, 163) - on pourrait également proposer l’interprétation de l’art surréaliste (belge, nougéen et magrittien) comme une démonstration de cette « continuité » reliant la réalité banale, quotidienne et « normale » à la surréalité « la plus extrême » et troublante. Ces équivalences structurales entre art surréaliste et perversion sexuelle (cf. aussi Michel: 2011, 144-157) pourraient donc nous fournir une clé pour la compréhension de la fascination des surréalistes - français et belges - pour Sade et le sadomasochisme. Ces parallèles - art et sexualité - sont d’ailleurs insinuées très clairement par les « Commentaires » nougéens eux-mêmes par rapport à l’auto-érotisme : Christian Grünnagel 102 Les rapports qu’entretient l’onanisme avec la méditation créatrice, avec l’invention poétique, me semblent évidents. Solitude du poète, - plaisir solitaire. (italiques CG ; Nougé: 1994, 83 ; cf. aussi Halen: 2001, 446) 44 Essayons maintenant d’en tirer une conclusion, probablement provisoire. Pour y parvenir, nous pourrions mettre encore une fois en parallèle le tableau de Magritte et les expériences photographiques et littéraires de Nougé : l’un comme l’autre rapprochent le corps humain du monde des objets inanimés dont on peut se « servir ». 45 « [U]n pied, / la peau » d’une « femme » peut, par exemple, revêtir « une fonction, un usage différent de l’habituel » en devenant une chaussure chez Magritte. Dans ce cas-là, la connexion avec l’œuvre et la philosophie sadiennes est claire et distincte : chez Sade déjà, le corps animé de l’homme se rapproche des objets inanimés et se définit à travers ses fonctions biologiques et notamment sexuelles et les usages qu’on peut faire de sa « matérialité ». Pour les deux surréalistes belges - Magritte et Nougé -, la relation de leurs œuvres avec le marquis de Sade s’est avérée d’une complexité qui voue à l’échec toute tentative d’une séparation nette entre l’homme, l’œuvre et la « perversion » : le tableau magrittien cite un écrit « porno-philosophique » de Sade qu’il « pervertit » en supprimant la femme-sujet, la « femme sadienne » (Carter: 1979) ; au même temps, ce tableau fait allusion à la théorie freudienne du (sado)masochisme et du fétichisme, tous deux des phénomènes bien présents dans l’œuvre sadienne également. Nougé, pour sa part, résume la biographie de l’homme « D.A.F., marquis de Sade », pour élucider « certains traits caractéristiques de la passion érotique » (Nougé: 1994, 77) en général dans ses « Commentaires », entre eux, le sadomasochisme ; celui-ci réapparaît dans la Subversion des Images avec la figure de la « femme terrorisée par une ficelle », « par « [u]n entrelacs de corde », si l’on se souvient des « fonctions », évidemment « différent[es] de l’habituel » (Nougé: 1968a, 10, 13, 16), accordées à la corde dans un roman sadien. Que la critique ne différencie pas clairement la présence du « divin marquis », homme, d’une intertextualité sadienne et de la « perversion sadique », presque toujours bicéphale - le sado/ masochisme - au sein du surréalisme, a donc son fondement dans la tendance des surréalistes à brouiller 44 Cette idée maintient quelques similarités avec la théorie de Freud sur la création poétique - « Der Dichter und das Phantasieren » (Freud: 4 1966, 211-223) -, mais est encore plus pointue, plus osée. Cf. aussi une citation de Havelock Ellis, entre autres : « Il n’est pas douteux [...] qu’une haute production artistique littéraire ou scientifique puisse aller de pair avec une masturbation furieuse. » (Nougé: 1994, 102) 45 Magritte et Nougé entretenaient, avant leur rupture (cf. Waldberg: 2009, 111), des relations très étroites : l’écrivain a fourni, par exemple, une réflexion théorique pour l’art du peintre (cf. Nougé: 1997) tandis que Magritte est présent comme modèle du photographe dans les photos 3 et 6 de la Subversion des Images (cf. Mariën: 1982, 126). Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 103 eux-mêmes les terminologies : « sadien » ou « sadique », tout remonte finalement au marquis de Sade et à l’opposition radicale à la morale bourgeoise que « l’ancêtre » du surréalisme incarne, aux yeux des surréalistes, principalement grâce à la « perversion » qui porte son nom. Mais quel rôle joue Bruxelles dans tout cela ? Bruxelles, château sadien ? Le lien unissant la capitale belge, le « divin marquis » et le surréalisme est, il faut le souligner, surtout d’une manière indirecte. Les lieux évoqués par les photographies et les tableaux discutés dans le cadre de cet essai sont plutôt des « utopies effectivement réalisées » (Foucault: 1994, 755) par le mouvement surréaliste, des hétérotopies intérieures (« l’espace du dedans », relégué au second rang dans l’analyse des « espaces autres » de Foucault qui favorisait, dans son écrit, « l’espace du dehors » ; Foucault: 1994, 754), à michemin entre la sobriété la plus douloureusement petite-bourgeoise et l’infraction d’une « surréalité », « perverse » et troublante. 46 Il est vrai que notamment Magritte s’est délibérément forgé une image complètement « normale » et bourgeoise envers le grand public et les autorités de l’État (cf. Gablik: 1985, 154 ; Paquet: 1993, 84 ; Sylvester: 2009, 53 : « [e]in nettes, solides bürgerliches Leben »). Le Bruxelles des avenues et des grandes places est, pour lui, l’espace public, l’espace qui requiert le port d’un masque bourgeois, y compris, pour Magritte (« The Bowler-Hatted Man » ; Gablik: 1985, 154-172) le chapeau melon, maintes fois présent dans son œuvre : Yes, I wear the bowler myself sometimes. [...] The bowler is a headdress that is not original: it poses no surprise. And I wear it. I am not eager to singularize myself. If I wanted to create a sensation in the street, I would dress for it. But I don’t want to. (italiques CG ; Magritte: 2009, [« Interview pour Life »], 612) Mais chez soi, dans sa propre chambre on peut faire d’intéressantes expériences, des « jeux de société » comme ceux proposés par Paul Nougé : « jouer à pervertir les objets » (Nougé: 1968a, 17). L’espace privé peut donc se transformer en boudoir sadien où ont lieu toutes les « perversions » chéries du « divin marquis », analysées par la psychanalyse et mises en scène par les surréalistes. Adorno, Theodor W. (2003): « Rückblickend auf den Surrealismus », in: Theodor W. Adorno (2003): Noten zur Literatur. Frankfurt am Main, pp. 101-105. Bezzola, Tobia / Michael Pfister / Stefan Zweifel (éds.) (2001): Sade / Surreal. Der Marquis de Sade und die erotische Fantasie des Surrealismus in Text und Bild. Ostfildern-Ruit. 46 Foucault souligne que « [l’]hétérotopie a le pouvoir de juxtaposer en un seul lieu réel plusieurs espaces [...] qui sont en eux-mêmes incompatibles. » (Foucault: 1994, 758). Christian Grünnagel 104 Bréchon, Robert (1971): Le Surréalisme. Paris. Breton, André (1960): Poésie & autre, éd. par Gérard Legrand. Paris. — (1962): Manifestes du surréalisme, éd. par Jean-Jacques Pauvert. Paris. Bürger, Peter (1996): Der französische Surrealismus. Studien zur avantgardistischen Literatur. Um Neue Studien erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main. Burtschell, Katrin (2006): « Gefesselte Objekte - Gefesselte Körper. Bondage zwischen Perversion und Befreiung », in: Verena Krieger (éd.) (2006): Metamorphosen der Liebe. Kunstwissenschaftliche Studien zu Eros und Geschlecht im Surrealismus. Hamburg, pp. 35-56. Calvocoressi, Richard ( 2 1984): Magritte. London. Carter, Angela (1979): The Sadeian Woman. An Exercise in Cultural History. London. Centre Pompidou (éd.) (2009): La Subversion des images. Surréalisme, photographie, film. Catalogue d’exposition. Paris. Ceuleers, Jan (1999): René Magritte, 135 rue Esseghem. Jette-Brussels, Anvers. Deleuze, Gilles (1961): « De Sacher Masoch au masochisme », in: Arguments 5.21, pp. 40-46. De Naeyer, Christine (1995): Paul Nougé et la photographie. Bruxelles. Durozoi, Gérard / Bernard Lecherbonnier (1972): Le surréalisme. Théories, thèmes, techniques. Paris. Freud, Sigmund ( 4 1966): « Der Dichter und das Phantasieren », in: Sigmund Freud ( 4 1966): Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet, vol. VII (1906-1909). Frankfurt am Main, pp. 211-223. — ( 9 1987): « Das ökonomische Problem des Masochismus », in: Sigmund Freud ( 9 1987): Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet, vol. XIII (1920-1924). Frankfurt am Main, pp. 369-383. — ( 7 1991): « Fetischismus », in: Sigmund Freud ( 7 1991): Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet, vol. XIV (1925-1931). Frankfurt am Main, pp. 309-317. — ( 9 1999): Die Traumdeutung, Frankfurt am Main. — ( 8 2007): « Ein Kind wird geschlagen », in: Sigmund Freud ( 8 2007): Studienausgabe, vol. VII (Zwang, Paranoia und Perversion). Frankfurt am Main, pp. 229-254. Foucault, Michel (1994): « Des espaces autres », in: Michel Foucault (1994): Dits et écrits (1954-1988), vol. IV (1980-1988). Paris, pp. 752-762. Fuessle, Stacy (s.a.): « The Belgian Surrealists and Sade: A Criminal Affinity », in: Image [&] Narrative. Online Magazine of the Visual Narrative 13 (www.imageandnarrative.be/ inarchive/ surrealism/ fussle.htm - 20/ 08/ 2012), s.p. Gablik, Suzi (1985): Magritte. London. Gauthier, Xavière (1971): Surréalisme et sexualité. Paris. Gohr, Siegfried (2009): Magritte. Das Unmögliche versuchen. Köln. Gonzalez Salvador, Ana (1997): « Notes sur un échec. Dire l’érotisme », in: Anna Soncini Fratta (éd.) (1997): Paul Nougé : pourquoi pas un centenaire ? Bologna, pp. 271-287. Halen, Pierre (2001): « Les Érotiques d’une ‹ forte tête › du surréalisme: Paul Nougé », in: Jan Herman / Lieven Tack / Koenraad Geldof (éds.) (2001): Lettres ou ne pas lettres. Mélanges de littérature française de Belgique offerts à Roland Beyen. Leuven, pp. 433-448. Jallon, Hugues (1999): D.A.F. Marquis de Sade. Eine Einführung. Düsseldorf. Bruxelles, boudoir sadien. Le « divin marquis » et le surréalisme belge 105 Jongen, René-Marie (1994): René Magritte ou la pensée imagée de l’invisible. Réflexions et recherches. Bruxelles. Jung, Matthias ( 3 2007): Hermeneutik zur Einführung. Hamburg. Krafft-Ebing, Richard von (1984): Psychopathia sexualis. München. Lyford, Amy (2007): Surrealist Masculinities. Gender Anxiety and the Aesthetics of Post-World War I Reconstruction in France. Berkeley / Los Angeles / London. Magritte, René (1993-1997): Catalogue raisonné, vol. I-V, éd. par David Sylvester. Anvers. — (2009): Écrits complets, éd. par André Blavier. Paris. Man Ray (2009): Trees + Flowers - Insects Animals, éd. par John P. Jacob. Göttingen. Mariën, Marcel (1982): « Katalog », in: René Magritte und der Surrealismus in Belgien. Kunstverein und Kunsthaus Hamburg, 23. Januar bis 28. März 1982. Bruxelles, pp. 68-281. Michel, Geneviève (2011): Paul Nougé. La poésie au cœur de la révolution. Bruxelles / Bern / Berlin et al. Nougé, Paul (1968a): Subversion des Images. Notes illustrées de dix-neuf photographies de l’auteur. [Bruxelles]. — (1968b): Journal (1941-1950). Bruxelles. — (1981): L’Expérience continue. Lausanne. — (1994): Érotiques. Bruxelles. — (1997): René Magritte (in extenso), éd. par Virginie Devillez. Bruxelles. O’Connell Davidson, Julia (1998): Prostitution, Power and Freedom. Cambridge. Paque, Jeannine (1997): « L’optique dévoilée ou le spectacle difficile: les Érotiques », in: Anna Soncini Fratta (éd.) (1997): Paul Nougé : pourquoi pas un centenaire ? Bologna, pp. 261-270. Paquet, Marcel (1993): Magritte 1898-1967. Der sichtbare Gedanke. Hong Kong / Köln / London et al. Passeron, René (1985): Magritte. Köln. Philips, John (2005): The Marquis de Sade. A Very Short Introduction. Oxford. Quaghebeur, Marc (2000): « Zur Poetik von Paul Nougé », in: lendemains 98/ 99, pp. 30-49. Ricœur, Paul (1965): De l’interprétation. Essai sur Freud. Paris. Sacher-Masoch, Leopold von (1997): Venus im Pelz. Mit einer Studie über den Masochismus von Gilles Deleuze. Frankfurt am Main / Leipzig. Sade (1990): Œuvres, vol. I, éd. par Michel Delon. Paris. — (1998): Œuvres, vol. III, éd. par Michel Delon. Paris. Sarduy, Severo (1999): « Barroco », in: Severo Sarduy (1999): Obra completa, vol. II, éd. par Gustavo Guerrero / François Wahl. Madrid, pp. 1195-1261. Schneede, Uwe M. (1982): « Befreiende Enthüllungen. Anmerkungen zu René Magritte », in: René Magritte und der Surrealismus in Belgien. Kunstverein und Kunsthaus Hamburg, 23. Januar bis 28. März 1982. Bruxelles, pp. 51-67. Schröder, Winfried (2005): Moralischer Nihilismus. Radikale Moralkritik von den Sophisten bis Nietzsche. Stuttgart. Seabrook, William (1942): No Hiding Place. An Autobiography. Philadelphia / London / New York. Smolders, Olivier (1995): Paul Nougé. Écriture et caractère. À l’école de la ruse. Essai biographique. Bruxelles. Sylvester, David (2009): Magritte. Mit einer Einführung von Michel Draguet. Köln. Angelos Triantafyllou L’objectile surréaliste : Magritte, Dotremont et Breton 1. Bruxelles-Paris : Objets irréels Les villes imaginaires résistent mieux que les réelles. Elles résistent mieux au présent, dirait Deleuze, car elles sont des processus de création tandis que les nôtres sont des réseaux de communication. Villes de l’Allemagne, pour Descartes, ou la Nouvelle Jérusalem, pour Hume, les villes sont des images analogiques des idées, des rhizomes. « Les pavées d’or et les murailles de rubis de la Nouvelle Jérusalem ont une précision », disait Hume, « qu’aucune représentation des rues et des maisons de Paris ne saurait égaler. » 1 Car il importe moins l’art dont font preuve les édifices des villes, disait à son tour Descartes, « que la manière dont ils sont arrangés, ici un grand, là un petit, et comme ils rendent les rues courbées et inégales, si bien qu’on dirait que c’est plutôt la fortune que la volonté de quelques hommes usants de raison, qui les a ainsi disposés. » 2 Et il ne s’agit pas que des villes. Penser, peindre, « écrire », résumera Deleuze, « n’a rien à voir avec signifier, mais avec cartographier, arpenter les espaces, même à venir » (Deleuze: 1977, 11). De Saint Pol Roux à Borges, les poètes n’ont jamais cessé d’être des fondateurs-géomètres, la poésie une géographie, une géo-poésie. Pour André Breton, les « créations poétiques devraient être aussi tangibles que les 1 Hume: 1992, 313: « Upon a more accurate survey I find I have been carried away too far by the first appearance, and that I must make use of the distinction of perceptions into simple and complex, to limit this general decision, that all our ideas and impressions are resembling. I observe, that many of our complex ideas never had impressions, that corresponded to them, and that many of our complex impressions never are exactly copied in ideas. I can imagine to myself such a city as the New Jerusalem, whose pavement is gold and walls are rubies, tho’ I never saw any such. I have seen Paris; but shall I affirm I can form such an idea of that city, as will perfectly represent all its streets and houses in their real and just proportions? » 2 Descartes: 1988, 581, § 133-134: « Ainsi ces anciennes cités qui, n’ayant été au commencement que des bourgades, sont devenues par succession de temps de grandes villes, sont ordinairement si mal compassées, au prix de ces places régulières qu’un ingénieur trace a sa fantaisie dans une plaine, qu’encore que, considérant leurs édifices chacun à part, on y trouve souvent autant ou plus d’art qu’en ceux des autres [...]. » Malgré ses réticences, Magritte affirme en 1967 : « Je suis cartésien. Plus cartésien encore que Descartes parce que je vais jusqu’au bout des choses. » (2009, 691) L’objectile surréaliste : Magritte, Dotremont et Breton 107 plans des capitales présentes et futures » (Breton: 1992, 277). Les villes sont des objets lors de l’exposition surréaliste de 1936. Objets sauvages, les Nouvelles Hébrides ou la Nouvelle Bretagne y côtoieraient Paris et Bruxelles (cf. Breton: 1991, 231). Villes réelles sans plans et plans réels sans villes échangent leur place dessinant ni plus ni moins les plans de la surréalité. 3 Avant d’être des lieux de rencontre ou des champs de bataille, Paris ou Bruxelles font leur entrée au surréalisme en tant que villes. A la différence que pour Nadja ou Le paysan de Paris, la ville n’est ni un décor de modernité, ni un personnage cinématographique, comme le sera New York pour Woody Allen. Dans Nadja (Breton: 1988, 748.), Paris est une énigme, un écran, une boule de cristal, une force de divination. Si les enseignes lumineuses sur les boulevards tiennent une grande place dans la vie de Breton quand il se promène, « elles ne traduisent en vérité que ce qui l’importune », le monde réel (Breton: 1992, 267). Au contraire, quand le boulevard Bonne Nouvelle, le 23 août 1927, après l’exécution des militants anarchistes et syndicalistes Nicolas Sacco et Bartolomeo Vanzetti, à Chicago, fut le théâtre d’une véritable émeute au carrefour Réaumur/ Sébastopol, elle accomplit, comme le dit Walter Benjamin, la promesse stratégique à immobiliser l’image d’un des grands points stratégiques de Breton, du désordre, de l’émeute. Paris n’est plus une ville mais un écran pour lire l’avenir « écrit en lettres phosphorescentes, en lettres de désir » (Breton: 1992, 374), un objet de désir. Benjamin a donc raison quand il dit qu’au centre de l’univers surréaliste « se situe le plus rêvé des objets, Paris lui-même » (Benjamin: 1971, 300). Quel secret des Bruxelles aurait-il pu lire Magritte, citoyen du monde qui est né à Belgique sans le vouloir ? (cf. Magritte: 2009, 606) Lui qui a si bien joué le rôle du correspondant de l’avant-garde surréaliste, au point où son œuvre parisienne ne soit découverte qu’à Bruxelles ? Quel pont a-t-il su jeter entre les deux villes imaginaires ? Il a traité l’espace des villes comme il a traité les idées, en les transformant en objets. Bruxelles n’est directement pas au centre de l’œuvre de Magritte. C’est surtout qu’il n’en a jamais représenté les sites ou que ses titres ne s’y réfèrent pas. A ne pas oublier pourtant que pour Magritte « un titre poétique » (Magritte: 2009, 262) n’est pas une sorte de légende « qui apprend le nom de la ville dont le tableau représente le panorama ». Mais la fausse dénomination d’une ville découle du constat de Magritte qu’il y a des villes qui se passent des noms et d’autres auxquelles conviendrait mieux un nom différent (cf. Magritte: 2009, 61 et 118). Et pourtant, c’est l’esprit insolite de Bruxelles qui a permis à Magritte de composer, en 1927, à la fois les pages philosophiques de « Les Images et les Mots », et les modèles de tailleurs pour le Catalogue de mode des fourrures Samuel (cf. 3 « On dresserait minutieusement des plans de villes immenses qu’autant que nous sommes, nous nous sentirions incapables de fonder, mais qui classeraient, du moins, les capitales présentes et futures. » (Breton: 1992, 277) Angelos Triantafyllou 108 Magritte: 1993), accompagnés des formules publicitaires surréalistes de Paul Nougé. Et puis il y a eu, heureusement, en 1925, cette brasserie populaire de Bruxelles (cf. Magritte: 2009, 142), dont le mystère et la terreur émanant de ses moulures, et de ses murs en mouvement, ont poussé Magritte à abandonner la casuistique bruxelloise, le jeu des mots, pour adopter une vision plus parisienne, plus rimbaldienne, le salon au fond du lac, et à agir ainsi sur le réel, à développer dans l’espace de la ville les idées mêmes. Qu’est-ce qu’une capitale future, objet de rêve et de désir ? Prenons le croquis de la ville de Lausanne, esquissé par Bernard Cache (1997, 11) pour résoudre le problème posé par Godard dans un court-métrage : « Comment passer du plan vert des collines au plan bleu du lac ? » ou bien : comment lier essence et forme ? Ces plans de ville, ces objets fluctuants, qui ne sont que des fragments, des inflexions occasionnelles sur une surface périodique de déclinaison, à courbure variable, c’est Bernard Cache qui les étudie et les classe suivant leur expression géographique, architecturale, ou mobilière. Mais c’est Gilles Deleuze qui, en se les appropriant et leur réservant le terme d’« objectile », veut poursuivre la philosophie par d’autres moyens, en désigner un « nouveau statut de l’objet » qui ne le rapporte plus à « une moule spatiale, c’est-à-dire à un rapport forme-matière, mais à une modulation temporelle. » (Deleuze: 1988, 22) Sans dimensions, rien que des forces, rien que des attentes d’événement, Paris et Bruxelles, objectiles surréalistes, rapports entre une fréquence et une membrance, méritent le détour, rien que pour avoir généré une véritable crise de l’objet. 4 2. Crise de l’objet Il est courant que Breton emploie le vocabulaire de ses adversaires pour le retourner contre eux. Marxiste convaincu, à la crise politique, inhérente, comme il dit (cf. Breton: 2000, 751), à la structure économique de la société actuelle, il répond par une crise contre les politiques de crise. À la crise de vers de Mallarmé (cf. 1945, 365), il oppose la crise du verbe de Lautréamont (cf. Breton: 1992, 987). À la crise morale des poètes, il répond par une crise de conscience (cf. 781) et d’action - auxquelles Magritte n’a pas tardé à s’identifier (cf. Magritte: 2009, 201). Il ne serait pas faux de dire que si Breton annonce la crise de l’objet en 1936, c’est pour répondre à la crise économique de 1929, la crise de l’objet marchandise, de l’objet aliéné, voire de l’œuvre d’art en tant que simple prétexte à l’investissement des capitaux. D’une part, 4 En 1936, Breton publie « Crise de l’objet », préface à l’exposition surréaliste de 1936 (cf. Breton: 2008, 680-688). Quand il le reprendra dans Le surréalisme et la peinture, il placera ce texte juste après sa préface à l’exposition londonienne de Magritte de 1961, comme si Magritte était le dernier peintre encore valable et le principal facteur de la crise de l’objet. L’objectile surréaliste : Magritte, Dotremont et Breton 109 la fabrication d’objets surréalistes a été destinée d’emblée à la circulation, non à la collection privée. D’autre part, ces objets, les ready made de Duchamp en tête, sont fabriqués à partir de ce qu’on appelle aujourd’hui de matériel de récupération, des objets surannés, hors du circuit commercial. Enfin, Breton envisage un label du type « c’est un objet surréaliste » analogue à « c’est un film Paramount » (Breton 1992: 475), pour faire face aux contrefaçons d’objets surréalistes. Malgré l’humour très fin, la production d’objets non marchands, objets à halo, ou auratiques, non reproductibles, serait la réponse « expédiente » à la surproduction capitaliste. Ce n’est pas un hasard si cette crise de l’objet a été annoncée par Breton lors d’une conférence à Bruxelles, en 1934, à laquelle Magritte aurait assisté (Magritte: 2009, 217). Ce n’est pas un hasard non plus si, aux yeux de Breton, l’exemplarité de l’œuvre de Magritte partirait de son mépris, de son insoumission à la « pression commerciale » 5 , à l’aliénation de l’objet. Vendus, brûlés ou copiés à l’infini, à ses yeux, les tableaux s’aliènent. Car c’est un même geste, le refus de toute contrainte, qui libère l’objet de sa valeur marchande et de sa valeur métaphysique. Car c’est un même symptôme cardinal de dégénérescence qu’il s’agit de renverser, l’effacement de la chose signifiée derrière le signe, de l’esprit libre derrière le dogme. Et c’est, par excellence, la peinture qui est visée par cette décadence. Dès les premières pages du Surréalisme et la peinture, Breton supporte mal « la responsabilité des peintres [...] à qui est échu [...] d’empêcher [...] la survivance du signe à la chose signifiée » (Breton: 2008, 349). C’est pour rendre caduc tout système sémantique que les surréalistes ont créé des objets, pour se reporter d’un bond à la naissance du signifiant, aux mots et aux formes sans rides. Et si ces objets fussent si peu résistants et assemblés par de moyens de fortune, rapidement disparus, si leur signifiant fut flottant, fluctuant même, ce n’était plus à cause de leur surplus de signification mythique ou esthétique, comme les arts premiers étudiés par Lévi-Strauss, mais parce qu’ils n’étaient rien que des plans et des croquis : des inflexions, des vecteurs et des cadrages, non calculables, inanticipables, rien que des objectiles. Ou des poèmes-objets comme dirait Breton. Les poèmes-objets/ objectiles sont la contribution assidue de Breton à cette opération. 5 Breton: 1992, 676. André Souris, compositeur surréaliste belge, rapporte « le mépris que Magritte a toujours manifesté pour le commerce des tableaux » (Souris: 1966, 452). Angelos Triantafyllou 110 3. Qu’est-ce qu’un objet ? « Surréalisme belge » : voilà une expression que Breton aurait détestée. 6 Ce qu’il en retient, c’est Magritte 7 et sa leçon des choses, sa manière solitaire, unique, rigoureuse, de lier le physique et le mental, la poésie et la peinture, le sens propre et le sens figuré des objets, la représentation onirique et la perception éveillé, l’indescriptible et l’indicible (cf. Breton: 2008, 434). C’est cette vaste opération d’objectivation qui dissipa les « rares orages tout à fait indépendants » 8 de l’un et de l’autre, qui avaient ombragé l’amitié entre Breton et Magritte. Ce qu’ils ont en commun, c’est qu’ils prennent le mot « objet » (Breton: 1992, 476) dans son sens le plus philosophique. Cela dit, Magritte refuse le rôle du philosophe ou du métaphysicien (cf. Magritte: 2009, 684). Mais en tant que peintre, mettant en cause ces rapports entre objet peint et objet réel, il offre un « nouveau moyen de connaissance » (Magritte: 2009, 93). Il ne s’agirait pourtant non plus d’une connaissance scientifique, sans contact avec les choses, mais d’une connaissance des secrets, ceux de l’univers extramental (cf. Magritte: 2009, 218), mais surtout ceux de l’univers mental quoique non personnel. À l’objectivité, on arrive par une sorte d’illumination, ou du moins par une sorte de pensée inspirée (cf. Magritte: 2009, 565), qui penserait par les images. Car la pensée est composée de choses visibles, de figures familières offertes par le monde réel. Il suffit de les mettre ensemble, de les décrire pour annoncer l’avènement de la poésie visible, du poème-objet. Mes tableaux sont des pensées visibles, dit Magritte (cf. 2009, 537). Le terme objet, souvent attribué par la critique à ses tableaux, laisse Magritte perplexe. « On ne peut pas parler d’objet de manière absolue », dit-il, « cela supposerait une réflexion antérieure qui distinguerait dans le visible des objets et ce qui n’est pas objet. » (Magritte: 2009, 602) Pour avoir d’intérêt, une chose ne suffit pas d’être tangible, elle doit bien donner à penser, à tendre à la vérité. Exposer dans une gallérie une « tartine de confiture », cela ne la change en rien car « il serait sot, dit Magritte, de la croire capable de laisser apparaître la description d’une pensée quelconque ». Face aux questions philosophiques, aux faux mystères scientifiques ou psychologiques, il pose ses objets énigmatiques, son mystère familier. Il cherche « des réponses qui soient en même temps des questions résolues par les objets qui ont joué d’abord le rôle de question. » (Magritte: 2009, 326) Ces objets qui 6 Comme le rapporte Ferdinand Alquié (cf. Souris: 1966, 443). 7 Breton consacre à Magritte deux textes entiers : « René Magritte » en 1961 (cf. Breton: 2008, 673-677) et « Envergure de René Magritte » en 1964 (cf. Breton: 2008, 830 et 833) à côté de plusieurs pages du Surréalisme et la peinture et de ses Entretiens. Pour sa part, Magritte participe à l’enquête organisée par Breton et Gérard Legrand destinée à l’Art magique (cf. Breton: 2008, 128). 8 Lettre de Breton à Magritte du 11 septembre 1961, repris dans Magritte: 1993, 346 ; cf. aussi Magritte: 2009, 561 et 653. L’objectile surréaliste : Magritte, Dotremont et Breton 111 seraient tout à la fois : connus et inconnaissables, moyens mais jamais objets de connaissance. Magritte ne cache pas qu’il prolonge (cf. Magritte: 2009, 218 et 536) ainsi la devise de Breton (cf. 1988, 315) : ne jamais ramener l’inconnu au connu, l’étrange au familier. À quoi sert un objet, aux yeux de Breton ? Il est conçu avant tout comme un moyen plutôt que comme une fin. Il sert, sans doute, à ruiner le réel et la raison, à déprécier, à jeter un plus grand discrédit sur ces êtres et ces choses de la « raison ». Au dépaysement de ces objets, Magritte à son tour ne voit rien de moins que le meilleur moyen d’obliger les objets à mettre fin à leur servitude, à revendiquer leur propre vie. C’est d’un même geste qu’il vise à ruiner le prestige du mythe bourgeois (cf. Magritte: 2009, 133) et à débarrasser les choses de tout symbolisme : libérer les objets de tout sens pratique, les détourner de leurs aspects utilitaires, de les présenter absolument inutiles et même inutilisables. Car Magritte, dit Breton (cf. 2008, 833) nous apprend que nous seuls nous confinons les objets à leur rôle utilitaire. Et cela était tout naturel puisque Breton fut le premier à déprécier et à contester l’utilité convenue des objets qui encombrent, comme il dit, le monde réel. C’était sur cette base qu’il avait proposé à ses débuts de fabriquer des objets « peu défendables sous le rapport de l’utilité », des machines sans emploi, des automates qui ne feraient rien comme personne. Mais fabriquer industriellement des objets non-standards, ce n’est rien de moins que la définition de l’objectile donnée par Bernard Cache (cf. 1997, 70). Si ces objets se répètent, continue ce dernier, ce n’est pas parce qu’ils sont identiques mais, au contraire, car ils sont différents, comme les courbes déclinant un même modèle mathématique, comme variations. C’est pourquoi ce qui est en suspens avec le surréalisme, c’est la représentation, l’identité des choses et la représentation de cette identité. La feuille prend la forme de l’arbre, le bateau celle des ondes, les chaussures celle-là des pieds. Le sens du simulacre, dit Foucault (cf. 1973, 66) à ce propos, est réversible. Renversant le rapport du modèle et de la copie, l’autonomie des figures rend désormais possible une seule identité, celle du simulacre. Ce n’est dorénavant un art ni optique (peinture), ni digital (sculpture), ni tactile (arte povera), ni manuel (pop art), mais haptique, où la vue découvre sa fonction de toucher, de l’œil qui voit comme la main prend, comme dirait Nougé. 9 On ne reproduit plus dans le tableau ou dans le poème un objet fonctionnant comme modèle, on peint sur des images déjà là. Peindre, dira Magritte, est l’art de juxtaposer des couleurs (cf. Magritte: 2009, 686) de telle sorte que leur aspect s’efface pour laisser apparaître une image poétique. Magritte arrive ainsi à la transparence totale, dira Breton (cf. 2008, 832). Le peintre, dit Deleuze (cf. 1981, 14), n’a pas à remplir une surface blanche, il aurait plutôt à la vider, la désencombrer, la nettoyer. Ce que Breton exprime en ces termes : « Tout est écrit sur la page blanche, et ce sont de 9 Cf. Paul Nougé, « Les images défendues », in: Nougé: 1933, 27. Angelos Triantafyllou 112 bien inutiles manœuvres que font les écrivains pour quelque chose comme une révélation » (Breton: 1992, 376). Libérer les énergies latentes des objets, bannir le figuratif, le narratif, l’illustratif, les relations intelligibles entre les objets, au profit d’un acte de divination, d’interaction entre les objets. Breton, Magritte et plus tard Deleuze sont d’accord sur ce point : ce qui a libéré les figures de leur rôle représentatif, fut l’avènement de la photographie et du cinéma, qui a rendu décevante toute tentative de rivaliser la reproduction « conventionnelle », à l’identique. Désormais Breton pense qu’il est temps de concilier « dialectiquement » (Breton: 2000, 10, 11) la représentation à la perception au point de risquer d’ignorer la représentation objective tandis que, pour Magritte, il faut la dépasser, donner - au sillage des impressionnistes - une représentation des objets qui va plus loin de la représentation objective (cf. Magritte: 2009, 255). Magritte croit essentiel de faire ressemblant par des moyens non ressemblants, comme dirait Deleuze (cf. 1981, 75), d’arriver à une image de la ressemblance qu’on ne puisse pas interpréter ni ignorer (cf. Magritte: 2009, 655). D’autant que pour lui, interpréter égale ignorer et l’inverse. Car contrairement à l’ouverture du Surréalisme et la peinture où Breton affirme que l’œuvre plastique « se référera donc à un modèle intérieur ou ne sera pas », Magritte rejette tout modèle, même ou surtout intérieur. C’est plus qu’une provocation quand il dit être un réaliste (cf. 2009, 616), quoique non dans le sens ordinaire, car il est en effet à la recherche de la réalité. La réalité, dit-il, est difficile à atteindre, car elle est à la fois l’apparence et l’invisible. Mais l’invisible non seulement ne peut être représenté par un peintre, mais surtout n’a aucune supériorité sur le visible. L’abstraction n’est pas un privilège de l’art, elle est l’essentiel du réel. Il reste donc à mettre en place une nouvelle perception du monde réel, une perception différente, comme il dit, de celle de l’homme de la rue, plus attentive, plus subjective, qui saurait se confondre avec l’objet perçu (cf. Magritte: 2009, 181). Elle ne serait plus une image intérieure d’objets extérieurs, car elle serait prise dans les choses mêmes, dans « ces halos optiques qui se dessinent à l’intersection des rayons de courbures », comme dit Bernard Cache (cf. 1997, 70) au sujet des objectiles. Breton n’ignore pas pourtant la perception de l’objectile, proposée par Magritte. Il l’avait remarquée chez Léonard de Vinci qui recommandait à ses élèves de regarder longuement un vieux mur décrépi, pour recopier par la suite les formes dessinées, ce que Valéry appelle par un terme très magrittien : le vertige de l’analogie. Dans la chambre secrète de De Vinci, continue Valéry 10 , « les objets agissent comme la flamme de la lampe : le fauteuil se consume sur place, la table se décrit si vite qu’elle est immobile, les rideaux coulent sans fin, continûment » ou encore une personne s’identifie à un objet matériel. Un tableau de Magritte, dirait-on. 10 Paul Valery, « Introduction à la Méthode de Léonard de Vinci » (1895), in: Valéry: 1975, 1159-1194. Cf. aussi Breton: 1992, 377 et 753. L’objectile surréaliste : Magritte, Dotremont et Breton 113 Car grâce à sa « contemplation intolérable » à la brasserie bruxelloise, Magritte a su que ce sont les mêmes lézardes qu’on voit sur nos maisons, nos visages et notre ciel. Il n’y a pas finalement deux mais un même geste qui devient divination poétique chez Breton et perception plastique chez Magritte. Car les sources de cette nouvelle perception sont, tout comme celles du modèle intérieur, « les sens, les sentiments, l’imagination, la raison, le rêve ou tout autre moyen ». 4. Poèmes-objets et logostories Si je montre un objet, c’est cet objet et rien d’autre, lançait Magritte (cf. 2009, 609) à ses détracteurs en guise d’explication, avec la même fougue qu’autrefois Breton son fameux « Non, monsieur, ne veut pas dire ». Ils se limitaient à objectiver, à faire jaillir de partout des objectiles. Objets nouveaux, insolites et hybrides. Objets légèrement transformés. Objets associés par la pensée ou de manière automatique. 11 Chez Magritte, les objets sont révolutionnés sous tous leur rapports : grandeur, position, éclairage, substance, devenir réévalués. Objets isolés sur le tableau dans des ronds, cubes, carrés, comme les bulles des bandes dessinés. Car isoler, dit Deleuze (cf. 1981, 10), c’est nécessaire pour rompre avec la représentation. Mais aussi s’isoler des objets réels par un isolant, comme le dit Breton (cf. 2008, 350) à propos de Rimbaud et Lautréamont, pour créer d’objets non familiers. Mais il suffit peut-être tout simplement de changer d’éclairage, d’échanger ombre et clarté, comme le fait Magritte dans l’Empire des lumières, pour extraire l’invisible et l’inconnu. Mais il pourrait ne pas s’agir d’objets, mais des simples ready-made, de restes visuels, d’éléments épars pris dans le réel, ou même dans les dictionnaires ou les manuels. Il s’agit d’objets non-euclidiens comme aime dire Breton ou simplement des objectiles qui, comme le signale Bernard Cache (cf. 2006, 153), nous font perdre tout sens d’échelle, renversant les grandeurs de la ville et de la cuillère. Leur taxinomie n’est pas seulement inachevée mais aussi inachevable. Peu importe leur nom, sauvages, trouvés, irrationnels, interprétés, mobiles, virtuels, muets ou mathématiques - ils sont avant tout des objets poétiques. Les objets surréalistes poursuivent la poésie par d’autres moyens, tout en sachant que les moyens peuvent détourner les buts. Cette poésie et ces objets seraient, pour paraphraser Bernard Cache (cf. 2006, 155) à propos de l’objectile, des modes de production et non des objets de contemplation, ni des instances de réflexion et encore moins des instruments de communication. 11 « Je constate que l’association du vélo avec le cigare est bonne. Mais, je vais chez mon marchand pour lui demander une bague ; en médaillon sur la bague est dessiné un hibou etc. » (Magritte: 2009, 118) Angelos Triantafyllou 114 De là au poème-objet, il n’y a qu’un pas. Il suffit d’incorporer à un poème des éléments visuels qui trouveraient place entre les mots sans jamais faire double avec eux (cf. Breton: 2008, 693-695). Dans les Entretiens, Breton résume ainsi ce rapport : « J’ai défini le poème-objet comme une composition qui tend à combiner les ressources de la poésie et de la plastique ». « Magritte de son côté, continue-t-il, épiait ce qui pouvait résulter de la mise en rapport de mots concrets [...] avec des formes ne leur correspondant pas rationnellement. » (Breton: 2008, 532) Si, en effet, « Les mots et les images » de 1927 (cf. Magritte: 2009, 60) ou la conférence de Londres de 1937 (cf. 96) parlent d’images sans nom, noms sans image, image et nom non adéquats, image et nom échangeant leur place, c’est que, comme dit Foucault (cf. 1973, 16, 35), ils ne disent pas encore et ne représentent plus les objets, ils sont des calligrammes. Comme chez Apollinaire, la fusion de la peinture et de la poésie, rend indifférent si on s’exprime sous la forme poétique ou plastique. Dans les vers de Breton, et les tableaux de Magritte, les mots sont de la même substance que les images. Où finit le jeu des mots et où commence la physique de la poésie ? Bonnefoy dit que les surréalistes belges étaient moins des visionnaires que des linguistes. 12 Cependant, dans l’entourage de Magritte, il y a eu Christian Dotremont, qui a poussé au bout l’indiscernabilité. Admiratif des images à mots de Magritte, 13 il créé le logogramme pour fixer dans les yeux du lecteur, comme il dit (cf. Dotremont: 1998, 473) le mouvement des mots premiers. Dans Ceci n’est pas une pipe, le mot « ceci » est un logogramme, dira Pierre Alechinsky. 14 Dotremont est un cryptologue, dit son ami Bonnefoy, il fait des poèmes indéchiffrables. Ou plutôt ce n’est pas lui, c’est Logogus (Dotremont: 1998, 455), son alter ego, qui prend le taxi pour Bruxelles et le train pour Copenhague pour arriver à la terre des logogrammes, la Baltique. Pour que son écriture cursive trace des manuscrits sous-titrés, flux verbaux automatiques dont personne ne sait l’issue et dont les lettres s’entremêlent sans se chevaucher, quoique sans souci de lisibilité. Les lettres forment des objets habituels ou exotiques : la carte géographique de la Laponie devient, sous le trait de Dotremont, un logogramme ; les lettres forment des objets temporels, des chronologs, des textes-objets. Comme celui de 1978 où le manuscrit est lié à un sablier en verre soufflée, rempli de pâtes alimentaires en forme d’alphabet. Les logogrammes sont des œuvres qui parlent pour concilier les sens et le sens, l’écrire et le voir, le départ et le voyage. 12 Cf. Bonnefoy, « Préface » à Dotremont: 1998, 16 et 31. 13 Magritte collabore avec Dotremont dans des tracts et dans la revue bruxelloise dirigée par ce dernier Le Surractuel (1946) (cf. Magritte: 2009, 150, 179 et 258). 14 Cf. Dotremont: 2004, 101, 103, 109, 112 et 113. L’objectile surréaliste : Magritte, Dotremont et Breton 115 5. L’image en soi C’est pourquoi les titres des tableaux, dit Magritte (cf. 2009, 440) ne sont pas des explications et les tableaux ne sont pas des illustrations des titres. Comme dit Foucault (cf. 1973, 45) à propos du fameux tableau Ceci n’est pas une pipe, les titres sont plus qu’un texte qui nomme une figure : le dessin n’est pas le mot et l’énoncé n’est pas l’objet. L’image en soi 15 est le titre d’une huile de Magritte de 1961 offerte à Breton, en « remplacement » du tableau La femme cachée, sérieusement endommagée. Pouvant convenir à n’importe quel tableau, le titre le laisse perplexe. Pour dissiper tout soupçon de dérision et de lourdeur il écrit à Breton : « Je l’appelle L’image en soi − sans ironie ni défi à une certaine logique dont nous pouvons nous passer totalement. » 16 Après Les vacances de Hegel (1958), L’image en soi est sans doute une référence au philosophe allemand qui dans son Esthétique, tant de fois citée par Breton, stipule que « toute œuvre d’art vraiment poétique est un organisme en soi ». (Hegel: 1964, 49) Mais elle conviendrait davantage à Bergson qui dans Matière et mémoire, œuvre qui ne fait pas partie des références de Breton, donne une définition de l’objet comme étant « une image » ; « mais une image, ajoute Bergson, qui existe en soi ». (Bergson: 1968, 14-17) Toujours est-il que l’image est un concept fondamental du Manifeste du Surréalisme. Quoique que Breton préfère l’image en soi à une théorie de l’image qui ferait fuir l’image. 17 L’image en soi, dit ailleurs Magritte (2009, 655), est l’image de la ressemblance, qui fuit toute interprétation. Si bien que dans sa lettre, Magritte ajoute : « Je ne parlerai pas davantage sinon pour souhaiter que L’Image en soi s’accorde avec toutes vos préférences et qu’elle puisse remplacer la femme que l’on ne voit pas dans la forêt ». Le tableau de 1961 remplace doublement le tableau dégradé : physiquement, il prenne sa place dans la collection Breton ; métaphoriquement, il rend visible la femme invisible, l’image qui fuyait. Quoique aux yeux de Magritte il y ait un dernier sens caché, puisque le tableau de 1961 n’est en réalité qu’une variation d’un tableau de l’année précédente intitulée cette fois-là ni plus ni moins La Joconde 18 . Comme tableau, L’image en soi remplace pour Magritte La Joconde (l’idée même de la peinture), mais en tant qu’objet, elle remplace pour Breton l’image qui fuit. Dans sa réponse, Breton fait l’éloge du tableau de 1961 : pour lui, il exprime « l’indescriptible », « le mystère » de l’image qui fuit. 19 Car ce n’est pas 15 Huile sur canvas, 65 x 50, Collection de V. et D. Campbell, Ontario, in: Magritte: 1993, 345-346. 16 Lettre de Magritte à Breton, du 27 mai 1961, reprise dans Breton: 1991, 423. 17 « Mais l‘image me fuyait. L‘esthétique de Reverdy, esthétique toute a posteriori, me faisait prendre les effets pour les causes » (italiques AB ; Breton: 1988, 324). 18 Huile sur canvas, 1960, 70 x 50, Collection privée, Paris, in: Magritte: 1993, n° 922. 19 Lettre de Breton à Magritte, du 11 septembre 1961, reprise dans Magritte: 1993, 346. Angelos Triantafyllou 116 l’invisible qui cache l’image, dit Magritte à Foucault (cf. 1973, 85-90) : seul le visible peut cacher le visible. Dans le tableau en question, ce qui fait obstacle à la vue, ce n’est pas le noir mais au contraire le miroir vide et les deux rideaux, à gauche et à droite. Quand on demandait Magritte pourquoi il peignait si souvent des rideaux, il répondait : car nous sommes entourés de rideaux (cf. Magritte: 2009, 599). 6. Variations sur l’humour Les tableaux de Magritte sont des variations. Peindre des rideaux, c’est peindre des plis. C’est que, pour Leibniz (cf. Deleuze: 1988, 10), ces rubans au vent représentent le virtuel, l’événement, le monde en soi. Toutes ces chambres, ces fenêtres, ces montagnes, ces ciels, ces hommes à chapeau melon, ces femmes nues, pour rester à quelques exemples, ne sont pas de thèmes récurrents mais la variation d’un même tableau, « les variantes d’une même décoration intérieure » (Deleuze: 1988, 133), d’une même ville, de Bruxelles. Il faudrait citer Leibniz pour s’apercevoir que les tableaux de Magritte sont des monades, des traces d’une même ligne en mouvement continu : Et, comme une même ville regardée de différents côtés paraît tout autre, et est comme multipliée perspectivement, il arrive de même que par la multitude infinie des substances simples, il y a comme autant de différents univers, qui ne sont pourtant que les perspectives d’un seul selon les différents points de vue de chaque monade. 20 Le perspectivisme de Magritte est celui de Leibniz (cf. Deleuze: 1988, 22), les perpendiculaires ne rencontrent les tangentes qu’à un certain point où, dit-il citant Breton lecteur de la Monadologie, « le haut et le bas cessent d’être conçus contradictoirement » (Magritte: 2009, 573). C’est un point de vue qui capte la vérité, l’invariable de la variation (cf. Deleuze: 1988, 27). C’est un subjectile correspondant à l’objectile. Car la variation est surtout le propre de l’objectile. Il est une mise en variation continue de la matière autant qu’un développement continu de la forme. Mais la variation est avant tout une parodie, dit Magritte (cf. 2009, 664) un humour tournée même contre soi-même. Tant mieux s’il s’agit tout simplement des variations d’un tableau étranger, par exemple de Manet. Transformer le cliché, dit justement Deleuze (cf. 1981, 57), ne le détruit pas mais le parodie. Toute une humeur tentée de dérision et de sarcasme habite Magritte, comme survivance, dirait-on, de l’esprit des Bruxelles. De ce souci de « se rappeler qu’on n’est jamais assez rien du tout ». Parfois Magritte l’appelle humour subversif (cf. Magritte: 2009, 219, 229) et lui donne la 20 Leibniz, Monadologie § 57, in: Leibniz: 1995, 106. L’objectile surréaliste : Magritte, Dotremont et Breton 117 même matière que l’énigme. A la question: « Qu’attendez-vous de l’humour? Magritte répond : un peu de santé de l’esprit » (674). L’humour n’est pas vulgaire et quelquefois il est magique. Magritte n’a jamais caché que le terme « humour noir » de Breton, éveille en lui un certain sentiment de terreur dorénavant insupportable. Il a toujours proposé de jeter un peu de soleil aux faux mystères, et de ne plus tolérer qu’une seule forme d’humour, « l’humour plaisir » (Magritte: 2009, 674). Ceci dit, ce n’est pas exclusivement pour désamorcer la polémique que, à son égard, Breton parle pour une fois d’humour désirable (cf. Breton: 2008, 832). C’est qu’il y a un certain humour, dit Deleuze (cf. 1973, 17), où les contradictions cessent d’exister, comme l’a toujours voulu Breton, car le désir investie un corps libre de toute contrainte. C’est pourquoi pour Breton, l’humour est lié à la poésie, doit être lié à la poésie, au besoin sans poèmes (Breton: 2008, 15), comme dit-il. C’est l’humour sans h, comme aimait l’écrire Jaque Vaché. Il est philosophique, nietzschéen. Un rire léger qui atteint même, comme chez Dotremont dirait Bonnefoy, le statut du moyen de connaissance. Il naît au contact non utilitaire de la conscience avec les objets. Cet humour Breton l’appelle d’habitude « objectif » 21 . Il y voit le seul moyen de fondre ensemble perception et désir, de libérer et les objets et le monde intérieur. L’humour objectif, dit-il, c’est la synthèse de l’imitation de la nature sous ses formes les plus accidentelles, d’une part, et de l’esprit, de l’humour, de l’autre. Il n’y aurait pas sans doute meilleure définition de l’objectile surréaliste. Benjamin, Walter (1971): « Le surréalisme », in: Walter Benjamin (1971): Œuvres I. Paris. Bergson, Henri (1968): Matière et mémoire. Paris. Bonnefoy, Yves (1998): « Préface à Christian Dotremont », in: Christian Dotremont (1998): Œuvres Poétiques Complètes. Paris. Breton, André (1988): Œuvres complètes I. Ouvrage établi par les soins de Margueritte Bonnet et al. Paris. — (1991): La Beauté convulsive, sous la direction de Bonnet. Paris. — (1992): Œuvres complètes II. Ouvrage établi par les soins de Margueritte Bonnet et al. Paris. — (2000): Œuvres complètes III. Ouvrage établi par les soins de Margueritte Bonnet et al. Paris. — (2008): Œuvres complètes IV. Ouvrage établi par les soins de Margueritte Bonnet et al. Paris. Cache, Bernard (1997): Terre Meuble. Orléans. — (2006): « Objectile : poursuite de la philosophie par d’autres moyens ? », in: Rue Descartes, n°20, 1998, repris dans Gilles Deleuze (2006): Immanence et vie. Paris, pp. 153-157. 21 Breton: 2008, 663 et 1992, 483. Angelos Triantafyllou 118 Descartes, René (1988) Discours de la méthode, in: René Descartes (1988): Œuvres Philosophiques I. Paris. Deleuze, Gilles (1973): L’Anti-Œdipe. Paris. — (1977): Mille Plateaux. Paris. — (1981): Logique de la sensation. Paris. — (1988): Le pli : Leibniz et le baroque. Paris. Dotremont, Christian (1998): Œuvres Poétiques Complètes. Paris. — (2004): J’écris pour voir. Paris. Hegel (1964): Introduction à l’Esthétique IV. Paris. Hume, David (1992): A Treatise of Human Nature. Aalen. Foucault, Michel (1973): Ceci n’est pas une pipe. Montpellier. Leibniz (1995): Discours de la métaphysique suivi de Monadologie. Paris. Magritte, René (1993): Catalogue raisonné. Edited by David Sylvester, vol. III. Anvers. — (1996): Le Catalogue Samuel. Préface Tom Gutt. Bruxelles. — (2009): Écrits complets. Paris. Mallarmé, Stéphane (1945): Œuvres Complètes. Paris. Nougé, Paul (1933): « Les images défendues », in: Le surréalisme ASDLR 5-6. Souris, André (1966): « Paul Nougé et ses complices », in: Entretiens sur le surréalisme. Colloque de Cerisy-la-Salle, sous la direction de F. Alquié. Paris / La Haye, pp. 432-454. Valery, Paul (1975): « Introduction à la Méthode de Léonard de Vinci », in: Paul Valéry (1975): Œuvres I. Paris. Jan Baetens Surréalisme voulu ou surréalisme involontaire ? Après une bonne dizaine de recueils, je ne sais toujours pas que penser de mon propre travail. Mes textes sont souvent rapprochés de l’écriture à contraintes, mais pour des raisons qui ont peut-être moins à voir avec ces textes mêmes qu’avec ma défense, théorique aussi bien que critique, de cette manière de penser la littérature. Certes, je suis un auteur à contraintes, mais un auteur un rien indiscipliné, qui se contente souvent d’utiliser la contrainte comme tremplin, non comme horizon. À part ça, c’est surtout la diversité thématique de ces livres qui a retenu l’attention : le basketball, la vie professionnelle (y compris celle des écrivains, car je ne crois nullement aux bienfaits du métier d’écrivain), la bande dessinée, le cinéma de Godard (dont j’ai « novellisé en vers » un de mes films préférés, Vivre sa vie), etc. : le quotidien m’enchante. Mais jusqu’ici, personne n’avait jamais qualifié mon style de surréaliste. Or, le lecteur ayant toujours raison, si tel jugement se prononce, il doit bien y avoir quelque chose de surréaliste dans ce que je fais. Entendons-nous bien. Les éléments typiques d’un certain surréalisme me sont tout à fait étrangers : je combats l’écriture automatique, voie royale du stéréotype à mes yeux; les grands thèmes du merveilleux, de la femme, de l’amour fou m’intéressent sans doute dans la vie, mais on ferait fausse route à en chercher les traces cryptées dans mes poèmes ; l’inconscient est quelque chose qui me laisse assez indifférent ; enfin, les grandes aspirations politiques, voire révolutionnaires de Breton ou Aragon ne font pas très bon ménage avec mon approche plus terre-à-terre du réel, dont j’essaie plutôt de dénuder l’incongru et le comique. Mais il y a, comme toujours, surréalisme et surréalisme, et je ne tiens pas à cacher mon admiration inconditionnelle du grand surréaliste bruxellois qu’est Paul Nougé. Je m’inspire de son style, tout d’ellipses et de lieux communs tordus et retordus, et de son esthétique de l’objet bouleversant. Pour Nougé, le bon objet littéraire n’est ni fantastique, ni trouvé, il est le résultat d’une transformation très voulue, très construite du réel le plus banal qui soit. C’est de cela justement qu’il tire son efficace : le « bon » objet bouleversant est celui qu’on n’attend pas, qui ne se fait pas remarquer tout de suite, dont on peut penser qu’il est simple et innocent, mais qui finit vite par exploser entre les mains. Si le surréalisme est cela, oui, mon écriture se veut très souvent surréaliste. En même temps, puisque l’histoire ne peut se répéter qu’en farce, il convient aussi de bien tenir compte du temps qui a passé depuis, disons, 1925. Jan Baetens 120 Refaire du Nougé en 2012, avec les mêmes espoirs, les mêmes ambitions, les mêmes convictions, risquerait de sonner faux, surtout en Belgique où tout le monde, depuis la nuit des temps, se veut surréaliste. L’humour s’impose donc, non parce que le rire serait surréaliste, mais parce qu’il ne faut jamais oublier la différence entre les découvreurs et ceux qui essaient péniblement de réinventer après eux la roue, la lune et l’art du vers. Thomas Amos / Christian Grünnagel Jan Baetens, professeur-poète « J’aime les nuages… les nuages qui passent… là-bas… là-bas… les merveilleux nuages! » C’est ainsi que répond l’étranger baudelairien aux questions insistantes de ses goûts et amours. Bien proche de cette attitude romantique, le professeur Jean Baetens qui, dans la vie réelle, enseigne sciences littéraires et culturelles à l’université de Leuven, a choisi pour son recueil de poèmes récent, paru en 2012, ce titre: Autres nuages. Prenant comme point de départ, dans le cycle-ouverture « Comme les sujets viennent aux poètes », l’arbitrarité du signe, Baetens engage par la suite un jeu virtuose entre l’arbre (l’exemple notoire de Saussure) et les nuages (son exemple). Sa conclusion rappelle les propos si mystérieux, imprégnés de sagesse qu’on dit à Alice: « Tout nuage est arbre / Qui marche à force / D’être récrit. » Dans le recueil, l’arbre et le nuage retourneront sans cesse, leitmotive méta-poétiques, soit d’une façon évidente dans les Etudes de nuage, soit dans le Petit précis d’art et de littérature dans lequel Baetens écrit sur quinze textes, films, tableaux. Si l’on n’avait jamais cru que toute une poésie de nuage et de l’arbre pouvait exister, on devrait bien admettre qu’on s’était trompé. Ces poèmes s’allient aux autres arts sans jamais s’y perdre. On trouvera le même principe inter-médial, magistralement exécuté, dans Cent ans et plus de bande dessinée (2007). Ici, le poète construit pour nous un musée imaginaire, sinon un panthéon, où l’on trouve rassemblés les plus grands dessinateurs et auteurs du neuvième art, de Töpffer à Chris Ware. Des héros familiers, des souvenirs de lectures fiévreuses surgissent à chaque pas. Mais l’effet frappant résulte particulièrement du fait que Baetens renonce à toute description, chose remarquable en effet en parlant BD. Le poème pour et sur Charles Schulz par exemple, contrefait un dialogue mené dans le style des Peanuts : à propos de Tardi, Baetens constate, moqueur comme son confrère: « La poésie est risible en soi. » Ces portraits ne sont pas faits en pied, mais de biais ; pourtant forme et contenu semblent correspondre toujours à l’artiste évoqué, bien que parfois le sens soit à démêler, si sens définitif il y a. Les images au sens propre, rares et minimes, sont destinées à grandir dans l’imagination du lecteur. Celui-ci y parviendra, car Belge et, on le croit bien, fou de BD, Baetens connaît bien tous les trucs du média, son immense potentiel. René Magritte a peint, en plusieurs versions, un tableau titré énigmatiquement L’Empire des lumières montrant une maison avec un réverbère sous un ciel clair, peuplé de nuages. Non moins subversif, c’est l’Empire des images auquel Baetens nous invite. A imaginer. Jan Baetens Choix de poèmes Les nuages aux Archives Alinari, Florence (extrait) 3. Deux coups, trois coups Et une rue quelconque, Borgne, sans vue, mais Avec d’autres vues. Une façade est là Qui n’existe plus. Un passant s’éloigne. On dirait un nuage. Même vu de face, Toujours descendant, Toujours fuyant. Choix de poèmes 123 Étude de nuage (I) Voilà l’avion, voilà l’oiseau, voilà Batman, Et voici le poète sur sa feuille volante. Toujours en quête de nuages qui le poursuivent, Il joue des joues pour imiter le vent. Ses mots claquent, puis pètent, Ils sont libres de laisser des traînées. Vive notre poète. Le voilà qui s’endort. À son réveil un siècle a passé. Le soleil est maintenant d’avant-garde. Il change toutes les nuits telle une lune. La poésie d’antan est un papier de verre Qu’on passe sur le nouvel objectif. S’il savait tomber de son tapis, Le poète inventerait de nouvelles figures. Jan Baetens 124 Étude de nuage (XVI) Faisons un nuage à notre ressemblance : Nom, poids, valeur, attente de vie. Donnons-lui aussi une compagne Car l’idéal du nuage est la nuagesse. Donnons-lui une maison, le ciel, Un jardin, la terre et la mer Avec leurs pierres, leurs plantes, leurs bêtes, Un chemin, un horizon, un au-delà. Donnons-lui aussi un frère, L’arbre, pour divaguer poétiquement. Tout cela laisse le nuage pensif. Il aspire à d’autres songes, Sans nom, sans poids, sans valeur, Et si possible sans flou artistique. Choix de poèmes 125 Étude de nuage (XVI) Le texte dit : ils marchent, Ils sont arrivés, ils vont partir. Mais chaque fois qu’on les regarde, Ils restent immobiles, tout le temps. Ils ne sont plus là quand On rouvre les yeux, remplacés Par d’autres figurines de plomb Qu’une bulle de paroles anime : Un peu, un peu plus, à la mort, Tous mots plus légers que l’air. Un ballon au loin termine les nuages Comme le point, une phrase. Sans fil à la patte les mots Seraient encore pires et davantage. Jan Baetens 126 4. Librement d’après Magritte, « Le 16 septembre » (1955) * Un monde dans un arbre, Le monde dans une feuille, Une ligne, Un point, Et partout L’idée d’un monde, l’idée du monde. Ceci est mon tableau Mais il ne représente pas un arbre. C’est l’arbre qui représente le tableau. Car dès qu’il y a arbre, il y a tableau : Une image qui se passe de hors-cadre, Un sapin de Noël où égarer les lunes, Une face cachée, du jamais vu, Un étalement qui vaut concentration, Un monde doublé, Mais on ne veut plus de l’arbre. * Le tableau de Magritte représente un mince croissant de lune dans le feuillage d’un hêtre nocturne (avec le chêne, cela ne marcherait plus, ou moins bien). Choix de poèmes 127 7. Librement d’après Franz Kafka, « La métamorphose » (1915) * Une tache. Un blockhaus. Une baraque servant de place. Une nouvelle séance se termine. C’est le matin, toujours le matin. La lumière grise ne changera plus. Le mur est le même des deux côtés. Le sol, le ciel, le bois aussi. L’écran, un tain sans miroir. Qui se lève ? Qui regarde les voisins Qui le regardent ? Le silence se tait. Le projecteur bloque la sortie. Il y a dans l’air de l’électricité sans courant. Au sortir du rêve Les spectateurs s’éveillèrent transformés En feuilles mortes. (Autres nuages, avec 26 gravures sur bois d’Olivier Deprez. Bruxelles: Les Impressions Nouvelles, 2012, pp. 33, 45, 50, 60, 75, 78) * Je ne comprends plus pourquoi j’ai rapproché ce poème de Kafka. Il y a visiblement erreur, le modèle de ces lignes étant Lenin Kino d’Olivier Deprez (Bruxelles: FRMK, 2009). Il est vrai que Deprez est l’adapteur de Kafka, dont il a traduit Le château en gravures sur bois. Mais est-ce que cela suffit ? Jan Baetens 128 Winsor McCay Tous ceux qui tombent en leur lit Dans un sommeil réparateur le seront, Réparés, remis sur pied, ravigobibochés. Plus douce sera la chute de leurs cheveux, De leurs chaînes et de leurs grands cheveaux. Plus de l’autre côté du chas d’aiguille Les piqûres de Morphée transformeront Les hommes en marabouts, les bêtes En sauvages. Et moi-même, ou maman, Ne préserverai personne du bout de mon rouleau. Choix de poèmes 129 Alex Raymond Flash Gordon C’est le privilège du bon vieux feuilleton : Les aventures ont toujours déjà commencé, Les héroïnes deviennent encore plus belles, les héros Ne meurent plus, les méchants reviennent. Les pommes de l’âge d’or ne portent en elles Aucun venin, ni atomique, ni surgelé. Dale est la voisine de Flash, qui la rencontre jour après jour. Chaque blessure et bain de jouvence Et petite, petite, petite, la mort. Nous, qui prenons ce train en marche, Séduits, halentants, sceptiques, jaloux, Incapables d’en descendre, sommes Pourtant en marcher vers la fin. Jan Baetens 130 E. P. Jacobs Tu ne rêvais pas de bohême, mais de gloire. La seule qui vaille, celle qui s’accorde Sous les feux de la rampe à la fin d’un bel air Mettant bien en valeur les paroles d’un barde. Et ton premier album a donné tout de suite Le la : tonitruant, boulu, cassant les vitres. Fortissimo! Bravo! Et les couleurs qui pètent Et dont tu barbouilles sans complexe tes reîtres. En vrai belge tu as de ton pays beaucoup Ignoré ; tes héros sont anglais ou indiens, Tes policiers français, tes décors égyptiens. Et pour tout pseudonyme tu as choisi De réduire ton nom à deux initiales, des Croches, presque un soupir, pas de quoi faire un tout. Choix de poèmes 131 Schuiten-Peeters, auteur complet (En se rappelant un poème de Borges) Chaque fois que je me quitte Pour marcher à mes côtés, Je préfère qu’on évite Moi et moi-même, d’aller Aux sujets que l’un l’autre À nous-mêmes nous taisons. Et avec douceur d’apôtre Il se parle brimborions. Après vous, m’entends-je dire ; Et lui : mais tutoyez-moi, Confrère, car je sais lire En votre peu de surmoi. Ensemble on survit puisqu’en- Semble avec moi je sui né… Jan Baetens 132 David B. Dans mon rêve cette nuit Je me réveille en sursaut. Je sais que je dors encore, Que j’ai seulement cessé De songer dans le sommeil. La vraie peur m’a étranglé Quand j’ai compris que jamais Plus je ne pourrai écrire : Dans mon rêve cette nuit. Choix de poèmes 133 Olivier Deprez O. Deprez dessine K. En suspens d’homme libre À servante comme vole Une pie les paroles dites Changent de robe ou de ton Saison de chasse des bêtes Approche de quiconque songe À fuir les ouvenir photo- Copié de ton propre sang Un couple une paire de projections Pour mots animés en pierre enfin Précieuses la craie comme présage Tard obscurcit le message du khôl Jan Baetens 134 Pierre Nora A propos de « Mr Burroughs » Cela pourrait se passer n’importe où Mais ce soir ce sera ici, sous les arcades De cette ville où te retient un vieil ennui. Te voilà assis, avec ta vie de profil Comme au musée ces femmes de maître Anciennes. Il ne se passe rien, évidemment. Tous les grands orateurs ont dit mille mots Vaut une image, mais comment imaginer Quand rien ne bâillonnne l´esprit qui bâille ? (Cent ans et plus de bande dessinée, en vers et en poèmes. Bruxelles: Les Impressions Nouvelles, 2007, pp. 10, 17, 22, 48, 57, 60, 68, 80) XI. Abstracts Thomas Amos Preliminaries to a History of Non-Mimetic Belgian Francophone Literature The essay follows the rich and constant non-mimetic francophone literature in Belgium from its beginnings in the middle of the 19th century to the present. While the minor romantic authors (e.g. A. Borgnet and L. Wocquier) still remain epigonical of German and French models, the painter Antoine Wiertz proves a strong predilection for the macabre. Charles De Coster’s novel Ulenspiegel (1867) attempts to create a grand national work that shows a clear tendency towards the ludic and ornate style. With the rise of the symbolist movement in the 1880s, Belgian authors (Maeterlinck, Rodenbach) became world-famous. Typical for this specific form of symbolism are: the primacy of an elaborated decadent/ fabulous atmosphere; the resort to popular traditions; the preference of hybrid forms and particularly its inclination to self-referential reflexions. The influence of French culture, once authoritative, is not predominant anymore. The German romanticism with its irrationalism (Schopenhauer, Novalis) widely takes its place. After World War I, a new generation of writers - Thomas Owen, Michel de Ghelderode and Jean Ray - continues this direction and modifies it as well by integrating the Classic Avant-gardes and developing moreover a kind of up-to date fantastic that shows parallels to the cosmic horror of H. P. Lovecraft. Under the German occupation, this kind of literature treats the political situation in a codified way. A final example shows the post-modern comic Brüsel. Here, once again, the complete non-mimetic character of Belgium is summed up in a masterly manner. Thomas Amos / Christian Grünnagel Surrealisms. Conceptions of the Non-Mimetic in Belgium Generally read as an angry lampoon against a barbarous Belgium, Charles Baudelaire’s Pauvre Belgique (1864-65) notices in this country also a strong tendency towards the non-mimetic, the unreal. The newly coined formula “Bruxelles surréaliste” summarizes this phenomenon and refers to the city’s character as a traditional crossroad of Flemish and French culture, and its role as an important francophone metropolis. The epithet “surreáliste” establishes connections both to the overlooked historic Belgian surrealism, to 136 mannerism, seen as a supra-temporal, anti-classical movement and to the fantastic. Determining and defining the non-mimetic impetus, the essay pleads for a preoccupation with Belgium under this aspect. Christian Grünnagel Brussels, a Sadean Boudoir. The “Divine Marquis” and the Belgian Surrealism As early as 1924, André Breton’s First Manifesto proclaimed Sade as a precursor and source of inspiration for his group of French surrealists. The presence of the “divine marquis”, his writings and the “perversion” baptized by Krafft-Ebing as “sadism” in the center of French surrealism is therefore relatively well known. In the case of Belgium’s surrealists, however, this “Sadean” intertextuality, apparently less intense, does not constitute a similar focus of literary criticism yet. This essay offers an interpretation of possible receptions of Sade’s oeuvre and his most influential legacy - the “perversion” - in René Magritte’s painting The Philosophy in the Boudoir (1947), a direct hint at a Sadean text, in Paul Nougé’s Subversion of Images (posthumous 1968), a much more camouflaged reflection on the Sadean “perversion” via photography and commenting texts, and in Nougé’s “Comments” on sexuality and eroticism, part of his “Érotiques” (posthumous 1994). What becomes clear is that the place where Sade’s writings and the “perversion” emerge in Belgian surrealism is a kind of private, often very petitbourgeoisly looking space, a surrealist “boudoir” of the 20th century, clearly separated from the official Brussels, its public space and great avenues where the Belgian surrealists, especially Magritte, “the Bowler-Hatted Man”, preferred to enact the role of the bourgeois themselves. Jana Náprstková-Dratvová From Extreme Conscience to Naive Gaze: Rodenbach, Verhaeren, Maeterlinck and the Symbolist Roots of Belgian Surrealism This article aims at clarifying to what extent it is possible to consider Belgian Symbolism as the predecessor of Belgian Surrealism. Contrary to French Symbolism and Surrealism, which rely on reason and language, these two Belgian artistic movements bear the specifications of extrême méfiance towards these values and tend to rely on intuition and pictorial imagination. Works of the three major representatives of Belgian Symbolism, Rodenbach, Verhaeren and Maeterlinck, will be examined here, including their recurring process of bringing the reader to lay naive eyes on objects, thus liberating him from any interpretative cliché. Through the veils of mist, through Abstracts Abstracts 137 paradigmatism and delocalization, the object recovers its mystical and original value. This will be the starting point of surrealist poetry and the new epistemology of the object. Juliane Prade Lire avec lenteur - un somptueux lacis: Lecomte Reads the City Marcel Lecomte’s Le vertige du réel, a collection of prose poetry published in 1936, takes surrealism literally: The texts examine how it is possible to write on (sur) the so-called reality, how it comes to pass that language presents the visible world. They articulate correspondences between the shape of the name Bruxelles and what is visible within the city. Breton’s Nadja outlines a personal Paris, traversing the official city along signs and labels that come into view accidentally. Lecomte reads Bruxelles as well, yet his texts do not merely observe the visible but the observer. Lecomte’s prose looks at looking, hence the title “Vertigo of the real.” For the texts do not only name things in order to imagine them as visible. Foregrounding textuality itself, every piece of prose undermines the image it presents at the same time. Thus Lecomte’s reading of the city of Bruxelles expounds how things take and lose shape in the interaction of semiotics and semantics. Annette Runte Of “Mysterical” Beguines. Surrealist Traces in Georges Rodenbach In the poetic work of the Belgian symbolist writer Georges Rodenbach, the topic of ‘béguinage’, i.e. the mystic world of Flemish nuns dating from the late Middle Ages, is omnipresent. After a short glimpse on his famous novel, Bruges-La-Morte (1892), enacting the typical romantic splitting of femininity, incorporated by the sullen and melancholic topography of an old historical town, the article analyzes a cycle of short narratives which, under the title of Musée de Béguines (1894), gathers a series of literary ‘still lives’ about the remote existence of religious women, local relicts from the past, whom the author presents as slightly perverted modern hysterics. On the cultural background of the Belgian ‘Catholic Revival’, the comparison with Marcel Schwob’s Vies imaginaries (1894), a bunch of concise fictional biographies, shows to which degree Rodenbach’s mystification of a psychoanalytic construct differs from the Surrealists’ veneration for it. Literary Symbolism, particularly inspired by Flemish traditions and settings, literally causes surrealistic side effects by means of a rather ambiguous semiotic operation announcing the feminist deconstruction of the ‘mystérique’ (Luce Irigaray). 138 Angelos Triantafyllou The Surrealist “objectile”: Magritte, Dotremont and Breton If there is a real mark of the exchange between surrealist Brussels and Paris, it is probably the surrealist object, and the poem-object in particular, conceived by Breton like a new means of knowledge, destined to answer the crisis of the object as a merchandise, combining poetry and plastic arts, revolutionizing size or matter. In Breton’s way, the visible poetry by Magritte and the logograms by Dotremont, provide the object with a new status, the one of a temporal modulation, beyond the relation of shape to matter, which we could denote, drawing from Gilles Deleuze, by the term “objectile”. Produced by a subversive humour, unique in fusing perception and desire, this object the invariant part of a variation is only a map to explore the imaginary cities, among them Paris and Brussels, so forming but plans of surreality. Abstracts Die starke Affinität zu einer amimetischen Thematik und Darstellungsweise kennzeichnet die französischsprachige Literatur und die Bildende Kunst Belgiens gleichermaßen. Der kulturwissenschaftlich und interdisziplinär ausgerichtete Band verfolgt diese als »Bruxelles surréaliste« bezeichnete Konstante von der Staatsgründung bis in die unmittelbare Gegenwart. Untersucht werden dabei neben intertextuellen und -medialen Bezügen vor allem Erscheinungsformen und Funktionalisierungen des Amimetischen, wobei ein Schwerpunkt auf dem belgischen Surrealismus liegt. ISBN 978-3-8233-6729-1