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Dolmetscherqualität in Praxis, Lehre und Forschung

2012
978-3-8233-7745-0
Gunter Narr Verlag 
Barbara Ahrens
Michaela Albl-Mikasa
Claudia Sasse

Die vorliegende Festschrift würdigt mit Sylvia Kalina eine Dolmetschwissenschaftlerin, die Praxis, Lehre und Forschung auf einzigartige Weise kombiniert. In den Beiträgen greifen ihre Kolleginnen und Kollegen sowohl ihre Forschungsschwerpunkte der Dolmetschdidaktik und Dolmetschqualität als auch die von ihr entwickelten Modelle zum Dolmetschprozess und zur Dolmetschqualitätssicherung auf. Es wird dabei klar, dass Sylvia Kalinas Werk nicht nur einen zentralen Stellenwert in der Dolmetschwissenschaft einnimmt, sondern dass sie auch eine psycholinguistisch orientierteTradition mitbegründet hat, die in Anlehnung an die bekannten Schulen der Dolmetschwissenschaft erstmals als Heidelberger Schule bezeichnet wird.

Dolmetschqualität in Praxis, Lehre und Forschung Festschrift für Sylvia Kalina Barbara Ahrens / Michaela Albl-Mikasa Claudia Sasse (Hrsg.) Dolmetschqualität in Praxis, Lehre und Forschung Barbara Ahrens / Michaela Albl-Mikasa Claudia Sasse (Hrsg.) Dolmetschqualität in Praxis, Lehre und Forschung Festschrift für Sylvia Kalina Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der sowie des Instituts für Informationsmanagement der Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften. © 2012 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISBN 978-3-8233-6745-1 Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................................................................. VII Grußwort des Präsidenten der Fachhochschule Köln ............................... XI Schriftenverzeichnis Sylvia Kalina ................................................................ XIII Barbara Ahrens Praxis, Didaktik und Qualität - Eine dolmetschwissenschaftliche Reise von Heidelberg nach Köln......... 3 Dolmetschqualität und Dolmetschkompetenz Franz Pöchhacker Qualität, die man versteht: ein funktional-kognitiver Ansatz................... 19 Ingrid Kurz Zur Qualität von Live-TV-Dolmetschungen: Erwartungshaltungen und einschränkende Faktoren ................................ 33 Sabine Bastian Dolmetschqualität im Fernsehen am Beispiel von ARTE........................... 43 Michaela Albl-Mikasa The importance of being not too earnest: a processand experience-based model of interpreter competence ........ 59 Dolmetschqualität beim Behörden- und Gerichtsdolmetschen Mira Kadrić Polizei. Macht. Menschen. Rechte Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung .................................................................................... 93 Ivana Čeňková Qui décide de la qualité de l’interprétation en milieu social ? (Résultats de l’expérience vécue en République Tchèque) ....................... 111 Inhaltsverzeichnis VI Gertrud Hofer & Claudia General Standortbestimmung Schweiz - Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern .......................................................... 123 Dolmetschdidaktik Christiane J. Driesen Die Tandem-Lehrmethode zur Qualifizierung von Dolmetschern in seltenen Sprachen entsprechend der EU-Richtlinie 2010/ 64 ................ 149 Gabriele Mack Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens. Ein praktischer Beitrag zur Dolmetschdidaktik .......................................... 163 Sabine Braun & Kurt Kohn Towards a pedagogic corpus approach to business and community interpreter training ..................................................................... 185 Übersetzungsqualität und Übersetzungskritik Uwe Reinke „Potenziell kein Zielterm aus der Termbank verwendet“ - Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung ............................................................................ 205 Klaus-Dirk Schmitz Terminologienormung und Terminologieplanung - Wie kann das Dolmetschen davon profitieren? ........................................... 229 Lothar Černý Der semiotische Weg aus den übersetzungstheoretischen Dichotomien ...................................................................................................... 239 Christiane Nord Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer ...................... 253 Vorwort Die vorliegende Festschrift ist Sylvia Kalina gewidmet, die Praxis, Lehre und Forschung im Bereich des Dolmetschens auf einzigartige Weise kombiniert hat. Aus der Praxis als professionelle Konferenzdolmetscherin bei der EU sowie auf dem freien Markt kommend, hat sie in der Ausbildung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern in Heidelberg und Köln Maßstäbe gesetzt und die Dolmetschwissenschaft mit ihren Forschungsschwerpunkten Dolmetschstrategien, Dolmetschdidaktik und Dolmetschqualität einen wegweisenden Schritt vorangebracht. Die Würdigung von Sylvia Kalinas immensem Beitrag zur Dolmetschforschung und -lehre ist uns Herausgeberinnen ein wichtiges Anliegen, zum einen wegen des hohen Ansehens, das Sylvia Kalina in ihrer Disziplin genießt, und zum anderen aus persönlicher Verbundenheit. Gewürdigt wird Sylvia Kalinas Werk durch die Beiträge ihrer Kolleginnen und Kollegen in diesem Band, die aus unterschiedlichsten Blickwinkeln auf ihre Bedeutung für die Dolmetschwissenschaft und -didaktik eingehen. Einleitend wird Sylvia Kalinas Wirken in Praxis, Lehre und Erforschung des Dolmetschens von Barbara Ahrens in einer szientometrischen Analyse vorgestellt, die einen Rahmen für die thematische Einordnung aller weiteren Beiträge vorgibt. Diese lassen sich im Wesentlichen Sylvia Kalinas Forschungsschwerpunkten der Dolmetschqualität und der Dolmetschdidaktik zuordnen. Im thematischen Hauptteil zur Dolmetschqualität nennt Franz Pöchhacker beim Namen, was schon lange im Raum steht, dass man nämlich neben einer Leipziger, Triester und Pariser Schule von einer „Heidelberger Schule“ sprechen kann, d.h. von einer von Hella Kirchhoff begonnenen und von Sylvia Kalina fortgesetzten „psycholinguistisch geprägten Theorietradition“. Kurt Kohn, aus dessen Zusammenarbeit mit Sylvia Kalina am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Universität Heidelberg der im Rahmen ihrer Dissertation ausgearbeitete strategische Ansatz in der Dolmetschwissenschaft hervorgegangen ist (vgl. Kalina 2009b: 159f.), charakterisiert diesen Ansatz in seinem gemeinsamen Beitrag mit Sabine Braun als ein „cognitive and pragmatic discourse model of interpreting“. In dieser Tradition eines kognitiv-diskursbasierten Paradigmas stehen nicht nur Arbeiten von Kurt Kohn und Sylvia Kalina, sondern auch die von weiteren Beiträgerinnen wie Sabine Braun und Michaela Albl-Mikasa. Pöchhacker, der im Übrigen eine Verbindung zu Vermeers funktionaler Translationstheorie herstellt, führt weiter aus, dass Dolmetschen aus diesem Blickwinkel als „zielorientiertes, strategisches Handeln in einem komplexen situativen Bedingungsgefüge Vorwort VIII aufgefasst“ und das „Zusammenspiel verschiedenster Interaktionsfaktoren“ in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt wird. Wie diese Faktoren den Dolmetschprozess und damit die Qualität von Dolmetschleistungen beeinflussen können, hat Sylvia Kalina in ihren Arbeiten zum Qualitätsbegriff seit 2002 aufgezeigt und daraus ein Modell zur Qualitätssicherung beim (Konferenz-)Dolmetschen entwickelt, das durch seine pre-, peri-, in- und post-process-Dimensionen die Dolmetschtätigkeit in ihrer ganzen Breite abdeckt. Sie hat damit ein Fundament für die weitere Beschäftigung mit den verschiedenen in ihrem Modell genannten Dimensionen gelegt. Seine Anwendung auf konkrete Dolmetschsituationen und übergeordnete Fragestellungen zum Dolmetschen erfährt dieses Modell in den Beiträgen zur Qualität beim Live-TV-Dolmetschen von Ingrid Kurz und TV-Dolmetschen bei ARTE von Sabine Bastian sowie zur Dolmetschkompetenz von Michaela Albl-Mikasa. Wie mehrere Autorinnen und Autoren hervorheben, hat sich Sylvia Kalina jedoch nicht nur um die Forschung im Bereich des Konferenzdolmetschens verdient gemacht, sondern auch „das bis in die jüngste Vergangenheit vernachlässigte Dialogdolmetschen im öffentlichen Sektor“ berücksichtigt, woran Mira Kadrić mit ihrem Beitrag zum Polizeidolmetschen in Österreich anknüpft. Aktuell widmet sich Sylvia Kalina im Rahmen des von der EU geförderten und unter Federführung des ISIT in Paris durchgeführten Projektes ImPLI (Improving Police and Legal Interpreting), an dem auch weitere Beiträgerinnen des vorliegenden Bandes - Christiane Driesen, Ivana Čeňková und Barbara Ahrens - mitarbeiten, der Forschung im Bereich des Dolmetschens bei Polizeibehörden. Der Beitrag von Ivana Čeňková zur Professionalisierung dieser Dolmetschart in der tschechischen Republik ist ebenfalls im Bereich des Dolmetschens im Gemeinwesen angesiedelt. Abgerundet wird dieser Forschungsbereich durch den Beitrag zur Weiterbildung von Gerichtsdolmetscherinnen und -dolmetschern in der Schweiz von Gertrud Hofer und Claudia General, mit der Sylvia Kalina bereits im Rahmen der Dolmetscherausbildung in Heidelberg zusammengearbeitet hat und die ihr in der Leitung der Sektion Dolmetschen der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) nachfolgte. Der dritte thematische Teil in diesem Band befasst sich mit Sylvia Kalinas Forschungsschwerpunkt im Bereich Dolmetschdidaktik. Hierzu werden von Christiane Driesen ein Beitrag über die Tandemlehrmethode zur Qualifizierung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie von Gabriele Mack ein Beitrag zur Redetranskription als dolmetschdidaktischer Methode vorgelegt. Auch der oben bereits genannte Beitrag von Sabine Braun und Kurt Kohn zum Einsatz pädagogisch aufbereiteter Korpora in der Ausbildung von Nichtkonferenzdolmetschern ist hier angesiedelt. Qualität als Themenschwerpunkt bleibt in diesem Band nicht auf das Dolmetschen beschränkt, so wie auch Sylvia Kalina in ihrem wissenschaftli- Vorwort IX chen Schaffen stets den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachgebieten gepflegt hat. Daher stammt im vierten und letzten Teil dieses Bandes eine Reihe von Beiträgen aus Nachbardisziplinen des Dolmetschens, nämlich der Übersetzungswissenschaft und der Terminologielehre: Uwe Reinke zum computergestützten Qualitätsmanagement in der Fachübersetzung, Klaus-Dirk Schmitz zur für Dolmetscher relevanten Terminologienormung und Terminologieplanung, Lothar Černý mit dem Beschreiten eines semiotischen Wegs in der Übersetzungstheorie und Christiane Nord mit einer Kritik der Übersetzung eines literarischen Werkes über einen Dolmetscher. Uns Herausgeberinnen verbindet eine enge persönliche Beziehung mit Sylvia Kalina, die jeweils im Studium beginnt. Barbara Ahrens und Michaela Albl-Mikasa gehören zur Gruppe der zahlreichen Absolventinnen und Absolventen des Dolmetschstudiengangs an der Universität Heidelberg, die auch von Sylvia Kalina ausgebildet worden sind. Es war jedoch insbesondere die Dolmetschwissenschaft, die die kollegiale Zusammenarbeit mit Sylvia Kalina im Laufe der Jahre geprägt hat. Auch Claudia Sasse kennt Sylvia Kalina bereits seit ihrem Studium, allerdings an der Fachhochschule Köln, und hat im Rahmen des Bologna-Prozesses in vielen Fragen der Umstrukturierung der Studiengänge eng mit ihr zusammengearbeitet. Wie der Präsident der Fachhochschule Köln, Prof. Dr. Joachim Metzner, in seinem Grußwort zu diesem Band ausführt, zeigt sich gerade auch in diesem Teil des Wirkens von Sylvia Kalina an der Fachhochschule Köln sowie in ihrem Einsatz in nationalen und internationalen Gremien, wie z.B. Transforum oder der CIUTI, ihr großes Engagement für die Sache „Dolmetschen“ im Allgemeinen und die Verbesserung und Fortführung von Praxis, Lehre und Forschung im Besonderen. Unser Dank gilt allen, die diesen Band durch ihr Mitwirken ermöglicht haben: allen Beiträgerinnen und Beiträgern sowie dem Präsidenten der Fachhochschule Köln für sein Grußwort. Köln und Winterthur, Barbara Ahrens im Juli 2012 Michaela Albl-Mikasa Claudia Sasse Grußwort des Präsidenten der Fachhochschule Köln Es ist sicher kein Zufall, dass „Festschrift“ in den Wortbestand des Englischen eingegangen ist. Schließlich ist dieser Brauch der gedruckten Ehrung im deutschen Sprachraum entstanden und von dort im Laufe des 19. Jahrhunderts in die akademischen Kulturen Europas eingewandert. Andererseits ist the festschrift sehr viel eindeutiger eine Bezeichnung für die Ehrung einer oder eines Gelehrten, während Festschriften hierzulande ja zu fast jedem beliebigen Anlass für fast jedweden Adressaten erscheinen. Die Festschrift für unsere Kollegin Frau Professorin Sylvia Kalina folgt diesem internationalen Verständnis. Das passt zur Internationalität der Person, ihrer Wissenschaftsdisziplin, ihrem Forschungsinteresse, ihrer Lehre. Und dem entsprechen natürlich auch die Inhalte und die Autoren dieses Buchs. Mit dieser Festschrift wird eine Wissenschaftlerin geehrt, die schon bei ihrer Berufung an unsere Hochschule in besonderer Weise den Profilerwartungen an ein hochqualifiziertes Kollegium entsprach. Die Entwicklung eines konsistenten theoriebasierten Dolmetschmodells aus der alltagspraktischen Empirie heraus und angereichert mit didaktischen Folgerungen - eine solche wissenschaftliche Positionierung in ihrer Dissertation und anderen Veröffentlichungen passte vor einem guten Jahrzehnt nicht nur zur Neuorientierung unseres translationswissenschaftlichen Instituts, sondern zu den Entwicklungszielen der gleichermaßen anwendungsorientierten wie forschungsintensiven Hochschule. Dies gilt heute - ausweislich des Hochschulentwicklungsplans der Fachhochschule Köln - mehr denn je. Auch die weiteren, immer wieder in didaktische Überlegungen und in die eigene Ausbildungspraxis einmündenden Untersuchungsinteressen folgten nicht nur konsequent aus dem wissenschaftlichen Selbstverständnis, sondern konvergieren ebenfalls mit grundlegenden allgemeinen Veränderungen in Lehre und Forschung. Das wird besonders deutlich am wachsenden Interesse, das Frau Professorin Kalina dem Thema und dem Problem der Qualitätssicherung beim Dolmetschen entgegenbringt. Ohne Zweifel stellt die Evaluierung von Dolmetschleistungen wegen deren einzigartigen Besonderheiten - Temporalität, Interaktivität, Situativität - eine extreme Herausforderung dar, und entsprechend komplex fallen auch die diesbezüglichen Arbeiten von Frau Kalina aus. Aber sie hat ein Thema mutig aufgegriffen, das wie kaum ein anderes unserer Gesellschaft und unserer Hochschulen in vielen Bereichen auf den Nägeln brennt: die Qualitätssicherung bei Dienstleistungen, und wie man sie durch Qualifizierung und Veränderungen in der Aus- und Weiterbildung verbessern kann. Ähnliches gilt für Grußwort XII ihre Bemühungen, die für alle Lebens- und Arbeitsbereiche immer relevanter werdende IT-gestützte Kommunikation in die Ausbildung und das Handeln von Dolmetschern einzubeziehen. Frau Professorin Kalina ist mit ihren wissenschaftlichen Interessen und Fragen und ihren auf die Praxis bezogenen Vorschlägen in einem guten Sinne up to date. Ich bin sicher, dass dies so bleiben wird. Nicht nur die Disziplin und deren Fachvertreter, sondern auch die Hochschule ist unserer Kollegin zu großem Dank verpflichtet. Dabei habe ich noch gar nicht das umfassende Engagement von Frau Professorin Kalina in der Curriculumentwicklung und im Institutsmanagement erwähnt. Nur wer diesen Einsatz kennt, kann die Zahl und die Qualität ihrer Forschungsarbeiten richtig würdigen. Sie deshalb zum Maßstab zu erklären, würde viele von uns überfordern. Umso wichtiger ist, dass es immer wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an einer Hochschule wie der unsrigen gibt, die unseren Anspruch sichern, eine university of applied sciences zu sein. Dass Frau Kollegin Kalina dies geleistet hat, gehört zu den guten Gründen, sie mit dieser Festschrift zu ehren. In einem Lexikon fand ich für the festschrift die Worterklärung a feast of writing. Falsch, aber schön! Ich hoffe, dass diese Festschrift dieser Erklärung entspricht und dass sie darüber hinaus für die Geehrte, aber natürlich auch für viele Interessierte, zum Lesefest wird. Prof. Dr. Joachim Metzner Präsident Schriftenverzeichnis Sylvia Kalina 1986 Das Dolmetschen - Theorie und Praxis. 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[…] Darüber hinaus gilt es, die Perspektive zu erweitern und den Prozess Dolmetschen nicht ausschließlich auf die Phase der Textrezeption und -produktion zu beschränken, sondern als umfassenderen Kommunikationsakt mit einer Vielzahl von Beteiligten, mit unterschiedlichen Erwartungen, Zielsetzungen und Bedürfnissen zu betrachten und dabei auch Faktoren einzubeziehen, die dem eigentlichen Dolmetschprozess vorbzw. nachgelagert sind. Die Interdependenz und das Zusammenwirken all dieser Faktoren, die bei der gedolmetschten Kommunikation eine Rolle spielen, ist eine Herausforderung für die Dolmetschwissenschaft im 21. Jahrhundert.“ (Sylvia Kalina 2002a: 39f.) Barbara Ahrens Praxis, Didaktik und Qualität - Eine dolmetschwissenschaftliche Reise von Heidelberg nach Köln 1 Vorbemerkung: Szientometrie in der Dolmetschwissenschaft Um die Entwicklung einer wissenschaftlichen Disziplin anhand quantifizierbarer und „bibliothekarisch nachweisbarer Publikationsergebnisse“ (Umstätter 2004: 237) zu beschreiben, werden in der Wissenschaftsforschung szientometrische und bibliometrische Methoden angewendet. Dabei werden im Rahmen der Szientometrie ausschließlich wissenschaftliche Publikationen für die Analyse herangezogen, wohingegegen sich Bibliometrie auch mit Publikationen nicht-wissenschaftlicher Natur beschäftigt (vgl. Kuhlen et al. 2004: 13 und 117; Umstätter 2004: 238). Grundlage für diese Art der quantitativen Analyse sind Publikations- und Zitationsdaten. Ein grundsätzliches methodisches Problem, das szientometrische und bibliometrische Analysen bergen, sind unvollständige - z.B. aufgrund mangelnder Aktualisierung - oder nur teilweise bzw. gar nicht zugängliche Gesamtdatenbestände, die in (Bibliotheks-)Katalogen, Datenbanken, Publikationsnachweisen und Bibliografien bzw. Schriftenverzeichnissen erfasst sind (vgl. Umstätter 2004: 238). Darüber hinaus ist auch die Definition dessen, was unter einer (wissenschaftlichen) Publikation verstanden wird, nicht immer eindeutig, wodurch weitere methodische Probleme bei der Kompilierung der zu analysierenden Daten entstehen können (vgl. Stock 2001: 8ff.). Seit Mitte der 1990er Jahre werden in der Dolmetschwissenschaft szientometrische Untersuchungen durchgeführt, um ihre Entwicklung als eigenständige Disziplin zu dokumentieren. Der Fokus der bisherigen Analysen ist dabei unterschiedlicher Natur: Er reicht von (Konferenz-)Dolmetschen allgemein (vgl. z.B. Pöchhacker 1995a; Gile 2000) über andere Dolmetscharten (z.B. Gebärdensprachdolmetschen, vgl. Grbić 2007) bis hin zur Analyse der publizierten Forschungsaktivitäten in bestimmten geographischen Regionen (vgl. z.B. Grbić 2009). Es finden sich darüber hinaus Analysen zu konkreten Fragestellungen bzw. Themen der Dolmetschwissenschaft, so z.B. zur Interdisziplinarität (vgl. Gile 2006), zur Didaktik (vgl. Gile 2005) oder auch zur Prosodie als dolmetschwissenschaftlichem Untersuchungsgegenstand (vgl. Ahrens im Druck). Einen weiteren Schwerpunkt szientometrischer Analysen Barbara Ahrens 4 in der Dolmetschwissenschaft bilden Profile von Dolmetschforschern 1 (vgl. Pöchhacker 1995b; Grbić/ Pöllabauer 2008). Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, die nachweisbaren wissenschaftlichen Publikationen Sylvia Kalinas quantitativ und inhaltlich, d.h. in Bezug auf die behandelten Themenbereiche auszuwerten. 2 Sylvia Kalinas dolmetschwissenschaftlicher Weg Der dolmetschwissenschaftliche Werdegang Sylvia Kalinas entspricht der für viele Wissenschaftler in dieser Disziplin charakteristischen Entwicklung vom Praktiker hin zum forschenden Praktiker und Wissenschaftler (vgl. Pöchhacker 1994: 25). Damit verkörpert sie das in den 1980er Jahren von Gile für die interdisziplinäre Neuausrichtung der Dolmetschwissenschaft geforderte Profil eines „Practisearcher“ (Gile 1991: 154), der u.a. „Forschung von Dolmetschern für Dolmetscher“ (Pöchhacker 1994: 25) betreibt. Nach Beendigung ihres Studiums an der Universität Heidelberg mit dem Abschluss als Diplom-Dolmetscherin arbeitet Sylvia Kalina ab dem Jahr 1970 zunächst ausschließlich als Konferenzdolmetscherin auf dem institutionellen und privaten Markt (vgl. FH Köln 2008). Im Jahr 1980 kehrt sie als Dozentin an ihre Alma Mater in Heidelberg zurück, wo sie in der Dolmetscherausbildung im Fach Englisch tätig wird. Ihr Interesse gilt der Didaktik in der Ausbildung von Konferenzdolmetschern, die sie im Rahmen ihrer eigenen Lehrveranstaltungen am damaligen Institut für Übersetzen und Dolmetschen (IÜD) der Universität Heidelberg sowie in von ihr durchgeführten Fortbildungen zum Dolmetschen entwickeln und anwenden kann. Ab Mitte der 1970er bis Anfang der 1990er Jahre entstehen am Heidelberger IÜD maßgebliche theoretische Fundierungen translatorischen Handelns durch Wissenschaftler wie z.B. Katharina Reiß, Hans J. Vermeer oder auch Christiane Nord, deren Schwerpunkte jedoch primär im Übersetzen angesiedelt sind (vgl. u.a. Reiß/ Vermeer 1984; Nord 1988). Es sind daher insbesondere die psycholinguistisch orientierten Arbeiten zum Dolmetschen von Hella Kirchhoff und die Zusammenarbeit mit Kurt Kohn am IÜD, die Sylvia Kalinas Interesse für die theoretisch-wissenschaftliche Beschäftigung mit dem (Konferenz-)Dolmetschen fördern und langfristig prägen (vgl. z.B. Kirchhoff 1976; Kohn 1987; für einen Überblick vgl. auch Kalina 2009). Diese Beschäftigung mündet im Jahr 1986 in ihrer ersten Publikation mit dem Titel „Das Dolmetschen - Theorie und Praxis“ (vgl. Kalina 1986), der ein weiteres Charakteristikum der Tätigkeit Sylvia Kalinas widerspiegelt, nämlich die Integration von Erfahrungen aus ihrer Berufspraxis als Konferenzdolmetscherin - die sie neben ihrer Lehrtätigkeit nie aufgegeben hat - und theoretischen 1 Aus Gründen der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit werden sämtliche Personenbezeichnungen in dem vorliegenden Beitrag in inkludierender Form verwendet. Praxis, Didaktik und Qualität - Eine dolmetschwissenschaftliche Reise 5 Erkenntnissen in die eigene Dolmetschlehre und -forschung. 1997 wird sie an der Universität Heidelberg in den Fächern Allgemeine und Spezielle Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft sowie Erziehungswissenschaften zum Dr. phil. promoviert. Die 1998 publizierte Dissertation mit dem Titel Strategische Prozesse beim Dolmetschen. Theoretische Grundlagen, empirische Fallstudien, didaktische Konsequenzen zählt heute zu den Standardwerken der Dolmetschwissenschaft (vgl. Kalina 1998). Nach ihrer Promotion folgt sie 1999 einem Ruf als Professorin für „Theorie und Praxis des Dolmetschens“ an die Fachhochschule Köln, wo sie seitdem lehrt und forscht. 2004 erfolgt die Berufung auf die Professur „Mehrsprachige Kommunikation - Schwerpunkt Translation“ an der Fachhochschule Köln (vgl. FH Köln 2008). Ihre Forschungsschwerpunkte sind weiterhin dolmetschdidaktische Fragestellungen, die in ihre Lehrtätigkeit inner- und außerhalb der Hochschule einfließen, sowie die eingehende Beschäftigung mit Voraussetzungen für Dolmetschqualität und die Einbeziehung von Nichtkonferenzdolmetscharten in die Dolmetschforschung und didaktik. An der Fachhochschule Köln zeichnet sie außerdem für die Konzeption und Einführung des Masterstudiengangs Konferenzdolmetschen verantwortlich (vgl. FH Köln 2010a), den sie von seiner Einführung im Wintersemester 2004/ 05 bis Ende des Sommersemesters 2007 leitet. Die aufgrund des Bologna-Prozesses notwendig gewordene Neukonzeption des Dolmetschstudiums in Form eines Masterstudiengangs Konferenzdolmetschen bietet ihr die Gelegenheit, die von ihr entwickelten Ansätze für eine theoretisch fundierte sowie an den aktuellen Anforderungen des sich ständig verändernden (Konferenz-)Dolmetschmarktes angepasste Ausbildung von Konferenzdolmetschern zu verwirklichen. In diesem Sinne ist Sylvia Kalina bis heute in der Dolmetscherausbildung und in der Dolmetschforschung an der Fachhochschule Köln tätig. 3 Korpus Für die vorliegende Untersuchung wurden zum Stichtag 31.12.2011 sämtliche wissenschaftliche Publikationen Sylvia Kalinas recherchiert. Als Erhebungszeitraum wurden die Jahre zwischen 1980 und 2011 definiert, also vom Beginn der Lehrtätigkeit Sylvia Kalinas bis zum Ende des letzten abgeschlossenen Kalenderjahres, damit die Produktion aus insgesamt 31 Jahren berücksichtigt werden konnte. Die erste nachgewiesene Publikation stammt aus dem Jahr 1986. Als Quelle für die Kompilierung der zu analysierenden Beiträge dienten zum einen Sylvia Kalinas Publikationsliste auf den Personalseiten des Instituts für Translation und mehrsprachige Kommunikation (ITMK) der Fach- Barbara Ahrens 6 hochschule Köln (vgl. FH Köln 2010b), zum anderen die von der FH Köln jährlich herausgegebene Broschüre Projekte & Publikationen (vgl. FH Köln 2011) sowie die derzeit im Aufbau befindliche, interne Datenbank des Hochschulreferats 5 „Forschung und Wissenstransfer“ zur Publikations- und Forschungstätigkeit an der FH Köln. Darüber hinaus war es durch den kollegialen mündlichen Austausch zwischen Sylvia Kalina und der Verfasserin des vorliegenden Beitrags möglich, Schriften zu recherchieren und zu erfassen, die aufgrund des aktuellen Erscheinungsdatums zum Ende des Jahres 2011 weder in der Publikationsliste noch in der Datenbank aufgeführt waren. Das auf diese Weise erstellte Korpus umfasst 58 publizierte Beiträge. Im Druck befindliche Publikationen sind in der Regel nicht verlässlich recherchierbar und wurden daher bei der Zusammenstellung der Beiträge für das zu analysierende Korpus nicht berücksichtigt. 4 Ergebnisse Die im Korpus kompilierten Beiträge stammen aus den Jahren 1986 bis 2011, in denen insgesamt 58 publizierte Beiträge von Sylvia Kalina nachgewiesen werden können. Darüber hinaus finden sich auf der aktuellen Publikationsliste noch zwei Beiträge im Druck (vgl. FH Köln 2010b), 2 die in der Analyse aus den bereits erwähnten Gründen nicht berücksichtigt werden (siehe Abschnitt 3 des vorliegenden Beitrags), aber bereits auf zukünftige Publikationstätigkeit hindeuten. 4.1 Quantitative Entwicklung der Publikationen Der erste in Sylvia Kalinas Publikationsliste aufgeführte Artikel stammt aus dem Jahr 1986. Als Ausgangspunkt für die quantitative Analyse ihrer Publikationstätigkeit wird das Jahr 1980 zugrunde gelegt, da sie in diesem Jahr begann, am damaligen Institut für Übersetzen und Dolmetschen (IÜD) der Universität Heidelberg als Dozentin für Dolmetschen in der Sprachrichtung Englisch-Deutsch tätig zu werden. Die Publikationen wurden vom letzten in der Analyse berücksichtigten Jahr 2011 an bis 1980 absteigend in 5- Jahreszeiträumen gruppiert, sodass das erste Intervall nur die Jahre 1980 und 1981 umfasst (siehe Tabelle 1). Durch diesen verkürzten Zeitraum werden die analysierten Daten nicht verzerrt, da keine Publikationen vor 1986 2 Es handelt sich hierbei um zwei Beiträge, die in Sylvia Kalinas Publikationsliste auf den Personalseiten des ITMK aufgeführt sind (vgl. FH Köln 2010b), für die aber in einem Fall trotz der bereits länger zurückliegenden Aufnahme in die Publikationsliste kein Publikationsnachweis erbracht werden konnte (vgl. Kalina im Druck a). Im anderen Fall ist die Publikation für den Herbst 2012 vorgesehen (vgl. Kalina im Druck b). Praxis, Didaktik und Qualität - Eine dolmetschwissenschaftliche Reise 7 nachgewiesen sind. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, sämtliche Jahre der Lehrtätigkeit von Sylvia Kalina in der Analyse widerzuspiegeln. Zeitraum Anzahl (absolut) Relative Häufigkeit (%) 1980-1981 0 0,0 1982-1986 1 1,7 1987-1991 3 5,2 1992-1996 6 10,3 1997-2001 10 17,2 2002-2006 19 32,8 2007-2011 19 32,8 Summe 58 100 % Tabelle 1: Anzahl und relative Häufigkeit 3 der Publikationen nach Jahren Die Entwicklung der Publikationen im untersuchten Zeitraum zeigt, dass ab 1997 eine deutliche Zunahme festzustellen ist. 17,2 % aller Publikationen sind vor dem Jahr 1997 - dem Jahr von Sylvia Kalinas Promotion an der Universität Heidelberg - erschienen. In den zehn in den Jahren von 1997 bis 2001 erschienenen Publikationen ist die Dissertation Sylvia Kalinas enthalten, die 1998 als Monografie veröffentlicht wurde (vgl. Kalina 1998). In diesen Zeitraum fällt auch die Berufung Sylvia Kalinas als Professorin für „Theorie und Praxis des Dolmetschens“ an die FH Köln im Jahr 1999. Ab der Promotion und der relativ kurz danach erfolgten Berufung sind 82,8 % ihrer Beiträge erschienen. Seit 2002 kann eine quantitativ konstante Publikationstätigkeit festgestellt werden. Abbildung 1 stellt diesen quantitativen Anstieg noch einmal grafisch dar. 3 Die Ergebniswerte der relativen Häufigkeiten werden hier und im Folgenden jeweils auf eine Stelle nach dem Komma gerundet. Aufgrund dieser Rundungen können sich bei der Addition minimale Abweichungen gegenüber dem Genauwert von 100 % ergeben. Bei Verwendung der ungerundeten Werte des Rechners erhält man jeweils den Genauwert von 100 %. Barbara Ahrens 8 Abbildung 1: Quantitative Entwicklung der Publikationen (in absoluten Zahlen) 4.2 Publikationen nach Publikationstyp Neben der rein quantitativen Entwicklung gibt auch der Publikationstyp Aufschluss über Sylvia Kalinas Forschungsaktivitäten. Sämtliche Beiträge können eindeutig Publikationstypen wie „Artikel in Fachzeitschrift“, „Artikel in Sammelband“, „(Mit-)Herausgeberschaft“, „Monografie“ oder „Rezension“ zugeordnet werden, sodass die sonst bei szientometrischen Untersuchungen häufig auftretenden Typisierungsprobleme vernachlässigt werden können (vgl. z.B. Grbić 2009: 152; siehe Tabelle 2). Praxis, Didaktik und Qualität - Eine dolmetschwissenschaftliche Reise 9 Art der Publikation Anzahl (absolut) Relative Häufigkeit (%) Artikel in Sammelband 34 58,6 Artikel in Fachzeitschrift 12 20,7 Rezensionen 7 12,1 (Mit-)Herausgeberschaften 4 6,9 Monografie 1 1,7 Summe 58 100 % Tabelle 2: Anzahl und relative Häufigkeit der Publikationen nach Publikationstypen 91,4 % aller Publikationen sind in Form von Artikeln in Sammelbänden oder Fachzeitschriften erschienen. Hierunter fallen auch die sieben erfassten Rezensionen, von denen sechs in Fachzeitschriften und eine in einem Sammelband erschienen sind. Hierin bestätigt sich zunächst die in anderen szientometrischen Studien zur Dolmetschwissenschaft bzw. zu ausgewählten Teilthemen derselben (vgl. u.a. Pöchhacker 1995a; Gile 2000, 2006; Grbić 2009; Ahrens im Druck) oder auch in der Analyse des Werks eines einzelnen Forschers (vgl. Grbić/ Pöllabauer 2008) aufgezeigte Tendenz, dass Dolmetschwissenschaftler primär Artikel und weniger Bücher veröffentlichen. Interessant ist hierbei jedoch, dass im Gegensatz zu den vorstehend bereits erwähnten szientometrischen Untersuchungen zur Dolmetschwissenschaft (vgl. z.B. Grbić/ Pöllabauer 2008: 12) in Sylvia Kalinas Fall Artikel in Sammelbänden den größten Anteil (58,6 %) ausmachen, während 20,7 % der Artikel in Fachzeitschriften publiziert worden sind. Auch bei Berücksichtigung der sechs Rezensionen, die in Fachzeitschriften erschienen sind (10,3 %), ergibt sich für die Artikel in Fachzeitschriften ein Anteil von insgesamt 31,0 %, der damit unter dem Wert der Kategorie „Artikel in Sammelband“ (58,6 %) liegt. In Bezug auf die Sammelbände kann festgestellt werden, dass Sylvia Kalina bei vier Sammelbänden, in denen sie einen Artikel publiziert hat, darüber hinaus als Mitherausgeberin tätig war. Diese Sammelbände haben sich ebenfalls zu Standardwerken der Dolmetschwissenschaft entwickelt (vgl. u.a. Kalina et al. 2000; Best/ Kalina 2002). Abbildung 2 veranschaulicht die unterschiedlichen Publikationstypen noch einmal. Barbara Ahrens 10 Abbildung 2: Publikationen nach Publikationstyp (in absoluten Zahlen) 4.3 Publikationen in Fachzeitschriften Die Analyse der Beiträge nach Publikationstypen ergibt 18 Beiträge in Fachzeitschriften, nämlich zwölf Fachartikel und sechs Rezensionen (siehe Abschnitt 4.2 des vorliegenden Beitrags). Die quantitative Verteilung dieser Artikel nach Fachzeitschriften zeigen Tabelle 3 und Abbildung 3. Name der Fachzeitschrift Anzahl (absolut) Relative Häufigkeit (%) MDÜ 7 38,8 Meta 2 11,1 Target 2 11,1 TexTconTexT 2 11,1 Across Languages and Cultures 1 5,6 Interpreting 1 5,6 Lebende Sprachen 1 5,6 The Interpreters’ Newsletter 1 5,6 trans-kom 1 5,6 Summe 18 100 % Tabelle 3: Anzahl und relative Häufigkeit der Publikationen nach Fachzeitschriften Praxis, Didaktik und Qualität - Eine dolmetschwissenschaftliche Reise 11 Abbildung 3: Artikel nach Fachzeitschriften (in absoluten Zahlen) In Tabelle 3 und Abbildung 3 wird deutlich, dass die Artikel in den unterschiedlichsten Fachzeitschriften erschienen sind und dass bis auf eine Ausnahme - die Zeitschrift trans-kom - Printmedien das vorherrschende Publikationsmedium darstellen. Sylvia Kalina hat in allen renommierten translations- und dolmetschwissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert, darunter Meta, Target, Interpreting oder auch The Interpreters’ Newsletter. Ihre Fachartikel im MDÜ können außerdem als Beleg dafür angesehen werden, dass sich Sylvia Kalina in ihrem wissenschaftlichen Schaffen immer auch für einen Austausch zwischen der akademischen Welt, der Dolmetschlehre sowie der Berufspraxis des Dolmetschens eingesetzt hat. Die damit verbundene Überwindung von Berührungsängsten zwischen dem dolmetschwissenschaftlichen und dem berufspraktischen Bereich und die daraus resultierende gegenseitige Verbesserung beider Bereiche ist ihr dabei ein Anliegen. 4.4 Publikationen in Kooperation mit anderen Autoren bzw. Herausgebern Die Untersuchung des Korpus ergibt, dass zehn der insgesamt 58 Beiträge Sylvia Kalinas in Kooperation mit anderen Personen entstanden sind. Hierunter fallen zum einen Artikel in Fachzeitschriften und Sammelbänden, zum anderen aber auch Herausgeberschaften von Sammelbänden (siehe Tabelle 4). Barbara Ahrens 12 Name(n) Anzahl der Kooperationen Art der Kooperation Ahrens, Barbara 1 Ko-Autorin Fachartikel Albl-Mikasa, Michaela Braun, Sabine 1 Mitherausgeberinnen Sammelband Baur, Wolfram Mayer, Felix Witzel, Jutta 1 Mitherausgeber Sammelband Best, Joanna 1 Mitherausgeberin Sammelband Buhl, Silke Gerzymisch-Arbogast, Heidrun 1 Mitherausgeberinnen Sammelband Ebner, Wolfgang 1 Ko-Autor Fachartikel General, Claudia Kurz, Ingrid 1 Ko-Autorinnen Fachartikel Ippensen, Anna 1 Ko-Autorin Fachartikel Kohn, Kurt 2 Ko-Autor Fachartikel Tabelle 4: Anzahl der Kooperationen mit anderen Autoren bzw. Herausgebern Aus Tabelle 4 geht hervor, dass Sylvia Kalina mit 14 verschiedenen Personen im Rahmen von Publikationen kooperiert hat, wobei sie zwei gemeinsame Artikel mit Kurt Kohn - ihrem Doktorvater - verfasst hat. In allen anderen Fällen beschränkt sich die Kooperation (bisher) auf einen Beitrag in Form eines Fachartikels oder einer Mitherausgeberschaft. Die Namensliste zeigt eine repräsentative Streuung der Kooperationen unter Wissenschaftlern, Praktikern und Lehrenden. Von diesen 14 verschiedenen Personen sind sechs auch mit einem eigenen bzw. gemeinsamen Beitrag in dem vorliegenden Band vertreten. 4.5 Themen der Publikationen An dem Korpus kann auch gezeigt werden, welche Themen in Sylvia Kalinas dolmetschwissenschaftlichen Arbeiten zentral sind. Ihr Interesse für dolmetschdidaktische Fragestellungen (siehe Abschnitt 2 des vorliegenden Beitrags) kombiniert sie zum Teil mit konkreten Einzelthemen, sodass eine einfache 1: 1-Zuordnung ihrer Publikationen einerseits nur sehr schwer möglich ist, andererseits ihrer vielfältigen Arbeit auch nicht gerecht wird. In einem ersten Analyseschritt wurde daher für jede der 58 Publikationen auf der Grundlage von Titelstichwörtern sowie der Lektüre und Kenntnis der einzelnen Beiträge zunächst eine Zuordnung zu jeweils einem großen Hauptthema vorgenommen (siehe Tabelle 5). Praxis, Didaktik und Qualität - Eine dolmetschwissenschaftliche Reise 13 Hauptthema Anzahl (absolut) Relative Häufigkeit (%) Ausbildung von Dolmetschern 21 36,2 Dolmetschqualität 13 22,4 Dolmetschpraxis 9 15,5 Dolmetschwissenschaft allgemein 4 6,9 Forschungmethodik 2 3,4 Interkulturalität 2 3,4 Kognition 2 3,4 Neue Technologien 2 3,4 Community Interpreting 1 1,7 Translationswissenschaft 1 1,7 Dolmetscher als literarische Figur 1 1,7 Summe 58 100 % Tabelle 5: Anzahl und relative Häufigkeit der Hauptthemen der Publikationen 43 Publikationen fallen in die ersten drei Themenbereiche - Ausbildung von Dolmetschern, Dolmetschqualität und Dolmetschpraxis - und machen somit 74,1 % aller Publikationen aus. An diesem Wert wird deutlich, dass es sich hierbei um die zentralen Themen in Sylvia Kalinas Arbeiten handelt. Die in Tabelle 5 an letzter Stelle genannte Kategorie „Dolmetscher als literarische Figur“ enthält die Rezension des Romans Water Music von T.C. Boyle in einem Sammelband über Dolmetscher und Übersetzer als literarische Figuren (vgl. Kalina 2008). Da es sich im Gegensatz zu anderen von ihr verfassten Rezensionen nicht um die Beschreibung eines dolmetschbzw. translationswissenschaftliches Fachbuchs handelt, wurde hier keine fachlichthematische Zuordnung vorgenommen. Im Zuge der Zuordnung zu den in Tabelle 5 genannten Hauptthemen konnten im Falle von 21 Publikationen durch weitere Titelstichworte der jeweiligen Beiträge darüber hinaus Unterthemen identifiziert werden, die in diesen Publikationen einen besonderen Schwerpunkt bilden (siehe Tabelle 6). Es ergaben sich dabei auch Schnittmengen mit den in Tabelle 5 genannten Hauptthemen. Barbara Ahrens 14 Hauptthema Schwerpunkt/ Unterthema Anzahl Dolmetschwissenschaft 4 Dolmetschstrategien 4 Community Interpreting 1 Fortbildung von Dolmetschern 1 Stegreifübersetzen 1 Konsekutivdolmetschen 1 Ausbildung Neue Technologien 1 Dolmetschqualität Evaluierung von Leistungen und Texten 2 Ausbildung 2 Neue Technologien 2 Dolmetschpraxis Dolmetschwissenschaft 1 Dolmetschwissenschaft Interkulturalität 1 Tabelle 6: Unterthemen nach Titelstichwörtern Die in Tabelle 6 dargestellte Zuordnung zu weiteren Unterthemen und die sich daraus ergebenden Schnittmengen und Berührungspunkte mit den in Tabelle 5 genannten Hauptthemenbereichen zeigen, dass Sylvia Kalinas Publikationen häufig mehrere dieser (Haupt-)Themen umfassen. Der daraus ableitbare thematische Zusammenhang ihrer Publikationen ist ein Indikator für Sylvia Kalinas vielfältige Forschungsinteressen, unter denen die Bereiche Dolmetscherausbildung, Dolmetschqualität und Dolmetschpraxis einen zentralen Platz einnehmen. Abbildung 4 versucht abschließend, die Hauptthemen, thematischen Schnittmengen und Berührungspunkte noch einmal grafisch zu veranschaulichen. Dabei wurden die in Tabelle 5 genannten absoluten Zahlen jedem Themenbereich jeweils in Klammern zugeordnet. Die in Tabelle 6 genannten Zahlen für thematische Schnittmengen und Schwerpunkte sind direkt in die überlappenden Sektoren eingetragen worden. Praxis, Didaktik und Qualität - Eine dolmetschwissenschaftliche Reise 15 Abbildung 4: Themen der Publikationen 5 Schlussbemerkung In dem vorliegenden Beitrag ging es darum, die dolmetschwissenschaftliche Publikationstätigkeit Sylvia Kalinas quantitativ und thematisch auszuwerten. In der quantitativen Analyse wurde deutlich, dass ihre Publikationstätigkeit seit den Anfängen ihrer Bemühungen um eine Integration von Theorie und Praxis des Dolmetschens kontinuierlich angestiegen ist und in den letzten 10 Jahren ein konstantes Niveau erreicht hat. Die bereits verfassten, jedoch am Ende des Erhebungszeitraums noch nicht publizierten Beiträge können als ein Zeichen dafür angesehen werden, dass die Publikationstätigkeit auch in den kommenden Jahren weitergeführt werden wird. Es ist ebenfalls zu erwarten, dass die regelmäßige Kooperation mit anderen Wissenschaftlern, die im Korpus belegt werden konnte, weiterhin fortgesetzt wird. Dies lässt sich z.B. aus gemeinsamen Abstracts für Vorträge auf einschlägigen Fachkonferenzen ableiten (vgl. z.B. BDÜ 2011). Thematisch zeichneten sich drei Bereiche ab, die als zentrale Themen in Sylvia Kalinas dolmetschwissenschaftlichem Wirken angesehen werden können: Dolmetscherausbildung, Dolmetschqualität und Dolmetschpraxis. Unter diese Hauptthemen fallen weitere Schlag- und Stichwörter, die mit Sylvias Kalinas Arbeit assoziiert werden, so z.B. Dolmetschstrategien, Didaktik des Dolmetschens, neue Technologien im Dolmetschen etc. Dass diese Themen keine isolierten Bereiche sind, sondern miteinander in Beziehung stehen, ineinandergreifen und teilweise auf einander aufbauen, konnte Barbara Ahrens 16 im Rahmen der Analyse gezeigt werden (siehe v.a. Abbildung 4 des vorliegenden Beitrags). Die Entwicklung der Themen kann auch mit den Wirkungsstätten Sylvia Kalinas in Beziehung gesetzt werden: Nach einer Phase des ausschließlichen Arbeitens als Konferenzdolmetscherin - Dolmetschpraxis - widmete sie sich neben der praktischen Tätigkeit auch der Lehre und wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Dolmetschen - Dolmetscherausbildung -, zunächst in Heidelberg und dann nach ihrer Berufung als Professorin in Köln. Dort stellte sie das dritte ihrer Hauptthemen - Dolmetschqualität - verstärkt in den Fokus ihrer Aktivitäten, um Verbesserungen in der Dolmetschpraxis und Dolmetscherausbildung zu bewirken. Ihre Publikationen legen beredtes Zeugnis davon ab, auf welch eindrucksvolle Weie ihr das gelungen ist. Abschließend möchte ich meiner Wertschätzung für Sylvia Kalina Ausdruck verleihen, die meinen Weg in die Dolmetschwissenschaft und Dolmetschlehre von Anfang an begleitet hat - zunächst als Dozentin während meines eigenen Studiums an der Universität Heidelberg, dann als Kollegin während meiner Zeit als Lehrbeauftragte an der Universität Heidelberg und durch den regelmäßigen Austausch während meiner Tätigkeit als Juniorprofessorin am Fachbereich Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim. Seit einigen Jahren arbeiten wir nun an der FH Köln direkt und sehr eng zusammen. Die kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihr ist - sowohl fachlich als auch persönlich - in höchstem Maße bereichernd und das nicht nur für mein eigenes (dolmetsch-)wissenschaftliches Arbeiten, sondern auch für die Lehre und das Fach (Konferenz-)Dolmetschen im Allgemeinen. Literaturverzeichnis Ahrens, Barbara (im Druck). Prosodie als Gegenstand dolmetschwissenschaftlicher Forschung: Eine szientometrische Momentaufnahme. Erscheint 2012 in Melanie Arnold/ Sylvia Hansen-Schirra/ Michael Pörner (Hg.), Streifzüge durch die Welt der Sprachen und Kulturen. Festschrift für Dieter Huber zum 65. Geburtstag. Frankfurt/ M.: Lang. Best, Joanna/ Kalina, Sylvia (Hg.) (2002). Übersetzen und Dolmetschen. Eine Orientierungshilfe. Tübingen: Francke. Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) e.V. (2011). Übersetzen in die Zukunft. 2. internationale Fachkonferenz, Stellenbörse und Fachmesse. Berlin, 28.- 30.9.2012. http: / / www.uebersetzen-in-die-zukunft.de/ (Stand: 06.02.2012). 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Barbara Ahrens: Diplom-Dolmetscherin, 1988-1995 Studium an der Universität Heidelberg, seit 1996 freiberuflich als Konferenzdolmetscherin tätig, 1996-2002 Lehrbeauftragte für „Notizentechnik für Dolmetscher“ an der Universität Heidelberg, zahlreiche Gastdozenturen, Vorträge und Fortbildungen im In- und Ausland, 2002-2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich für Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft (FASK) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim, 2003 Promotion am FASK in Allgemeiner Translationswissenschaft mit Schwerpunkt Dolmetschwissenschaft, Titel der Dissertation: Prosodie beim Simultandolmetschen, 2003-2006 Juniorprofessorin für Translationswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung kognitiver Aspekte am FASK, seit Oktober 2006 Professorin für Theorie und Praxis des Dolmetschens Spanisch an der Fachhochschule Köln. Forschungsschwerpunkte und -interessen im Bereich Dolmetsch- und Kognitionswissenschaft: Dolmetschen und Stimme, Notizentechnik und kognitive Prozesse, Gedächtnis beim Dolmetschen. Franz Pöchhacker Qualität, die man versteht: ein funktionalkognitiver Ansatz 1 Einleitung In der Entwicklung der Dolmetschwissenschaft lassen sich einige länder- und sprachgebundene Traditionen mit ihren jeweiligen Arbeitsschwerpunkten ausmachen. Neben den PionierInnen der Pariser Schule um Seleskovitch wären hier vor allem der Ansatz von Tschernow in der damaligen Sowjetunion und die stark interdisziplinär geprägte Triester Schule zu nennen. Auch von der Leipziger Schule ist - freilich in einem weit über das Dolmetschen hinausgehenden Zusammenhang - die Rede, weniger jedoch von einer „Heidelberger Schule“. Und doch ist letztere in doppelter Weise von Belang, wenn im vorliegenden Beitrag zum Thema Qualität beim Dolmetschen auf die Arbeit von Sylvia Kalina Bezug genommen werden soll. Während eine „Heidelberger Schule“ meist nur im Zusammenhang mit der Notizentechnik von Heinz Matyssek Erwähnung findet, kann das „Institut für Übersetzen und Dolmetschen“ an der Universität Heidelberg, wo Sylvia Kalina ihre Ausbildung absolvierte und später fast zwei Jahrzehnte in der Lehre und in der Forschung tätig war, auf eine lange, stark psycholinguistisch geprägte Theorietradition verweisen, die nicht zuletzt mit Hella Kirchhoff verbunden war. Kalinas Modell der Textrezeption und -produktion beim Dolmetschen (vgl. Kalina 1998), das den Schwerpunkt auf kognitive Ressourcen (Sprach-, Welt- und Situationswissen) legt, steht in dieser Tradition und führt sie weiter. Dies erfolgt primär durch die Nutzung neuerer text- und psycholinguistischer Ansätze, doch ist in der Arbeit von Sylvia Kalina auch die zweite, übergeordnete Dimension einer „Heidelberger Schule“ präsent, die mit der funktionalen Translationstheorie von Hans Vermeer verknüpft ist (vgl. Reiß/ Vermeer 1984). Indem Dolmetschen - wie translatorische Tätigkeit überhaupt - als zielorientiertes, strategisches Handeln in einem komplexen situativen Bedingungsgefüge aufgefasst wird, geht die Analyse über eine rein linguistische hinaus und rückt das Zusammenspiel verschiedenster Interaktionsfaktoren in den Blickpunkt. Diesen Ansatz hat Sylvia Kalina mit ihren Untersuchungen zum Qualitätsbegriff (vgl. Kalina 2004) und zur Qualitätssicherung beim (Konferenz-)Dolmetschen (vgl. Kalina 2002, 2005, 2009) mit besonderer Gründlichkeit und Konsequenz verfolgt, und diesem Ansatz - und somit ihrer Arbeit - fühle auch ich mich aufs Engste verbunden, seit ich dem Thema Qualität beim Konferenzdol- Franz Pöchhacker 20 metschen mit einem Beschreibungsmodell auf Basis der allgemeinen, funktionalen Translationstheorie näher zu kommen versuchte (vgl. Pöchhacker 1994). Vor diesem Hintergrund möchte ich hier einen neuen, „funktionalkognitiven“ Ansatz in der Forschung zur Qualität beim Konferenzdolmetschen vorstellen, der um die Messung der mit dem Zieltext (ZT) realisierten kommunikativen Wirkungsäquivalenz bemüht ist. In diese Richtung weist auch Kalina, wenn sie ein Hinausgehen über die bloße skopostheoretische Zielorientierung fordert, die dem Vergleich mit dem Ausgangstext (AT) zu wenig Bedeutung beimesse: Dieser Vergleich wäre jedoch eine wichtige Größe für die Bestimmung des Erfolgs der Wirkung des ZT, da die intendierte Wirkung des Originals auf die AT- Rezipienten für die mit der ZT-Produktion intendierte Wirkung eine Rolle spielt. (Kalina 2009: 170) 2 Perspektiven der Qualitätsforschung Es herrscht in der Dolmetschwissenschaft weithin Konsens darüber, dass das Thema Qualität einer multiperspektivischen Betrachtungsweise bedarf. Dies wird im Weiteren kurz zu skizzieren sein, um den Ausgangspunkt für den zu beschreibenden Neuansatz deutlich zu machen. 2.1 Qualität durch Professionalität Konferenzdolmetschen als Beruf begann seine Entwicklung bekanntlich im Laufe der 1920er Jahre und erreichte mit der Gründung des Internationalen Konferenzdolmetscherverbandes AIIC im Jahre 1953 den wohl bedeutendsten Meilenstein, dem viele weitere Professionalisierungsschritte folgten. Und eben die Frage des professionellen Status dieser Tätigkeit - und der sie Ausübenden - stand jahrzehntelang im Mittelpunkt, ohne dass, mit wenigen Ausnahmen, die Qualität der Dolmetschleistung an sich thematisiert wurde. Die schon in der Studie von Sanz (1930) erhobenen Eignungskriterien und Kompetenzvoraussetzungen, der Abschluss einer (postgradualen) universitären Ausbildung zum Erwerb der nötigen Dolmetschtechnik und die Einhaltung der festgelegten Standesregeln betreffend Arbeitsweise und Verhalten machten - grob gesprochen - einen guten, professionellen Dolmetscher aus, dessen Leistung dann auch die erforderliche Qualität aufwies. So gesehen waren also nur die Qualitäten und Qualifikationen der Person zu eruieren, die eine Dolmetschleistung erbringen sollte. Ein besonderer Stellenwert in diesem Ansatz zur Sicherung der Qualität durch Professionalität kam der Mitgliedschaft im bereits erwähnten Berufsverband AIIC zu, dessen Aufnahmeverfahren auch die kollegiale Beurteilung der Leistungsqualität miteinschloss. Die so genannten Bürgen, die auf- Qualität, die man versteht: ein funktional-kognitiver Ansatz 21 grund ihrer vergleichbaren Qualifikation im Sinne eines peer assessment die Aufnahme eines neuen Mitglieds befürworten sollten, mussten in situ beurteilen, ob dessen Dolmetschleistungen die Anforderungen an professionelle Qualität erfüllten. Die Vorzüge dieses Verfahrens, das im Übrigen in der AIIC wie auch in zahlreichen nationalen Dolmetscherverbänden nach wie vor praktiziert wird, stehen außer Frage; welche Kriterien aber dem Modus der fachlichen Beurteilung zugrunde lagen, blieb im Dunklen, bis Hildegund Bühler (1986) mit ihrer Pionierarbeit unter vier Dutzend AIIC- Mitgliedern die Frage nach der relativen Wichtigkeit einzelner Qualitätsparameter zum ersten Mal explizit und systematisch stellte. 2.2 Kriteriengestützte Beurteilung Das Thema der Qualitätskriterien für die Beurteilung von Dolmetschleistungen (und DolmetscherInnen) ist seit der Studie von Bühler (1986) in mehrfacher Weise zu einem Kernthema in der Forschung zur Qualität beim Dolmetschen geworden. Zum einen gab Bühlers Annahme, dass die Qualitätsanforderungen aus Dolmetschersicht auch die Erwartungen und Bedürfnisse der RezipientInnen widerspiegeln würden, den Anstoß für eine Reihe von Befragungsstudien unter NutzerInnen von Dolmetschleistungen (vgl. z.B. Kurz 2002; Moser 1996), und zum anderen wurde das von Bühler (1986) erhobene Präferenzmuster auch Gegenstand weiterer Untersuchungen zur Perspektive der DolmetscherInnen. Unter letzteren ist neben dem Beitrag von Chiaro/ Nocella (2004) vor allem die groß angelegte Replikation von Zwischenberger (2011) im Rahmen des Wiener „QuaSI“-Projektes (siehe Abschnitt 3 des vorliegenden Beitrags) zu erwähnen, in der Bühlers Befunde weitgehend bestätigt wurden, zugleich aber die kontextabhängige Variabilität der form- und darbietungsbezogenen Leistungsparameter herausgearbeitet werden konnte. Die Arbeiten von Bühler (1986), Kurz (2002) und anderen bildeten auch den Ausgangspunkt für eine entscheidende thematische und methodische Weiterentwicklung der Forschung über Qualitätskriterien, die den Schwerpunkt von den Kriterien, die einer Beurteilung zugrunde gelegt würden, auf die kriteriengestützte Beurteilung selbst verlagerten. Das Forscherteam um Ángela Collados Aís an der Universität Granada stellte dem unter fachlich spezialisierten NutzerInnen erhobenen Erwartungsprofil, in dem prosodischen Merkmalen ein vergleichsweise geringer Stellenwert beigemessen wurde, die Urteile jener Befragten über eine auf diese Parameter hin manipulierte Simultandolmetschleistung gegenüber. Die Versuchsergebnisse wiesen darauf hin, dass vermeintlich unwichtige Qualitätsaspekte wie Intonation und Flüssigkeit bei der konkreten Beurteilung einer diesbezüglich auffälligen Dolmetschleistung merklich auf die Einschätzung der professionellen Gesamtleistung durchschlagen (vgl. Collados Aís et al. 2011). Franz Pöchhacker 22 Die Verlagerung des Forschungsinteresses von hypothetischen Erwartungsmustern auf die Beurteilung von Dolmetschleistungen würde eigentlich eine enge Verbindung zwischen den Studien zur Qualität professioneller Dolmetschleistungen und der Leistungsbeurteilung im Rahmen und am Ende der Dolmetscherausbildung nahelegen, wo etwa bei Abschlussprüfungen anzunehmen wäre, dass eine kriteriengestützte Beurteilung erfolgt. Wie auch Kalina feststellt, wird „die Beurteilung von Dolmetschleistungen in der Regel auch heute noch auf der Basis intuitiver, gefühlsmäßiger Eindrücke vorgenommen“ (Kalina 2004: 3), ohne Klarheit über die zugrunde liegenden Kriterien zu schaffen. Als Ausnahmeerscheinung in diesem Bereich ist die Studie von Soler Caamaño (2006) zu erwähnen, die im Rahmen eines Lehrgangs für medizinisches Fachkonferenzdolmetschen eine qualitative Analyse der Kommentare der PrüferInnen durchführte, um deren jeweilige Beurteilungskriterien und Bewertungsaspekte zu ermitteln. Ein Vergleich der verbalen Beurteilungen mit den tatsächlichen Dolmetschleistungen und deren Konformität mit Schlüsselkriterien wie „Sinnkonstanz“, „Genauigkeit“ oder „Vollständigkeit“ wurde allerdings nicht angestellt. 2.3 Interlinguale Übereinstimmung Tatsächlich stößt man in der Dolmetschwissenschaft - trotz zahlreicher Analysekonzepte und Anwendungsbeispiele (vgl. Kalina 2004: 2ff.) - auf Zurückhaltung, wenn es darum geht, die Qualität von Dolmetschleistungen auf Basis des (ziel-)sprachlichen Produkts zu beurteilen, obwohl - oder gerade weil - dieser Weg schon früh im Rahmen experimenteller Untersuchungen eingeschlagen wurde. Exemplarisch dafür ist der Versuch von Henri Barik (1975), die unterschiedliche Qualität der experimentell generierten Dolmetschleistungen in seiner Studie durch das Kodieren von Auslassungen, Hinzufügungen und Ersetzungen (Übersetzungsfehlern) zu erfassen: „omissions and errors are interpreted as rough indices of quality of performance“ (Barik 1975/ 2002: 89). Allerdings äußert Barik selbst bereits Zweifel an der Gültigkeit seines auf ausgangs- und zielsprachliche Übereinstimmung gestützten Bewertungsansatzes, wenn er einräumt: The coding scheme does not directly reflect on the overall intelligibility of the translation, nor on such other vital aspects of delivery as intonation, cadence, etc. (Barik 1975/ 2002: 90). Barik spricht hier neben den bereits erwähnten prosodischen Redemerkmalen einen zentralen Aspekt an, der im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags stehen soll und der dabei sogar mit den prosodischen Parametern zu verknüpfen sein wird. Die „Verständlichkeit“ der Dolmetschleistung ist als solche in der Liste der Bühler’schen Qualitätskriterien nicht enthalten, wenngleich das (stets hoch bewertete) Kriterium des logischen Zusammen- Qualität, die man versteht: ein funktional-kognitiver Ansatz 23 hangs damit in Verbindung gebracht werden kann. Und doch wurde das Kriterium des Verstehens durch die NutzerInnen der Dolmetschleistung schon früh als entscheidender Maßstab für Qualität beim Dolmetschen postuliert. 2.4 Kommunikative Wirkungsäquivalenz Nach Jean Herbert obliegt es dem Dolmetscher, to enable his audience to know accurately what the speaker intended to convey, and to make on the audience the impression which the speaker wishes to be made (Herbert 1952: 25). Die DolmetscherIn hat also einerseits das Verstehen zu ermöglichen, andererseits auch die von der RednerIn gewünschte Wirkung auf die ZuhörerInnen zu erzielen. Die erstgenannte, zentrale Anforderung wird von Seleskovitch noch einen Schritt weiter geführt, wenn sie - unter der Annahme, dass beim Konferenzdolmetschen meist auch eine ausgangssprachliche Zuhörerschaft vorhanden ist - Übereinstimmung zwischen Ausgangsrede und Verdolmetschung auf der kognitiven Ebene des Verstehens fordert. Demnach liegt die Aufgabe des Dolmetschers bezüglich der zu übermittelnden Botschaft darin, „to have his listeners understand it as well as it was understood by those who heard it directly from the speaker himself” (Seleskovitch 1978: 102). Dieses Prinzip der Wirkungsäquivalenz, bezogen auf die kognitive Dimension der kommunikativen Wirkung, steht auch im Mittelpunkt des vielzitierten Qualitätsanspruchs, den Karla Déjean Le Féal als Mitglied der Pariser Schule wie auch der AIIC formulierte: What our listeners receive through their earphones should produce the same effect on them as the original speech does on the speaker’s audience. It should have the same cognitive content and be presented with equal clarity and precision in the same type of language. (Déjean Le Féal 1990: 155) Für die Forschung zur Qualität beim (Konferenz-)Dolmetschen müsste das heißen, dass nicht (nur) Erwartungshaltungen oder Nutzerurteile erhoben werden oder der Grad der interlingualen Übereinstimmung zwischen der Ausgangsrede und der Verdolmetschung festgestellt wird, sondern letztlich auf empirischem Weg ermittelt wird, inwiefern die Dolmetschleistung den ZuhörerInnen tatsächlich ein äquivalentes Verstehen der Rede in der Zielsprache ermöglicht. Diese Zielsetzung wurde für den Bereich des Konferenzdolmetschens bereits 1994 auf der Konferenz von Turku formuliert (vgl. Shlesinger 1997: 130); ihre Realisierung im größeren Rahmen wurde aber erst vor einigen Jahren im Zuge eines vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierten und von mir geleiteten Projektes in Angriff genommen. Franz Pöchhacker 24 3 „QuaSI“-Experimente Das FWF-Projekt mit dem Titel „Qualität beim Simultandolmetschen“ (Qua- SI), das nach zweieinhalbjähriger Laufzeit im September 2010 zum Abschluss kam, umfasste vier Teilprojekte mit zwei unterschiedlichen methodischen Ausrichtungen. In der bereits erwähnten, von Cornelia Zwischenberger durchgeführten Befragungsstudie wurde die Pionierarbeit von Hildegund Bühler (1986) aufgegriffen und in Verbindung mit Claudia Angelellis (2004) Umfrage zur Dolmetscherrolle auf möglichst breiter Basis und auf dem neuesten theoretischen und methodischen Stand untersucht (vgl. Zwischenberger 2011). Mit den drei übrigen Teilprojekten wurde dagegen über die fragebogengestützte Erhebung normativer Erwartungen hinaus der Schritt zur Messung der kommunikativen Wirkungsäquivalenz von Dolmetschleistungen gewagt. Das dafür entwickelte experimentelle Forschungsdesign, das in den Arbeiten von Sylvi Rennert (2010), Elisabeth Holub (2010) und Karin Reithofer (2010, 2011) umgesetzt wurde, wird in den folgenden Abschnitten näher beschrieben. 3.1 Funktional-kognitiver Ansatz Als theoretischer Rahmen für die Untersuchung der kommunikativen und, genauer gesagt, kognitiven Wirkung von Simultandolmetschleistungen diente uns das Konzept des translatorischen Handelns, wonach Dolmetschen (und Translation generell) als zielgerichtete professionelle Dienstleistung vor allem die gewünschte kommunikative Funktion in der zielkulturellen Situation erfüllen soll. Wenngleich die Auftragsspezifikation für einen Dolmetscheinsatz im Einzelfall auch anders gelagert sein kann, ist für das Fachkonferenzdolmetschen typischerweise davon auszugehen, dass der Skopos - als Auftragsbewusstsein der Leistungserbringer (vgl. Pöchhacker 1994) - ebenso wie die Erwartung der Zuhörerschaft übereinstimmend in der Sinnkonstanz zwischen Originalrede und Verdolmetschung besteht. Diese Annahme stützt sich neben der Forderung nach „same cognitive content“ bei Déjean Le Féal (1990) vor allem auf die Befunde aus verschiedenen Befragungsstudien unter DolmetscherInnen und NutzerInnen (vgl. z.B. Kurz 1993), die jeweils das Kriterium „sense consistency with original message“ als obersten Anspruch ausweisen. Die Relevanz des funktionalen Ansatzes liegt dabei in dem Bewusstsein, dass Sinnvermittlung bzw. Verstehen über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg nicht auf die Ebene linguistischer Äquivalenzbeziehungen beschränkt sein kann, sondern sich am kognitiven Horizont der RezipientInnen orientieren muss. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei im fachlichen Kontext das Vorverständnis der Zuhörerschaft, das im Zusammenwirken mit der aus der Rede aufgenommenen Information den Verstehenserfolg be- Qualität, die man versteht: ein funktional-kognitiver Ansatz 25 dingt. Im Unterschied zur Skopostheorie, wonach das „Glücken“ von Kommunikation bzw. Translation (im Sinne eines „glaube-verstanden-zuhaben“) am Ausbleiben von „Protest“ seitens der RezipientInnen zu messen wäre (vgl. Vermeer 1978: 101), soll die kognitive Dimension in unserem experimentellen Forschungsansatz in weitaus differenzierterer und präziserer Weise erfasst werden, wofür eine kognitionspsychologisch fundierte Methodik zur Verstehensmessung Anwendung findet. 3.2 Verstehen messen Wie in vielen Belangen hat die Dolmetschforschung auch bei der Messung des Verstehens als abhängiger Variable im Prozess der dolmetschervermittelten Kommunikation dem Psychologen David Gerver Pionierarbeit zu verdanken. In seinem experimentellen Vergleich der Effektivität von Konsekutiv- und Simultanverdolmetschungen unter schwierigen (d.h. geräuschvollen) Hörbedingungen ließ Gerver (1972) seine Versuchspersonen (je 15 Studierende pro Gruppe) schriftliche Inhaltsfragen zum Gehörten beantworten, wobei er keine signifikanten Unterschiede je nach Dolmetschmodus fand. Einen ähnlichen Ansatz wählte Jahre später Miriam Shlesinger (1994), um die Verständlichkeit von Dolmetschleistungen mit prosodischen Anomalien mit der eines Vortrags auf Basis der transkribierten Verdolmetschungen zu vergleichen. Wenngleich die Zahl ihrer VersuchsteilnehmerInnen mit insgesamt 15 sehr beschränkt war, konnte sie anhand von je drei Inhaltsfragen für jede der drei benutzten Redepassagen deutliche Verstehensdefizite bei den gedolmetschten Versionen feststellen. Dieser Befund diente auch als Ausgangspunkt für das Untersuchungsdesign zweier unserer Teilprojekte, in denen die kommunikative Wirkung in Abhängigkeit von prosodischen Merkmalen der Dolmetschleistung untersucht wurde. Bevor nun die Methodik unserer Versuchsreihe näher beschrieben wird, sollten an dieser Stelle noch die wertvollen Vorarbeiten gewürdigt werden, die zum Thema der kognitiven Wirkung seit den siebziger Jahren im Bereich des Gebärdensprachdolmetschens geleistet wurden. Wie vor allem aus den Studien von Marschark et al. (2004) hervorgeht, unterliegen die Versuchsanordnungen zur vergleichenden Messung des Verstehenserfolgs einer Vielzahl von Einflussgrößen, die nur mit äußerster Mühe zu kontrollieren sind. Dass diese Forschungslinie dennoch praktikabel ist, zeigt nicht zuletzt die Studie von Napier/ Spencer (2008) zur Verständlichkeit richterlicher Belehrungen, die für gehörlose Geschworene mittels Verdolmetschung in die Gebärdensprache nicht schlechter war als für eine vergleichbare Kontrollgruppe hörender VersuchsteilnehmerInnen. Franz Pöchhacker 26 3.3 Methodik Die wohl schwierigste Herausforderung für das Konzept eines Publikumsexperiments zum Simultandolmetschen liegt in der größtmöglichen Annäherung an die Bedingungen einer dolmetschervermittelten Kommunikationsveranstaltung bei weitgehender Kontrolle der material- und teilnehmerbezogenen Variablen. Da letztere eine Durchführung als Feldversuch undenkbar machen, besteht das Ziel in einer möglichst realitätsnahen Simulation, sowohl bezüglich des Redematerials und der situativen Umstände als auch der TeilnehmerInnen. Die Einbettung in einen spezifischen fachlichen Kontext liegt für eine Studie zum simultanen Konferenzdolmetschen auf der Hand und erfordert zugleich ProbandInnen mit einem klar definierten Vorwissen über den Gegenstand der Kommunikation und auch der nötigen kommunikativen Motivation. Da jedes der drei Teilprojekte auf einem Vergleich zweier Redeversionen beruhte, mussten jeweils zwei randomisierte und im Hinblick auf kognitive Leistungsfähigkeit parallelisierte Gruppen zusammengestellt werden, was durch eine Kooperation mit insgesamt vier Wiener Hochschuleinrichtungen mit Studiengängen im Bereich Unternehmensführung möglich war. Insgesamt 240 Studierende ab dem dritten Semester, für die in mehreren Versuchsreihen Studienerfolgsdaten (Notendurchschnitt) verfügbar gemacht wurden, konnten für unsere Versuchsreihe gewonnen werden und bekamen in eigens mit Dolmetschkabinen ausgestatteten Sälen jeweils einen fünfzehnminütigen Fachvortrag in englischer Sprache zum Thema Marketing auf Videoleinwand eingespielt, dessen Verdolmetschung sie über Infrarotempfänger hörten. Durch die Anwesenheit von vermeintlich Dolmetschenden in den Kabinen waren die ZuhörerInnen in dem Glauben, eine live produzierte Verdolmetschung zu bekommen. Tatsächlich wurde ihnen freilich gründlich ausgetestetes Versuchsmaterial von der Technikerkonsole in die Kopfhörer gespielt, wobei jeder Versuchsperson im Rahmen der Randomisierung in die Versuchsbzw. Kontrollgruppe der betreffende (am Gerät eingestellte) Empfangskanal zugewiesen wurde. Im Anschluss an den Vortrag wurden die TeilnehmerInnen gebeten, schriftliche Verständnisfragen zum Gehörten sowie einige Einschätzungs- und Hintergrundfragen zu beantworten. Der dafür verwendete Fragebogen stellte eine weitere zentrale methodische Herausforderung dar, die nur in einem langwierigen Entwicklungs- und Validierungsprozess, insbesondere mittels kognitiver Interviews, bewältigt werden konnte (vgl. Reithofer 2011). Die Messung der kommunikativen Wirkung erfolgte schließlich anhand von elf Fragen mit verschiedenen Antwortformaten (Auswahlfragen mit Einfachbzw. Mehrfachantworten sowie halboffene Fragen). Qualität, die man versteht: ein funktional-kognitiver Ansatz 27 3.4 Ergebnisse Wie bereits erwähnt, entsprachen zwei der experimentellen Teilprojekte dem Forschungsansatz von Shlesinger (1994) zur verstehensmindernden Wirkung prosodischer Anomalien in einer Simultanverdolmetschung. Die entscheidende methodische Neuerung bestand in der gezielten Manipulation einer für den Versuch produzierten professionellen Dolmetschleistung mit dem Audiobearbeitungsprogramm PRAAT, sodass nur der Parameter Flüssigkeit der Darbietung bzw. der Parameter Intonation verändert wurde und die im jeweiligen Versuch verwendeten Versionspaare im Übrigen völlig identisch waren. Die Hypothese, dass eine weniger flüssige, aber immer noch als professionell einzustufende Dolmetschleistung eines Fachvortrages vom einschlägig vorgebildeten Publikum schlechter verstanden wird als ihr Pendant mit flüssiger Darbietung, konnte anhand der Testergebnisse nicht bestätigt werden, doch zeigte sich unter anderem eine Korrelation zwischen dem subjektiv wahrgenommenen Grad der Darbietungsflüssigkeit und der Selbsteinschätzung des Verstehenserfolgs. Mit anderen Worten, mangelnde Flüssigkeit in der Darbietung wird - auch ohne Vergleichsmöglichkeit - als solche erkannt und erzeugt den Eindruck, die Rede schlecht verstanden zu haben. Dass eine ähnliche Korrelation auch mit der Einschätzung der Genauigkeit der Wiedergabe gefunden wurde, macht den Parameter Flüssigkeit für die Qualitätsbeurteilung relevant, auch wenn die zögerliche Redeweise dem Verstehen durch die ZuhörerInnen nicht abträglich zu sein scheint (vgl. Rennert 2010). Anders der Parameter Intonation, für den eine analoge Versuchsanordnung (lebendig vs. monoton) bei 49 auswertbaren Testbögen einen deutlichen Unterschied im Verstehensgrad der ZuhörerInnen ergab. Wenngleich die Differenz von 9,8 zu 8,1 (von 19 möglichen) Punkten im t-Test mit einem p-Wert von 0,098 für die relativ kleinen Gruppen keine statistische Signifikanz erreichte, zeigen die Ergebnisse doch einen deutlichen Trend, wonach sich monotone Intonation negativ auf die Verständlichkeit der Verdolmetschung auswirkt (vgl. Holub 2010). Ein Anspruch auf kommunikative Wirkungsäquivalenz, gemessen am Verstehenserfolg der ZuhörerInnen, kann somit beim Simultandolmetschen nur bei möglichst natürlicher, lebendiger Intonation gestellt werden, die jedoch prozessbedingt nicht immer zu erzielen ist (vgl. Ahrens 2004). Die Kernfrage, ob nun tatsächlich kommunikative Wirkungsäquivalenz zwischen Originalrede und Verdolmetschung vorliegt, wurde in einem dritten Teilprojekt untersucht, das auch die für die heutige Konferenzpraxis typische Verwendung des Englischen als Lingua franca ins Versuchsdesign integrierte (vgl. Reithofer 2010). Für die 58 VersuchsteilnehmerInnen, die auch betriebswirtschaftliche Lehrveranstaltungen in englischer Sprache in ihrem internationalisierten Lehrangebot hatten, wurde angenommen, dass Franz Pöchhacker 28 sie auch einem englischen Fachvortrag gut folgen konnten. Sie wurden nach dem Notendurchschnitt und auch der Note im Fach Englisch parallelisiert und in zwei Gruppen randomisiert, die entweder die englische Originalrede (eines italienischen Professors der Mailänder Bocconi-Universität) oder deren Simultanverdolmetschung ins Deutsche hörten. Für die Gruppe, die den Vortrag im (nichtmuttersprachlichen) englischen Original hörte (und eine englische Version des Fragebogens ausfüllte), ergab sich mit 8,07 (von 19) Punkten ein deutlich schlechteres Ergebnis als für die RezipientInnen der Simultanverdolmetschung, die 11,98 Punkte erreichten. Diese hoch signifikante Differenz (t=-4.066, df=56, p=0.000), die sich auch in einem weiteren Versuchsdurchlauf bestätigte (vgl. Reithofer 2011), zeigt, dass eine professionelle Simultanverdolmetschung für fachlich vorgebildete ZuhörerInnen besser zu verstehen sein kann als ein Fachvortrag, in dem Englisch als Lingua franca verwendet wird. Der Anspruch auf kommunikative Wirkungsäquivalenz durch Simultandolmetschen scheint damit weiterhin plausibel, wenngleich seine Erfüllung erst noch in weiteren Studien mit unterschiedlichen Versuchsparametern zu überprüfen wäre. 4 Schlussfolgerung In der Forschung zur Qualität beim simultanen Konferenzdolmetschen sind seit den 1980er Jahren bedeutende Entwicklungsschritte zu verzeichnen. Neben zahlreichen Versuchen der Qualitätsmessung auf Basis von interlingualen Vergleichen zwischen Original und Verdolmetschung und Befragungsstudien über die qualitätsbezogenen Erwartungen und Präferenzen aus Produzenten- und Rezipientensicht wurden experimentelle Ansätze entwickelt, die jedoch bislang auf die Beurteilung von Dolmetschleistungen beschränkt waren. Mit dem im Rahmen des QuaSI-Projektes implementierten funktional-kognitiven Ansatz wird durch die Messung des Verstehens durch die ZuhörerInnen der Qualitätsmaßstab der kommunikativen (kognitiven) Wirkungsäquivalenz ins Zentrum gerückt. Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass dieser Forschungsansatz - bei aller methodischer Komplexität - geeignet ist, die Verständlichkeit von Dolmetschleistungen und somit deren grundlegendes Qualitätskriterium empirisch zu erfassen. Ob es um den Vergleich zwischen Original und Verdolmetschung geht oder aber den Einfluss einzelner Leistungsparameter auf das Verstehen durch die ZuhörerInnen, fest steht, dass die erzielbare Qualität, die in unseren Experimenten auf einem praxistypischen professionellen Niveau kalibriert wurde, stets von den jeweiligen Arbeitsbedingungen und Prozessvariablen abhängig ist, um deren systematische Erfassung und Erforschung sich Sylvia Kalina in besonderer Weise verdient gemacht hat. Mithilfe der experimentellen Forschung zur Messbarmachung von Qualität im Sinne der Qualität, die man versteht: ein funktional-kognitiver Ansatz 29 kognitiven Wirkung auf die RezipientInnen kann somit das Bemühen um Qualitätssicherung weiter vorangetrieben werden, indem nachgewiesen wird, welche Bedingungen und Faktoren sich wie stark darauf auswirken, ob das, was KonferenzdolmetscherInnen liefern, noch Qualität ist, die man versteht. Literaturverzeichnis Ahrens, Barbara (2004). Prosodie beim Simultandolmetschen. Frankfurt/ M.: Lang. Angelelli, Claudia V. (2004). Revisiting the interpreter’s role: a study of conference, court, and medical interpreters in Canada, Mexico, and the United States. Amsterdam/ Philadelphia: Benjamins. Barik, Henri C. (1975/ 2002). Simultaneous interpretation: qualitative and linguistic data. In Franz Pöchhacker/ Miriam Shlesinger (Hg.) (2002), The interpreting studies reader. London/ New York: Routledge, 79-91. Bühler, Hildegund (1986). 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Introducing Interpreting Studies (London: Routledge 2004); Mitherausgeber der Buchreihe „Translationswissenschaft“ im Gunter Narr Verlag sowie der Zeitschrift Interpreting: International Journal of Research and Practice in Interpreting. Ingrid Kurz Zur Qualität von Live-TV-Dolmetschungen: Erwartungshaltungen und einschränkende Faktoren 1 Einleitung Zu Recht weist Sylvia Kalina (2002, 2004, 2006) darauf hin, dass in einer Bewertung der Dolmetschqualität die Bedingungen des Dolmetschprozesses zu berücksichtigen sind. Eine wichtige Rolle spielen Arbeitsbedingungen, Situation und Kontext. Diese Aspekte sind insbesondere beim Live-TV- Dolmetschen ganz wichtig. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass für Live-TV-Dolmetschungen besonders hohe Qualitätsanforderungen gelten. Allerdings sind die Arbeitsbedingungen nicht immer dazu geeignet, den DolmetscherInnen die Erbringung der geforderten Spitzenleistung zu ermöglichen. Anhand von zwei Fallbeispielen soll aufgezeigt werden, inwieweit einschränkende Faktoren die Qualität der Dolmetschung beeinflussen. 2 Zur Qualität von Dolmetschleistungen - Voraussetzungen und Rahmenbedingungen Im Rahmen einer umfassenden Diskussion über den Qualitätsbegriff beim Dolmetschen betont Kalina bereits vor rund zehn Jahren zu Recht, dass die Qualität von Dolmetschleistungen von den Bedingungen in der konkreten Dolmetschsituation abhängig ist: „[…] quality cannot be determined in relation to the interpreter’s output alone. Other aspects too require close study.“ (Kalina 2002: 124) Sie stellt die Forderung auf, „the conditions in which the interpreting act is taking place, crucial for TT [target text - Anm. I.K.] quality, also need to be examined more closely.” (Kalina 2002: 124) Garzone greift diese Idee auf und spricht von „[…] a number of contingent, extra-textual, situational variables, which may have a marked impact on interpreters’ behavior.” (Garzone 2002: 109) Zwei Jahre später erneuert Kalina ihren Appell, die Bedingungen des Dolmetschprozesses in die Bewertung der Dolmetschqualität einzubeziehen: Ingrid Kurz 34 Ein Modell der Qualität von Dolmetschleistungen muss außer der Kommunikationssituation […] auch noch die Bedingungen berücksichtigen, die im Umfeld der Kommunikation herrschen und Auswirkungen auf diese haben können. (Kalina 2004: 6) Sie weist darauf hin, dass die Anforderungen der DolmetscherInnen an die anderen Akteure zu wenig beachtet werden und dass nur durch eine gezielte Kooperation zwischen allen Beteiligten hochwertige Dolmetschleistungen erbracht werden können: Für die Dolmetschqualität ist es erheblich, wie weit Dolmetscher vorab über Situation, Kontext, Textproduzenten und deren Intentionen informiert sind. (Kalina 2004: 6) Auf dieser Basis entwickelt Kalina (2002, 2004, 2006) ein erweitertes Anforderungsprofil, das vom Dolmetschen als kommunikativer Interaktion ausgeht. Sie unterscheidet dabei zwischen vier Dimensionen (vgl. Kalina 2006: 257), die nachstehend kurz vorgestellt werden: • Die präperformatorischen Anforderungen (pre-process prerequisites) umfassen u.a. die Möglichkeit der Vorbereitung, Informationsbeschaffung und der Kooperation mit anderen Akteuren. • Die periperformatorischen Bedingungen (peri-process conditions) betreffen Faktoren während des Dolmetschens, wie z.B. Versorgung mit Unterlagen unmittelbar vor/ während des Dolmetschens, Relaisdolmetschen, technische Gegebenheiten usw. • Die performanzdeterminierenden Faktoren (in-process requirements) umfassen u.a. Ausgangstext-bedingte kognitive Anforderungen, das Wissen von DolmetscherInnen über Redner und Rezipienten, Präsentation des Ausgangstexts (frei, verlesen, mit visuellem Begleitmaterial usw.). • Die postperformatorischen Aufgaben (post-process efforts) inkludieren die Aufbereitung von relevanten Unterlagen und Glossaren. Leider werden in der Praxis diese Anforderungen häufig nicht zur Gänze erfüllt, sodass DolmetscherInnen nicht immer die beste Leistung erbringen können. Kalina (2004: 3ff.) nennt das Fernsehdolmetschen als Sonderfall. In einer vergleichenden Befragung von KonferenzteilnehmerInnen und TV-Verantwortlichen konnte empirisch nachgewiesen werden, dass die Erwartungen an eine „gute“ Dolmetschung im Fernsehen generell höher sind. Bewertet wurden Kriterien wie akzentfreie Sprache, angenehme Stimme, Flüssigkeit, logischer Zusammenhang, sinngemäße Wiedergabe, Vollständigkeit, grammatikalische Richtigkeit und Terminologie. Die auffälligsten Unterschiede ergaben sich im Hinblick auf die Kriterien angenehme Stimme und akzentfreie Sprache, die von den TV-Verantwortlichen als deutlich wichtiger eingestuft wurden als von den KonferenzteilnehmerInnen. Über- Zur Qualität von Live-TV-Dolmetschungen 35 einstimmung gab es in beiden Gruppen in Bezug auf die Wichtigkeit der sinngemäßen Wiedergabe des Originals, des logischen Zusammenhangs und der korrekten Terminologie. Flüssigkeit der Rede und grammatikalische Richtigkeit hingegen wurden von den TV-Verantwortlichen als wichtiger eingeschätzt. Das einzige Kriterium, bei dem die Erwartungshaltung der TV-Verantwortlichen niedriger war als die der KonferenzteilnehmerInnen, war die Vollständigkeit (Kurz/ Pöchhacker 1995: 351ff.; Kurz 2000: 93ff.). Die Qualitätsansprüche an eine Fernsehdolmetschung sind also einerseits besonders hoch (vgl. Kurz 2000: 90ff.), aber gleichzeitig gibt es eine Vielzahl einschränkender Faktoren. Diese sollen nachstehend aufgezeigt und anhand von zwei Fallbeispielen illustriert werden. 3 Live-TV-Dolmetschen - technische Besonderheiten und spezielle Anforderungen Das Dolmetschen für Live-TV-Sendungen ist zwar nur eine marginale Form des Konferenzdolmetschens, aber trotzdem keineswegs unwichtig, weil dadurch ein Millionenpublikum unmittelbar mit der Tätigkeit von DolmetscherInnen konfrontiert wird (vgl. Kurz 2000: 89). Eine gute Fernsehdolmetschung kann dazu beitragen, das Image des Dolmetscherberufs zu heben. Andererseits sind TV-Auftritte von DolmetscherInnen auch ein Risiko: Die Leistung von DolmetscherInnen wird wie alle anderen TV-Produkte konsumiert. An ein Fernsehprogramm werden bestimmte Anforderungen gestellt, d.h., die Konsumenten erwarten auch von TV-DolmetscherInnen ein vollkommenes Produkt, ohne eine Vorstellung von den etwaigen technischen und sonstigen Schwierigkeiten zu haben. Die technischen Besonderheiten des TV-Dolmetschens wurden vielfach beschrieben (für einen Literaturübersicht vgl. Kurz 2000: 91), daher hier nur eine kurze Zusammenfassung: Normalerweise befinden sich die DolmetscherInnen in einem TV-Studio, also nicht am Ort des Geschehens. Sie erhalten die akustische Information über Kopfhörer und die visuelle Information über einen TV-Monitor. Die direkte Sicht auf den bzw. die RednerIn, eine der Forderungen der AIIC für eine einwandfreie Dolmetschung, ist nicht immer gewährleistet. In der Regel sehen TV-DolmetscherInnen das Bild, das auch die FernsehteilnehmerInnen zu Hause empfangen. Mitunter sehen sie auch einen weiteren Monitor mit Bildern, die für sie irrelevant und eher störend sind. Bei jeder Kommunikation spielen verbale und nicht-verbale Komponenten zusammen. Für ein vollständiges Verständnis brauchen SimultandolmetscherInnen nicht nur akustische, sondern auch visuelle Informationen. Gestik und Mimik der RednerInnen erleichtern das Verständnis. Die Kriterien der Bildregie sind natürlich den Bedürfnissen des Fernsehpublikums angepasst und entspre- Ingrid Kurz 36 chen nicht immer jenen der DolmetscherInnen. Die DolmetscherInnen bekommen mitunter nicht den erforderlichen visuellen Input, z.B. die Nahaufnahme von RednerInnen, und sind daher nur auf den auditiven Wahrnehmungskanal angewiesen. Diese Fremdbestimmung durch die Technik (Kameraführung) und das Bewusstsein, von einem einzigen Wahrnehmungskanal abhängig zu sein, bedeuten für die DolmetscherInnen eine Verunsicherung und sind somit ein weiterer Stressfaktor. Aufgrund der Übertragungsbedingungen (Live-Zuspielungen aus Krisengebieten, Telefon-Interviews) ist die Tonqualität oft mangelhaft. Das ist im Vergleich zum „normalen“ Konferenzdolmetschen eine weitere Belastung für die DolmetscherInnen. Erschwerend kommt beim TV-Dolmetschen auch hinzu, dass der Kontakt zu den ZuhörerInnen total fehlt. Während KonferenzdolmetscherInnen wissen, für welches Publikum sie übersetzen, dolmetschen FernsehdolmetscherInnen für ein virtuelles Publikum, von dem sie keine Rückmeldung bekommen. Sie wissen nicht, wer gerade zuhört oder zusieht. Somit kann sich zwischen RednerInnen, DolmetscherInnen und Publikum keine Kommunikationsgemeinschaft aufbauen. Live-TV-Dolmetschen unterscheidet sich vom Konferenzdolmetschen auch im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen: Auch wenn Statements verlesen werden, bekommen die DolmetscherInnen nur selten einen Text zur Verfügung gestellt, obwohl häufig kurze Zeit später internationale Nachrichtenagenturen den Wortlaut der Rede weltweit verbreiten: Der Fernsehdolmetscher kann kaum damit rechnen, dass ihm im Voraus Redemanuskripte zur Verfügung gestellt werden. Er lässt sich gewissermaßen auf einen Drahtseilakt ohne Netz ein, und die Kriterien, welche die AIIC als eine Voraussetzung für eine einwandfreie Dolmetschung betrachtet, sind nicht immer erfüllt. (Kurz 2000: 91) FernsehdolmetscherInnen können auch nicht immer mit „normalen“ Arbeitszeiten rechnen. Das gilt insbesondere für Live-Dolmetschungen von Satellitenübertragungen, bei denen oft ungewöhnliche - und mitunter lange - Arbeitszeiten anfallen. Beispiele dazu sind etwa Interviews in Spätabendnachrichtensendungen, Nachtsendungen anlässlich von Oscar-Verleihungen, US-Präsidentenwahlen usw. Die kurzfristige Rekrutierung - mitunter buchstäblich innerhalb von Minuten - ist ein weiteres, allerdings unvermeidbares Erschwernis. Ereignisse wie 9/ 11 oder das Erdbeben in Japan lassen sich einfach nicht voraussagen. Daneben gibt es allerdings auch von langer Hand geplante TV-Sendungen, bei denen die DolmetscherInnen zwar einige, aber nicht alle wichtigen und entscheidenden Informationen im Voraus bekommen (siehe dazu die nachstehenden Fallbeispiele 1 und 2). Klar ist, dass bei unvorhergesehenen medialen Großereignissen die Voraussetzungen in den von Kalina (2006) genannten Teilprozessen nicht erfüllt werden können, aber auch bei lange im Voraus geplanten medienwirksamen Ereignissen fehlen den Zur Qualität von Live-TV-Dolmetschungen 37 DolmetscherInnen oft wesentliche Informationen, die für eine erstklassige Dolmetschung unerlässlich wären. Die Frage, wie Produzenten/ Rezipienten von Fernsehsendungen die Qualität von Dolmetschleistungen beurteilen, wurde in einer Vielzahl von Untersuchungen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet (vgl. u.a. Russo 1995; Kurz 1997; Elsagir 2000; Mack 2000). Sie haben durchweg gezeigt, dass für Live-TV-Dolmetschen ein spezielles Anforderungsprofil gilt: „On television things are different. There ‚the medium is the message‘ […]“ (Mack 2000: 209). Somit sind derartige Einsätze auch für erfahrene DolmetscherInnen eine zusätzliche Herausforderung und erfordern wohl eine gewisse Spezialisierung, die m.E. in erster Linie durch „learning by doing“ in Kenntnis der besonderen Anforderungen erworben wird. Eine Grundvoraussetzung ist u.a. die Bereitschaft von KonferenzdolmetscherInnen, sich auf ein etwas anderes Terrain zu wagen. Das Fernsehpublikum, das wenig Ahnung vom Simultandolmetschen hat - und warum sollte es auch? - erwartet im Grunde, dass eine Fernsehdolmetschung wie eine Nachrichtenmoderation klingt. Wer vor dem Mikrofon keine perfekte Leistung in Bezug auf die Sprechweise erbringt, fällt gegenüber den geschulten ModeratorInnen und NachrichtensprecherInnen, die ihren Text von einem Autocue ablesen, ab. Das Publikum reagiert auf fernsehmäßig nicht entsprechende Dolmetschleistungen, auch wenn diese inhaltlich korrekt sind, negativ. Der ehemalige Chefredakteur und Leiter des Aktuellen Dienstes des Österreichischen Rundfunks (ORF) formulierte dies unmissverständlich: Whoever interprets live programs for us must have the voice and clarity of a broadcaster to satisfy the approximately two millions who are our public. […] We have a very knowledgeable and critical audience who will comment unfavorably if the interpreter’s voice and diction are not up to the usual standard of our reporters and speakers. (Mayer 1994: 11) „Fehler“, die in spontaner Rede auftreten (Häsitationspausen, Versprecher, Pausenfüller, Wiederholungen, Umplanungen mitten im Satz usw.), werden als unpassend empfunden. Das Bewusstsein bei TV-DolmetscherInnen, dass sie u.U. für ein Millionenpublikum dolmetschen, erhöht selbstverständlich den subjektiv empfundenen Stress (vgl. Kurz 2002: 95). DolmetscherInnen, die für Live-TV-Sendungen arbeiten, sehen sich also einerseits mit Anforderungen konfrontiert, die höher sind als im normalen Konferenzalltag. Andererseits sind die Bedingungen - von pre-process bis post-process - oft weit unter dem Durchschnittsniveau. In diesem Spannungsfeld müssen sie ihre Leistung erbringen. Nachstehend werden zwei Fallbeispiele mit ihren einschränkenden Faktoren beschrieben. Ingrid Kurz 38 4 Fallbeispiele 4.1 Fallbeispiel 1: Live-TV-Übertragung der Royal Wedding am 29. April 2011 Bei Live-Übertragungen des ORF von medialen Großereignissen läuft die Zusammenarbeit zwischen TV-Verantwortlichen (Sendeleitung, Regie, Technik, ModeratorInnen) generell sehr routiniert ab. Die Rolle der DolmetscherInnen wird im Vorfeld definiert. Die BBC schickt bei derartigen Live-Sendungen (u.a. Trooping the Colours) üblicherweise kurz im Voraus einen Ablauf an die beteiligten Fernsehanstalten. Das war auch bei der Übertragung der Royal Wedding von William und Kate am 29. April 2011 der Fall, d.h., Regie, ModeratorInnen und auch DolmetscherInnen bekamen im Vorfeld kurzfristig ein ziemlich detailliertes Skript. Es enthielt Zeitangaben betreffend das Eintreffen der Gäste und des Brautpaars in der Kathedrale, aber auch präzise Hinweise auf die relevanten zur Aufführung bzw. Verlesung kommenden Hymnen und Textstellen aus dem Alten und Neuen Testament. Somit waren die prä- und periperformatorischen Anforderungen großteils erfüllt. Die DolmetscherInnen kamen mit der Bibel bewaffnet ins Fernsehstudio und hatten sich die relevanten Textstellen bereits im Vorfeld herausgesucht. Ein entscheidender Text, nämlich die Ansprache des Bischofs von London, die natürlich nicht frei gesprochen, sondern verlesen wurde, war leider allerdings nicht verfügbar. Der Bischof zitierte gleich zu Beginn die Heilige Katharina von Siena: „Be who God meant you to be and you will set the world on fire.“ Für eine katholisch erzogene Dolmetscherin durchaus kein Problem. Der weitere Verlauf der Ansprache war ebenso problemlos bis zu der Stelle, an welcher der Bischof Chaucer zitierte: „Whan maistrie comth, the God of Love anon, Beteth his wynges, and farewell, he is gon.“ Da konnte die Dolmetscherin keine Wunder wirken und musste schlicht und einfach auf die aussagekräftigen Worte des Dichters verweisen. Das ist ein typisches Beispiel für eine Situation, die einen zusätzlichen Stress für den Dolmetscher bedeutet, der durch bessere präperformatorische Bedingungen durchaus hätte vermieden werden können. (Der Wortlaut der Bischofsansprache wurde den DolmetscherInnen übrigens im weiteren Verlauf der Sendung mit rund dreißigminütiger Verspätung zur Verfügung gestellt - zu einem Zeitpunkt, zu dem er absolut nutzlos war.) Zur Qualität von Live-TV-Dolmetschungen 39 4.2 Fallbeispiel 2: Live-TV-Übertragungen der Erdbebenkatastrophe in Japan zwischen dem 12. und 19. März 2011 Eine ganz andere Situation stellte sich für die DolmetscherInnen bei der Jahrhundertkatastrophe in Japan im März 2011. Am 11. März 2011 kommt es zu einem Erdbeben der Stärke 9 - das schlimmste, das Japan je erlebt hat. Es löst einen Mega-Tsunami mit bis zu 20 Meter hohen Wellen aus, der große Teile der japanischen Ostküste verwüstet. Nach wenigen Tagen beträgt die Opferzahl mehr als 20.000 Menschen. Hunderttausende werden obdachlos. Dann kommt die Meldung, dass im Atomkraftwerk Fukushima aufgrund des Bebens in einem der Reaktorgebäude die Kühlung ausgefallen und damit ein Nuklearunfall, dessen Auswirkungen nicht abschätzbar sind, eingetreten ist. Am 12. März kommt es zur Explosion im ersten Reaktor. Der atomare Notstand wird ausgerufen. Vier der insgesamt sechs Reaktoren geraten letztlich außer Kontrolle. Es kommt zu Wasserstoffexplosionen, die Kühlsysteme fallen aus, mit dem Ergebnis Kernschmelze, radioaktive Verseuchung und der Notwendigkeit von Evakuierungsmaßnahmen. War es anfangs „nur“ ein Erdbeben der Stärke 9 und ein gewaltiger Tsunami, gibt es danach fast stündlich neue Katastrophenmeldungen. Die sich ständig ändernde Situation und die damit zusammenhängenden Fernsehmeldungen bedeuten natürlich auch, dass sich die Vorgaben, Anforderungen und Bedingungen für die DolmetscherInnen von Tag zu Tag ändern. Zu Beginn steht die humanitäre Katastrophe im Vordergrund. Mit dem Nuklearunfall in Fukushima kommen dann sehr bald andere Aspekte und terminologische Anforderungen hinzu. Der verantwortliche AKW-Betreiber Tepco gerät zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik. Den Unternehmenschefs werden bewusste Falschmeldungen vorgeworfen, die sie in Pressekonferenzen zu entkräften versuchen. Einen großen Raum nehmen allerdings auch Berichte über Feuerwehrleute, Soldaten und Techniker ein, die unter Lebensgefahr versuchen, die Brände zu löschen und eine weitere Kernschmelze zu verhindern. Die Verfasserin des vorliegenden Artikels war zwischen dem 12. und 19. März 2011 sechs Mal im Einsatz, und zwar jeweils von 16: 00/ 17: 00- 24: 00/ 0: 45 Uhr. Der ORF beschäftigte in diesem Zeitraum im Drei- Schichten-Takt (8: 00-16: 00, 16: 00-24: 00, 00: 00-8: 00) ein halbes Dutzend DolmetscherInnen rund um die Uhr - meistens im Standby-Dienst, aber immer auf Abruf bereit für einen Live-Einsatz in Sondersendungen oder im Rahmen der regulären Nachrichtensendungen. In diesem Fall war die Erfüllung der präperformatorischen Anforderungen natürlich unmöglich. Die Katastrophe war nicht vorhersehbar, und es gab naturgemäß auch keinerlei Informationen im Voraus. Für das erste Team war es ein Sprung ins kalte Wasser - „sink or swim! “ Ingrid Kurz 40 Was die periperformatorischen und performanzdeterminierenden Faktoren betrifft, so waren die Bedingungen extrem. Da waren zunächst die achtstündigen Standby-Schichten, bei denen die DolmetscherInnen ständig die Sendungen des japanischen Nachrichtensenders NHK verfolgen mussten, ohne zu wissen, wann sie zum Einsatz kommen würden. Die Aufgaben für die DolmetscherInnen waren - im Gegensatz zu einem Konferenzeinsatz, bei dem es in der Regel zu Vorträgen und Diskussionen zu einem im Voraus bekannten konkreten Thema geht - außerordentlich breit gestreut und anspruchsvoll. Einerseits gab es berührende Interviews mit Erdbebenopfern und natürlich auch die bekannte Textsorte Pressekonferenz von Seiten der Regierung und der Tepco-Verantwortlichen - zum Teil mit Relaisdolmetschen vom Japanischen ins Englische. Darüber hinaus mussten allerdings auch abgelesene Kommentare, hochtechnische Ausführungen von Kernkraftwerkstechnikern und -experten, rasend schnell verlesene Nachrichtensendungen, Wettervorhersagen und Meldungen über die Todesziffern in den einzelnen Präfekturen gedolmetscht werden - und das alles innerhalb einer Live-Sendung von zehn bis dreißig Minuten. Zu den besonderen Schwierigkeiten zählten neben den unerwarteten nukleartechnischen Fachtermini (Notkühlsystem, Siedewasserreaktor, Nachzerfallswärme, Lagerbecken, Speisewasser) natürlich auch die Namen der Präfekturen (Fukushima, Ibaraki, Tochigi, Gumma, Iwate, Yamagata, Miyagi usw.), die den DolmetscherInnen zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt waren. In der postperformatorischen Phase war eindeutig der Wert der Teamarbeit ausschlaggebend: Die DolmetscherInnen hinterließen ihren KollegInnen in der nachfolgenden Schicht Informationen über fachliche und terminologische Schwierigkeiten, die während ihres Einsatzes auftraten - z.B. AKW- Terminologie, Eigen- und Ortsnamen. Der unmittelbare Wert dieser postperformatorischen Informationsweitergabe war zweifelsohne nützlich, konnte aber letztendlich aufgrund der ständig wechselnden Bedingungen eine gründliche Vorbereitung auf einen Dolmetscheinsatz nicht ersetzen. 5 Schlussbemerkung Die pre-, peri-, in- und post-Bedingungen in den beiden oben angeführten Fallbeispielen würden von Sylvia Kalina zweifellos schlechte Noten bekommen. Trotzdem wird von DolmetscherInnen in Situationen wie diesen von einer breiten Öffentlichkeit eine „perfekte“ Leistung erwartet. Diesen Spagat zu schaffen ist mitunter sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Aus meiner langjährigen Erfahrung mit dem TV-Dolmetschen sehe ich derartige Einsätze dennoch als eine spannende und befriedigende Herausforderung, Zur Qualität von Live-TV-Dolmetschungen 41 vorausgesetzt, man verfügt über gute Nerven, geistige Wendigkeit, Schnelligkeit und Improvisationstalent und empfindet Stress als motivierend. 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Regelmäßige Live-Dolmetschungen für den ORF. Internationale Lehr- und Forschungstätigkeit. 1992 Habilitation für Angewandte Dolmetschwissenschaft und -didaktik. Habilitationsschrift: Simultandolmetschen als Gegenstand der internationalen Forschung. Forschungsschwerpunkte: Konferenz- und Mediendolmetschen, kognitive und (neuro)physiologische Aspekte des Simultandolmetschens, Geschichte des Dolmetschens. Sabine Bastian Dolmetschqualität im Fernsehen am Beispiel von ARTE 1 Einführung Untersuchungen zum Dolmetschen in den Medien haben in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung genommen, was mit der zunehmenden Bedeutung, aber auch mit den gewachsenen Ansprüchen an diese Dolmetschart zusammenhängt. Dass dabei die Qualität der Dolmetschleistungen im Vordergrund steht, ist kaum verwunderlich, gehört sie doch zu den zentralen Fragen der Dolmetschforschung, wie auch Kalina/ Ippensen (2007) feststellen: Neben der Frage, wie Dolmetschen überhaupt funktioniert, hat sich die einschlägige Forschung in den letzten Jahren mit der Frage nach der Bestimmung von Dolmetschqualität befasst. Das Thema der Evaluierung von DL [Dolmetschleistungen; Anm. S.B.] beschäftigt zum einen Dozenten in den Ausbildungsstätten für Konferenzdolmetscher, wo die Bewertung studentischer DL, etwa in Prüfungen oder Tests, oft kontrovers und aus teils subjektiver Perspektive diskutiert wird, zum anderen interessiert die Dolmetschforschung vor allem, ob und mit welchen Methoden die Qualität von DL überhaupt erhebbar ist. (Kalina/ Ippensen 2007: 307) Sylvia Kalina gebührt das besondere Verdienst, kontinuierlich an der Vervollkommnung des von ihr selbst im Beitrag von 2004 zur Erfassung der Dolmetschqualität erstellten Modells (siehe die Zusammenfassung dieses Modells im Abschnitt 3 des vorliegenden Beitrags) gearbeitet zu haben. Damit gab sie zugleich wertvolle Anregungen für das Anwenden und Weiterdenken ihrer Vorschläge, was auch in diesem Beitrag unternommen wird. Wir stellen unsere Überlegungen zum Thema Dolmetschen bei ARTE bewusst in diesen Kontext und sehen in dem deutsch-französischen Fernsehkanal ein besonders gut geeignetes Objekt für Untersuchungen in diesem Bereich, wie im Folgenden noch zu zeigen sein wird. 2 Übersetzen und Dolmetschen bei ARTE In wenigen Wochen jährt sich zum 20. Male der Tag, da der Europäische Kulturkanal ARTE aus der Taufe gehoben wurde und am 30. Mai 1992 auf Sendung ging (vgl. ARTE o.J.: Chronik). Dem waren umfangreiche Vorberei- Sabine Bastian 44 tungen und mehrjährige Verhandlungen vorausgegangen, die am 2. Oktober 1990, dem Vorabend der Wiedervereinigung Deutschlands, in einen zwischenstaatlichen Vertrag Frankreichs und Deutschlands mündeten (vgl. ARTE o.J.: Zwischenstaatlicher Vertrag). Er schuf die Basis für den im darauf folgenden Jahr abgeschlossenen Gründungsvertrag (vgl. ARTE o.J.: Gründungsvertrag). Die Gleichberechtigung der beiden Partner, die von Anfang an festgeschrieben wurde, ebenso wie das erklärte Ziel von ARTE, […] Fernsehsendungen zu konzipieren, zu gestalten und durch Satellit oder in sonstiger Weise auszustrahlen oder ausstrahlen zu lassen, die in einem umfassenden Sinne kulturellen und internationalen Charakter haben und geeignet sind, das Verständnis und die Annäherung der Völker in Europa zu fördern […] (Artikel 2.1, ARTE Gründungsvertrag), lassen bereits erahnen, dass für diesen Sender Sprach- und Kulturmittlung in verschiedensten Dimensionen relevant ist. Auf diese Aspekte soll in den folgenden Punkten kurz eingegangen werden. 2.1 Notwendigkeiten für Übersetzungs- und Dolmetschleistungen Zu den Grundsätzen von ARTE gehört die Mehrsprachigkeit (vgl. ARTE o. J.: Chronik), die sich zunächst einmal − aber nicht nur − als französischdeutsche Zweisprachigkeit darstellt, denn alle Sendungen können in beiden Sprachen gleichermaßen verfolgt werden. Das setzt vielfältige Übersetzungs- und Dolmetschaktivitäten voraus, die vom internen Sprachendienst koordiniert, jedoch nur zum Teil selbst geleistet werden können. Aufgabenbereiche wie Synchronisation oder Untertitelung werden an andere Firmen fremd vergeben. Insgesamt gibt es bei ARTE zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Übersetzen und Dolmetschen, wobei sieben ausschließlich in diesem Bereich tätig sind. Sie setzen sich zu je 50 Prozent aus deutschen und französischen Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern zusammen (vgl. Völker 2008b). Zu diesen insgesamt 10 Stellen (jeweils 2 volle und drei halbe Stellen) kommt die der Sprachendienstleiterin, die ebenfalls Dolmetscherin ist und von zwei Assistentinnen unterstützt wird (vgl. Völker 2008b). Sie alle sind am Sitz von ARTE in Straßburg tätig. Außerdem verfügt ARTE France an seinem Sitz in Paris zusätzlich über eine Übersetzer- und eine Übersetzer-/ Dolmetscherstelle (vgl. Hähner 2009). Daraus wird schon deutlich, dass das Personalpotenzial recht beschränkt ist, sodass allein zur Bewältigung der laufenden Aufgaben je zehn freie Übersetzerinnen/ Übersetzer und Dolmetscherinnen/ Dolmetscher, die regelmäßig und in erheblichem Umfang für ARTE arbeiten, herangezogen werden. Eine weitaus größere Zahl an freien Übersetzerinnen/ Übersetzern und Dolmetscherinnen/ Dolmetschern werden zusätzlich hin und wieder und mit wechselndem Volumen beschäftigt (vgl. Hähner 2009). Dolmetschqualität im Fernsehen am Beispiel von ARTE 45 2.2 Aufgabenbereiche für Dolmetscherinnen und Dolmetscher Zu den ständigen Aufgaben der ARTE-Dolmetscherinnen/ Dolmetscher gehört das Dolmetschen auf internen Konferenzen: Neben den Programmkonferenzen, den Sitzungen des Programmbeirats u.Ä. gehören dazu die verschiedensten Besprechungen, Schulungen, Briefings sowie das Dolmetschen von Vorträgen (vgl. Hähner 2009). Das in der Außenwahrnehmung spektakulärere Mediendolmetschen, verstanden als Dolmetschen im Rahmen der Fernsehsendungen, wird ausschließlich von sehr erfahrenen freien Konferenzdolmetscherinnen und -dolmetschern übernommen. Zu ihren Aufgaben gehörten bzw. gehören das Dolmetschen im Rahmen von Nachrichtensendungen wie ARTE-Info und ARTE-Kultur, Live-Sendungen und zeitversetzten Live-Sendungen, wobei letztere aus Zeitgründen oft unter Live-Bedingungen verdolmetscht werden. Auch die Voice-Over-Vermittlung bei Diskussionsrunden gehört unter Supervision des Sprachendienstes zu den Aufgaben der freiberuflich Tätigen. Die Frage, „wer? “ dolmetscht (vgl. Pöchhacker 1998: 328), kann für AR- TE noch weiter präzisiert werden (vgl. Hähner 2009; Völker 2008a und b): Die Arbeit der freiberuflichen Konferenzdolmetscherinnen und Konferenzdolmetscher im Bereich Mediendolmetschen folgt einem ganz bestimmten Grundsatz: Männliche Stimmen werden auch von männlichen Dolmetschern übernommen, weibliche Stimmen von Frauen. Des Weiteren wird darauf geachtet, dass für wiederkehrende Gesichter die gleichen Stimmen, also die gleichen Dolmetscher, verwendet werden. Außerdem sollten die Dolmetscher zu ihrem Bildschirmoriginal passen. Da sehr großer Wert auf die sprecherischen Fähigkeiten gelegt wird, wird darauf geachtet, dass nur in die Muttersprache gedolmetscht wird. (Hähner 2009: 16) 2.3 Formen des Fernsehdolmetschens bei ARTE Zunächst seien die Nachrichtensendungen genannt, jedoch mit der Einschränkung, dass hier seit Januar 2012 Veränderungen zu beobachten sind, da durch ein neues Sendekonzept die meisten der bisher gedolmetschten Passagen weitgehend wegfallen, da jede Sendung (ob deutsch oder französisch) separat moderiert und ausgestrahlt wird. 1 Bisher wurde der Moderationstext (wöchentlich zwischen französisch und deutsch wechselnd) vorab von den Dolmetschern selbst übersetzt und dann unter Live-Bedingungen eingesprochen, wobei spontane Anpassungen üblich waren. 1 Wir verdanken diese Information Jens Sedlatschek, der sich seit längerem mit ARTE beschäftigt (vgl. seine Arbeit von 2008). Mehr darüber ist im Übrigen seit kurzem unter http: / / www.arte.tv/ de/ NEU-IM-PROGRAMM-2012/ 6270718.html nachzulesen. Sabine Bastian 46 Im Rahmen des Dolmetschens von zeitversetzt gesendeten Diskussionsrunden wird häufig das Voice-Over-Verfahren eingesetzt. Hier sehen die Dolmetscher die Sendung vorab und verdolmetschen die Diskussion. Dabei ist von Vorteil, dass eine unmittelbare Qualitätskontrolle und im Bedarfsfalle Korrekturen bzw. Überarbeitungen der betreffenden Passagen erfolgen und somit eine hohe Qualität gewährleistet werden kann. Hähner beschreibt eine weitere, nur bedingt vergleichbare Situation, die als „faux-direct“ (Hähner 2009: 16) bezeichnet wird: Es geht um das Dolmetschen von Sendungen, die zwar aufgezeichnet wurden, bei denen man jedoch aufgrund ihrer zeitnahen Ausstrahlung nicht die Möglichkeit hat, die Passagen zu überarbeiten und zu korrigieren. […] Dabei wird so vorgegangen, dass sich die Dolmetscher die Sendung einmal ansehen können. Danach werden die einzelnen Rollen durch den Sprachendienst verteilt und die anschließende Verdolmetschung findet unter Live-Bedingungen statt. (Hähner 2009: 16f.) Natürlich gibt es auch Situationen (z.B. bei Wahlsendungen, Live- Schaltungen oder wie im später zu betrachtenden Beispiel der Filmfestspiele in Cannes), in denen die Dolmetscherinnen und Dolmetscher ohne jegliche Vorlagen und ohne präzise Vorstellungen, was genau zu dolmetschen sein wird, auskommen müssen. Der Vorteil, auch bei vorproduzierten Sendungen mit Dolmetscherinnen/ Dolmetschern zu arbeiten, liegt darin, dass sie authentischer wirken und so die Illusion der Aktualität besser aufrechterhalten. Diese erhöhte Glaubwürdigkeit wird bei ARTE sehr geschätzt, zudem ist die Möglichkeit gegeben, auch auf nicht-vorhersehbare Situationen besser und sofort reagieren zu können. Vor allem aber wird ganz bewusst darauf gesetzt, dass das Dolmetschen erkennbar bleibt und keine Angleichung an die Sprecherinnen/ Sprecher erfolgt: „Kleinere Fehler oder Unsauberkeiten gehören zum Konzept.“ (Hähner 2009: 17) 3 Untersuchungen zur Dolmetschqualität In dem erstmals in Kalina (2004) vorgestellten Ansatz zur besseren prozessualen Erfassung der Faktoren für die Qualitätssicherung, der im Beitrag „Dolmetscher unter der Lupe“ (Kalina/ Ippensen 2007) weiter entwickelt wurde, schlagen die Autorinnen vor, zunächst für das Konferenzdolmetschen qualitätsbestimmende Faktoren zu erfassen bzw. zu messen, und stellen diese in Tabellenform zusammen. Von den vier in Kalina (2004) abgegrenzten Phasen: pre-process (präperformatorische Phase: „vor dem Dolmetschen erworbene und vor sowie während der Dolmetschleistung einzusetzende Kompetenzen“ [Kalina 2004: 757]), peri-proces („externe Bedingungen während des Einsatzes“ [Kalina 2004: 757]), in-process (Einflussfaktoren durch das Dolmetschen oder durch die Situation“ [Kalina 2004: 758]) und post-process („Maßnahmen der Dolmetschqualität im Fernsehen am Beispiel von ARTE 47 Qualitätskontrolle“ [Kalina 2004: 758]) werden uns im vorliegenden Beitrag vor allem die zweite und dritte Phase besonders interessieren. Hinsichtlich der Faktoren, die in der peri-process-Phase wirken und die Dolmetschleistungen im Mediendolmetschen besonders beeinflussen, gehören (vgl. auch Kalina/ Ippensen 2007: 309f.): • die Zahl der Teilnehmer (Heterogenität), • die technische Ausstattung, • Kabinen (-position), • Teams und Arbeitszeiten, • Sprachen/ -kombinationen (evtl. Relais), • Verfügbarkeit von relevanten Dokumenten. Durch die Analyse der untersuchten Dolmetschleistungen am Beispiel einer Live-Verdolmetschung im ARTE-Programm (vgl. Lerke 2010) konnten Betrachtungen zu folgenden, von Kalina/ Ippensen (2007: 310) für die inprocess-Phase festgestellten Parametern angestellt werden: • Intentionen der AT-Produzenten, • Bedingungen und Merkmale der AT-Präsentation, • Erwartungen der ZT-Adressaten (Wissen, Annahmen, Erwartungen), • zielsprachliche Realisation. Dieses Modell soll uns als Orientierung für die Evaluierung von Befragungsergebnissen dienen, die in Untersuchungen von Fünfer (2009) und Lerke (2010) zum Thema Dolmetschqualität bei ARTE ermittelt wurden. Die beiden Untersuchungen decken unterschiedliche Bereiche des von Kalina/ Ippensen (2007) erarbeiteten Evaluierungmodells ab, vor allem handelt es sich bei den Befragten um verschiedene Zielgruppen: In Fünfer (2009) werden Dolmetscherinnen und Dolmetscher, die selbst bei ARTE tätig waren, befragt; in Lerke (2010) waren die Befragten Rezipientinnen und Rezipienten von Dolmetschleistungen, die über mehr oder weniger ausgeprägte Vorerfahrungen mit gedolmetschten Sendungen verfügen. 3.1 Die Untersuchungen von Fünfer (2009) Die Befragung von Sarah Fünfer wurde im Rahmen einer BA-Arbeit (angefertigt am FASK in Germersheim 2009) unter freiberuflich tätigen Dolmetscherinnen/ Dolmetschern, die (auch) für den ARTE-Sprachendienst arbeiten, durchgeführt mit dem Ziel, Aussagen über die Arbeitsbedingungen (als Faktor für eine qualitativ hochwertige Dolmetschleistung) und über die Selbsteinschätzung hinsichtlich der Anforderungen an Mediendolmetscher zu erhalten. Es wurden insgesamt 18 Dolmetscherinnen und Dolmetscher befragt. Für ihre freiberufliche Tätigkeit wurden sie gezielt, teilweise über Empfehlungen, teilweise über ein von ARTE organisiertes Sabine Bastian 48 Dolmetschcasting gewonnen. Zum Teil hatten diese Dolmetscher im Vorfeld ein AIIC-Training zum Mediendolmetschen absolviert. Alle Befragten arbeiten auch als Konferenzdolmetscherinnen/ -dolmetscher sowie als Mediendolmetscherinnen/ -dolmetscher für andere Sender. Die Befragungen ergaben, dass die Dolmetscherinnen/ Dolmetscher die Erwartungen der Rezipientinnen und Rezipienten gut kennen. Faktoren, die sie als besonders wichtig für die Berufsausübung eingestuft haben (vgl. dazu auch Kurz 1985, 1998, 2000; Elsagir 2000; Mülman 2002), waren die Sprachkompetenz, stimmliche Qualitäten („angenehme Stimme“), ein gutes Reaktionsvermögen sowie hohe Stressresistenz. Ergänzt wurden diese Qualitäten durch die als selbstverständlich eingestufte Kulturkompetenz, Allgemeinbildung und generelle Dolmetschkompetenz. Des Weiteren wurden von den Befragten Eigenschaften wie Selbstbewusstsein sowie Bereitschaft zur Selbstkritik genannt (vgl. Fünfer 2009: 34). In Bezug auf die in sie gesetzten Erwartungen gaben zwei Drittel der Befragten an, dass diese besonders hoch seien, höher als auf Konferenzen. Man kann annehmen, dass diese Beurteilung auch damit zusammen hängt, dass die „Qualitätskontrolleure“, d.h. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ARTE-Sprachendienstes, ja selbst vom Fach sind und in ihre Berufskollegen besonders hohe Erwartungen setzen. Positiv vermerkten die Befragten, dass die Arbeitsbedingungen bei AR- TE insgesamt als angenehm empfunden werden, da sehr viel für eine entspannte Arbeitsatmosphäre getan wird und Hilfestellungen seitens der Mitarbeiter des Sprachendienstes, aber auch von Technikern und Redakteuren gegeben werden. Auch Fragen nach der Rolle und Qualität der Vorbereitung in Bezug auf die Dolmetschqualität wurden beantwortet: Für die befragten ARTE- Dolmetscherinnen/ Dolmetscher kommt diesem Faktor höchste Priorität zu. So wird die Bereitstellung von aufgabenbezogenen Dossiers durch den Sprachendienst als wichtige und zur Routine gehörende Aufgabe beschrieben. Dennoch gaben die Befragten an, dass teilweise auch Eigeninitiative notwendig ist, um das erforderliche Vorbereitungsmaterial zu erhalten. Bei den Befragungen wurden als besonders positiv die (teilweise) mögliche Vorabsichtung der Sendung genannt, weiterhin die im Vorfeld übergebenen, mehr oder weniger vollständigen Moderationstexte sowie das Bereitstellen von Hintergrundinformationen zum Thema einschließlich relevanter Internetadressen (vgl. Fünfer 2009: 38). Problembeladener sind zweifellos die sich aus dem aktuellen Tagesgeschehen ergebenden last-minute-Rekrutierungen (oft nur wenige Stunden vor dem Einsatz). Solche Situationen sind wesentlich auch durch weitere, häufig als typisch für das Mediendolmetschen beschriebene Schwierigkeiten 2 charakterisiert (vgl. Kurz 1998). 2 Z.B. ungewöhnliche Arbeitszeiten, sehr früh oder sehr spät sowie auch an Sonn- und Feiertagen. Dolmetschqualität im Fernsehen am Beispiel von ARTE 49 Überdurchschnittlich gut sind hingegen Faktoren wie die technische Dolmetschausstattung bewertet worden; die Kriterien, die von der AIIC in einer Checkliste (vgl. Bros-Brann 2002) vorgelegt wurden, sind weitgehend erfüllt, wobei das allerdings in geringerem Maße für Anlagen bei Einsätzen von ARTE-Dolmetscherinnen/ Dolmetschern außerhalb der eigenen Studios gilt. Auch die Kommunikation zwischen Produktionsverantwortlichen und Dolmetscherinnen/ Dolmetschern klappt besser als in den meisten vergleichbaren Mediendolmetsch-Situationen. Insgesamt konnte in der Studie von Fünfer (2009) ein weiteres Mal die positive Rolle des Sprachendienstes bestätigt werden. Das professionelle Herangehen wirkt sich auf die Sicherung der für das Mediendolmetschen erforderlichen situativen Bedingungen (vgl. Pöchhacker 1998: 327ff.) und damit auf die Qualität der Dolmetschleistungen aus, wobei nicht zuletzt auch die vom ARTE-Sprachendienst angewandten strengen Kriterien für die Auswahl von für das Mediendolmetschen besonders qualifizierten Dolmetscherinnen/ Dolmetschern eine Rolle spielen. Hier zeigt sich noch einmal die Einzigartigkeit des Senders, der mehr als andere von einer hohen Qualität der Dolmetschleistungen abhängig ist, jedoch auch über den ARTE- Sprachendienst dafür Sorge trägt, dass diese optimal gesichert werden kann. 3.2 Qualitätsbeurteilung durch Rezipienten (Lerke 2010) Einer der Kritikpunkte, der in Bezug auf bisherige Untersuchungen zur Dolmetschqualität unter anderem von Mack (2002) sowie Kalina/ Ippensen (2007) zu Recht vorgebracht wurde und der auch auf Untersuchungen zum Mediendolmetschen zutrifft, ist die bei Befragungen festgestellte große Heterogenität der Ergebnisse und die Tatsache, dass zumeist „betroffene“ Berufskolleginnen und -kollegen (also die, die selbst als Mediendolmetscher arbeiten bzw. gearbeitet haben) um ihre Bewertung gebeten wurden. Nun sind diese jedoch nicht die typischen Adressaten, weshalb es durchaus von Interesse war, die (produktorientierte) Qualitätsbeurteilung von ARTE- Verdolmetschungen anhand einer realistischen Empfängerpopulation zu untersuchen. Die folgenden Darstellungen basieren auf der Studie von Lerke (2010), die im Ergebnis von Spezialseminaren zu ARTE im Rahmen einer Abschlussarbeit (Diplom) unternommen wurde. 3.2.1 Vorstellung der untersuchten Sendung und des gewählten Vorgehens Grundlage ist die 30-minütige Live-Übertragung einer Diskussionsrunde im Rahmen der Sendung ARTE-Kultur vom 25.05.2009, die sich in dieser Sonderausgabe mit der Preisverleihung der 62. Internationalen Filmfestspiele von Cannes beschäftigt. Aus diesem Anlass fanden sich auf Einladung der Sabine Bastian 50 beiden Moderatorinnen Marie Labory und Annette Gerlach drei weitere Journalisten der ARTE-Kulturredaktion zu einer deutsch-französischen Diskussionsrunde zusammen. Neben diesen on-screen-Teilnehmern aus der Diskussionsrunde wurden auch weitere deutsche und französische Teilnehmerinnen/ Teilnehmer (z.B. Preisträgerinnen und Preisträger in Interviewausschnitten) einbezogen. Die Diskussionen fanden auf Deutsch und Französisch statt und wurden von insgesamt sieben Simultandolmetscherinnen/ Simultandolmetschern 3 vermittelt. Gegenstand der Untersuchungen war die Verdolmetschung ins Deutsche, die von drei dieser Dolmetscher realisiert wurde. Zu vermerken ist, dass in diesem willkürlich ausgewählten Beispiel nicht alle der üblichen ARTE-Prinzipien eingehalten wurden, so konnte das Prinzip „one man - one voice“ 4 nicht durchgehalten werden: Die Beiträge der beiden Moderatorinnen wurden jeweils von einer eigenen Dolmetscherin übertragen, diejenigen der zwei französischsprachigen Journalisten jedoch von einem „gemeinsamen“ Sprachmittler übernommen. Der Ausschnitt wurde auf seine besondere Eignung für eine Untersuchung der Dolmetschqualität aus Zuschauersicht geprüft und als besonders gut eingeschätzt. Dazu vermerkt Lerke: […] gerade das Mitwirken der verschiedenen Dolmetscher in der Diskussionsrunde sowie die sich im Verlaufe des Gesprächs verändernde Sprache ist nicht nur ein Charakteristikum des Kultursenders, sondern stellt auch gleichzeitig eine Herausforderung für das Zusammenspiel der Dolmetscher dar. (Lerke 2010: 56) Gegenstand der hier zu referierenden Studie ist eine Befragung von 57 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten ARTE-Rezipienten 5 , denen ein zweiteiliger Befragungsbogen sowie eine Aufzeichnung der zu betrachtenden Sendung auf CD vorgelegt wurden. Die Befragung fand im Zeitraum vom 9.- 25.04.2010 statt. In ihrem Ergebnis wurden 30 Fragebögen ausgewählt, die einen ausreichend repräsentativen Querschnitt der befragten Zuschauerinnen und Zuschauer widerspiegelten und deren Antworten in der empirischen Studie ausgewertet wurden. Der Erhebungsbogen setzt sich aus zwei Teilen zusammen, einem ersten, in dem fünf geschlossene Fragen an die Rezipientinnen/ Rezipienten bezüglich ihrer Erwartungshaltung an das Mediendolmetschen gestellt wurden. Danach waren die Teilnehmerinnen/ Teilnehmer aufgefordert, den Sen- 3 Sie wurden im Abspann der Sendung namentlich erwähnt. 4 Gemeint ist das für ARTE-Verdolmetschungen übliche Verfahren, nach Möglichkeit für die gesamte Sendung jedem Originalsprecher nur einen (und immer den gleichen) Dolmetscher zuzuordnen. 5 Vor allem (ehemalige und aktuelle) Studierende der Romanistik und der Translatologie. Der Befragung waren seit 2006 mehrere Hauptbzw. Masterseminare an der Universität Leipzig zum deutsch-französischen Kultursender ARTE (unter Leitung von Prof. Dr. Sabine Bastian) vorausgegangen, in denen allerdings das hier angesprochene Problem nicht thematisiert werden konnte. Dolmetschqualität im Fernsehen am Beispiel von ARTE 51 dungsausschnitt anzusehen und in der Folge weitere fünf geschlossene Fragen zu beantworten, in denen die eigentliche Qualitätsbeurteilung der Dolmetschleistung thematisiert wurde (vgl. Lerke 2010: 56ff.). Im Ergebnis des ersten Teils wurden die Rezipienten gemäß ihrer Erfahrungen mit Verdolmetschungen in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Dabei wurde zwischen solchen, die zum Beispiel als Konferenzteilnehmer oder im Rahmen von Community Interpreting bereits Dolmetschleistungen in Anspruch genommen hatten, und jenen, die bisher Dolmetschen nur aus den Medien kannten, differenziert, was auch bei der Auswertung der Antworten berücksichtigt wurde. Des Weiteren wurde in der ersten Gruppe noch eine weitere Unterscheidung vorgenommen, sodass eine separate (kleinere) Gruppe entstand, in der sich Rezipientinnen und Rezipienten mit translatorischer Vorbildung im Dolmetschen befinden. Eine weitere Frage im ersten Teil betraf das Anforderungsprofil an eine Medienverdolmetschung. Dabei wurden die von Bühler (1986) für eine Befragung von AIIC-Dolmetschern erarbeiteten Kriterien, so wie sie von Kurz (1993) in einer Befragung unter Konferenzteilnehmerinnen/ -teilnehmern verwendet wurden, aufgegriffen. 6 Die Bewertung im ersten Befragungsteil erfolgte nach aufsteigenden Bewertungen von 1 („unwichtig“) bis 4 („sehr wichtig“). Weiterhin wurde im ersten Teil nach der Bedeutung des Voice- Matching 7 , nach Eigenschaften, die als besonders unangenehm empfunden werden wie Häsitationslaute (bei Lerke „Parasitlaute“), monotones Sprechen, décalage (auch Ear-Voice-Span, time lag oder Phasenverschiebung) gefragt sowie eine abschließende Frage nach der (gewünschten) Inanspruchnahme von Medienverdolmetschungen 8 gestellt. Teil zwei des Bewertungsbogens greift - diesmal bezogen auf die unmittelbar erlebten Dolmetschleistungen - die Fragen zwei und vier (Merkmale gesprochener Sprache) wieder auf und bezieht darüber hinaus die Bewertung der Integration von off-screen 9 -Teilnehmern (Frage drei) ein. Schließlich 6 Zum einen inhaltliche Leistungen: Vollständigkeit der Verdolmetschung, Kohärenz, Sinnwiedergabe, korrekte Fachterminologie, zum anderen Kriterien im Zusammenhang mit der sprachlichen Darbietung: flüssiger Vortrag, angenehme Stimme, grammatikalische Korrektheit und akzentfreies Sprechen. 7 Unter Voice Matching als ein für ARTE typisches Verfahren wird die bewusste Auswahl der Dolmetscher verstanden, die dem Originalsprecher hinsichtlich Stimme, Geschlecht (und Typ) nahe kommen: „Un homme est interprété par un homme, une femme par une femme.“ (Moreau 2008: 14) 8 Die Frage lautete: „Wenn Sie die Wahl hätten, wie würden Sie bei Live-Übertragungen einen fremdsprachigen Beitrag am liebsten schauen? “ Die Antwortmöglichkeiten: - „im Original“ (sofern Sie der Sprache mächtig sind); - mit Verdolmetschung, aber dem Original im Hintergrund; - nur die Verdolmetschung, Original nicht hörbar.“ (Lerke 2010: 91) 9 Berücksichtigung von nicht im Bild erscheinenden Gesprächspartnerinnen/ -partnern sowie Fernsehzuschauerinnen/ Fernsehzuschauern. Sabine Bastian 52 sollten die Befragten sich dazu äußern, wie sie die sprachlichen Äußerungen (Frage 4) generell empfanden und ob die Live-Verdolmetschung als insgesamt gelungen angesehen wurde (Frage 5). 10 3.2.2 Ergebnisse Im Folgenden sollen wesentliche Ergebnisse kurz zusammengefasst werden. Im ersten Teil wurde nach der Bedeutsamkeit einzelner Faktoren im Kontext eines „Erwartungsbildes“, das die Rezipienten hinsichtlich der Qualität von Medienverdolmetschungen haben, gefragt. Dabei zeigt sich, dass die drei (Teil-)Gruppen der Befragten - Rezipienten mit oder ohne Dolmetscherfahrung sowie ausgebildetete Dolmetscher übereinstimmend dem Kriterium „Sinnwiedergabe“ die höchste Priorität einräumten. An zweiter Stelle rangierte bei den Rezipienten mit Dolmetscherfahrung ebenso wie bei den ausgebildeten Dolmetschern das Kriterium „Kohärenz“. Auch bei der Bewertung der „Flüssigkeit“ der Dolmetschleistung stimmten die Befragten annähernd überein. Unterschiede gab es hinsichtlich der Bedeutsamkeit von Kriterien wie „korrekte Grammatik“ (diese wurde vor allem von den ausgebildeten Dolmetschern als wichtiger angesehen, während Rezipienten mit Dolmetscherfahrung, die jedoch keine Dolmetscher sind, das Merkmal für weniger wichtig erachteten). Übereinstimmend geringere Bedeutung maßen alle Befragten dem akzentfreien Sprechen und der „angenehmen Stimme“ bei, hingegen fanden sich nur in der Gruppe der Rezipienten mit Dolmetscherfahrung höhere Bewertungen für die Kriterien „Vollständigkeit“ und „terminologische Korrektheit“. Insgesamt gesehen zeigte sich, dass die ausgebildeten Dolmetscher die höchste Durchschnittsnote vergaben, was auf besonders hohe Erwartungen hinweist. Danach folgte interessanterweise die Gruppe der Rezipienten ohne Dolmetscherfahrung, während Rezipienten mit Erfahrungen von verdolmetschten Konferenzen und anderen Situationen mit Dolmetschen sich am tolerantesten und am wenigsten fordernd zeigten. Das Prinzip des Voice-Matching (Teil 1, Frage 3) wurde von den Befragten im Allgemeinen als weniger wichtig eingestuft; diesem Kriterium wird bei ARTE ohnehin bereits ausreichend große Bedeutung beigemessen (siehe Fußnote 8). Als interessant erwies sich hingegen die Auswertung der Frage 3, bei der es um Eigenschaften geht, die eng mit der mündlichen Kommunikationssituation zusammen hängen. Übereinstimmend kritisch wurde vor allem zu 10 Bei zwei der vier Fragen war die Bewertungsskala „umgekehrt“, sodass in Frage zwei „Was empfanden Sie bei der Verdolmetschung am unangenehmsten? “ die Skala jeweils von 1 („nicht unangenehm“) bis 4 („sehr unangenehm“) reichte und bei Frage vier „War es anstrengend, der Verdolmetschung zu folgen“ der Wert 1 für „nicht anstrengend“ und der Wert 4 für „sehr anstrengend“ vergeben wurde (vgl. Lerke 2010: 92). Dolmetschqualität im Fernsehen am Beispiel von ARTE 53 leises und monotones Sprechen gesehen, auch das Auftreten von „Parasiten“-(Häsitations-)lauten wurde von fast allen Befragten stigmatisiert. Etwas uneinheitlich wurde das Auftreten von (längeren) Pausen und damit in engem Zusammenhang die für das Simultandolmetschen typische décalage bewertet. Am tolerantesten erwiesen sich im letztgenannten Fall die ausgebildeten Dolmetscher, die ganz offensichtlich größere Einsicht in Ursachen und Notwendigkeiten dieser Phasenverschiebung haben. Im zweiten Teil des Fragebogens wurde nunmehr die vorher angesehene Medienverdolmetschung beurteilt. Zunächst kann festgestellt werden, dass sehr positive durchschnittliche Gesamteinschätzungen (über 90 % der Befragten bewerteten die Dolmetschleistungen als insgesamt gelungen und absolut gelungen) verdeutlichen, wie sehr die beobachteten Leistungen den Erwartungen gerecht werden. Dabei ist zweifellos auch bedeutsam, dass die besten Werte von den Rezipienten mit Dolmetscherfahrung vergeben wurden, was nicht verwundert, da sie auch im ersten Teil des Fragebogens hinsichtlich der Anforderungen die durchschnittlich geringeren Ansprüche gestellt hatten. Bemerkenswert hingegen scheint uns die nur wenig schwächere Beurteilung durch die ausgebildeten Dolmetscher, deren Erwartungen offenbar deutlich übertroffen wurden. Betrachtet man die untersuchten Parameter im Einzelnen, dann ergibt sich folgendes Bild: Die höchsten Werte wurden für drei Merkmale vergeben, die zweifellos eng miteinander zusammenhängen und durchweg Noten zwischen 3,6 und 3,9 erhielten, die Merkmale „Sinnwiedergabe“, „flüssiger Vortrag“ und „Kohärenz“. Nur wenig schwächer bewerteten die ausgebildeten Dolmetscherinnen/ Dolmetscher und die übrigen Rezipientinnen/ Rezipienten mit Dolmetscherfahrung auch die weiteren Faktoren, womit festzustellen ist, dass eigentlich alle acht Kriterien von Bühler (1986) ganz offensichtlich gleichermaßen relevant und positiv gesehen wurden. Nur die Rezipientinnen/ Rezipienten ohne Dolmetscherfahrung gaben mit ihren Einstufungen zu verstehen, dass sie hinsichtlich der Realisierung bestimmter Merkmale deutlichere Unterschiede (Nicht-Übereinstimmung mit ihren Erwartungen) gesehen haben. Dazu gehörten die Vollständigkeit, die Flüssigkeit, die angenehme Stimme sowie der korrekte terminologische Ausdruck. Da sich alle Werte im Bereich zwischen drei und vier Punkten (= Höchstpunktzahl; positive Wertung) bewegen, kann man jedoch nicht von einer deutlich kritischeren Betrachtung ausgehen. Die Unterschiede zwischen den Rezipientengruppen sind im Übrigen je nach Merkmal sehr wohl nachzuvollziehen, denn nimmt man zum Beispiel das Kriterium „flüssiger Vortrag“, dann wird in der hohen Bewertung von 3,8 Punkten, die von den Rezipientinnen/ Rezipienten mit Dolmetscherfahrung vergeben wurden, deutlich, dass deren bisherige Erfahrungen mit Dolmetschleistungen ganz offenbar durch die Mediendolmetscherinnen und -dolmetscher übertroffen wurden, zu deren Grundanforderungen gerade die Sabine Bastian 54 Fähigkeit zur Sicherung eines flüssigen Vortrags gehört (vgl. Kurz 1997: 127ff.). Die Gruppe der Rezipientinnen/ Rezipienten ohne Dolmetscherfahrung sah genau diese Eigenschaft weniger positiv, was darauf hindeuten könnte, dass ihr „Vergleichsobjekt“ eher die flüssige Darbietung von Moderatoren oder Fernsehjournalisten ist. Ebenfalls aus der bewertenden Perspektive der Rezipienten soll nunmehr die zweite Faktorengruppe zu Merkmalen der gesprochenen Rede kurz betrachtet werden. Die dort aufgelisteten „Störfaktoren“ wurden hinsichtlich ihres Vorkommens insgesamt als eher gering bewertet. Die vergebenen Noten (Punkte) bewegen sich zwischen 1,2 und 2,0. 11 Das bedeutet, dass keiner der Störfaktoren besonders häufig auftrat bzw. als besonders unangenehm empfunden wurde. Analog zur vorangegangenen Kriteriengruppe zeigt sich auch hier wiederum, dass die Rezipienten mit Dolmetscherfahrung am tolerantesten sind oder - anders gesagt - das größte Verständnis für die betreffenden „Störungen“ aufbringen. Anders verhält es sich bei dem Kriterium „monotones Sprechen“, das von der gleichen Probandengruppe als am unangenehmsten markiert wurde, wenn man das bei einer Bewertung mit 1,8 überhaupt so sehen kann. Insgesamt liegen die Bewertungen zu diesem Komplex recht nah beieinander und stimmen in der positiven Bewertung der bei ARTE eingesetzten Dolmetscher weitgehend überein. Abschließend soll eine schematische Darstellung die Gesamtbewertung der Rezipientinnen-/ Rezipientengruppen zur allgemeinen Qualität der Dolmetschleistung verdeutlichen: 0 5 10 15 20 25 30 35 40 nicht gelungen gelungen Rezipienten mit Dolmetscherfahrung n=5 Rezipienten ohne Dolmetscherfahrung n=17 Ausgebildete Dolmetscher n=8 Abbildung 1: Beurteilung der Qualität der Dolmetschleistung (in Prozent; nach Lerke 2010) 11 Zur Erinnerung sei erwähnt, dass bei dieser Frage die Bewertung 1 gleichbedeutend mit „am wenigsten unangenehm“ war und die Bewertung 4 für „sehr unangenehm“ vergeben wurde. Dolmetschqualität im Fernsehen am Beispiel von ARTE 55 Die Abbildung zeigt nochmals auf, dass bei einer insgesamt sehr positiven Bewertung der Dolmetschleistung diejenige der Rezipientinnen/ Rezipienten mit Dolmetscherfahrung mit deutlichem Abstand am besten ausfällt. Die (größte) Gruppe der Rezipientinnen/ Rezipienten ohne Dolmetscherfahrung erweist sich zugleich als die anspruchsvollste. Inwiefern sich diese Beobachtungen bei zukünftigen Befragungen bestätigen, bleibt abzuwarten, immerhin könnte und sollte darauf bei der Konzeption entsprechender Untersuchungen geachtet werden. 4 Anstelle eines Schlussworts Nachdem wir einige Ergebnisse aus aktuellen Qualitätsbewertungen zu Live-Verdolmetschungen bei ARTE vorgestellt haben, wollen wir nunmehr auf die Frage zurückkommen, inwieweit sich dabei die von Kalina (2004) sowie Kalina/ Ippensen (2007) erarbeiteten Kategorien für diese Art von Untersuchungen als hilfreich erwiesen haben. Zunächst kann festgestellt werden, dass die Faktoren der peri-process- Phase in den beiden vorgestellten Untersuchungen differenziert beurteilt und berücksichtigt wurden. Besonders im Hinblick auf die Kriterien „technische (inkl. Kabinen-)Ausstattung“, „Team“ und „Arbeitszeiten“ sowie „Verfügbarkeit von relevanten Dokumenten“ wurden mittels der Fragebögen von Sarah Fünfer (2009) detaillierte Aussagen und Angaben erfasst, die zeigen, dass die Rahmenbedingungen für das Mediendolmetschen bei ARTE überdurchschnittlich gut sind, was sich auch auf die Qualität deutlich auswirkt. Diese wurde insbesondere im zweiten Teil der Befragungen von Lerke (2010) erfasst. Anhand der ermittelten Ergebnisse zeigte sich, dass eine von Kalina zu Recht geforderte detailliertere Analyse der Erwartungen der Zieltext-Adressatinnen/ -Adressaten (Rezipientinnen und Rezipienten der verdolmetschten ARTE-Sendung) in Bezug auf die beobacht- und bewertbare zielsprachliche Realisation, aber auch in Verbindung mit den Bedingungen und Merkmalen der Ausgangstext-Präsentation zu belastbaren Ergebnissen führen kann. Die vorliegenden Untersuchungen sollten in der Folge auch auf weitere, im Modell von Kalina/ Ippensen (2007) aufgeführte Parameter, so zum Beispiel die Intentionen der Ausgangstext-Produzenten u.a., ausgeweitet werden, um ein möglichst umfassendes Bild von der Qualität der untersuchten Dolmetschleistung zu gewinnen. Sabine Bastian 56 Literaturverzeichnis ARTE (o.J.). Chronik. http: / / www.arte.tv/ de/ Willkommen/ suche/ 39054.html (Stand: 15.12.2011). ARTE (o.J.). Gründungsvertrag. www.arte.tv/ static/ c5/ pdf/ gruendungsvertrag.pdf (Stand: 15.01.2012). ARTE (o.J.). Zwischenstaatlicher Vertrag. www.arte.tv/ static/ c5/ pdf/ zwischen staatlicher_vertrag.pdf (Stand: 15.12.2011). Bühler, Hildegund (1986). Linguistic (semantic) and extra-linguistic (pragmatic) criteria for the evaluation of conference interpretation and interpreters. Multilingua 5.4, 231-235. Bros-Brann, Eliane (2002). Checklist for TV interpretation. http: / / aiic.net/ ViewPage. cfm/ article456.htm (Stand: 15.01.2012). 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Sabine Bastian: ordentliche Universitätsprofessorin für Translatologie (frankophone Kulturen) an der Universität Leipzig, Direktorin des Instituts für Angewandte Linguistik und Translatologie (IALT). 1967-1971 Studium am Dolmetscherinstitut (später Sektion Theoretische und angewandte Sprachwissenschaft/ TAS) der Karl-Marx-Universität Leipzig (später Universität Leipzig), 1971 Diplomdolmetscherin und Übersetzerin (Französisch und Russisch); Dr. phil. 1974 (Übersetzungswissenschaft), wiss. Mitarbeiterin (Assistenin/ Oberassistentin) an der Universität Leipzig ab 1973, bis 1982 im Bereich Sprachmittler der TAS, danach am Institut für Weiterbildung der Sprachmittler (IWS), ab 1992 am Institut für Romanistik und seit 2008 am IALT (ordentliche Professur). Langjährige Leiterin und stv. Leiterin der Sektion „Übersetzungs- und Dolmetschwissenschaft“ der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL e.V.); Habilitation im Januar 1991 zum Dr. phil. habil. zur Problematik der Lehrnormen (gesprochenes Französisch) für die Ausbildung zukünftiger Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Michaela Albl-Mikasa The importance of being not too earnest: a processand experience-based model of interpreter competence 1 Introducing interpreter competence The work presented in this chapter on interpreter competence draws on a 90,000 word corpus of in-depth interviews 1 with 10 experienced professional conference interpreters working in the German market. The interviewees, 4 female and 6 male interpreters 2 , were randomly recruited (the criteria being their availability) from the 32 respondents that had filled out the questionnaire analyzed in my earlier paper on the implications of Global English on the interpreting profession (Albl-Mikasa 2010). They all work as freelance conference interpreters in the German-speaking market: 1 for the EU, 2 for the EU and the private market, and the other 7 in the private market; 2 of them have a working experience of 30 plus years, 2 of 20 plus, and the other 6 of about 15 years; 9 have German as their A language and English as B or C, 1 has an English A and a German C (most of them also have other C languages); 8 of them are members of AIIC. Each interview lasted for 60 to 70 minutes and their word-for-word transcriptions (disregarding prosodic and other para-linguistic features) range from 7,000 to 11,000 words each. For a theoretical foundation, there are a number of highly interesting models of translator and interpreter competence. However, for the analysis and presentation of my interview data, they are not detailed enough (Pöchhacker’s “Kompetenzanforderungsmodell” 3 , 2 2007: 44-45, 2001: 22), rather translation-specific (Göpferich’s “Translationskompetenzmodell” 4 , 2008: 155-157, 2009: 20-21), or clearly interpreter training-oriented (Kutz’s “Leipziger Kompetenzmodell der Dolmetschdidaktik” (LKM), 2010: 12, 189-232). An intriguingly detailed model is Kiraly’s translator competence model, which distinguishes between “translation competence per se”, “personal 1 The work was sponsored by ZHAW-internal IFEF project funds. 2 See also the acknowledgements at the end of this chapter. 3 Pöchhacker distinguishes “linguistic and cultural competence, interpreting (transfer) competence, interpreter (professional role) competence” ( 2 2007: 44-45, my translation). 4 Göpferich distinguishes “communicative competence in at least two languages, domain competence, tools and research competence, translation routine activation competence, psychomotor competence” (Göpferich 2009: 20). Michaela Albl-Mikasa 60 competence”, and “social competence” (cf. Kiraly 2006: 72-75). 5 Interpreters, however, do not look at what they know and are able to do in the terms used in this model. They do not speak about “world knowledge”, “strategies”, “norms and conventions”, or even “culture”, which label the subskills specified by Kiraly (cf. footnote 5). What they address are performanceand process-related requirements and capabilities - things they do, can do, and need to do. This ties in with what Kutz (2010) calls “Handlungstypen”, that is, internalized prototypical knowledge schemata about (sub-)processes in interpreting (cf. Kutz 2010: 198, 206). 6 Yet, as mentioned above, Kutz’s very comprehensive and detailed account of “Dolmetschkompetenz” is geared towards interpreter training, that is, its aim is in line with Kalina’s pedagogic claim to break down the vague definition of skill to be acquired into subskills that are to be mastered one after the other, in distinct, well-defined learning stages, so that a fully developed teaching method for training future interpreters can be established. (Kalina 2000: 12) Unsurprisingly, this again does not match the practice-oriented views expressed by the professional interpreters in my survey, who do not consider delimitable steps, stages, or categories (as geared towards training). As it turns out, it is Kalina’s division of the overall interpreting process into pre-, peri-, in-, and post-process dimensions (cf. Kalina 2006: 257) that is a most fitting scaffold for structuring and modeling the process-oriented skills specified by my informant interpreters. The approach taken here is, therefore, to look at interpreter competence through the eye of the experienced conference interpreter, and thus, to flesh out abstract notions of (sub)competence 7 with concrete, experience-based, and performance-geared instantiations of interpreting skills reported by the professional. Second, the aim is to provide a framework for these professed skills, on the basis of, and by extension of, Kalina’s model and by referring back to various elements and concepts from the other models mentioned above. The resulting model, which seeks to describe interpreter competence from the vantage point of the interpreter’s living experience, has an empirical basis that is neither representative nor complete in its presentation of the 5 “Translation competence per se” includes the skills “linguistics, culture, text typology, norms and conventions, terminology, world knowledge, strategies, technology, research”; “personal competence” the skills “autonomy, preparedness for lifelong learning, quality control, sense of professional responsibility”; and “social competence” the skills “etiquette, negotiation, teamwork” (cf. Kiraly 2006: 72-75). 6 It is also in line with Pöchhacker’s definition of interpreter competence proper as „situationsadäquate[s], von berufsethischen Normen getragene[s] Verhalten und Agieren während, vor und nach der zu vermittelnden kommunikativen Interaktion“ (Pöchhacker 2001: 22). 7 As for abstract notions of interpreter competence, see also Chabasse (2009). A processand experience-based model of interpreter competence 61 various subskills, but I hope to paint a more tangible picture of the professional interpreter’s “haves and must-haves” for the aspiring student and to pass on some delightful insights to the reader and, in particular, to Sylvia Kalina, who has always taken such keen interest in each individual interpreter - student or colleague - and in the interpreter’s activities and profession. 2 Modeling interpreter competence As mentioned before, the model’s architecture is an adaptation of Kalina’s description of the overall interpreting process dimensions (pre-, peri-, in-, post-process). I added the para-process dimension because the interpreters reported business-related matters to be of major relevance for their work. One interpreter highlighted this in the following words: The longer I’m in the business, the more I feel that interpreting proper in the booth is only 50% of my job, the rest are all those other things you have to manage. For you need to get an assignment in the first place, before you can start thinking about techniques and stuff. And whether an interpreter’s performance is deemed good does not only depend on what comes out of the booth, it’s how you present yourself, how you deal with the customer, how you handle the job all along. (I-10) The para-process dimension covers all aspects of the interpreter’s small-scale enterprise, exoprocess- (building up and organizing one’s own (freelance) business) as well as endoprocess-related (from the first contact and negotiation of working conditions; meeting and supporting the customer during the event; down to how to present the bill, express a word of thanks, and pave the way to a follow-up assignment). It is thus a dimension running alongside, as well as above and beyond, all other processes. Against the background of the information gained from the interviews, and given the framework sketched out above, the process-related skills can be specified as follows: Michaela Albl-Mikasa 62 Pre-process skills: a) High-level command of working languages b) Low-key computer-assisted terminology management c) A generalist’s informed semi-knowledge d) Streamlined assignment preparation Peri-process skills: a) Teamwork and a cooperative attitude b) Unimposing extrovertedness c) Professionalism between instinct and a sense of realism d) Pressure resistance and frustration tolerance In-process skills: • Comprehension skills a) Below-expert scanning, identifying, and matching b) Contextualization c) English as a lingua franca (ELF) compensation • Transfer skills a) Simultaneity b) Capacity relief measures • Production skills a) Synchronicity and décalage modulation b) Reduction c) Balancing act between high fidelity and audience design d) ELF accommodation e) Performance, presentation, prosody Post-process skills: a) Terminology wrap-up b) Quality control Para-process skills: a) Business know-how, customer relations, and professional standards b) Lifelong learning predilection c) Meta-reflection A processand experience-based model of interpreter competence 63 This results in the conceptualization shown in Figure 1: Figure 1: Processand experienced-based model of interpreter competence 3 Fleshing out abstract notions of interpreter competence The following presentation of interpreter subskills concentrates on conference interpreting in simultaneous mode. 8 The account is an analysis of the authentic statements of the professionals introduced above. 9 8 It also applies to consecutive interpreting, where, however, additional skills regarding memorization and note-taking are needed. 9 The interviews were conducted in German, so the quotes are translated versions of the statements; the advantage is greater anonymity. This is also the reason why I refer to all interpreters as ‘she’ and all speakers/ source text producers (and other participants in the Michaela Albl-Mikasa 64 3.1 Pre-process skills The pre-process skills dealt with in this section include the fundamental skills acquired by an interpreter throughout his life. Since skills such as language knowledge and preparation know-how have immediate consequences for and effects on the interpreting processes, they are presented under this heading. a) High-level command of working languages Interpreters generally agree that their command of A and B languages needs to be of a very high level. But what exactly does that mean? In the interviews a distinction was made between interpreters working in the private market and those working for the EU. In the EU, where interpreters exclusively work into their mother tongue, greater importance is attached to linguistic form. Strict linguistic criteria are therefore applied to entrance tests, where “solid rendering of the source speech content is not sufficient to pass the test” (I-3). That form equals or is more important than the message also applies to interpreting on TV or for government departments, that is, when rendering linguistically versatile politicians. On the private market, where interpretation is from and into one’s B language, “one can realistically say” (I-3) that standards are not as high. In the prevalent case of specialist subject conferences (e.g., a civil engineering conference or a financial results announcement), the output should be “grammatically correct, principally idiomatic and unobtrusive” (I-3), as well as easily understood “delivery of content and subject matter and proper pronunciation of highly technical terms such as polydicarbonate” (I-3). There is no need to surpass the average speaker, the natural scientist/ biologist, or even the law person with somewhat greater linguistic awareness and more complex language use. In particular, when it comes to technical conferences in the literal sense of the word (cars, engines), speakers cannot be expected to have rhetorical training. Therefore, a solid command of the language is sufficient in these contexts, which means, however, that a German B should be a non-deficient German, that is, it is not acceptable to get articles or case-‘n’ wrong more than once or twice. In the case of C languages, the ‘rare-to-find-aninterpreter-for’ ones are accepted as official working languages even when the interpreter feels “not yet ready to survive every situation, for example, deliver a solid performance at a medical or archeologist conference” (I-4). For interpreters with an English B, “there is always a danger to content oneself with a kind of mediocre conference English” (I-7), which one is alerted to only “on those rare occasions when one works in a team with an communicative interaction) as ‘he’. With regards to the interpreters’ quotes, the 10 interviewees were coded from I-1 to I-10 in alphabetical order and referenced as such. A processand experience-based model of interpreter competence 65 English A colleague” (I-7). The problem is aggravated by the increase in non-native audiences, where an effort to speak one’s English at one’s best (by exploiting the full range of idiomatic expressions, phrasal verbs, and collocations) would only lead to comprehension failure on the part of the listeners. At the same time, interpreters report being increasingly confronted with “wrong” (I-8) English by non-native speakers so that they feel the need to actively go against its influence. This is one of the reasons why a number of interpreters see it as a major drawback to have to interpret non-native speakers more often (on the interpreters’ preference for native speaker source text producers, cf. Albl-Mikasa 2010). As a consequence, interpreters take a number of formal and informal measures to attend to the cultivation of their (active and passive) language competence (the acquisition and maintenance of which is subject to further analysis of the corpus data). b) Low-key computer-assisted terminology management In addition to high language proficiency levels, terminology work is another sine qua non for the interpreter. The terminological results of an interpreter’s (internet, textbook, expert, or other) research have to be processed in such a way that they are readily available for (a) long-term retrieval and (b) immediate assignment-geared use. With regards to (a), a terminology management program or database 10 has several advantages. It allows the interpreter not only to go beyond alphabetical lists of translation equivalents, but to include additional information, such as definitions, explanations, collocations, usage information, examples, source references (where the information originates from and whether or not it is reliable), and even hyperlinks to other relevant entries, especially illustrations or diagrams (e.g., of technical devices), or to full articles with detailed encyclopedic information on the topic. Because it would be time-consuming to have to decide what to put where, all this information is integrated in the same entry field. All in all it is a rather low-key kind of terminology management, yet one that is more sophisticated than assignment-specific glossaries. It allows the interpreter to cross-reference and flexibly search the database for terms that are relevant for different assignments, to hold information specifically processed and refined for interpreting purposes, and to preserve it for later events. Regarding (b), such a tool enables the interpreter to access the relevant terminology through her laptop in the booth or to print out a paper version of it as a memory support and, ideally, to retrieve the “essentials” (I-3), that is, the 10 An interpreter-specific terminological database is, for instance, “LookUp”, designed by Frank Austermühl, Sabine Meyer, and Christoph Stoll (www.lookup-web.de). For a report on the use of new technologies by interpreters, see Stoll (2002), Will (2009), and Kalina (2010). Michaela Albl-Mikasa 66 most important terms and concepts specifically earmarked in the database beforehand. 11 However, terminology work comprises not only the systematic management of an interpreter’s terminologies, but also the collection and integration of relevant terms as she comes across them in newspapers, other media, or on any possible occasion. And, finally, it includes the gathering of typical stumbling blocks, which the interpreter sees recur and catch her out, such as particular syntactic constructions (e.g., how to render notions of sollen) or abstract words (e.g., Leistung, differenziert). The interpreter’s terminology management competence goes hand in hand with a particular attitude. It is less a matter of looking up and knowing technical or special purpose terms and phrases, but of “gaining access to and opening up a whole terminological microcosm” (I-4). For instance, when having to work in a fishery or dairy industry context, one of the interpreter’s “principal instruments” (I-4) is the capacity to take an interest in working one’s way into such relatively dry subject matters and to see new vistas opening up when operating modes, procedures, correlations, and contexts reveal themselves. Moreover, interpreters need to be alerted to and on the lookout for changing terminology. Due to ongoing internationalization even wellestablished terms will suddenly be exchanged for new ones. For instance, companies reporting in accordance with International Financial Reporting Standards (IFRS) will have to use IFRS terminology, so that a standard term such as balance sheet will suddenly be statement of financial position, or the standard British English (BE) term profit and loss account (P&L) will become income statement (normally used under US Generally Accepted Accounting Principles). c) A generalist’s informed semi-knowledge In the interviews an interesting distinction was made between an interpreter’s longer-term built-up competence, which means having some understanding of the content matter at hand (including ready availability of the relevant terms), and a short-term “pseudo-competence”(I-1) of getting the corporate wording of an organization right. In the former case, the lexical and terminological decisions are taken on the basis of the interpreter’s background knowledge. For instance, when faced with the word Generator in a German source text, the interpreter has to decide between the English generator (Gleichstromgenerator) and alternator (Wechselstromgenerator). To know that Wechselstromgeneratoren are usually used in cars will greatly facilitate the interpreter’s choice of the correct term. The alternative is to learn glossa- 11 A ready-made function of that kind is, however, not yet available in programs such as LookUp. A processand experience-based model of interpreter competence 67 ries by heart and to have some short-term storage of what things are called in a given context, for example, that of a particular EU committee, or to know the jargon of a particular company (e.g., the different labeling of the same screw at Mercedes or Volkswagen). The pseudo-competence is needed for the interpreter to avoid simply rattling along trying to keep up with the speaker: Even to translate a simple recipe into German, one that is altogether clear and unambiguous, is almost impossible unless you know how to cook or unless you have cooked from recipes. The longer I’m in the job the more I feel that you cannot afford not to take an interest in everything. (I-8) The need to have some insight into most things results from the experience that conferences are like Forrest Gump’s box of chocolate: you never know what you’re gonna get. “Especially when you work with English, anything that is possibly talked about can become a matter of interpretation” (I-3). Once the “honeymoon period” (I-7) is over, interpreters feel the requirement to be able to cope with anything that may be addressed. This is why they opt for a wide array of knowledge rather than in-depth knowledge. They point out that it is better to know the important facts and events of a number of topics than to have expert knowledge about just one. At the same time, there is a general tendency to build up a basic repertoire for one’s main contract areas (be they banking and finance, the automotive industry, or medicine). For these recurring subject matters, interpreters are ready to invest more time, and even attend a seminar or analyze a specialist book, journal, or any other source to get a more thorough idea of what the respective facts and concepts “are about, how they are interrelated, what they do and how they work” (I-3). Aside from this, the minimum criterion for each individual conference is to have at least a basic idea of what the speaker is aiming at. While it is sometimes unavoidable “to keep throwing in one chemical term after the other” (I-2), the principal goal for an interpreter is to build up a kind of “informed semi-knowledge” (I-8) in the most common fields they are contracted for and not to spend too much time on one particular topic (outside the preparation for a given assignment). It is said to be “counterproductive” (I-3) to deal with a particular topic in greater depth at the expense of other areas. Thus, the interpreter’s “world knowledge competence” (Kiraly 2006: 72) is described by the interpreter as follows: Be a generalist, have a basic, network-like idea of the most important facts of many fields, have them ready and available and know how to quickly work your way into any other subject matter. (I-3) (see also the following section (d) on preparation skills) An important point is that the interpreter’s building-up of subject knowledge is not so much geared towards particular subject areas, fields, or disciplines, but to text and conference types. It is with a view to a particular event Michaela Albl-Mikasa 68 (e.g., an annual general meeting of shareholders (AGM) or a press conference on the annual financial statements) that interpreters need to gain a general idea of what things are all about: It is against this backdrop that they have to work out the key elements and main components (e.g., the balance sheet and the profit and loss account in the context mentioned above) and know which ones are crucial; for it is in the context of these events that one concept may be of particular relevance, e.g., the profit and loss account (P&L) takes precedence over the balance sheet in the above-mentioned context which it does not on a more general level. Knowing these basic patterns allows the interpreter to stand on firm ground. Even if her performance is not perfect or a term is missing (which can be looked up or taken from a colleague), she will have things under control and avoid committing one of the interpreter’s “capital sins” (I-3) (e.g., mixing up balance sheet with P&L). It will also help her to draw the correct inferences in case her acoustic memory retains only part of the message (such as ‘-illions’, in which case she will know that blue-chip companies are dealing with billions when it comes to total assets and revenues, while net income is usually in the range of millions). Getting such key matters wrong, would immediately lose her all credibility and endanger a follow-up assignment. d) Streamlined assignment preparation Preparation is generally strictly targeted to specific assignments. It is felt to be uneconomical to prepare subject matters in the vague hope that they will one day be on an event’s agenda. Even if they were, the information prepared a long time ago would be difficult to relocate and the preparation work might have to start all over again. There is broad agreement among the informant interpreters that preparation competence involves efficiency and economy of effort and comprises, in particular, the following subskills: Fast orientation: Interpreters must learn to easily and quickly access and navigate a new subject matter and get oriented. They have to know “where to start, where to search, what to look at and how to go about it” (I-8), especially if the topic is entirely new and complicated. The interpreter’s most important source is the internet. While in the days when many of my informants started the internet was not available as an inexhaustible source of information, they are now faced with the situation where megabytes of documents pour in the night before an assignment. This makes fast orientation skills even more important. People who tend to get bogged down in inefficient search routines are said to be inept for the job. The skill involves a targeted, tailor-made, systematic preparatory routine. Selective approach, fast overview: Advanced interpreters have given up any self-imposed claim for completeness when it comes to preparing an assignment. They need to know where to put the focus and how to separate the A processand experience-based model of interpreter competence 69 essentials from the non-essentials and they must “dare to skip things” (I-1). Since any aspect may crop up at a conference, it is better to make a list of the most important terms (15 according to one interpreter (I-1), 20 (I-9) and 40 (I- 8) according to others - either way “quality instead of quantity”, I-8) than to get worked up about frantically trying to work one’s way through each and every detail and to consult yet another dictionary or internet site, only to end up confusing the details for sheer excitement. It is part of this preparation competence to pick out the central terms, that is, to separate the wheat from the chaff as it were. Significant insights need to be gained about the central facts, the speakers, and interlocutors. To that end, it is often not enough to look at the presentations received. Instead, the interpreter has to go beyond customer documents, that is, by looking at the odd Wikipedia entry and searching for additional information on the internet (e.g., the company website and its annual report) so as to be able to contextualize the information received. Often there is very little preparation time, so interpreters take a closer look only at the presentations allocated to them and only quickly browse through those others assigned to colleagues; or they look more closely only at one or two out of the five customer documents received and try to gain a broader understanding of the central terms rather than skim through all of them. The point is to make the conference listener feel safe by reliably dealing with the key aspects because he will forgive a gap or small mistake in secondary points. This includes fast text analysis: quickly browse through a text, mark the central terms, abbreviations, and key concepts and pin down the essential information concerning the topic, event title, and organizational structures. Individual memo drafting: Finally, the interpreter needs to be able to decide on the “high priority essentials” (I-3) and to select which ones to keep ready on the laptop or a printed version as a memory support in the booth. It is important not only to grasp the relevant terminology quickly, but also to “go from reception to production and have things ready right before your eyes so as to simply read them off when under pressure” (I-4). 3.2 Peri-process skills Peri-process skills are closely linked to the intraand interpersonal skills in Kiraly’s translation competence model (cf. Kiraly 2006: 73-74). They are described by the interviewees as follows. a) Teamwork and a cooperative attitude Most freelance interpreters have their own small-scale businesses, that is, there is no boss above and no staff below them. Yet, teamwork and cooperation seem to play a fundamental part in the trade. Since many interpreters Michaela Albl-Mikasa 70 are contracted by other interpreters acting as conference organizers and consultants, and depend on them to get a job, the requirement “to be a good colleague” (I-9) or simply “to get on with your boothmate” (I-2) is decisive. For “where but in the booth - or perhaps the cockpit - do you have to work together in such restricted space” (I-9). To be a “good colleague” means above all not displaying diva-like attitudes and maintaining pleasant interpersonal relationships. This relates to the boothmate as well as customer contacts. Booth manners include sparing “your colleague molestations of an acoustic, olfactory or any other nature” (I-1), namely, handling one’s perfume dose with care during working hours and avoiding typing away at emails on one’s laptop while a colleague is trying to concentrate. Teamwork with regard to the colleague also means keeping up a supportive attitude in the booth (providing missing information - terms, figures, equivalents) and not to take center-stage, but to let the chef d’équipe do the talking. The team-player skill includes a certain robustness towards uneasy situations and the ability to bear with colleagues who are felt to be less pleasant, less competent, or less forthcoming. This, however, is rarely a problem because interpreters become familiar with the “arranged marriage” situation during their university courses. The more difficult part is cooperation or dialogue with the customer. “It takes a bit of manners and confidence” (I-1) and one needs to know “when to shut up in situations where the going gets rough and things become difficult for the organizers of an event” (I-6). The customer relations skill is said to be one of the criteria in deciding which colleague to send out to a customer. One who lacks social competence or a sense of human interrelations and insists on having her rights enforced at the event will not be contracted even if her interpreting performance is of high quality. Interpreters need to know when to speak up for good working conditions and when to make do with poor ones. They should not get excited and worked up when the microphone is not working and certainly need not jump up and let the entire audience know about their complaint. They need to remain quiet and wait for an opportune moment to voice their complaint, especially in the case of a “difficult customer” (I-10). Finally, interpreters need to be able to withstand criticism (by colleagues, customers, or the audience). The constant fear of critical judgment will make each interpreting job a “nail-biter” (I-1) and a source of pure stress. They therefore have to be able to cope intellectually as well as psychologically. However, feedback seems to be a tricky business among interpreters. While positive feedback (especially from the customer) is part and parcel of their job satisfaction, interpreter colleagues mostly refrain from pointing out mistakes, bad performance habits, or other aspects with room for improvement. There are, however, a number of interpreters who deliberately bring unfavorable whims and performance-related deficits to each other's attention. A processand experience-based model of interpreter competence 71 They are often the ones for whom “interpreting simply is teamwork” (I-7). For some of them, teamwork begins before the conference and covers a whole range of possibilities - exchange of views and information relating to market segments, customer consulting, presentation of offers and bills, preparation and exchange of documents and glossaries, feedback to reflect one’s own performance, and so forth. Others, however, prefer to be loners and to do their bit in their own independent way. b) Unimposing extrovertedness The interpersonal competence described above is matched by the intrapersonal skill to display a non-imposing extrovertedness. It is often said that interpreters need to be extrovert. In fact, their position is a rather paradoxical one. On the one hand, an interpreter must not be shy. The job is said to be impossible for people who feel ill at ease when they have to face a certain degree of “public exposure” (I-10) or are the “bookish type” (I-2) who prefer to work away alone in their little parlor. On the other hand, the job is similarly unfeasible for “top dogs” (I-9) who need to be in the limelight all of the time. Interpreting means operating in the background behind the scenes; on the one hand, interpreters have to want to communicate and actively promote communication, whereas on the other hand, they have to hold back and keep quiet. Despite doing an ambitious and demanding job, interpreters must content themselves with positive feedback on rare occasions and develop a certain immunity towards any wish for recognition, praise, or compliments. The kind of modesty required is not always easy because interpreters are well aware of the fact that they do a job only a few people can do. Moreover, during their qualification time, they often feel under pressure and unsure if they will ever be up to the goal of becoming what is considered the “crème de la crème” (I-2) among language professionals. When the goal is finally reached they find themselves in an absurd situation: Not only are there moments when they feel they are “trying to do the impossible” (I-2) (e.g., “when German speakers read out some of those terrible convoluted sentences and there is no way to anticipate the verb”, I-2), they also find themselves engaged in an activity that is very passive and requires working as a machine. Having been told over and over again that an extrovert mentality is helpful, they find themselves doing a job for the introvert for “often you sit there and you just think, well, we’re just parroting what someone else has to say and no one will give a damn about my opinion” (I-2). Interpreters develop different strategies to cope with this paradoxical situation. Some of them say that they virtually merge into the speaker and become one with him, giving up - in a “quasi-Buddhist sense” (I-3) - their own will and ego and becoming nonexistent as it were. This makes it easier Michaela Albl-Mikasa 72 for them not to expend any energy on their own concerns, (physical and psychological) needs, preferences, and reservations. Others take a somewhat emancipatory stance and adopt the slightly “heretical” (I-8) attitude of highlighting the creative aspects of interpreting. When faced with common expressions of “sympathy” regarding their having to parrot all the time, they question other professionals’ much acclaimed creativity: “So sorry for those poor actors, at least we do it in another language, while they have to parrot prefabricated phrases and do what the director tells them to do” (I-8). Then again, there are those who opt for a pragmatic approach, which, in actual fact, is a very general attitude. Interpreters are aware that they are “service providers in the extreme sense of the word” (I-9) and better keep a low profile. They believe that it makes good sense to enable communication in multilingual settings and are confident that they are in a position to make a valuable contribution, even if this is rarely recognized by the customer. They put successful communication before personal interest and accept that part of the game is to be “heard but not seen” (I-2) and to leave behind their personal self (knowing full well that there are other occasions to expose their music, teaching, and other talents). Many of them have the rare capability of holding back their opinion and personal judgment, even swallowing their complaints and demands, and waiting for the opportune moment to arise when they can express them. c) Professionalism between instinct and a sense of realism In the interviews, the interpreters used words such as “instinct (I-1, I-7), social and emotional competence (I-7, I-10), sensitiveness (I-5, I-9), empathy (I-7) or intuitive sense (I-1, I-3)” to describe what is required to do a professional job. It is difficult to characterize this kind of intuitive competence because it covers a whole range of different facets. It has to do with an interpreter’s deeper understanding of what is going on, what is at stake, and what things boil down to. In order to sound convincing while using somebody else’s words, the interpreter has to develop a kind of empathy for the speaker, a feeling as to who exactly is speaking and the skill to read between the lines and grasp what he is talking about and what will come next. While “empathy” (I-7) was the word used by one interpreter, another described this as virtually entering into the speaker’s head and “being only function and pure will” (I-3). While not every interpreter will go that far, it seems that, at least to some extent, such a skill is required. It is what lends credibility to the interpreter’s performance, which would otherwise remain flat and somehow incomplete even when all other skills (language, interpreting techniques, terminology) are fully operating: “like a car that has all the necessary parts and components but doesn’t look or feel nice - you simply do not feel like listening to such an interpreter” (I-7). The point of this kind of A processand experience-based model of interpreter competence 73 intuitive sense is that it goes beyond what is generally understood by “professional responsibility” (cf. Kiraly 2006: 73) or the faithful rendering of the speaker without addition or distortion. It is more than the awareness that one should be a neutral voice; it is the capacity to grasp and even feel exactly what the speaker is talking about. In a wider sense, it also encompasses sensitivity to the overall situation, that is, to know what is adequate in a given context. For instance, the interpreter should understand when to better content herself with a lower quality performance, because the situation warrants it, and when to intervene and address the customer to set the conditions right and enable a high-quality performance. She must develop a very careful sense of the rare occasions when it is appropriate, helpful, and much appreciated that the interpreter pushes out of her role as a neutral voice and becomes an autonomous text producer (cf. Kalina 2009: 176). However, “it takes good intentions and a certain intelligence to be able to gauge the consequences and dangers involved” (I-1). This deeper sense seems to go hand in hand with a certain amount of selfconfidence. The professional interpreter is confident that nothing will totally derail her, that she will be able to cope with even terrifying moments of source speech presentation, and that she will always find ways and means to save a situation. She will uphold a certain equanimity, groundedness, and calm relaxedness (or at least not let anything to the contrary show). She will not waste energy on preoccupations and unrelated meta-aspects, such as “am I good enough in my boothmate’s ears, did the listeners realize I used the wrong term, does it go unnoticed that I started sweating, am I overor underdressed for the occasion” (I-1). Being a professional thus also has to do with allaying and overcoming fears which are irrational most of the time anyway, because people generally have a great deal of sympathy for unmanageable situations, so even in the rare case of full bankruptcy, when you have to switch off the mike, they will not really mind. (I-1) This goes hand in hand with taking a professional attitude, that is, not letting the audience feel one’s discontent. Even though there are speakers, who make interpretation impossible, it is unacceptable to insist on blaming the incapable speaker all the time, for it is simply part and parcel of the interpreter’s job to cope with any kind of speaker; it may be different in a setting like the European Parliament but in the private market the majority of speakers is simply unacquainted with rhetoric and untrained in giving a speech. (I-7) Not getting worked up about insufficient speakers also saves much needed energy and capacity in the booth. At the same time, it is important to make a realistic appraisal of one’s performance and to clearly see “which are one’s own insufficiencies and which are objective factors severely affecting one’s performance and making it impossible to deliver a good target speech” (I-8). Michaela Albl-Mikasa 74 d) Pressure resistance and frustration tolerance It is nothing new that to be an interpreter one has to be able to face up to a considerable amount of pressure and tension. Pressure comes from various sources and interpreters paint a rather differentiated picture of it. On the lifestyle level, it involves a lot of travelling at short notice and constant alternation of high-tension phases at work and easy-going ones back home. On the level of working conditions, it concerns the quality of the technical equipment, the number of interpreters in the team, negotiations with the customer, and the fact that plum jobs are few and far between: “there are no easy conferences any more, as these are all done in English only nowadays” (I-8). On the on-site-level it involves “public exposure” (I-10), “the slightly schizophrenic simultaneity of listening and speaking” (I-3), “the perverse and unbearable uncertainty of not knowing what will happen the very next second” (I-3), “the at-the-push-of-a-button need for readiness” (I-10), and Olympic competitiveness where “the here and now counts” (I-10). On some occasions, interpreters may be taken out of a meeting and thrown into another one without much prior notice or preparation. Or they are frowned at for being late while in actual fact they were ill-informed about working times. A lack of resilience will be a problem in that pressure “weakens automatisms” (I-4) and generates uneasiness and fears that may even result in psychosomatic troubles (headaches, back problems, etc.) (cf. Mackintosh 2002). To resist pressure and to develop a level of frustration tolerance is therefore an essential part of the interpreter’s competence. 3.3 In-process skills Clearly, in-process skills relate to the fundamental translation processes of comprehension, transfer, and production. Interestingly, the interpreters interviewed refer to the respective subskills in a highly differentiated and, at the same time, selective way. 3.3.1 Comprehension skills Comprehension is paramount and has been addressed in the interviews extensively. a) Below-expert scanning, identifying, and matching While comprehension is crucial in interpreting, the important point is that it operates on different levels. This is not only a well-known finding from modern cognitive language processing research (cf. Albl-Mikasa 2007: 60-74, 112-127), but the interpreter’s very practical experience. The ideal case is when the interpreter fully understands the speaker’s intent and purposes A processand experience-based model of interpreter competence 75 and the specialized subject matter at hand. However, interpreters agree that their grasp of a subject is almost always below that of the expert: “deliverywise we are often better than the speaker, but in terms of the content matter I doubt whether we can ever keep up with the experts” (I-8). The interpreter’s goal is, therefore, not to understand perfectly, but to know what the speaker is talking about and what fact or event terms refer to, and thus, to understand well enough in order not “to have to merely rattle along after the speaker on a superficial level” (I-3); the kind of understanding implied is not simply to have learned glossary terms by heart, but to know what the concepts stand for. This supports the acoustic memory (so that the most likely option of closely related terms, such as Programm vs Prozent, can be pinned down), provides a sense of security (“When I hear Wärmepumpe and I know how it works, I immediately relax”, I-1), and helps with the identification of abbreviations: If a software company reports its latest product and I’m not familiar with it, I have a mumbo-jumbo of terms and abbreviations drummed into my ears which I somehow reproduce. If, by contrast, I know about those abbreviations, and they have a deeper meaning for me, I will do a much better job. (I-1) The interpreters reveal two different “modes” of grasping presented matter. There are those who rely on their capacity to filter out the central or “key statements” (I-6) and to make a summary analysis of the core contents that are often verbosely expressed. Others seem to enter into some kind of synesthetic understanding: In a source speech about the FDP, the CDU, and the SPD, for instance, these abbreviations will come across in a mumbo-jumbo way to a listener who knows nothing about the German political parties. For me, by contrast, these abbreviations have not only a meaning but, for obvious reasons, also a color. However, it can also be an emotional color which abbreviations and words without objective coloring assume for me. It is when their meanings have this kind of emotional value that it becomes easy for me to link them back to their contextual frame and to immediately recognize and recall them. In fact, it is this kind of “Kompetenz des Kapierens” that enables you to do a very good job even without preparation. (I-1) In both cases, the interpreter’s comprehension is not the expert’s knowledgebased reception, but a kind of process-related analytical and/ or synthetic (or even synesthetic) understanding. On a lower level, the “minimum requirement for each conference” is “to have at least some idea where things belong, how to link them up, and what the speaker is on about” (I-3). In the worst case, when no understanding is secured, the “autopilot is activated” (I-1), which may not allow for a good job, but it is at least sufficient. Interpreter assignments (e.g., in the European Patent Office) are often extremely technical and confront the interpreter with rows of technical collocated patterns, in which case interpreting is only pos- Michaela Albl-Mikasa 76 sible on a highly superficial level (this, however, is more of a standard strategy rather than an emergency strategy as described by Kalina 1998: 119). Clearly, the longer interpreters are working in a field, the deeper the insights they gain; the better they are informed about the goal of an event, or the function and position of the speakers, the better their understanding will be. To some extent, however, their knowledge of an area will always remain somewhat superficial. From a functional perspective, this is more than legitimate, since interpreting is not geared towards an exchange of facts, but towards facilitating the exchange or communication of these facts. That is, the interpreter is not interested in in-depth knowledge of the matter at hand, but in fast and intuitive understanding of how things are interrelated within the framework of the overall structure. Accordingly, the basic didactic principle “it is what you understand that you can interpret” is rephrased by the professionals as “Dinge schnell und gut und gerne verstehen” (I-3), that is, the interpreter must be ready and willing to comprehend, quick in the uptake of complex, orally presented content matters, and able to “emphatically understand not what the speaker says but what he wants to say” (I-3). It helps when one is quick witted, mentally alert, and sharp: “people who like to crack jokes and find it easy to understand punchlines and to memorize them will definitely have an edge over others” (I-3). It is such general (but high-level) cognitive and psychological skills that enable the interpreter to approach the comprehension task without anxieties: “you do not feel terrified, when you miss out a few syllables, but you rely on being saved by the contextual information provided in the ongoing discourse” (I-3). b) Contextualization The foundation on which interpreting-based comprehension rests is having a general overview or picture, an idea of the overall structure of the matter at hand. The interpreter is well-advised to inwardly step back every now and then (in the very process of interpreting) and re-contextualize the source speech: who exactly is speaking and from what perspective (“never lose sight of whether it’s the subcontractor or a company member speaking”, I-9), why and for what purpose, to whom and against which background. This helps to put things into perspective and supports anticipatory and inferential processes which in interpreting go far beyond guessing the final verb of a sentence or filling in a local knowledge gap (cf. Chernov 2004). c) ELF (English as a lingua franca) compensation The growing number of non-native English speakers at conferences and other interpreter-mediated events is clearly felt to be an aggravating factor for interpreters (cf. Albl-Mikasa 2010). In the interviews, interpreters confessed to their generally purist attitude to language matters (most of them A processand experience-based model of interpreter competence 77 are annoyed by the common use of Agenda final or finale Version der Agenda instead of endgültige Tagesordnung or Endfassung), but also emphasized a pragmatic approach when it comes to using anglicisms as part of a company’s jargon (see section 3.3.3, d), below). The problem is, however, that “ELF talk” often undermines comprehension, renders fundamental processes such as anticipation and drawing inferences more difficult, and hampers the interpreter’s attempt to deliver a high-quality performance. As one interpreter put it: It’s much better when people speak their own language, because, if not, you can’t follow their words very often, the way they think; I know the way a usual German thinks, but sometimes you don't even understand the pronunciation which is wrong. The other day a French was speaking English and he would say ‘merrily’ which you find on a Christmas card: “Ding Dong Merrily on High” and I thought what the hell is he saying and he said ‘merely’. Or I know an Italian chairman who doesn’t differentiate between le and les when he speaks French, so you don’t know whether it’s a singular or a plural. (I-2) Another interpreter (I-6) reported cases where pronunciation problems aggravated the incorrect use of concepts. In one case, for instance, a non-native speaker spoke of a ‘beer trap’. What he was actually trying to say was ‘bear trap’. Not only did he get the pronunciation wrong, he also used the wrong concept. ‘Bear trap’ is a technical stock market term denoting an undesirable situation for short sellers (they get trapped and are forced to cover their positions at high prices). The speaker, however, referred to some kind of mechanism that should stop large-scale financial transactions beyond a certain threshold. In the heat of the moment, this confusion made it impossible for the interpreter to figure out what the speaker was talking about. Only later did she realize what the speaker had been trying to say. The continuing spread of English as a global language has another unpleasant corollary for the interpreter. A highly popular trend among German native speakers is to speak “Denglish”, a “hotchpotch of German and English words” (Dieter 2004: 141), i.e. a kind of German infiltrated by any number of more or less correctly used English words, which additionally taxes the interpreter’s resources in the comprehension phase. The following examples are chosen from a whole list provided by a colleague of one of the interpreters (I-5) interviewed; they were (to make matters worse) uttered by a Swabian-German speaker: Des zeigt, dass das Business Concept auch in Krisenzeiten doch sehr cashgenerating isch. Wir ham keine Fire sales gemacht - nicht verkauft, um zu survive. Des isch natürlich heavy (gemeint war ungefähr: heftig). It is not unusual for interpreters to find themselves in a situation where part of the audience that listens to the original is unable to understand the non- Michaela Albl-Mikasa 78 native English speaker, while they are still “expected to make something out of it” (I-9). Often they have to think outside the box (“round the corner, or even around two corners”, I-6), which makes their task more arduous. This clearly affects the interpreter’s performance quality (cf. Albl-Mikasa 2012), but it also calls for new skills: interpreters need to know how to redress the careful balance of their resources and they need to demonstrate the confidence and courage to speak up and somehow let it be known to the audience over the microphone when “it is not the interpreter’s fault when what comes out of the earphones does not make much sense, but is due to nothing coherent or intelligible reaching the interpreter” (I-6). 3.3.2 Transfer skills In the interviews, transfer skills did not play a significant role. This may have to do with the professional interpreters’ feeling that this part of their task is “set and internalized” (I-10) and works without their having to worry about it. The little that was reported is as follows. a) Simultaneity The interpreter’s unique and indispensable skill is, of course, to be able to “simultaneously listen, transmit, and speak and even monitor what you’re saying” (I-6). This necessitates a “high level of alertness and concentration” (I-10). What is extremely helpful in this respect is a great storage capacity. There seem to be almost “anatomic” differences between interpreters here. Some interpreters simply have it (interestingly it is not something that increases over the course of time or comes with growing experience and routine) and they are the ones who are not panting after even fast speakers. They are also the ones who have less or no reservations about doing consecutive interpreting 12 . Another point mentioned in the interviews was that there seems to be some kind of relationship between the simultaneous skill and personality traits: One should have the “readiness to indulge in a great deal of simultaneity” (I-5). For instance, people who do not get annoyed when being talked to while on the phone, but who can integrate what is being said to them and come back to it after having finished their call, are in a much better position to become a simultaneous interpreter. Or as said before, one must have the very willingness to indulge in this “somewhat schizophrenic act of simultaneous listening and speaking” (I-3). 12 In addition to simultaneous listening, speaking/ writing, and monitoring, consecutive interpreting, according to my informants, requires even better memorizing capacities as well as efficient note-taking skills (cf. also Kutz 2002: 186-187). A processand experience-based model of interpreter competence 79 b) Capacity relief measures A major transfer skill of the professional is to take capacity relief measures. This starts in the preparation phase of an assignment when auxiliary aids are worked out. With regards to transfer, consensus has it that routine and experience help more than anything else to approach the task with much more relaxedness, calm, and equanimity. This sets free capacities not only for all those interpreting-specific things (e.g., getting the subtle nuances, finding the most appropriate expressions, etc.) but for the sake of freeing capacities as there are usually enough unpredictabilities to come (I-10). Remaining calm is part of the interpreter’s strategic behavior, and even though the interpreters interviewed briefly touched upon the strategies known from the specialist literature (cf. e.g., Kalina 1998), their focus was on remaining calm: Time and again you are in danger of drowning, because the presentation rate is so fast and you don’t get everything, and after some time of keeping pace you simply can’t do it anymore, so you have to learn how to deal with it, and the best way is to remain calm, shift down, generalize, omit the details, leave out a less important sentence, and take a short break in order to get ready to catch up again in full calm instead of panting along behind the speaker, which will be unpleasant for the listener and increase the pressure. (I-9) Concrete strategies, like how to cope with the typical long and convoluted German sentences, are explicitly mentioned only in the context of interpreter training. This goes to show that the professionals interviewed have internalized their strategies and apply them in an intuitive, routine, if not automated way without giving them much thought. Speaking of speedy and automated processing, an important aspect seems to be the fast assembly of translation equivalents (cf. Kutz’s “Herstellung von Entsprechungsbeziehungen”, 2010: 203) and activation of translation routines (cf. Göpferich 2008: 156) to help the interpreter avoid taxing her limited resources: We had “first pass rate” the other day. Now the English “rate” is usually “Quote” in German. However, the German speakers all say “Erstläuferrate”, so why should I use “Quote”? First of all this is the word they are familiar with and, secondly, why should I make things more difficult for myself by having to cross over from “ rate” to “Quote”, when it is so much easier to get from “rate” to “Rate”. So if they say “Erstläuferrate”, I will follow suit, rather than unnecessarily make an effort. (I-6) Important parts of transfer skills are therefore not only increasingly automatized routine operations, but also the establishment of direct and easy links and paths from source-text items to target-text solutions. Michaela Albl-Mikasa 80 3.3.3 Production skills In addition to thoroughly understanding the source text and to fast retrieval of background knowledge and target text items, the interpreter needs to take decisions in the (re)production part of the task. The production process covers numerous high-level subskills. a) Synchronicity and décalage modulation A long décalage (“not to the extent that it gets embarrassing though, when nothing comes out of the booth”, I-6) has always been thought of as a token of self-confidence, of having the process under control, of ample storage capacity, and of being in a better position to express things and not to have to cling to the speaker. However, the need for synchronicity seems to be just as important: Synchronicity is a major problem, especially if you work for television. There you are told to finish as soon as possible because a second on television is much longer than what it would be in real life. A lot of colleagues would say, oh, she is a fantastic interpreter, she’s got a great décalage, but in actual fact this is very often not what people want. Even in non-televised situations, one finds that a chairman understands the other languages and will not wait for the interpreters to finish. I have become very aware of how important this is in the last couple of years. (I-2) The fact that in televised interpretation the requirements are not completeness, but a quiet, pleasant, and confident performance and, most of all, that the interpreter finishes her sentence with the speaker and has no delay, comes as no surprise (cf., for instance, von Mülmann 2002: 280). However, it is less well-known just how common this requirement has become. It applies in equal measure to panel discussions, where décalage should be kept as short as possible because the verbal exchange and taking of turns by the speakers may be extremely fast and turns are often only single sentences. Interpreters are aware that it often happens that participants have to wait for them to finish and are, therefore, unable to cut in and make their contribution. While interpreters find it difficult not to lag behind in such a situation, they are keen to enable the interlocutors that depend on interpretation not only to follow but to participate in the same way as all other participants, that is, to actually react as if in monolingual communication, to share in the laughter with no more than a second’s delay, and to immediately join in the discussion. To this end, a very short décalage is indispensable. Finally, when the going gets rough and the speaker’s presentation rate is very fast or when the interpreter gets tired, it is necessary to give up all décalage to catch up and keep up with the speaker. For as one interpreter explains (I-1), when she is fresh and fit, her acoustic memory works like a kind of replay button, so that she can almost re-listen to and recall whether the speaker said Programm or Prozent. If she is too tired to rely on her acoustic A processand experience-based model of interpreter competence 81 memory, she will have to cling to the speaker so as not to lose track of a source speech word. Thus, modulating décalage, that is, increasing it to gain room for eloquence and reducing it for a hot on the speaker’s heels production, seems to be an important skill. b) Reduction Synchronicity goes hand in hand with “reductionist behavior” on the part of the interpreter. Reducing the speaker’s output is reported to be more than just one of the many strategies interpreters make use of. It is almost an integral part of interpreting: “minimum reduction is almost always involved in simultaneous interpreting” (I-3). It makes the interpreting task easier, frees capacity for other efforts and compensates for fast presentation rates. For some interpreters it covers or includes all of the possible options of condensing, eliminating, generalizing, approximating, and so forth that are distinguished in the specialist literature (cf., e.g., Kalina 1998). Some interpreters almost make a sport out of it. The challenge is to skip little bits and pieces and all the repetitions and redundancies, without taking away from the message or mood of the utterance, that is, “to be complete in meaning but not in terms of absolute precision” (I-3). Rather than render the source speech “laboratory-like” (I-3), the goal is to deliver a performance that sounds “confident, astute, and fresh” (I-3) and to avoid getting worked up about “trying to be faster than the articulatory organs would allow” (I-3). Instead of observing the didactic maxim “be as complete as possible” (I-4), which often leads to spluttering, it is more conducive not to make each source text item explicit, but “to express it by means of intonation, later integration, competent phrasing” (I-4), and so forth. It takes courage to do that, but it supports communication. Experience has it that a message gets across more efficiently if put in a shortened version and the interpreter’s own words. Clearly, it also depends on the subject matter at hand. There are speeches that need to be rendered in great detail. Moreover, there are “pellmell speeches” (I-5) where the listener is grateful to have the interpreter add an explanatory sentence, which summarizes, highlights, or pinpoints what the speaker is getting at (introduced by a discourse marker like “by that I mean”, etc.). Yet, reduction is often a key instrument, which helps the interpreter to remain quiet and not to fall into the trap of panting behind the speaker. c) Balancing act between speaker fidelity and audience design In the interviews, speaker fidelity turned out to be a fuzzy concept. On the one hand, interpreters vary in their attitude between “the speaker has absolute priority, for who am I to judge whether he chooses to present himself in a certain way for particular reasons” (I-8), and “I will always try to take the Michaela Albl-Mikasa 82 addressees into account” (I-9), and “there is the whole range of possibilities, it all depends on the situation” (I-1, I-10). On the other hand, they all agree that there is no general panacea and that a great number of factors have to be taken into account. The following arguments are provided in favor of giving priority to the speaker. One is illustrated by an anecdote from an event where the participants were divided into a “red (morning) group” and “a blue (afternoon) group”. Towards the end of an afternoon function the presenter said “Ladies and gentlemen, if you please go along here and find outside the lady with the red sign, who will take you to the museum tour”. The interpreter realized that the presenter should have said “blue sign”, but refrained from correcting him, as a correction on the part of the presenter could have followed any minute. What is more, it turned out that the hostess had overheard the presenter and placed herself at the exit with a red sign. The interpreter concluded: “This is what happens if you think you know better, so it is my contention not to correct a speaker, even if you are a hundred percent sure that he provided a wrong detail or figure” (I-8). She also pointed to the fact that “a listener of the original may come forward and inquire about the wrong information so that the interpreter’s listeners will start wondering, which will only disrupt the flow of communication” (I-8). Some interpreters are of the opinion that they should emulate the speaker’s style if they feel he makes it a point to come across in a certain way. Similarly, especially on television, they will render a young speaker in a fresher, livelier way. A highly or even unpleasantly self-confident speaker will be rendered accordingly, although to a somewhat lesser degree, for “it should not be a parody, and one must not forget that an interpreter’s bodiless voice comes across more strongly, but there is definitely a bit of acting involved and you do conform with the speaker” (I-1). A major criterion is speaker intention, that is, whether or not a speaker deliberately speaks in a certain fashion or whether he cannot help it. If a CEO chooses to address the company’s workers in highly sophisticated language, the interpreter will not feel obliged to “backtranslate” (I-10) this into something the average assembly worker will be able to understand. Since it is not always easy to interpret a speaker’s demeanor, interpreters may refrain from “downtoning” (I-8) the speaker as this might thwart his very goal. There are situations, however, when the interpreter will intervene and adapt the source speech, for example, when the interpreter is sure that a speaker comes across as arrogantly ignoring his addressees while it is clear that he does not wish to intimidate his listeners, but simply wants to be understood. Another case in point is cultural or regional characteristics, as in the case of a Swabian manager who said “ihr Saubande, ihr verfluchte, ihr wollt mich über den Tisch ziehen” (I-8), and the interpreter knew full well that an equivalent rendering would be unacceptable to Japanese ears. However, this A processand experience-based model of interpreter competence 83 again is a critical decision, as target audiences are rarely clearly defined. Thus, the rendering of a rather rude speech containing the German word “Scheiß” by using the English word “shit” (I-9) was applauded by the British listeners, but questioned by the Americans in the audience of the same event. An uncontroversial case is when the speaker is simply not in a position to speak in an appropriate way. The deficient speech of a non-native speaker, for instance, will always be rendered in the form of full, correct, and wellformed sentences. This also has to do with the fact that, as one interpreter put it, “I simply cannot not speak proper German” (I-9). Moreover, it is understood that the interpreter will add explanatory information, when realia (e.g., different school or legal systems or concepts like “Stuttgart 21”) are unknown, on condition that there is enough capacity left for such interventionist measures. It can thus be noted that the interpreter’s skill when it comes to speaker fidelity in source text production is one of decision-making as to whether to lean towards the speaker or to the audience. Again, it involves a certain emphatic feeling or intuitive sense to decide which of the great number of influencing factors are pivotal. These factors are situation-, capacity-, or texttype-related (a sketch or joke that operates on rudimentary language needs to be rendered accordingly) or of a pragmatic nature (in both senses of the word, i.e., recognizing speaker intention or simply taking into consideration “who pays my bill”, I-9). d) ELF (English as a lingua franca) accommodation Audience design (cf. Clark/ Murphy 1982) or accommodation (cf. Giles et al. 1990) are not only a central part of monolingual communication, but also of mediated communication. Adjusting to the listener is first and foremost a question of register for the interpreters. They reported that, when working in the European Parliament for children, for instance, they would “refrain from using words such as ‘implement’ or ‘against the backdrop’ simply to sound good” (I-2), or that they would take visiting groups in the European Parliament into account and not use abbreviations like CAP but say “Common Agricultural Policy” (I-4) when students were present; they do so even when they are supposed to provide their service for delegates. With trade unionists, interpreters would opt for a “more chatty style” (I-2) and working in a more formal context, they will be more formal. Accommodation also includes the above-mentioned addition of culture-specific explanations. Special accommodation skills are needed, however, due to the evergrowing number of non-native English speakers at conferences (cf. Albl- Mikasa 2010). The interpreters interviewed reported that they did take the low proficiency level of their audiences into account, since “it’s all about Michaela Albl-Mikasa 84 communication” (I-2) (but that there are also colleagues whose attitude is “if they don’t understand MY English, it’s their problem”, I-2). The accommodation skill involves an additional kind of monitoring, a kind of taking stock of what one is saying and of asking oneself if what one produces makes sense for somebody who does not know the language so well. It means not relying on internalized idiomatic phrases and expressions, but adjusting to the non-native listener by being less idiomatic, by speaking slowly and clearly, and even by adding little phrases to make him feel less insecure. One interpreter compared this to working relay. In the position of a pivot an interpreter would immediately say “thank you chairman” or “well the first thing I want to say” or a similar phatic phrase (“instead of waiting for a Spanish speaker not only to speak but to say something”, I-2) to let the interpreter in the Japanese or other booth know that her pivot is “on”. The problem is that the downshifting part of accommodation counteracts the interpreter’s desire to cultivate and develop her language competence and that the effort as such is capacity consuming. Thus, while it is seen as a token of quality and “nice to have” (I-10), it is “immediately skipped when resources are scarce” (I-10). A final aspect of accommodation is the acceptance of anglicisms used by conference participants. Despite a general (often in private) purist attitude (cf. Albl-Mikasa 2012), interpreters take a pragmatic stance here. They will follow suit and use “Event” rather than “Veranstaltung” or “Ereignis” (I-10) or “Montagsmeeting” instead of “Besprechung” (I-9) and they will even say “gedownloaded” (I-2), if interlocutors are used to it and keep using these expressions. They consider it as a jargon, the use of which will keep the customer satisfied. A positive side-effect is that this saves energy (see the example in section 3.3.2, b above). e) Performance, Presentation, Prosody Performance skills or the capability to give a well-received target speech presentation means regulating different forces in such a way that the customer is not constantly reminded of the interposition of an interpreter, and if he is that he may still enjoy a pleasant delivery. The ingredients are to remain quiet and at ease; to keep one’s body at some distance from the booth desk and in an upright position so as to allow room for breathing; and to concentrate on a pleasant voice, felicitous prosody, neutral accent, syntactic and articulatory fluency, and a balanced décalage. Another additive is to improvise rather than to keep correcting oneself (unless there is a serious mistake) and to avoid hesitations and breaks. It is seen as indispensable not to let the listener notice any degree of stress, exhaustion, nervousness, or other tension on the part of the interpreter and to make things as nonimposing and untiring as possible for the listener. For some the ideal is “to A processand experience-based model of interpreter competence 85 lure and take the listener on a voyage”by “using one’s voice to comment on what is happening out there in the conference setting” (I-7) or to deliver a “polished” (I-7) target speech. In any case “it takes effort and commitment for an interpreter to go unnoticed” (I-3). 3.4 Post-process skills In the interviews, very little was said in terms of post-process operations, so only two subskills are integrated in the model at this point. a) Terminology wrap-up The interviewees did not give any priority to updating glossaries and databases on the basis of new terminological findings and insights from the conference (cf. Kalina 2006: 257) as they did for the preparatory work. In fact, it seemed to be a much neglected part of the interpreter’s work. Therefore, the subskills involved and other post-process operations may have to be investigated further. b) Quality control With regards to quality control, the required skill mentioned is a certain selfcritical openness. Even (or especially) after years and years of practice, interpreters find it very useful to record their interpreting performance (where possible) every now and then, and to scan the tapes for bad habits and quirks that keep creeping in unnoticed. Ten minutes are often enough to filter out unwanted markers, such as repeated “ums”, an unpleasant voice, tense articulation, heavy breathing, exaggerated accents, uneven décalage, disfluencies, and so forth. As mentioned before, some colleagues make arrangements to keep a watchful eye on each other in the booth and to inform each other later about what they noticed and what needs to be corrected. They emphasize, however, that boothmates should be corrected only when they want or ask for feedback, and when it is a colleague with whom one is familiar. In general, the statements of the professional interpreters on their quality control practices are in line with findings from research on expertise in interpreting and deliberate practice (cf. Ericsson 5 2007; Motta 2011). 3.5 Para-process skills As mentioned above, talking about interpreting proper paints only half the picture. An important part of the interpreter’s activity is of an entrepreneurial, customer relations, and deontological nature. Moreover, there are a number of overarching personal competences typical of a successful inter- Michaela Albl-Mikasa 86 preter, such as autonomy, life-long learning, and meta-reflection (cf. also Kiraly 2006: 73-74). All of these skills affect the overall process, and thus, all (pre-, peri-, in-, post-) dimensions and subprocesses of an assignment. a) Business know-how, customer relations, and professional standards In the interviews, the interpreters spoke at great length about the wider business and customer-related skills which are essential to be successful. A freelance interpreter (whether in the EU or in the private market) is “a oneperson very small-scale enterprise” (I-6). She needs to know how to set up a business and acquire assignments, how to deal with tax matters and accounting, how to prepare quotes and contracts, how to negotiate agreements and to go about litigation or non-paying customers, what retirement provisions to take, and so forth. Customer relations and negotiation know-how are felt to be of particular importance. It is not enough to acquire a customer. Administering an assignment covers customer contact and care from the very beginning right to the very end. The various steps reported (especially by I-7) are: ask the “right” questions (so as not to get trapped in an assignment where the working conditions are inadequate, e.g., number of interpreters and teams, tour guide system vs. booth, working hours, etc.); provide consulting for the customers (most of them know little of the prerequisites of successful mediated communication); negotiate the terms of a contract (how early a train to catch, or when to claim an extra night’s stay in the hotel, etc.); write an offer; organize travel and decide what to wear; address the on-site organizer or customer representative (a friendly word of introduction is better than a grumbling note of dissatisfaction at not finding certain documents in the booth; know what to say and what not to say, and when to address difficulties, how to intervene, and when to make do with substandard conditions); write a bill (does one have to sign it? ); develop or work on a long-term concept of customer contact. Observing professional standards and enforcing good working conditions goes hand in hand with thoroughly informing the customer, with negotiations that satisfy both parties, and especially with having an awareness of one’s “own value” (I-7, I-8, I-9). An interpreter can professionally act, speak out, and negotiate only when she is sure of the added value she provides and when she is convinced that the daily rate is an adequate compensation and necessary to make a living. Only then will she be able to show the kind of polite determination required in negotiations with the customer (“and to resist the procurement manager’s standard attempt at reducing the fees”, I- 9). Especially in times “when everybody ‘can’ English” (I-7) and when “my secretary could do it, if she weren’t so busy” (I-8), it is not easy to sell one’s expertise (cf. also Albl-Mikasa 2010). A processand experience-based model of interpreter competence 87 The hard and soft skills mentioned in this section include the professional interpreter associations’ standards and codes of ethics (cf. AIIC 2000, 2009), which the interpreter must be fully aware of (e.g., proper [ethical] handling of [confidential] information, rejection of jobs she is not qualified for, fidelity towards the speaker, etc.). They touch upon how the interpreter views herself as a professional and defines her role (cf. Pöchhacker 2 2007: 44- 45). Moreover, they include the freelancer’s skill to act autonomously (cf. Kiraly 2006: 73). An interpreter needs to be able to work independently with no superior to tell her what to do, or when and in what order to do it. She needs to manage her time, get the priorities right, set schedules, decide what to do, when to have things ready, and how much time to spend on them. b) Lifelong learning predilection In the interviews, there was general agreement that lifelong learning is part and parcel of being an interpreter. It is true that there is hardly any profession where continuing professional development is not required, but the need for it applies to interpreting in particular. There, it is not like the odd seminar a teacher or doctor will attend every now and then. It is more “like playing an instrument - one has to keep at it” (I-5). The reason is that “anything can crop up any time, it might not happen today, but tomorrow you might be working for Heidi Klum” (I-2); moreover, it is far from seldom that one is confronted with the Simpsons, Harry Potter, or Monica Lewinsky in bon mots, analogies, or innuendoes delivered at conferences. For some interpreters, lifelong learning is a part of their job, which they enjoy in particular, for others it is an absolutely fundamental prerequisite. For the latter, it is a kind of principle attitude an interpreter needs to assume, some sort of disciplinary poise she has to exhibit. It includes a certain readiness to accept assignments in very complicated fields, which take a lot of arduous preparation, and to accept them even if there is a chance that the topic will not recur and to do so for the simple fact that “anything makes you advance” (I-8). Or as another interviewee pointed out (I-4), students, even those who are fascinated by the beauty of language and enjoy eloquent political discourse, but who are reluctant to prepare an assignment on fishery or dairy products, lack the fundamental attitude an interpreter must take. A true interpreter usually ends up being intrigued by even the driest of subject matters. But at the very least there must be a general willingness to work one’s way into any subject matter (contentand terminology-wise) and to take a minimum interest in it. A corollary attitude is a certain basic modesty; an acceptance that one always knows less than the expert and is capable only of an approximation. Michaela Albl-Mikasa 88 The willingness to keep learning all the time and the capacity to take an interest in virtually everything is supported by a fundamental intellectual curiosity and inquisitiveness, which seem to be characteristic of many interpreters. All interviewees report being constantly alert to language matters and “never really switching off from working mode” (I-1). The reports range from an insatiable appetite for all linguistic phenomena (I-1) and unquenchable curiosity and openness (I-4) to resigning oneself to the fact that one is simply into languages and would rather learn yet another language than pursue any other hobby (I-5), from an unusually acute awareness for all language-related aspects in any situation and non-stop preoccupation with language even in one’s leisure time (I-7) to a playfulness in taking in language and constant awareness of what is going on in the world (I-5), or a “tolerance” in the sense that nothing will ever be considered not worth one’s attention (I-8), etc. More concretely, many interpreters will never tune out, but try to clarify language-related questions even over a non-work-related dinner; they will astonish party guests with their inquiries into their professional backgrounds and subject matters; they will closely look into grammatical structures (e.g., “the powers that be”, I-1), even if they are not of immediate use for their work, or ponder about neologisms; they will hardly ever watch a film without scanning the subtitles and comparing the versions; they will not infrequently watch television with a notebook in hand to take down felicitous solutions; they will feel like “a sponge” (I-7) and take in cultureand language-related phenomena when travelling even to non-work-related countries; they will read anything they come across; they will immediately check terminological and pronunciation problems as they arise, and recognize the “intrinsic fascination of industrial floor coverings” (I-8). c) Meta-reflection As described above, interpreters always seem to turn at least one ear towards language. As a result there is a great amount of meta-awareness when it comes to language-related matters: They take in and analyze linguistic, translation-related, cultural, or other information as they come across it and think about where and when to follow the trend to use anglicisms and when not. As one interpreter put it: It’s a bit pathological; one is constantly on a kind of meta-level thinking about whom one is talking to and in which way to accommodate. The monitoring mode is always on stand-by, even if I don’t act on it. (I-10) This means that accommodation, which, as mentioned above, is a common feature of all communication, happens in a much more conscious way with the interpreter. What interpreters are less inclined to do is to systematically reflect on what exactly it is they are doing. The theory of interpreting is still frowned A processand experience-based model of interpreter competence 89 upon. There is little awareness that “meta-knowledge”, that is, a compact knowledge about one’s knowledge of patterns, operations, and solutions, is an essential part of interpreting competence (cf. Kutz 2010: 205-206, 227), because it can be a more efficient pathway for progression than the usual tedious trial-and-error method. 13 When directly addressing this topic with the interpreters, however, one finds a surprising openness and at least a feeling that there might by some truth in it. What interpreters do reflect about is their goals regarding their own performance or the contribution they make to the communicative event for which they are contracted. Interpreters aim for organizers to realize the benefit that interpreter services can provide and for giving them “the comfort that everything runs smoothly” (I-7). Their agenda is to enter each and every assignment with the clear “will to communicate and not to see it as an unpleasant duty” (I-8) or not to approach it as a matter of routine, but “to give their best on each occasion” (I-3). Whether this is a general attitude, a personal requirement, or a well-defined goal, the subcompetence to set out the aims to be achieved and align them with what one is doing is (according to constructive alignment theory, cf. Biggs and Tang 2007) crucial for successful performance. 4 Crossing over to another dimension of interpreter competence I turned to an adapted version of Kalina’s (2006) pre-, peri-, in-, and postprocess model (extended by the para-process dimension) because it seemed to be a fitting framework for a detailed processand experience-based description of the skills of the ten professional conference interpreters I interviewed. Of the subskills involved, these interpreters paint an intriguingly differentiated picture, which (not too earnestly) can be summarized by an adapted version of the “Serenity prayer”: God grant me the serenity to accept things as they come, the courage to make sense even of the inscrutable and the wisdom to know the difference between what is relevant and what is not. Whether in pre-, peri-, in-, post-, or para-processing, a certain trade-off, weighing-up, or relativization are always involved. The task would be too complex, the imponderabilia too incalculable, and the subskills too numerous to be too earnest about each of them. Instead, the operational skills are complemented by an attitudinal openness and a feeling not to burn for one particular thing, but to want to dig into almost all things up to a certain degree. 13 The way in which such meta-knowledge can be highly effective was convincingly laid out by Ursula Gross-Dinter (2009) in her talk at the GAL conference in Karlsruhe and is described in some detail in Kutz (2010: 233-258). Much earlier, it was highlighted by Kalina (1991). Michaela Albl-Mikasa 90 What struck me is the observation that even in this small and rather homogenous group of interviewees there is a great deal of individuality and subjective ways in the views, perceptions, and dealings (see, for instance, the attitudes regarding speaker fidelity in section 3.3.3 above). From a cognitive perspective this is to some extent obvious. Whatever cognitive activity people engage in (e.g., learning a language), it is matched and carried out against their own inner requirements (cf. Kohn’s 1990 performance model), ways of thinking, and styles of experiencing things. Analyzing the interview corpus, I have been led to think that translation competence cannot be seen in isolation, that is, separate from the personal requirements translators (consciously and unconsciously) bring to bear on their work (and which go beyond what is described by the notion of “self-concept/ professional ethos”, cf. Göpferich 2009: 22). The interaction of (intersubjective) skills and (subjective) requirements will be dealt with in a follow-up paper. Suffice it to say at this point that interpreter subcompetences are manifold and interact in intricate ways and that I have always stood in some awe of Sylvia Kalina’s triple expertise as a researcher, teacher/ didactics specialist, and professional conference interpreter. Acknowledgements I wish to express my sincere thanks to each and every one of those 10 interpreters who shared their personal experience and granted me these valuable insights into their métier with such frankness and generosity. References AIIC - Association Internationale des Interprètes de Conférence (2009). Code of ethics. http: / / aiic.net/ ViewPage.cfm/ article24.htm (Retrieved: 05.12.2011). AIIC - Association Internationale des Interprètes de Conférence (2000). Professional standards. http: / / aiic.net/ ViewPage.cfm/ article122.htm (Retrieved: 05.12.2011). Albl-Mikasa, Michaela (2007). Notationssprache und Notizentext. Ein kognitivlinguistisches Modell für das Konsekutivdolmetschen. Tübingen: Narr. Albl-Mikasa, Michaela (2010). Global English and English as a Lingua Franca (ELF): Implications for the Interpreting Profession. trans-kom 2.3, 126-148. Albl-Mikasa, Michaela (2012). Interpreting Quality in Times of English as a Lingua Franca (ELF): New Variables and Requirements. 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She holds degrees from the universities of Heidelberg (Dipl.-Dolm. in Conference Interpreting), Cambridge (MPhil in International Relations), and Tübingen (Dr Phil in Applied Linguistics). Her dissertation on a cognitive-linguistic model of consecutive interpreting received the German Society of Applied Linguistics (GAL) award in 2006. Her current research interests focus on interpreter competence and the implications of English as a lingua franca for the interpreting profession. Mira Kadrić Polizei. Macht. Menschen. Rechte Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung Dieser Beitrag 1 will das an den Bedürfnissen der Gesellschaft und der Menschen orientierte wissenschaftliche Engagement Sylvia Kalinas würdigen. Es zeichnet Sylvia Kalina aus, dass sie praxisrelevante Fragen in den Mittelpunkt ihrer Forschungstätigkeit stellt. Gerade die Ausbildung der Dolmetschenden als Element der Qualitätssicherung für Dolmetschprozesse nimmt im Werk Sylvia Kalinas breiten Raum ein. Dabei berücksichtigt die Jubilarin auch das bis in die jüngste Vergangenheit vernachlässigte Dialogdolmetschen im öffentlichen Sektor (vgl. Kalina 1998, 2000a, 2000b, 2000c, 2001, 2002a, 2002b, 2004, 2005, 2009). Diese Schwerpunktsetzung erscheint umso wertvoller, als den face-to-face-Dolmetschungen große praktische Bedeutung zukommt und Sylvia Kalina die Ergebnisse ihrer Forschung insbesondere des letzten Jahrzehnts auch aktiv in gesellschaftspolitische Reformbestrebungen einbringt. Ich hatte in den letzten Jahren Gelegenheit, Sylvia Kalinas Engagement in einer hochrangigen Arbeitsgruppe 2 zu erleben, deren Aufgabe die Erstellung eines Forschungsberichts zur gesellschaftspolitischen Dimension des Übersetzens und Dolmetschens im öffentlichen Sektor war. Wie notwendig eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit diesem sensiblen Bereich ist, soll auch dieser Beitrag zeigen. Er unternimmt es, am Beispiel des Polizeidolmetschens als einem der zentralen Felder des Behördendolmetschens die derzeitige Praxis und den daraus resultierenden Reformbedarf zu beschreiben. 1 Blick auf die Forschung Die Zahl der täglichen Dolmetschungen vor europäischen Polizeibehörden, Gerichten oder in Gesundheitseinrichtungen misst sich in Tausenden; gleichzeitig geht es für die beteiligten Bürgerinnen und Bürger oft um sehr 1 Der Titel Polizei. Macht. Menschen. Rechte zitiert ein 2008 ins Leben gerufenes Projekt des österreichischen Innenministeriums, mit dem die Polizei als Menschenrechtsschutzorganisation neu definiert werden soll (vgl. http: / / www-.bmi.gv.-at/ cms/ cs03 documentsbmi/ 787.pdf) (Stand: 17.03.2012). 2 Special Interest Group on Translation and Interpreting for Public Services - SIGTIPS, die auf Initiative des European Language Council gegründet und deren Bericht mit Unterstützung der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde (vgl. http: / / webnews. units.it/ allegati/ SIGTIPS%20Final%20Report.pdf) (Stand: 17.03.2012). Mira Kadrić 94 viel, nicht selten um existenzielle Fragen. Die Dolmetschwissenschaft ist bemüht, u.a. mithilfe anderer Disziplinen, generalisierende und objektive Kriterien zu entwickeln, die es ermöglichen, Dolmetschleistungen messbar und objektiv bewertbar zu machen. Zur Beschreibung und Definition der Tätigkeit und in der Folge auch der Rolle der Dolmetscherinnen und Dolmetscher werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Die Auftraggeberinnen und Auftraggeber verfolgen bei der Definition der Aufgabe der Dolmetschenden einen grundsätzlich normativen Ansatz, indem die ideale Rolle der Dolmetschenden als die einer non-person beschrieben wird, wie auch das folgende Zitat im Zusammenhang mit forensischen Untersuchungen belegt: „Der Dolmetscher [soll] nicht als Person auftreten, soll nicht agieren, nicht denken, sondern nur nach Treu und Glaub übersetzen.“ (Horn 1995: 383) 3 Zeugt Horns Sichtweise von mangelndem Vertrauen in die Arbeit der Dolmetscherinnen und Dolmetscher? In diese Richtung weisen u.a. Untersuchungen, die sich mit der Tätigkeit der Dolmetschenden in polizeilichen Verhören beschäftigen und dabei insbesondere die Problemstellung bei vermittelter Kommunikation und die Rolle der dolmetschenden Person als „Hilfspolizist“, „Ermittlungshelfer“ bzw. „Erfüllungsgehilfen“ diskutieren (vgl. dazu Donk 1994, 1998; Schröer 1996; Reichertz 1998; Schröer/ Riedel 1998). Letztere Bezeichnungen werden häufig von Bedarfstragenden, insbesondere Behördenvertreterinnen und -vertretern, verwendet, die Funktion und Rolle der Dolmetscherinnen und Dolmetscher streng aus der eigenen, institutionsbezogenen Perspektive definieren. Ungeachtet dieser Bezeichnungen wird den Dolmetschenden gleichzeitig zugestanden, dass sie zum Erfolg der Kommunikation beitragen, indem sie klärende Fragen zur Vermeidung von Missverständnissen stellen und aus eigener Initiative zusätzliche Informationen geben. Die Grenze wird von Bedarfstragenden nicht immer klar gezogen. Im operativen Bereich bestehen unterschiedliche Erscheinungsbilder: Mal sitzt der Dolmetscher beim Beschuldigten, mal neben dem Polizisten, mal zwischen den Parteien. Mal definiert er sich als Übersetzungsmaschine, mal als Kulturtransformator, mal als Hilfspolizist, mal als Anwalt, mal als Ankläger, mal als Aushändler in Sachen kultureller Normalität. Mal wird er behandelt als Experte mit Insiderwissen, mal als Komplize, mal als Sprachcomputer, mal als Handlanger. (Reichertz 1998: 273) Tatsächlich ist es, in Abhängigkeit vom jeweiligen Setting und den damit verbundenen Arbeitsbedingungen, die dolmetschende Person selbst, die ihre Qualifikation und Disposition sowie ihre Rolle definiert. Es ist unbestritten, dass diese Rolle komplex ist. Umso wichtiger ist es, dass die 3 Ähnlich verhält es sich auch in anderen Bereichen des Behördendolmetschens (vgl. beispielsweise Wadensjö 1998; Hale 2004; Kadrić 3 2009). Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung 95 Funktion, Aufgabe und die Qualität der Dolmetschung aus translatorischer Sicht systematisch dargestellt werden. Die Pionierarbeit bei der Systematisierung der Dolmetschaufgaben und der Dolmetschendenrolle in dialogischen Interaktionen hat Wadensjö (1998) geleistet. Wadensjö zeigte am Beispiel polizeilicher Vernehmungen und ausgehend vom Grundsatz der Dialogizität von Sprache und Handeln, dass Dolmetschhandlungen insbesondere von zwei voneinander abhängigen und sich gegenseitig beeinflussenden Aktivitäten geprägt sind: der Gesprächswiedergabe und der Gesprächskoordination. Anhand eines Vergleichs von ausgangstext-sprachlicher Version mit zielsprachlicher lieferte Wadensjö eine „taxonomy of renditions“, die den Schluss zulässt, dass die dolmetschende Person als „interpreter, broker, middleman, mediator“ (Wadensjö 1998: 27ff.) fungieren kann. Viele spätere Untersuchungen bestätigen diese Erkenntnisse und bauen auf der Arbeit von Wadensjö auf (vgl. dazu insbesondere Pöchhacker (2000); Hale (2004); Pöllabauer (2005); Sami Sauerwein (2006); Kadrić ( 3 2009). Die in der Literatur bestehenden Bilder für Dolmetschende in dialogischen Konstellationen hat Sami Sauerwein (2006: 35) speziell für den Bereich des Polizeidolmetschens wie folgt zusammengefasst: Dolmetschende als „Sprachumwandler“, „Gesprächsmanager“, „Kulturmittler“ (Sami Sauerwein 2006: 35); Dolmetschende werden somit als dritte aktive Partei definiert. Diese Kategorien konnte Sami Sauerwein auch empirisch anhand von Beispielen aus gedolmetschten grenzpolizeilichen Einreisebefragungen bestätigen (vgl. Sami Sauerwein 2006). Es finden sowohl Sprachumwandlungen als auch aktives Sich-Einbringen ins Gesprächsgeschehen statt. Somit haben Dolmetschende starken Einfluss auf die Gestaltung der Kommunikation. Zwischen diesen beiden Kategorien wandeln die Rollenbilder des Gesprächsmanagements und der Kulturmittlung: Gesprächsmanagement bedeutet eine gesprächsorganisierende Tätigkeit innerhalb der Interaktion, das Übernehmen des Turn-taking und das Koordinieren des Gesprächsverlaufs. Als Kulturmittlerinnen und -mittler greifen Dolmetschende aktiv ins Geschehen ein, indem sie zur Vermeidung von Missverständnissen eigenständig kulturspezifische Unterschiede erläutern bzw. diese im Translationsakt berücksichtigen. Die Ausgestaltung der Rolle lässt Handlungsspielraum zu. Wie und in welcher Qualität dieser mit Inhalten gefüllt wird, hängt von den Dolmetschenden selbst, ihrer Qualifikation und ihrem beruflichen Selbstverständnis ab. 2 Blick auf die Praxis: Wer sind die Polizeidolmetschenden? Qualität und Verlauf des polizeilichen Ermittlungsverfahrens sind in hohem Maß abhängig von der Qualität der Dolmetschung. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der Rekrutierung von Dolmetschenden durch Mira Kadrić 96 die Polizei im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in Österreich; d.h. mit jenem Verfahren, in dem die Polizei im Auftrag der Strafjustiz (Staatsanwaltschaft und Strafgericht) tätig wird. Österreich kennt ein gesetzlich verankertes System einer Dolmetscherliste, in die sich Dolmetscherinnen und Dolmetscher nur bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen und nach Ablegung einer Prüfung eintragen lassen können. Aktuell sind in Österreich rund 1.400 Personen für insgesamt 52 Sprachen in diese Liste eingetragen (vgl. Bundesministerium für Justiz o.J.). Bis vor kurzem sah die österreichische Strafprozessordnung (StPO) bei der Zuziehung von Dolmetschenden zu Vernehmungen und Verhandlungen im Rahmen von Strafverfahren einen Vorrang dieser so genannten allgemein beeideten und zertifizierten Dolmetscherinnen und Dolmetscher vor. Seit dem 01.09.2011 bestimmt § 126 Abs. 2a StPO jedoch, dass sich die Staatsanwaltschaften und Gerichte jener Dolmetschenden zu bedienen haben, die das Justizministerium oder die Justizbetreuungsagentur 4 bereitstellt. Für diese Personen nennt das Gesetz keinerlei Qualitätskriterien. Erst wenn Justizministerium und Justizbetreuungsagentur keine Dolmetschenden namhaft machen, ist auf andere Personen zurückzugreifen, wobei dann vorrangig zertifizierte, also in die Liste eingetragene Dolmetschende zu bestellen sind. Dieser Vorrang der zertifizierten Dolmetscherinnen und Dolmetscher gilt auch für die Sicherheitsbehörden, sobald diese für die Strafjustiz tätig werden. Für viele Sprachen besteht jedoch ein notorischer Mangel an Dolmetschenden. Wenn keine zertifizierten Dolmetschenden zur Verfügung stehen, müssen und werden auch andere sprachkundige Personen beigezogen. Das Zurückgreifen auf Sprachkundige ungeprüfter Qualifikation kann fatale Folgen haben. Ein solcher Fall erlangte in Österreich Berühmtheit (vgl. Pöchhacker 2005; Kadrić 2010; Stanek 2011). Nach einem „Operation Spring“ benannten Großeinsatz der Polizei, der 1999 zur Verhaftung von mehr als 100 Personen führte, beauftragte die Polizei einen von der deutschen Polizei empfohlenen nicht zertifizierten Dolmetscher, der umfangreiches Audio- und Videomaterial in Ibo auswerten und eine Vorauswahl übersetzen sollte; zudem übernahm er auch die Rolle eines technischen Sachverständigen, indem er u.a. die Zuordnung der aufgenommenen Stimmen zu den einzelnen Verdächtigen vornahm. Das Gericht bestellte denselben Dolmetscher auch für die gerichtlichen Verfahren, die bis 2007 andauerten. Wie sich in den Berufungsverfahren zeigte, übersetzte und dolmetschte der Dolmetscher nachweislich falsch. Zur Illustration ein Extrembeispiel: eine Passage wurde mit „Wie viel hast du dem verkauft? “ und „Der Türke hat mir das Geld nicht gegeben“ übersetzt. Dieselbe Stelle übersetzte dersel- 4 Die Justizbetreuungsagentur ist eine durch Gesetz eingerichtete Anstalt öffentlichen Rechts, deren Aufgaben vor allem im Strafvollzug liegen (vgl. Bundesgesetz über die Errichtung einer Justizbetreuungsagentur [Justizbetreuungsagentur-Gesetz - JBA-G], BGBl. I Nr. 101/ 2008). Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung 97 be Dolmetscher bei einer anderen Gelegenheit mit: „Stadt aus Eisen“ bzw. „Jehova ist ein Gott, Jesus ist ein König“ (vgl. Bischof 2006: 16f.). 5 2.1 Wie werden Dolmetschende von der Polizei rekrutiert? Die Beiziehung von Personen ungeprüfter Qualifikation insbesondere für den Bereich Polizeidolmetschen wird so immer wieder zum Thema für Praxis und Forschung. Diese wiederkehrende Diskussion war Anlass für die nun zu referierende Studie, die sich die Frage stellt: Wer sind die Polizeidolmetschenden? Und wie geht die österreichische Polizei mit dem Problem fehlender Dolmetschender für wenig verbreitete Sprachen um? Antworten sollte eine an Polizeidienststellen durchgeführte Befragung zu Dolmetschleistungen liefern, die in den Jahren 2006 und 2007 im Rahmen einer großangelegten Studie 6 erfolgte. Im Folgenden wird die Auswertung der Fragen, die sich auf die Verteilung der benötigten Fremdsprachen und die Rekrutierung von Dolmetschenden bei der Polizei beziehen, präsentiert: Welchen Sprachen gehören die fremdsprachigen Personen vorwiegend an? Wie werden Dolmetschende grundsätzlich bestellt? Wie werden Dolmetschende für seltene Sprachen gefunden? Aus welchen Gründen bzw. wann werden nicht zertifizierte Personen beigezogen? Bei den Antworten der Polizeibeamtinnen und -beamten richten wir den Blick zunächst auf die Verteilung der Fremdsprachen, die nach Angaben der befragten Beamtinnen und Beamten bei den Vernehmungen am häufigsten zum Einsatz kommen (siehe Abbildung 1). Auf die Frage, wie sie ihre Dolmetschenden finden, gaben 73 % der befragten Polizeibeamtinnen und -beamten an, ihre Dolmetschenden in der Regel über die offizielle Liste zertifizierter Personen zu bestellen. 19 % gaben an, häufig oder immer sprachkundige Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zuzuziehen; weitere 19 % bestellen regelmäßig oder häufig sonstige Sprachkundige. In einigen Fällen dolmetschen auch Angehörige/ Bekannte der zu vernehmenden Personen. Was nun Ausmaß und Gründe für die Bestellung von nicht zertifizierten Dolmetschenden betrifft, so geben die Abbildungen 2 und 3 eine Übersicht über die Auswahl der Polizeibeamtinnen und -beamten unter den angebotenen Antwortmöglichkeiten. 5 Vgl. dazu die Problematik aus der Sicht eines Verteidigers in Bischof (2006). 6 Die Gesamtstudie umfasst die Befragung mehrerer Gruppen sowohl nichtstaatlicher als auch staatlich organisierter Bedarfstragender, die Dolmetschleistungen in Anspruch nehmen: international tätige mittelständische Unternehmen und Großunternehmen, NGOs, Privatpersonen sowie Behörden wie Strafgerichte, Asylbehörden und Polizeidienststellen. Aus dem hier herausgegriffenen Polizeibereich haben sich 237 Beamtinnen und Beamte aus ganz Österreich an der Befragung beteiligt. Ausführlich zur Studie vgl. Kadrić (2008). Mira Kadrić 98 Anzahl der Nennungen 150 100 50 0 5 5 6 6 7 14 15 24 26 27 27 29 31 33 35 45 46 71 88 91 100 132 148 Spanisch Moldawisch Persisch Hindi Italienisch afrikanische Dialekte Mongolisch Französisch Slowakisch Tschechisch indische Sprachen Ungarisch Albanisch Chinesisch Bulgarisch Georgisch Arabisch Polnisch Türkisch Rumänisch Englisch Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch Russisch Häufigste Sprachen Polizei N=237 Abbildung 1: Nennung der am meisten verwendeten Sprachen Die befragten Beamtinnen und Beamten (62 %) sind in ihren Vernehmungen auch mit fremdsprachigen Personen konfrontiert, die seltene Sprachen sprechen, für die es keine zertifizierten Gerichtsdolmetschenden gibt. 7 Mit einer eigenen Frage wurde erhoben, wie die Polizei Dolmetschende für seltene Sprachen findet: 35 % der Befragten geben an, in solchen Fällen auf eine Weltsprache auszuweichen. Am häufigsten jedoch wurde mit 43 % Sonstiges angekreuzt und hier machte wiederum mehr als die Hälfte der Befragten nähere Angaben dazu, nämlich, dass sie im Bedarfsfall auf ein polizeiintern geführtes Verzeichnis sprachkundiger Personen zurückgreifen. Dieses Verzeichnis nutzen die Beamtinnen und Beamten nach eigenen Angaben „selten“; wenn sie es tun, so geschieht dies bei 31 % der Befragten aus Zeitgrün- 7 Als am häufigsten vorkommende seltene Sprachen wurden dabei folgende genannt: Armenisch, „asiatische Sprachen“, Ibo, Kurdisch, „osteuropäische Sprachen“, Belarussisch, Punjabi, Slowenisch, Ukrainisch, Edo, Japanisch, Agbor, Koreanisch, Mazedonisch, Pidgin English, Swahili, Tschetschenisch, Urdu und Wolof. Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung 99 den bzw. bei 29 % der Befragen, weil keine zertifizierten Personen zur Verfügung stehen (siehe Abbildung 4). Abbildung 2: Nennung der Rekrutierungsart Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die befragten Polizeibeamtinnen und -beamten angeben, bei einem hohen Prozentsatz aller Befragungen mit qualifizierten, zertifizierten Personen zu arbeiten. Die von der Polizei genannten Prozentsätze der Beiziehung zertifizierter Dolmetschender wären an sich zufriedenstellende Werte, wenn man bedenkt, dass für viele Sprachen, die benötigt werden, keine oder landesweit nur ganz wenige zertifizierte Dolmetschende verfügbar sind. Der hohe Prozentsatz würde auch mit den weiteren Angaben der Beamtinnen und Beamten, bei seltenen Sprachen bei der Vernehmung auf eine Weltsprache auszuweichen, korrespondieren - denn für Sprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch sind in Österreich (ähnlich wie in anderen europäischen Staaten) ausreichend zertifizierte Dolmetschende zu finden. Polizei Wie bestellen Sie grundsätzlich Ihren Dolmetscher? 94 62 54 82 38 15 4 19 33 11 43 11 1 4 11 5 14 35 1 15 1 1 5 38 0 20 40 60 80 100 N=237 Prozent immer häufig manchmal nie Gerichtsdolmetscherliste sprachkundige Polizeibeamte Übersetzungsbüro Angehörige / Bekannte sonstige Sprachkundige Sonstige Mira Kadrić 100 Abbildung 3: Gründe für die Beiziehung nicht zertifizierter Personen Diese Angaben der Polizei, wonach in der Regel zertifizierte Dolmetschende zu polizeilichen Vernehmungen zugezogen werden, stehen allerdings im Widerspruch zu vielen mündlichen und schriftlichen Praxisberichten von Rechtsanwaltschaft und Justiz sowie aus dem Bereich der NGOs, wonach dies gerade nicht der Fall sei (vgl. z.B. den Jahresbericht von Amnesty International Österreich 2009). Um diesem Widerspruch nachzugehen, wurden ergänzend weitere Erhebungen durchgeführt. Polizei Wenn eine andere Person als ein Gerichtsdolmetscher beigezogen wird, dann geschieht das aus folgenden Gründen: 92 70 46 39 3 13 24 30 3 11 18 22 3 6 12 9 0 20 40 60 80 100 Sonstiges aus Kostengründen aus Zeitgründen N=237 Prozent immer häufig manchmal nie Nicht ausreichend Gerichtsdolmetscher verfügbar Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung 101 Abbildung 4: Bestellung von Dolmetschenden für „seltene“ Sprachen 2.2 Was sagen andere? Ergänzende Erhebungen zum Polizeidolmetschen 2.2.1 Befragung zertifizierter Dolmetscherinnen und Dolmetscher Die ergänzenden Erhebungen wurden im Jahr 2007 durchgeführt: zum einen wurden 200 zertifizierte Dolmetschende befragt, ob und wie oft sie von Polizeidienststellen beauftragt werden; zum anderen wurden 200 Gerichtsakten eingesehen, in denen gedolmetschte polizeiliche Vernehmungen dokumentiert sind. Die Umfrage unter gerichtlich zertifizierten Dolmetschenden aus ganz Österreich wurde telefonisch durchgeführt. Anhand des gerichtlichen Registers der zertifizierten Dolmetschenden wurde jede fünfte eingetragene Person angerufen. Die Auswahl erfolgte alfabetisch nach Sprachen. Abbildung 5 zeigt die Verteilung der befragten Dolmetscherinnen und Dolmetscher nach den Sprachen, für die sie in die offizielle Liste der Gerichte eingetragen sind. Die Grafik bildet zugleich einen Anhaltspunkt für die Zahl der qualifizierten Dolmetschenden, die in Österreich für einzelne Sprachen zur Verfügung stehen. 8 8 Seltener als die in der Grafik angeführten Sprachen wurden die folgenden Sprachen genannt: Gebärdensprache, Rumänisch, Slowenisch, Tschechisch, Chinesisch, Portu- Polizei Wie werden Dolmetscher für seltene Sprachen gefunden? 95 92 84 31 50 4 7 11 35 7 1 0 5 27 22 0 1 1 8 21 0 20 40 60 100 Kulturvereine Internet Sonstiges N=153 Prozent immer häufig manchmal nie Ausweichen auf Weltsprachen Botschaft / Konsulat Mira Kadrić 102 Prozent 12 10 8 6 4 2 0 3% 3% 3% 4% 4% 5% 5% 6% 8% 10% 12% 12% Spanisch Polnisch Bulgarisch Arabisch Ungarisch Türkisch Slowakisch Italienisch Französisch Russisch Englisch Bosn./ Kroat./ Serb. Fremdsprache, für die die befragten DolmetscherInnen eingetragen sind N=200 Abbildung 5: Arbeitssprachen der befragten zertifizierten Dolmetschenden Die Dolmetschenden wurden im Telefoninterview gefragt, wie oft sie im vorangehenden Jahr von der Polizei zu Dolmetschdiensten bei Vernehmungen bestellt worden waren. Knapp die Hälfte der bundesweit tätigen 200 Dolmetscherinnen und Dolmetscher erhielt nach eigenen Angaben im Jahr 2006 keinen einzigen Auftrag von der Polizei. Weitere 30 % gaben an, im Vorjahr 1-5 Mal für die Polizei gedolmetscht zu haben, weitere 8 % 6-10 Mal. Die Gesamtzahl der von der Polizei an Gerichtsdolmetschende erteilten Aufträge ist angesichts der Vielzahl polizeilicher Amtshandlungen und Vernehmungen, die jedes Jahr stattfinden, sehr gering. Diese Ergebnisse sind schwer mit der Auswertung der Angaben der befragten Polizeibehörden in Einklang zu bringen. Diese gaben ja zu 38 % an „immer“ und zu 35 % „häufig“ Dolmetschende aus der offiziellen Liste zu bestellen. Nur 15 % der Befragten gaben an, dies nie zu tun. giesisch, Albanisch, Griechisch, Hebräisch, Kurdisch, Niederländisch, Persisch, Schwedisch, Vietnamesisch, Afghanisch, Armenisch, Dänisch, Finnisch, Hindi, Japanisch, Litauisch, Syrisch und Ukrainisch. Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung 103 2.2.2 Auswertung gerichtlicher Akten im Hinblick auf das Polizeidolmetschen Zur weiteren Abklärung der Inkongruenz in den Angaben wurde eine stichprobenartige Aktenauswertung an drei Wiener Gerichten - zwei Bezirksgerichten und dem Landesgericht für Strafsachen - vorgenommen. Untersucht wurden Gerichtsakten von Verfahren, bei denen im strafrechtlichen Vorverfahren gedolmetschte Einvernahmen bei der Polizei stattgefunden hatten. Die Aktenprüfung erfolgte so, dass jeweils zwei Abteilungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien, des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien und des Bezirksgerichts Leopoldstadt im Zeitraum November 2006 bis Juli 2007 die ihnen vorgelegten Strafakten dahingehend überprüften, wer bei der polizeilichen Vernehmung im strafrechtlichen Vorverfahren als Dolmetscherin oder Dolmetscher fungiert hatte. Insgesamt wurden so 200 Strafakten an den drei Gerichten erfasst. Berücksichtigt wurden nur Akten, in denen für fremdsprachige Personen bei der polizeilichen Einvernahme gedolmetscht wurde. Bei diesen untersuchten 200 polizeilichen Einvernahmen handelte es sich vorwiegend um die Befragung von Beschuldigten (175 Akten) und zum Teil auch um Befragungen von Zeuginnen und Zeugen (25 Akten). Prozent 20 15 10 5 0 3% 4% 5% 5% 5% 6% 7% 13% 13% 17% Portugiesisch Slowakisch Russisch Polnisch Arabisch Georgisch Türkisch Keine Angabe Bosn./ Kroat./ Serb. Englisch Verteilung der zum Einsatz kommenden Sprachen N=200 Abbildung 6: Verteilung der im Vorverfahren bei der Polizei verwendeten Sprachen Mira Kadrić 104 Die gedolmetschten Sprachen verteilen sich gemäß Abbildung 6 über die 200 untersuchten Vernehmungen. 9 Englisch, Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch, Türkisch, Polnisch, Russisch und Arabisch - durchwegs Sprachen, für die ausreichend zertifizierte Dolmetschende zur Verfügung stehen - machen rund 52 % der untersuchten polizeilichen Vernehmungen aus (siehe Abbildung 6). Umso überraschender ist das Ergebnis der Aktenauswertung hinsichtlich der Frage, wer tatsächlich die Dolmetschtätigkeit bei der Polizei ausgeübt hat. Die Ergebnisse zeigt Abbildung 7. Abbildung 7: Im Vorverfahren bei der Polizei eingesetzte Dolmetschende Nach der Aktenlage wurden in nur 14 % der polizeilichen Vernehmungen zertifizierte Dolmetschende beigezogen. Diese geringe Quote lässt sich mit den benötigten Sprachen - diese sind, wie Abbildung 6 zeigt, keineswegs Mangelsprachen - nicht erklären. In etwas mehr als 10 % der untersuchten Fälle waren Polizeibeamtinnen und -beamte und bei knapp 20 % der untersuchten Vernehmungen Angehörige bzw. Bekannte als Dolmetschende tätig; hier ließe sich noch argumentieren, dass diese Vorgangsweise aus Zeit- und 9 Bei 26 Protokollen scheint bloß ein Name oder eine unleserliche Unterschrift der dolmetschenden Person auf, es fehlt aber jeder Hinweis auf die verwendete Sprache. Diese Fälle wurden in der Kategorie „Keine Angabe“ zusammengefasst. Polizeibeamte Gerichtsdolmetscher Angehörige / Bekannte kein Dolmetscher , obwohl nötig Sprachkundige Prozent 40 30 20 10 0 12% 14% 18% 18% 38% Statistik an drei Wiener Gerichten: als Dolmetscher wurden eingesetzt: N=200 Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung 105 Kostengründen vernünftig sein kann (wenn auch nicht in diesem Ausmaß). Für rund 40 % aller Vernehmungen wurden jedoch externe Personen, deren Qualifikation unklar ist, mit Dolmetschdiensten beauftragt. In 18 % der untersuchten Fälle wurde ohne Dolmetschung vernommen, obwohl dies aufgrund der Aktenlage notwendig gewesen wäre. Zusammengefasst ergibt sich, dass die Aktenauswertung zumindest für den Raum Wien belegt, dass hier nur in sehr geringem Ausmaß zertifizierte Personen zu Dolmetschtätigkeiten bei polizeilichen Vernehmungen im Rahmen von Strafverfahren beigezogen werden. In der großen Zahl der Fälle greift die Polizei auf nicht zertifizierte Dolmetschende, in nicht geringem Ausmaß auch auf Angehörige und Bekannte der fremdsprachigen Person sowie auf eigene Beamtinnen und Beamte zurück. Dieses Ergebnis der Aktenauswertung stimmt mit den Aussagen der befragten Dolmetschenden in den Telefoninterviews überein, widerspricht aber den Antworten der Polizeibehörden zum Fragebogen. Obwohl grundsätzlich festgehalten werden kann, dass bei den Behörden der Bedarf an „kleinen“ Sprachen rapide ansteigt und hier evident ist, dass nicht ausreichend qualifizierte Dolmetschende zur Verfügung stehen, ist die Diskrepanz zwischen den Angaben der Polizeibehörden, im Regelfall zertifizierte Personen zu bestellen, und den Ergebnissen der Befragung der zertifizierten Dolmetschenden, von denen die Hälfte im Jahr 2006 keinen einzigen Dolmetschauftrag von der Polizei erhalten hat, nicht zu erklären. Die wenig zufriedenstellende Situation, die hier am Beispiel Österreichs aufgezeigt wird, lässt sich auf andere europäische Staaten umlegen. Untersuchungen zu anderen Staaten bringen nämlich ähnliche Ergebnisse hervor. Eine der jüngsten Studien (Stanek 2011) ging der Frage nach den Ursachen für den Einsatz nicht ausreichend qualifizierter Personen bei polizeilichen Vernehmungen in Deutschland nach. Im empirischen Teil ihrer Studie untersucht die Autorin am Beispiel der Bundespolizei in Berlin die Umstände der Auftragsvergabe und der Qualitätssicherung aus polizeilicher Perspektive. Die Schlussfolgerung der Studie ist, dass die Polizei die Professionalität aus regelmäßigen Einsätzen der Dolmetschenden ableitet, über die Bestellung und Wiederbestellung entscheiden die Beamtinnen und Beamten selbst, sie setzen die Standards. Damit hängt die Dolmetschqualität in der polizeilichen Vernehmung letzten Endes nicht nur von der Kompetenz des Dolmetschers ab, sondern auch zu einem wesentlichen Teil vom persönlichen Verständnis des Beamten von Dolmetschqualität […] (Stanek 2011: 173) Mira Kadrić 106 3 Blick in die Zukunft Die oft mangelnde Qualität der Polizei- und Gerichtsdolmetschung ist kein Phänomen des deutschsprachigen Raums, sondern ein europäisches Problem. Europäische Institutionen haben dies frühzeitig erkannt und sich mit Ausbildung und Bestellung der Dolmetschenden und dem Modus und Ausmaß der Dolmetschung bei Vernehmungen und Verhandlungen in den letzten Jahren in breiten Diskussionsprozessen intensiv auseinandergesetzt. Ein Ergebnis dieses Prozesses war ein Rechtsakt der Europäischen Union, nämlich die Richtlinie 2010/ 64/ EU vom 20.10.2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen im Strafverfahren (ABl. L 280/ 1 vom 26.10.2010). Die Richtlinie ist von den Mitgliedstaaten bis spätestens 27.10.2013 in die nationalen Rechtsordnungen umzusetzen. Sie beeindruckt unter anderem durch ein umfassendes Verständnis von Funktion und Bedeutung des Dolmetschens und betont die Rolle der Dolmetschung für die Fairness eines Strafverfahrens. Daraus leitet die Richtlinie Qualitätskriterien ab und fordert die Einrichtung von Listensystemen (vgl. etwa Art. 2 Abs. 8 sowie Art. 5 der Richtlinie). Ein begrüßenswertes Anliegen der Richtlinie ist die Forderung nach Sensibilisierung der Justizbehörden für die Bedeutung der Dolmetschung (Art. 6 der Richtlinie). Der im Herbst 2011 veröffentlichte Endbericht der eingangs zitierten Special Interest Group on Translation and Interpreting for Public Services bildet gleichsam eine Ergänzung zum Gesetzgebungsakt der Richtlinie und weist den Mitgliedstaaten den Weg, wie sie die von der Richtlinie geforderte Qualität der Dolmetschung im Strafverfahren erreichen können. Der Bericht empfiehlt unter anderem den Einsatz moderner Technik, die Einrichtung von Qualitätssicherungssystemen und von standardisierten Ausbildungsmodulen für Dolmetschende. Auf nationaler Ebene ergreift das für das Polizeidolmetschen hauptverantwortliche österreichische Innenministerium im Aus- und Fortbildungsbereich durchaus Initiativen, die auf eine Professionalisierung der Polizeiarbeit und ein stärkeres Bewusstsein für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in der Polizei abzielen. 10 Gleichzeitig gibt es gerade im Dolmetschbereich Rückschritte. So sieht etwa ein 2009 ergangener Erlass des Innenministeriums die Beiziehung beliebiger sprachkundiger Personen als Dolmetschende vor, wobei die Sachkunde der dolmetschenden Person „das amtshandelnde Organ“ zu beurteilen hat (! ): Zwar sind gemäß § 126 Abs. 2 als Dolmetscher vor allem allgemein beeidete gerichtliche Fachkräfte zu bestellen, jedoch ist die Heranziehung anderer Personen ausdrücklich möglich, wenn diese zuvor über ihre wesentlichen Rechte und 10 Vgl. etwa das Projekt Polizei. Macht. Menschen. Rechte: http: / / www.bmi.gv.at/ cms/ cs03documentsbmi/ 787.pdf (Stand: 30.11.2011). Rekrutierung von Polizeidolmetschenden im Lichte empirischer Forschung 107 Pflichten informiert wurden und das amtshandelnde Organ der Kriminalpolizei die für die Übersetzungstätigkeit erforderliche Sachkunde positiv beurteilt hat. Vernehmungen durch die Kriminalpolizei haben oftmals unter entsprechendem Zeitdruck zu erfolgen, sodass wie bisher in Einzelfällen auch auf nicht zertifizierte Personen zurückgegriffen werden kann, die über entsprechende Sprachkenntnisse und Seriosität verfügen. (Bundesministerium für Inneres 2009a) Schließlich bedeutet auch die erwähnte Reform der österreichischen Strafprozessordnung einen nicht nachvollziehbaren Schritt zurück. Seit Juli 2011 entsenden das Justizministerium und die Justizbetreuungsagentur Dolmetschende für Strafverfahren, ohne dass das Gesetz auch nur irgendein Qualitätskriterium für diese Dolmetschenden aufstellt. Die neue Gesetzeslage wird möglicherweise im Widerspruch zur Richtlinie 2010/ 64/ EU stehen. Für die unbefriedigende Lage im Bereich des Polizeidolmetschens, die hier dargestellt werden sollte, kann nicht die Polizei allein verantwortlich gemacht werden. Vor allem der Mangel an Dolmetschenden für seltene Sprachen ist ein Problem, das sinnvollerweise nur von den Bedarfstragenden - neben der Polizei sind das Gerichte und andere Behörden, aber genauso Gesundheits- oder Bildungseinrichtungen - gemeinsam gelöst werden kann. Doch obwohl der Mangel an Dolmetschenden seit mehr als 10 Jahren evident ist und sowohl von der Praxis der Behörden als auch von der Translationswissenschaft thematisiert wird, fehlen weiterhin Initiativen, den Dolmetschmangel endlich zu beheben. Ganz offensichtlich handelt es sich beim Dolmetschen um eine Querschnittsmaterie, die zwar viele Bereiche betrifft, für die sich aber gerade in Zeiten knapper Budgets niemand zuständig fühlt. Die eingangs angeführte Polizeiaktion „Operation Spring“, die 120 Strafverfahren nach sich zog, ist nur ein Beispiel dafür, wie die Qualität der Dolmetschung den Ausgang eines Behördenverfahrens entscheidend mitbestimmt. Für betroffene Bürgerinnen und Bürger sind die Qualitätsstandards der Polizeidolmetschung daher außerordentlich wichtig. Translation wirft in diesem Zusammenhang gesellschaftlich relevante Fragen auf: Der bei der Operation Spring beauftragte Dolmetscher konnte selbst entscheiden, wie viel aus dem umfangreichen Material an Informationen zu übersetzen bzw. zu dolmetschen ist. Damit hat er polizeiliche Aufgaben wahrgenommen. Darüber hinaus haben die anschließenden Gerichtsverfahren gezeigt, welche - negativen - Folgen eine unqualifizierte Dolmetschung nach sich ziehen kann. Viele Angeklagte wurden nach zweifelhaften Verfahren zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Für die Zukunft gilt es daher, dem Weg zu folgen, den die Europäischen Institutionen mit den erwähnten Rechtsakten und Initiativen eingeschlagen haben und zu deren Ausformulierung Sylvia Kalina einen wertvollen Beitrag geleistet hat. Mira Kadrić 108 Literaturverzeichnis Amnesty International Österreich (2009). Jahresbericht. http: / / www.amnesty.at / informiert_sein/ presse/ pressemitteilungen/ jahresbericht_2009_von_amnesty_i nternational/ (Stand: 15.11.2011). Bischof, Josef Phillip (2006). Operation Spring. Die Einführung des großen Lausch- und Spähangriffes in Österreich aus Verteidigersicht. Österreichisches Anwaltsblatt 2006.1, 12-18. Bundesgesetz über die Errichtung einer Justizbetreuungsagentur [Justizbetreuungsagentur-Gesetz - JBA-G], BGBl. I Nr. 101/ 2008. https: / / www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/ BgblAuth/ BGBLA_2008_I_101/ BGBLA_2008_I_101.pdf (Stand: 16. 01.2012). Bundesministerium für Inneres (2009a). Erlass BMI-EE1500/ 0152-II/ 2/ a/ 2009 vom 11.12.2009. http: / / www.ris.bka.gv.at/ Dokumente/ Ebmj/ ERL_07_000_20100218_ 001_590000L_2_II3_10/ 07_20100218_Anhang_zu_590000L2II310__bmi-ee1500_01 52-ii_2_a_2009_-_Blg._A__01.pdf (Stand: 06.01.2012). Bundesministerium für Inneres (2009b). Polizei. Macht. Menschen. Rechte. http: / / www.bmi.gv.at/ cms/ cs03documentsbmi/ 787.pdf (Stand: 04.12.2011). Bundesministerium für Justiz (o.J.). Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste. http: / / www.sdgliste.justiz.gv.at (Stand: 30.11.2011). Donk, Ute (1994). Der Dolmetscher als Hilfspolizist. Zeitschrift für Rechtssoziologie 1, 37-57. Donk, Ute (1998). Kontrolle und Hysterie: Überlegungen zu dem Aussageverhalten nicht deutsch sprechender Beschuldigter in polizeilichen Vernehmungen. In Jo Reichertz (Hg.), Die Wirklichkeit des Rechts. Opladen: Westdeutscher Verlag, 279- 301. Europäische Union (2010). Richtlinie 2010/ 64/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 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Mira Kadrić: Universitätsprofessorin für Dolmetschwissenschaft und Translationsdidaktik am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien. Nach dem Grundstudium im Übersetzen und Dolmetschen in den Sprachen Deutsch, Serbokroatisch und Russisch hat sie ein interdisziplinäres Doktoratsstudium in Translationswissenschaft und Rechtswissenschaft absolviert. Die Habilitationsschrift aus der Dolmetschwissenschaft greift Ansätze der Theaterpädagogik auf. Zu den Forschungsschwerpunkten zählen Translation und Gesellschaft, Dolmetschen im interdisziplinären Austausch (Rechtswissenschaften und Theaterpädagogik) sowie Translationsdidaktik. Mira Kadrić ist Autorin mehrerer Monographien, eines Nachschlagewerks und von Beiträgen in translationswissenschaftlichen und juristischen Zeitschriften und Sammelbänden. Sie ist Herausgeberin mehrerer Sammelbände sowie der manual-Reihe Basiswissen Translation. Sie wirkt u.a. als Expertin in Arbeitsgruppen von Europarat und Europäischer Union mit. Ivana Čeňková Qui décide de la qualité de l’interprétation en milieu social ? (Résultats de l’expérience vécue en République Tchèque) 1 Introduction En République Tchèque l’interprétation en milieu social n’est pas encore institutionnalisée et un important travail de promotion reste à faire pour que tous les acteurs impliqués puissent mieux appréhender, ou plus exactement puissent mieux déterminer leurs rôles respectifs. Plusieurs études dans le cadre de mémoires de maîtrise ont été réalisées à l’Institut de Traductologie de Prague et les résultats sont assez parlants. Depuis l’été dernier (2010), nos étudiants de master, spécialisation interprétation, collaborent régulièrement avec l´ONG « Organisation d’aide aux réfugiés » (OPU - « Organizace pro pomoc uprchlíkům ») comme interprètes (avec le tchèque, l’anglais, l’espagnol, le russe, le portugais et le français comme langues de travail; cf. OPU 2010). Nous avons réalisé dans ce contexte une étude de cas longitudinale afin de centrer et mieux définir le rôle spécifique de l’interprète dans ces situations ponctuelles d’interprétation pour les demandeurs d’asile et/ ou réfugiés ainsi que les attentes des collaborateurs de l’ONG et des demandeurs d’asile. Après le dépouillement des questionnaires et l’analyse des entretiens, il s’avère que surtout l’une des parties - les « clients » (demandeurs d’asile) - voit dans l’interprète plus un médiateur qu’un simple interprète, et cette situation est assez stressante et inhabituelle pour les étudiants. Plusieurs questions se posent dans ce contexte et nous essayons d’y apporter quelques éléments de réponse en incluant toutes les parties intéressées. 2 Bref rappel historique : recherches préliminaires et cadre contextuel en République Tchèque Année 2000 : première rencontre formelle des agences d’interprétation et de traduction tchèques avec les formateurs-interprètes de notre Institut de Traductologie pour évoquer les problèmes liés à l’interprétation en milieu social (IMS) et surtout à l’interprétation pour les demandeurs d’asile parlant des langues « rares ». L’IMS ne voit le jour en République Tchèque qu’après 1989, après la chute du mur de Berlin, après la révolution de velours et tous les changements politiques intervenus dans cette partie de l’Europe et dans Ivana Čeňková 112 le monde en général. Les immigrés, les réfugiés et les demandeurs d’asile arrivent en grand nombre, mais très souvent en utilisant notre pays seulement comme un lieu de passage et de transit vers l’Union européenne et d’autres pays plus riches. Année 2001 : premier article consacré à l’IMS « community interpreting », paru en tchèque (cf. Čeňková 2001). Années 2002-2003 : décision de démarrer les premières recherches préliminaires sur l’IMS au sein de l’Institut de Traductologie, de proposer aux étudiants des sujets de mémoires et de thèses sur ce thème et de diriger leurs travaux (travaux théoriques et pratiques). Années 2004 -2005 : soutenance du premier mémoire de maîtrise sur l’IMS, (Interprétation dans les centres d’asile en République Tchèque, cf. Nakládalová 2005). L’objectif de ce mémoire était d’analyser la situation de l’IMS dans les centres pour demandeurs d’asile appartenant au ministère de l’Intérieur de la République Tchèque (RT). Il s’agissait du premier mémoire de ce type. Ce travail était donc en grande partie descriptif et s’accompagnait d’une analyse comparative des différentes situations dans les pays ayant déjà une longue tradition dans ce domaine - États-Unis, Canada, Scandinavie, Australie, Allemagne, Autriche - visant à caractériser les normes professionnelles et éthiques, les critères et le contenu des formations spécialisées à l’intention des futurs interprètes en milieu social. Lucie Nakládalová s’est ensuite penchée sur le rôle de l’interprète en milieu social et les différents avis émis sur cette question. Dans un premier temps, elle a envoyé un questionnaire aux interprètes (professionnels et bénévoles) et organisé des entretiens avec ces derniers, ainsi qu’avec les migrants directement au centre d’asile (Zastávka près de la ville de Brno). Elle a répertorié les diverses ONG en RT qui travaillent avec les réfugiés et a ensuite analysé plus en profondeur les groupes de migrants venant de l’espace post-soviétique. Elle a envoyé des questionnaires au ministère de l’Intérieur, au Département de la politique de migration et d’asile, aux ONG et à l’agence d’interprétation contractuelle 1 pour l´interprétation des procédures en vue de l’octroi du droit d’asile. Tous se sont prononcés en faveur de la mise en place de cours consacrés à l’IMS. Nous allons voir par la suite que le chemin à parcourir sera encore bien long. Années 2006-2008 : plusieurs études ont été réalisées dans le cadre des travaux dirigés semestriels au cours de la 1 ère et de la 2 ème année du programme master et du cours Euromasters in Conference Interpreting (EMCI). Un 2 e mémoire de maîtrise sur l’IMS est soutenu (Interprétation en milieu social - étude de cas : les migrants chinois en RT, cf. Gutvirtová 2008). Elle analyse la 1 Une grande agence de traduction et d’interprétation ayant son siège à Prague avec des filiales dans plusieurs villes tchèques et aussi à l’étranger et qui a gagné l’appel d’offre du ministère de l’Intérieur grâce à des prix très bas. Qui décide de la qualité de l´interprétation en milieu social ? 113 procédure de demande d´asile et se concentre surtout sur le rôle de l’interprète et les normes qui y sont attribuées - en se basant sur diverses opinions, parfois controversées, exprimées dans toute une série de publications telles que par exemple Goffman, Mason, Wadensjö, Venuti, Angelelli, Pöchhacker, Pöllabauer, Barsky, Tryuk, etc. Pour la première fois, elle fait une analyse approfondie de la communication sino-tchèque en prenant en compte les aspects socioculturels de ces deux communautés si différentes. Dans la partie pratique de son mémoire (faute d´obtenir l’autorisation de conduire des entretiens avec les interprètes et les migrants chinois dans le centre d’asile du ministère de l’Intérieur), elle reproduit en quelque sorte la structure des questionnaires utilisés par Angelelli (2004), Chesher (2003) et Pöchhacker (2000) dans des recherches similaires en procédant à une recherche exploratoire, combinant des méthodes qualita-tives et quantitatives (22 questionnaires électroniques obtenus par des interprètes chinois n’ayant aucune formation professionnelle). Les résultats qui en découlent sont les suivants : les interprètes sont intuitivement contre un rôle actif dans le processus de l’interprétation, ils soulignent la nécessité d’être précis et aussi complets que possible, tout en faisant passer le message de leur client de manière neutre et objective. Vers la fin de l’année 2007, nous avons soumis un projet au ministère de l’Éducation nationale en vue de préparer un module de formation à l’intention des interprètes en milieu social travaillant avec les étrangers et les minorités et en 2008 nous avons obtenu un soutien financier pour notre Institut de Traductologie (projet MŠMT 2008 CSM 45 : Komunitní tlumočení ve styku s cizinci a menšinami ; cf. Université Charles de Prague, Institut de Traductologie 2009). L’année 2008 fut donc un tournant décisif dans nos efforts. Grâce à ce projet IMS, nous avons pu avancer dans notre recherche et la future mise en place d’un cours spécialisé. Les étudiants ont rédigé plusieurs mémoires de maîtrise sur divers aspects de l’IMS et ont en grande partie contribué à la collecte des données sur les formations des IMS et des publications parues à ce sujet dans d’autres pays (par exemple Dita Kotašová qui s´intéresse aux ressortissants de l’Union européenne francophones et germanophones ainsi qu’à l´utilisation de l´anglais comme lingua franca dans les administrations publiques tchèques, dans les hôpitaux, l’assurance maladie et la sécurité sociale dans leurs échanges avec les ressortissants étrangers. Elle cherche également à savoir s´ils ont recours aux interprètes en IMS, contacte les institutions et les interprètes qui travaillent dans les hôpitaux et organise des entretiens avec eux. Cf. Kotašová 2008). En novembre 2008, une table ronde internationale a été organisée au siège de l’Union des Interprètes et des Traducteurs (JTP) sur le thème de l’IMS avec la participation de collègues interprètes-formateurs venus de l’étranger (Franz Pöchhacker, Helga Niske et Greta Vanhassel) et de repré- Ivana Čeňková 114 sentants de grands hôpitaux pragois, du ministère de l’Intérieur, de la Chambre des interprètes auprès des tribunaux, de doctorants et de membres de la JTP. Année 2009 : préparation du cours IMS pour les interprètes de la fonction publique comme « cours de requalification » au sein de l’Institut de Traductologie, ce qui constituait l’un des objectifs principaux de notre projet ministériel. 3 Situation actuelle : 2010-2011 3.1 Résultats de l’étude de Jiřina Holkupová et son mémoire de maîtrise L’année 2010 pourrait être appelée année « 0 », car tout ce qui avait été préparé, étudié, analysé et prévu auparavant allait finalement être mis en place et vérifié dans la pratique. En juin 2010, un séminaire important a été organisé au siège de la Représentation de la Commission européenne à Prague sur le thème des migrants et du respect de leurs droits en RT, consacré notamment à l’IMS. L’avantage de ce séminaire : y étaient invités les représentants de nombreuses ONG, les responsables du ministère de l’Intérieur et les interprètes et traducteurs qui avaient de l’expérience en matière d’interprétation avec des migrants, réfugiés et demandeurs d’asile. Nous y étions aussi avec notre étudiante Jiřina Holkupová, qui avait, dans son mémoire de maîtrise, fait une étude et une analyse approfondie du rôle de l’interprète du point de vue des divers participants dans la situation de communication interculturelle bilingue (cf. Holkupová 2010). Elle avait réussi à contacter un nombre très élevé d’institutions publiques (1240 questionnaires envoyés) et d’interprètes sur le marché (865 questionnaires distribués) et avait recueilli 308 questionnaires remplis par diverses institutions publiques (voir Tableau 1), soit 26 %, et 229 questionnaires remplis par des interprètes, ce qui donne aussi un retour de 26 %. Qui décide de la qualité de l´interprétation en milieu social ? 115 Institution Nombre de questionnaires envoyés Retour absolu Retour relatif (%) Police nationale 110 61 55 Police pour étrangers / Ministère 83 20 24 Sécurité sociale 83 51 61 Administrations locales 706 108 15 Assurance maladie 66 14 21 Hôpitaux 119 37 31 ONG 73 17 23 Tableau 1: retour des questionnaires - secteur de la santé et autorités publiques Il faut ajouter que son étude s’est étendue sur plus de 2 ans (cf. Holkupová 2010). En utilisant les ressources bibliographiques du monde entier, elle a déterminé 6 rôles possibles pour un interprète. En commençant par le rôle passif et neutre d’un canal de communication linguistique, en passant par le rôle plus actif du coordinateur de communication, qui néanmoins ne dépasse pas encore la notion de simple médiateur linguistique, ensuite par le garant de l’efficacité de la communication, jusqu’au rôle relativement autonome du médiateur des spécificités culturelles ou de l’expert, qui formule lui-même les questions ou fournit des informations, et en terminant par le défendeur des droits de l’une des parties. L’objectif de sa recherche et de la partie pratique de son mémoire de maîtrise était de déterminer si les interprètes et les représentants des institutions considéraient ces rôles comme quelque chose qui devrait faire partie de la prestation d’interprète. Ces 6 groupes de rôles ont été transformés en activités communicatives très concrètes que tout interprète dans le rôle en question effectue (par exemple explication des différences culturelles, explication ou simplification des termes spécialisés, vérification qu‘il y a une bonne compréhension des deux côtés, etc.). Avec l’aide de sociologues, elle avait préparé deux types de questionnaires. Les résultats obtenus démontrent que, globalement, les interprètes, tout comme les employés des institutions, voient le rôle des interprètes comme un rôle actif les interprètes s'accordant une large liberté en transmettant les intentions communicatives des deux parties. Il faut prendre en compte le fait que cette recherche ne reposait pas sur la comparaison des standards et des normes en vigueur, mais sur une appréhension subjective des répondants sur la base de leur propre expérience. Selon les participants, il est normal que l’interprète coordonne la communication, qu’il explique les différences culturelles et s’efforce d’obtenir une plus grande efficacité dans la communication. Cependant, ils s’opposent à ce que l’interprète remplisse le rôle d’expert ou de défendeur, qu’il joue un rôle qui n’est plus directement lié à l’interprétation. Les avis des interprètes et des responsables des institutions sur ce sujet sont Ivana Čeňková 116 presque similaires. Ceci pourrait constituer une bonne base pour une future coopération mutuelle dans des situations réelles. À titre d’exemple, nous donnons ci-dessous l’une des questions posées par Jiřina Holkupová et les tableaux illustrant les résultats (voir tableaux 2, 3 et 4). Faut-il expliquer aux deux parties les faits qui découlent des différences culturelles et des systèmes de valeurs pour surmonter les incompréhensions éventuelles? Tableau 2: réponses des interprètes actifs en IMS et de ceux qui ne pratiquent pas ce type d’interprétation Tableau 3: réponses des organisations professionnelles d’interprètes selon leur appartenance Nous voyons que les interprètes membres d’ASKOT (Association des interprètes de conférence), qui travaillent surtout dans des conférences internationales et sont spécialisés dans l’interprétation simultanée en cabine, n’ont apparemment pas beaucoup d’expérience avec l’IMS ; ils sont donc plus « professionnels » et exigent, dans un pourcentage plus élevé que les autres catégories d’interprètes, que l’interprète soit neutre et n’explique pas les différences culturelles (la réponse « non » - à savoir que l’interprète ne Qui décide de la qualité de l´interprétation en milieu social ? 117 doit pas expliquer les différences culturelles - est beaucoup plus marquée que chez les autres catégories d’interprètes). Tableau 4: réponses selon l’appartenance à l’institution 2 La grande majorité des répondants des institutions pense que l’interprète devrait expliquer les différences culturelles (80,8 %). Nous voyons en même temps une différence assez nette selon l’appartenance à l’institution en question : le ministère de l’Intérieur est le plus strict pour ce qui est de la neutralité de l’interprète et du non-respect des différences culturelles. Il en est de même pour la Sécurité sociale, notamment pour le versement des cotisations salariales et des charges patronales - il est assez clair que les différences culturelles des ressortissants étrangers dans ce contexte ne l’intéressent pas. 3.2 Vérification des résultats des recherches par l’intermédiaire de la formation des interprètes en milieu social Octobre 2010 - Janvier 2011 : le premier cours d’IMS a été lancé à l’Institut de Traductologie (90 heures de cours in situ + 40 heures d’apprentissage en ligne : voir aussi le site www.lingua.ff.cuni.cz). Il s’agissait d’un cours de requalification, qui faisait partie de la formation continue. Nous avons accepté 9 étudiantes et nous avons divisé le cours en deux grands volets. Le premier était plutôt théorique et nous y avons parlé de déontologie, d’éthique, de différences interculturelles, de rhétorique et de communication multilingue, de psychologie, du rôle de l’interprète et des différents types d’interprétation, y compris la prise de notes et le chuchotage. Ensuite ont été organisés des cours magistraux thématiques portant par exemple sur le système de santé et quelques notions de base en médecine, le système éducatif, le système fiscal et le fonctionnement des impôts, la sécurité sociale, la police, les aspects juridiques des contacts avec les autorités publiques (les for- 2 Légende : Police (P), Police pour étrangers (PE), Ministère de l’Intérieure (MI), collectivités locales (CL), Sécurité social (Sécu), Assurance maladie (AM), Hôpitaux (H), Organisations non-gouvernementales (ONG). Ivana Čeňková 118 mulaires à remplir, les lois à connaître, etc.) et surtout avec la police pour étrangers et le ministère de l’Intérieur, notamment les problèmes des demandeurs d’asile et le rôle des ONG. Le deuxième volet était purement pratique et se concentrait sur l’apprentissage des différents types d’interprétation utilisés en IMS et sur les stratégies à maîtriser (interprétation consécutive de liaison, traduction à vue, interprétation consécutive avec prise de notes, chuchotage) dans des situations spécifiques à ce type d’interprétation, en particulier par des jeux de rôles. L’interprétation se déroulait selon les modules thématiques traités auparavant d’un point de vue théorique dans le premier volet du cours. Des représentants d’ONG sont également intervenus dans les cours pour parler de leur expérience avec les interprètes et pour chercher ensemble les meilleures solutions à adopter. Les participants ont été soumis à un examen final écrit et oral en vue d’obtenir un Certificat d’interprète en milieu social, délivré par notre Université et validé par le ministère de l’Éducation nationale. Suite à l’évaluation des résultats de ce cours et du feedback reçu, nous avons préparé un nouveau cours optionnel de 13 semaines (un semestre) pour nos étudiants du niveau master, spécialisation interprétation, et avons réussi à obtenir son accréditation pour l’inclure dans notre programme d’études à l’Institut de Traductologie à partir de l’année universitaire 2011- 2012. 3.3 Vérification des résultats des recherches dans la pratique : stage professionnel des interprètes en milieu social (étude de cas) Juin 2010 - juin 2011 : 10 étudiantes de master ont régulièrement travaillé comme interprètes à l’Organisation d’aide aux réfugiés (OPU) dans diverses situations et contextes. Elles étaient chargées de remplir des questionnaires comportant des questions similaires à celles du mémoire de maîtrise de Jiřina Holkupová. Notre objectif était de déterminer si la pratique correspondait aux réponses obtenues dans un cadre plus général et plutôt théorique. Un autre questionnaire a été distribué aux collaborateurs de l’OPU. 3.4 Analyse des réponses Le type et le caractère des situations dans lesquelles les étudiantes interprétaient figuraient au centre de nos intérêts. Voici les situations les plus fréquentes : interprétation lors d’un premier entretien au bureau d´accueil pour les immigrés à l’aéroport de Prague, au centre d’asile, au centre de rétention, dans des hospices pour personnes âgées et malades, dans un établissement d’accueil pour enfants de ressortissants étrangers, dans les bureaux de l’agent de l’immigration ou du conseil Qui décide de la qualité de l´interprétation en milieu social ? 119 juridique, interprétation par téléphone lors d’un rendez-vous chez le médecin. Selon les étudiantes, ces situations se caractérisaient souvent par une atmosphère émotionnelle très tendue, surtout au cours de l’interprétation au bureau d’accueil à l’aéroport de Prague. Les ressortissants étrangers, très souvent des femmes ou de jeunes garçons venant d’Afrique qui fuyaient les zones de conflit et qui parlaient de viol, de torture, ou de leur participation comme enfants-soldats dans les affrontements militaires, voyaient l’interprète comme la personnes qui allait immédiatement résoudre leurs problèmes et ils s’accrochaient donc à elle. Souvent, les missions d’interprétation était très longues et fatigantes - cela concernait notamment les visites aux centres d’asile, où les interprètes accompagnaient le représentant de l’OPU. Ces dernières y passaient souvent toute la journée, s’efforçant d’apporter leur aide dans les échanges pour essayer de résoudre les problèmes soulevés par les divers interlocuteurs. Parfois, elles étaient confrontées à des accents très marqués et presque incompréhensibles (surtout les accents africains pour le français) ou à une connaissance rudimentaire de la langue tchèque de ceux-ci et aux problèmes découlant d’une compréhension insuffisante et erronée des explications en tchèque (quand le ressortissant étranger prétendait ne pas avoir besoin de l’interprète). Nous avons voulu savoir si les interprètes recevaient des instructions avant leur intervention et si oui, lesquelles ? Le plus souvent, un document de déontologie leur était remis avant la mission, dans lequel était clairement écrit ce qu’un interprète peut ou ne peut pas faire, ainsi que des documents sur l’organisation OPU, des informations de base sur le ressortissant étranger concerné et le type de situation. Elles obtenaient parfois aussi les documents nécessaires et la terminologie spécialisée (par exemple lorsqu’il s’agissait de traduire un contrat de bail ou le refus officiel de la demande d’asile du client). Mais souvent, les interprètes se plaignaient de n’obtenir aucune instruction de la part du représentant social de l’OPU. Parfois, et ceci a été souligné comme étant très important et utile, les interprètes pouvaient demander un soutien et une consultation préalable avec un psychologue (surtout quand elles devaient travailler au centre d’accueil à l’aéroport de Prague, où la situation était très éprouvante et stressante) dans le cadre de leur « préparation psychique ». Avant de commencer l’interprétation, l’interprète et le représentant de l’OPU se mettaient parfois d’accord sur le déroulement de l’entretien, à savoir que l’interprète devait s’adresser à la 3 e personne au client (pour protéger l’interprète et montrer clairement que ce n’est pas elle qui est l’auteur des questions posées) et à la 1 e personne au collaborateur tchèque, lequel devait présenter l’interprète au client. D’après les interprètes, cela n’était malheureusement pas la règle, elles devaient se présenter toutes seules, expliquer qu’elles n’étaient qu’interprètes et, selon le contexte, elles devaient décider elles-mêmes d’employer la 1 e ou la 3 e per- Ivana Čeňková 120 sonne en s’adressant au ressortissant étranger. Néanmoins, le point positif était que jamais les interprètes n’étaient laissées seules avec le client étranger; le représentant de l’OPU était toujours présent. En effet, les attentes des étrangers vis-à-vis de l’interprète étaient grandes : le client la regardait comme quelqu’un qui allait l’aider, qui était de son côté et qui allait servir de médiatrice pour tout expliquer au mieux au représentant « officiel » tchèque. Cependant, d’après les interprètes et les représentants de l’OPU, un interprète de qualité doit « seulement » interpréter avec le maximum de précision, mais il a toujours le droit de poser des questions s’il ne comprend pas, s´il a besoin d’une explication ou d’une répétition, à condition de toujours en prévenir le responsable tchèque. Il doit expliquer au responsable la raison de sa démarche, par exemple qu’il a fait répéter parce qu’il comprend difficilement l’accent du client ou que le client lui-même exige une reformulation dans un langage plus simple. Les réponses des responsables de l’OPU ont aussi clairement indiqué qu’il y avait une énorme différence de qualité entre les interprètes-étudiantes de l’Institut de Traductologie et les interprètes sans formation préalable (surtout pour des langues plus rares) qui eux simplifiaient, ne traduisaient pas tout ou discutaient avec le client en l’absence du collaborateur tchèque. 4 Conclusion Cette analyse, limitée bien sûr dans son impact, nous a montré que souvent, la pratique et les situations réelles ne correspondaient pas tout-à-fait aux réponses obtenues dans les recherches et questionnaires « théoriques » ou hors contexte. En effet, les répondants ont très souvent formulé ou ont voulu formuler des réponses « idéales ». Les réponses que nous avons recensées et décrites ci-dessus nous permettent de faire une conclusion ponctuelle (seulement dix interprètes ont participé à la recherche), mais relativement objective (si l'on tient compte du fait qu'il s'agissait des activités d’une ONG et qu’une période relativement significative de dix mois a été couverte). Parallèlement, notre article démontre que l’IMS en République Tchèque se professionnalise, que la situation et la perception de l’interprète IMS a bien évolué au cours de ces 10 dernières années et qu’un certain progrès a également été enregistré au niveau institutionnel et professionnel. Qui décide de la qualité de l´interprétation en milieu social ? 121 Références bibliographiques Angelelli, Claudia (2003). The Interpersonal Role of the Interpreter in Cross-Cultural Communication. A Survey of Conference, Court and Medical Interpreters in the US, Canada and Mexico. 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Elle y est responsable de l’Unité de la théorie et de la didactique de l’interprétation et dirige le European Masters in Conference Interpreting (EMCI). Vice-doyenne chargée des relations internationales depuis 2010, elle travaille régulièrement aussi comme interprète de conférence (accréditation UE). Stages d’études à l’ESIT Paris, MGPIIJA Moscou, diplômée de l’Institut de Traductologie, Université Charles avec le tchèque, le français et le russe (1978). PhDr. (1980, Prague) et CSc. (équivalent de PhD - 1986, Prague) - en théorie de l’interprétation. Habilitation en 1993. Nommée professeur enTraductologie par le président de la République (2008). Auteur de nombreux articles et publications sur les divers aspects de l’interprétation (théorie, pratique, didactique), surtout en tchèque. Coéditrice de Folia Translatologica. Membre d’ASKOT (Association des interprètes de conférence de la République tchèque), EST (Société européenne de traductologie), JTP (Union des Interprètes et des Traducteurs), Gallica (Association des formateurs de la langue française), Jazykovědné sdružení (Association des linguistes tchèques), Chevalier de l’Ordre des Palmes académiques (décerné en 2004 par le premier ministre de la République Française - pour la promotion de la langue française). Gertrud Hofer und Claudia General Standortbestimmung Schweiz - Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 1 Einleitung: Dolmetschen in verschiedenen Settings In der Schweiz werden seit mehr als 200 Jahren vier Sprachen gesprochen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Nach den Angaben des Bundesamtes für Statistik ist Serbisch/ Kroatisch/ Bosnisch im Jahr 2000 die vierthäufigste Sprache nach Deutsch, Französisch und Italienisch. 1 Die Erweiterung der Schweizer Sprachenpalette seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hat das Bild wesentlich verändert. Italienisch und Spanisch wurden für das Dolmetschen durch die Zunahme der Zahl an Gastarbeitern 2 wichtiger, in den 70er Jahren galt dasselbe für Türkisch, in den 80er Jahren kamen Arabisch und Portugiesisch dazu, in den 90er Jahren Russisch und verschiedene osteuropäische Sprachen aus dem ehemaligen Jugoslawien und nach 2000 afrikanische und asiatische Sprachen. Die Einwanderung führte zu einem steigenden Bedarf an Dolmetschleistungen. Seit den 60er Jahren mussten sich Vertreter der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte also vermehrt mit Fremdsprachigen verständigen. Viele dieser Vertreter hielten es mit der uns leider vertrauten These, wonach jeder, der zwei Sprachen (einigermaßen) beherrscht, dolmetschen kann (vgl. Kautz 2002: 419). Gleichzeitig war ihnen bewusst, dass die Qualität der Dolmetschleistungen sehr heterogen war. Schlechte Erfahrungen aus dem Alltag führten verständlicherweise oft zu einer Skepsis gegenüber der Kompetenz der Dolmetscher (vgl. hierzu auch Colin/ Morris 1996: 99). Dazu ein Beispiel aus der Berner Justiz: Eine Dolmetscherin arbeitet im Auftrag einer Berner Richterin, es geht um die Überprüfung einer Auslieferungshaft. Die Richterin merkt, dass die Dolmetscherin den Unterschied zwischen „Auslieferung“ und „Ausschaffung“ nicht kennt und den Ausdruck „espulsione“ statt „estradizione“ verwendet (vgl. Hofer 2011: 25). Die Richterin bemerkt diese und andere terminologische Unsicherheiten nur, weil sie Italienisch versteht. Hätte es sich statt um Italienisch um Amharisch oder Tigrinya 1 Die letzte offizielle Messung hat im Jahr 2000 stattgefunden. Leider werden in den allgemeinen Volkszählungen die Sprachen seither nicht mehr erfasst. 2 Alle Berufsbezeichnungen werden im Verlauf der Arbeit aus Gründen der besseren Lesbarkeit in inkludierender Weise verwendet. Gertrud Hofer und Claudia General 124 gehandelt, wären die meisten Gesprächsleiter dem Dolmetscher „ausgeliefert“ gewesen. Solche Erfahrungen sind dem Vertrauen den Dolmetschern gegenüber abträglich und es ist noch schwieriger, Vertrauen zu fassen, wenn man in einer Sprache wie etwa Amharisch oder Tigrinya nicht einmal „ja“ oder „nein“ versteht und die Kommunikation offensichtlich Mängel aufweist, weil die Antworten nicht zu den Fragen des Richters passen. Selbstverständlich kann eine falsche Antwort auch Absicht sein oder der Grund liegt in der Aufregung bzw. im mangelnden Verständnis des Befragten. Seit den 90er Jahren gibt es in der Schweiz zwar Ausbildungsmodule für Dolmetscher mit Migrationshintergrund und auch Stellen, die Dolmetscheinsätze vermitteln. Diese Vermittlungsstellen sind aber weitgehend im Gesundheitswesen verankert, sie haben kaum Kontakt zur Justiz. In diesen Ausbildungsmodulen liegt das Hauptgewicht auf der Aufarbeitung der Migrationsgeschichte, auf der Bedeutung der Interkulturalität und auf der Supervision, hingegen sind Dolmetscharten und -techniken, fachliche Inhalte oder Recherchetechniken weniger Thema dieser Module. Das hat konzeptuelle/ ideelle Gründe. Die Vermittlungsstellen sehen die so genannten „Interkulturellen Übersetzer“ 3 als Partner im Gespräch (Trialog) und das von den Vermittlungsstellen geforderte Deutschniveau ist B2. Sie erwarten von den Dolmetschern eine Beteiligung am Gespräch über das Gesagte hinaus, z.B. Empathie oder Einflussnahme auf die Gesprächspartner. Im Gesundheitswesen mehren sich die Stimmen gegen eine bewusste oder unbewusste Einflussnahme und das Justizwesen befürwortet den Trialog gar nicht - hier ist der Dolmetscher derjenige, der den Dialog zwischen den Parteien ermöglicht -, und das erforderliche Deutschniveau muss möglichst hoch sein (C2) oder Deutsch ist die Muttersprache. Der Migrationshintergrund spielt eine geringere Rolle. Trotzdem gibt es eine Verbindung zwischen dem Dolmetscher im Gesundheitswesen und in der Justiz: Die Dolmetscher selbst bieten ihre Dienste allen Institutionen an und versuchen sich den jeweiligen Anforderungen und Bedürfnissen der verschiedenen Bereiche anzupassen. 2 Zusammenarbeit mit den Justizbehörden Im Justizwesen des Kantons Zürich beschäftigt man sich erst seit 1999 mit dem Thema Qualität von Dolmetschleistungen, nachdem ein vermeintlicher Skandal den Kanton Zürich wachgerüttelt hatte. Ein albanischer Dolmetscher hatte mit seiner Tätigkeit in einem Jahr etwa CHF 250.000 verdient. Es kam zu einem politischen Vorstoß eines Vertreters des kantonalen Parlaments gegen die Höhe von Dolmetscherhonoraren, aber der beanstandete Betrag erwies sich als gerechtfertigt, weil der Dolmetscher an Telefonkon- 3 Der Begriff „Interkulturelle Übersetzer“ wird in der Schweiz von verschiedenen Vermittlungsstellen verwendet, die dem Dachverband „Interpret“ angegliedert sind. Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 125 trollen mitgewirkt hatte. Das bedeutet, dass er stundenlang im Einsatz gewesen war, um verdächtige Telefongespräche mitzuhören und zu dolmetschen. Im Anschluss an diese Untersuchung entwickelte sich eine grundsätzliche Diskussion um die Qualität der Dolmetschleistungen. Für diese Diskussion wurde das Institut für Übersetzen und Dolmetschen (IÜD) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hinzugezogen, da die Fachstelle Weiterbildung dieses Instituts bei den Gerichten des Kantons Zürich bereits die Veranstaltung zur Redaktion von verständlichen Urteilen „Wenn das Recht zur Sprache kommt“ durchführte (vgl. Albl- Mikasa et al. 2011). Strafbehörden und verschiedene Gerichte allein im Kanton Zürich hatten über die Jahre unterschiedliche Listen angelegt, die sie in eigener Regie verwalteten. Voraussetzung für die Aufnahme in eine solche Liste waren die Zweisprachigkeit der Dolmetscher und ein gutes Leumundszeugnis. Der Leumund wird jeweils von der Polizei überprüft. Es wurde jedoch keinerlei Nachweis über die Kenntnisse der angegebenen Sprachen und auch keine Ausbildung zum Dolmetschen verlangt. Die Behörden und Gerichte wussten aber durchaus, dass ausgebildete Konferenzdolmetscher sehr gute Leistungen erbringen können. Die Absolventen der ehemaligen Dolmetscherschule Zürich 4 hatten oft für Behörden und Gerichte gedolmetscht, so lange sie noch nicht ausreichend Aufträge im Konferenzdolmetschbereich hatten. Sie deckten aber natürlich nicht das ganze Sprachenspektrum ab. Um das Jahr 2000 waren ca. 1.000 Dolmetscher im Verzeichnis des Zürcher Obergerichts. Bis zu diesem Jahr war in der Justiz kein Gedanke daran verschwendet worden, dass Dolmetscher ausgebildet werden sollten. Das lag vielleicht auch daran, dass man nicht wusste, dass es überhaupt einer Ausbildung bedurfte und wie eine Weiterbildung für Dolmetscher zu bewerkstelligen war. Um die Jahrtausendwende kam nun Verschiedenes zusammen: Der albanische Dolmetscher mit dem „hohen“ Honorar, die Zunahme von Dolmetschleistungen, für die der Kanton Zürich in jenem Jahr insgesamt einen Betrag in Millionenhöhe bezahlte, sowie ein Weiterbildungsanbieter, der sich im Sprachbereich etabliert hatte. So kam es dazu, dass sich die Fachstelle Weiterbildung des Instituts für Übersetzen und Dolmetschen dieser Thematik annahm, einer Thematik, die in vielen Ländern, insbesondere in Australien, in Kanada und in den USA, bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgegriffen worden war. 4 Die Dolmetscherschule Zürich wurde im Jahr 2000 zum Institut für Über setzen und Dolmetschen des Departements Angewandte Linguistik der ZHAW. Gertrud Hofer und Claudia General 126 3 Grundausbildung für Behörden- und Gerichtsdolmetscher Die Diskussion der Juristen mit der Leiterin der Fachstelle Weiterbildung und der damaligen Leiterin des Studiengangs Konferenzdolmetschen des Instituts für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW 5 mündete in die in der Schweiz bisher einzige und so genannte „Dolmetscherverordnung“, in der festgeschrieben wurde, dass die an Behörden und Gerichten tätigen Dolmetscher in Zukunft Mindestkenntnisse nachzuweisen haben. Für die Umsetzung der Forderungen in ein konkretes Kurskonzept war eine neu gegründete „Fachgruppe Dolmetscherwesen“ zuständig. Sie ist am Obergericht des Kantons Zürich angesiedelt und besteht insbesondere aus Vertretern der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte. 3.1 Konzeptionierung des Einführungskurses (Basiskurs) Als eine systematische Ausbildung geplant werden sollte, war die vorherrschende Meinung bei der Fachgruppe zunächst, dass die Vielzahl der Aufgaben und Pflichten von Dolmetschern in 10 goldene Regeln gefasst werden sollte. Erst zahlreiche Gespräche von Vertretern der Staatsanwaltschaft mit Dolmetschern und Linguisten führten zu einer differenzierteren Planung eines zweitägigen Kurses und einer Prüfung im Anschluss an diesen Kurs. So entstand schließlich der so genannte Basiskurs (vgl. Hofer 2007: 257), der für alle neu registrierten Behörden- und Gerichtsdolmetscher des Kantons seit 2005 obligatorisch ist und der - wie der Name sagt - eine Basis für die Dolmetscher legen sollte. Das Ziel dieses Kurses mit anschließender Prüfung ist eine Mindest-Qualifizierung der Dolmetscher. Das gemeinsam festgelegte Anforderungsprofil für die Dolmetscher bedeutete, dass in erster Linie folgende Kenntnisse und Kompetenzen vermittelt werden sollten: • juristische Fachkenntnisse, • Rollenverhalten, • ethische Prinzipien, • Dolmetschtechnik (sprachübergreifend). Hierbei handelte es sich lediglich um eine Einführung in die genannten Bereiche. Dolmetschübungen zur Dolmetschtechnik können auf dieser Ebene lediglich Deutsch-Deutsch angeboten werden. 5 Es handelt sich dabei um die Autorinnen (Gertrud Hofer - Weiterbildung, Claudia General - Studiengang Konferenzdolmetschen). Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 127 3.2 Institutionalisierung des Einführungskurses (Basiskurs) Die Festlegung eines Mindeststandards (Kurs und Prüfung) war eine Neuerung in der Schweiz, und vor allem von Seiten der Konferenzdolmetscher wurden immer wieder kritische Fragen gestellt: Warum hat sich ein Institut einer Fachhochschule, an dem seit über vierzig Jahren Konferenzdolmetscher ausgebildet werden, auf einen zweitägigen Kurs für Dolmetscher, die in der Regel keine spezifische Vorbildung haben, eingelassen? Lässt sich eine Mindest-Professionalisierung erreichen, wenn die Kursdauer nur zwei Tage (davon ein Tag juristisches Fachwissen) umfasst und wenn nur eine ganz kurze Einführung in das Konsekutivdolmetschen, in die Notizentechnik, das Rollenverhalten und die Atemtechnik stattfindet? Welchen Nutzen für die Teilnehmenden und für die Auftraggeber versprach sich das Institut davon? Die Gründe, die für dieses Kursangebot sprachen, waren folgende: • Die Anbindung des Basiskurses an eine juristische Institution (Fachgruppe Dolmetscherwesen des Kantons Zürich), die Auftraggeber für Dolmetscher ist, sichert die Institutionalisierung der Ausbildung und die Durchsetzung des angestrebten Mindeststandards. • Die obligatorische Kursteilnahme und die Anforderung der bestandenen Prüfung bedeuten eine Verbesserung der Auswahl der Dolmetscher, d.h., zum Dolmetschen nicht geeignete Kandidaten werden nicht ins Verzeichnis aufgenommen. • Mit dem Basiskurs war auch eine Zulassungsbeschränkung für den Kurs verknüpft: Die Dolmetscher benötigen einen Nachweis für ihre Deutschkenntnisse auf dem Niveau C2. • Die Fachgruppe Dolmetscherwesen ist für einen der beiden Kurstage verantwortlich, Vertreter der Fachgruppe vermitteln das juristische Fachwissen und führen eine schriftliche Prüfung durch. • Die Kooperation von Juristen und Dolmetschern kann die Kompetenzen beider Disziplinen in einem Weiterbildungsangebot vereinen. • Beide Disziplinen sind an der Professionalisierung interessiert und beurteilen die Qualität der Weiterbildung und der Verbesserung der Dolmetschleistungen aus verschiedenen Perspektiven. • Die Kooperation mit den Auftraggebern von Dolmetschenden garantiert die Nähe zur Praxis. Diese hat sich nicht nur im Kursprogramm niedergeschlagen, sondern auch in einem Merkblatt für Dolmetscher, das die Anforderungen an Dolmetscher beschreibt (vgl. Fachgruppe Dolmetscherwesen 2005). • Die Vertreter der Fachgruppe Dolmetscherwesen sorgen für eine breitere Anerkennung der Weiterbildung im Justizwesen. Die zweitägige Ausbildung von Dolmetschern wird von der Fachgruppe ideell und finanziell getragen. Gertrud Hofer und Claudia General 128 • Das gemeinsame Weiterbildungsangebot trägt auch dazu bei, dass die Vertreter der Fachgruppe Dolmetscherwesen die Komplexität des Dolmetschprozesses genauer erkennen, da sie auch bei der Dolmetschprüfung anwesend sind. Sie verstehen, wie sie die Dolmetscher unterstützen können (Abgabe von Unterlagen, Verwendung einer klaren Sprache, Einschränkung des Fachjargons), und sie können gute Leistungen besser einschätzen. Die Wertschätzung für die Dolmetscher steigt. • Die Kooperation hat für die Dolmetscher finanzielle Vorteile, da die Fachgruppe Dolmetscherwesen mehr als die Hälfte der Kosten für den Basiskurs übernimmt. Insgesamt sprechen also einige Faktoren deutlich für die Institutionalisierung des Basiskurses am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der ZHAW. Zweifellos konnte allein durch den Basiskurs bereits eine Steigerung der Dolmetschqualität erreicht werden. Vor allem hat die Prüfung im Anschluss an den Kurs einen selektiven Charakter. Seit der ab 2005 obligatorischen Prüfung sind bis 2008 fast die Hälfte der ursprünglich 1.000 im Verzeichnis aufgeführten Dolmetscher aus dem Verzeichnis gestrichen worden. Allerdings greift die Selektion nicht in allen Fällen. Wenn keine qualifizierten Dolmetscher zur Verfügung stehen, müssen nicht-qualifizierte hinzugezogen werden, das gilt insbesondere für Sprachen, die in der Schweiz noch nicht so lange relevant sind, wie z.B. Somali. Die Basiskurs-Prüfung zeigt den Ausbildnern und den Fachexperten der Justiz, wie groß die Unterschiede zwischen den Kandidaten sind. Die Mängel betreffen vor allem die Kenntnisse der Arbeitssprache Deutsch (Wortwahl, Grammatik, Fachterminologie) und des institutionellen Wissens sowie das Verständnis der logischen Zusammenhänge. Die Prüfung wird von den Dolmetschdozierenden, die im Kurs unterrichten, durchgeführt. Sie empfehlen die betreffenden Behörden- und Gerichtsdolmetscher bei guten Leistungen zur Aufnahme ins Verzeichnis; die Entscheidung, ob ein Kandidat ins Verzeichnis aufgenommen wird, fällen aber die Mitglieder der Fachgruppe Dolmetscherwesen. 3.3 Inhalt und Prüfung des Basiskurses Der Basiskurs und die Prüfung umfassen folgende Komponenten: Basiskurs Fachkompetenz Recht - Grundlagen des Rechts - Zivil- und Zivilprozessrecht - Straf- und Strafprozessrecht Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 129 Dolmetschen für öffentliche Institutionen und staatliche Einrichtungen - Allgemeine Einführung ins Dolmetschen - Berufsethische Fragen - Rollenverhalten - Einführung ins Konsekutivdolmetschen - Erste Schritte zur Notizentechnik - Atem- und Sprechtechnik Tabelle 1: Übersicht Inhalt Basiskurs Prüfung Basiskurs Fachkompetenz Recht - Schriftliche Prüfung: Multiple-Choice-Test mit 71 Fragen (Durchführung durch die Mitglieder der Fachgruppe Dolmetscherwesen) Dolmetschen - Konsekutivdolmetschen DE-DE (Text mit einem juristischen Hintergrund, 150 Wörter) - Fragen zum Berufsethos und zum Rollenverhalten (Durchführung durch die Dolmetscher, die im Unterricht eingesetzt werden) Tabelle 2: Übersicht Prüfung Basiskurs Grundsätzlich ist es mit dem Basiskurs gelungen, die Notwendigkeit einer spezifischen Ausbildung bei den Dolmetschern selbst und bei den Auftraggebern zu verankern, und es ist auch gelungen, die Auftraggeber zu überzeugen, dass es für die Dolmetscher unerlässlich ist, über das jeweilige Thema eines Einsatzes informiert zu sein und sich entsprechend vorbereiten zu können. Insgesamt wurden zwischen 2003 und 2011 51 Basiskurse durchgeführt. Während dieser Zeit bestanden 656 Kandidatinnen mit einer Vielzahl von Muttersprachen die Prüfung und wurden ins Dolmetscherverzeichnis des Kantons Zürich aufgenommen. 4 Qualitätssicherung durch Sprachüberprüfung Die Fachgruppe Dolmetscherwesen hatte neben der Basiskurs-Prüfung eine weitere qualitätssichernde Maßnahme angeordnet, die so genannte Sprachüberprüfung, die ebenfalls durch das Institut für Übersetzen und Dolmetschen durchgeführt wird. Die Sprachenpalette umfasste bisher: Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch. Die Beschwerden richteten sich daher gegen Dolmetscher mit Sprachen, die von den Gesprächsleitenden jeweils verstanden wurden. Von 21 Beschwerden waren 15 berechtigt, in 5 Fällen war die Dolmetschleistung akzeptabel. Nur in einem Fall war die Dolmetschkompetenz wirklich überzeugend, sodass der Kandidat der Fachgruppe Dolmetscherwesen als Dolmetscher empfohlen werden konnte. Gertrud Hofer und Claudia General 130 Eine solche Prüfung wird dann durchgeführt, wenn drei Auftraggeber (Polizeibeamte, Staatsanwälte, Richter) unabhängig voneinander mit der Leistung eines Dolmetschers nicht zufrieden sind und bei der Fachgruppe Dolmetscherwesen Meldung erstatten. Hintergrund ist die Begrenzung des Basiskurses und der Prüfung auf die Sprache Deutsch, es wird also nicht zweisprachig gearbeitet. Die Sprachüberprüfung ist umfassender als die Basiskurs-Prüfung. Es werden zunächst in einem Gespräch gesellschaftliche oder politischrechtliche Themen in beiden Sprachen abgedeckt, dann werden Stegreifübersetzen und Konsekutive in beide Richtungen geprüft. Die Texte (Länge: ca. 200 Wörter) haben einen juristischen Hintergrund, zum Teil werden sie von der Fachgruppe Dolmetscherwesen aus dem juristischen Alltag (u.a. Protokolle von Befragungen, Anklageschriften, Scheidungsurteile) zur Verfügung gestellt. Eine verkürzte Variante der Sprachüberprüfung wird dann durchgeführt, wenn ein Dolmetscher sein „Portefeuille“ um eine weitere Arbeitssprache ergänzen will und keinen Sprachnachweis auf dem Niveau C2 vorlegen kann. Insgesamt meldeten sich 6 Kandidaten zur Überprüfung (Gespräch in der gewünschten Zusatzsprache und Stegreif in beide Richtungen) an. Die Dolmetschkompetenz war ebenfalls nur in einem Fall ausgezeichnet. Prüfer sind: mindestens ein Dolmetscher, der am Unterricht im Ausbildungszyklus beteiligt ist und die beiden Arbeitssprachen beherrscht, möglicherweise ein zweiter Dolmetscher, der die zweite Sprache beherrscht, oder ein Muttersprachler mit der entsprechenden Sprache (vgl. Driesens Tandem- Prinzip in diesem Band) sowie ein Jurist von der Auftraggeberseite. Die Gründe des Misserfolgs bei den Kandidaten sind zahlreich: • mangelhafte Kenntnisse der Zweitsprache, • ungenügendes Verständnis der inhaltlich-logischen Zusammenhänge (Fokus auf das einzelne Wort), • unzureichende Rechtskenntnisse, • fehlende Terminologie, • unpassendes Register, • unprofessionelles Verhalten. Die Entscheidung, ob ein Behörden- oder Gerichtsdolmetscher aus dem Verzeichnis gestrichen wird, liegt bei der Fachgruppe Dolmetscherwesen, das Institut für Übersetzen und Dolmetschen gibt im Anschluss an die Sprachüberprüfung lediglich Empfehlungen ab (siehe Abschnitt 3.2 des vorliegenden Beitrags). 5 Aufbau von längeren Weiterbildungskursen Es stand bereits bei der Konzeptionierung des Basiskurses fest, dass weitere Module durchgeführt werden sollten. Eine bedeutende Rolle bei der Quali- Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 131 tätssteigerung spielen der anschließende Aufbaukurs und der CAS 6 -Lehrgang, deren Akzeptanz infolge der Kooperation mit den Gerichten bei den Dolmetschern deutlich höher ist, als es im Alleingang der Fall wäre. 5.1 Aufbaukurs Der Aufbaukurs kann nach dem Basiskurs besucht werden. Es gibt auch Teilnehmende, die von der Fachgruppe Dolmetscherwesen zur Teilnahme des Aufbaukurses ermuntert werden, wenn sie die Basiskursprüfung nicht bestanden haben, aber eine für die Auftraggeber interessante Sprachkombination anbieten. An dem Aufbaukurs nehmen zudem auch Dolmetscher teil, die aus anderen Kantonen kommen und/ oder in anderen Bereichen dolmetschen. Der achttägige Aufbaukurs ist mit Ausnahme der Recherchierkompetenz und der Terminologiearbeit ausschließlich dem Dolmetschen gewidmet. Im nächsten Jahr wird neu ein Rollenspiel mit einem Vertreter der Polizei durchgeführt. Hierbei sollen verschiedene Situationen bei polizeilichen Ermittlungen nachgespielt werden. Nachfolgend finden sich Aufbaukurs und Prüfung im Überblick: Aufbaukurs Dolmetschen für Behörden und Gerichte - Geschichte des Dolmetschens - Arten des Dolmetschens - Konsekutivdolmetschen mit Notizentechnik - Stegreifübersetzen - Flüsterdolmetschen - Recherchetechnik - Erstellung von Glossaren (juristische Terminologie) Tabelle 3: Übersicht Inhalt Aufbaukurs Prüfung Aufbaukurs (Leistungsnachweis, 3 ECTS-Punkte) Dolmetschen - Konsekutivdolmetschen DE-DE (Text mit einem juristischen Hintergrund, 200 Wörter) - Stegreifübersetzen (in der Regel aus der Mutterin die Fremdsprache, 200 Wörter) - Fragen zum Berufsethos und zum Rollenverhalten Tabelle 4: Übersicht Prüfung Aufbaukurs 6 Die Abkürzung CAS heißt gemäß der Usanz der Weiterbildungs-Lehrgänge im Bologna-System Certificate of Advanced Studies. Gertrud Hofer und Claudia General 132 5.2 CAS-Lehrgang Erst der CAS-Lehrgang besteht wieder aus zwei Teilen: Recht und Dolmetschen. Die Anforderungen an Behörden- und Gerichtsdolmetscher sind hoch und es braucht eine umfassendere Ausbildung als nur die zwei bzw. acht Tage. Auch im CAS-Lehrgang spielt die Zusammenarbeit mit der Fachgruppe eine wichtige Rolle. In den CAS-Lehrgang aufgenommen werden Teilnehmende der Aufbaukurse nach bestandener Prüfung, Hochschulabsolventen sowie Quereinsteiger mit langjähriger Berufspraxis. Die Absolventen, die auch im Verzeichnis der Fachgruppe Dolmetscherwesen aufgeführt sind, erhalten nach bestandener Prüfung dieses Lehrgangs einen Vermerk im Dolmetscherverzeichnis des Kantons Zürich, was zu vermehrten Dolmetscheinsätzen führt. Das inhaltliche Gewicht liegt auf dem juristischen Fachwissen und auf den theoriebasierten praktischen Übungen, die der Dolmetschtätigkeit bei Behörden und Gerichten entsprechen (siehe Tabelle 5). CAS-Lehrgang für Behörden- und Gerichtsdolmetscher Modul 1 Fachwissen Recht - Allgemeines Recht - Prozessrecht - Abläufe in der Rechtssprechung - Strafrecht - Zivilrecht - Asyl- und Ausländerrecht - Erwachsenen- und Kindesschutzrecht Modul 2 Grundlagen des Dolmetschens - Konsekutivdolmetschen DE-DE - Notizentechnik - Verhandlungsdolmetschen in unterschiedlichen Settings (Polizei, Staatsanwaltschaft/ Gericht, zum Teil Rollenspiele im Modul Fachwissen) - Stegreifübersetzen - Flüsterdolmetschen Modul 3 Fachübersetzen - Einführung ins Fachübersetzen - Dokumentarische vs. instrumentelle Übersetzung - Übersetzungen von Urkunden - Praktische Übungen Modul 4 Internet und Recherchetechnik - Internet-Recherche - Erstellung von Glossaren (juristische Terminologie) Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 133 Modul 5 Berufsspezifische Aspekte - Berufsethik - Berufskunde - Juristische Berufe - Rhetorik Tabelle 5: Übersicht Inhalt CAS-Lehrgang 7 Die größten Herausforderungen für die Dozenten liegen in der Heterogenität der Vorbildung der Teilnehmenden und in der Textauswahl für die Übungen im Stegreifübersetzen. Es ist äußerst zeitaufwändig, Übungstexte in den aus Schweizer Perspektive „seltenen“ Sprachen, die erst noch dem juristischen Alltag entsprechen, zu finden. Die Aus- und Weiterbildung, vor allem der CAS-Lehrgang, nimmt inzwischen Teilnehmende aus der ganzen Schweiz auf und ist auch Auftraggebern aus anderen Kantonen ein Begriff. Das Netzwerk von Sprachexperten sowie das Übungsmaterial wurden im Laufe der knapp zehnjährigen Erfahrung erweitert. Reichhaltiges Übungsmaterial findet sich in Driesens und Petersens Publikation zu den Grundlagen und Fertigkeiten des Gerichtsdolmetschens (vgl. Driesen/ Petersen 2011). Prüfung CAS-Lehrgang (Leistungsnachweis, 15 ECTS-Punkte) Recht - Schriftliche Prüfung zum juristischen Fachwissen Dolmetschen - Konsekutivdolmetschen DE-DE (Text aus dem Alltag von Behörden- und Gerichtsdolmetschern, 200 Wörter) - Stegreifübersetzen (in der Regel aus der Mutterin die Fremdsprache, 200 Wörter) - Fragen zum Berufsethos und zum Rollenverhalten Tabelle 6: Übersicht Prüfung CAS-Lehrgang Die Dolmetsch-Prüfungen im Anschluss an den Aufbaukurs und den CAS- Lehrgang werden gegenüber dem Basiskurs um die Disziplin des Stegreifübersetzens erweitert. Die Konsekutive wurde der Basiskurs-Prüfung nachempfunden. Die Ausgangstexte der Prüfung nach dem CAS-Lehrgang sind allerdings etwas länger und inhaltlich komplexer. Die Benotung erfolgt durch die prüfenden Dolmetschdozierenden in Absprache mit dem Experten (Jurist). Es gibt praktische Gründe, warum bei der Prüfung auf die bei Behörden und Gerichten übliche Form des Gesprächsdolmetschens verzichtet wird: 7 Der in Tabelle 5 dargestellte Lehrplan orientiert sich am Lehrgang der Weiterbildung in Magdeburg-Stendal (vgl. Driesens Beitrag in diesem Band) und am Modell von Kadrić (2006: 225f.). Gertrud Hofer und Claudia General 134 Einerseits ist eine praxisnahe Nachstellung einer Befragung oder einer Verhandlung personell aufwändig und anderseits ist ein zweisprachiger Diskurs bei der Sprachenvielfalt der Teilnehmer nicht in allen Fällen gewährleistet, was auch die Vergleichbarkeit der Leistung und die Notengebung erschwert. Es gibt aber auch fachliche Gründe für diese Entscheidung: Der Dolmetscher wird auf seine Fähigkeit der Umbildung von inhaltlichen Zusammenhängen und syntaktischen Strukturen geprüft. Er muss sprachliche Flexibilität beweisen und zeigen, dass er sich nicht auf die Findung eines bestimmten Wortes konzentriert, sondern gegebenenfalls paraphrasieren kann. Darüber hinaus gibt es weitere Gründe für diese Prüfungsform, die auf den Forderungen der Auftraggeber basiert: Die Dolmetscher sollen zeigen, dass sie auch längere Sequenzen beherrschen. Den Auftraggebern ist das aus zwei Gründen wichtig: Erstens sollen die Dolmetscher dazu gebracht werden, die Parteien ausreden zu lassen und den Gesprächsfluss nicht durch Unterbrechungen zu stören - weder durch Erklärungen noch durch Nachfragen -, ohne dass der Gesprächsleiter weiß, worum es geht. Bei Unterbrechungen besteht die Gefahr, dass die beschuldigten Personen vergessen, was sie sagen wollten. Zudem können sie dank der durch die Unterbrechung bedingten „Pause“ Zeit gewinnen, um ihre Aussagen zu „modifizieren“. Zweitens können die Fachexperten (Beisitz bei den Prüfungen) bei längeren Sequenzen besser erkennen, ob ein Dolmetscher das Gehörte verarbeiten und eine längere Passage verständlich wiedergeben kann. 6 Dreistufiger Ausbildungszyklus Seit 2004 besteht an der ZHAW der oben beschriebene, dreistufige Ausbildungszyklus für Behörden- und Gerichtsdolmetscher. 6.1 Ziele des Ausbildungszyklus Das Ziel dieses dreistufigen, berufsbegleitenden Ausbildungszyklus ist die Steigerung der Qualität von Dolmetschleistungen. Der Unterricht wurde aufgrund von Publikationen zur Entwicklung in der Translationsforschung konzipiert, in denen Gerichtsdolmetschen als Teil der Disziplin dargestellt wird (vgl. u.a. Colin/ Morris 1996; Kalina 2001, 2002; Driesen 2002; Hale 2004; Kadrić 2 2006) und aufgrund neuerer Forschung von Hale (2007), Hofer (2009) sowie Kalina (2009) weiterentwickelt. Bei der Konzeption und der Weiterentwicklung spielte außerdem die Berufserfahrung von didaktisch geschulten Konferenzdolmetschern und andererseits die Erfahrung von Auftraggebern mit Dolmetschern eine große Rolle. Die Konferenzdolmetscher verfügen neben ihrer Dolmetsch-, Sprach- und Kulturkompetenz über ein dolmetschspezifisches methodisches Wissen, Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 135 über Kenntnisse der berufsethischen und berufskundlichen Prinzipien, über Recherchierkompetenz sowie textanalytisches Können. Die Vertreter der Ermittlungsbehörden und der Gerichte ergänzen die dolmetschspezifischen Ausbildungsziele mit ihrer Fachkompetenz, mit ihrem Know-how, wie juristische Laien Wissen erschließen können, mit ihren Kenntnissen der situativen Kontexte und der spezifischen Abläufe und ihren Anforderungen an die Neutralität der Dolmetscher sowie an die Genauigkeit und die Vollständigkeit der Wiedergabe durch die Dolmetscher. Die Ausbildung vermittelt, was die Dolmetscher leisten können und müssen und welche Anforderungen die Auftraggeber an sie stellen. Bei der Festlegung der für beide Schulungspartner entscheidenden Ziele stehen folgende Aspekte im Vordergrund: • klares Rollenverhalten und Einhaltung der berufsethischen Prinzipien (vgl. Fachgruppe Dolmetscherwesen 2005), • Rechtskenntnisse (vgl. Colin/ Morris 1996), • institutionelles Wissen, • hervorragende Sprachkompetenzen, • Dolmetschkompetenz in den verschiedenen Dolmetscharten (auch längere Sequenzen bei der Konsekutiven, einschließlich Notizentechnik; Simultandolmetschen ist nur in der Variante des Flüsterdolmetschens erfasst), • linguistisches Wissen (Pragmatik, Unterscheidung des Registers, Translationstheorie, vgl. Kadrić 2 2006). Die Dolmetscher sollen am Ende dieses Aus- und Weiterbildungszyklus fähig sein, die Ansprüche der Auftraggeber in einem möglichst hohen Grad zu erfüllen. Das bedeutet, dass die Kommunikation störungsfrei stattfinden kann. Das wiederum bedeutet, dass die Qualität der Dolmetscher möglichst hoch sein soll und Behörden- und Gerichtsdolmetscher sich trotz etlicher situativer Unterschiede an den Qualitätsnormen, die auch für das Konferenzdolmetschen gelten (Vollständigkeit, Korrektheit, Neutralität) 8 , orientieren sollen. Allerdings hängt der Erfolg einer Dolmetschleistung nicht nur von den Dolmetschern selbst ab (vgl. Kalina 2009: 177), sondern auch z.B. von der Formulierung des Ausgangstextes oder von einer bestimmten Situation. Es gibt einige unvorhergesehene Ereignisse, die eine Dolmetschleistung im Gericht, bei der Staatsanwaltschaft oder der Polizei beeinträchtigen. Dazu gehören: 8 Diese Forderungen entsprechen den Grundsätzen des internationalen Verbands der Konferenzdolmetscher aiic und den Formularen zur Überprüfung der Qualität von Konferenzdolmetschern. Gertrud Hofer und Claudia General 136 • Behördenmitglieder oder Richter, die in der Formulierung keine Rücksicht auf die Verständlichkeit nehmen oder Schweizerdeutsch sprechen, obwohl der Dolmetscher kein Schweizerdeutsch versteht. • Zeugen oder Beschuldigte, die schon einige Zeit in der Schweiz leben und ihre Muttersprache nicht mehr richtig beherrschen, sodass die Dolmetscher mit dem Verständnis der Aussagen Mühe haben. • Behördenmitglieder oder Richter, die den Dolmetscher mit Erklärungen oder Befragungen beauftragen. • die Vielzahl von im Gericht oder im Büro des Staatsanwalts anwesenden Parteien, sodass es für den Dolmetscher akustisch schwierig ist, alle beteiligten Personen zu verstehen. 6.2 Zielpublikum der Weiterbildung Grundsätzlich können die Teilnehmenden in folgende Gruppen eingeteilt werden: • Migranten, die im Land ihrer Muttersprache aufgewachsen sind, • Bilinguale, die in der Schweiz aufgewachsen sind, aber im Elternhaus die Muttersprache der Eltern bzw. eines Elternteils sprechen, • Übersetzer, Konferenzdolmetscher oder andere, die ein hohes Maß an Sprach- und Kulturkompetenz in zwei Sprachen erworben haben. Das Zielpublikum in diesen Kursen ist bezüglich der Herkunft und der Vorbildung sehr heterogen. Eine spezifische Ausbildung haben nur wenige. Konferenzdolmetscher und/ oder andere Personen mit hervorragenden Sprach- und Kulturkompetenzen entscheiden sich oft nicht für die Dolmetschtätigkeit bei Behörden und Gerichten, weil die Arbeitsbedingungen und das Honorar viel weniger attraktiv sind. Im Aufbaukurs ist die Sprachenpalette um einiges schmaler als im Basiskurs, da der Aufbaukurs freiwillig ist. In der Regel melden sich Teilnehmende mit einer höheren Motivation. Dasselbe gilt für den CAS-Lehrgang. 6.3 Dozierende Bei allen drei Kursstufen stellte sich die Frage nach der Qualifikation der Ausbildner. Für eine Institution wie das Institut für Übersetzen und Dolmetschen, das seit den 60er-Jahren Konferenzdolmetscher ausbildet, war die Antwort klar. Für die Fachgruppe Dolmetscherwesen war die Antwort ebenso klar, weil die Auftraggeber bereits vor der Kooperation mit der ZHAW gute Erfahrungen mit Konferenzdolmetschern gemacht hatten. Durch die Wahl des Partners hatte sich die Justiz für akademisch geschulte Dozierende entschieden. Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 137 Für die Wahl von Konferenzdolmetschern als Ausbildner gibt es mehrere Gründe: • Konferenzdolmetscher kennen die berufsethischen Prinzipien. • Sie wissen, dass sie in der Ich-Form sprechen müssen. • Sie wissen, dass sie nachfragen müssen, wenn sie etwas nicht verstanden haben, und sie haben auch das dazu erforderliche Selbstbewusstsein. Das bedeutet auch, dass sie die Asymmetrie der Parteien nicht ausgleichen wollen. • Sie verfügen über hervorragende Sprach- und Kulturkompetenzen in ihren Arbeitssprachen. • Sie wissen, dass sie die Fachterminologie nicht in einer beliebigen Menge von Arbeitssprachen aufarbeiten können und geben daher nicht eine Vielzahl von Sprachen an. • Sie haben in ihrer Ausbildung gelernt, wie sie neues Wissen selbstständig erschließen. Entsprechend können sie diese Recherchetechniken vermitteln. • Ihre Erkenntnisse basieren auf dolmetschwissenschaftlichen Erkenntnissen, sie wissen um die Balance zwischen Zuhören, Verarbeiten, Formulieren (vgl. Gile 2 2009: 157ff.). • Sie wissen insbesondere, dass sie Aussagen verarbeiten und den Sinn wiedergeben müssen, nicht Wörter. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Auswahl von Dozierenden liegt auf der Lehrerfahrung der Dolmetscher: • In der Lehre erfahrene Dozierende wissen, wie geeignete, d.h. der Lernprogression der Teilnehmer entsprechende Übungstexte auszuwählen sind. • Sie können Strategien und Techniken vermitteln. • Sie können mit der Heterogenität der Vorbildung der Teilnehmer umgehen; sie können auch akademisch vorgebildete und begabte Teilnehmer fordern und fördern. • Sie haben Erfahrung in der Beurteilung und Benotung von Leistungen. Dazu ein Beispiel aus dem Gerichtsalltag: Wenn man als Zuhörer an gedolmetschten Strafprozessen teilnimmt, fällt auf, dass ein großer Teil der nicht ausgebildeten Dolmetscher keine Notizen nimmt. Je nach Länge der Sequenzen führt dies zu Auslassungen. Eine Absolventin des CAS-Lehrgangs berichtete, dass die Dolmetscherin einer Klägerin in einem Strafprozess zu einem Sexualdelikt die Aussage „Er würgte mich am Hals.“ vergessen hatte. Das ist aber wichtig in einem solchen Prozess. Im Unterricht wird gezeigt, wie die Notizentechnik angewendet wird und vor allem auch, dass die Notizentechnik kein Selbstzweck ist, sondern zur Unterstützung des Gedächt- Gertrud Hofer und Claudia General 138 nisses dient. Sie ist deshalb sehr individuell, nicht nur, was die Zeichen und Abkürzungen angeht, sondern auch, was und wie notiert wird. Im Vordergrund steht das Textverständnis. Das bloße Mitschreiben in einer Konsekutiven, in dem einige Teilnehmende an der Prüfung ihr Heil sehen, hilft nichts (zur Notation beim Konsekutivdolmetschen s. Albl-Mikasa 2007). Es zeigt sich immer wieder, dass eine gute Notizennahme mit guten Prüfungsleistungen korreliert: Abbildung 1: Authentisches Beispiel einer Notizennahme aus einer Abschlussprüfung (CAS-Lehrgang 2008/ 09) Die Notizen sind klar und übersichtlich gegliedert. Es wurde offensichtlich erst notiert, als der Text verstanden war. Aufzählungen sind untereinander angeordnet, Verweise durch Pfeile markiert. Die Abkürzungen sind gut lesbar, insgesamt wurde wenig notiert. Das Resultat war eine hervorragende Verdolmetschung. Der vorgetragene Ausgangstext lautete folgendermaßen: Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 139 Abbildung 2: Auszug aus: „Patientin bedrohte Therapeuten mit Tod“ aus dem Tages-Anzeiger vom 9. Oktober 2008 Gertrud Hofer und Claudia General 140 7 Schwächen und Stärken Die Notwendigkeit einer Aus- und Weiterbildung für Behörden- und Gerichtsdolmetscher ist unbestritten, das beschriebene Ausbildungsprogramm weist aber auch Schwächen auf. Der größte Nachteil besteht darin, dass nicht sprachspezifisch ausgebildet wird. Das ist darauf zurückzuführen, dass im ständig wechselnden Sprachenportfolio Dozierende mit den entsprechenden Sprach- und Kulturkompetenzen fehlen (u.a. Amharisch, Indonesisch, Tigrinya). Damit ist auch der Zugang zu entsprechenden fachspezifischen Texten schwierig (siehe Abschnitt 5.2 des vorliegenden Beitrags). Ebenfalls zu den Schwächen gehört die beschränkte Dauer der Ausbildung. Es kann nicht erwartet werden, dass diese dreistufige Ausbildung alle Kenntnisse und Kompetenzen, über die ein Dolmetscher verfügen müsste, garantiert, auch wenn im Aufbaukurs und im CAS-Lehrgang selektioniert wird. Aus Sicht der Ausbildner muss noch auf die prekäre Finanzierung hingewiesen werden. Aufgrund des Fachhochschulgesetzes müssen alle Weiterbildungslehrgänge kostendeckend angeboten werden, d.h., die Kursgebühren müssten entsprechend hoch sein. Da allzu hohe Kosten vielen Personen die Teilnahme verunmöglichen würden, braucht es pro CAS- Lehrgang je nach der Zahl der Teilnehmenden immer noch etwa CHF 6‘000 an Sponsorenbeiträgen. Die in den ersten Jahren notwendigen Anschubfinanzierungen der Justiz und der Bildungsdirektion beliefen sich auf CHF 78‘000. In dieser Bandbreite sind die Anschubfinanzierungen der Justiz und der Bildungsdirektion enthalten. Die benötigten Beiträge werden jedoch laufend geringer, da die Entwicklungsarbeit am Anfang wesentlich aufwändiger war. Als klarer Vorteil der dreistufigen Aus- und Weiterbildung kann die Optimierung der Dolmetschkompetenz genannt werden. Das unten aufgeführte Beispiel ist die Wiedergabe eines auf Deutsch vorgetragenen Textes bei einer Prüfung im Anschluss an den Basiskurs und die Wiedergabe einer Prüfungsvorbereitung gegen Ende des Aufbaukurses. 9 Anhand dieser Wiedergaben werden lediglich das inhaltliche Verständnis, die Beherrschung der Fachterminologie und das Rollenverständnis besprochen. Es zeigt sich in diesen beiden Wiedergaben einer Zeitungsnotiz, wie breit gefächert die Leistungen innerhalb des dreistufigen Zyklus sein können. Eine der größten Schwierigkeiten ist denn auch die unterschiedliche Vorbildung der Teilnehmenden, die unterschiedlichen Sprach- und Kulturkompetenzen sowie die unterschiedliche Begabung. Zum Teil ist die bessere Leistung aber si- 9 Die Dolmetschleistungen werden auf Band aufgenommen und können abgehört, besprochen und gegebenenfalls transkribiert werden. Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 141 cherlich das Resultat des Unterrichts und des fleißigen Übens, zu dem die Teilnehmenden angeleitet werden. Die Transkription orientiert sich im Ansatz an den Konventionen des Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems (GAT o.J.). Die Punkte in den Pausen entsprechen der Anzahl der Sekunden. Längere Pausen werden durch (--) gekennzeichnet. Eckige Klammern (Fettdruck) sind Kommentare der Dolmetscher. Beispieltext Vorgetragener Text Das Bezirksgericht Muri AG hat ein Brüderpaar wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Das Gericht stützte sich bei seinen Urteilen auf ein technisches Gutachten. Einstimmig kam es zum Schluss, der Unfall sei durch ein „erhebliches, aber nicht grobes Verschulden“ verursacht worden. Statt Freiheitsstrafen verhängte das Gericht bedingte Geldstrafen. Der Unfall war an einem Samstagabend im Februar 2004 geschehen. Auf der Rückfahrt von einem Fussballturnier wollte der 23-jährige Albaner auf der Hauptstrasse von Althäusern nach Bremgarten in einer Linkskurve mit seinem Wagen das Auto seines Bruders überholen. Dabei kam es zu einer seitlichen Streifkollision. Der überholende Wagen geriet ausser Kontrolle und kollidierte mit einem dritten, vor den Brüdern in gleicher Richtung fahrenden Auto. Durch die Kollisionen geriet das Auto neben die Strasse und krachte gegen einen Baum. Der nicht angegurtete Lenker wurde aus dem Fahrzeug geschleudert, erlitt jedoch Basiskurs Verdolmetschung ein äh bruderpaar (…..) fuhr mit dem auto (.) also (……) hehe (xxx) (.) (einschnaufen) ein bruderpaar fuhren mit dem auto auf der hauptstrasse (.) in Muri in kanton Aargau (…..) es gab ein (.) unfall (..) sie haben de (- 28 sec) [ich habe ein blackout] ja mhm (…) (einschnaufen) (…….) ähm (ausschnaufen) es passiert am samstag abend im februar 2004 (…) der 23-jährige (.) albaner (.) haben de (.) auf der (.) strasse diese (…) [oder darf ich mal noch mal] d si äh (.) ein (evo) ein alb also dieses 23 jahre albaner wollte sein brud (.) also brud (.) auto von sein Bruder (einschnaufen) überholen, und dabei kam bei die (.) strei (.) äh streifliche Kollision und auf der (…) diese (…) gab de (der) verletzung (einschnaufen) bei der (.) fahr (.) fahrer, es gibt ein ein [entschuldigung] (.) es gibt kollision ein baum (.) äh gegen einen baum, (.) (einschnaufen) ein (.) fahrer, ni (.) die nicht angeg also (.) nicht angegurtet (.) war, (einschnaufen) wurde leicht verletzt. (einschaufen) aber der mit- Gertrud Hofer und Claudia General 142 nur leichte Verletzungen. Der ebenfalls nicht angegurtete Mitfahrer wurde so schwer verletzt, dass er einen Tag nach dem Unfall im Spital verstarb. (157 Wörter) fahrer (.) die (.) auch nicht (.) angegurtet war (einschnaufen) ist auch schwer verletzt. nach einem tag äh im spital (einschnaufen) verstarb er. Tabelle 7: Transkription einer Prüfung im Anschluss an den Basiskurs Beispieltext Vorgetragener Text Das Bezirksgericht Muri AG hat ein Brüderpaar wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Das Gericht stützte sich bei seinen Urteilen auf ein technisches Gutachten. Einstimmig kam es zum Schluss, der Unfall sei durch ein „erhebliches, aber nicht grobes Verschulden“ verursacht worden. Statt Freiheitsstrafen verhängte das Gericht bedingte Geldstrafen. Der Unfall war an einem Samstagabend im Februar 2004 geschehen. Auf der Rückfahrt von einem Fussballturnier wollte der 23-jährige Albaner auf der Hauptstrasse von Althäusern nach Bremgarten in einer Linkskurve mit seinem Wagen das Auto seines Bruders überholen. Dabei kam es zu einer seitlichen Streifkollision. Aufbaukurs Verdolmetschung (einschnaufen) das bezirksgericht (-) in Muri im kanton Aargau (.) verurteilte ein brüderpaar (-) zu einer (.) ähm (.) verurteilte ein brüderpaar [tschuldigung] (.) wegen fahrlässiger tötung (.) ähm dieses (.) urteil äh wurde gestützt auf einem (.) technischen gutachten. (einschnaufen) die einstimmige entscheidung äh lautete dass der unfall durch erhebliche (.) äh fahrlässigkeit (.) zwar keine grobe fahrlässigkeit aber durch erhebliche fahrlässigkeit zustande kam. (einschnaufen) statt einer freiheitsstrafe wurde eine geldstrafe (-) äh (.) verhängt. (einschnaufen) der unfall der im februar 2004 geschah, (.) ähm (.) passierte während einer rückfahrt von einem fussbalturnier. (einschnaufen) ein 23 jähriger albaner (.) der äh (.) die hauptstrasse von Althäusern richtung Bremgarten (einschnaufen) befuhr (.) wollte seinen bruder der vor ihm fuhr überholen. (einschnaufen) äh da(.)bei kam es zu einer streifkollision (.) ähm (….) (räuspern) [da also da hab ich nicht viel mehr (kurzes stottern) mitbekommen, dass kann ich nur noch so (.) rekapitulieren. (einschnaufen)] es Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 143 Der überholende Wagen geriet ausser Kontrolle und kollidierte mit einem dritten, vor den Brüdern in gleicher Richtung fahrenden Auto. Durch die Kollisionen geriet das Auto neben die Strasse und krachte gegen einen Baum. Der nicht angegurtete Lenker wurde aus dem Fahrzeug geschleudert, erlitt jedoch nur leichte Verletzungen. Der ebenfalls nicht angegurtete Mitfahrer wurde so schwer verletzt, dass er einen Tag nach dem Unfall im Spital verstarb. (157 Wörter) kam zu einer streifkollision wobei (.) dann der lenker ein vorausfahrendes fahrzeug (.) äh streifte (.) und dieses (.) dann vom weg abkam. einschnaufen) der (.) fahrer (…) der nicht angegurtet war wurde aus dem f (.) fahrzeug geschleudert (.) der mitfahrer der ebenfalls nicht angegurtet war (einschnaufen) verstarb einen tag später an seinen schweren verletzungen im spital. Tabelle 8: Transkription einer Übung am Ende des Aufbaukurses Die Prüfungstexte sollen vom Wortschatz her repräsentativ für die Arbeit bei Behörden und Gerichten sein. Dabei handelt es sich um Zeitungsartikel oder um Beispiele aus der Praxis der Auftraggeber. Die hier aufgezeichnete Leistung nach dem Basiskurs genügt den Anforderungen in keiner Weise. Die logischen Zusammenhänge werden nicht erfasst. Die Schilderung des Unfalls konzentriert sich auf das Erfassen und die mechanische Wiedergabe von einzelnen Wörtern. Die Verdolmetschung nach dem Aufbaukurs ist bezüglich des institutionellen Wissens, der Terminologie sowie des Verständnisses der Zusammenhänge wesentlich besser. Hingegen wird der Dolmetschprozess durch Zwischenbemerkungen markant gestört. Insgesamt aber ist eine deutlich verbesserte Dolmetschleistung klar ersichtlich. Zu den Stärken dieses Ausbildungsprogramms gehört weiter die Thematisierung von spezifischen Problemen wie dem Rollenverhalten der Dolmetscher oder der translatorischen Entscheidungen, die im Kommunikationsprozess schnell gefällt werden müssen. Im Basiskurs, in eingeschränktem Maß im Aufbaukurs (die Auftraggeber sind nur im Modul Terminologie vertreten) und im CAS-Lehrgang besteht die Gelegenheit, diese Problematiken mit Auftraggebern, Ausbildnern und Dolmetschern zu reflektieren. Gertrud Hofer und Claudia General 144 8 Eckpfeiler der Aus- und Weiterbildung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern Im Unterricht und vor allem in den Prüfungen hat sich immer wieder klar gezeigt, wie breit gefächert die Kompetenzen der Behörden- und Gerichtsdolmetscher sein müssen. Der in diesem Bericht verwendete Prüfungstext weist darauf hin, dass bei Beschreibungen von Sachverhalten Institutionen genannt werden. Der Dolmetscher muss über ein institutionelles Wissen bezüglich der Realia („Bezirksgericht Muri AG“) und über Konzepte („bedingte Geldstrafe“) verfügen. Auch Kommentare „Da also da hab ich nicht viel mehr…“ des Dolmetschers gehören nicht in die Verdolmetschung, sie verwirren die Zuhörer und weisen auf Defizite in der Dolmetschkompetenz hin. Die Auftraggeber wiesen uns im Laufe der Zusammenarbeit immer wieder auf mögliche Fehlleistungen hin. Wenn es zum Beispiel auf Deutsch heißt: „Es werden keine Kosten erhoben.“, sagt der Dolmetscher in der gedolmetschten Version möglicherweise „Das Verfahren ist gratis.“, wenn er nicht über das institutionelle Wissen verfügt. Gemeint ist aber, dass die Gerichtskasse (vorläufig) für diese Kosten aufkommt. 10 D.h., es muss mit der immer wieder propagierten Großzügigkeit gegenüber Erklärungen oder anderen Zusätzen von Dolmetschern Maß gehalten werden. Sollten die Zusammenhänge einer Partei nicht klar sein, ist nicht der Dolmetscher für Erklärungen zuständig, sondern der Gesprächsleiter. Der Dolmetscher soll nicht selbstständig in die Aussagen eingreifen. Wenn er das tut, überschreitet er seine Rolle. Überdies besteht die Gefahr, dass er seine (kulturellen) Vorstellungen und Konzepte dem (möglicherweise anders) Gemeinten überstülpt. Erklärungen abzugeben oder einzufordern ist und bleibt Sache der Fachperson. Wie oben gezeigt, ist es schwierig genug, einen Sachverhalt so wiederzugeben, dass Ausgangstext und Zieltext sich entsprechen. Man mag einwenden, dass der Dolmetscher nur ein Roboter ist (vgl. Hsie 2008), wenn er sein Wissen nicht einbringen darf. Dem ist natürlich nicht so. Die translatorischen Überlegungen gehören zu den Aufgaben der Dolmetscher. Das soll folgendes Beispiel illustrieren: In einem Strafprozess ging es um Streitereien. Der Beschuldigte verteidigte sich folgendermaßen: „He bit me in my hand.“, zeigte aber auf den Oberarm. Die Dolmetscherin erinnerte sich, dass das Wort „Hand“ in mehreren Sprachen mehr umfasst als das deutsche Wort und bis über den Ellenbogen reichen kann. Sie entschied sich deshalb für „Oberarm“. Solche Probleme sollten im Unterricht thematisiert werden (vgl. Kadrić 2 2006). Anderseits gehört es auch zu den Aufgaben der Dolmetscher, auf Missverständnisse hinzuweisen, wenn sie etwas nicht 10 Das Beispiel entstammt den internen Unterlagen zur Konzeption von Weiterbildungskursen. Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 145 verstanden haben oder wenn etwas unklar ist. Es muss aber immer transparent sein, was eine Verdolmetschung und was ein Hinweis des Dolmetschers ist. Es ist nicht die Aufgabe des Dolmetschers, sprachliche und/ oder kulturelle Unterschiede einzuebnen oder zu erklären. 9 Schlussbetrachtung Aus der Sicht von Dolmetschern und von Ausbildnern kann man bedauern, dass ein zweitägiger Kurs in den Augen der Justiz genügt, um als Dolmetscher in ein Verzeichnis aufgenommen zu werden. Hätte die Fachgruppe Dolmetscherwesen aber die Notwendigkeit einer der Dolmetschtätigkeit an Behörden und Gerichten vorausgehenden Ausbildung nicht erkannt, wäre die Weiterbildung des Instituts für Übersetzen und Dolmetschen allein nie imstande gewesen, ein Obligatorium durchzusetzen und hätte kaum einen Grundkurs und längere Weiterbildungsangebote erfolgreich anbieten können. Nur die Anerkennung einer obligatorischen Weiterbildung durch Behörden und Gerichte war in der Lage, den generellen Anspruch an eine Ausbildung zu vermitteln. Der Nachweis der Notwendigkeit hatte auch eine Ausstrahlung auf andere Kantone. Die Auftraggeber und die Ausbildner weisen in allen Kursen auf die Bedeutung der Beherrschung der jeweiligen Sprachen, der Beherrschung der Fachterminologie, der Genauigkeit und des institutionellen Wissens hin. Das gemeinsame Ziel ist die Verbesserung der Qualität von Dolmetschleistungen durch Schulung und Selektion sowie die Festigung des Berufsbilds bei allen beteiligten Akteuren. Literaturverzeichnis Albl-Mikasa, Michaela (2007). Notationssprache und Notizentext. Ein kognitivlinguistisches Modell für das Konsekutivdolmetschen. Tübingen: Narr. Albl-Mikasa, Michaela/ Glass, Anthony/ Hofer, Gertrud (2011). Professionalisierung des Gerichtsdolmetschens im Kanton Zürich: Empirische Studie zur Umsetzung der Dol metscherverordnung. ZHAW Working Papers in Applied Linguistics. pd.zhaw.ch/ hop / 1556923802.pdf (Stand: 18.01.2012). Colin, Joan/ Morris, Ruth (1996). Interpreters and the legal process. Winchester: Water side Press. Driesen, Christiane (2002). Gerichtsdolmetschen - Praxis und Problematik. In Joanna Best/ Sylvia Kalina (Hg.), Übersetzen und Dolmetschen. Eine Orientierungshilfe. Tübingen: Francke, 299-306. Driesen, Christiane/ Petersen, Haimo-Andreas (2011). 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Aufbau der Aus- und Weiterbildung für Behörden- und Gerichtsdolmetscher in Kooperation mit der Studiengangsleitung Konferenzdolmetschen und den Behörden und Gerichten des Kantons Zürich, seit 2010 Ausbau einer Weiterbildung für Dolmetscher im Gesundheitswesen. Vortragstätigkeit im In- und Ausland. Forschungsschwerpunkt: Dolmetschen im Justizwesen sowie Dolmetschen im Gesundheitswesen. Professionalisierung von Behörden- und Gerichtsdolmetschern 147 Claudia General: Studium der Angewandten Sprachwissenschaften an der Universität Heidelberg, Studienaufenthalte in Frankreich, Kanada, Spanien, Belgien, den USA und Niederlanden; freiberufliche Tätigkeit als Konferenzdolmetscherin für internationale Organisationen und den Privatmarkt; Tätigkeit als Gerichtsdolmetscherin; Training for Trainers an verschiedenen osteuropäischen Universitäten; Gastdozentin für Dolmetschstudenten an verschiedenen osteuropäischen Universitäten; Dozentin für Konferenzdolmetschen an der Universität Heidelberg; Leiterin des Studiengangs Konferenzdolmetschen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften; Entwicklung von Ausbildungsangeboten für Gerichts- und Behördendolmetscher in Kooperation mit der Leiterin der Weiterbildung des Departements für Angewandte Linguistik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften; Mitarbeit in verschiedenen Gremien internationaler Organisationen zur Förderung der Ausbildung von Konferenzdolmetschern. Christiane J. Driesen Die Tandem-Lehrmethode zur Qualifizierung von Dolmetschern in seltenen Sprachen entsprechend der EU-Richtlinie 2010/ 64 1 Einleitung Die Richtlinie 2010/ 64/ EU des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren verstärkt den Qualitätsanspruch insbesondere an juristische Dolmetscher 1 einerseits gewaltig. Aktuelle demografische Daten zeigen andererseits, dass der Bedarfsschwerpunkt auf Dolmetscher für wenig verbreitete Sprachen gesetzt werden muss. Wegen der unten illustrierten Diskrepanz muss nun dringend auf flexible und praxisgemäße Ausbildungsmodelle zurückgegriffen werden. Im Folgenden soll die seit einigen Jahren bewährte Tandem-Lehrmethode 2 in diesem Zusammenhang als mögliche Lösung vorgestellt werden. 2 Demografie In zahlreichen europäischen Ländern werden die nationalen Gerichtsbarkeiten mit einem enormen Anstieg von Fällen mit Beteiligung von Personen aus den unterschiedlichsten Ländern konfrontiert. Offizielle demografische Daten machen die Vielfalt des Sprachbedarfs sehr deutlich. Die Betrachtung der unterschiedlichen Herkunftsländer der in Deutschland lebenden Ausländer illustriert diese Problematik. Laut dem 8. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland 3 zählte die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2008 82,1 Millionen Einwohner, darunter 19 % Einwohner mit so genanntem Migrationshintergrund. Einige unter ihnen besitzen zwar die deutsche Staatsangehörigkeit, was aber mit der Beherrschung der deutschen Sprache auf einem ausreichenden Niveau nicht 1 Die Bezeichnung „Dolmetscher“ und andere Personenbezeichnungen werden hier aus Gründen der Übersichtlichkeit in inkludierender Form verwendet. 2 Die Methode wird an den Weiterbildungslehrgängen der Universität Hamburg seit 1994 und an der Hochschule Magdeburg seit 2001 angewendet. 3 8. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland (2010) S. 574, Teil der Tabelle 2. Christiane J. Driesen 150 automatisch einhergeht und die Notwendigkeit eines sprachlichen Beistands in komplizierten Kommunikationsumständen keineswegs ausschließt. Anhand der nachstehenden Darstellung der Hauptherkunftsländer von Erstantragstellern auf Asylgewährung kann der Bedarf an Dolmetschern für in Deutschland und Europa wenig verbreitete Sprachen noch deutlicher illustriert werden (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: Die zehn zugangsstärksten Herkunftsländer (aus BAMF 2011) Hier wird deutlich, dass Justiz und Verwaltung immer öfter in aller Eile reagieren müssen, sodass die Vernachlässigung von Grundrechten nicht immer vermieden werden kann. Einerseits sind diese Behörden über den Dolmetscherberuf noch zu wenig informiert und verwechseln allzu oft Sprach- und Dolmetschkompetenz, andererseits fällt es ihnen dadurch schwer, die Qualität sprachlicher und interkultureller Kommunikation als Grundlage eines fairen Verfahrens effizient mitzuverantworten. 3 Die EU-Richtlinie vom 20. Oktober 2010 Vor kurzem jedoch haben die langjährigen Bemühungen der Berufsstände und der Lehre ein wichtiges und für die Menschenrechte positives Ergebnis herbeigeführt (vgl. Europäische Kommission 2009): das Entstehen der neuen „EU-Richtlinie über das Recht auf Dolmetschleistungen und auf Übersetzungen im Strafverfahren“ vom 20.10.2010 (vgl. Europäische Union 2010). Dieses Instrument ist im Prinzip die logische Folge aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 (vgl. Vereinte Nationen 1948) und der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950, insbesondere ihrer Die Tandem-Lehrmethode zur Qualifizierung von Dolmetschern 151 Artikel 5 und 6 (vgl. Europarat 1950). Zwingend erforderlich wird nun eine wort- und sinngetreue 4 Verdolmetschung der ganzen Verhandlung vor nationalen Gerichtsbarkeiten in der Tradition der Nürnberger Prozesse (vgl. Gaiba 1998: 40ff., 77), so wie sich diese bei den internationalen Gerichtshöfen fortgesetzt hat. Die neue EU-Richtlinie macht es nun möglich, die bisher tolerierten, ungleichen sprachlichen Leistungsanforderungen zwischen internationalen und nationalen Gerichtsbarkeiten endlich zu beheben. Grund für diese Ungleichheit war häufig - wie oben angedeutet - die bei den nationalen Gerichtsverwaltungen allgemein herrschende Unkenntnis des Dolmetscherberufs. Erfreulicherweise weist die neue Richtlinie nun wichtige Bestimmungen für eine entsprechende Aufklärung der Justizverwaltungen auf. Artikel 6 empfiehlt eine besondere „Weiterbildung von an Strafverfahren beteiligten Richtern, Staatsanwälten und Justizbediensteten“ (Europäische Union 2010). Hierbei ist ein besonderes „Augenmerk auf die Besonderheiten einer dolmetschgestützten Verständigung zu legen, damit eine effiziente und wirksame Verständigung sichergestellt ist“ (Europäische Union 2010: Artikel 6). Eine solche Sensibilisierung des Justizwesens für die Zusammenarbeit mit Dolmetschern ist im Übrigen auch eine dringende Voraussetzung für die Ausführung anderer Bestimmungen der Richtlinie, wie Artikel 2 (4) zum Beispiel, in dem die Mitgliedstaaten durch ein besonderes „Verfahren oder [einen] Mechanismus“ (Europäische Union 2010: Artikel 2 [4]) feststellen sollen, ob „die Unterstützung durch einen Dolmetscher“ (Europäische Union 2010: Artikel 2 [4]) benötigt wird oder nicht. Desgleichen setzen die Artikel 2 (5) und 2 (8) voraus, dass die am Strafverfahren beteiligten Organe die Kompetenz erwerben, die Qualität der Dolmetschleistung beurteilen zu können (vgl. Europäische Union 2010). 3.1 Anforderungen an den Dolmetscher für ein faires Verfahren Die Richtlinie verlangt ein faires Verfahren und als Mindestanforderung die Sicherstellung, „dass verdächtige oder beschuldigte Personen wissen, was ihnen zur Last gelegt wird, und imstande sind, ihre Verteidigungsrechte 4 Wortgetreu und wörtlich werden leider oft verwechselt: Die wörtliche Übersetzung von Tischbein, „jambe de table“, wäre im Französischen unverständlich, die wortgetreue Übersetzung wäre „pied (Fuß) de table“. Sinngemäß und sinngetreu werden ebenfalls missverstanden: Sinngemäß wäre approximativ, mit akzeptabler Unvollständigkeit, während eine sinngetreue Übersetzung den Sinn der Aussage exakt und vollständig wiedergibt; der deutsche Ausdruck „Mach es gut“ lässt sich weder wörtlich noch wortgetreu übersetzen. Eine sinngetreue Übersetzung ergibt sich aus der Intention des Redners und der Funktion des Ausdrucks in einem bestimmten Zusammenhang. Die wörtliche Übersetzung ins Englische „Do it well“ wäre z.B. absurd (vgl. auch hierzu Driesen/ Petersen 2011: 14). Christiane J. Driesen 152 wahrzunehmen“ (Europäische Union 2010: Artikel 2 [8]). Zur Gewährleistung eben dieser Ansprüche setzen internationale Gerichtsbarkeiten Dolmetscher ein, von denen sie folgende Dolmetschqualifikationen und -kompetenzen verlangen: • Vom-Blatt-Übersetzen und -Dolmetschen (von in der Verhandlung verlesenen Dokumenten), • Konsekutivdolmetschen (wenn keine Dolmetschanlage verfügbar ist und die ganze Öffentlichkeit die Verdolmetschung hören muss), • Simultandolmetschen (wenn eine Dolmetschanlage vorhanden ist oder nur für wenige Adressaten gedolmetscht werden soll), • interkulturelle Kompetenzen und forensische Kenntnisse als Rüstzeug • und das alles bestimmende Berufsethos (Schweigepflicht), mit der Pflicht, durch diese Qualifikationen und Kompetenzen zu einem fairen Verfahren beizutragen (vgl. u.a. Europäische Kommission 2009: 9). 3.2 Lehrvorteile für international verbreitete Sprachen Für in Deutschland bzw. Europa verbreitete Sprachen stellt die Vermittlung solcher Fertigkeiten und Kompetenzen keine übermäßige Schwierigkeit dar. In den meisten europäischen Ländern lehren ja entsprechende Didaktiker und Sprachexperten in zahlreichen renommierten Dolmetscherinstituten sprachbezogene Dolmetschtechniken. 5 An diesen Einrichtungen könnten auch ohne übermäßigen Aufwand Spezifika des juristischen Dolmetschens an nationalen Gerichten - wie z.B. Zwänge des bilateralen Dolmetschens und Heterogenität der gerichtlichen Kommunikationsinhalte - im Rahmen besonderer Curricula systematisch gelehrt werden, wie dies an der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) bereits seit 2002 geschieht. 3.3 Probleme der Dolmetscherausbildung für wenig verbreitete Sprachen Das größte, meist verkannte Problem stellt jedoch die Qualifizierung von Dolmetschern für in Deutschland bzw. Europa wenig verbreitete Sprachen 5 Als Beispiel werden hier die Mitglieder des EU-Projektes ImPLI - Improving Police and Legal Interpreting genannt, die zur Verwirklichung der Richtlinie beitragen wollen: Fachhochschule Köln, Heriot-Watt University in Edinburgh, ISIT - Institut de Management et de Communication Interculturels in Paris, Lessius University College in Antwerpen, die SSMLIT der Università degli Studi di Bologna in Forlì und die Univerzita Karlova V Praze in Prag (vgl. ImPLI 2012). Die Tandem-Lehrmethode zur Qualifizierung von Dolmetschern 153 dar, die entsprechend der wechselnden Migrationswellen plötzlich dringend gebraucht werden. Seien es z.B. Urdu (Amt- und Nationalsprache Pakistans), Tagalog (die in den Philippinen am weitesten verbreitete Sprache), Akan oder Ga (in Ghana gesprochene Sprachen) oder Georgisch: Traditionell konzipierte Dolmetscherstudiengänge können sich dann kaum auf solche unvorhersehbar fluktuierende Bedarfsanforderungen einstellen. Für viele der in Europa wenig verbreiteten Sprachen sind Sprachexperten mit Dolmetschkompetenzen kaum vorhanden. Zur Überwindung dieser Schwierigkeiten wird der Einsatz einer besonderen, angepassten Lehrmethode daher unentbehrlich. Als effiziente Lösung bietet sich die Tandem-Lehre (vgl. Driesen/ Drummond 2011), die sich durch eine Trennung von Sprachkompetenz und Dolmetschtechniken mittels einer systematischen Zusammenarbeit von Sprachexperten mit Dolmetschdidaktikern auszeichnet, an. 4 Entstehung der Tandem-Lehrmethode Die Tandem-Lehrmethode wurde unter der Bezeichnung „Interprétation en régime spécial“ vornehmlich von Danica Seleskovitch an der ESIT initiiert (vgl. Laplace 1999; Dejean le Féal 2001) 6 und später auch im Rahmen der so genannten „Stages“ des SCIC (Service Commun Interprétation-Conférences, heute Generaldirektion Dolmetschen bei der Europäischen Kommission) insbesondere zur beschleunigten Ausbildung von Konferenzdolmetschern für Sprachen von Beitrittsländern von der EU-Kommission angewendet (vgl. Driesen/ Drummond 2003). Von der Autorin bereits für die Ausbildung von Konferenzdolmetschern auch im Rahmen eines solchen Stage im Auftrag der Europäischen Kommission erprobt, wurde das von ihr als Tandem-Lehre bezeichnete Modell sowohl für die Weiterbildung von Gerichtsdolmetschern an der Universität Hamburg (seit 1994) und an der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) als auch für den Bachelor-Studiengang (seit 2002) der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) eingesetzt. Diese Bezeichnung schien insofern prägnanter als die Seleskovitchs, als bei dieser Methode die Lehrverantwortung von zwei Dozenten, nämlich einem Dolmetschdidaktiker und einem Sprachexperten im Gespann getragen wird, wobei das Lenken dem Dolmetscher obliegt (vgl. Driesen/ Drummond 2011: 145). 6 Anlass war damals der dringende Bedarf an Arabisch-Dolmetschern im Zusammenhang mit der Suezkrise von 1956. Christiane J. Driesen 154 4.1 Einsatzbeispiele für die Tandem-Lehrmethode Die Tandem-Lehrmethode wurde zuerst im Rahmen von Konferenzdolmetscher-Curricula und danach im Bachelor-Studiengang Gerichts- und Behördendolmetschen der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), dort z.B. für Polnisch, Arabisch und Chinesisch, mit Erfolg eingesetzt. Für Studierende der zweiten Migrantengeneration mit deutschem Reifezeugnis eignet sich diese Methode besonders gut, sofern die Elternsprache im Familienkreis weiterhin gründlich gepflegt wurde. Ferner erweist sich das Üben in sprachgemischten Gruppen als positiv und fruchtbar, einerseits fördert es die interkulturelle Öffnung der Teilnehmer, andererseits die bessere Wahrnehmung der übergreifenden Translationsproblematik. Im Rahmen der einjährigen Weiterbildungsprogramme der Universität Hamburg und der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) zur Vorbereitung auf die Beeidigung und öffentliche Bestellung als Dolmetscher und Übersetzer ermöglicht die Tandem-Lehrmethode eine sofortige und flexible Anpassung auf oft unvorhersehbare Entwicklungen der Migrantenströme. 4.2 Lehrinhalte und -ziele Die Lehrinhalte und -ziele werden aus den berufsethischen Grundsätzen und den grundrechtlichen Ansprüchen eines jeden Menschen im Gerichtsverfahren genau abgeleitet. Nur die Achtung des Berufsethos und die Beherrschung der oben in Abschnitt 3.1 aufgeführten Techniken und Kenntnisse durch den Dolmetscher tragen entscheidend zur Gleichstellung eines der Gerichtssprache nicht Mächtigen vor dem Gesetz bei. 7 Die Dolmetschtechniken werden entsprechend den von Danica Seleskovitch und Marianne Lederer beschriebenen Grundsätzen gelehrt (vgl. Seleskovitch/ Lederer 2 2002), jedoch wurden sie unter Berücksichtigung der langjährigen Erfahrung der Verfasserin dieses Beitrags den Spezifika des juristischen Dolmetschens und Übersetzens angepasst. Als Beispiel sei die ständig notwendige Entschlüsselung der Rechtstermini innerhalb der Ausgangssprache, die oft nicht exakt vorhandene Entsprechung und notwendige Neuverschlüsselung in der Zielsprache genannt (vgl. Bocquet 2008: 13). 7 „[...] le respect des droits humains et fondamentaux (dignité de la personne humaine et égalité devant la Loi) exige une interprétation intégrale de la procédure orale afin que le justiciable étranger soit placé dans la même situation de compréhension que l’autochtone. Il importe donc de former des interprètes maîtrisant tous les modes d’interprétation et en usant de manière «non invasive», c’est-à-dire évitant de perturber le cours de la procédure.“ (Driesen 2007: 73) Die Tandem-Lehrmethode zur Qualifizierung von Dolmetschern 155 4.3 Zielgruppe und Aufnahmebedingungen Die Weiterbildungsprogramme richten sich an Interessenten jedweder Sprache mit akademischer, nicht unbedingt sprachwissenschaftlicher Vorbildung: Ausschlaggebend ist jedoch die erworbene Kompetenz zur wissenschaftlichen Arbeit zur Bewältigung des sehr intensiven juristischen Teils. Eine hohe Sprachkompetenz in Mutter- und Arbeitssprachen als Aufnahmebedingung ist im Rahmen eines Aufnahmetests nachzuweisen. Das ist notwendig, da das Programm aufgrund seiner zeitlichen Beschränkung keinen Spracherwerb leisten kann. 4.4 Bestimmung der Sprachgruppen Vor Beginn eines jeden Lehrganges werden die in Frage kommenden Sprachgruppen bestimmt. Die Entscheidungen basieren auf der Anzahl der qualifizierten Bewerber für eine Sprache und dem von den Behörden gemeldeten Bedarf an bestimmten, in Deutschland von Dolmetschern wenig vertretenen Sprachen. Optimal für die Lehre sind Sprachgruppen mit fünf Teilnehmern. Für wenig verbreitete Sprachen werden kleinere Gruppen gebildet, manchmal müssen sogar Einzelteilnehmer aufgenommen werden. 8 4.5 Zeitliche Gestaltung und Lehrende Das Weiterbildungsstudium erstreckt sich über ein ganzes Jahr. Der Präsenzunterricht erfolgt in monatlichen Modulen von insgesamt 120 Lehrstunden. Die elektronisch begleitete Selbststudienzeit soll 300 Stunden 9 betragen. Das Curriculum besteht grundsätzlich aus zwei Lehrgebieten: • Die juristischen Inhalte werden allen Teilnehmern von entsprechenden Experten des jeweiligen Fachgebietes (Richter, Polizeibeamte, Notare, Sachverständige etc.) als Vorlesung angeboten. • Die Dolmetschtechniken und Methoden der juristischen Übersetzung werden von Dolmetschdidaktikern und Sprachexperten in kleineren Sprachgruppen vermittelt. Zum besseren Verständnis und für einen konkreten Überblick wird hier der Zeit- und Lehrplan für das Jahr 2011 der Weiterbildung der AWW der Universität Hamburg abgebildet (siehe Tabelle 1). 8 Im Jahr 2010 wurden Einzelteilnehmer für Georgisch und Aserbaidschanisch und im Jahr 2011 für Thai, Vietnamesisch und Koreanisch in das Weiterbildungsstudium aufgenommen. 9 Dafür werden 13,5 Leistungspunkte nach dem European Credit Transfer System (ECTS) vergeben. Christiane J. Driesen 156 Termin Themen 1. Wochenende: 14./ 15.01.2011 Fr, 17: 00 - 19: 00 Allgemeine Einführung: Vorstellung der Konzeption, Kennenlernen, Organisatorisches Fr, 19: 15 - 21: 00 Einführung in das Studium Dolmetschen/ Übersetzen: Methoden, juristische Grundlagen, Status/ Berufsbild, Berufsethos, Kommunikation vor Gericht, Merkmale juristischer Übertragung Sa, 9: 30 - 12: 45 Recht I: Deutsche Institutionen, Gerichtsaufbau etc. Sa, 13: 45 - 17: 00 Dolmetschtechniken I: Einführung - Vom-Blatt- Übersetzen, Konsekutiv-, Simultandolmetschen (sprachübergreifend) 2. Wochenende: 04./ 05.02.2011 Fr, 17: 00 - 21: 00 Recht II: Polizeiwesen und -verfahren, Vernehmungen Sa, 9: 30 - 12: 45 Dolmetschtechniken II: Einführung in die Terminologiearbeit; Urkundenübersetzen (sprachübergreifend) Sa, 13: 45 - 17: 00 Dolmetschtechniken III: Vom-Blatt-Übersetzen, Konsekutiv-, Simultandolmetschen (sprachübergreifend) 3. Wochenende: 04./ 05.03.2011 Fr, 17: 00 - 21: 00 Dolmetschtechniken IV: Vom-Blatt-Übersetzen, Konsekutiv-, Simultandolmetschen (sprachübergreifend) Sa, 9: 30 - 12: 45 Recht III: Strafrecht I Sa, 13: 45 - 17: 00 Dolmetschtechniken V: Vom-Blatt-Übersetzen, Konsekutiv-, Simultandolmetschen (sprachübergreifend) 4. Wochenende: 01./ 02.04.2011 Fr, 17: 00 - 21: 00 Recht IV: Standeswesen Sa, 9: 30 - 12: 45 Recht V: Strafrecht II Sa, 13: 45 - 17: 00 Dolmetschtechniken VI: Arbeit in den Sprachgruppen 5. Wochenende: 29./ 30.04.2011 Fr, 17: 00 - 21: 00 Recht VI: Strafrecht III Sa, 9: 30 - 12: 45 Recht VII: Notariatswesen Sa, 13: 45 - 17: 00 Dolmetschtechniken VII: Arbeit in den Sprachgruppen Die Tandem-Lehrmethode zur Qualifizierung von Dolmetschern 157 Termin Themen 6. Wochenende: 20./ 21.05.2011 Fr, 17: 00 - 21: 00 Recht VIII: Verwaltungsrecht (Ausländer, Asyl) Sa, 9: 30 - 12: 45 Dolmetschtechniken VIII: Arbeit in den Sprachgruppen, Übungen Sa, 13: 45 - 17: 00 Dolmetschtechniken IX: Arbeit in den Sprachgruppen 7. Wochenende: 17./ 18.06.2011 Fr, 17: 00 - 21: 00 Recht IX: Zivilrecht I Sa, 9: 30 - 12: 45 Recht X: Verwaltungsrecht (Ausländer, Asyl) Sa, 13: 45 - 17: 00 Dolmetschtechniken X: Arbeit in den Sprachgruppen 8. Wochenende: 08./ 09.07.2011 Fr, 17: 00 - 21: 00 Recht XI: Gutachten Sa, 9: 30 - 12: 45 Recht XII: Zivilrecht II Sa, 13: 45 - 17: 00 Dolmetschtechniken XI: Arbeit in den Sprachgruppen Sommerferien 9. Wochenende: 16./ 17.09.2011 Fr, 17: 00 - 21: 00 Repetitorium Recht Sa, 9: 30 - 12: 45 Wiederholung und Prüfungsvorbereitungen Dolmetschen Sa, 13: 45 - 17: 00 Wiederholung und Prüfungsvorbereitung Dolmetschen PRÜFUNG Sa, 24.09.2011, 10: 00 - 15: 00 Schriftliche Prüfung Fr/ Sa, 04./ 05.11.2011 Mündliche Prüfung So, 06.11. oder 12.11.2011 ca. 12: 00 Feierliche Abschlussveranstaltung mit Übergabe der Zertifikate Tabelle 1: Zeit- und Lehrplan der Weiterbildung der AWW der Universität Hamburg für das Jahr 2011 4.6 Merkmale der Tandem-Lehrmethode Eine sehr wichtige Voraussetzung für den Erfolg dieser Methode ist die Gestaltung des Unterrichts als Workshop. Die Sitzordnung sollte daher kreisbzw. u-förmig sein. Allen Teilnehmern ist deutlich zu machen, dass konstruktive Kritik zur Verbesserung des jeweiligen Dolmetschproduktes beiträgt und dass sie die eigene Leistung durch diese Art Spiegelwirkung verbessern: Fehlleistungen, die sie bei anderen bemerken, werden sie später dadurch leichter vermeiden können. Christiane J. Driesen 158 Aus wirtschaftlichen Gründen sind drei Progressionsphasen vorgesehen. Es lehrt zuerst der Dolmetschdidaktiker in der ersten und zweiten Progressionsphase allein und ab der dritten Progressionsphase gemeinsam mit dem Sprachexperten im Tandem. Falls es für die Weiterbildungseinrichtung in finanzieller Hinsicht zumutbar ist, kann der Einsatz der Tandem-Lehrmethode auch während der beiden ersten Progressionsphasen sehr empfohlen werden. Die angewendete, dreistufige Progression zeichnet sich durch eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung aus. 4.6.1 Erster Schwerpunkt: Erwerb der Dolmetsch- und Rechtsübersetzungstechnik, vermittelt durch Translationsdidaktiker In den entsprechenden theoretischen Einführungsmodulen 10 werden die Grundtechniken vermittelt: Kommunikation, Gedächtnisübungen, Konsekutivdolmetschen ohne und mit Notizen, Flüsterdolmetschen sowie Einführung in die juristische Übersetzungsmethode. Sehr bald werden Übungen in zwei Sprachen (mit sofortiger Verdolmetschung durch andere Teilnehmer) eingeführt: Zuerst wird das systematische Bilderbeschreiben 11 als Gedächtnistraining geübt, dann werden vorbereitete, frei vorzutragende Vorträge über aktuelle politische und/ oder soziokulturelle Themen von den Teilnehmern verlangt. Als Vorstufe für das Stegreif-Übersetzen wird das korrekte Vorlesen in drei Takten - Sinn erfassen, hoch schauen und dann erst sprechen - geübt. Hinzu kommen Übungen zur Analyse von juristischen Texten. Die Übungsziele sind die Vermittlung der Kommunikationskompetenz, Gedächtnisstärkung, logische Gedankenstrukturierung, Dolmetschetikette, Aktivierung bzw. Erwerb von interkulturellen Kenntnissen, Vom-Blatt- Übersetzen, Dialogdolmetschen und Konsekutivdolmetschen. 4.6.2 Zweiter Schwerpunkt: Verfestigung der erworbenen Techniken Die erworbenen Techniken werden in beiden Sprachen unter der Leitung eines Dolmetschdidaktikers verfestigt. Dieser beherrscht die Sprachen meistens nicht und konzentriert sich auf die Techniken. Da die Teilnehmer über eine akademische Ausbildung verfügen, sind sie erfahrungsgemäß imstande, die eigene Sprachleistung so wie die der anderen Sprachgruppenmitglieder einzuschätzen. Die Evaluierung der Sprachleistung und Vollständig- 10 Für eine ausführliche Beschreibung der Gestaltung dieser Module sei auf Driesen/ Petersen (2011) verwiesen. 11 Es dient zur Vorbereitung auf Zeugenvernehmungen: zuerst beim sichtbaren Bild, dann nach kurzer Betrachtung. Die Tandem-Lehrmethode zur Qualifizierung von Dolmetschern 159 keit der Übertragung durch die Teilnehmer stellt ein wichtiges Element der Tandem-Lehrmethode dar. Es werden Übungen wie in Abschnitt 4.6.1 beschrieben angewendet. Die Bewertung umfasst in drei Etappen sowohl die Vortragsqualität als auch die Vollständigkeit der Dolmetschleistung: Zuerst erfolgt die Eigenbewertung des Teilnehmers, dann die Bewertung durch sprachkundige Studierende (oder sprachunkundige Mitlernende, die die Rolle des „Verbrauchers“ einnehmen). Anschließend kommentiert der Dolmetschdidaktiker die jeweiligen Evaluierungen, anhand derer besonders auf allgemein auftretende Translationsprobleme aufmerksam gemacht wird. Lösungen können dabei von den Teilnehmern vorgeschlagen werden. Die Bewertung der Techniken erfolgt durch den Dolmetschdidaktiker. 4.6.3 Dritter Schwerpunkt: Dolmetschtechniken und Sprachpräzision und -korrektheit In der dritten Phase werden Dolmetschübungen sowohl technisch als auch sprachlich durch das Dozententandem bewertet. Eine klare Aufgabenteilung zwischen beiden Dozenten ist essenziell und ergibt sich aus den drei Lehrzielen: Dolmetschtechniken, Präzision der Fachterminologie und Korrektheit der Sprache. In Absprache mit dem Sprachexperten bestimmt der Dolmetschdidaktiker die jeweiligen Übungen entsprechend der angestrebten Progression. Nach jeder Dolmetschleistung erfolgen knappe und präzise Evaluierungen. Zuerst wird der Übende um eine Selbsteinschätzung gebeten, dann beschreibt die Sprachgruppe ihren allgemeinen Eindruck der Dolmetschleistung. Das Formulieren der eigenen Schwierigkeiten einerseits und die Spiegelwirkung der Gruppe andererseits haben sich didaktisch für beide als sehr hilfreich bewährt. Bei der Bewertung sollte nach einer Art „Checkliste“ wie der folgenden vorgegangen werden: • Qualität der Kommunikation (Haltung, Gestik, Blickkontakt, Atem, Rhythmus können von allen Beteiligten bewertet werden), • Vollständigkeit und Angemessenheit der Wiedergabe (von der Sprachgruppe und dem Sprachexperten zu bewerten), • Präzision der Terminologie (von der Sprachgruppe und dem Sprachexperten zu bewerten), • Dolmetschtechniken (von der Sprachgruppe und dem Dolmetschdidaktiker zu bewerten). Bei der knappen Zeit, die zur Verfügung steht, ist darauf zu achten, dass die Bewertung durch alle Akteure diszipliniert und fokussiert vorgenommen wird. Aus diesem Grunde dürfen offensichtliche Versprecher, zufällige und unwesentliche Fehlleistungen gern ignoriert werden (vgl. Driesen/ Petersen 2011). Dagegen sollte auf schlechte Gewohnheiten, wiederkehrende, typi- Christiane J. Driesen 160 sche Fehler sowie methodische Unbeholfenheiten in der Gruppe besonders eingegangen werden, sodass alle gemeinsam daraus lernen können. 5 Schlussbemerkungen Aus dieser kurzen Schilderung der Konsequenzen der Richtlinie 2010/ 64/ EU für die Justiz der Mitgliedsstaaten ergibt sich, dass diese (bis Oktober 2013) die Mittel zur Verfügung stellen müssen, um die Qualität der Kommunikation mit Dolmetschern im Sinne eines fairen Verfahrens eindeutig zu verbessern. In Deutschland und vielen EU-Staaten bestehen seit Jahren gute Lehrinfrastrukturen für die Ausbildung von Dolmetschern in international verbreiteten Sprachen. Sobald die Arbeitsbedingungen der juristischen Dolmetscher und Übersetzer etwas attraktiver werden, wird es unkompliziert und mit Sicherheit lohnend sein, entsprechende spezifische Studiengänge in ganz Europa anzubieten. Wie durch die demografischen Daten veranschaulicht (siehe Abschnitt 2 des vorliegenden Beitrags), besteht für Sprachen geringer Verbreitung großer Bedarf. Allerdings stellt dieser aufgrund der geringen Zahl an qualifizierten Dolmetschern für diese Sprachen das größte Problem dar. Als Lösungsansatz wurde daher die seit Jahren bewährte Tandem-Lehrmethode vorgestellt, die auf der strikt geregelten Zusammenarbeit eines Sprachexperten und eines Dolmetschdidaktikers beruht und somit den didaktischen Vorteil einer Trennung zwischen Sprachkompetenz und Dolmetschtechniken noch fördert. Literaturverzeichnis Bocquet, Claude (2008). La traduction juridique. Fondement et méthode. Brüssel: de Boeck. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (2011). Aktuelle Zahlen zu Asyl. Ausgabe Oktober 2011. http: / / www.bamf.de/ DE/ Infothek/ Statistiken/ Asylzahlen/ asylzahlen-node.html (Stand: 10.12.2011). Déjean Le Féal, Karla (2001). 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Driesen: Doctorat en Science de l’Interprétation et de la Traduction (Sorbonne Nouvelle), juristische Übersetzerin und Dolmetscherin, Konferenzdolmetscherin (AIIC), Gründerin und wissenschaftliche Leiterin einer Weiterbildung für juristische Übersetzer und Dolmetscher an der Universität Hamburg (UNITRAIN), Ausbildung von Dolmetscherstudenten im Rahmen des so genannten Stage (Deutsch, Finnisch und Schwedisch) für die Europäische Kommission (SCIC) und das Europäische Parlament am Europa-Kolleg, Hamburg; 1997-2010: Professorin an der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), Berufung zur Einrichtung des Bachelor-Studiengangs „Gerichtsdolmetschen“ sowie eines Weiterbildungsstudiengangs. Beteiligung an ähnlichen Projekten in Zürich, Wien und Paris; 2000: Training-Workshop für Kinyarwanda-Dolmetscher am United Nations Criminal Tribunal for Rwanda, Christiane J. Driesen 162 Arusha; 2008-2009: Mitglied des von der Europäischen Kommission einberufenen Reflexionsforum über Mehrsprachigkeit und Dolmetscherausbildung; seit 2009 Vize-Präsidentin von EULITA (European Legal Interpreters and Translators Association). Gabriele Mack Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens. Ein praktischer Beitrag zur Dolmetschdidaktik Sollen die Worte die Mittheilung befördern, so müssen sie [...] in dem Hörer genau die Vorstellung erwecken, welche der Sprechende damit verbindet. Ohnedem füllt man wohl die Ohren des Andern mit Geräusch und Tönen, aber man theilt die Gedanken nicht mit und legt die Vorstellungen nicht dar, was doch der Zweck aller Sprache und Unterredung ist. (Locke 1689) 1 Hörverstehen in der Dolmetschdidaktik Praktiker wie Forscher sind sich einig, dass es eine der wichtigsten Voraussetzungen für (angehende) Dolmetscher 1 ist, die Fremdsprache auf einem Niveau zu beherrschen, das dem der muttersprachlichen Kompetenz möglichst nahe kommt. 2 Der Siegeszug von Englisch als populärster und in Italien zunehmend einziger Fremdsprache an den Schulen sowie die wiederholten Studienreformen im Zuge des Bologna-Prozesses haben aber dazu beigetragen, dass zumindest hierzulande immer mehr Kandidaten mit relativ geringen Fremdsprachenkenntnissen zu den MA-Studiengängen im Dolmetschen zugelassen werden. In der Praxis liegen daher, trotz anspruchsvoller Anforderungsprofile und Aufnahmetests, die fremdsprachlichen Fertigkeiten der Studierenden oft weit unter denen in der Muttersprache; ausbaubedürftig ist meist nicht nur die Ausdrucksfähigkeit, sondern auch das Hörverstehen. Hören ist nicht nur in der alltäglichen Kommunikation die am häufigsten gebrauchte sprachliche Fertigkeit; das Verstehen authentischer Äußerungen ist die Ausgangsbasis jedweder Dolmetschtätigkeit und wird bei deren Erlernen schon von Anfang an massiv gefordert. Wie wichtig die alles andere als passive Rezeptionsphase beim Konsekutivebenso wie beim Simultandolmetschen ist, betonen sowohl Dozenten als auch Autoren kognitivpragmatischer Modelle (vgl. Setton 1999; Kalina 2000; Chernov 2004; Gillies 2005); auf welche Weise eine Annäherung nicht schon zweisprachiger Stu- 1 Im Interesse einer besseren Lesbarkeit wird in der Folge das generische Maskulinum verwendet. 2 AIIC (2006) fordert „a complete mastery of their non-native languages“; Gile ( 2 2009) spricht von einem Konsens über „a ‘near-perfect’ command of [students’] working languages“ (Gile 2 2009: 220). Gabriele Mack 164 dienanfänger an die gewünschte aktive wie passive nativelikeness didaktisch zu verwirklichen sei, wird hingegen in der einschlägigen Literatur nur sehr pauschal thematisiert (vgl. Seleskovitch/ Lederer 2 2002: 317f.; Gile 2 2009: 222). Auch das Hörverstehen als solches erfährt zumeist nur marginale Aufmerksamkeit. 3 Ausgehend von einer sprachlichen Äußerung, die er weder inhaltlich noch in ihrer Form beeinflussen kann, entwirft der Dolmetscher, unter Anwendung allgemeiner Relevanzkriterien (vgl. Sperber/ Wilson 2 1995; Wilson/ Sperber 2002), mittels Rückgriff auf sein (wie immer geartetes) Wissen und unter Berücksichtigung sich aktuell aus dem Kommunikationskontext ergebender Aspekte, ein hypothetisches Modell des vom Redner beabsichtigten Sinns des Gesagten; dieses Modell reverbalisiert er dann unter den gegebenen Bedingungen und in einer anderen Sprache so, dass seine Zuhörer diesen Sinn ihrerseits für sich aktualisieren und modellieren können (vgl. Kohn/ Kalina 1996). Die komplexe Interaktion zwischen phonetischperzeptuellem Input (data-driven oder bottom-up-Verarbeitung) und vom Hörer dem Kotext, dem Situationskontext oder dem eigenen Vorwissen entnommenen oder inferierten Faktoren (knowledge-driven oder top-down- Verarbeitung), die beim Hören an der Sinnkonstitution mitwirken, ist für den Lernenden am Anfang des Dolmetschstudiums, wenn überhaupt, zumeist nur eine theoretische Erkenntnis. Deren Bewusstmachung und Erfahrung im Unterricht ist aber gerade in dieser Phase von besonderer Wichtigkeit, da besonders Anfänger sich mitunter sehr schwer damit tun, beim Hören fremdsprachlicher Reden ihr Sach- und Erfahrungswissen zu aktivieren und pragmatische Faktoren wie Kommunikationssituation oder Aktantenrollen mit zu berücksichtigen. Der zwangsläufig simulative Charakter von Dolmetschübungen 4 trägt ein Weiteres dazu bei, dass die meisten Studierenden auch bei Verwendung von authentischem Videomaterial und dessen vorheriger kontextueller Einordnung dem verbalen Inhalt von Reden weitaus mehr Aufmerksamkeit schenken als paraverbalen und außersprachlichen Aspekten. Gerade am Anfang der Ausbildung ist es manchmal auch schwierig, die im Einzelfall kritischen Problemfelder auszumachen: Lücken im Hörverstehen (und deren Ursachen), Probleme mit der noch ungewohnten Überlappung verschiedener kognitiver Aktivitäten, Konzentrationsschwäche, ungenügende Ausdrucksfähigkeit in der Zielsprache oder auch ein Zusammentreffen mehrerer dieser Faktoren. Eine möglichst exakte Ortung der im Einzelfall schon verfügbaren Fähigkeiten und Kenntnisse bzw. noch vorhandenen Schwächen sind aber eine wichtige Vorbedingung für den Erfolg 3 Vgl. Lambert (1989); eine vorwiegend auf Eigenbeobachtung gestützte Ausnahme bildet Déjean Le Féal (1976, 1999). 4 Vgl. Straniero Sergio (1999: 1ff.); zum Problem der Reproduktion „echter“ Hörsituationen im Fremdsprachenunterricht vgl. Solmecke (2010). Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 165 autonom gesteuerter Lernprozesse (vgl. Benson 2001) und für die Auswahl der individuell am besten geeigneten Lernstrategien 5 . Nur wenn eine derartige Diagnose gestellt wird, können Übungen eingesetzt werden, in denen bekannte Schwächen gezielt verbessert und die komplexen kognitiven Komponenten des Dolmetschprozesses in Unteraufgaben oder subtasks aufgespalten und als Teilkompetenzen schrittweise automatisiert werden (vgl. Kalina 1996, 1998 sowie Kalina 2000: 182), ein Vorgehen, das auch als scaffolding bekannt ist (vgl. Holton/ Clarke 2006; Yellanda/ Masters 2007). Ein solcher Ansatz gestattet es den meist sehr hoch motivierten Studienanfängern, konkrete und persönlich relevante Lernziele zu identifizieren, auf die sie gezielt hinarbeiten und deren Erreichen sie selbst überprüfen können. 6 2 Hörverstehen in der Fremdsprachendidaktik Auf der Suche nach einer Erweiterung des Instrumentariums zur Verbesserung der Hörkompetenz erscheint es daher gerechtfertigt, auch auf andere Forschungsbereiche zurückzugreifen, die sich ausgiebig mit diesem Thema befasst haben, insbesondere auf Psycholinguistik, Erziehungswissenschaft und Fremdsprachendidaktik. Der besagte „diagnostische“ Ansatz wurde von letzterer klar formuliert, und zwar mit der doppelten Aufgabe, bestehende Lernerschwächen zu identifizieren und den Lernprozess effizienter zu gestalten: From a process perspective, wrong answers can be seen to be of more significance than correct ones. Instead of judging understanding by the number of learners who answer correctly, teachers need to follow up incorrect responses in order to determine where understanding broke down and to put things right. Implicit here is a view of the listening lesson as a diagnostic activity, the function of the teacher being to identify and redress learners’ weaknesses as listeners. (Field 1998: 111f.; Hervorhebung G.M.) We need to move to a position where the teacher is able to recognize particular patterns of behaviour in listening manifested by an unsuccessful listener and to 5 Die Sprachdidaktik unterscheidet prinzipiell zwischen kognitiven und metakognitiven Lern(er)- und Kommunikations-, darunter auch Hörstrategien (vgl. Field 2000; Cohen 2011). Eine operationelle Definition von „Strategie“ beim Dolmetschen findet sich u.a. in Kalina (1992: 252); Gambier (2008) beanstandet aber, dieser Begriff werde in der einschlägigen Literatur immer noch sehr uneinheitlich verwendet. 6 Die Autorin arbeitet schon seit Jahren an einem ganzheitlichen didaktischen Konzept, das neben dolmetschspezifischen Fertigkeiten Schlüsselqualifikationen wie selbst bestimmtes und kooperatives Lernen sowie soziale, kommunikative und interkulturelle Kompetenzen gezielt fördert (vgl. Mack 2005; Schoch 2005; Schoch/ Mack 2007; Mack/ Schoch 2008). Der Unterricht konzentriert sich v.a. im ersten Semester darauf, anhand exemplarischer Übungen und deren Besprechung die dem Dolmetschen zugrunde liegenden Mechanismen aufzuzeigen und metakognitive Prozesse anzuregen. Gabriele Mack 166 provide exercises for the student which will promote superior patterns of behaviour (superior strategies). (Brown 1986: 286; Hervorhebung G.M.) Die dem Hörverstehen zugrunde liegenden Mechanismen, die Vielfalt der möglichen Lernziele und die Komplexität der damit verbundenen sprachlich-kognitiven Prozesse wurden unter verschiedensten Gesichtspunkten beleuchtet (vgl. u.a. Dunkel 1991; Imhof 2004; Vandergrift 2011; für einen Überblick vgl. Vandergrift 2007). Für das muttersprachliche Verstehen stellen Faerch/ Kasper Folgendes fest: 2. The matching process [of input against knowledge] can take its point of departure either in the input or in the recipient’s knowledge. In the first case, information extracted from the input is integrated with increasingly complex knowledge systems (input-driven or bottom-up processing). In the second case, possible meaning is predicted on the basis of prior experience, the input being interpreted in the light of such expectations (knowledge-driven or top-down processing). In both cases, contextual information is utilized to support the comprehension process. [...] 7. Both the existence of gaps in the input and knowledge, and the selective operation of the central processor, account for the fact that comprehension is typically partial rather than total, understanding being achieved when the recipient arrives at ‘a reasonable interpretation’ of the speaker’s or writer’s communicative intention. (Faerch/ Kasper 1986: 264f.; Hervorhebung G.M.) Bei der Integration zwischen Bekanntem und Neuem in der Fremdsprache unterscheidet die Forschung zwischen risk-avoiders - Hörern, die ihre Hypothesen vorwiegend auf perzeptuelle Anhaltspunkte stützen - und risk-takers, die eventuelle Verstehenslücken durch Inferenzierung oder top-down- Strategien und Hypothesenbildung zu kompensieren suchen (vgl. Field 2000). Es wird davon ausgegangen, dass bei zunehmender Kompetenz semantische Aspekte stärker beachtet werden (vgl. Conrad 1985), doch auch einem allzu stark top-down-orientierten Ansatz sollte entgegengewirkt werden: „[W]e should keep in mind that the learners’ ultimate aim is to rely less on contextual guesswork, and more on hearing what was actually said“ (Wilson 2003: 336). Erwiesen scheint durch verschiedene Studien, dass „gute“ Hörer flexibel auf beide Arten von Prozessen zurückgreifen bzw. das Gehörte effizienter in ihr Vorwissen integrieren (vgl. Bacon 1992). Besonders relevant für das Dolmetschen sind die Behandlung von Teilprozessen des Hörens und Aspekte ihrer (bei Muttersprachlern sehr hohen) Automatisierung sowie spezifische Übungen hierzu (vgl. Lund 1990; Segermann 4 2003). 7 Thematisiert wird auch die für das Dolmetschen ausschlaggebende Fähigkeit, das Gehörte sinngetreu zu reproduzieren (wenn auch nicht während des Zuhörens und mit dem Ziel, das Gehörte möglichst vollständig wiederzugeben, dazu noch in einer anderen Sprache). Hierzu dient u.a. das 7 Von Interesse sind auch Komponentenübungen für besonders problematische Teilbereiche des Hörverstehens, wie z.B. Lautdiskriminierung (vgl. Vielau 2 2010: 133ff.). Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 167 Nach- oder Echosprechen, eventuell unter Anwendung der Technik des backchaining, bei dem neue Informationen nach und nach durch schon bekannte Satzteile erweitert werden (vgl. Vielau 2 2010: 116). Shadowing, eine Übung mit mündlicher Reproduktion des Gehörten unter geringer Zeitversetzung, scheint hingegen nur in der Dolmetschdidaktik zur Anwendung zu kommen. Das Diktat verfolgt zwar teilweise andere didaktische Zielsetzungen, wird aber auch zur Sensibilisierung für die Notwendigkeit von Hypothesenbildung und deren fortlaufender Überprüfung in der Segmentierungsphase vorgeschlagen (vgl. Field 2003) und immer wieder als zuverlässiger Hinweis auf die fremdsprachliche Kompetenz allgemein genannt (vgl. u.a. Stansfield 1985). Die Literatur betont schließlich die enge Verbindung zwischen Hörverstehen und Wortschatzerweiterung sowie die ausschlaggebende Bedeutung von metakognitiven Strategien, Motivation, persönlicher Auffassung vom Hören (vgl. Imhof/ Janusik 2006), Normen sprachlicher Korrektheit (vgl. Braun 2009) und regelmäßigem Üben in einem entspannten Lernumfeld (vgl. Vandergrift 2006). 3 Hörverstehen und Transkription Das Verschriften authentischer Rede kommt zwar in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zur Anwendung (vgl. Rudd/ Fraser 2000; Mack 2006), gilt aber vorwiegend als „wissenschaftliche Arbeitstechnik empirischer Kommunikationsforschung“ (Redder 2001: 1038) und folgt dabei Regeln und Konventionen, die je nach Fragestellung extrem unterschiedlich sein können. Eine systematische Verschriftlichung längerer Redetexte wurde in der Fremdsprachendidaktik nur selten vorgeschlagen (vgl. z.B. Aston 1984, 1985); die Verwendung von Videoaufnahmen und deren Transkripten (vgl. Braun 2006) sowie vereinfachte Formen der Transkription (vgl. Widmann 2009) sind neuerdings aber zunehmend aktuell. In der Dolmetschdidaktik hat sich die Transkription authentischer fremdsprachlicher Hörtexte in diagnostischer Hinsicht als sehr nützlich erwiesen. Sie wird am Dolmetscherinstitut Forlì in den BA-Studiengängen schon seit geraumer Zeit in der DaF-Didaktik verwendet und ist seit Sommer 2005 als zusätzliche Komponente auch in die Leistungsprüfung des Anfängerkurses im Konferenzdolmetschen Deutsch-Italienisch integriert. 4 Eine Transkriptionsübung für Dolmetschanfänger Zwar huldigt praktisch die gesamte Dolmetschdidaktik seit Jean Herbert zu Recht dem Prinzip, dass eine Verdolmetschung keine wortgetreue Wiedergabe einer Rede sein kann und soll (für eine Übersicht vgl. Pöchhacker [2004: 141f.]); die ausgangssprachliche Realisierung derselben ist für den Gabriele Mack 168 Dolmetscher andererseits aber Alpha (im Sinne von Ausgangspunkt), Omega (im Sinne von Maßstab, an dem sich die Verdolmetschung messen lassen muss) und ständig präsente Richtschnur während der Entfaltung des gesamten Prozesses. Die Forderung nach wortgetreuer schriftlicher Wiedergabe von Redetexten erscheint daher didaktisch als durchaus gerechtfertigt. Gegenstand der vorgeschlagenen Übung sind zwei für den Dolmetschprozess ausschlaggebende Faktoren, nämlich der vom Redner gewählte Wortlaut und die Strukturierung des Redekontinuums in miteinander verwobene Sinneinheiten durch den Hörer. Das Ergebnis des Sinngebungsprozesses soll in anderen Worten sichtbar gemacht werden, bevor es in einer anderen Sprache neu formuliert und wiedergegeben wird. Eine solche Übung zeigt den Studierenden eindrücklich, dass beim erfolgreichen Hören zwar nicht jedes einzelne Wort bekannt sein bzw. auf Anhieb verstanden werden muss, dass andererseits aber simple Faktoren wie beispielsweise Schwierigkeiten auf phonetisch-sprachlicher Ebene den Verstehensprozess unweigerlich verlangsamen oder sogar ganz blockieren können: Numerous small misperceptions are not necessarily trivial, and seem to have a cumulative effect. They also appear to slow down learners’ ability to do top-down processing - just as a driver speeding through a cloud of stones and dust has difficulty seeing the road ahead. It does seem a reasonable hypothesis, therefore, to suggest that better bottom-up processing ought to lead in turn to better processing, and that teaching should reflect this. (Wilson 2003: 341f.) Die Übung macht außerdem Schwierigkeiten deutlich, die beim einmaligen Hören oft nicht wahrgenommen oder sogar (un)bewusst verdrängt werden, nach dem Motto „verstehen tue ich so gut wie alles, auch in der Fremdsprache“. 4.1 Vorgaben und Zielsetzung Die Auswahl der Aufnahmen sowie der für die Verschriftlichung von etwa 15 Minuten gesprochener (Fremd-)Sprache benötigte Zeitaufwand sind den Studierenden freigestellt, 8 sofern es sich a) um Teile öffentlicher Äußerungen 9 muttersprachlicher Redner handelt, von denen b) möglichst noch kein Manuskript, dafür aber c) ein unbegrenzt zugänglicher Video- oder Audiomitschnitt vorhanden ist. Die entsprechenden Dateien sollten immer auf Datenträgern abgespeichert werden, da sie aus dem Internet teilweise sehr schnell wieder verschwinden, ohne Rückgriff auf das Original aber keine sinnvolle Nachbearbeitung der Transkripte möglich ist. Empfohlen wird, 8 So wird gewährleistet, dass ein gewisses Interesse an der Rede vorliegt. 9 Hierdurch wird gleichzeitig relevantes texttypologisches Wissen erweitert; es können auch Interviews oder Teile von Reden mehrerer Sprecher verwendet werden. Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 169 Texte zu wählen, die bereits als Übungsmaterial verwendet und dabei subjektiv als anspruchsvoll erkannt worden waren. Zur Gewährleistung der Aussagekraft des diagnostischen Aspekts der Übung verzichten die Studierenden auf die Heranziehung Dritter zur Klärung problematischer Passagen; die Verwendung anderer Hilfsmittel (Wörterbücher, Korpora, Internet etc.) ist hingegen willkommen. Definiert 10 wird die Transkription in diesem Rahmen als prinzipiell wortgetreue orthographische Wiedergabe einer Rede, die es dem ungeschulten Leser ermöglichen soll, das Gesagte so zur Kenntnis zu nehmen, als habe er die Rede gehört. Gefordert ist also weder eine lautgetreue Transkription noch eine systematische Erfassung paraverbaler und nonverbaler Aspekte wie Pausen(länge), Sprechgeschwindigkeit oder Intonation. Auf besondere Transkriptionskonventionen wird im Interesse der Lesbarkeit bewusst verzichtet. Von den für gesprochene Sprache typischen Unflüssigkeiten sollen nur diejenigen berücksichtigt werden, die der Rekonstruktion des Redeflusses bzw. der Sinnkonstitution durch den Leser dienlich sein können, wie z.B. Satzabbrüche oder Interjektionen; der Umgang mit semantisch inhaltsleeren Elementen wie gefüllten Pausen, Vokalverlängerungen, Selbstkorrekturen oder Wort- und Phrasenwiederholungen, die ausschließlich die Textoberfläche tangieren, bleibt hingegen der Entscheidung der Studierenden überlassen. Dies gilt auch für eine eventuelle Glättung untypischer Aussprachevarianten und umgangssprachlicher Kurzformen (die aber beim gewählten Redetyp relativ selten vorkommen). Auch außersprachliche Elemente wie Applaus oder hörbare Belustigung der Zuhörer sind in vielen Fällen hilfreich für das Verständnis. Diese Vorgaben lassen den Studierenden bewusst Spielraum für eigene Einschätzung und subjektive Unterscheidung zwischen funktional-relevanten und eher zufällig-irrelevanten Aspekten. Besondere Aufmerksamkeit soll der Sichtbarmachung der Redestrukturierung in Phrasierungseinheiten anhand prosodischer/ paralinguistischer und verbaler/ syntaktischer Anhaltspunkte gewidmet werden (vgl. Selting 2001), und zwar durch eine bewusste Verwendung von Interpunktionszeichen und Layout. So wird beispielsweise angeregt, redetypische Sprechakte wie Einleitung, Begrüßung, Danksagung und Abschlussformel, einzelne Sinnschritte oder eine explizite Gliederung der Rede durch Unterteilung in Absätze hervorzuheben; Satzabbrüche sollen durch Auslassungspunkte, Einschübe und Nebenbemerkungen durch Gedankenstriche oder Klammern, Nebensätze durch Kommata, Erklärungen oder Zusammenfassungen des bereits Gesagten durch Doppelpunkt und Subjektwechsel durch das Setzen von Punkten bzw. Semikola markiert werden. 10 Die genauen Regeln wurden im Laufe der Zeit formalisiert und schriftlich festgehalten. Gabriele Mack 170 Erklärtes Ziel dieses Vorgehens ist es zum einen, das Zusammenwirken von bottom-up und top-down-Prozessen beim fremdsprachlichen Hörverstehen ins Bewusstsein der Studierenden zu rücken, zum anderen, mögliche Ursachen von Fehlleistungen zu ergründen. Hierbei wird von der Beobachtung ausgegangen, dass gehäuft auftretende Probleme ein und derselben Art im Transkript Hinweise auf typische Störungen des Prozesses liefern können: Fast immer ergibt sich im Verlauf der Korrekturarbeit ein spezifisches Profil, in dem bestimmte Problemtrigger klar auszumachen sind. Nur wenn die Studierenden bestehende Schwierigkeiten auch als solche wahrnehmen, können sie dafür auch Verantwortung übernehmen und gezielte Strategien entwickeln, um sie einzugrenzen, möglichst zu vermeiden, auf jeden Fall aber damit umgehen zu lernen (vgl. Schmidt 1990). Aktiviert werden durch diese Transkriptionsübung also nicht nur für erfolgreiches Hören wichtige variable Verstehensstrategien, sondern auch Lern- und kreative Lösungsstrategien. 4.2 Durchführung der Übung Eine erste Fassung des vom Studierenden angefertigten Transkripts wird von der Dozentin anhand der Audiodatei(en) geprüft; dabei werden typische Problemfelder mit einem Farbcode markiert. Auf dieser Grundlage erfolgt eine gezielte Überarbeitung durch die Studierenden, u.a. unter Anwendung von verlangsamtem Anhören 11 , bewusstem Pendeln zwischen additivem/ wortwörtlichem und ganzheitlichem Verstehen 12 , lautem Vorlesen oder auch Stegreifübersetzen der gekennzeichneten Stellen und ihres Ko-Texts. Anhand der erneut von der Dozentin korrigierten zweiten Version werden schließlich in einer Besprechung die Elemente thematisiert, die sich im Einzelfall als häufigste Fehlerquellen erwiesen haben und je nach Bedarf weitere Übungen angeregt. Selbstverständlich kann es je nach Hörerperspektive durchaus unterschiedliche und trotzdem legitime Interpretationsmöglichkeiten einzelner Passagen geben (vgl. Brown 1995), und naturgemäß ist selbst ein geübter muttersprachlicher Hörer nicht immer in der Lage, den genauen Wortlaut einer Aussage zweifelsfrei zu rekonstruieren. Andererseits tendieren geübte Muttersprachler in den meisten Fällen dazu, eine bestimmte Äußerung so und nicht anders zu interpretieren und die einzelnen Wörter praktisch gleich zu segmentieren (vgl. Cook 1995: 38). Solche Erfahrungen werden mit den Studierenden in der Besprechung der Transkripte geteilt und mögliche 11 Zu Pausen und Geschwindigkeit beim Hören vgl. Blau (1990) und Zhao (1997). 12 Zur Vermeidung einer einseitigen Konzentration auf phonetische Aspekte wird zudem angeregt, den Text vor Beginn der Verschriftung in seiner ganzen Länge anzuhören und auch bei der Bearbeitung schwieriger Passagen die Aufmerksamkeit immer wieder auch auf das globale Verständnis von Makropropositionen zu fokussieren. Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 171 Interpretationsvarianten gemeinsam auf ihre Plausibilität geprüft. Als besonders schwierig erwies sich dabei die Einschätzung dessen, was muttersprachliche Redner tatsächlich als Performanzfehler unkorrigiert hingenommen hätten und was sie kaum je so formulieren würden. 13 5 Analyse der Redetranskripte Seit Beginn des Bologna-Prozesses haben am Dolmetscherinstitut Forlì bisher insgesamt sieben Jahrgänge ein Masterstudium im Konferenzdolmetschen aufgenommen. Ausgewertet wurden in der vorliegenden Arbeit Transkripte deutscher Reden von insgesamt 25 Studierenden italienischer Muttersprache. 14 Die Systematisierung der in den Niederschriften am häufigsten festgestellten Schwierigkeiten ist ein offenes Problem, für das vorerst nur eine Reihe von Arbeitshypothesen angeboten wird. Letztere müssen in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Experten aus dem Bereich der Fremdsprachendidaktik und der Phonetik überprüft und verfeinert werden, bevor sich daraus allgemeingültige Konsequenzen für die Didaktik ableiten lassen. Was die mutmaßlichen Ursachen für Fehlleistungen beim Hörverstehen in der Fremdsprache angeht, nennt Solmecke (2010: 970f.) als typische Aspekte u.a. die Erkennung der Lautgestalt (v.a. bei Unterschieden zum phonologischen System der Muttersprache), die Identifizierung von Wortgrenzen (Segmentierung), den Umgang mit Aussprachevarianten, lückenhaftes oder unsicher beherrschtes Vokabular sowie Erkennung und Interpretation grammatischer Strukturen. Für alle diese Kategorien finden sich auch in unserem Material Hinweise, wobei Vokabular hier im weiteren Sinn auf Kollokationen, Phraseologie und stehende Wendungen, grammatische Strukturen auf Syntax und pragmatische Aspekte der Sprachverwendung ausgeweitet wurden. Diese Kategorien wurden daher für eine erste grobe Ordnung des Materials herangezogen, ohne dass diese den Anspruch auf Vollständigkeit oder eine immer hundertprozentige Abgrenzbarkeit zwischen den einzelnen Kategorien erhebt. Ergänzt wurde diese Liste um den Punkt Einbeziehung extratextueller Informationen im Sinne von Kommunikationssituation, Hintergrund- und Weltwissen. 13 Vgl. Brown (1986: 298) zur Entwicklung kritischer Hörkompetenz und der Interpretation nicht-ideal formulierter Mitteilungen. Die Frage der Beschreibung muttersprachlicher Kompetenz ist ein immer noch aktuelles Thema (vgl. Pawley Hodgetts 1983; Siepmann 2006). 14 Nicht berücksichtigt wurden die italienischen Transkripte von Studierenden anderer Muttersprachen und Studierenden mit ausgewogener Zweisprachigkeit. Bei solchen sehr fortgeschrittenen Hörern hat sich die Übung in diagnostischer Hinsicht als unergiebig erwiesen. Gabriele Mack 172 Da die Übung ausschließlich auf das Verstehen kontextualisierter authentischer Reden seitens angehender Dolmetscher abzielt, ist vorab zu bemerken, dass bestimmte Unstimmigkeiten in den Transkripten bei der Korrektur nur am Rande vermerkt und in der didaktischen Auswertung nur bedingt berücksichtigt wurden: Dies gilt beispielsweise für sporadische Morphologiefehler (z.B. Plurale oder Dativ-Endungen), nicht missverständliche oder potenziell irreführende Rechtschreibfehler (z.B. „*Traumschob*“ statt „Traumjob“) 15 oder Groß- und Kleinschreibung. Hier lauert außerdem stets auch die Gefahr einer Überinterpretation banaler Flüchtigkeitsfehler. 16 Nur wenn solche Defekte mit einer gewissen Häufigkeit und Systematik auftraten, wurden sie in der Besprechung als Hinweis auf eine Unterschätzung des Beitrags grammatikalischer Elemente zur Kohärenzbildung und/ oder mangelnde Konzentrationsfähigkeit thematisiert. Orthographische Abweichungen mit beträchtlichen Auswirkungen auf die Bedeutung (wie etwa lebenswert/ lesenswert, ausgefaltet/ ausgefeilt, entrechtet/ entrichtet, furchtbar/ fruchtbar oder wurde/ würde, dürfte/ durfte) wurden hingegen immer näher untersucht. Segmentierungsprobleme auf Satzebene wurden ebenfalls diskutiert, werden aber in diesem Rahmen nicht behandelt. Wenn nicht anders angegeben, wurden die angeführten Phänomene bei mindestens zwei, teilweise bis zu zehn Studierenden festgestellt; in keinem Fall tauchten Hinweise auf sämtliche genannten Problemkategorien bei ein und derselben Person auf. 5.1 Kategorisierungskriterien und Beispiele In Erwartung einer Überprüfung dieser Hypothesen anhand von Verbalisierungsmethoden bzw. in Zusammenarbeit mit Spezialisten und angesichts der Feststellung, dass Fehlleistungen sich nur selten einer einzigen Kategorie zuordnen lassen, weil darin meist mehrere kritische Faktoren zusammentreffen, wird an dieser Stelle bewusst auf eine einheitliche Kodierung, tabellarische Darstellung und statistische Auswertung der Daten verzichtet. Vorgenommen wird eine Veranschaulichung der am häufigsten erkennbaren 15 Zwecks leichterer Lesbarkeit wird in den hier angeführten Beispielen auf eine vollständige Wiederholung längerer Satzteile verzichtet; die beanstandete Textstelle ist am Anfang und Ende mit * gekennzeichnet, die plausiblere Alternative durch „statt“ eingeleitet und kursiv gesetzt. Beide Versionen stehen jeweils in Anführungszeichen. 16 So ist es unwahrscheinlich, dass ein Manko im Weltwissen des Studierenden vorliegt, wenn es im Transkript einer Rede der Bundeskanzlerin heißt: „Ich werde heute Nachmittag mit *den* brasilianischen Präsidenten sprechen, mit dem indischen Ministerpräsidenten sprechen“. In einem anderen Fall ist die Rede „vom großen Amerika *und den wichtigsten Bundespartnern aus*“ statt „unserem wichtigsten Bündnispartner auf der anderen Seite des Atlantiks“. Zur Selbstkorrektur reichte in beiden Gesprächen die Frage, wie viele Präsidenten Brasilien bzw. wie viele Bündnispartner Deutschland in Übersee habe. Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 173 Schwierigkeiten anhand der sechs genannten Kategorien und unter Berücksichtigung quantitativer (Fehlen bzw. Hinzufügung von Silben) und qualitativer Aspekte (im Sinne von Vorgehensweise und Grad der Kohärenzbildung). 5.1.1 Lauterkennung Das Fehlen einzelner Silben und einsilbiger Wörter wurde relativ oft festgestellt, während Belege für das Fehlen mehrerer oder eine Hinzufügung von Silben extrem selten sind. Die pronominale Wiederaufnahme des Subjekts, Reflexivpronomen und unpersönliches „man“ oder einzelne Wörter in Höflichkeitsformen (insbesondere wenn die entsprechenden Elemente im Italienischen nicht ausgedrückt werden) fallen unter diese Rubrik und deuten auf Unsicherheiten in der Grammatik und bei bestimmten pragmatischen Aspekten hin. Beispiele: „Nach Paris ist {er} aber sehr oft gereist“; „so hat {man} es uns erklärt“; „Herzlichen Dank, {Herr} Professor“. 17 Störungsanfällig sind des Weiteren unbetonte Kurzwörter und (auch betonte) Silben am Wortanfang, wohl in Verbindung mit unsicher beherrschter Lexik und stehenden Wendungen, wie „Rot-Grün ist“ statt „wo Rot-Grün ist“; „Kollege Genscher hat es *gesprochen*“ statt „angesprochen“. Dasselbe gilt für unbetonte Endsilben; ein besonders häufiger Fehler war hier die Verwendung des Singulars anstelle des Plurals (während das umgekehrte Phänomen praktisch nie auftrat). Auch die Veränderungen von Silben bei korrekter Wortsegmentierung waren relativ häufig. Einige Beispiele: „Proteststimmung *ankommen*“ statt „aufkommen lassen“; „*hingegenstellen*“ statt „entgegenstellen“. Schwierigkeiten zeigten sich auch bei einzelnen Lautgruppen, wie V/ W/ F: „*Voll*“ statt „Wohl aus diesem Grund“; „das ist ja auch durch viele Aktionen im *Umwelt*“ statt „Umfeld hier sichtbar geworden“, sowie bei der Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen, z.B. *gerückt* statt gerügt; *krakelnd* statt kränkelnd; „Problem ist schon, dass nach solchen Wahlniederlagen [...] keine *Besiedlung*“ statt „Besinnung eintritt, keine Wahlanalyse eintritt“. Typische Beispiele für punktuelle Fehlleistungen dieser Art, die aber in enger Verbindung mit dem extratextuellen Wissen stehen, sind Eigennamen und Akronyme, so z.B. „Herr *Rutschgas*“ statt „Rüttgers“; „*Tussarl*“ statt „Husserl“ (Heidegger und Hieronymus im selben Kontext wurden hingegen durch Fragezeichen ersetzt); „Meine erste Rolle [als Schauspieler] war der *Polzer*“ statt „Posa“, oder „*der GW-*“ statt „DGB-Chef Michael Sommer“; „um *herauszuzitieren*“ statt „Herrn Rau zu zitieren“. 17 Weitere Belege für alle angeführten Kategorien finden sich auch in den folgenden Abschnitten in Verbindung mit anderen Aspekten. Gabriele Mack 174 5.1.2 Segmentierungsprobleme Als eines der umfangreichsten Problemfelder erwies sich die Segmentierung des phonetischen Kontinuums und seine Umsetzung in eine morphosyntaktisch stimmige Wortfolge, die eine auch inhaltlich schlüssige und situationsgerechte Interpretation des Gesagten zulässt. Falsch gezogene Wortgrenzen betrafen sowohl Komposita als auch einfache Substantive und ihre Attribute; gefunden wurden Belege für die Teilung zusammengehöriger wie auch für die Verschmelzung separater Elemente. Beispiele für eine fehlerhafte Segmentierung ohne Veränderung von Silben: „der *Städterückgang*“ statt „stete Rückgang“; „Manche Hotelbesitzer haben in ihrer Nachbarschaft *Konkurrenz betrieben*“ statt „Konkurrenzbetriebe“; „moderne Stücke sind *in Defekt vielleicht da*“ statt „im Endeffekt viel leichter zu spielen“. Beispiele für eine fehlerhafte Segmentierung mit Veränderung von Silben: „Das Geld *vervollständig*“ statt „wird vollständig von den laufenden Kosten verschlungen“; „im parlamentarischen Verfahren befindliche *warme Gesetze*“ statt „Rahmengesetz“. Sehr häufig waren an Segmentierungsproblemen im Italienischen nicht vorkommende Phoneme beteiligt, wie aspiriertes H und sämtliche Umlaute. Bei aspiriertem H gab es sowohl Fälle von Auslassung als (seltener) auch von Hinzufügung, so z.B. „*Hamburg Theater*“ statt „am Burgtheater“; „in einem *ehrten Wort*“ statt „Hirtenwort“; „Sehr *verheerter*“ statt „verehrter Herr Kardinal“. Besonders interessant ist folgende Reihe von Beispielen, allesamt aus einer Rede zum Thema Gesundheitsreform: „sofern *Klinik*“ statt „hier nicht gegengesteuert wird“; „Kassen, die *selbst ehrlich*“ statt „selbstherrlich die Beiträge anheben“; [der Beitragssatz wird] „von allen Kassen *erobern*“ statt „erhoben“; „wir hören von *Hessen*“ statt „ersten Krankenhäusern“. Dasselbe gilt für Umlaute, die aber umgekehrt eher zu häufig eingefügt wurden und nicht in Verbindung mit Segmentierungsproblemen auftauchten, so z.B. „*höhe*“ statt „hohe Erwartungen“; „*überfördert*“ statt „überfordert“; „im *Züge*“ statt „Zuge des Bologna-Prozesses“; „mehr Gemeinsamkeit *erzählen*“ statt „erzielen“; „um *ihre Fortschritte zu erzählen*“ statt „hier Fortschritte zu erzielen“; „die Tatsache [...] *endet*“ statt „ändert das Gleichgewicht der Macht“; „die Kräfte *binden*“ statt „bündeln“; „gleich neben den ehemaligen *Reitstellen*“ statt „Reitställen“. 5.1.3 Aussprachevarianten Regional, sozial und individuell bedingte Abweichungen von der deutschen Standardaussprache verdienen in didaktischer Hinsicht besondere Aufmerksamkeit, da selbst die erstgenannten im Deutschunterricht kaum systematisch behandelt werden. Die hier identifizierten sind sicher nur ein Bruchteil der in dieser Hinsicht relevanten Aspekte. Als Stolperstein erwies sich beispielsweise das stumme R: „mit dem *Staat*“ statt „Start des Ge- Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 175 sundheitsfonds“; „Anerkennung Chinas als *Machtwirtschaftsland*“ statt „Marktwirtschaftsland“; „gewisse *Endatmung*“ statt „Entartungen“. Das Verständnis scheiterte auch an einer dezidiert ostdeutschen Aussprachevariante von G/ CH: „und *da sah*“ statt „das sag ich für die EU jetzt wirklich als Ratspräsidentin“; „*Die Sache deutet*“ statt „Ich sage heute schon voraus“ bzw. am norddeutschen ST am Wortanfang: „einer *macht’s Dämon*“ statt „macht Stimmung gegen den anderen“. 5.1.4 Vokabular Relativ seltene Begriffe und Fremdwörter gaben häufig zu Fehlleistungen Anlass, so z.B. „Es gab auch *eine bundesweltliche Bank da*“ statt „ein bundesweites Mantra“; „das sind ja jetzt keine Liebschaften, um die wir *booen*“ statt „buhlen“; „Unterdrückung und *der Jochum*“ statt „Unterjochung“ oder „es gibt einen Bücherstand drüben, *hinfür jeder*“ statt „im Foyer der Rheingoldhalle“. Fremdsprachliche Termini 18 waren ebenfalls ein Stolperstein, wie „ich begrüße Sie [...] ganz herzlich [...] im *Staat der*“ statt „Stade de Suisse“; „*Keen-out*“ statt „keynote“; „Projektleiter *des IBD-Fenster*“ statt „Cyber Defence des Bundesrates“ (obwohl dieser Begriff in einem vorausgehenden Teil der Transkription schon einmal richtig wiedergegeben worden war); „der amerikanische *Kanzler Churchill*“ statt „Council of Churches der protestantischen Kirche“. Weitaus häufiger kam es allerdings zu Schwierigkeiten mit Kollokationen und stehenden Wendungen, die im folgenden Absatz behandelt werden. Am zahlreichsten waren Probleme mit Kollokationen, stehenden Wendungen und Redensarten, wie „von beachtlichem Erfolg *gegrünt*“ statt „gekrönt“; „Hamburg kann ja nicht nur auf sich zählen als *deutscheste Ort*“ statt „deutsches Tor zur Welt“; „auf *den Gemeinsamen hineinbringen* statt „einen gemeinsamen Nenner bringen“; „Und da liegt *er unbegraben* oder - etwas später im selben Text - „*Da liegt der Unbegrabenmund! *“ statt „da liegt der Hund begraben“ oder (eher seltene) Zitate wie [Wir wollen] „nicht aufgeben, im Sinne von *[...] der Mensch, hilfreich gut*“ statt des bekannten Goetheworts. 5.1.5 Grammatische Strukturen, Syntax und pragmatische Aspekte Unter diese Kategorie fallen u.a. Wendungen mit Genitiv und Relativpronomen, so z.B. „Zuversicht aus *dem kraften Glauben*“ statt „aus der Kraft des Glaubens“; „deine Bücher [...] zeigen dein Wissen und den 18 Alle in dieser Kategorie angeführten Beispiele mit Ausnahme des letzten stammen aus den Transkriptionen der Rede eines schweizerischen Redners durch eine Studierende mit der Sprachenkombination Deutsch-Französisch. Gabriele Mack 176 *Wertesbeitrag*“ statt „Wert des Beitrags der Kirchen und Theologie“; „es gilt für die *Dirigierung*“ statt „die Regierung in Deutschland tragenden politischen Kräfte“; „Mit neun Nachbarn in Frieden zu leben*! Sein Grundstück ist sondergleich*“ statt „ist ein Kunststück sondergleichen“. Auch im Italienischen eher untypische Formen wie die systematische Verwendung von männlichem und weiblichem Substantiv forderten ihre Opfer, wie „Künstler und *Künstler*“ statt „Künstlerinnen aus ganz Europa“; „auch die *Hamburger, nun Hamburger*“ statt „Hamburgerinnen und Hamburger“. Oft fielen auch hier mehrere Problemtrigger zusammen: „[der Tatsache nicht entgehen können,] dass diejenigen, die *nieder distanziert* statt „negativ tangiert“ sind von der Globalisierung natürlich als erste *nichts zu Wortmeldung* statt „sich zu Wort melden und“ auch Lösungen wollen“. 5.1.6 Einbeziehung extratextueller Informationen Ein letzter wichtiger Aspekt, den die Transkripte verdeutlichen, ist die (mangelnde) Fähigkeit, kontextuelles und extratextuelles Wissen zur Sinngebung heranzuziehen bzw. im Laufe der Arbeit zu recherchieren. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Studierenden die Texte selbst auswählen, die erforderlichen Hintergrundinformationen zu Redner und Kontext also verfügbar sind und ggf. weiter vertieft werden können. Trotzdem erwies es sich für sie oft schwierig, sich in eine Kommunikationssituation hineinzuversetzen bzw. für bestimmte Situationen charakteristische Formulierungen oder situationsbedingte Registeränderungen zu erkennen, so z.B. „Ich war zwei Jahre alt, als wir über die Ostsee nach Schleswig-Holstein *fliegen*“ statt „fliehen mussten“; „Ich darf schon jetzt für alle Beteiligten *Jode/ loben*“ statt „hier oben auf dem Podium sagen“; „die Tatsache, dass *als* statt „es“ in Frankreich und in der Niederland beim ersten Anlauf *Schiff gegangen mit der*“ statt „schief gegangen ist mit dem Verfassungsvertrag“; „Wir haben auch ein *ein von dem darüber erzählt*“ statt „Einvernehmen darüber erzielt“; „wir haben natürlich auch so unsere Probleme *nicht nur/ mal*“ statt „nicht wahr, mit der Kirche“; „sie telefonieren, und erzählen sich, was ich gesagt habe und dann…*kommt draußen*“ statt „kommt’s raus (Heiterkeit)“. Zahlreiche weitere Fehlleistungen betreffen Weltwissen (und seine Aktivierung), Realia und kulturell konnotierte Elemente, wie „das Grand Hotel Entourage liegt, in *reinsten schön Brunnergelb*“ statt „reinstem Schönbrunner Gelb, an der Piazza San Antonio“; „wenn es [in Florenz] unten in *den Altstadtbrücken*“ statt „der Altstadt drückend heiß ist“, und Elemente, die bei direkter Befragung zwar im Wissensschatz der Studierenden vorhanden, offensichtlich aber nicht mobilisiert worden waren. Einige Beispiele: „Meine Damen und Herren, wir feiern in der Bundesrepublik in diesem Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 177 *Jahrhundert fünfzig*“ statt „Jahr hundertfünfzig Jahre liberale Revolution. Schon 1848 gab es...“; „Die derzeit *720*“ statt „27 Mitglieder der Europäischen Kommission“. 5.2 Kohärenzbildung Interessant ist abschließend ein Blick auf Art und Grad der Kohärenzbildung. Gelegentlich wurde versucht, unter Umgehung einer umfassenderen, über isolierte Segmente hinausgehenden Interpretation das Gehörte „an sich“ zu reproduzieren, was in unserem Material wiederholt nachgewiesen und auch in den Gesprächen mit Studierenden thematisiert wurde, die beteuerten, „ganz genau das niedergeschrieben zu haben, was sie gehört hatten“. Zumeist waren in den Transkripten aber unterschiedliche, progressive Grade der Kohärenzbildung erkennbar. Die Unmöglichkeit einer plausiblen Hypothesenbildung aufgrund des Gehörten wurde durch Leerstellen, Auslassungs- und Fragezeichen oder das Anführen möglicher Varianten signalisiert, so z. B. „*Brutto...themen*“ statt „Brot-und-Butter-Themen“; „niemand wird *Ihnen/ Ihre Worte* statt „ihnen heute absprechen“. Es entstanden teilweise offensichtlich inkohärente Textpassagen, die zumeist auch morphologisch und/ oder syntaktische Defekte aufwiesen. Einige Beispiele: „die Überwindung dieses *starren Draht*“ statt „Stacheldrahts, dieser Mauern“; „Das Geld *vervollständig*“ statt „wird vollständig von den laufenden Kosten verschlungen“; „im Namen aller, die hier im Saal sind, *in Gunst*“ statt „mit uns von Rundfunk und *Versehen*“ statt „Fernsehen“ verbunden sind, „darf ich dir unsere herzlichen Glück- und Segenwünsche zu diesem *Rundengeburtstag*“ statt „runden Geburtstag sagen“. Es wurden morphosyntaktisch kohäsive, aber sinnlose oder unsinnige Aussagen aufgestellt. Beispiele: „*die treffenden Minister*“ statt „die Treffen der Minister“; „man ist sich darin einig, dass eine weitere Verbreitung von *Waffenvernichtung*“ statt „Massenvernichtungswaffen verhindert werden sollte“; „Der Bund der Vertriebenen hat im Jahre 1999 auf meiner Anregung *kindlich*“ statt „hin sich Gedanken darüber gemacht“. Bestimmte Abschnitte enthielten plausibel formulierte Teile, die aber den Sinn der Aussage veränderten, so z.B. „*weniger oder*“ statt „wenige Jahre später“; „Das wird *dann fest*“ statt „ein Fest“; „*zum nächsten Mal*“ statt „zunächst einmal“; „auf *einer Seite*“ statt „allen Seiten“. Eine interessante Beobachtung war, dass Flexibilität bei der Sinngebung erlernt werden muss und einmal eingeschlagene Wege nur ungern verlassen werden. So wurde beispielsweise aus der in der ersten Version markierten Stelle „*Hier wird* die Regierung tatkräftig und selbstbewusst *unterstützt*“ im zweiten Transkript „*Hier findet* die Regierung, tatkräftig und selbstbewusst, Unterstützung“ statt „Wir werden die Regierung tatkräftig und selbst- Gabriele Mack 178 bewusst unterstützen“. Ein weiteres Beispiel für einen misslungenen Korrekturversuch war „ein Land *erst (2. Version: *ist) auch fraktionell*“ statt „das auch traditionell [...] in der Außenpolitik sehr multilateral ausgerichtet ist wie Deutschland“. Eine weitere didaktisch wichtige Unterscheidung ist diejenige zwischen punktuellen, auf kurze Redesegmente bezogenen Schwierigkeiten, die eine Verdolmetschung vermutlich nicht oder nur sehr begrenzt beeinträchtigen würden, und solche, die sich auf Kohärenz und Verständlichkeit längerer Abschnitte auswirkten. Interessant ist hierbei auch die Erkenntnis, dass auch scheinbar banale Fehlleistungen, zumeist auf phonetischem Niveau (lowlevel), oft massive Auswirkungen auf die weitere Verarbeitung auf übergeordneter Ebene haben können. 6 Abschließende Bemerkungen Entstanden war die hier beschriebene Übung aus der Auseinandersetzung mit dem eingangs angesprochenen niedrigen Sprachniveau nichtmuttersprachlicher Studienanfänger; entwickelt hat sich daraus im Laufe der Zeit ein zwar noch ausbaubedürftiges, aber in doppelter Hinsicht wertvolles Instrument der Dolmetschdidaktik. Aus der Sicht der Lernenden wird die Flüchtigkeit der einmaligen Rededarbietung überwunden; das Tempo kann selbst bestimmt, eine Stelle beliebig oft angehört und verschiedene Verstehensstrategien angewendet werden, unter Ausschaltung der für das Dolmetschen typischen kognitiven Mehrfachtätigkeit und ohne den Zwang, sich sofort auf eine Lösung festlegen zu müssen. Auf diese Weise wird die Vielschichtigkeit des Verstehens und das Zusammenspiel zwischen Lautbild/ Gehörtem, sprachlichem Wissen um Morphologie, Syntax, Lexik und Prosodie sowie Text-, Kontext- und Weltwissen leichter nachvollziehbar. Greifbar wird auch die Erfahrung, dass diese drei Pole beim Hören der Fremdsprache nicht so automatisch und mühelos zusammenspielen wie in der Muttersprache, sondern dass der Verstehensprozess hier immer wieder mit Störungen, Defekten und Defiziten zu kämpfen hat. Trotzdem muss die Hypothesenbildung irgendwann abgeschlossen und das Ergebnis des Problemlösungsprozesses „Hörverstehen“ offen gelegt werden. Dem Dozenten gibt das Transkript die Möglichkeit, zumindest ansatzweise spezifische Schwächen der einzelnen Studierenden auszumachen, deren Behebung im Einzelfall das spontane Hörverstehen merklich verbessert. Die daraus entstehende zusätzliche Motivation kann für den Lernprozess nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bevor allerdings auf dieser Grundlage allgemeingültige Regeln aufgestellt werden können, ist, wie bereits erwähnt, noch viel interdisziplinäre Forschungsarbeit erforderlich. Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 179 Ein ganz herzliches Dankeschön sei den KollegInnen gesagt, die durch ihre kritischen Anmerkungen und Gedanken zu früheren Fassungen entschieden zur jetzigen Form dieser Studie beigetragen haben. Alle noch bestehenden Unzulänglichkeiten gehen selbstverständlich ausschließlich auf das Konto der Verfasserin. Gewidmet ist diese Arbeit der Person, deren Enthusiasmus für die Lehre mit ausschlaggebend für meinen persönlichen Werdegang war und deren Lebenswerk der beste Beweis dafür ist, wie Didaktik und Wissenschaft sich gegenseitig befruchten können. Literaturverzeichnis AIIC - Association Internationale des Interprètes de Conférence, Training Committee (2006). Advice to students wishing to become conference interpreters. 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Redetranskripte als Spiegel fremdsprachlichen Hörverstehens 183 Gabi Mack: Professorin für deutsche Sprache und Linguistik am Institut für Dolmetscher und Ubersetzer (Scuola di Lingue Moderne per Interpreti e Traduttori - SSLMIT) der Universität Bologna in Forlì und dort stellvertretende Leiterin des MA-Studiengangs Konferenzdolmetschen sowie Koordinatorin für Dolmetschen Deutsch-Italienisch. Bis 1996 war sie Juniorprofessorin (ricercatore); davor arbeitete sie als freiberufliche Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin. Ihre dolmetschwissenschaftlichen Forschungsinteressen umfassen die Didaktik des Simultan- und Konsekutivdolmetschens, die Erforschung von Dolmetschprozessen und die Evaluierung ihrer Ergebnisse, das Dolmetschen im Fernsehen und im juristischen Bereich sowie die Verwendung von Korpora, Spracherkennungssoftware und anderen neuen Technologien in Ausbildung und Berufspraxis. Sabine Braun and Kurt Kohn Towards a pedagogic corpus approach to business and community interpreter training 1 Introduction Much of Sylvia Kalina’s own research has focused on interpreting pedagogy (cf. e.g. Kalina 2000a and many of her early publications), linked to her interest in interpreting as a strategic process (cf. e.g. Kalina 1998; Kohn/ Kalina 1996) and interpreting quality (cf. e.g. Kalina 2002, 2005). Moreover, she has embraced all settings and modes of interpreting including those that have received less attention in the Interpreting Studies community (cf. e.g. Kalina 2000b, 2003, 2009). It seems appropriate then for a contribution to a volume that is dedicated to Sylvia Kalina to focus on interpreting pedagogy in relation to those less explored settings and modes of interpreting, i.e. the various forms of business and community or public service interpreting, which are practiced in a wide range of contexts and language combinations today and in which consecutive and liaison interpreting are the dominant modes. Higher education programmes for interpreting in such settings have emerged throughout Europe (cf. Niska 2005), but due to the long-standing focus of interpreter training on conference interpreting, available pedagogical resources are often of limited benefit for training in business and community interpreting. The EU speech repository 1 , for example, a well established e-learning resource for trainee interpreters, provided by the DG Interpretation (SCIC) with contributions from all European institutions, understandably focuses on material that is most beneficial for the training in conference interpreting as required by these institutions. The SIMON (Shared Interpreting Materials Online) collection for interpreter trainers at the Ecole de Traduction et d’Interprétation in Geneva has been a similar initiative, albeit with restricted access (cf. Seeber 2006). A more recent effort to provide open-access training material is the ORCIT website (Online Resources for Conference Interpreter Training) 2 . In addition to source text material, it offers interactive tools for trainers and students but is targeted at conference interpreting as well. Different in its aims and composition but geared towards the same group of trainees, the European Parliament Inter- 1 http: / / www.multilingualspeeches.tv/ scic/ portal/ index.html (Retrieved: 19.11.2011). 2 http: / / www.orcit.eu (Retrieved: 19.11.2011). Sabine Braun and Kurt Kohn 186 preting Corpus (EPIC) 3 includes speeches from the European Parliament and their simultaneous interpretations covering English, Italian and Spanish. The subcorpora (source and target texts) have been aligned and annotated for interpreting research purposes and possible pedagogical applications (cf. Bendazzoli/ Sandrelli 2005). What makes these resources interesting beyond their use in conference interpreter training is the approach to the storage and retrieval of the materials. All of the above resources can be searched according to specific criteria including, for example, proficiency level, topic or content, type of exercise, communicative features (cf. Seeber and Zelger 2007; Bendazzoli and Sandrelli 2005). The highest level of detail and linguistic analysis is certainly provided by the EPIC corpus. Other developments in interpreter training include computer-assisted interpreter training (CAIT) tools (for overviews cf. Berber 2008; Sandrelli and Manuel Jerez de 2007), although these are, once again, mostly geared towards conference interpreting. One exception is Black Box 3.0, which enables interpreter trainers to create exercises to train students in all interpreting modes, i.e. simultaneous, consecutive and liaison interpreting, as well as sight translation. (Sandrelli/ Manuel Jerez de 2007: 289) Authoring tools open up interesting opportunities for supporting interpreter training, but a prerequisite for using them, i.e. filling them with content, would seem to be a good and pedagogically viable collection or corpus of resources, which is what is missing for the area of business and community interpreting. The material collections mentioned above, and especially the EPIC corpus, demonstrate that corpus-based approaches to interpreter training are potentially very useful. However, as said above, they are geared towards conference interpreting. Equally important, research in ‘Applied Corpus Linguistics’, especially in the field of corpus-based language learning, suggests that corpus-based approaches developed for (linguistic) research purposes require adaptation in order to use the full pedagogical potential of corpora (cf. Braun 2005, 2007a, 2010; McEnery/ Wilson 1997a, b; Mishan 2004; Campoy/ Luzón 2007; Kohn et al. 2010; Kohn 2012). This concerns the content of the corpora as much as the requirements for the retrieval of information and hence the annotation process and tools. Whilst the work with genuine source text material, e.g. speeches that have been interpreted for real-life purposes, is clearly a valuable exercise, not all such speeches may lend themselves to classroom practice (or selfstudy), because it may be difficult for a student to re-contextualise them, i.e. there may be problems with what Widdowson (2003: 66, 115) has referred to 3 http: / / dev.sslmit.unibo.it/ corpora/ corporaproject.php? path=E.P.I.C. (Retrieved: 19.11. 2011). Towards a pedagogic corpus approach 187 as ‘authentication’. A pedagogically viable corpus of resources should therefore follow other - pedagogically motivated - criteria for material selection. It would, for example, seem reasonable to include texts that exhibit common and characteristic interpreting problems. For practical reasons, it would also be useful to include material with a greater lifetime than many political speeches. The collection of such material can be challenging. Equally important, once a suitable selection has been made, the question arises as to what kind of retrieval options will be useful for interpreter trainees and trainers, bearing in mind that they are not normally linguistic or research experts. To return to the resources required for business and community interpreter training, these are often bilingual dialogues, which are at the heart of many interpreter-mediated business and public service encounters, and/ or spontaneous speech. Such materials are not only harder to come by than prepared ‘conference’ speeches, but they also pose different challenges than the materials (i.e. source texts) conference interpreters mostly work with. One initiative that is currently developing resources for training in business and community interpreting is the European Lifelong Learning project ‘Interpreting in Virtual Reality’ (IVY). 4 The project combines the use of spoken audio/ video corpora with the use of a 3D virtual environment to simulate interpreting in business and community settings. The 3D environment is used for role plays, while the corpora are used to fill the 3D environment with content such as monologues and bilingual dialogues, to support the practice of interpreting in the students’ own time and to create exercises to train individual skills such as listening comprehension and note-taking. This paper will focus on the use of spoken corpora in this context. As pointed out above, ‘Applied Corpus Linguistics’ has produced a growing body of research into the use of corpora in language pedagogy, with most recent work focusing on spoken and multimedia corpora for language teaching. We will argue that interpreter training for business and community settings can benefit immensely from this research and we discuss how these approaches can be adapted to suit the needs of business and community interpreter training. Section 2 provides further background to contextualise the idea and the concept of corpus-based interpreter training. Sections 3 and 4 outline a discourse processing model of interpreting and a range of source text related challenges of interpreting as a framework for developing appropriate annotation categories. Section 5 presents initial ideas for the design of a pedagogical corpus for interpreter training. Section 6 concludes the paper by highlighting how this approach is integrated into the wider context of the IVY project and its aim to support business and community interpreter training. 4 http: / / www.virtual-interpreting.net (Retrieved: 19.11.2011). Sabine Braun and Kurt Kohn 188 2 Background: from IVY to BACKBONE and back The corpus-based research and development work currently conducted in the IVY project is based on prior initiatives to develop pedagogically viable corpora. An early initiative was the development of the ELISA corpus 5 (English Language Interview Corpus as a Second-Language Application) in 2003/ 04, which was a small collection of video-recorded narrative interviews with speakers from different walks of life who gave accounts of their professional life, their career, educational background, future plans etc. (cf. Braun 2005, 2006, 2007a). The aim of this corpus was to have a resource of spoken professional English, intended first and foremost for language learning purposes. The wider aim of the creation of the ELISA corpus was, however, to develop a methodological solution for the use of corpora in language learning and teaching, based on the observation that traditional corpora, created for linguistic research, were not necessarily appropriate for pedagogical purposes. The approach adopted a corpus design sensitive to pedagogical needs. This includes initial ideas on the pedagogical annotation of such a corpus and the development of ‘pedagogical enrichment’ materials (e.g. exercises) to facilitate ‘pedagogical mediation’ (cf. Widdowson 1991, 2003: 102-103), i.e. to support learners and teachers in exploring the corpus. A key element in this concept was the division of the interviews into topic-based sections (of approximately two to three minutes in length) and their annotation with topic keys, allowing the users (learners and teachers) to retrieve similar sections from interviews with different speakers. It was assumed that this would give learners, who are not normally familiar with using corpus techniques such as concordancing, a more convenient ‘unit of text’ to explore than a set of concordance lines. Working with similar sections from different interviews would, for example, allow learners to compare and acquire the various lexical and grammatical means of expression that different speakers used in similar contexts. The ELISA corpus was a forerunner of the EU Lifelong Learning project BACKBONE (Corpora for Content and Language Integrated Learning, 2009- 10; co-ordinator: University of Tübingen, Germany) 6 , which produced video interviews with native speakers of British and Irish English, French, German, Polish, Spanish and Turkish, as well as with non-native speakers of English (English as a Lingua Franca corpus). In addition, it further developed and implemented pedagogical corpus annotation and search tools available from the EU Minerva project SACODEYL (European Youth Language, 2005-2008; co-ordinator: University of Murcia, Spain) 7 . Apart from 5 http: / / www.uni-tuebingen.de/ elisa (Retrieved: 19.11.2011). 6 http: / / www.uni-tuebingen.de/ backbone and http: / / purl.org/ backbone/ searchtool (Retrieved: 19.11.2011). 7 http: / / www.um.es/ sacodeyl (Retrieved: 19.11.2011). Towards a pedagogic corpus approach 189 offering a wide range of pedagogical materials to support second language learning activities in secondary, higher and vocational education, the BACKBONE corpora are also accompanied by generic interpreting exercises that can be applied to any of the video interviews in the BACKBONE corpora. This was a first step to use the corpora for interpreter training. In the IVY project, the BACKBONE and ELISA audiovisual content will form the core of the IVY content. The objective is to take the BACKBONE pedagogic corpus approach, first developed for second language learning and teaching (cf. Kohn et al. 2010; Kohn 2012), and to adapt it to the needs and requirements of interpreter training. The video interviews will be analysed with regard to the challenges that they would pose as source texts in business and community interpreting. The results of this analysis will then be used as a basis for developing an annotation that is specifically geared towards interpreter training. The key issue that needs to be addressed, i.e. how the video-recorded interviews can be annotated and stored in such a way that interview sections with relevant and interesting interpreting challenges for business and community interpreting, involving consecutive and liaison interpreting, can be found and retrieved, will be discussed in section 4. As a basis for this, a model of discourse processing in consecutive and liaison interpreting will be specified in section 3. It will provide a framework for identifying source text characteristics as indicators of interpreting challenges. A cognitive discourse processing perspective will be adopted for this model, enabling us to distinguish between source text induced challenges, which the suggested annotation is likely to be able to cover, and other challenges, e.g. challenges arising from an individual lack of knowledge, which are more difficult to capture with any annotation scheme. The cognitive discourse perspective will, however, support predictions about likely problems for interpreting on the basis of both source text features and required knowledge. 3 A cognitive discourse processing perspective There can be no doubt that successful business and community interpreting (involving consecutive and liaison interpreting) requires specialized knowledge and skills that are commonly acquired through intensive professional training. But where is the actual challenge? Interpreting, like translating, involves understanding a source text and, on the basis of what one has understood, producing a target text. Understanding and producing spoken or written texts, however, involve skills that we all have developed during first language acquisition and that we have further refined with each additional foreign or second language. When it comes to understanding and producing texts, we should thus be sufficiently competent. And here is the snag. With Sabine Braun and Kurt Kohn 190 the acquisition of our first language and of each further language, our comprehension and production skills have been specialised and geared to meet the conditions and requirements of monolingual processing. Interpreting, however, involves understanding and producing texts under bilingual conditions. In order to better understand the specific challenges of interpreting, and translating for that matter, we thus need to take a closer look at how interpreting creates bilingual processing conditions under which our routinely practised comprehension and production skills are on unfamiliar territory and tend to operate somewhat out of tune (cf. Kohn 1990, 2004; Braun 2004). According to a cognitive and pragmatic discourse model of interpreting (cf. Kohn/ Kalina 1996; Kalina 1998; Kohn/ Albl-Mikasa 2002; Braun 2004; Albl-Mikasa 2007), the interpreter’s understanding of a source text can be depicted as the creation of a ‘mental model’ of what the text is about (cf. Brown/ Yule 1983; Johnson-Laird 1983); or as the pragmatic engagement in a meaning negotiating ‘discourse’ event, of which the text is a mere product (cf. Widdowson 2004: 8). The cognitive-pragmatic unfolding of discourse from text involves strategic processes of continuous and cyclic utterance meaning formation (including monitoring and revision) based on linguistic as well as world-related knowledge. Even before the first words have been uttered and perceived, the interpreter has formed inferential meaning expectations depending on the relevance-guided activation of previously available world knowledge. 8 These expectations provide ‘top-down’ guidance for an intuitive linguistic ‘bottom-up’ analysis of the incoming speech signals. This way, the text-based formation of meaning inferences can be seen as the result of a continuous interaction between ‘bottom-up’ and ‘top-down’ processing (cf. Brown/ Yule 1983). The formation of utterance meaning is cyclic in so far as the understanding of previous text passages feeds into ‘topdown’ expectations for the understanding of succeeding passages which, in turn, may give rise to backward revision processes. Meaning formation is strategic because of its intentional goal-orientation: as soon as the interpreter is satisfied with the comprehension result achieved, the meaning formation effort is reduced, freeing capacities for target text production. Production of the target text is, first of all, based on how the interpreter is and has been able to understand the source text. The same source text, understood in different ways, gives rise to different discourses and may thus require different target texts. The following “Rocky” text, frequently cited to illustrate the inferential nature of human comprehension (cf. Brown/ Yule 1983: 139), aptly illustrates the one-to-many comprehension relation between text and discourse (cf. Kohn 2004). 8 ‘World knowledge’ is understood here in a broad sense including e.g. professional, cultural, fictional or everyday knowledge. Towards a pedagogic corpus approach 191 Rocky slowly got up from the mat, planning his escape. He hesitated a moment and thought. Things were not going well. What bothered him most was being held, especially since the charge against him had been weak. He considered his present situation. The lock that held him was strong but he thought he could break it. (cf. Anderson et al. 1977: 372) Depending on whether this text is understood as referring to Rocky being locked-up in jail or fighting in a wrestling match, certain lexical ambiguities have to be resolved differently. With, for instance, German as the target language especially the underlined words and phrases are affected. Target text production, however, does not only depend on whether the source text has been successfully understood or not. It is also crucially guided and influenced by considerations of purpose and adequacy (cf. Reiß/ Vermeer 1984; Nord 1991), i.e. the interpreter’s attempt to tailor the interpretation to certain expectations and requirements reflecting e.g. target audience characteristics or genre changes. 4 Interpreting challenges and source textual indicators The cognitive discourse processing perspective enables us to sketch out a model of interpreting challenges and related source textual indicators. These challenges and indicators can be identified along three dimensions of text processing: source text understanding, source text retention, and target text production. 9 4.1 Source text understanding Understanding a source text can be challenging because of certain textual properties whose ‘bottom up’ exploitation requires advanced or specialised linguistic knowledge [interpretation challenge A1]. 10 This may concern e.g. speaker accent, lexis and phraseology, the use of language for special purposes (LSP), complex grammatical structures, discourse markers, or cohesive ties. Comprehension problems resulting from such challenges can usually be successfully dealt with provided the interpreter possesses the necessary linguistic knowledge as well as the topic-related background knowledge [interpretation challenge A2] required for successful top-down processing in interaction with the linguistic bottom-up clues. Source text 1: Regional accent (“Alemannisch”, orthographic approximation) combined with a few terminological expressions [IC A2]; interview with a fisherman at Lake Constance, Germany. 9 The following account is a further elaboration of the conceptual clarifications in Kohn 1990, 2004. 10 See overview in section 4.4. Sabine Braun and Kurt Kohn 192 Denn fahr’mer zu unserne Felchennetze, die ha’mer am Abend vorher, so um 17 Uhr, ausgelegt, und die sind die ganze Nacht im See drin. We’mer die Netze erreicht hand, weret die Netze gehobe; es sind Stellnetze. Des kann ich nachher mal erkläre, Unterschied Stellnetz, Zugnetze. Die Stellnetze weret g’hobe, des isch reine Handarbeit, also es isch Muskelkraft gefragt, weil wir zurzeit im Rhein fischet und der Rhein isch ziemlich tief, 20 bis 40 Meter, wo’mer fischet, und des wird durch reine Muskelkraft - weret die Netze angehobe, die Fisch’ weret ausg’löst. Es sind ungefähr 500 Meter Netz und fünf Meter hoch, die ganze Netzfläche. Mere availability of the required linguistic and thematic knowledge is not always sufficient; knowledge processing constraints can lead to serious comprehension challenges as well. Fast speed, high lexical density, complex textual organisation, heavy information load, or weak ‘bottom up’ support (i.e. indirectness), for instance, may prevent the interpreter from successfully accessing and retrieving knowledge that would be easily available under less strenuous conditions [interpretation challenge A3]. Source text listening and comprehension processes are further compounded by the fact that the interpreter is usually planning and internally formulating a suitable target text at the same time. A fourth type of interpretation-related comprehension challenge concerns cases in which the depth and precision of understanding supported by the source text are not sufficient for making adequate target text related decisions [interpretation challenge A4]. Pertinent source text characteristics include, e.g., vague lexis, confused and contradictory terminology, convoluted sentences, lexical, structural or pragmatic ambiguities, weak textual organization and lack of coherence. Any of these source text characteristics may result in a lack of clarity that cannot be resolved despite the interpreter’s bottom-up and top down effort. Understanding is always geared towards a certain purpose. While in most situations of monolingual understanding a certain lack of clarity does not create any problem for the listener (or reader) and, more often than not, may not even be noticed, this can be quite different under interpreting conditions. If neither the bottom-up signals nor the available top-down knowledge are sufficient for the interpreter to reach the required depth and precision of source text understanding, basically three strategic options are available in consecutive and liaison interpreting: • a ‘risk-taking’ strategy by which one of the possible meanings is favoured over the others when deciding on the target text ‘equivalent’; • a ‘playing-it-safe’ strategy by which the passage is rendered in such a generalised fashion that the vagueness or uncertainty is kept; • a ‘meaning negotiation’ strategy by which the interpreter asks the speaker for more information. Towards a pedagogic corpus approach 193 Obviously, a ‘risk-taking’ strategy would be the least preferable solution since it may easily result in a meaning decision that is not coherent with what comes up in later source text passages. A ‘meaning negotiation’ strategy is normally possible in consecutive (especially ‘short consecutive’) and liaison interpreting. In this connection, it should be noted that ‘meaning negotiation’ is part and parcel of “ordinary” monolingual communication; it is a collaborative process of strategic importance for communication success. In some cases, however, a ‘playing-it-safe’ strategy may be the only feasible option for the interpreter; although it tends to water down the interpretation result. 4.2 Source text retention Because of the time lag between source text comprehension and target text production in consecutive and liaison interpreting, successful target text production not only depends on depth and precision of source text understanding but also quite significantly on the interpreter’s ability to memorize and keep track of what s/ he understood previously both in terms of meaning and form. Retention of what the interpreter has understood is particularly important when s/ he is faced with long source text passages, complex thematic text organisation, or high information loads [interpretation challenge B1]. Retention of certain phonetic/ phonological, lexical or syntactic means of expression (i.e. ‘bottom up’ signals used in the source text) may help the interpreter to reanalyse the meaning of a previous passage if required [interpretation challenge B2]. This might be the case in situations where, for instance, insufficient processing and retention of meaning or speaker errors necessitate a retrospective correction. Elements of expression without much context such as names, numbers and dates may also require special retention techniques. Source text 2: Enumeration of fish names [IC B2] combined with regional accent (“Alemannisch”, orthographic approximation); interview with a fisherman at Lake Constance, Germany. Mir hand weniger Cypriniden, also’s heißt weniger Weißfische, da sind die ganze Karpfe drin, die Rotauge, die ganze Aale, Schleie, alles, was Cyprinide sind, geht zurück, und die Fische wie der Saibling, die Seeforelle, dene gefällt’s wieder sehr viel besser, die hand wieder e’n Aufschwung, a Renaissance. Es gibt immer wieder Verschiebungen. Der Felche im Freiwasser, der wird sich auch gut behaupte könne’. Barsche wisse’mer no nicht genau, weil die ernähret sich hauptsächlich wieder von junge Rotauge. Sabine Braun and Kurt Kohn 194 4.3 Target text production In addition to adequate source text comprehension and retention, the creation of a suitable target text depends on the availability of potential target language equivalents 11 in the interpreter’s lexical and grammatical target language knowledge. This concerns first of all the level of advanced or specialised linguistic knowledge required for successful production, e.g. lexis and phraseology, terms and terminological phrases (LSP), grammatical constructions, functional expressions [interpretation challenge C1]. In particular non-native speakers of the target language may encounter interpreting problems due to insufficient target language knowledge. Other target text production challenges arise in cases where there is a principal lack of target language equivalents due to lingua-cultural differences (‘realia’) between the two languages. This concerns in particular language-specific domains or cultural systems such as politics and society, education, health, or folklore [interpretation challenge C2]. Source text 3: Educational realia (underlined) [IC C2]; interview with a secondary school teacher, Germany Also beispielsweise, ich hab einen Hauptschulabschluss und möcht jetzt gern den Realschulabschluss machen, dann hab ich neun Schuljahre hinter mir, nach neun Schuljahren mach ich die Hauptschule, oder schließ ich die Hauptschule ab und dann kann ich zu uns kommen und dann mach ich auf - bei uns heißt das dann Wirtschaftsschule, da machen die zwei Schuljahre und machen nach diesen beiden Schuljahren einen Realschulabschluss. Mit diesem Realschulabschluss können sie, wenn sie wollen, dann sogar ‘n Gymnasium besuchen. As with source text comprehension, availability of knowledge is not all there is to successful target text production. Under monolingual conditions the speaker/ author usually enjoys a considerable degree of semantic authority: it is the speaker who determines the direction in which the meaning of a text goes. This authority is exercised in a process of continuous meaning negotiation and development which begins with the first word uttered (or rather before) and ends with the last word. Heinrich von Kleist’s remark about “the gradual production of thoughts while speaking” (Kleist 1986) needs to be seen in the light of this insight, which is fully in line with cognitive models of discourse processing. The common concluding statement “this is what I wanted to say” thus needs to be reconsidered and changed to “this is what I have said and I endorse it”. Semantic authority 12 constitutes a key condition for successful spoken or written production; and the strategic processes 11 We use the term ‘equivalent’ in the sense of Neubert/ Shreve’s (1992) communicative and pragmatic notion of ‘textual equivalent’. 12 Kohn 1990, 2004 used the terms “semantic autonomy” and “semantische Autonomie”, respectively. Towards a pedagogic corpus approach 195 speakers have developed for the activation and deployment of knowledge for production purposes have been adapted to this condition. Under interpreting (and translating) conditions, however, the interpreter’s semantic authority is usually severely curtailed. 13 With reference to translation, Eugene Nida fittingly speaks of the challenge “to express one’s own creativity through someone else’s creation” (Nida 1976: 58). The linguistic means of expression the interpreter activates have to fit a more or less ‘given’ meaning. Unlike in monolingual production, there is thus little freedom for bringing the unfolding meaning in line with the means of expression already activated. This explains why production under interpreting conditions is marked by retrieval problems and traces of translationese. Interpreters thus need to learn to adapt their knowledge activation and deployment strategies to the processing constraints that come with a reduced degree of semantic authority [interpretation challenge C3]. A notorious interpretation-specific challenge for target text production is caused by the continuous presence of at least some of the phonetic/ phonological, lexical and grammatical means of expression activated and exploited as bottom-up signals in the source text [interpretation challenge C4]. Activation of adequate means of expression, already constrained by the lack of semantic authority, is further hampered by negative transfer and interference from source text means of expressions. To the extent that they continue to be active in the interpreter’s active memory, or are strategically retained for retrospective monitoring, means of expressions from the source text tend to get in the way during retrieval of means of expression for the target text under construction. A particular sentence structure may thus be retained in the target text, although a different word order or a re-organization in several sentences might have been more appropriate. Lexical, syntactic or functional translationese might be the result. While this source text induced production challenge is a general phenomenon, it is also strongly influenced by language-pair specific characteristics: the same source text does not necessarily have the same conflict potential for the production of target texts in different languages. 4.4 Summary of interpreting challenges The discourse model of potential interpretation problems sketched out above distinguishes and integrates three dimensions: source and target text processing, corresponding interpreting challenges, and source text indicators of these challenges. These dimensions are mapped out in Table 1. 13 This holds true even under the most liberal conditions of translational adaptation (cf. the notion of translation adequacy, Reiß/ Vermeer 1984). Sabine Braun and Kurt Kohn 196 Text processing Interpreting challenges Source text indicators (A1) Availability of required SL knowledge e.g. speaker accent, lexis and phraseology, terminology, syntactic constructions, functional expressions, discourse markers (A2) Availability of required thematic knowledge specialized topics, e.g. technical, finance & banking (A3) Availability of processing strategies (access & activation) e.g. speed, lexical density, textual organisation, implicitness (weak bottom-up support) (A) Source text understanding (A4) Depth of understanding required for certain interpreting decisions e.g. ambiguities, vagueness; lack of coherence; speaker errors (B1) Retention of meaning e.g. long source text passages, complex thematic organisation, high information load (B) Source text retention (B2) Retention of form e.g. numbers, figures, proper names; long lists; quotations (C1) Availability of required TL knowledge e.g. lexis and phraseology, LSP conventions, syntactic constructions, functional expressions (C2) Availability of TL equivalents e.g. lexical gaps, linguacultural differences, realia (C3) lack of semantic authority [no specific source text indicators] (C) Target text production (C4) Continuing presence of source text means of expression [language pair specific indicators] Table 1: Text processing tasks, ensuing interpreting challenges and their textual indicators The model addresses the issue of why interpreting (compared to monolingual text processing) can be difficult in the first place, and why it is necessary for interpreters to develop specifically adapted comprehension and Towards a pedagogic corpus approach 197 production skills and strategies. It should be noted, however, that the challenges discussed are not absolute; they should rather be thought of as parameters whose settings are sensitive particularly to source text properties, linguistic and lingua-cultural differences between source and target language, speaker and interpreter characteristics, especially the interpreter’s individual knowledge and skills, and the specific interpreting situation. 5 A pedagogic source text corpus for business and community interpreter training Guided by the discourse model of potential interpretation problems and based on the corpus annotation and search tools available from the European project BACKBONE 14 (Kohn 2012; Kohn et al. 2010), it is possible to use the BACKBONE and ELISA corpora (see section 2) as pedagogic source text corpora for business and community interpreter training purposes. The key component of these corpora are the narrative interviews from BACKBONE and ELISA, which cover topics and ways of speaking that are relevant for business and community interpreting situations. Another crucial feature is a pedagogic annotation and enrichment to facilitate interpreter training activities, with special emphasis on source text related challenges and problems. Furthermore, a range of online search modes has been integrated including pedagogically motivated search function from ‘browse’ and ‘section search’ to ‘co-occurrences’, ‘concordances’ and ‘lexical lists’. The suggested annotation focuses in particular on topics that are relevant for successful top-down processing and on the source textual indicators of potential interpretation challenges described in section 4. In addition, relevant source text passages may be further enriched with supporting training resources. The corpora can be consulted by interpreter trainers and trainees using queries that are based on flexible combinations of thematic and textual annotation categories as well as lexical items. The spoken source text passages which are returned by the queries lend themselves to a variety of interpretation practice activities from source text comprehension and retention to target text production. The technological kingpin is the BACKBONE suite of corpus processing tools for transcription and time-stamping, collaborative annotation, linking of enrichment resources, and online search. All BACKBONE development has adopted the principles of open source software and open access content; the corpus tools and corpora are thus available free of charge on the project website. In addition, all BACKBONE corpus tools have been designed with a 14 All BACKBONE development work was supported by the EU Lifelong Learning Programme, KA2: Languages (2009-11); also see http: / / www.uni-tuebingen.de/ backbone (Retrieved: 19.11.2011). Sabine Braun and Kurt Kohn 198 ‘do it yourself’ approach in mind to facilitate deployment for new and different pedagogic corpora. These ‘do it yourself’, open source and open access qualities make it possible to exploit the BACKBONE tools and contents for the creation of IVY source text corpora for interpreter training. For an experimental phase, a sample set of interviews exhibiting textual indicators of relevant interpretation challenges has been selected from the BACKBONE and ELISA corpora, and has been annotated using relevant thematic categories and categories relating to the source text-related interpreting challenges. 15 The thematic annotation includes the following main annotation categories (sub-categories are added where appropriate): world of work and business, education, environment and healthcare, cultural, legal, social and political issues, media and technologies, places and regions. For the purposes of the annotation of interpreting challenges, the source text indicators identified in section 4 have been re-grouped according to levels of text description. For an experimental phase, the following categories and sub-categories of source textual indicators are proposed: Performance • high speed, sloppy pronunciation • messy syntax • confused textual organisation • accent and dialect • American, Australian, Irish, Scottish, etc. • English as a lingua franca (ELF) Lexis • terminology • lexical chunks • abstract concepts • metaphorical language • lexical density • lack of TL equivalents • lingua-cultural differences, realia Syntactic structures • e.g. structures that are difficult to process (e.g. certain types of embedding) Utterance meaning • ambiguities • vagueness, indirectness • irony, humour 15 See http: / / purl.org/ backbone/ searchtool (> select the IVY English corpus) (Retrieved: 19.11.2011). Towards a pedagogic corpus approach 199 Pragmatic fluency • gambits • forms of address • politeness • communicative functions Discourse • discourse markers • lack of cohesive markers (> implicitness) • need for non-verbal signals • lack of coherence • high information load • afterthoughts or reformulations Need for interpretation-specific strategies • anticipation • factual speaker errors and slips of the tongue Memory challenges • long lists, enumerations • numbers, figures • proper names • quotations The thematic annotation categories and the source textual indicators have been implemented as an annotation category tree in the BACKBONE Annotator tool. Categories from this tree are used to annotate interview sections in a drag & drop fashion. Words and phrases to which a category applies can also be marked. In addition, instructions for interpreting practice activities can be linked to interview sections, using the BACKBONE Virtual Resource Pool and its Resource Sheet function. In the BACKBONE Search Interface, the annotated interviews can be accessed in five complementary search modes: ‘Browse’, ‘Section Search’, ‘Co- Occurrences’, ‘Concordances’ and ‘Lexical Lists’. In ‘Browse’ all interviews are presented for scrolling, including transcript, section overview, sound and video; ‘Section Search’ gives access to all interview sections including their sound and video files that satisfy a certain combination of thematic and interpretation-specific textual annotation categories; ‘Co-Occurrences’ lists interview sections that deal with a selected topic and at the same time contain a certain free combination of words; ‘Concordances’ displays lines of concordances with the search word(s) in the middle and a short co-text to the left and right; “key word in context” (KWIC) and combines this with a thematic filtering option; and finally ‘Lexical Lists’ produces lists of words and annotated words and phrases again with thematic filtering. Sabine Braun and Kurt Kohn 200 In the IVY project, this new corpus resource will support one of the IVY working modes. This mode has been entitled ‘learning activity mode’ and gives students the opportunity to practise individual interpreting skills such as listening comprehension and note-taking, to cope with specific challenges such as the source text related challenges discussed in this paper and to prepare for an interpreting assignment, e.g. for one of the role plays offered by the ‘interpreting practice mode’ of the IVY project (in the 3D environment). To practise individual skills, students can, for example, select an entire interview (based on its topic) or retrieve relevant interview sections, using the thematic annotation. To learn how to cope with specific interpreting challenges, students can use the source text related annotation categories and can retrieve relevant instances. In preparation of an interpreting assignment involving a speaker of American English, it would, for example, be useful for the student to be able to retrieve several examples of speech with an American accent. Similarly, it may be useful to retrieve a number of instances of ambiguities. This can be linked with an exercise that asks students to explore the source of the ambiguity in each case and then to reflect on appropriate interpreting strategies. The availability of a whole series of instances will enable students to see possible ‘patterns’, i.e., to make links between the source of a problem and an appropriate strategy for its resolution. To prepare for an interpreting assignment, students can use the various search modes provided by the BACKBONE search interface. 6 Conclusion This paper has outlined an approach to using corpus-based resources to support interpreter training in business and community interpreting contexts. It was highlighted that resources are scarce in this area and that a corpus-based approach can in principle provide a useful solution but that traditional corpus-based approaches known from corpus linguistics and translation/ interpreting research need to be adapted in order to exploit the full pedagogical potential of corpora for interpreter training purposes. The approach suggested in this paper is based on a discourse processing model of (consecutive/ liaison) interpreting that is capable of highlighting source text induced interpreting challenges and their textual indicators. It was discussed how these indicators can be used to develop corpus annotation categories that would support interpreter trainers and trainees in retrieving corpus material that can be used to practice individual interpreting skills, prepare for interpreting assignments and explore specific interpreting challenges. Towards a pedagogic corpus approach 201 As a concrete application of this approach, the IVY project, which focuses on business and community interpreter training, was introduced and its link with prior initiatives to create pedagogically relevant corpora (ELISA and BACKBONE) was explained. The IVY project combines the use of the BACKBONE/ ELISA corpora and the use of a 3D virtual environment to support a) the practice of live interpreting (in simulations), b) interpreting with ready-made materials (from the BACKBONE and ELISA corpora), and c) the practice of individual interpreting skills, preparation of assignments and exploration of interpreting challenges. It was explained how the BACK- BONE corpus approach and the tools developed in the BACKBONE project can be adapted to the needs of interpreter training and in particular to support aspect (c) of the IVY project. Future research will focus on the pedagogical and technical embedding of BACKBONE and ELISA contents and tools into IVY. This also includes the further analysis and exploration of interpreting challenges and their source textual indicators as well as the specification and pedagogic evaluation of corpus-based interpreter training activities. References Albl-Mikasa, Michaela (2007). Notationssprache und Notizentext. Ein kognitivlinguistisches Modell für das Konsekutivdolmetschen. Tübingen: Narr. Anderson, Richard C./ Reynolds, Ralph E./ Schallert, Diane L./ Goetz, Ernest T. (1977). Frameworks for comprehending discourse. American Educational Research Journal 14.4, 367-381. Bendazzoli, Claudio/ Sandrelli, Annalisa (2005). An approach to corpus-based interpreting studies: developing EPIC (European Parliament Interpreting Corpus). 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She holds an MA in Translation Studies (Heidelberg) and a Dr Phil in Applied English Linguistics (Tübingen). Her research focuses on new forms of translation and interpreting, especially remote and videoconference interpreting. She has led several European projects in this area, including AVIDICUS I and II (Assessment of Videoconference Interpreting in the Criminal Justice System) and IVY (Interpreting in Virtual Reality). She is furthermore interested in the use of video-based corpora in language and interpreter training. She has developed a video corpus of spoken professional English (ELISA) and was a member of the EU project BACKBONE (Corpora for Language and Interpreter Training). She teaches interpreting theory and practice, and applied linguistics, and has developed several MA programmes in Business and Public Service Interpreting. Kurt Kohn: Chair Professor of Applied English Linguistics at the University of Tübingen and director of the Steinbeis Transfer Centre Sprachlernmedien/ Language Learning Media. Research and teaching: second language learning and teaching, English as a lingua franca, translation and interpreting. Since the early 1990s, involvement in European projects on computerassisted language learning and teaching within a communicativeconstructivist approach. Co-developer (with Petra Hoffstaedter) of the language learning and authoring software ‘Telos Language Partner’ and coauthor of a large number of multimedia and web-based language learning packages mainly for English, French and German. Recent EU project activities concern the development of pedagogic corpora and web collaboration scenarios for language learning and teaching puposes and interpreter training. Uwe Reinke „Potenziell kein Zielterm aus der Termbank verwendet“ - Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 1 1 Computergestütztes Qualitätsmanagement im Übersetzungsprozess Glaubt man der Werbung von Übersetzungsdienstleistern, so spielt die Qualität von Übersetzungen in der Praxis eine zentrale Rolle. 2 In einer Zeit, die durch immer kürzere Innovations- und Produktzyklen, die Anforderung, neue Produkte auf möglichst vielen Zielmärkten gleichzeitig auszuliefern (simultaneous shipment - simship), zunehmenden Kostensenkungsdruck und andere wirtschaftliche Zwänge gekennzeichnet ist, scheint dieser Anspruch jedoch kaum realisierbar, da die Qualitätssicherung beim Übersetzen zeit- und kostenintensiv ist. Aus diesem Dilemma wollen die Anbieter von Software zur computergestützten Übersetzung den Übersetzungsdienstleistern mit speziellen Werkzeugen und Systemkomponenten zur Qualitätssicherung heraushelfen. Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Arten von Werkzeugen zur computergestützten Qualitätssicherung von Übersetzungen zurzeit am Markt verfügbar sind und wo ihre Möglichkeiten und Grenzen liegen. Hierzu werden im Vorfeld zunächst der zentrale Begriff der Übersetzungsqualität sowie weitere relevante Grundbegriffe des Qualitätsmanagements eingeführt. Schließlich wird auch der Frage nachgegangen, welche Anforderungen sich an die akademische Ausbildung von Übersetzerinnen und Übersetzern im Hinblick auf den Einsatz entsprechender Systeme und Programme in der Lehre ergeben. 1 Bei dem Beitrag handelt es sich um eine erweiterte und aktualisierte Fassung von Reinke (2009). 2 In der akademischen Ausbildung von Fachübersetzern tut sie es auf jeden Fall! Dass die Realität in der Tat oft anders aussieht und auf dem Markt auch Anbieter vertreten sind, „die auf ihren Webseiten ihren Kunden Leistungen in einer Qualität anbieten, die der Kunde bezahlt, aber nicht erhält“ (Schmitt/ Jüngst 2007: 11), ist Insidern wohl hinlänglich bekannt. Schmitt/ Jüngst weisen zu Recht darauf hin, dass dieses Verhalten „nicht einfach ein ‚Verstoß gegen das Berufsethos‘ [ist] - das passende Wort dafür wäre Betrug.“ (Schmitt/ Jüngst 2007: 11) Uwe Reinke 206 2 Grundbegriffe des Qualitätsmanagements 2.1 (Übersetzungs-)Qualität Die Qualität von Übersetzungsdienstleistungen zu definieren, ist offensichtlich kein leichtes Unterfangen. Wie sonst ist es zu erklären, dass in den meisten Beiträgen des Tagungsbandes zur LICTRA 2006 (vgl. Schmitt/ Jüngst 2007), die eben diesem Thema gewidmet war, zwar zahlreiche Faktoren benannt werden, die die Translationsqualität bestimmen, der Kernbegriff „Translationsqualität“, der auch den Titel des Tagungsbandes liefert, jedoch in fast allen Beiträgen undefiniert bleibt. 3 Auch House (1997) führt in ihrer Monographie Translation Quality Assessment: A Model Revisited keine explizite Definition von Übersetzungsqualität 4 an, sondern bringt lediglich zum Ausdruck, warum sie diesen Begriff für problematisch hält: I consider the concept of “quality” in translation […] problematical if it is meant to refer to value judgments alone. It is problematical especially if one does not know anything about, or does not take into account (for various reasons), the i deals and ideas about translation quality the translator, reviewer, or researcher entertains. It is difficult to pass a “final judgement” of the quality of a translation that fulfil [sic] the demands of objectivity. (House 1997: 119) Auch europäische Dienstleistungsnormen, die sich mit Übersetzungsprozessen befassen, vermeiden eine Definition von „Übersetzungsqualität“. Dies gilt sowohl für die aktuelle DIN EN 15038 (vgl. DIN 2006) als auch für ihre deutsche „Vorgängerin“, die DIN 2345 (vgl. DIN 1998). Ebenso wenig findet sich in der amerikanischen SAE J2450 mit dem Titel Translation Quality Metric eine Erläuterung des Begriffs translation quality (vgl. SAE 2005). Dabei ist der Qualitätsbegriff in den Wirtschaftswissenschaften und in entsprechenden Normen zum Qualitätsmanagement wie etwa der ISO-9000- Normenreihe durchaus definiert. Nach Geiger/ Kotte (2005: 64) bezeichnet „Qualität“ die realisierte Beschaffenheit eines materiellen oder immateriellen Gegenstands in Relation zu seiner (für einen bestimmten Zweck) geforder- 3 Eine Ausnahme stellt in gewisser Hinsicht der Beitrag von Budin (2007) dar. Hier wird zwar ebenfalls keine explizite Definition des Begriffs „Translationsqualität“ geboten, obwohl die Überschrift des 2. Abschnitts („Was ist Translationsqualität? “) dies erwarten ließe, aber immerhin verweist Budin auf die Definition des Qualitätsbegriffs in der ISO-9000-Normenreihe. Auch die Praxisvertreter (vgl. z.B. Kingscott 2007; Kurz 2007; Vollmar 2007) bleiben in ihren Beiträgen eine explizite Darstellung ihres Verständnisses von Übersetzungsqualität schuldig. 4 Im weiteren Verlauf wird auf die Verwendung des Begriffs „Translationsqualität“ verzichtet und ausschließlich von „Übersetzungsqualität“ die Rede sein, da die Qualitätssicherung beim Dolmetschen nicht Gegenstand dieses Beitrags ist. Zu diesem Thema sei auf die entsprechenden Arbeiten Sylvia Kalinas verwiesen, die einen wegweisenden Beitrag zu einem prozessorientierten Qualitätssicherungsansatz beim Dolmetschen liefert (vgl. z.B. Kalina 2004, 2009; Kalina/ Ippensen 2007). Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 207 ten Beschaffenheit. Qualitätsurteile sind also immer relativ zu vorher festgelegten Qualitätsanforderungen. Solche Festlegungen können z.B. durch Normen und Standards, durch Hersteller und Dienstleister oder durch Kunden erfolgen. Entsprechend legt ISO 9000: 2005 folgende, auf den ersten Blick sehr knappe Definition des Begriffs „Qualität“ fest: 5 3.1.1 Qualität Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale (3.5.1) Anforderungen (3.1.2) erfüllt. ANMERKUNG 1 Die Benennung „Qualität“ kann zusammen mit Adjektiven wie schlecht, gut oder ausgezeichnet verwendet werden. ANMERKUNG 2 „Inhärent“ bedeutet im Gegensatz zu „zugeordnet“ „einer Einheit innewohnend“, insbesondere als ständiges Merkmal. (DIN 2005: 18; Hervorhebungen im Original) Diese Definition nach ISO 9000 erhält erst dann mehr „Substanz“, wenn man sich zusätzlich die in der Norm ebenfalls vorhandenen Definitionen der Begriffe „Merkmal“ und „Anforderung“ anschaut. „Merkmal“ wird in ISO 9000: 2005 wie folgt definiert: 3.5.1 Merkmal kennzeichnende Eigenschaft ANMERKUNG 1 Ein Merkmal kann inhärent oder zugeordnet sein. ANMERKUNG 2 Ein Merkmal kann qualitativer oder quantitativer Natur sein. ANMERKUNG 3 Es gibt verschiedene Klassen von Merkmalen, z.B.: - physikalische, z.B. mechanische, elektrische, chemische oder biologische Merkmale; - sensorische, z.B. bezüglich Geruch, Berührung, Geschmack, Sehvermögen, Gehör; - verhaltensbezogene, z.B. Anständigkeit, Ehrlichkeit, Wahrheitsliebe; - zeitbezogene, z.B. Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Verfügbarkeit; - ergonomische, z.B. physiologische oder auf Sicherheit für den Menschen bezogene Merkmale; - funktionale, z.B. Spitzengeschwindigkeit eines Flugzeuges. (DIN 2005: 25f.; Hervorhebungen im Original) Den Begriff „Anforderung“ definiert die Norm folgendermaßen: 3.1.2 Anforderung Erfordernis oder Erwartung, das oder die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist ANMERKUNG 1 „Üblicherweise vorausgesetzt“ bedeutet, dass es für die Organisation (3.3.1), ihre Kunden (3.3.5) und andere interessierte Parteien (3.3.7) üb- 5 Die im Text der Definition fett hervorgehobenen Benennungen kennzeichnen, dass die entsprechenden Begriffe an anderer Stelle der Norm definiert sind. Die Zahlen in Klammern verweisen auf den jeweiligen Abschnitt in der Norm. Uwe Reinke 208 lich oder allgemeine Praxis ist, dass das entsprechende Erfordernis oder die entsprechende Erwartung vorausgesetzt ist. ANMERKUNG 2 Ein Bestimmungswort darf verwendet werden, um eine spezifische Anforderungsart zu bezeichnen, z.B. Produktanforderung, Qualitätsmanagementanforderung, Kundenanforderung. ANMERKUNG 3 Eine festgelegte Anforderung ist eine Anforderung, die beispielsweise in einem Dokument (3.7.2) angegeben ist. ANMERKUNG 4 Anforderungen können von verschiedenen interessierten Parteien (3.3.7) aufgestellt werden. […] (DIN 2005: 19; Hervorhebungen im Original) Da sich der gesamte Inhalt des Begriffs „Qualität“ in ISO 9000 nur sehr schwer erschließen lässt, ist in der einschlägigen Literatur zum Qualitätsmanagement mit Verweis auf ISO 9000 häufig eine zusammenfassende Definition zu finden: Vermögen einer Gesamtheit inhärenter Merkmale eines Produkts, Systems oder Prozesses, [sic] zur Erfüllung von Forderungen von Kunden und anderen interessierten Parteien. (Kaminske/ Brauer 2008: 176) Im Unterschied zu den bereits erwähnten europäischen Übersetzungsnormen leitet die vergleichbare amerikanische Norm ASTM F 2575 (ASTM 2006) aus dem Qualitätsbegriff der ISO-9000-Normenreihe eine explizite Definition für Übersetzungsqualität ab: degree to which the characteristics of a translation fulfill the requirements of the agreed-upon specifications. (ASTM 2006: 4) Durch die Formulierung „agreed-upon specifications“ wird deutlich, dass die Anforderungen an die Dienstleistung „Übersetzen“ und an die Qualität des Produkts „Übersetzung“ zwischen Bedarfsträger und Dienstleister ausgehandelt und vertraglich festgehalten werden müssen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang auch ein aktuelles internationales Normungsvorhaben der ISO. Mit der derzeit noch im Entwurfsstadium befindlichen Norm ISO 11699 (vgl. ISO 2011) wird auf der Grundlage von ASTM F 2575 (vgl. ASTM 2006) ein umfassender und systematischer Katalog von Parametern festgelegt, die in Verträgen und Vereinbarungen zwischen allen am Übersetzungsprozess beteiligten Gruppen spezifiziert werden sollten (vgl. Lommel/ Melby 2011). Der Katalog umfasst 21 Parameter, die vier Kategorien zugeordnet sind. Melby beschreibt diese vier Kategorien wie folgt: 6 A. Linguistic [1-13]: Parameters that describe the translation source and product. This category is further split into two groups: a. Source content [1-5]: Parameters that describe the source content. b. Target content [6-13]: Parameters that describe the target content. 6 Hague et al. (2011) enthält eine ausführliche Darstellung dieses von den Autoren als „Specification Approach“ bezeichneten Ansatzes. Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 209 B. Production tasks [14-15]: Parameters that detail the production aspects of the project. C. Environment [16-18]: Parameters that describe where and with what tools the translation will take place. D. Relationships [19-21]: Parameters that enumerate deadlines, delivery, compensation, and other aspects of the project. (Melby 2012) Der neuen Norm liegt ein differenzierter Qualitätsbegriff zugrunde, der auf dem in den Wirtschaftswissenschaften verbreiteten pragmatischen Ansatz von Garvin (1984) basiert. Garvin identifiziert fünf verschiedene Sichtweisen (transcendent, product-based, user-based, manufacturing-based, value-based), die jeweils unterschiedliche Aspekte des Qualitätsbegriffs in den Vordergrund rücken. Kaminske/ Brauer (2008) fassen Garvins fünf Perspektiven wie folgt zusammen: 1. Die transzendente Sichtweise Qualität ist absolut und universell erkennbar, ein Zeichen von kompromisslos hohen Ansprüchen und Leistungen, sie ist nicht präzise zu definieren und wird nur durch Erfahrung empfunden. 2. Produktbezogene Sichtweise Qualität ist präzise und messbar, Qualitätsunterschiede werden durch bestimmte Eigenschaften oder Bestandteile eines Produktes auch quantitativ widergespiegelt. 3. Anwenderbezogene Sichtweise Qualität liegt im Auge des Betrachters und weniger im Produkt, individuelle Konsumenten haben unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse, wobei diejenigen Güter, welche diese Bedürfnisse am besten befriedigen, als qualitativ besonders hochstehend betrachtet werden. 4. Prozessbezogene Sichtweise Qualität ist das Einhalten von Spezifikationen, jede Abweichung impliziert eine Verminderung, hervorragende Qualität entsteht durch eine gut ausgeführte Arbeit, deren Ergebnis die Anforderungen zuverlässig und sicher erfüllt. 5. Preis-Nutzen-bezogene Sichtweise Qualität wird durch Kosten und Preise ausgedrückt, ein Qualitätsprodukt erfüllt eine bestimmte Leistung zu einem akzeptablen Preis bzw. steht in Übereinstimmung mit Spezifikationen zu akzeptablen Kosten. (Kaminske/ Brauer 2008: 178) Hinzuzufügen ist dieser Liste zumindest noch eine soziale Perspektive, wonach die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung auch daran zu messen ist, ob bzw. in welchem Umfang gesellschaftlicher Nutzen oder aber Schaden entsteht bzw. entstehen kann. Auf der Basis dieser verschiedenen Blickrichtungen schlagen Lommel/ Melby (2011) folgende Definition für den Begriff „Übersetzungsqualität“ - bzw. genauer für den Begriff „Qualitätsübersetzung“ - vor, die voraussichtlich auch in der neuen Übersetzungsnorm ISO 11699 zugrunde gelegt wird: Uwe Reinke 210 A quality translation (a) follows specifications (manufacturing) (b) appropriate to end users (user), while (c) avoiding social harm (social), (d) without compromising needed accuracy and fluency (modified transcendent), (e) at the most appropriate cost (value). (Lommel/ Melby 2011) 2.2 Qualitätssicherung vs. Qualitätskontrolle Bei der Erzeugung von Qualität kann zwischen „Qualitätssicherung“ (engl. quality assurance) und „Qualitätskontrolle“ (engl. quality control) unterschieden werden: Quality assurance is defined as the steps and processes used to ensure a final quality product, while quality control focuses on the quality of the products produced by the process. (Esselink 2000: 146) Während dieser Unterschied in den deutschen Übersetzungsnormen nicht explizit berücksichtigt wird, misst ihm die amerikanische Norm ASTM F 2575 große Bedeutung bei: QA [quality assurance; Anm. U.R.] implies that quality awareness governs all aspects of the project from start to finish while it is being carried out. Translation QA includes writing clear translation specifications and adhering to them throughout the process. QC [quality control; Anm. U.R.] consists of random sampling or a full check of final deliverables or both as the last step in the process. If quality assurance processes are properly implemented, the QC step is short and simple. (ASTM 2006: 10f.) Ziel von Qualitätssicherung ist die proaktive Vermeidung von Fehlern. Qualitätssicherung findet daher in allen Phasen des Übersetzungsprozesses statt. Sie umfasst u.a. die Festlegung und Standardisierung von Arbeitsabläufen („Prozesssicherung“) sowie die rechtzeitige inhaltlich-fachliche und sprachliche Unterstützung und Beratung aller an der Erbringung der Dienstleistung „Übersetzung“ beteiligten Personen, z.B. durch die Bereitstellung von Stilrichtlinien, Glossaren und Terminologiebeständen, Translation- Memory-Datenbanken, relevanten Paralleltexten und sonstigen Referenzmaterialien etc. („Produktsicherung“). Ziel von Qualitätskontrolle im Übersetzungsprozess ist die Fehlerbehebung durch sorgfältiges Lektorat („Produktkontrolle“) sowie die Überwachung der Arbeitsabläufe („Prozesskontrolle“). Im Unterschied zur Qualitätssicherung ist Qualitätskontrolle also eher reaktiv und bei umfangreichen Projekten mit vielen Zielsprachen und Dienstleistern zentral kaum noch durchführbar (vgl. Irmler/ Hartwig 2000: 89). Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 211 3 Computergestützte Werkzeuge zur Qualitätssicherung, -kontrolle und -messung 3.1 Werkzeuge zur Produktsicherung und -kontrolle 3.1.1 Maschinelles Lektorat Als „Maschinelles Lektorat“ wird die computergestützte Überprüfung der korrekten Anwendung unternehmensspezifischer Terminologien und Stilvorgaben bezeichnet, wie sie z.B. in Redaktionsleitfäden und Stilrichtlinien (style guides) sowie Unternehmensglossaren und Terminologiedatenbanken festgelegt sind, wobei darüber hinaus natürlich auch Rechtschreibung und allgemeine Grammatik einbezogen werden. Eine derartige Überprüfung kann entweder als klassisches Lektorat nach Abschluss der Erstellung eines (Ausgangs- oder Ziel-)Texts erfolgen oder unmittelbar während der Erstellung der Texte, wobei in letzterem Fall die Bezeichnung „Lektorat“ unzutreffend ist. Entsprechend werden Werkzeuge zur computergestützten Überprüfung unternehmensspezifischer Terminologien und Stilvorgaben auch als „Controlled-Language-Checker“ bezeichnet (vgl. Drewer/ Ziegler 2011: 227f.). Um eine angemessene terminologische und stilistische Kontrolle durchführen zu können, müssen die Systeme über „linguistisches Wissen“ verfügen, d.h., sie müssen Wörter und Sätze morphologisch und syntaktisch analysieren können (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: Stilprüfung mit Acrolinx IQ (Acrolinx GmbH) Auch wenn dieses „linguistische Wissen“ vorhanden ist, sind längst nicht alle Stilregeln für eine automatische Überprüfung geeignet. Betrachtet man z.B. unternehmensspezifische Stilrichtlinien wie den Microsoft German Style Guide (Microsoft 2008) oder auch unternehmensunabhängige Regelwerke wie die Leitlinie Regelbasiertes Schreiben der Gesellschaft für Technische Kommunikation e.V. (tekom 2011), so zeigt sich sehr schnell, dass man zwischen automatisch prüfbaren, bedingt automatisch prüfbaren und nicht automatisch prüfbaren Regeln unterscheiden muss. In der tekom-Leitline wird daher zu jeder Regel vermerkt, ob eine automatische Prüfung bereits Uwe Reinke 212 verfügbar oder möglich, oder ob die Regel für eine automatisierte Prüfung ungeeignet ist. Automatisch und ohne „linguistisches Wissen“ prüfbar sind stark formalisierte Textelemente wie Zahlen, Datumsangaben, Telefonnummern, E- Mail-Adressen, URLs etc. oder Vorgaben zur maximalen Satzlänge. Solche Textelemente sind häufig kultur- oder sprachraumspezifisch und müssen daher bei der Übersetzung an die Konventionen der Zielkultur 7 angepasst und einer Überprüfung unterzogen werden. Abbildung 2 zeigt einen Ausschnitt der Regeln des Microsoft German Style Guide zur Wiedergabe von Telefonnummern in deutschsprachigen Texten. Abbildung 2: Regeln des Microsoft German Style Guide für Telefonnummern in deutschen Texten (Microsoft 2008) Für die computergestützte Überprüfung von Regeln der meisten wort- und satzsyntaktischen Muster ist hingegen „linguistisches Wissen“ erforderlich. Für eine automatische Prüfung eignen sich beispielsweise Regeln zur Kompositabildung im Deutschen (z.B. „Komposita aus zwei Basismorphemen immer ohne Bindestrich“, „Komposita aus drei und mehr Basismorphemen immer mit Bindestrich“, „hinter Fugenelementen kein Bindestrich“) sowie 7 In der Softwarelokalisierung werden die spezifischen Konventionen eines Kulturbzw. Sprachraums als „Locale“ oder „Gebietsschema“ bezeichnet. Esselink definiert Locale in diesem Kontext als „all regional standards supported by a software product, such as date/ time formats, sorting standards, currencies and character sets.“ (Esselink 2003: 67) Demzufolge kann man auch von lokalisierbaren (vgl. Azzano 2011; Azzano et al. 2011) oder locale-spezifischen Textelementen sprechen. Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 213 bestimmte Regeln zum Satzbau (z.B. „Nominalisierungen vermeiden“, „Häufung von Nominalphrasen vermeiden“, „Partizipialkonstruktionen vermeiden“, „Hauptsatzkoordination vermeiden“, „keine doppelte Verneinung verwenden“). 8 Häufig lassen sich Stilregeln nur bedingt formalisieren, weil sie „weiche“ Rahmenbedingungen enthalten, die häufig stark kontextabhängig sind. Abbildung 3 verdeutlicht dies anhand der Regeln, die Microsoft für die Verwendung von Aktiv und Passiv bei der Übersetzung ins Deutsche vorgibt (vgl. Microsoft 2008). Zwar können Aktiv und Passiv und ggf. auch personifizierte Subjekte durchaus automatisch erkannt werden, doch die Frage, ob der Kontext die Auslassung des Agens zulässt oder nicht, kann letztlich wohl nur vom Übersetzer beantwortet werden. Andere Stilregeln lassen sich, zumindest vor dem Hintergrund der heute verfügbaren Technologien und Verfahren der Sprachdatenverarbeitung, nicht in dem Maße formalisieren, dass eine automatische Prüfung möglich wäre. Hierzu zählen z.B. die folgenden in tekom (2011) aufgeführten Regeln: „Nicht mehr als zwei gleichzeitige Handlungen in einem Satz“, „implizite Verweise vermeiden“, „Indexeinträge redundanzfrei formulieren“, „gleichlautende Überschriften für gleichartige Inhalte verwenden“, „Redundanzen in Überschriften vermeiden“. Systeme für das computergestützte Lektorat sind aufgrund des hohen Entwicklungsaufwands bislang nur für wenige Sprachen verfügbar. Die Erstellung der jeweiligen Redaktionsleitfäden kann - je nach Umfang des Leitfadens - sehr aufwändig und somit kostspielig sein. Die derzeit am Markt verfügbaren Programme - Acrolinx IQ Suite (Acrolinx GmbH, Berlin) und Congree (Congree Language Technologies GmbH, Karlsbad) - sind daher zwar sehr leistungsfähig, aber - sieht man einmal von der im Leistungsumfang eingeschränkten Congree Personal Edition ab - auch sehr teuer und derzeit nur für größere Unternehmen und Dienstleister interessant. 8 Die Beispiele für die Stilregeln sind tekom (2011) entnommen. Uwe Reinke 214 Abbildung 3: Regeln des Microsoft German Style Guide für den Gebrauch von Aktiv und Passiv (Microsoft 2008; Hervorhebungen U.R.) 3.1.2 Integrierte Komponenten zur Qualitätssicherung und -kontrolle sowie eigenständige Programme Bereits seit mehreren Jahren stehen einfachere Softwareprodukte zur Qualitätssicherung und -kontrolle sowohl als eigenständige Programme - z.B. ErrorSpy (D.O.G. GmbH, Leonberg) oder QA Distiller (Yamagata Europe, Gent) - als auch als integrierte Komponenten von Translation-Memory- Systemen (TM-Systemen) zur Verfügung. Diese Programme ermöglichen eine schnelle Kontrolle und Behebung typischer formaler Fehler wie z.B. fehlende oder überflüssige Leerzeichen, fehlende, überflüssige oder falsche Layout- und Struktur-Tags, Interpunktionsfehler, Orthographiefehler, fehlerhafte Zahlen, Maßeinheiten sowie Datums- und Zeitangaben. Ferner können Texte auf fehlende Übersetzungen sowie auf inkonsistente Übersetzungen bei identischen Ausgangssätzen geprüft werden. Abbildung 4 zeigt, dass es selbst bei der Erkennung und Überprüfung stark formalisierter, loca- Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 215 le-spezifischer Textelemente zu Problemen kommen kann, die für die Übersetzung gravierende Folgen haben können. 9 Abbildung 4: Fehlerhafte Erkennung einer Telefonnummer in Trados 2007 10 Darüber hinaus bieten die Werkzeuge eine einfache Terminologieprüfung, bei der die in den Übersetzungen verwendete Terminologie mit Wortlisten, Glossaren oder Terminologiedatenbanken verglichen wird (vgl. Zerfaß 2007). Sie verfügen jedoch nicht über sprachspezifisches „linguistisches Wissen“, sodass syntaktisch-stilistische Prüfungen nur sehr begrenzt möglich sind und die Terminologieprüffunktionen nur bedingt eingesetzt werden können, da diese lediglich auf einem Ähnlichkeitsvergleich der Zeichenketten in den zu prüfenden Texten und den Referenzglossaren und -datenbanken beruhen (siehe das Beispiel in den Abbildungen 5 bis 7). Entsprechend kommt es häufig zu Fehlermeldungen, die im besten Fall inhaltlich korrekt, wenn auch zunächst eher unverständlich und insgesamt nur 9 Azzano (2011) enthält umfassende Untersuchungen zu der Frage, wie solche localespezifischen Textelemente in kommerziellen TM-Systemen verarbeitet werden und welche Möglichkeiten bestehen, die Leistungen der Systeme in diesem Bereich zu verbessern. 10 Die Telefonnummer wird nicht als zusammenhängendes Textelement erkannt, sondern besteht aus drei Einheiten. Hierdurch kommt es in Kombination mit der aktivierten automatischen Anpassung von Zahlen an die Konventionen des Deutschen (Punkt statt Komma als Tausendertrennzeichen) bei der Übernahme in den Zieltext zu Fehlern. Uwe Reinke 216 sehr begrenzt hilfreich sind (siehe Abbildung 6), im schlimmsten Fall aber schlicht als sachlich falsch bezeichnet werden müssen (siehe Abbildung 7). Die Programme werden in der Regel zur Produktkontrolle, also nach der Texterstellung, eingesetzt. Bei TM-Systemen können die Komponenten zur Qualitätssicherung und -kontrolle gewöhnlich aber auch interaktiv beim Schreiben verwendet werden. Abbildung 5: Fehlerhafte Terminologieerkennung beim Übersetzen bedeutet zugleich … Abbildung 6: … fehlerhafte Terminologieprüfung beim Lektorat, … Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 217 Abbildung 7: … wobei dem Anwender häufig vermeintlich „echte Fehler“ signalisiert werden. 3.2 Werkzeuge zur Qualitätsmessung und -bewertung Mertin weist darauf hin, dass „die Übersetzungsqualität messbar und steuerbar sein [muss]“, wenn „die Übersetzung als Teil eines industriell gefertigten Produkts oder einer Dienstleistung betrachtet [wird]“ (Mertin 2007: 42). Ist es gelungen, geeignete messbare Parameter für die Beschreibung von Übersetzungsqualität festzulegen, so werden dann natürlich auch entsprechende Instrumente zur Messung und Bewertung dieser Parameter benötigt. Neben Werkzeugen für die Suche verschiedener Fehler während oder nach der Erstellung von Texten gibt es daher auch Programme zur Qualitätsmessung und quantitativen Qualitätsbewertung (z.B. tekom QualiAssistent; vgl. Geidel 2007). Einige Werkzeuge zur Qualitätssicherung und -kontrolle (z.B. ErrorSpy) bieten ebenfalls entsprechende Instrumente. Die meisten kommerziellen Produkte zur Messung von Übersetzungsqualität ermöglichen eine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Fehlertypen, wobei einige Programme und Ansätze fest vorgegebene Gewichtungsfaktoren benutzen, während andere benutzerdefinierte Werte erlauben. Die verwendeten Fehlermetriken unterscheiden sich deutlich in Umfang und Struktur (vgl. Reinke 2008, Reinke im Druck). Eher „minimalistische“ Konzepte versuchen, mit wenigen Fehlertypen auszukommen und listen diese lediglich auf, während andere Ansätze eine sehr viel größere Anzahl von Fehlertypen definieren und diese z.T. in verschiedenen Fehlerklassen zusammenfassen. So beschränkt sich die amerikanische Norm SAE Uwe Reinke 218 J2450 beispielsweise auf sieben Fehlertypen (vgl. SAE 2005). Demgegenüber verwendet das Evaluierungswerkzeug BlackJack (ITR Ltd., London) 21 Fehlertypen (siehe Abbildung 8). Abbildung 8: Fehlerannotation mit ITR BlackJack (ITR 2002) Eine Beziehung zwischen den Ursachen und den Auswirkungen von Fehlern stellt eine seinerzeit bei DaimlerChrysler Language Services entwickelte Fehlertypologie her. Auf diese Weise entsteht eine sehr differenzierte zweidimensionale Matrix, bei der gleiche Fehlertypen je nach Ursache unterschiedlich stark gewichtet werden können. So kann z.B. ein orthografischer Fehler, bei dem es sich lediglich um einen formalen Fehler handelt, sehr viel schwächer bewertet werden, als ein orthografischer Fehler, der zu einer Sinnentstellung führt (vgl. Mertin 2006). 3.3 Werkzeuge zur Prozesssicherung und -kontrolle Zur Planung, Sicherung und Kontrolle von Übersetzungsabläufen nutzen Sprachdienstleister häufig die Funktionen universeller Projektmanagementsysteme oder setzen Eigenentwicklungen ein. Daneben bieten die Hersteller Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 219 von TM-Systemen z.T. eigenständige Übersetzungsmanagementlösungen an (z.B. SDL TeamWorks) oder integrieren Übersetzungsmanagementkomponenten in ihre TM-Systeme (z.B. Across und SDL Trados Studio). Neben den TM-System-Herstellern bieten ferner einige Unternehmen systemunabhängige translationsspezifische Projektmanagementprogramme zur Verwaltung von Übersetzungs-, Lokalisierungs- und Dolmetschprojekten an, die am Markt zunehmend Verbreitung finden (z.B. LTC Worx [LTC Ltd., Kingston upon Thames, UK], BusinessManager, Plunet BusinessManager [Plunet GmbH, Würzburg]). 3.3.1 Universelle Projektmanagementsysteme Universelle Projektmanagementsysteme wie MS Project unterstützen vor allem die Planung und Überwachung von Terminen und Arbeitsabläufen. Die Anpassung solcher Programme an komplexere Projektabläufe ist häufig sehr aufwändig. Abbildung 9 zeigt eine mit MS Project erstellte Projektvorgangsliste. Abbildung 9: Projektvorgangsliste mit Gantt-Diagramm in MS Project Übersetzungsbezogene Ressourcen wie TM- und Terminologiedatenbanken lassen sich nicht ohne Weiteres einbinden, sodass auch Angebotserstellung und Rechnungsstellung nur mit größerem Aufwand automatisiert werden können. Uwe Reinke 220 3.3.2 Projektmanagementsysteme und -komponenten der Anbieter von Translation-Memory-Systemen Schwerpunkt dieser Werkzeuge sind die Verwaltung von Übersetzungsressourcen (Datenressourcen: Translation-Memory-Datenbanken, Terminologiedatenbanken, Dokumente, Grafiken etc.; Humanressourcen: Daten von Übersetzern, Lektoren, DTP-Fachleuten etc.) sowie die Steuerung und Kontrolle übersetzungsspezifischer Arbeitsabläufe, wie sie z.B. in der DIN EN 15038 festgelegt sind (vgl. DIN 2006; siehe Abbildung 10). Eine Anpassung an individuelle Übersetzungsabläufe ist dabei jedoch nicht bei allen Systemen möglich. Ebenso lassen sich Datenressourcen anderer TM-Systeme meist nicht direkt einbinden. Im Unterschied zu universellen Projektmanagementprogrammen verfügen diese Werkzeuge in der Regel auch nicht über typische Planungsfunktionen (Erstellung von Projektvorgangslisten, -strukturplänen u.Ä.). Angebotserstellung und Rechnungsstellung werden in der Regel nicht unterstützt. Abbildung 10: Festlegung von Arbeitsabläufen in Across 3.3.3 Übersetzungsspezifische Projektmanagementsoftware ohne Bindung an ein TM-System Programme wie LTC Worx oder Plunet BusinessManager unterstützen vor allem die Planung und Überwachung von Terminen, den Versand und Empfang von Dateien sowie die Erstellung von Angeboten und Rechnungen (siehe Abbildung 11). Wie die Systeme der TM-Anbieter verfügen sie in der Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 221 Regel ebenfalls nicht über die typischen Planungsfunktionen universeller Projektmanagementsysteme. Zumindest die leistungsfähigen Systeme können an individuelle, kunden- oder auftragsspezifische Übersetzungsabläufe angepasst werden. Datenressourcen verschiedener TM-Systeme lassen sich in zunehmendem Maße einbinden. So können häufig die Daten der statistischen Analysen verschiedener TM-Systeme für Kalkulation und Abrechnung weiterverwendet werden. Abbildung 11: Angebotserstellung mit Plunet BusinessManager 4 Anforderungen an die Ausbildung Die Diskussion über die Möglichkeiten der Integration computergestützter Werkzeuge und Methoden in die Ausbildung von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern ist inzwischen mehr als ein Vierteljahrhundert alt und wird - auch angesichts sich verändernder Werkzeuge, Methoden und Prozesse - immer wieder neu geführt. 11 Nach wie vor trifft auf die Mehrzahl der Aus- 11 Die Wurzeln dieser Diskussion sind in den Arbeiten des Saarbrücker Modellversuchs „Sprachdatenverarbeitung in der Übersetzer- und Dolmetscherausbildung“ zu sehen, der von 1988 bis 1993 an der Universität des Saarlandes durchgeführt wurde und ein detailliertes und wegweisendes Curriculum hervorgebracht hat (vgl. Fischer et al. 1994). Im weiteren Verlauf hat es eine Reihe internationaler Projekte zu verschiedenen Uwe Reinke 222 bildungsstätten noch immer die folgende Aussage zu, die zu der Train-the- Trainers-Initiative des EU-Projekts eCoLoTrain geführt hat: Inzwischen haben viele Übersetzerausbildungsinstitute bereits Kurse zum Einsatz von Übersetzungstools in ihren Lehrplan integriert oder beabsichtigen, dies zu tun. Es bleibt jedoch immer noch das Problem, dass eine große Lücke zwischen diesen Kursen und dem eigentlichen Übersetzungsunterricht besteht, da das Wissen ‚traditioneller‘ Übersetzungsdozenten über Übersetzungstechnologie oft nicht ausreicht, um die Verwendung von Tools in ihren Übersetzungsunterricht zu integrieren. (eCoLoTrain 2007) Die Vermittlung von „Werkzeugkompetenz“, „Prozesswissen“ und „translatorischem Wissen“ findet nach wie vor weitestgehend in separaten Lehrveranstaltungen statt. Eine im Curriculum bzw. in Modulhandbüchern festgeschriebene Bündelung der verschiedenen Kompetenzen im Sinne eines projektorientierten Lernens und Arbeitens ist eher die Ausnahme. 12 Während die Auseinandersetzung mit Werkzeugen zur computergestützten Produktsicherung und -kontrolle von Übersetzungen meist zumindest fester Bestandteil entsprechender Lehrveranstaltungen zur Übersetzungstechnologie ist und diese Werkzeuge gelegentlich auch in Fachübersetzungsübungen verwendet werden, kommen angehende Fachübersetzerinnen und Fachübersetzer mit spezifischer Software zur Prozesssicherung und -konrolle während ihres Studiums häufig gar nicht in Berührung. Teilbereichen des Themenfeldes gegeben. Verwiesen sei hier auf die Projekte LETRAC (Language Engineering for Translators’ Curricula, 4. Rahmenprogramm der EU, Laufzeit: Januar 1998 bis März 1999; vgl. Reuther 1999), eCoLoRe (eContent Localisation Resources for Translator Training, Leonardo-da-Vinci-Programm der EU, Laufzeit: November 2002 bis April 2005; vgl. Ciobanu et al. 2004), MeLLANGE (Multlingual eLearning in LANGuage Engineering, Leonardo-da-Vinci-Programm der EU, Laufzeit: Oktober 2004 bis September 2007; vgl. MeLLANGE o.J.) und eCoLoTrain (eContent Localisation Training Opportunities for Trainers and Teachers in Professional Translation, Leonardo-da-Vinci- Programm der EU, Laufzeit: Oktober 2005 bis September 2007; vgl. eCoLoTrain 2007). 12 So sieht beispielsweise das Modulhandbuch des Masterstudiengangs „Translationswissenschaft“ an der Universität des Saarlandes für alle Fachübersetzungsübungen explizit den Einsatz moderner Übersetzungstechnologie vor (vgl. Universität des Saarlandes 2010). Der Masterstudiengang „Fachübersetzen“ der Fachhochschule Köln enthält in einem Wahlpflichtmodul zumindest ein „Übersetzungsprojekt unter Verwendung von Übersetzungswerkzeugen“ (Fachhochschule Köln 2010), das die „praxis orientierte Abwicklung von Übersetzungsprojekten“ (Fachhochschule Köln 2010) zum Inhalt hat. Im Vergleich hierzu sind im Saarbrücker Studiengang entsprechende Projektarbeiten sogar durch die Studienordnung vorgeschrieben. Der Einsatz moderner Technologien ist dabei unmittelbar in der Studienordnung festgeschrieben. So heißt es in § 4 (5): „In der Projektarbeit (PA) wird ein Übersetzungsauftrag von der Ausschreibung über die Angebotserstellung und Durchführung bis hin zur Abrechnung unter Einbeziehung von Softwarewerkzeugen zur Projektverwaltung sowie von betriebswirtschaftlichen und juristischen Komponenten exemplarisch abgewickelt.“ (Universität des Saarlandes o.J.: 2) Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 223 Im Wesentlichen stellen sich auch für die Einbindung computergestützter Werkzeuge und Methoden des übersetzungsspezifischen Qualitätsmanagements in die akademische Ausbildung von Fachübersetzerinnen und Fachübersetzern die folgenden, bereits seit langem bekannten allgemeinen Fragen: • Wie lassen sich die beiden Lehr- und Lernbereiche Fachtextübersetzung und Übersetzungstechnologie sinnvoll miteinander „verzahnen“? • Welche Auswirkungen ergeben sich - insbesondere angesichts des zeitlich knappen Rahmens zweijähriger Masterstudiengänge - auf die Unterrichtsinhalte der verschiedenen Lehrveranstaltungen? • Welche Auswirkungen ergeben sich auf die Lehr- und Lernformen? • Welche Auswirkungen ergeben sich auf die Prüfungsformen? Die Verwendung der in der beruflichen Praxis üblichen computergestützten Werkzeuge ist in der akademischen Ausbildung in Prüfungen oft noch immer nicht zulässig. Die schriftliche Klausur mit Papier und Kugelschreiber und evtl. gar ohne zulässige Hilfsmittel gehört in der Realität der Übersetzungsausbildung leider noch immer nicht der Vergangenheit an. Projektorientiertes Lernen, das nicht nur auf die Übersetzung als Produkt fokussiert ist, sondern unter Verwendung der auch in der Praxis zum Einsatz kommenden Technologien den gesamten Übersetzungsprozess einschließt, ist nach wie vor eher die Ausnahme. Im Rahmen des EU-Projekts eCoLoTrain wurden sehr differenzierte Lehr- Lern-Szenarien entwickelt und in ausführlichen methodisch-didaktischen Leitfäden beschrieben. Auf der Website des Projekts finden sich sowohl Leitfäden zur Integration von TM-Systemen (und deren Qualitätssicherungsfunktionen) sowie von Projektmanagementwerkzeugen in fachsprachliche Übersetzungskurse als auch so genannte „Integrierte Szenarien“ zur Simulation realer computergestützter Übersetzungsabläufe unter Einsatz verschiedener Kombinationen von Werkzeugen (Terminologie und Translation Memory oder Terminologie, Translation Memory und Projektmanagement etc.) (vgl. eCoLoTrain 2007). 5 Fazit Eine formale Qualitätssicherung und -kontrolle, die weitestgehend ohne „linguistisches Wissen“ auskommt, ist mit vergleichsweise preiswerten Einzelwerkzeugen sowie mit den Qualitätssicherungskomponenten von TM- Systemen möglich. Die Prüfung der Einhaltung unternehmensspezifischer Stilregeln erfordert demgegenüber umfangreicheres sprachspezifisches „linguistisches Uwe Reinke 224 Wissen“. Leistungsfähige Systeme für das sogenannte maschinelle Lektorat sind daher bislang nur für wenige Sprachen verfügbar und (noch) sehr teuer. Ähnliches gilt für eine leistungsfähige und zuverlässige Terminologieprüfung. Auch sie erfordert sprachspezifisches „linguistisches Wissen“, um Wortartenmehrdeutigkeiten zu bewältigen und morphologisch unterschiedliche Formen desselben Wortes zu erkennen. Im Vergleich zu den aufwändigen Terminologieprüfverfahren der Systeme für Maschinelles Lektorat liefern die eigenständigen Programme zur Qualitätssicherung und die Qualitätssicherungskomponenten der TM-Systeme eher unbefriedigende Ergebnisse mit einem hohen Anteil an falsch oder nicht erkannten Fehlern. Werkzeuge zur computergestützten Qualitätssicherung und -kontrolle des Produkts Übersetzung lassen sich vor allem für die formale Qualitätssicherung einsetzen und sind bei der Überprüfung großer Textmengen ein gutes Hilfsmittel, um eine Vorauswahl für ein stichprobenartiges manuelles Lektorat zu treffen. An eine computergestützte Überprüfung der inhaltlichen Korrektheit von Texten ist in kommerziellen Systemen demgegenüber derzeit und auch mittelfristig nicht zu denken. Zu hoffen bleibt, dass Werkzeuge für das maschinelle Lektorat, wie Acrolinx und Congree, in Zukunft deutlich preiswerter werden und somit nicht nur großen Unternehmen und Sprachdienstleistern vorbehalten bleiben. Preiswerte Produkte wie die Congree Personal Edition weisen da sicher in die richtige Richtung. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der Leistungsumfang für die professionelle Technische Redaktion und das professionelle Übersetzen tatsächlich ausreicht. Im Hinblick auf Werkzeuge zur Prozesssicherung bleibt abzuwarten, welche Entwicklung die Projektmanagementkomponenten und -programme der Anbieter von TM-Systemen sowie die übersetzungsspezifischen Programme der von TM-Systemen unabhängigen Hersteller wie LTC oder Plunet nehmen werden, und ob ein großer Teil der Übersetzungsdienstleister auch in Zukunft mit universellen Projektmanagementprogrammen oder Eigenentwicklungen arbeiten wird. Bei den TM-Systemen sollten Funktionen zur Erstellung kunden- und auftragsspezifischer Arbeitsabläufe jedenfalls nicht den teuren Client/ Server-Anwendungen vorbehalten bleiben. Auch für Freiberufler, die in Teams und für unterschiedliche Kunden arbeiten, sind solche Funktionen von Interesse. Für eine Einbindung von Werkzeugen und Methoden der computergestützten Qualitätssicherung in die Ausbildung von Fachübersetzerinnen und Fachübersetzern gibt es schon heute gute Konzepte und Hilfestellungen (vgl. eCoLoTrain 2007). Eine Umsetzung scheitert häufig an den engen Vorgaben bestehender Studien- und Prüfungsordnungen, an den unzureichenden Kenntnissen vieler Lehrender im Bereich der Übersetzungstechnologie und deren didaktisch sinnvollen Einsatz sowie an den verwaltungstechni- Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Fachtextübersetzung 225 schen Rahmenbedingungen für die Umsetzung eines sinnvollen Team- Teaching-Konzepts, das es erlaubt, Lehrveranstaltungen zumindest vorübergehend durch zwei oder mehr Lehrende mit unterschiedlichen, einander ergänzenden Kompetenzen zu betreuen. Literaturverzeichnis ASTM (2006). ASTM F 2575 - Standard Guide to Quality Assurance in Translation. West Conshohocken, PA: ASTM International. [ehemals American Society for Testing and Materials (ASTM)]. Azzano, Dino (2011). Placeable and localizable elements in translation memory systems. Dissertation. Ludwig-Maximilians-Universität München. http: / / edoc.ub.unimuenchen.de/ 13841/ 2/ Azzano_Dino.pdf (Stand: 05.02.2012). 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Promotion zum Dr. phil. an der Universität des Saarlandes mit einer Arbeit zum Thema Translation Memories; 1992-2005 Mitarbeiter und Lehr- Uwe Reinke 228 beauftragter der Studienkomponente Sprachdatenverarbeitung und maschinelle Übersetzung an der Fachrichtung Angewandte Sprachwissenschaft sowie Übersetzen und Dolmetschen der Universität des Saarlandes; seit März 2006 Professur für das Lehrgebiet „Sprach- und Übersetzungstechnologie“ an der Fachhochschule Köln; zahlreiche Publikationen u.a. zu Translation-Memory-Systemen und zur computergestützten Terminologiearbeit; langjährige freiberufliche Tätigkeit in den Bereichen Übersetzung von IT-Fachtexten und Softwarelokalisierung; Bundesreferent für Sprachdatenverarbeitung und Übersetzungstools beim Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. Klaus-Dirk Schmitz Terminologienormung und Terminologieplanung - Wie kann das Dolmetschen davon profitieren? 1 Terminologie für das Dolmetschen Eine korrekte und konsistente Terminologie ist die unabdingbare Voraus- setzung für eine zielgerichtete und effizient ablaufende fachsprachliche Kommunikation. Erfolgt die Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg, müssen Übersetzer 1 und Dolmetscher die Informationen adressatenspezifisch und unter Verwendung der richtigen Fachwörter in die Zielsprache übertragen. Dazu sind Recherchen in existierenden Terminologiebeständen und der Einsatz von Terminologieverwaltungsprogrammen für die eigene Terminologie notwendig. Auch wenn bei den unterschiedlichen Dolmetscharten und den jeweiligen Dolmetschsituationen der Fachlichkeitsgrad des zu dolmetschenden Themas differieren kann, so gehört doch in der Regel die Beschäftigung mit dem betreffenden Fachwortschatz zum Alltagsgeschäft von Dolmetschern (vgl. Heynold 1998; Schmitz 2004; Kalina 2006). Die Grundlagen der Terminologiewissenschaft und die etablierten Methoden der Terminologiearbeit liefern das Rüstzeug für die notwendigen terminologischen Aktivitäten von Dolmetschern. Auch bei den Werkzeugen zur Terminologieverwaltung gibt es auf dem Markt Programme, die entweder auf die besonderen Anforderungen bei Dolmetscheinsätzen hin konfiguriert werden können (z.B. SDL MultiTerm) oder die speziell dafür entwickelt wurden (z.B. LookUp) (vgl. Freigang/ Schmitz 2002; Stoll 2002; Rütten 2011). Nicht nur bei der Vorbereitung von Dometscheinsätzen, sondern auch beim schnellen Recherchieren von Terminologie kurz vor oder sogar während des Einsatzes helfen kleine leistungsfähige Notebooks oder Tablet-PCs mit schnellen Internet-Verbindungen. Aber wie sieht es mit der notwendigen Terminologie in den jeweiligen Fach- und Sachgebieten aus? Existiert sie überhaupt, ist sie verfügbar, ist sie auffindbar, ist sie verbindlich und ist sie korrekt? Wie können Terminologienormung und Terminologieplanung zur Lösung der Probleme beitragen? 1 Aus Gründen einer besseren Lesbarkeit wurde in diesem Beitrag die grammatikalisch männliche Sprachform gewählt. Wenn im Text die männliche Sprachform genannt ist, ist damit sowohl die männliche als auch die weibliche Sprachform gemeint. Klaus-Dirk Schmitz 230 2 Terminologienormung Normung im Allgemeinen wird in der DIN 820-1 (1994) als die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit definiert. Normung in Unternehmen, Fachverbänden, nationalen und internationalen Normungsorganisationen beschäftigt sich also in erster Linie mit Sachnormung, d.h. mit der Festlegung von Eigenschaften von Gegenständen und Verfahren. Voraussetzung für die Sachnormung ist aber die exakte Definition der den Gegenständen und Verfahren entsprechenden Begriffe und die eindeutige Festlegung der hierfür benutzten Benennungen, um nicht nur während des Normungsprozesses eine eindeutige und widerspruchsfreie Kommunikation zwischen den Fachleuten sicherzustellen. Dieser als Terminologienormung oder auch terminologische Einzelnormung bezeichnete Vorgang ist definiert als die Normung von Begriffen und ihren Benennungen sowie von Begriffssystemen durch autorisierte und dafür fachlich, sprachlich und methodisch qualifizierte Gremien mit dem Ziel, terminologische Festlegungen in Normen zu schaffen. (DIN 2342 2011) Terminologische Einzelnormung findet sich in der Sektion 2 „Begriffe“ in deutschen bzw. in der Sektion 3 oder 4 „Definitions“ in internationalen Sachnormen. Zusätzlich finden sich die Resultate der terminologischen Einzelnormung, jeweils für einen Ausschnitt eines Fachgebietes, in speziellen Terminologienormen, die meist den Untertitel „Begriffe“ oder „Terminologie“ bzw. „Vocabulary“ oder „Terminology“ tragen; die im nächsten Absatz genannte DIN EN 13447 (2003) ist eine solche Terminologienorm. In derartigen Normen wird oft neben der Festlegung von Begriffen und Benennungen auch die Einordnung der einzelnen Begriffe in ein Begriffssystem durch ein Notationssystem verdeutlicht. In Abhängigkeit von dem jeweiligen Fachgebiet oder Themenbereich, in dem ein Dolmetscheinsatz erfolgt, kann der Zugriff auf spezielle Terminologienormen hilfreich sein. So sichert beispielsweise die Nutzung der DIN EN 13447 (2003), die die Terminologie elektrisch angetriebener Straßenfahrzeuge festlegt und definiert, die korrekte und einheitliche Verwendung von Fachwörtern beim Dolmetschen auf Konferenzen oder bei Geschäftsverhandlungen, bei denen es um Elektroautos oder Fahrzeuge mit Hybridantrieb geht. Da diese deutschsprachige Norm auf der Basis einer europäischen Norm erstellt wurde und deswegen (zumindest) auf Englisch vorliegt, kann die Terminologie auch im mehrsprachigen Kontext genutzt werden. Dieses Beispiel zeigt aber auch einen Nachteil auf, den (Terminologie-)Normen oft Terminologienormung und Terminologieplanung 231 haben; da eine neuere Fassung der DIN EN 13447 derzeit nicht verfügbar ist, wird die in dieser Norm enthaltene Terminologie nicht unbedingt die Entwicklung der Fachsprache in diesem derzeit recht dynamischen Fachgebiet widerspiegeln. Auf den Nutzen der terminologischen Grundsatznormung für das Dolmetschen, bei der Grundsätze und Richtlinien für die Terminologiearbeit festgelegt werden, soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Natürlich können terminologische Grundsatznormen, wie z.B. die DIN E 2330, ISO 704 oder die ISO/ DIS 26162, Dolmetschern bei der Organisation ihrer terminologischen Arbeitsmethodik und beim Aufbau eigener Terminologieressourcen helfen. Zur terminologischen Einzelnormung, die durch entsprechende Normungsgremien geleistet wird, gibt es auch Entsprechungen im betrieblichen Umfeld. So spricht man von terminologischen Festlegungen, wenn Unternehmen, Organisationen oder Fachverbände etwa im Rahmen ihrer Corporate Language Begriffe und ihre Benennungen verbindlich festlegen (siehe Abschnitt 4 des vorliegenden Beitrags). Auch diese können bei Dolmetsch- einsätzen im betreffenden Umfeld hilfreich sein. 3 Terminologieplanung Da Terminologie ein wesentlicher Teil der Fachsprache und damit auch ein Teil der Gesamtsprache einer Sprachgemeinschaft ist, ist Terminologieplanung eng mit Sprachplanung verknüpft. Terminologieplanung kann einerseits als integraler Bestandteil der Sprachplanung gesehen werden, andererseits kann Terminologieplanung auch losgelöst davon den strategischen Zielen einer einzelnen Organisation oder eines einzelnen Unternehmens dienen und nicht unbedingt irgendetwas mit Sprachplanung zu tun haben. Wie sich das Zusammenspiel von Sprachplanung und Terminologieplanung im Einzelfall gestaltet, hängt sehr stark von den in der jeweiligen Sprachgemeinschaft herrschenden Bedingungen ab (vgl. ISO 29383 2010). In den UNESCO Guidelines for Terminology Policies (UNESCO 2005) wird Sprachplanung und Terminologieplanung in einen größeren Zusammengang eingebettet (siehe Abbildung 1). Klaus-Dirk Schmitz 232 Abbildung 1: Terminologieplanung im Kontext der Sprachplanung (UNESCO 2005: 6) Unter Sprachplanung versteht man die bewussten Anstrengungen einer offiziellen Stelle (Regierung, Behörde, Organisation) zur positiven Beeinflussung der Funktion, der Struktur, der Verwendung und des Erwerbs einer Sprache oder Sprachvarietät durch gezielte politische und strategische Maßnahmen (vgl. ISO 29383 2010). Während die Aktivitäten zur Sprachplanung in Deutschland nicht so ausgeprägt sind, gibt es Länder und Regionen wie Irland, Südafrika, Wales oder Katalonien, in denen Sprachplanung ein wichtiger Teil der Sprachpolitik ist. Terminologieplanung umfasst Maßnahmen, die darauf abzielen, die Terminologie eines Fachgebietes zu entwickeln, zu verbessern, umzusetzen und zu verbreiten (vgl. DIN 2342 2011). Bei der Terminologieplanung kann man wie bei der Sprachplanung zwischen Statusplanung und Korpusplanung unterscheiden (vgl. ISO 29383 2010; UNESCO 2005). Die Statusplanung umfasst die offizielle Bestimmung und Steuerung des Status der Fachsprache und der Terminologie als Teil einer Sprachpolitik, während sich die Korpusplanung der Entwicklung und Vereinheitlichung der Terminologie eines neuen oder noch nicht ausreichend mit Fachwörtern versorgten Fachgebietes widmet. Im Rahmen der Statusplanung versucht man beispielsweise, dem Domänenverlust (vgl. RaDT 2005) entgegenzuwirken, bei dem etwa ganze Fachdisziplinen nicht mehr in der Landessprache über die Themen ihres Fachgebietes kommunizieren können, weil nur noch auf Englisch publiziert und gelehrt wird und deswegen die nationalsprachliche Terminologie unterentwickelt ist. Im Rahmen der Korpusplanung wird dem entgegengewirkt und gezielt die Terminologie (einschließlich der Orthographie) bestimmter Fachgebiete in der jeweiligen Fachsprache entwickelt und genormt. Terminologienormung und Terminologieplanung 233 Um die Terminologieplanung kümmern sich in der Regel staatliche oder offizielle Stellen, die oft auch die Aufgabe der Sprachplanung insgesamt übernehmen. So wurde beispielsweise TERMCAT, das Zentrum für die Terminologie der katalanischen Sprache, 1985 durch die katalanische Regional-Regierung eingerichtet. TERMCATs Auftrag ist es, die Entwicklung der katalanischen Terminologie in den einzelnen Fachgebieten voranzutreiben, wobei ganz gezielt Terminologiebestände neu erarbeitet und verbreitet werden. TERMCAT widmet sich sowohl der Statusals auch der Korpusplanung (vgl. TERMCAT 2011). Auch nicht-kommerzielle Organisationen und Institutionen, wie die UNESCO oder die Europäische Union, sowie Fachverbände und Normungsorganisationen tragen zur Korpusplanung im terminologischen Bereich bei. So erarbeiten etwa das Deutsche Institut für Normung DIN in Berlin oder die International Organization for Standardization ISO in Genf durch die jeweiligen Expertengruppen Terminologiebestände in vorwiegend technischen Fachgebieten (siehe Abschnitt 2 des vorliegenden Beitrags). Neben diesen offiziellen Einrichtungen beeinflussen aber auch Industrieunternehmen - bewusst oder unbewusst - die Entwicklung, Verbreitung und Standardisierung der Terminologie bestimmter Fachgebiete, wenn sie in bestimmten Branchen marktbeherrschende Positionen innehaben (vgl. Drame 2010). Dies soll im Folgenden am Beispiel der Microsoft Corporation verdeutlich werden. 4 Microsoft und Terminologieplanung Gerade die IT-Branche, und dort vor allem die Software-Technologie, sind in der heutigen Zeit extrem innovativ und wachstumsstark. Dies bedeutet, dass ständig neue Ideen entwickelt und neue Produkte auf den Markt gebracht werden. Dadurch entstehen neue Begriffe, die auch korrekt, konsistent und transparent benannt werden müssen, damit die Kommunikation zwischen Software und Nutzer funktioniert. Hinzu kommt, das Software- Produkte nicht nur lokal, sondern weltweit vermarktet werden; die Lokalisierung von Software, d.h. die Anpassung der Programme einschließlich der Benutzerschnittstelle, der Online-Hilfe, der Dokumentation auf andere Märkte mit anderen Sprachen und Kulturen, ist ein wichtiger und stetig wachsender Wirtschaftssektor (vgl. DePalma et al. 2009). In Bereich der Software-Entwicklung und -Lokalisierung spielt die Terminologie eine bedeutende Rolle. Terminologie muss neu entwickelt werden, da neue Funktionalitäten und Bedienkonzepte entstehen, für die es bisher noch keine fachsprachlichen Benennungen in den Sprachen gegeben hat, in denen die Programme vermarktet werden sollen. Die Terminologie muss einheitlich und konsistent quer durch alle Komponenten einer Soft- Klaus-Dirk Schmitz 234 ware verwendet werden, von der Programmoberfläche über die Online- Hilfe und Dokumentation bis hin zu Werbematerial, Webseiten und Verpackung. Auch weil viele Personen - meist unter enormem Zeitdruck - an der Entwicklung und Lokalisierung von Software beteiligt sind und weil es gesetzliche Rahmenbedingungen sowie die Unternehmenssprache zu beachten gilt, ist ein Qualitätsmanagement im Bereich der Terminologieverwaltung eine Grundvoraussetzung für eine saubere und nutzerfreundliche Software-Terminologie (vgl. Schmitz 2010). Die Microsoft Corporation mit ihren Niederlassungen in vielen Ländern mag als Beispiel für umfangreiche terminologische Aktivitäten im Bereich der IT-Branche herangezogen werden. Da Microsoft sehr viele Anstrengungen in die Internationalisierung der Software, d.h. in die leichte Anpassbarkeit auf andere Märkte, gesteckt hat, gibt es neben der englischen Originalsoftware lokalisierte Versionen für fast alle Märkte der Welt. Hierbei werden für die Sprachen der bedeutenden Absatzmärkte - wie etwa Deutsch, Spanisch, Französisch, Japanisch oder Chinesisch - alle Komponenten des gesamten Software-Produkts lokalisiert, für Sprachen mittelgroßer Märkte - wie Arabisch, Türkisch, Schwedisch oder Russisch - die meisten Teile der Software, und für die Sprachen kleinerer Märkte - wie Irisch, Katalanisch, Armenisch oder Luxemburgisch - nur die Programmoberfläche. Durch die Entwicklung der lokalisierten Software wird natürlich im Rahmen einer Korpusplanung gezielt die Terminologie für innovative Begriffe neu geschöpft, vereinheitlicht und verbreitet (vgl. Schmitz 2009). Auch wenn es sich hierbei in erster Linie um die Unternehmenssprache von Microsoft handelt, fließen die Fachwörter durch die Marktdominanz von Microsoft in die allgemeine IT-Fachsprache des jeweiligen Landes ein. Auch wenn Microsoft nicht den Status einer staatlichen oder offiziellen Institution innehat, so findet doch auch hier auf industrieller Seite im Rahmen der Unternehmensstrategie eine Art Statusplanung für die IT-Terminologie statt. Mit wechselndem Impetus wird die Microsoft-Terminologie seitens des Unternehmens gezielt verbreitet und die Anstrengungen z.B. für die Terminologieentwicklung in Minderheitensprachen firmenpolitisch genutzt. So kann etwa die Microsoft-Terminologie gezielt über ein Internet-Portal abgefragt werden (siehe Abbildung 2). Terminologienormung und Terminologieplanung 235 Abbildung 2: Microsoft Language Portal (Microsoft 2011a) Für weitere Anwendungen kann die Microsoft-Terminologie über dieses Portal auch kostenfrei heruntergeladen werden (siehe Abbildung 3). Abbildung 3: Microsoft Terminology Collection (Microsoft 2011b) Darüber hinaus wird das gesellschaftspolitische und soziale Engagement von Microsoft für die Entwicklung der Fachsprachen in weniger großen Klaus-Dirk Schmitz 236 Sprachgemeinschaften durch Presseberichte und Internet-Blogs herausgestellt (siehe Abbildung 4). Abbildung 4: Microsoft Language Portal Blog (Microsoft 2011c) 5 Terminologieplanung und Dolmetschen Das vorangehende Beispiel der Terminologieaktivitäten der Microsoft Corporation zeigt deutlich, dass nicht nur offizielle Stellen, sondern auch (marktführende) Unternehmen im Bereich der Terminologieplanung aktiv sind. Dadurch wird sowohl der Status der Fachsprache und der Terminologie als auch die Entwicklung, Standardisierung und Verfügbarkeit von terminologischen Ressourcen in dem betreffenden Fachgebiet positiv beeinflusst. Hiervon profitieren Dolmetscher in allen Einsatzgebieten und bei allen Dolmetscharten. Konferenzdolmetscher können sich sowohl mit der Terminologie des betreffenden Fachgebietes als auch mit der Terminologie des jeweiligen Auftraggebers, seien es Organisationen, Behörden oder Unternehmen, vor dem Dolmetscheinsatz vertraut machen. Aber auch das Dolmetschen bei Gericht, im kommunalen, sozialen oder medizinischen Kontext ist ohne die Verfügbarkeit der entsprechenden Fachterminologie nicht denkbar. Gerade bei Minderheitensprachen sorgt eine vernünftige Statusplanung im Terminologiebereich dafür, dass auch in diesen Sprachen Terminologie entwickelt wird, wodurch eine effiziente und fehlerfreie fachsprachliche Kommunikation erst möglich wird. Terminologienormung und Terminologieplanung 237 Literaturverzeichnis DePalma, Donald A./ Rudavin, Oleg/ Sabel, Barbara (2009). Entwicklung des Übersetzungsmarktes - Chancen der Globalisierung. MDÜ 55.2, 10-13. DIN 820-1 (1994). Normungsarbeit; Grundsätze. Berlin: Beuth. DIN 2342 (2011). Begriffe der Terminologielehre. Berlin: Beuth. DIN E 2330 (2011). Begriffe und Benennungen - Allgemeine Grundsätze (Entwurf). Berlin: Beuth. DIN EN 13447 (2003). Elektrisch angetriebene Straßenfahrzeuge - Terminologie. Berlin: Beuth. Drame, Anja (2010). Verbesserte Kommunikation durch Terminologiestrategien in Unternehmen. DIN-Mitteilungen 9.2010, 19-23. Freigang, Karl-Heinz/ Schmitz, Klaus-Dirk (2002). Softwarelokalisierung als Aufgabe für Übersetzer. In Joanna Best/ Sylvia Kalina (Hg.), Übersetzen und Dolmetschen. Eine Orientierungshilfe. Tübingen/ Basel: Francke, 242-248. Heynold, Christian (1998). EDV-Unterstützung. In Mary Snell-Hornby/ Hans G. Hönig/ Paul Kußmaul/ Peter A. 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Geschäftsführender Direktor des Instituts für Informationsmanagement und Leiter des Master-Studiengangs „Terminologie und Sprachtechnologie“ an der Fachhochschule Köln. Vizepräsident des Deutschen Terminologie-Tags (DTT) und des Internationalen Terminologienetzes (TermNet). Obmann des DIN- Normenausschusses NA 105-00-05 AA „Systeme für die Verwaltung von Terminologie, Wissen und Content“. Lothar Černý Der semiotische Weg aus den übersetzungstheoretischen Dichotomien 1 Ein resümierender Blick zurück Wenn man auf die Entwicklung der Übersetzungswissenschaft seit dem Zweiten Weltkrieg zurückblickt, so sieht man - bei aller hier notwendigen Vereinfachung - neben den vielen individuellen Ansätzen zentrale Themen, die die Diskussion beherrscht haben (vgl. Prunč 2005; Siever 2010). Dazu gehören in erster Linie die Versuche, den Gegenstandsbereich der Übersetzungswissenschaft als angewandte Sprachwissenschaft zu beschreiben (vgl. Wilss 1974; Stein 1980). Gleichzeitig entwickeln sich die Ansätze, den Übersetzungsvorgang methodisch-didaktisch zu bearbeiten (vgl. Reiß 1976; Nord 3 1995). Neben diese Orientierung tritt die Beschreibung der konkreten Übersetzungsabläufe, zunächst als sprachliche, dann auch als technischorganisatorische Phänomene (vgl. Schubert 2007). Das Interesse am Vorgang des Übersetzens führt nicht zuletzt zur Übersetzungsprozessforschung, die u.a. zu ergründen versucht, „Was in den Köpfen von Übersetzern vorgeht“ (Krings 1986; vgl. auch Göpferich 2008). 2 Dichotomien Auch wenn bei dieser Aufzählung vieles Wichtige durchs Raster fällt, so dürfte die Behauptung vertretbar sein, dass seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts die sprachwissenschaftliche Perspektive auf das Übersetzen richtungweisend und unumstritten ist. Auf der Basis von de Saussures synchronischer Linguistik konnte sich der Blick auf die Pole Ausgangstext (AT) bzw. Ausgangssprache (AS) einerseits und Zielsprache (ZS) andererseits richten (vgl. Gorlée 1994: 148). Das Übersetzen erschien primär als ein transkodierender Vorgang: Ein AT wird in einen anderen Code übertragen. Catford formuliert die frühe linguistische Perspektive auf die Übersetzung, indem er von der Vorstellung einer „Ersetzung“ ausgeht, „replacement of textual material in one language (SL) by equivalent textual material in another language (TL)“ (Catford 1965: 20; Hervorhebung im Original). Er fragt nach den objektiven sprachlichen Rahmen des übersetzerischen Vorgangs, sozusagen nach Möglichkeiten und Grenzen aufgrund der verschiedenen Lothar Černý 240 Sprachsysteme. Deshalb kann er zwischen einer praktischen und einer theoretischen Aufgabe unterscheiden: The central problem of translation practice is that of finding TL translation equivalents. A central task of translation theory is that of defining the nature and conditions of translation equivalence. (Catford 1965: 21) Die Übersetzungstheorie befasst sich danach mit den Kriterien von Invarianz auf verschiedenen Ebenen, wie es Koller getan hat (vgl. Koller 1997: 216). Aufgrund des Axioms von „Gleichheit“ bewegen sich Übersetzer und Theoretiker jedoch notwendig in einer polaren Begriffswelt. Peter Sandrini spricht von der Annahme statischer Gegensatzpaare wie Information im Ausgangstext und Information im Zieltext, Ausgangssprache und Zielsprache, Ausgangstext und Zieltext, Ausgangskultur und Zielkultur. (Sandrini 2001: 219) Diese dichotomische Grundsituation beim Übersetzen lässt sich in der Diskussion über Äquivalenz, Adäquatheit, Texttyp, Skopos, Pragmatik - um nur einige Schlagwörter aus den vergangenen Jahrzehnten zu nennen - in ihrer ganzen Komplexität beobachten. Sie lässt sich überdies schon von Beginn der Reflexion des Übersetzens an verfolgen. Die Betrachtung des Übersetzens als einen transkodierenden Vorgang hat - positiv betrachtet - vor Augen geführt, wie breit das Spektrum von Faktoren ist, das für ein Äquivalenz-Verhältnis definitorisch ist. Die darauf fußende Vorstellung von Ersatz oder Austausch von Codes ist sicherlich in terminologisch reduzierten Textbereichen angemessen - es sei nur an die automatische Übersetzung der Wetterberichte in Kanada erinnert -, aber dieses Modell lässt sich weder für alle Textarten verallgemeinern noch gar für die Allgemeinsprache verwenden. Selbst bei dem von der damals verbreiteten Begeisterung für die Maschinenübersetzung angesteckten Catford liest man den skeptischen Satz: „But for the deeper understanding of the translation process the ‘transcoding’ view is not useful.“ (Catford 1965: 42) Man kann die dichotomische Perspektive auch aus anderen, theoretischen Gründen als problematisch und auf Dauer als unbefriedigend ansehen. Der Grund dafür liegt zum einen in einer unausgesprochenen sprachphilosophischen Prämisse und zum anderen in einem Verständnis des mentalen Vorgangs beim Übersetzen, das fast immer bei einer eher negativen Einschätzung der Übersetzung im Vergleich zum Original endet. Die Prämisse beinhaltet die Überzeugung, dass der Text eine semantische Substanz hat, die in einem lockeren, lösbaren Verhältnis zu seiner sprachlichstilistischen Gestalt steht (vgl. Albrecht 1998: 258; zum Thema kognitive Repräsentanz vgl. Schwarz 1992: 92ff.) Daraus resultiert die Vorstellung, dass man der semantischen Substanz eine neue sprachliche Form geben kann, ohne dass das Wesen des AT berührt würde. Catford beschreibt diese ontologische Relation etwas sybillinisch: Der semiotische Weg aus den übersetzungstheoretischen Dichotomien 241 translation equivalence occurs when a SL [source language - Anm. L.C.] and a TL [target language - Anm. L.C.] text or item are relatable to (at least some of) the same features of substance. (Catford 1965: 50) AT und Zieltext (ZT) beziehen sich danach auf eine gemeinsame semantische Substanz. Ist die jeweilige „Substanz“ der Sprache zu unterschiedlich, müsste man von Unübersetzbarkeit sprechen. Die Frage nach der Übersetzbarkeit und einem möglichen Verlust hängt in erster Linie von der Antwort auf die Frage ab, ob Bedeutungen sprachabhängig oder sprachunabhängig sind. Je nach philosophischer und sprachwissenschaftlicher Überzeugung scheiden sich bei dieser Frage die Geister, schon bei Platon selbst, wie die Diskussion im Kratylos zeigt. Ebenso lässt sich in der Geschichte der Sprachphilosophie immer wieder ein Pendeln zwischen neuplatonisch-erkenntnistheoretischer und sprachlich-empirischer Orientierung erkennen (vgl. Coseriu 2003: 221ff.). Gleichgültig welcher Position man zuneigt, die Frage, wie beim Übersetzen Bedeutungen transferiert werden, beginnt immer bei der Frage, wie Bedeutungen in einer Sprache im Vergleich zu einer anderen ausgedrückt werden. Bedeutungen resultieren aus dem komplexen Geflecht von sprachlichen und kulturellen Zeichen, die für eine Gesellschaft charakteristisch sind (vgl. Humboldt 1998; Cassirer 1923; Whorf 1974). 3 Wege zum Verstehen? Während wir also sagen können, dass die Vorstellung vom Übersetzen als Transfer eines Textes in einen anderen sprachlichen Code die Erforschung und Darlegung von funktionalen Entsprechungen in einer gegebenen Situation bewirkt hat, so beobachten wir, dass sich gleichzeitig eine andere Fragestellung entwickelt, nämlich die nach dem Verstehen der mentalen Prozesse beim Übersetzen. Sie kommt in dem schon zitierten Titel zum Ausdruck: „Was in den Köpfen von Übersetzern vorgeht“. Ob das identisch ist mit Catfords Interesse an einem „deeper understanding“ (Catford 1965: 42), sei zunächst dahingestellt. Nun könnte man meinen, dass die neuere neuro-linguistische Forschung, die mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) zu ergründen versucht (vgl. u.a. Ahrens et al. 2010), „Was in den Köpfen von Übersetzern vorgeht“ mehr Licht ins Dunkel der black box bringt. Dass das Wort „ergründen“ hier nicht ganz zutreffend ist, zeigt der Vergleich der deutschen mit der englischen Bezeichnung. Die englische lautet „functional magnetic resonance imaging“, was genauer als die deutsche Entsprechung sagt, dass es um eine Abbildung geht, und zwar der Gehirnaktivität im untersuchten Moment. Es ist sehr zweifelhaft, ob das identisch ist mit dem, was in den Köpfen, d.h. während der Reflexion der Übersetzer, tatsächlich vorgeht, aber Lothar Černý 242 wir wissen durch dieses Verfahren etwas mehr über den Ort im Gehirn, weil sich Veränderungen in verschiedenen Bereichen erkennen lassen (vgl. Lehr 2010: 216; Setton 1999: 48). Über den Grund von Entscheidungen wissen wir damit noch nicht viel. Der Weg von der Introspektion als Methode bis zum Abbild eines neuronalen Zustands ist zwar eine faszinierende wissenschaftliche Entwicklung, aber sagt nicht viel darüber aus, was und warum sich etwas zwischen der Wahrnehmung eines ausgangssprachlichen Textes und der Produktion einer zielsprachlichen Version in den Reflexions- und Denkprozessen der Übersetzer abspielt. Die quantitativ-empirische Erfassung von mentalen Prozessen stößt bei der Dynamik, die diesen Prozessen eigen ist, auf grundsätzliche Probleme. Warum sich Übersetzungen unterscheiden, ist nicht nur eine Frage der Kompetenz, sondern von Entscheidungen, denen Interpretationen vorausgehen - bewusste und automatisierte, individuelle und solche, die das Resultat von mentalen Strukturen und Verarbeitungsregeln sind. Die empirische Methode der fMRT untersucht - etwas vereinfacht gesagt -, wo das Gehirn unter welchen Reizimpulsen agiert. Wenn man aber fragt, welche Denkschritte sich abspielen zwischen der Wahrnehmung textlicher Zeichen und der Erzeugung neuer textlicher Zeichen, dann geht es nicht mehr um die Relation von zwei Zustandsformen der Gehirnaktivität, sondern um die Erfassung der mentalen Schritte, die sich vielleicht eher auf der Basis der subjektiven und intersubjektiven Reflexion konstruieren lassen, wie es die Methode des lauten Denkens und die hermeneutische Analyse versuchen. Wenn wir das Übersetzen aus dieser Art erkenntnisanalytischer Perspektive heraus betrachten, dann führt uns die Semiotik, wie sie Charles Sanders Peirce in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neu konzipiert hat, aus der Fixierung auf die Dichotomie AT-ZT weitgehend heraus. 4 Die Semiotik von Charles Sander Peirce (1839-1914) Peirce fragt nach nichts Einfacherem als danach, wie das Denken funktioniert, das für ihn auf der Existenz und der Relation von Zeichen basiert. Deshalb konnte er die Logik als Synonym für Semiotik begreifen. Semiotik und Logik werden zu austauschbaren Termini: Logic, in its general sense, is, as I believe I have shown, only another name for semiotic (gr. semeiotiké), the quasi-necessary, or formal, doctrine of signs. (Peirce 1955: 98) An einer solchen Stelle sieht man, dass es nicht um eine triviale Auffassung von Semiotik als Zeichenverwendungslehre geht, sondern um Erkenntnis(psychologie), um die Frage, wie und was ich verstehe, wenn ich etwas, das ich als Zeichen auffasse, wahrnehme. Dass es Peirce um eine Theorie des Wissens geht, kann man daran ablesen, dass er explizit den Charakter Der semiotische Weg aus den übersetzungstheoretischen Dichotomien 243 menschlichen Wissens als einen Abstraktionsprozess abhebt von der Frage eines göttlichen Wissens, einer - wie er sagt - intuitiven Allwissenheit jenseits jeder Verstandestätigkeit („intuitive omniscience superseding reason“ [Peirce 1955: 98]). Gleichzeitig liefert er keine metaphysische oder erkenntniskritische Analyse des Verstehens, sondern spricht von einer „observational science“ (Peirce 1955: 99). Er beobachtet das Denken. Wenn er erläutert, dass Semiotik ein anderes Wort für Logik sei, dann ist das Zeichen ein Denkelement, das vermittelt, indem es mental repräsentiert. 5 Das Zeichen A sign [...] is something which stands to somebody for something [...] creates in the mind [...] an equivalent sign, or perhaps a more developed sign. (Peirce 1955: 99) In dieser Definition zeigt sich schon ein Grundzug des von Peirce definierten mentalen Zeichens. Es fungiert nicht lediglich wie ein Spiegel, sondern ist bereits mehr, nämlich - wie er es nennt - ein „interpretant“ (Peirce 1955: 99). Das Zeichen selbst steht also für etwas, sein Objekt, aber das, was im Geist erzeugt wird - also der Interpretant - ist zugleich eine Deutung der Idee, die der Interpretant aus dem Objekt herleitet. Deswegen hat das Zeichen nach Peirce einen dreifachen Bezug: 1. zu seinem Objekt, das es bezeichnet, und zwar für jemanden in ganz bestimmter Weise („The sign stands for something, it’s object. [...] not in all respects [...]“ [Peirce 1955: 99]), 2. zu der tragenden Idee, die sich mit dem Objekt verbindet („in reference to a sort of idea, which I have sometimes called the ground [of the sign]“ [Peirce 1955: 99]), 3. zum so genannten Interpretanten, nämlich dem mentalen Zeichen im Geist des Denkenden, der das Zeichen wahrnimmt. („That sign which it creates I call the interpretant of the first sign.“ [Peirce 1955: 99]). Es ist daran schon abzulesen, dass der Zeichenprozess bei Peirce ein mentaler Prozess ist. Sobald der Betrachter ein Zeichen für ein Objekt wahrnimmt, denkt er, er rekreiert die Idee des Objekts, er denkt sich (! ) ein Abbild, ein interpretiertes Abbild. Das Entscheidende aber ist, dass der Interpretant, also das mentale Bild, das vom Zeichen hervorgerufen wurde, nun selbst wiederum eine triadische Relation begründet, indem er zum Objekt wird, dessen Zeichen einen neuen Interpretanten hervorbringt, m.a.W., mein Gedanke (1), der selbst schon durch ein Zeichen vermittelt ist (2), wird in meiner Reflexion erneut etwas, das ich selbst interpretiere (3) und von dem wiederum Denkimpulse ausgehen, die ihrerseits solche triadischen Schritte bewirken (vgl. Peirce 1955: 100). Denken bedeutet also eine zeichenhafte Lothar Černý 244 Beziehung zu Objekten, die sich im Verstehen der Idee des jeweiligen Objektes manifestiert und diesem Verstehen erneut einen Zeichencharakter verleiht: „But thought is the chief, if not the only, mode of representation.“ (Peirce 1955: 100) 6 Die semiotischen Disziplinen Die Semiotik als Disziplin befasst sich analog zur Zeichendefinition mit drei Dimensionen oder Zweigen: 1. mit der Semantik, die nach den Bedeutungen der Zeichen fragt, nach den Bedingungen, unter welchen Zeichen Bedeutungen haben können (von Peirce auch „Critical Logic“ [1955: 379] genannt), 2. mit der Syntaktik, also den formal-logischen Bedingungen des Zusammenhangs von Zeichen („Speculative Grammar“ [Peirce 1955: 379]), 3. mit der Pragmatik, die von den Bedingungen der appellativen Kraft von Zeichen für den Interpretanten handelt, von Peirce „formal rhetoric“ genannt („the third would treat of the formal conditions of the force of symbols or their power of appealing to a mind [...]“ [Peirce 1955: 379]). Bei Peirce ergibt sich aus der Struktur der Zeichenverwendung, dass Denken ein inneres oder mentales Kommunizieren ist, und zwar eins, das die wahrgenommenen Zeichen ständig bearbeitet, indem es sie - hermeneutisch gesprochen - in Beziehung setzt zum jeweiligen Horizont. Das Denken erweist sich als ein permanentes „Übersetzen“, und zwar nicht ein bipolares, sondern eins, das sich in den skizzierten triadischen Schritten vollzieht und im Prinzip nie zu Ende ist, es sei denn, das Denken höre überhaupt auf zu denken und wäre damit am Ende. Deshalb befasst sich die Semiotik mit the laws by which in every scientific intelligence one sign gives birth to another, and especially one thought brings forth another. (Peirce 1955: 99) Versuchen wir nun, dieses Modell in Beziehung zur bisherigen Theorie der Übersetzung zu bringen. 7 Peirce und Platon Die sprachphilosophische Voraussetzung für die abendländische Auffassung vom Übersetzen ist schon in Platons Kratylos (vgl. Platon 1990) gelegt, wenn auch mit sokratischer Ambivalenz. Beide Positionen der Kontrahenten Kratylos und Hermogenes ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen das Übersetzen. Wenn die Wörter (onoma) - wie Hermogenes behauptet - Der semiotische Weg aus den übersetzungstheoretischen Dichotomien 245 konventionell sind, aber nicht eine wirksame Kraft der bezeichneten Sache, dann ist Substitution, also Übersetzung, ohne Weiteres möglich. Und selbst wenn Kratylos Recht hätte, dass die richtige Bezeichnung aus dem Wesen einer Sache hervorgehe, selbst dann würden die Wortzeichen, die Bezeichnungen, auf die „Ideen“, die eigentliche unveränderliche und wesentliche Realität verweisen und damit doch ersetzbar sein. Denn nach Sokrates haben auch die „Barbaren“ (also die Nicht-Griechen) durchaus „richtige“ Bezeichnungen (vgl. Kratylos 409d-e), manchmal sogar bessere als die Griechen. Beide konträren Positionen im Kratylos bewegen sich im Rahmen eines philosophischen Denkens, das für das Abendland charakteristisch geworden ist. Die Abbildung ist eines seiner wesentlichen Konzepte. In Platons Höhlengleichnis (vgl. Politeia 106a-c) sehen die Menschen nur Abbilder der Ideen. Wahre Wirklichkeit ist danach nur im Abbild zu erkennen. Wahrheit definiert sich durch Abbildlichkeit. Wissen und Erkenntnis besitzen einen Abbild-Charakter, sind ein speculum der Wahrheit. Wenn wir „spekulieren“, spiegeln wir, reflektieren wir, was wir für das Wahre und Wesentliche halten. Auerbach (1946) hat deshalb den wesentlichen Zug der abendländischen Literatur und des dahinter stehenden Denkens Mimesis, Nachahmung, genannt. Bei aller Ebenbildlichkeit bleibt es beim ontologischen Unterschied. „Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur! “ (Goethe 1978, Faust I, V. 454). 8 Zwei Perspektiven Die wesentlichen Vorstellungen vom Übersetzen in der westlich-abendländischen Tradition sind geprägt von der Vorstellung des Abbilds, der Nachahmung von sprachlichen Charakteristika, um das Original „abzubilden“. Auch die Äquivalenz-Kategorie lässt sich als mathematische Metapher des Abbilds begreifen. Diesen Charakter besitzt auch noch das postalischtechnische Sender-Empfängermodell der Kommunikation von Shannon/ Weaver (1949). Es huldigt im technischen Gewand dem Primat des Originals und bezeichnet alles, was bei der Übermittlung der Botschaft dazu kommt oder sich in den Weg stellt, als Störung, erst recht, wenn der „Briefträger“ ein Übersetzer ist (vgl. auch Kade 1968). Im Gegensatz dazu geht ein an der Semiotik Peirce’scher Prägung orientiertes Modell der Übersetzung nicht von einem ontologisch zu bestimmenden Verhältnis aus, sondern vielmehr von einem relationellen Verhältnis, von semantischer Kontiguität oder Verwandtschaft (vgl. Lévi-Strauss 3 1962: 79; Jakobson 1956: 58ff.). Beide Texte beziehen sich danach aufeinander, sind aber nicht gleich, jeder besitzt eine eigene Identität. Sie stehen nebeneinander, aber ohne das Gleichheitszeichen bzw. das identitätstiftende „Ist“. Die Prädikation entsteht in diesem Fall durch Gegenüberstellung. Im Lothar Černý 246 semiotischen Modell liegt eher eine metonymische Beziehung vor. Der Interpretant stellt Verbindungen her, verknüpft erfasste Bedeutung und Impuls, um neue Zeichen zu generieren. Das neue Zeichen, die Übersetzung, wird nicht im Begriff des Abbilds gefasst, sondern als das, was der Interpretant im menschlichen Geist mit seinem Wissen rekonstruiert. Neben das Original tritt die Übersetzung, nicht als weitere Repräsentation einer ideenhaften Substanz, sondern im Sinne einer weiteren Realität, die ihr eigenes Leben führt. Es ergibt sich ein Bild von der Übersetzung, die nicht auf der Idee einer quasi mathematischen Gleichheit beruht, sondern auf einer engen Verwandtschaft bzw. semantischen Kontiguität. Eine solche Konzeption muss Goethe in seinem Essay vorgeschwebt haben, als er die dritte Stufe in seinem Entwicklungsmodell des Übersetzens bezeichnen wollte, wo man die Übersetzung dem Original identisch machen möchte, so daß eines nicht anstatt des andern, sondern an der Stelle des andern gelten solle. (Goethe 1979: 308) Goethes Suchen nach einer Präzisierung dessen, was die Vollendung des Übersetzens ausmacht, reflektiert die sprachliche Schwierigkeit, die Konzeption der Abbildlichkeit zu überwinden. Mit der Geltung „an Stelle“ des Originals beschreibt er das für ihn vollkommene Stadium nicht ontologisch, sondern metonymisch. Ebenso begrifflich suchend erscheint Derridas Ansicht „Translation is neither an image nor a copy“ (Derrida 1985: 180). Logisch grenzen solche Äußerungen an die Paradoxie, aber der Satz vom Widerspruch gehört ebenfalls zum abendländischen Denkfundus, der nicht nur bei Peirce manchmal den eher vergeblichen Versuch seiner Überwindung signalisiert. Peirces Semiotik erlaubt es, Übersetzen als Prozess der Transformation und Metaphorisierung anzusehen, in dem die Zeichen aber auch einer semantischen Weiterentwicklung unterliegen (vgl. Gorlée 1994: 153), sodass die Übersetzung im Verhältnis zu ihrem „Objekt“ ebenso gleich wie anders erscheint. Der Übersetzung kommt in dieser Deutung die Eigenschaft zu, eben nicht Ersatz zu sein, sondern selbstständig, wenn auch nicht unersetzlich an der Stelle des AT zu stehen. 9 Folgen Ein vergleichender Blick auf die wegweisenden Studien von Eugene Nida (1964, 1969) erhellt den Gegensatz, um den es hier geht. Nidas Einfluss auf die Übersetzungswissenschaft hatte ja weniger mit der Bibelübersetzung an sich zu tun als mit seinem Transfer-Modell, das eine Art semantischen Zwischen-Code vorsah, von der aus eine Rekonstruktion des Textes in der ZS erfolgte. Mit dieser problematischen Anwendung von Chomskys Postulat einer Tiefenstruktur (trotz seiner Warnung vor einer Übertragung des generativen Modells auf das Übersetzen in Aspects of a Theory of Syntax [Chomsky Der semiotische Weg aus den übersetzungstheoretischen Dichotomien 247 1965]) versuchte Nida, die Übertragung kulturspezifischer Inhalte unter Äquivalenz-Gesichtspunkten zu modellieren (vgl. Gentzler 1993: 55ff.). Genau umgekehrt als bei Chomsky beginnt bei ihm die Transformation mit der Analyse der semantischen „kernels“ und einer Rekonstruktion durch neue Kultureme oder durch begriffliche Auflösungen von Bildern, um die intendierte Wirkung des ausgangssprachlichen Textes zu erreichen. Bei dieser Methode wird jedoch das sprachliche Zeichen gegebenenfalls in einem Sprung ersetzt (analog zu den rhetorischen Sprungtropen; vgl. Lausberg 3 1967: 63ff.). Seine semantische Dimension wird im Sinne einer Inhalt-Form- Dichotomie absolut gesetzt und vom ausgangstextlichen Zeichen getrennt. Die Rekonstruktion orientiert sich damit primär an der Zielkultur. Im semiotischen Modell erfolgt dagegen eine metonymische Verknüpfung, d.h., der Übersetzer geht über die rein semantische Ebene hinaus, um die beiden Horizonte zu verbinden. Das semiotische Modell grenzt keinen Aspekt aus. Ob wir der Auffassung von Prunč folgen wollen oder nicht, dass der Übersetzer zum Mitgestalter der transkulturellen Kommunikation werde (vgl. Prunč 1977: 113), der Blick in die Geschichte des Übersetzens zeigt, dass das sprachliche Transkodieren nie nur ein sprachlicher Vorgang war. Die Trias Zeichen-Objekt-Interpretant mit ihren sprachlichen Dimensionen von Semantik, Syntaktik und Pragmatik lässt erkennen, was und aufgrund welcher semiologischen Vorgänge der Prozess des Übersetzens abläuft. Viele der historischen Auseinandersetzungen um Übersetzungen spiegeln die Versuche, die (nach Peirce) dem Denken eigene triadische Struktur in einer Dyas zu zementieren. Dies geschieht in der Annahme, eine Bedeutung, die ja eine Deutung bleibt, ließe sich der Reflexion, mit anderen Worten dem Denken entziehen. Zwei Beispiele aus der Religionsgeschichte illustrieren dies. Im Übersetzungsverbot, das im Islam für den Koran zu liturgischen Zwecken gilt, spiegelt sich die Überzeugung, dass das ursprüngliche sprachliche Zeichen (in arabischer Sprache) nicht von dem getrennt werden darf, was es ausdrückt. Die Übersetzung stellt potenziell eine Quelle der „Verfälschung“ dar. Dagegen ist die kommentierende Erläuterung des Korans in anderen Sprachen erlaubt, weil die nicht-arabische ZS ersichtlich macht, dass es sich nicht um den Koran als das ursprünglich geoffenbarte Wort Allahs handelt. Paraphrase und Erläuterung verweisen aber auf den fortlaufenden Prozess der Semiose, der immer neue Interpretanten entstehen lässt. Die Entwicklung des Islam hat trotz des Übersetzungsverbots gezeigt, dass auch dieser Text gegenüber dem Verstehens- und Deutungsprozess nicht immun blieb (vgl. Černý im Druck). In diesem Zusammenhang ist auch die Korrespondenz zwischen Augustinus und Hieronymus während der Übersetzung der Septuaginta ins Lateinische, also in die Vulgata, ein aufschlussreiches Beispiel. Augustinus war angesichts der umfassenden Sammlung und Übersetzung der biblischen Lothar Černý 248 Schriften ins Lateinische darum bemüht, möglichst keine Diskussion über die Korrektheit der bis dahin kanonischen Septuaginta-Übersetzung, also der Übersetzung ins Griechische, aufkommen zu lassen. Hieronymus dagegen wollte textkritische und philologische Kriterien berücksichtigen und vertrat damit eine vergleichsweise moderne Position (vgl. Fraisse 2007: 88). Für diese Auffassung hatte Augustinus durchaus philologische Sympathien, aber er war gleichzeitig Oberhirte, der über die rechte Lehre zu wachen hatte. Deshalb befürchtete er, dass die übersetzerische Korrektur zu einer Veränderung der Wissensinhalte und möglicherweise zu dogmatischer Verunsicherung führen könnte (vgl. Fraisse 2007: 83). Die spätere nachreformatorische Entwicklung hat ihm darin in gewisser Weise Recht gegeben. Neben der Deutungshoheit ging die Autorität eines einzigen Textes verloren; dogmatische Zersplitterung und Kirchenspaltung waren die Folge. Augustinus hatte geahnt, dass die Übersetzung ein Potenzial birgt, das - theologisch zumindest - eine Gefahr in sich birgt, nämlich die, dass der Übersetzer etwas produziert und in seinen Lesern bewirkt, das etwas Anderes als eine Transkodierung darstellt. Die Einsicht in die kreativen sprachlich-kognitiven Transformationen im Sinne von Peirce - ohne dass dabei vom Übersetzen die Rede ist - findet sich bei Wilhelm von Humboldt in vieler Hinsicht vorweggenommen: Das Denken behandelt nie einen Gegenstand isoliert, und braucht ihn nie in dem Ganzen seiner Realität. Es schöpft nur Beziehungen, Verhältnisse, Ansichten ab, und verknüpft sie. Das Wort ist nun bei weitem nicht bloß ein leeres Substratum, in das sich diese Einzelheiten hineinlegen lassen, sondern es ist eine sinnliche Form, die durch ihre schneidende Einfachheit unmittelbar anzeigt, daß auch der ausgedrückte Gegenstand nur nach dem Bedürfnis des Gedankens vorgestellt werden soll, durch ihre Entstehung aus einer selbsttätigen Handlung des Geistes die bloß auffassenden Seelenkräfte in ihre Grenzen zurückweist, durch ihre Veränderungsfähigkeit und die Analogie mit den übrigen Sprachelementen den Zusammenhang vorbereitet, den das Denken in der Welt zu finden, und in seinen Erzeugnissen hervorzubringen bemüht ist, und endlich durch seine Flüchtigkeit auf keinem Punkt zu verweilen, sondern von allen dem jedesmaligen Zielen zuzueilen gebietet. (Humboldt 1995: 10f.) Humboldt betont die Dynamik des Denkens, die „Selbsttätigkeit“ des Gedankens, aufgrund derer es keine pure Rezeption geben kann. Ist nach Humboldt schon die Synonymität der Bezeichnungen von Gegenständen in verschiedenen Sprachen eine Illusion, so erst recht die sprachliche Form konzeptueller Äußerungen: Wo von unsinnlichen Gegenständen die Rede ist, ist dies noch weit mehr der Fall, und das Wort erlangt eine weit größere Wichtigkeit, indem es sich noch bei weitem mehr als bei sinnlichen von dem gewöhnlichen Begriff eines Zeichens entfernt. Gedanken und Empfindungen haben gewissermaßen noch unbestimmte Umrisse, können von noch mehr verschiedenen Seiten gefaßt und unter mehr Der semiotische Weg aus den übersetzungstheoretischen Dichotomien 249 verschiedenen sinnlichen Bildern, die jedes wieder eigne Empfindungen erregen, dargestellt werden. (Humboldt 1995: 11) Humboldt sieht im Prozess des Denkens bereits eine Zeichenhaftigkeit des sprachlichen Instrumentariums und eine notwendige Differenz in der Rezeption von Wörtern und Gedanken. Er distanziert sich damit wie Peirce von der statischen Dichotomie von Zeichen und Bezeichnetem und entwickelt einen Begriff des Zeichens, das seine Bedeutung in einem Prozess des beständigen „Übersetzens“ notwendig erweitert. Wie Peirce sieht er in Sprache und Denken einen Vorgang unendlicher Semiose in Gang gesetzt. Peirce und Humboldt versuchen gleichermaßen, den Vorgang der Zeichenproduktion und -rezeption zu beschreiben, wobei insbesondere Peirce in einer Weise analysiert, die zwar im Wortsinn „kognitionspsychologisch“ ist, aber sich von der empirischen Kognitionspsychologie des 20. Jahrhunderts durch ihren theoretischen Charakter unterscheidet. Er bezeichnet seine Methode als „abstractive observation“ (Peirce 1955: 98), als einen Prozess „at bottom very much like mathematical reasoning“. Damit hat er eine Basis geschaffen, die, wie Gorlée meinte (vgl. Gorlée: 1994: 11), die Grundlage einer, noch ausstehenden, einheitlichen Theorie der Übersetzung liefern könnte. 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In seiner Zeit als Dekan und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Translation und Mehrsprachige Kommunikation vollzog sich der Wandel des Diplom- Studiengangs Übersetzen/ Dolmetschen in die BA-/ MA-Struktur. Christiane Nord Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer 1 Vorbemerkung Außer während des Studiums, als das so genannte „Verhandlungsdolmetschen“, bei dem es seltener um richtige Verhandlungen und meist um lockere Gesprächssituationen ging, ein für mich eher ungeliebter Teil des Stundenplans war, habe ich mit dem Dolmetschen nie viel zu tun gehabt - wenn man einmal davon absieht, dass ich als eingefleischte Funktionalistin „Translation“ als zwei Varianten einer zielgerichteten Handlung auffasse. Wenn ich also meiner langjährigen Weggefährtin und Freundin Sylvia Kalina etwas „Dolmetschbezogenes“ zu ihrer Festschrift beitragen soll, muss ich schon einen kleinen Umweg nehmen. Für einen von Ingrid Kurz und Klaus Kaindl herausgegebenen Sammelband (vgl. Kurz/ Kaindl 2010) habe ich mich vor einiger Zeit mit dem Roman des argentinischen Autors Néstor Ponce beschäftigt, der den schönen Titel El intérprete trägt und folgerichtig von einem Dolmetscher handelt (Ponce 1998). Damals war das Buch noch nicht übersetzt worden, sodass ich für die erste (wie immer viel zu lange) Fassung meines Beitrags eigene Übersetzungen einiger zentraler Stellen angefertigt hatte, die dann später aus Platzgründen wieder gestrichen wurden. Ich fand diese Stellen ziemlich schwierig zu übersetzen und fragte mich immer wieder, wie wohl ein anderer Übersetzer damit umgehen würde. Nun ist seit der Frankfurter Buchmesse 2010, bei der Argentinien Gastland war, eine deutsche Übersetzung unter dem nicht weiter überraschenden Titel Der Dolmetscher (Ponce 2010) auf dem Markt, und da liegt es natürlich nahe, diese etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei geht es mir besonders um die Passagen, an denen man, wie ich meine, das Bild, das sich der Autor von einem Dolmetscher und seiner Tätigkeit macht, gut erkennen kann. Der folgende Beitrag greift also Gedanken des früheren Aufsatzes wieder auf und erweitert sie um eine „dolmetschbezogene“ Translatkritik. Dabei wird bei den zitierten Belegen jeweils zuerst das Original (Ponce 1998), dann die veröffentlichte Übersetzung (TW=Tobias Wildner) und ein eigener Alternativvorschlag (CN) angeführt, gegebenenfalls mit einer knappen Begründung. Christiane Nord 254 2 Néstor Ponces „Dolmetscher“ Laut Auskunft seiner Homepage (vgl. Ponce 2011), die einen ständig aktualisierten Lebenslauf des Autors bietet, hatte der 1955 in La Plata, Argentinien, geborene Autor, der heute als Professor für lateinamerikanische Literatur und Kultur an der Universität Rennes II lehrt, außer der Übersetzung von ein paar Pressemitteilungen im Zuge einer zeitweiligen journalistischen Tätigkeit selbst nie etwas mit Translation zu tun. Sein Lebenslauf weist vielmehr vor allem zwei Schwerpunkte auf: das Engagement gegen politische und gesellschaftliche Repression und die Beschäftigung mit der Literatur, letztere allerdings im Spannungsfeld zwischen argentinischem Spanisch und Französisch, da er seine literarischen Werke auf Spanisch schreibt, im Rahmen seiner Lehrtätigkeit aber auf Französisch über Literatur redet und forscht. Beide Schwerpunkte spiegeln sich in seinem historischen Roman El intérprete. Die Geschichte spielt in Buenos Aires um das Jahr 1871. Aus Paraguay wird eine Gelbfieberepidemie nach Argentinien eingeschleppt, die sich aufgrund der mangelnden Hygiene besonders in der Großstadt Buenos Aires schnell ausbreitet und nicht nur in den Slums, sondern bald auch in den vornehmen Villenvierteln mehr als 13.000 Todesopfer fordert. Korruption und Unfähigkeit der Regierung und der auf Drängen beherzter Bürger eingesetzten Hygiene-Kommission verhindern eine Eindämmung der Epidemie. Da die Verursacher der Katastrophe unter den Einwanderern vermutet werden, sollen zunächst diese in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, dann aber wird eine generelle Evakuierung der Hauptstadt angeordnet, und die Menschen fliehen auf das Land und in andere Regionen Argentiniens. Vor diesem Hintergrund spielt sich nun eine unerfüllte Liebesgeschichte um den „Dolmetscher“ ab. Dieser junge Mann ist kein professioneller Dolmetscher, sondern ein dolmetschender Muttersprachler. Anscheinend hat er Vermögen und so viele Einnahmen aus Immobilienbesitz, dass er nicht vom Dolmetschen leben muss. Als er daher eines Tages einen etwas merkwürdigen Dolmetschauftrag bekommt, betrachtet er diese Tätigkeit, zu der er offenbar nur durch seine Zweisprachigkeit qualifiziert ist, als willkommene Abwechslung in seinem sonst eher eintönigen Alltag, ja geradezu als Therapie für seine etwas aus der Übung gekommene Stimme. Beispiel 1 Cuando el lacayo vino a solicitarme, hace ya de aquel hecho tantos años, me dije que volver a traducir sería un poco volver a vivir. El imbécil siervo debe de haber pensado, impertinente y curioso, que el ex Juez hacía caridad. Pero mis arcas no precisaban oxígeno. Quienes sí lo necesitaban eran mis pulmones, mi recurrente catarro. (Ponce 1998: 14) Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer 255 TW: Als der Sekretär mit dem Anliegen zu mir kam - so viele Jahre ist das alles jetzt bereits her - sagte ich mir, erneut zu übersetzen, wäre ein wenig wie erneut zu leben. Der schwachsinnige Sekretär wird, dreist und naseweis wie er ist, dabei gedacht haben, das sei eine Gefälligkeit des ehemaligen Richters. Meine Finanzen aber hatten keine Erholung nötig. Sehr wohl hingegen meine Lungen, mein hartnäckiger Katarrh. (Ponce 2010: 11) CN: Als mich der Diener zum ersten Mal, lange vor jenem Ereignis, zu dem ehemaligen Richter bestellte, sagte ich mir, wieder zu dolmetschen wäre ein bisschen wie wieder zu leben. Dreist und naseweis, wie er war, dachte der blöde Domestik vermutlich, sein Herr engagiere mich aus Barmherzigkeit. Aber mein Konto brauchte keinen frischen Wind. Frischen Wind brauchten eher meine Bronchien, mein chronischer Husten. Der pensionierte Richter Don Matías Unzué de Álzaga, dessen Name bereits auf ein Mitglied der reichen Großgrundbesitzerschicht verweist, hat auf einer Europareise in Paris eine schöne junge Französin kennen gelernt, Aude d’Alençon mit Namen, sich in sie verliebt und sie in der Hoffnung, dass sie ihm seine alten Tage versüßt, nach Buenos Aires in sein hochherrschaftliches Haus eingeladen. Die junge Dame spricht kein Spanisch, der alte Herr kein Französisch, und daher wird der Dolmetscher gebeten, jeden Tag am späten Vormittag in die Villa zu kommen, um zwischen den beiden zu dolmetschen. Während sich zwischen dem alten Herrn und der jungen Französin eine seltsame, aber offenbar sehr intensive Beziehung entwickelt, verliebt sich der Dolmetscher unsterblich in die Frau und leidet darunter, nicht selbst mit ihr reden zu können, sondern lediglich als Sprachrohr für die Worte eines anderen zu dienen. Der Aufruhr in seinem Inneren findet eine Entsprechung in der chaotischen Situation in der vom Gelbfieber verwüsteten Stadt. Der Dolmetscher versucht, eine Fluchtmöglichkeit für die Französin zu organisieren, sie aber zieht es vor, zusammen mit Don Matías den Freitod durch Gift zu wählen, um der verheerenden Seuche zu entgehen. Die Geschichte wird in einem Rückblick viele Jahre später aus der Sicht des Dolmetschers erzählt. Das Interessante an der Erzählweise des Autors ist, dass der Wechsel der Stimmen (Don Matías - der Dolmetscher - Aude - der Dolmetscher) und die Reflexionen und inneren Monologe des Dolmetschers selbst nicht formal gekennzeichnet werden, sondern lediglich durch die grammatischen Personen (3. Person für Aude und Don Matías, 1. Person für den reflektierenden Erzähler/ Dolmetscher, im spanischen Präteritum dieselbe Form) zu identifizieren sind. Damit wird auch stilistisch sichtbar, wie der Autor seinen Dolmetscher sieht: als Un-Person, die mit seinen Auftraggebern zunehmend eins wird und seine eigene Identität verliert. Christiane Nord 256 3 Der Dolmetscher als ohnmächtige Un-Person Obwohl El intérprete in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts spielt, sieht de Diego (1998) in der Form des historischen Romans eine subtile Möglichkeit, Autobiografisches zu verarbeiten, und zieht Parallelen zu den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Für ihn ist das Hauptthema des Buches die Macht. Der Autor muss vor der Repression des Regimes aus Argentinien nach Frankreich fliehen; der Protagonist des Romans wächst in Frankreich auf, studiert an der renommierten École Polytechnique, geht dann aus nicht näher erläuterten Gründen nach Argentinien und wird dort durch die Gelbfieber-Epidemie vor die Entscheidung gestellt, zu bleiben oder das Land zu verlassen. Der Dolmetscher, dem der Autor bezeichnenderweise nicht einmal einen eigenen Namen zugesteht, ist der Macht des pensionierten Richters unterworfen, der seinerseits der jungen Französin verfallen ist, die wiederum auf subtile, aber effektive Weise die Fäden in der Hand hält, sich aber andererseits am Schluss des Romans der Selbstmordentscheidung des Richters unterwirft. Diese komplizierte Machtkonstellation wird nicht nur durch den Verlauf der Handlung, sondern auch durch die Weise, in der die Beteiligten miteinander (nicht) kommunizieren, deutlich gemacht. 3.1 Die Macht des alten Richters Der alte Richter bestellt den Dolmetscher (meist nicht einmal selbst, sondern durch seinen Diener, manchmal zu nachtschlafender Zeit oder am frühen Morgen) und schickt ihn fort, wann es ihm passt. Direkt richtet sich der Alte nur aus rein organisatorischen Gründen an ihn - etwa um ihn wortlos zum Platznehmen aufzufordern: Beispiel 2 Con un gesto corto me indica que yo también me ubique junto al ventanal. Obedezco. (Ponce 1998: 37) TW: Mit einer knappen Gebärde bedeutete er mir, ebenfalls ans Fenster zu kommen. Ich gehorchte. (Ponce 2010: 33) CN: Mit einer knappen Handbewegung bedeutet er mir, ebenfalls am Fenster Platz zu nehmen. Ich gehorche. (Die Verwendung des Präsens verweist auf die regelmäßige Wiederholung des Geschehens und verstärkt damit die Sequenz Befehlen-Gehorchen.) Selbst wenn er den Dolmetscher zum Essen einlädt, damit er während der Mahlzeit weiter dolmetschen kann, spricht er über ihn, nicht mit ihm, so als wäre er gar nicht da: Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer 257 Beispiel 3 Hoy le tengo una sorpresa. Un almuerzo especial, [...] y que espero nuestro amigo nos hará el honor de compartir. Traduzco, interpreto, no respondo, de todas maneras don Matías no invita, impone. (Ponce 1998: 74) TW: Heute habe ich eine Überraschung für Sie. Ein ganz besonderes Mittagsmahl […], und ich hoffe, dass uns dabei auch unser Freund hier die Ehre erweisen wird. Ich übersetze, interpretiere, antworte nicht; Don Matías lädt einen schließlich nicht ein, er gebietet. (Ponce 2010: 66) CN: Heute habe ich eine Überraschung für Sie. Ein besonderes Mittagessen […], und ich hoffe, unser Freund erweist uns die Ehre seiner Gesellschaft. Ich dol metsche, antworte nicht; Don Matías lädt ja nicht ein, er verfügt. (Zur Über setzung von traducir und interpretar siehe weiter unten.) Trotzdem ergreift Don Matías dermaßen Besitz von dem Dolmetscher, dass dieser sich selbst immer weniger als eigenständige Person wahrnimmt. Er erlebt nachts im Traum die Dolmetschsitzungen noch einmal nach, geht nicht mehr in sein Café, spaziert nicht mehr durch die Stadt. Wenn der Alte zittert, zittert der Dolmetscher auch: Beispiel 4 a) El viejo tiembla, también yo tiemblo, como por ósmosis, como por traducción. (Ponce 1998: 38) TW: Der Alte zittert. Auch ich zittere, wie durch Osmose, als würde ich auch das übersetzen. (Ponce 2010: 35) CN: Der Alte zittert, ich zittere auch, als gäbe es eine osmotische Verbindung zwischen uns, die das Zittern überträgt. (Hier geht es nicht um „Übersetzung“, sondern um eine reflexartige „Übertragung“.) b) No logro cortar el cordón umbilical que me une a este viejo en ruinas. (Ponce 1998: 40) TW: Es gelingt mir nicht, die Nabelschnur zu durchtrennen, die mich mit diesem menschlichen Wrack verbindet. (Ponce 2010: 36) CN: Ich kann die Nabelschnur nicht durchtrennen, die mich mit diesem hinfälligen Greis verbindet. (Zur Übersetzung von en ruinas siehe Abschnitt 5 des vorliegenden Beitrags.) Dabei spielt offenbar die Stimme eine wichtige Rolle für die Identität einer Person. Der Dolmetscher hat das Gefühl, dass ihm seine eigene Stimme nicht mehr gehört: Beispiel 5 Mi voz, mi traducción, es apenas un telón de fondo, casi diría un estorbo, algo paradójicamente inútil puesto que todo pasa entre ella y él. (Ponce 1998: 13) TW: Meine Stimme, meine Übersetzung, ist kaum mehr als ein beinahe störendes Hintergrundrauschen, auf paradoxe Weise unnötig, nachdem sich alles zwischen ihr und ihm abspielt. (Ponce 2010: 11) Christiane Nord 258 CN: Meine Stimme, meine Verdolmetschung, ist gerade einmal eine Geräuschkulisse, fast möchte ich sagen: eine störende Geräuschkulisse, etwas paradoxerweise Nutzloses, da sich doch alles zwischen ihr und ihm abspielt. (Zur Übersetzung von traducción siehe Abschnitt 4 des vorliegenden Beitrags; die Bühnenmetapher von telón de fondo wird durch „-kulisse“ bewahrt, während „-rauschen“ ein Begriff aus der thermischen Physik ist und mit Geräusch nichts zu tun hat.) Aber nicht nur seine Stimme gehört ihm nicht mehr, auch seine physische Präsenz verschwindet langsam: Beispiel 6 No soy yo, nuevamente mi voz no es la mía, mi cuerpo no es el mío. Vivo de prestado. Vivo de limosna. Este viejo brujo ha entrado en mí, me ha penetrado, invasor se ha instalado en mi intimidad robándome planes y autonomías. (Ponce 1998: 128) TW: Nicht ich bin es, meine Stimme ist abermals nicht die meinige, mein Körper nicht der meinige. Mein Leben ist geliehen. Ich lebe von Almosen. Der alte Hexenmeister ist in mich gefahren, er hat mich durchdrungen, sich als Eindringling in meinem Innersten festgesetzt, mir meine Pläne und meine Selbstbestimmung geraubt. (Ponce 2010: 119) CN: Ich bin nicht ich, wieder gehört mir meine Stimme nicht, gehört mir mein Körper nicht. Ich lebe ein geliehenes Leben, das mir wie ein Almosen hingeworfen wird. Dieser hinterhältige Rechtsverdreher ist in mich eingedrungen, hat sich wie ein Eroberer in mir breit gemacht, mir meine Zukunft und meine Eigenständigkeit gestohlen. (Vivo de limosna, analog zu vivo de prestado, kennzeichnet die Art zu leben.) So wird der Dolmetscher immer mehr Teil des Alten. Er hat das Gefühl, dass dieser von seinem Leben, seiner Jugend, seiner Zukunft zehrt, diese geradezu aus ihm heraussaugt, um daraus Kraft zu ziehen, und ihn damit aushöhlt. Dieses Gefühl steht im Widerspruch zu der in Beispiel 1 ausgedrückten Hoffnung, durch das Dolmetschen wieder zu leben: Beispiel 7 Como un parásito el viejo iba adueñándose de mi sangre, de mi cuerpo, de mis sentidos, me iba succionando los años mozos, lo que me quedaba de tiempo, y se nutría así cada mañana en su ritual sangriento. Eso era, era yo su esclavo, su prolongación, su voz. (Ponce 1998: 64) TW: Wie ein Parasit bemächtigte sich der Alte meines Blutes, meines Körpers, meiner Sinne, er saugte mir nach und nach meine jungen Jahre heraus, das, was mir an Zeit noch blieb, und jeden Morgen stärkte er sich so in seinem blutigen Ritual. Das war es, ich war sein Sklave, seine Fortsetzung, seine Stimme. (Ponce 2010: 57) CN: Wie ein Schmarotzer ergriff der Alte mehr und mehr von mir Besitz, von meinem Blut, meinem Körper, meinen Sinnen, saugte meine Jugend, alles, was mir noch an Zeit blieb, aus mir heraus, und vollführte so jeden Morgen das blutige Ritual, aus dem er seine Nahrung zog. Genau das war es: Ich war sein Sklave, sein verlängerter Arm, seine Stimme. Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer 259 3.2 Die Macht der Französin Andererseits unterwirft sich der Richter selbst der geheimen, verführerischen Macht der jungen Französin, und auch der Dolmetscher hat den Eindruck, dass eigentlich Aude diejenige ist, die über die beiden Männer herrscht. Das ist dem alten Mann auch sehr bewusst, der Entscheidungen ihr überlässt und sie als Herrin des Hauses bezeichnet (vgl. Ponce 1998: 91). Der Dolmetscher hat dies bereits am Anfang erkannt: Beispiel 8 En su silencio Aude domina, nos domina. Es ella la que mueve los hilos, ¿no lo ha comprendido aún este fantoche de viejo pretencioso? Es ella la que nos conduce con su andar de gacela hacia un destino sin límites. (Ponce 1998: 184) TW: Aude herrscht in ihrem Schweigen, herrscht über uns. Sie ist es, die die Fäden zieht, hat das dieser alte, eingebildete Hampelmann noch immer nicht bemerkt? Sie ist es, die uns mit ihrem gazellenhaften Gang in ein grenzenloses Schicksal führt. (Ponce 2010: 171f.) CN: Mit ihrem Schweigen herrscht Aude, sie beherrscht uns. Sie zieht die Fäden - hat das dieser lächerliche Alte in seiner Überheblichkeit noch nicht bemerkt? Sie lenkt uns mit ihrem gazellenhaften Gang, wohin sie will. (Zur Beschreibung des alten Richters siehe Abschnitt 5 des vorliegenden Beitrags.) Dann kommt ihm plötzlich der Gedanke, dass das Ganze vielleicht nur eine Farce ist, durch die er selbst zum Sklaven von Aude wird, die sich insgeheim über ihn lustig macht: Beispiel 9 Una duda me asalta repentinamente: ¿y si Aude hablara castellano? , ¿y si mi traducción no fuera más que un plan, una masticada excusa para ganar el doble de tiempo y dar respuestas alambicadas en la fascinación de su voz ligeramente grave? , ¿y si mi traducción no fuera más que un alimento para su burla? , ¿más que el instrumento de su seducción? Sería yo entonces su esclavo, como ahora, me consuelo, pero con otro estilo, con otros argumentos. (Ponce 1998: 51) TW: Unverhofft überfällt mich ein Zweifel. Und wenn Aude doch Spanisch spricht? Wenn meine Übersetzung für sie nichts wäre als eine Strategie, ein raffinierter Vorwand, um die doppelte Zeit zu gewinnen und, fasziniert von seiner tiefen Stimme, immer nur knappe Antworten zu geben? Wenn also meine Übersetzung nichts wäre als immer neue Nahrung für ihren Spott? Und weniger das Mittel ihrer Verführung? Ihr Sklave wäre ich dann, tröste ich mich, aber auf ganz andere Weise, aus anderen Gründen. (Ponce 2010: 46) CN: Plötzlich überkommt mich ein Zweifel: Was wäre, wenn Aude Spanisch spräche? Wenn sie meine Dolmetschtätigkeit nur als Trick benutzte, als raffinierten Vorwand, um doppelt so viel Zeit zu haben, mit ihrer faszinierenden, leicht dunklen Stimme eine ausgeklügelte Erwiderung zu formulieren? Wenn meine Verdolmetschung ihr nur dazu diente, sich über mich lustig zu machen, mich zu verführen? Dann wäre ich auch ihr Sklave, wie jetzt schon, tröste ich mich, nur auf andere Weise, aus anderen Gründen. (su voz muss sich auf Audes Stimme be- Christiane Nord 260 ziehen, nicht auf die des Richters - dass diese plötzlich faszinierend sein soll, passt nicht zu den vorherigen Beschreibungen.) Aber eigentlich ist es noch mehr: Der Dolmetscher hat das Gefühl, als existiere er überhaupt nicht für Aude: Beispiel 10 No existo para ella, no he existido nunca, me ha reservado el papel del polichinela, del fantoche, del decorado entre las porcelanas de Sèvres y de Wedgwood de la alacena. (Ponce 1998: 189) TW: Ich existiere nicht für sie, nie habe ich existiert, die Rolle des Pulcinella hat sie mir vorbehalten, der Marionette, der Zierfigur zwischen dem Sèvres- und Wedgwoodporzellan im Wandschrank. (Ponce 2010: 176) CN: Ich existiere nicht für sie, ich habe nie existiert, sie hat mich für die Rolle des Pulcinella ausersehen, des Hanswursts, der Nippesfigur zwischen dem Sèvres- und Wedgwood-Porzellan in der Vitrine. Es ist nicht erkennbar, ob Aude die Gefühle des Dolmetschers erwidert. Auf ein Zettelchen mit einer Liebeserklärung, das er ihr einmal heimlich zusteckt, reagiert sie jedenfalls nicht. Sie wendet sich auch niemals an ihn persönlich, auch nicht mit Blicken oder Gesten. Nur einmal, ganz am Anfang, spricht sie ihn direkt an und lobt sein Französisch: Beispiel 11 Habla usted, comenta, como en los más elegantes salones de París, sonríe. (Ponce 1998: 10) TW: Sie sprechen wie in den elegantesten Pariser Salons, bemerkt sie, lächelt. (Ponce 2010: 8) CN: Ihr Französisch, sagt sie lächelnd, kann es mit den elegantesten Pariser Salons aufnehmen. 3.3 Der Dolmetscher als Sinnbild der Ohnmacht Warum wählt ein Autor, der selbst keine Erfahrungen mit dem Dolmetschen hat, ausgerechnet einen Dolmetscher als Protagonisten eines möglicherweise autobiografisch unterlegten historischen Romans? Offenbar sieht er den Dolmetscher als Sinnbild der Ohnmacht, als Spielball der Mächtigen, als Sklaven (siehe Beispiel 7), der alles Leben von dem erhält, der die Macht hat. Am Ende des Romans fasst der Protagonist die Rolle des Dolmetschers folgendermaßen zusammen: Beispiel 12 Toda mi vida no he sido entonces más que esto: un vulgar y somero repetidor de palabras ajenas. Y el que destila el alambique de frases y frases es el que domina, el poderoso, el que destruye y se destruye, el que constituye y se ramifica. El destino no ha querido eso para mí. (Ponce 1998: 272) Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer 261 TW: Mein ganzes Leben lang war ich demnach nichts als dies: ein gewöhnlicher und geistloser Nachsager fremder Worte. Denn nur wer jeden einzelnen Satz im Kolben destilliert, vermag zu herrschen, er ist der Mächtige, der zerstört und sich selbst zerstört, der gestaltet und seine Zweige ausstreckt. Das Schicksal hat dies nicht für mich bestimmt. (Ponce 2010: 251) Leider bringt die publizierte Übersetzung diese Pointe nicht besonders klar zum Ausdruck, zumal die Metaphern vom Destillierkolben und von dem Baum, der seine Zweige ausstreckt, eher inkohärent wirken. Der Alternativvorschlag verlagert daher die erste Metapher auf eine abstraktere Ebene und ersetzt die zweite durch ein Wortspiel, in dem das Sich-Verästeln als „Auswirkungen haben“ interpretiert wird: CN: Mein ganzes Leben lang habe ich also nichts anderes getan als fremde Äußerungen hirnlos nachzuplappern. Mächtig ist dagegen, wer es in der Hand hat, aus all den Worten und Sätzen ein Destillat herzustellen. Er kann herrschen, er vernichtet andere und sich selbst, er wirkt und bewirkt. Diese Rolle hat das Schicksal für mich nicht vorgesehen. Es geht hier um den Gegensatz zwischen dem, der mächtig ist, weil er aus dem Gesagten das Gemeinte herausfiltern kann, und dem machtlosen Dolmetscher, der einfach nur nachplappert, was andere sagen. Daher kann ich María Laura de Arriba (2005) nicht zustimmen, wenn sie schreibt, dass die Macht in dem Roman nur ein Nebenthema sei. Für sie ist El intérprete ein Roman über die Unmöglichkeit der Kommunikation oder besser: die Vergeblichkeit aller Versuche, Kommunikation zu vermitteln. Beispiel 5 macht ja deutlich, dass die Kommunikation zwischen dem alten Richter und der jungen Französin offensichtlich doch funktioniert. Wenn Minguzzi (2007) dagegen unter Bezugnahme auf die Peirce’sche Semiotik als Hauptthema des Buches „die Sprache“ ansieht, hat er insofern Recht, als es um die Diskrepanz zwischen Sagen und Meinen geht. Immerhin ist der Autor Literaturwissenschaftler und von Beruf einer, der herausfiltert, interpretiert, verborgenen Sinn aufzudecken versucht. 4 Der Dolmetscher als Übersetzer und der Übersetzer als Interpret Damit sind wir bei der Frage, wie der Autor die Tätigkeit des Dolmetschens beschreibt und wie viel von diesen Beschreibungen beim Leser des Zieltexts ankommt. Der Dolmetscher überträgt die langen Monologe des Alten und die meist kürzeren Antworten der jungen Französin wohl in der Regel konsekutiv (siehe etwa Beispiel 9); allerdings deutet die folgende Beschreibung eher auf Simultandolmetschen hin: Beispiel 13 Superponiendo mi voz al líquido murmullo de la señorita, que suena detrás, como una letanía, o un sueño o una fuente. (Ponce 1998: 10) Christiane Nord 262 TW: […] meine Stimme legt sich über das klare Säuseln der jungen Frau, das im Hintergrund wie eine Litanei oder ein Traum oder ein Brunnen dahinplätschert. (Ponce 2010: 8) CN: […] indem ich meine Stimme über den sanften Singsang der jungen Dame lege, der darunter weiter murmelt wie eine Litanei oder ein ferner Traum oder ein Wasserlauf. (Während der Autor hier den akustischen Eindruck gut nachvollziehbar macht, ergibt sich für den Leser der publizierten Übersetzung eine eher inkohärente Mischung der Geräusche von Wind und Wasser.) Die Sitzordnung verweist jedoch eher auf ein typisches „Gesprächsdolmetschen“, zum Beispiel beim Frühstück. Der Autor beschreibt die Konstellation der Personen sehr genau, da sie natürlich auch etwas über die Machtverhältnisse aussagt. Die Übersetzung vermittelt dagegen kein klares Bild von der Szene und dem vornehmen Ambiente, in dem die beiden Machtpersonen kaum in einem „Speisesaal“ sitzen dürften und vermutlich auch keine „feigen Banalitäten“ austauschen: Beispiel 14 Ambos han de venir para encontrarse en el comedor y con el desayuno mientras yo, entre ellos, en el medio de la mesa, a la izquierda del viejo, voy traduciendo el apuro de los saludos matinales y las cobardes banalidades [...] (Ponce 1998: 22) TW: Beide werden sie dann kommen und sich im Speisesaal beim Frühstück begegnen, während ich zwischen ihnen, in der Mitte der Tafel, links der alte Richter, die flüchtigen Morgengrüße und die feigen Banalitäten übersetze [...] (Ponce 2010: 19) CN: Beide kommen dann ins Speisezimmer und nehmen einander gegenüber zum Frühstück Platz, während ich, zwischen ihnen, zur Linken des Alten an der Längsseite des Tisches sitzend, nach und nach die verlegenen Guten-Morgen- Wünsche dolmetsche, dann die zaghaften Gemeinplätze [...] Über die Schwierigkeiten des Dolmetschens sagt der Ich-Erzähler nicht all zu viel. Auf eine Dolmetschinteraktion deuten am ehesten die Verweise auf Betonung, Sprachmelodie, Sprachrhythmus und Tonhöhe (inflexión, entonación, entonaciones ondulantes, tono etc.) hin. Beispiel 15 a) Me aplico en respetar la sutil emotividad de las entonaciones con que el viejo impregna sus inflexiones porteñas. Los matices, las nuances, se afilan en el mediodía de Buenos Aires. (Ponce 1998: 10) TW: […] bemühe ich mich, die unterschwellige Erregung im Tonfall des alten Richters hinzunehmen, mit der er seine Sprache tränkt, die Sprache von Buenos Aires. Die Feinheiten, die Nuancen, überschlagen sich in der Mittagszeit dieser Stadt. (Ponce 2010: 7f.) CN: Ich versuche, die zarte Emotionalität der Betonungen zu bewahren, mit denen Don Matías seiner typisch bonaerensischen Sprachmelodie eine besondere Färbung gibt. In der Mittagshitze dieser Stadt verschärfen sich die Schattierungen und Nuancen. (Interessant ist hier die synästhetische Vertauschung von akusti- Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer 263 schen durch visuelle Eindrücke, die in der Übersetzung nicht zum Ausdruck kommt.) b) Traduzco, se agita imperceptible la voz del ex Juez. Busco el tono justo [...] (Ponce 1998: 211) TW: Ich übersetze, unmerklich regt sich die Stimme des alten Richters. Ich suche den richtigen Tonfall [...] (Ponce 2010: 197) CN: Ich dolmetsche, die Stimme des alten Richters ist vor Erregung kaum hörbar. Ich suche den richtigen Ton [...] Auch die Reflektionen über die unterschiedlichen Konventionen des kommunikativen Verhaltens im Französischen und im Porteño, der Bonaerenser Varietät des argentinischen Spanisch, passen durchaus zu einer Dolmetschsituation: Beispiel 16 a) Estiro las frases, las voy llenando de arpegios y bollos de relieve, para traducir. (Ponce 1998: 16) TW: Ich ziehe die Sätze in die Länge und fülle sie mit Arpeggien und geballten Betonungen - ich übersetze. (Ponce 2010: 13) CN: Ich dehne die Sätze, reichere sie mit harmonischen Akkorden und kleinen Höhepunkten an, um sie ins Französische zu bringen. (Dies bezieht sich auf die Verdolmetschung Porteño-Französisch.) b) (Aude) inicia una larga respuesta llena de fórmulas de cortesía que no encajan del todo en nuestra directa lengua telúrica. Quiero doblegar los agradecimientos para hacerlos entrar en el arisco y chúcaro idioma de los argentinos, los pliego y los suelto con cuidado. (Ponce 1998: 10) TW: (Aude) beginnt mit einer langen Erwiderung voller Höflichkeitsfloskeln, die in unserer direkten und bodenständigen Landessprache unmöglich Platz haben. Ich versuche, die Danksagungen zusammenzubiegen, um sie in die barsche und wilde Sprache der Argentinier einzupassen, ich falte sie und gebe sie ganz vorsichtig frei. (Ponce 2010: 8) CN: Sie hebt zu einer längeren Erwiderung an, voll von Höflichkeitsformeln, die einfach nicht in unsere unverblümte, erdige Sprache passen. Ich würde die Dankesfloskeln gern zusammenstauchen, damit sie in der widerborstigen, ungezähmten Sprache Argentiniens Einlass finden, ich binde sie fest und lasse sie dann ganz vorsichtig wieder frei. Wo es aber um Stil und Wortwahl oder gar Syntax geht, denkt der Dolmetscher - bzw. sein Autor - wie ein Übersetzer. Er strebt nach größter Treue und bemüht dabei den alten Satz vom traduttore als traditore, den aber der Übersetzer anscheinend nicht kennt: Beispiel 17 Traducir es traicionar, traduzco. Y una vez más intento ser la excepción de la regla. (Ponce 1998: 12) Christiane Nord 264 TW: Jede Übersetzung ist eine Fälschung, ich übersetze weiter. Und wieder einmal versuche ich, die Ausnahme der Regel zu sein. (Ponce 2010: 10) CN: Übersetzen ist Verrat, ich übersetze trotzdem. Und versuche auch diesmal, die Ausnahme von der Regel zu sein. (Hier muss wegen der Intertextualität ausnahmsweise einmal traducir mit „übersetzen“ wiedergegeben werden.) Der Dolmetscher „übersetzt“ also, wie ein Übersetzer bemüht er sich, die Feinheiten des Tonfalls wiederzugeben, das treffende Adjektiv oder Verb zu finden, die stilistischen Nuancen zu bewahren. Mit diesen Reflektionen, die doch eigentlich für jeden ausgebildeten Translator zur Terminologie seines Faches gehören, tut sich TW besonders schwer: Beispiel 18 a) El ex Juez ha escogido un estilo ambiguo, pero suficiente para arrinconar en el infortunio a cualquier intento de versión francesa. (Ponce 1998: 16) TW: Der ehemalige Richter bedient sich einer so zweideutigen Sprache, dass jeder Versuch einer französischen Übersetzung einen ins Unglück treibt. (Ponce 2010: 14) CN: Der Alte spricht in einem Stil, der vieles offen lässt und daher jeden Versuch, ihn auf Französisch wiederzugeben, unweigerlich zum Scheitern verurteilt. (Um „Zweideutigkeit“ geht es hier auf keinen Fall.) b) Busco el tono justo, el equilibrio de un adjetivo, la ingravidez de un adverbio, la tozuda tensión de un complemento, la calculada repetición de un verbo. (Ponce 1998: 211) TW: Ich suche den richtigen Tonfall, ein ausgleichendes Adjektiv, die Schwerelosigkeit eines Adverbs, die eigensinnige Spannung einer Satzergänzung, die bedachte Wiederholung eines Verbs. (Ponce 2010: 197) CN: Ich versuche den richtigen Ton zu treffen, die Ausgewogenheit eines Adjektivs, die Schwerelosigkeit eines Adverbs, die sperrige Spannung eines Objekts, die kalkulierte Wiederholung eines Verbs. Diese Formulierung gefällt dem Autor offenbar so gut, dass er sie am Ende des Romans (vgl. Ponce 1998: 270) noch einmal fast wortwörtlich wiederholt (kalkuliert? versehentlich? ). Völlig unvereinbar mit einer Dolmetschsituation ist aus meiner Sicht dagegen die folgende Stelle. Der Dolmetscher tröstet sich damit, dass der Alte sich nicht einmischt und ihn nicht korrigiert, was er allerdings darauf zurückführt, dass dieser nicht wirklich zuhört. Wenn der Richter jedoch nur Spanisch spricht - wie könnte er dann die spanische Verdolmetschung der französischen Rede oder auch die französische Verdolmetschung seiner eigenen Worte korrigieren? Solch ein Verhalten ist eher typisch für einen Schriftsteller wie Ponce selbst, der Französisch spricht, aber auf Spanisch schreibt und dann seinem französischen Übersetzer erklärt, wie er übersetzen soll. Es könnte also ein (unbewusst? ) autobiografisches Element sein. Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer 265 Beispiel 19 Me quedan, eso sí, algunos magros consuelos: no da consejos, nunca se permitió discutir un adjetivo o proponer una variante a alguna inflexión, aunque no haga esto por generosidad, respeto o condescendencia, pues tampoco me escucha atentamente. Mi voz, para él, prolonga la suya, es su eco y, en cierto modo, su justificación. El viejo zorro sabe que le soy fiel, jamás la más ínfima licencia, jamás apartarme un ápice de un propósito. (Ponce 1998: 18) TW: Ein schwacher Trost immerhin bleibt mir. Obwohl ich meine Arbeit nicht aus Selbstlosigkeit, Hochachtung oder Gefälligkeit mache, gibt er mir keine Ratschläge, nie hat er sich herausgenommen, ein Adjektiv anzuzweifeln oder eine abweichende Flexion vorzuschlagen, allerdings hört er mir auch nicht aufmerksam zu. Meine Stimme ist für ihn die Erweiterung seiner eigenen, ihr Echo und gewissermaßen ihre Bestätigung. Der alte Fuchs weiß, dass ich ihm treu bin, dass ich nicht im Geringsten von seinen Äußerungen abweiche, nicht einen Zollbreit. (Ponce 2010: 16) CN: Mir bleibt allerdings ein kleiner Trost: Er gibt keine Ratschläge, nie hat er sich erlaubt, ein Adjektiv zu kritisieren oder eine andere Betonung vorzuschlagen, was freilich nicht aus Großzügigkeit, Respekt oder Freundlichkeit geschieht, sondern eher weil er mir nicht genau zuhört. Meine Stimme ist für ihn die Verlängerung der seinen, ihr Echo und gewissermaßen ihre Rechtfertigung. Der alte Fuchs weiß, dass ich treu übersetze, mir nie auch nur die kleinste Freiheit herausnehme, niemals auch nur ein Jota von seiner Aussage abweiche. (TW ist inkohärent; es geht hier um die Beschreibung des Alten und nicht um die Motivation des Dolmetschers.) Je länger der Dolmetscher aber für die beiden arbeitet und je leidenschaftlicher seine Liebe zu Aude wird, umso weniger ist er mit Herz und Verstand bei der Sache. Während er mehr oder weniger mechanisch die Äußerungen der beiden dolmetscht, steht er gleichsam neben sich, beobachtet sie genau und macht sich Gedanken über ihr Verhältnis, über ihren Charakter. Manchmal dolmetscht er wie in Trance, mit seinen Gedanken ganz woanders: Beispiel 20 Sigo traduciendo y llega el mediodía, sigo traduciendo desde los labios hacia afuera, incapaz de comprender o medir el valor de lo que digo mecánicamente, en tanto la figura del viejo se contorsiona en afirmaciones, sigo mientras un cansancio progresivo me invade paso a paso, frase a frase. Aude lo escucha desde una abstracción, rígido el perfil y levemente húmedos los labios ansiosos. Cuando me levanto para irme me pesan los miembros como si se me habrían encogido los músculos. (Ponce 1998: 61f.) TW: Ich übersetze weiter, bis es Mittag wird, ich übersetze weiter, von den Lippen in den Raum hinein, unfähig, die Bedeutung von dem, was ich mechanisch von mir gebe, zu begreifen oder zu ermessen, indessen sich die Gestalt des Alten beim Reden verzerrt. Ich mache weiter, während eine allmähliche Müdigkeit mich Schritt für Schritt, Satz um Satz überfällt. Aus ihrer Abstraktion heraus, das Profil starr und die sehnsüchtigen Lippen leicht befeuchtet, hört Aude ihm zu. Christiane Nord 266 Als ich aufstehe, um zu gehen, lasten meine Glieder so schwer, als wären sämtliche Muskeln verkümmert. (Ponce 2010: 55) CN: Ich dolmetsche weiter, und es wird Mittag, ich dolmetsche von den Lippen nach außen, ohne den Wert dessen, was ich da mechanisch von mir gebe, wirklich erfassen, ermessen zu können, während sich der Alte in Erklärungen windet, ich dolmetsche weiter, und nach und nach, Satz um Satz, erfüllt mich eine wachsende Müdigkeit. Aude lauscht ihm gedankenverloren, mit starrem Gesichtsausdruck und leicht feuchten, konzentrierten Lippen. Als ich aufstehe, um nach Hause zu gehen, sind meine Glieder schwer, als wären alle Muskeln geschrumpft. Gerade dieses letzte Beispiel deutet wieder eher aufs Dolmetschen, genauer: aufs Simultandolmetschen, hin, obwohl ich nicht wirklich beurteilen kann, ob man sich „in Trance dolmetschen“ kann - auf das Übersetzen trifft es auf jeden Fall nicht zu. Trotz der gelegentlichen Ausflüge in typisch übersetzerische Gedankengänge sollte man aber doch wohl traducir und traducción, das der Autor fast ausnahmslos verwendet, mit dolmetschen bzw. Verdolmetschung wiedergeben, wie in den obigen Übersetzungsvorschlägen, während der Übersetzer ebenso durchgehend übersetzen und Übersetzung wählt. Wie übersetzen im Deutschen auch, wird zwar traducir im Spanischen in der Gemeinsprache als Hyperonym für beide Varianten der Translation verwendet, wenn aber schon der Titel des Buches und die geschilderten Situationen so eindeutig auf das Dolmetschen verweisen, scheint mir die Verwendung des korrekten Terminus angebracht. Vielleicht setzt sich das dann ja auch in der Gemeinsprache durch. Schwierig wird es allerdings, wenn der Autor außerdem interpretar verwendet, wie in Beispiel 3 und an der folgenden Stelle: Beispiel 21 Interpreto, traduzco, se retuerce emocionada la voz del viejo ex Juez. (Ponce 1998: 270) TW: Ich übersetze, ich interpretiere, ergriffen windet sich die Stimme des alten Richters. (Ponce 2010: 259) CN: Ich dolmetsche, übersetze, die Stimme des alten Richters bebt erregt. Die Übersetzung mit interpretieren steht im Widerspruch zu der in Beispiel 12 zitierten Aussage, dass Interpretieren-Können Macht bedeutet. Angesichts der Tatsache, dass eine Reihe von Stellen eher dem Übersetzen als dem Dolmetschen zuzuordnen sind, kann man hier aus Gründen der Abwechslung einmal das Verb übersetzen vertreten. 5 Schlussbemerkung Wir haben es hier also mit einem (fiktiven) Dolmetscher zu tun, der dolmetscht wie ein Übersetzer, und mit einem (realen) Übersetzer, der (meis- Der übersetzende Dolmetscher und sein treuer Übersetzer 267 tens) „treu“ übersetzt, dabei jedoch zu wenig an das Dolmetschen denkt. Bei den Beschreibungen der Dolmetschsituationen hätte ihm überdies der Scenes-and-Frames-Ansatz der kognitiven Semantik (vgl. u.a. Fillmore 1977; Vermeer/ Witte 1990) gute Dienste leisten können, um das Ambiente und die Konstellation der Personen so kohärent wiederzugeben, wie sie der Autor darstellt. Ein zusätzlicher Aspekt ist die Darstellung des alten Richters im Original und in der publizierten Übersetzung. Durch die Wortwahl des Übersetzers wird der Richter, um nur einige wenige Beispiele zu zitieren, als „menschliches Wrack“ (Beispiel 4b), „dekadenter Mensch“ (Ponce 2010: 23, CN: „dieser hinfällige Alte“) oder „alter, eingebildeter Hampelmann“ (Beispiel 8) charakterisiert. Die Bezeichnung „alter Hexenmeister“ (Beispiel 6), die einen eher unerwünschten intertextuellen Bezug zu Goethes Zauberlehrling herstellt, wirkt dagegen eher als ironische Verharmlosung. Das alles bei einem wohlhabenden und auch durchaus gebildeten Großgrundbesitzer, der zu leben versteht und - wie der Dolmetscher zugibt - „sich einen gewissen Charme bewahrt hat“ (Ponce 2010: 11). Die Übersetzungsvorschläge zeigen, dass angesichts der vom Autor gewählten Ausdrücke an all diesen Stellen auch eine weniger drastische Wortwahl möglich gewesen wäre, ohne die Funktion der negativen Charakterisierung aufzugeben. Natürlich kann man nachvollziehen, dass der wesentlich jüngere Dolmetscher, der sich selbst unsterblich in die Französin verliebt hat, den alten Herrn nicht gerade bewundert - aber andererseits übt dieser doch wohl auf die junge Frau eine so starke Anziehungskraft aus, dass sie mit ihm zusammen in den Tod geht. Aus meiner Sicht trägt die Charakterisierung des alten Richters aus der Sicht des Protagonisten, wie sie in der Übersetzung klingt, nicht zur Glaubwürdigkeit eines Dolmetschers bei, der schließlich über Wochen und Monate für eine angeblich so abstoßende Person arbeitet, obwohl er finanziell nicht darauf angewiesen ist. Natürlich könnten diese Ungereimtheiten auch dem Autor angelastet werden - wenn man jedoch die spanischen Ausdrücke, um die es geht, analysiert und „funktional“ statt „treu“ übersetzt, ergibt sich durchaus ein etwas differenzierteres Bild. Literaturverzeichnis Primärliteratur Ponce, Néstor (1998). El intérprete. Buenos Aires: Viterbo. Ponce, Néstor (2010). Der Dolmetscher. Aus dem argentinischen Spanisch von Tobias Wildner. Stuttgart: Abrazos. Christiane Nord 268 Sekundärliteratur Arriba, María Laura de (2005). El intérprete de Néstor Ponce. In Seminario Juan Rodolfo Wilcock (Hg.), Cuatro lecturas de la obra de Néstor Ponce. Französische Fas sung auch online: http: / / www.nestorponce.com (Stand: 19.03.2010). Diego, José Luis de (1998). El intérprete. In La Vieja Estación, La Plata. Französische Fassung auch online: http: / / www.nestorponce.com (Stand: 19.03.2010). Fillmore, Charles (1977). Scenes-and-frames semantics. In Antonio Zampolli (Hg.), Linguistic structure processing. Amsterdam: North-Holland, 55-81. Minguzzi, Armando V. (2007). Trasladarse y traducir: itinerarios de la lengua en la literatura argentina trasnacional. In Literatura transnacional argentina. Nuevos ambitos y fronteras. Sevilla: Escuela de Estudios Hispano-Americanos. Franzö sische Fassung auch online: http: / / www.nestorponce.com (Stand: 19.03.2010). Nord, Christiane (2010): Spielball der Mächte: Néstor Ponces Roman El intérprete. In Klaus Kaindl/ Ingrid Kurz (Hg.), Machtlos, selbstlos, meinungslos? Interdiszplinäre Analysen von ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen in belletristischen Werken. Wien: LIT, 181-190. Ponce, Néstor (2011). Homepage des Autors. http: / / www.nestorponce.com (Stand: 30.06.2011). Vermeer, Hans J./ Witte, Heidrun (1990). Mögen Sie Zistrosen? Scenes & frames & channels im translatorischen Handeln. Heidelberg: Groos. Christiane Nord: Diplom-Übersetzerin Spanisch/ Englisch (Universität Heidelberg 1967), Dr. phil. in Romanischer Philologie (Universität Heidelberg 1983), Habilitation in Angewandter Übersetzungswissenschaft und Übersetzungsdidaktik (Universität Wien 1993). Seit 1967 an den Universitäten Heidelberg, Wien, Hildesheim und Innsbruck und an der Hochschule Magdeburg-Stendal (1996-2005) in der Übersetzerausbildung und -fortbildung tätig. Gastdozenturen und Vorträge in fast der ganzen Welt. Ca. 200 Publikationen zum „Funktionalismus“ in Übersetzungstheorie, -methode und -didaktik auf Deutsch, Englisch, Spanisch sowie Übersetzungen ins Italienische, Arabische, Chinesische, Koreanische. Seit 2007 a.o. Prof. der University of the Free State, Bloemfontein, Südafrika. Seit 2008 Mitglied des „Flying Staff“ der Deutsch-Jordanischen Hochschule/ German-Jordanian University in Amman, Jordanien. Die vorliegende Festschrift würdigt mit Sylvia Kalina eine Dolmetschwissenschaftlerin, die Praxis, Lehre und Forschung auf einzigartige Weise kombiniert. In den Beiträgen greifen ihre Kolleginnen und Kollegen sowohl ihre Forschungsschwerpunkte der Dolmetschdidaktik und Dolmetschqualität als auch die von ihr entwickelten Modelle zum Dolmetschprozess und zur Dolmetschqualitätssicherung auf. Es wird dabei klar, dass Sylvia Kalinas Werk nicht nur einen zentralen Stellenwert in der Dolmetschwissenschaft einnimmt, sondern dass sie auch eine psycholinguistisch orientierte Tradition mitbegründet hat, die - in Anlehnung an die bekannten „Schulen“ der Dolmetschwissenschaft - erstmals als „Heidelberger Schule“ bezeichnet wird. ISBN 978-3-8233-6745-1