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Aufgaben, Methoden und Verstehensprozesse im englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe

2013
978-3-8233-7798-6
Gunter Narr Verlag 
Ann Kimes-Link

Die vorliegende Studie gewährt anhand mehrerer Fallstudien einen Einblick in die Realität schulischen Literaturunterrichts und leistet somit einen Beitrag zur Grundlagenforschung im Rahmen der fremd-, aber auch der muttersprachlichen Literaturdidaktik. Besonderes Augenmerk liegt gemäß den Prämissen einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik auf der Frage, wie literarische Texte im Englischunterricht de gymnasialen Oberstufe tatsächlich gelesen werden und durch welche Aufgaben und Methoden Lehrkräfte das Unterrichtsgeschehen steuern. Es wird geprüft, inwiefern diese didaktischen Maßnahmen geeignet sind, die Interaktion der Lernenden mit dem Text sowie die Interaktion der Lernenden untereinander zu intensivieren und so vertiefte Verstehensprozesse zu begünstigen. Die Studie bedient sich eines qualitativ-empirischen Designs und einer Daten-, Methoden- und Perspektiventriangulation. Durch die Integration von Videoaufzeichnungen, Lehrer- und Schülerinterviews sowie schriftlichen Schülerprodukten wird ein Panoramablick auf das Unterrichtsgeschehen bereitgestellt, der es ermöglicht, Hypothesen über die Ausbildung verschiedener Kompetenzen auf Seiten der Lernenden sowie über lernförderliche und -hinderliche Bedingungen für die Vertiefung von Verstehensprozessen beim Umgang mit literarischen Texten zu generieren.

Ann Kimes-Link Aufgaben, Methoden und Verstehensprozesse im englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe Eine qualitativ-empirische Studie Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik Aufgaben, Methoden und Verstehensprozesse im englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler. Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho. Ann Kimes-Link Aufgaben, Methoden und Verstehensprozesse im englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe Eine qualitativ-empirische Studie Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-6798-7 Für meine Mutter Karin sowie in Erinnerung an meinen Vater Michael Francis Kimes und Lothar Bredella 3 Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um die gekürzte Fassung meiner Dissertation, die ich im Mai 2012 am Fachbereich 05 (Institut für Anglistik) der Justus-Liebig-Universität Gießen eingereicht habe. Die Disputation fand am 29.10.2012 statt. Ganz besonders danken möchte ich meiner Doktormutter, Prof. Dr. Eva Burwitz-Melzer, die meinen akademischen Werdegang über die herausragende Betreuung meiner Dissertation hinaus auf vielfältige Weise geprägt hat. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Didaktik der englischen Sprache und Literatur (TEFL) an der Justus-Liebig-Universität Gießen erhielt ich am Lehrstuhl von Prof. Burwitz-Melzer viel Geborgenheit, Ansporn und zahlreiche wertvolle Anregungen. Zudem erhielt ich die Gelegenheit, an verschiedenen Projekten in der Literaturdidaktik mitzuwirken und mein Forschungsprojekt in Doktorandenkolloquien zu präsentieren, zu diskutieren und mich mit anderen konstruktiv darüber auszutauschen. Für die fruchtbaren Hinweise möchte ich in diesem Zusammenhang auch Prof. Dr. Michael Legutke und Prof. Dr. Jürgen Quetz danken. Ganz herzlicher Dank gilt darüber hinaus dem ursprünglichen Zweitgutachter meiner Dissertation, Prof. Dr. Lothar Bredella, der meine Forschungsarbeit mit großem Interesse und Engagement verfolgt, unterstützt und mitbetreut hat. Er hat sich stets viel Zeit für weiterführende Gespräche genommen, mich immer wieder mit seinem Interesse und seiner Begeisterung angesteckt und mich zum Nachdenken über verschiedene Disziplinen hinweg motiviert. Da Lothar Bredella traurigerweise plötzlich verstorben ist, möchte ich Prof. Dr. Michael Legutke aufrichtig dafür danken, dass er die Begutachtung meiner Arbeit spontan übernommen hat. Außerdem möchte ich mich herzlich bei allen beteiligten Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Schulleitern bedanken, die sich für die Durchführung des vorliegenden Forschungsprojekts freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben. Meinen Kollegen und Mitstreitern am Institut für die Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Dr. Britta Freitag-Hild und Ivo Steininger möchte ich für die produktiven Gespräche und ihre wertvollen Feedbacks danken. Als hilfsbereite und gewissenhafte Korrekturleserinnen und -leser haben außerdem Tina Normann und Siegfried Rachut sehr kostbare Dienste geleistet. Ferner danke ich Anne Schröter für ihre unschätzbare Formatierungshilfe und Dieter Laufer für die technische Unterstützung. Besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie: meinem Mann, Marc Link, der mich mit seiner Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht nie den Fokus 4 verlieren ließ; der regelmäßige Austausch mit ihm hat zum Gelingen der Arbeit maßgeblich beigetragen; und meinen Kindern, Lily und Lenny, für die immer wieder willkommene Ablenkung und Freude, die sie täglich in mein Leben gebracht haben und bringen. Der größte Dank gilt allerdings meiner Mutter, Karin, die immer an mich geglaubt und mich bei allen Unternehmungen bedingungslos unterstützt hat. Durch ihre großzügigen 'Babysitter-Dienste' hat sie mir stets die notwendigen Freiräume zum Schreiben geschaffen, ohne die die Fertigstellung meiner Dissertation in der vorliegenden Form nur schwer möglich gewesen wäre. 5 1 Einleitung .......................................................................................................9 1.1 Einführung in den Gegenstandsbereich: Literarische Texte als bildungsrelevante Inhalte und rezeptionsästhetische Literaturdidaktik.................................................. 9 1.2 Zielsetzung, Forschungsdesign und Aufbau der Arbeit.......................10 2 Fremdsprachliche Literaturdidaktik..........................................................14 2.1 Geschichte, Bezugsdisziplinen und Aufgabenbereiche der Literaturdidaktik .......................................................................................14 2.2 Rezeptionsästhetische Literaturdidaktik.................................................19 2.3 Methoden der Literaturvermittlung ........................................................22 2.3.1 Textanalytische und interpretative Verfahren.............................23 2.3.2 Handlungs- und produktionsorientierte Verfahren...................29 2.3.2.1 Der produkt-, persönlichkeits- und prozessorientierte Ansatz ........................................................................................ 34 2.3.2.2 Lernertexte.................................................................................. 41 2.3.2.3 Verfahren der szenischen Interpretation ............................... 43 2.3.2.4 Bewertung kreativer Schülerprodukte .................................... 46 2.3.2.5 Gefahren eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts ................................................................. 48 2.3.3 Aufgabenorientierung (Task-Based Language Learning) ..........51 2.3.4 Unterrichtsgespräche........................................................................55 3 Diskussion über den Stellenwert literarischer Texte in bildungspolitischen Dokumenten für den Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe .........................................................................66 3.1 Zielsetzungen im deutschen Schulsystem im Wandel .........................66 3.2 Literarische Texte im GeR und den Bildungsstandards .......................68 3.3 Expertisen für ein Kerncurriculum Oberstufe - Englisch....................71 3.4 Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Englisch (EPA).............................................................................................75 3.5 Der hessische Lehrplan Englisch für den gymnasialen Bildungsgang (2006)...................................................................................79 4 Die Untersuchung........................................................................................83 4.1 Begründung empirischer Forschung im fremdsprachlichen Literaturunterricht ......................................................................................83 4.2 Erkenntnisinteresse und Zielsetzung der Studie ...................................85 4.3 Untersuchungsdesign.................................................................................89 6 4.3.1 Merkmale qualitativer Forschung ..................................................89 4.3.2 Methodisches Vorgehen und Erhebungstechniken....................98 4.3.2.1 Zugang zum Feld ..................................................................... 101 4.3.2.2 Datentriangulation: Videografie, Feldnotizen, Schülerprodukte ..................................................................... 101 4.3.2.3 Perspektiventriangulation: Retrospektive Interviews mit Lehrenden und Lernenden ................................................... 104 4.3.3 Dokumentation, Auswertung und Interpretation der Daten .105 4.3.3.1 Diskurs- und Interaktionsanalyse ......................................... 107 4.3.3.2 Qualitative Inhaltsanalyse und theoretisches Kodieren..... 108 4.3.3.3 Interpretation der retrospektiven Interviews und schriftlichen Schülerarbeiten ................................................. 109 4.3.4 Theoretisches Sampling .................................................................110 5 Kodierung, Analyse und Interpretation von Lehrer- und Schülerbeiträgen am Beispiel Romeo and Juliet in einem Leistungskurs der Jahrgangsstufe 13 ................................................................................112 5.1 Die Kodierungen der Lehrer- und Schülerbeiträge ............................112 5.2 Unterrichtsbeispiel: Romeo and Juliet in einem 13er Leistungskurs119 5.2.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft........................................119 5.2.2 Der Text: Romeo and Juliet............................................................120 5.2.3 Die Verfilmungen von Franco Zeffirelli (1968) und Baz Luhrmann (1996) ..........................................................................124 5.2.4 Unterrichtsverlauf ...........................................................................126 5.2.5 Mündliche und schriftliche Schülerbeiträge und -leistungen in den Unterrichtsstunden und Ausschnitte aus dem Unterrichtsgespräch .......................................................129 5.2.5.1 Erarbeitung der Ballszene (Akt I, 5) ..................................... 129 5.2.5.2 Kreativer Arbeitsauftrag zur inhaltlichen Erarbeitung von Akt III ................................................................................ 153 5.2.5.3 Personal Comments zu Romeo and Juliet ............................ 160 5.2.6 Das retrospektive Interview mit Schülerinnen und Schülern (RIS) ..................................................................................................162 5.2.6.1 Schülerinterview (RIS I) ......................................................... 163 5.2.6.2 Schülerinterview (RIS II) ........................................................ 171 5.2.7 Das retrospektive Interview mit der Lehrerin (RIL).................179 5.3 Fazit ...........................................................................................................187 7 6 Der Jugendroman Cloning Miranda in einer Jahrgangsstufe 11...........190 6.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft .................................................190 6.2 Der Text: Cloning Miranda .....................................................................190 6.3 Unterrichtsverlauf.....................................................................................192 6.4 Mündliche und schriftliche Schülerbeiträge und Ausschnitte aus den Unterrichtsgesprächen .....................................................................194 6.4.1 Aktivierung des Vorverständnisses der Lernenden zu "perfection".......................................................................................194 6.4.2 Charakterisierung der Protagonistin Miranda ..........................197 6.4.3 Erarbeitung der Figurenkonstellation: Miranda und ihre Eltern .................................................................................................207 6.4.4 Intertextuelle Bezüge zur Vertiefung des Themas Klonen ......215 6.5 Das retrospektive Interview mit Schülerinnen und Schülern (RIS) 219 6.6 Das retrospektive Interview mit der Lehrerin (RIL)...........................228 6.7 Fazit ...................................................................................................234 7 Die australische Kurzgeschichte "Neighbours" in einem Grundkurs der Jahrgangsstufe 13 ............................................................237 7.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft ...............................................237 7.2 Der Text....................................................................................................237 7.3 Unterrichtsverlauf...................................................................................239 7.4 Mündliche und schriftliche Schülerbeiträge und Ausschnitte aus den Unterrichtsgesprächen............................................................241 7.4.1 Rollenspiel einer interkulturellen Begegnung als pre-reading activity zur Erarbeitung der Kurzgeschichte ......241 7.4.2 Analyse des Settings.......................................................................248 7.4.3 Erarbeitung der Figurenkonzeption und -konstellation.........255 7.4.4 Kreative Schreibaufgabe: The story through the eyes of the Macedonians ...................................................................................268 7.5 Das retrospektive Interview mit Schülerinnen und Schülern (RIS) ..........................................................................................................271 7.6 Das retrospektive Interview mit dem Lehrer (RIL)..........................283 7.7 Fazit ..........................................................................................................290 8 Der Jugendroman Big Mouth and Ugly Girl in einem Vorleistungskurs der Jahrgangsstufe 11..................................................293 8.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft ...............................................293 8.2 Der Text ...................................................................................................293 8.3 Unterrichtsverlauf...................................................................................295 8.4 Mündliche und schriftliche Schülerbeiträge und Ausschnitte aus den Unterrichtsgesprächen............................................................298 . .. . . ... .. 8 8.4.1 Brainstorming zu Big Mouth and Ugly Girl ..............................298 8.4.2 Rückbezug zu den Plakaten aus der pre-reading phase ...........301 8.4.3 Kreativer Lernertext und Galeriegang........................................303 8.4.4 Rollenspiel: Police Interrogation ..................................................307 8.4.5 Kreative Schülerprodukte: Is Matt a bomber? ...........................312 8.4.6 Charakterisierung von Ursula/ Ugly Girl....................................317 8.4.7 Standbild zur Vertiefung der Figurenkonstellation.................323 8.4.8 Transfer zu den Amokläufen in Columbine und Erfurt und Rückbezug zum Roman................................................................326 8.5 Das retrospektive Interview mit Schülerinnen und Schülern (RIS) ..........................................................................................................332 8.6 Das retrospektive Interview mit dem Lehrer (RIL)..........................342 8.7 Fazit ..........................................................................................................347 9 Erkenntnisse und Hypothesen.................................................................349 9.1 Aufgabenstellungen und Methoden....................................................350 9.1.1 Textanalytische und handlungs- und produktionsorientierte Verfahren ..............................................352 9.1.2 Umgang mit Lernertexten ............................................................366 9.1.3 Unterrichtsgespräche ....................................................................368 9.1.4 Intertextuelle und -mediale Verfahren......................................371 9.1.5 Aufgabensequenzen und -arrangements ..................................375 9.2 Konsequenzen für die Lehrerbildung, den Fremdsprachenunterricht und die bildungspolitische Diskussion............................377 Literaturverzeichnis ........................................................................................381 9 ! " Literarische Texte sind integraler Bestandteil des schulischen Fremdsprachenunterrichts und mit ihnen lassen sich zahlreiche Bildungsziele und Kompetenzen verfolgen. Sie stellen eine Quelle nicht-trivialer Inhalte dar und sind Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit der Zielsprache und den Zielkulturen. Sie ermöglichen authentische interkulturelle Begegnungen, fördern Fremdverstehen und fordern die Lernenden zu Perspektivenwechsel und -übernahme heraus. Durch die Lektüre werden menschliche Handlungsweisen und kulturell geprägte Referenzmuster vor Augen geführt, sodass die Schülerinnen und Schüler verschiedene Sichtweisen kennen lernen und ihren subjektiv begrenzten Erfahrungs- und Erlebnishorizont erweitern. Ferner sind literarische Texte ein Medium der Auseinandersetzung mit Hauptfragen der menschlichen Existenz und ethischer Gesichtspunkte, sodass sie der Moral- und Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden sowie der Förderung von Empathie dienen (vgl. S PINNER 2001). Die Bildungsrelevanz literarischer Texte resultiert zudem daraus, dass sie ihren Rezipienten Modelle "für die Deutung ihrer Erfahrungen, Hoffnungen und Ängste" bereitstellen (B REDELLA / H ALLET 2007: 4) und sie dazu veranlassen, ihr Selbst- und Weltverständnis zu reflektieren. Schließlich entwerfen literarische Texte Modelle der Wirklichkeit, deren Angemessenheit jeweils diskutabel ist, sodass jeder individuelle Verstehensvorgang die Möglichkeit zum Dialog und zur Anschlusskommunikation enthält. Insgesamt vermag der fremdsprachliche Literaturunterricht deshalb neben den vier Sprachfertigkeitsebenen Lesen, Schreiben, Sprechen und Hören auch kognitive, affektive, kreative, interkulturelle, soziale, diskursive, intertextuelle und -mediale, methodische und strategische Kompetenzen auszubilden (vgl. B REDELLA 2002a; B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004; B URWITZ -M ELZER 2003/ 2005a/ 2005b; H ALLET 2007a; N ÜNNING / S URKAMP 2006; S TUCK 2008 et al.). Die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik lenkt die Aufmerksamkeit auf das dynamische Wechselspiel zwischen Leser und Text. In diesem Sinne ist die Bedeutung eines literarischen Textes nicht einfach gegeben, sondern entsteht erst in der Interaktion zwischen Leser und Text, sodass es auf die Tätigkeit des Lesers im Rezeptionsprozess ankommt. Der Leser wird als selbst tätiges, denkendes und fühlendes Subjekt angesprochen und herausgefordert, 10 vor dem Hintergrund seines Vorwissens, seiner Interessen und Erwartungen auf den Text zu antworten, sodass Text und Leser aufeinander angewiesen sind und sich "Verstehen in der Dialektik von Lenkung durch den Text und Freiheit der Deutung vollzieht" (B REDELLA 2003: 53f.). So überwindet die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik einen formalistischen Literaturbegriff, erkennt aber die "Eigenständigkeit und Zeichenhaftigkeit" (H ALLET 2010: 202f.) des literarischen Textes weiterhin an. Ein rezeptionsästhetisch orientierter Literaturunterricht fordert die Lernenden auf, über ihre Erfahrungen, Reaktionen, Deutungen, Gedanken und Gefühle zu sprechen und ihre Sinndeutungen mit anderen auszuhandeln und zu differenzieren. Insofern versteht sich die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik als erfahrungs- und leserbezogen und betont ein ästhetisches Lesen zum Gewinn neuer Einsichten. Der fremdsprachliche Literaturunterricht gilt so nicht als Ort der Wissensvermittlung über literarische Texte, sondern als Ort, an dem ausgehend von den kognitiven und emotionalen Sinnbildungsprozessen der Lernenden, Erfahrungen mit literarischen Texten gemacht werden können (vgl. S URKAMP 2010b: 137f.). Ausgangspunkt für das vorliegende Forschungsprojekt ist die in fachdidaktischen Publikationen wiederholt geäußerte Annahme, "dass neuere literaturdidaktische Konzepte, bildungspolitische Überlegungen und die literarische Unterrichtspraxis weit auseinander klaffen" (J ARFE 1997b u.a.), der traditionelle Literaturunterricht zu wissenschaftspropädeutisch ausgeprägt sei und eine einseitige, kognitive Textkommentierung dominiere, die andere sinnvolle kommunikative Ausdrucks- und Übungsformen an den Rand dränge (vgl. S CHRÖDER 2001; K LIPPEL 2001; T ENORTH 2001; Z YDATIß 2001). Dennoch ist wenig darüber bekannt, wie Rezeption und Interaktion mit literarischen Gegenständen in der Unterrichtspraxis tatsächlich stattfindet und der Mangel an Grundlagenforschung innerhalb der fremdsprachlichen Literaturdidaktik wird vielseitig beklagt: Ein Großteil dessen, was in der fachdidaktischen Diskussion als gegeben konstatiert werde, basiere auf Spekulationen, zufälligen Beobachtungen oder weit zurückliegenden persönlichen Erfahrungen (B URWITZ -M ELZER 2005a; K ÜPPERS 1999). # $ % &! ' ' Das vorliegende Dissertationsprojekt wendet sich deshalb der Frage zu, wie Rezeption und Interaktion mit literarischen Gegenständen im englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe im Verlauf einer Unterrichtseinheit stattfindet und durch welche Aufgaben und Methoden Lehrkräfte das Unterrichtsgeschehen steuern. Im Sinne einer rezeptionsästhetischen Litera- 11 turdidaktik ist dabei von besonderem Interesse, inwiefern einzelne Aufgabenstellungen und Methoden geeignet sind, die Interaktion zwischen den Lernenden und dem Text sowie die Interaktion innerhalb der Lerngruppe zu intensivieren, gemeinsame Bedeutungsaushandlungen zu initiieren und vertiefte Verstehensprozesse zu begünstigen. Maßgebliche Zielsetzungen der Studie sind demnach im Einzelnen • die kontextuelle Beschreibung des Ist-Zustands der schulischen Arbeit mit literarischen Texten im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe anhand mehrerer Fallstudien und die Feststellung eines empirischen Sachstandes; • die detaillierte Analyse exemplarischer Aufgaben(-sequenzen) und Methoden im Hinblick auf ihr Potenzial, Rezeptions- und Verstehensprozesse im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik zu fördern; • Stärken und Schwächen in der literarischen Unterrichtspraxis aufzudecken; • Bedingungsfaktoren für erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse zu ermitteln; • Hypothesen über lernförderliche bzw. -hinderliche Bedingungen für die Förderung von Verstehensprozessen beim Umgang mit literarischen Texten zu generieren; • der Diskussion zur Reformierung der gymnasialen Oberstufe neue Impulse zu liefern und • zu einem Dialog zwischen Literaturdidaktik und Literaturunterricht beizutragen, der im Sinne der Lehrerausbildung nutzbar gemacht werden kann. Der Umgang mit literarischen Texten wird dazu in der vorliegenden Arbeit aus insgesamt drei Perspektiven beleuchtet: • aus einer zunächst theoretischen Perspektive unter dem Gesichtspunkt der fremdsprachlichen Literaturdidaktik mit Fokus auf der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik, • aus einer bildungspolitischen Perspektive, die den Stellenwert und den Umgang mit literarischen Texten in aktuellen bildungspolitischen Dokumenten analysiert, • sowie aus einer unterrichtspraktischen Perspektive, die sich der Frage zuwendet, wie literarische Texte im Unterricht tatsächlich gelesen werden. In Kap. 2 werden die Prinzipien der fremdsprachlichen Literaturdidaktik sowie verschiedene Methoden der Literaturvermittlung erörtert, die der Analyse der dem empirischen Teil zugrundeliegenden Fallstudien dienen. 12 In Kap. 3 steht die Diskussion über den Stellenwert literarischer Texte in bildungspolitischen Dokumenten für den Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe in Hessen im Vordergrund. Dazu werden der Stellenwert und der Umgang mit literarischen Texten im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (E UROPARAT 2001), in den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss (KMK 2004a), in den Expertisen für die Entwicklung eines Kerncurriculums für die Oberstufe (T ENORTH 2001), in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (KMK 2002) sowie dem hessischen Lehrplan Englisch für den gymnasialen Bildungsgang (2006) analysiert. Im Anschluss daran werden in Kap. 4 das Erkenntnisinteresse der Arbeit und die forschungsmethodologische Vorgehensweise skizziert. Die Studie ist dem qualitativen Forschungsparadigma zuzurechnen, das eine Erhebung und Interpretation möglichst vielfältiger Daten aus unterschiedlichen Perspektiven propagiert, um eine einseitige Sicht auf den Gegenstand zu verhindern (vgl. F LICK 2004; R IEMER 2005; D ÖRNYEI 2007). Dementsprechend umfassen die in der vorliegenden Studie eingesetzten Erhebungstechniken im Sinne einer Daten-, Methoden- und Perspektiventriangulation die (nicht-) teilnehmende Beobachtung, das Anfertigen von Videoaufnahmen und Feldnotizen, die Integration schriftlicher Schülerprodukte und Unterrichtsmaterialien sowie retrospektive Interviews mit Lehrenden und Lernenden. Das methodische Vorgehen ist induktiv und umfasst die Schritte Beobachtung, Beschreibung und Analyse, sodass die Hypothesen anhand der im real stattfindenden Literaturunterricht erhobenen, analysierten und interpretierten Daten generiert werden. Den Schwerpunkt der Kap. 5 bis 8 bilden vier Fallstudien zum Einsatz literarischer Ganzschriften im englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe. Das Augenmerk der Fallbeispiele liegt dabei auf den Aufgaben und Methoden, anhand derer Lehrkräfte das Unterrichtsgeschehen steuern und welche Aufgabenformate im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik geeignet sind, die Interaktion der Lernenden mit dem Text sowie die Interaktion der Lernenden untereinander zu fördern und ein vertieftes Textverstehen zu begünstigen. Die Fallstudien stellen authentische Einblicke in die Unterrichtspraxis bereit und dienen als Ausgangspunkt für die Generierung empirisch fundierter Hypothesen, die Optimierungsmöglichkeiten für die literarische Unterrichtspraxis aufzeigen und die literaturdidaktische Theorienbildung vorantreiben sollen. Schließlich sollen die unterrichtspraktischen Erkenntnisse der Diskussion zur Reformierung der gymnasialen Oberstufe neue Impulse liefern und zu einem Dialog zwischen Literaturdidaktik und 13 Literaturunterricht beitragen, der im Sinne der Lehrerausbildung nutzbar gemacht werden kann. In Kap. 9 werden die gewonnenen Erkenntnisse abschließend in Bezug auf die Stärken und Schwächen exemplarischer Aufgabenstellungen und Methoden vor dem Hintergrund rezeptionsästhetischer Prämissen und der Förderung verschiedener Kompetenzen zusammengeführt. Den Abschluss der Arbeit bilden Konsequenzen für die Lehrerbildung, den Fremdsprachenunterricht und die bildungspolitische Diskussion. 14 # & ( # % ) ' Die Literaturdidaktik ist eine angewandte Wissenschaft, die sich mit dem Lehren und Lernen literarischer Texte beschäftigt. B REDELLA (1976: 23) differenziert Literaturdidaktik einerseits als "Theorie vom Literaturunterricht", die den Literaturunterricht als ihr Objekt untersucht und andererseits als "Theorie für den Literaturunterricht", die die bestehende Praxis auf ihre Berechtigung hin untersucht und innovative Ansätze für den Unterricht konzipiert. Nach H ALLET (2010a: 201f.) lässt sich die Literaturdidaktik als Disziplin sogar in vierfacher Weise noch differenzierter bestimmen: • Sie ist zum Ersten eine Theorie vom Stellenwert der Literatur in Bildungsprozessen und den Rahmenbedingungen, Bildungszielen und Orientierungen, die mit dem institutionellen fremdsprachlichen Literaturunterricht verknüpft sind. […] • Die Literaturdidaktik ist zum Zweiten eine Wissenschaft von den mit der Vermittlung und der Rezeption von literarischen Texten verbundenen Lehr- und Lernprozessen, individuellen Rezeptionsweisen und kognitiven Prozessen, sozialen Interaktionen und fremdsprachlich-diskursiven Prozessen. […] • Drittens ist die Literaturdidaktik eine Anwendungswissenschaft, die Theorien und Konzepte für die Inhalte und die methodische Gestaltung des Literaturunterrichts entwickelt. […] • Ein viertes Feld der Literaturdidaktik betrifft (das bisher wenig entwickelte) Feld der für den Literaturunterricht didaktischen Kompetenzen der Lehrkräfte. […] S URKAMP (2010a: 137) sieht die Hauptaufgabenfelder der fremdsprachlichen Literaturdidaktik insbesondere in der Begründung für den Einsatz sowie der Auswahl geeigneter literarischer Texte, den eingesetzten Methoden sowie im Kompetenzerwerb auf Seiten der Lernenden: Die fremdsprachliche Literaturdidaktik untersucht, "warum und wie literarische Texte in institutionell organisierten fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozessen eingesetzt werden sollten, welche Kompetenzen durch die Beschäftigung mit Literatur ausgebildet werden können und welche Texte sich dafür jeweils besonders anbieten". Nach D ÜCKER (2008: 433) umfasst die Literaturdidaktik schließlich "die Organisation rezeptiver, produktiver, darstellender, analytischer, kommunikativer, rhetorisch-argumentativer, wissensentnehmender und -speichernder Handlungsformen und Erkenntnismöglichkeiten". Die Literaturdidaktik ist eine relativ junge eigenständige wissenschaftliche Disziplin, die sich erst in den 1960er und 1970er Jahren an den 15 Universitäten etablieren konnte (L EUBNER / S AUPE / R ICHTER 2010: 11). Literaturwissenschaft, Pädagogik, Erziehungswissenschaft, Psychologie sowie Kultur- und Medienwissenschaft u.a. gelten als enge Bezugswissenschaften, die die Literaturdidaktik bei der Modellierung ihrer Vermittlung von Texten an Schüler angehalten ist zu berücksichtigen (vgl. N ICKEL -B ACON 2006: 96). Der wechselseitige Bezug dieser Disziplinen wird dabei in den Dienst einer Verbesserung der Unterrichtsqualität gestellt (W ESKAMP 2001: 197). Insgesamt muss die schulische Vermittlung von Literatur hiernach an einer breiten, literaturhistorisch orientierten und gleichzeitig methodisch innovativen, die ästhetischen Dimensionen ihres Gegenstandes sowie die Perspektive der Leser umfassenden Ausbildung interessiert sein (vgl. B OGDAL 2003: 14). Der Bezug zur Literaturwissenschaft ist dabei von besonderer Bedeutung, da die Literaturdidaktik als Teildisziplin der Literaturwissenschaft betrachtet wird. Während die Literaturwissenschaft als jene Disziplin verstanden wird, deren Gegenstand literarische Texte sind, untersucht die Literaturdidaktik als angewandte Literaturwissenschaft literarische Texte unter der Perspektive von Lehr- und Lernprozessen und adressiert die Fragen, warum und wie literarische Texte gelesen werden, wie sie von sehr unterschiedlichen Lesern tatsächlich gelesen werden und wie man erreichen kann, dass diese Leser literarische Texte angemessener lesen lernen (vgl. B REDELLA 2002b: 106f.). Fachwissenschaft und Fachdidaktik können aber nicht unabhängig voneinander betrachtet werden; ihr wechselseitiger Bezug sollte vielmehr zu einer Verbesserung der Unterrichtsqualität genutzt werden. Die Literaturdidaktik beschäftigt sich verstärkt mit dem Verstehen fiktionaler Texte, die aufgrund ihrer poetischen Funktion von Sprache eine besondere Herausforderung für Leser darstellen (B URWITZ -M ELZER 2003: 9) sowie die mit dem Lesen literarischer Texte verbundenen ästhetischen Erfahrungen. Seit Beginn der 1990er Jahre gibt es in der Sprachlehr- und lernforschung kontroverse Ansichten zum Einsatz literarischer Texte im Unterricht (ibid.: 10). Kritiker wie E DMONDSON (1991), F REUDENSTEIN (1991) u.a. sehen literarische Texte im Sprachunterricht als Überforderung, da die Zielsprache gleichzeitig Objekt und Verständigungsmittel im Lehr- und Lernprozess sei; Befürworter wie B REDELLA (1989, 1990), H UNFELD (1986) und H ERMES (1979) hingegen betonen das besondere Motivationspotenzial literarischer Texte und die Vielzahl von Diskussionsanlässen, die durch sie evoziert würden (vgl. ibid.). Das didaktische Potenzial literarischer Texte ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass ihr Inhalt als Artikulationsanlass und ihre Ausdrucksmittel als Artikulationsmodell fungieren, sodass sie eine Doppelfunktion erfüllen (B RUSCH / C ASPARI 1998: 169): Die Inhalte vermögen authentische Redeanlässe zu initiieren, während die Ausdrucksmittel dabei 16 Hilfestellungen leisten. Dieses besondere sprachfördernde Potenzial literarischer Texte wird im Rahmen eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts insofern fokussiert, als Formen der Anschlusskommunikation, wie etwa das Interpretationsgespräch (vgl. N ISSEN 1992) in den Vordergrund gestellt werden (H ALLET 2010: 202). Wie in der Literaturwissenschaft lassen sich auch in der Literaturdidaktik verschiedene miteinander konkurrierende Positionen ausmachen. So lassen sich ideologiekritische, formalistisch-objektivistische, subjektivistische, interaktionistische und dekonstruktivistische Positionen unterscheiden (B REDELLA 2004; B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004). Im 20. Jahrhundert wurde die fremdsprachliche Literaturdidaktik zunächst durch den werk- und textzentrierten New Criticism, anschließend stark durch die Rezeptionsästhetik (1970/ 1980er Jahre) beeinflusst. Im Anschluss an eine idealistische Tradition und "die Vorstellung vom in sich geschlossenen, für sich sprechenden Kunstwerk" versteht der New Criticism unter Textinterpretation ein Verfahren, durch "das die im Text verborgene Bedeutung durch die Entschlüsselung der textuellen Zeichen" erfasst werden kann (H ALLET 2010: 202f.). Während der New Criticism durch philologische Interpretationsmethoden wie dem close reading die formalen Elemente eines Textes ohne Berücksichtigung des kulturhistorischen Kontextes, der Autobiografie oder der Tätigkeiten des Lesers fokussiert und mithin einem textimmanenten Unterricht entspricht, leitet die Rezeptionsästhetik eine Hinwendung zu mehr Schülerorientierung ein (S URKAMP 2010b: 137f.). So zeichnen sich seit einigen Jahren in der Literaturdidaktik Strömungen ab, die eine einseitige traditionelle Textanalyse kritisch bewerten und alternative bzw. ergänzende Zugangsweisen zu literarischen Texten im schulischen Unterricht propagieren (N ÜNNING 1995; C ASPARI 1994/ 1995/ 2000/ 2003/ 2005; B REDELLA 2002a/ 2004; B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004; B URWITZ -M ELZER 2003; M OSNER 2000; H ALLET 2002; S URKAMP 2007 et al.). Diese Entwicklung führt zu einer Ausdifferenzierung des Methodenrepertoires, die traditionelle textanalytische Methoden und kreative bzw. handlungs- und produktionsorientierte Verfahren integriert, um so nicht nur dem literarischen Text, sondern auch den individuellen Verstehensweisen und Empfindungen der Lernenden Rechnung tragen zu können. Ende der 1990er Jahre bilden sich schließlich im Sinne einer stärkeren Prozessorientierung Verfahren heraus, die um Lernerautonomie bemüht sind und ein selbstständiges verstehendes Lesen auf Seiten der Schüler zu fördern suchen, ohne dass die Lehrkraft Hilfestellung geben muss (H ALLET 2010: 203). In den 1990er Jahren war die Literaturdidaktik zudem stark durch die am Gießener Graduiertenkolleg entstandene Didaktik des Fremdverstehens (vgl. 17 B REDELLA / M EIßNER / N ÜNNING / R ÖSLER 2000) geprägt und der Einsatz literarischer Texte wurde auf das Leitziel des interkulturellen Lernens ausgerichtet. 1 Die Bedeutung fremdsprachiger Literatur, authentische Begegnungen mit anderen Kulturen und Wirklichkeitsmodellen zu offerieren, die Lernenden zu Perspektivenübernahme und Selbstreflexion einzuladen und auf diesem Wege Empathie zu fördern, wurde in diesem Zusammenhang besonders betont. In den 2000er Jahren betont das Konzept der Transkulturalität in Abgrenzung zur Interkulturalität die kulturellen Transferprozesse, die durch das Lesen fremdsprachiger Literatur initiiert werden (vgl. z.B. A NTOR 2006; D ELANOY 2006/ 2008; E CKERTH / W ENDT 2003; F ÄCKE 2006, F REITAG -H ILD 2010a/ b; W ELSCH 1994/ 1999). In jüngster Zeit wird die fremdsprachliche Literaturdidaktik beeinflusst durch verschiedene Paradigmenwechsel innerhalb der Literatur- und Kulturwissenschaften, wie etwa dem performative turn, dem postcolonial turn, dem spatial turn und dem iconic turn (vgl. B ACHMANN -M EDICK 2010). Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass neue Begriffe von Kultur und Text fruchtbar gemacht werden und sich die Literaturdidaktik zu einer Kulturdidaktik entwickelt, die postkoloniale Theorien, Gender-Konzepte sowie intertextuelle und intermediale Ansätze integriert und die Kontextualisierung literarischer Texte in den Mittelpunkt stellt (vgl. B ACHMANN -M EDICK 2004; H ALLET 2002/ 2007a; H ALLET / N ÜNNING 2007; N ÜNNING 2007/ 2008; N ÜNNING / N ÜNNING 2010; N ÜNNING / S OMMER 2004; S CHÖßLER 2006; S URKAMP 2010b). Die Vielfalt der Konzeptionen innerhalb der Literaturdidaktik kann also zum einen auf die Entwicklungen innerhalb ihrer Bezugsdisziplinen zurückgeführt werden, auf die sie reagiert; zum anderen beruht dieser Pluralismus auf dem Umstand, dass "die Komplexität des Interaktionsprozesses zwischen Text und Leser keinen Dogmatismus zuläßt" (G LAAP , zit. in M OSNER 2000: 29) und die Vielfalt der Standpunkte eine differenzierte theoriegeleitete Reflexion der Lehr- und Lernprozesse innerhalb des Literaturunterrichts begünstigt (ibid.). Gemeinsames Ziel aller literaturdidaktischen Ausrichtungen ist es allerdings, in ihren didaktisch-theoretischen Konzeptionalisierungen auf neuere Entwicklungen innerhalb ihrer Bezugsdisziplinen zu reagieren und diese im Sinne einer Schülerorientierung fruchtbar zu machen. Zu den Merkmalen und Zielsetzungen interkulturellen Lernens siehe B REDELLA 2002a; B REDELLA / C HRIST 1995/ 2007; B REDELLA / C HRIST / L EGUTKE 2000; B REDELLA / D ELANOY 1999; B URWITZ -M ELZER 2003; B YRAM 2003; B YRAM / F LEMING 1998; E RLL / G YMNICH 2007; H ALLET 2007a; K RAMSCH 1993/ 1998; K RUMM 2003; K UMBIER / S CHULZ VON T HUN 2011; N ÜNNING 2001; N ÜNNING / N ÜNNING 2000; V OLKMANN 2002 et al. 18 Gleichzeitig steht die fremdsprachliche Literaturdidaktik erneut vor der Herausforderung, den Einsatz literarischer Texte vor dem Hintergrund neuerer Kompetenzbeschreibungen und dem Prinzip der Output-Orientierung legitimieren zu müssen (vgl. Z YDATIß 2005; B REDELLA / H ALLET 2007), da Literatur als Unterrichtsgegenstand seit Erscheinen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen und der Nationalen Bildungsstandards droht, marginalisiert zu werden (vgl. S URKAMP 2010b: 138). 2 Diese Tendenzen innerhalb der deutschen Bildungsstandards sind zum einen auf eine reduktionistische Ausrichtung auf funktionale kommunikative Kompetenzen mit Blick auf die Anforderungen alltagsweltlicher Kommunikationssituationen zurückzuführen (V OLKMANN 2009: 23). Zum anderen wird in diesem Zusammenhang erneut der Bildungswert literarischer Texte infrage gestellt, da die durch die Lektüre literarischer Texte auszubildenden Kompetenzen zu komplex sind, um sie anhand standardisierter Testverfahren erfassen und vergleichbar machen zu können (H ALLET 2010: 202f.). Zudem finden wichtige Impulse der durchaus fruchtbaren literaturdidaktischen Diskussion der letzten Jahre bisher zu wenig Resonanz im schulischen Alltag, wie einige empirische Forschungsprojekte veranschaulichen (vgl. B ENZ 1990; B URWITZ -M ELZER 2005a: 94f.). 3 J ARFE (1997b: 9) moniert in Anschluss an B REDELLA das erhebliche Auseinanderklaffen zwischen Theorie und Praxis des fremdsprachlichen Literaturunterrichts: Demnach stehe nach wie vor eine fortschrittliche, erfahrungsorientierte Literaturdidaktik einem rückständigen, positivistisch ausgerichteten Literaturunterricht gegenüber. D ELANOY (2002: 28) bestätigt eine Monosemierung literarischer Texte im Unterricht sowie einen weit verbreiteten Glauben an objektive Textbedeutungen, die dem Prinzip der Erfahrungsorientierung widerspricht und eine objektivistische Tradition perpetuieren lässt. K LIPPEL (2001: 205) spricht hinsichtlich des fremdsprachlichen Literaturunterrichts von einer existierenden Kluft zwischen den im Literaturunterricht gelesenen Texten und ihrer Interpretation und den auf neuen literaturdidaktischen und literaturwissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Lehrplanempfehlungen. Der umstrittene Stellenwert von Literatur im Fremdsprachenunterricht ist nicht unbekannt. Auch mit Verfolgung der audiolingualen und auch zu Beginn der kommunikativen Methode schien kein Platz mehr für Literatur im Unterricht zu sein: Literarische Texte ließen sich nicht eindeutig den fertigkeitsorientierten Zielsetzungen zuordnen und wurden darüber hinaus insofern als ungeeignet erachtet, dass sie scheinbar keine Muster für die alltagssprachliche face-to-face Kommunikation bereitstellten (vgl. K RUMM 2003: 120). Bildungspolitische Entwicklungen, wie der Entwurf neuer Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe und die Einführung bundesweiter "Bildungsstandards" für den Mittleren Schulabschluss verschärfen diese Situation (B URWITZ -M ELZER 2005a: 95f.). 19 Konsens besteht insgesamt darüber, dass es an empirischer Forschung mangelt, sodass sich die Literaturdidaktik in Zukunft stärker empirisch ausrichten muss, um einerseits belegen zu können, welchen Beitrag literarische Texte für das Lehren und Lernenden fremder Sprachen sowie zur Ausbildung unterschiedlicher Kompetenzen zu leisten vermögen; zum anderen, um darzulegen, inwiefern innovative didaktisch-theoretische Konzeptionalisierungen Eingang in die Unterrichtsrealität finden und, wenn ja, ob diese geeignet sind, die Interaktion zwischen Leser und Text zu vertiefen und ein vertieftes Verständnis zu begünstigen (vgl. B URWITZ -M ELZER 2008; B REDELLA / H ALLET 2007; S URKAMP 2010b). Dazu sucht diese Studie einen Beitrag zu leisten. Da im Mittelpunkt des vorliegenden Forschungsprojektes die verständnisfördernde und -vertiefende Arbeit an literarischen Texten im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe steht, erhält die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik, wie sie B REDELLA und B URWITZ -M ELZER (2004) vertreten, besonderes Gewicht. # # * ! " Als Reaktion auf die stark textorientierte Theorie des New Criticism entwickelte sich in den 1960er Jahren die Rezeptionsästhetik, als deren Hauptvertreter I SER und J AUß gelten. Sie lenken ihre Aufmerksamkeit auf das dynamische Wechselspiel zwischen Leser und Text und überwinden so traditionelle Formen der Produktions- und Darstellungsästhetik (B REDELLA 2002a; B URWITZ -M ELZER 2003; I SER 1994; J AUß 1991; N ÜNNING / N ÜNNING 2010; R OSENBLATT 1981/ 1994/ 1995; W ARNING 1994; W ESKAMP 2001). Die Rezeptionsästhetik konzentriert sich auf die Wirkung literarischer Texte und versteht sich als ein erfahrungs- und leserbezogener Ansatz, der ein ästhetisches Lesen zum Gewinn neuer Einsichten betont. Die Bedeutung eines literarischen Werkes und dessen Bildungswert lassen sich somit nicht mehr unabhängig von der jeweiligen Text-Leser-Beziehung bestimmen (D ELANOY 2002: 139; N ÜNNING 2004: 230). Autor, Text und Leser sind vielmehr aufeinander angewiesen (B REDELLA 2002a: 44). Der Einfluss der literaturwissenschaftlichen Rezeptionsästhetik und der Hermeneutik G ADAMER s auf die Literaturdidaktik geht somit einher mit einer kritischen Evaluation des Paradigmas der im Text enthaltenen fixen Bedeutung, die dem Text durch eine 'richtige' Interpretation zu entnehmen sei und einer Hinwendung zum Leitgedanken der Bedeutungskonstitution im Vorgang der Rezeption (vgl. H ALLET 2010: 202f.). Es steht hier nicht mehr "der zum späteren Studium der Neuphilologie auszubildende Lernende" im 20 Vordergrund, sondern die mehrschichtigen subjektiven, kognitiven und emotionalen Wahrnehmungen und Reaktionen der Lernenden auf literarische Texte avancieren zum Kern des Literaturunterrichts (V OLKMANN 2009: 24). Die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik rückt die Tätigkeiten des Lesers vor dem Hintergrund seiner Lebenserfahrungen in den Mittelpunkt und korreliert so unmittelbar mit der pädagogischen Forderung eines schülerzentrierten Unterrichts (B REDELLA 2003: 57). Dem Primat der Schülerorientierung wird dabei in Form zahlreicher schüleraktivierender, handlungs- und prozessorientierter Herangehensweisen Rechnung getragen. Anhand eines umfangreichen Methodenrepertoires und im Sinne der Prozessorientierung werden durch pre-, while- und post-reading Tasks nicht nur die analytischen und kreativen Kompetenzen der Lernenden gefördert, sondern der literarische Text wird darüber hinaus vielfältig in andere Medien eingebettet, wodurch allgemeine Medienkompetenzen ausgebildet werden und "literarische Berührungsängste schwinden" (V OLKMANN 2009: 24). Gleichzeitig überwindet die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik einen formalistischen Literaturbegriff, greift Erkenntnisse der Rezeptions- und Wirkungsästhetik, der Narratologie, der feministischen und der postkolonialen Literaturkritik auf und ist daran interessiert, eine literarische und narrative Kompetenz auf Seiten der Lernenden aufzubauen (B REDELLA 2004: 33,43). Trotz der Überwindung eines formalistischen Literaturbegriffs spricht die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik dem literarischen Text damit nicht seine "Eigenständigkeit und Zeichenhaftigkeit" (H ALLET 2010: 202f.) ab. Vielmehr wird literarisches Lesen und Verstehen als Dialog und Interaktionsprozess zwischen Leser und Text (B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004) verstanden, bei dem Leser unter der Leitung des Textes auf dem Hintergrund ihres jeweils aufgerufenen Vorwissens, ihrer Interessen und Erwartungen den aufgenommenen Informationen im Wechselspiel zwischen Einzelnem und Ganzem einen Sinn zuschreiben. (B REDELLA 2002b: 111) Der rezeptionsästhetische Verstehensbegriff erachtet Lesen somit nicht als passiven Akt der Informationsentnahme, sondern als kreativen Akt der Bedeutungskonstitution und konzeptionalisiert - "ausgehend von den kognitiven und emotionalen Sinnbildungsprozessen der Lernenden - Literaturunterricht als Ort für subjektiv-individuelle Textbegegnungen" (S URKAMP 2010b: 137f.). Der Fremdsprachenunterricht wird damit zu einem Ort, an dem nicht die Wissensvermittlung über literarische Texte im Vordergrund steht, sondern die Erfahrungen, die mit literarischen Texten gemacht werden. Die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik begründet den Einsatz literarischer Texte im Unterricht damit, dass sie die Lernenden im Hier und 21 Jetzt ansprechen und sie dazu anregen, sich in Charaktere zu versetzen, indem sie sie die Welt durch die Augen anderer sehen lassen (B REDELLA 2002b: 118). Dadurch, dass literarische Texte unterschiedliche Wirklichkeitsmodelle entwerfen und den Leser von einer bestimmten Weltsicht zu überzeugen suchen, regen sie zu einer intensiven Auseinandersetzung mit ihnen an, wobei die ästhetische Distanz die Möglichkeit zur Reflexion und zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Dargestellten eröffnet. Insofern gelten literarische Texte als polyvalent und vermögen authentische Redeanlässe zu initiieren, indem sie Lernende dazu auffordern, über ihre Erfahrungen, Reaktionen, Deutungen, Gedanken und Gefühle zu sprechen und sie mit anderen auszuhandeln und zu differenzieren (negotiation of meaning). 4 Nicht zuletzt zielt eine rezeptionsästhetisch orientierte Literaturdidaktik darauf ab, Freude am Lesen, Imagination und Kreativität, Selbsterfahrung und Fremdverstehen sowie eine Auseinandersetzung mit menschlichen Grunderfahrungen zu fördern (N ICKEL -B ACON 2006: 97). Eine der Hauptaufgaben der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik ist es somit, Methoden zu entwickeln, die den Interaktionsprozess zwischen Leser und Text unterstützen und intensivieren. Dabei sollte stets von der Text-Leser-Beziehung ausgegangen und anschließend erörtert werden, inwiefern andere Aspekte, wie biographische oder soziokulturelle Bezüge oder die Intention des Autors relevant werden (B REDELLA 2002b: 111). Die Interaktion zwischen Text und Leser sollte so gestaltet werden, "dass der Leser einerseits ein besseres Verständnis der Realität gewinnt, auf die der Text explizit oder implizit verweist, und dass er andererseits als Mitspieler, umsichtiger Zuschauer und reflektierender Kritiker auch ein erweitertes und differenziertes Selbst- und Weltverständnis gewinnt" (B REDELLA 2004: 60). Da Lehrer und Schüler ihre eigenen Theorien über die Bedeutung literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht haben, muss die Literaturdidaktik bedenken, wie Lehrer und Schüler das Lesen literarischer Texte verstehen und mit ihnen in einen Dialog treten (B REDELLA 2002b: 109). Die Empirie stellt dafür ein probates Mittel dar. 4 Dass Sprache vor allem in der Interaktion mit anderen gelernt wird (vgl. L IGHTBOWN / S PADA 2003: 42ff.), trifft nicht nur auf die Muttersprache zu, sondern ist auch für schulisch gesteuerte Fremdsprachenerwerbsprozesse von besonderer Bedeutung. 22 # + , ! ( Durch den Einsatz literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht können zahlreiche Kompetenzen auf Seiten der Lernenden gefördert werden: Neben den vier Sprachfertigkeitsebenen Lesen, Schreiben, Sprechen und Hören, die den Bereich der Sprachkompetenz konstituieren, vermag der Literaturunterricht darüber hinaus auch kognitive, affektive, kreative, interkulturelle, soziale, (inter-)textuelle, mediale, methodische und strategische Kompetenzen auszubilden (B REDELLA 2002a; B URWITZ -M ELZER 2003/ 2005a/ 2005b; N ÜNNING / S URKAMP 2006; S TUCK 2008 et al.). Die im fremdsprachlichen Literaturunterricht eingesetzten Aufgaben und Methoden korrelieren unmittelbar mit den durch sie zu fördernden Kompetenzen und zu erreichenden Lernzielen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, zwischen verschiedenen Aufgabenformaten zu unterscheiden. H ALLET (2010b: 175f.) differenziert in diesem Zusammenhang zwischen didaktischen Textaufgaben im engeren Sinne, 'präkommunikativen' und kommunikativen Aufgaben. Während didaktische Textaufgaben eine übende und evaluierende Funktion ausüben und die verschiedenen Textverstehensebenen (globales, selektives und Detailverstehen) operationalisieren, sollen präkommunikative Aufgaben durch ein entsprechendes Scaffolding auf 'echte' Kommunikation vorbereiten (vgl. L EGUTKE 2009). Hierzu ist unter anderem die mittlerweile weitläufig etablierte Einteilung in "pre- (Einstimmung und Vorentlastung), while- (Unterstützung des Rezeptionsprozesses) und post-Phasen (Anschlusskommunikation) der Textarbeit" (H ALLET 2010b: 175) zu zählen, die allerdings aufgrund ihres Schematismus gerade in offenen Formen des Textumgangs nicht immer aufrecht zu erhalten ist. In Bezug auf die Art des Umgangs mit dem literarischen Text teilt H ALLET die präkommunikativen Aufgaben in vier Arbeitsbereiche ein: Lernerorientierte Aufgaben haben die Funktion, Textkompetenzen durch das Einüben von Textverstehens- und Textproduktionstechniken und -strategien auszubilden. 'Close reading'-Aufgaben zählen zu den textanalytischen Verfahren und haben eine kommentierende Textinterpretation zum Ziel, wie sie Teilgegenstand der schriftlichen Abiturprüfung ist. Kreative Aufgaben dienen der Artikulation der individuellen Reaktionen der Lernenden auf den literarischen Text und umfassen ihre ästhetischen Wahrnehmungen, ihre Vorstellungen und Emotionen. 'Wide reading'-Aufgaben dienen der Einbettung des literarischen Textes in größere Textmengen und dem Herstellen intertextueller Korrespondenzen in Form komplexer Text- und Material- 23 arrangements. 5 Eine solche Perspektivenvielfalt soll realweltliche Diskurse widerspiegeln und für die Förderung von Fremdverstehen nutzbar gemacht werden. Kommunikative Aufgaben situieren den Einzeltext schließlich in seinem kommunikativ-diskursiven Kontext und zielen darauf ab, den Lernenden vor Augen zu führen, wie sie durch die Rezeption und Produktion von Texten an kulturellen Diskursen partizipieren. Kommunikative Aufgaben modellieren anhand der entsprechenden literarischen Inhalte lebensweltliche fremdsprachige Diskurse und geben Impulse für lernergesteuerte Interaktionen und Unterrichtsgespräche (ibid.). Im Folgenden werden traditionelle Verfahren der Textanalyse, handlungs- und prozessorientierte Zugangsweisen sowie verschiedene Formen von Unterrichtsgesprächen näher beleuchtet, da sie Ausgangspunkt für die Analyse der sich anschließenden Fallstudien sind. # + - . Textanalyse und Textinterpretation verweisen auf zwei verschiedene Verfahrensweisen im Umgang mit literarischen Texten innerhalb der Literaturwissenschaft. 6 Während das Verfahren der Textanalyse sprach- und textnah orientiert ist und mit der Beschreibung des im Text objektiv Gegebenen und Überprüfbaren einen deskriptiven Charakter hat, zielt die Interpretation auf eine Deutung und Auslegung des Textes ab, indem sie die Funktion der durch die Textanalyse gewonnen Elemente bewertet. Die Interpretation geht dabei über den jeweiligen Text hinaus, insofern sie ihn in verschiedene Kontexte einbettet und historische, soziokulturelle oder intertextuelle Bezüge u.Ä. herstellt (vgl. E HLERS 2010: 111f.). Textanalytische Verfahren gelten gemeinhin als Vorbereitung bzw. als Teil der Interpretation (vgl. S PINNER 2010: 207). So untersucht man etwa die Figurenkonstellation eines literarischen Textes und zieht daraus interpretierende Schlüsse. Den Lernenden sollte dabei immer vor Augen geführt werden, welche Funktion die Analyse für die Interpretation oder die Erklärung der Textwirkung übernimmt. Aufgaben zur Textanalyse haben ihren festen Platz im Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe und sind regelmäßig Gegenstand schriftlicher Leistungsprüfungen. Ein Hauptziel des Literaturunterrichts in der gymnasialen Oberstufe ist es, Textverstehenskompetenzen auf Seiten der Lernenden auszubilden, die sie zu einer eigenständigen Analyse und Deutung literarischer Texte befähigen. 5 S. hierzu auch H ALLET (2007b) und die sog. "Integrationsmethode" bei G RZESIK (1996: 347-374). 6 Auch wenn Textanalyse und Interpretation hier theoretisch als zwei gesonderte Verfahren dargestellt werden, fließen sie in der praktischen Umsetzung so gut wie immer ineinander, sodass sie dann nicht mehr isoliert betrachtet werden können. 24 Für die Arbeit mit literarischen Textes lassen sich dabei verschiedene Verstehens- und Kompetenzstufen unterscheiden: Verstehen des Inhalts (global wie im Detail); Wahrnehmen und Bewerten der sprachlichen Ausdrucksmittel; Interpretieren der Textinhalte; Erfassen der Perspektive des Autors/ Erzählers; Wahrnehmen des Gesamtaufbaus; Identifizierung von Gattungsmerkmalen; Erfassen von Einheiten, Funktionsbestimmungen und der Gesamtintention eines Textes; Einbringen, Artikulieren und Reflektieren der Leserperspektive; das Einordnen des Textes in übergeordnete gesellschaftlich-historische Zusammenhänge sowie das Anwenden des Textes auf die eigene Lebenswelt des Lesers (E HLERS 2002: 22). Diese Bedeutungsebenen spielen nicht in allen literarischen Texten eine gleichbedeutende Rolle, sondern müssen vielmehr nach den entsprechenden Gattungsspezifika differenziert werden. Zur Förderung der Textverstehenskompetenz dient insbesondere die Methode der Textanalyse. Anhand der Textanalyse "werden mithilfe von textanalytischen Kategorien zentrale Textelemente auf den Ebenen von Inhalt und Form isoliert und funktionale Zusammenhänge zwischen diesen Elementen bestimmt" (L EUBNER / S AUPE / R ICHTER 2010: 61). Textanalytische Verfahren zielen mithin auf eine systematische und reflektierte Textuntersuchung ab, in der zentrale Textelemente und ihre Zusammenhänge erkannt werden. Textanalytische Kompetenzen umfassen dabei verschiedene Wissensdimensionen: • deklaratives Wissen: Wissen über Analysekategorien; • prozedurales Wissen/ Können: Fähigkeit zur Anwendung der Analysekategorien auf Texte (zunehmend automatisiert); • strategisches und metastrategisches Wissen (ist Wissen, das eine selbstständige und systematische Textanalyse erlaubt); • metakognitives Wissen (dient zur Planung, Überwachung, Auswertung der als Problemlösung verstandenen Textanalyse; z.B. Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen der Analyse) […]. (ibid.: 62) Textanalytische Operationen erlauben ein fragmentarisiertes Arbeiten am Text und sind nicht wie interpretatorische Operationen notwendigerweise auf eine globale Kohärenzbildung ausgerichtet (vgl. P AEFGEN 1999: 118; S PINNER 2010: 208f.). Unterschiedliche Formen der Textwiedergabe gelten als Vorstufe der Textanalyse und können diese sinnvoll vorbereiten. Als Textwiedergabe gelten Elemente, die dem Text wörtlich entnommen oder "eindeutig durch lokale Kohärenzbildung" rekonstruiert werden können (L EUBNER / S AUPE / R ICHTER 2010: 157). Zudem dient ein 'textnahes Lesen', wie es von P AEFGEN (2010) und B ELGRAD / F INGERHUT (1998b) gefordert wird, einem Erkennen 25 von Textelementen und somit der Unterstützung einer Textanalyse. P AEFGEN (2010: 93) definiert textnahes Lesen als genaues, langsames, gründliches Studieren des literarischen Textes; als ein Lesen mit Stiften, mit Papier, mit Zeit und Geduld für den Satz, den Absatz, die Seite; ein statarisches Lesen, das häufiges Zurückblättern ebenso wenig scheut wie wiederholtes Lesen ein- und derselben Passage, ein- und desselben Textes. Textanalytische Aufgabenstellungen erfordern wie ein textnahes Lesen ein genaues Arbeiten am Text, das ein systematisches Suchen und Anstreichen von Textstellen sowie eine anschließende Auswertung erforderlich machen. So kann eine Textanalyse etwa die Untersuchung der Handlung, der Figuren, der Erzählperspektive, des Leitmotivs oder des Stils etc. zum Gegenstand und mithin einen strukturellen oder stilistischen Schwerpunkt haben (vgl. S PINNER 2010: 207). Die Stilanalyse stützt sich auf die Tradition der textimmanenten Werkinterpretation, indem sie den Stil des jeweiligen Werkes im Zusammenhang mit seinem Inhalt in den Vordergrund rückt. Gleichzeitig richtet sie die Aufmerksamkeit auf die Wirkung, die durch die literarische Sprache etwa in Form rhetorischer Figuren evoziert wird. Eine Analyse der rhetorischen Figuren im schulischen Literaturunterricht darf sich demnach nicht auf eine bloße Zusammenstellung von Stilmerkmalen reduzieren, sondern muss immer den Wirkungsaspekt im Blick behalten. Eine Strukturanalyse hebt beispielsweise auf das Herausarbeiten von Oppositionen in Bezug auf Figuren, Räume, Symbole etc. ab. Zur Visualisierung der Strukturmerkmale eines literarischen Textes dient das Erstellen von Skizzen zum Aufbau der Handlung, der Figurenkonstellation oder der Themenentfaltung. Zudem sind die Kommunikationsanalyse für Dramentexte, die Erzählanalyse für Prosatexte sowie die Figurencharakterisierung im Literaturunterricht gängige Verfahren (vgl. S PINNER 2010: 208ff.). Textanalytische Verfahren haben den Vorteil, dass sie durch die durchschaubar strukturierte Herangehensweise objektivierbar und somit im Gegensatz zu Interpretationen oder handlungs- und produktionsorientierten Verfahren leichter überprüfbar sind. Für die Erstellung einer Interpretation gibt es dagegen keine methodisch systematisierte Vorgehensweise, die die konkreten Arbeitsschritte zu operationalisieren vermag. Eine Interpretationskompetenz entwickelt sich sukzessive, durch wiederholte Übung und einer Art 'learning by doing' (vgl. L EUBNER / S AUPE / R ICHTER 2010: 63f.). Interpretationen erfordern das literarische und gattungsspezifische Vorwissen der Lernenden sowie ihr lebensweltliches und Erfahrungswissen. Zudem spielt im Rahmen des Literaturunterrichts die Lerngruppe als Interpretationsgemeinschaft eine Rolle, sodass sich das gemeinsame Interpretieren als eine Aus- 26 handlung von Bedeutung darstellt. L EGUTKE / T HOMAS (1999: 6) fassen die Multifaktorialität des Verstehens- und Interpretationsprozesses wie folgt: The comprehension of texts, and in particular the interpretation of literary texts is a complex process of negotiation and creating meaning, which, under classroom conditions, depends on a collective effort to relate the (aesthetically) encoded reactions of the writer/ author/ poet to the world around him/ her, to the world view, experience and knowledge of the reader. (ibid.) Diese Faktoren entziehen sich einer systematischen Vermittlung im Unterricht und erschweren so eine Bewertung von Interpretationen: Die Lehrkraft kann lediglich darauf abheben, ob der Interpret auf zentrale Textelemente verweist, ob er sein zuvor im Unterricht erworbenes gattungs- und epochenspezifischen Vorwissens u.Ä. integriert, ob die interpretierenden Aussagen facettenreich sind und ob er nachvollziehbare Begründungen für seine Deutung nennen kann (vgl. L EUBNER / S AUPE / R ICHTER 2010: 63f.; P AEFGEN 1999: 118). Aufgrund der Abhängigkeit der Interpretation vom jeweiligen Vorwissen der Lernenden kann es keinen Anspruch auf die 'richtige' Interpretation geben. Konstruktivistische Grundannahmen postulieren, dass jeder Interpret dem Text vor dem Hintergrund seiner individuellen Sozialisations- und Sprachlerngeschichte Bedeutung zuweist. Interpretationen lassen sich somit nicht in wahr oder falsch aufteilen, sondern sie entsprechen gemäß einer multivalenten Logik Kategorien unterhalb eines objektiven Wahrheitsanspruchs. Sie können danach plausibel, angemessen, bedeutungsreich u.ä., auch falsch - aber nicht wahr - sein. (D ONNERSTAG / B OSENIUS 2000: 154) Die individuellen Deutungen sind vielmehr auf die Kommunikation mit anderen angewiesen und müssen im Unterrichtsgespräch miteinander ausgehandelt werden. Dabei werden sie in der Lerngruppe im Hinblick auf ihre Funktionstüchtigkeit und Plausibilität überprüft. Der Literaturunterricht sollte zudem bewusst machen, dass alle Bedeutungskonstruktionen durch bestimmte Wahrnehmungsschemata bedingt sind und nach Kriterien suchen, mittels derer Interpretationen miteinander verglichen werden können. D ONNERSTAG / B OSENIUS (2000: 161) zeichnen den individuellen und kollektiven Interpretationsprozess im Unterricht mit fremdsprachigen literarischen Texten im Sinne konstruktivistischer Lernprinzipien wie folgt nach: • Die Lerner machen angesichts eines authentischen Textes in einer authentischen Lesesituation Beobachtungen zu für sie auffälligen Phänomenen des Textes. • Aus diesen Beobachtungen wird eine Bedeutungshypothese konstruiert, die in der Lerngruppe auf ihre Funktionstüchtigkeit hin geprüft wird; d.h. die Lerner 27 vergleichen hier ihre Beobachtungen, ihre Inferierungen und Kontextualisierungen. • Die Lerner gewinnen über diesen Prozess Einsicht in die Möglichkeit unterschiedlicher Konstruktionen, entwickeln damit Flexibilität und entwerfen Kriterien für die Plausibilität ihrer Bedeutungskonstruktionen. (ibid.) Das Gespräch über Leseerfahrungen und Deutungen im Unterricht ist dabei nicht nur Teil der Rezeption und Interpretation, sondern stellt auch ein zentrales Bildungsziel in einer demokratischen Gesellschaft dar: So lernen Schüler zu "artikulieren, was andere und was sie selbst denken und fühlen" (B REDELLA 2007b: 33). Darüber hinaus kann das Sprechen und Schreiben über die eigenen Leseerfahrungen und subjektiven Deutungen diese verändern und zu einem vertieften und reflektierten Verständnis des Textes führen. Sowohl der im Literaturunterricht umgesetzte objektivistisch als auch der rezeptionsästhetisch orientierte Interpretationsansatz zielen durch eine reflektierende Behandlung des Textes auf ein tiefergehendes Textverständnis ab. Dabei setzen sie allerdings unterschiedliche Schwerpunkte. Bei einer objektivistisch orientierten Interpretation werden Aspekte wie Erzählvorgang, Erzählperspektive, Handlung, Zeit, Raum, Schauplatz und Atmosphäre untersucht. Eine Interpretation, die interkulturelles Lernen fördern soll, muss dabei den jeweiligen kulturspezifischen Kontext berücksichtigen. Die Hinwendung zu einer Innenperspektive kann durch Annotationen und andere Hilfestellungen wie Quellen mit kulturspezifischem Wissen erleichtert werden. Implizite Lernziele einer solchen Interpretationsmethode sind die Vermittlung kulturspezifischen Wissens sowie die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme. Übliches Produkt einer solchen Textinterpretation ist der Aufsatz, in dem die Lernenden ausgewählte Aspekte des Textes näher reflektieren und so ihr Textverständnis zum Ausdruck bringen (vgl. Z AHARKA 2002: 34). Bei einer rezeptionsästhetisch orientierten Textinterpretation wird die Aufmerksamkeit speziell auf die Gedanken, Reaktionen, Assoziationen und Fragen der Lernenden gelenkt, die sie bei der Lektüre eines Textes haben. Hier kommen insbesondere affektive Faktoren ins Spiel, i.e. welche Gefühle der Text bei den Lesenden auslöst. Die ersten Eindrücke der Lesenden können zunächst als Randbemerkungen oder in Form von reading journals 7 festgehalten werden, um später als Grundlage für die Textinterpretation zu fungieren. Diese Verfahren dienen nicht nur einem tiefergehenden Textverständnis, sondern auch der Bewusstmachung subjektiver Eindrücke und der Perspektivendifferenz innerhalb einer Lerngruppe. Insgesamt erfordern Vgl. dazu H ESSE (2002a: 9). 28 interpretatorische Aufgaben die Kreativität der Lernenden, wohingegen kreative Aufgaben ihrerseits die Interpretation voraussetzen (Z AHARKA 2002: 34). Kritische Stimmen gegenüber traditionellen textanalytischen Verfahren richten sich zum einen gegen die Annahme eines objektiven Textverstehens, bei der dem Text die Informationen wie einer Art "Behälter" entnommen werden (B REDELLA / L EGUTKE 1985: 6). Zum anderen wird in Bezug auf eine Vorherrschaft der rationalen Textanalyse im Literaturunterricht die Vernachlässigung affektiver Komponenten und kreativer Verstehensleistungen auf Seiten der Lernenden sowie die Orientierung an einem festgelegten Analyseraster moniert, die in einer stereotypen Abfolge des Lernprozesses sowie einer Monotonie der Methoden resultiert (D ELANOY 2002; N ÜNNING / S URKAMP 2006). Die den Text konstituierenden Stilmittel werden herausgearbeitet, das dazu benötigte Interpretationsvokabular verselbständigt sich, bis sich mitunter die Freude an der schönen Literatur verflüchtigt. Die Fertigkeit, die es erlaubt, aus einem Gedicht eine Keule zu machen, nennt man Interpretation, so Enzensberger. (B UTZKAMM 2007: 349) Als Bestandteil neben alternativen schülerorientierten Zugangsweisen sind sie jedoch allgemein anerkannt und haben ihren berechtigten und bildungspolitisch verankerten Platz. Gerade in der gymnasialen Oberstufe sind sie im Hinblick auf die Vorbereitung auf die schriftliche Abiturprüfung nicht wegzudenken. Zudem gelten textanalytische Fähigkeiten als fächerübergreifend und der fortgeschrittene Fremdsprachenunterricht ist verpflichtet, im Sinne einer Wissenschaftspropädeutik die später in jedem Studienfach wirksam werdenden Analysefähigkeiten auf Seiten der Lernenden auszubilden (vgl. V OLKMANN 2009: 32). Teilkompetenzen wie "Informationsentnahme" und andere textorientierte Lesetechniken, die im Rahmen subjektivistischer Strömungen an den Rand gedrängt zu werden drohten, haben als Reaktion auf die Ergebnisse der PISA-Studie in jüngeren bildungspolitischen Dokumenten zudem erneut an Bedeutung gewonnen (vgl. B REDELLA 2002b: 115; P AEFGEN 2010: 91). Herkömmliche Formen der Textanalyse lassen sich sinnvoll durch produktions- und handlungsorientierte Formen der Textarbeit ergänzen. Eine abwechslungsreiche Kombination verschiedener textanalytischer und schülerzentrierter Zugangsmöglichkeiten vermag das Interesse, die Motivation und das Engagement der Lernenden zu fördern und ist deshalb allen normativen Positionen vorzuziehen (N ÜNNING 1997b: 138). Im Folgenden werden die Charakteristika eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts sowie entsprechende Verfahren der Textbegegnung näher erörtert. 29 # + # / 0 ! ! ! . Handlungsorientierung gilt als eines der einflussreichsten Konzepte der vergangenen Jahrzehnte und bezeichnet einen auf sprachliches Handeln ausgelegten, schülerorientierten Unterricht, in dem Lernenden die Gelegenheit gegeben wird, über für sie bedeutende Themen zu kommunizieren (vgl. B ACH / T IMM 2003a; A BENDROTH -T IMMER / E LSNER / L ÜTGE / V IEBROCK 2009). Dies impliziert eine stärkere Ausrichtung der Inhalte und Methoden an den Interessen und Bedürfnissen der Lerner als bisher sowie eine Berücksichtigung ihrer Erfahrungen als unterrichtlichen Ausgangs- und Bezugspunkt (vgl. V IEBROCK 2009: 43). Das Konzept weist nach B ACH / T IMM (2003a) mit einem methoden- und einem zielbezogenen Aspekt eine binäre Ausrichtung auf, indem es sowohl das Geschehen im Klassenraum im Sinne eines interaktionalen Lernens als auch den außerschulischen lebensweltlichen Kontext in den Blick nimmt. Der zunehmende Einfluss eines handlungsorientierten Ansatzes im Fremdsprachunterricht resultiert aus der Einsicht, dass eine reine Wissensvermittlung in Form von lexikalischen Einheiten und grammatischen Regeln die Lernenden nicht zu einem spontanen lebensweltlichen und situationsangemessenen Sprachgebrauch befähigt (vgl. S URKAMP 2007: 89). Richtziel des heutigen Fremdsprachenunterrichts ist es mithin, eine Diskurstüchtigkeit auf Seiten der Lernenden auszubilden und sie zu erfolgreichem kommunikativen Handeln zu befähigen. Sprachliche Handlungskompetenz verweist dabei auf die Fähigkeit, "im Kontext der gemeinsamen Lebenswelt situations- und partneradäquat zu kommunizieren", "über den Kommunikationsakt eine Beziehung zum Gesprächspartner" herzustellen und nicht nur Ideen, Emotionen, Erfahrungen, Kenntnisse und Wünsche" zu übermitteln und so persönlich relevante Inhalte zu verhandeln, sondern auch "im Kommunikationspartner bestimmte Handlungsreaktionen" auszulösen (B ACH / T IMM 2003b: 11f.). Ein handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht ermöglicht den Lernenden dementsprechend "im Rahmen authentischer, d.h. unmittelbar realer oder als lebensecht akzeptierter Situationen inhaltlich engagiert sowie ziel- und partnerorientiert zu kommunizieren, um auf diese Weise fremdsprachliche Handlungskompetenz zu entwickeln" (ibid.). Dies erfordert ein "reichhaltiges Gesprächs- und Textangebot (rich learning environment), das inhaltlich und sprachlich in der Reichweite der Schüler liegt (comprehensible input) und das thematisch für sie so bedeutsam ist, dass es sie zu sprachlichen Äußerungen herausfordert (meaningful interaction)" (ibid.: 14). Ein weiteres Merkmal ist der Einsatz schülerzentrierter Methoden, die die Lernenden dazu veranlassen, sich "emotionalengagiert und nicht nur kognitiv-wissensbereichernd" mit den Unterrichts- 30 inhalten und Texten auseinanderzusetzen (ibid.: 20). In Bezug auf den fremdsprachlichen Literaturunterricht ziehen diese Überlegungen nicht nur eine verstärkte Berücksichtigung der Schülerinteressen bei der Textauswahl nach sich, sondern auch schülerzentrierte Verfahren, die Lernende zum sprachlichen Handeln auffordern, indem sie sich sowohl über den jeweiligen Text als auch über sich selbst, "ihre Einstellungen, Gefühle und Überzeugungen austauschen und verschiedene Deutungsansätze gemeinsam aushandeln" (S URKAMP 2007: 90). Eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung des handlungs- und produktionsorientierten Ansatzes innerhalb der Literaturdidaktik ist die vor allem von B REDELLA (2002a u.a.) vertretene Rezeptionsästhetik. Sie hat mit ihrer Betonung der aktiven Rolle des Lesers bei der Bedeutungskonstitution in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer kritischen Betrachtung der bis dato vorherrschenden Dominanz textanalytischer Verfahren eines New Criticism und zu einer Integration alternativer Zugangsweisen geführt. In diesem Zuge sind sowohl für den Deutschals auch für den Fremdsprachenunterricht zahlreiche kreative, handlungs- und produktionsorientierte Verfahren entwickelt worden (vgl. B REDELLA 2004; B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004; B REDELLA / L EGUTKE 1985; B RUSCH / C ASPARI 1998; B URWITZ -M ELZER 2003; C ARTER / L ONG 1991; C ASPARI 1994/ 2000/ 2003/ 2005; G RZESIK 1996; H AAS 2007; M AYER 2009; N ÜNNING 1995/ 1997a/ 1998; N ÜNNING / S URKAMP 2003/ 2006; O STKAMP 2001; S CHELLER 2004; S HOWALTER 2003; S PINNER 1995/ 2006/ 2010; S TUCK 2008; S URKAMP 2007/ 2010a; W ALD - MANN 2000/ 2001 et al.). Dabei gilt insbesondere die Arbeit von C ASPARI (1994), die kreative Verfahren im Umgang mit literarischen Texten nicht nur theoretisch im Rahmen von Lesetheorie und Rezeptionsforschung umfassend reflektiert, sondern auch ihren Einsatz im französischen Literaturunterricht der Sekundarstufe II untersucht, als richtungsweisend. Die Hinwendung zu kreativen, handlungs- und produktionsorientierten Formen der Textarbeit resultiert aus der Überzeugung, dass eine einseitige Betonung kognitiver Methoden bei der herkömmlichen Textanalyse und das Schaffen abfragbaren Wissens zu einer Vernachlässigung von Emotionalität und Phantasie und somit zu einer Marginalisierung affektiver Komponenten und kreativer Verstehensleistungen auf Seiten der Lernenden führt (vgl. N ÜNNING 1997a: 8). Schüleraktivierende Methoden tragen hingegen der Einsicht Rechnung, dass die Bedeutung eines literarischen Textes erst in der Interaktion zwischen Text und Leser entsteht, indem der Leser "Erwartungen aufbaut, Ergänzungen vornimmt, das Scheitern seiner Erwartungen erfährt und wieder neue aufbaut" (B REDELLA 1987: 240-248). 31 [...] Rezeptionsästhetische Positionen, die mit Begriffen wie Polyfunktionalität literarischer Texte und Kreativität des Lesevorgangs umschrieben werden können, werden in der Unterrichtswirklichkeit zunehmend zur Kenntnis genommen. In verschiedenen Ansätzen wird mit besonderer Betonung des Spielcharakters von Literatur nach Wegen gesucht, um aus der aktiven Sinnerschließung Anreize für selbständige literarische Sprachproduktion zu gewinnen. (G LAAP / R ÜCK 2003: 137) Im Zuge der Entwicklung neuer Methoden für den Literaturunterricht werden somit traditionelle Verfahren der Textanalyse und -interpretation durch kreative, handlungs- und produktionsorientierte Textarbeit ergänzt (N ÜNNING 1997a: 5). 8 Gleichzeitig findet eine Akzentverlagerung vom Text auf die Lernenden statt, indem ihre individuellen Verstehensweisen zum Ausgangspunkt für Interpretationsgespräche werden (vgl. S PINNER 2001: 97). Das lebensweltliche Vorwissen und die Erfahrungen der Lernenden spielen bei der Textarbeit eine ausschlaggebende Rolle, sodass der Literaturunterricht an diese anknüpfen und für die Rezeption nutzbar machen sollte (vgl. D OFF / K LIPPEL 2007: 130). Ausgehend von der Prämisse eines interaktionalen Leseprozesses, in dem der Leser dem Text aktiv Bedeutung zuschreibt, zielen handlungs- und produktionsorientierte Methoden darauf ab, den Lernenden diese Interaktion bewusst zu machen und sie anzuregen, diese in vielfältiger Weise zum Ausdruck zu bringen (vgl. M AYER 2009: 158). Ein handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht regt die Imagination der Lerner an und gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Vorstellungen und Lesarten zu thematisieren. Formen des kreativen Schreibens, des mündlichen Sprachgestaltens, des bildlichen, körperlichen und szenischen Darstellens und Interpretierens sowie Fremd- und Selbsterfahrung durch Perspektivenwechsel regen die sinnlichen Vorstellungen an, geben diesen eine ästhetische Gestalt und fördern das gemeinsame Aushandeln von Bedeutung in der Klasse (S CHELLER 2004: 28). Kreativen Verfahren für den Umgang mit literarischen Texten wird zudem nicht nur das Potenzial zugesprochen, die Interaktion der Lernenden mit dem Text und ihre Sinnbildungsprozesse in den einzelnen Phasen des Lese- und Verstehensprozesses sinnvoll zu unterstützen 8 Die Begriffe 'kreativ' und 'handlungs- und produktionsorientiert' sind in der fachdidaktischen Literatur häufig nicht eindeutig voneinander abgrenzbar und werden zuweilen synonym verwendet, wobei sich gegenwärtig der Doppelbegriff 'Handlungs- und Produktionsorientierung' aber durchzusetzen scheint. Auch in der vorliegenden Arbeit werden die Termini, sofern nicht weiter gekennzeichnet, synonym verwendet. Zum Begriff der Kreativität s. B REDELLA (1987); C ASPARI (1994/ 1995); H OLTWITSCH (1999); M ERZ -G RÖTSCH (2005); P OPE (2005); P ÜTZ (2000); S OMMERFELDT (2004); S PINNER (1993: 109ff.); U RBAN (2004); VON H ENTIG (2000). Zum Doppelbegriff der Handlungs- und Produktionsorientierung s. L ÜTGE (2010: 98f.). 32 (B URWITZ -M ELZER 2003: 21), sondern auch dass sich die aktive Auseinandersetzung mit dem Text positiv auf die Lern- und Behaltensleistung der Lernenden auswirkt (S OMMERFELDT 2004). Verstehen beginnt beim aktiven Wahrnehmen und Rezipieren und vertieft sich beim reproduktiven Verarbeiten, insbesondere beim Produzieren und Gestalten. Im Fremdsprachenunterricht ist der Verstehensprozess erweitert und angereichert durch die wechselseitigen Einwirkungen von Eigen- und Fremdverstehen. (H ELLWIG 2005 7f.) Kreative Verfahren rücken die bedeutungs- und sinnkonstruierenden Tätigkeiten der Lernenden auf der Grundlage ihres Weltwissens, ihrer Interessen und Bedürfnisse in den Mittelpunkt (N ÜNNING / S URKAMP 2006). Indem sie Lernende zu sprachlichen Handlungen über den Text, zum Austausch über ihre Einstellungen, Gefühle und Erfahrungen sowie zum Aushandeln verschiedener Deutungsansätze anregen, schaffen sie wichtige Sprech- und Schreibanlässe und sinnvolle Kontexte, in denen Lernende bedeutsam mit ihren Mitschülern interagieren können (vgl. L EGUTKE 2003). In einem handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht verändern sich die Rollen von Lehrer und Lernenden. An die Stelle eines durch den Lehrer feinmaschig gesteuerten Unterrichtsgeschehens tritt nun ein aufgabenorientiertes Lernen, in dessen Mittelpunkt Schülerorientierung und Lernerautonomie stehen (vgl. S URKAMP 2007: 99). Kreative Aufgabenstellungen sind ergebnisoffene, nicht-reproduktive Verfahren, die den Lerner dazu ermutigen, mit einem limitierten Sprach- und Regelinventar sinnvolle, komplexe Äußerungen zu produzieren (W ERNSING 2006: 81). Die Verwendung der bis dato erworbenen sprachlichen Mittel in unterschiedlichen, individuell geprägten Kontexten und Zusammenhängen zielt auf eine persönliche Aneignung und Flexibilisierung der sprachlichen Mittel ab. Dabei weisen kreative und Spracherwerbsprozesse wichtige Parallelen auf: In beiden Fällen spielt die Wahrnehmung und Analyse von 'Problemen', das Aufstellen und Überprüfen eigener Hypothesen durch Ausprobieren und Modifikation bei missglückter Kommunikation oder Nichtbestätigung eine entscheidende Rolle (C ASPARI 2003: 309). Trotz ihres prinzipiell offenen Charakters bedürfen kreative Aufgabenstellungen für ihre Bewältigung solider Hilfestellungen etwa im Hinblick auf Lexis, Textsorte und Inhalt. Somit können durch kreative Aufgaben Fähigkeiten trainiert werden, die auch für das Fremdsprachenlernen insgesamt von besonderer Bedeutung sind, wie z.B. fluency, Textsorten- und Methodenkompetenz, das Wissen um verschiedene Lese- und Schreibstrategien sowie Flexibilität und Umstrukturierung der sprachlichen Mittel. Darüber hinaus haben sie große motivationale Effekte und können helfen, Hemmungen und Ängste beim Sprachgebrauch abzubauen. 33 Kreative Zugangsformen adressieren gleichermaßen die kognitiven und affektiven Fähigkeiten der Lernenden und erlauben es, die Förderung von interkultureller, kommunikativer und literarischer Kompetenz sowie von Imagination, Empathie und Identitätsentwicklung gewinnbringend zu integrieren (vgl. S PINNER 2006). Schließlich fördern solche Zugangsformen soziale und kulturelle Schlüsselkompetenzen wie Perspektivenwechsel und Empathie, die nicht nur eine elementare Voraussetzung für interkulturelles Lernen, sondern für soziales Handeln insgesamt darstellen. Charakteristika eines kreativitätsorientierten Literaturunterrichts sind mithin die Förderung kreativer Sinnbildungsprozesse beim Umgang mit Literatur sowie die Berücksichtigung der dem Text entgegen gebrachten Einstellungen, Vorkenntnisse und Emotionen zur Intensivierung und Bewusstmachung des Lese- und Verstehensprozesses (C ASPARI 1995: 347ff.). Er bezieht die wechselseitige Vertiefung von emotional-intuitiven und kognitiv-rationalen Interaktionsprozessen zwischen Leser und Text mit ein und fördert die Lust am Entdecken und Überprüfen vielfältiger Sinnmöglichkeiten. Er unterstützt die Schüler, eigene Fragen an den Text zu stellen, um individuelle Interessen und Textprobleme zu erkennen und Bearbeitungsbzw. Lösungswege zu ermitteln. Die Schüler werden angeregt, ihre unterschiedlichen Leseerlebnisse und Lesarten auszudrücken und den Prozess ihrer Auseinandersetzung in verbale und nonverbale Produkte umzusetzen (ibid.). H INZ (2003: 351f.) differenziert hinsichtlich eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts zwischen primärer und sekundärer Kreativität. Bei der primären Kreativität produzieren Schüler Lernertexte, die keinen direkten Bezug zu Inhalt oder Struktur des literarischen Textes haben. Der literarische Text fungiert hier lediglich als Impulsgeber für die Entwicklung eigener Gedanken und Ideen und als Muster für die eigene Textproduktion. Bei der sekundären Kreativität reagiert der Lernende auf den literarischen Stoff, indem er kreativ mit dem vorliegenden Text umgeht, ihn umgestaltet oder erweitert, sodass der direkte Rückbezug auf den literarischen Text charakteristisch ist. Für den Umgang mit literarischen Texten wird nach den je angestrebten Zielsetzungen zwischen dem produkt-, dem persönlichkeits- und dem prozessorientierten Ansatz unterschieden (vgl. B RUSCH / C ASPARI 1998; B URWITZ - M ELZER 2003; C ASPARI 1994/ 2005). Diese Ansätze können prinzipiell auf alle Gattungen angewendet werden. 34 Beim produktorientierten Ansatz steht der literarische Originaltext im Mittelpunkt, d.h. die Lernenden verfassen in enger Anlehnung an den literarischen Text eigene Texte, wobei die Form des Originaltextes als Modellgerüst fungiert (C ASPARI 1994: 167ff.). G RZESIK (1996: 323-332) spricht in diesem Zusammenhang von "Texte über Texte schreiben" und differenziert zwischen 'einfachen Schreibaufgaben' wie das Exzerpieren von Textsinn, Strukturierung von Einzelheiten, Transformieren kleinerer Textteile in einen anderen Text unter bestimmten Gesichtspunkten oder Kurzaufsätze über Sinnkomplexe u.a. - und 'komplexen Schreibaufgaben' - wie die Verarbeitung von Sinnzusammenhängen in Form einer kritischen Auseinandersetzung, Bedingungsanalysen in Gestalt assoziativen Schreibens etc., wobei die Grenzen zwischen einfachen und komplexen Aufgaben meist fließend sind. Die Konzepte dieses Ansatzes, die meist aus der Literatur- und Schreibdidaktik stammen, zielen darauf ab, dass Schüler das kreative Potenzial eines literarischen Textes erkennen, nachvollziehen und im eigenen Schreibprozess nutzen (vgl. C ASPARI 1994: 167). F INGERHUT (1991) konstatiert, dass sich Schüler am besten schriftlich mit einem literarischen Text auseinander setzen können, weil sie die Formulierungen des Autors als Widerstand erleben, gegen den sie anschreiben müssen (zit. in B URWITZ - M ELZER 2003: 25). So schaffen die Lerner Produkte, mit denen sie sich identifizieren und die sie vor ihren Mitschülern vertreten können. Dadurch erhalten sie Aufschluss über sich selbst, ihre Vorurteile, Wünsche, Ängste und Hoffnungen. Die von den Lernenden auf Grundlage des literarischen Textes verfassten Paralleltexte können ferner als Ausgangspunkt für einen Vergleich der verschiedenen zum Ausdruck kommenden Weltdarstellungen fungieren und so der Bewusstwerdung der eigenen Perspektivengebundenheit dienen (vgl. K RAMSCH 1993: 136). Für den fortgeschrittenen fremdsprachlichen Literaturunterricht verweist C ASPARI (1994: 170f.) auf S TEINMANN s (1985) Recreating Literary Texts; ihm geht es um die Beherrschung und Anwendung literarischer Stilmittel und der Rhetorik für die Analyse des Ausgangstextes und das Verfassen eigener Texte. N ÜNNING s (1997b) Verwendung des Begriffs der Textproduktion setzt die subjektiven Leseeindrücke als unabdingbar für eine die Schüler aktivierende Form des Umgangs mit Texten voraus, wobei er explizit zwischen traditioneller Textanalyse und textproduktiven Verfahren differenziert. B URWITZ -M ELZER (2003: 27) betont hingegen, dass beim produktorientierten Ansatz die Aufmerksamkeit dem Text selbst und dem kreativen 35 Schaffensprozess zukommt, sodass das Wissen um formale Texteigenschaften wichtiger ist als die subjektiven Einstellungen der Schüler. C ASPARI (1994: 168f.) nennt als Konzepte und Verfahren zum kreativen Nachvollzug literarischer Texte z.B. die Vervollständigung eines Textes; die Ordnung eines Textes in falscher Reihenfolge, Unterscheidung von Original und Fälschung, Erkennen der formalen Gestaltung und des Aufbaus etc. S PINNER (2001: 96) subsumiert unter diese Kategorie kreativer Verfahren der Textbegegnung u.a. das Verfassen innerer Monologe aus der Perspektive einer literarischen Figur, das Fortsetzen von Kurzgeschichten (die sich aufgrund ihres meist offenen Endes gut dazu eignen) und das Erstellen von Gedichten aus Wortmaterial des Textes. Der Fokus des persönlichkeitsorientierten Ansatzes liegt auf der persönlichen Auseinandersetzung des Gelesenen und der individuellen Entfaltung der Schüler (C ASPARI 1994: 176f.). Er orientiert sich an den situativen, affektiven und intellektuellen Bedürfnissen der Lernenden und soll personales, freies und kreatives Schreiben fördern. Bei der Erstellung freier Texte haben die Schüler keinerlei Vorgaben, d.h. sie können selbst bedeutsame Themen hervorheben und ihre Interessen und Bedürfnisse ausdrücken. P ROBST (1992: 118) spricht in diesem Zusammenhang von "writing 'from' literature". The reading may awaken a memory or provoke reflections on some issue, question, or problem. […] Writing about those reflections might be extremely valuable. It might, first of all, be highly motivated writing, arising as it does from the student´s own history. And it might intimately connect the literary experience with other experiences, giving the student a broader base from which to forge understandings of self and world - and potentially of the text itself. (ibid.) 9 Das Verfassen freier Texte stellt für die Lernenden nicht nur ein hohes Motivationspotenzial bereit, sondern gibt ihnen auch die Möglichkeit, ihre literarischen Erfahrungen mit ihren lebensweltlichen Erfahrungen zu verknüpfen und so ein besseres Selbst-, Welt- und Textverständnis zu erzielen. Bei diesem Ansatz kommt dem Text vor allem die Funktion der Vorlage zu (B URWITZ -M ELZER 2003: 22). Hinsichtlich des fremdsprachlichen Literaturunterrichts nennt V IELMAS (1986) als Ziele dieses Ansatzes im 9 Insgesamt differenziert P ROBST (1992: 117-127) in Bezug auf die verschiedenen Sorten von Lernertexten zwischen "writing 'from', 'of' and 'about' literature", wobei er als gemeinsames Ziel aller Textvarianten "pleasure" ausmacht: "The literary experience, as all other intellectual and aesthetic experiences, should provide pleasure, whether it is pleasure of self-expression, as in the personal narrative or the letter, the pleasure of artistic creation, as in the writing of poetry or fiction, or the pleasure of intellectual accomplishment or problem solving, as in the writing of the critical essay" (ibid.: 125f.). 36 Umgang mit literarischen Texten, die Lernenden für eine phantasievolle Sprache zu sensibilisieren und ihr Vergnügen an der Entwicklung ihrer persönlichen Ausdrucksmittel zu fördern (zit. in ibid.: 23). Dabei müssen die Schüler aktiv werden und sich um Ausdruck ihrer Ideen bemühen, wobei Imagination, emotionales Erleben des Vorlagentextes sowie ihre kognitiven Fähigkeiten gefordert werden. B RUSCH (1992: 36) spricht in diesem Zusammenhang von Dependent Authorship; die Lernenden werden von den Ideen, der Form und der Sprache der Texte beeinflusst und reagieren auf sie, indem sie sie fortsetzen, variieren, parodieren und umgestalten, wobei sie ihre ureigensten Gedanken mit ins Spiel und zum Ausdruck bringen. Als Beispiele nennt er u.a. den Perspektivenwechsel, Fortsetzung, Füllen von Aussparungen, Modernisierung oder auch Pro- und Contra-Diskussionen zu den dem Text zugrundeliegenden Problemen (ibid.: 36ff.). Weitere Beispiele dieses Ansatzes sind etwa die Puzzletechnik oder das Umschreiben eines vorgegebenen Textes, wobei die vorgegebene Textstruktur als Gerüst fungiert (C ASPARI 1994: 176ff.). Schwerpunkt des prozessorientierten Ansatzes ist der Prozess spielerisch-experimentellen Umgangs mit sprachlichen und literarischen Strukturen (C ASPARI 1994: 188). Dabei steht weniger der literarische Text als Produkt, als vielmehr der handelnde Umgang mit ihm im Vordergrund. P OPE (1995: 1) betont das Verstehen fördernde Potenzial eines experimentellen Umgangs mit literarischen Texten wie folgt: The best way to understand how a text works […] is to change it: to play around with it, to intervene in it in some way (large or small), and then to try to account for the exact effect of what you have done. In practice - not just in theory - we have the option of making changes at all levels, from the merest nuance of punctuation or intonation to total recasting of genre, time, place, participants and medium. (ibid.) 10 Für die Förderung und Unterstützung der Sinnkonstituierungsprozesse der Lernenden bei der Arbeit mit literarischen Texten im Hinblick auf Sprache, Inhalt, Darstellungsverfahren und fremdkulturelle Elemente hat sich in der fremdsprachlichen Literaturdidaktik heute die prinzipielle Einteilung der Textarbeit in drei Lesephasen, i.e. pre-, while-, und post-reading, etabliert, wobei der Übergang zwischen den einzelnen Phasen oft fließend ist (vgl. B RUSCH / C ASPARI 1998: 168-178; B URWITZ -M ELZER 2003: 27; C ASPARI 1994; N ÜNNING / S URKAMP 2006: 71-82 u.a.). 11 Das Drei-Phasen-Modell sucht der 10 Für zahlreiche Beispiele sog. "types of textual intervention" s. P OPE (1995: 196-203). 11 In der englischsprachigen Literaturpädagogik geht man hingegen von vier Lesephasen aus: feeling like reading, getting into the story, lost in the book und sense of an ending (vgl. B URWITZ -M ELZER 2003: 27). D ELANOY (2002: 68ff.) erweitert sein Konzept zu kreativen Verfahren in Rückgriff auf 37 Komplexität und Prozesshaftigkeit des Lesevorgangs gerecht zu werden, indem es die Interaktion zwischen Leser und Text fördert und das Textverstehen der Lernenden anhand den Leseprozess begleitender Aufgaben zur mündlichen und schriftlichen Sprachproduktion sukzessive schult (S URKAMP 2010b: 141). Hierin unterscheidet sich der Ansatz grundlegend von traditionellen Verfahren der Textanalyse, die eine Lektüre, bis auf die Klärung einiger unbekannter Wörter, ohne weitere Vorbereitung vorsehen und daran anschließend Verständnisfragen stellen. Präinstruktionale Maßnahmen oder pre-reading activities sind dem eigentlichen Lesen des literarischen Textes vorangestellt und sollen helfen, die Lücke zwischen dem neuen Material und der vorhandenen Kenntnisstruktur der Lernenden zu überbrücken. In der Lernpsychologie spricht man diesbezüglich von "advance organizer[n]" oder "vorangestellte[n] Einordnungshilfen" (M IETZEL 2001: 222). Sie sollen die Schüler auf das neue Material einstellen und vor der Lektüre mögliche Verstehensbarrieren abbauen, die die Lernenden daran hindern könnten, den Text mit Lust und Freude lesen und verstehen zu können. Lesevorbereitende Verfahren zielen folglich darauf ab, dass die Schüler 12 ihr bereits gespeichertes Vorwissen, ihre Erfahrungen, Meinungen und Gefühle zu bestimmten Bereichen aktivieren (C ASPARI 1994: 215). Ferner soll die Vorbereitungsphase Fragen evozieren, deren Beantwortung durch die Lektüre erwartet wird (A ßBECK 1997: 37). So werden Erwartungen hinsichtlich des Textes aufgebaut, welche die Schüler dazu veranlassen, Hypothesen zum Thema, zum Inhalt, zu möglichen Konflikten oder zur Struktur etc. aufzustellen. Darüber hinaus dienen pre-reading activities dazu, die Neugier der Schüler zu wecken und Offenheit gegenüber dem fremden Text zu fördern (vgl. C ASPARI 2000: 83). Neben der Interessensweckung werden die Schüler dabei gleichzeitig für bestimmte Aspekte sensibilisiert. Durch den Einsatz von pre-reading activities wird eine vertiefte Textwahrnehmung angestrebt, die zugleich eine emotional anregende Brücke zwischen der literarischen Welt und den lebensweltlichen Erfahrungen der Schüler schlägt. Dies dient einer Bewusstmachung der Individualität der Textrezeption und begünstigt einen persönlichen Zugang zum Werk auf Seiten der Lernenden (vgl. A ßBECK 1997: 37). Hierbei handelt es sich um langfristig angelegte Strategien, die die Lesemotivation fördern und R OSENBLATT um eine Evokationsphase der Sinnkonstitution und eine Interpretationsphase der Weiterentwicklung des primär konstituierten Sinnzusammenhangs. Aus Gründen der Schreibökonomie werden hin und wieder die Leserin und der Leser, die Schülerin und der Schüler unter der maskulinen Form subsumiert. Entsprechend meint der Lehrer immer zugleich auch die Lehrerin. 38 fremdsprachliches Lesen dem außerschulischen muttersprachlichen Lesen nähern sollen. K AST (1996: 11) spricht diesbezüglich von sog. heuristischen Strategien, die Lernende dazu befähigen, mit Unbekanntem umzugehen, Hypothesen zu bilden und Unbekanntes zu erraten. Schüler machen so die Erfahrung, dass sie den Inhalt eines Textes verstehen können, ohne alles verstanden zu haben, wodurch gleichzeitig ihre Ambiguitätstoleranz gefördert wird. Die pre-reading activity sollte sich am Inhalt des entsprechenden Textes orientieren und persönliche, inhaltliche, kulturelle und gattungsspezifische Schemata aktivieren, sodass die Lernenden einen Bezug zwischen dem Text und ihrer Lebenswelt herstellen können. K RAMSCH (1993: 141) hebt die Integration des Vorwissens der Lernenden und die Aktivierung entsprechender Schemata für den Verstehensprozess hervor, wenn sie sagt: Students` structures of expectations or schemata need to be activated in order for them to comprehend the story: 1 Content schemata. Students might need help setting the story in its appropriate logic: motives and intentions, plans and expectations might be different in their society and culture. Some background knowledge should be given beforehand to avoid needless misunderstandings. 2 Genre schemata. Without indulging in literary terminology, it is useful for the students to know whether this is a fairy tale, a satire, a tragedy, a comedy, or a parable. Der Lernprozess darf sich dabei aber nicht darauf reduzieren, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen und Gefühle losgelöst vom Text formulieren, sondern vielmehr reflektieren, wie ihre Erfahrungen und Gefühle im Lichte des Textes erweitert und bereichert werden. [...] [B]ringing the readers in touch with their own experience and similar feelings is […] a good starting point, but this personal experience needs to be linked to the what and the how of the narrative in order to be expanded and enriched. (K RAMSCH 1993: 134) Typische pre-reading activities im fremdsprachlichen Literaturunterricht sind etwa die Aktivierung des Vorverständnisses der Lernenden anhand von Schlüsselwörtern oder -themen in Form eines Brainstormings, das Bilden von Hypothesen anhand des Titels, des Buchcovers oder themenbezogener visueller und akustischer Stimuli (vgl. C OLLIE / S LATER 2003: 16ff.), die historische, epochale, generische und soziokulturelle Verortung des literarischen Werkes, die Arbeit mit biographischen Daten des Autors z.B. in Form eines Charakterportraits, die Einstimmung auf die Thematik in Form einer Fantasiereise u.v.a.m. 39 Lesebegleitende Verfahren oder while-reading activities werden eingesetzt mit dem Ziel, dass die Lernenden ihre direkten Reaktionen festhalten und reflektieren (vgl. Z AHARKA 2002: 35f.). Dies kann beispielsweise erfolgen anhand eines Leserasters, eines Lesetagebuchs oder Gedankenblasen (vgl. C OLLIE / S LATER 2003; H ESSE 2002a; S CHALLHORN / P ESCHEL 2004; T HALER 2009) oder anhand verschiedener Visualisierungsstrategien wie 'graphic organizers' 13 (G RIESER -K INDEL / H ENSELER / M ÖLLER 2006: 86ff.). Während dieser Phase kann man darüber hinaus bereits verschiedene Charakterisierungstechniken (vgl. F IEDLER 1998: 55) thematisieren und einen ersten "character sketch" (vgl. S TEMPLESKI / T OMALIN 2001: 116) anfertigen lassen. Als lesebegleitendes Verfahren kann man die Lernenden ausgewählte Szenen 'erlesen' oder 'erspielen' lassen (C ASPARI 1994: 219). Dabei können sie unterschiedliche Gefühlsausdrücke, Sprechweisen, gestisch-mimische Ausdrucksformen und Rollenverteilungen ausprobieren. Ein darstellendes Vorlesen erlaubt, über die Stimmmodulation den Ton des literarischen Textes in eine andere sinnliche Dimension zu erweitern und damit dessen Verständnis zu vertiefen (P ULM / R ÖHRIG 1995: 65). 14 Weitere Verfahren zur kreativspielerischen Förderung des sprachlichen und inhaltlichen Verständnisses sind schließlich reordering, jigsaw ordering activities, gap-filling, cloze reading oder anticipation through patchwork (P ULM 1992, zit. in B URWITZ -M ELZER 2003: 31). Die dem Text inhärenten Leerstellen können ausgefüllt werden, indem ausgesparte Elemente wie Gedanken der Textfiguren, Handlungen oder Gespräche in Form von Monologen, Selbstgesprächen, Denkblasen, Dialogen, Briefen, Tagebuchnotizen, Berichten etc. ausgeführt werden (vgl. C ASPARI 1994: 221; C OLLIE / S LATER 2003; S HERMAN 2003). Die Resultate der whilereading phase können wiederum als Ausgangspunkt für das Bilden zusätzlicher Hypothesen fungieren, die im weiteren Lesepross verifiziert oder falsifiziert werden. Diese Verfahren sollen den ersten Leseeindruck der Lernenden unterstützen und den weiteren Sinnbildungsprozess fördern, wobei emotionale Auseinandersetzungen mit dem Text und kognitive Verstehensleistungen die Weichen für das Gesamtverständnis des Textes stellen (vgl. B URWITZ -M ELZER 2003: 30). Post-reading activities dienen der kreativen Aneignung und Verarbeitung des literarischen Textes. In dieser letzten Phase der Beschäftigung mit einem literarischen Werk soll den Schülern Gelegenheit gegeben werden, den Prozess der Sinnkonstitution noch einmal zu rekapitulieren (vgl. B URWITZ - 13 Hierzu zählen etwa Mindmaps oder Soziogramme. 14 Zur Texterschließung durch darstellendes Vorlesen vgl. auch G RZESIK (1996: 187ff.). 40 M ELZER 2003: 31) und im Dialog mit ihren Mitschülern eigene Meinungen über das Werk zu vertreten. Über eigene subjektive Meinungen hinaus sollen hier überindividuelle bzw. intersubjektiv nachvollziehbare Positionen in der Lerngruppe gefunden werden. In dieser abschließenden Phase eignen sich u.a. verschiedene Verfahren des kreativen Schreibens (vgl. S PINNER 1993) und die Transformation des Gelesenen in ein anderes Genre bzw. Medium. Hierzu zählen etwa das Verfassen eines Zeitungsartikels, einer Kritik oder eines Briefs, einer prequel oder sequel, das Erstellen eines Standbildes, einer Stimmenskulptur, einer Rollenbiographie oder eines radio play (vgl. L EITZKE - U NGERER 2010; S CHALLHORN / P ESCHEL 2004; S CHELLER 2004; S URKAMP 2008; W ALDMANN 2001), die Inszenierung einer Talkshow, einer Debatte oder des 'Literarischen Quartetts' (T HALER 2007/ 2009) oder das Aufführen eines Rollenspiels. Zur detaillierten Beschäftigung mit literarischen Figuren eignen sich Verfahren wie der 'Heiße Stuhl' (Hot Seat) (vgl. G RIESER -K INDEL / H ENSELER / M ÖLLER 2006; L INDE 1991). Dieses Verfahren dient der Erarbeitung der Gefühle, Motive, Werte und Einstellungen der Figuren und erfordert eine genaue Kenntnis der Charaktere sowie die Fähigkeit, sich in diese Figur einzufühlen und ihre Perspektive zu übernehmen. Indem sich die Lernenden in die Figuren einfühlen und aus ihrer Perspektive antworten, kann Empathie für die jeweilige fremdkulturelle Figur entwickelt werden. Darüber hinaus fördert diese Aktivität das spontane Sprechen in einer authentischen Kommunikationssituation. Die Gedanken und Gefühle einer Figur können zudem in Form von inneren Monologen oder Tagebucheinträgen von den Lernenden schriftlich fixiert werden. Innere Monologe, Tagebucheinträge oder auch Partneraktivitäten wie "Good angel - bad angel" (vgl. T HALER 2004: 41ff.) sind besonders dazu geeignet, zwiespältige oder widersprüchliche Gedanken und Gefühle zu artikulieren und verschiedene Handlungsintentionen darzustellen. Pro- und Contra-Diskussionen zu Schlüsselthemen fördern die Diskurskompetenz der Lernenden und die Interaktion innerhalb der Lerngruppe. Darüber hinaus begünstigen solche Diskussionen die Fähigkeit, Themen von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten und die Perspektivengebundenheit des Einzelnen bewusst zu machen. Nicht zuletzt bieten sich in dieser abschließenden Phase allgemeine Interpretationsaufgaben zu setting, plot, characters und effects an (vgl. B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 164f.). Interpretatorische Aufgaben tragen dazu bei, dass die Lernenden ihre Urteilskraft bei der Wechselbeziehung von Teil und Ganzem einsetzen. So nehmen die Lernenden das Einzelne nicht isoliert wahr, sondern beziehen es auf das Ganze und bilden größere Sinneinheiten, um das Einzelne zu integrieren (B REDELLA / L EGUTKE 1985: 41 120f.). Dabei bringen sie ihre kognitiven, affektiven und ethischen Fähigkeiten mit ins Spiel, fällen zunächst ein Urteil und begründen und belegen es anschließend gegenüber ihren Mitschülern. 15 Die rezeptionsästhetische Literaturdidaktik weist durch ihre Akzentuierung schüleraktivierender Methoden den von Lernern im Rahmen des Literaturunterrichts verfassten Texten eine Schlüsselrolle zu (vgl. B REDELLA / L EGUTKE 1985; L EGUTKE 2009: 206; S PINNER 1993) und eine angeleitete Produktion von Lernertexten zählt heute zum Standardrepertoire des fremdsprachlichen Literaturunterrichts (N ÜNNING / S URKAMP 2006). Kreative Aufgabenstellungen heben häufig auf das Verfassen individueller Schreibprodukte ab und haben neben einer Flexibilisierung der sprachlichen Mittel eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Ausgangstext vor dem Hintergrund ihres Vorwissens sowie ihrer Erfahrungen, Erwartungen und Einstellungen zum Ziel. Trotz ihrer konstitutiven Rolle im Fremdsprachenunterricht ist die Funktion von Lernertexten bisher "nur unbefriedigend beschrieben und so gut wie nicht erforscht worden" (L EGUTKE 2009: 203). Impulse für kreative Schreibprodukte resultieren nach L EGUTKE (2009: 206) insbesondere aus dem Füllen literarischer Leerstellen, die anschließend als Basis für den Diskurs und die Aushandlung von Bedeutung im Klassenzimmer zu fungieren vermögen. Zu solchen Aufgaben zählen etwa der Entwurf von Rollenspielen, das Verfassen von Gegen- oder Paralleltexten anhand der Transformation des Textes in ein anderes Genre oder Medium. Das Verfassen von Lernertexten muss angeleitet werden und verlangt ein sinnvolles Scaffolding, d.h. ein didaktisches Arrangement, in dem gezielt geübt, Entwürfe ausgehandelt und engagiert an Texten gearbeitet wird (ibid.: 210). So vorbereitet und umgesetzt, können Lernertexte im Klassenraum die folgenden Funktionen erfüllen: • Sie bringen die Individualität des Einzelnen oder der Gruppe zum Ausdruck. • Sie bieten den Produzent/ innen die Möglichkeit der Identifikation. • Sie sind Träger von Bedeutung und in dieser Funktion den Zielsprachentexten im Lernprozess gleichwertig. • Sie haben einen Adressatenbezug und sind insofern Ausdruck mitteilungsbezogenen Sprachhandelns. 15 In diesem Rahmen können nur einige exemplarische Methoden und Aufgabenstellungen genannt werden. Bei den angeführten Autoren finden sich noch zahlreiche weitere Beispiele. 42 • Sie sind für die Schüler/ innen Sprachexperimente, die bei aller Planung die Überraschung und damit den Reiz des ungewissen Ausgangs mit sich bringen. • Sie bieten die Möglichkeit des kreativen Spiels mit Sinn, Form und Funktion von sprachlichen und nichtsprachlichen Gestaltungsmitteln. • Sie sind Gegenstand individueller und gemeinsamer Reflexion, die den Lernenden ihre Grenzen und Möglichkeiten des Umgangs mit sprachlichen und nichtsprachlichen Ausdrucksmitteln bewusst macht. • Lernertexte sind schließlich Anlass zur Fremdbewertung durch die Lehrer/ innen bzw. durch Vertreter der Lerngruppe und bieten zugleich die Chance der Selbstbewertung. (ibid.) H ESSE (2002b: 137) unterscheidet drei Sorten von Schülertexten: Die erste Gruppe machen freie Texte aus, "die die persönliche Begegnung des Einzelnen und der Gruppe mit dem Text widerspiegeln." Dazu zählen persönliche Erwartungshaltungen und Vorhersagen, Lesetagebucheintragungen und Leserbriefe. Zur zweiten Gruppe gehören Texte, "die Zeugnis ablegen sollen von Mitgefühl und Identifikation jugendlicher Leser, wie alle Perspektivierungen in Briefen, Tagebucheinträgen, Nacherzählungen, inneren Monologen etc. und Textsortenumgestaltungen in Form von Dramatisierungen". 16 Die dritte Gruppe umfasst Textsorten, die einen distanzierenden Standpunkt einnehmen, wie Zusammenfassung, Analyse und Hintergrundrecherche. 17 Lernertexte können nach L EGUTKE (2009: 204) stets unter zwei Perspektiven, i.e. einer textuellen und einer diskursiven Perspektive beschrieben, analysiert und bewertet werden: Fokussiert man die sprachliche Einheit "als Teil eines dynamischen Verhältnisses zwischen Aktanten" und berücksichtigt dabei "die situativen, kulturellen und sozialen Aspekte […] sowie die Verflechtung sprachlicher Formen und textueller Elemente, dann betrachtet man die sprachliche Einheit als Diskurs" (L EGUTKE 2009: 204f.). Konzentriert man sich hingegen auf die verwendeten Redemittel, die Lexik, auf Aspekte der Kohärenz und Kohäsion oder die ästhetische Gestaltung, dann analysiert man den Lernertext aus einer textuellen Perspektive (ibid.: 205). H ESSE (2002b: 138) nennt als Kriterien für die Beurteilung von Lernertexten inhaltliche, schreibstrategische und lexikalische Aspekte. Die Schreibprodukte werden einerseits inhaltlich untersucht hinsichtlich der persönlichen Begegnung der Schreiber mit dem Roman und ihrer persönlichkeitsbezogenen Deutung und andererseits schreibmethodisch und schreibstrategisch hinsichtlich der Entscheidungen des Einzelnen bzw. der Gruppe bei 16 M ERZ -G RÖTSCH (2005: 149ff.) nennt als verschiedene Erscheinungsformen kreativen Schreibens u.a. das personale, das freie und das gesellige Schreiben. 17 Für Beispiele zum kreativen Schreiben im Dialog s. B ERGK / K RIWET (2007). 43 der Planung und Durchführung des Schreibens. Dabei wird auch überprüft, ob die Schreiber sich im inhaltlichen, organisatorischen und lexikalisch/ syntaktischen Bereich an die Hilfen der Modelltexte bzw. der Aufgaben und Hilfestellungen gehalten haben, und ob die Aufgaben textsorten- und adressatenangemessen sind. Auch der Einfluss der Sozialform auf die Texte wird zu beleuchten sein. (H ESSE 2002b: 138) Nach L EGUTKE (2009: 213) ermöglicht eine systematische Betrachtung von Lernertexten einen kritischen Zugang zur Dynamik des fremdsprachlichen Klassenzimmers als von Lehrkräften und Lernenden gemeinsam geschaffener Lernwelt und Textwerkstatt. Lernertexte können Aufschluss darüber geben, ob im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts "Sprache in sinnvollen Kontexten (meaningful contexts), durch bedeutsame Interaktionen (meaningful interactions) nachhaltig und mit Perspektiven gelernt (meaningful learning)" wird. Zudem erlauben die von Lernern produzierten Texte eine Betrachtung sowohl des individuellen Textproduzenten als auch der "dynamischen und wandelbaren Beziehungen aller Aktanten im Klassenzimmer" (ibid.: 213f.). Obwohl Lernertexte integraler Bestandteil des Fremdsprachenunterricht sind und die Fachnote laut der Notengebungserlasse der meisten Bundesländer zu 50% auf schriftlichen Leistungen beruht, gibt es so gut wie keine empirischen Befunde darüber, inwiefern Lernertexte die alltägliche Unterrichtspraxis prägen und ob ihrer bedeutenden Rolle als Instrument des Spracherwerbs, der vertieften Textwahrnehmung sowie der Selbst- und Fremdevaluation Rechnung getragen wird. Auch über das Verhältnis von in formalisierten Überprüfungssituationen geforderten Texten und solchen, die sonst im Unterricht geschrieben werden, ist wenig bekannt (ibid.: 211). Stehen sie in einem engen Zusammenhang zu den in Klausuren zu verfassenden Texten und bereiten sie konsequent auf diese vor oder sind die im Unterricht verfassten Texte gänzlich anderer Natur? Schließlich weiß man auch wenig darüber, wie Lehrkräfte mit Lernertexten umgehen. Nach welchen Kriterien werden sie bewertet und werden sie als Ausgangspunkt für den Diskurs im Klassenzimmer verwendet? Diese Fragen werden in Bezug auf die im Rahmen der Fallstudien entstandenen Lernertexte näher beleuchtet. ! Als weitere typische handlungs- und produktionsorientierte Verfahren im Sinne eines rezeptionsästhetisch orientierten Literaturunterrichts kommen neben kreativen Schreibaufgaben insbesondere Verfahren der szenischen Interpretation zunehmend zum Einsatz. Szenisches Interpretieren wird dabei definiert als 44 Handeln in den vom Text vorgegebenen oder angedeuteten Rollen und Situationen. Es versteht den Text als Entwurf, als Partitur für Szenen, die in Vorstellungen umgesetzt und durch Spielhandlungen dargestellt und gedeutet werden. […] Eine solche Interpretationsweise ist auf die einzelnen Teilnehmer angewiesen, weil diese immer wieder ihre individuellen Vorstellungen und Auslegung des Textes bzw. des szenischen Geschehens entwickeln, darstellen und vergleichend diskutieren müssen. Sie braucht den Einzelnen aber auch als Spieler, der seine Figur bei der Einfühlung, im Spiel und bei der Reflexion nach innen und außen gestaltet und aus dieser Perspektive das literarische Geschehen interpretiert. Ebenso wichtig ist die ganze Gruppe, weil Szenen nur durch die Interaktion zwischen Spielerinnen und Spielern entstehen können und weil das szenische Geschehen von außen nicht nur beobachtet und beschrieben, sondern auch gedeutet und eventuell bewertet werden muss. (S CHELLER 2004: 48) Formen des szenischen Spiels bzw. der szenischen Interpretation tragen der Polyvalenz literarischer Texte Rechnung, regen zum Perspektivenwechsel an und geben dem Darstellenden die Möglichkeit, seine persönlichen Verstehensweisen visuell zu dokumentieren und so für die Lerngruppe nachvollziehbar zu machen, sodass sie als Ausgangspunkt für gemeinsame Bedeutungsaushandlungen und Reflexionen dienen können. Szenische Verfahren sind Formen des Textzugangs und der Texterschließung, die nicht auf die Erarbeitung einer 'gültigen' Interpretation abzielen, sondern Lernern erlauben, mit dem Text zu experimentieren und ihn auf seine potenziellen Aussagen, Implikationen und Deutungsvarianten hin auszuloten und zu erproben. Dabei erlauben sie eine sinnlich-ästhetische Texterfahrung, in der Texte verräumlicht und visualisiert werden, "das Wort muß Gebärde, der Gedanke Handlung, die Interaktion muß Raumerfahrung werden" (K UNZ 1995: 55). Szenische Verfahren ermöglichen somit ein holistisches Lernen, bei dem Kopf und Körper gleichermaßen beteiligt sind und die Lernenden nicht nur die Einheit von sprachlicher Äußerung, Redeweise, Mimik, Gestik, Körperbewegung und Gefühl, sondern auch die kontextuelle Einbettung der performativen Sprachhandlung erfahren (M ELDE / B ERGFELDER -B OOS 1997: 228). Gleichzeitig fördert das szenische Spiel die Spontaneität der Lernenden in Bezug auf Handlungsentscheidungen und sprachliche Reaktionen, sodass die Bedingungen einer echten Kommunikationssituation simuliert werden. Szenische Interpretationen sind darüber hinaus in besonderem Maße geeignet, Fremdverstehen zu fördern, indem sie einen großen interkulturellen Erfahrungsraum eröffnen und die Lernenden dazu anregen, kulturelle Differenzen in der Wahrnehmung und im Verhalten zur Kenntnis zu nehmen, zu verstehen und zu akzeptieren (S CHELLER 2004: 85). In der Auseinandersetzung mit dem vermeintlich Fremden können die Lernenden 45 zudem vergessene und abgespaltene Anteile an sich und der eigenen Kultur (wieder) entdecken und in ihr Selbstbild integrieren, wobei Vorurteile und Erfahrungsunterschiede untersucht, reflektiert und gemeinsame Interessen und Lebensentwürfe ausgehandelt werden können (ibid.). Als szenische Interpretationstechniken nennt S CHELLER (2004: 60ff.) Fantasiereisen, Rollentexte, Selbstdarstellung (Rollenbiographie), Habitus- und Haltungsübungen, szenisches Lesen, Raumbeschreibung, Rollengespräche, szenische Improvisation und Stimmenskulptur u.a. 18 Eine besondere Form der szenischen Interpretation, die mit einem hohen Motivationspotenzial für die Lernenden verbunden ist und im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wiederholt zum Tragen kommt, ist das Standbild. Standbilder sind eine besondere Form von Bildern, da sie sowohl eine visuelle als auch eine szenische Komponente beinhalten. Ein Standbild lässt sich als eine Momentaufnahme verstehen, die von einer Gruppe von Spielenden szenisch dargestellt wird; dabei verharren die Spielenden bewegungslos und ohne zu sprechen in ihrer Haltung. Bei den Zuschauern entsteht der Eindruck, ein Bild zu sehen, ein stummes Tableau, ein frozen image. (L EITZKE -U NGERER 2010: 47f.) Gegenstand von Standbildern sind dabei die zentralen Momente der Handlung bzw. Schlüsselszenen eines literarischen Textes, die von den Lernern visuell umgesetzt werden. Insgesamt vermögen szenische Verfahren neben literarischem und interkulturellem Lernen auch sprachliches, imaginatives, erfahrungsbezogenes und soziales Lernen zu fördern (S CHELLER 2004: 75f.). Sie aktivieren die Vorstellungskraft der Lernenden und tragen einem dem fremdsprachlichen Literaturunterricht angemessenen Verstehensbegriff Rechnung, der die drei Dimensionen Kognition, Emotion und Imagination integriert (vgl. S PINNER 1995). Sie fördern eine aktive Auseinandersetzung mit dem Text und begünstigten ein vertieftes Verständnis, indem sie unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten ausloten, die sinnlich wahrnehmbar zur Darstellung gebracht werden und der interaktiven Aushandlung bedürfen, um in der Lerngruppe zu interindividuell nachvollziehbaren Resultaten zu gelangen. So geben sie Anlass zu authentischer Kommunikation und fördern die Interaktion zwischen den Lernenden, wodurch eine Lehrerzentrierung aufgehoben und einem schülerorientierten Unterricht Rechnung getragen wird. Szenische Verfahren vermögen aber nicht nur Textverstehenskompetenzen im Sinne der reading literacy zu fördern, sondern auch ein visuelles Verstehen 18 Für weitere Beispiele zu szenischen Interpretationen bzw. Inszenierungen im Literatur- und Fremdsprachenunterricht s. D AHL (1990); F ROMMER (1995); K APPE (1991/ 1995); K ÜPPERS / S CHMIDT / W ALTER (2011). 46 des Textes. Visual literacy verweist in diesem Zusammenhang auf eine ganzheitliche Wahrnehmung des Textes, "die sich in der Schaffung von aussagekräftigen Bildern manifestiert, die den Text nicht nur resümieren, sondern zugleich interpretieren" (L EITZKE -U NGERER 2010: 148). 19 Szenische Verfahren sind geeignet, Perspektivenwechsel zu initiieren und Fremdverstehen zu fördern. Schließlich übernehmen sie auch eine lebensweltliche und soziale Funktion, denn "Imagination ist eine auf Erkenntnis und Bewältigung der Wirklichkeit gerichtete Erkenntnistätigkeit" (S PINNER 1995: 9). 20 " # $ % & ' ( Die Evaluation kreativer Schülerprodukte im Rahmen eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts ist in aller Regel schwieriger als etwa die Bewertung von Zusammenfassungen oder Inhaltsangaben, sodass sie immer wieder Gefahr laufen, bei der Leistungsfeststellung und Notengebung nicht berücksichtigt zu werden (vgl. S URKAMP 2007: 102). Da produktive Aufgaben einem besseren Verständnis des Ausgangstextes dienen und Lernende ihr Textverständnis in Form eines durch den literarischen Text inspirierten Tagebucheintrags, eines inneren Monologes, einer Collage, einer Talkshow oder einer anderen szenischen Umsetzung u.v.a.m. dokumentieren können, müssen Möglichkeiten und Kriterien gefunden werden, die als Bewertungsgrundlage für die Rezeptionsprodukte der Lernenden dienen können. Denn spätestens, wenn kreative Bearbeitungsformen Gegenstand von Klassenarbeiten oder gar der Abiturprüfung sind, kommt die Lehrkraft um eine Benotung nicht umhin. 21 Produktive Aufgaben können aber nur dann als Prüfungsgrundlage fungieren, wenn sie vorher im Unterricht geübt worden sind und den Lernenden transparent gemacht wurde, nach welchen Kriterien ihre Produkte beurteilt werden (vgl. W INZER 2001: 31). S OMMERFELDT (2004: 7) unterscheidet in Bezug auf den Umgang mit kreativen Schülerprodukten zwischen Würdigung und Benotung. Die 19 Zu dem in den Rahmenplänen vieler Bundesländer mittlerweile fest verankerten Begriff der visual literacy als einem Aspekt der Medienkompetenz siehe B URMARK (2008); F REY / F ISHER (2008); S EIDL (2007) u.a. 20 Für zahlreiche Beispiele zu drama activities and techniques (Rollenspiele, Improvisationen, Simulationen u.a.) aus der englischsprachigen Literaturpädagogik siehe B URKE / O´S ULLIVAN (2002); B UTTERFIELD / S IEVEKING (1993: 2); D OUGILL (1994); F LEMING (1998); M ALEY / D UFF (2005); S CHEWE / S HAW (1993) und W ILHELM (1997/ 2002). 21 Auch wenn der Schwerpunkt der schriftlichen Abiturprüfung gemäß den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) noch immer die traditionelle Textaufgabe ist, ist sie heute im Sinne eines erweiterten Textbegriffs und einer stärkeren Anwendungsorientierung offen für produktionsorientierte, gestaltende Bearbeitungsformen (KMK 2002: 4). 47 Würdigung beinhaltet sowohl die Wahrnehmung einer kreativen Leistung als auch die Rückmeldung an ihren Urheber. Die Rückmeldung darf sich dabei nicht auf sprachliche Defizite beschränken, sondern muss auch auf den Inhalt der imaginativ-produktiven Leistung Bezug nehmen. Als Kriterien für eine Benotung nennt S OMMERFELDT u.a. Kohärenz mit dem Ausgangstext, innere Kohärenz, Problemtiefe und Differenziertheit sowie stilistische Gestaltungskraft und Konsequenz hinsichtlich der zu erstellenden Textsorte (ibid.: 7f.). 22 H INZ (2003: 355) schlägt als Beurteilungskriterien die Kategorien Inhalt (Gedankenreichtum und Originalität, Plausibilität der Darstellung) und Bezug zum Ausgangstext (Rückbezug auf den Inhalt des Textes, Berücksichtigung der Konstituenten des Ausgangstextes) vor. Zudem sollten die Aspekte Sprache, Stil, Komposition und Originalität beachtet werden (vgl. S CHURF 1995). Schließlich muss bei einer Bewertung berücksichtigt werden, […] welche Freiheiten bei der inhaltlichen Ausgestaltung eingeräumt wurden, ob die Schülerimagination durch Vorgaben gesteuert wurde und inwieweit die individuelle Schülerleistung eher reproduktiv oder mehr produktiv ausgerichtet ist. Je offener die Aufgabenstellung, desto höher sind auch die Ansprüche an die Darstellungsfähigkeiten der Schüler, umso problematischer wird allerdings auch ihre Bewertung. (H OLTWITSCH 1999: 422) Der Lehrende hat beim Einsatz kreativer Verfahren in jedem Falle dafür Sorge zu tragen, dass die gewählte Aufgabenstellung dem Text angemessen ist und dass die Lernenden, bei aller Freiheit handlungs- und produktionsorientierter Aufgaben, dem Text gerecht werden, denn sie sind dem Ausgangstext gegenüber insofern rechenschaftspflichtig, als sie sich an dessen Textsignalen orientieren müssen (C ASPARI 2000: 86; W INZER 2001: 31). Das beinhaltet für die Lehrkraft u.a. aufzudecken, wenn die Deutungen der Lernenden auf objektiv falschen Einschätzungen, fehlendem Wissen und fehlenden Fähigkeiten beruhen. S URKAMP (2007a: 103) stellt vor dem Hintergrund von verschiedener Seite bereits entstandener Fragenkataloge den folgenden für die Bewertung kreativer Schülerprodukte zusammen: • Wie sorgfältig und engagiert ist die Arbeit/ Darstellung ausgeführt? • Ist der vorgetragene/ vorgelegte Schülertext in sich stimmig? Gibt es Brüche? Worauf sind diese zurückzuführen? Gibt es beabsichtigte Brüche? Was ist deren Intention? • Wie hat der Lerner bzw. die Lernerin die Beziehung zum Thema der Aufgabe hergestellt? Bei speziell verlangtem Texttyp: Ist die Textart in ihrer Zu verschiedenen Formen des Umgangs mit imaginativ-produktiven Ergebnissen sowie zu Beispielen der Rückmeldung s. S OMMERFELDT (2004: 6-8). 48 Grundstruktur bei der Gestaltung erfasst? Bei Freigabe der Textart: Ist die Darstellung konzeptionell und thematisch angemessen? • Inwieweit ist der Prozess des Sich-Einlassens auf die Aufgabe im Rezeptionsprodukt zu erkennen? • Ist die Darstellung/ der Text inhaltlich glaubwürdig und überzeugend? Sind z.B. die Figuren und Räume in ihren Merkmalen glaubhaft präsentiert? • In welchem Verhältnis steht das Rezeptionsprodukt zur Individualität des Schülers, seinem persönlichen Hintergrund und dem sonst ermittelten fremdsprachlichen Leistungsvermögen? • Inwieweit ist die Arbeit subjektiv-innovativ? Enthält sie originelle, abweichende, alternative, eigenständige Gedanken und Ausdrucksformen? • Wie weit ist die Arbeit fremdsprachlich normgerecht? Überzeugt die gewählte Sprache? Ist sie konsequent eingehalten worden? Gibt es sprachliche Brüche? Sind diese eventuell beabsichtigt? Eine Orientierung an diesen Leitfragen ermöglicht es der Lehrkraft, kreative Schülerprodukte fundiert, konsequent und für die Lernenden nachvollziehbar zu bewerten. Empirische Befunde deuten allerdings darauf hin, dass eine Bewertung oder Würdigung kreativer Schülerprodukte in der Unterrichtspraxis regelmäßig ausbleibt (vgl. K IMES -L INK 2008). ) * % Trotz aller Vorzüge, die mit dem Einsatz kreativer Verfahren in Verbindung gebracht werden, ist ein kreativitätsorientierter Literaturunterricht aber auch immer wieder Zielscheibe für Kritik. Ausgangspunkt für die Kritik aus fachdidaktischer Perspektive ist die Annahme, dass die Auswahl der Verfahren häufig unzureichend reflektiert und ohne didaktische Legitimation sei, einem methodischen Aktionismus Vorschub leiste, subjektive Formen des Textzugangs bei fehlendem Inhaltsbezug überbetone und so einer interpretatorischen Beliebigkeit das Wort rede (vgl. C ASPARI 2005). Zudem trage ein einseitig ausgerichteter handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht dem Text in seiner ästhetischen Gestalt zu wenig Rechnung und bewerte die produktiven Leistungen der Lernenden "zu Unrecht oder jedenfalls vorschnell und idealisierend als 'Textverstehen'" (H ÄRLE / S TEIN - BRENNER 2004b: 3). K RAMSCH (1993: 136) kommt nach von ihr durchgeführten Unterrichtsbeobachtungen zu dem Schluss, dass Lehrer den literarischen Text als Sprungbrett dafür benutzten, die Lernenden ihre persönlichen Eindrücke und Erfahrungen formulieren zu lassen, ohne diese im Lichte des literarischen Textes zu reflektieren: 49 [...] the teachers used the text as springboard for having students express themselves and relate the storyline to their own experience. They seemed reluctant, however, to ask students to look at their experience critically in light of the text. (ibid.) Die generelle Kritik an subjektivistischen Modellen, die häufig im Zusammenhang mit Lernerorientierung und handlungs- und produktionsorientierten Verfahren geäußert wird, reicht dabei von "Beliebigkeit im Umgang mit dem Text", "Willkür der Interpretation", "Oberflächlichkeit der Ergebnisse", über "fehlenden Inhaltsbezug" der Methoden und der "Überbetonung subjektiven Vergnügens" hin zur "Degradierung des Lehrers zu einem Animateur" etc. (H ABERKERN 2005: 2). N ÜNNING (2002: 115) sieht in einer einseitigen Privilegierung subjektivistischer Ansätze und schüleraktivierender Methoden die Förderung einer "Fun-Gesellschaft" und eine "Infantilisierung der Gesellschaft". Eine potenzielle Gefahr in diesem Zusammenhang besteht folglich darin, dass die Texte selbst aus dem Blick geraten bzw. zum Sprungbrett für schüleraktivierende und kreative Verfahren werden, anstelle ein tiefgreifendes Textverständnis zu begünstigen. Damit solche Verfahren nicht zum Selbstzweck werden, muss bei deren Einsatz immer bedacht werden, dass das Textverständnis nicht allein von der Individualität des Lesers abhängt, sondern auch von den textuellen Signalen und Steuerungsmechanismen. Eine Aufgabe des Literaturunterrichts ist deshalb auch, das Bewusstsein der Lernenden für die Wirkungs- und Funktionsweisen textueller Strategien zu schärfen (S URKAMP 2007/ 2010a). Eine Kombination textanalytischer und kreativer Verfahren vermag sowohl dem Ausgangstext gerecht zu werden als auch der Subjektivität des Rezipienten Rechnung zu tragen. Viele handlungs- und produktionsorientierte Verfahren verlangen ihrerseits eine solide Textkenntnis, die mittels analytischer Methoden erworben werden kann, sodass eine Textanalyse als Voraussetzung für die erfolgreiche Bearbeitung eines kreativen Arbeitsauftrages erachtet werden kann. Kreative Aufgabenstellungen fördern schließlich ein vertieftes Verstehen des Ausgangstextes, wenn die erzielten Resultate und individuellen Lesarten nicht nur in der Lerngruppe ausgehandelt, sondern auch auf den literarischen Text zurückbezogen und hinsichtlich ihrer Plausibilität evaluiert werden. Eine solche Vorgehensweise verhindert, "dass der Leser bzw. eine Gemeinschaft von Lesern darüber entscheidet, was der Text bedeutet, und die damit den Text völlig entwerten" (B REDELLA 2002b: 115). Eine Rückkopplung der Rezeptionsprodukte der Lernenden an den Ausgangstext ist auch notwendig, um im handlungs- und produktions-orientierten Unterricht nicht einer Beliebigkeit im Umgang mit literarischen Texten anheim zu fal- 50 len. Wenn Textverstehen grundsätzlich subjektiv angesehen wird und der Deutungsspielraum für die Lernenden unbegrenzt ist, dann kann es keine richtigen und falschen Lesarten geben, dann stehen alle Deutungen gleichberechtigt nebeneinander. Auch ein solches Verständnis entwertet den Text, da dieser nur noch das Material für die Schaffung eigener Bedeutungen seitens des Lesers bildet. Außerdem macht er eine Schullektüre, die Funktionen hat und Ziele verfolgt, unmöglich. (S URKAMP 2007: 102) Schließlich muss der Einsatz handlungs- und produktionsorientierter Verfahren abgestimmt sein auf die inhaltlichen und formalen Charakteristika des Unterrichtsgegenstandes sowie auf die angestrebten Lernziele und Kompetenzen. D.h., die Lehrkraft darf sich bei ihrer Unterrichtsplanung nicht auf eine willkürliche Zusammenstellung einzelner Aktivitäten beschränken, sondern die gewählten Aufgaben und Methoden bedürfen "einer lernspychologischen, fachlichen und didaktischen Fundierung" (ibid.) und müssen den jeweiligen Zielen und Inhalten angemessen sein. Obwohl das Potenzial handlungs- und produktionsorientierter Verfahren innerhalb der Fremdsprachendidaktik im Sinne eines zeitgemäßen Literaturunterrichts weitgehend anerkannt und befürwortet wird und in zahlreichen entsprechenden Publikationen zum Ausdruck kommt, monieren einige Autoren, dass die Verfahren noch keinen umfassenden Einzug in die Unterrichtspraxis gehalten hätten und speziell der fremdsprachliche Literaturunterricht in der gymnasialen Oberstufe noch immer mehr oder weniger einseitig an traditionellen textanalytischen Verfahren orientiert sei (vgl. M AYER 2009; S URKAMP 2007 et al.). Handlungs- und produktionsorientierten Verfahren käme dabei lediglich der Status eines "methodischen Spielchens" (H AAS 2007: 50) oder einer "Sonderveranstaltung innerhalb eines Projekts" (L AUBER 2004: 18) zu. Ob diese Befürchtungen begründet sind, soll ein Blick auf die Unterrichtspraxis im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit erhellen. Schließlich mangelt es bislang an empirischen Erkenntnissen im Hinblick auf den tatsächlichen Erfolg und die Wirkungen eines handlungsorientierten Literaturunterrichts (vgl. F RITZSCHE 2006: 5f.). Auch in diesem Zusammenhang sucht die Studie einen Beitrag zu leisten. 51 # + + ' ! 1 2 Neben der Handlungs- und Produktionsorientierung spielt heute das Konzept der Aufgabenorientierung (Task-Based Language Learning) im Rahmen der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik eine bedeutende Rolle. Dabei weisen die beiden Konzepte zahlreiche Parallelen auf: 23 Kriterien und Zielvorstellungen wie Lernerautonomie, Emanzipation, Schülerorientierung, Lebensrelevanz der Themen, Authentizität, Sprache als Kommunikationsmittel, negotiation of meaning, message before accuracy oder […] zone of proximal development und (collective) scaffolding sind […] für beide Ansätze gleichermaßen bedeutsam. (V IEBROCK 2009: 50) Auch wenn TBL kein scharf umrissenes Konzept ist und "von verschiedenen Disziplinen zur Beschreibung unterschiedlicher Sachverhalte" verwendet wird (B URWITZ -M ELZER 2006: 25), ist ein gemeinsamer Nenner in S KEHAN s (2003: 3) sehr breiter Definition der Task erkennbar: "A Task is an activity which requires learners to use language, with emphasis on meaning, to attain an objective." Aufgabenorientierter Unterricht ist dem kommunikativen Ansatz verpflichtet und orientiert sich am 'realen' Sprachgebrauch, d.h. Tasks verfolgen ein kommunikatives Ziel, wobei sie die Aufmerksamkeit weniger auf die sprachliche Form als auf die zu vermittelnde Bedeutung lenken gemäß der Maxime message before accuracy (vgl. A HRENS 2006; B REDELLA 2005b/ 2006; E LLIS 2003: 16; R AITH 2006). 24 Auch wenn für eine Task charakteristisch ist, dass sie den Zweck und das erwartete Ergebnis einer Aktivität nennt (vgl. M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - V . D ITFURTH 2005: 2), sollte sich die Sprachentwicklung der Lernenden dabei möglichst natürlich und ungesteuert entfalten können. Daraus resultiert, dass die Lehrkraft vorwiegend die Rolle eines Moderators und Begleiters erhält, der den Lernenden nur noch Sprachanlässe gibt, sodass das Prinzip der negotiation of meaning und die Interaktion als Rollenverhalten in der Klasse dominiert. Dies korrespondiert mit der zugrundeliegenden Prämisse von Aufgabenorientierung, "dass mittels der Teilhabe an einer Interaktion nicht nur bereits bekannte Aspekte einer Fremdsprache verwendet, sondern auch bislang unbekannte gelernt werden können" (E CKERTH 2003: 27). Der Aushandlung von Bedeutungen innerhalb der Lerngruppe kommt für den Spracherwerb somit eine zentrale Funktion zu. Eine vom Schwierigkeitsgrad her dem 23 Zu dem Konzept der Aufgabenorientierung (TBLL), das in den letzten Jahren im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, s. E LLIS (2003); H ALLET (2006b/ 2011); M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - V . D ITFURTH (2005/ 2006/ 2008); N UNAN (2004); S KEHAN (2003); W ILLIS (1999); W ILLIS / W ILLIS (2007). 24 Die exercise oder Übung lenkt im Unterschied dazu die Aufmerksamkeit auf die sprachliche Form, sodass man zwischen "form-focus" und "meaning-focus" differenzieren kann. 52 Lernstand angemessene Aufgabenstellung ermöglicht ein optimales Lernen in der 'Zone nächster Entwicklung' (ZNE) nach W YGOTSKI (vgl. O ERTER / M ONTADA 1998: 94). 25 Das bedeutet, dass Aufgaben weder übernoch unterfordern sollten und die sprachlichen Zielkategorien Flüssigkeit, Richtigkeit und Komplexität bei der Konzeptionierung berücksichtigt werden sollten (vgl. W ESKAMP 2001: 74). Tasks streben einen lebensweltlichen Bezug an, indem sie versuchen, Situationen zu simulieren, die im späteren Leben der Lernenden privat oder auch beruflich relevant sind (vgl. B URWITZ -M ELZER 2006: 26; C ASPARI 2006: 33). Da zukünftige Kommunikationsanlässe aber komplex und nur bedingt vorhersehbar sind, ist es bedeutsam, dass Aufgaben nicht auf zuvor festgelegte Mitteilungsabsichten reduziert werden, sondern den Lernenden die Möglichkeit einräumen, eigene Bedeutungen zu kommunizieren und sie mit den Mitgliedern ihrer Lerngruppe auszutauschen (vgl. M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - V . D ITFURTH 2006: 2). Dies impliziert, dass den Lernenden Entscheidungsfreiheit in Bezug auf das Setzen inhaltlicher Schwerpunkte und die Verwendung der sprachlichen Mittel bei der Bewältigung der Aufgabe gewährt wird. In der Verschränkung von Themen, Texten und Situationen wird so im aufgabenorientierten Unterricht sinnvolles sprachliches Handeln in der Fremdsprache "geübt, geprobt, erlebt und analysiert" (L EGUTKE 2006: 140). 26 Schließlich wird Tasks das Potenzial zugesprochen, die Entwicklung interkultureller kommunikativer Kompetenz zu fördern. Sie gilt als ein Leitziel des heutigen Englischunterrichts und soll Lernende dazu befähigen, sich mit Sprechern anderer Kulturen zu verständigen und interkulturelle Begegnungssituationen erfolgreich zu bewältigen (vgl. M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - V . D ITFURTH 2006: 2). Das Task-Konzept stellt die kulturelle Relevanz der Unterrichtsthemen und -inhalte, deren selbstständige, problemlösungsorientierte Bearbeitung durch die Lernenden und die Rückbindung unterrichtlicher an lebensweltliche Prozesse durch die Konstruktion entsprechender Aufgaben- und Unterrichtsarrangements in den Mittelpunkt. (H ALLET 2007a: 33) L EGUTKE und T HOMAS (1991: 56, 61-63) differenzieren im Rahmen ihres aufgabenorientierten Ansatzes zwischen der Task-as-workplan (Aufgaben- 25 Die ZNE (engl.: zone of proximal development) ist oberhalb des aktuellen Entwicklungsstandes eines Kindes angesiedelt und bezeichnet den Bereich, den es sich als nächstes aneignen wird. In dieser Situation kann es bestimmte Anforderung noch nicht allein, aber mit entsprechender Hilfestellung erfüllen, sodass eine Progression von Bewältigung der Aufgabe durch Instruktion zu ihrer selbstständigen Meisterung zu verzeichnen ist (ibid.). 26 Zu den einzelnen Task-Komponenten s. N UNAN (2004). 53 stellung als Arbeitsplan) und der Task-in-process (Aufgabenstellung im Unterrichtsprozess). Betrifft erstere den Arbeitsplan, den die Lehrkraft für eine konkrete Unterrichtseinheit konzipiert, so verweist die Task-in-process auf die Tatsache, dass Lernende die jeweilige Aufgabenstellung vor dem Hintergrund ihres Vorwissens und ihrer Lernerfahrungen re-interpretieren, sodass die Task-in-process all das umfasst, was mit dem Arbeitsplan im konkreten Unterrichtsgeschehen passiert. Eine Variante der Task-asworkplan ist das sogenannte backward planning. Das bedeutet, dass man von der target Task ausgehend überlegt, welche Schritte notwendig sind, um diese zu erreichen. Nach D ELANOY (2007: 111) lassen sich ein enger und ein weiter Task- Begriff voneinander unterscheiden: Während eine enge Verwendung des Begriffs für die Lernaktivität steht, die einen fremdsprachlichen Text begleitet und den Lernenden zu deren Bewältigung einlädt, bezeichnet der weite Task- Begriff die Arbeitsgrundlage insgesamt, "die der Auseinandersetzung mit einer unterrichtsbezogenen Aufgabenstellung dient". In ihrer minimalen Ausprägung besteht eine so verstandene Task aus einem L2- Text (z.B. ein literarischer Text) und einer ihm zugeordneten Lernaktivität. Die Task kann aber auch als komplexes Gefüge realisiert werden, das sich aus verschiedenen L2-Texten (z.B. literarische und nicht-literarische Texte), Hilfstexten (z.B. Vokabelerklärungen und Glossare) und Lernaktivitäten zusammensetzt. (ibid.) 27 Im Sinne eines weiten Task-Verständnisses spricht H ALLET (2006a: 51) von der Herstellung komplexer Lernarrangements "mittels einer komplexen Aufgabe (Task, auch als Lernaufgabe übersetzt), in deren Mittelpunkt die selbstständige Problembearbeitung der Lernenden in interaktionalen Formen steht". 28 Lernaufgaben setzen sich aus Themen, Lernakten und Bezügen zur Lebenswelt der Lernenden zusammen und stellen durch "die Bereitstellung von Materialien und Ressourcen, die Formulierung einer Problemstellung, die Initiierung von problemlösender Interaktion und die Vorgabe eines Produktes als outcome der Aufgabenbearbeitung" einen Rahmen aller Lernaktivitäten dar (ibid.). In einem Lernarrangement oder auch in den Worten P IEPHO s (2003: 42) didaktischen Szenario wird ein thematischer Komplex in handlungsleitende Impulse bzw. Aufgaben aufgelöst, um so die Lernenden dazu zu motivieren, unterschiedliche Aspekte des Themas zu 27 Vgl. D ELANOY (2004). 28 Siehe hierzu auch H ALLET s Ausführungen zum sogenannten "wide reading", das der Tatsache Rechnung tragen soll, dass sich jeder Text im beständigen Austausch mit anderen Texten befindet und aus diesen intertextuellen Beziehungen kulturelle Bedeutung entsteht (vgl. H ALLET 2002/ 2007a). 54 erkunden sowie Informationen zu sammeln, auszuwerten und zu präsentieren. Die einzelnen Aufgaben innerhalb einer Aufgabensequenz sollten dabei natürlich aufeinander aufbauen bzw. auseinander hervorgehen, sodass sie sozusagen eine 'pädagogische Geschichte' erzählen (vgl. N UNAN 2004). Am Ende einer Aufgabensequenz steht ein Lernerprodukt und die einzelnen Teilaufgaben sollen die Lernenden dazu befähigen, die Zielaufgabe zu bewältigen und das angestrebte Produkt herzustellen. In diesem Sinne ist Aufgabenorientierung als grundsätzlich handlungs-, prozess- und lernerorientiert zu verstehen. Sie strebt ein auf die Gesamtperson gerichtetes schüleraktivierendes Erfahrungslernen an, das affektives und kognitives Lernen integriert und auf die Entwicklung einer dialogischen Interaktionskultur abzielt (vgl. D ELANOY 2007: 112). Schließlich enthält ein aufgabenorientierter Unterricht ein reflexives Moment, insofern die Lernenden dazu angeregt werden sollen, ihren eigenen Lernprozess zu reflektieren und zu evaluieren, sodass die Aufgaben auch als Ausgangspunkt für eine Fremd- und Selbstevaluation dienen. Authentische literarische Texte sind aufgrund ihrer Inhalte und Themen besonders geeignet, als Ausgangspunkt für die Konstruktion solcher Lernaufgaben in einem aufgabenorientierten Unterricht zu fungieren. In Bezug auf den fremdsprachlichen Literaturunterricht ist für den aufgabenorientierten Ansatz charakteristisch, dass er den Blick darauf richtet, was mit Literatur im Unterricht konkret passiert. "Texte sprechen im Unterricht nicht für sich selbst" (L EGUTKE 2006: 140), sondern sie müssen zugänglich gemacht und erschlossen werden. Aufgaben nehmen auf dem Weg zu diesem Ziel eine bedeutende Rolle ein. Im Rahmen des fremdsprachlichen Literaturunterrichts dient die Task mithin als Grundlage, um über die "spezifischen Verstehensbedingungen nachzudenken, die über das Zusammenwirken von literarischen Texten und didaktisch motivierten Vermittlungsakten" entstehen (D ELANOY 2007: 107). Im Sinne der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik geht es dabei insbesondere um die Interaktion zwischen Leser und Text, in deren Verlauf der Leser unter Lenkung des literarischen Textes Sinn konstituiert. In einem solch leserorientierten Ansatz ist es von Bedeutung, dass die Lehrkraft die individuellen wie kollektiven Verstehensprozesse und Reaktionen der Lernenden nicht dadurch beeinträchtigt oder hemmt, dass sie "ihr eigenes Textverständnis in den Vordergrund stellt" (S URKAMP 2007: 99). Bei der Anleitung zur Textauswahl, zu Beginn und zum Abschluss der literarischen Rezeptionsprozesse ist ihr fachliches, literaturwissenschaftliches und literaturdidaktisches Wissen als Impuls und Evaluationsfaktor besonders nötig, doch sollte die Präsenz der Lehrerexpertise während jener Phasen, in denen die Lernenden ihre Rezeption des Textes erkunden, formulieren und miteinander 55 aushandeln, eher als Impuls spürbar sein; Lehrer sollten sich mit vorschnellen Festlegungen zurückhalten. (B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 234) Insgesamt stellt der aufgabenorientierte Ansatz für den Kontext des fremdsprachlichen Literaturunterrichts auf der Basis der Analyse der Arbeitsgrundlage und der unterrichtlichen Rahmenbedingungen die Frage, wie die Auseinandersetzung mit dem gewählten literarischen Text und seiner Inhalte sinnvoll im Unterricht gestaltet werden kann. Dabei berücksichtigt er neben der Förderung verschiedener Kompetenzen insbesondere die Interaktionsbedingungen für Texte, Lernende und Lehrende, und sucht durch den Einsatz geeigneter Methoden zahlreiche Möglichkeiten zum Dialog in der Lerngruppe bereitzustellen (vgl. D ELANOY 2007: 113). Aufgaben in diesem Sinne sind schließlich ein entscheidendes Instrument für literarisches Lernen und für die Leistungsüberprüfung im Literaturunterricht (vgl. L EUBNER / S AUPE 2008: 2). # + 3 4 " Schließlich sind im Rahmen einer rezeptionsästhetischen Literaturvermittlung im Fremdsprachenunterricht Unterrichtsgespräche von besonderer Bedeutung. B UTZKAMM (2007: 355) bezeichnet "ein lebendiges, auf hohem sprachlichen wie intellektuellen Niveau geführtes Gespräch" insgesamt "als die Krönung des Unterrichts". Unterrichtsgespräche bieten nicht nur eine Plattform für Lernende, literarische Texte gemeinsam zu erschließen, sondern auch einen geeigneten Ausgangspunkt, die ritualisierten Interaktionsmuster im classroom discourse 29 aufzubrechen und die individuellen Redeanteile der Lernenden zu steigern, indem persönlich relevante Inhalte verhandelt werden. Das Unterrichtsgespräch ist dabei zum einen eine Sozialform, die im Rahmen unterschiedlicher Methoden, wie etwa zur Auswertung handlungs- und produktionsorientierter Verfahren, eingesetzt werden kann. Zum anderen ist es ein Weg zur Textinterpretation und damit eine Unterrichtsmethode, weil sie einen Abgleich der unterschiedlichen Interpretationsansätze/ Interpretationen von Mitgliedern einer Lerngruppe erlaubt und damit entscheidend zur Weiterentwicklung dieser Interpretationen - ihrer Festigung, Veränderung oder Differenzierung - beiträgt. (L EUBNER / S AUPE 2008: 111) Nach rezeptionsästhetischen Erkenntnissen wird Lesen als ein produktiver und identitätsstiftender Akt begriffen, der durch den Austausch von Leseerfahrungen in einem offenen Gespräch über literarische Texte intensi- 29 Zu den Charakteristika des classroom discourse s. C AZDEN (2001); C HRISTIE (2002); D OFF / K LIPPEL (2007: 65ff.); W ALSH (2006). 56 viert werden kann (C HRIST / F ISCHER et al. 1995: 9). Der Literaturunterricht sollte vor allem literarisches Verstehen lehren und den Schülern Anlass geben, ihre Deutungen kommunikativ zum Ausdruck zu bringen, um sie für das Erlernen der Fremdsprache nutzbar zu machen. Zur Rezeption literarischer Texte gehört deshalb auch das Gespräch über Reaktionen und Deutungen und deren Differenzierung durch den Vergleich mit anderen (B REDELLA 2004: 34). Hierdurch werden zum einen authentische Kommunikationssituationen initiiert und so der Forderung nach einer mitteilungsbezogener Sprachverwendung im Fremdsprachenunterricht Rechnung getragen; zum anderen wird die intrinsische Sprech- und Lesemotivation der Lernenden geschürt (vgl. S CORAH 2010: 317). Sprache wie ihre »markierte« Form, Literatur, ist so vielsinnig, vielstimmig, vieldeutig wie das, was sie ausdrückt. Ihre »indeterminacy of meaning« ist auf verdeutlichenden Gebrauch, auf diskursive Festlegung und Füllung, auf Rezeption angelegt. (N ISSEN 2002: 20) Literarische Texte reizen durch ihre Mehrdeutigkeit zur Kommunikation über sie, sie machen den Leser stutzig und werfen 'echte' Fragen auf (vgl. B REDELLA 1987: 239). Dadurch, dass literarische Texte meist mehrere Interpretationen zulassen und gewissermaßen eine "ready-made opinion-gap" (D UFF / M ALEY 2007: 6) zwischen Lesern erzeugen, vermögen sie authentische Diskussionen und Interaktion zwischen den Interpreten zu stimulieren. Im Unterrichtsgespräch können sich die Lerner mit ihren Mitschülern über ihre Leseerfahrungen, ihre Erkenntnisinteressen und Deutungen austauschen, d.h. eigene Positionen verteidigen, sich von fremden Positionen überzeugen lassen und möglicherweise einen Konsens erlangen (vgl. B REDELLA 2002a: 15f.). Dabei nehmen die Sprecher im Prozess des Unterrichtsgesprächs nicht nur auf den Text Bezug, sondern auch auf die Beiträge anderer, sodass sie ihre Beiträge "durch das bereits Gesagte modifizieren und an den speziellen Gesprächsverlauf anpassen" (S URKAMP / N ÜNNING 2009: 50). Das Textverständnis entwickelt sich also sowohl aus Bezügen und Rückgriffen auf den jeweils besprochenen Text als auch aus dem situativen, interaktiven Kontext, der ein unmittelbares Aufeinander-Eingehen ermöglicht. (ibid.) Die Bedeutungskonstitution resultiert folglich aus den interaktiven Prozessen, "in denen Gesprächsbeteiligte einander Bedeutungen verdeutlichen und aushandeln" (D EPPERMANN 2006: 12). 30 Die Lerngruppe wird zur Interpreta- 30 Im Rahmen der Kognitionswissenschaften und der Gesprächsforschung verweist der Begriff der Bedeutungskonstitution auf Phänomene, "die von der Referenz einzelner Ausdrücke, über Sprechakte und die Herstellung von Textkohärenz bis hin zu den Implikationen von Äußerungen für die Sozialbeziehungen der Kommunikationsteilnehmer reichen" (D EPPERMANN 2006: 11). 57 tionsgemeinschaft, in der individuelle Texterfahrungen im offenen Gespräch erweitert, korrigiert und objektiviert werden. Das Textverständnis wird so einer mehrfachen Kontrolle unterzogen, wobei die subjektiven Textzugänge einzelner Schüler nicht nur der Kontrolle am Text, sondern auch des möglichen Einspruchs der Mitschüler unterzogen werden. Ein solches kollektives Deutungsverfahren zielt aber nicht notwendigerweise auf eine von allen abschließend geteilte Interpretation ab, sondern Interpretationsdifferenzen können toleriert und Fragen können unbeantwortet bleiben. Nach B RUSCH (1986: 57f.) bildet sich in der Diskussion mit den Mitschülern und im Streit der Meinungen ein angemessenes Verstehen heraus. Indem sich die Lernenden im Lernverband diskursiv mit dem Werk auseinandersetzen, vermögen sie zudem neue Zugänge zu entdecken, Fehleinschätzungen zu revidieren, einseitige Gewichtungen zu modifizieren und ästhetische Erfahrungen zu sammeln (vgl. G LAAP / R ÜCK 2003: 137). Das Unterrichtsgespräch ist dabei gleichzeitig Mittel zur Sinnkonstituierung des literarischen Textes und Mittel für das Fremdsprachenlernen: Die Fremdsprache wird durch das Unterrichtsgespräch gefördert, indem über Weltentwürfe aus verschiedenen Kulturen, deren Bezug zur Lebenswelt der Schüler unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Meinung gesprochen werden darf (B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 237). Neben pragmatischkommunikativen Fähigkeiten erleben die Schüler hierdurch eine Individualisierung ihrer sprachlichen Ausbildung (ibid.). Hinzu kommt, dass Schüler durch Unterrichtsgespräche und die dialogische Bedeutungsaushandlung "Initiative, Konfliktbereitschaft, Kritikfähigkeit, und Bereitschaft zur Kooperation" (N ISSEN 1992: 164) entwickeln und es somit nicht nur für die Erziehung zu demokratischem Verhalten einen hohen Stellenwert erhält (B REDELLA 2002a: 16). Eine "beidseitige Gesprächskultur" sowie die Förderung und das Einüben in dialogische Fertigkeiten gelten vielmehr als soziale Schlüsselqualifikationen (B ITTNER 2006: 10). Das Eintreten in einen demokratischen Dialog verlangt, dass sowohl die Schüler als auch die Lehrperson dazu bereit sind, sich aus rezeptionsästhetischer Sicht "auf eine gemeinsame Bedeutungskonstitution im Textgespräch einzulassen, und gegebenenfalls ein offenes Interpretationsgespräch zu akzeptieren" (S CHENKE 1998: 9), anstatt von dem 'richtigen' Sinn des Textes auszugehen, den die Lehrkraft durch entsprechende Fragen zu elizitieren sucht. Lehrer sollten ihre Dabei wird von der Prämisse ausgegangen, dass Bedeutung nicht vorgegeben oder aus einem mentalen Lexikon abrufbar ist, sondern in Bezug auf den aktuellen sprachlichen und außersprachlichen Kontext hergestellt wird. Gleichzeitig handelt es sich bei der Bedeutungskonstitution um einen Prozess, in dem die Prozeduren, Ressourcen und interpretativen Leitungen der kommunizierenden Subjekte von Interesse sind (ibid.: 12). 58 Fragen vielmehr an den Verstehensansätzen der Schüler ausrichten, um diese anzuregen, zu erweitern, zu präzisieren oder zu problematisieren. Darüber hinaus sollte der Lehrer mittels eines "kommunikationsanregenden Fragens" die Schüler dazu veranlassen, auf andere Schülerbeiträge einzugehen und mit ihnen zu interagieren (W ERNER 1996: 19). Dabei sollte er sich offen, interessiert und als gleichberechtigter Gesprächspartner zeigen, dem daran gelegen ist, die Schüler zu verstehen, selbst wenn deren Interpretationen von den seinigen abweichen. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, die lebensweltlichen Erfahrungen und Erwartungen der Lernenden als Sinnstiftungsressourcen zu integrieren und den Inhalt ihrer Beiträge ernst zu nehmen, anstelle sie nur als Ansatzpunkt für die Beurteilung ihrer sprachlichen Korrektheit zu nutzen. S CHENKE (1998) hat in ihrer empirischen Untersuchung zum Rezeptionsverhalten von Schülern bei der Behandlung literarischer Texte in der Sekundarstufe II herausgefunden, dass eine inhaltliche Gesprächssteuerung und -evaluation im Gegensatz zu sprachlichen Hilfestellungen einen negativen Effekt auf das Interpretationsengagement der Teilnehmer haben. Auch die Nichtberücksichtigung von Schülerinteressen hat negative Auswirkungen auf die Unterrichtsbeteiligung (ibid.: 7). Begreift man Unterricht als Kommunikationssituation, die nicht immer ausschließlich asymmetrisch funktioniert, sondern in der auch die Lehrkräfte Interessantes von ihren Schülerinnen und Schülern erfahren und in der echter Gedankenaustausch stattfindet, erfolgen authentische Interaktionen, die als sinnhaft erlebt werden. Der partizipative Gedanke ist insofern zentral, als Schülerinnen und Schüler nur dann an einer Gesprächsbeteiligung interessiert sind, wenn sie merken, dass der von ihnen formulierte Inhalt als relevant erachtet wird. (T AUBENBÖCK 2007: 2) Die Lehrkraft und die Schüler sowie die Schüler untereinander sollten mithin vielmehr in einen relevanten Dialog treten, der von den Texten stimuliert wird, insofern eigene Reaktionen zur Sprache gebracht werden können. So lässt sich die Dominanz der Lehrkraft relativieren sowie die Redeanteile der Lernenden und Schüler-Schüler-Interaktionen steigern. 31 Schließlich sollte jede Text- und Gesprächsdidaktik und -methodik im fremdsprachlichen Literaturunterricht dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verstehensprozess und somit auch die textdeutenden Gespräche selbst prinzipiell nicht abschließbar sind. "Sinnverstehen und Textdeutung durch das Gespräch sind als 31 Zum Verhältnis zwischen Lehrerdominanz und Schülerbeteiligung im Unterrichtsgespräch s. B ECK (1994). 59 aktive, die ganze relevante Vorerfahrung der Teilnehmer herausfordernde kreative Prozesse zu verstehen" (B RUSCH / C ASPARI 1998: 171f.). 32 Seit den 1980er haben sich verschiedene fremdsprachendidaktische Publikationen mit dem Thema Unterrichtsgespräch beschäftigt, wobei verschiedene Modelle zutage getreten sind, sodass man bis heute nicht von einem einheitlichen Konzept für literaturdidaktische Unterrichtsgespräche sprechen kann (vgl. B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 238). Auch wenn die verschiedenen Modelle auf ähnlichen Annahmen beruhen und vor allem lernerorientierte und rezeptionsästhetische Aspekte als Ausgangspunkt haben, nehmen sie unterschiedliche Gewichtungen der Lehrer- und Schülerrolle bei den Diskursen vor. B REDELLA / B URWITZ -M ELZER (2004: 238-243) vergleichen das Modell von R AUE (1980), N ISSEN s Rezeptionsgespräch (1992), J ÄKEL s Sokratisches Textgespräch (2001) und C HAMBERS ` der Lebenswelt nachempfundenen "talk" über literarische Texte und Filme (2001) im Sinne einer Systematisierung in Bezug auf den Gesprächsprozess selbst, die Befürwortung oder Ablehnung eines Fragenkatalogs sowie des Verhaltens der Gesprächsteilnehmer. 33 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass alle Entwürfe das Unterrichtsgespräch als den Leseprozess im Fremdsprachenunterricht sinnvoll unterstützend erachten und sich strukturell hinsichtlich einer Progression von einer offenen Anfangsphase hin zu einer produktorientierten Zielphase ähneln, wobei die Lehrkraft in allen Modellen mehr oder weniger stark lenkend agiert und so dem Primat der Schülerorientierung nur scheinbar gerecht wird. Gleichzeitig setzen die meisten Autoren den Ausgangspunkt für ein literaturbasierendes Unterrichtsgespräch erst nach der Lektüre an, auch wenn gerade der vorbereitenden Phase im Rahmen einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik besonderes Gewicht zukommt, insofern das Vorwissen und die Erfahrungen als Ausgangspunkt für einen aktiven Verstehensprozess fungieren. In diesem Sinne werden "neue Wissensbestände in tradierte Schemata des schon bestehenden Weltwissens integriert" (ibid.). Dabei fungiert das schon vorhandene Wissen als Kontext, der es dem Leser erlaubt, die Leerstellen des Textes zu füllen, Ungesagtes oder Ambivalentes zu ergänzen und zu konkretisieren, zu komplettieren und in bestimmte Richtungen auch Hypothesen aufzustellen. Einen Text lesen, sich aktiv mit ihm auseinander setzen, über ihn in einem Klassenzimmer mit anderen Lernenden und der Lehrkraft sprechen und ihn allmählich verstehen, bedeutet aus schematheore-tischer Perspektive, dass die Annahmen, die bereits vor der Lektüre über den Text geäußert worden sind, während der Lektüre und des weiteren Unterrichts- 32 Zu literarischen Gesprächen s. auch M AYER (2004: 141-174) und W ERNER (2004: 191-219). 33 Für eine ausführliche Diskussion der genannten Modelle s. B REDELLA / B URWITZ -M ELZER (2004: 238-243). 60 gesprächs ständig verändert, den neuen Textinformationen angepasst und mit dem vorhandenen Wissen abgeglichen werden. (B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 238f.) Schließlich besteht Konsens darüber, dass die Schülerbeiträge gesammelt, strukturiert und im Sinne einer Ergebnissicherung schriftlich fixiert werden sollten, damit sie für eine Textanalyse und einen anschließenden Transfer fruchtbar gemacht werden können. Dazu spielt das Tafelbild eine entscheidende Rolle. B REDELLA / B URWITZ -M ELZER (ibid.) monieren an den dargestellten Modellen die Nichtberücksichtigung der für den Rezeptionsprozess wichtigen Vorbereitungsphase, die nicht konsequent gedachte Schülerorientierung, die mit einer stark strukturierenden und lenkenden Funktion der Lehrkraft einhergeht sowie das Fehlen konkreter Hinweise für das Führen bzw. die Analyse der propagierten Unterrichtsgespräche. Für die praktische Durchführung eines literaturbasierenden Unterrichtsgesprächs gilt, dass es an keine Phase der Literaturbegegnung gebunden ist und zum Einstieg, zur Erarbeitung und Vertiefung sowie zur Reflexion eingesetzt werden kann (vgl. B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 245): So dient es in der Vorbereitungsphase dazu, bereits vorhandenes Weltwissen auf Seiten der Schüler zu aktivieren und notwendiges Hintergrundwissen zu thematisieren. Das Konzept der rezeptionsästhetischen Didaktik greift zentrale Aspekte der Schematheorie auf und lässt sich so mit den hier entwickelten Gedanken zum Unterrichtsgespräch verbinden. Von entscheidender Bedeutung sind dabei die Schemata, die ein nicht auf Eindeutigkeit angelegter literarischer Text dem Leser anbietet und die er an seinen Vorerfahrungen messen muss. Der dialektische Prozess des Verstehens ist gerade bei literarischen Texten sehr ausgeprägt, da die dargestellte und die eigene Welt beim Lesen ständig zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen. Dies wird umso deutlicher, wenn bereits in der Vorbereitung auf die Lektüre eine Bewusstmachung des vorhandenen Weltwissens durch ein Gespräch, eine erste Sammlung zentraler Ideen zum Thema des Textes stattfinden kann. Während und nach der Lektüre kann dann immer wieder auf die Ideen des Anfangsgesprächs zurückgegriffen werden. (ibid.: 239) Um den Lernenden den Einstieg in das Unterrichtsgespräch zu erleichtern, ist es sinnvoll, "diesen über Fragen zu gestalten, deren Beantwortung allen anhand persönlicher Erfahrungen möglich ist" (S CORAH 2010: 317f.). B UTZKAMM (2007: 357) schlägt für einen offenen Gesprächseinstieg folgende Frage vor: "Which aspects of the text would you like to talk about? " S URKAMP / N ÜNNING (2009: 55) schlagen als Impulse für einen offenen Gesprächseinstieg etwa Fragen wie "How does the text make you feel? " oder "How would you have behaved in such a situation? " vor. Durch solche 61 Einstiege wird den Lernenden nicht nur vermittelt, dass ihre Wünsche und Interessen ernst genommen werden, sondern es wird gleichzeitig eine affektive Beteiligung der Lernenden, eine personalisierte und engagierte Verwendung der Fremdsprache gefördert und schon zu Beginn der Lektüre Anreize zu Perspektivenwechsel gegeben. Die zweite wichtige Phase bietet sich nach der Erarbeitung des Textes an, die in ihrer Prozesshaftigkeit von offenem Beginn zu zielgerichtetem Ende in mehreren Schritten dargestellt wird (B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 239). Nach einer anfänglichen Sammlung spontaner individueller Eindrücke der Lernenden werden diese zunehmend gebündelt und sukzessive einer intersubjektiv nachvollziehbaren Lesart zugeführt. Die Lernenden artikulieren und begründen im Gesprächsverlauf ihre Deutungen und setzen sich mit den Deutungen ihrer Mitschüler auseinander, wobei die Interpretationen gegenseitig erweitert, vertieft oder gegebenenfalls auch modifiziert, relativiert und revidiert werden. Insofern ist das Unterrichtsgespräch nicht nur verständnis-, sondern auch verständigungsorientiert (S CORAH 2010: 317f.). Da ein literaturbasierendes Unterrichtsgespräch selbst bei konsequenter Schülerorientierung nicht ganz auf die Lenkung der Lehrkraft verzichten kann, ist es sinnvoll, sich mit den verschiedenen existierenden Fragetypen auseinanderzusetzen, um diese geplant wie spontan einsetzen zu können. L ONG (2000: 38) unterscheidet für den Literaturunterricht zwischen highorder und low-order questions. Während sich low-order questions meist auf sprachliche Aspekte oder Inhalte beziehen, die der Lerner dem Text entnehmen kann und somit keine Interpretation erfordern, verlangen highorder questions, dass sich der Leser intensiv mit dem Text auseinandersetzt und fordern dessen interpretatorisches Geschick heraus. M C K NIGHT und B ERLAGE (2008: 15ff.) differenzieren zwischen echten und Pseudofragen, zwischen offenen und geschlossenen sowie zwischen lehrer- und schülerinitiierten Fragen. 34 Nach B UTZKAMM (2007: 357) müssen Lehrer einerseits lernen, "ein wohldurchdachtes Fragenetz über einen Text zu werfen", um sich auf das Unterrichtsgespräch vorzubereiten und diesen systematisch analysieren zu können. Andererseits dürfen sich die Lernenden aber nicht daran gewöhnen, dass die Initiative stets von der Lehrkraft ausgeht. Deshalb ist es sinnvoll, immer wieder offene Fragen zu wählen, die die Lernenden zu einer Mitarbeit animieren. "Wenn der Lehrer nicht nur persönliche Fragen stellt, sondern auch persönliche Antworten formuliert und eigene Erlebnisse preisgibt, werden ihm die Schüler folgen" (ibid.: 357). 34 Die Autoren geben zahlreiche Hinweise für Fragetechniken, die geeignet sind, um eine fruchtbare Diskussion im Klassenverband zu initiieren (ibid.). 62 Welche Herangehensweise man auch wählt, Gradmesser des Erfolgs sind letztlich Quantität und Qualität der Schülerbeiträge, wobei es gelingen muss, dass sich Schüler anderen Schülern zuwenden und das Gespräch nicht nur über den Lehrer läuft. (ibid.) An diesem Zitat wird deutlich, dass es für das Gelingen eines Unterrichtsgesprächs nicht nur auf die einzelnen Schülerbeiträge ankommt, sondern dass vor allem den interaktionalen Diskursen zwischen den Lernenden besonderes Gewicht zukommt, um Deutungsansätze auszuhandeln und Textinterpretationen zu vertiefen. Da das gesprochene Wort flüchtig ist, ist es ratsam, den Gesprächsverlauf wenigstens grob zu dokumentieren, um die 'Ergebnisse' festzuhalten und die gemeinsam gewonnenen Erkenntnisse für den weiteren Verstehensprozess fruchtbar zu machen. Dies kann etwa in Form eines Schülerprotokolls oder eines Lerntagebucheintrags erfolgen. Zudem ist es sinnvoll, am Ende des Unterrichtsgesprächs noch einmal innezuhalten und die "erarbeiteten Erkenntnisse in konstruktiver Weise miteinander zu verknüpfen", um so ein bloßes "Nebeneinander unterschiedlicher Deutungsansätze zu verhindern" (S URKAMP / N ÜNNING 2009: 58). Schließlich sollte das Interpretationsgespräch auf einer Metaebene in der Lerngruppe gemeinsam reflektiert werden. Dabei können die Lernenden nicht nur über ihre Erfahrungen mit der Methode Unterrichtsgespräch und ihre gewonnen Erkenntnisse berichten und so ihren Lernprozess insgesamt reflektieren, sondern sie können auch zum Verhalten der Lehrkraft oder der Interaktion mit ihren Mitschülern Stellung nehmen. Darüber hinaus lässt sich an dieser Stelle auch ein Transfer zur Lebenswelt der Lernenden, zu anderen Unterrichtsinhalten oder literarischen Werken etc. herzustellen (vgl. B RE - DELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 245ff.). 35 Für die Analyse von Unterrichtsgesprächen und -diskursen sind mittlerweile mehrere Modelle bzw. Fragenkataloge entwickelt worden (vgl. B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004; N ISSEN 1998; N ÜRNBERG 1999; M ERKEL - BACH 1995; V OSS 2006). Da für die vorliegende Arbeit der Fragenkatalog von B REDELLA und B URWITZ -M ELZER (2004: 248f.) von besonderer Relevanz ist, wird dieser im Folgenden zumindest auszugsweise dargestellt: B REDELLA und B URWITZ -M ELZER entwickeln einen systematischen Fragenkatalog zur Analyse von literarischen Unterrichtsgesprächen, um etwa aufzeigen zu können, wie diese phasiert werden, wie sich Lehrkraft und Lernende beim Unterrichtsgespräch verhalten und welche Lernziele verfolgt werden. Der Fragenkatalog gliedert sich deshalb einerseits in Fragen zum Gesprächsverlauf und andererseits in Fragen zu den Lernzielen. Die Fragen zum Gesprächsverlauf umfassen 35 Näheres zur Metaphase des Unterrichtsgesprächs bei B REDELLA / B URWITZ -M ELZER (2004: 245ff.). 63 darüber hinaus die Komponenten Lehrkraft, Lernende sowie Bezug zwischen Gesprächsinhalt und Text. In Bezug auf die Lehrkraft ist hierbei von Interesse, wie stark und wodurch sie das Gespräch lenkt, ob sie die Gesprächsthemen auswählt, wie viel Redezeit sie beansprucht und wie sie mit Schülerbeiträgen umgeht. Auf Seiten der Lernenden wird das Augenmerk darauf gerichtet, ob sie das Unterrichtsgespräch etwa durch eine selbstständige Themenwahl mitgestalten bzw. sogar lenken können, ob sie das Gespräch in der Fremdsprache führen können, wie groß der Beteiligungsradius ist, wie viel Redezeit sie beanspruchen und ob es im Gespräch zu einer prozesshaften Erarbeitung des Textsinns kommt. Die Fragen nach dem Bezug zwischen Gesprächsinhalt und Text heben darauf ab, ob die Textarbeit durch das Unterrichtsgespräch sinnvoll vorbereitet, begleitet und abgeschlossen wird, welche Aspekte insgesamt zum Tragen kommen, ob inhaltliche, sprachliche und kulturelle Schemata erschlossen werden und ob ein Transfer und eine Reflexion stattfinden. Schließlich sollen die Fragen nach den Lernzielen ermöglichen zu beurteilen, ob fremdsprachendidaktische, literaturdidaktische, landeskundliche, interkulturelle, pädagogische oder strategische Lernziele erreicht wurden (ibid.). 36 Insgesamt vermag das Unterrichtsgespräch bei einer schülerorientierten Ausrichtung neben der Förderung zentraler fremdsprachiger und kommunikativer Kompetenzen "kognitive, affektive, soziale, interkulturelle und Problemlösungskompetenzen" zu entwickeln und emanzipatorische Lernziele zu erreichen (S CORAH 2010: 317f.). Dennoch legen die wenigen Studien nahe, die zum Thema Unterrichtsgespräch existieren, dass diese noch immer häufig schematisch nach dem auf den sokratischen Dialog zurückgehenden fragendentwickelnden Muster ablaufen (vgl. H ÄRLE / S TEINBRENNER 2004b; S URKAMP / N ÜNNING 2009; W ERNER 1996). Diese Form des Unterrichtsgesprächs versteht sich als "Hebammenkunst", die versucht, den Lernenden durch gezielte Leitfragen selbst die richtige Antwort finden zu lassen, sodass diese schließlich nur noch "entbunden" werden muss (H ÄRLE / S TEINBRENNER 2004b: 1). S PINNER (1992: 310) fasst das Grundproblem des fragendentwickelnden Unterrichtsgesprächs dahingehend, dass es eine 'Vereindeutigung' des literarischen Textes und eine rein kognitive Orientierung der literarischen Rezeption nach sich ziehe; den Schülern werde dabei eine Selbstständigkeit der Erarbeitung vorgegaukelt, obwohl der Lehrer "mit mehr oder weniger subtilen Mitteln den Unterrichtsverlauf auf das erwünschte Ergebnis hinlenkt". Hilbert M EYER bezeichnet das gelenkte Unterrichtsgespräch als "ein unökonomisches und unehrliches, die Herrschaftsver- 36 Siehe hierzu auch D OFF / K LIPPEL (2007: 142). 64 hältnisse im Unterricht verschleierndes Handlungsmuster" (zit. in ibid.: 311). Gleichzeitig erfreut sich traditionell das literarische Gespräch im Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe seit jeher an Beliebtheit; allerdings nicht als Medium zum Austausch subjektiver Leseerfahrungen, sondern vielmehr zur Vermittlung einer textanalytisch fundierten Interpretation, in deren Besitz sich die Lehrperson befindet (vgl. M ERKELBACH 1995: 20). Während diese Gesprächsformen in der lernzielorientierten Didaktik der 1970er Jahre dominierte, kann sie heute als nicht mehr zeitgemäß erachtet werden. Die vorliegende Arbeit vertritt die Überzeugung, dass die Methode des Unterrichtsgesprächs heute nur legitimierbar ist, wenn man im Sinne der rezeptionsästhetisch orientierten Literaturdidaktik anerkennt, dass literarische Texte Deutungsspielräume eröffnen, die die Imagination des Lesers fördern, ihn zum Füllen von Leerstellen auffordern und zur Übernahme fremder Perspektiven anregen, sodass der Prozess der literarischen Rezeption als Auseinandersetzung zwischen Leser und Text ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden muss, wobei auch affektive Komponenten zum Tragen kommen. Somit erhalten auch die Gefühle eine Bedeutung, die der Text im Leser auslöst und wie dieser auf ihn antwortet. Trotz der großen Bedeutung, die die kommunikative Praxis bzw. Unterrichts- und Lerngespräche auch im Fremdsprachenunterricht haben, wurde diesen bisher in der Fachliteratur nur vereinzelt Aufmerksamkeit geschenkt. Und das, obwohl die "fremde Sprache nicht nur das Ziel, sondern auch das Medium der Vermittlung" darstellt (V OSS 2006: 57). Die Lernziele des modernen Fremdsprachenunterrichts gelten erst dann als erreicht, wenn die Lernenden zu Interaktionen in der Fremdsprache fähig sind. 37 "Gemessen am curricularen Stellenwert der mündlichen Kommunikation fällt [...] die geringe Zahl an didaktisch-methodischen Veröffentlichungen zum Komplex Gespräch auf" (T HIERING 1996: 20). P AEFGEN (1999: 106) moniert diesen Umstand insbesondere in Bezug auf den mutterwie fremdsprachlichen Literaturunterricht: Auch wenn der größte Teil des schulischen Literaturunterrichts aus mündlicher Arbeit besteht, nehmen Forschungen zur literarischen Gesprächsdidaktik nur einen schmalen Raum ein. Zwar eignen sich literarische Texte besonders gut als Auslöser für ein Klassengespräch, doch "diese Tatsache wird nicht gegenstandsbezogen, sondern methodenorientiert reflektiert", d.h. der Akzent liegt mehr darauf, dass Schüler lernen, korrekt an einem Gespräch teilzunehmen, als im Gespräch etwas über die 37 Welche Interaktionsformen im Fremdsprachenunterricht mittels Konversationsanalyse bisher mehr oder weniger intensiv untersucht wurden, legt E DMONDSON (2006: 52f.) dar. 65 jeweiligen Inhalte zu lernen (ibid.: 107). Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist deshalb nicht nur, das komplexe Geflecht unterrichtlicher Äußerungen im Fremdsprachenunterricht so zu strukturieren und durchschaubar zu machen, dass das jeweilige Bezugsfeld der Äußerung deutlich wird (vgl. V OSS 2006), sondern insbesondere auch darzustellen, wie literarische Inhalte im Unterrichtsgespräch erarbeitet, ausgehandelt und vertieft werden. 66 + ! 5 6 ! ! ( -( 7 Nachdem im ersten Teil der vorliegenden Arbeit die Charakteristika der fremdsprachlichen Literaturdidaktik und verschiedene Methoden der Literaturvermittlung untersucht wurden, wird im Folgenden der Stellenwert literarischer Texte in den bildungspolitischen Dokumenten für den Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe in Hessen analysiert. Eine möglichst ganzheitliche Betrachtung des schulischen Literaturunterrichts macht es erforderlich, bildungspolitische Vorgaben in ihre Reflexion zu integrieren. Deshalb sollen hier die betreffenden Dokumente in Bezug auf den Umgang mit literarischen Texten analysiert werden, wobei zunächst von Interesse ist, ob fachwissenschaftliche und -didaktische Forderungen der letzten Jahre bildungspolitische Resonanz finden: • Welchen Stellenwert erhalten literarische Texte in aktuellen bildungspolitischen Dokumenten und welche Ziele werden mit ihnen verfolgt? • Finden rezeptionsästhetische Gesichtspunkte wie Schüler-, Handlungs- und Prozessorientierung sowie ein methodischer Pluralismus in Form einer Integration analytisch-interpretierender und kreativer Verfahren Berücksichtigung? Wird dem Lerner als sinnbildendem Subjekt eine entsprechend aktive Rolle zugesprochen? Die Ergebnisse dieser Analyse sollen in einem weiteren Schritt nach der Darstellung der dem empirischen Teil zugrundeliegenden Fallstudien als Ausgangspunkt für eine Beurteilung darüber fungieren, in welchem Maße sich die curricularen Vorgaben auch in der Unterrichtsrealität widerspiegeln. Zudem sollen die Fallstudien exemplarisch darüber Aufschluss geben, wie einzelne Lehrer mit diesen Richtlinien umgehen, welchen Stellenwert sie für sie besitzen und welche Auswirkungen die Einführung des Landesabiturs auf den schulischen Literaturunterricht hat. + $ ( 5 - ( ( 8 Das deutsche Schulsystem befindet sich seit einigen Jahren in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess. Dies betrifft alle Schulstufen und wird in Bezug auf die Primar- und Sekundarstufe I sichtbar an der nunmehr flächendeckenden Einführung des frühen Fremdsprachenunterrichts in der Grund- 67 schule, der Etablierung von Bildungsstandards 38 durch die KMK (2004a) sowie der Entwicklung von Kerncurricula für die Sekundarstufe I. 39 Hinsichtlich der Sekundarstufe II, die für die vorliegende Arbeit von Interesse ist, sind die im Auftrag der KMK erstellten Expertisen für ein Kerncurriculum der Oberstufe (2001), die Verkürzung der gymnasialen Schullaufbahn auf zwölf Jahre (G8) sowie die gesamtdeutsche Einführung des Zentralbzw. Landesabiturs zu nennen. 40 Zudem ist das I NSTITUT FÜR Q UALITÄTSSICHERUNG IM B ILDUNGSWESEN (IQB) seit 2009 mit der Entwicklung von Abiturbildungsstandards in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch befasst. Da die vorliegende Studie im englischen Literaturunterricht der Sekundarstufe II an verschiedenen Gymnasien in Hessen durchgeführt wurde, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die curriculare Einbettung des Literaturunterrichts in ebendiesem Bereich. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass sich die bildungspolitischen und lehrplanbezogenen Darlegungen auf jene Dokumente beziehen, die zur Zeit der Untersuchung 2006/ 07 galten. 41 Ausgangspunkt für die oben skizzierten Entwicklungen sind zum einen die Ergebnisse der PISA-Studie von 2000, die 15jährigen Schülerinnen und Schülern in Deutschland international eine nur mittelmäßige Lesekompetenz attestierte und unter dem Stichwort des "PISA-Schocks" ins öffentliche Bewusstsein eingegangen sind (vgl. B REDELLA 2005a; B REDELLA / H ALLET 2007; B URWITZ -M ELZER 2005b; H ALLET / M ÜLLER -H ARTMANN 2006; H OLLM 2009a; H OYMANN 2005; K ÜSTER 2004; S CHIEFELE / A RTELT / S CHNEIDER / S TANAT 2004; S CHOLL 2009; V OLKMANN 2009). Zum anderen setzte der 2001 vom E UROPA - 38 Dieser Terminus wird im Folgenden nur in Bezug auf die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss verwendet, die von den Ländern zum Schuljahresbeginn 2004/ 5 bzw. 2005/ 6 verbindlich eingeführt wurden (vgl. IQB). Durch die Etablierung von Bildungsstandards wurde ein Paradigmenwechsel von einer Inputsteuerung hin zu einer "outcome-Orientierung" eingeleitet (KMK 2004b: 6). 39 Das neue Kerncurriculum für Hessen für moderne Fremdsprachen berücksichtigt und konkretisiert die länderübergreifenden Bildungsstandards der KMK. Kompetenzen, verstanden als Verbindung von Wissen und Können, sollen an "geeigneten Inhalten in lebensweltlich bedeutsamen Zusammenhängen erworben werden" und "einer umfassenden Persönlichkeitsbildung" dienen (HKM 2012: 5). Literarischen Texten wird in diesem Zusammenhang ein besonderes Potenzial für das Bereitstellen zahlreicher kultureller und persönlichkeitsbildender Erfahrungs-möglichkeiten zugesprochen (ibid.: 11). 40 So wurde im Jahr 2008 in allen Bundesländern bis auf Rheinland-Pfalz das Zentralabitur eingeführt (KMK 2005b). 41 Die lehrplanbezogenen Darlegungen beziehen sich mithin auf den hessischen Lehrplan Englisch für den gymnasialen Bildungsweg von 2006, der allerdings auch heute noch gültig ist. Seit 2010 gibt es einen parallel geltenden Lehrplan Englisch für G8 (vgl. www.kultusministerium.hessen.de). 68 RAT veröffentlichte Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen, 42 der den Rahmen für das Lehren und Lernen fremder Sprachen in Europa absteckt (C HRIST 2003a: 57) und eine "Vergleichbarkeit konkurrierender und komplementärer Angebote in Europa" (Q UETZ 2003: 145) sichern soll, die bildungspolitische Debatte auf Bundesebene in Gang. Aufgrund seines "ausdifferenzierten Beschreibungs- und Evaluationssystems" erlaubt der GeR auch in Deutschland im Sinne einer stärker angestrebten Output-Orientierung eine "Vergleichbarkeit und Standardisierung bei der Überprüfung sprachlicher Kompetenzen" insbesondere im funktionalen Bereich (V OLK - MANN 2009: 23). 43 + # ( Die Veröffentlichung des GeR, die Entwicklung der daran orientierten Bildungsstandards und die generelle Neuausrichtung an Kompetenzen mit der damit einhergehenden Output-Orientierung haben eine Diskussion um den Bildungsbegriff und den Stellenwert literarischer Texte im Englischunterricht entfacht, denn im GeR wie in den Bildungsstandards kommt literarischen Texten eine nur marginale Rolle zu. Im GeR, der den Ausgangspunkt für die Formulierung von fremdsprachenbezogenen Standards und Kompetenzmodellen in Europa darstellt (vgl. D ECKE -C ORNILL / G EBHARD 2007: 15; M AYER 2009: 157), wird die Bedeutung von Literatur unter der Überschrift 'Ästhetischer Sprachgebrauch' (E UROPARAT 2001: 61f.) in einigen wenigen Zeilen abgehandelt. Diese Vernachlässigung literarischer Texte kommentieren die Autoren wie folgt: "Eine so knappe Behandlung traditionell wichtiger, ja oft dominanter Aspekte des modernen Sprachunterrichts im höheren Schulwesen und in der Universität mag abwertend erscheinen: dies ist jedoch nicht beabsichtigt" (ibid.: 62). Auch wenn hier die bildende Relevanz literarischer Texte anklingt, können sie laut B REDELLA (2005a: 48) im Rahmen dieses Ansatzes keine Bedeutung gewinnen. Der GeR zeichnet sich durch Can do-Formulierungen aus, die sich auf die Operationalisierung von Lernzielen beziehen und ihren Ausdruck darin finden, dass ein Lernender ein bestimmtes Verhalten zeigt, um vorzuweisen, dass er ein Ergebnis erreicht hat (vgl. K RUMM 2003: 117). Dieser im GeR vorbereitete Paradigmenwechsel spiegelt sich in den Bildungsstandards in der 42 Im Folgenden: GeR. 43 Diese Impulse lösten eine Vielzahl von Folgestudien aus: PISA-E, PIRLS/ IGLU, IGLU-E, TIMSS, DESI (vgl. KMK 2011). 69 Veränderung des Blickwinkels von Lernzielen zu Lernergebnissen und mithin in der Verschiebung von einer Inputhin zu einer Output-Orientierung wider. Die Bildungsstandards werden in Anlehnung an den GeR in die Kompetenzbereiche 'Funktionale kommunikative Kompetenzen', 'Interkulturelle Kompetenzen' und 'Methodische Kompetenzen' gegliedert (KMK 2004a: 8). 44 Durch diese Grobgliederung der Kompetenzbereiche wird das Sprachenlernen auf rein funktionale kommunikative Kompetenzen reduziert, wodurch die Bildungsstandards Gefahr laufen, entscheidende Lern- und Inhaltsbereiche im fremdsprachlichen Lernprozess, wie die Arbeit mit literarischen Texten auszublenden (vgl. B REDELLA 2005a; B URWITZ -M ELZER 2005b; H ALLET / M ÜLLER -H ARTMANN 2006; L EGUTKE 2005). Durch die Implementierung von Bildungsstandards sollen Bildungsziele konkretisiert, operationalisiert und durch objektive Tests bundeseinheitlich evaluierbar sein. Darüber hinaus sollen erworbene Kompetenzen Auskunft über die Qualität des Unterrichts geben (H ALLET / M ÜLLER -H ARTMANN 2006: 2f.). Tatsächlich kommt der Bildungsbegriff in den Bildungsstandards aber gar nicht zum Tragen, sodass es weniger um die Überprüfung von Bildungszielen, als vielmehr um das "Überprüfen und Vereinheitlichen elementarer sprachlicher Fertigkeiten" im Sinne eines teaching to the test geht (vgl. B REDELLA 2005a: 48f.). 45 Der Bildungsbegriff hat in Deutschland eine lange Tradition, in deren Verlauf zwar unterschiedliche Auslegungen des Terminus zutage getreten sind; Konsens besteht allerdings darin, dass es sich bei dem Begriff der Bildung um die "selbständige Entwicklung von Fähigkeiten eines Individuums" handelt (ibid.: 47). Des Weiteren wird damit "Übersicht, die Wahrnehmung des historischen und systematischen Zusammenhangs, die Verfeinerung der Verfügbarkeit der Verständigungs- und Erkenntnismittel, die philosophische Prüfung des Denkens und Handelns" verbunden ( VON H EN - TIG 2004, zit. in ibid.: 48). In neueren Bildungstheorien wird der Aspekt der Reflexivität hervorgehoben, den S CHULZ (1988) als "Entfaltung der eigentümlich menschlichen Fähigkeit, zu den sozialisierenden und erziehenden Instanzen der menschlichen Gesellschaft, zur Natur wie zu sich selbst in ein 44 Der Vereinbarung der KMK über die Bildungsstandards ging eine umfangreiche Studie voraus, die im Auftrag des B UNDESMINISTERIUMS FÜR B ILDUNG UND F ORSCHUNG und der KMK erstellt wurde (vgl. K LIEME et al. 2003). 45 Dennoch dürfen auch die positiven Aspekte der Bildungsstandards nicht verschwiegen werden, wie z.B. die "Autonomieorientierung des Unterrichts", die Eröffnung von Perspektiven für schuleigene Profillehrpläne, die "Gerechtigkeits- und Fairnessidee von Prüfungen und (Schul-) Abschlüssen", die "Flexibilisierung und Internationalisierung individueller Schullaufbahnen" oder die "Qualitätssicherung und -entwicklung", um nur einige zu nennen (vgl. B AUSCH 2005: 26f.). 70 distanziertes, rückfragendes Verhältnis zu treten" (zit. in K ÜSTER 2006: 20). Als Medium solcher Reflexionsprozesse dient dabei die Sprache, die wiederum Ausgangspunkt der Reflexion wird (ibid.). B REDELLA / H ALLET (2007: 4) heben die Bildungsziele und Kompetenzen, die mit literarischen Texten verfolgt werden können, wie folgt vor: Literarische Texte sind für ihre Leserinnen und Leser […] vor allem deshalb bildungsrelevant, weil sie ein Modell für die Deutung ihrer Erfahrungen, Hoffnungen und Ängste bereitstellen und ihnen damit das Gefühl geben, verstanden und anerkannt zu werden. An den drei konstitutiven Merkmalen des Rezeptionsprozesses (Vorverständnis des Lesers, Komposition des Textes, Wirkung auf den Leser) zeigt sich deutlich, dass sich literarische Texte persönlich an den Leser wenden und von ihm eine Antwort auf das Dargestellte erwarten. (ibid.) Nach S PINNER (2001: 146) übernehmen literarische Texte vier anthropologische Funktionen, die ihre Bedeutung als bildungsrelevanten Gegenstand unterstreichen: • Literatur ist Medium der Auseinandersetzung mit Hauptfragen der menschlichen Existenz; deshalb kann sie für die Identitätssuche der Jugendlichen wichtig werden; • Literatur ist Medium des Fremdverstehens; sie hält dazu an, andere Empfindungen und Gedanken durch die imaginative Vergegenwärtigung der Figurenperspektiven nachzuvollziehen; in diesem Sinne hat Literatur eine sozialisierende Funktion, was nicht zuletzt in der individualistischen modernen Gesellschaft wichtig ist; • Literatur ist Medium der Auseinandersetzung mit ethischen Fragen, indem sie immer wieder Menschen in moralischen Konfliktsituationen zeigt und einen Beitrag dazu leisten kann, schematische Urteile zu differenzieren [...]; • Literatur lotet die Möglichkeiten der Sprache aus; sie trägt deshalb zur Sprachbewusstheit bei. (ibid.) Die Beschäftigung mit Literatur vermag somit die Fähigkeit zu fördern, "mit der eigenen Subjektivität reflektiert umzugehen", fremde Weltsichten nachzuvollziehen, moralische Fragen differenziert zu erfassen sowie ein "Bewusstsein für die sprachliche Vermitteltheit reflexiver Wirklichkeitsbewältigung" zu entwickeln (ibid.: 147). Dadurch, dass der GeR und die Bildungsstandards fremdsprachendidaktische Ziele auf pragmatische Gesichtspunkte der Sprachverwendung verkürzen, werden nicht nur relevante Inhalte, sondern auch andere wichtige Zielbereiche des Fremdsprachenunterrichts, die bisher als erstrebenswert galten, sich aber einer konkreten Verhaltensbeschreibung entziehen, an den Rand gedrängt (vgl. B REDELLA 2005a; B URWITZ -M ELZER 2005b). Die Bedeu- 71 tung literarischer Texte für die Ausbildung einer fremdsprachlichen literarischen Kompetenz, für die Förderung kreativer und ästhetischer Fähigkeiten sowie als "Handlungsfeld von individueller, sozialer und kultureller Bedeutsamkeit" (H OCHREITER et al. 2009: 9) wird so weitgehend ausgeblendet. Auch als Medium der Horizonterweiterung, der Weltorientierung und als Katalysator für die Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden können literarische Texte in diesem Kontext keine Bedeutung gewinnen. Gleiches gilt für deren Potenzial, Lernende zu sozialem wie moralischem Verhalten zu erziehen und für den Umgang mit Fremden zu sensibilisieren. Nicht zuletzt werden entscheidende Aspekte einer interkulturellen Kompetenz, wie die Fähigkeit zur Reflexion, die es dem Individuum erst ermöglicht, eigene Einstellungen und Wertungen hinsichtlich kultureller Differenz zu relativieren, vernachlässigt (vgl. K ÜSTER 2006: 19). 46 + + 9 ( 7 0 Die zuvor dargestellten Reformen im Bildungswesen haben dazu geführt, auch die Qualität des Unterrichts in der gymnasialen Oberstufe in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Die Expertisen für die Entwicklung von Kerncurricula für die Oberstufe, die im Auftrag der KMK für die Fächer Mathematik, Deutsch und Englisch erstellt wurden, haben wie der GeR und die Bildungsstandards "Normierung, Standardisierung und Qualitätssicherung" (T ENORTH 2001: 11) zum Ziel. 47 Für die Entwicklung eines Kerncurriculums im Fach Englisch wurden sechs Gutachter beauftragt, ihre Vorschläge für eine Reformierung der Oberstufe vorzulegen. Der Herausgeber betont die diagnostische Funktion der Expertisen und ihren Anspruch, Aussagen über die Realität des Unterrichts im Fach Englisch zu machen (T ENORTH 2001: 17). Insgesamt findet sich in den dargestellten Beiträgen eine durchgängig kritische Einstellung gegenüber dem traditionellen Literaturunterricht wissenschaftspropädeutischer Ausprägung in der Oberstufe, wie er in den Grund- und Leistungskursen heute zu finden sei (vgl. K LIPPEL 2001; M EYER 2001; S CHRÖDER 2001; Z YDATIß 2001). So moniert S CHRÖDER (2001: 165), 46 Für eine ausführliche Diskussion des GeR und der Bildungsstandards siehe B AUSCH et al. 2003 und 2005. " Schon 1993 wurde durch die Kultusminister eine Expertenkommission beauftragt, um ein Gutachten zur Weiterentwicklung der Oberstufe zu erstellen (Expertenkommission 1995, zit. in W ESKAMP 1998: 138). Die Experten kamen zu dem Schluss, dass die gymnasiale Bildung nicht mehr zeitgemäß sei. Im Bereich der Fremdsprachen wurden insbesondere Mängel beim Lesen anspruchsvoller englischer Texte konstatiert (ibid.). 72 dass der gesamte Englischunterricht der Sekundarstufe II immer noch zu literarisch ausgerichtet sei (nicht zuletzt als Frucht der einseitig literarischen Ausbildung einer überalterten Lehrerschaft) und dass bedingt durch die Einseitigkeiten der Textaufgabe des Abiturs die kognitive Textkommentierung alle anderen sinnvollen kommunikativen Ausdrucks- und Übungsformen an den Rand dränge. (ibid.) Auch Z YDATIß lehnt insbesondere für den Grundkurs die einseitige "Ausrichtung auf die möglichst fehlerarme Bewältigung der so genannten Textaufgabe" ab, "die meistens auf die Analyse und Interpretation fiktionaler Texte literarischer Provenienz abzielt" (ibid.: 222). Die textanalytisch-interpretatorische Beschäftigung mit Literatur sollte meines Erachtens nur ein Baustein neben anderen sein, die dann eher bedarfsbezogen bzw. fertigkeits-, medien- oder inhaltsorientiert sein müssten. […] Der fortgeschrittene Englischunterricht (auch der Grundkurse) darf und wird sich nicht seiner Funktion als Kulturträger entledigen, wohl aber seines textanalytischen, terminologisch überfrachteten Philologenballasts. (ibid.: 223) Durch eine einseitige Ausrichtung an "summary, stylistic analysis und personal comment" werde eine Vielzahl von Textsorten, Diskursgenres und sprachlichen Ausdrucksformen ausgeblendet (ibid.). 48 V OSS (2001: 252) plädiert für eine stärkere Abkoppelung von Grund- und Leistungskursen und fordert nicht-triviale Inhalte für den Englischunterricht in der gymnasialen Oberstufe: Grundkurse sollten "primär für eine breite, oberstufengemäße fremdsprachliche Grundbildung" sorgen, während "spezialisierte, z.B. philologische Wissenschaftspropädeutik vornehmlich oder ausschließlich Sache von Leistungskursen wäre" (ibid.). 49 In diesem Sinne komme den Inhalten des Fremdsprachenunterrichts eine zentrale Rolle zu. Als klassische Inhalte nennt V OSS (ibid.: 253) Literatur, Landeskunde und Sprache. Die erzieherische Funktion von Literatur beruhe dabei vor allem auf der Heranbildung junger Menschen (Perspektivenwechsel, Eröffnung und Beschäftigung mit anderen geistigen, räumlichen, zeitlichen Welten) bis hin zur Entwicklung angemessener schriftlicher und mündlicher Kompetenzen zur Verbalisierung differenzierter Sachverhalte und Vorstellungen. (ibid.: 253f.) 48 Schon andere Autoren haben Kritik an einem traditionell stark philologisch-historisch ausgerichteten Fremdsprachenunterricht der Oberstufe geäußert, der sich beinahe ausschließlich mit literarischen Textvorlagen und an diese anknüpfende Textaufgaben beschäftigte, die ihrerseits der philologischen Universitätsdisziplin folgten und ihr propädeutisch dienten (vgl. B IES 1995, zit. in K ÜPPERS 1999: 37; H ÜLLEN 1999: 327). 49 Auch W ODE (2001: 273) tritt für eine Modifikation inhaltlicher Art ein, wenn er eine unterschiedliche Gewichtung "etwa weg von literarischen Texten zu mehr Gebrauchstexten" oder "von trivialen zu weniger trivialen Inhalten" fordert. 73 Dennoch dürfe man den Stellenwert literarischer Texte als Inhalt des Fremdsprachenunterrichts nicht überbewerten, denn "Bildung" sei "nicht mehr vornehmlich literarische Bildung" (ibid.). Weiter führt V OSS aus, dass spätestens auf der Oberstufe die Inhalte den "Geruch des Unverbindlichen, Unspezifischen" (ibid.: 255) ablegen und "die Banalitätsgrenze überwinden" müssten, denn eine "nicht-triviale Sprachbeherrschung" könne nur "an nicht-trivialen Inhalten" entwickelt werden (ibid.: 256). Die derzeitig eher diffuse Mischung von Literatur, Landeskunde und Sprache, die dann letztlich doch entweder auf Literatur oder eine inhaltlich weitgehend zufällige Textarbeit hinausläuft, unterstreicht dagegen die landläufige Einschätzung, dass es im Fremdsprachenunterricht keine ernst zu nehmenden Inhalte gibt. (ibid.: 258) V OSS fordert somit abschließend eine stärkere Inhaltsprofilierung, "die die üblichen Inhaltsbereiche einschließt, aber nicht bei ihnen Halt macht" (ibid.: 259). Auch H ÜLLEN (1999: 327) weist darauf hin, dass es schulpolitisch eines nicht-trivialen Gegenstandes bedürfe, der den Englischunterricht der Oberstufe legitimiere. Für ihn stellen aber im Gegensatz zu V OSS literarische Texte eine Quelle nicht-trivialer Inhalte dar. Dies müsse aber nicht die alleinige Quelle bleiben, sondern könne durch verschiedene bilinguale Sachfächer ergänzt werden, die allerdings deutlich ins Gespräch gebracht und curricular aufbereitet werden müssten, bevor man den Literaturunterricht als "Philologenballast" über Bord werfe (ibid. 328). Nach H ÜLLEN werde sich aber eine Vorherrschaft textgebundener Aufgabenstellungen schon deshalb nicht vermeiden lassen, da sie Kennzeichen sprachgebundener geistiger Arbeit sei (ibid.). Neben der skizzierten Kritik am traditionellen Literaturunterricht wird in den Expertisen eine stärkere Differenzierung zwischen Grund- und Leistungskursen postuliert, wobei insbesondere für die Grundkurse eine Ausrichtung an den späteren Berufen der Schüler gefordert wird. K RUMM (2003a: 120) macht hinsichtlich einer zu starken Ausrichtung des Fremdsprachenlernens auf zukünftige Berufe darauf aufmerksam, dass so möglicherweise wichtige emotionale Zielsetzungen wie z.B. "die Neugier auf eine andere Kultur und Sprache oder die Entwicklung kreativer, literarischer und interkultureller Fähigkeiten gefährdet und die Lernenden in der Schule zu früh auf eine für sie teilweise noch unwichtige oder offene Berufswelt hin orientiert" würden. Auch B REDELLA (2005a: 52) merkt hierzu an, dass eine solche Berufsorientierung voraussetze, dass die "Schüler bereits ihre zukünftigen Berufe kennen und sie die Anforderungen, die sie stellen, so verinnerlicht haben, dass diese im Hier und Jetzt zum Lernen der Fremd- 74 sprache motivieren." Dies ist jedoch unrealistisch, da bei der sich ständig verändernden Berufswelt gar nicht zu antizipieren ist, welches Wissen und welche Fertigkeiten berufsrelevant werden. Ferner greift ein Fremdsprachenunterricht, der die Schüler bloß auf die Bewältigung zukünftiger Lebens- und Berufssituationen vorbereitet insofern zu kurz, als in einem solchen Unterricht kein Raum mehr bleibt für die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung der Schüler. Literarische Texte hingegen adressieren die Erfahrungen und Gefühle der Schüler und regen sie im Hier und Jetzt dazu an, ihre Gedanken kommunikativ zum Ausdruck zu bringen. Ebenso wird das Potenzial literarischer Texte, im Fremdsprachenunterricht alle vier Fertigkeitsbereiche eng miteinander verbunden zu üben, ausgeblendet (vgl. B UR - WITZ -M ELZER 2005b: 61). Obwohl die Expertisen eine diagnostische Funktion beanspruchen, entbehren sie einer empirischen Fundierung. B URWITZ -M ELZER (2005a: 96) merkt hierzu an, dass es für die Planung einer Reformierung der Oberstufe sinnvoller gewesen wäre, "zunächst empirisch einen Sachstand festzustellen, dann Standards zu formulieren und schließlich ein Kerncurriculum zu entwerfen." Zudem sind die Beiträge zur Entwicklung eines Kerncurriculums trotz der ausgewiesenen Zielsetzung der Normierung so disparat, dass sich wohl nur sehr schwer konstruktive Vorschläge für eine Reformierung der Oberstufe ableiten lassen dürften. 50 Die vorliegende Studie sucht durch die Darstellung von Fallstudien einen Einblick in die Unterrichtsrealität zu bieten und eine empirische Bestandsaufnahme des englischen Literaturunterrichts der gymnasialen Oberstufe voranzutreiben, auch wenn die Fallstudien keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben können. Schließlich sollen Daten zugänglich gemacht werden, die als Grundlage dazu dienen können, der Debatte über die Reformierung der gymnasialen Oberstufe im Hinblick auf den Stellenwert und den Einsatz literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht neue Impulse zu liefern. 50 Inwiefern die dargestellten Expertisen an bildungspolitischer Bedeutung gewinnen, wird die anstehende Veröffentlichung der Abiturbildungsstandards des IQB zeigen. 75 + 3 : ! ' 1 : '2 Für die Erreichung der Hochschulreife gibt die Kultusministerkonferenz für das Fach Englisch mit den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) einen Rahmen in Bezug auf fachliche Qualifikationen und Inhalte vor, der durch die länderspezifischen Richtlinien und Lehrpläne konkretisiert wird. Die ab 1989 gültige Fassung der EPA wurde 2002 durch Beschluss der Kultusministerkonferenz überarbeitet, um neueren bildungspolitischen Entwicklungen, wie der Internationalisierung fremdsprachlicher Standards durch die Verankerung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens des E UROPARATES sowie den Ergebnissen wissenschaftlicher Expertisen Rechnung zu tragen. Wie die Bildungsstandards für die Sekundarstufe I, so stellen die EPA für die Sekundarstufe II eine staatliche Regelung dar, die bundesweit vergleichbare Standards für die Qualitätsentwicklung und -sicherung festlegen (C HRIST 2003b: 72). Alle Länder sind verpflichtet, sich in ihren landeseigenen Prüfungsordnungen an den EPA zu orientieren (ibid.: 76). 51 Die EPA legen für alle Bundesländer verbindliche Ziele und Inhalte als Grundlage für die Abiturprüfung fest und skizzieren konkrete Prüfungsanforderungen für Grund- und Leistungskurse, die durch eine Vielzahl von Aufgabenbeispielen illustriert werden und einen Erwartungshorizont für die Beschreibung und Bewertung von Prüfungsleistungen aufzeigen. Die Vorgaben der EPA tragen dabei durch die betonte Akzentuierung "des Anwendungs- und des lebensweltlichen Bezuges", der "mündlichen Kommunikationsfähigkeit" mit Fokus auf "Diskurs- und Interaktionsfähigkeit", "interkultureller Handlungskompetenz" sowie einer stärkeren Profilierung der Grund- und Leistungskurse den Ergebnissen "wissenschaftlicher Expertisen" Rechnung (KMK 2002: 3). 52 Die Entwicklung von Berufs- und Studierfähigkeit wird in den EPA als wichtigstes Ziel der gymnasialen Oberstufe erachtet und der Englischunterricht leistet laut den Verfassern seinen Beitrag dazu, indem er eine differenzierte kommunikative Kompetenz, interkulturelle Kompetenz, die Fähigkeit 51 Grundlage der Abiturprüfung sind darüber hinaus die Vereinbarung über die Abiturprüfung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II der KMK in der Fassung vom 16.06.2000 (liegt mittlerweile in der Fassung vom 24.10.2008 vor) sowie die Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II vom 02.06.2006 (liegt mittlerweile in der Fassung vom 01.10.2010 vor). 52 Es kann hier geschlossen werden, dass sich der Verweis auf die zuvor dargestellten Expertisen (vgl. T ENORTH 2001) bezieht. 76 zum Umgang mit Texten und Medien sowie den Erwerb von Lernstrategien als Grundlage für die Abiturprüfung im Fach Englisch herausstellt (KMK 2002: 3). Die in den EPA geforderten sprachlichen Kompetenzen orientieren sich explizit am GeR und die "Erwartungen orientieren sich für Grundkurs und Leistungskurs an einer Bandbreite zwischen den Kompetenzstufen B2 (Independet User Vantage) und C1 (Proficient User: Effectiveness)" (ibid.: 4f.). In Bezug auf die Förderung interkulturellen Lernens erhält die Behandlung von Literatur besondere Bedeutung "als Zugang zu unterschiedlichen universellen bzw. kulturspezifischen Sichtweisen" (ibid.: 6). Unter "Fachliche Qualifikationen und Inhalte" wird der oben bereits genannte Aspekt des Umgangs mit Texten und Medien weiter in die Bereiche "analytisch-interpretierende Zugänge", "produktionsorientierte Zugänge" und "Umgang mit mehrfach kodierten Texten" ausdifferenziert (ibid.: 7). Die Anforderungen in Grund- und Leistungskursen unterscheiden sich hinsichtlich der "Dimensionen der Sprachverwendung", der "Schwerpunkte, Breite und Tiefe der Themenstellungen", "des Umfangs an spezifisch fachlichen Konzepten" und "des Grades der geforderten Selbstständigkeit" (ibid.: 8). Während die Grundkurse die Vermittlung einer "Grundkompetenz" in den Bereichen der kommunikativen Fertigkeiten, des Umgangs mit Texten und Medien und der Methodenkompetenz anstreben, obliegt den Leistungskursen eine "erweiterte Ausbildung" in Form einer "systematische[n], vertiefte[n] und reflektierte[n] wissenschaftspropädeutische[n] Arbeit" (ibid.: 8). Da Grundkurse einen stärkeren Anwendungsbezug im Sinne des Englischen als lingua franca aufweisen und somit fächerübergreifende, berufsorientierte Schwerpunkte setzen, spielen literarische Texte eine nur untergeordnete Rolle. Im Leistungskurs wird dagegen größerer Wert auf die Einbeziehung literarischer Texte gelegt: "Insbesondere auch in der Analyse literarischer Texte wird in den Leistungskursen die Möglichkeit eröffnet, komplexe Inhalte sowie sprachliche und formal-strukturelle Merkmale zu untersuchen" (ibid.). Integraler Bestandteil der schriftlichen Abiturprüfung ist die Textaufgabe, "die im Sinne eines erweiterten Textbegriffs und stärkerer Anwendungsorientierung audiovisuelle Vorlagen einbezieht und offen ist für produktionsorientierte, gestaltende Bearbeitungsformen" (ibid.: 4). 53 Die fachspezifischen Beschreibungen und die Leistungsbewertungen der Textaufgabe in 53 Auch wenn die Textaufgabe noch immer den Schwerpunkt der Abiturprüfung darstellt, werden bei den Aufgabenbeispielen dennoch auch sog. "Kombinierte Aufgaben" genannt, in denen zur Überprüfung der sprachlichen Kompetenz ein Prüfungsteil z.B. eine Partner- oder Gruppenprüfung in Form eines Rollenspiels oder einer Talkshow sein kann, soweit dies im Unterricht eingeübt wurde (KMK 2002: 47ff.). 77 der Abiturprüfung beziehen sich auf die drei Anforderungsbereiche "Reproduktion und Textverstehen", "Reorganisation und Analyse" sowie "Werten und Gestalten" (ibid.: 10). Diesen Anforderungsbereichen entspricht u.a. das Verstehen und die "sprachlich angemessene Wiedergabe des Inhalts von vorgelegten Materialien", das "Erklären, Verarbeiten und Darstellen bekannter Sachverhalte mit Hilfe neuer Fragestellungen", die "aufgabenbezogene Anwendung von Formen der analytisch-deutenden und problemlösenden Argumentation" sowie das planmäßige Verarbeiten komplexer Sachverhalte, um zu "selbständigen Lösungen, [...] Deutungen, Folgerungen" und "Wertungen" unter "Anwendung rhetorischer, ästhetisch gestaltender und leserorientierter Sprachmittel" zu gelangen (ibid.). Die Prüfungsteilnehmer erhalten in der schriftlichen Abiturprüfung eine oder mehrere authentische englischsprachige Textvorlagen zur Bearbeitung, die im Sinne eines erweiterten Textbegriffs nicht nur literarische oder Sachtexte wie z.B. Gedichte, Liedertexte, Auszüge aus literarischen Großformen, journalistische Texte, Berichte oder Essays sein können, sondern auch audiovisuelle Vorlagen, Hörtexte, Bilder und Grafiken, auf deren Grundlage sie der jeweiligen Aufgabenstellung entsprechend einen zusammenhängenden eigenständigen Text verfassen (ibid.: 11). Um ihre Ausführungen zu veranschaulichen, geben die Verfasser verschiedene Textaufgabenbeispiele für Grund- und Leistungskurse inklusive des angesetzten Erwartungshorizonts und der Bewertungskriterien für ausreichende bis gute Leistungen (ibid.: 21ff.). Wie nach den bisherigen Ausführungen zu erwarten war, beziehen sich die Beispiele für die Grundkurse auf Sachtexte und Statistiken (ibid.: 23, 27), wobei die Aufgabenart einen analytisch-interpretierenden Schwerpunk aufweist und vornehmlich auf eine "simple Informationsentnahme" (vgl. B URWITZ -M ELZER 2007: 135) abzielt. Grundlage der Aufgabenbeispiele für Leistungskurse sind Auszüge aus längeren literarischen Texten und Spielfilmausschnitte (ibid.: 31ff.), wobei sich an dieser Stelle die Frage stellt, warum nicht auch Ganzschriften in Form von Gedichten, Liedtexten oder kurzen Kurzgeschichten integriert wurden. Exemplarisch sei im Folgenden die Aufgabenstellung zu John Steinbecks The Grapes of Wrath dargestellt. • Describe the situation of the tenants, emphasizing the main problems. • Analyse the way the story is told and the way the language is used; relate your analysis to the historical background and refer to the structure of the text. • Comment on this text on the basis of your background knowledge concerning the American Dream. Discuss the concept of the monster. (KMK 2002: 32) 78 Wie B URWITZ -M ELZER (2007a: 135) feststellt, erinnern solche Arbeitsanweisungen stark an die Schule des New Criticism, die textimmanente Fragestellungen fokussiert. Die von der Rezeptionsästhetik geforderte Berücksichtigung der Lernerperspektive in Form subjektiver Momente "wie Empathie, Erweiterung und Differenzierung des eigenen Erfahrungshorizontes, Verstehen eigener und fremder Erfahrungen" (B REDELLA / H ALLET 2007: 3) sowie die zuvor angeführten produktionsorientierten Zugänge (vgl. KMK 2002: 7) kommen hier nicht zum Zuge. Die Deskriptoren "analyse" und "describe" rekurrieren auf formalästhetische und inhaltsbezogene Aspekte und auch wenn der dritte Anforderungsbereich, "Werten und Gestalten", durch Arbeitsaufträge wie "comment on" den Einbezug einer persönlichen Stellungnahme oder einer Meinungsäußerung der Prüflinge suggeriert, bezieht er sich doch vornehmlich auf eine Transferhandlung, wenn die Schüler angehalten werden, ihr zuvor erworbenes Wissen auf neue Sachverhalte, wie hier den American Dream, zu beziehen. Obwohl die Bedeutung interkulturellen Lernens mehrfach betont und literarischen Texten als "Zugang zu unterschiedlichen universellen bzw. kulturspezifischen Sichtweisen" (ibid.: 6) in diesem Zusammenhang ein besonderes Potenzial zugesprochen wird (ibid.: 6), findet dieser Aspekt in den Beispielaufgaben, z.B. in Form eines Perspektivenwechsels mit den Protagonisten, eine Betrachtung "der Problematik des amerikanischen Textes in Relation zur eigenkulturellen Problematik" (B UR - WITZ -M ELZER 2007: 135), keine Berücksichtigung. Insgesamt bestehen zwischen den Anforderungen für Grund- und Leistungskurse starke Diskrepanzen. Während die Anforderungen für die Grundkurse in Bezug auf die Themenstellungen und fachlichen Konzepte recht niedrig angesiedelt zu sein scheinen, wenn es heißt, dass dort "tendenziell sprachlich weniger komplexe Texte gelesen und erstellt" werden oder die Schüler in der Lage sind, "einfachen literarischen Texte Informationen zu entnehmen, sie zu analysieren und handlungsorientiert nutzbar zu machen", wobei nicht formale Aspekte im Vordergrund stehen, sondern inhaltliche sowie anwendungs- und problembezogene Gesichtspunkte (KMK 2002: 9), werden im Leistungskurs dagegen philologische fremdsprachliche Arbeitstechniken und -methoden sowie die Fähigkeit zur multiperspektivischen Betrachtung der Themen verlangt. Es fällt zudem auf, dass in den angeführten Arbeitsbereichen und fachlichen Qualifikationen und Inhalten zwar Aspekte einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik anklingen, diese dann aber bei den Aufgabenbeispielen nicht mehr zum Tragen kommen. Auch in Bezug auf den Aspekt der interkulturellen Kommunikation gibt es ein Missverhältnis, wenn den Schülern im Grundkurs "grundlegende Kenntnisse" abverlangt werden, während Schüler des Leistungskurses "vertief- 79 te Kenntnisse" und ein "differenziertes Deutungswissen" in Bezug auf anglophone Kulturen sowie ein Bewusstsein für "(kulturgebunden[e]) Vorannahmen, Vorurteilsstrukturen und Stereotype" nachweisen müssen. Gerade in Bezug auf die interkulturelle Kommunikationsbzw. Handlungsfähigkeit ist nicht einsichtig, warum Schüler im Grundkurs nicht für kulturgebundene Schemata, Vorurteilsstrukturen und Stereotype sensibilisiert werden sollten, da diese Kenntnisse in Zukunft nicht nur in Bezug auf den Arbeitsmarkt Europa zunehmend an Bedeutung gewinnen werden. Wie beim Umgang mit Texten und Medien fällt im Bereich der interkulturellen Kompetenz auf, dass geforderte Aspekte wie "die Fähigkeit zum Perspektivwechsel" (KMK 2002: 3) in den Aufgabenbeispielen auf die Abfrage deklarativen Wissens reduziert werden. Nach B URWITZ -M ELZER (2007a: 136) lassen sich in den EPA "zahlreiche grundlegende Mankos" feststellen, wie z.B. "ein unsachgemäßer Umgang mit literaturdidaktischen Fragen und literarischen Texten", sodass sie ein "solches Dokument als Leitlinie" für das Erreichen der Hochschulreife als "nicht vertretbar" erachtet. + ; -( ) 1#<<=2 Für die Verfasser des hessischen Lehrplans besteht die Hauptaufgabe des Englischunterrichts in der gymnasialen Oberstufe in dem "Vermittlungsprozess von Fremdsprache, Literatur und Landeskunde" (H ESSISCHES K ULTUSMINISTERIUM 2006: 7). Vorrangige Zielsetzung ist ein handlungs- und schülerorientierter Fremdsprachenunterricht, der den Lernenden mit seinen komplexen Fähigkeiten erfasst und kommunikative Kompetenzen und interkulturelles Lernen fördert. Die zugrundeliegenden didaktischen Grundsätze sind wissenschaftspropädeutisches Arbeiten, Praxis- und Berufsorientierung, Handlungs-, Schüler- und Problemorientierung, autonomes Lernen sowie fächerübergreifendes Lernen (ibid.). Im Verlauf der gymnasialen Oberstufe sollen die Schüler ihre sprachliche Kompetenz in den Bereichen Rezeption, Produktion, Interaktion und sprachlicher Mediation erweitern, wobei der Spracherwerb immer in unmittelbarem Zusammenhang mit themenbezogener Textarbeit steht (ibid.: 8). Der Entwicklung des Leseverstehens und der Auseinandersetzung mit Texten wird als einem Punkt der kommunikativen Fertigkeiten neben Hören, Sprechen, Schreiben und Sprachmittlung besondere Bedeutung beigemessen. Textrezeption erfolgt "interessegeleitet und zielorientiert" und die Lesetechniken scanning, skimming, detailliertes Lesen, "analytisches Lesen (Text- 80 struktur, formale Textmerkmale)" und "studierendes Lesen (Bewertung von Texten und Textaussagen auf der Basis einer fundierten Textanalyse" werden in der Sekundarstufe II weiter entwickelt (ibid.: 8). Die Schülerinnen und Schüler lernen, authentische, zunehmend auch komplexere Originaltexte (Literatur, Sach- und Gebrauchstexte) zu verstehen: • die Hauptinhalte zu erfassen (evtl. ohne strukturierende Anleitungen) • selbstständig (d.h. evtl. mit strukturierenden Anleitungen) die manifeste Information auch komplexer Texte zu erfassen • anwendungsorientierte Texte aus verschiedenen Fachgebieten zu verstehen (z.B. journalistische Artikel zu einschlägigen naturwissenschaftlichen, technischen, gesellschaftspolitischen Themen; Grafiken, Schaubilder, Diagramme, Dokumentationen) • rasch den Inhalt und die Wichtigkeit von Informationen in verschiedenen Textsorten zu erfassen und zu entscheiden, ob sich ein genaueres Lesen lohnt • Standpunkte und Einstellungen zu erfassen • Intentionen und Argumentationsstrategien zu entschlüsseln • stilistische Merkmale wahrzunehmen und das Zusammenspiel von Inhalt und Form zu erkennen. (ibid.: 8f.) Auch wenn zu Beginn dieser Liste Literatur, Sach- und Gebrauchstexte gleiches Gewicht erhalten, beziehen sich die anschließenden Punkte vornehmlich auf die Arbeit mit Sach- und Gebrauchstexten. Charakteristika für die Arbeit mit literarischen Texten, wie etwa der Nachvollzug von Handlungen und Motiven, die Übernahme von Perspektiven, das Füllen von Leerstellen oder der Bezug auf die eigene Lebenswelt der Lernenden spielen hier keine Rolle. Die unterrichtliche Arbeit "vollzieht sich in der Regel an authentischen Texten", wobei die Verfasser des hessischen Lehrplans im Sinne eines erweiterten Textbegriffs auf eine Vielzahl von Textsorten verweisen, die neben literarischen und Sachtexten auch visuelle, audiovisuelle und Hörtexte sowie Bilder, Tabellen und Grafiken umfassen (ibid.: 10f.). Die Qualifikationsschwerpunkte sind dabei "Erfassen und Wiedergeben der zentralen Aussagen", "Erschließen" und "Werten und Gestalten" (ibid.: 11). Darüber hinaus stellt der Umgang mit Texten einen Ausgangspunkt für Möglichkeiten kreativer Verarbeitung dar, wie z.B. kreatives Schreiben. Hierdurch werden Lernende für die "Wahrnehmung ästhetischer Dimensionen" sensibilisiert: "Kreativität und Phantasie werden insbesondere auch durch szenisches Interpretieren von Texten, Rollenspiel, Assoziationsspiele u.Ä. entwickelt. Besonders im Leistungskurs steht die Beschäftigung mit literarischen Texten im Vordergrund" (ibid.). 81 Die Frage nach der Bedeutung literarischer Texte und ihrem Stellenwert im Fremdsprachenunterricht wird im hessischen Lehrplan erörtert, wenn es heißt, dass Literatur "in besonderer Weise Einsichten in verschiedene Arten der Darstellung und Wertung von menschlichen Grunderfahrungen, Problemen und Verhaltensweisen" vermittelt (ibid.: 11). Auch in Bezug auf die Förderung einer interkulturellen Kompetenz wird literarischen Texten eine besondere Bedeutung als "Zugang zu kulturellen Traditionen und zur Auseinandersetzung mit Wertvorstellungen und alternativen Lebensentwürfen" zugesprochen (ibid.). Angemessener Umgang mit literarischen Texten erfordert Kenntnisse wichtiger literarischer Gattungen, wichtiger literarischer Gestaltungsmittel und ihrer textimmanenten Funktionen. Er vermittelt ansatzweise Einblicke in unterschiedliche Funktionen von Literatur und literarische Entwicklungen. Im Sinne einer rezeptionsästhetisch orientierten Literaturdidaktik erfahren Schülerinnen und Schüler bei der Beschäftigung mit Literatur die Wirkung künstlerischer Gestaltungsmittel als kreativen Prozess, indem sie aktiv an der Erschließung eines literarischen Textes beteiligt werden und somit der kreative Gebrauch der Fremdsprache angeregt wird. Die Beschäftigung mit Literatur zielt auf die Analyse textsortenspezifischer Kodierung und auf die Analyse von Stilmitteln ebenso wie auf die Auseinandersetzung mit Wirkabsicht/ Intention des Autors, mit den Bedingungen des literarischen Marktes und mit den Rezeptionsstrategien des Lesers. Sie ermöglichen Einsicht in die Interdependenz literarischer Texte mit ihrem historischen und gesellschaftlichen Umfeld. (ibid.) Im Umgang mit Texten lernen die Schülerinnen und Schüler "unterschiedliche Interpretationsansätze und Interpretationstechniken" kennen (ibid.: 13). Diese umfassen neben den zuvor genannten Lesestrategien (vgl. ibid.: 8) Rezeptionsstrategien wie das Bilden, Testen und Revidieren von Hypothesen. Schließlich zählen hierzu das Anfertigen von Notizen, von Erschließungs-, Markierungs- und Strukturierungstechniken, das schriftliche und mündliche Anfertigen von Zusammenfassungen sowie der Erwerb eines Basiswissens in Bezug auf grundlegende Wirkabsichten und Verschlüsselungstechniken (ibid.: 13). Insofern zuvor explizit auf eine rezeptionsästhetisch orientierte Literaturdidaktik verwiesen wurde, wäre an dieser Stelle zu erwarten gewesen, dass auch kreative und schülerorientierte Momente bei der Erarbeitung literarischer Texte wie handlungs-, produktions-, persönlichkeits- oder prozessorientierte Verfahren erwähnt werden, die dem Leser als sinnbildendem Subjekt Rechnung tragen, an dessen Vorwissen und Erfahrungen anknüpfen und ihm ermöglichen, die "Wirkung künstlerischer Gestaltungsmittel als kreativen Prozess" zu erfahren, indem er "aktiv an der Erschließung des literarischen Textes beteiligt" wird (ibid.: 11). Zudem stellt sich hier die Frage, warum das Anfertigen von Notizen sowie die Strategie des 82 Markierens, 54 methodische Kompetenzen, die spätestens ab der Mittelstufe systematisch gefördert werden und somit in der Oberstufe vorausgesetzt werden können, hier explizit als Interpretationstechniken angeführt werden. Insgesamt kann hinsichtlich des Stellenwerts literarischer Texten im hessischen Lehrplan festgehalten werden, dass die Diskussionen innerhalb der Literatur- und Kulturwissenschaften und der Literaturdidaktik der letzten Jahre Widerhall finden. 55 Dies betrifft zum einen die Öffnung des literarischen Kanons, das Ausgehen von einem weiten Textbegriff und zum anderen der Verweis auf rezeptionsästhetische Aspekte der Textbegegnung. Dennoch dominieren formalästhetische, textimmanente und kontextorientierte Ansätze. Leserorientierte Ansätze und kreative Momente finden zwar Erwähnung, werden aber in der Umsetzung, d.h. bei den methodischen Hinweisen, nicht konsequent verfolgt. Dem Leser als bedeutungskonstituierendem Subjekt wird so nicht die notwendige Bedeutung zugesprochen. 54 Vgl. hierzu die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache für den mittleren Schulabschluss (KMK 2004a: 17). 55 Vgl. hierzu die Analyse der Lehrpläne aller Bundesländer für den Englischunterricht der Sekundarstufe I bei H OLLM (2009b: 41-61). 83 3 4 3 ) ( &! ( ( Die empirische Erforschung der prozessualen Lehr- und Lernaspekte des Fremdsprachenunterrichts ist ein zentrales Tätigkeitsfeld akademischer Fremdsprachenforschung (R IEMER 2005: 85). Sie ist in ihren Arbeitsweisen angehalten, die Forschungsmethodik so anzulegen, dass sie Probleme aus der Praxis aufgreift, der systematischen und integrativen Forschung zuführt und wieder in die Praxis einbringt, sei es in Form von Bestätigungen für gewohntes Unterrichtsverhalten, sei es als Empfehlung bzw. Handlungsalternative für eine begründete Veränderung desselben. (B AUSCH / C HRIST / K RUMM 2003: 4) Empirische Unterrichtsforschung soll mithin die Unterrichtsgestaltung und die Fremdsprachenlehrerausbildung verbessern. For teachers, a primary reason for doing research is to become more effective teachers. Research contributes to more effective teaching, not by offering definitive answers to pedagogical questions, but rather by providing new insights into the teaching and learning process. (M C K AY 2006: 1) Im Rahmen des fremdsprachlichen Literaturunterrichts hat empirische Unterrichtsforschung die Funktion, die von der Literaturdidaktik theoretisch entwickelten Konzeptionen, Unterrichtsmodelle und Prinzipien "für die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen im Literaturunterricht" im Sinne ihrer Praxistauglichkeit kritisch zu analysieren (L EUBNER / S AUPE / R ICHTER 2010: 11). Auch die "Verstehensleistungen und Lernstände von Schülern" (ibid.) sowie die "didaktischen Kompetenzen der Lehrkräfte" (H ALLET 2010: 201f.) sind in diesem Zusammenhang von Interesse. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen sollen schließlich dazu dienen, neue Theorien zu entwickeln, die die Unterrichtspraxis optimieren. Gerade wegen ihres Nutzens wird der immer noch vorherrschende Mangel an empirischer Unterrichtsforschung vielseitig beklagt (vgl. B ENZ 1990; B URWITZ -M ELZER 2005a; D ELANOY 2002; H ALLET 2010; H URRELMANN 2004; K LIPPEL 2001; K ÜPPERS 1999; M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - V . D IT - FURTH 2001; R IEMER 2005; S CHMIDT 2004a; S CHRÖDER 2001; T ENORTH 2001; V OSS 2001). 56 56 R IEMER (2005: 86ff.) sieht die Gründe für einen solchen Mangel u.a. in Akzeptanzproblemen empirischer Unterrichtsforschung bei Praktikern oder darin, dass empirische Forschungs- 84 Dieses empirische Defizit gilt insbesondere für die Erforschung des fremdsprachlichen Literaturunterrichts, und es lassen sich in Deutschland erst in jüngerer Zeit vereinzelt Studien verzeichnen, die sich zwar auf diesen Bereich des Fremdsprachenunterrichts beziehen, allerdings sehr unterschiedliche Schwerpunktsetzungen aufweisen. Blickt man auf Studien der letzten 20 Jahre, so untersuchen B ENZ (1990), B ECKER (1992) und S CHENKE (1998) die Rolle der Schüler als Leser sowie deren Rezeptionsperspektive und -verhalten im fremdsprachlichen Literaturunterricht. B URWITZ -M ELZER (2003), F ÄCKE (2006) und F REITAG -H ILD (2010a) wenden sich der Förderung interkulturellen Lernens bzw. transkulturellen Lernens mit fiktionalen Texten in der Sekundarstufe I und II zu. H ESSE (2002b) erforscht Jugendliteratur als Ausgangspunkt für Schreibprozesse in der Sekundarstufe I. E HLERS (1998) hat die fremdsprachliche Lesepraxis im Rahmen des Deutschen als Fremdsprache zum Gegenstand. K ÜPPERS (1999) wirft einen allgemeineren Blick auf die schulische Lesesozialisation in der gymnasialen Oberstufe. S CHMIDT (2004a) rückt die Lektüre Shakespeares auf der gymnasialen Oberstufe in den Mittelpunkt. F INKBEINER (2005) befasst sich mit Interessen und Strategien beim fremdsprachlichen Lesen. S TEININGER (in Vorb.) widmet sich vor dem Hintergrund neuerer bildungspolitischer Entwicklungen der Modellierung literarischer Kompetenz in der Sekundarstufe I. Es fehlt aber eine jahrgangsübergreifende Grundlagenforschung in Deutschland, d.h. eine systematische, qualitative wie quantitative Unterrichtsforschung steckt erst in den Anfängen. 57 Deshalb konstatiert H ALLET (2010a: 204), dass zahlreiche "Facetten des lernenden Umgangs mit Literatur im FU" als "weitgehend unerforscht" gelten müssen. Dies betrifft verschiedene Felder: (1) eine Kompetenzentwicklungsforschung, die vor dem Hintergrund der jüngeren bildungspolitischen Entwicklung hin zur Standardisierung und Output- Orientierung die mit dem Lesen literarischer Texte zu fördernden und tatsächlich ergebnisse bis dato keinen entscheidenden Einfluss auf curriculare Entwicklungen nehmen konnten. Zudem sei empirisches Arbeiten hinsichtlich Gegenstandswahl, -konstruktion und - operationalisierung stets anfechtbar. Diese Zustandsbeschreibung fachspezifischer empi-rischer Forschung sei besonders brisant in einer Zeit, in der quantitative, Output-orientierte Bildungsstudien zum Schulerfolg, Festsetzungen von Standards, Kerncurricula und Kompetenzen den Alltag prägten, die keine Pendants in fremdsprachenspezifischer empirischer Forschung hätten und sogar glaubten, ohne solche auszukommen (ibid.: 88). 57 Gleichermaßen lassen sich in Großbritannien und den USA in den letzten zwanzig Jahren nur vereinzelt Studien zu diesem Themenbereich mit sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und forschungsmethodischen Zugriffen finden (vgl. A NAGNOSTOPOULUS 2003; B ERNHARDT 1991/ 2002; E NCISO 1992; H AFIZ / T UDOR 1990; K RASHEN 2004/ 2007; L ANGER 1998; M ANY / W ISE - MAN 1992; N ARDOCCHIO 1992; N ORTON / V ANDERHEYDEN 2004; P ARAN 2008; S COTT / T UCKER 2002; Z ARILLO / C OX 1992 u.a.). 85 entwickelten Kompetenzen zu erfassen und zu beschreiben vermag; (2) die Kognitionsforschung, welche die zur Konstruktion fremdsprachiger fiktionaler Welten erforderlichen und zu unterstützenden kognitiven Prozesse empirisch beschreibt; (3) eine Sprachlernforschung, die den Zusammenhang von literarischer Lektüre und sprachlich-diskursivem Lernen zu systematisieren vermag; (4) methodologische Forschungen zu Methoden der Unterstützung des Leseprozesses, insbesondere bei Ganzschriften, sowie zu Methoden der kulturellen bzw. historischen Kontextualisierung literarischer Texte (wide reading) […]. (ibid.) F RITZSCHE (2006: 4) beschreibt die Situation der Literaturdidaktik wie folgt: Sie bewegt sich grundsätzlich zwischen einerseits Postulaten, die aus allgemeinen pädagogischen Prinzipien und/ oder aus "Sachnotwendigkeiten" bzw. Fachstrukturen abgeleitet werden, und andererseits dem Erfahrungswissen, das in der Unterrichtspraxis gewonnen wird, wobei Ersteres vor allem in der akademischen Fachdidaktik (Hochschulen), Letzteres in der schulischen (Studienseminare) verbreitet ist. Dazwischen klafft die Lücke, die mit empirischer fachdidaktischer Unterrichtsforschung zu füllen wäre […]. Analog dazu plädiert D ELANOY (2002: 17) für einen Dialog zwischen Literaturdidaktik und Literaturunterricht im Sinne "eines konstruktive[n] Miteinander[s] von Literaturdidaktik und Literaturunterricht, wobei die Literaturdidaktik ihre Angebote anhand konkreter Praxis hinterfragen und im Interesse größerer Praxisrelevanz weiterentwickeln" solle. Zum Führen eines solchen Dialogs bedürfe es sowohl der Zusammenarbeit mit Lehrkräften als auch der empirischen Unterrichtsforschung. 3 # $ 5 Das vorliegende Dissertationsprojekt wendet sich der Frage zu, welche Aufgaben und Methoden Lehrkräfte im englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe bei der Lektüre von Ganzschriften einsetzen und inwiefern diese geeignet sind, die Interaktion zwischen den Lernenden und dem Text sowie die Interaktion innerhalb der Lerngruppe zu intensivieren, gemeinsame Bedeutungsaushandlungen zu initiieren und vertiefte Verstehensprozesse zu begünstigen. Die Untersuchung verfolgt somit das Ziel, Rezeptions- und Verstehensprozesse bei der schulischen Arbeit mit literarischen Texten zu erfassen, zu beschreiben und zu analysieren, um daraus konkrete Schlussfolgerungen nicht nur im Hinblick auf didaktische Probleme und Schwierigkeiten im Literaturunterricht ziehen, sondern auch Beispiele im Sinne einer "best practice" ableiten zu können. 86 Es sollen authentische Einblicke in die Unterrichtspraxis gegeben werden, die es erlauben, empirisch fundierte Hypothesen für eine Verbesserung der literarischen Unterrichtspraxis im Englischunterricht zu bilden, mithin eine literaturdidaktische Theorienbildung voranzureiben und schließlich zu einer Verbesserung der Lehrerausbildung beizutragen. Des Weiteren sollen Daten zugänglich gemacht werden, die als Grundlage dazu dienen können, der Debatte über den Stellenwert von Literatur im Fremdsprachenunterricht in der Oberstufe (vgl. T ENORTH 2001) neue Impulse zu liefern. Schlussendlich soll die Studie Fragen im Hinblick auf den schulischen Literaturunterricht generieren, die Anreiz für weitere Forschungsarbeiten in diesem Feld geben. Maßgebliche Zielsetzungen der Studie sind demnach im Einzelnen • die kontextuelle Beschreibung und Analyse des Ist-Zustands der schulischen Arbeit mit literarischen Texten in der gymnasialen Oberstufe hinsichtlich der eingesetzten Aufgaben und Methoden anhand mehrerer Fallstudien, die es erlaubt, • konkrete Schlussfolgerungen im Hinblick auf didaktische Probleme und Schwierigkeiten im Literaturunterricht ziehen zu können, • empirisch fundierte Hypothesen im Hinblick auf die Förderung von Verstehensprozessen beim Umgang mit literarischen Texten und eine Verbesserung des englischen Literaturunterrichts zu generieren, • der Diskussion zur Reformierung der gymnasialen Oberstufe neue Impulse zu liefern und • zu einem Dialog zwischen Literaturdidaktik und Literaturunterricht beizutragen, der im Sinne einer literarturdidaktischen Theorienbildung und der Lehrerausbildung nutzbar gemacht werden kann. Das fachdidaktische Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie leitet sich zum einen ab aus den bisher dargestellten Erkenntnissen aus der fremdsprachlichen Literaturdidaktik. Zum anderen gibt die Diskussion um Ziele und Inhalte des Englischunterrichts in der Oberstufe, wie sie sich in bildungspolitischen Vorgaben und curricularen Rahmenbedingungen darstellt, Anlass, zu ergründen, inwiefern diese Eingang in die Unterrichtspraxis findet. Das Erkenntnisinteresse umfasst demnach sowohl fachdidaktische, bildungspolitische als auch unterrichtspraktische Komponenten, sodass der Umgang mit literarischen Texten im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe aus insgesamt drei Perspektiven beleuchtet wird: • aus einer zunächst theoretischen Perspektive unter dem Gesichtspunkt der fremdsprachlichen Literaturdidaktik mit Fokus auf der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik, 87 • aus einer bildungspolitischen Perspektive, die den Stellenwert und den Umgang mit literarischen Texten in aktuellen bildungspolitischen Dokumenten analysiert, • sowie aus einer unterrichtspraktischen Perspektive, die sich der Frage zuwendet, wie literarische Texte im Unterricht tatsächlich gelesen werden und welche Aufgabenformen und Methoden geeignet sind, die Interaktion zwischen den Lernenden und dem Text sowie die Interaktion innerhalb der Lerngruppe zu intensivieren, gemeinsame Bedeutungsaushandlungen zu initiieren und vertiefte Verstehensprozesse zu begünstigen. Zentrale Fragen für die unterrichtspraktische Perspektive sind dabei, • wie sich rezeptionstheoretische Prämissen und bildungspolitische Vorgaben in der Unterrichtsrealität widerspiegeln, • wie Lehrkräfte bei der Behandlung literarischer Texte methodisch vorgehen, • wie sich die Rezeptionsprozesse im Lehr- und Lerngefüge konkret gestalten, d.h. wie Interaktion mit literarischen Gegenständen im Verlauf einer Unterrichtsstunde im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe stattfindet, • wie die Lehrkraft den Unterricht durch verschiedene Aufgabenstellungen (inhaltlich, analytisch, interpretativ, kreativ) steuert, • welche Rolle das Unterrichtsgespräch als Methode spielt, • und welche Lernziele bzw. Kompetenzen (fremdsprachliche, literaturdidaktische, wissenschaftspropädeutische, interkulturelle, allgemeine Bildungs- und Erziehungsziele wie Empathie und Toleranz) verfolgt bzw. ausgebildet werden. Besonderes Augenmerk liegt schließlich darauf, was die einzelnen Aufgabenstellungen leisten, i.e., inwiefern sie geeignet sind, den Leseprozess sinnvoll zu strukturieren und zu begleiten, die Interaktion der Lernenden mit dem Text und das Gespräch der Leser über den Text zu intensivieren, den Verstehensprozess zu fördern und zu einem vertieften Verständnis zu gelangen: • Wird/ werden im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik o ein ästhetisches Lesen begünstigt? o der Polyvalenz literarischer Texte Rechnung getragen? o individuelle Lesarten zugelassen und unterschiedliche Interpretationshypothesen dialogisch und intersubjektiv nachvollziehbar ausgehandelt und ausdifferenziert? o Leerbzw. Unbestimmtheitsstellen im Text ergründet? o Hypothesen und Inferenzen formuliert und am Text verifiziert bzw. falsifiziert? • Die Rolle der Schülerinnen und Schüler als Leser in diesem Rezeptionsprozess ist dabei von besonderem Interesse: o Wird ihrer Rolle als sinnbildenden Subjekten Rechnung getragen? 88 o Erhalten sie die Möglichkeit, ihre lebensweltlichen Erfahrungen einzubringen, ihre Erwartungen zu artikulieren und sich über persönliche Erfahrungen auszutauschen? o Ermöglicht die Aufgabenstellung einen Transfer zur Lebenswelt der Lernenden? • Kommt es im Sinne des Einnehmens der Innen- und Außenperspektive zu einer Übernahme, Differenzierung, Koordinierung und Ausgestaltung unterschiedlicher Perspektiven? • Kommt es zu einer Integration analytisch-interpretativer und kreativer Bearbeitungsformen? • Werden die einzelnen Aufgaben ausführlich vor-, er- und nachbearbeitet? • Bauen die einzelnen Aufgaben innerhalb einer Sequenz sinnvoll aufeinander auf? Ausgangspunkt für das Forschungsprojekt ist zum einen der oben bereits erwähnte, vielseitig beklagte Mangel an empirischer Unterrichtsforschung im Allgemeinen und der Mangel an Grundlagenforschung innerhalb der fremdsprachlichen Literaturdidaktik im Speziellen. Hinsichtlich des muttersprachlichen Literaturunterrichts betont H URRELMANN (1998 zit. in S CHMIDT 2004b: 270) eindringlich ein Forschungsdesiderat, wenn sie sagt: "Uns fehlt bisher eine systematische empirische Unterrichtsforschung, die insbesondere didaktische Ansätze und Formen des 'alltäglichen' Literaturunterrichts auf ihre Wirksamkeit überprüft." Ein Großteil dessen, was in der fachdidaktischen Diskussion als gegeben konstatiert werde, basiere auf Spekulationen, zufälligen Beobachtungen oder weit zurückliegenden persönlichen Erfahrungen (B URWITZ -M ELZER 2005a: 96; K ÜPPERS 1999: 66). So ist beispielsweise auch wenig darüber bekannt, wie Rezeption und Interaktion mit literarischen Gegenständen im Verlauf einer Unterrichtsstunde stattfindet (vgl. G LAAP / R ÜCK 2003: 135) oder wie das methodische Vorgehen von Lehrkräften aussieht, Fragen, denen sich die vorliegende Arbeit widmet. Zum anderen geben "die Annahme, dass neuere literaturdidaktische Konzepte, bildungspolitische Überlegungen und die literarische Unterrichtspraxis weit auseinander klaffen" (J ARFE 1997b; K LIPPEL 2001 u.a.) sowie die in den Expertisen zu einem Kerncurriculum für die Oberstufe (vgl. T ENORTH 2001) zu findende Kritik, dass der traditionelle Literaturunterricht zu wissenschaftspropädeutisch ausgeprägt sei und eine einseitige, kognitive Textkommentierung dominiere (vgl. S CHRÖDER 2001; K LIPPEL 2001; Z YDATIß 2001), Anlass, empirisch einen Sachstand festzustellen und die Kritik der Expertisen mit dem Ist-Zustands des fremdsprachlichen Literaturunterrichts in der gymnasialen Oberstufe abzugleichen. Schließlich gibt die Überlegung, dass literarische Texte als bildungsrelevante Inhalte aufgrund der bildungspolitischen Hinwendung zu einer Out- 89 come-Orientierung und der Entwicklung hin zum "Überprüfen und Vereinheitlichen elementarer sprachlicher Fertigkeiten" (B REDELLA 2005a: 48) zunehmend an den Rand gedrängt und somit ein Kerngebiet des Fremdsprachenunterrichts ausgeblendet wird (B URWITZ -M ELZER 2005b: 60), Anstoß für das Forschungsprojekt. In diesem Zusammenhang wird zu klären sein, welche Auswirkungen die Einführung des Landesabiturs aus Sicht der Lehrkräfte auf den fremdsprachlichen Literaturunterricht hat. 3 + 4 Für die Erforschung des Fremdsprachenunterrichts existieren verschiedene Forschungsparadigmen, die sich dem quantitativen, dem qualitativen oder einer Mischform aus beiden zuordnen lassen. So werden üblicherweise "die psychometrische (als quantitative), die ethnographische (als qualitative) und die diskurs- oder interaktionsanalytische (als Mischform) unterschieden" (B URWITZ -M ELZER 2003: 130). 58 Quantitative Forschung wird dabei auch als analytisch-nomologisch, qualitative Forschung als explorativ-interpretativ bezeichnet (G ROTJAHN 2003: 495). Hinsichtlich der allgemeinen Zielsetzungen empirischer Forschungen "stehen sich auf der qualitativen Seite 'Verstehen' und auf der quantitativen Seite 'Erklären' menschlichen Verhaltens gegenüber" (R IEMER 2007: 34). Da es in der vorliegenden Studie um die kontextuelle Beschreibung und Interpretation des fremdsprachlichen Literaturunterrichts sowie um das Generieren von Hypothesen zu einer Verbesserung desselben geht, bietet sich ein qualitatives Design an. 3 + , ( > &! Qualitative Forschung erhebt den Anspruch, Lebenswelten "von innen heraus" aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben, um zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beizutragen (F LICK / VON K ARDOFF / S TEINKE 2005: 14). Deshalb ist es für qualitative Forschung - in diesem Fall qualitative Unterrichtsforschung essenziell, die Forschungsperspektive um die der beobachteten Subjekte zu ergänzen (B URWITZ - M ELZER 2003: 484; F LICK / VON K ARDOFF / S TEINKE 2005: 24). Qualitative Forschung setzt "einen empathischen Nachvollzug aus der Perspektive der Untersuchungsteilnehmer" voraus und "bedingt ein komplexes elaborativprospektives Menschenbild, wobei das Gesamtfeld als Informationslieferant zur Verfügung steht" (R IEMER 2007: 34). 58 Zur Unterscheidung von qualitativer und quantitativer Forschung s. B URWITZ -M ELZER (2003: 130); D ÖRNYEI (2007); F LICK (1998: 280ff.); N UNAN (2005: 4); G ROTJAHN (2003: 494ff.). 90 An emic perspective is an insider`s view of a particular culture or community. In investigating the learning experience of a particular group of ESL students, a researcher would try to find out how these learners view their own learning experiences. […] This is in contrast to an etic perspective in which researchers interpret what they see largely from their own perspective. (M C K AY 2006: 78) Die Sichtweisen aller am Forschungsprozess Beteiligten sollten systematisch einbezogen werden und der Forscher sollte darlegen, dass er sich in seiner Subjektivität als Bestandteil des Forschungsprozesses versteht. Die Berücksichtigung und Analyse unterschiedlicher Perspektiven sowie die Reflexion des Forschers über die Forschung sind somit Teil der Erkenntnis (F LICK 1998: 13). Die eingesetzten Forschungsmethoden müssen so ausgewählt sein, dass den subjektiven Perspektiven, den alltäglichen Handlungsweisen und Bedeutungen der Untersuchten ausreichend Spielraum eingeräumt wird (S TEINKE 2005: 327). 59 Aus diesem Grund werden im Bereich qualitativer und ethnographischer Unterrichtsforschung zunehmend mehrmethodische, auf Triangulation beruhende Untersuchungsansätze propagiert, die durch die Erhebung und Interpretation möglichst vielfältiger Daten aus unterschiedlichen Perspektiven eine einseitige Sicht auf den Gegenstand verhindern sollen (vgl. F LICK 2004; R IEMER 2005: 90f.; D ÖRNYEI 2007). Triangulation involves the use of multiple methods and/ or multiple data sources in order to verify the researcher`s interpretations of a community. For example, in studying a particular group of L2 learners, a researcher might observe the students in the classroom, with their peers outside the classroom […]. They might also conduct in depth interviews with them as well as with their teachers, parents and peers. All of this would be done in order to have multiple sources on which to build an interpretation of what is being studied. (M C K AY 2006: 79) Diese Entwicklung entspringt dem allgemein geteilten Verständnis des Fremdsprachenlernens- und -lehrens als einem "dynamischen, vielschichtigen und kontextgebundenen" Komplex, dem "affektive, kognitive und sozial-kommunikative Prozesse" zugrunde liegen (R IEMER 2007: 32). Die Erhebung personenbezogener, reichhaltiger, tiefer Daten aus unterschiedlichen Quellen erlaubt, die Deskription und Analyse des spezifischen Untersu- 59 Hierbei ist das zugrunde liegende Menschenbild "in seinen anthropologischen Kernannahmen zu explizieren", denn es hat konzeptuelle als auch untersuchungsmethodische Auswirkungen, ob die Fremdsprachenlerner und -lehrer als vornehmlich reaktive informationsverarbeitende Systeme oder als reflexive und soziale Aktanten betrachtet werden (G ROTJAHN 1999: 137). In der vorliegenden Studie werden die Untersuchungsteilnehmer als bedeutungskonstituierende und interagierende Subjekte und mithin als reflexive und soziale Wesen erachtet. 91 chungsgegenstandes aus verschiedenen Perspektiven anzugehen und abzusichern. (ibid.) Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass das Auge des Forschers selektiert: "Man sieht besonders gut, was man erwartet und sehen möchte" (B URWITZ - M ELZER 2001: 143). Nach N UNAN (2005: 98) gibt es keine 'objektive' Beobachtung: "[...] what we see will be determined, at least in part, by what we expect to see." Um dieser 'Selektion' und Voreingenommenheit der subjektiven Perspektive des Forschers zu begegnen, ist es bedeutsam, verschiedene Blickrichtungen auf den Untersuchungsgegenstand zu nutzen und die Perspektive der Untersuchungsteilnehmer in die Datenaufnahme mit einzubeziehen (B URWITZ -M ELZER 2001: 143). Die Erhebungs- und Auswertungsverfahren müssen mithin so angelegt sein, dass Überraschungen, d.h. "Irritationen des Vorverständnisses des Forschers", möglich sind (S TEINKE 2005: 327). Gerade für die Erforschung eines so komplexen Forschungsgegenstandes wie Verstehensprozesse mit literarischen Inhalten im Fremdsprachenunterricht empfiehlt sich eine polymethodologische Untersuchungsweise, die sich in der Verwendung unterschiedlicher Methoden für die Untersuchung ein- und desselben Gegenstandes manifestiert (G ROTJAHN 2003: 497). Unterrichtsforschung, die Aussagen über die Qualität der Kommunikation, der Art der Handlungen im Unterricht, diskursive Prozesse, das Erreichen von Lernzielen und die Umsetzung bestimmter Unterrichtsthemen machen möchte, ist deskriptiv, hat aber zugleich einen präskriptiven Anspruch, indem sie Einfluss auf Lehreraus- und -weiterbildung nehmen will (B URWITZ -M ELZER 2003: 130). Insofern ist auch die vorliegende Studie angehalten, sich an verschiedenen Gütekriterien zu orientieren. Aufgrund der begrenzten Standardisierung der Vorgehensweisen in qualitativer Forschung im Gegensatz zu quantitativer Forschung, ist es notwendig, Kriterien zu benennen, die eine Bewertung qualitativer Forschung ermöglichen. […] Parameter wie "Verstehen" oder "interpretativ" deuten darauf hin, dass qualitative Studien weniger dem Gütekriterien der Objektivität 60 entsprechen können; hierfür wurden Gütekriterien wie "Nachvollziehbarkeit" und "Intersubjektivität"/ "reflektierte Subjektivität" eingeführt. (R IEMER 2007: 34) Als weitere Bewertungskriterien gelten die Indikation des Forschungsprozesses, empirische Verankerung, Limitation, Kohärenz, Relevanz und reflektierte Subjektivität (C ASPARI / H ELBIG / S CHMELTER 2003: 500; S TEINKE 2005: 60 Ebenso sind die Kriterien "Reliabilität" und "Validität", die für standardisierte, quantitative Forschung entwickelt wurden, nur bedingt auf qualitative Forschung übertragbar (vgl. S TEINKE 2005: 329). 92 326ff.). Den genannten Kriterien wird in der vorliegenden Studie in Form einer umfassenden Dokumentation des Forschungsprozesses Rechnung getragen. Im Sinne einer Offenlegung des Forschungsprozesses werden das Vorverständnis der Forscherin, Ausgangspunkt, Zielsetzungen und Relevanz der Studie sowie Vorarbeiten innerhalb des Untersuchungsfeldes dargelegt. Zudem werden die Erhebungsmethoden und -kontexte, die Transkriptionsregeln und Daten, die Auswertungsmethoden und Informationsquellen sowie Entscheidungen und Probleme dargestellt. Von besonderer Bedeutung sind zudem die Prinzipien Offenheit, 61 Flexibilität und Kommunikativität (C ASPARI / H ELBIG / S CHMELTER 2003: 500). Diese Prinzipien verlangen vom Forscher, dass er sich seines Vorwissens, seiner Annahmen und Einstellungen bewusst und bereit ist, sie im Verlauf des Forschungsprozesses zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren: Dies gilt für den Untersuchungsgegenstand, die Untersuchungsdesigns und -instrumente sowie die Untersuchungspartner. Die Konsequenz daraus ist, Änderungen an den Fragestellungen oder am Untersuchungsdesign vorzunehmen, sollte dies im Verlauf des Forschungsprozesses erforderlich werden. D ÖRNYEI (2007: 37f.) spricht in diesem Zusammenhang von einem "emergent research design": […] no aspects of the research are tightly prefigured and a study is kept open and fluid so that it can respond in a flexible way to new details or openings that may emerge during the process of investigation. This flexibility even applies to the research questions, which may evolve, change, or be refined during the study. […] An important aspect of this emergent nature is the fact that, ideally, qualitative researchers enter the research process with a completely open mind and without setting out to test preconceived hypotheses. This means that the research focus is narrowed down only gradually and the analytic categories/ concepts are defined during, rather than prior to, the process of the research. (ibid.) Hypothesen werden mithin erst im Laufe des Forschungsprozesses "durch das interpretative Auffinden wiederkehrender Muster" generiert, wobei "nicht allein die Produkte menschlichen Verhaltens" interessieren, sondern "vor allem die Prozesse, die zu ihnen führen" (R IEMER 2007: 34). Das Untersuchungsfeld soll so weit wie möglich natürlich belassen sein, dies heißt konkret: Soll z.B. gesteuerter Fremdsprachenerwerb verstanden werden, so sind die Daten aus dem Kontext real stattfindenden Fremdsprachenunterrichts zu 61 "Das Prinzip der Offenheit besagt, dass die theoretische Strukturierung des Forschungsgegenstandes zurückgestellt wird, bis sich die Strukturierung durch die Forschungssubjekte herausgebildet hat" (H OFFMANN -R IEM 1980, zit. in F LICK 1998: 57). Dies impliziert den Verzicht auf eine Hypothesenbildung ex ante (ibid.: 58). 93 gewinnen und nicht in speziell eingerichteten laborähnlichen Handlungsräumen, die je eigenen Konstellationen entsprechen. (ibid.) Weitere Gütekriterien sind schließlich, dass Datenerfassung, Daten und Methode der Datenanalyse gegenstandsangemessen sind und das Untersuchungsfeld hier der englische Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe möglichst gegenstandsnah, ganzheitlich und kontextgebunden erfasst wird (vgl. M ÜLLER -H ARTMANN / S CHOCKER - V . D ITFURTH 2001: 3). Die Entwicklung des Forschungsdesigns orientiert sich maßgeblich an der detaillierten Analyse des zu erforschenden Gegenstandes, um den Nachweis erbringen zu können, dass der forschungsmethodologische Zugriff dem Wesen des zu untersuchenden Gegenstandes weitgehend gerecht wird (ibid.: 5). Die dem qualitativen Paradigma zugeordnete Ethnographie versteht sich als eine investigative (aufspürende), explorative (erkundende), interpretative (deutende) und deskriptive (beschreibende) Forschung (H ITZLER 2003: 49ff.), die der Erforschung eines bestimmten Wirklichkeitsbereichs zwecks Hypothesenbildung unter der Verwendung vor allem interpretativer (hermeneutischer) Verfahren bei der Datenanalyse dient (R IEMER 2005: 90). Ansätze der unterrichtsbezogenen Ethnographie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die soziokulturelle Natur des Lehr- und Lernprozesses betonen, die Perspektive der Teilnehmer berücksichtigen und holistische, kontextbezogene Längsschnittanalysen vornehmen (G ROTJAHN 2003: 495). 62 Dabei gilt sie als generell praxisrelevant und verfolgt das Ziel, komplexe Zusammenhänge, wie sie beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen entstehen, zu verstehen, indem sie den entsprechenden Wirklichkeitsbereich detailliert und umfassend beschreibt und interpretiert (C ASPARI / H ELBIG / S CHMELTER 2003: 499). Das Hauptziel ethnographischer Forschung besteht somit in einer "dichten Beschreibung" (G EERTZ 1987) des Forschungsgegenstandes, die es ermöglicht, ein vertieftes Verständnis darüber zu erlangen, wie "individuals view and participate in their own social and cultural worlds" (H ARKLAU 2005: 179). The main goal of most ethnographic research is to provide a 'thick description' of the target culture, that is, a narrative that describes richly and in great detail the daily life of the community as well as the cultural meaning and beliefs the participants attach to their activities, events, and behaviours. For this purpose ethnography uses an eclectic range of data collection techniques, including participant and nonparticipant observation […], interviewing […], and the ethnographer’s own diary with field notes and journal entries […]. These data are further supplemented by film or audio recordings as well as authentic documents […]. (D ÖRNYEI 2007: 130) 62 S. hierzu auch H ÜNERSDORF / M AEDER / M ÜLLER (2008). 94 Ethnographien rücken die jeweilige Kultur und die darin eingelagerten Wissensbestände und -formen in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie sind daran interessiert, aus der teilnehmenden Perspektive zu erforschen, welche Mittel zur Konstitution sozialer Phänomene situativ eingesetzt werden, wie also die jeweiligen Wirklichkeiten praktisch erzeugt werden (L ÜDERS 2005: 390). Um das Verhalten einer bestimmten sozialen oder kulturellen Gruppe (hier des Klassenzimmers) zu beschreiben und zu verstehen, versuchen Forscher, die Prozesse aus der Perspektive der beteiligten Personen wahrzunehmen. In ethnographic studies the participants` subjective interpretation of their own behaviours and customs is seen as crucial to understanding the specific culture. Therefore, a central aspect of ethnography is to find ways of looking at events through the eyes of an insider. (D ÖRNYEI 2007: 131) Erst durch "extended exposure to the field" (R ICHARDS 2003: 14) und eine anhaltende Kopräsenz von Beobachter und Beobachteten können die situative Praxis und die Perspektive der Teilnehmer einer Analyse zugänglich gemacht werden. D ÖRNYEI (2007: 131) hebt die Bedeutung einer anhaltenden Teilnahme in natürlichen Settings hervor: "The subtleties of the participants` meaning (and most often, multiple meanings) cannot be uncovered unless the researcher immerses him/ herself in the culture […]" (ibid.). Deshalb kann sich die Untersuchung über mehrere Wochen, Monate oder sogar Jahre erstrecken: "The research is relatively long-term, taking place over several weeks, months, or even years. It entails the collaborative involvement of several participants, including the researcher, the teacher, and the learners" (N UNAN 2005: 56). Der Forscher muss Wege und Strategien finden, an dieser Alltagspraxis möglichst längerfristig teilzunehmen und mit ihr vertraut zu werden, um sie in ihren alltäglichen Abläufen beobachten zu können (L ÜDERS 2005: 384f.). 63 Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass der Forscher das Untersuchungsfeld nicht beeinflusst und Störungen weitgehend vermieden werden: "[T]he research takes place in context, with an attempt to minimize the disruption caused by the researcher‘s intrusion. The researcher does not attempt to control or manipulate the phenomena under investigation" (N UNAN 2005: 56). Das Interesse an der Insiderperspektive erfordert vom Ethnographen vielmehr, dass er sich den jeweils gelebten situativen Ordnungen und Praktiken aussetzt, anpasst und gewissermaßen auch unterwirft, um 63 Solche Strategien wurden im deutschsprachigen Raum lange als teilnehmende Beobachtung beschrieben, wobei sich in jüngerer Zeit der unter dem Einfluss der amerikanischen und englischen Diskussion etablierte Begriff der Ethnographie durchzusetzen beginnt (ibid.: 385). 95 die gegenwärtigen kulturellen Ereignisse 'mitvollziehen' zu können (L ÜDERS 2005: 390). Die Erforschung von Interaktionen und Handlungen im Kontext des unterrichtlichen Geschehens ist somit ein inhärenter Bestandteil ethnographischer Betrachtungsweisen (B URWITZ -M ELZER 2003: 133). Der Ethnograph darf seine Aufmerksamkeit aber nicht nur auf das unmittelbar Beobachtbare lenken, sondern muss auch den institutionellen Rahmen berücksichtigen: [C]lassroom, like all sanctioned sites of formal education, receive their identities, spaces, times, and instructional goals primarily from power sources beyond local participants. Pace, methods, and artifacts for display of skills and information, as well as standards of achievement […], derive from core parameters of formal education (e.g., time, space, and role specifications. […] It is these to which the ethnographer must attend, not just the immediate "face-to-face" observables. (H EATH / S TREET 2008: 17) Qualitative und ethnographische Forschung sind schließlich charakterisiert durch "first-hand, naturalistic, sustained observation and participation in a particular setting" (H ARKLAU 2005: 179). Teilnehmende Beobachtung wird in der Forschung mit sehr unterschiedlichen Forderungen belegt und beurteilt (B URWITZ -M ELZER 2003: 144). 64 Auf dem Kontinuum der Involviertheit bei teilnehmender Beobachtung lassen sich die Niveaus participant as observer und observer as participant unterscheiden: Während Ersteres durch eine stärkere Beteiligung am Feld charakterisiert ist, zeichnet sich Letzteres durch eine distanziertere Forscherrolle aus (G RAU 2001: 78). Es wird folglich zwischen unauffälligen Beobachtern, die den Untersuchungsgegenstand möglichst wenig beeinflussen und manipulieren, und solchen, die in den Untersuchungsgegenstand eingreifen, unterschieden. Der teilnehmende Beobachter befindet sich in dem Dilemma, als distanzierter Beobachter, seinen wissenschaftlichen Standards und Aufgaben folgen zu müssen und gleichzeitig in den jeweiligen Situationen sozial und kulturell verträglich zu handeln: Die Rolle des teilnehmenden Beobachters beinhaltet somit Unvoreingenommenheit und persönliche Beteiligung (L ÜDERS 2005: 386). Die damit verbundene Erwartung ist, dass Verhalten und Interaktionen so weitergehen, wie sie es ohne die Anwesenheit eines Forschers tun würden: "Simple observers follow the flow of events. Behavior and interaction continue as they would without the presence of a researcher, uninterrupted by intrusion" (A DLER / A DLER 1994: 378). 64 Zur Diskussion über teilnehmende vs. nicht-teilnehmende Beobachtung s. z.B. K ÜPPERS (1999: 108f.). 96 Voraussetzung für einen längeren und informativen Aufenthalt im Forschungsfeld ist die Übernahme einer von den Teilnehmern im Feld akzeptierten Rolle (L ÜDERS 2005: 391f.). Die Einnahme oder auch die Zuweisung einer Rolle ist dabei als "Prozess der Aushandlung" zwischen dem Forscher und allen Untersuchungsteilnehmern zu verstehen, der unterschiedliche Phasen durchläuft (F LICK 1998: 71). Bei Untersuchungen in Institutionen wie der Schule stellt sich dieser Aspekt als kompliziert dar, da an der Regelung des Zugangs verschiedene Ebenen beteiligt sind: So muss der Zugang einerseits durch die jeweilige Schulleitung und Schulkonferenz sowie des entsprechenden Kultusministeriums genehmigt werden; andererseits müssen die Lehrer und Schüler, die befragt und beobachtet werden sollen, Bereitschaft aufbringen. Qualitative Beobachtung in natürlichen Settings hat den Vorteil, dass der Beobachter in die Komplexität des beobachteten Feldes "hineingezogen" wird und so Zusammenhänge, Korrelationen und Ursache-Wirkungen im Verhalten der Beobachteten nachvollziehen kann (A DLER / A DLER 1994: 378). Dies beinhaltet auch das Beobachten von vermeintlich banalen Details "[…] to help us to understand what is going on in a particular context and to provide clues and pointers to other layers of reality" (S ILVERMAN 1993: 31). Der Forscher unterliegt nicht den Restriktionen von vorab festgelegten Messkategorien, sondern hat die Freiheit, nach Konzepten und Kategorien zu suchen, die für die beteiligten Subjekte von Bedeutung sind (A DLER / A DLER 1994: 378). Die Beobachtung durchläuft verschiedene Phasen: Wird das Feld zu Beginn noch weitgehend unsystematisch, offen für die Verläufe selbst und beschreibend beobachtet, konzentriert sich die Beobachtung im weiteren Verlauf sukzessive auf die für die Fragestellung relevanten Aspekte und wird somit zur fokussierten Beobachtung (vgl. F LICK 1998: 153f.). Diese Form der Beobachtung geht schließlich über in eine selektive Beobachtung, d.h. es werden nur noch zentrale Aspekte erfasst, bis eine theoretische Sättigung erreicht ist und weitere Beobachtungen keine neuen Erkenntnisse mehr bringen, sodass die Beobachtung zum Abschluss kommen kann (ibid.: 154). Wie qualitative Forschung im Allgemeinen haben Ethnographien eine "emergent nature", d.h. der Fokus der Untersuchung geht erst sukzessive aus dem beobachteten Kontext hervor: "Because the ethnographer is entering a new culture, the exact focus of the research will evolve contextually and 'emerge' in situ only after some fieldwork has been done" (D ÖRNYEI 2007: 131). In diesem Sinne werden Hypothesen und Theorien auch erst im Laufe der Datenerhebung und -interpretation generiert: "[G]eneralisations and 97 hypotheses emerge during the course of the data collection and interpretation, rather than being predetermined by the researcher" (N UNAN 2005: 56). Ethnography [...] is a theory-building enterprise constructed through detailed systematic observation, recording, and analyzing of human behaviour in specifiable spaces and interactions. […] What ethnographers really want to know is "What is happening here in the field site(s) I have chosen? " This question asks not just for a description of events and actions that people create, react to, assess, and learn within but also for history and explanations informed by and leading to theories. (H EATH / S TREET 2008: 29ff.) Ethnographie ist somit zum einen ein theorienbildendes Unterfangen, das sich mit der systematischen Beobachtung, Beschreibung und Analyse menschlicher Handlungen, Verhaltensweisen und Interaktionen in natürlichen Settings befasst. Zum anderen ist sie aber auch theoriengeleitet, insofern sie sich leitender Theorien für die Interpretation der Daten bedient. Qualitative und ethnographische Forschungen sind meist in Form von Fallstudien organisiert. Durch die Erhebung einer Fülle reichhaltiger Daten ist es "aus forschungsökonomischen Gründen selten möglich, größere Probandengruppen zu erfassen" (R IEMER 2007: 34). Deshalb stellen sie sich in Form von Fallstudien dar und müssen "auf eine Generalisierung der Befunde verzichten" (ibid.). H ITCHCOCK und H UGHES (1995) heben folgende Merkmale der Fallstudie hervor: • It is concerned with a rich and vivid description of events relevant to the case. • It provides a chronological narrative of events relevant to the case. • It blends a description of events with the analysis of them. • It focuses on individual actors or groups of actors and seeks to understand their perceptions of events. • It highlights specific events that are relevant to the case. • An attempt is made to portray the richness of the case in writing up the report. (zit. in C OHEN / M ANION / M ORRISON 2000: 182) Fallstudien können Individuen, Schulklassen oder ganze Gemeinschaften zum Gegenstand haben. Die erhobenen Daten rangieren von Beobachtungen zu mündlichen und schriftlichen Dokumenten jeder Art (M C K AY 2006: 71). In Bezug auf den Fremdsprachenunterricht werden Fallstudien erstellt, um den Lernprozess aus der Perspektive der untersuchten Subjekte, des Lehrers und der Schüler, zu verstehen. D ÖRNYEI (2007: 39f.) fasst die Stärken und Schwächen qualitativer Forschung in der folgenden Übersicht zusammen: 98 S TRENGTHS W EAKNESSES • Exploratory nature • Making sense of complexity • Answering "why" questions • Broadening our understanding • Longitudinal examination of dynamic phenomena • Flexibility when things go wrong • Rich material for the research report • Sample size and generalizability • Researcher role • Lack of methodological rigour • Too complex or too narrow theories • Time consuming and labourintensive Auch wenn qualitative Forschungen zeit- und arbeitsintensiv sein mögen und die Generalisierbarkeit ihrer Ergebnisse nur bedingt möglich ist, können Aspekte wie etwa eine fehlende methodologische Strenge auch als Stärke ausgelegt werden. So wird nicht nur eine Flexibilität in Bezug auf Forschungsfrage und Erhebungstechniken gewährleistet, sondern auch dem explorativen Charakter qualitativer Forschung Rechnung getragen. Schließlich ermöglichen reichhaltige Daten, den Forschungsgegenstand aus verschiedenen Perspektiven zu erhellen, dessen Komplexität durchschaubar zu machen und Fragen nach dem "warum" zu beantworten, sodass die Stärken qualitativer Forschung gegenüber ihren Schwächen bei weitem überwiegen. 3 + # , ! .! Die Erforschung von Verstehensprozessen im Fremdsprachenunterricht bei der Arbeit mit literarischen Texten umfasst "pädagogische, psychosoziale, literaturwissenschaftliche und literaturdidaktische Fragestellungen, die unterschiedliche Schichten im Lehr-/ Lerngefüge ansprechen" (B URWITZ -M ELZER 2003: 133). Das Ziel, den fremdsprachlichen Literaturunterricht aus der Sicht der beobachteten Subjekte zu beschreiben sowie das "vielschichtige Zusammenspiel von kommunikativen, sozialen, emotional-affektiven und kognitiven Prozessen" (B ECKER -M ROTZEK / V OGT 2001: 4) zu rekonstruieren, um es einer wissenschaftlichen Analyse zugänglich zu machen, legt die Verwendung einer Vielzahl von Methoden sowie eine Daten- und Perspektiventriangulation nahe. Die Erhebung unterschiedlicher Daten ermöglicht eine mehrperspektivische Analyse, in der möglichst viele Stimmen zu Wort kommen. Die in der Studie eingesetzten Erhebungstechniken entstammen der ethnographischen Forschung und umfassen im Sinne einer Daten-, Methoden- und Perspektiventriangulation die (nicht-)teilnehmende Beobachtung über jeweils eine Unterrichtseinheit mit literarischem Schwerpunkt, 99 das Anfertigen von Videoaufnahmen und Feldnotizen, die Integration schriftlicher Schülerprodukte und Unterrichtsmaterialien sowie das Führen retrospektiver Interviews mit Lehrenden und Lernenden. Das methodische Vorgehen ist induktiv und umfasst die Schritte Beobachtung, Beschreibung und Analyse (B ECKER -M ROTZEK / V OGT 2001: 11). Die Hypothesen werden demnach anhand der im real stattfindenden Literaturunterricht erhobenen, analysierten und interpretierten Daten generiert. Dementsprechend wird in der vorliegenden Studie auf die Formulierung und Überprüfung einer Ex-ante-Hypothese verzichtet (vgl. M EINFELD 2005: 266). Im Sinne einer offenen, panoramaartigen Herangehensweise kristallisiert sich die konkrete Fragestellung der Arbeit im Hinblick auf Aufgaben, Methoden und Verstehensprozesse bei der Arbeit mit literarischen Texten erst im Laufe der Untersuchung heraus (vgl. D ÖRNYEI 2007: 37f.). Um keine künstliche Situation zu kreieren und vielmehr einen natürlichen Einblick in den englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe zu erhalten, ist es für die Studie zudem von besonderer Wichtigkeit, dass die Forscherin an der Entwicklung, Planung und Durchführung der Einheiten nicht beteiligt ist. Auf die einzelnen Arbeitsschritte herunter gebrochen, sieht das Forschungsdesign wie folgt aus: 100 Lehrkraft Unterricht SuS Vermehrung Stufe 1 Feldnotizen Feldnotizen; Videoaufzeichnung; Transkription; Analyse; Interpretation Schülerprodukte Triangulation Stufe 2 Vorläufige Auswertung des Datenmaterials Reduktion Stufe 3 Retrospektives Interview mit Lehrkraft; Videoaufzeichnung; Transkription; Analyse; Interpretation Kodierung Retrospektives Interview mit Lernenden; Videoaufzeichnung; Transkription; Analyse; Interpretation Triangulation Stufe 4 Auswertung des gesamten Materials einer Einheit Stufe 5 Vergleich mit dem Material der anderen Einheiten [SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DES FORSCHUNGSDESIGNS] Auf der ersten Stufe erfolgt die Erhebung verschiedener Daten (Feldnotizen, Videoaufzeichnungen, Schülerprodukte) zur jeweiligen Fallstudie. Die Videoaufzeichnungen werden zunächst transkribiert; anschließend wird der gesamte Datensatz analysiert und interpretiert, sodass auf Stufe zwei eine vorläufige Auswertung des Datenmaterials vorgenommen werden kann. Auf Stufe drei werden retrospektive Interviews mit der Lehrkraft und ausgewählten Lernenden durchgeführt, in denen die Befragten die Möglichkeit erhalten, das Unterrichtsgeschehen insgesamt sowie spezifische Aufgabenstellungen, methodische Vorgehensweisen und Interaktionsprozesse auf einer Metaebene zu reflektieren. Wie die Unterrichtsstunden werden die Interviews filmisch dokumentiert, transkribiert und analysiert. Da die Verschriftung zu einer starken Vermehrung des Datenmaterials führt, werden die Transkripte der Unterrichtsstunden sowie die retrospektiven Interviews kodiert, um das Kommunikationsmaterial auf übersichtliche Art und Weise zu reduzieren, es in seiner Struktur aufzubrechen, und so eine systematische Bearbeitung und qualitative Inhaltsanalyse vornehmen zu können. Auf Stufe vier erfolgt die Auswertung des gesamten Materials einer Unterrichtseinheit bzw. einer Fallstudie. Im Sinne einer Daten-, Methoden- und Perspektiventriangulation werden auf Stufe fünf schließlich die Daten aller Fallstudien im Hinblick auf 101 die eingesetzten Gattungen, Aufgabenstellungen und methodischen Verfahren verglichen. " + % % , - Im Vorfeld der Untersuchung musste die Einwilligung des Hessischen Kultusministeriums zum Forschungsprojekt eingeholt werden. Anschließend musste der Zugang zum Feld, 65 d.h. der Kontakt zu den Institutionen etabliert werden, um bereitwillige Untersuchungsteilnehmer (Lehrende und Lernende) bzw. Lehr- und Lernkontexte zu finden. Die Kontakte zu entsprechenden Lehrkräften kamen über eine frühere Praktikumsbeauftrage der Forscherin, über ein Treffen auf einer Lehrerfortbildung sowie über eine schriftliche Anfrage bei einer der früheren Praktikumsschulen der Forscherin zustande. Nachdem entsprechende Untersuchungsteilnehmer gefunden waren, wurde den jeweiligen Schulleitern im weiteren Verlauf ein Schreiben mit der Vorstellung des Projekts vorgelegt, das sie der Schulkonferenz präsentierten, um gemeinsam über die Zusage zum Projekt abzustimmen. In einem Fall wurde die Forscherin aufgefordert, das Projekt in der Schulkonferenz vorzustellen, was dazu führte, dass sich noch zwei weitere bereitwillige Lehrer fanden. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass alle Lehrkräfte sehr kooperativ, entgegenkommend und hilfsbereit waren, auch wenn die Forscherin ihnen bis auf den Verweis auf und die Bereitstellung von thematisch interessanter und für die Lehrenden unbekannter Primär- und Sekundärliteratur so gut wie keine konkrete Gegenleistung erbringen konnte. Die unterrichtenden und beobachtenden Lehrenden waren der Forscherin bis auf die frühere Praktikumsbeauftragte unbekannt, sodass sie sich dem Datenmaterial unbefangen zuwenden konnte (F LICK 1996, zit. in B URWITZ -M ELZER 2003: 139). " % . % - ' ( Nachdem der Zugang zu den entsprechenden Untersuchungsgruppen hergestellt war, wurde in den einzelnen Lerngruppen jeweils eine vollständige Unterrichtseinheit mit literarischem Schwerpunkt videografiert. Die Unterrichtseinheiten erstreckten sich dabei über jeweils sechs bis 19 Unterrichtsstunden. 65 Zu den vielfältigen Schwierigkeiten, die beim Zugang zum Feld auftreten können und entsprechende Handlungsempfehlungen für den Forscher, s. F LICK (1998: 70ff.) und W OLFF (2005: 334ff.). 102 Das Anfertigen von Videoaufnahmen setzt im Sinne des Datenschutzes die Genehmigung 66 aller Beteiligten voraus, d.h. in der vorliegenden Studie musste im Vorfeld das Einverständnis des Hessischen Kultusministeriums, der jeweiligen Schulleitungen und -konferenzen, der Lehrer und Schüler sowie der Eltern noch nicht volljähriger Schüler eingeholt werden. Tonbzw. Videoaufnahmen der beobachteten Situation werden angefertigt, um dem Problem der begrenzten Perspektive sowie der beschränkten Erinnerungs- und Wiedergabefähigkeit der Forschenden entgegen zu wirken (C ASPARI / H ELBIG / S CHMELTER 2003: 502). Sie bieten gegenüber der traditionellen Beobachtung den Vorteil des wiederholten Zugangs (F LICK 1998: 174). Im Gegensatz zu der beobachteten Situation, die ephemer ist, kann das Videomaterial unbegrenzt oft betrachtet und analysiert werden. Die Videoaufnahmen vermögen, das "interaktive Geschehen registrierend zu konservieren" (L ÜDERS 2005: 396) und erlauben somit, während der Beobachtung auftretende Fragen oder Kommentare in Feldnotizen festzuhalten, im Nachhinein eine Transkription und Diskursanalyse der jeweiligen Stunden zu erstellen und die Interaktionen und Rezeptionsprozesse detailliert zu analysieren und zu interpretieren. Darüber hinaus haben Videoaufnahmen den Vorteil, dass sowohl verbale als auch nonverbale Merkmale festgehalten werden können (R ICHARDS 2003: 176). Die Gegenstandsangemessenheit von Videoaufnahmen ergibt sich somit daraus, dass sie z.B. im Vergleich zu Kassettenaufnahmen, die Vielschichtigkeit der Gespräche, die sich in Form von Mimik, Gestik und Körperhaltung äußert, ausreichend dokumentieren können (B URWITZ -M ELZER 2001: 151). Ein Nachteil von Videoaufnahmen ist allerdings, dass sie sehr aufdringlich sein und somit das Verhalten der zu filmenden Personen stark beeinträchtigen können. Viele Lehrende fühlen sich unwohl in Anwesenheit einer Videokamera, sodass es unabdingbar ist, den Lehrenden zu erklären, warum man Videoaufnahmen machen möchte, vollständigen Datenschutz gewährleistet und den Lehrenden ermöglicht, nach den Aufnahmen Einsichten in diese zu nehmen (R ICHARDS 2003: 177f.). Die Videoaufnahmen wurden stets vom Rand der regulären Klassenräume angefertigt, wobei die Forscherin als vollständige Beobachterin in der natürlichen Situation des Klassenzimmers stets Distanz zum beobachteten Geschehen hielt, um es nicht zu beeinflussen und so einen authentischen 66 Ethnographien basieren auf personenbezogenen Daten und unterliegen somit den Bestimmungen des Datenschutzrechtes. Dies impliziert, dass die Teilnehmer im Feld der Ethnographie und der weiteren Verwendung der Daten für wissenschaftliche Zwecke ausdrücklich zustimmen müssen. Der Forscher ist darüber hinaus verpflichtet, Daten vollständig zu anonymisieren, in jeder Hinsicht für Unbefugte unzugänglich aufzubewahren und später zu vernichten (L ÜDERS 2005: 395f.). Zur Forschungsethik in qualitativer Forschung, vgl. H OPF (2005: 589ff.). 103 Einblick in den englischen Literaturunterricht der gymnasialen Oberstufe zu gewinnen. Dies implizierte einen vollständigen Verzicht auf Interventionen oder Störungen des Unterrichtsgeschehens, die Beschränkung auf einen stillen Nachvollzug der Interaktionsprozesse und das Anfertigen von Feldnotizen. Insofern war die Rolle der Forscherin die einer nicht-teilnehmenden Beobachterin und die Beobachtung erhebt den Anspruch darzustellen, wie Literaturunterricht tatsächlich funktioniert und abläuft (vgl. F LICK 1998: 152). Als teilnehmende Beobachterin tritt sie lediglich dadurch auf, dass sie in Form von retrospektiven Interviews mit den beobachteten Subjekten in das Forschungsfeld eingreift (F LICK 2007: 282) und es im Hinblick auf eine Hilfestellung bei der nachträglichen Reflexion der Ereignisse beeinflusst. Die zu den Videoaufnahmen angefertigten Feldnotizen, "die Angaben zu Ort und Zeit, Dauer der Aufzeichnung, zu Anzahl, Geschlecht und Nationalität der Schüler, zum Klassenraum, zur Sitzordnung, zur Unterrichtssituation und zu Besonderheiten im Ablauf der Stunden" enthalten, wurden unmittelbar nach den jeweiligen Stunden verschriftet (B URWITZ -M ELZER 2003: 147). Die Feldnotizen erlaubten es, den gesamten Forschungsprozess zu reflektieren und viele vermeintlich unwichtige Details oder Selbstverständlichkeiten zu dokumentieren, um der späteren Kontextualisierung, Analyse und Auswertung der Daten zu dienen. Für Forschungsarbeiten, die den Anspruch erheben, die Interaktionen im Forschungsprozess zu dokumentieren, stellen Feldnotizen ein unverzichtbares Instrument dar (vgl. K ÜPPERS 1999: 119). Zu den während der Unterrichtseinheit erteilten schriftlichen Arbeitsaufträgen sammelte die Forscherin wiederholt die Exemplare einiger bereitwilliger Schülerinnen und Schüler zur Auswertung ein. Im Fall von Klausuren oder Arbeitsblättern wurden diese von der Lehrkraft für die Forscherin kopiert. Schließlich erwies sich nach Durchführung der Pilotstudie das Fotografieren von Tafelbildern als gewinnbringend, um sie im Sinne eines breiten Datensatzes darstellbar und für eine Analyse zugänglich zu machen. Videoaufnahmen erfüllten durch ihre Flüchtigkeit in diesem Zusammenhang nicht dieselbe Funktion. Insgesamt gingen so aus den beobachteten Unterrichtseinheiten im Sinne einer Datentriangulation vier verschiedene Datensätze hervor: • Die audiovisuellen Daten, die alle unterrichtlichen Interaktionsprozesse und mündlichen Lehrer- und Schüleräußerungen dokumentierten, • die Feldnotizen der Forscherin, die Angaben zu situativem Kontext, thematischen Schwerpunkten, Aufgaben, Methoden etc. der einzelnen Unterrichtsstunden machten, 104 • schriftliche Schülerprodukte, die weiteren Aufschluss über die Verstehensprozesse der Lernenden lieferten, • sowie Arbeitsmaterialien und Tafelbilder. 67 " / & % . 0 & ! & $ , Neben einer Datentriangulation werden die unterrichtlichen Verstehensprozesse in der vorliegenden Studie dadurch erörtert, dass mündliche Schülerleistungen im Sinne einer Perspektiventriangulation durch Aussagen der Lehrenden und Lernenden in retrospektiven Interviews trianguliert werden. Eine Perspektiventriangulation hat zum Ziel, den Forschungsgegenstand aus verschiedenen Perspektiven zu erhellen, die subjektive Perspektive der Beobachteten zu erfassen und zu analysieren (vgl. H OPF 2005: 350) und so der Subjektivität der Forscherperspektive zu begegnen. Neben Leitfrageninterviews zählen sogenannte fokussierte Interviews zu den Varianten qualitativer Interviews, in denen u.a. Aufzeichnungen, die im Rahmen teilnehmender Beobachtung durchgeführt wurden und in denen spezifische gemeinsam erlebte Situationen, hier die Unterrichtssituation, abgehandelt werden, zum Gesprächsgegenstand gemacht werden (ibid.: 354). Die in der vorliegenden Studie durchgeführten Interviews sind teilstandardisiert und fokussiert, d.h. die Forscherin orientiert sich zwar an einem Interview-Leitfaden; dieser eröffnet jedoch genügend Spielräume in Bezug auf Frageformulierungen, Nachfragestrategien und Abfolge der Fragen (H OPF 2005: 351). Die Fragen sind demnach so weit gefasst, dass die Interviewpartner die Möglichkeit erhalten, ihre subjektive Sichtweise ausführlich darzustellen, was in standardisierten Interviews nicht ohne Weiteres möglich wäre. Lernende und Lehrende erhalten hierdurch die Gelegenheit, ihre Meinungen zu den Vorgängen in den jeweiligen Unterrichtsstunden zu formulieren und bestimmte Interaktionen noch einmal zu reflektieren und zu ergänzen (vgl. B URWITZ -M ELZER 2003: 155). Zudem wird die Aufmerksamkeit der Interviewten im Sinne eines fokussierten Interviews auf konkrete Begebenheiten und interessante Abläufe der Unterrichtseinheit gelenkt. Die retrospektiven Interviews mit den Lehrenden griffen zum einen offene wie geschlossene Fragen zum Einsatz von literarischen Texten im Englischunterricht auf (vgl. B URWITZ -M ELZER 2001: 148): Nach welchen Kriterien wurde der jeweilige literarische Text gewählt? Warum wurden die entsprechenden Aufgabenstellungen und methodischen Vorgehensweisen eingesetzt? Welche Lernziele wurden verfolgt? Zum anderen wurden die 67 Vgl. hierzu B URWITZ -M ELZER (2003: 143). 105 Lehrkräfte dazu angehalten, den fremdsprachlichen Literaturunterricht vor dem Hintergrund der gegenwärtigen bildungspolitischen Neuerungen (insbesondere des Landesabiturs) zu reflektieren. Die retrospektiven Interviews mit den Lernenden hoben darauf ab, dass die Schülerinnen und Schüler das Unterrichtsgeschehen rekapitulierten, ihren persönlichen Lernprozess reflektierten und die Leistung einzelner Aufgaben und Methoden zur Förderung ihres Verstehensprozesses beurteilten. Wurden für die Pilotstudie noch zwei Kleingruppen retrospektiv interviewt, so wurde diese Vorgehensweise im weiteren Verlauf der Studie zugunsten einer größeren Interviewgruppe geändert, um offenere Gesprächsformen und Gruppendiskussionen zu begünstigen, da sich auch in den Interviews die Interaktionen unter den Lernenden als besonders fruchtbar erwiesen. Bei der Auswahl der Interviewteilnehmer wurde stets darauf geachtet, dass sowohl leistungsstärkere wie leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler zu Wort kamen. Die Interviews wurden auf Deutsch ohne Anwesenheit der Lehrkraft durchgeführt, um nicht den Eindruck einer Prüfungssituation zu erwecken, die die Lernenden in ihren Äußerungen befangen gemacht hätte. 3 + + ! ( ! % ' 6 ! Die mittels Videoband aufgezeichneten authentischen Kommunikationsereignisse wurden anschließend verschriftet. Der Prozess der schriftlichen Fixierung von Daten besteht in ihrer Aufzeichnung, ihrer Aufbereitung und der "Konstruktion einer neuen Realität" (F LICK 1998: 186), die Aussagen und Verallgemeinerungen über das Feld zulassen (C HAUDRON 1988, zit. in B URWITZ -M ELZER 2003: 147). [...] Der Ethnograph »schreibt« den sozialen Diskurs »nieder«, er hält ihn fest. Indem er das tut, macht er aus einem flüchtigen Ereignis, das nur im Moment seines Stattfindens existiert, einen Bericht, der in der Niederschrift des Geschehenen existiert und wieder herangezogen werden kann. (G EERTZ 1987: 28) Transkriptionen stellen somit die dauerhaft fixierte Dokumentation gesprochener Sprache dar und sind Voraussetzung für eine wissenschaftliche Analyse mündlicher Kommunikationsprozesse (D ITTMAR 2004: 29). Die gemeinsame Konstitution von Bedeutungen in der Rede führt zu Zustimmung, Ablehnung, Aushandlung, Konflikt etc. All dies sind typische Erscheinungen der Alltagskommunikation, die nur durch die Verschriftlichung metakommunikativer Verarbeitung zugänglich gemacht werden können. (ibid.: 33) Die wesentliche Aufgabe der Transkription besteht mithin in der "Dokumentation flüchtiger kommunikativer Austauschprozesse zum Zwecke wis- 106 senschaftlicher Analyse" (ibid.: 49f.). Transkriptionen ermöglichen, die zahlreichen parallel ablaufenden Aktivitäten einer Analyse zugänglich zu machen (B ECKER -M ROTZEK / V OGT 2001: 5) und die Merkmale des Gesprächsverhaltens graphisch so darzustellen, dass eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen dem Verhalten und der textlichen Notation besteht (K OWAL / O´C ONNELL 2005: 438). Die Aufbereitung zielt in der Regel darauf ab, den Fall in seiner jeweiligen Spezifik und Struktur zu dokumentieren, so daß er sich auch in seiner Gestalt rekonstruiert und hinsichtlich seiner Tektonik - den Regeln, nach denen er funktioniert, dem Sinn, der ihm zugrunde liegt, der Bestandteile, die ihn ausmachen - analysieren und zerlegen lässt. (F LICK 1998: 195) Es existieren unterschiedlich genaue Transkriptionssysteme, wobei sich ein Standard bislang noch nicht durchgesetzt hat (ibid.: 192). 68 Für die vorliegende Studie erschien es sinnvoll, nur so viel und so genau zu transkribieren, wie es die Fragestellung erforderlich machte (vgl. ibid.: 193). Aus diesem Grund wurde das von N UNAN (1989, 1992) in den USA erprobte Transkriptionssystem gewählt, das auf eine übertriebene Messgenauigkeit verzichtet und so ermöglicht, den Blick auf das Wesentliche zu lenken (vgl. B URWITZ -M ELZER 2003: 148). Für die Datenauswertung werden grundsätzlich zwei verschiedene Strategien unterschieden, die in der Studie gleichermaßen zum Tragen kommen: • die möglichst umfassende Rekonstruktion und Interpretation des Einzelfalls, die durch das Aufdecken und Kontextualisieren der enthaltenen Aussagen zu einer, z.T. erheblichen, Vermehrung des ursprünglichen (Text-) Materials führt, und • die fallübergreifende bzw. fallvergleichende Auswertung, die durch verschiedene Kodierungs- und Kategorisierungsverfahren auf eine Reduktion des Materials zielen. (C ASPARI / H ELBIG / S CHMELTER 2003: 502) Die gefilmten Unterrichtseinheiten werden in Form von Fallstudien zum Einsatz von literarischen Ganzschriften im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe dargestellt mit dem Ziel, die unterrichtlichen Verstehensprozesse unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven im Detail nachzuvollziehen. Die Fallstudien erstrecken sich dabei über jeweils sechs bis 19 Unterrichtsstunden, sodass aufgrund der Datenfülle interessante Ausschnitte hervorgehoben werden, während die situativen Rahmenbedingungen und die inhaltliche Progression chronologisch, kontextualisierend und synoptisch gerafft dargestellt werden. 68 Für einen Überblick verschiedener Transkriptionssysteme s. D ITTMAR (2004). 107 Kodierungsverfahren in qualitativen Studien sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im Gegensatz zu quantitativen Studien nicht numerisch sind, sondern sich in Form kurzer verbaler bzw. textueller Kennzeichnungen darstellen. Zudem werden die Kodierungen nicht a priori festgelegt, sondern bleiben so lange wie möglich offen und flexibel, um in der Lage zu sein, auch subtile im Forschungsprozess zum Vorschein kommende Bedeutungsnuancen berücksichtigen zu können. Qualitative researchers also use coding extensively, but the Qual categories are different [form Quan categories] in two important ways. First, they are not numerical but verbal, amounting to short textual labels. Second, they are usually not determined a priori but are left open and flexible as long as possible to be able to account for the subtle nuances of meaning uncovered during the process of investigation. (D ÖRNYEI 2007: 26) " ! 1 Eine Herausforderung im Forschungsprozess stellt die Tatsache dar, dass sich die zu sammelnden Erkenntnisse auf Verstehensprozesse beziehen, die sich auf literarische Inhalte sowie auf Verstehensprozesse der Lernenden beziehen (vgl. B URWITZ -M ELZER 2003: 132). N UNAN (2005: 60) bezeichnet Faktoren, die eigentlich nicht zu beobachten sind, als high inference behaviors: "High inference behaviours [...] are those requiring the observer to make inferences about the observed behaviour [and] to infer unobservable mental states from observable behaviour." Solche Verhaltensweisen sind bei der Arbeit mit literarischen Texten und der Diskussion über komplexe Sachverhalte in der Regel "nur als Resultate in Form von Schüleräußerungen" darstellbar (B URWITZ -M ELZER 2003: 132). Der Schwerpunkt der Fallstudien wird deshalb auf der Diskursbzw. Interaktionsanalyse des Unterrichtsgeschehens und der Gespräche liegen. Da Ziel der vorliegenden Untersuchung war, zunächst ohne eine genaue Hypothesenbildung detailliert zu untersuchen, wie literarische Texte im Unterricht gelesen werden, war "die Analyse von unterrichtlicher Interaktion" (B URWITZ -M ELZER 2003: 148) als Interpretationsmodus von wesentlicher Bedeutung. Im Mittelpunkt stand dabei die "präzise Durchdringung des Vermittlungsprozesses", d.h. der Stoff und seine didaktische Aufbereitung (B ECKER -M ROTZEK / V OGT 2001: 11). Die Transkriptionen der aufgezeichneten Unterrichtsstunden dienten der Interaktionsanalyse des Geschehens im Klassenzimmer, d.h. der methodischen Entscheidungen des Lehrers, der Phasenwechsel und der Lehrer-Schülerbzw. der Schüler-Schüler-Interaktionen (vgl. B URWITZ -M ELZER 2003: 148). 108 Als forschungsmethodischen Bezugspunkt für die Analyse und Nachzeichnung von Interaktionsdaten bot sich die Diskursanalyse an. V AN L IER (1988) definiert Diskursanalyse als "an analysis of the processes of interaction by means of a close examination of audiovisual records of interaction" (zit. in A LLWRIGHT / B AILEY 1991: 61). Die empirische Basis für eine Diskursanalyse stellen folglich authentische mündliche Diskurse dar, die auf Tonband oder Video aufgezeichnet und anschließend transkribiert wurden. Die Diskursanalyse orientiert sich dabei nicht ausschließlich am Datenmaterial, sondern vertritt die Auffassung, dass sich Analyse und theoretische Reflexion wechselseitig bedingen (B ECKER -M ROTZEK 1994: 90; B RINKER / S AGER 1996). Der diskursanalytische Ansatz ist folglich sowohl beschreibend als auch interpretativ und ermöglicht, Rezeptionsprozesse bei der Arbeit mit literarischen Texten empirisch (materialorientiert) und theoriegeleitet (problemorientiert) zu untersuchen (vgl. B ECHTEL 2001). Die Aussagen, die während des Unterrichts getroffen werden, können nur in diesem Kontext nachvollzogen werden. Eine diskursanalytische Vorgehensweise wurde demnach dort angestrebt, wo es um die Darstellung, wie die konversationellen Beiträge der Teilnehmer konstruiert sind, "um kommunikative, interaktive Arbeit zu leisten" (F LICK 1998: 222) sowie um das "prozessorientierte Aushandeln von Bedeutung" ging (B URWITZ -M ELZER 2003: 148). Da ein diskursanalytisches Verfahren zu einer erheblichen Vermehrung des Datenmaterials führt, war es sinnvoll, dieses nur gezielt auf besonders interessante Ausschnitte des Unterrichts anzuwenden (ibid.: 149). 69 " 2 & ! 1 3 Darüber hinaus werden die qualitative Inhaltsanalyse und das theoretische Kodieren eingesetzt, "um einerseits in verkürzter Form eine strukturierte und knappere Version der Unterrichtsvorgänge unter speziellen Gesichtspunkten zu erlangen […] und andererseits schriftliche und mündliche Schülerbeiträge in ihrer Struktur aufzubrechen und auf ihren inhaltlichen Gehalt […] zu überprüfen" (B URWITZ -M ELZER 2003: 149). Ziel der qualitativen Inhaltsanalyse ist dabei die systematische Bearbeitung (vgl. M AYRING 2005: 468) sowie die Reduktion des Kommunikationsmaterials (F LICK 1998: 212). 70 Auch das Kodieren von schriftlichen und mündlichen Schülerleistungen reduziert das Datenmaterial auf übersichtliche Art und 69 Zu Diskurs- und Interaktionsanalyse s. weiter A LLWRIGHT / B AILEY (1991); B OHNSACK / M AROTZKI / M EUSER (2003); M C K AY (2006); N UNAN (2005); R ICHARDS / S CHMIDT 2002; W ALSH (2006); W IDDOWSON (1979: 141-153). 70 S. zu qualitativer Inhaltsanalyse weiter B OHNSACK / M AROTZKI / M EUSER (2003: 90); D ÖRNYEI (2007); M AYRING (2008). 109 Weise und hat den Vorteil, den Fokus vor allem auf die Lernenden lenken, sowie später Vergleiche zwischen den verschiedenen Schulklassen, methodischen Verfahren oder auch Gattungen ziehen zu können (B URWITZ - M ELZER 2003: 149f.). " ! & ! & $ ' ( 4 In den retrospektiven Interviews, die jeweils direkt im Anschluss an die Unterrichtseinheiten durchgeführt und gefilmt wurden, erhielten Lehrende wie Lernende die Gelegenheit, das Unterrichtsgeschehen noch einmal zu rekapitulieren und ihre Meinung zu artikulieren. Während die Lehrenden aufgefordert wurden, spezifische Aufgabenstellungen, methodische Vorgehensweisen und Interaktionsprozesse zu reflektieren und zu kommentieren, wurden die Lernenden angehalten, ihren persönlichen Lernprozess nachzuzeichnen und die Leistung einzelner Aufgaben und Methoden zu evaluieren. Die Interviews folgten dabei einerseits fokussierenden Leitfragen, gaben den Interviewten aber andererseits auch genügend Freiraum, für sie bedeutsame Aspekte zu thematisieren und so ihre subjektive Sichtweise ausführlich darzustellen. Wie die Unterrichtsstunden wurden die Interviews filmisch dokumentiert. Zusätzlich wurden Notizen zu Interviewkontext, wie Zeit, Raum und Gesprächsatmosphäre gemacht, die für die anschließende Interpretation der Daten wichtige Hintergrundinformationen liefern sollten (vgl. G RAU 2001: 72). Anschließend wurden die Interviews und die schriftlichen Schülerprodukte einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen, die Rückschlüsse im Hinblick auf die Verstehensprozesse der Lernenden ermöglichen sollte. Für die Analyse und Interpretation der retrospektiven Interviews konnten die Kodierungen, die für die Analyse der Unterrichtsstunden entwickelt wurden, weitgehend übernommen werden. Die Kodierungen wurden lediglich mit zusätzlichen Querverweisen versehen, um zu kennzeichnen, ob die Lehrer- und Schülerkommentare dem jeweiligen Unterrichtsgeschehen entsprachen. Diesbezüglich orientiert sich die Studie an dem von B URWITZ - M ELZER (2003: 150) entwickelten Zeichensystem, das Aufschluss darüber gibt, ob Übereinstimmungen oder Abweichungen vorliegen: 110 steht für eine gegensätzliche Meinung zu den Daten der Unterrichtsstunden, = steht für Übereinstimmung, ≈ steht für eine Entsprechung, die aber nicht genau mit den Datenaufzeichnungen der Unterrichtsstunde übereinstimmt. (ibid.) 3 + 3 ! 5 ( Theoretisches Sampling bezeichnet den "auf die Generierung von Theorie zielenden Prozess der Datenerhebung" (G LASER / S TRAUSS 2005: 53). Das Sampling der vorliegenden Untersuchung ist so angelegt, dass das Spektrum von Schultypen und Klassenstufen auf Grund- und Leistungskurse der gymnasialen Oberstufe begrenzt ist, da dem Literaturunterricht hier traditionell das größte Gewicht zukommt. Die insgesamt sieben Fallstudien wurden im Raum Hessen an zwei Gymnasien und einer integrativen Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe in Grund- und Leistungskursen der Stufen 11-13 beobachtet und aufgezeichnet. Die Datenerhebung fand von Oktober 2006 bis Dezember 2007 statt, also über gut ein Jahr, wobei sich die einzelnen Unterrichtseinheiten über 6 bis 19 Stunden erstreckten. Insgesamt kamen dabei drei klassische Dramen, zwei Romane (davon ein Jugendroman), eine Novelle und eine Kurzgeschichte zum Einsatz. Das folgende Schaubild gibt einen Überblick über die Untersuchungsgruppen, i.e. den Zeitraum der Datenerhebung, den zugrundeliegenden literarischen Text, die Schulstufe, die Größe der Lerngruppe sowie die beobachteten Stunden: 111 Fallstudie Beobachtungszeitraum Literarischer Text Stufe Lerngruppe Beobachtete Stunden Pilotstudie (I) Oktober - Dezember 2006 Romeo and Juliet (Drama) 13er LK 23 SuS 16 II Februar - März 2007 Macbeth (Drama) 12er LK 11 SuS 19 III Juni - Juli 2007 Cloning Miranda (Jugendnovelle) 11 21 SuS 6 IV Oktober - November 2007 Death of a Salesman (Drama) 12er LK 14 SuS 14 V November - Dezember 2007 Big Mouth and Ugly Girl (Roman) 11er OK 22 SuS 16 VI Oktober - Dezember 2007 "Neighbours" (Kurzgeschichte) 13er GK 21 SuS 8 VII November - Dezember 2007 Frankenstein (Roman) 13er LK 21 SuS 11 [D IE U NTERSUCHUNGSGRUPPEN IM Ü BERBLICK ] Aufgrund der Datenfülle können im Folgenden nur vier der erhobenen Fallstudien dargestellt werden, i.e. die Fallstudien Romeo and Juliet, Cloning Miranda, "Neighbours" und Big Mouth and Ugly Girl. Die Auswahl dieser vier Fallstudien resultiert zum einen aus einer möglichst breiten Fächerung der eingesetzten Gattungen, um zu eruieren, inwiefern sich die Arbeit mit verschiedenen Gattungen unterscheidet und ob die jeweilige Gattung eine spezifische Vorgehensweise nahelegt. Zum anderen wurde darauf Wert gelegt, dass sowohl Grundals auch Leistungskurse Berücksichtigung finden, um zu ergründen, inwiefern sich die Arbeit mit literarischen Texten in den genannten Kursen unterscheiden. Schließlich hätten die hier nicht zur Darstellung kommenden Fallstudien kaum zusätzliche Erkenntnisse erbracht. 112 ; 9! % ' - ! ! 0 5 " ( ) ( ? + Anhand der Pilotstudie des vorliegenden Forschungsprojektes soll in diesem Kapitel die Interpretation der Unterrichtsstunden veranschaulicht werden, indem Diskursanalyse, das Kodierungsverfahren und die qualitative Inhaltsanalyse integriert angewendet werden. ; 9! 0 5 " Im Sinne der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik, die die Interaktion zwischen Leser und Text zu intensivieren sucht und einen methodischen Pluralismus zugrunde legt, ist die Arbeit mit literarischen Texten im Fremdsprachenunterricht der gymnasialen Oberstufe komplex, d.h. neben traditionellen analytischen Verfahren der Textanalyse finden handlungs- und produktionsorientierte Verfahren ihren Einsatz: Dabei können das Erschließen und Verstehen des globalen wie lokalen Textinhaltes, die Wahrnehmung und Bewertung der sprachlichen Ausdrucksmittel, das Erfassen der Erzählperspektive sowie die Identifizierung von Gattungsmerkmalen und ihrer Struktur in das Blickfeld rücken (vgl. E HLERS 2002: 22). Zudem kann die Aufmerksamkeit auf das Erkennen fremdkultureller Elemente, das Einordnen des Textes in seinen soziokulturellen Entstehungskontext sowie dessen Verortung in übergeordnete gesellschaftlich-historische Zusammenhänge gelenkt werden. Darüber hinaus können intertextuelle und -mediale Bezüge sowie ein Transfer auf die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler hergestellt werden. Weiterhin kann nicht nur die mögliche Intention des Autors ergründet werden, sondern die Schülerinnen und Schüler können auch ihre Leserperspektive artikulieren und reflektieren. Durch den Einsatz kreativer Verfahren erhalten die Lernenden die Möglichkeit, den Inhalt des Textes in ein anderes Medium zu transformieren und ihre persönlichen Verstehensweisen zu dokumentieren. Im Unterrichtsgespräch handeln die Lernenden in der Fremdsprache unterschiedliche Interpretationsansätze aus, um ihre Eindrücke intersubjektiv nachvollziehbar zu machen und gegebenenfalls zu objektivieren. Im Idealfall reflektieren die Lernenden abschließend in einer Metaphase ihren individuellen Lernprozess. In einem solchen Unterricht fließen fremdsprachliche, pädagogische, literaturdidaktische und interkulturelle Lernziele ineinander (vgl. B URWITZ - M ELZER 2003: 156). Das hier angewendete Kodierungs- und Analyseverfahren 113 konzentriert sich auf die Rezeptionsprozesse innerhalb des Lehr- und Lerngefüges, d.h. es wird untersucht, wie Interaktion mit literarischen Gegenständen im Verlauf einer Unterrichtsstunde im Fremdsprachenunterricht der gymnasialen Oberstufe stattfindet. Das Augenmerk liegt darauf, wie die Lehrkraft den Unterricht durch verschiedene Aufgabenstellungen steuert, wie diese methodisch erarbeitet werden, welche Lernziele verfolgt werden und was die einzelnen Aufgaben im Hinblick auf ein vertieftes Textverständnis leisten. 71 Schließlich dienen die Kodierungen dazu, die Interaktionen der Schülerinnen und Schüler untereinander zu erfassen, um darzustellen, wie sie gemeinsam Bedeutung aushandeln. Um das komplexe Geflecht unterrichtlicher Äußerungen im Fremdsprachenunterricht der gymnasialen Oberstufe mit literarischen Gegenständen zu strukturieren und durchschaubar zu machen, werden im folgenden Kodierungskatalog nicht nur die Äußerungen der Lehrkraft und die der Schülerinnen und Schüler einzeln kodiert, sondern es erfolgt auf beiden Seiten eine weitere Differenzierung zwischen inhaltsbezogenen und gesprächsbzw. unterrichtssteuernden Aussagen, um das jeweilige Bezugsfeld der Äußerung sowie ihre Funktion im Unterrichtsgeschehen und Kommunikationszusammenhang anzuzeigen (vgl. V OSS 2006: 58). Die inhaltsbezogenen Aussagen sind dabei wiederum in literatur- und sprachbezogene Äußerungen unterteilt. Eine solche Gliederung hat zum einen den Vorteil, Aussagen über das quantitative Verhältnis von Lehrer- und Schüleräußerungen machen zu können und somit Rückschlüsse über das Verhältnis von Lenkung durch den Lehrer und Schülerleistung zu ziehen. Zum anderen ermöglichen die Kodierungen, Beobachtungen darüber anzustellen, wie oft der literarische Text Bezugsfeld der Äußerungen ist und wie oft linguistische Gesichtspunkte beispielsweise aufgrund von Verständnisschwierigkeiten im Mittelpunkt des Interesses stehen. Schließlich ermöglichen die Kodierungen, die verschiedenen Prozessebenen des Unterrichtsgesprächs zu identifizieren, die Aufschluss darüber geben, wann werkimmanente oder rezeptionsästhetische Aspekte im Vordergrund stehen und welche Konstruktionsbzw. Verstehensleistungen die Lernenden erbringen. Die kodierten literaturbezogenen Äußerungen bzw. Arbeitsschritte gehen zum einen natürlich aus den Daten hervor, zum anderen rekurrieren sie auf die Prämissen der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik, die die Interaktion zwischen Leser und Text betont und diese Interaktion zu intensivieren sucht. Aus diesen Bezugsfeldern ergeben sich verschiedene Arbeitsbereiche, die sich nicht auf eine textimmanente Analyse des literarischen Werks 71 Vgl. Kap. 4.2. 114 beschränken, sondern auch die Rezeption und die subjektive Perspektive des Lesers sowie interkulturelle Aspekte und intertextuelle Bezüge einschließen. Diese Prämissen machen dementsprechend sowohl inhaltliche, textanalytische, interpretative und interkulturelle sowie kreative und intertextuelle Aufgabenstellungen erforderlich, um die Interaktion zwischen Leser und Text zu intensivieren, verschiedene Facetten des betreffenden Textes zu beleuchten und so zu einem tiefgehenden Verständnis zu gelangen. Dies impliziert darüber hinaus, dass die Lernenden einen Transfer zu ihrer Lebenswelt herstellen und die persönliche Bedeutung des Gelesenen sowie ihren individuellen Lernprozess reflektieren. Insofern hat der Kodierungskatalog nicht nur deskriptiven, sondern auch normativen Charakter. Die Kodierungen wurden im Sinne eines zirkulären Designs während des Forschungsprozesses offen und flexibel gehandhabt und immer wieder vervollständigt bzw. überarbeitet, um in den Fallstudien neu auftretende Phänomene integrieren zu können. Die Kodierung der sprachbezogenen Äußerungen ermöglicht, Rückschlüsse darüber zu ziehen, wie häufig und aus welchen Gründen die Sprache selbst Gegenstand des Unterrichtsgesprächs ist und wie oft auf die Muttersprache zurückgegriffen wird. Schließlich zielen die Kodierungen der gesprächssteuernden Aussagen darauf ab, Einblicke darüber zu gewähren, wie stark das Unterrichtsgeschehen durch die Lehrkraft gesteuert wird und ob Lehrer-Schüler-Interaktionen überwiegen oder ob es auch zu einer Lenkung des Unterrichtsgeschehens durch die Schüler und zu Schüler-Schüler-Interaktionen kommt. Die einzelnen Lehrer- und Schülerbeiträge sind in der Übersicht in verschiedene Arbeitsschritte eingeteilt, nummeriert und weitgehend komplementär zueinander. Einige Bereiche, wie Maßnahmen zur Interessensweckung oder die Thematisierung des erforderlichen Hintergrundwissens, treten allerdings nur auf Seite der Lehrkraft auf. Auf eine Unterteilung des Kodierungskataloges in die einzelnen Phasen der Textbegegnung (pre-, while- und post-reading) wurde verzichtet, da diese sich zum Teil überlappen bzw. fließend ineinander übergehen und pre-reading activities beispielsweise nicht nur zu Beginn einer Einheit, sondern auch zur Vorbereitung einzelner Tasks eingesetzt werden. Dennoch zeichnet die Progression der Kodierungen den Prozess der Arbeit mit literarischen Texten von der Hinführung, über die Erarbeitung bis hin zur Reflexion ab. Das Kodieren von Äußerungen der Lehrkraft sowie schriftlichen und mündlichen Schülerleistungen reduziert das Datenmaterial auf übersichtliche Art und Weise und ermöglicht somit den Vergleich zwischen verschiedenen Schulklassen, literarischen Gattungen und Aufgabenstellungen. 115 A) Inhaltsbezogene Aussagen der Lehrkraft / / Leser-Text-Interaktion I. Literaturbezogene Aussagen bzw. Äußerungen 1 Lehrer ergreift Maßnahmen zur Interessensweckung/ Evokationsphase und aktiviert durch entsprechende Fragen/ Impulse notwendige/ s (Deutungsschema- ta/ Vorwissen/ Weltwissen der Schüler 2 Lehrer thematisiert erforderliches Hintergrundwissen (Lehrervortrag) a über die entsprechende Gattung und ihre Bauformen b über die fremde Kultur und den soziokulturellen Kontext c über das Thema/ den Inhalt d über den Autor e über das Werk f Sonstiges 3 Lehrer gibt analytische Aufgabenstellung (strukturell), indem er die Schüler auf- fordert, a die Gattung und deren Konventionen (Drama, Sonett etc.) zu benennen b die Konstituenten des Textes (Handlung, Figuren [-konzeption und - konstellation], Raum und Zeit, Erzähler und Erzählperspektive etc.) zu benennen bzw. sich zu ihnen zu äußern 4 Lehrer gibt interpretative Aufgabenstellung (konzeptionell), indem er die Schüler auffordert a den Inhalt des Gelesenen/ einer Szene/ eines Ausschnitts etc. wiederzugeben bzw. eine Zusammenfassung anzufertigen b thematisierte Konzepte bzw. den zentralen Konflikt zu benennen c eine Figur zu charakterisieren, i.e. die Motive/ Gefühle/ Gedanken/ Einstellungen/ Verhaltensweisen einer/ der Figur/ en zu erörtern d Erwartungen/ Hypothesen zu ausgewählten Aspekten des Textes (z.B. zum weiteren Verlauf der Handlung) zu formulieren/ bilden bzw. Schlussfolgerungen/ Inferenzen zu ziehen e das Gelesene/ ausgewählte Aspekte des Textes zu kommentieren/ bewerten/ evaluieren f sich zur Wirkung auf den Rezipienten zu äußern und ihre persönlichen Eindrü- cke und affektiven Reaktionen zu artikulieren g ausgewählte Aspekte zu ordnen/ vergleichen h ihre Aussagen am Text zu belegen 5 Lehrer gibt kreative/ produktive Aufgabenstellung, indem er die Schüler auffordert, a das Gelesene (in Gruppenarbeit) kreativ zu verarbeiten/ in ein anderes Medium zu transformieren (z.B. Standbild, Rollenspiel etc.) b laut und bedeutungserschließend zu lesen 6 Lehrer stellt intertextuelle bzw. -mediale Bezüge her, indem er weitere Medien integriert (Film, Bilder, Sachtexte) und die Schüler auffordert, 116 a diese im Hinblick auf ausgewählte Aspekte zu beschreiben / analysieren/ interpretieren b mit dem literarischen Text zu vergleichen c mit weiteren Intertexten zu vergleichen 7 Lehrer gibt Aufgabe mit interkulturellem Schwerpunkt, indem er die Schüler auffordert, fremdkulturelle Elemente zu benennen und den Inhalt in Beziehung zu setzen a zum soziokulturellen (Entstehungs-)kontext b zur eigenen Lebenswelt 8 Lehrer stellt Transfer zur Lebenswelt der Schüler her, indem er sie ermutigt, eigene (lebensweltliche) Erfahrungen zu artikulieren und a die Lebenswelt zur Interpretation des Gelesenen heranzuziehen b das Gelesene auf die eigene Lebenswelt zu übertragen bzw. dessen lebensweltliche Relevanz zu erörtern 9 Lehrer ermutigt die Schüler, ihren Lernprozess auf einer Metaebene zu reflektieren II. Sprachbezogene Aussagen bzw. Äußerungen 10 Lehrer führt neuen Wortschatz ein; Wortschatzarbeit 11 Lehrer lenkt die Aufmerksamkeit der Schüler auf sprachliche Aspekte des Textes (linguistische und semantische Aspekte) und bittet sie a sich zu ihrer Form (rhetorische Figuren etc.) zu äußern b sich zu ihrer Funktion/ Bedeutung zu äußern B) Unterrichts- und gesprächssteuernde Aussagen der Lehrkraft / / Leser- Leser-Interaktion 12 Lehrer wiederholt/ erläutert/ reformuliert/ ergänzt Arbeitsauftrag/ Handlungsanweisung 13 Lehrer ruft Schüler auf, a der sich meldet b der sich nicht meldet 14 Lehrer kommentiert/ reagiert auf Schülerbeitrag durch a Zustimmung b Ablehnung c Wiederholung (Lehrerecho) d Spiegelung/ Paraphrasierung/ Elaboration e Lob/ positive Verstärkung f Rückfrage (zur Verständnissicherung) g Bitte um Wiederholung h Unterbrechung i im Raum stehen lassen (Impuls an Schüler, weiterzudenken) 15 Lehrer korrigiert a Aussprache 117 b Grammatik c Lexis/ Formulierung bzw. gibt Worthilfe d Inhaltliche Aspekte der Schüleraussagen 16 Lehrer fordert die Schüler auf bzw. ermahnt sie, Englisch zu sprechen 17 Lehrer fordert die Schüler auf, ihre Aussagen/ Beiträge/ Argumente/ Produkte a auszuführen / zu erläutern / zu begründen / zu belegen (Elaboration) b zu relativieren 18 Lehrer fördert die Interaktion zwischen den Schülern, indem er sie auffordert, a sich gegenseitig aufzurufen und gegenseitig Worthilfen zu geben b die Äußerungen der Mitschüler zu vergleichen c die Beiträge der Mitschüler zu ergänzen/ Äußerungen gedanklich weiterzuführen bzw. zu relativieren d zu den Aussagen/ kreativen Produkten der Mitschüler Stellung zu beziehen bzw. sie zu interpretieren und zu bewerten. 19 Lehrer fordert auf zum Rückbezug/ in Beziehung setzen zum Text, zu vorher Erarbeitetem 20 Lehrer hebt Gemeinsamkeiten/ Kontraste/ Dissonanzen in den Schülerbeiträgen hervor bzw. fordert die Schüler auf, dies zu tun. 21 Lehrer verdichtet Beiträge zu einem Zwischenergebnis/ Ergebnis bzw. fordert die Schüler auf, dies zu tun. C) Inhaltsbezogene Aussagen bzw. Äußerungen der Schüler / / Leser-Text- Interaktion I. Literaturbezogene Aussagen bzw. Äußerungen 22 Schüler artikulieren ihr Vorwissen/ Vorverständnis 23 Schüler benennen bzw. äußern sich zur strukturellen Elementen des Textes a Gattung (Drama, Sonett etc.) und deren Konventionen b Konstituenten des Textes (Handlung, Figuren [-konzeption & -konstellation], Raum und Zeit, Erzähler und Erzählperspektive etc.) 24 Interpretation ausgewählter Aspekte des Textes a Schüler geben den Inhalt des Gelesenen/ einer Szene/ eines Ausschnitts wieder bzw. fassen ihn zusammen b Schüler benennen zentrale Konzepte / den zentralen Konflikt c Schüler charakterisieren eine Figur, i.e. sie erörtern ihre Motive/ Gefühle/ Gedanken/ Einstellungen/ Verhaltensweisen d Schüler formulieren Erwartungen / bilden Hypothesen (z.B. zum weiteren Handlungsverlauf, zu bestimmten Situationen, Figuren etc.) bzw. ziehen Schlussfolgerungen/ Inferenzen e Schüler kommentieren/ bewerten/ evaluieren das Gelesene/ ausgewählte Aspekte des Textes f Schüler äußern sich zur Wirkung auf den Rezipienten und artikulieren ihre 118 persönlichen Eindrücke und affektiven Reaktionen g Schüler ordnen/ vergleichen ausgewählte Aspekte h Schüler belegen ihre Aussagen am bzw. verweisen auf den Text 25 Schüler verfassen/ entwerfen kreative Produkte, indem sie a das Gelesene in ein anderes Medium transformieren (z.B. Standbild, Rollenspiel) b laut und bedeutungserschließend lesen 26 Schüler stellen intertextuelle bzw. -mediale Bezüge (Film, Sachtexte) her, indem sie a sie im Hinblick auf ausgewählte Aspekte beschreiben/ analysieren/ interpretieren b sie mit dem literarischen Text vergleichen c sie mit weiteren Intertexten vergleichen 27 Schüler benennen fremdkulturelle Elemente und setzen den Inhalt in Beziehung a zum soziokulturellen (Entstehungs-)kontext b zur eigenen Lebenswelt 28 Schüler stellen Transfer zur Lebenswelt her a indem sie ihr Weltwissen/ ihre lebensweltlichen Erfahrungen zur Interpretation des Gelesenen heranziehen b indem sie das Gelesene auf die eigene Lebenswelt übertragen und dessen lebensweltliche Relevanz erörtern 29 Schüler reflektieren ihren Lernprozess auf einer Metaebene II. Sprachbezogene Aussagen bzw. Äußerungen 30 Schüler äußern sich zu den sprachlichen Aspekten des Textes (*linguistische und semantische Aspekte) a Form (rhetorische Figuren etc.) b Funktion / Bedeutung 31 Schüler bitten um Wort-, Struktur- Aussprachehilfe 32 Schüler geben Mitschülern Wort-, Struktur-, Aussprachehilfe bzw. korrigieren Mitschüler 33 Schüler greifen auf Muttersprache zurück D) Unterrichts- und gesprächssteuernde Aussagen der Schüler / / Leser- Leser-Interaktion 34 Schüler stellen Rückbzw. Verständnisfrage (z.B. ob sie die Frage/ Aufgabenstellung/ Handlungsanweisung richtig verstanden haben) 35 Schüler ... ihre eigenen Aussagen/ Produkte a erläutern/ begründen/ untermauern/ führen weiter aus/ belegen b relativieren/ korrigieren/ revidieren 36 Schüler rufen Mitschüler auf 37 Schüler äußern sich a zustimmend b ablehnend zu den Fragen, Aussagen, Meinungen, Texten der Mitschüler/ des Lehrers 119 38 Schüler greifen Gedankengang eines Mitschülers auf und a ergänzen ihn bzw. führen ihn weiter aus b modifizieren/ relativieren ihn 39 Schüler interpretieren/ kommentieren/ bewerten a Äußerungen bzw. kreative Produkte/ Darstellungen der Mitschüler b eigene Produkte und äußern sich zu Gemeinsamkeiten/ Unterschieden zum Text 40 Schüler heben Gemeinsamkeiten/ Kontraste/ Dissonanzen in den Schülerbeiträgen hervor 41 Schüler gestalten das Unterrichtsgespräch aktiv mit, lenken selbstständig auf bestimmte Inhalte, indem sie z.B. eigene Fragen an den Text formulieren 42 Schüler führen informelle Gespräche über den Text/ über anderes (Privatgesprä- che) ; # 4 ( ? + Anhand des folgenden Fallbeispiels soll dargestellt werden, wie Diskursanalyse, Kodierung und qualitative Inhaltsanalyse zur Analyse der Unterrichtseinheit integriert angewendet werden. Das Beispiel illustriert, wie die Lehrkraft den fremdsprachlichen Literaturunterricht in der gymnasialen Oberstufe durch den Einsatz verschiedener analytischer und kreativer Verfahren steuert, inwiefern diese Verfahren geeignet sind, die Interaktion der Lernenden mit dem Text sowie die Interaktion der Lernenden untereinander zu fördern und welche Lernziele dabei verfolgt werden. Das zweimonatige Unterrichtsgeschehen kann hier nicht vollständig dargestellt werden, d.h. die mündlichen Schülerleistungen können zum Teil nur in zusammengefasster Form, zum Teil als Transkriptausschnitte aus den Unterrichtsgesprächen wiedergegeben werden. Im Sinne der Daten- und Perspektiventriangulation werden zudem schriftliche Schülerprodukte sowie Ausschnitte aus den retrospektiven Schüler- und Lehrerinterviews integriert, die das Unterrichtsgeschehen bzw. einzelne Aspekte desselben aus der Perspektive der betreffenden Subjekte reflektieren und vertiefen. ; # ! % Die Unterrichtseinheit zu William Shakespeares Tragödie Romeo and Juliet sowie den Verfilmungen von Baz Luhrmann und Franco Zeffirelli wurde von Oktober bis Dezember 2006 in einem 13er Englisch-Leistungskurs beobachtet und videoaufgezeichnet. Bei der Schule handelt es sich um ein altsprachliches 120 Gymnasium, das auf eine 450jährige Schulgeschichte zurückblickt und als Lateinschule gegründet wurde. Sie befindet sich in einer mittelgroßen Stadt im Wetteraukreis in Hessen. Die Lerngruppe bestand aus zehn Schülerinnen und dreizehn Schülern, die seit der 3. bzw. 5. Klasse Englischunterricht hatten und zum Zeitpunkt der Beobachtung allesamt volljährig waren. Ein Schüler hatte einen amerikanischen Migrationshintergrund. Der Leistungskurs hatte fünf Stunden Englisch pro Woche und gehörte zu den ersten, die im Frühjahr 2007 das nunmehr wirksame Landesabitur ablegten. Der Kontakt zur Lehrkraft kam über die frühere Praktikumsbeauftragte der Forscherin zustande. Nach einem persönlichen Gespräch erklärte sich die Lehrerin bereit, ihren Unterricht für das Forschungsprojekt zu öffnen und die Videoaufzeichnungen anfertigen zu lassen. Die Lehrerin, deren zweites Fach Geographie ist, war zum Zeitpunkt der Dokumentation seit einem Jahr im Schuldienst, d.h. sie hat nach Abschluss ihres 2. Staatsexamens den Leistungskurs übernommen. ; # # William Shakespeare ist in den Lehrplänen der meisten Bundesländer der einzige Pflichtautor und die Lektüre eines Shakespearedramas im Original obligatorisch: Dies gilt auch für Hessen (HKM 2006: 52). Shakespeares Romeo and Juliet ist eine Liebestragödie in fünf Akten und insgesamt 24 Szenen in Vers und Prosa, die etwa um 1595/ 96 auf dem Höhepunkt der elisabethanischen Liebesdichtung entstand. Romeo and Juliet gehört bis heute zu den am häufigsten aufgeführten Dramen Shakespeares und ist "in Prosa- und Verserzählungen, in Parodien und Burlesken, in Oper, Ballett, Film und Malerei vielfältig rezipiert worden" (K ERN -S TÄHLER 2006: 59). An das Sujet angelehnte Musicals wie die West Side Story oder die von Sergej Prokovjew komponierten Klavierstücke zu Romeo and Juliet 72 bieten sich zudem für deren Einsatz im fortgeschrittenen Musikunterricht und mithin für einen fächerübergreifenden Unterricht an. Die vielfältigen Inszenierungen, Adaptionen und Aktualisierungen zeugen von der Beliebtheit der Vorlage und sorgen dafür, dass die Geschichte nicht nur einem breiten Publikum zugänglich wird, sondern insgesamt Teil des gegenwärtigen kollektiven Bewusstseins ist. Zudem tragen die mannigfachen multimedialen Umsetzungen in Zeiten einer geforderten Medienkompetenz dazu bei, dass Romeo and Juliet regelmäßig an Schulen und Universitäten 72 Sergej P ROKOFJEW (1956). Romeo and Juliet. 10 Pieces for Piano. Op. 75. Hamburg: Musikverlag Hans Sikorski. Analog dazu bietet sich die von Bernd G LEMSER (1999) eingespielte CD Prokoviev. Piano Sonatas Vol. 2, Nos. 1, 3 and 4. Ten Pieces from Romeo and Juliet, erschienen im Naxos- Verlag, an. 121 gelesen wird und inzwischen auch an deutschen Schulen zu den am häufigsten ausgewählten Dramen Shakespeares zählt (ibid.: 59f.). Bevor das didaktische Potenzial der Tragödie für den Fremdsprachenunterricht erörtert wird, wird im Folgenden kurz der Inhalt wiedergegeben sowie eine Analyse der Strukturmerkmale und sprachlicher Gesichtspunkte vorgenommen. Die seit langer Zeit schwelende Familienfehde zwischen den Familien Capulet und Montague lodert zum wiederholten Male auf und versetzt die Stadt Verona in Aufregung. Prinz Escalus weist die Anhänger beider Parteien zurecht und droht mit Repressalien für den Fall, dass es in Zukunft wieder zu einer öffentlichen Auseinandersetzung kommt (I, 1). Um sich bei dem Prinzen gut zu stellen, erklärt sich Lord Capulet bereit, dem Werben von Paris - einem Neffen des Prinzen - um seine erst 13jährige Tochter Juliet nachzugeben (vgl. P OPPE 2000). Lord Capulet veranstaltet einen Ball, zu dem er Paris einlädt (I, 2). Auch Romeo ein Montague - wohnt diesem Fest bei. Als sich die versprochene Juliet und Romeo auf dem Ball begegnen, verlieben sie sich auf den ersten Blick ineinander (I, 5). Obwohl sie erfahren, dass sie den verfeindeten Elternhäusern entstammen, beschließen sie, umgehend zu heiraten. Sie weihen Friar Lawrence ein, der eine heimliche Trauung vollzieht in der Hoffnung, dadurch Frieden zwischen den beiden Familien zu stiften (II, 6). In den Straßen Veronas treffen Romeo und seine Freunde Benvolio und Mercutio auf Juliets Vetter Tybalt, der Romeo hasst und ihn zum Kampf auffordert. Doch Romeo, durch die heimliche Hochzeit nunmehr mit Tybalt verwandt, hat Skrupel. Stattdessen kommt es zum Kampf zwischen Mercutio und Tybalt. Als Romeo zwischen den beiden zu schlichten versucht, wird Mercutio durch Tybalt tödlich verwundet. Romeo rächt sich für den Tod seines Freundes, indem er Tybalt ersticht. Der hinzu gerufene Prinz Escalus wird durch Benvolio von dem Vorfall unterrichtet und verbannt Romeo aus Verona (III, 1). Das Geschehen spricht sich schnell herum. Juliet erfährt von ihrer Amme von Tybalts Tod und Romeos Verbannung. Romeo, der sich in Friar Lawrences Zelle versteckt, wird von diesem über seine Verbannung in Kenntnis gesetzt (III, 3). Als die Amme hinzukommt und von Juliets Leiden über Romeos Verbannung berichtet, versucht dieser sich zu erstechen. Friar Lawrence verhindert Romeos Selbstmord und schmiedet einen Plan, wie er Romeo und Juliet trotz dessen Verbannung vereinen kann. Er schickt Romeo zu Juliet und ermahnt ihn, früh am nächsten Morgen nach Mantua aufzubrechen, wo er auf Nachricht von ihm warten soll. Um Juliets vermeintliche Trauer um Tybalt zu überwinden, beschließt Lord Capulet, ihre Vermählung mit Paris vorzuziehen (III, 4). Romeo und Juliet verbringen eine 122 kurze Hochzeitsnacht miteinander (III, 5). Als Juliet am nächsten Morgen von der vorgezogenen Hochzeit erfährt und sich weigert, Paris zu heiraten, wird sie von Lord Capulet beschimpft und er droht ihr mit Enteignung. Von ihrer Mutter und der Amme im Stich gelassen, wendet sich Juliet unter Androhung ihres Selbstmords hilfesuchend an Friar Lawrence, um der anstehenden Hochzeit mit Paris zu entkommen (IV, 1). In der Absicht, den Unglücklichen zu helfen, schickt Bruder Lorenzo zuerst Romeo nach Mantua und erteilt darauf Juliet den verwegenen Rat, zum Schein in die Eheschließung mit dem Grafen Paris einzuwilligen und sich an deren Vorabend mit Hilfe eines Betäubungstrunks in einen todesähnlichen Schlaf zu versetzen, um so ihre Bestattung in der Familiengruft zu erreichen und ihre Flucht nach Mantua zu ermöglichen. Am Morgen der geplanten Hochzeit mit Paris findet die Amme Juliet leblos in ihrem Bett (IV, 5). Wie erwartet, wird die scheinbar Tote in die Familiengruft überführt. Der Bote, der Romeo von Lorenzos Plan und dessen geglückter Ausführung unterrichten soll, wird vor den Toren Mantuas als pestverdächtig zurückgehalten, sodass Romeo lediglich die Nachricht von Juliets Tod erreicht, die ihn verzweifelt nach Verona eilen lässt. Er beschafft sich von einem Apotheker Gift, dringt in die Grabkammer ein und nimmt sich an der Seite der Totgeglaubten das Leben (V, III). Als Juliet kurz darauf aus ihrem Betäubungszustand erwacht und ihr Unglück erkennt, ersticht sie sich mit Romeos Dolch. Erschüttert von den tragischen Folgen ihres Hasses, versöhnen sich die verfeindeten Familien am Grab ihrer Kinder. Die Tragödie um die beiden Liebenden aus verfeindeten Veroneser Elternhäusern, mit deren Doppelfreitod das Stück endet, zählt nicht nur zu den beliebtesten Tragödien Shakespeares (vgl. B OLTZ 2000; P OPPE 2000; S UERBAUM 2001), sondern auch als "die künstlerisch bedeutendste Darstellung der courtly love auf der elisabethanischen Bühne" (B AUMANN 1998: 93). Charakteristisch für die Liebestragödie ist, dass sie insbesondere im ersten Teil mit erotisch-derben Wortspielen 73 zahlreiche komödienhafte Elemente aufweist und den allgemeinen Gattungsmerkmalen nach in das Genus der Tragikkomödie einzuordnen ist (vgl. R OLLE 2004). Romantische Liebe galt in der elisabethanischen Zeit als vornehmlich komödiantisches Sujet und eine Liebesgeschichte als Tragödie zu konzipieren, war ein Novum. Die Tragödie zeigt eine in der Renaissance bislang unerhörte Weltfülle im Gegeneinander und in der Versöhnung heterogener Elemente, von Dramatik und Lyrismus, Tragik und Komik, zynischer und ergriffener Haltung (K OP - 73 So treiben Romeos Freunde ein witziges, frivoles und gelegentlich zynisches Spiel mit den Konventionen der Sprache und der Liebe (S UERBAUM 2001: 181). 123 PENFELS 2000: 501), sodass man insgesamt von einem Drama der Kontraste sprechen kann: Der Vereinigung der Liebenden ist entgegengestellt die Fehde ihrer Familien, dem Privaten das Öffentliche, der Jugend das Alter, der Liebe das sexuelle Begehren und der Vergangenheit die Zukunftserwartung. Die dualistische Struktur, die sich bis in die Konstruktionsprinzipien des Dramas verfolgen lässt - in der Gegenüberstellung von Tragik und Komik, von dramatischen und lyrischen Passagen (etwa der Duellszene in III.i) und dem darauf folgenden Monolog Juliets in der klassischen Tradition des Epithalamium, (III.ii.l-31), von spontanem und gekünsteltem Stil - ist auch in den Motiven von Zeit und Licht wiederzufinden. (K ERN - S TÄHLER 2006: 64) Ferner zeichnet sich Romeo and Juliet durch seinen Reichtum der Sprachebenen aus, die zwischen zeitgebundenen Ausdrucksformen wie der stilisierten petrarkistischen Metaphorik 74 oder der "pathetische[n] Deklamationsrede" und "geschmeidiger, spontan wirkender Diktion" wechseln (K OP - PENFELS 2000: 501). Neben dem lyrischen Reichtum der Sprache ist die Tragödie durch eine wiederholte Verwendung der Sonettstruktur gekennzeichnet. Das Geschehen von Monaten wird insgesamt zum "jagenden Zeitablauf" von vier Tagen und Nächten gerafft; die "so entstehenden Verkettungen und ironischen Situationskontraste erwecken den Eindruck dramatischer Unaufhaltsamkeit" (K OPPENFELS 2000: 499). Exposition, Peripetie und Katastrophe verknüpfen in "symmetrischer Anlage" die beiden Hauptthemen des privaten Liebesschicksals mit der Bedrohung des Staatswesens durch die Familienfehde (ibid.: 500). Dass die Handlung symmetrisch angelegt ist und zwischen der Darstellung des öffentlichen und der des privaten Lebens alterniert (B AUMANN 1998: 94), wird an den häufigen Schauplatzwechseln deutlich. S CHMIDT (2004a: 60f.) nennt als Auswahlkriterien für ein Shakespeare- Drama für den Fremdsprachenunterricht u.a. ein überschaubares Personeninventar, eine einfache Handlungsstruktur sowie die Möglichkeit zum emotionalen Engagement. Das didaktische Potenzial von Romeo and Juliet für 74 Diese auf Petrarca und seinen immensen Einfluss zurückgehende Stilform der abendländischen Liebesdichtung des 14. bis 17./ 18. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch "formale Schönheit", "bestrickende[n] Wohllaut" (hier: Sonettform), "geistige Pointierung mit Metaphern und Antithesen" sowie Übergriffe in "kosmische Bezüge als Preis der Liebesmacht". Dabei besteht ein "fester Motivkreis", der vom "Frauenpreis", der "Beschreibung der körperlichen Schönheit (Augen, Gesicht)", über die "Liebesklage" bis hin zum "Todeswunsch" und dem Schwanken zwischen irdischer Leidenschaft, Lust, Leid und himmlischer Verklärung bei gleichzeitiger Betonung des Leides reicht (W ILPERT 1989: 677). 124 jugendliche Fremdsprachenlernende ergibt sich insbesondere aus dem Alter der Protagonisten, dem Thema der jugendlichen Liebe, dem Reifeprozess der Liebenden, dem rasanten Handlungsablauf und der überschaubaren Handlungsstruktur (vgl. M OSNER 2000), d.h. es besteht keine komplexe Verflechtung mehrerer Haupt- und Nebenhandlungen. Weitere im Drama verhandelte Themen, die jugendlichen Lesern ermöglichen, sich mit dem Dargestellten zu identifizieren, sind zum einen der Familien- und Generationenkonflikt und zum anderen das der Jugendbanden, Gewaltbereitschaft und Gewalt in der Sprache (K ERN -S TÄHLER 2006: 60, 73). Trotz der zeitlich-kulturellen Distanz der Werke Shakespeares bietet Romeo and Juliet dadurch einen guten Zugang für heutige Lernende, dass universell-menschliche Themen verhandelt werden und das unglückliche Schicksal der beiden Hauptfiguren ein emotionales Engagement der Lernenden in Form von Empathie und Mitleid ermöglicht. Darüber hinaus bieten sich zahlreiche Adaptionen der Tragödie für ihre Integration im Unterricht an, die die kulturelle Distanz zusätzlich zu verringern vermögen (M OSNER 2000: 62). Als Textgrundlage der Unterrichtseinheit dient der von Rex G IBSON herausgegebene Band Romeo and Juliet aus der Reihe Cambridge School Shakespeare, der einen aufführungsorientierten Ansatz propagiert und Analyse, Imagination, Intellekt und Emotion zu kombinieren und durch entsprechende Anregungen umzusetzen sucht. 75 Die Ausgabe zeichnet sich durch zahlreiche Fotografien von verschiedenen Theateraufführungen, Kurzzusammenfassungen, Worterklärungen, sowie analytische und kreative Aufgabenstellungen aus. 76 ; # + . ( ! & ! $ 1 @=A2 ) ( 1 @@=2 Bis zum Erscheinen von Baz Luhrmanns William Shakespeare`s Romeo and Juliet (1996) war Franco Zeffirellis Romeo and Juliet-Verfilmung von 1968 die kommerziell erfolgreichste Shakespeare-Verfilmung überhaupt und 75 G IBSON entwickelt in Teaching Shakespeare (1998) den sog. Workshop Approach, der allen Ausgaben der Reihe Cambridge School Shakespeare zugrunde liegt. Diesen Ansatz begründet G IBSON wie folgt: "Active methods dissolve the traditional oppositions of analysis and imagination, intellect and emotion. They encourage informed personal responses which are both critical and appreciative. In active work, students combine critical thought with empathy, confidence with a willingness to suspend judgment. Interpretations do not have to be of the narrowing 'either…or' type but can be more expansive and imaginative 'both…and' variety" (G IBSON 1998: xiii). 76 Insbesondere in Bezug auf die in vielen Bundesländern obligatorische Shakespeare-Lektüre florieren seit etwa zehn Jahren Anregungen für alternative Zugangsweisen (A NTOR 1997; B ERGMANN / K ROTH 2002; G IBSON 1998/ 2000; P ETERSOHN / V OLKMANN 2006a/ b/ c und 2007). 125 spielte mehr als das 30fache der Produktionskosten ein (K ERN -S TÄHLER 2006: 66). Zeffirelli besetzte die beiden Hauptrollen mit zwei damals jungen und unbekannten Schauspielern, Leonard Whiting als Romeo und Olivia Hussey als Juliet. Die Adaption ist stark dem Szenario Shakespeares verhaftet, insofern die Figuren "in historischen Kostümen durch eine mittelalterliche Stadtkulisse" wandeln und ihr schauspielerisches Pathos darauf hinweist, dass es sich um die Verfilmung von Weltliteratur handelt (T HIELE 2001: 231). Weitere Bestandteile der filmischen Erzählung sind eine "sorgfältig inszenierte »Mise-en-scène«", die die Monumentalität der mittelalterlichen Architektur betont und die historischen Räume mit Fackel-, aber auch modernem Kunstlicht verbindet (ibid.). Bei Baz Luhrmanns Version von Romeo and Juliet, deren Schauplatz eine von den Bandenkriegen zweier mächtiger Konzerne geprägten Weltstadt (Drehort war Mexiko City) der Gegenwart ist (K ERN -S TÄHLER 2006: 67), handelt es sich dagegen um eine schrillbunte Version des Shakespeareschen Stücks, die durch seine Multimedialität und "bonbonbunte Ästhetik" als ein Produkt der Postmoderne zu betrachten ist (T HIELE 2001: 195, 234). Der Film zeichnet sich aus durch "das schwindelerregende Tempo der Bilder, die schrille Farbigkeit und die Popmusik der MTV-Produktionen", sodass T HIELE ihn als "ein Feuerwerk der Bilder und Töne, der Farben und Schnitte" bezeichnet, der darüber hinaus durch eine hohe Zeichenhaftigkeit, extreme Künstlichkeit und große Gefühle markiert ist. Die Elemente des Theaters, der Sitcom und des Videoclips bindet Luhrmann unmittelbar an die Multimedialität des Shakespeare-Theaters zurück: People say this way it`s MTV-style. It`s really not where it came from. It came from the fact that Shakespeare would one moment have stand-up comedy, then he would have a popsong, then he would have incredible violence and then he`d have high tragedy, all in one piece. (L UHRMANN 1998, zit. in T HIELE 2001: 195) Die Haltung der Schauspieler in Zeffirellis Verfilmung zeichnet sich im Gegensatz zu der modernen Version durch eine elaborierte Mimik, Gestik und Körperbewegung aus, wie sie ansonsten nur auf der Theaterbühne zu finden ist. Diese Tatsache erscheint aus heutiger Sicht artifiziell und unauthentisch - eine Auffassung, die die Lernenden im Laufe der dargestellten Unterrichtseinheit bestätigen. Das Gesicht Whitings bewahrt selbst dann einen offenen, unbekümmerten Ausdruck, wenn er sich über Juliet beugt und ihre Schönheit bewundert; DiCaprio sucht dagegen mühsam die Beherrschung und verknappt so die Mimik. Ähnlich überinszeniert erscheint das Spiel von Olivia Hussey als Juliet. Ihr Abschied vom 126 toten Romeo wird tränenreich und lautstark beweint; anhaltend schluchzend umarmt sie den Kopf Romeos und spielt die ganze Skala von Trauergefühlen aus. In Luhrmanns Film wird der Schmerz dagegen auf einen einzigen, verhallenden Schluchzer komprimiert. Claire Danes als Juliet bewegt sich dabei nur minimal, sie scheint den Moment wie in Trance zu erleben. (T HIELE 2001: 232) Solche Differenzen spiegeln nicht nur unterschiedliche Auffassungen filmischer Adaptionen von Literatur wider, sondern auch "veränderte kulturellmediale Sehgewohnheiten, die sich zwischen 1968 und 1996 innerwie außerfilmisch entwickelt haben" (ibid.: 232). So hat im Spielfilm der vergangenen 30 Jahre insofern eine Akzentverschiebung stattgefunden, als Pathos und Theatralik stärker zurückgenommenen Formen der Darstellung gewichen sind. Im Gegensatz dazu ist die filmästhetische Ebene ungleich aufwendiger geworden: "Kameraführung, Licht, Farbe, Dekor, Montage, Schnittempo und musikalischakustische Effekte" sind "komplexer, übersteigerter und zeichenhafter" geworden (ibid.: 233). ; # 3 4 Die Unterrichtseinheit erstreckt sich über etwa zwei Monate und in ihrem Verlauf finden neben traditionellen Verfahren der Textanalyse zahlreiche kreative Formen der Texterschließung sowie intertextuelle und -mediale Verfahren ihren Einsatz. Nach der Etablierung des erforderlichen Hintergrundwissens über das elisabethanische Weltbild (The Seven Ages of Men, Chain of Being, predestination) und des Globe Theatres in der Vorbereitungsphase werden die Lernenden sukzessive an die Sprache Shakespeares in Form von Sonetten (Sonette 18 und 130) und durch den Einsatz eines Hörbuchs 77 zu Romeo and Juliet herangeführt. Im Sinne der traditionellen Textanalyse werden dabei Form und Funktion des der Tragödie vorangestellten Prologs (Sonett) erarbeitet sowie Wortspiele (puns, Queen Mab), rhetorische Figuren und Gattungsbzw. Strukturmerkmale von Sonetten und Dramen analysiert. Weiterhin erarbeitet werden Handlungen, verarbeitete Themen (verschiedene Liebeskonzepte, Vorherbestimmung, Schicksal etc.), Konflikte, Setting und Atmosphäre, die gesellschaftlichen Hierarchien innerhalb des Personals sowie Konzeption und Konstellation der Figuren in den einzelnen Akten. Zur Erarbeitung der einzelnen Aspekte dienen dabei traditionelle, aber auch zahlreiche kreative Schreibaufgaben (Essay, Tagebucheintrag, Zeitungsartikel, selbst verfasste Gedichte etc.). Schließlich finden handlungs- und produktionsorientierte Verfahren wie das bedeutungserschließende Lesen, szenische Interpretationen 77 Romeo and Juliet - Audiobook (2007). Performed by Michael Sheen, Kate Beckinsale et al. Naxos. 127 wie Rollenspiele und Standbilder sowie intertextuelle bzw. -mediale Zugänge in Form des vergleichenden Einsatzes zweier Filmversionen Verwendung. Als Ausgangspunkt für eine Analyse ausgewählter Szenen bzw. deren Vergleich dienen die Romeo and Juliet-Verfilmungen von Franco Zeffirelli (1968) und Baz Luhrmann (1996). Auf einzelne Arbeitsschritte bzw. Tasks herunter gebrochen, ergibt sich der folgende schematische Überblick. Die fett markierten Punkte werden in Ausschnitten in Kapitel 5.2.5 dargestellt. 78 / 05 05 ! 6* 78! ! 8! 5' . • Erarbeitung des elisabethanischen Weltbildes (The Seven Ages of Men, the concept of predestination); • Einstimmung auf die Sprache durch den Einsatz eines Hörbuchs zu Romeo and Juliet; • Strukturanalyse von Sonetten anhand der Sonette 130 und 18; • Erarbeitung von Form und Funktion des der Tragödie vorangestellten Prologs (Sonett, foreshadowing). 9 : ! 5 05 ! 6* 78! ! 8! 5' . 38 ! . • Analyse der Wortspiele (puns) von Gregory und Sampson, der Rede des Prinzen (Arbeitsblatt Quiz about the Prince`s speech) und Analyse des Monologs Romeos (I, 1) im Vergleich zu dem Monolog Hamlets; • Erarbeitung der Figuren (Romeo, Juliet, Nurse, Lady Capulet, Benvolio, Mercutio), deren Konzeption, Konstellation und Entwicklung (Lesen in verteilten Rollen, gemeinsames Erstellen eines Soziogramms, Bauen von Standbildern); • Erarbeitung der Queen Mab (queen of the fairies); • Analyse der gesellschaftlichen Hierarchien innerhalb des Personals anhand der ersten Szene (the servants, Tybalt, Benvolio, Lords und Ladies (Capulet), Prince Escalus); • detaillierte Analyse der Ballszene (I, 5) in Bezug auf Figuren; Darstellung der Figurenkonstellation in einem Standbild; • Erarbeitung verschiedener Liebeskonzepte: poetic love vs. romantic love anhand einer genauen Betrachtung der Sprache und Analyse des von Romeo und Juliet gemeinsam kreierten Sonetts; • Vergleich der Ballszene im Drama mit der filmischen Umsetzen von Baz Luhrmann (1996) im Hinblick auf die Darstellung der Figuren (Kostüme); deren Konfiguration und Konstellation und Analyse der im Film erzeugten 78 Für alle Fallstudien gilt, dass die fett gedruckten Punkte im Detail dargestellt werden. Atmosphäre (Essay). 128 38 ! ! . • Erarbeitung des Themas "Liebe auf den ersten Blick" (Meinung der Schüler vs. dem Glauben der Elisabethaner und Rückbezug zum Drama); • Thematisierung von Merkmalen der elisabethanischen Bühne; • Analyse der Figurenkonzeption von Benvolio und Mercutio; • Szenische Interpretation der Balkonszene (II, 2) mit anschließender Evaluation; • Erarbeitung der Figur Friar Lawrence und seines Sprachgebrauchs (rhetorische Figuren, Kontraste etc.); • Erarbeitung der Figur der Nurse; • Einordnen des Endes von Akt II in die Gesamtstruktur des Dramas (Strukturanalyse Drama). • "To cut or not to cut" (Akt II, 4) - Schüler/ innen schlüpfen in die Rolle eines Regisseurs, der eine Verfilmung des Dramas drehen möchte. Vor diesem Hintergrund sollen sie entscheiden, ob die betreffende Szene für das Verständnis der Handlung notwendig ist. 38 ! ! ! . • Erarbeitung der wichtigsten Entwicklungen der fünf Szenen in Akt III in Form einer kreativen Transformation des Inhalts (newspaper article, diary entry, freeze, sonnet, comic). 38 ! . • Entwerfen von Überschriften zu den wichtigsten Entwicklungen in Akt IV; • Erarbeitung der Figurenkonstellation in Akt IV (ordering task) und Auswahl der wichtigsten Figuren. 38 . • Abschnittweises Zeigen einer weiteren Filmversion (Zeffirelli-Verfilmung von 1968) zu Akt V und Analyse der Aspekte fate vs. free will; • Hypothesenbildung zum weiteren Verlauf der Szene; • Vergleich des Endes zwischen Verfilmung und literarischer Vorlage; • Bewertung und Vergleich der schauspielerischen Darbietung in Luhrmann und Zeffirelli; • Vergleich der Darstellung der Gruft (Kulisse) in den Verfilmungen von Luhrmann und Zeffirelli. / ; '8 05 ! 6* 78! ! 8! 5' . • Schüler/ innen verfassen einen persönlichen Kommentar zur Romeo and Juliet; Thematisierung der höheren Mächte, die in Romeo and Juliet zu Zerstörung und Leid führen (fate vs. free will, predestination, the feud); Lehrerin stellt intertextuellen Bezug her zu den Mächten in Hamlet (revenge), Macbeth 129 (lust for power) und Othello (jealousy); • Gemeinsame Erörterung der Bedeutung Shakespeares für heutige Jugendliche bzw. für die heutige Gesellschaft (Transfer); • Gemeinsame Evaluation der Unterrichtseinheit (Did you enjoy reading Romeo and Juliet? Did studying Shakespeare add to your progress in learning English? ). ; # ; , 5 " B 4 ' ( 4 " Die folgenden hier vorgestellten Schülerbeiträge und -leistungen beziehen sich auf verschiedene Akte und Szenen von Romeo and Juliet, die in unterschiedlichen Unterrichtsstunden der ca. zweimonatigen Unterrichtseinheit beobachtet und videografiert wurden. ) ) 5 4 % # < ! )= Die folgenden Transkriptauszüge 79 beziehen sich auf die Ballszene (Akt I, 5.), in der sich Romeo und Juliet zum ersten Mal begegnen. Lernziel der Stunde ist die Erarbeitung der Figurenkonfiguration und -konstellation auf dem Ball, d.h. welche Figuren treten auf und wie ist ihr Verhältnis zueinander, sowie die Erarbeitung der wichtigsten Entwicklungen innerhalb der Szene. Die Schülerinnen und Schüler werden im Laufe der Unterrichtsstunde aufgefordert, die ihrer Meinung nach wichtigsten Entwicklungen der Szene in Form eines Standbildes darzustellen, d.h. das Gelesene in ein anderes Medium zu transformieren und ihr Textverständnis zu dokumentieren. Zur Interessenweckung, atmosphärischen Einstimmung und Aufmerksamkeitsbündelung der Schülerinnen und Schüler hält die Lehrerin zu Beginn dieser Stunde ein Schild hoch mit der Aufschrift "Capulets - Invitation to a Costume Feast - Mercutio & Friends" und geht damit durch die Klasse. Nachdem alle Schülerinnen und Schüler einen Blick auf das Schild werfen konnten, fragt die Lehrerin, was die Lernenden über das Fest der Capulets 79 Die den Transkriptionen zugrunde liegende Transkriptionskonvention sieht im Einzelnen wie folgt aus: L Lehrer/ in S 1 , S 2 etc. einzelne, identifizierbare Schülerinnen und Schüler S n nicht identifizierbarer Schüler . längere Pause (manchmal mehrere Sekunden) (Mitschüler klatschen) Angaben zu para- und nonverbalem Verhalten (Gestik, Mimik etc.) Die Redebeiträge der Lehrerin und der Lernenden werden originalgetreu wiedergegeben, d.h. es wurden keine 'Beschönigungen' vorgenommen oder Fehler eliminiert (vgl. Kap. 4.3). 130 wüssten und wer dazu geladen sei. Dieses Vorgehen dient der inhaltlichen Wiederholung und Überprüfung der Textkenntnis sowie der Erarbeitung der Figurenkonstellation. Die Lernenden kommen während des Unterrichtsgesprächs zu dem Ergebnis, dass so gut wie jeder aus Verona bis auf die Montagues zu der Feier geladen seien. S 3 weist gezielt auf Romeo hin, der als ein Montague nicht eingeladen sei. Im weiteren Verlauf des Unterrichtsgesprächs adressiert die Lehrerin die lebensweltlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler, wenn sie diese fragt, was sie von einer guten Party erwarteten (8a, 4d). Auf die Frage nennen die Lerner, dass sich der Gastgeber um seine Gäste kümmere, eine angenehme Atmosphäre, interessante Gespräche, gutes Essen und gute Getränke sowie Musik und eine Tanzfläche. Die Frage löst unter den Lernern Gelächter aus und sorgt für eine ausgelassene Atmosphäre im Klassenzimmer. Die von den Schülern genannten Aspekte, die gemäß ihrer lebensweltlichen Erfahrungen (28a) zum Gelingen einer Party beitragen, nimmt die Lehrerin als Ausgangspunkt dafür, einen Rückbezug zum Drama herzustellen und die Motive der Capulets zu erörtern (4c). 10: 26L So what do the Capulets expect . of that party? (L wartet einige Sekunden) S 5 ? 4c/ d S 5 Yeah, they want to establish their image, perhaps. 24c/ d L Yeah. Can you repeat it (Rest unverständlich)? 16a/ g S 5 They want to ex-, establish their image! 24c/ d L Mmh. 16a S 5 S 1 ? 36 S 1 And I think ehm, eh Miss, eh Lady Capulet ehm said that it`s ehm Ju-, Juliet`s feast . so that, ehm, she can get to know, ehm, what`s his name? 24a/ c, 31 S n … (mehrere SuS unisono) Paris! 23b, 32 S 1 Yeah, Paris, so that she, ehm, eh, yeah, that she . might marry him later . S 6 ? 24c/ d, 36 10: 27 S 6 Yes, and we can also see some aspects we just mentioned on page 39: Capulet says, ehm, ja: "Welcome, gentlemen! " and stuff . He`s a very kind host and he, we see that music is playing in the background, so we also got music, and, they dance, and, eh, yeah, so I guess these are all the same aspects . we mentioned. 37a, 38a, 24c/ d/ h L Mmh. 14a S 6 S 2 ? 36 S 2 Ehm, and he also, ehm take care about his guest because, ehm, when Tybalt, ehm, sees Romeo, eh he wants to fight with him 24a/ c/ d/ e 131 and Lord Capulet says, ehm, it`s ok, cause he`s a good gentleman and we don`t want, eh, something destroying the atmosphere. L Mmh, ok, so he`s . he`s very much considering the whole atmosphere, he wants everybody to enjoy himself. 14a/ d [HYPOTHESENBILDUNG AKT I, 5] Die Lehrerin fordert die Lerngruppe auf, Hypothesen darüber aufzustellen, was die Capulets von diesem Fest erwarten (4c/ d). Im Drama wird zwar deutlich, dass Lord Capulet zu diesem Fest insbesondere hübsche Töchter einlädt, um sie mit Paris bekannt zu machen, damit jener möglicherweise von seinem Plan abrückt, die erst 13jährige Juliet zu heiraten. Darüber hinaus werden im Drama aber keine Erwartungen der Capulets expliziert, sodass die Lernenden hier aufgefordert sind, ihr Vorverständnis zu aktivieren, sich imaginativ in die Perspektive der Capulets hineinzuversetzen und abzuwägen, ob die zuvor gesammelten Punkte auch für die im Drama dargestellte Situation plausibel erscheinen (24c/ d). Die Schülerinnen und Schüler sind somit angehalten, Leerstellen im Drama durch eigenes Vor- und Weltwissen zu füllen. Während S 5 der Auffassung ist, dass die Capulets ihren guten Ruf durch die Veranstaltung des Festes stärken wollten, sieht S 1 die Hauptintention darin, dass Juliet mit ihrem zukünftigen Ehemann Paris bekannt gemacht werde. S 6 hingegen wendet die zuvor gesammelten Aspekte, die zum Gelingen einer Party beitragen, explizit auf die im Drama dargestellte Ballszene an und kommt zu dem Schluss, dass sie sich alle wiederfinden ließen. S 2 weist schließlich darauf hin, dass Lord Capulet sehr um die Bewahrung einer guten Atmosphäre bemüht sei, wenn er ausnahmsweise von der Fehde mit den Montagues absähe, indem er Tybalt davon abhalte, Romeo anzugreifen, der uneingeladen dem Fest beiwohnt. Nachdem die Atmosphäre und die Erwartungen an den Ball unter Einbeziehung der lebensweltlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler und auf Grundlage des bisher Gelesenen gemeinsam eruiert wurden, lenkt die Lehrerin die Aufmerksamkeit auf die Figuren, die auf dem Fest anzutreffen sind. Hier nennen die Lernenden Mercutio, Romeo, Tybalt, Juliet, Lord Capulet, Juliets Amme, Benvolio, Lady Capulet und Paris. Die Lehrerin hält die Beiträge an der Tafel in einem Soziogramm fest (3b, 21). Nach der Sammlung der verschiedenen auf dem Fest auftretenden Figuren werden die Lernenden aufgefordert, gemeinsam die für die weitere Entwicklung der Szene wichtigsten Figuren auszuhandeln. Übereinstimmend sind sie der Meinung, dass Romeo, Juliet, Tybalt und Lord Capulet und Juliets Amme die wichtigsten Figuren für die Entwicklung der Szene seien. Nach dieser gemeinsamen Aushandlung der wichtigsten Figuren erteilt die Lehrerin die 132 Aufgabe, die Beziehungen zwischen diesen Figuren, wie sie auf dem Fest zum Tragen kommen, in einem Standbild darzustellen (5a). Standbilder sind nach Abschluss einer Szene oder eines Aktes geeignet, den Stand der Beziehungen im Drama darzustellen, die Emotionen einzelner Figuren auszuloten oder als Grundlage dafür zu fungieren, das dramatische Potenzial der folgenden Szenen, sich entwickelnder Konflikte oder des Dilemmas der Protagonistinnen und Protagonisten zu reflektieren bzw. darüber zu spekulieren (vgl. B ERGMANN / K ROTH 2002). 80 Zur Vorbereitung der Standbilder teilt die Lehrkraft von den Schülern auszufüllende Rollenkarten aus, auf denen sie Stichpunkte zu den Charaktereigenschaften der einzelnen Figuren sowie ihrer Beziehung zu anderen Figuren festhalten sollen, um so tiefer in die Konzeption der Figuren eindringen zu können. Nach der ca. 15minütigen Gruppenarbeitsphase werden die drei Gruppen aufgefordert, ihre Ergebnisse zu präsentieren. Dadurch, dass sich auf Grundlage des ersten Standbildes ein intensives Unterrichtsgespräch entwickelt, wird aus Zeitgründen leider nur eines der drei vorbereiteten Standbilder im Unterricht präsentiert. 11: 04 Präsentation des ersten Standbildes zu Akt I,5: S 4 ( ) kniet vor S 16 ( ). Rechts neben ihr (S 16 ) steht S 20 ( ). Hinter dem knienden S 4 steht S 12 ( ) mit einem kurzen Stock (Dolch) in der erhobenen Hand, weil er auf S 4 einstechen will; S 9 ( ) steht links neben S 12 und hält ihn am Arm fest, um ihn davon abzuhalten, S 4 zu erstechen. 25a L Now the class please, can you start interpreting the freeze and S 6 and S 1 (die beiden Schüler sind nicht unmittelbar am Standbild beteiligt, sondern stehen daneben), they sort of present the freeze and choose who`s going to say what, ok? So, can you start your interpretation? Who is who and…? 18d/ a S 6 S 15 ! 36 11: 05 S 15 I think eh S 16 is Juliet and S 4 is Romeo and S 20 is the Nurse and eh S 9 is Lord Capulet and S 12 is Tybalt. Was it Tybalt? 39a, 31 L Tybalt. 14c S 15 …Tybalt, yes, yeah and we see Romeo admires Juliet and the Nurse is close to Juliet and Tybalt tries to kill Romeo because he`s a Montague and ehm Lord Capulet tries to stop him because he doesn`t want any turmoil on the party. 39a S 1 Yeah. 37a [PRÄSENTATION STANDBILD: AKT I, 5] 80 Vgl. Kap. 2.3.2.3. 133 Nach der Präsentation des Standbildes fordert die Lehrerin die Mitschüler bzw. die Beobachter auf, das Standbild zu interpretieren (18d/ a). In der ersten Gruppe, die ihr Standbild präsentiert, sind nicht alle Lernenden unmittelbar an dessen Gestaltung beteiligt. Sie (S 1 und S 6 ) erhalten die Rolle von Kommentatoren ihres Standbildes und Moderatoren des Unterrichtsgesprächs. S 6 ruft S 15 auf, die die verschiedenen Akteure im Standbild identifiziert und deren Gesten und Beziehungen zu den anderen Figuren erörtert (39a). Da S 1 der Interpretation von S 15 vollständig zustimmt und es von daher nicht zielführend ist, noch weitere Interpretationen zu hören, fordert die Lehrerin die Mitschüler auf, ihre eigene Meinung mit ins Spiel zu bringen und das Standbild der Mitschüler zu evaluieren, indem sie fragt, ob die Figuren in Bezug auf die Szene im Drama angemessen dargestellt worden seien (18d, 19). 11: 05 L Fine. The others? Anything else? . Do you think the characters are represented adequately? 14a, 18d, 19 S 6 S 10 ? 36 S 10 Ehm, the Nurse seems to be thinking or sceptical `cause eh maybe she doesn`t know if it`s right what she does. 39a, 24c L Mmh. 14a S 1 Totally right (S 1 und S 6 grinsen). 37a S 6 S 22 ? 36 11: 06 S 22 I would say eh Juliet looks a bit too ehm distant, too unimpressed (Mitschüler lachen). 39a S 16 (sich rechtfertigend) I tried to look at him, but it`s eh sort of odd (S 16 und Mitschüler lachen). 39b [EVALUATION STANDBILD] S 6 leitet auf diese Frage weiter das Unterrichtsgespräch und ruft die sich meldenden Schüler auf (43). Während S 10 eine weitere Interpretation der Darstellung der Nurse liefert, der S 1 wiederum vollständig zustimmt, äußert S 22 Kritik an der Darstellung der Mitschüler: Juliet, die auf diesem Ball Romeo begegne und sich auf den ersten Blick in ihn verliebe, wirke in dem Standbild "too distant, too unimpressed" (46a). S 16 hatte mit der Umsetzung der Darstellung und dem damit einhergehenden Perspektivenwechsel offensichtlich Schwierigkeiten, wenn sie sagt, sie habe versucht, den vor ihr knienden S 4 anzuschauen, es sei für sie aber "sort of odd" gewesen. 11: 06 L Right, so Juliet, what`s the others` opinion? How could we express our situation differently, or you got other ideas? 14a, 18c S 6 S 15 ? 36 S 15 So, ehm, eh she seems so distant because she`s standing and 39a, 38a 134 he`s kneeling in front of her and maybe if he, if they both stood and maybe hug each other, well, something like this, they would seem to be more close (Mitschüler lachen), yeah. S 12 Yeah. (Mitschüler lachen) 37a [FORMULIERUNG VON ALTERNATIVEN] Die Lehrerin fordert die Schülerinnen und Schüler nach der oben geäußerten Kritik auf, der Gruppe ein konstruktives Feedback zu geben und Alternativvorschläge für die Umsetzung der Situation vorzubringen (18c). S 15 liefert darauf einen Erklärungsansatz dafür, dass Juliet "so distant" gewirkt habe und macht anschließend einen Verbesserungsvorschlag für die Darstellung der Szene. Da ein Gruppenmitglied (S 12 ) diesem Vorschlag wiederum zustimmt, unterlässt es die Lehrerin, noch weitere Alternativvorschläge einzuholen. Nachdem die Darstellung von Juliet und der Amme im Standbild interpretiert wurde, lenkt die Lehrerin die Aufmerksamkeit der Schüler auf die übrigen Figuren, Tybalt und Romeo (3b/ 4c). Um die Bedeutung dieser Figuren in der Ballszene und deren Charaktereigenschaften zu erörtern, sollen die Schülerinnen und Schüler einen Rückbezug zu den zuvor erstellten Rollenkarten herstellen. Tybalt wird in diesem Zusammenhang treffenderweise als "choleric" und "hot-tempered" beschrieben. Als Grundlage für die Besprechung dieser beiden Figuren dient nunmehr weniger das Standbild, als die Rollenkarten, was die Gruppe bemerkt und das Standbild auflöst. Während der Besprechung des Standbildes fragt die Lehrerin nach der Bedeutung Romeos und nimmt die Aussage von S 16 , die ihn vor allem in Bezug auf sein schnell wechselndes Interesse von Rosaline zu Juliet betrachtet, zum Anlass, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die Sprache und die unterschiedlichen im Drama zum Tragen kommenden Liebeskonzepte zu lenken. Um mehrere Bedeutungsebenen der Sprache zu erschließen und deren kunstvollen Stil für alle sinnlich wahrnehmbar werden zu lassen, wird die Begegnungsszene von Romeo and Juliet (I, 5) in verteilten Rollen bedeutungserschließend vorgelesen (5b/ 25b): R OMEO [to J ULIET ] If I profane with my unworthiest hand This holy shrine, the gentle sin is this, My lips, two blushing pilgrims, ready stand To smooth that rough touch with a tender kiss. J ULIET Good pilgrim, you do wrong your hand too much, Which mannerly devotion shows in this, For saints have hands that pilgrims` hands do touch, And palm to palm is holy palmers` kiss. R OMEO Have not saints lips and, and holy palmers too? 135 J ULIET Ay, pilgrim, lips that they must use in prayer. R OMEO O then, dear saint, let lips do what hands do: They pray, grant thou, lest faith turn to despair. (vgl. G IBSON 2006: 43) 11: 12L Can you say something about this . love? What is different in contrast to the love that we`ve described on the blackboard a couple of lessons ago? S 8 ! 4b, 19, 13a S 8 Yeah, it seems to be more intellectual, so they both are having a very intellectual conversation and in contrast to that eh the love of Romeo to Rosaline somehow seemed more emotional, more sexuali-, eh sexual aspects. 24b, 30b, 28b L Ok. Mmh. S 7 ? 14a, 13a S 7 Yeah, but on the other hand, ehm, Romeo`s love to Rosaline was eh very one-sided, ehm, he was, yeah, kind of desperate about that and now here, ehm, yeah, he starts a conversation with Juliet, they have one thing in common they talk about, that`s yeah one, one step further. 37a/ b, 38a 11: 13L Mmh. So both of them seem to feel something, yeah? S 21 ? 14f, 13a S 21 Yeah, and when he talks about Rosaline he is very eh sad and his language was dark and all the comparisons he has, eh, he had, eh, like, eh, what was it, heavy lightness, ehm, but now eh he`s very happy and he`s kind of flirting with her and he eh she also and yeah, it`s more, it`s yeah hmm, yeah… (sucht nach den passenden Worten) 30a, 24f L On a higher level? 14f S 21 Ja, also (gestikuliert zustimmend und nickt). 37a L S 15 ? 13a S 15 It has a, some religious part because he talks of, to Juliet like she`s a saint so when, when he talked about Rosaline he was quite interested in the sexual . thing going on and when he talks about Juliet like and calls her a saint . that`s, I think thethere`s no sexual part in this. 37a, 38a 11: 14L Mmh, mmh, so the same contrast as S 8 has already mentioned, ehm the sexual contrast. S 9 ? 20, 13a S 9 Yes, and in eh at the beginning when he talks about Rosaline, he doesn`t speak in rhymes and now ehm both, Romeo and Juliet, ehm talk in rhymes so it shows that the language is somehow, ehm yes, proof and so their feelings are deeper than the feelings ehm Romeo had towards ehm Rosaline. 37a, 38a, 30 L Yes, so the language has changed. They talk in rhymes. What else is striking? It`s not only rhymes, it is more than . rhymes here. They`re talking not only in rhymes. S 18 ! 14a/ d, 11a, 13a 136 11: 15 S 18 Well, they`re creating a sonnet, because Romeo has the first stanza and Juliet has the second and the third stanza they create eh both and then with this ehm sake and take rhyme, eh this is the last ehm couplet and well, what I want to say that it is hard to eh or difficult to say that this time Romeo doesn`t, ehm isn`t interested in a sexual aspect, because he just wants to touch her and to kiss her and, well and, on the other hand we didn`t have a conversation between Rosaline and Romeo. Therefore it is hard to compare how they both behaved and, and when Rosaline was around. 30a, 41, 37b L Yeah, that`s right, we don`t actually meet her, that`s the problem. We only get to know it through his eyes (S 18 nickt zustimmend). S 6 ! 14a/ d, 13a S 6 I wanted to say that eh we also have some maybe metaphors or meto-metonymies in the . discussion (S 6 grinst). 30a L Mmh, for example? 14a, 4h, 17 11: 16 S 6 For example? Ehm, mmh (sucht Textstelle), "this holy shrine, the gentle sin is this, My lips, two blushing pilgrims, ready stand, To smooth that rough touch with a tender kiss." 30a, 24h L Mmh. 14a S 6 Mmh. (grinst) 37a L "This holy shrine", what is meant by that? S 17 ! 11b S 17 Her body. 30b L Yes, her body. 14a/ c S 1 Her virginity. 30b L Ok, yeah, a bit further, Juliet herself. So, eh, quite religious what S 15 has already mentioned, eh, the language is quite religious here, the pilgrims as well and eh finally to get back to the sonnet. What kind of function does it have here? So, we`ve got a sonnet . they`re creating between the two of them, so what is the function here? Why does Shakespeare use it in this scene? S 12 , have you got an idea? (Schüler hat sich nicht gemeldet) 14a/ d, 11b, 4b/ d, 13b 11: 17 S 12 Eh, I don`t know, perhaps it ehm shows more the relationship between both, so it is ehm like ehm I don`t know how to say Juliet eh answers very directly on what Romeo says so this is a very special conversation. 30b L Mmh, yeah, ok. Ehm, S 10 ? 14a, 13a S 10 Ehm, maybe Shakespeare wants talk about that we have ehm any kind of love, so it`s the true love and we get to know love is […] as the Nurse said and […] and so now we have the true love that is important for the whole . Stück. 23a, 24b/ d Teil/ Ganzesbeziehung L Play! 15c 137 S 10 Play. 23a L Mmh, good. S 16 ? 14a/ e, 13a S 16 Yeah, it shows that they are some kind of union, because they`re ergänzen each other (grinst, Mitschüler lachen). 30b, 33 11: 18L Mmh, because they? (zu den Mitschülern) How could you express that? Ergänzen, sie ergänzen sich? 18a S 5 Yeah, they complement each other. 32 L Mmh (Einige Mitschüler haben es nicht gehört und fragen, was? ). 14a S 5 They complement each other. 32 [ERARBEITUNG DER LIEBESKONZEPTE UND ANALYSE DER SPRACHE, AKT I, 5] Bei der hier im Mittelpunkt stehenden Textstelle handelt es sich um die erste Begegnung zwischen Romeo and Juliet und um die poetisch bewegendste Stelle innerhalb der Tragödie. Die Szene ist exemplarisch für die "stilisierte Metaphorik der petrarkistischen Liebesdichtung", denn in ihr sind "Formen und Themen der elisabethanischen Liebeslyrik eingegangen, die um die Entstehungszeit des Dramas in hoher Blüte stand" (K OPPENFELS 2000: 502f.) Die nähere Betrachtung der Sprache in dieser Szene dient hier dazu, die Liebe zwischen Romeo und Juliet im Gegensatz zur Liebe zwischen Romeo und Rosaline näher zu beleuchten und so die verschiedenen im Drama auftretenden Liebeskonzepte zu erarbeiten (poetic vs. romantic love). Die Schülerinnen und Schüler kommen dabei zu dem Ergebnis, dass die Liebe, die Romeo für Juliet empfinde, viel intensiver sei als die für Rosaline, die eher einseitig und auf sexuelle Motive reduziert sei. Das tiefere Empfinden Romeos gegenüber Juliet machen die Schüler daran fest, dass Romeo in Reimen spräche und religiöse Motive zum Tragen kämen, wenn er Juliet mit einer Heiligen vergleiche. An dieser Stelle hätte es sich angeboten, die unterschiedlichen Auffassungen von Liebe und Trauer zur Förderung interkulturellen Lernens nutzbar zu machen und den Sinnhorizont der Lernenden zu erweitern. Auch wenn Liebe und Trauer universelle Konzepte sind, sind sie doch durch gegenwärtige wie vergangene kulturelle Referenzmuster und Weltbilder geprägt und kommen in verschiedenen Kulturen auf unterschiedliche Art und Weise zum Ausdruck. Dementsprechend sind etwa die in Romeo and Juliet zur Darstellung kommenden Liebeskonzepte durch das elisabethanische Weltbild und die petrarkistische Liebesdichtung geprägt. Heutige Liebesauffassungen vermögen zwar immer noch Elemente vergangener Konzepte aufzuweisen (e.g. arranged marriages; die Entstehung des Feminismus Mitte des 19. Jahrhunderts; die love-andpeace-Bewegung in den 1960er Jahren; sexuelle Aufklärung und Revolution; Wandel in der Geschlechterprofilierung; Homosexuellenbewegung), sie sind 138 aber gleichzeitig durch zahlreiche neuere Einflüsse geprägt, sodass man die Geschichtlichkeit der jeweiligen Kultur in den Blick rücken muss, um ein umfassendes Verständnis des entsprechenden Konzeptes zu erlangen. Inwiefern sind heutige Liebesauffassungen beispielsweise durch die neuen Medien geprägt (cyber love, dating over the Internet)? Schließlich hätten sich für ein vertieftes Verständnis der Protagonisten im Sinne einer Rekonstruktion ihrer Innen- und Außenperspektive sowie für einen Transfer zur Lebenswelt der Lernenden an dieser Stelle etwa folgende Fragen angeboten: What do you think about Romeo´s behaviour? "What would you do if you were Romeo and you loved a girl you couldn´t have? " (F LAKE 1998: 69) Would you act the same or differently? How do you evaluate Juliet´s behaviour? Would you be willing to die for someone you love? What do you think about such an understanding of love? Do you think it is romantic or rather dangerous? What would you do if you were supposed to marry someone you don´t know or love? Zudem hätte an dieser Stelle ein intertextueller Bezug zu F LAKE s Jugendroman The Skin I´m In (1998), in dem die Tragödie um die beiden Liebenden als Diskussionsanlass in einer multikulturellen Schulklasse fungiert, gewinnbringend hergestellt werden können. Die Lehrerin lenkt diesbezüglich erneut die Aufmerksamkeit der Schüler auf die Sprache zwischen Romeo und Juliet, wobei S 18 zu dem Ergebnis kommt, dass die beiden in diesem Dialog gemeinsam ein Sonett kreierten, was einmal mehr deren innere Verbundenheit exemplifiziere (11a/ b, 30a/ b). In diesem Zusammenhang greift die Schülerin den Gedankengang eines Mitschülers in Bezug auf Romeos sexuelles Desinteresse gegenüber Juliet auf und macht deutlich, dass Romeo sehr wohl ein körperliches Interesse an Juliet zeige, wenn er davon spräche, sie berühren und küssen zu wollen. Zudem macht die Schülerin hier auf eine Leerstelle im Text aufmerksam, wenn sie darauf hinweist, dass Rosaline nicht ein einziges Mal in Erscheinung trete und es somit schwierig sei, das Verhältnis zwischen den beiden zu beurteilen. Dieser Beitrag von S 18 ist insofern besonders wertvoll, als sie selbstständig auf eine zuvor gemachte Schüleräußerung eingeht, sie korrigiert und dadurch die Analyse voranbringt. An dieser Stelle hätte es sich angeboten, S 15 aufzufordern, ihren Gedankengang noch einmal zu kommentieren. Nach der Erörterung der beiden Liebeskonzepte lenkt S 6 eigenständig die Aufmerksamkeit noch einmal auf die Sprache und nennt die rhetorischen Figuren Metapher und Metonymie, die in dem Sonett Verwendung fänden (30a) (11: 15). Nach Aufforderung der Lehrerin belegt S 6 seine Aussage mit dem Zitat: "this holy shrine, the gentle sin is this. My lips, two blushing pilgrims, ready stand. To smooth that rough touch with a tender kiss." Um die rhetorischen Figuren zu klären, fragt die Lehrkraft, wofür "this holy shrine" stehe. 139 Nachdem zwei Schüler die Vermutungen anstellen, dass es sich auf Juliets Körper und Jungfräulichkeit beziehe, weist die Lehrerin darauf hin, dass es sogar noch etwas weiter gehe und für Juliet selbst stehe. Schließlich lenkt die Lehrerin hin auf die mögliche Funktion, die das Sonett an dieser Stelle hat und fordert die Schüler auf, Hypothesen darüber anzustellen, was Shakespeare mit dessen Integration intendiert haben könnte (11b, 4d). S 12 bezeichnet den Dialog zwischen den beiden als "special conversation" insofern, als die beiden unmittelbar aufeinander reagierten, sodass die Sprecherwechsel quasi ein symbiotisches Verhältnis zueinander hätten (30b). S 10 versteht das Sonett als Zeichen der wahren Liebe zwischen Romeo und Juliet, die für den Rest des Stückes von Bedeutung sei. Die Schülerin macht diesen Dialog der Liebenden als Schlüsselszene innerhalb der Tragödie aus und stellt somit im Sinne des hermeneutischen Zirkels eine Beziehung zwischen Teil und Ganzem her (24b/ d, 23a). S 16 bezeichnet Romeo und Juliet in dem Sonett als eine Einheit. Um die Stunde zu beschließen, stellt die Lehrerin einen Rückbezug zur Ausgangsfrage her und fordert die Schülerinnen und Schüler auf, die beiden wichtigsten Entwicklungen innerhalb der Ballszene zu benennen. Die Lerngruppe hebt dabei die Opposition von Liebe und Hass hervor, insofern sich Romeo und Juliet auf den ersten Blick ineinander verliebten und der Hass zwischen Tybalt und Romeo neuen Aufschwung erhalte. Zu der hier sehr detailliert besprochenen Szene lässt sich feststellen, dass die einzelnen von der Lehrerin gestellten Aufgaben alle miteinander verknüpft sind und sie somit einen ganzen Task cycle bzw. ein scenario erstellt (vgl. L EGUTKE 2006/ 2008b). Als Ausgangspunkt für die Aufgabensequenz fungieren die lebensweltlichen Erfahrungen der Lernenden hinsichtlich einer guten Party. Anschließend erfolgt ein Rückbezug zum Text, indem die Schüler aufgefordert werden, Hypothesen über die möglichen Erwartungen und Intentionen der Capulets bezüglich des Balls aufzustellen. Sodann werden die auftretenden Figuren auf der Ballszene gemeinsam ausgehandelt sowie deren Konstellation erarbeitet, was als Grundlage für die schließlich zu erstellenden Standbilder fungiert und die Aufgabensequenz somit in ein kreatives Produkt der Lernenden mündet. Das Standbild erfährt eine intensive Vorbereitung, insofern die Lernenden dazu angehalten werden, im Vorfeld die Charaktereigenschaften der Figuren zu erarbeiten und sie auf Rollenkarten festzuhalten, um anschließend deren Konstellation kreativ in ein anderes Medium transformieren zu können. Nach der Präsentation erfolgt eine Besprechung und Nachbearbeitung, indem die Mitschüler bzw. die Beobachter aufgefordert werden, das Standbild zu interpretieren, sowie die Angemessenheit der Dar- 140 stellung zu bewerten und Verbesserungsvorschläge vorzubringen. Im Anschluss daran beschäftigt sich die Lerngruppe intensiv mit der Sprache, analysiert das zwischen Romeo und Juliet erzeugte Sonett und interpretiert dessen Funktion. Hierbei wird die Analyse kräftig durch einzelne Schülerinnen und Schüler vorangebracht und es lässt sich die Hypothese aufstellen, dass die Task-orientation und die kreative Aufgabenstellung geeignet waren, die Analyse vorzubereiten und zu fördern. Insgesamt zeichnet sich die hier analysierte Bearbeitung der Ballszene durch einen methodischen Pluralismus aus, der sowohl kreative wie analytische Arbeitsformen integriert und zu einer intensiven Beschäftigung mit den Figuren, deren Konstellation und der Sprache führt. Dabei werden die kommunikativen, analytischen, kreativen und evaluativen Fertigkeiten und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler gefördert. Hinsichtlich der quantitativen Verteilung von Lehrer- und Schüleräußerungen lässt sich konstatieren, dass sie dem von S INCLAIR und C OULTHARD (1975) identifizierten stereotypen Dreierschritt des Lehrer-Schüler-Dialogs von initiation - response- feedback weitgehend entspricht und es nur zu wenigen Schüler- Schüler-Interaktionen kommt. Eine Ausnahme stellt hier lediglich der Beitrag von S 18 (11: 15) dar, in welchem sie selbstständig auf eine von S 15 zuvor gemachte Äußerung eingeht und sie korrigiert. ) ) % # <! )= % , >, % & # , < ? ? @= Da zwischen der letzten und dieser Stunde aufgrund einer Klassenfahrt und der Herbstferien vier Wochen vergangen sind, beginnt die Lehrerin die Stunde damit, die Schülerinnen und Schüler die zuletzt behandelten Szene (Akt I, 5) laut lesen zu lassen, um wieder in das Thema zu finden. Anschließend werden die Lernenden aufgefordert, die Entwicklungen innerhalb der Szene sowie die Figurenkonstellation zu rekapitulieren. Die Lehrerin hat Rollenkarten der Figuren vorbereitet und erstellt anhand der Schülerbeiträge ein Soziogramm an der Tafel. Nach der Wiederholung der Begebenheiten auf dem Fest der Capulets und der erneuten Erarbeitung der Figurenkonstellation stellt die Lehrerin einen intermedialen Bezug her, indem sie den Schülerinnen und Schülern die Ballszene aus der Verfilmung von Baz Luhrmann von 1996 zeigt. Dazu erteilt sie den Lernenden die viewing task, auf die Umsetzung der Figuren zu achten und sich dazu Notizen zu machen, die als Grundlage für die anschließende schriftliche Hausaufgabe dienen sollen. Neben der Fertigkeit des note-taking 141 zielt diese Aufgabe vor allem darauf ab, die Fähigkeit der Lernenden zu einem bewussten und kritischen Umgang mit audiovisuellen Medien im Sinne einer allgemeinen Medienerziehung zu fördern (vgl. HKM 2006: 8). Die filmische Umsetzung wird dabei nicht ausschließlich zum Vergleich mit der literarischen Vorlage eingesetzt, sondern als eigenständiges Medium betrachtet, dessen ästhetische Mittel es zu erörtern gilt. Dies trägt nicht nur der Tatsache Rechnung, dass Film mittlerweile in den meisten Lehrplänen als eigenständiges Medium erkannt und genannt wird, sondern auch der in jüngster Zeit immer häufiger laut werdenden Forderung nach einer umfassenden "Filmbildung" bzw. "TV literacy" im Fremdsprachenunterricht (vgl. B LELL / L ÜTGE 2008; S URKAMP 2004; Z ERWECK 2007). Nach dem Sehen der Ballszene erhalten die Schülerinnen und Schüler die Hausaufgabe, für die Folgestunde ein Essay zu schreiben, in dem sie die Ballszene in der literarischen Vorlage mit der filmischen Umsetzung von Baz Luhrmann in Bezug auf die Darstellung der Figuren vergleichen und kommentieren (6a/ b). Das Verfassen von Essays und Kommentaren ist fester Bestandteil der Ausbildung in der gymnasialen Oberstufe und verlangt von den Lernenden nicht nur das Einhalten bestimmter Strukturierungsprinzipien (Einleitung, Hauptteil, Fazit), sondern auch, dass sie ihre Interpretationen und Sinndeutungen durch eine entsprechende Argumentation untermauern und anhand von Beispielen illustrieren. Des Weiteren verlangt die Aufgabe, dass die Lernenden den Filmausschnitt aufmerksam anschauen, um einerseits Abweichungen von der literarischen Vorlage zu registrieren und sich andererseits dazu äußern können, durch welche filmischen Mittel die Atmosphäre in dieser Szene hergestellt wird und wie der Regisseur im Film allgemein Bedeutung vermittelt. Als Hilfestellung für diese Aufgabe teilt die Lehrerin den Schülern den betreffenden Auszug aus dem Screenplay zum Film aus. 81 Zu Beginn der darauffolgenden Stunde erhalten die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe, ihre Hausaufgabe mit ihrem Sitznachbarn zu tauschen, zu lesen und sich Notizen zu Unterschieden, Abweichungen und ggf. Ergänzungen zu machen. Während der Bearbeitung dieser Aufgabe hängt die Lehrerin die Karten mit den Namen der Figuren, anhand derer in der vorangehenden Stunde ein Soziogramm der Figurenkonstellation der Ballszene in Shakespeares Romeo and Juliet erstellt wurde, wieder an die Tafel. Im weiteren Verlauf der Stunde werden schließlich zwei dieser schriftlichen Hausaufgaben vorgelesen und besprochen. 81 Der Skriptauszug stammt aus P EARCE / L UHRMANN (1996). 142 S 22 konzentriert sich in seiner Hausaufgabe auf den Vergleich der unterschiedlichen Figurenkonfiguration der Ballszene in der literarischen Vorlage und der filmischen Umsetzung (26a/ b, 23b). Dabei beschränken sich seine Aussagen auf die Ab- und Anwesenheit bestimmter Figuren und deren Handlungen auf dem Fest, sodass die schriftliche Hausaufgabe vornehmlich auf einer beschreibenden Ebene angesiedelt ist und auf einen Kommentar, eine Bewertung oder Interpretation verzichtet. S 22 beginnt seinen Text zwar mit der Behauptung, dass in der filmischen Umsetzung "some more or less important aspects" fehlen, beleuchtet diese Aspekte aber nicht hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Szene, sondern entzieht sich einer Bewertung durch vage Formulierungen wie "for some reason". Die Äußerung, dass das Ende der Szene im Film geändert worden sei, um es "more exciting" zu machen, beinhaltet zwar ein Werturteil, wird aber leider nicht erläutert bzw. durch ein Beispiel veranschaulicht. In Bezug auf die Struktur ist festzustellen, dass Einleitung und Fazit fehlen, sodass der Text eher eine Aneinanderreihung teilweise zusammenhangsloser Sätze darstellt als ein kohärentes Essay. Gleichwohl ist eine Struktur insofern feststellbar, als sich S 22 an der Chronologie der Szene orientiert. Nach dem Vorlesen des ersten Essays durch S 22 entwickelt sich ein Unterrichtsgespräch über die Figurenkonstellation der Ballszene in der filmischen Umsetzung. Die Beiträge der Lernenden hält die Lehrerin an der Tafel fest und erstellt so ein vergleichendes Soziogramm zu der Ballszene in der literarischen Vorlage. Die Lernenden sind dabei immer wieder angehalten, ihre Beiträge zu begründen und es treten im Verlauf des Gesprächs unterschiedliche Interpretationen, insbesondere bezüglich des Status von Lady Capulet und Paris, zutage. Die Lehrerin lässt die unterschiedlichen Sinndeutungen zu, nimmt die Beiträge der Lernenden ernst und signalisiert ihnen, dass die Figurenkonstellation in dieser Szene durchaus unterschiedlich interpretiert werden kann (10: 12). Dementsprechend erfolgt das Erstellen des Soziogramms in kollaborativer Zusammenarbeit und dient gleichzeitig der Ergebnissicherung. Anschließend gibt die Lehrerin den Impuls, ein weiteres Essay vorzulesen, um zusätzliche Abweichungen zwischen Drama und Film herauszufiltern. 10: 12 L We need another text, another essay to read out. Get some more information. Perhaps, one or the other of you has focused on different aspects, for example, costumes or . (von den SuS kommt bisher keine Reaktion) or you can also read out if you`ve got quite the same, doesn`t matter. Come on! (wartet) S 16 . 14a, 13a 10: 13 (liest Hausaufgabe vor) While reading the scene in Shakespeare`s 26a/ b, 143 S 16 10: 14 10: 15 book the atmosphere is not clear. The reader has to imagine it by himself. The language is the only feature to create an atmosphere. In the film it is much easier to feel the feeling-, feelings of Romeo and Juliet. The director took a singer who sings a beautiful love song. Everybody is dancing to it. Romeo and Juliet don`t meet each other right away. The director let them meet and see each other through the aquarium. With the help of the pane it seems like Romeo and Juliet stand next to each other. That expresses their wish to be close together. The costumes play an important role at this moment. Romeo is a knight, Juliet is an angel and Paris an astronaut. An astronaut is far away and explores foreign places in the space. He is very modern and the suit makes him look like he has seen and experienced a lot of things. Being an astronaut he is able to (unverständlich) away. The knight is always someone who rescues a princess needing help or defending his country and his property with his life. Juliet is the angel. In scene 2, Act II, she is transformed into an angel by Romeo. With these costumes the director is able to show the relationship between the characters. In the book it is impossible to express those facts without the description of the costumes. Shakespeare doesn`t use such, such stage directions. He uses the sonnet to show how close Romeo and Juliet are to each other. Paris doesn`t appear in the scene. To show that Juliet´s mind is occupied with thoughts about Romeo, he lets her dance with Paris. During this dance, she doesn’t waste her time watching Paris or flirting with him. She looks all the time at Romeo. In the film Tybalt is the devil. Fitting to his reactions toward Romeo, he wears red devil horns. In the film, the Nurse shows, shows scorn for Romeo. In the book this feeling doesn`t fit. Shakespeare lets Romeo and Juliet kiss in the middle of the feast, but in the film they get some priva-, privacy. Fleeing from the feast, they get into the elevator and the doors close. Nobody can see them kissing each other. When the elevator opens the Nurse sees them . and she reacts angry. In the book she seems more worried about Juliet and is obviously very sad loving their enemy`s son. 30a/ b, 23b, 24c, 28a [ESSAY ZUM VERGLEICH DER BALLSZENE (I, 5) IN DRAMA UND FILM] S 16 legt den Fokus ihres Essays auf die im Film erzeugte Atmosphäre, die im Gegensatz zur literarischen Vorlage mithilfe unterschiedlicher Requisiten wie dem Aquarium oder den Kostümen erzeugt werde (26a/ b, 30a/ b, 23b, 24c, 28a). Dabei beschränkt sie sich nicht auf die Aufzählung der filmischen Mittel, sondern interpretiert sie anschließend. Das Aquarium, durch das sich Romeo und Juliet betrachteten, symbolisiere Nähe, aber gleichzeitig Distanz und die Tatsache, dass Romeo als Ritter, Juliet als Engel und Paris als 144 Astronaut verkleidet seien, interpretiert S 16 auf der Grundlage ihres Weltwissens, indem sie die mit den jeweiligen Kostümen verbundenen Attribute auf die Gesamtsituation überträgt. Ein Ritter wird ihrer Meinung nach mit Mut und Tapferkeit assoziiert, der sein Vaterland verteidigt und in Not geratene Prinzessinnen rettet. Hinsichtlich Juliets Kostüm eines Engels verweist S 16 darauf, dass Romeo Juliet in der Balkonszene (II, 2) der Tragödie als Engel bezeichne, was der Regisseur hier aufgreife. Die einander zugeordneten Kostüme Ritter - Engel signalisierten somit die enge Beziehung zwischen Romeo und Juliet. Die Tatsache, dass Paris als Astronaut verkleidet sei, bringe dagegen die emotionale Distanz, die Juliet ihm gegenüber empfinde, zum Ausdruck. Tybalt sei als Teufel verkleidet, was auf dessen aggressiven und bösartigen Charakter verweise. Juliets Amme sei gegenüber Romeo im Film feindlicher eingestellt als im Drama und im Unterschied zum Text küssten sich Romeo und Juliet nicht auf der Tanzfläche, sondern im Fahrstuhl, was ihnen laut S 16 etwas Privatsphäre ermögliche. Die detaillierte Analyse der Filmszene von S 16 erfolgt im steten Vergleich mit der literarischen Vorlage und sie kommt zu dem Ergebnis, dass es im Film durch die zahlreichen zur Verfügung stehenden ästhetischen Mittel leichter sei, die Emotionen der Figuren nachzuvollziehen als in der literarischen Vorlage, zumal Shakespeare auf ausführliche Regieanweisungen verzichte und vielmehr auf subtile stilistische Mittel, wie der Verwendung der Sonettform rekurriere, um die Nähe zwischen Romeo und Juliet darzustellen. 10: 15 L Mmh, excellent. (Mitschüler klopfen Beifall auf den Tischen) 14e S 5 Did you say in the film, in the film they got their privacy? 41, 34 S 16 Yeah, also in, eh at last again, ehm. 37a, 35a S 5 Yeah, and the elevator, the door opens and… 37b S 16 First, they`re closed. 37b 10: 16 S 5 Yeah, first, they kiss, but then it`s opened and the Nurse sees it and so the guests see it too. Because, they react kind of disgusted what, when they come out the elevator. 37a/ b, 38b L So, there are definitely some disturbances . at the end. 14d/ (h) S 5 Yeah. 37a Nachdem S 16 durch die gesamte Klasse in Form von Beifall gewürdigt wurde, geht S 5 unaufgefordert auf das Essay ein und stellt S 16 s Aussage, dass Romeo and Juliet im Film durch den Fahrstuhl einen intimen Moment hätten erleben dürfen, in Frage (41, 34). S 5 interpretiert die Fahrstuhlszene im Film anders als S 16 und hat ein persönliches Interesse daran, diesen Aspekt für sich zu klären, sodass es hier zu einer bisher eher seltenen Schüler-Schüler- 145 Interaktion kommt. Nachdem S 5 und S 16 diesen Punkt verhandelt haben, lenkt die Lehrerin die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die von S 16 bereits angesprochenen Symbole und Kostüme, um diesen Aspekt im Unterrichtsgespräch weiter zu vertiefen und zu erörtern, was diese Aspekte über die Beziehungen zwischen den Figuren aussagen. 10: 16 L Pretty obvious. Ehm, S 16 , eh what did you say at the beginning? You said, the characters or Romeo and Juliet do not meet straight away, they…? 14a/ f S 16 Mmh. 37a L What did you write down there? Did you? Repeat that. 14g S 16 Eh, they don`t meet each other right away. The director let them meet and look at each other through the aquarium pane. 23b, 26a/ b L 10: 17 Ok, yes. Right, so that`s also a very important aspect. Ehm, good. If you . just summarize what, of course, you have realized as well, but what we`ve heard ehm from S 16 `s homework about Juliet. So what is her appearance like in the film? Could you just summarize it and compare it to Romeo? S 14 ? 14a/ e, 4a/ e, 13a S 14 Well, ehm, Juliet, Juliet is dressed as an angel and she seems to be very shy … 23b L Mmh. 14i S 14 … and yes, mmh. 35a L Yeah, ok. S 4 ? 14a, 13a S 4 Well, ehm, the, the dress underlines her innocence and the love maybe. Eh, eh, at first she`s very shy, but then as they are kissing in the elevator she loses this ehm (schaut fragend zum Nachbarn)… 23b, 24e, 35a, 31 S 3 Shyness. 32 L Shyness, yeah. S 5 ? 14a/ c, 13a S 5 Yeah, she`s kind of torn away from Romeo by the Nurse who looks after her more than in the book. 23b, 26b L Mmh. More like a distance than in the book? 14f 10: 18 S 5 Yeah, in the book eh the Nurse is, kind of gives her advice… 37a, 35a, 23b, 26b L Mmh. 14i S 5 …and eh is kind of like a, more like a mother to her… 35a, 23b L Mmh. 14i S 5 …and in the movie it`s kind of more like a, yeah babysitter or something. 35a, 26b, 23b L Yeah, ok, good. So Juliet, ehm innocent, she`s shy, she`s very ehm you could say childlike, innocent, she is eh delicate in a way, 14a/ e/ d, 3b, 6a, 146 an angel, very young she looks very young. And Romeo of course, the knight and what does that mean? Angel, knight. S 17 ? 13a S 17 Ehm, a knight conquers for ehm a castle or ehm the love of a princess. 23b, 26a, 28a L He fights for it, yeah? Ok, he tries to get the love of a lady. 14d 10: 19 S 9 Yes, I think it should reflect ehm how, yes the strong emotions and that he`s ready to fight for eh Juliet`s love and in the end he dies so perhaps it`s some kind of predestination we get to know in the film. 37a, 23b, 24d/ e, 26a, 27 L Yeah, ok, fine. And Paris? What impression have you got of him in the film? S 20 ? 14a, 3b, 6a, 13a S 20 Ehm, I have the impression that eh he doesn`t really love ehm Juliet, because ehm, ehm yeah when they ehm look at the (fragt Nachbarin) was heißt denn Feuerwerk? Eh, the fire, eh… 24e, 23b, 26a, 31, 33 L Fireworks? 10, 14f S 20 Yes, he doesn`t recognize that she goes away, so I don`t know, is somehow strange. 37a, 23b, 24e, 26a L Not really in love. What`s the others` opinion about that? S 8 ? 14d, 18c, 13a 10: 20 S 8 He`s very ridiculous and naïve and hasn`t really recognized that ehm the eh Juliet`s sighs goes to Romeo. 23b, 24e, 26a L Mmh, S 6 ? 14i, 13a S 6 Yeah, how did you call, eh unrequited love? Maybe, I think it`s, it`s the case in the relationship between Juliet and Paris and I think Paris just fell in love in Juliet`s beauty and not in the character of Juliet. 37a, 23b, 38a, 24d/ e, 28b L 10: 21 Yes, so that is the second time in the play that we face the onesided love, unrequited love. Rosaline and Romeo and Paris and Juliet. And on the other hand then we`ve got the romantic love of eh Romeo and Juliet (schreibt 'romantic love' und Romeo and Juliet an die Tafel). So, perhaps you remember, we called it poetic love between ehm Rosal/ i/ ne or Rosal/ ai/ ne and Romeo, because it was somehow artificial (schreibt 'poetic love' und die Paare Romeo & Rosaline, Paris & Juliet an die Tafel ). 14a, 21, 19, 3b, 6a, 13a In diesem Gesprächsausschnitt greift die Lerngruppe die von S 16 in ihrer vorgetragenen Hausaufgabe angesprochenen Kostüme auf und betont, dass Juliets Engelskostüm für ihre Unschuld stehe und Romeos Ritterkostüm signalisiere, dass er jederzeit bereit sei, um sie zu kämpfen. Des Weiteren werden Unterschiede in der Rolle der Nurse zwischen der Tragödie und der filmischen Umsetzung herausgearbeitet und die Figur Paris näher beleuchtet. Die Schüler kommen zu dem Ergebnis, dass Paris nicht wirklich in Juliet 147 verliebt sei und S 8 bezeichnet ihn sogar als "ridiculous and naïve", da ihm nicht aufgefallen sei, dass Juliets Seufzer Romeo gegolten hätten. Das Adjektiv "ridiculous" scheint in diesem Zusammenhang zwar inadäquat, wird von der Lehrerin aber unkommentiert stehen gelassen. S 6 greift im weiteren Verlauf die "unrequited love" zwischen Juliet und Paris auf, ein Aspekt, der im Vorfeld bereits in Bezug auf Romeo und Rosaline angesprochen wurde und stellt somit eigenständig einen Transfer zu zuvor Gelerntem her (28b). Nachdem die Lernenden die Funktion der Kostüme von Romeo, Juliet und Paris in der Szene vertieft haben, lenkt die Lehrerin die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler abschließend auf die noch ausstehenden Figuren Lady und Lord Capulet und Tybalt. Im Unterrichtsgespräch ordnen die Lernenden den Filmkostümen mit Hilfe ihres Vor- und Weltwissens symbolischen Charakter zu (26a, 28a). Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Lady Capulet als Kleopatra verkleidet sei und identifizieren die damit verbundenen Attribute Schönheit, Luxus und Macht. Dass Lord Capulet als Caesar verkleidet sei, führe deren Beziehung vor Augen, da Caesar und Kleopatra auch historisch gesehen, ein Paar gewesen seien (23b, 24e). Tybalt sei als Teufel verkleidet, was von den Lernenden als Hinweis darauf interpretiert wird, dass er in der Tragödie insgesamt die Rolle des Bösewichts bzw. Romeos Antagonisten einnähme. Zudem werde Tybalt als Gegensatz zu Juliet, die als Engel verkleidet sei, verstanden und Romeo werde zwischen dem Engel Juliet, der ihn liebe und dem Teufel Tybalt, der ihn hasse, situiert. Die Interpretation der Kostüme verlangt von den Lernenden insgesamt, dass sie ihr (geschichtliches) Vorwissen aktivieren und miteinbeziehen. Nach der Besprechung der Kostüme lenkt die Lehrerin schließlich die Aufmerksamkeit noch einmal auf das Aquarium und fordert die Lernenden auf, Hypothesen über dessen Bedeutung aufzustellen (6a, 3b, 4d/ e). S 10 interpretiert das Aquarium dahingehend, dass sich Romeo und Juliet durch das Aquarium zwar sehen könnten, es aber gleichzeitig ein unüberwindbares Hindernis darstelle. Für S 21 verweist das Symbol des Aquariums darauf, dass Romeo und Juliet aus zwei unterschiedlichen Welten stammen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Hausaufgabe von S 16 insofern als Gesprächsauslöser und 'Stütze' (scaffolding) fungiert, als fast alle der von ihr angesprochenen Aspekte im Unterrichtsgespräch aufgegriffen und vertieft werden, sodass die Ballszene in der filmischen Umsetzung eingehend in Bezug auf Kostüme und Symbole analysiert und mit der literarischen Vorlage verglichen wird. Es wird deutlich, dass die Verschränkung von schriftlicher Analyse und anschließendem Gespräch eine wichtige Funktion bei komplexen Unterrichtsgesprächen z.B. über literarische Texte oder Filme hat. 148 Bezüglich der quantitativen Verteilung von Lehrer- und Schüleräußerungen lässt sich wie in Kap. 5.2.5.1 feststellen, dass die Beiträge dem vielfach kritisierten 'Ping-Pong-Spiel' entsprechen, d.h. dass sie durchgängig zwischen Lehrer und Schülern abwechseln und auch hier keine Gespräche der Schüler untereinander stattfinden. Eine Ausnahme bildet lediglich die Sequenz zwischen S 5 und S 16 (10: 15). ) ) ' ' ( % Bei den im Folgenden dargestellten schriftlichen Schülerarbeiten handelt es sich um den Vergleich der Ballszene (I, 5) zwischen literarischer Vorlage und der Verfilmung von Baz Luhrmann. Die Schülerarbeiten werden hier unkorrigiert wiedergegeben, um den schriftlichen Leistungsstand der Lerngruppe nicht zu verfälschen. Die Schüler hatten die Hausaufgabe bekommen, ein Essay zu schreiben, in welchem sie die Filmszene mit dem Drama vergleichen und kommentieren, wobei sie insbesondere darauf achten sollten, wie der Regisseur im Film Bedeutung vermittelt. Obwohl es verschiedene Formen von Essays gibt (aufzählend, argumentierend, überzeugend etc.), haben alle Formen die Gemeinsamkeit, dass sie die Gedanken des Verfassers zu einem bestimmten Aspekt wiedergeben und aus insgesamt drei Teilen bestehen (introduction, main body, conclusion). Da in der betreffenden Unterrichtsstunde nur zwei dieser Essays (S 22 und S 16 ) besprochen werden konnten, werden hier noch drei weitere abgedruckt, die einen Eindruck von den Schreibkompetenzen der Schülerinnen und Schüler vermitteln. S 1 Comparison: play I, 5 A film script By skimming through the film script, you`ll find many similarities to the play (I, 5). The most important information like Tybalt`s dismissal by Capulet, the kiss between Romeo and Juliet and at the end, the vague information Romeo and Juliet get about each other are similar to the play, but there are some changes in the chronology and order of the speeches and the characters and their way of acting. For example Tybalt`s speech: "I will withdraw…" (l. 66) is in the original version set after his uncle rebukes him and in the film at the end of this excerpt, after Romeo`s and Juliet`s kiss and the information that they are both of competing families. So it increases the tension and forebodes a bad ending of their love, for Tybalt talks about "sweet to bitterous gall" (l. 67). Furthermore, we see Juliet dancing with Paris at the beginning and the Nurse interrupts them. In the original, there is no meeting with Paris within I, 5. All these changes increase tension in a shorter amount of time and create the upcoming conflict faster. Most of the poetic devices instead of Romeo`s and Juliet`s speeches and their sonnet are left out to shorten the scene. 149 S 1 beginnt sein Essay mit den Gemeinsamkeiten zwischen literarischer Vorlage und filmischer Umsetzung. Nach der Nennung mehrerer Gemeinsamkeiten leitet er über zu den Unterschieden in Bezug auf die Chronologie der Szene, wie etwa die Ansprache Tybalts oder das Auftreten von Paris, der bei Shakespeare in dieser Szene nicht in Erscheinung trete. Die Tatsache, dass Tybalts Monolog am Ende der Szene platziert werde, sieht S 1 als spannungssteigerndes Moment insofern, als es den tragischen Ausgang des Stücks vor Augen führe. Die Hausaufgabe von S 1 hat eine deutliche Struktur, d.h. das Essay beginnt mit einer Einleitung, die die Gemeinsamkeiten hervorhebt, um dann zu den Unterschieden überzuleiten, die S 1 an Beispielen illustriert und ihre möglichen Funktionen erörtert. S 21 In the play "Romeo and Juliet" by William Shakespeare scene 5 of act one is one of the most important scenes of the play. During the Capulet` s feast Romeo and Juliet meet eachother for the first time and fall in love. On the other hand we have Tybalt`s glowing hate towards Romeo, because he, Romeo, is actually not allowed to join the feast: he is a Montague - the great enemy. So we have a contrast - the love and hate - which is the reason for the conflict the play deals with. In the original version we have several actions of different people in only one scene: first there are the servingmen, then Lord Capulet conducting them and talking to Cousin Capulet about the past, Tybalt spotting Romeo and becoming angry, Lord Capulet calming him down, Romeo and Juliet talking and kissing and finally the nurse introducing Juliet and Romeo. All in all a very confusing scene, especially in comparison to the other version: the servingmen and Cousin Capulet are cut off because they are not necessary for the plot. Furthermore Paris and Lady Capulet, in the original version missing, take an important role for describing the atmosphere. With these two characters the director emphasizes the following conflict. Apart from missing characters, speeches and dialogues were shorten and partly left out. For example sentences which describe or explain something: covered with an antic face. Explanations are not necessary in a movie. But also narrative sentences were left out otherwise the scene or the movie would have been too long. Also the changed order of dialogues is significant: the time Tybalt expresses his hate towards Romeo was changed: in the "new" version of scene 5, he does it at the end. This feature underlines the conflict - ending and leaving a scene like this foreshadows a tragedy. Besides the nurse`s role changed. In the Shakespearean version she is somekind of matchmaker, but now she is a simple nurse caring for Juliet. Also significant is the last part where Romeo and Juliet talk in very short monologues about their love and their future: the monologues were put together for underlining their unity but also their lost future. 150 S 21 leitet ihr Essay damit ein, die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse der letzten Stunde wiederzugeben. Die Lerngruppe kam zu dem Ergebnis, dass die wichtigsten Entwicklungen dieser Szene darin bestünden, dass sich Romeo und Juliet verliebten und sich im Gegensatz dazu Tybalts Hass gegenüber Romeo steigere. Im ersten Absatz gibt S 21 eine Inhaltsangabe der Ballszene in Shakespeares Tragödie, die sie im Vergleich zur filmischen Umsetzung als verwirrend empfinde. In der Filmversion sei die Szene weniger verwirrend, da weniger wichtige Figuren weggelassen worden seien. Demgegenüber seien zwei Figuren, Paris und Lady Capulet, die im Drama nicht auftreten, hinzugefügt worden, um, so S 21 , die konfliktgeladene Atmosphäre zu betonen. Weitere von S 21 identifizierte Abweichungen beziehen sich auf die Länge von Lord Capulets Rede, einzelne Dialoge sowie die Abwesenheit von Erläuterungen, wie sie im Drama in der Form von Regieanweisungen zum Tragen kämen. Die Tatsache, dass Tybalt seinen Hass gegenüber Romeo im Film am Ende der Szene zum Ausdruck brächte, interpretiert S 21 wie S 1 als spannungssteigerndes Moment und Vorausdeutung des tragischen Endes. Danach leitet sie wieder zu den Figuren über und thematisiert die veränderte Rolle der Amme im Film. Zum Abschluss geht S 21 auf die Monologe bzw. den Dialog zwischen Romeo und Juliet ein, der ihre Verbundenheit veranschauliche. Im Drama kreierten die beiden Figuren mit ihren Sprecherwechseln allerdings ein Sonett, sodass hierin keine Abweichung zu sehen sei. Insgesamt lässt sich zu dem Essay von S 21 feststellen, dass sie einige wichtige Unterscheidungen identifizieren konnte und diese nicht nur benennt, sondern auch in Bezug auf ihre Bedeutung interpretiert. Die Struktur des Essays erscheint allerdings wenig kohärent, wenn S 21 mit den wichtigsten Entwicklungen der Szene beginnt, sodann eine Inhaltsangabe gibt und schließlich über Figuren zu Abweichungen in der Handlungsstrukturierung wieder zu den Figuren überleitet. S 10 Comparing Act 1, scene 5 from William Shakespeares`s tragedy "Romeo and Juliet" with Baz Luhrmann`s film "Romeo and Juliet" we need to differentiate between two aspects: the language and the way of presenting the scene. In the following essay I am going to find out about differences and similarities between the scene of the book and the extract from the film. The filmscript is of course not as detailed as the speeches in the book are. The director`s task is to cut the original play that clever, that the scene does not lose its original sense and that the scene is not too long. Luhrmann just takes over the main important aspects, he abriges some speeches, but he also uses some of them in the 151 original form. The disputation between Lord Capulet and Tybalt is nearly the same as it is in the book. Luhrmann takes over words like "villain" and "foe", with the effect that the viewer just gets to know once more about the deep anger and hate between the Capulets and the Montagues. He also assigns a role to Lady Capulet and Paris. With Paris` words "will you now deny to dance" and Lady Capulet`s statement "A man young lady, such a man" Luhrmann reminds the viewer again of Juliet`s predestination, an aspect that Shakespeare leaves out in that scene. Romeo and Juliet fit together so well from the beginning that their gentle battle of wits forms a sonnet. This wonderful form, often used to write about love, shows the beauty and force of that moment. It is a very important speech in Shakespeare`s tragedy because it points out the real love between Romeo and Juliet. Luhrmann takes the whole sonnet over, apart from the fact, that he had no other chance. Any other decision would have destroyed this strong expression of love. By using the original sonnet in his film, he gets the reader the seriousness and real love of that situation. But there are also some differences, especially in the order of speeches. During Tybalt`s and Capulet`s argue about Romeo, Tybalt says "I will withdraw: but this intrusion shall, Now seeming sweet convert to bitterous gall." That is the way Shakespeare wrote it down. Luhrmann, the other way round, puts these words at the end of the extract and obtains, by doing that, much more effect on the viewer. The viewer gets to know once more the hate and anger, he gets the impression that Tybalt is as serious as one can be and he gets the feeling, that his words will lead to terrible consequences. Shakespeare`s way of putting these words in the middle of the argue is not wrong, but in my opinion it doesn`t reflect the seriousness. The reader just gets the impression that Tybalt is angry and says some unreasonable things in his emotional state. Thus we can see that the differences between language are very important. Only small changes in sentences might change the whole meaning. But the way of presenting something, the way of acting is another aspect, that is important so point out the sense of the scene. Luhrmann introduces the scene with an aquarium, that separates Romeo from Juliet. By doing that he shows that a fulfilled relation between both will never be possible. It points out some kind of predestination.They can see each other, love each other, but they won`t get each other. Furthermore we talk about a fancy-dress ball. Luhrmann presents Juliet as an angel, Tybalt as a devil and Lady Capulet as Cleopatra. These are some very important aspects because they point out the behaviour and the character much better than just by words. Juliet, an innocent girl, dominated by her mother, the big Cleopatra and Tybalt, the devil, that would destroy any kind of love between Romeo and Juliet. That is also the way Shakespeare describes his characters. To sum it up, I can say that Luhrmann had some kind of interpretation but he nevertheless didn`t change the meaning. S 10 beginnt ihr Essay mit einer detaillierten Einleitung und der Ankündigung, dass sie in ihrem Essay Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Drama 152 und Film zu untersuchen anstrebe. Anschließend weist sie darauf hin, dass es die Aufgabe eines Regisseurs sei, die Filmszene so zu kürzen, dass sie nicht ihre ursprüngliche Bedeutung verliere. So identifiziert S 10 Abweichungen in der Länge der Rede Lord Capulets, in der Chronologie der Szene sowie der Tatsache, dass Lady Capulet und Paris im Gegensatz zum Drama in der Filmszene auftreten würden, um Juliets vorherbestimmtes Schicksal zu unterstreichen. S 10 weist aber auch auf Gemeinsamkeiten hin in Bezug auf den Streit zwischen Lord Capulet und Tybalt und darauf, dass Luhrmann Wörter wie "villain" und "foe" aus dem Original übernommen habe, um den Zuschauern einen Eindruck von dem sich steigernden Hass zwischen den Capulets und den Montagues zu vermitteln. Nach der Besprechung der äußeren Abweichungen geht S 10 auf weitere Gemeinsamkeiten ein, wie dem von Romeo und Juliet gemeinsam kreierten Sonett, das sie als eine "wonderful form" bezeichnet, die häufig benutzt werde, um über Liebe zu schreiben und die der Szene Schönheit und Kraft verleihe. Laut S 10 konnte Luhrmann dieses Sonett nicht weglassen, da er ansonsten diesen starken Ausdruck der Liebe und die Ernsthaftigkeit der Situation zerstört hätte. Im Anschluss daran geht S 10 auf weitere Abweichungen in der Chronologie der Reden ein, insbesondere der Tatsache, dass Tybalts Hassbekundungen gegenüber Romeo am Ende der Szene platziert worden sei, und interpretiert es ähnlich wie S 21 als Betonung der Ernsthaftigkeit dieses Hasses und als Vorausdeutung des tragischen Endes. Diese Verschiebung empfindet S 10 sogar gelungener als in der literarischen Vorlage. In ihrem letzten Absatz geht S 10 schließlich noch auf die im Film verwendeten Symbole und Kostüme ein und interpretiert sie. Das Aquarium verkörpere für S 10 eine Grenze, die Romeo und Juliet trenne und verdeutliche, dass eine erfüllte Liebe zwischen den beiden nicht möglich sein würde. Hinsichtlich der Kostüme weist S 10 darauf hin, dass diese das Verhalten und die Beziehungen der einzelnen Figuren viel besser unterstreichen würden als es Worte könnten. S 10 beendet ihr Essay damit, dass Luhrmann in seiner Verfilmung zwar schon "some kind of interpretation" vorgenommen, die Gesamtbedeutung allerdings nicht verändert habe. Zu diesem insgesamt längsten und strukturiertesten Essay lässt sich feststellen, dass sich die Schülerin eingehend mit der Szene beschäftigt hat, dabei Unterschiede wie Gemeinsamkeiten herausarbeitet und eine konsequente Bewertung der einzelnen Abweichungen vornimmt und sie interpretiert. Diese drei Essays führen vor Augen, dass es sich zwar um eine leistungsheterogene Lerngruppe handelt, sich aber alle Schüler intensiv mit der Ballszene sowohl im Drama als auch in der Verfilmung auseinandergesetzt und zahlreiche Gemeinsamkeiten und Unterschiede identifiziert 153 haben. Die Aufgabenstellung war demnach geeignet, die Interaktion zwischen den Lernenden und dem Text bzw. dem Film zu intensivieren, den Verstehensprozess zu vertiefen und ihre Schreibkompetenzen zu fördern. Die schriftlichen Schülerleistungen zeugen davon, dass Schülerinnen und Schüler eines 13er Leistungskurses durchaus in der Lage sind, sowohl literarische Texte als auch audiovisuelle Medien und filmische Mittel detailliert analysieren und vergleichen zu können und diese schriftlich zu präsentieren. Lediglich in Bezug auf die Strukturierung von Essays bestehen einige Unsicherheiten. ) ) 3 & 4 % 5 4 % & ! ! ! Zur inhaltlichen Erarbeitung der fünf Szenen in Akt III erteilt die Lehrerin einen kreativen Arbeitsauftrag. Die Lerngruppe wird in fünf Gruppen eingeteilt und jede soll jeweils eine Szene übernehmen und die in ihr dargestellte Handlung kreativ darstellen. Dabei gibt die Lehrerin verschiedene Darstellungsformen zur Auswahl, aus denen die Gruppen ihren Interessen entsprechend wählen dürfen. Von den insgesamt fünf entstandenen kreativen Gruppenarbeiten werden im Folgenden zwei dargestellt. 82 10: 57 L Right, ehm, ok. So we have got five scenes, we`ve got five groups. We can either or I can either tell you which group is going to do which scene or you can ehm tell me your preference, if anybody would like to work on scene 1 or 2 or 3. Scene 4? (Gruppen melden sich für bestimmte Szene, L teilt diese zu) Right, shh, could you please (L ermahnt einige SuS, die laut sind). Ok, so what you have to do. First of all, in your group work I would like you to communicate in English. And second, your task, I would like you to present the crucial development within your scene in the following way (geht zur Tafel und schreibt verschiedene Darstellungsformen an), so you`d rather choose one possibility, either performance in a way that we`ve already done that, press conference, newspaper article, letter, diary entry, dialogue, comic, poem or more ideas that you have got. So you can choose one and present, shh, you choose one to present the main, the crucial development within your scene, the main aspect of your scene, ok? If you have got own ideas, something that I might have forgotten, just… 12, 16, 5a 82 Die übrigen kreativen Schülerprodukte wurden bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt (vgl. K IMES -L INK 2008). 154 Eine Gruppe verfasst einen Zeitungsartikel zu Akt III, 4. Bei dem Verfassen eines Zeitungsartikels handelt es sich um die Umgestaltung des Ausgangstextes bzw. von Teilen von diesem in eine andere Textsorte. Obwohl es unterschiedliche Formen von Zeitungsartikeln gibt, ist allen Formen gemein, dass ein Zeitungsartikel über eine griffige Überschrift verfügen sollte, um die Aufmerksamkeit der Leser zu wecken. Durch den Hauptteil eines Zeitungsartikels ziehen sich sodann wie ein roter Faden die Fragen Wer? Was? Wo? Wann? Warum? und Wie? (vgl. T HALER 2007: 302). 10: 51 S 5 Shall I go or can I…(geht zur Tafel) We (Gruppe besteht aus S 4 , S 5 , S 8 , S 14 , S 21 ) did a newspaper article on scene 4, ok, so (liest vor) Marriage of the Year After the tragic death of a close family member named Tybalt, Lord Capulet`s precious daughter is supposed to marry the wonderful and charming Lord Paris, the bachelor of the year. This could easily turn out to be the most anticipa-, anticipated wedding in Verona`s history. This prideful event will hopefully ease the tension between the Montagues and the Capulets. Präsentation der 4. Gruppe, Szene 4 25a [ZEITUNGSARTIKEL ZU AKT III, 4] Der Zeitungsartikel verfügt zwar über eine Überschrift, aber abgesehen davon entspricht er strukturell kaum den Konventionen dieser Textsorte. Der Ton des Artikels ist sehr subjektiv ("precious daughter”, "wonderful and charming Lord Paris"), was ihn einem editorial oder einer feature story annähert und davon ausgegangen werden kann, dass die Lerngruppe beim Verfassen des Zeitungsartikels eine Zeitschrift wie Gala oder Die Bunte vor Augen hatte. Das Attribut "the bachelor of the year" spielt möglicherweise auf die im deutschen Fernsehen übertragene US-Reality Show "The Bachelor" an und erweckt zusätzlich den Anschein, dass es sich hier um einen Beitrag für die Regenbogenpresse bzw. um ein Boulevardmagazin handelt. Inhaltlich hebt die Lerngruppe in ihrem recht kurzen Zeitungsartikel zu Akt III, 4 auf die durch den Tod Tybalts beschleunigte Vermählung zwischen Juliet und Paris ab. Da Lord Capulet Juliets Trauer um Romeo als Trauer um Tybalt missinterpretiere und nicht wisse, dass Romeo und Juliet bereits verheiratet seien, glaube er, ihr durch die vorgezogene Hochzeit etwas Gutes zu tun. Der letzte Satz des Zeitungsartikels erscheint unplausibel, da nicht ersichtlich ist, in welcher Weise die Hochzeit zwischen Juliet und Paris das Verhältnis zwischen den Montagues und den Capulets positiv beeinflussen sollte. Nach der Präsentation dieses Zeitungsartikels lenkt die Lehrerin die Aufmerksamkeit der Schüler auf die dem Text inhärente Ironie. 155 10: 52 L So this ehm marriage or supposed-to-be ehm marriage between Juliet and Paris. Where lies the dramatic irony here in that . announcement? In that newspaper article? S 19 ? 14d, 18d, 13a S 19 Ehm, I didn`t understand the question. 34 L Well, who can help? Shall I ask the question again? 12 S 19 Yes, please. 37a L So, what what is in a way ironic within this newspaper article? It is the so-called dramatic irony. 12, 18d, 2a S 19 Ehm. 10: 53L Perhaps we get a bit (unverständlich) S 12 ? 13a S 12 Ehm, he didn`t really mention that Juliet doesn`t want to marry Paris. 39a, 23b L Yes, in the first place, love, that is surely not mentioned. S 4 ? 14a/ d, 13a S 4 And she is already married with Romeo, … 39a, 23b L Yes. 14a S 4 … so this wedding will never ease the, the tension between the houses. 35a, 39a, 23b, 24d L Exactly, S 18 ? 14a, 13a S 18 Well, I think it`s also ironic that Capulet wants Juliet to marry just eh after the death of Tybalt and to comfort her with the marriage, and therefore. 23b L 10: 54 Ok, so this ehm feature of dramatic irony is when the audience knows something for example here that Juliet is married. I think we`ve already mentioned the, this term before. The audience knows something that eh at least some of the characters on stage do not yet know and this is called dramatic irony. And here this was presented in the newspaper article, yeah? So very short scene, but the most important things have been mentioned. 2a, 5a Die Frage, wo die dramatische Ironie in diesem Zeitungsartikel liege, ruft bei den Lernenden Unverständnis hervor. Erst als die Lehrerin die Frage vereinfacht und fragt, was an dem kreativen Schülerprodukt ironisch sei, weisen die Schüler zuerst darauf hin, dass Juliet Paris gar nicht heiraten wolle und erst anschließend merken sie an, dass Juliet bereits mit Romeo verheiratet sei. S 4 unterstreicht, dass dies der Grund dafür sei, dass die Hochzeit niemals die Spannung zwischen den Montagues und den Capulets lindern würde. Hier liegt m.E. ein Missverständnis vor, denn selbst wenn die Hochzeit zwischen Juliet und Paris hätte stattfinden können, stünde sie trotzdem in keinem Zusammenhang mit der Familienfehde. Dies lässt die Lehrerin allerdings unkommentiert stehen. Um ihre Ausgangsfrage verständlich zu machen und die Diskussion des Zeitungsartikels abzurunden, erklärt die 156 Lehrerin den Begriff der 'dramatischen Ironie', ein gängiger Begriff der Dramenanalyse, und attestiert der Gruppe, dass sie die wichtigsten Begebenheiten der Szene entsprechend der Aufgabenstellung in ihrem Artikel dargestellt hätten. Ob der ironische Effekt von der Gruppe allerdings intendiert war oder auf einer unzureichenden Textkenntnis beruhte, bleibt offen. Eine weitere Gruppe baut ein Standbild zu Akt III, 5 und kommentiert es mit einem selbst verfassten Sonett. Wie bei dem Zeitungsartikel handelt es sich bei dem Verfassen eines Sonetts um die Transformation des Textes in eine andere Textsorte, d.h. hier die Transformation eines dramatischen in einen lyrischen Text. Das Standbild dient in diesem Fall dazu, den Stand der Beziehungen in Akt III, 5 darzustellen. 10: 54 L And finally, ehm there would be scene 5. Gruppe (S 3 , S 10 , S 15 , S 17 , S 23 ) stellt sich am hinteren Ende des Raumes auf und bereitet ihr Standbild vor. S 15 kniet, S 3 steht vor ihr mit erhobenem linkem Arm, S 23 legt seine rechte Hand auf S 3s linke Schulter. S 10 steht rechts neben der knienden S 15 . 25a 10: 55 S 15 We have a combination of a freeze and a sonnet. Ok. (liest vor) O Juliet, how poor and lost you are The Heavens above weep over your fate For every move you make becomes a scar And everywhere you turn there`s only hate Forbidden is my only sweetest love I `m forced to swallow bitter poison now My father keeps me caged just like a dove He breaches me with love that I feel whole My mother will no longer save my life And the Nurse tries not to fail in mother`s grace A way our tomb like only be a knife [unklar] Or else I miss my family`s embrace Alas, is this what it is meant to be I`m left alone in deepest agony. (Mitschüler klatschen) 25a/ b [STANDBILD UND SONETT ZU AKT III, 5] Das von der Gruppe verfasste Sonett entspricht wie die zu Beginn der Unterrichtseinheit behandelten Sonette 18 und 130 von Shakespeare den strengen formalen Konventionen, wie sie die elisabethanische Sonettdichtung dominierten. Dementsprechend besteht das Gedicht aus 14 Versen und umfasst drei vierzeilige Abschnitte (Quartette) in alternierender Reimfolge bzw. im Kreuzreim und endet in einem Zweizeiler im Paarreim (couplet). 157 Somit ergibt sich das folgende Reimschema: abab/ cdcd/ efef/ gg. Ein konsistentes Metrum ist jedoch nicht auszumachen. Das Sonett beginnt mit einer Apostrophe an Juliet, die vom lyrischen Sprecher beklagt wird. In Strophe zwei wechselt der Sprecher und Juliet wird vom lyrischen Du zum lyrische Ich, die ihr Schicksal beklagt. Das Sonett vermittelt die ausweglose Situation Juliets auf poetische Art und Weise und gibt den Inhalt von Akt III, 5 aus der Perspektive Juliets wieder. Dabei werden Aspekte thematisiert und interpretiert, die im Drama unkommentiert bleiben. So verbalisiert Juliet, dass sie von ihrem Vater wie ein Vogel im Käfig gehalten werde, ihre Mutter nicht länger auf ihrer Seite stehe und die Amme sich von ihr abwende, um nicht das Ansehen und Vertrauen von Lady Capulet zu verlieren. Im Gegensatz zu dem zuvor besprochenen sehr kurzen und teilweise unplausiblen Zeitungsartikel, zeugt dieses sehr kreative selbst verfasste Sonett der Lernenden nicht nur von deren Kompetenz, diese literarische Form detailliert analysieren zu können, sondern auch davon, dass sie in der Lage sind, dieses Analysewerkzeug konsequent in der eigenen Textproduktion umzusetzen. Gleichzeitig dokumentieren sie dabei ihr gründliches Textverständnis und formulieren Sachverhalte, die in der literarischen Vorlage Leerstellen bleiben. Die Tatsache, dass das Sonett zunächst Juliet adressiert und dann sogar aus Juliets Blickwinkel verfasst ist, zeugt von der intensiven Beschäftigung mit dieser Figur und einer erfolgreichen Perspektivenübernahme. 10: 56 L Shall we explain your positions, or? Yeah? Ok, so could you please do that once again (meint, dass die Gruppe ihr Standbild noch einmal in Position bringen soll) and the others please… 18d S 18 10: 57 Well, I think S 15 should be Juliet because she kneels in front of her father, which is S 3 . He`s Lord Capulet and, well he`s angry at Juliet because she refuses to marry Paris, well and Juliet, yeah, likes him to, to yeah to understand her or something like that and well, then S 10 should be the Nurse who is yeah somehow on the side of eh Juliet and S 23 is Lady Capulet. 39a L Yeah, ok. Anything else? S 16 ? 14a, 18c/ d S 16 Yeah, I think S 10 is like the mother on Juliet`s side, so (Rest unverständlich) 37a, 38a L Yes, and this is exactly what I would like to refer to now. What is or what does eh the Nurse have in mind in this scene? The Nurse`s role here in the scene? 14a, 3b, 13a S 3 We would also like to analyse the stylistic features of the poem. 41 158 10: 58 L Oh . Ok, so . we`re going to do that afterwards. So, just perhaps the question, the Nurse`s role here in this scene? S 15 ? 4c, 13a S 15 Ehm, I think the Nurse says that Juliet shall marry Paris, ehm because it`s better and I think ehm, it seems to Juliet that the Nurse ehm is betraying her and she doesn`t want to help her, but I think the Nurse`s intention is to help Juliet in her situation. She, she`s not, she, ehm she tries to make the situation better for her, because she knows that the situation is very complicated and on the other hand the Nurse eh knows that they` re having this plan or they`re going to have this plan with the Friar to re-, to reunite Romeo and Juliet, so. 23b, 24d/ e L Yeah? So, she, you think she still wants the best. 14f/ d S 15 Yes, I think so. 37a 10: 59 L S 6 ? 13a S 6 Yes, but I think Shakespeare didn`t want the audience to see it that clear because ehm well the, the audience ehm should, yeah, think that the Nurse is on Juliet`s side, but ehm we see on page 137 ehm, yeah, line 215 or so, we see that the Nurse is ehm the Nurse thinks that the marriage with Paris, Paris will be a good thing for Juliet and so eh, yeah, the Nurse cheers her up, but she doesn`t really ehm say that ehm that Juliet should be together with Romeo. Yeah, she does want the best for Juliet, but she doesn`t really say that she`s supposed to be with Romeo. 24f/ h, 33b, 37b, 38b L 11: 00 Yeah, that`s right, it`s not very obvious here at that stage, you`re right. But then we, eh she is or she wants to help and that is what she does later on, yeah? She`s sort of an accomplice to Juliet. All right, thank you. (Mitschüler klatschen) . So, surely the most important development within the scene is Tybalt`s death and Mercutio`s death and ehm the resulting banishment and ehm in Act IV we already start having sort of a falling tension as in the tragedy. 14a/ d, 21, 5a, 18d Nach der Präsentation des Standbildes und dessen Kommentierung durch das von der Gruppe verfasste Sonett leitet die Lehrerin umgehend dazu über, die Positionen erklären zu lassen. Bei der Interpretation der einzelnen Figuren besteht Uneinigkeit darüber, ob die von S 10 dargestellte Figur Lady Capulet oder die Nurse sein soll (39a). Die Lehrerin nimmt dies zum Anlass, die Rolle der Nurse in dieser Szene etwas genauer zu betrachten (4c). Die Interpretation des Standbildes erscheint hiermit abgeschlossen (10: 58), denn die Besprechung der Figur der Nurse erfolgt unabhängig davon. Obwohl S 3 nach der Präsentation des Sonetts explizit darauf hinweist, dass die Gruppe gerne 159 die Struktur des Gedichts analysieren würde (41), geht die Lehrerin leider überhaupt nicht darauf ein. In diesem Fall hätte es sich gelohnt, das Sonett auf Folie zu ziehen, um es der Lerngruppe zugänglich zu machen und eingehend zu besprechen, da eine Analyse nach einem einmaligen Vorlesen für die Lerngruppe schwierig ist. Insgesamt lässt sich zu diesen zwei kreativen Aufgaben feststellen, dass sie von der Lehrkraft leider nur für das Abfragen der wichtigsten Entwicklungen bzw. der Textkenntnis intendiert waren, denn sie geht auf die tatsächlich erbrachten (schriftlichen) Leistungen der Schülerinnen und Schüler gar nicht ein (vgl. K IMES -L INK 2008). Somit bleibt unklar, warum die Lehrerin in diesem Zusammenhang eine kreative Aufgabenstellung wählt. Trotz dieser recht eng gesteckten inhaltlichen Vorgabe, kommen die Lernenden insbesondere in Bezug auf das Sonett zu sehr kreativen und imaginativen Ergebnissen, die neue Aspekte im Text beleuchten, indem sie Juliets Gedanken und Gefühle gegenüber ihrem Vater und ihrer Mutter ausformulieren und das Verhalten der Nurse interpretieren. Die Bewältigung der Aufgabe hat somit zu einem erfolgreichen Perspektivenwechsel und zu einer intensiven Beschäftigung mit der Figur der Juliet geführt. Dadurch, dass die Lehrerin aber überhaupt nicht auf das kreative Schülerprodukt eingeht, kommt ihm hier bloß die Funktion des scaffolding zu, auf dessen Grundlage die Rolle der Nurse in dieser Szene thematisiert wird. Während hinsichtlich des Zeitungsartikels zwar keine stilistischen Gesichtspunkte thematisiert werden, stellt die Lehrerin dennoch Vertiefungsfragen und zieht sogar das Fazit, dass alle wichtigen Aspekte der Szene genannt wurden. Die kreative Leistung der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf das Standbild und das Sonett werden hingegen vollständig übergangen. Weder wurde das Sonett trotz Aufforderung durch S 3 in Bezug auf Form oder Inhalt analysiert bzw. kommentiert, noch wurden die Positionen des Standbildes hinsichtlich ihrer Angemessenheit in Bezug auf die Szene evaluiert, noch wurde das Produkt hinsichtlich der Aufgabenstellung, nämlich der Wiedergabe der wichtigsten Entwicklung in Akt III, 5, beurteilt. Diese Tatsache wird dadurch verstärkt, dass die Lehrerin am Ende des Unterrichtsgesprächs den Schluss zieht, dass die wichtigsten Ereignisse dieser Szene (gemeint ist der ganze Akt) der Tod Tybalts und Mercutios seien. Das Schülerprodukt fungiert hier zwar als Diskussionsstimulus in dieser Stunde, doch die Erarbeitung der Rolle der Nurse wäre ohne Weiteres auch ohne die kreative Transformation der Lernenden möglich gewesen. Die kreativen Leistungen der Lernenden wurden somit kaum zur Kenntnis genommen bzw. gewürdigt. Das ist bedauerlich, da gerade die Verarbeitungstiefe offensichtlich zum besseren Verstehen der Figuren und der zentralen Konflikte beiträgt. 160 ) ) / 7 " Als Hausaufgabe für die letzte Sitzung dieser Einheit erhalten die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, einen persönlichen Kommentar zu der Tragödie zu verfassen. Der genaue Arbeitsauftrag lautet wie folgt: "Your task is to write a personal comment on Romeo and Juliet. A personal comment, your own approach, your own thoughts to the play." Das Verfassen von Kommentaren ist integraler Bestandteil des Fremdsprachenunterrichts in der gymnasialen Oberstufe und regelmäßig Gegenstand der schriftlichen Abiturprüfung. Ein Kommentar verlangt von den Lernenden, dass sie ihre Meinung zu einem bestimmten Thema zum Ausdruck bringen und verfügt, wie ein Essay oder Zeitungsartikel, über eine bestimmte Struktur. So beginnt ein Kommentar mit einer Einleitung, gefolgt von einer Meinungsäußerung, die sodann durch Beispiele untermauert und schließlich in der Schlussgebung noch einmal zusammengefasst wird (vgl. T HALER 2007: 296). Einer dieser Kommentare wird im Folgenden vorgestellt. S 10 10: 02 10: 03 (liest Hausaufgabe vor) Although it was about four hundred years old, Romeo and Juliet is one of the most popular stories ever told. Shakespeare`s tragedy talks about the deadly feud between two powerful families. The hatred and the anger between both, Capulets and Montagues, leads to this, to their children`s suicide. Juliet and Romeo who see in doing that their last chance to be free and to really find each other`s love. Shakespeare`s Romeo and Juliet tells us a lot about human nature. It`s got all the right ingredients: two natures that want to live their forbidden love, parents that are responsible for their children`s fatality, fights, parties, murders and a good deal of humour. In doing that Shakespeare worked out a structured and famous play that hasn`t lost anything of its popularity. I liked the aspect of beginning as a comedy and turning out tragically later on. In the beginning we get to know about some street fights and other daily problems, which dominate the families` homes. Shakespeare`s tragic way of presenting the seriousness of his tragedy is very deft. He uses the method of augmentation. The story`s commencement seems to be funny and light-hearted and bit by bit the plot becomes more tragical and suddenly the reader notices that there was an underlining tone that has been tragic the whole time. Thus, from the very beginning Shakespeare hides lots of forebodings which cannot be seen by reading just superficially. And also lots of word puns whose various meanings often shows some dramatic underlining tone. Therefore, the reader can see that Shakespeare`s work is full of 24a/ b/ e, 23b, 30a/ b, 28a 161 10: 04 detail-, details and that he expects the audience reading his tragedy thoroughly. Another aspect I really like was his way of creating and presenting the characters. Here as well we can see the concept of augmentation. Juliet in the beginning presented as a young girl without any experience seems to be a character of perfect truth and innocence. She seems to be such gentle, but strong love expands her whole being, makes her strong and mature. The same thing counts for Romeo. His exuberance of passion and sentiment and his living in a world of imagination makes him seem more excited than any other person in the play as controversial as it seems. But he`s the one who knows what to do. He develops a strong will and knows about his fate. By opposing characters like Romeo and Juliet and static characters like the Nurse, we can see the development of (unverständlich). I like reading about their development. It`s interesting to observe and gaining experiences. Thus, Shakespeare has succeeded by, by doing that. The last point I would like to mention in this comment about Romeo and Juliet is his use of extremes. The dominating image is light. Every form and manifestation of it. The sun, moon and stars, fire, lightning, the flash of gun power and the reflected light of beauty and love while by contrast we have night, darkness, clouds, rain, death. By using these extremes light and dark, love and hate, life and death, Shakespeare points out the seriousness of his play. The predestination of the lovers becomes clearer and he shows the wonder of a love arising out of hatred and triumphing in, and triumphing over it in death. Shakespeare succeeds in showing his characters` emotions. The only thing he left some kind of open was in my opinion the end of the tragedy. I think the conciliation between both families isn`t very convincing. Maybe Shakespeare wanted to make the audience think about how the play might go on. He created the end because he somehow had to please the audience, but it nevertheless does not seem very realistic. Thus, to sum it up, I can say that Shakespeare created a tragedy that really deserves its celebrity. (Mitschüler klopfen beifallend auf die Tische und klatschen) [PERSÖNLICHE KOMMENTARE DER SCHÜLER] In diesem Kommentar verarbeitet S 10 nicht nur viele in der Unterrichtseinheit thematisierten Aspekte, sondern zieht auch wie S 8 ein persönliches Fazit, indem sie darauf hinweist, dass uns Shakespeare "a lot about human nature" erzähle. Darüber hinaus geht sie auf strukturelle und textanalytische Aspekte ein, wenn sie betont, dass ihr die Tatsache, dass die Tragödie als Komödie anfange und als Tragödie ende, besonders gefallen habe. Sie nennt weiter von Shakespeare verwendete rhetorische Figuren und Kontraste und lobt die Art 162 und Weise, wie der Autor seine Figuren konzeptioniere und deren Emotionen und Entwicklungen darstelle. Dabei verwendet sie der Figurenanalyse entsprechendes Vokabular wie "static characters". Zudem insistiert S 10 , dass eine oberflächliche Lektüre der Tragödie nicht geeignet sei, um "underlining tone[s]" und "forebodings" zu identifizieren. Insgesamt bewertet sie die Tragödie sehr positiv und ihres Ruhmes würdig. Allein das Ende erscheint ihr unglaubwürdig und sie interpretiert es dahingehend, dass Shakespeare seine elisabethanischen Zuschauer möglicherweise animieren wollte, über den weiteren Verlauf der Geschichte zu spekulieren. Dieser Kommentar zeugt nicht nur von der Kompetenz der Schülerin, eine Shakespeare-Tragödie eingehend analysieren, interpretieren und dies auch in schriftlicher Form schlüssig darlegen zu können, sondern auch von ihrer Wertschätzung und dem persönlichen Gewinn, den sie aus der Lektüre gezogen hat. Wie bei vielen anderen Schülerprodukten in dieser Unterrichtseinheit geht die Lehrkraft leider auch hier nicht auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler ein. Das ist an dieser Stelle besonders bedauerlich, denn die großen Unterschiede in den persönlichen Kommentaren der Lernenden hätten als Ausgangspunkt für eine fruchtbare Diskussion fungieren können, in der sie sich über ihre individuellen Verstehensweisen austauschen. Eine Thematisierung insbesondere des Kommentars von S 10 hätte dazu führen können, dass die Lernenden, die weniger versiert sind im Verfassen von Kommentaren, ihre Schwierigkeiten durch den Abgleich mit einem positiven Beispiel reflektieren. In diesem Fall hätte ein Prozess stattfinden können, in dem die Schülerinnen und Schüler voneinander lernen. ; # = ! 6 ( 5 5 1* 52 Im Anschluss an die letzte Stunde der Unterrichtseinheit wurden im Sinne der Perspektiven- und Datentriangulierung mit sechs Schülerinnen und Schülern in jeweils zwei Dreiergruppen (S 21 , S 6 und S 10 sowie S 2 , S 3 und S 15 ) retrospektive Leitfadeninterviews durchgeführt, die ebenfalls videografiert wurden und von denen im Folgenden kurze Auszüge präsentiert werden sollen. Die Entscheidung für zwei Dreiergruppen wurde auf Anraten der Lehrkraft gefällt, die anmerkte, dass sich die Lernenden in einer solchen Konstellation möglicherweise gesprächsbereiter zeigen würden als in einer Sechsergruppe, was die ursprüngliche Idee der Forscherin war. Dabei wurden bewusst sehr leistungsstarke und weniger leistungsstarke Schülerinnen und Schüler gewählt, um eine größtmögliche Varianz an Perspektiven auf das Unterrichtsgeschehen zu beleuchten. Einige der Leitfragen greifen Fragen auf, die bereits im Unterricht thematisiert wurden und vertiefen sie bzw. heben sie 163 auf eine Metaebene und reflektieren sie. Andere Fragen sind auf Schwierigkeiten, denen die Lernenden während der Lektüre begegnet sind, auf den individuellen Lerneffekt und auf eine Evaluation der unterschiedlichen im Unterricht eingesetzten Methoden durch die Lernenden gerichtet. ) @ ' ( & $ <0! ' ! = 10: 39 AKL Welche Schwierigkeiten haben sich bei der Lektüre für euch ergeben? S 10 Also ich fand`s am Anfang ziemlich schwer reinzufinden, weil ich fand die Sprache halt total ungewohnt, aber ich finde, man gewöhnt sich eigentlich relativ schnell dran, also je mehr man gelesen hat, desto einfacher ist es auch geworden. = 30a S 6 Ja, am Anfang war das halt, eh hab ich halt jedes Wort eigentlich fast nachgeguckt, weil ich nicht wusste, was es heißen sollte und so zum Schluss eigentlich war das so, ich hab das überflogen, hab diese Inhaltsangabe an der Seite durchgelesen, die da in zwei, drei Sätzen zusammengefasst sind und dann hab ich es eigentlich relativ gut verstanden. Zum Schluss ging das eigentlich auch relativ schnell. = 30a AKL (zu S 21 ) Ging dir das ähnlich? 10: 40 S 21 Also bei mir war das halt so, also diese Verfilmung da mit Leonardo di Caprio und so, die kannte ich sozusagen auswendig, halt auf Deutsch ja und deswegen war das halt so, als wir mit dem Prolog angefangen haben, da hatte ich die ganze Zeit diesen Film im Kopf und da ich ja auch wusste, wie die Handlung ist und auch, obwohl es im Film ein bisschen anders ist, fiel mir jetzt das Lesen nicht so schwer, weil ich wusste, was sie sagen, also. Und, was ich halt nur gemerkt habe war, ja dass es halt ganz anderes Englisch war, es aber nicht unbedingt schwerer war. Aber sonst fand ich es jetzt eigentlich auch nicht so schwer. Filmversion = 26b [SCHWIERIGKEITEN] Hinsichtlich der bei der Lektüre aufgetretenen Schwierigkeiten nennen die Lernenden erwartungsgemäß sprachliche Schwierigkeiten, die sich allerdings mit der Zeit verringert hätten. Die sich in der verwendeten Cambridge School Shakespeare-Ausgabe befindenden Kurzzusammenfassungen wurden diesbezüglich von den Schülern dankend aufgenommen. S 21 s Aussage, dass sie die Verfilmung von Baz Luhrmann und somit die Geschichte im Vorfeld "sozusagen auswendig" gekannt habe, weist darauf hin, dass ihr dieses Vorwissen das Verständnis erleichtert hat. AKL Was habt ihr durch das Lesen von Romeo and Juliet gelernt? S 10 Also, wenn man jetzt von der Sprache ausgeht auf jeden Fall, sprach- 164 10: 41 dass man lernt mit schwieriger alter Sprache umzugehen, dass man auch nicht jedes mehr Wort nachguckt, sondern dass man einfach erst mal liest und dann guckt, dass man es halt, man versteht es dann meistens im Zusammenhang und man braucht gar nicht jeden einzelnen Satz und jedes Wort verstehen. Das war jetzt halt nur sprachenbezogen. lich; Lesestrategien = 24e, 30a S 6 Dann auch die, wie die Briten früher gelebt haben mit diesem Elisabethan world picture, wie die gedacht haben und so. = 27 kulturell AKL Könntest du das noch etwas erläutern? S 6 Ja, das mit diesem ehm... S 21 Chain of being. = 27 S 6 Chain of being, genau, dass das eben alles schon vorherbestimmt ist und dass man ja eben jetzt, wenn man zum Beispiel einen Mord begeht an jemandem, der höher ist als man selbst, dann bringt man eben alles in Chaos und so Sachen. Daran haben die halt gedacht und das muss man schon wissen, wenn man das Buch liest. Vorwissen = 24e, 27 AKL Also es ist ein gewisses Vorwissen erforderlich, um das Drama einordnen und verstehen zu können. S 6 Genau. 10: 42 AKL Habt ihr über das elisabethanische Zeitalter hinaus noch etwas über die fremde Kultur gelernt? S 21 Ehm, na ja also was wir vorhin auch schon gesagt haben, halt eben von der Zeit, aber das war jetzt nicht, ich sag mal, was einen wahnsinnig überrascht hat, weil wir eben eigentlich schon oft darüber geredet haben, wie es jetzt eben früher war und so und man weiß es halt eben, deswegen hat`s einen nicht so großartig überrascht eigentlich, aber so halt, was das eben war mit dem Elisabethan world picture. = 24e, 27, 28b AKL Habt ihr auch etwas über euch selbst gelernt? . Wie ihr denkt oder fühlt? über sich selbst S 10 10: 43 Ich nicht unbedingt. Es gibt vielleicht, ehm man liest so über die Charaktere was und kann sich vielleicht so zum Teil identifizieren mit denen und erkennt sich da selbst ein bisschen drin wieder, aber was draus gelernt eigentlich nicht, also über mich. = 24c/ e S 6 Ich auch nicht. Also es gibt ja auch Leute, die glauben an diese predestination da und es gibt Leute, die nicht daran denken und ich glaube, zu denen gehöre ich eher, deswegen. Naja das ist halt so ne Geschichte, die les ich, das ist interessant und dann fertig eigentlich, also. = 24e, 27 [LERNZUWACHS] Die Lernenden geben an, durch die Lektüre Shakespeares und der Behandlung der Tragödie im Unterricht nicht nur deklaratives Wissen über die Spra- 165 che und das elisabethanische Weltbild gelernt zu haben, sondern S 10 verweist auch auf Aspekte von Lesekompetenz wie Ambiguitätstoleranz und prozedurales und strategisches Wissen, wie dem "guessing from context", wenn sie sagt, sie habe gelernt "mit schwieriger alter Sprache umzugehen, dass man auch nicht mehr jedes Wort nachguckt, sondern dass man einfach erst mal liest und dann guckt, dass man es halt, man versteht es dann meistens im Zusammenhang". S 10 gibt auch an, sich mit den Figuren identifiziert zu haben, glaubt aber nicht, dadurch etwas gelernt zu haben (10: 43). S 21 s Verweis darauf, dass sie "eigentlich schon oft darüber [die fremde Kultur] geredet" und sie die gewonnenen Erkenntnisse deshalb nicht "großartig überrascht" hätten, lässt darauf schließen, dass die Schülerin aus ihrem bisherigen Englischunterricht bereits einiges (Vor-)Wissen über die englische Kultur und Geschichte hatte, das sie für die Rezeption des Dramas heranziehen konnte. 10: 43 AKL Das habt ihr eigentlich schon in der Stunde besprochen, aber um es noch mal von euch zu hören: Inwiefern hat Shakespeare Relevanz für heutige Jugendliche? S 10 10: 44 Dass halt die ganzen Themen, die da drin sind, find ich, kann man halt auch auf die heutige Zeit anwenden. Die sind halt in den damaligen Verhältnissen so umgesetzt worden, aber die ganzen, dass sich zwei Jugendliche lieben und Streit mit Eltern und so, das kann man auch alles auf die heutige Zeit beziehen. Universelle Themen = 24b/ e, 28a S 21 Ja, ich find auch so z.B. wo ich auch so`n bisschen schmunzeln musste, wo Mercutio mit Benvolio so`n bisschen Scheiß macht und wo er so sagt, ja von wegen du bist auch so einer, der kommt in die Kneipe und macht so Trara und keine Ahnung und so Jugendliche machen ja heute auch nicht anders Mist miteinander und das war schon ja doch sehr realitätsnah, wenn auch in einer anderen Sprache, aber letztendlich doch so dasselbe eigentlich. = 24e, 28a [LEBENSWELTLICHE RELEVANZ] Die Antworten auf die Frage nach der Relevanz Shakespeares für heutige Jugendliche zeugen davon, dass die Lernenden durchaus in der Lage sind, das Dargestellte auf ihre eigene Lebenswelt zu beziehen, es für sich zu aktualisieren und sich darin wiederzufinden. So spricht S 10 implizit universelle Themen wie Liebe und den Generationenkonflikt an, die sich problemlos auf die heutige Zeit übertragen ließen. S 21 schließt sich dieser Auffassung an und identifiziert zudem Gemeinsamkeiten im Verhalten früherer und heutiger Jugendlicher insofern, als sich diese in Kneipen träfen und herumalberten. Dieser Umstand lässt die Tragödie für S 21 "sehr realitätsnah" erscheinen. 166 10: 45 AKL Wie steht ihr zu kreativen Aufgaben, wie z.B. Rollenspiel, Standbild, kreatives Schreiben etc., und was habt ihr durch diese Aufgabenformen gelernt? S 10 Also, mir macht`s total Spaß, ich weiß nicht, es ist halt ne Aufgabe, über die man ein bisschen nachdenken muss und wenn dann irgendwas Gutes bei rauskommt und so. = 25 S 21 Ja, wir hatten ja einmal diese Aufgabe, wo wir entweder nen Zeitungsartikel oder `n Standbild usw. und ich hatte in meiner Gruppe gesagt, dass ich eigentlich was vorspielen wollte und die in meiner Gruppe "oh, du bist ja blöd" und für mich ist das aber so, wie S 10 sagt, dass man darüber nachdenkt und gerade bei Shakespeare, was ja eigentlich `ne völlig andere Sprache und `ne andere Zeit eigentlich ist, dass man das dann so praktisch in seine Zeit umsetzt, also in das heute und das finde ich ist mit Rollenspielen oder so was, find ich das eigentlich einfacher. Ja, wir haben ja nen Zeitungsartikel gemacht, was ja jetzt nicht sonderlich schwer ist, aber ja ich find das [ein Rollenspiel] eigentlich besser, um das zu verstehen, so was wirklich passiert sozusagen. Rollenspiele = 25, 28a AKL Also, du meinst Rollenspiele tragen zu einem tieferen Verständnis des Stücks bei? S 21 Ja, finde ich schon. AKL Inwiefern? Kannst du das noch mal ein bisschen erläutern? 10: 46 S 21 Ja, z.B. also wir hatten jetzt die Szene, wo eben der Paris mit dem Vater von der Juliet redet von wegen, "ja du heiratest die am Donnerstag" und so und das war ja direkt nach Tybalts Tod und dann hatte ich halt gesagt, also wir sollten einfach nur den Inhalt dieser Szene einfach nur wiedergeben und dann hab ich halt gesagt, na ja wir können`s doch irgendwie so machen, wir sind so Jugendliche und die treffen sich und die sagen (flüstert): "Ja, hast du schon gehört? " Die soll verheiratet werden, aber ich hab doch gesehen, die hat mit dem Romeo rumgemacht. Dass man das so`n bisschen verbindet und dann haben die halt gesagt, ne, lass doch einfach nen Zeitungsartikel schreiben. Wie`s halt ist. Aber ich fand eben, wenn man das so spielt, dass man dann mehr von dem ganzen Stück mit einbringen kann halt und dass man das einfach besser rüberbringt also deswegen. = 25 S 10 Ich find, man hat das dann auch so bildlich vor Augen, man kann sich das dann auch viel besser, also man kriegt dann immer dieses Bild vor Augen, als wenn man was hört, dann bleibt das nicht so hängen im Kopf. Man hört`s halt und vergisst es aber auch relativ schnell wieder und wenn man was darstellt, dann kommt es besser rüber. = 25 [KREATIVE AUFGABEN] 167 Zu der Frage, wie die Lernenden zu kreativen Aufgaben stehen, gibt S 10 an, dass ihr diese Bearbeitungsformen Spaß machen würden, da man, um diese zu bewältigen, erst einmal über sie nachdenken müsse und dass am Ende "irgendwas Gutes" dabei herauskäme. S 21 bezeichnet kreative Aufgaben wie Rollenspiele sogar als Verstehenshilfe insofern, dass man "Shakespeare, was ja eigentlich ne völlig andere Sprache und ne andere Zeit eigentlich ist, dass man das dann so praktisch in seine Zeit umsetzt", was dafür spricht, dass sie die Aktualisierung des Geschehens und den Transfer auf die eigene Lebenswelt erleichtern. Sie bewertet weiterhin den ganzheitlichen Charakter solcher Aufgaben positiv und führt aus, dass man im Gegensatz zu kreativen Schreibaufgaben wie Zeitungsartikeln im Rollenspiel "mehr von dem ganzen Stück mit einbringen kann halt und dass man das einfach besser rüberbringt". S 10 stimmt dieser Aussage von S 21 zu und untermauert sie mit dem Hinweis, dass man die Szene "bildlich vor Augen" geführt bekomme und somit auch eine bessere Behaltensleistung erzielt werde. 10: 47 AKL Denkt ihr das von Standbildern auch? S 21 Nicht so. S 6 Standbilder? AKL Ich hatte das Gefühl, dass sie im Unterricht nicht so gut ankamen. S 6 Ich würd` sagen, das gehört genauso dazu wie die anderen kreativen Arbeiten. Ich mein, unsere Lehrerin will halt etwas Bestimmtes damit aussagen und ich glaub, das ist auch ziemlich erfolgreich im Moment, weil man sich dann mehr Gedanken darüber macht und der Punkt, den sie halt damit verdeutlichen will, wird da auch klar gemacht. Deswegen find ich`s halt auch gut, jetzt auch zu der Frage davor, dass wir, dass sie halt so was im Unterricht macht, ist auch `ne gute Abwechslung für die Schüler. Und zum Standbild, ich find`s eigentlich auch ganz ok, weil die Gruppe ja danach immer noch erläutern muss, warum die das jetzt so gemacht haben und so weiter und, ja, ich find`s auch gut als kreative Arbeit. = 24e, 25 10: 48 AKL Wenn ihr diese kreativen Arbeiten bekommt, versetzt ihr euch dann in die Charaktere hinein oder wie geht ihr vor? Was denkt ihr, wenn ihr eine solche Aufgabe bearbeitet? S 21 Naja, ich denk mal, dass jeder, wenn er jetzt ein Stück liest, automatisch, von ganz Anfang an ein bestimmtes Bild von einem Charakter hat, also, keine Ahnung, ich hab mir Mercutio halt eben so vorgestellt und die anderen zwei haben ihn sich so vorgestellt und wenn man dann irgendwas spielt oder eben darstellt, dann bringt man seine Vorstellungen automatisch in die Rolle rein = 24e/ f, 25 168 und so kriegt er dann eben sein, was der Autor wollte und von einem selber was. S 6 Ich find auch, dass man sich auf jeden Fall hineinversetzen muss, damit man überhaupt das machen kann, sonst geht es ja gar nicht und ja, so geht’s mir. = 25 S 10 Ja, man betrachtet das Ganze halt aus verschiedenen Perspektiven und dann kommt man halt zu so unterschiedlichen Lösungen. = 25 [STANDBILDER] Standbilder werden von den Lernern zunächst nicht ganz so positiv bewertet. S 6 führt erstaunlicherweise an, dass die Lehrerin "etwas Bestimmtes damit aussagen" wolle und er das Gefühl habe, dass es dadurch Erfolg habe, dass "man sich dann mehr Gedanken darüber macht". Zudem äußert er sich positiv zu der methodischen Abwechslung und zu der Tatsache, dass die Schüler nach ihrer Präsentation eines Standbildes hätten erläutern müssen, warum sie das Standbild so gebaut haben. Auf die Frage, ob sich die Lernenden bei der Bearbeitung solcher Aufgaben in die Charaktere hineinversetzten, weist S 21 zwar darauf hin, dass sie von Beginn der Lektüre an zwar eine bestimmte Vorstellung von einer Figur habe und die kreative Umsetzung dann sowohl ihre eigenen Vorstellungen wie die des Autors mit einbringe, sie äußert sich aber nicht konkret dazu, wie sie die Perspektive der Figur erarbeite und zu ihrer eigenen in Beziehung setzt. S 10 deutet die Multiperspektivität im Drama sowie in der kreativen Umsetzung an, indem sie darauf hinweist, dass man "das Ganze halt aus verschiedenen Perspektiven" betrachte und so zu "unterschiedlichen Lösungen" komme. AKL Ist es wichtig für euch, eure eigene Meinung mit einzubringen im Unterricht, also gerade wenn ihr so was besprecht wie Romeo und Juliet? S 10 Mir ist es nicht so wichtig, glaub ich. Ich hör mir immer lieber die Meinungen von den anderen an und sag dann, was ich davon halte, aber meine eigene eher weniger. = 37 AKL Ok, aber dann sind die Meinungen der Mitschüler interessant für einen selbst? S 10 Ja. = 37 [EIGENE MEINUNG] In der Unterrichtseinheit wurde die persönliche Meinung der Lernenden konsequent berücksichtigt und mit einbezogen, sodass sich eine Thematisierung dieses Aspekts, der auch im Sinne der Rezeptionsästhetik eine bedeutende Rolle spielt, in der Retrospektive anbot. S 10 gibt an, dass es ihr nicht wichtig sei, im Unterricht ihre eigene Meinung mit einzubringen, verstrickt sich aber dann in einen Widerspruch, wenn sie betont, dass sie sich 169 lieber die Meinung ihrer Mitschüler anhöre und dann sage, was sie davon halte. S 21 und S 6 äußern sich zu dieser Frage nicht. 10: 49 AKL Gibt es Aufgaben, die euch überhaupt nicht gefallen? S 21 Zeitungsartikel. ≈ 25 S 10 Tagebucheintrag. ≈ 25 S 6 Ich find diese, ja Analysen da ziemlich langweilig. ≈ 24 AKL Du meinst Textanalyse? 10: 50 S 6 Ja, dass sie das halt immer wieder macht. Man kann es ein-, zweimal machen, aber sie macht es halt, ich find, zu oft, weil sie halt sagt, "ja guckt genau auf die, auf diese Aspekte" predestination oder mit diesem Elisabethan world picture und so und dann guckt man halt im Buch nach und dann unterstreicht man Sachen und das find ich halt langweilig, diese Form von Analyse, aber gut, muss sie halt machen als Lehrerin, is klar. ≈ 23, 24 AKL Also das, was du jetzt gesagt hast, das bezog sich ja mehr auf den Kontext des Dramas, weniger auf die Sprache an sich, sondern auf das world picture und predestination und wie das im Drama zum Ausdruck kommt. Die Spracharbeit an sich, ihr habt ja auch viel mit Kontrasten gearbeitet oder du sagtest auch in einer Stunde, Metaphern und Metonymien kommen drin vor. Was ist damit? Bringt euch das etwas für eure Sprachkompetenz? 10: 51 S 6 Ist schon wichtig eigentlich, find ich. Also wir hatten das mit Metaphern und Metonymien schon vorher durchgenommen in Englisch und ja ich denk schon, dass es wichtig ist, dass wir das behandelt haben. Nicht, dass ich das jetzt wirklich verstehen würde (lacht), aber es wichtig, dass man das mal gehört hat und so und man versucht das halt im Unterricht irgendwie mit einzubauen. = 30 S 10 Man lernt halt auch die sprachlichen Stilmittel so zu verknüpfen und deren Wirkung und Bedeutung und das ist, glaub ich, schon ganz praktisch. Das sagt ja dann auch viel über den Text aus. Stilmittel = 30 [AUFGABEN, DIE MISSFALLEN] Hinsichtlich der Frage, welche Aufgabenformen den Schülern nicht gefallen, nennen S 21 und S 10 , die sich vorher sehr positiv über Rollenspiele geäußert haben, nun kreative Schreibaufgaben wie Tagebucheintrag und Zeitungsartikel. S 6 hebt dagegen auf Aspekte der Textanalyse ab, die seiner Meinung nach zu oft behandelt würden und darin bestünden, dass man wichtige Stellen im Text unterstreiche. Als die Interviewerin dann etwas konkreter auf die im Unterricht durchgeführte Spracharbeit eingeht, äußert sich S 6 dagegen positiv und bezeichnet es "als schon wichtig eigentlich", sich etwa mit rhetorischen 170 Figuren auseinander gesetzt zu haben, weist allerdings darauf hin, dass dies schon vorher einmal Gegenstand des Englischunterrichts gewesen sei und er somit diesbezüglich ein gewisses Vorwissen besessen habe. Dennoch konzediert er, dass er sie nicht wirklich verstanden habe, was darauf hinweist, dass die eingehende Betrachtung der Sprache in dieser Einheit sein bereits existierendes Wissen um stilistische Mittel nicht gefestigt bzw. vertieft hat. S 10 hingegen erschließt sich die Arbeit mit Stilmitteln schon eher, wenn sie darauf hinweist, dass man auf diese Weise "die sprachlichen Stilmittel" und deren "Wirkung und Bedeutung" zu verknüpfen lerne und dies sage wiederum "viel über den Text aus". 10: 54 AKL Ihr habt ja mit zwei Verfilmungen auch gearbeitet, so vergleichend. Erfüllen Filme für euch die gleiche Funktion oder kann man da schon eine Unterscheidung treffen zwischen Literatur und Film? S 21 Filme sind immer schlechter. = 26b S 10 Ja, das finde ich auch. Also das muss man auf jeden Fall unterscheiden, denke ich. Beim Film wird auch immer ziemlich viel weggelassen und das ist manchmal ein bisschen oberflächlich und da werden auch ziemlich viele Sachen vertauscht. Da kommt es manchmal gar nicht so rüber wie im Buch. = 26b S 6 10: 55 Ja, das ist was ganz anderes, find` ich auch. Also, ich hab`, bevor wir Romeo und Juliet gelesen haben, den auch schon mal angeguckt im Fernsehen, weil ich hab`s vorher noch nie gelesen oder gesehen, wahrscheinlich als einziger in der Klasse, und dann ja hab ich`s mir angeguckt und dann gelesen und gedacht, das ist ja ganz anders eigentlich und wie die auch ein paar Sachen rauslassen im Film, da hat das dann auch `ne ganz andere Bedeutung im Film und das ist, ich find`, der Inhalt ist dann auch ein bisschen anders als im Buch und die Themen, so`n bisschen. Aber deswegen find` ich ist es was ganz anderes, Buch und Film. = 26b AKL In diesem Fall habt ihr euch ja die Feast-Szene angeschaut und dann auch die Szene in der Gruft. Hat das, du (zu S 21 ) hast vorhin schon gesagt, das Gucken davor hat das Verständnis erleichtert, hat jetzt auch in diesem Fall, also die einzelnen Szenen herauszupicken und sie mit dem Drama zu vergleichen, hat euch das auch das Verständnis erleichtert? S 10 Ich find` jetzt nicht unbedingt erleichtert. Es ist einfach nur gut zum Vergleichen. Man sieht dann, wie ist es im Film dargestellt, wie ist es im Buch dargestellt und das lässt sich dann halt ganz gut drauf beziehen, wie das jetzt war mit dem, in dem Film, Juliet als Engel und das lässt sich dann auch gut auf das Buch beziehen, dass sie so unschuldig dargestellt wird und so. = 26b 171 10: 56 S 21 Ja, ich find halt, wenn man jetzt so `ne Filmszene sieht, das ist letztendlich nichts anderes als `ne kreative Arbeit von uns, weil ja der Regisseur, er drückt ja letztendlich genau das aus, was wir auch ausdrücken wollen, also das, was er bei dem Film empfindet, was er sieht, was er zeigen will, was S 10 eben gesagt hat, mit dem Engel, ja, das ist halt einfach ein schlauer Einfall, sie als Engel zu verkleiden, weil sie ja als Engel bezeichnet wird und eigentlich ist es nur, wie eine kreative Aufgabe von jemand anders, also nicht aus der Klasse, sondern halt jemand anders. [INTERMEDIALER BEZUG: DRAMA - FILM] Die Tatsache, dass in der Unterrichtseinheit mit zwei Verfilmungen gearbeitet wurde, legte nahe, die Schüler in der Retrospektive dazu zu befragen: S 21 hebt hervor, dass Filme immer schlechter seien, was S 10 mit der Aussage untermauert, dass immer viel weggelassen und vertauscht werde und so zu einem oberflächlichen Ergebnis führe. Auch S 6 bewertet die Tatsache negativ, dass die Handlung im Film (notwendigerweise) verkürzt werde. Interessant erweist sich allerdings die Aussage von S 21 (10: 56), dass eine Filmszene letztendlich auch nichts anderes sei als eine kreative Arbeit der Schüler. Dieser Hinweis zeugt davon, dass die Lernerin den literarischen Text in seiner Offenheit und Polyvalenz erkannt hat, den man durchaus unterschiedlich interpretieren und durch seinen partiturähnlichen Charakter unterschiedlich kreativ darstellen kann. ) @ ' ( & $ <0! ' ! ! = 10: 59 AKL Welche Schwierigkeiten haben sich bei der Lektüre für euch ergeben? S 3 Natürlich die Sprache, is ja klar. = 30 AKL Inwiefern? S 3 Ja, die Vokabeln sind alle ziemlich alt und man hat auch irgendwie so das Gefühl, man macht irgend so`n alten Kram, den man eh nicht später braucht im Beruf. = 30 AKL Also, dann hat dir die Lektüre jetzt nicht so besonders gut gefallen. S 3 Naja, es war ganz nett, also der Inhalt schon, aber die Sprache auf keinen Fall. = 24a/ e, 30 [SCHWIERIGKEITEN] Hinsichtlich der Frage nach den aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Lektüre nennen die Lernenden, wie schon in der ersten Interviewgruppe, sprachliche Gesichtspunkte. S 3 hat bezüglich der Sprache in Shakespeares Tragödie sogar den Eindruck, "irgend so`n alten Kram" gemacht zu haben, "den man eh nicht später braucht im Beruf". Im weiteren Verlauf des 172 Interviews kommt S 2 dann eigenständig auf Standbilder zu sprechen und formuliert seine diesbezügliche Abneigung. Wie in strukturierten Leitfadeninterviews üblich, orientiert sich die Interviewerin an den Aussagen der Befragten und geht auf sie ein, anstatt einen rigiden Fragenkatalog abzuarbeiten. AKL Mmh, ok. (zu den anderen beiden) Was sagt ihr dazu? S 2 Ich würde sagen einerseits Sprache und andererseits so teilweise, was wir so gemacht haben, so wie freezes oder ähnliches oder so was Persönliches mach ich nicht gerne. = 30, 25 AKL 11: 00 Machst du nicht gerne? (S 2 schüttelt mit dem Kopf; AKL zu den anderen beiden) Wie seht ihr das? Auf diese Aufgaben wäre ich auf jeden Fall auch noch mal eingegangen, und zwar welchen Sinn ihr darin seht, in Rollenspielen, Standbildern, headlines solltet ihr euch ausdenken oder auch diary entries. Kreative Aufgaben S 2 Ja, headlines find ich ja ok und diary entries geht auch noch, aber so Sachen wie Standbilder und so was also, ich seh` jetzt den Sinn darin auch nicht. = 25 S 3 Net so schlimm, aber teilweise ist es halt so, man kommt in `ne bunte Gruppe, da sitzen da wir zwei (schaut zu S 15 ) und S 23 (der ruhigste Schüler der Klasse)... ≈ 25 S 15 Ja. (grinst) S 3 (gespielt genervt) Aah, da hab` ich schon keine Lust mehr. Dann gibt’s 20 Minuten Diskussion, wer soll jetzt überhaupt die Rolle spielen. ≈ 25 AKL D.h., einige versuchen sich zu drücken? S 3 Was heißt drücken? Bei uns wollte die S 17 und da wollte keiner mehr, weil sie wollte unbedingt spielen, (zu S 15 ) oder? ≈ 25 S 15 Mmh. S 3 Und sonst wollte aber keiner mehr. [KREATIVE AUFGABEN] Wie im ersten Schülerinterview, bewertet auch diese Gruppe Standbilder eher negativ und es wird deutlich, dass sich ihnen ihr Sinn nicht erschließt. Überschriften und Tagebucheinträge findet S 2 allerdings im Gegensatz zu S 10 und S 21 aus der ersten Retrospektive "in Ordnung". Obwohl es keine neue Erkenntnis ist, dass nicht allen Schülerinnen und Schülern alle Aufgaben gleichermaßen gefallen, verweisen die Aussagen der Schüler dennoch auf die Notwendigkeit der Binnendifferenzierung, die im Unterricht häufig vernachlässigt wird. Zudem macht die Aussage von S 3 deutlich, dass es nicht reicht, eine reine Binnendifferenzierung vorzunehmen, sondern dass man den Lernenden auch die Möglichkeit geben sollte, ihre Arbeitsgruppen selbständig 173 zu konstituieren. Dies würde nicht nur der Forderung nach Schülerorientierung und Autonomie entsprechen, sondern würde sich auch positiv auf ihre Motivation auswirken. AKL Ihr wart ja auch in der Gruppe, wo ihr euch aussuchen konntet, ob ihr ein Standbild oder ein Rollenspiel macht und da habt ihr ein Standbild gemacht und ein Sonett geschrieben. S 3 Da war ich in der Gruppe. AKL (zu S 15 ) Du auch, oder? S 15 Ja, mit S 10 und S 23 war das, oder? S 3 Ja, S 23 war das. 11: 01 AKL Wer von euch hat das Sonett geschrieben? S 15 Die S 10 und ich haben das geschrieben. = 25 AKL Könntet ihr diese Aufgabe vielleicht noch mal kommentieren? S 15 Ja, ich weiß nicht, so Sachen wie, also ich kann jetzt nur von mir sprechen, so Sachen, wie Sonett und so, das fällt mir nicht schwer, weil ich hab` auch nicht so Probleme mit der Sprache jetzt gehabt. Deswegen also, ich fand das jetzt nicht so schwer. Ich fand das mit dem, mit dem freeze das ist eigentlich auch nicht so schwer, aber es ist halt, ich schreib` lieber irgendwas, als mich da hinzustellen in irgendwelchen Posen oder irgendwie groß zu schauspielern, weil ich bin kein Schauspieler und deswegen. = 25 11: 02 S 3 Ich fand das jetzt gar nicht so schlimm mit dem Schauspielern. Allerdings war jetzt so die Nachbesprechung irgendwie, man hätte vielleicht jetzt auch mal diese Szene gucken sollen in einem dieser Romeo und Juliet-Filme und nicht unbedingt einfach sagen: Ja, jetzt haben wir das mal gespielt. = 25 S 2 Ja, und was für Gesten und so sind dabei? Macht man auch, wenn man so`n Text nicht mal lernen kann richtig, dann macht man ja, versucht man, was draus zu machen, aber darauf legt man eigentlich keinen großen Wert, man versucht es dann rumzukriegen, sag ich mal. Wie gesagt, man ist ja kein Schauspieler. = 25 [STANDBILD] In diesem Gesprächsausschnitt lehnt S 15 kreative Bearbeitungsformen wie Standbilder mit dem Hinweis ab, dass sie ja keine Schauspielerin sei. S 2 schließt sich dieser Auffassung an und kritisiert darüber hinaus, dass es schwierig sei, Textstellen szenisch zu interpretieren und mit Gesten zu untermalen, wenn man nicht die Gelegenheit gehabt hätte, den Text auswendig zu lernen. Für ihn sei eine solche Aufgabe demnach eine Pflichtübung, die er versuche "rumzukriegen". S 3 räumt diesbezüglich zwar ein, dass er das Schauspielern nicht schlimm finde, kritisiert aber die 174 mangelnde Nachbearbeitung solcher Aktivitäten. Diese Aussage macht deutlich, dass Schülerinnen und Schüler ein Feedback und eine entsprechende Würdigung für ihre Leistungen erwarten. Findet ein solcher follow-up nicht statt, wird das Potenzial einzelner Aufgaben nicht genutzt. Sie verlaufen vielmehr im Sand und der Sinn kann sich den Lernern nicht erschließen. Eine sinnvolle Nachbearbeitung solcher Aufgaben ist aber nur möglich, wenn sie die Lehrkraft auch ausreichend vorbereitet. Dies impliziert, dass sie die Aufgaben im Vorfeld vollständig durchdenkt, reflektiert, einen Erwartungshorizont absteckt und den Lernenden Kriterien für ihre Bewältigung vorgibt. AKL Aber was glaubt ihr denn, warum solche Aktivitäten eingesetzt werden? Was kann man denn mit so was lernen? S 3 Es geht ja darum, dass man rauskriegt, was passiert zwischen den Zeilen. Also, wie wird das dargestellt? Welche Beziehung haben die Charaktere zueinander? Nicht einfach den Text durchzulesen und den Inhalt zusammenzuschreiben, nehm` ich mal an jetzt. = 25, 23b S 2 Vielleicht auch die Stärken und Schwächen der Charaktere herauszufinden, wenn ich das näher betrachte. = 25, 23b [DIDAKTISCHES POTENZIAL KREATIVER AUFGABEN] Diese Äußerungen von S 3 und S 2 veranschaulichen, dass sie das Potenzial kreativer Bearbeitungsformen durchaus einzuschätzen wissen, wenn sie darauf hinweisen, dass sie geeignet seien, um zu ergründen, was "zwischen den Zeilen" passiere, welche Beziehungen die Figuren zueinander hätten und die Stärken und Schwächen einzelner Figuren zu eruieren. 11: 03 AKL Habt ihr versucht, bei den Standbildern oder auch bei den Rollenspielen, euch in die Figuren hineinzuversetzen? S 3 Sonst geht`s ja nicht. = 25, 24c S 15 Muss man ja. = 25, 24c AKL Wie habt ihr das gemacht? Könnt ihr das irgendwie beschreiben, eure mentalen Prozesse dabei? S 15 Ja, man überlegt sich halt, wie man in der Situation selbst reagieren würde und wie man denkt, dass die Person reagiert hat und versucht es darzustellen. = 25, 24c S 3 Eigentlich, ja, wie würde die Person reagieren, nicht ich selbst. = 25, 24c S 15 Ne Mischung aus beidem. = 25, 24c S 3 Also, ist die Person eher jemand introvertiert, extrovertiert, eher = 25, 175 aggressiv, eher... 24c S 2 In was für einer Situation ist man? = 25, 24c AKL Ihr habt ja sehr viel über die Figuren gesprochen, die einzelnen und dann habt ihr quasi das Wissen, das ihr vorher gesammelt habt, eingesetzt in diesen Rollenspielen oder verkörpert. Kann man das so sagen? S 3 Ja, wir haben zum Beispiel versucht, die Nurse, dass sie eine Verbindung herstellt zur Juliet. = 24, 24c [PERSPEKTIVENWECHSEL] Hinsichtlich der Frage, ob sich die Schüler bei kreativen Aufgaben wie Rollenspielen oder Standbildern in die Figuren hineinversetzt und somit einen Perspektivenwechsel vollzogen haben, zeugen die Antworten der Lerner davon, dass sie sich intensiv mit diesem Aspekt auseinandergesetzt haben. S 15 beschreibt ihre geistigen Prozess bzw. ihre Gedankengänge während des Perspektivenwechsels dahingehend, dass sie sich überlege, "wie man in der Situation selbst reagieren würde und wie man denkt, dass die Person reagiert hat und versucht es darzustellen". Die Äußerung weist implizit darauf hin, dass es S 15 nicht nur um die Rekonstruktion, das Einfühlen in, die Übernahme der fremden Perspektive und das Einnehmen einer Innenperspektive geht, sondern dass sie auch versucht, aus der Außenperspektive zu beurteilen, wie sie in einer bestimmten Situation reagiert hätte. Als S 3 sagt, dass es ihm vor allem um die Rekonstruktion der fremden Perspektive gehe, betont S 15 noch einmal, dass auch die eigene Perspektive dabei eine Rolle spiele. Die Aussagen der Lerner zeugen von ihrer Bereitschaft, sich in die Gedanken und Gefühle anderer hineinzuversetzen sowie andere Sicht- und Erlebnisweisen zu erfassen, was mit dem Lernziel der Empathiefähigkeit korrespondiert (vgl. N ÜNNING 1997b: 142). Wenn S 3 weiterhin auf Charaktereigenschaften von Figuren und S 2 auf die zu rekonstruierende Situation verweist, kann man ablesen, dass sie intuitiv zwischen situations- und personenbezogener Empathie unterscheiden können. Während man sich bei der situationsbezogenen Empathie in die Situation des anderen hineinversetzt, um sich zu fragen, wie man wohl selbst, d.h. mit dem eigenen Wesens-, Wissens- und Erfahrungshintergrund reagieren würde, fühlt man sich bei der personenbezogenen Empathie in die Person des anderen und dessen biographischen Hintergrund ein (T EUTSCH 1977, zit. in ibid.). Die Erziehung zu Empathie ist ein wichtiges Lernziel, das durch die Prozesse der Dezentrierung und des Perspektivenwechsels erreicht werden kann, denn sie machen die Subjektivität und Relativität der eigenen Sichtweise bewusst und regen zur Überschreitung der eigenen Perspektive an (vgl. N ÜNNING 1997b). 176 AKL Was habt ihr denn gelernt durch die Behandlung des Dramas? S 2 (alle lachen) Ist die Kamera an? 11: 04 S 3 Wir haben halt Shakespeare gelernt. Was er so geschrieben hat, was er sich dabei gedacht hat, wie er dahin gekommen ist. = 24a S 2 Dann noch die Zeit, über das England damals und das Weltbild. Dann noch über die Sprache, würde ich sagen. = 27, 30 S 15 Also, ich find` halt eher so über das Weltbild, wie S 2 schon gesagt hat, über das Weltbild, über die Zeit damals, weil ich mein`, die Geschichte kennt jeder und ich hatte es auch vorher schon gelesen und ja das ist für jeden unterschiedlich. Ich glaub`, für einige hat`s sehr viel jetzt weitergeholfen bei der Sprache und so, aber das ist, wie gesagt, bei jedem unterschiedlich. Also, manche haben Probleme damit, manche haben keine. = 27, 30 [LERNZUWACHS] In Bezug auf ihren persönlichen Lernzuwachs nennen die Schüler wie in der ersten Retrospektive insbesondere sprachliche und kulturelle Aspekte, wobei letztere vor allem am elisabethanischen Weltbild festgemacht werden. S 3 (11: 04) weist hingegen lapidar darauf hin, dass man "halt Shakespeare gelernt" habe. AKL Ist es wichtig für euch, im Unterricht eure eigene Meinung mit einzubringen? 11: 08 S 3 Ja, es geht ja darum, wie hab ich was aufgefasst und wie haben es die anderen aufgefasst? Hab ich da jetzt was richtig gedeutet, falsch gedeutet? War die Deutung sowieso sehr frei, dass man sagen kann, man hätte es so sehen können, man hätte es auch so sehen können? Also, wie ist der Autor vorgegangen bei dem Buch, das vielleicht find` ich jetzt noch interessant bei Literatur. Was hat der Autor sich gedacht dabei? Also z.B. in Deutsch, dass Faust, kann man halt auf ganz viele Arten und Weisen interpretieren, haben wir jetzt festgestellt und über Romeo und Juliet haben wir jetzt noch gar nicht so drüber gesprochen. Machen wir jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr, weil wir jetzt ein neues Thema machen. = 24e/ f AKL Worüber würdest du denn jetzt noch gerne sprechen? S 3 Was will, was will Shakespeare überhaupt mit dem Stück ausdrücken? Wir haben jetzt zwar in den comments (bezieht sich auf die persönlichen Stellungnahmen, die die Schüler als Hausaufgabe zu dem Stück schreiben sollten) rausgefunden. Hauptsächlich geht’s darum, Liebe kann die Welt retten und Gewalt ist böse und so weiter, aber ich mein`, er hätte es vielleicht gar nicht so ausgehen lassen, wenn er wirklich das sagen wollte, was wir jetzt in den comments festgestellt haben. = 24a/ b/ d [EIGENE MEINUNG] 177 S 3 s Antwort auf die Frage nach dem Einbringen der eigenen Meinung ist insofern interessant, als auch sie davon zeugt, dass er den literarischen Text in seiner Offenheit und Polyvalenz erkannt hat: "wie hab ich was aufgefasst und wie haben es die anderen aufgefasst? " Darüber hinaus macht seine Aussage deutlich, dass er die Interpretationen der Mitschüler als Abgleich für die Valenz seiner eigenen braucht. Hinsichtlich der potenziellen Interpretationsvielfalt schlägt S 3 eine Brücke zum Deutschunterricht und Faust, den man ganz unterschiedlich interpretieren könne, bemängelt aber, dass die unterschiedlichen Deutungen von Romeo and Juliet im Unterricht nicht ausreichend erarbeitet worden seien. Darüber hinaus hätte S 3 gerne noch intensiver über die Intention des Autors gesprochen. Er erweckt dabei den Eindruck, dass er gerne genau wissen würde, was Shakespeare mit der Tragödie aussagen wollte. Dieser Aspekt lässt sich aber nicht herausfinden: Die Diskussion über die Intention des Autors wird immer im Reich des Spekulativen angesiedelt sein und nur zu dem Ergebnis einer 'möglichen' Intention kommen können. An dieser Stelle zeigt das retrospektive Interview mit den Lernenden auf, dass am Schluss der Unterrichtseinheit noch Gesprächsbedarf auf Seiten der Schülerinnen und Schüler besteht, den sie aber leider in der Klasse nicht mehr äußern können. AKL Wie fandet ihr den Einsatz der zwei Filmszenen, also einmal von der neueren Version, einmal von der alten? 11: 10 S 3 Gut, auf jeden Fall. Weil, das ist eben genau der Punkt, wie hat jemand, der das Buch als Sekundärquelle verarbeitet hat, also selber noch mal drüber nachgedacht hat, wie hat er das verarbeitet, was hat er draus gemacht? Also, eben auch diese Überlegung, was hat sich Shakespeare dabei gedacht und wie wird das umgesetzt? = 26b S 2 Und da ist ja dann auch wieder die persönliche Meinung wichtig. (S 3 grinst) Fand man`s gut, fand man`s schlecht? = 26b, 24f AKL Mmh. Und hat euch das auch das Verständnis erleichtert? S 15 Das jetzt nicht unbedingt. S 2 (zu den anderen beiden) Wenn man`s jetzt vielleicht davor gesehen hätte, oder? = 26b S 3 Doch ich find` schon. Ich find` auch, dass das wirkliche Verständnis kam jetzt gerade bei dem Thema, was ich schwierig finde, immer erst bei der Besprechung. Also sonst hat man was gelesen, und sich so gedacht ja, was ist da jetzt genau passiert? Wie kam`s dazu? Und dann bei der Besprechung wurde das eigentlich meistens erst klar, fand ich jetzt. Bedeutung UGs AKL Also das Unterrichtsgespräch mit den Mitschülern danach ist 178 schon sehr wichtig. S 3 Ja, auf jeden Fall. Bei dem Stück definitiv. [EINSATZ DES FILMS] S 3 verweist hinsichtlich der eingesetzten Filmversionen darauf, wie S 21 in der ersten Retrospektive, dass auch er sie als eine mögliche Interpretation ansieht, wobei es für ihn wiederum wichtig erscheint, sich ausgiebig über die Intention des Autors Gedanken zu machen und diese dann versuchen umzusetzen. In diesem Gesprächsabschnitt verneinen die Lerner zwar, dass ihnen der Filmeinsatz das Verständnis erleichtert habe, S 3 betont aber diesbezüglich die Bedeutung von Unterrichtsgesprächen und der gemeinsamen Bedeutungsaushandlung: "Ich find` auch, dass das wirkliche Verständnis kam jetzt gerade bei dem Thema, was ich schwierig finde, immer erst bei der Besprechung." Aspekte, die sich während der Lektüre noch dem Verständnis entzogen haben, können nur durch eine dialogische Aushandlung im Plenum folglich erhellt und geklärt werden. AKL Habt ihr auch etwas über die fremde Kultur gelernt? S 3 Welche fremde Kultur? (lacht) Die englische. S 15 11: 12 Ja, über die vergangene Kultur, muss man sagen, weil das, was wir, wir haben ja vorher schon mal ein Buch über Großbritannien, also das, was halt da gespielt hat, behandelt und das ging halt eher so um die jetzige Zeit. Aber das ist jetzt lange, lange her und ja natürlich, man lernt was darüber, wie man damals gedacht hat und wie man alles gesehen hat. Darüber hat man schon was gelernt, was man sich teilweise aber schon halb denken konnte, also mit Traditionen, Normen, dass das sehr wichtig war, aber ja, also für Großbritannien jetzt eher nur so bedingt, was klar ist, weil da liegen jetzt über 400 Jahre dazwischen. = 27 [KULTURELLES LERNEN] Auf die Frage, ob die Lerner etwas über die fremde Kultur gelernt hätten, betont S 15 , dass sie zwar etwas aber über die Traditionen und Normen der elisabethanischen Zeit gelernt hätten, dies aber nicht unmittelbar etwas mit der gegenwärtigen Kultur Englands zu tun habe. Insgesamt ist zu den Aussagen der Lerner in den beiden Retrospektiven festzuhalten, dass sie in Bezug auf aufgetretene Schwierigkeiten erwartungsgemäß sprachliche nennen, die sich aber durch die "extensive" Lektüre relativiert haben. Diesbezüglich werden von einigen Schülern Lerneffekte genannt, die nicht nur für einen deklarativen und prozeduralen, sondern auch für einen volitionalen Zugewinn sprechen. Diese betreffen zum einen erworbene Kenntnisse über das elisabethanische Zeitalter, Aspekte von Lesekompetenz, wie das Anwenden bestimmter Lesestrategien ("guessing from 179 context"), sowie motivationale Aspekte wie die Bereitschaft mit der "alten" Sprache umzugehen. Hinsichtlich der Frage nach der Relevanz für heutige Jugendliche lässt sich konstatieren, dass, wie auch schon im Unterricht deutlich wurde, die Lernenden durchaus in der Lage sind, die von Shakespeare verarbeiteten Themen in ihrer Universalität zu erkennen und auf ihre eigene Lebenswelt zu übertragen. Zu den eingesetzten Arbeitsformen lässt sich feststellen, dass in den beiden Retrospektiven unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck kommen, was die Notwendigkeit einer konsequenten Binnendifferenzierung einmal mehr vor Augen führt. Auch wenn einige Lernende szenische Arbeitsformen vor dem Hintergrund, dass sie keine Schauspieler seien, ablehnen, wissen die meisten Schüler ihren positiven Nutzen aber durchaus einzuschätzen: So nehmen sie den literarischen Text in seiner Offenheit wahr und verstehen kreative Aufgaben als Mittel zum Ausdruck ihrer persönlichen Interpretationen und Stellungnahmen sowie als probates Mittel, um Figuren und deren Beziehungen zueinander auszuloten. Dementsprechend werden auch die eingesetzten Filmversionen als eine mögliche Interpretation und kreative Transformation der Tragödie aufgefasst. Hinsichtlich der Ergebnissicherung solcher Arbeitsformen wird von den Lernenden jedoch eine mangelnde Nachbearbeitung bzw. ein fehlendes follow-up moniert, in dessen Verlauf die kreativen Schülerprodukte ihre Würdigung erfahren. Schließlich betont ein Schüler die Bedeutung des Unterrichtsgesprächs und der dialogischen Aushandlung mit den Mitschülern für das Textverständnis bzw. für eine Vertiefung des Textverständnisses. Dieser Hinweis führt die Notwendigkeit der Förderung von Schüler-Schüler-Interaktionen sowie des Austauschs individueller Verstehensweisen im Unterrichtsgespräch für den Rezeptions- und Verstehensprozess nachdrücklich vor Augen. ; # C ! 6 ( 1* 2 Das retrospektive Interview mit der Lehrerin fand zehn Tage nach der Beendigung der Unterrichtseinheit statt. AKL Welchen Ansatz verfolgen Sie mit Ihrem Literaturunterricht? L Also, mein Literaturunterricht verfolgt eigentlich mehrere Ansätze. Es sind ja einmal eher didaktisch orientiert, dass die Schüler den Zugang zu Literatur finden, zu einer anderen Epoche finden, dieses interkulturelle Lernen eben gefördert wird, dann immer wieder den Gegenwartsbezug herzustellen und auf der anderen Seite dann eben methodisch, dass die Schüler sowohl kreativ als auch inhaltlich-kognitiv den Text sich erschließen ler- 180 nen. […] Ich denke, man kann`s nicht an einem Ansatz festmachen, sondern es sind sicher Elemente aus verschiedenen Ansätzen, also diese kritische Herangehensweise auf jeden Fall auch. [ANSATZ DES LITERATURUNTERRICHTS] Die Aussagen der Lehrerin zu dem ihrem Literaturunterricht zugrundeliegenden Ansatz korrespondieren mit den Unterrichtsausschnitten insofern, als die Lehrerin unterschiedliche Methoden einsetzt, den Bezug der Lebenswelt der Schüler herstellt und deren Autonomie sowie Interaktion untereinander konsequent fördert. AKL Warum haben Sie die Schüler wiederholt laut Lesen lassen? L Ja, das ist eigentlich ganz einfach, also dass sie mit der Sprache umgehen können, dass sie sinnerfassend lesen nach Möglichkeit, also es war ja immer so, dass der Text schon inhaltlich vorbereitet war und dann ist es einfach auch wichtig, diese Sprache auch vorlesen und sprechen zu können. Ich hatte eigentlich, wollte ich noch viel öfter, ich hatte ich ja dieses, dieses Hörbuch und da hatten wir ja auch den Einstieg bekommen, weil man kann ja nicht mit Shakespeare anfangen und dann die Schüler gleich das mal lesen lassen. Die müssen ja erst in diese Sprache reinfinden und das ist auch ziemlich schwierig, find` ich, und war dann doch öfter so, dass sich auch viele gemeldet haben, die lesen wollten. Ich denke mal, dass das Vertrauen in die Sprache oder das Zutrauen in sich selbst, mit der Sprache umgehen zu können sich dadurch auch ein Stück weit widergespiegelt hat. Also, es sollte einfach, ja, geübt werden und natürlich ist es ganz was anderes, wenn man die Worte dann noch mal im Raum hört, als wenn man jetzt sagt "ok, wir analysieren jetzt mal" und jeder liest es für sich noch mal vor. Und das war ja auch so ein bisschen der Effekt von dieser balcony scene, die wir dann auch gespielt haben, weil, es kommt ja sowieso immer viel zu kurz, es ist ja `n Theaterstück und normalerweise müsste man noch viel mehr solche Elemente einbringen. = 5 AKL Welche Lernziele verfolgen Sie mit kreativen Aufgaben, wie z.B. mit Standbildern? L Also Standbilder, ja, lass` ich eigentlich, es ist eine Möglichkeit, das tiefere Verständnis der Szenen zu überprüfen und gleichzeitig auch den ganzen Kurs einzubinden, weil die Schüler müssen ja quasi übertragen: ok, was hab` ich jetzt gelesen, was bedeutet das aber für die Figuren? Die übernehmen Perspektive, gut, sie sind dann halt wie eingefroren, sagen dann nichts, aber in ihrer Gestik und Mimik müssen sie ja das, was sie am Text erarbeitet, verstanden haben, umsetzen. Es ist je `ne Transferleistung. Es ist eine Möglichkeit, das = 5 181 Gelesene noch mal auf `ner anderen Ebene auszudrücken und da auch die, ja, die Perspektiven kann man daran sehr gut erarbeiten und das, was natürlich auch da ist, der ganze Kurs wird dann angebunden, indem sie halt erklären und noch mal drüber gesprochen wird, ok, was wird da jetzt dargestellt? [METHODEN] Da die Lehrerin die Schüler in dieser Einheit mehrfach laut lesen ließ, bot es sich hier an, nach ihren diesbezüglichen Motiven zu fragen. Die Lehrerin gibt an, dass sie darin eine gute Übung sähe, die Textstellen, die stets im Vorfeld inhaltlich erarbeitet wurden, sinnerfassend lesen zu lernen und dass dies sowohl das "Vertrauen in die Sprache" sowie "das Zutrauen in sich selbst, mit der Sprache umgehen zu können" fördere. Kreative Arbeitsformen erfüllen für die Lehrerin vor allem die Funktion, "das tiefere Verständnis der Szenen zu überprüfen" und "den ganzen Kurs einzubinden" (= 6). Gleichzeitig sieht sie sie als sinnvollen Ausgangspunkt für eine Transferleistung der Lernenden, in der sie einen Perspektivenwechsel vollziehen und ihre persönlichen Verstehensweisen dokumentieren. AKL Warum haben Sie gegen Ende der Unterrichtseinheit noch eine zweite Filmversion integriert? L Ich hatte, ich hab` einfach irgendeinen methodischen Weg gesucht, diesen 5. Akt möglichst schnell, möglichst zielorientiert zu erarbeiten und dachte, dass man das anhand des Filmes am besten machen kann, weil, wenn man jetzt diese einzelnen Dinge da nur so losgelöst, quasi eins nach dem anderen abgehakt hätte, dann wär` erstens mal das sehr textimmanent geblieben und so haben wir jetzt noch mal `n anderes Medium als Redeanlass gehabt, dass man da noch mal Vergleiche anstellt. Also ich wollte einfach, inhaltlich war der 5. Akt ja im Prinzip klar, das hatten sie vorbereitet, aber nur dann zu sagen, "ok was passiert denn und was bedeutet das? ", das war mir jetzt `n bisschen zu, zu platt einfach und ich hab` dann die Verfilmung noch eingesetzt, weil, ja weil ich einfach denke, dass die Schüler auch nicht nur dieses Moderne dann gesehen haben sollten. Kann sein, dass ich in der Abivorbereitung auch den ganzen Film noch mal zeige. War auch zu erwarten, dass die Schüler natürlich den modernen besser finden. = 6 [INTERMEDIALER BEZUG] Den Einsatz der Zeffirelli-Verfilmung von Romeo and Juliet begründet die Lehrerin damit, dass damit nicht nur ein weiteres Medium integriert worden sei, das als "Redeanlass" zu fungieren vermochte, sondern dass es ihr zudem ermöglicht hätte, Akt V "zielorientiert zu erarbeiten" und Vergleiche zwischen den filmischen Adaptionen von Baz Luhrmann und Franco Zeffirelli im 182 Hinblick auf das Setting und die schauspielerische Darstellung anstellen zu können (= 7). AKL Sie haben am Ende der Einheit Hamlet, Othello und Macbeth erwähnt und die Konzepte, die darin vorkommen, also Rache, Eifersucht. Was war der Grund dafür? L Ich glaub`, das war auch so`n bisschen schon Vorgreifen auf eventuelles Abitur, eventuelle Abiturmöglichkeiten, einfach, dass sie sich bewusst sind, also ich hatte ja schon öfter mal betont oder hatten wir auch ganz am Anfang, da waren Sie aber auch noch nicht dabei, dass Shakespeare auch in seinen Stücken so einen Entwicklungsprozess durchlaufen hat und eben dieses predestination anfangs so dominant war und dass das aber später sich etwas mehr auf den, ja auf die, den Protagonisten und auf die eigenen Entscheidungen, die getroffen werden, fokussiert und, um das noch mal so ein bisschen gegenüber zu stellen. Also wir haben ja einmal dann diese, ja, dieses von außen den Protagonisten Aufgedrückte durch diesen Konflikt von außen und dann aber in späteren Werken eher so innere Konflikte oder innere Auslöser für die Katastrophe, die dann passiert und das haben sie sich dann noch mal mit notiert und das werden wir auch noch mal aufgreifen in der unmittelbaren Abiturvorbereitung. = 6 [INTERTEXTUELLER BEZUG] Den intertextuellen Bezug zu weiteren Shakespeare-Tragödien und den darin verhandelten Themen gegen Ende der Unterrichtseinheit stellt die Lehrerin zum einen im Sinne der Etablierung eines Überblickswissens in Bezug auf den Autor her. Zum anderen möchte sie den Lernenden dadurch veranschaulichen, dass Shakespeare insofern einen Entwicklungsprozess in seinen Tragödien vollzogen habe, als die dargestellten Konflikte unterschiedliche Ursachen hätten. Während die Protagonisten in seinen frühen Tragödien Konflikte zu bewältigen hätten, die ihnen von außen widerführen, handelte es sich bei seinen späteren Tragödien vornehmlich um innere, psychische Konflikte der Figuren. AKL Wie fördern Sie interkulturelles Lernen? L Also im Fremdsprachenunterricht ist es ja sowieso ein wichtiger Aspekt, die Zielkultur besser kennen zu lernen oder die Zielkulturen muss man ja sagen, und da war jetzt eben der Schwerpunkt Literatur. Das kann man auch auf andere Arten machen, also mit, mit Sachtexten kann man natürlich auch interkulturelles Lernen fördern, aber wichtig beim interkulturellen Lernen, denk` ich mal hier, war der Einblick in eine andere Zeit, dass die Schüler wissen, in diesem = 7 183 Elisabethan Age, worauf es da ankam. Wir haben ja sehr viel zum Weltbild auch gemacht. Und davon haben sie ja profitiert. Sie sind ja immer wieder auf dieses Weltbild zurückgekommen und auch dann in der Frage, "ok, was bedeutet eigentlich predestination oder wie auch immer für euch heute? " in der Klausur zum Beispiel. So wird immer der Bezug zur eigenen Lebenswelt, ja, manchmal nicht offensichtlich, aber immer doch unterschwellig, hergestellt und so, ja, können sie abgrenzen, "was war diese Zeit, was ist meine persönliche Lebenswelt? " und interkulturelles Lernen wird auf jeden Fall auch immer durch Perspektivenübernahme gefördert und da haben wir ja wieder diese ganzen Methoden mit Standbild, Rollenspiel und so weiter. Oder als die S21 hier die Juliet war auf dem Balkon, das ist einfach, ja, sie lernen etwas über diese Kultur und auch über ihre eigene. [INTERKULTURELLES LERNEN] Die Lehrerin betrachtet literarische Texte als geeignet, um den Lernenden einen Einblick in die Zielkulturen zu vermitteln und interkulturelles Lernen zu fördern. Sie betont diesbezüglich die Wichtigkeit, immer wieder einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler herzustellen und erachtet kreative Arbeitsformen als gewinnbringend, um eine Perspektivenübernahme zu initiieren und die fremde mit der eigenen Kultur zu vergleichen. Die Transkriptausschnitte spiegeln diese Aussagen nicht unmittelbar wider und bis auf die Thematisierung des elisabethanischen Weltbildes spielt Kultur im wietesten Sinne eine eher untergeordnete Rolle in der Unterrichtseinheit. Die Retrospektiven mit den Lernenden haben gezeigt, dass sie zwar die Bedeutung der verhandelten Themen für ihre eigene Lebenswelt erkennen, sie machen diese aber eher an Gemeinsamkeiten fest als an den Charakteristika und Spezifika der fremden Kultur. Da interkulturelles Lernen vor allem darauf abzielt, Offenheit, Respekt und Empathie zu fördern sowie Schülerinnen und Schüler zur interkulturellen Kommunikation in zukünftigen face-to-face Situation zu befähigen, ist fraglich, ob man hier überhaupt von interkulturellem Lernen sprechen kann oder ob es sich doch eher um die Vermittlung von Daten und Fakten über die fremde Kultur im Sinne des traditionellen Landeskunde-Ansatzes handelt. Man muss allerdings einräumen, dass sich ein Shakespeare-Drama auch nicht auf den ersten Blick zur Förderung interkulturellen Lernens anbietet. Aktuellere Werke, die Aspekte der gegenwärtigen Kultur aufgreifen und thematisieren, dürften dazu wohl besser geeignet sein. AKL Was, glauben Sie, haben die Schüler in diese Einheit abgesehen von sprachlichen Phänomenen gelernt? 184 L Also, ich denke, sie haben über die englische Kultur, über dieses, dieses Zeitalter, über dieses wichtige Zeitalter mehr gelernt, sie haben aber auch wieder dazu in Abgrenzung, was ist meine Kultur heute und sie konnten mit dieser Shakespearean, mit diesem Shakespearean Age auch wieder Unterrichtsaspekte, die wir im letzten Jahr behandelt haben, in Beziehung setzen. Also, wir haben ja, 12 II war ja Great Britain auch als Thema und dann diese novel Nice Work. = 7, 8, 9 [LERNZUWACHS] Auf die Frage, was die Schüler ihrer Meinung nach neben sprachlichen Phänomenen durch die Unterrichtseinheit gelernt hätten, verweist die Lehrerin auf die englische Kultur und das elisabethanische Zeitalter. Zudem hätten die Lernenden die Möglichkeit erhalten, einen Transfer zu ihrer eigenen Kultur sowie zu früheren Unterrichtsinhalten in Bezug auf Großbritannien herzustellen (= 5, 8, 9). Auch wenn der Bezug zur Lebenswelt im Hinblick auf die Relevanz Shakespeares und die von ihm verhandelten Themen für heutige Jugendliche explizit hergestellt wird (vgl. Kap. 5.2.5.6), hätte sich dieser Aspekt, der einen inhärenten Bestandteil interkulturellen Lernens darstellt, an einigen Stellen der Unterrichtseinheit vertiefen lassen und so den Verstehensprozess fördern können. So hätte sich eine Reflexion der dargestellten Liebesauffassungen und ein Vergleich mit den in der Lebenswelt der Schüler vorfindbaren Liebeskonzepten nicht nur als fruchtbarer Diskussionsanlass erweisen, sondern auch im Sinne eines vertieften Textverständnisses nutzbar gemacht werden können (vgl. Kap. 5.2.5.1). AKL Wie beurteilen Sie den Verlauf der Einheit? = 9 L Ja, also ich bin zufrieden. Ich denke, gut hat ja auch, am Ende war ja auch die Resonanz durchwachsen, d.h. es gab ja auch welche, die halt meinten, nichts gelernt zu haben, wobei ich da, glaub` ich, nicht ganz zustimmen würde. Aber die persönliche Meinung ja oder wie den Schülern das Buch gefallen hat, denk` ich, ist überwiegen in Ordnung bis positiv und ich denke, dass die Schüler sowohl über den kulturellen Hintergrund viel gelernt haben, als auch mit der Sprache umzugehen, als auch verschiedene Darstellungsformen mal auszuprobieren mit sonett und poem, was sich ja jetzt auch wieder gezeigt hat in der Klausur, dass es sogar einige gewählt haben und ich denk` einfach, dass sie Perspektivenübernahme geübt haben und ja, ich bin doch zufrieden. Dass sie auch Texte analysieren können, das ist noch mal die andere, das eher kognitive können sie, haben sie, glaub` ich, auch gute Fortschritte gemacht. […] Schade, dass man nicht zwei Stücke machen kann, weil ich den Eindruck habe, dass der Kurs da erstaunlicherweise die besten Leistungen bislang bringt und, 185 oder gebracht hat. […] Die Schüler haben sich so entwickelt auch. […] Wir hatten in der 12,II David Lodge Nice Work. Da ging`s stetig bergauf und jetzt eigentlich den Höhepunkt bei Romeo und Juliet, aber sie haben, denke ich mal, auch so von diesen sprachlichen Aspekten oder analytischen Aspekten, dass sie diese Sprache analysieren können, was sie für rhetorische Figuren, die natürlich nicht immer stimmen, die sie dann da reinwerfen, aber sie können das jetzt anwenden und das ist das, wo ich sie auch hinbringen wollte, dass sie einfach so`n, wie so`n Werkzeug haben, mit dem sie dann auch arbeiten können, weil einfach so nur über irgendwie "sprechen wir mal drüber", davon halte ich halt nicht so viel. [EVALUATION DER UNTERRICHTSEINHEIT] Insgesamt ist die Lehrerin mit dem Verlauf der Unterrichtseinheit zufrieden; sie ist der Auffassung, dass die Schüler nicht nur viel über den kulturellen Hintergrund erfahren, sondern auch gelernt hätten, mit der Sprache umzugehen. Zudem hätten sie die Möglichkeit erhalten, verschiedene Darstellungsformen auszutesten und einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Schließlich hätten sie gelernt, Texte zu analysieren und die Lehrerin verzeichnet einen besonderen Leistungszuwachs, wenn sie anführt, dass einige Schüler ihre "besten Leistungen bislang" erbracht hätten. AKL Welche Auswirkungen hat in Ihren Augen das Landesabitur auf den Literaturunterricht? L Ja, das kann ich, also ich kann`s jetzt nur für Englisch sagen. Damit habe ich mich jetzt auseinandergesetzt. Ich finde, es schränkt den Lehrer und die Lerngruppe zum einen in der persönlichen Entscheidungsfreiheit ein, was machen wir, wo legen wir Interessensschwerpunkte? Man muss im Prinzip sehr viel oberflächlicher arbeiten, weil man möglichst viele Aspekte abgedeckt haben muss, weil man keine Ahnung hat, was drankommt. Also die Schwerpunktsetzung wird vollkommen außen vor gelassen. Romeo und Juliet haben wir schon viel zu ausführlich behandelt. Normalerweise muss das alles schnell-schnell gehen. Aber dann blickt keiner mehr durch, wenn man das so macht und hinter diesem Ansatz stehe ich überhaupt nicht. Ich mach` lieber ein Stück ordentlich und nicht fünf, sechs dann so anreißen. Das zum einen. Zum anderen, glaub` ich, dass das Abitur in der Vorbereitung für die Schüler anstrengender wird, weil sie sich viel mehr anlesen müssen. Es wird ja ein sehr starker landeskundlicher Schwerpunkt auch sein. […] Also wenn`s nach den Lehrplänen ginge, dann könnten wir eigentlich nur Infotexte zur Landeskunde machen. Literatur wird nebensächlich. Literatur wird nebensächlich, wobei ich glaube, dass die Prüfung an sich, die schriftliche Prüfung, einfacher wird, als die Schüler erwarten. 186 Es ist zwar ungewiss, was drankommt deswegen müssen sich die Schüler breiter vorbereiten -, aber die Fragestellung wird sicher oberflächlicher und einfacher, weil man`s anders gar nicht machen kann. Und die Literatur, das hat man uns auch in der Fortbildung gesagt, konzentriert sich auf Sachtexte und die Literatur fällt hinten runter. AKL Was halten Sie davon? Also, haben literarische Texte einen großen Stellenwert für Sie? L Ja, eigentlich einen größeren Stellenwert als Sachtexte für mich und da muss ich noch umdenken, weil Sachtexte, ja, die beschreiben eine Sache und geben sicher auch Diskussions- und Redeanlässe, aber mit Literatur verknüpft dann noch mal gewisse Sachverhalte zu erarbeiten, halte ich eigentlich für eine anspruchsvollere Leistung. AKL Worin genau sehen Sie einen Vorteil literarischer Texte gegenüber Sachtexten? L In literarischen Texten werden Sachverhalte oder Themen durch Figuren inszeniert. Die Schüler erhalten so`n viel besseren Zugang, weil sie Perspektiven übernehmen können. AKL Bereiten Sie die Schüler dann noch mal gezielt aufs Abi vor? L Nee, aber das liegt aber auch daran, dass ich`s nicht in der Hand hab, denen `nen Vorschlag zu stellen. Ich hab` ja keine Ahnung, was da drankommt. Bis zu dem Morgen, wissen wir nichts. Ja, ich weiß gar nicht, wie das werden soll. Wir werden die Wochen vorher, also zumindest im Februar, müssen wir noch mal alle Eventualitäten durchgehen. Die Schüler müssen auch noch viel mehr lernen, als wir im Kurs gemacht haben. Die müssen ganz viel Landeskunde sich noch reinpauken. Weil, ich mein`, klar, wenn wir jetzt die Klausur stellen würden, also wir Englisch-Kollegen, dann würden wir Bezug nehmen auf die Werke, die wir gemacht haben, plus dann natürlich Transfer. Aber, es hat ja jeder was anderes gemacht. Es gibt ja anders als im Deutschen, gibt`s ja keinen Lektürekanon. Im Deutschabi ist es so... AKL Diese sieben Werke. L Genau, die müssen gemacht werden und dann weiß man, man hat sie gut vorbereitet. Aber wir schwimmen ja ganz im Ungewissen. [LANDESABITUR] Abschließend wird mit der Lehrerin auf die bildungspolitischen Rahmenbedingungen des fremdsprachlichen Literaturunterrichts eingegangen, die sich durch die Einführung des Landesabiturs grundlegend geändert haben. Hinsichtlich ihrer eigenen inhaltlichen Interessen sowie die der Lernenden empfindet die Lehrerin das Landesabitur als Einschränkung ihrer persönlichen Entscheidungsfreiheit. Die Tatsache, dass die Lehrkräfte bis zum Tag der Abiturprüfung das Klausurthema nicht kennen und dadurch insgesamt mehr Themen abgedeckt werden müssten, um die Schüler auf das Abitur 187 vorzubereiten, wirke sich insofern negativ auf den Unterricht aus, als man einzelne Themen nur noch oberflächlich behandeln könne. Zudem moniert sie einen zunehmend landeskundlichen Schwerpunkt, dem man im Sinne der Lehrpläne bestmöglich mit "Infotexte[n] zur Landeskunde" bzw. Sachtexten nachkäme, wodurch literarische Texte nebensächlich würden und in Zukunft "hinten runter" fielen. Dies empfindet sie als Rückschritt, da in literarischen Texten Sachverhalte und Themen durch Figuren inszeniert würden, die Schülern durch die Möglichkeit der Perspektivenübernahme einen besseren Zugang ermöglichten und dies den Schülern anspruchsvollere Leistungen abverlange. ; + & Die Analyse der Unterrichtsstunden macht deutlich, dass nicht nur einem methodischen Pluralismus in Form eines ausgewogenen Verhältnisses analytischer und kreativer Bearbeitungsformen Rechnung getragen wird, sondern dass auch unterschiedliche Medien eingesetzt und somit intermediale und -textuelle Beziehungen hergestellt werden. Die Schülerperspektive wird bei der Textarbeit immer wieder berücksichtigt und es werden Bezüge zu ihrer Lebenswelt hergestellt. Die Lernenden erhalten wiederholt die Gelegenheit, ihre Erfahrungen, Erwartungen und Meinungen zu artikulieren, sie für das Verständnis des literarischen Textes heranzuziehen und ihre lebensweltlichen Erfahrungen im Lichte des literarischen Textes zu reflektieren, was den Prämissen einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik entspricht. Der literarische Text wird in seiner Offenheit und Polyvalenz erkannt, d.h. es werden unterschiedliche Interpretationen zugelassen und von den Lernenden im Unterrichtsgespräch verhandelt. Insgesamt werden durch die von der Lehrerin eingesetzten Aufgaben nicht nur die vier skills (Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben) gefördert, sondern durch den Einsatz audiovisueller Medien (Hörbuch, Filme) auch das Hör-/ Sehverstehen bzw. audiovisual literacy geschult. Die Verwendung zahlreicher analytischer und kreativer Methoden bei der Erschließung des literarischen Textes fördert zudem die kognitiven, affektiven und evaluativen Fähigkeiten der Schüler und stattet sie mit einem Instrumentarium zur selbstständigen Erschließung literarischer Texte aus. Die Analyse der verschiedenen Aufgabenstellungen zeigt, dass sowohl kreative wie analytische Aufgaben geeignet sind für ein "ins-Gesprächkommen" mit dem Text (G ADAMER 1990), das zu einem vertieften Verständnis des literarischen Textes führt. Dieses Potenzial wird aber für den Umgang im Unterricht insbesondere bei kreativen Arbeitsformen wie szenischen 188 Interpretationen deutlich: So empfinden sie selbst Lernende, die solche Aufgaben persönlich nicht bevorzugen, als geeignet, um einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und Charaktereigenschaften, Gefühle und Motive von Figuren sowie deren Konstellation auszuloten, was einen grundlegenden Aspekt literarischer Kompetenz darstellt. Die retrospektiven Interviews mit den Lernenden führen allerdings auch vor Augen, dass einzelne Aufgaben genügend vor- und nachbereitet werden müssen, um erfolgreich zu sein. Lernende erwarten für ihre Produkte und Leistungen Feedback und eine entsprechende Würdigung. Diese muss nicht alleine von Seiten der Lehrkraft erfolgen, sondern auch der Austausch und die Aushandlung mit Mitschülern im Unterrichtsgespräch spielt für die Lerner eine wichtige Rolle. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sich die Lehrerin häufig einer Bewertung von Schülerleistungen entzieht. Hinsichtlich der Strukturierung der Unterrichtsgespräche fällt auf, dass der quantitative Redeanteil der Lehrkraft im Gegensatz zu dem der Schülerinnen und Schüler sehr hoch ist und sich das oft kritisierte 'Ping-Pong- Spiel' der Redebeiträge wiederfinden lässt. Dennoch nimmt sich die Lehrerin an einigen Stellen des Unterrichtsdiskurses zurück, verzichtet auf eine zu starke Lenkung und übermäßige mündliche Fehlerkorrektur und übernimmt die Rolle einer Moderatorin. So ist sie zwar regelmäßig an den Interaktionen beteiligt, ihre Äußerungen beschränken sich aber, abgesehen von den Arbeitsaufträgen, häufig auf gesprächsstrukturierende Äußerungen wie "mmh" oder das Aufrufen von Schülern. Kritisch zu beurteilen ist hier allerdings, dass sich die Lehrerin auch weitgehend einer Beurteilung bzw. Bewertung von Schülerbeiträgen und -produkten entzieht, diskussionswürdige Punkte somit oft im Raum stehen bleiben und ihr didaktisches Potenzial nicht genutzt wird. Im Laufe der Unterrichtseinheit kommt es hin und wieder zu Schüler- Schüler-Interaktionen, in deren Verlauf die Lerner miteinander Bedeutung aushandeln. Die Schüler geben dabei zum Teil selbstständig die Gesprächsthemen an, zeigen Diskussionsbedarf, führen Klärungsgespräche und vertiefen dabei Aspekte, die von der Lehrerin unkommentiert bleiben bzw. 'übergangen' werden (vgl. Kap. 5.2.5.2). Bezüglich der Länge der einzelnen Schülerbeiträge lässt sich festhalten, dass einige Lernende relativ lange, über mehrere Sätze reichende Beiträge leisten, die von ihrem Interesse, ihrer Motivation und ihrem Engagement zeugen. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der Unterrichtseinheit auf der Charakterisierung der Figuren, der Erarbeitung ihrer Konstellation sowie dem detaillierten Nachvollzug der Handlungsverläufe in einzelnen Szenen und Akten. Die Förderung interkulturellen Lernens erfolgt anhand der 189 Vermittlung von Daten und Fakten über das elisabethanische Weltbild und dem Transfer zur Lebenswelt der Schüler, indem sie aufgefordert werden, die Relevanz der von Shakespeare verhandelten Themen für heutige Jugendliche zu evaluieren. Der interkulturelle Lernprozess hätte an einigen Stellen der Unterrichtseinheit vertieft werden können, indem etwa die unterschiedlichen Liebeskonzepte stärker reflektiert und ergründet worden wäre, inwiefern universelle Konzepte wie Liebe und Trauer durch die jeweiligen kulturellen Referenzmuster geprägt sind. In diesem Zusammenhang hätte auch ein vertieftes Verstehen der Figuren Romeo und Juliet gefördert werden können (vgl. Kap. 5.2.5.1). Die Daten-, Methoden- und Perspektiventriangulierung erweist sich als geeignete Herangehensweise, um den fremdsprachlichen Literaturunterricht dicht und kontextualisiert zu beschreiben und einen authentischen Einblick in die bestehende Unterrichtspraxis zu gewähren. Die Kodierungen stellen sich dabei als ein sinnvolles Instrumentarium dar, um das Unterrichtsgeschehen auf einzelne Arbeitsschritte herunter zu brechen und das komplexe Geflecht unterrichtlicher Äußerungen im fremdsprachlichen Literaturunterricht zu strukturieren und somit durchschaubar zu machen. Die Diskurs- und qualitative Inhaltsanalyse der transkribierten Unterrichtsstunden spiegeln wider, welche Aufgabenformen im fremdsprachlichen Literaturunterricht eingesetzt und verarbeitet werden und wie sie die Interaktion der Lernenden mit dem literarischen Text zu intensivieren vermögen. Die schriftlichen Schülerleistungen vermitteln zudem einen Eindruck über die Schreibkompetenzen der Lerner und geben zusätzlich Aufschluss über ihre persönlichen Verstehensweisen. Die zwei retrospektiven Interviews mit ausgewählten Schülerinnen und Schülern beleuchten den Literaturunterricht aus der Perspektive der beobachteten Subjekte, wobei einige Fragen im Unterricht bereits thematisierte Aspekte vertiefen, andere darauf abzielen, den Lerneffekt und die Meinung zu verschiedenen Themen auf einer Metaebene zu reflektieren. Das retrospektive Interview mit der Lehrerin wirft schließlich ein weiteres Licht auf die im Unterricht eingesetzten Methoden, auf verfolgte Lernziele, inwiefern diese erreicht wurden und reflektiert den schulischen Literaturunterricht vor dem Hintergrund der aktuellen bildungspolitischen Rahmenbedingungen. Hier hätte es im Sinne einer Perspektiventriangulation gewinnbringend sein können, weitere konkrete Fragen zum Unterrichtsgeschehen und zu den einzelnen Stunden zu stellen, um interessante Aspekte der Unterrichtseinheit näher zu beleuchten. Diese Erkenntnis wurde deshalb in den folgenden Fallstudien verstärkt berücksichtigt. 190 = ? ! ( ? = ! % Die Unterrichtseinheit zu dem Jugendroman Cloning Miranda (1999) von Carol M ATAS wurde von Juni bis Juli 2007 in einem Englischkurs der Jahrgangsstufe 11 beobachtet und videoaufgezeichnet. Der Kurs hatte drei Stunden Englisch pro Woche und die beobachtete Unterrichtseinheit umfasst insgesamt sechs Unterrichtsstunden. Bei der Schule handelt es sich um ein altsprachliches Gymnasium, das auf eine 450jährige Schulgeschichte zurückblickt und als Lateinschule gegründet wurde. Sie befindet sich in einer mittelgroßen Stadt im Wetteraukreis in Hessen. Die Lerngruppe bestand aus sieben Schülerinnen und fünfzehn Schülern, die seit der 3. bzw. 5. Klasse Englischunterricht hatten und zum Zeitpunkt der Beobachtung noch nicht alle volljährig waren. Bei der Lehrkraft handelt es sich um die frühere Praktikumsbeauftragte der Forscherin und sie erklärte sich nach einem persönlichen Gespräch bereit, an dem Forschungsprojekt teilzunehmen und die Videoaufzeichnungen anfertigen zu lassen. Die Lehrerin, deren zweites Fach Deutsch ist, war zum Zeitpunkt der Dokumentation seit elf Jahren im Schuldienst. = # Cloning Miranda ist ein Jugendroman der kanadischen Autorin Carol M ATAS , die bisher zahlreiche Kinder- und Jugendromane veröffentlicht hat. Der Jugendroman erschien 1999 erstmals in Kanada und ist seit 2003 als didaktische Ausgabe des Klett-Verlags in Deutschland erhältlich. Er umfasst insgesamt 15 Kapitel und 86 Seiten und ist somit einer der kürzeren Texte, der in dieser Studie verwendet wurde. Bei Cloning Miranda handelt es sich um die Ich-Erzählung der 14jährigen Miranda, deren bisheriges Leben aus den Fugen gerät. Die Titelheldin ist eine hübsche, intelligente, vielseitig talentierte und ehrgeizige Jugendliche, die alles perfekt machen möchte und ihren Eltern nur Freude bereitet. So ist sie eine hervorragende Schülerin, eine ambitionierte Tänzerin und hat im Vergleich zu ihrer besten Freundin Emma nie Streit mit ihren Eltern. Im Gegenteil, sie hat vollstes Vertrauen zu ihnen und ihre Beziehung ist scheinbar durch Harmonie, Offenheit und Ehrlichkeit geprägt. Insgesamt führt sie ein Bilderbuchleben, das sie von ihren Altersgenossen stark unterscheidet. 191 Doch ihre heile Welt bricht zusammen, als bei einer Tanzprobe ihre Sehkraft plötzlich beeinträchtigt ist und sie ihre Umgebung nur noch verschwommen wahrnimmt. Eine sich anschließende ärztliche Untersuchung ergibt, dass sie an einer unheilbaren Erbkrankheit, i.e. der von Hippel-Lindau Krankheit leidet. Nur eine umgehende Organtransplantation kann Miranda noch retten, doch die Wahrscheinlichkeit, in der gebotenen Kürze einen passenden Spender zu finden, erscheint aussichtslos. Umso überraschender ist es, als ihr ihre wohlhabenden Eltern, die mehrere Kliniken in Kalifornien besitzen darunter eine private Forschungsklinik -, Miranda eine schnelle Heilung zusichern. Miranda ist nicht nur über die Zuversicht ihrer Eltern stark verwundert, sondern sie macht darüber hinaus in der elterlichen Klinik eine erschreckende Entdeckung. Sie trifft auf ein jüngeres Ebenbild ihres Selbst mit der Nummer 10, das, wie sie herausfindet, ihr genetisches Duplikat ist und nur von dem Klinikleiter Dr. Mullen im Auftrag der Eltern erschaffen wurde, um Mirandas Leben im Notfall zu retten. Miranda muss nun feststellen, dass ihre Eltern nicht immer ehrlich zu ihr waren und zudem moralische Auffassungen vertreten, die ihren eigenen entgegengesetzt sind. Während Mirandas Eltern Nummer 10 nicht als menschliches Wesen, sondern nur als Ersatzteillager für Miranda sehen, wehrt sich Miranda mit ihrem Leben dagegen, dass ihr Klon für sie geopfert wird. Im weiteren Verlauf ihrer Nachforschungen erfährt sie zudem, dass sie selbst auch aus dem genetischen Material ihrer älteren Schwester Jessica erschaffen wurde, die einem Gehirntumor erlag. Um eine solche Krankheit bei Miranda zu verhindern, hatte Dr. Mullen Mirandas Erbgut verändert, damit sie so stark und gesund wie möglich sein sollte. Umso härter trifft es Mirandas Eltern, als sie erfahren, dass ihr Leiden dennoch genetisch bedingt ist. Miranda sieht sich nach diesen Erkenntnissen als wissenschaftliches Experiment und ihre Identität, ihr Selbstwert sowie das Vertrauen in ihr Wahrnehmungs- und Urteilsvermögen sind stark erschüttert. Erst als Dr. Mullen einen Weg findet, sowohl sie als auch ihren Klon, den sie Ariel tauft, zu retten, akzeptiert sie das Angebot. Auch wenn Miranda ihre Eltern für ihr Verhalten verabscheut, endet der Roman auf einer versöhnlichen Note, indem Miranda versucht, ihren Eltern zu vergeben. Nichtsdestotrotz sieht sie ihre Eltern kritisch und verhält sich ihnen gegenüber weitaus distanzierter, als zu Beginn des Romans. Gleichzeitig schöpft sie neuen Lebensmut, trifft ihre eigenen Entscheidungen und führt ein nunmehr selbstbestimmtes Leben. Mit Cloning Miranda greift die Autorin eine gesellschaftlich kontrovers diskutierte Thematik auf, die die lebensweltlichen Erfahrungen heutiger Jugendlicher adressiert. Dabei bieten neben medizinischen und juristischen 192 Gesichtspunkten insbesondere ethische Fragen zahlreiche Diskussionsanlässe. Darüber hinaus werden die dem Adoleszenzroman zuzurechnenden Themen "Erlangen von emotionaler Unabhängigkeit" und Loslösung vom Elternhaus, "Aufbau eines Wertesystems und eines ethischen Bewusstseins", "Entwicklung sozial verantwortlichen Handelns" und "Identitätsfindung" (S URKAMP / N ÜNNING 2009: 274ff.) durch die Figur der Miranda personalisiert und ermöglichen den Lernenden eine subjektive und kritische Auseinandersetzung mit der Thematik. Insgesamt leidet der Text allerdings an einer Schwäche, die viele Jugendromane gemeinsam haben: Das kontroverse und komplexe Thema wird sehr schnell und mit einem fast unglaubwürdig positiven Ende aufgelöst. Gleichwohl bietet der für eine 11. Jahrgangsstufe sprachlich angemessene, spannend geschriebene und thematisch an die Lebenserfahrungen der Lernenden anknüpfende Jugendroman einen motivierenden Lektürestoff. Potenzielle sprachliche Unklarheiten werden durch die in der Klett-Ausgabe befindlichen Annotationen ausgeräumt (vgl. K A - MINSKI 2004). = + 4 • Lesen des Jugendromans als Vorbereitung auf die erste Stunde. S TUNDE 1 • SuS erhalten den Auftrag, in Gruppen ihre Definition von "perfection" schriftlich festzuhalten und zu präsentieren; • gemeinsames Sammeln von Eigenschaften eines perfekten Teenagers: What makes a perfect teenager? • Hausaufgabe: 1) Anwendung der gesammelten Definitionen auf die Protagonistin Miranda: In which way does Miranda correspond to your definition of perfection? 2) Erarbeitung der Entwicklung der Figurenkonstellation (Beziehung zwischen Miranda und ihren Eltern) anhand eines Arbeitsblattes 83 mit einer Hierarchisierungsaufgabe: Put the quotations from Miranda and her parents in the correct order. What do these quotations reveal about their relationship? S TUNDEN 2 UND 3 • Charakterisierung der Protagonistin Miranda; • gemeinsame Erarbeitung der Figuren Linda, Mirandas Vater, Emma, Dr. 83 Das Arbeitsblatt und die eingesetzten Sachtexte entstammen dem Teacher´s Guide zu Cloning Miranda (K AMINSKI 2004). 193 Mullen, Nummer 10/ Ariel; • Wiederholung der Merkmale von Perfektion und deren Subsumierung unter die Kategorien character, outward appearance, behaviour und other; • Erarbeitung der Figurenkonstellation: Miranda und ihre Eltern; Entwicklung der Beziehung zwischen Miranda und ihrer Mutter: Take some notes which describe the relationship between Miranda and her mother at the beginning of the novel. • Aufgreifen der Hierarchisierungsaufgabe: Gemeinsames Ordnen und Kommentieren der Zitate; • Hausaufgabe: Lesen des dreiseitigen Sachtextes "Human cloning and genetic engineering: State of the art". S TUNDE 4 • Besprechung des Sachtextes "Human cloning and genetic engineering: State of the art" und Sammeln einiger Stichwörter an der Tafel; • Rückbezug zum Text: What kinds of cloning do we find in Cloning Miranda? • Hausaufgabe: Lesen des Sachtextes "John F. Kilner: Human cloning is here" und Herausfiltern der Argumente pro und contra Klonen. Lehrerin teilt sechsseitige Vokabelliste zum Thema Cloning and genetic engineering aus. 84 S TUNDE 5 • Gemeinsame Erarbeitung der Argumente für das Klonen; • gemeinsame Erarbeitung der Argumente gegen das Klonen; • Befragung der SuS zu ihrer persönlichen Meinung hinsichtlich des Klonens; • Hausaufgabe: What do we know about Dr. Mullen´s research? To what extent does that correspond with reality? S TUNDE 6 • Lehrerin teilt drei Fallstudien zum Thema Klonen aus. SuS erarbeiten die Texte in Partnerarbeit und filtern die jeweiligen Begründungen für das Klonen heraus; • SuS präsentieren ihre Ergebnisse und Lehrerin hält sie in einem Tafelbild fest; • SuS suchen Pro- und Contra-Argumente zu den einzelnen Fällen und stellen ihre Ergebnisse in einem Rollenspiel dar. 84 Vgl. K AMINSKI (2004: 58-63). 194 = 3 , 5 " ' 4 " = 3 ' .! " Als Hausaufgabe für die erste Unterrichtsstunde zur Behandlung des Jugendromans hatten die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, den Text vollständig zu lesen. Nichtsdestotrotz hat die Aufgabe "Note your personal definition of perfection or what being perfect means to you in general" den Charakter einer pre-reading activity, da sie einen Aspekt des Jugendromans herausgreift, das entsprechende Vorwissen der Lernenden sowie ihre lebensweltlichen Erfahrungen aktiviert und der Interessensweckung dient (1). In Partnerarbeit halten die Lernenden ihre persönliche Definition von "perfection" auf ausgeteiltem buntem Papier fest und präsentieren diese anschließend an der Tafel. Die Schülerinnen und Schüler haben sehr genaue Vorstellungen darüber, was Perfektion für sie bedeutet und sie nennen zahlreiche Attribute. Aspekte wie gutes Aussehen und Intelligenz spielen dabei eine herausragende Rolle und kommen wiederholt zur Sprache. Davon gefolgt sind Popularität, positive Charaktereigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Höflichkeit und Ehrlichkeit sowie Gesundheit. Nach der Sammlung dieser Attribute fordert die Lehrerin die Lerngruppe auf, ein Fazit zu ziehen, indem sie die drei am häufigsten genannten Aspekte herausfiltern und einen Konsens über die Definition von Perfektion erzielen. L 11: 50 Mmh, ok. So, ehm so there are some aspects or most of the aspects all of you mentioned so which - if you should, ehm, well concentrate on three aspects: What does perfection mean? Which three aspects all of you mentioned more or less? 1, 8, 20 S 21 I think everybody mentioned the good-looking part … [L: ok] and also the being very intelligent part. 22, 41 L Aha, ok. S 10 ? 14a, 13a S 10 I think also it´s an [important] point to have a good character. 22, 24e, 28a L Aha, (zu S 12 , der sich meldet) S 12 ? 14a, 13a S 12 It´s also important that you have no mistakes. 22, 28a L 11: 51 Ok, no mistakes at all. So, ehm and if you, if you should define, so what, what is good-looking? (SuS lachen) How can I ask that? (zu S 1 , der sich meldet) S 1 ? 14a/ c, 17a S 1 Maybe there are / i/ deals of beauty, [L: / ai/ deals] / ai/ deals, so (hält Cloning Miranda hoch) maybe like this. [L: ok] 22, 28a S 3 Muscles. 22, 28a 195 L Muscles, definitely. 14a/ c S 1 Yes, like this. 37a L S 12 ? 13a S 12 I think good-looking is subjective. 22, 28a, 24e L (verbessert Aussprache) Subjective. 15a S 12 11: 52 Subjective because everybody has another, a different, different opinion of, of what is good-looking. 22, 28a, 24e L Ok, ehm S 18 ? 14a, 13a S 18 But I think instead of the, the subject-, subjective meaning of good-looking, there´s, there´s an idol in the eh society what good-looking is. 22, 38a/ b, 28a L Ok, exactly. So it depends on the Zeitgeist maybe so what, what we think is good-looking. So I think nobody would ehm, well, define a woman from a Rubens picture as eh corresponding to the, to the modern ideal of good-looking. Ok, so and, well and then the other aspect was character, good character. What´s that? What is a good character? S 13 ? 14a/ d, 17a, 13a S 13 11: 53 I think you can´t answer this question because everyone has a different opinion in this point, too, because someone eh likes it more that someone is much intelligent and another one likes if he is more healthy. 22, 28a L So, what, what has that, has that to do with the character, does it? 14f S 13 Yeah, yeah hilfsbereit. [Sn: helpful] Helpful. 22, 35b, 32 L Helpful. Ok, aha. S 21 ? 14c/ a, 13a S 21 I think ehm like S 13 said it´s very difficult to define what´s perfect in a character but I think you can say that the highest limit of every positive aspect eh is like being perfect in a character. 22, 37a, 28a L Mmh, ok. S 8 ? 14a, 13a S 8 But when someone is nice and friendly and helpful I think he has a good character. 22, 38a/ b, 28a […] L 11: 56 Ok. So you see that there are a lot of things and so you could say, ok, it´s perfect for me but not in general. Ehm, the definition from the dictionary of being perfect is the following. (heftet Zettel mit Definition an die Tafel: "complete and correct in every way, of the best possible type or without fault") So can you read it? (SuS äußern sich zustimmend) Ok, ehm you see this is more or less the same as you found. (unverständlich) Complete and correct but we have no precise definition of 14a, 20, 21 196 what that would be. [VORVERSTÄNDNIS DER SCHÜLER/ INNEN ZU "PERFECTION"] Als die am häufigsten genannten Attribute identifizieren die Lernenden gutes Aussehen, Intelligenz, einen guten Charakter und keine Fehler zu haben. Nach der Sammlung dieser Punkte greift die Lehrerin die Aspekte 'gutes Aussehen' und 'guter Charakter' heraus und fordert die Lernenden auf, deren Bedeutung zu erläutern. S 1 weist daraufhin hin, dass es möglicherweise ein gesellschaftliches Schönheitsideal gäbe, das von Miranda repräsentiert werde (22, 28a, 24h) (11: 51). Er untermauert seine Aussage damit, dass er den Jugendroman Cloning Miranda hochhält, auf dessen Cover eine hübsche blonde Jugendliche mit blauen Augen abgebildet ist. Nachdem S 3 scherzhaft "muscles" einwirft (22, 28a), wendet S 12 ein, dass gutes Aussehen subjektiv sei und dementsprechend nicht verallgemeinert werden könne (22, 28a, 24e). S 18 schließt sich demgegenüber der Aussage von S 1 an, dass es ein gesellschaftliches Schönheitsideal gäbe, das nicht als rein subjektiv interpretiert werden könne (22, 38a/ b, 28a). Die Lehrerin äußert sich zustimmend zu dieser Aussage und beschließt die Gesprächssequenz mit dem Hinweis, dass sich Schönheitsideale ändern und heutige Betrachter etwa die in den Bildern Rubens dargestellten Frauen nicht mehr als attraktiv erachten würden (14a/ d). Anschließend fragt die Lehrerin die Schülerinnen und Schüler, welche Kriterien ein 'guter Charakter' aufweist (17a). S 13 überträgt die vorangehende Aussage von S 12 auf den Aspekt des guten Charakters und weist darauf hin, dass auch ein 'guter Charakter' subjektiv sei und unterschiedlich bewertet werden könne (22, 28a). So mögen einige Intelligenz, andere dagegen Hilfsbereitschaft als gute Charaktereigenschaften betrachten. S 21 greift die Aussage von S 13 auf und räumt ein, dass es schwierig sei zu definieren, was ein 'guter Charakter' impliziere, führt dann aber weiter aus, dass "the highest limit of every positive aspect" einen perfekten Charakter ausmache (22, 37a, 28a). S 8 wendet dagegen ein, dass jemand einen guten Charakter habe, wenn er freundlich und hilfsbereit sei (22, 38a/ b, 28a). Die Lehrerin fasst die Gesprächssequenz mit dem Hinweis zusammen, dass man die Aspekte, die man selbst als Kriterien für einen guten Charakter erachte, nicht verallgemeinern könne (20, 21). Schließlich führt sie die Wörterbuchdefinition von Perfektion an und zieht das Fazit, dass die Lernenden mehr oder weniger zu dem gleichen Ergebnis gekommen seien. Die Aufgabenstellung bzw. der Stimulus hat einen hohen Aufforderungscharakter und die Gesprächssequenz zeugt von einem starken Interesse der Schülerinnen und Schüler und einer aktiven Mitarbeit. Die Lerngruppe führt die Diskussion dabei an einigen Stellen selbstständig, ohne Nachfragen der 197 Lehrerin. Die Äußerungen der Lernenden, die insbesondere auf äußerliche Merkmale abheben, spiegeln eine Entwicklungsaufgabe der Adoleszenz wider, i.e. die Akzeptanz der eigenen körperlichen Erscheinung (vgl. S URKAMP / N ÜNNING 2009: 275) und die Thematik adressiert ihre lebensweltlichen Erfahrungen. Die Schüler erhalten im Unterrichtsgespräch die Möglichkeit, ihr Vorwissen und ihre Vorstellungen zu integrieren, sodass unterschiedliche Auffassungen darüber, was 'gutes Aussehen' und 'guter Charakter' heißt, diskutiert und ausgehandelt werden: Sie gelangen schließlich zu dem intersubjektiv nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Beurteilung von Perfektion zwar durch gesellschaftliche Ideale geprägt sei, aber auf individueller Ebene dennoch von der jeweiligen Perspektive und dem situativen Kontext abhänge. Nach der Sammlung der Kriterien für Perfektion im Allgemeinen grenzt die Lehrerin den Fokus ein und fragt die Lernenden, was einen perfekten Teenager ausmache. Zu dieser Frage treten wie bei den Kriterien für Perfektion verschiedene Auffassungen zutage und ein weiteres Merkmal der Adoleszenz, die Identitätsbildung, wird in den Beiträgen kontrovers diskutiert. Während manche Lernende der Überzeugung sind, dass ein perfekter Teenager tue, was seine Eltern ihm sagten und diese als Vorbild ansähe, sind andere der Auffassung, dass ein perfekter Teenager seinen eigenen Willen entwickeln müsse, um sich von seinen Eltern abgrenzen und unabhängig werden zu können. Dazu gehöre es, eigene Erfahrungen und auch Fehler zu machen. Weiterhin nennen die Lernenden, dass ein perfekter Teenager selbstbewusst sei, wahre Freunde habe und seine ersten sexuellen Erfahrungen mache. Abschließend zu dieser Unterrichtsstunde erhalten die Lernenden den Arbeitsauftrag zu untersuchen, inwiefern die Titelfigur mit den o.a. gesammelten Attributen korrespondiert. = 3 # D : ! ! , Im Sinne einer Charakterisierung der Protagonistin Miranda sollen die Lernenden anschließend als Hausaufgabe eruieren, inwiefern diese mit den im Plenum gesammelten Merkmalen von Perfektion korrespondiert. Als Hilfestellung zur Bearbeitung dieser Aufgabe und zur Gewährleistung einer nahen Textarbeit nennt die Lehrerin den Schülerinnen und Schülern diejenigen Seitenzahlen, die sie näher untersuchen sollen: "In which way does Miranda correspond to your idea or to the dictionary´s idea of 'perfection'? The pages you should examine are page 7-13, page 29, page 32, page 36, page 85- 86." Zur Rekapitulation der in der letzten Stunde gesammelten Merkmale von Perfektion fordert die Lehrerin die Schülerinnen und Schüler in der 198 Folgestunde auf, drei Kategorien zu benennen, in die man Teilaspekte von Perfektion einordnen könne (8, 19, 20). S 16 nennt daraufhin die Kategorien "character", "outward appearance" und "behaviour" (40), die die Lehrerin an der Tafel festhält. Nach jedem Beitrag werden die Lernenden aufgefordert, das von ihnen genannte Merkmal unter die entsprechende Kategorie zu subsumieren (17a). Die Lerngruppe nennt dabei zahlreiche Aspekte, die Miranda zu Beginn des Jugendromans detailliert charakterisieren (23b, 24c) und ihre Perfektion bezeugen würden: Sie sei gesund, habe reiche und fürsorgliche Eltern, sie sei gut in der Schule und lerne viel, sie sei vernünftig und arbeite hart, sie sei intelligent, lüge und streite sich nie, sie sei freundlich, sehr ehrgeizig, sportlich, eine gute Tänzerin und ihr Aussehen korrespondiere mit dem gegenwärtigen Schönheitsideal, da sie groß, schlank und blond sei und blaue Augen habe. Zudem bezeichnen sie die Lerner als ein Vorbild für andere, da sie sich in jeder Situation souverän und richtig verhalte und mithin einen guten Einfluss auf andere ausübe. Nicht zuletzt sei sie diszipliniert, habe einen gefestigten Charakter, tue, was von ihr erwartet werde und habe eine gute Menschenkenntnis. Die Unterrichtsstunde zeugt von einer sehr detaillierten Beschreibung der positiven Eigenschaften der Figur Miranda und ihre Charakterisierung korrespondiert weitgehend mit den zuvor gesammelten Attributen von Perfektion. Als die Lehrerin den Aspekt aufgreift, dass Miranda eine gute Menschenkenntnis aufweise, und ihn mit Empathievermögen zu paraphrasieren sucht, kommen erstmals negative Aspekte in Mirandas Charakter zur Sprache und es beginnt sich ein Gespräch zu entspinnen, das von einer differenzierteren Rekonstruktion der Figur zeugt: L 11: 59 So ehm would you agree that she is very reasonable and that - is it reasonable or is it a good knowledge of others? Empathy? She feels empathy for others? (SuS äußern sich zustimmend; L schreibt an die Tafel) S 21 ? 3b, 4c, 13a Suggestivfrage S 21 I´m not sure if she´s quite outfitted with empathy because she has a lot of difficulties to empa-thy [L: to be empathetic], to be empathetic with other people when she had to act in that role. She had very big difficulties to act like a very angry character because she never had any, any bad feelings. I just think she can quite I think act like a psychologist and just to analyse why someone´s doing that but she not can, not can feel empathy for someone. Empathie 23b, 24c/ d/ e L 12: 00 Yeah, but to be able to analyse that means you have to have some insight in the character. So think of the girl which is telling the jokes while she´s entering the dressing room. So, 14b, 3b, 4c, 13a 199 what does that scene show? S 18 ? S 18 She understands her or, yeah, I think so, she understands why the girl is telling the jokes and is feeling empathy and that´s because she´s also laughing with the others over herself. 23b, 24c 38b L Ok, so we could say she´s understanding. (schreibt an die Tafel) S 21 ? 14a/ d, 13a S 21 12: 01 That´s the reason why I wanted to say that her character is very stable because she doesn´t get influenced by anything other people say, even if they want to influence them in a bad way like (unverständlich) wants to, tries to and even if other people want to, I think, make her being angry it doesn´t work. 35a, 23b, 24c L Ok. S 13 ? 14a, 13a S 13 But she´s very much influenced by her parents or something. 38b, 23b, 24c L Is she? 17b S 13 I think so. At the beginning of the book. 35a, 23b, 24c L Ok, so can we put the relationship to the parents a minute or some time at the end of the lesson? Yeah? Ok, but this is a, well, a bigger field to work on. S 18 ? 14a S 18 I think she´s a little farther away from other humans [L: aha] because she´s afraid that the others will hate her because she´s ill and ehm she´s not perfect anymore but she - I think she forgets that the others are never perfect and also ill. 23b, 24c/ d/ e, 28a L 12: 02 So, ehm this aspect again I would like to put some, some time behind that. Ehm, there are some other things I would like to focus on. S 21 ? 13a S 21 I´m not quite sure if she´s just scared of it but I think one statement of her just shows why she doesn´t want to tell because she says "the world keeps monsters so we can hurt and despise them" and I think that´s the reason why she don´t want to tell anyone that she´s not perfect anymore. 23b, 24c/ h, 38a L It has something to do with finding her identity and this is a bigger complex. Ok, so well what is her reaction when she gets aware of that she´s suffering from a fatal disease? What is her reaction? . S 15 ? 14d, 3b, 4c, 13a S 15 She´s calm and doesn’t get hysterical. 23b, 24c L Ok. S 1 ? 14a, 13a S 1 And she says "maybe this is the payment for never being sick". 23b, 24c/ h L Yeah. And S 18 ? 14a, 13a S 18 12: 03 She wants to prove what this illness is about because yeah she wants to know it by herself and later she found out that she 23b, 24c/ h 200 can´t really trust her parents because they are saying "all is getting good, perfect again and nothing will happen to you" and she can´t believe it. L Ok, so when she, she knows or when she gets to know that she will survive when she gets the liver from number 10, what is her reaction? S 21 ? 3b, 4c, 13a S 21 She wants to kill herself. 23b, 24c L She wants to kill herself. And before that? S 18 ? 3b, 4c, 13a S 18 She feels responsible for number 10 [L: and? ] …and shows that she´s so reasonable that she wants just have the half liver. 23b, 24c L So, before she knows that it works with half of the liver, before she knows that? 3b, 4c S 19 She wants to die. 23b, 24c L 12: 04 Exactly. So, she doesn´t accept the offer, yeah? She doesn`t accept that number 10 will die in favor of her curing. So what does that show . about her character? S 5 ? 14a, 3b, 4c S 5 Maybe she´s naïve. 23b, 24c/ e L Naïve? Aha. S 17 ? 14c, 13a S 17 I think she´s modest and she wouldn´t hurt anyone else to get an advantage for her. 23b, 24c L 12: 05 Ok, exactly. So, she´s modest, you said, ok, she´s not, definitely not selfish. Otherwise she would have accepted that offer. (schreibt an die Tafel) Ok, we do not know much about her relationship to her classmates but ehm when you, when you think of, well which background Miranda has, her parents have a lot of money and she has a lot of advantages, she has a lot of privileges. Ehm how does she deal with that? S 21 ? 14a/ c, 3b, 4c S 21 12: 06 I think she doesn´t want to show it that big. I think everybody in the class knows who she is and what she has but when her mother picks her up with the car, it´s a very flashy car, and Miranda doesn´t understand why her mother who`s very beautiful and young-looking, she doesn´t understand why she still wants to show everybody who she is and still wants to be flashy and Miranda just wants to lead her life not showing anyone that she´s something better or so. [L: ok] And that´s what her mother wants, I think. 23b, 24c L Ok, so she´s definitely no show-off. (schreibt an die Tafel) Ok, so, well-done. 14d/ e [CHARAKTERISIERUNG MIRANDA] Auf die Frage der Lehrerin, ob man Mirandas Menschenkenntnis mit Empathievermögen umschreiben könne (3b, 4c), wendet S 21 ein, dass Miranda Probleme habe, sich in andere Personen zu versetzen (23b, 34c). Zur Unter- 201 mauerung ihrer Aussage zieht sie die Textstelle heran, in der Miranda sich für ihren Tanzauftritt in die Rolle der "scheming queen" (M ATAS 2003: 10) einfühlen soll (24h). Das bereitet ihr Schwierigkeiten und die Lehrerin Ms. Leanard fordert sie auf, sich ihre bisher grausamste Erfahrung vor Augen zu führen, um den notwendigen Gefühlszustand zu evozieren: "You need this to get into your character. You´re still far too nice" (ibid.: 11). S 21 fasst Mirandas Unvermögen, sich in eine verärgerte Person zu versetzen, mit den Worten: "She had very big difficulties to act like a very angry character because she never had any, any bad feelings" (S 21 ; 11: 59). Auch wenn Miranda in der Lage sei, das Verhalten anderer zu analysieren und zu interpretieren, sei sie laut S 21 außerstande, eine Innenperspektive einzunehmen und die Gefühle des Gegenübers nachzuvollziehen: "I just think she can quite, I think, act like a psychologist and just to analyse why someone´s doing that but she not can, not can feel empathy for someone" (S 21 ; 23b, 24c/ d/ e). Die Lehrerin entgegnet auf den Beitrag von S 21 , dass es jedoch der Einsicht in eine Figur bedürfe, um sie analysieren zu können (14b). Auch sie zieht zur Fundierung ihrer Aussage eine Textstelle heran, indem sie die Szene aufgreift, in der Miranda den Umkleideraum betritt und ihre Schulkameradin Cally einen Blondinenwitz erzählt. She [Cally] tries to make up for her clumsiness with a sense of humour, though. She starts to tell a joke as soon as I walk in. She looks like she hasn´t noticed me but as soon as I hear the beginning of the joke I know she has. "What do you call it when a blonde dyes her hair brown? Artificial intelligence." I laugh along with everyone else even though I know she meant it for me. (M ATAS 2003: 10) Auf die Frage der Lehrerin, was diese Szene illustriere, weist S 18 darauf hin, dass sie von Mirandas Empathievermögen zeuge, da sie die Motive von Cally, den Blondinenwitz zu erzählen, durchschaue und dafür Verständnis habe (23b, 24c, 38b). Als die Lehrerin den Beitrag von S 18 dahingehend zusammenfasst, dass Miranda "understanding" sei, knüpft S 21 an ihren vorangehenden Beitrag an und führt aus, dass Miranda einen gefestigten Charakter habe und dementsprechend nicht leicht zu beeinflussen sei, selbst wenn man sie mutwillig verärgern wolle (35a, 23b, 24c). S 13 greift diesen Beitrag selbstständig auf und wendet ein, dass Miranda sehr stark durch ihre Eltern beeinflusst werde (38b, 23b, 24c). Die Lehrerin stellt diese Aussage in Frage (17b), woraufhin S 13 seine Aussage zwar bekräftigt, sie aber gleichzeitig relativiert und auf den Anfang des Romans beschränkt (35a, 23b. 24c). Da die Lehrerin geplant hat, die Konstellation zwischen Miranda und ihren Eltern zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich zu thematisieren, geht sie an dieser Stelle nicht weiter auf S 13 s Beitrag ein. S 18 treibt die Charakterisierung Mirandas weiter voran, indem sie anmerkt, "she´s a little farther away from 202 other humans". Sie lenkt dabei eigenständig auf einen Aspekt, der zuvor noch nicht thematisiert wurde, nämlich die Tatsache, dass Miranda ihre Erkrankung vor ihrer Umwelt verschweigt. S 18 schlussfolgert, dass Miranda Angst habe, dass die anderen sie hassen könnten, wenn sie nicht mehr perfekt sei und merkt an, dass Miranda wohl vergessen habe, dass niemand perfekt sein könne (23b, 24c/ d/ e, 28a). Ungeachtet der Tatsache, dass die Lehrerin auch die Thematisierung dieses Aspekts auf einen späteren Zeitpunkt verschieben möchte, geht S 21 auf den Beitrag von S 18 ein und führt ihn weiter aus, indem sie eine Textstelle zitiert ("the world keeps monsters so we can hurt and despise them"), die Rückschlüsse über Mirandas Motiv, ihre Krankheit zu verschweigen, zulasse (23b, 24c/ h, 38a). Die Lehrerin räumt daraufhin ein, dass dieser Aspekt etwas mit Mirandas Identitätsfindung zu tun habe und weist darauf hin, dass dies ein größerer Komplex sei. Sie greift die Beiträge von S 18 und S 21 auf und lenkt die Aufmerksamkeit der Lernenden auf Mirandas Reaktion, als sie erfährt, dass sie an einer tödlichen Krankheit leidet (14d, 3b, 4c). Während S 15 anmerkt, dass Miranda ruhig bleibe und nicht hysterisch werde, zitiert S 1 die entsprechende Textstelle, die Mirandas Reaktion veranschaulicht ("maybe this is the payment for never being sick") (23b, 24c/ h). S 18 führt aus, dass Miranda eigenständig Recherchen über ihre Krankheit anstelle und dieser Umstand dazu führe, dass Miranda das erste Mal misstrauisch gegenüber ihren Eltern werde. Obwohl Miranda herausfinde, dass ihre Krankheit tödlich verlaufe, sicherten ihr ihre Eltern zu, dass sie wieder vollständig geheilt werden würde (23b, 24c/ h). Die Lehrerin lenkt das Gespräch weiter, indem sie auf Mirandas Reaktion abhebt, als sie erfährt, dass sie durch die Transplantation der Leber von Nummer 10 überleben werde (3b, 4c). S 21 hebt hervor, dass Miranda Selbstmord begehen wolle; S 18 führt aus, dass sich Miranda für Nummer 10 verantwortlich fühle und nur die Hälfte ihrer Leber akzeptieren wolle, um sie zu retten (23b, 24c). Auf die Frage, was diese Reaktion über Mirandas Charakter verrate, bezeichnet sie S 5 als naiv, während S 17 ihre Reaktion als Zeichen ihrer Bescheidenheit interpretiert. Die Lehrerin greift den Aspekt der Bescheidenheit auf und lenkt das Gespräch abschließend auf Mirandas Hintergrund, i.e., dass sie reiche Eltern habe und viele Privilegien genieße. S 21 verweist diesbezüglich auf die Tatsache, dass Miranda im Gegensatz zu ihrer Mutter ihrer Umwelt nicht das Gefühl geben wolle, etwas Besseres zu sein (23b, 24c). Die Lehrerin schließt sich dieser Aussage an und paraphrasiert sie insofern, dass Miranda keine Angeberin sei (14d). Nach der Charakterisierung der Protagonistin, die an mehreren Stellen von den Schülerinnen und Schülern sehr selbstständig ausgestaltet wurde, fordert die Lehrerin die 203 Schülerinnen und Schüler zu einer persönlichen Stellungnahme und zu einer Evaluation der Eigenschaften der Titelfigur auf. L 12: 07 So now that we have worked on Miranda´s being perfect, do you think that she is a perfect person? S 20 ? 3b, 4c/ e, 8 S 20 I think a perfect person has to do mistakes and ehm I think if you just, yeah, you´re not selfish I think there´s always a situation where you are selfish or not stable where you have to react in a certain way and she´s always the same and I think you have to have some moments where you just show your feelings. 23b, 24c/ e, 28a L 12: 08 S 9 , what about you? 13b S 9 I think her character is perfect but I think a perfect person don´t need a clone or something like this. And yes I think perfect is too, is, if you are perfect you, you have to be both sides of life. You have, sometimes you have to be, you have to be like Miranda but sometimes you, you onl-, you have to be like, like, maybe you have to be a little bit (gestikuliert und sucht nach dem passenden Wort) evil or something (SuS lachen). 23b,24c / e, 28a L 12: 09 Ok. So, remember what what, what S 20 said. She said, ok, sometimes you have to show your emotions. Sometimes you have to show your feelings, so in which way does Miranda ehm well fit into that, in that, into that well aspect? Does she show her emotions or feelings? S 18 ? 14a, 19, 18c, 3b, 4c 13a S 18 No. In the first part of the novel not. Just in the second part when she finds out that she is a clone and she has a sister clone named 10. Then she shows feelings. 23b, 24c/ e L Ok. S 21 ? 14a, 13a S 21 12: 10 I think she completely changes throughout the novel because in the beginning I think she´s perfect for their definition. She´s just perfect in every way, she´s not problems, she´s never rethinking of what she´s doing. She´s just living with every perfect skill God has given her and so I think, but if you rethink what perfect means to you I think she´s more perfect in the end of the novel because she has now responsibilities, she has an own character, she´s thinking about everything, she has her own opinion about everything. She makes own decisions. She also leads her life with having fun, not just following your rules and practicing all the time. So I think it´s very part of point of view what, which is perfect and which way of her is not perfect. 23b, 24c/ e, 28a/ b L Ok. To sum that up: So we can see a development. (schreibt an die Tafel) So from (unverständlich), when you sum it up, from, 14a, 21, 13a 204 12: 11 well, other people´s demands, so from rationality (schreibt an die Tafel) to showing emotions and to showing emotions and to well developing an own point of view. (schreibt an die Tafel) S 18 , you wanted to add something? S 18 Yeah, I wanted to say that I think it´s like living in a cell. You have no fun, you´re never doing nothing like breaking the rules and doing what your parents want to. So you don´t do your own decisions. 23b, 24c/ e, 28a L 12: 12 Exactly. S 10 ? 14a, 13a S 10 I think at the beginning Miranda is perfect for her parents but not for herself. 23b, 24c/ e L Aha, ok. And S 17 ? 14a, 13a S 17 I think you see the development to showing emotions good at the dance recital because at the beginning Miranda isn`t able to dance very good and she can´t really fit in her role of the angry queen or what it was. But at the end when she recognizes that she´s ill she´s able to feel emotions like anger and fear and then she´s able to dance the part (unverständlich). 23b, 24c/ e L Exactly, mmh. And S 21 ? 14a, 13a S 21 12: 13 I think further if you´re just perfect like she was in the beginning she´s just boring when you get deeper to know her because she´s doing just everything right. There´s nothing, nothing spectacular about her life. Everything´s in the same way going on and so I think after (unverständlich) she changed quite a lot because she´s now ill and (unverständlich) and she´s quite rethinking. 23b, 24c/ e L Exactly. Ok, so when there are no more contributions I would like to move over to the next step and that is: As one part of your homework you had to fill in the grid with quotations from the novel. (Pausenglocke) 14a [EVALUATION DER FIGUR MIRANDA DURCH DIE SCHÜLER/ INNEN] Die Fragestellung, ob die Lernenden Miranda aus einer Außenperspektive als perfekt erachteten, fordert die evaluativen Fähigkeiten der Lernenden heraus und sie müssen für eine fundierte Beantwortung einen Transfer zu ihren lebensweltlichen Vorstellungen von Perfektion herstellen. Auch wenn in den vorangehenden Gesprächsausschnitten ausschließlich vermeintlich positive Charaktereigenschaften von Miranda genannt wurden, bewerten die Lernenden Miranda nicht als perfekt. S 20 gibt an, dass eine Person auch Fehler machen müsse und dass es Situationen gäbe, in denen man einfach 205 eigennützig sei. Darüber hinaus sei man nicht immer stabil, sondern es gäbe Anlässe, die einen emotional reagieren ließen. Sie moniert mithin an Miranda, dass diese keine Gefühlsregungen zeige und immer gleichbleibend sei (23b, 24c/ e, 28a). S 9 erachtet es als perfekt, wenn man beide Seiten des Lebens kennen lerne: "if you are perfect you, you have to be both sides of life." Dies impliziere, dass man nicht immer angepasst, sondern hin und wieder auch ein bisschen 'böse' sei (23b, 24c/ e, 28a). Die Lehrerin greift den Beitrag von S 20 auf und fragt die Lerngruppe, ob Miranda Emotionen oder Gefühle zeige (19, 18c, 3b, 4c). S 18 gibt daraufhin an, dass Miranda zu Beginn des Romans zwar keine Gefühle zeige, dies sich aber ändere, als sie erfahre, dass sie einen "sister clone" habe (23b, 24c/ e). S 21 hebt auf Mirandas Entwicklung innerhalb des Romans ab und weist darauf hin, dass Miranda zu Beginn des Romans für ihre Eltern zwar perfekt gewesen sein mag, dass sie aber gegen Ende des Romans mehr mit ihrem persönlichen Verständnis von Perfektion korrespondiere: "…but if you rethink what perfect means to you I think she´s more perfect in the end of the novel because she has now responsibilities, she has an own character, she´s thinking about everything, she has her own opinion about everything. She makes own decisions. She also leads her life with having fun, not just following your rules and practicing all the time" (23b, 24c/ e, 28a/ b). Während S 18 und S 10 mit den folgenden Beiträgen noch einmal Aspekte aufgreifen, die S 21 zuvor schon angedeutet bzw. genannt hatte, führt S 17 eine Begebenheit des Textes an, die Mirandas neu erlangte Fähigkeit illustriert, Emotionen zu zeigen (23b, 24c/ e/ h). S 21 rundet die Gesprächssequenz ab, indem sie ihre subjektiven Eindrücke artikuliert und Miranda zu Beginn des Romans, da sie zu diesem Zeitpunkt noch alles richtig mache, als langweilig und unspektakulär bezeichnet (23b, 24c/ e). Die Schülerbeiträge in den oben dargestellten Gesprächssequenzen zur Charakterisierung und Bewertung der Protagonistin zeugen davon, dass die Lernenden die Eigenschaften Mirandas in Bezug auf das Merkmal der Perfektion detailliert rekonstruieren, einen expliziten Bezug zu den zuvor gesammelten Attributen von Perfektion herstellen und ihre lebensweltlichen Erfahrungen für die Interpretation und Bewertung der Hauptfigur aus einer Außenperspektive heranziehen. Die Aktivierung des Vorverständnisses der Lernenden zum Aspekt der Perfektion und die gemeinsame Sammlung der entsprechenden Redemittel waren somit geeignet, eine Charakterisierung der Hauptfigur anzubahnen, einen lebhaften Austausch der Lernenden untereinander zu begünstigen und mithin gemeinsame Bedeutungsaushandlungen zu gewährleisten, in denen die Lerner eigenständig auf die Beiträge ihrer Mitschüler eingehen. Die Lehrerin greift zwar immer wieder inhaltlich lenkend in das Gespräch ein, doch sie unterbricht die Lernenden nicht und 206 ihr Verhalten zeugt von einer hohen Fehlertoleranz, die die Schüler dazu ermutigt, aktiv am Gespräch zu partizipieren. Die Lehrerin bleibt weitgehend im Hintergrund, reagiert flexibel auf Schülerbeiträge und räumt den Lernenden die Freiheit ein, das Unterrichtsgespräch mitzulenken und ihre subjektiven Eindrücke und Reaktionen zu artikulieren. Insgesamt war das Brainstorming zu Perfektion somit zwar geeignet, als Ausgangspunkt für eine Charakterisierung der Protagonistin zu fungieren. Gleichwohl wird die Figurenanalyse auf das Merkmal der Perfektion reduziert und es wird versäumt, Mirandas Schicksal zu rekonstruieren. Durch die Konzentration auf den Aspekt der Perfektion wird die erschreckende Idee, dass Miranda ein Klon ist, von den Lernenden nicht als solche wahrgenommen. Im Sinne eines differenzierten Verständnisses der Figur wäre es deshalb wesentlich gewesen, Mirandas Schicksal aus einer Innenperspektive zu rekonstruieren und die damit verbundenen ethischen Implikationen des Klonens zu thematisieren. Dies hätte in Form eines Nachvollzugs ihrer Gefühle und Gedanken erfolgen können, als sie erfährt, dass sie geklont ist: How does Miranda feel when she learns that she is a clone? What does she think? How would you feel in such a situation? How would you have reacted in Miranda´s stead? Solche Fragen hätten in diesem Zusammenhang nicht nur die evaluativen Kompetenzen der Lernenden herausgefordert, sondern auch einen aktiven Perspektivenwechsel angestoßen. Um die Gedanken, Gefühle und Einstellungen der Protagonistin auszuloten, hätte an dieser Stelle zudem die Hot-Seat-Activity gewinnbringend eingesetzt werden können. 85 Diese erfordert eine genaue Kenntnis der Figur, wie sie in der vorangegangenen Charakterisierung erzielt wurde, sowie die Fähigkeit, sich in die Figur einzufühlen und ihre Perspektive zu übernehmen. Auch andere handlungs- und produktionsorientierte Verfahren wie Rollenspiele oder Standbilder hätten eine detaillierte Rekonstruktion der Figur aus einer Innenperspektive begünstigen können, die wiederum auch als Ausgangspunkt für das Einnehmen einer Außenperspektive hätte fungieren können: What do you think about Dr. Mullen´s actions? Do you think his behaviour is ethical or rather morally reprehensible? 85 Auch wenn sich die Hot Seat Activity schon zu Beginn der 1990er Jahre bei L INDE (1991) findet, wird sie in aktuellen schülerorientierten Methodensammlungen vermehrt aufgegriffen (vgl. G RIESER -K INDEL / H ENSELER / M ÖLLER 2006; S CHALLHORN / P ESCHEL 2004). 207 = 3 + & ! ! , Nach der Charakterisierung Mirandas leitet die Lehrerin über zur Erarbeitung der Figurenkonstellation zwischen Miranda und ihren Eltern sowie deren Entwicklung. Als Vorbereitung darauf sollten die Lernenden als Hausaufgabe Zitate aus dem Jugendroman auf einem Arbeitsblatt in die richtige Reihenfolge bringen und vermerken, was das entsprechende Zitat über die Beziehung aussagt. 86 Vor der Besprechung dieser Aufgabe fordert die Lehrerin die Schülerinnen und Schüler auf, sich Notizen zu Mirandas Beziehung zu ihren Eltern, insbesondere zu ihrer Mutter, zu Beginn des Romans zu machen. Die folgende Gesprächssequenz dient somit als Vorbereitung für die Besprechung des Arbeitsblattes. L 12: 20 12: 21 So before we go on with the transparency concerning the quotations I want you to, well, just make some notes in which or take some notes on Miranda´s relationship to her parents or especially her mother at the beginning of the novel. Take a few notes to describe her relationship. 3b, 4c/ e S n Miranda and her mother? 34 L 12: 27 Yeah. Please do that now. (SuS durcheinander, SuS machen sich Stichpunkte, Lehrerin geht umher) Ok, so what is the relationship between Miranda and her parents especially with her mother at the beginning of the novel? S 7 , what have you found out? 3b, 4c/ e 13b S 7 Miranda has a very good relationship with her parents at the beginning. She trusts them and is very / h/ onest to them [L: honest] ehm and she has a high opinion of her parents. She thinks that her parents are reasonable and that her father don´t make a promise what he can´t keep. 23b, 24c/ e L Ok, S 9 ? 14a, 13a S 9 12: 28 I think her parents give her all she needs and she has a lot of advantages. For example when she´s ill she can go to the clinic of her parents and she´s always, she must not wait and… 23b, 24c/ e L Is she ill? 14f, 17b S 9 When, if she´s, if she gets ill but she never gets ill. 35b, 23b, 24c L She never gets ill? 14f S 9 Only the one time and then she don´t have to wait [L: aha] and so I think because her parents give her all she needs she gives something back because she´s good at school and does what 35a, 23b, 24c 86 Das Arbeitsblatt mit der entsprechenden Aufgabenstellung findet sich in K AMINSKI (2004: 23f.,44). 208 her parents want from her. L Exactly. S 3 ? 14a, 13a S 3 She says at one point that she wants herself to be perfect because her parents trust in her. 23b, 24c/ e L Ok, aha. And S 18 ? 14a, 13a S 18 And the parents expect nothing less than perfection. 38a, 23, 23c/ e L Exactly, aha. S 20 ? 14a, 13a S 20 Yeah, she never argues with them and does what they want. 37a, 38a, 23b, 24c L 12: 29 Ok. So and when you, when we just come back to what we found out about her character, so, she says (zeigt auf das zuvor erstellte Tafelbild) she has to be perfect. So, what does that show? S 14 ? 14a, 19, 3b, 4c/ e, 13b S 14 That the parents control Miranda. 23b, 24c L Ok, they control her. S 15 ? 14a/ c, 13a S 15 She is under the pressure to be loved by them. 23b, 24c L 12: 30 Exactly. So, ehm, so there is some pressure, implied pressure, so she feels that pressure. She has to be perfect. And, ehm, well being perfect is the one thing. You said that they never quarrel at home, they never argue. So, does that remind you of your own relationship to your parents? You never quarrel, you never argue. (SuS durcheinander) S 21 ? 14a/ d, 8a, 13a Lebenswelt S 21 I think they never argue because I think Miranda is never asking for anything her parents could say no to. She´s never asking if she could stay out late or could have new things or that she wanted to decide on her own because even she´s dressed by someone else. [L: ok] She´s not deciding on her own. 28a, 23b, 24c/ e L Ok, exactly. And S 2 ? 14a, 13a S 2 Yeah, eh S 21 said it already. She never does anything to what it is worth to argue about. 37a, 38a, 23b, 24c L Ok. And ehm so think of what the parents do with her when the pictures are mentioned. So what do we get to know about her childhood? What did they do? S 20 ? 14a, 3b, 4c, 13a S 20 12: 31 They developed journeys and I think she had a good childhood because she was yeah prevented and cared. 23b, 24c/ e L Well cared for. S 1 ? 15b, 13a S 1 Her parents just want the best for her. [L: ok] They, eh, just want the best. (lacht) 23b, 24c/ e L So I think S 6 has a good idea. (Lehrerin hatte S 6 "verwöhnen" 13b 209 während der Stillarbeitsphase übersetzt) S 6 Ehm, yes, the parents spoiled her. 23b, 24c/ e L They spoil her. Very good, S 6 . (SuS lachen, L schreibt an die Tafel). So, do you know what "spoil" means? S 21 ? 14c/ e, 10, 13a S 21 I think mostly it is that a person gets everything money can buy and not, never has a wish open. 30b L Exactly, yeah. Ok, so, ehm they spoil her. 14a/ c [FIGURENKONSTELLATION MIRANDA - ELTERN] S 7 bezeichnet das Verhältnis zwischen Miranda und ihren Eltern zu Beginn des Romans als sehr gut, was darin zum Ausdruck komme, dass Miranda ihren Eltern vertraue, eine hohe Meinung von ihnen habe und sie für vernünftig halte (23b, 24c/ e). S 9 schließt sich dieser Auffassung an und führt aus, dass die Eltern Miranda alles geben würden, was sie brauche und sie viele Vorteile genieße. Im Gegenzug tue Miranda alles, was die Eltern verlangten (23b, 24c/ e). S 3 zieht diesbezüglich eine Textstelle heran, die die Motive für Mirandas Verhalten erhellen ("she wants herself to be perfect because her parents trust in her") (23b, 24c/ h). S 18 knüpft an diesen Aspekt an und weist darauf hin, dass die Eltern auch nichts Geringeres als Perfektion von ihrer Tochter erwarteten (38a, 23b, 24c/ e). Die in dieser Aussage anklingende Kritik wird von S 20 , S 14 und S 15 aufgegriffen und sie illustrieren den Druck, den die Eltern auf Miranda ausüben mit den Aussagen "she never argues with them and does what they want", "the parents control Miranda" und "She is under the pressure to be loved by them" (37a, 38a, 23b, 24c). Die Lehrerin kommt auf die Aussage zurück, dass Miranda und ihre Eltern nie streiten würden und bezieht die Lebenswelt der Lernenden ein, indem sie sie fragt, ob sie diese Tatsache an ihre eigene Beziehung zu ihren Eltern erinnere (8a). S 21 geht mit ihrem Beitrag leider nicht auf die Frage der Lehrerin ein, sondern versucht Gründe dafür zu benennen, warum es nie zu Streit zwischen Miranda und ihren Eltern kommt. S 21 führt diesen Umstand darauf zurück, dass Miranda zum einen keine Ansprüche stelle, die die Eltern abweisen könnten und zum anderen keine eigenen Entscheidungen treffe, die mit jenen der Eltern kollidieren könnten (28a, 23b, 24c/ e). Die Lehrerin lenkt anschließend die Aufmerksamkeit auf Mirandas Kindheit und es folgen wiederum positive Aspekte, wie die Tatsache, dass viele Reisen unternommen worden seien und Miranda wohl behütet gewesen sei (S 20 ; 23b, 24c/ e). Die Lehrerin zielt diesbezüglich darauf ab, dass Miranda von ihren Eltern verwöhnt wurde und ruft S 6 auf, mit dem sie diesen Aspekt bereits während der Stillarbeitsphase thematisiert hatte. Insgesamt finden sich folglich schon 210 zu Beginn des Romans Andeutungen dafür, dass das vordergründig gute Verhältnis zwischen Miranda und ihren Eltern auch Schattenseiten hat. Nach der Rekapitulation der Figurenkonstellation zu Beginn des Romans leitet die Lehrerin in dieser Doppelstunde über zu der Hierarchisierungsaufgabe, die insbesondere die Entwicklung der Beziehung zwischen Miranda und ihren Eltern zum Gegenstand hat. Die Lehrerin hält die Schülerbeiträge auf dem auf Folie gezogenen Arbeitsblatt fest und es entsteht das folgende Ergebnis: …Excerpts from the novel Read the following excerpts from the novel. Try to arrange them in their chronological order, and then briefly note what they reveal about the relationship between Miranda and her parents. excerpts what this shows page, line 14 "They´re good parents." forgiving them, reconciliation p. 84, l. 23 10 "You are evil," I say to them. "Evil." "We´re evil because we want to keep you alive? " different moral standards p. 57, l. 70 4 "Daddy has never made a promise he can´t keep." deep confidence based on experience p. 18, l. 28 8 "I´ve been lucky, I think. Really lucky. I´ve gotten on so well with my parents. I´ve had all the advantages money can buy - great clothes, trips, lessons." financial security p. 43, l. 2 12 "I hate her. I hate him.” hate, detachment p. 76, l. 3 6 "My parents are so proud of me. But they always are. A little voice inside of me wonders how they would have reacted had I fallen on my face. Well, fortunately I won´t have to find out." doubts, expectations, pressure p. 37, l. 1ff. 1 "My parents trust me. They´d be frantic." mutual trust, confidence p. 7, l. 21 5 "They`ve always been so honest and open with me." honesty p. 24, l. 29f. 13 "No," I answer her, "you never wanted to have any pain. That´s why you did it." reproaches them for being selfish p. 76, l. 10 2 "See how reasonable my parents are." proud of parents p. 8, l. 211 27 9 "My parents, who I thought were very reasonable, who I never argued with because there was no need, who stressed honesty over all else - they were honest in every little detail and lied about the biggest thing, my life." angry & disappointed, starts being sceptical p. 66, l. 6ff. 11 " No wonder we never discussed God or religion or anything at our house. You´re God, aren´t you? Both of you? " accuses, reproaches them p. 71, l. 21f. 7 "I`ll take dance lessons if you take acting. I know you want to! " "And you know how my parents feel about it. Living in California, everyone takes acting. They say all it amounts to is waitress training and they want better for me." no real freedom of choice p. 37, l. 15ff. 3 "Daddy kneels down on one side of me, and takes my hand." cares for her, love & affection p. 11, l. 8 [ARBEITSBLATT: HIERARCHISIERUNGSAUFGABE] Während die vorangehende mündliche Erarbeitung der Beziehung zwischen Miranda und ihrer Mutter zu Beginn des Romans noch weitgehend frei erfolgt, verlangt die Erarbeitung der Figurenkonstellation anhand des Arbeitsblattes eine nahe Textarbeit und -kenntnis auf Seiten der Lernenden. Dabei sind die Lernenden nicht nur angehalten, wichtige Passagen, die Aufschluss über das Verhältnis zwischen Miranda und ihren Eltern geben, chronologisch zu ordnen, sondern auch deren Bedeutung im Hinblick auf die Entwicklung der Figurenkonstellation zu interpretieren. Aus dem Unterrichtsgespräch zur gemeinsamen Rekonstruktion des Beziehungsgefüges kann im Folgenden nur eine kurze Sequenz dargestellt werden, die allerdings als beispielhaft für den gesamten Gesprächsverlauf betrachtet werden kann. L Ok, so what´s next, S 6 ? 3b, 4g S 6 12: 44 Ehm, maybe "'You are evil,' I say to them. 'Evil.' 'We`re evil because we want to keep you alive? '" On page 57, line 70. 23b, 24c/ g/ h L Ok, and what does that show? 17a S 6 Ehm, . I don´t know. L S 14 ? 13b S 14 That she hates her parents for cloning her, or? [L: yeah] Well, she wouldn´t say "you´re evil". 38a, 23b, 24c/ d/ e L Yeah, so she accuses them and what, how do they react? 14a/ d, 3b, 4c, 17a 212 S 14 They say it was only for her and [L: ok] they only did this for her and for her healthy. 35a, 23b, 24c L Aha, for her health. S 16 ? 14a, 15c, 13a S 16 They ignore the moral point of view. 23b, 24c/ e L 12: 45 Exactly. So they defend themselves and so obviously they have different moral standards. (schreibt auf die Folie) S 21 ? 14a/ d, 13a S 21 I think the next one is line 71, eh page 71, line 21 to 22. "No wonder we never discussed God or religion or anything at our house. You´re God, aren´t you? Both of you? " 24c/ g/ h, 23b L Mmh, ok. And? 17a S 21 And I think it shows that she´s quite criticizing her parents´ behaviour and she´s now getting through what her whole life is all about and I think in school she experienced that a lot of families, I think, might be very religious and very believing and so she realized why she never get to know in her family the God thing or religious things. 35a, 23b, 24c/ e L Ok, so S 12 ? 14a, 13a S 12 12: 46 She says they´re God because they decided on what, who lives and who has not the right to live. 38a, 23b, 24c/ e L Ok, so and so it is a neutral, well, statement that she makes here? S 20 ? 14a, 17a, 13a S 20 She really criticizes them. 23b, 24c/ e L So, she criticizes and I think we can even, we can find even a stronger word for that. She accuses them, yeah? S 21 ? 14c, 10, 13a S 21 And she really tries again to show them the moral part they skipped completely. 38a, 23b, 24c/ e L Ok, so she accuses, she reproaches her parents for doing what? You said, ok, well, they are like God. S 10 ? 14a/ c, 10, 13a S 10 For playing God. 23b, 24c/ e L 12: 47 For playing God, for the presumption they have or the presumption they show. (schreibt auf die Folie) So, do you know the word presumption? (keine Reaktion der SuS) Anmaßend, yeah? Anmaßend. Presumption or arrogance they show. 14c, 10, 21 Dieser Ausschnitt veranschaulicht das sich zunehmend verschlechternde Verhältnis zwischen Miranda und ihren Eltern, das die Schülerinnen und Schüler nachvollziehen und beschreiben können. Miranda bezeichnet ihre Eltern erstmals als böse, was für S 14 zum Ausdruck bringt, dass Miranda ihre Eltern dafür hasse, sie geklont zu haben (38a, 23b, 24c). Auf die Frage der Lehrerin, wie die Eltern darauf reagieren, gibt S 14 deren Entschuldigung wieder, sie hätten es nur für ihre Gesundheit getan (35a, 23b, 24c). S 16 213 kritisiert diesbezüglich das Verhalten der Eltern und betont, dass sie "the moral point of view" ignorierten (23b, 24c/ e). Das folgende Zitat knüpft insofern an diese Aussage an, als Miranda ihren Eltern vorwirft, sich als Gott aufzuspielen. S 21 sieht in dieser Aussage nicht nur eine Kritik Mirandas an ihren Eltern, sondern auch eine Bewusstwerdung darüber, warum zuhause das Thema Gott und Religion nie thematisiert worden sei, wie es Miranda etwa bei ihren Schulkameraden erlebt habe (35a, 23b, 24c/ e). S 12 greift das Zitat noch einmal auf und erläutert: "She says they´re God because they decided on what, who lives and who has not the right to live" (35a, 23b, 24c/ e). Die Lehrerin zielt an dieser Stelle auf eine vertiefte Interpretation ab und stellt die Suggestivfrage, ob die von Miranda vertretene Position eine neutrale sei, wobei sie einen bestimmten Begriff zu erwarten scheint (17a). Dies wird daran deutlich, dass sie das stärkere Wort "accuse" anführt (10), nachdem S 20 darauf hinweist, dass Miranda ihre Eltern kritisiere (23b, 24c/ e). S 21 greift daraufhin einen Aspekt auf, der zu Beginn der Gesprächssequenz schon einmal von S 16 genannt wurde, dass Miranda ihren Eltern verdeutlichen wolle, dass sie den moralischen Gesichtspunkt außer Acht lassen würden (38a, 23b, 24c/ e). Die Lehrerin bietet hierauf zwei weitere Worte an ("reproach", "presumption") und fasst das Gespräch dahingehend zusammen, dass Miranda ihren Eltern vorwerfe, die Anmaßung zu haben, sich als Gott aufzuspielen (10, 21). In dieser Gesprächssequenz kommen die Lernenden zweimal eigenständig auf moralische Gesichtspunkte zu sprechen. Hier hätte es sich angeboten zu ergründen, was nach Ansicht der Lernenden dieser "moral point of view" ist und zu erfragen, welche Meinung die Schülerinnen und Schüler zu diesem Gesichtspunkt vertreten. Fragen wie What is your opinion on the parents´ behaviour? , Do you think it´s justified? , Do you consider it selfless or rather selfish? hätten in diesem Zusammenhang zum Einnehmen einer Außenperspektive anregen und die evaluativen Kompetenzen der Lernenden herausfordern können. Zur Erörterung der Motive von Mirandas Eltern hätte man eine Pressekonferenz simulieren können, auf der die Lernenden in der Rolle von Reportern ein Interview mit den Eltern durchführen und sie zu der Situation befragen. Solche Impulse hätten an dieser Stelle geeignet sein können, die subjektive Perspektive der Lernenden zu integrieren, fruchtbare Bedeutungsaushandlungen zu initiieren und zu größerer interpretatorischer Tiefe zu gelangen. L 12: 49 Well, so I think the development in the relationship becomes very clear when you say at the beginning it seems to be a perfect relationship. Then we have that lack of understanding, we 21, 3b, 4c, 17a, 13a 214 have reproaches, we have the accusations, we have the beginning detachment and now so I think we have even reached a third level. S 18 ? S 18 I think she forgives them [L: ok] because they did the, this ehm out of love for her. 23b, 24c/ e L Ok. S 20 , you wanted to say the same? 14a, 13a S 20 I wanted to say that she still loves them although they eh gave so much pain to her. 23b, 24c/ e L Exactly. So she tries to forgive them and ehm another good word is "to come to terms of reconciliation". 14a/ c, 10 S 21 12: 50 Because I think she, what her parents have done her instead, I mean, instead of cloning her and apart of that she had a pretty lucky childhood and a very happy childhood and they have been very nice to her. 23b, 24c/ e L Ok. So and at least she tries to, well, get back to, well a kind of normal relationship. 14a/ d [FAZIT: ENTWICKLUNG DER BEZIEHUNG ZWISCHEN MIRANDA UND IHREN ELTERN] Als Fazit des Unterrichtsgesprächs zur Entwicklung in der Beziehung zwischen Miranda und ihren Eltern hält die Lehrerin fest, dass diese mehrere Phasen durchlaufe: Die anfänglich scheinbar perfekte Beziehung nähme ihren Verlauf über Vorwürfe, Anschuldigungen und eine Distanzierung Mirandas von ihren Eltern und ende schließlich damit, dass Miranda versuche, ihren Eltern zu vergeben und sich mit ihnen zu versöhnen (21, 3b, 4c, 17a). Dass Miranda ihren Eltern am Ende des Romans vergibt, geschieht ziemlich unvermittelt und es wäre an dieser Stelle interessant gewesen, die Lernenden nach ihren Reaktionen zu befragen und ob sie diesen Verlauf als glaubhaft einstufen. Insgesamt führt die Aufgabensequenz zur Erarbeitung der Figurenkonstellation zu einem detaillierten Nachvollzug der Entwicklung in der Beziehung zwischen Miranda und ihren Eltern, die die Lerngruppe in drei Phasen einteilt. Die Hierarchisierungsaufgabe gewährleistet dabei eine nahe Textarbeit, insofern einzelne Textstellen kontextualisiert und interpretiert werden. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es bei der Besprechung dieser Aufgabe im Gegensatz zu den vorangehenden Unterrichtsgesprächen nur vereinzelt zu längeren Redebeiträgen kommt, der subjektiven Perspektive der Lernenden wenig Rechnung getragen wird und keine Schüler-Schüler-Interaktionen zustande kommen. Anhand offener Fragen zur Evaluation des Verhaltens der Eltern hätten die Lernenden an dieser Stelle die Gelegenheit erhalten können, Stellung zu einem Schlüsselthema des Jugendromans zu beziehen, ihre persönlichen Eindrücke zu artikulieren und unterschiedliche Sinndeutungen in der Lerngruppe auszuhandeln. 215 = 3 3 ) . ( 9 ! Um das Thema Klonen zu vertiefen und einen thematischen Schwerpunkt in Cloning Miranda für die Schülerinnen und Schüler besser verständlich zu machen, integriert die Lehrerin in der 4. Stunde der Unterrichtseinheit zwei Sachtexte sowie eine Vokabelliste, die Hintergrundinformationen zu dem Thema bereitstellen. Die Lernenden sollen den Text "Human cloning and genetic engineering: State of the art" als Hausaufgabe lesen und Notizen zu den wichtigsten Informationen anfertigen. Auf Grundlage des sich anschließenden Unterrichtsgesprächs erstellt die Lehrerin das folgende Tafelbild: • 1996 > Dolly > sheep > died early • successfully cloned: mice, cows, pigs, not dogs • rhesus monkey • human clones? • therapeutic cloning • heal diseases • only organs • transplantation • reproductive cloning • produce embryos • which are the exact copies of its donor [TAFELBILD ZUM SACHTEXT "HUMAN CLONING AND GENETIC ENGINEERING"] Nach der inhaltlichen Erarbeitung des Sachtextes und der Differenzierung zwischen therapeutischem und reproduktivem Klonen stellt die Lehrerin einen Rückbezug zu Cloning Miranda her und fragt, welche Arten des Klonens sich in dem Roman finden (6b). L 11: 51 Ok, so which forms of cloning do we find in our Cloning Miranda? S 18 ? 6b, 13a S 18 I think there was a labor at the end of the book when she finds there boxes or something else in which 150 or so embryos were. 24a L Ok. So, is that reproductive cloning or therapeutic cloning? 14a, 17a S 18 I´d say reproductive because that are real embryos. 26b, 24b/ e L Ah. S 15 ? 14i, 13a S 15 Firstly it used to be half half because they cloned the babies without the brains because the original donor had brain cancer. [L: ok] So, but they were unable to live so it was half therapeutic cloning. 26b, 24a/ b/ c / e L Ok. S 21 ? 14a, 13a S 21 Can it be a third group, just like experimental cloning? 26b, 216 24d L 11: 52 Experimental cloning, ok. So, well, you´re right, we can´t decide precisely if you say "ok, this is just therapeutic cloning or this is just reproductive cloning". The idea how Dr Mullen tries to explain what he´s doing, so, what would he explain? Why is he doing all that research? S 2 ? 14c/ d, 3b, 4c S 2 To care for Miranda´s life. 23b, 24c/ e L Ok, so that would be? 17a S 2 Thera-petic. 26b, 24b/ c L Therapeutic cloning, definitely. So with that what is the problem? As we see in the end of the book. S 18 ? 14c, 3b, 4e, 13a S 18 They are humans and now it would be reproductive cloning. 26b, 24e L Exactly. So, therapeutic cloning only works because it is reproductive cloning as far as it is shown in the book here. Ok, so the last thing that S 21 mentioned, the experimental cloning, so can you explain what you mean with that? 14a/ d, 17a S 21 11: 53 That you just reproduce or, human beings just to experiment, to make experiments and how a human would react if he gets that disease or if he get like - I mean if you make experiments with mice or rats, just like those experiments. 35a [ANWENDUNG DER KATEGORIEN DES SACHTEXTES AUF DEN LITERARISCHEN TEXT] Auf die Frage, welche Formen des Klonens sich identifizieren ließen, kommt die Lerngruppe zu dem Ergebnis, dass sich therapeutisches und reproduktives in Cloning Miranda nicht voneinander trennen ließen und die beiden Formen aus dem zuvor gelesenen Sachtext nur bedingt auf die Lektüre anwendbar seien (26b, 24b/ e). Auch wenn es der ursprüngliche Plan von Dr. Mullen gewesen sei, Mirandas Leben im Sinne des therapeutischen Klonens durch eine entsprechende Organtransplantation bzw. Rückenmarksspende zu retten, klone er nicht nur Embryos, sondern gemäß des reproduktiven Klonens menschliche Lebewesen, die als Ersatzteillager fungieren sollten. Zudem verändere er Mirandas "genetic makeup", um sie zu perfektionieren: "He manipulated your genetic makeup to make you as strong and as healthy as possible" (M ATAS 2003: 75). Mirandas Eltern wären dabei nicht vollständig über Dr. Mullens Handlungen aufgeklärt gewesen, was an folgender Aussage des Vaters deutlich werde: "He may have enhanced your mental and physical abilities" (ibid.). Die Tatsache, dass sich Dr. Mullens Forschung nicht eindeutig einer Form des Klonens zuordnen lässt, veranlasst S 21 dazu, eine mögliche dritte 217 Form des Klonens, "experimental cloning" (26b, 24d), für die Diskussion anzubieten. Auf die Aufforderung der Lehrerin, ihre Aussage zu erläutern, stellt S 21 einen Vergleich zu Tierversuchen her. Experimentelles Klonen würde etwa dazu genutzt, Krankheiten zu induzieren und anschließend die Reaktionen des jeweiligen Testsubjekts zu beobachten. Zusammenfassend war der Einsatz des Sachtextes "Human cloning and genetic engineering: State of the art" zwar geeignet, den Aspekt des Klonens im Jugendroman näher zu beleuchten. Dennoch wurde im Unterrichtsgespräch deutlich, dass die angebotenen Kategorien von Klonen nicht ausreichend sind, um das dargestellte Phänomen vollständig zu erfassen. Der von S 21 gemachte Alternativvorschlag einer dritten Form des Klonens wird von der Lehrerin leider nicht aufgriffen und zur Diskussion gestellt, obwohl dieser Aspekt eine fruchtbare Diskussion hätte initiieren können. In der Folgestunde erhalten die Lernenden den Auftrag, den Text "John F. Kilner: Human cloning is here" zu lesen und die Pro- und Kontra-Argumente hinsichtlich des Klonens herauszufiltern. Die Argumente für das Klonen werden dabei von der Advanced Cell Technology (ACT) vertreten, die Argumente dagegen vom Autor des Textes, John F. Kilner. Die Ergebnisse des sich anschließenden Unterrichtsgesprächs hält die Lehrerin wiederum in einem Tafelbild fest: Pro (ACT) Con (Kilner) • no embryo is older than the cell stadium • no embryo is older than 14 days • therapeutic cloning; embryos deliver stem cells • reproductive cloning should be forbidden > restrictions are necessary • therapeutic cloning not possible: subjects do not benefit, they are not treated but discarded • people consider early stadium not as human life > ethical problems • since reproductive cloning is forbidden embryos who are older than 14 days must be destroyed • dehumanizing > embryos = products, things > ethical problem • people might reject treatments based on embryonic stem cells > favour adult stem cells • benefits don`t always justify the means > ethical problem [TAFELBILD ZUM SACHTEXT "JOHN F. KILNER: HUMAN CLONING IS HERE"] Die Lerngruppe erarbeitet die im Text aufgeführten Argumente recht detailliert und identifiziert weitaus mehr Argumente gegen das Klonen als dafür. Gegen das Klonen sprechen dabei wiederholt ethische Gesichtspunkte. Nach 218 der gemeinsamen Erarbeitung der Pro- und Contra-Argumente fordert die Lehrerin die Schülerinnen und Schüler auf, ihre persönliche Sicht zum Thema Klonen zum Ausdruck zu bringen. L 12: 12 Ok, so now if you have a look at - if you think of the arguments pro and con cloning, so what is your personal point of view? S 18 ? 4b/ e S 18 I think it would be helpful for diseases or medicine in general if we had the research on the stem cells but it should be from animals. 24b/ e L Mmh. So, any other positions? So, S 7 what about you? 14i, 13a S 7 12: 13 I have a similar opinion like S 18 . I think it´s silly to sacrifice people for other people and that´s the reason why I´m against cloning. 37a, 24b/ e L Mmh, ok. S 10 , what´s your opinion? 14i, 13b S 10 I would clone the embryos not to sacrifice human beings. I would see the embryos as products for medical reasons. 24b/ e L Ok. So that means for you, from your point of view, well, a sixcell lump is not a human being? Is that correct? 14f S 10 Yeah. 37a L Ok. S 2 ? Ehm, S 22 , sorry. 13a S 22 I´m against cloning (Pausenglocke) because the dehumanizing is a very strong argument and I think it´s hard to see the embryos as a thing or as a product. 24b/ e L Ok, so unfortunately we do not have time to discuss that today but I would like you or I want you to answer those questions on the board (zeigt auf die Tafel; Lehrerin hatte während der Stillarbeitsphase die Hausaufgabe auf die Rückseite der Tafel geschrieben): What do we know about Dr Mullen´s research? To what extent does that correspond with reality? 14a, 3b, 4c, 8 [PERSÖNLICHE STELLUNGNAHMEN DER SCHÜLER/ INNEN ZUM THEMA KLONEN] Zur Frage nach den persönlichen Einstellungen der Lernenden zum Thema Klonen (4b/ e) kommen auf Grundlage der zuvor gesammelten Argumente unterschiedliche Auffassungen zum Ausdruck: Während S 18 Stammzellenforschung im Sinne des therapeutischen Klonens mit der Einschränkung begrüßt, dass nur Stammzellen von Tieren dafür verwendet werden dürften, lehnt S 7 es mit dem Hinweis ab "it`s silly to sacrifice people for other people", wobei er nicht zwischen den verschiedenen Arten des Klonens differenziert (24b/ e; 12: 13). S 10 befürwortet wiederum das therapeutische Klonen und 219 erachtet die Embryos nicht als menschliche Lebewesen, sondern "as products for medical reasons" (24b/ e). S 22 hebt hingegen auf den Aspekt der Entmenschlichung ("dehumanizing") ab und führt aus, dass es schwierig sei, Embryos als Gegenstand oder Produkt zu sehen (24b/ e). An dieser Stelle ist die Unterrichtsstunde leider zu Ende, sodass das fruchtbare Gespräch nicht weitergeführt werden kann. Die kurze Gesprächssequenz zeugt allerdings davon, dass die Integration der ergänzenden Sachtexte eine Meinungsbildung auf Seiten der Lernenden gefördert hat. Gleichwohl machen die Beiträge der Schülerinnen und Schüler aber auch deutlich, dass sie durch die von der Lehrerin ausgehändigte Vokabelliste zum Thema "Cloning and genetic engineering" zwar über entsprechende Fachtermini verfügen, um medizinische Aspekte des Klonens zu benennen (stem cells, embryos etc.), dass ihnen aber das Vokabular fehlt, um ethische Gesichtspunkte und ein moralisches Urteil zu artikulieren. So erscheint das Adjektiv "silly" (12: 13) an dieser Stelle nicht angemessen und der Tabubruch, Menschen als Materialbzw. Ersatzteillager zu klonen, kann so thematisch nicht vertieft werden. Hier wäre es sinnvoll gewesen, die Schülerinnen und Schüler anhand einer Wortschatzsequenz zum Wortfeld "Moral" mit den Redemitteln auszustatten, um ethische Urteile zu formulieren und so fundiert Stellung zu der Thematik beziehen zu können. Als Hausaufgabe erhält die Lerngruppe den Auftrag, einen Rückbezug zu Cloning Miranda herzustellen und einen genauen Blick auf Dr. Mullens Forschung zu richten. Zudem sollen die Lernenden evaluieren, inwiefern seine Forschung mit der Realität korrespondiert. Die darauffolgende Unterrichtsstunde fällt aufgrund eines Wandertages aus und die Aufgabenstellung wird trotz des Hinweises der Lehrerin, dass die Schüler bitte vorbereitet sein sollen, in der Folgestunde leider nicht mehr aufgegriffen. Dadurch wird es versäumt, eine vertiefte Interpretation des Jugendromans zu erzielen und die ergänzenden Sachtexte erhalten nicht die Funktion, einen zentralen Aspekt des literarischen Textes zu erhellen, sondern unabhängig vom Text über das Thema Klonen zu informieren. = ; ! 6 ( 5 5 1* 52 Zum Abschluss der Unterrichtseinheit wurde im Sinne der Perspektiven- und Datentriangulierung mit 13 Schülerinnen und Schülern, die sich zu einer Befragung bereit erklärt haben, ein retrospektives Leitfadeninterview durchgeführt, in dem sie die Unterrichtseinheit auf einer Metaebene reflektieren (29). Das ebenfalls videografierte Interview wird im Folgenden ausschnitt- 220 weise dargestellt. S 18 und S 22 , die den Unterricht maßgeblich mitgeprägt haben, stehen am Tag des Interviews leider nicht für eine Befragung zur Verfügung. 10: 44 AKL Hattet ihr beim Lesen von Cloning Miranda Schwierigkeiten? S 8 Nee, das war leicht. = 30 AKL Zu leicht? S 7 Nee, war optimal. = 30 S 8 Die Vokabeln waren meistens unten angegeben. Von daher… = 30 [SCHWIERIGKEITEN] Den Schwierigkeitsgrad des Textes erachten die Lernenden als "optimal" und es sind auch aufgrund der sich in der Lektüre befindlichen Annotationen in den Unterrichtsgesprächen keine Verständnisschwierigkeiten aufgetreten. AKL Was habt ihr durch die Einheit gelernt? S 15 Ja, man hatte das Thema vor allem in Religion schon mal mit der moralischen Verwerflichkeit von Klonen und von genetischen Spielereien und das hat das Ganze noch mal aufgefrischt. Da hatte man schon mal so ne Grundlage und das hat das Ganze irgendwie [wieder wach] gemacht. = 24a/ b, 28b AKL Und habt ihr noch was zusätzlich gelernt, außer das aufzufrischen, was ihr vorher schon behandelt habt? = 9 S 2 10: 46 Ja, wir haben uns mit dem Thema Klonen noch mal befasst, würd ich sagen. = 24a/ b, 28b S 22 Ich find das eigentlich besser, wenn man so aktuelle Themen oder so eher wichtigere Themen jetzt nicht im Englischunterricht bespricht, sondern dann doch lieber noch mal im Religionsunterricht oder so und dass man im Englischunterricht dann was anderes bespricht. Das ist ja schon ziemlich aktuell auch das Klonen. A 24a = 24e, 28b AKL Und was hättest du dann gerne im Englischunterricht angesprochen? = 4a S 22 Vielleicht noch mal ne Geschichte oder anderes Buch oder irgendwie oder ne Geschichte über England oder so. = 24a, 27 AKL Also eher landeskundliche Themen? = 7 S 22 (zögerlich) Jo, also. Auf jeden Fall nicht Klonen. A 24a/ b AKL Was habt ihr durch die Einheit gelernt abgesehen von Cloning? = 9 S 15 Es war halt auf jeden Fall gut, dass man mal ein ganzes Buch = 24c, 221 gelesen hat. Normale Fachtexte, die man als Arbeitsblatt ausgedruckt kriegt, die bringen einem zwar die Fachsprache bei und so konstruierte Sätze, aber dass die Personen, die gesprochen haben, auch mal so in normalem Gesprächsenglisch gesprochen, da war das dann auch mal ne neue Erfahrung. 30a S 1 10: 50 Abgesehen davon, dass man jetzt halt ein bisschen mehr Hintergrundwissen über das Klonen gekriegt hat und wie das alles funktioniert, aber ich mein, das hätte man sich auch nicht unbedingt im Englischunterricht holen, sondern… Ja auf jeden Fall hat´s eher halt Textverständnis gebracht und ein bisschen Fachvokabular. Die Lehrerin hat uns auch diese Vokabelzettel ausgeteilt mit den Fachvokabeln, aber eigentlich sonst nicht wirklich viel. = 24a/ b, 30a [LERNZUWACHS] Hinsichtlich des Lerneffekts verweisen die Schülerinnen und Schüler auf die Tatsache, dass sie das Thema Klonen bereits im Religionsunterricht besprochen hätten. Dadurch hätten sie bereits ein gewisses Vorwissen zu der Thematik gehabt, das sie bei der Lektüre aktivieren und in die Unterrichtseinheit einbringen konnten. Dadurch, dass im Religionsunterricht allerdings schon die "moralische Verwerflichkeit von Klonen" (S 15 ) diskutiert und somit ethische Aspekte vertieft worden seien, erachten die Lernenden die Unterrichtseinheit zu Cloning Miranda als bloße Auffrischung der Thematik und als Ausstattung mit "ein bisschen mehr Hintergrundwissen über das Klonen" (S 1 ; = 24a/ b). Diese Aussagen der Schülerinnen und Schüler erwecken den Eindruck, dass sie die Transfermöglichkeit der Thematik übersehen und es ihnen an der Einsicht mangelt, dass der Lernprozess über ethische Gesichtspunkte grundsätzlich unabschließbar ist. Zudem scheinen sie den literarischen Text weniger als fiktionales Werk, sondern vielmehr als einen Informationstext aufzufassen, dem es Fakten über das Klonen zu entnehmen gilt. Dieser Umstand mag durch den Einsatz der beiden Sachtexte, der darauf abzielte, die in Cloning Miranda zum Tragen kommenden Formen des Klonens zu analysieren, verstärkt worden sein. Dadurch wird der literarische Text an der Realität gemessen und die ethischen Implikationen im Hinblick auf das Schicksal der Protagonistin können so nicht in den Blick geraten. Die Schülerinnen und Schüler würden es bevorzugen, "aktuelle" oder "wichtigere Themen" nicht im Englischunterricht zu besprechen und stattdessen die Behandlung landeskundlicher Themen befürworten (S 22 ; 24a, = 24e, 28b). Diese Aussage korrespondiert mit der Tatsache, dass landeskundliche bzw. interkulturelle Aspekte in der Unterrichtseinheit keine Berücksichtigung gefunden haben. 222 Abgesehen von der Thematik des Klonens verweist S 15 in Abgrenzung zu Fachtexten bzw. Exzerpten derselben auf den positiven Aspekt, "mal ein ganzes Buch" gelesen zu haben. Im Gegensatz zu "Fachsprache" und "konstruierte[n]" Sätzen in Sachtexten bewertet sie die personalisierte Sprache und das "normale Gesprächsenglisch" in Cloning Miranda als positiv und bezeichnet die Lektüre als "neue Erfahrung" (= 24c, 30a). Auch S 1 räumt ein, durch die Unterrichtseinheit "Textverständnis" erlangt und "ein bisschen Fachvokabular" gelernt zu haben (= 24a/ b, 30a). AK L Wie hat euch Cloning Miranda gefallen? S 17 Ich fand´s ein bisschen konstruiert irgendwie die ganze Geschichte. Also ein bisschen langweilig irgendwie. A 23b = 24a/ e S 6 Also, was ich ein bisschen schade fand auch im Unterricht, dass man mehr so auf ethischen und moralischen Grundwerten rumgeritten ist, als ein bisschen gezielter auf die Lektüre einzugehen. Das fand ich halt ein bisschen schade. A 24a/ e AKL Andere Meinungen? S 7 ? S 7 Ich fand´s ein bisschen unrealistisch, weil Miranda letztlich - sie wurde von ihren Eltern belogen und alles, und sie hat es einfach so hingenommen. Am Ende zwar, als sie dann ihre Eltern, als sie sagt, sie hasst sie, aber es war irgendwie überhaupt nicht die Reaktion, die man erwartet hätte von `ner Tochter oder so, die jahrelang belogen wird. A 23b = 24e/ f AKL Was für eine Reaktion hättest du erwartet? = 4d/ e S 7 10: 48 In meiner Situation, wenn ich Miranda gewesen wäre, hätte ich meine Eltern überhaupt nicht mehr beachtet und alles, und sie ist dann einfach, "ja, ok, wir reden jetzt noch mal" und die haben ja immer weitergelogen, und deshalb fand ich das, das hat überhaupt nicht gepasst irgendwie. = 23b, 24a/ d/ e PW AKL Fandet ihr die Thematik interessant oder weniger interessant? = 3b, 4e/ f S 10 10: 49 Also interessant denk ich auf jeden Fall, was Medizin angeht. Ich denke, das dauert noch, bis die Medizin so weit ist. Dass man da ganze Organe dadurch noch mal erschaffen kann und dann einsetzen und am Leben erhalten. = 23b, 24e/ f, 28a S 6 Die Frage ist ja, ob die Menschheit überhaupt so weit kommt, weil größtenteils Klonen verboten ist. = 23b, 24a/ e, 28a S 2 Im Buch war´s ja auch verboten, also, was heißt verboten, die haben ja gesagt, wenn das rauskommt, dann kommen Mirandas Eltern ins Gefängnis. = 23b, 24e/ h [AFFEKTIVER RESPONS] 223 Während die aktive Mitarbeit der Lernenden in der Unterrichtseinheit von einem großen Interesse am Text zeugt, bewertet S 17 den Jugendroman als "ein bisschen konstruiert" und "langweilig" (S 17 ; 23b, = 24a/ e). S 6 moniert, dass im Unterricht zur sehr auf "ethischen und moralischen Grundwerten rumgeritten" worden sei und hätte sich eine intensivere Beschäftigung mit dem literarischen Text gewünscht ( 24a/ e). S 7 erachtet Mirandas Reaktion und Verhalten am Ende des Romans und die Tatsache, dass sie ihren Eltern nach all den Lügen vergäbe, als unerwartet und "unrealistisch" ( 23b, = 24e/ f). Auf die Frage, wie S 7 in der Situation reagiert hätte, vollzieht er erfolgreich einen Perspektivenwechsel (= 23b, 24a/ d/ e) und führt an: "[…] wenn ich Miranda gewesen wäre, hätte ich meine Eltern überhaupt nicht mehr beachtet". An anderer Stelle im Interview kritisieren die Lernenden, dass der Buchtitel die Handlung zu sehr vorwegnähme (S 8 : "[…] man wusste, dass sie geklont ist schon am Buchtitel") und dass man von den Parallel-klassen bereits die Handlung kannte (S 7 : "Die anderen Englischkurse in der 11, die haben das auch alle schon vor uns gelesen. Da kannte man schon die ganze Handlung. Das ist eigentlich immer so."). Auch wenn sich diese Faktoren negativ auf die Lesemotivation der Lerngruppe ausgewirkt haben mögen, zeugen die Aussagen der Lernenden wiederum von einer Verkürzung des literarischen Textes auf eine reine Informationsentnahme. Den ästhe-tischen Erfahrungen, die man bei der Lektüre sammeln kann, kann so keine Bedeutung zukommen. 87 Zudem muten die Urteile der Lernenden über den Jugendroman an dieser Stelle recht extrem bzw. geradezu vernichtend an und es stellt sich die Frage, ob ihre Aussagen verlässlich sind oder vielmehr darauf zurückzuführen sind, dass sie, ihrem Alter entsprechend, abgeklärt und 'cool' erscheinen wollen. AKL 10: 51 Jetzt würde ich gerne noch einmal auf die verschiedenen Aufgabenstellungen eingehen. Als pre-reading activity habt ihr erörtert, was heißt für euch perfekt. Dann habt ihr Zitate geordnet, um die Relation zwischen Miranda und ihren Eltern herauszuarbeiten. Wie fandet ihr die Aufgaben? Fandet ihr sie sinnvoll und motivierend? = 1, 3b S 10 Was ich ein bisschen komisch finde, ist, dass man eigentlich zu jeder Lektüre so ähnliche Aufgabenstellungen bekommt wie = 23, 87 Die Tatsache, dass der Titel bereits vorwegnimmt, dass Miranda geklont ist, nähert den Jugendroman einer analytischen Erzählstruktur an, wie sie etwa auch für das beliebte Genre des Kriminalromans typisch ist. Analytische Erzählungen rollen "rückwärtsschreitend vom Endzustand aus das Geschehen" auf oder verfolgen "eine vorgefundene Situation an ihre Wurzel" zurück (W ILPERT 1989: 29). Eine solche Umstellung des chronologischen Handlungsverlaufs vermag besondere "Spannungs- und Überraschungsmomente" zu erzeugen (ibid.). 224 "Ordne das in die zeitliche Laufbahn ein" oder "Charakterisiere den". Es sind immer ähnliche Aufgaben. Das finde ich ein bisschen - man könnte das ein bisschen weiter fächern, glaube ich. 24 S 16 Also ich fand die erste Aufgabe gut mit dem "Was heißt für euch perfekt", weil es war irgendwie interessant und man konnte was Kreatives machen und jeder hatte eigentlich was Unterschiedliches und man konnte so ein bisschen diskutieren. Das fand ich ganz schön. = 22, 25 [AUFGABENSTELLUNGEN] In Bezug auf die Aufgabenstellungen kritisiert S 10 die vorherrschende Monotonie der eingesetzten Aufgabenformate ("zu jeder Lektüre so ähnliche Aufgabenstellungen"), wobei sich immer wieder die Operatoren "ordne" und "charakterisiere" finden ließen (= 32, 24). Diesbezüglich würde er sich eine breitere Fächerung wünschen. S 16 bezeichnet das lektürevorbereitende Brainstorming zu "perfection" hingegen als interessant und bewertet die Aufgabe insgesamt als positiv, da die Lernenden "was Kreatives machen" konnten, es zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sei und diese als Diskussionsanlass fungiert hätten (= 22, 25). Die Transkripte bestätigen, dass die Tatsache, dass die Lernenden ihr lebensweltliches Vorwissen aktivieren und ihre persönlichen Vorstellungen einbringen konnten, zu einem fruchtbaren Austausch innerhalb der Lerngruppe mit einem großen Beteiligungsradius geführt hat. AKL 10: 53 Wie würdet ihr euch den Literaturunterricht wünschen? (zu S 10 ) Du hattest gesagt, es ist immer eine stereotype Abfolge von Aufgabenstellungen. Was würdest du anders machen? S 10 Also, sozusagen ne Charakterisierung von den Hauptcharakteren muss sein. Das ist klar. Aber ich denke, man könnte zum Beispiel mehr mit Gruppenarbeit machen. So die eine Gruppe bearbeitet den Abschnitt und das dann vielleicht irgendwie zusammentragen in einem Tafelbild, das von Schülern entworfen ist. = 24c AKL Also mehr schülerorientiert, dass ihr auch mehr kreativ arbeiten könnt? Siehst du das anders S 1 ? = 5 S 1 10: 53 Ja, ich find unbedingt Gruppenarbeit muss es nicht sein, aber ich finde, was S 10 sagt, ich finde auch dieses charakterisieren und immer - das ist echt wirklich jedes Mal das Gleiche zu jedem Buch. Immer der gleiche Ablauf. Aber, was ich dann immer so schade finde in den Arbeiten, dann ist eigentlich kaum noch Bezug zum Buch (die anderen SuS äußern sich zustimmend) oder so was. Das ist dann einfach mal, da kriegt man nen Text, der mit dem Thema zu tun hat. Wenn wir jetzt ne Arbeit noch drüber = 26a, 38b 225 schreiben würden, würden wir jetzt halt nen Text kriegen über Cloning (die übrigen SuS äußern sich zustimmend) und dann müssten wir halt kurz in einer Aufgabe Bezug auf das Buch nehmen oder Miranda. Deswegen finde ich das irgendwie immer dumm, dass man noch das Buch gelesen hat und dann eh so ne Arbeit kriegt, da hätte man auch die Texte, die sie uns gegeben hat, diese Fachtexte. Da hätte man sich genauso gut informieren können über Klonen. Das wäre aufs selbe rausgekommen. Da hätte man ja auch die Ethik diskutieren können. AKL Also, du hast das Gefühl, dass der literarische Text ein bisschen vernachlässigt wurde? S 1 10: 54 Ja, man hätte kein Buch lesen müssen, wenn man die Ethik von Klonen besprechen will. Das kann ich ja auch so machen ohne Cloning Miranda vorher gelesen zu haben. = 24a S 7 Das war genauso bei der Truman Show. Da hatten wir die 2c, das war die einzige Frage über diesen Film und die anderen drei Aufgaben oder vier, die waren alle über [S 8 : reality] reality oder soaps und, aber ich find´s auch ein bisschen schwierig als Lehrer, weil die Schüler lesen sich alle möglichen Interpretationen im Internet durch über den Film und dann gibt´s ja kaum noch Fragen oder Themen, die man dann irgendwie in der Arbeit abfragen könnte. Und deshalb ist es eigentlich auch gut so, dass andere Themen drangenommen werden, die zwar sich auf das Buch nicht so beziehen, aber doch irgendwie dann schon, schon sich doch beziehen. Also das ist widersprüchlich, aber … = 38a, 28b AKL Also die Klausuren sollten schon ein bisschen mehr orientiert sein an dem Stück, das man gelesen hat, als das bisher der Fall ist. S 7 10: 55 Ja, aber es geht halt nicht so gut. Wenn Schüler schon jede mögliche Lektürenhilfe haben und wenn jetzt zum Beispiel beim Werther Selbstmord, Natur und Liebe. Was will man da noch abfragen? = 28b [WIE SICH SCHÜLER/ INNEN DEN LITERATURUNTERRICHT VORSTELLEN] Auf die Frage, wie sich die Lernenden die Arbeit mit Literatur im Unterricht wünschen würden, räumt S 10 ein, dass eine Charakterisierung der Protagonisten zwar notwendig sei. Darüber hinaus hebt er aber auf kooperatives bzw. kollaboratives Lernen 88 ab, d.h. er würde mehr Gruppenarbeiten begrüßen, in denen die Lerner sich austauschen und voneinander lernen können (= 24c). Anschließend könnten die Gruppen ihre Ergebnisse mit den übrigen Gruppen austauschen und im Sinne der Schülerorientierung selbst 88 Vgl. hierzu L ARSEN -F REEMAN (2000: 164f.). Eine Methode bzw. ein Prinzip, das dieser Forderung Rechnung trägt, wäre z.B. "Think! Pair! Share! " (vgl. G RIESER -K INDEL / H ENSELER / M ÖLLER 2006: 186ff.; H ALLET 2011: 119-136). 226 ein Tafelbild dazu erstellen. S 1 wünscht sich zwar nicht unbedingt Gruppenarbeit, kritisiert aber auch, wie schon bei der Interviewsequenz zu den Aufgabenstellungen deutlich wurde, die Monotonie der eingesetzten Methoden ("wirklich jedes Mal das Gleiche zu jedem Buch" […] "Immer der gleiche Ablauf"). Zudem moniert S 1 den fehlenden Bezug zwischen den im Unterricht gelesenen literarischen Werken und der sich anschließenden Klausur. Obwohl zu Cloning Miranda keine Klausur geschrieben wurde, illustriert er seine Aussage an dem Jugendroman: "Wenn wir jetzt ne Arbeit noch drüber schreiben würden, würden wir jetzt halt nen Text kriegen über cloning und dann müssten wir halt kurz in einer Aufgabe Bezug auf das Buch nehmen oder Miranda". Laut der Aussage von S 1 wird der Unterricht dem literarischen Text nicht gerecht und eine Thematisierung von Klonen und dessen ethischen Implikationen hätte genauso gut über die ausgeteilten Sachtexte erfolgen können (= 24a). Den fehlenden Bezug zwischen dem im Unterricht gelesenen Text und der dazu konzipierten Klausur greift S 7 auf und untermauert S 1 s Ausführungen, indem er auf die vorangehende Einheit zur Truman Show eingeht und darauf hinweist, dass nur eine Frage in der Klausur auf den Film Bezug genommen hätte (= 38a, 28b). S 7 räumt allerdings ein, dass es für Lehrer schwierig sei, gewinnbringende Fragen zu den jeweiligen Texten zu formulieren, da sich die Lernenden vor der Klausur bereits "alle möglichen Interpretationen im Internet" durchlesen würden, sodass keine eigenständigen Antworten mehr zu erwarten seien. Diesbezüglich zieht S 7 einen Vergleich zum muttersprachlichen Literaturunterricht, für den er die gleichen Probleme ausmacht. Insofern räumt S 7 die Notwendigkeit von Transferaufgaben in Klausuren ein (= 28b). AKL Wie fandet ihr das Rollenspiel? S 2 Das war cool. = 25 S 10 Das war lustig. = 25 S 2 Das war was ganz anderes, was ganz Neues. = 25 AKL Also Rollenspiele würdet ihr befürworten? = 5 S 1 Ja. S 17 Ja ich wollte nur sagen, ich finde Rollenspiele eigentlich gut, weil man sich dadurch halt in die verschiedenen Sichtweisen besser reinversetzen kann, vielleicht die Handlung der Person besser verstehen kann. = 25 AKL Welche Aufgaben gefallen euch gar nicht? S 6 Ja, Zitate raussuchen. Da hat man nen Wälzer von 100 Seiten und dann soll man da so eins, zwei, drei Wörter soll man da raussuchen. Da sitzt man da teilweise Ewigkeiten dran und hat im Prinzip nix geschafft. 227 S 20 Ja, also ich fand´s halt ganz gut die einzelnen Textstellen zu haben, um dann den Verlauf von Mirandas eh, ja Charakteristik eigentlich so zu verfolgen, aber ich fand´s halt schon ziemlich ätzend, den ganzen Text dann herauszusuchen. = 24c [BEWERTUNG EINZELNER METHODEN UND AUFGABEN] In Bezug auf das im Unterricht durchgeführte Rollenspiel äußern sich die Lernenden positiv. S 17 erkennt darin eine gute Möglichkeit, sich "in die verschiedenen Sichtweisen besser rein[zu]versetzen" und so die "Handlung der Person besser [zu] verstehen" (= 25). Die eingesetzte Hierarchisierungsaufgabe bewerten die Lernenden aufgrund des Zeitfaktors und der spärlichen Ergebnisse dagegen negativ: "Da sitzt man da teilweise Ewigkeiten dran und hat im Prinzip nix geschafft." S 20 sieht als einen positiven Aspekt der Aufgabenstellung, dass man Mirandas Entwicklung anhand der Zitate gut hätte nachvollziehen können, wobei sie das Heraussuchen der entsprechenden Textstellen "ätzend" fand (= 24c). Insgesamt lassen die Aussagen der Lernenden im retrospektiven Interview den Rückschluss zu, dass • die Lernenden den literarischen Text mehr oder weniger auf eine reine Informationsentnahme reduzieren, wodurch die ästhetische Erfahrung keine Bedeutung gewinnen kann. So sei eine spannende Lektüre dadurch minimiert worden, dass der Titel ihrer Meinung nach zu viel von der Handlung vorwegnähme, und den Umstand, dass sie die Handlung aufgrund von Erzählungen der Parallelklassen bereits weitgehend kannten, empfinden sie als demotivierend. • sie es bevorzugen würden, ein Thema wie Klonen nicht anhand eines literarischen Textes, sondern vielmehr anhand von Sachtexten zu erarbeiten. Der Einsatz der beiden ergänzenden Sachtexte mit der anschließenden Analyse der in Cloning Miranda auftretenden Formen des Klonens mag diese Meinungsbildung vorangetrieben haben, da der literarische Text durch eine solche Vorgehensweise an der Realität gemessen und entsprechend entwertet wird. • sie die Thematik von Cloning Miranda zwar interessant finden, den Roman an sich aber etwas konstruiert und das Ende unrealistisch finden. Auf die Frage, wie sich die Schüler das Ende vorgestellt hätten, vollzieht S 7 erfolgreich einen Perspektivenwechsel und führt aus, wie er sich an Mirandas Stellen verhalten hätte, was davon zeugt, dass die Schüler das Gelesene nicht nur auf ihre Lebenswelt beziehen, sondern auch ihre lebensweltlichen Erfahrungen zu einer Interpretation heranziehen können. • sie sich mehr Abwechslung hinsichtlich der eingesetzten Methoden und Aufgabenstellungen wünschen. Sie sehen zwar die Notwendigkeit von analytischen Verfahren wie Figurenanalyse, Charakterisierung und Erar- 228 beitung der Figurenkonstellation, würden aber den vermehrten Einsatz insbesondere schüler-, handlungs- und produktionsorientierter Verfahren wie Rollenspiele sowie kooperative Arbeiten begrüßen. • sie sich einen stärkeren Bezug zwischen den im Unterricht gelesenen literarischen Texten und den in der Klausur gestellten Aufgaben wünschen. • die Schülerinnen und Schüler es begrüßen, wenn die verhandelten Themen lebensweltliche Relevanz haben bzw. die lebensweltlichen Erfahrungen der Lernenden adressieren. • es den Lernenden an der Einsicht in die Unabschließbarkeit eines ethischen Lernprozesses mangelt, wenn sie darauf hinweisen, dass sie das Thema Klonen bereits im Religionsunterricht behandelt und sie ihr Wissen somit lediglich "aufgefrischt" (10: 45; S 15 ) hätten. = = ! 6 ( 1* 2 Das retrospektive Interview mit der Lehrerin fand nach Beendigung der Unterrichtseinheit statt. AKL Welche Lernziele wurden mit der Einheit verfolgt? L Also inhaltlich erst mal die Auseinandersetzung mit den Themen genetic engineering, growing up und sprachlich die Erweiterung der kommunikativen Kompetenz und die Erarbeitung des entsprechenden Wortschatzes. Die Schüler sollten in der Lage sein, die Fakten der erarbeiteten Themen, also cloning, teenager-parentsconflicts zu verstehen, zu reproduzieren und in den unterschiedlichen Aufgabenformaten situationsgerecht anzuwenden. Außerdem sollten sie die Erkenntnisse kritisch reflektieren und eine eigene Position entwickeln. Und natürlich lesen. = 2c, 10 AKL Also Lesekompetenz. L Genau. Sozial-affektiv sollten sie außerdem einen emotionalen Zugang zum Thema entwickeln, da es an ihre Lebenswirklichkeit anknüpft, in kooperativen Arbeitsformen aufeinander zugehen, ihre eigene Position entwickeln und angemessen vertreten, einander zuhören, andere Meinungen tolerieren . ≈ 5, 8 [LERNZIELE] Hinsichtlich der angestrebten Lernziele hebt die Lehrkraft insgesamt auf inhaltliche, sprachliche, methodische und sozial-affektive Lernziele ab (= 2c, 10). Dabei sei für sie nicht nur die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen genetic engineering und growing up von Bedeutung gewesen, sondern auch der sprachliche Zuwachs in Form einer Erweiterung der kommunikativen Kompetenz und des Wortschatzes. In Bezug auf methodische 229 Kompetenzen sollten die Lernenden die Fakten der erarbeiteten Themen verstehen, reproduzieren, situationsgerecht anwenden, kritisch reflektieren und eine eigene Position entwickeln. Schließlich verweist die Lehrerin auf einen emotionalen Zugang zum Thema und kooperative Arbeitsformen, die die Interaktion zwischen den Lernern fördern sollten (≈ 5, 8). In dieser Aufzählung klingen die Anforderungsbereiche des Hessischen Lehrplans für die Jahrgangsstufe 11 an, die u.a. einer intensiven Wortfeldarbeit sowie dem konsequenten Üben des mündlichen und schriftlichen Ausdrucks einen hohen Stellenwert zuschreiben (HKM 2002: 52). Zudem soll den Schülern "das text- und themenspezifische Vokabular, wie auch die relevanten Arbeitstechniken für die Arbeit mit […] literarischen Texten vermittelt werden" (ibid.). Dieser Forderung wurde implizit durch Figurencharakterisierung sowie der Erarbeitung der Figurenkonstellation Rechnung getragen. Es fällt bei den Äußerungen der Lehrerin allerdings auf, dass sie kein spezifisch literaturdidaktisches Lernziel nennt. Dementsprechend spricht sie auch nicht von dem Jugendroman, sondern allgemein von dem "Thema". Dass die sprachliche und inhaltliche Arbeit in der Jahrgangsstufe 11 sowohl anhand von Sachtexten als auch insbesondere mit Literatur erfolgen soll (vgl. ibid.), spiegelt die Unterrichtseinheit durch die Integration zweier Sachtexte neben dem Jugendroman wider. Hinsichtlich der geförderten kommunikativen Fertigkeiten bleibt insgesamt festzuhalten, dass das Unterrichtsgespräch als Methode die Unterrichtseinheit beherrscht. Gleichzeitig wurde nicht ein schriftlicher Arbeitsauftrag erteilt und die Förderung der Schreibkompetenzen beschränkt sich auf das Anfertigen von Stichpunkten. AKL Könnten Sie Ihr methodisches Vorgehen ein bisschen erläutern? L Ich hätte mir eigentlich viel mehr Partnerarbeit gewünscht und Gruppenarbeit. So wie das in einigen Stunden ablief, war ja sehr lehrerzentriert, sehr frontal. Was aber, da hab ich immer so dem Eindruck, das einzige ist, wo ich dann auch alle kriege und immer so auch zeige, ich krieg schon mit, wenn ihr die Hausaufgaben nicht gemacht habt. Am Ende haben wir ja noch mal so ne Po-, so ne Diskussion, so ne Podiumsdiskussion über Vor- und Nachteile von Klonen gemacht. Wann ist es zu rechtfertigen? Wann ist es nicht zu rechtfertigen? Dazu haben die Schüler auch noch mal drei Fallbeispiele gekriegt und ehm ansonsten ist der Text an sich relativ einfach, sodass die reine Textarbeit nicht wirklich viel hergegeben hat. Ja, also wir haben dann ja auch nicht mehr Textarbeit gemacht, sondern eher mit Sachtexten dann. ≈ 5, 6 230 AKL Sie haben mit dem Kurs eine ordering activity zu Cloning Miranda durchgeführt, in der die Schüler Zitate aus der Novelle in die richtige Reihenfolgen bringen sollten. Zudem sollten sie sich dazu äußern, was das jeweilige Zitat über die Beziehung zwischen Miranda und ihren Eltern zum Ausdruck bringt. Könnten Sie die Funktion bzw. die Lernziele dieser Aufgabe kurz erläutern? L Das war eigentlich eine Sicherung des globalen Textverständnisses und gleichzeitig eine unterschwellige Überprüfung, ob und wie gut die Schüler die Hausaufgabe, also das Lesen der Lektüre, gemacht haben. Außerdem boten sich dadurch Gesprächsanlässe, weil die Aussagen zur Beziehung zwischen Miranda und ihren Eltern unter Umständen kontrovers hätten sein können, so dass sich hierdurch Punkte hätten ergeben können, die im weiteren Verlauf der Einheit hätten vertieft werden können. Hätten die Schüler Schwierigkeiten mit dem Ordnen der Zitate gehabt, hätte natürlich auch der Inhalt geklärt werden müssen, d.h. hier hätten sprachliche Schwierigkeiten aufgegriffen werden können, wie z.B. Wortfeldarbeit. A 10 = 3 AKL Warum wurde nach dem Rollenspiel zum Thema Klonen kein Rückbezug mehr zum Text hergestellt? Rollenspiel L Die Lektüre war soweit fertig besprochen. Außerdem sollten die Schüler in die Rollen schlüpfen, die die Diskussion ihnen abverlangt hat. Somit waren sie zwar thematisch im gleichen Thema wie in der Lektüre, es wäre mir jetzt aber schwer gefallen, hier einen situativ sinnvollen Rückbezug herzustellen, da dann die Rollen wieder hätten aufgelöst werden müssen. = 5 AKL Warum haben Sie nicht mehr kreative Verfahren eingesetzt? = 5 L In erster Linie war hier der Zeitfaktor verantwortlich. Daneben kommen kreative Aufgaben nicht in allen Klassen gleich gut an UND sie sind ein Haufen Arbeit, wenn sie korrigiert werden müssen, was in dieser Phase des Schuljahres meine Möglichkeiten weit überschritten hat. = 5 [METHODISCHES VORGEHEN] In Bezug auf ihr methodisches Vorgehen weist die Lehrerin darauf hin, dass sie eigentlich gerne mehr Partner- und Gruppenarbeit eingesetzt hätte (≈ 5, 6). Sie hebt allerdings die Vorteile eines lehrerzentrierten und frontalen Unterrichts hervor, insofern sie so "alle krieg[t]" und einen großen Beteiligungsradius gewährleisten könne. Zudem sieht sie in einem lehrerzentrierten Unterricht besser die Möglichkeit festzustellen, ob die Lernenden die Hausaufgabe erledigt hätten und ihnen zu verstehen zu geben, dass sie es merkt, wenn die Schüler die Hausaufgaben nicht gemacht hätten. Das abschließende 231 Rollenspiel anhand dreier Fallbeispiele diente laut ihrer Aussage noch einmal der Rekapitulation der Vor- und Nachteile des Klonens sowie der Thematisierung ethischer Gesichtspunkte. Die Integration der Sachtexte begründet sie mit dem Umstand, dass der gewählte Text wenig anspruchsvoll sei ("der Text an sich ist relativ einfach, sodass die reine Textarbeit nicht wirklich viel hergibt", RIL). Diese Aussage korrespondiert mit den Äußerungen der Lernenden und erweckt den Eindruck, dass der literarische Text auf eine Informationsentnahme und so auf eine Funktion als Sprungbrett für die Erarbeitung des Themas Klonen reduziert wird. Hinsichtlich ihrer Motive für die eingesetzte Hierarchisierungsaufgabe gibt die Lehrerin an, dass sie darin eine gute Möglichkeit sähe, das globale Textverständnis zu sichern sowie wiederum zu überprüfen, ob die Lernenden die Hausaufgabe erledigt hätten ( 10, = 3). Zudem sieht sie in der Aufgabe die Funktion, Sprechanlässe zu bieten und gegebenenfalls inhaltliche und sprachliche Schwierigkeiten zutage zu fördern, die im weiteren Verlauf u.a. in Form von Wortschatzarbeit hätten behoben werden können. Auch hier verweist die Lehrerin nicht auf literaturdidaktische Aspekte, obwohl die Aufgabe primär dazu diente, die Entwicklung in der Beziehung zwischen Miranda und ihren Eltern und somit die Figurenkonstellation zu erarbeiten. Auf die Frage, warum nach dem abschließenden Rollenspiel kein Rückbezug zum Text mehr hergestellt wurde, führt die Lehrerin an, dass die Lektüre "soweit fertig besprochen" gewesen sei und es ihr "schwer gefallen" wäre, "einen situativ sinnvollen Rückbezug herzustellen", auch wenn das Rollenspiel einen thematischen Aspekt der Lektüre aufgegriffen habe (= 5). Dieser Umstand hätte behoben werden können, indem man ein Rollenspiel etwa in Form einer Talkshow zum Thema Klonen und dessen Rechtfertigung wählt, das die Figuren aus dem Jugendroman aufgreift, anstelle neue Figuren anhand der drei Fallbeispiele einzuführen. Auf dieser Weise hätte man eine sinnvolle Brücke schlagen können und die zuvor erarbeiteten Charakter-, bzw. Konstellationsmerkmale aufgreifen und weiter verarbeiten können. Zudem hätte man in einem solchen Rollenspiel abschließend noch einmal reflektieren können, inwiefern die integrierten Sachtexte zum Klonen das Verständnis für das Schicksal Mirandas vertieft haben. AKL Wie stehen Sie generell zu kreativen bzw. handlungs- und produktionsorientieren Aufgabenformen? Worin sehen Sie ihre Funktion? L Finde ich generell prima und sie fordern die Schüler weit mehr als die üblichen Aufgaben zur Textarbeit. Manchmal bin ich sehr überrascht, was die Schüler zu Papier bringen. Allerdings sehe ich = 5 232 zwei Hauptproblemfelder - die Korrektur oder wenigstens nur das Lesen der Produkte erfordert sehr viel Zeit, sollte aber nicht ausbleiben, wenn man den Schülern die Wertschätzung zukommen lassen will, die sie nach einer solchen Arbeit verdienen. Der zweite Punkt ist, dass diese Art der Aufgaben nur einen gewissen Schülertyp anspricht. Und in Zeiten von G8 sollte auch der Zeitfaktor nicht unberücksichtigt bleiben: Auch die Schüler haben nur ein gewisses Zeitkontingent und handlungs- und produktorientierte Aufgaben erfordern von ihnen ein deutlich höheres zeitliches Engagement. Zusammenfassend würde ich sagen: Ich setze diese Aufgabenformate ein, aber dosiert. AKL Wie setzen Sie die Forderung nach Schülerorientierung um? L Das Thema an sich, Emanzipation vom Elternhaus, Konflikt mit den Eltern, Anspruch der Eltern an die Perfektion der Kinder, ist nah an der Schülerwirklichkeit. Die Einstiegssequenz sollte dazu dienen, die Interessen der Schüler zu eruieren. Daneben gab es einige Redeanlässe, bei denen die Schüler Schwerpunkte nach ihrem Interesse setzen konnten. = 8 [KREATIVE VERFAHREN] Kreative bzw. handlungs- und produktionsorientiere Verfahren bewertet die Lehrerin zwar positiv und schreibt ihnen das Potenzial zu, die Schüler mehr zu fordern als die "üblichen Aufgaben zur Textarbeit". Sie macht aber gleichzeitig auf zwei Problemfelder aufmerksam: Zum einen seien produktions- und handlungsorientierte Verfahren aus ihrer Sicht in der Bearbeitung wie in der Korrektur sehr zeitintensiv, was in Zeiten von G8 ein Nachteil sei. Zum anderen sprächen solche Aufgabenformate nur einen bestimmten Lernertyp an, sodass sie nicht bei allen Schülern gleichgut ankämen. Sie zieht deshalb das Fazit, dass sie handlungs- und produktionsorientierte Verfahren zwar einsetze, aber nur dosiert und unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Zeitkontingents und der entsprechenden Lerngruppe (= 5). Auf die Frage, wie die Lehrerin die Forderung nach Schülerorientierung umsetze, kommt sie erstmals inhaltlich auf den gelesenen Jugendroman zu sprechen und weist darauf hin, dass die verhandelten Themen wie "Emanzipation vom Elternhaus, Konflikt mit den Eltern, Anspruch der Eltern an die Perfektion der Kinder" Parallelen zur Schülerwirklichkeit aufweisen würden (= 8). Ein Aspekt von Schülerorientierung sei somit die Auswahl eines Textes, der die Interessen der Schülerinnen und Schüler anspräche. Zudem gewähre sie den Lernenden im Unterricht die Möglichkeit, eigene Interessen mit einzubringen sowie eigene Schwerpunkte zu setzen. Die Transkripte bestätigen diese Aussage, insofern die Lehrerin die Schüler wiederholt nach ihren Erfahrungen und ihrer Meinung befragt, die Beiträge der Lernenden ernst 233 nimmt und ihnen die Möglichkeit einräumt, den Inhalt der Unterrichtsgespräche mitzulenken. AKL Inwiefern wirkt sich aus Ihrer Perspektive das Landesabitur auf den fremdsprachlichen Literaturunterricht aus? L Das Fehlen eines festen Lektürekanons empfinde ich als angenehm, da man als Lehrperson eigene Schwerpunkte setzen kann. Die Aufgaben im Abitur selbst sind z. T. sehr allgemein gehalten, wiederum da ein Lektürekanon fehlt und kratzen meiner Meinung nach inhaltlich oft nur an der Oberfläche. Da waren unsere eigenen Abituraufgaben anspruchsvoller. Der Literaturunterricht tritt mehr in den Hintergrund, da der Lehrplan eine Menge landeskundlichen Wissens verlangt, was durch nichtliterarische Texte z. T. effektiver vermittelt werden kann. [LANDESABITUR] Abschließend wird mit der Lehrerin darauf eingegangen, welche Auswirkungen die Einführung des Landesabiturs aus ihrer persönlichen Perspektive auf den fremdsprachlichen Literaturunterricht hat. Das Fehlen eines "festen Lektürekanons" wie er beispielsweise für den Deutschunterricht vorgeschrieben werde, empfindet sie als angenehm, da sie dadurch die Möglichkeit erhalte, "eigene Schwerpunkte" setzen zu können. Die Tatsache, dass keine literarischen Texte verbindlich vorgegeben seien, habe allerdings auch zur Konsequenz, dass die Fragen im Abitur "sehr allgemein gehalten" seien und "inhaltlich oft nur an der Oberfläche" kratzten, sodass die Aufgabenstellungen vor der Einführung des Landesabiturs anspruchsvoller gewesen seien. Schließlich verweist die Lehrerin auf ein gestiegenes Pensum landeskundlichen Wissens, das durch Sachtexte oft effektiver vermittelt werden könne und der Literaturunterricht mithin in den Hintergrund trete. 234 = C & Zusammenfassend kann zur Analyse der Unterrichtseinheit festgehalten werden, dass neben textanalytischen Gesichtspunkten wie Figurencharakterisierung und -konstellation insbesondere die Erarbeitung des Themas Klonen anhand zweier ergänzender Sachtexte, einer Vokabelliste und dreier Fallstudien im Vordergrund standen. Dabei dominierte das Unterrichtsgespräch als Methode und die Förderung der kommunikativen Kompetenzen der Lernenden, während etwa Schreibkompetenzen bis auf das Anfertigen von Notizen weitgehend unberücksichtigt blieben. Hinsichtlich der Unterrichtsgespräche lassen sich eine aktive Mitarbeit, eine gute Textkenntnis und Schüler-Schüler-Interaktionen in Form gemeinsamer Bedeutungsaushandlungen der Lernenden verzeichnen, die eine vertiefte Interpretation in Bezug auf die Figurenkonzeption Mirandas gefördert haben. Abgesehen von der Lenkung auf bestimmte Inhalte, nimmt die Lehrerin im Gespräch selbst eine weitgehend moderierende Rolle ein, lässt eine hohe Fehlertoleranz walten und reagiert flexibel auf Schülerbeiträge. Sie nimmt die Beiträge ernst und räumt den Lernenden vereinzelt die Möglichkeit ein, das Unterrichtsgespräch mitzulenken und ihre subjektiven Eindrücke und Reaktionen zu artikulieren. Die Aktivierung des Vorverständnisses der Lernenden zum Thema "perfection" erweist sich als fruchtbar, die lebensweltlichen Erfahrungen der Lernenden zu adressieren und sie zur Artikulation ihrer subjektiven Vorstellungen zu motivieren. Die Tatsache, dass sich die Lernenden mit ihren unterschiedlichen persönlichen Vorstellungen einbringen konnten und diese als Diskussionsanlass und Impuls für Bedeutungsaushandlungen fungieren, bewerten sie im retrospektiven Interview dabei positiv (vgl. Kap. 6.5). Die gemeinsame Sammlung von Merkmalen zu Perfektion war zudem geeignet, als Ausgangspunkt für eine Charakterisierung der Protagonistin zu fungieren. Gleichwohl wird die Figurenanalyse auf das Merkmal der Perfektion verkürzt und es wird versäumt, ihr Schicksal aus einer Innen- und Außenperspektive zu rekonstruieren. Durch die Konzentration auf den Aspekt der Perfektion wird die erschreckende Idee, dass Miranda ein Klon ist, von den Lernenden nicht als solche wahrgenommen. Im Sinne eines differenzierten Verständnisses der Figur wäre es deshalb wesentlich gewesen, die Gefühle und Gedanken Mirandas aus einer Innenperspektive zu rekonstruieren, ihr Verhalten anschließend aus einer Außenperspektive zu evaluieren und die Lernenden zu den ethischen Implikationen des Klonens Stellung beziehen zu lassen. In diesem Zusammenhang wäre es zudem notwendig gewesen, die 235 Lernenden mit den entsprechenden Redemitteln auszustatten, um ein moralisches Urteil formulieren zu können. Obwohl die Hierarchisierungsaufgabe von der Lehrerin vornehmlich zur Sicherung des globalen Textverständnisses und zum Zweck der Überprüfung eingesetzt wurde (vgl. Kap. 6.6), war das Sortieren und Kommentieren der Zitate insbesondere dazu geeignet, die Figurenkonstellation zwischen Miranda und ihren Eltern im Detail nachzuvollziehen sowie einzelne Textstellen zu interpretieren und zu kontextualisieren. Als solche hätte sie als Ausgangspunkt für eine vertiefte Interpretation der Figuren und deren Konstellation fungieren können. Auch wenn die Lehrerin eine weitere Funktion der Aufgabe darin sieht, "Gesprächsanlässe" (vgl. ibid.) zu bieten, zeigen die Transkripte, dass bei der Besprechung der Aufgabe im Gegensatz zu den vorangehenden Gesprächssequenzen zu "perfection" und zur Charakterisierung Mirandas nur vereinzelt längere Redebeiträge auf Seiten der Lerner und Schüler-Schüler-Interaktionen zustande kommen. Die Schüler sehen einen positiven Aspekt der Aufgabe zwar darin, anhand der Textstellen Mirandas Entwicklung besser nachvollziehen zu können, bewerten allerdings den großen Zeitaufwand und die dafür spärlichen Ergebnisse als negativ (vgl. Kap. 6.5). Die sich an die Zitatenordnung anschließende Erarbeitung der Einstellung der Eltern gegenüber ihren Kindern ist vornehmlich auf einer inhaltlichen Ebene angesiedelt, wobei interpretatorischen und evaluativen Aspekten sowie der subjektiven Perspektive der Lernenden wenig Rechnung getragen wird, obwohl das Verhalten der Eltern kontrovers diskutiert werden kann und an dieser Stelle eine Bewertung bzw. eine Stellungnahme durch die Lernenden nahegelegen hätte. Die Integration der beiden ergänzenden Sachtexte zum Thema Klonen hätte geeignet sein können, einen thematischen Schwerpunkt des Jugendromans näher zu beleuchten. Didaktische Textarrangements stellen in der Regel einen Diskurs dar, der auf die Herstellung von Beziehungen und Verknüpfungen zwischen Texten abzielt, wobei sich die Texte gegenseitig zu erhellen vermögen (vgl. H ALLET 2002). Dadurch, dass die Frage, inwiefern die integrierten Sachtexte den literarischen Text erhellt haben, nur angedacht, aber nicht beantwortet oder reflektiert wurde, bleibt ein Rückbezug zum literarischen Text aus und die intertextuellen Bezüge erhalten nicht die Funktion, einen zentralen Aspekt des literarischen Textes zu erhellen und eine Interpretation zu vertiefen, sondern unabhängig vom Text über das Thema Klonen zu informieren. Gleichzeitig gehen die eingesetzten Sachtexte nicht auf die ethischen Implikationen des Klonens ein, sodass die Ernsthaftigkeit der Thematik nicht in den Blick gerät. Hier stellt sich die generelle 236 Frage nach der Erstellung von Textarrangements und dem Herstellen intertextueller Bezüge: Welche Texte sind geeignet, sich gegenseitig zu erhellen? Welche Kriterien müssen sie erfüllen? Und wie kann man solche Texte sinnvoll aufeinander beziehen? Zudem stellt sich an dieser Stelle die Frage nach dem zugrundeliegenden Literaturbegriff und der Angemessenheit von Fragen, wie "What do we know about Dr Mullen´s research? " und "To what extent does that correspond with reality? ", denn sie messen den fiktionalen Text an der Realität. Literarische Texte sind aber kein Abbild der Realität, an dem sie gemessen werden können, sondern sie halten uns 'magische Spiegel' vor, die es vermögen, die eigene Lebenswelt durch die des Textes zu erhellen (T URNER 1988, zit. in B REDELLA 2010: 208). Der literarische Text wird hier dagegen in Bezug auf seine Realitätstreue bewertet, wodurch eine ästhetische Erfahrung keine Bedeutung gewinnen kann. Gleichzeitig erfährt der literarische Text so insgesamt eine Entwertung, wenn er der Realität nicht entspricht. Auch das abschließende Rollenspiel, das hier nicht dargestellt werden konnte, entfernt sich vollständig vom literarischen Text und es entsteht der Eindruck, dass Cloning Miranda auf die Funktion, als Sprungbrett für die Thematisierung von Klonen zu fungieren, reduziert wurde. Dieser Eindruck wird durch die Aussagen der Lehrerin im retrospektiven Interview bestätigt, insofern sie vornehmlich von dem "Thema" spricht und auf den literarischen Text so gut wie keinen Bezug nimmt, der, ihrer Meinung nach "nicht viel hergibt" (vgl. Kap. 6.6). Selbst die Lernenden monieren diesen Umstand im retrospektiven Interview und hätten eine nähere Arbeit am Text befürwortet (vgl. Kap. 6.5). Durch eine Konzentration auf die Vermittlung von Fakten und die Verkürzung auf eine reine Informationsentnahme erfährt der literarische Text eine Geringschätzung und ein thematischer Schwerpunkt, i.e. die Rechtfertigung des Klonens, der zahlreiche Gesprächsanlässe hätte bieten, als Ausgangspunkt für die Artikulation der persönlichen Verstehensweisen der Lernenden hätte fungieren und mithin Aushandlungsprozesse unter den Lernenden hätte initiieren können, findet zu wenig Berücksichtigung. Insgesamt bleibt die Unterrichtseinheit so hinter ihrem didaktischen Potenzial zurück, ein ethisches Bewusstsein auf Seiten der Lernenden zu fördern. 237 C 9 EF ! E ( ? + C ! % Die Unterrichtseinheit zu der Kurzgeschichte "Neighbours" (1985) von Tim Winton wurde von Oktober bis Dezember 2007 in einem Englisch- Grundkurs der Jahrgangsstufe 13 beobachtet und videoaufgezeichnet. Der Kurs hatte drei Stunden Englisch pro Woche, wobei der Unterricht jeweils nachmittags stattfand. Die Einheit umfasste insgesamt elf Unterrichtsstunden, von denen neun Stunden videografiert wurden. Bei der Schule handelt es sich um ein altsprachliches Gymnasium, das auf eine 450jährige Schulgeschichte zurückblickt und als Lateinschule gegründet wurde. Sie befindet sich in einer mittelgroßen Stadt im Wetteraukreis in Hessen. Die Lerngruppe bestand aus insgesamt sieben Schülerinnen und 14 Schülern, die seit der 3. bzw. 5. Klasse Englischunterricht hatten und zum Zeitpunkt der Beobachtung alle volljährig waren. Der Kontakt zum Lehrer kam über die frühere Praktikumsbeauftragte der Forscherin zustande. Er erklärte sich nach einem persönlichen Gespräch bereit, an dem Forschungsprojekt teilzunehmen und die Videoaufzeichnungen anfertigen zu lassen. Der Lehrer, dessen zweites Fach Deutsch ist, war zum Zeitpunkt der Dokumentation seit sechs Jahren im Schuldienst. C # "Neighbours" ist eine Kurzgeschichte des australischen Autors Tim Winton, der zahlreiche Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht hat (vgl. K UTSCH 2001: 9f.). "Neighbours" erschien erstmals 1985 in der Kurzgeschichtensammlung Scission and Other Stories und ist seit 2001 als didaktische Ausgabe des Klett-Verlags in Deutschland erhältlich. Sie umfasst insgesamt knapp vier Seiten und ist somit der kürzeste Text, der in dieser Studie verwendet wurde. Die Kurzgeschichte erzählt von den spannungsreichen interkulturellen Begegnungen eines frisch verheirateten australischen Paares, das, aus den "expansive outer suburbs" kommend, die Anonymität der Großstadt gewohnt ist, "where good neighbours were seldom seen and never heard" (6, 11-13), in einen multikulturellen Vorort einer australischen Großstadt zieht. 89 Zu Beginn fühlen sich der junge Mann und die junge Frau wie "sojourners in a 89 Die folgenden Angaben in Klammern beziehen sich auf W INTON (1985, zit. in K UTSCH 2001) inkl. Seiten- und Zeilenangabe (p., l.). 238 foreign land" (6, 3) und die den ansässigen europäischen Immigranten entgegen gebrachten Vorurteile beruhen auf Gegenseitigkeit: Während sich das junge Paar durch die lautstarken Auseinandersetzungen ihrer mazedonischen Nachbarn, das fortwährende Hämmern eines polnischen Witwers, sowie die offenkundige Neugier der Nachbarn gestört fühlen, wundern sich die europäischen Immigranten nicht nur über das späte Aufstehen des jungen Paares, sondern auch darüber, dass die junge Frau in einem Krankenhaus arbeitet, während der Mann zu Hause bleibt, um seine Dissertation über den Roman des 20. Jahrhunderts zu schreiben. Als das junge Paar einen Gemüsegarten anlegt, verfolgen die Nachbarn das Geschehen mit großem Interesse, erteilen Ratschläge und überreichen dem jungen Paar Geschenke. Auch wenn der junge Mann die Ratschläge anfänglich als störend ("he resented the interference", 7, 6) und aufdringlich empfindet, befolgt sie das Paar. Nach und nach nähern sich die Parteien einander an ("the young couple found themselves smiling back at the neighbours", 7, 16f.) und lernen sich zu schätzen. Als die junge Frau schwanger wird, freut sich die gesamte Nachbarschaft überschwänglich, beschenkt das junge Paar reichlich und unterbreitet Namensvorschläge. Diese soziale Wärme und Hilfsbereitschaft löst bei der jungen Frau dennoch gemischte Gefühle aus: "The young woman felt flattered, claustrophobic, grateful, peeved" (8, 17f.). Während der Geburt versammelt sich die Nachbarschaft vor dem Haus des jungen Paares und applaudiert, als das Kind geboren ist. Der junge Mann fängt daraufhin an zu weinen und die Kurzgeschichte endet mit dem Satz: "The twentieth century novel had not prepared him for this" (9, 17f.). Das Setting von "Neighbours" ist ein australischer Stadtteil, in dem sich zahlreiche europäische Immigranten niedergelassen haben. Während andere Teile der Stadt durch Anonymität gekennzeichnet sind, sind hier ein starker Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt charakteristisch. Die Handlung umfasst eine Zeitspanne von etwa eineinhalb Jahren, wobei die Ereignisse in Form von Jahreszeiten markiert sind. Für das Genre der Kurzgeschichte typisch beginnt die Handlung in medias res, d.h. ohne Einleitung bzw. Exposition, mit der Beschreibung der Gefühle des neu zugezogenen Paares. Die Figuren tragen keine Namen und es werden keine Individuen beschrieben, sondern vielmehr Gruppen von Menschen, was die Universalität der Thematik unterstreicht und ihre Generalisierbarkeit begünstigt. Die Art und Weise, wie sich Menschen unterschiedlicher Herkunft interkulturell begegnen, ist somit auf andere multikulturelle Gesellschaften übertragbar. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive eines Er-Erzählers, der seine Sicht vornehmlich auf das junge Paar beschränkt, d.h. die Geschehnisse werden durch deren Augen dargestellt und bewertet (vgl. K UTSCH 2002). 239 Auch wenn der Ton der Geschichte im Großen und Ganzen nüchtern und distanziert ist, schimmern hin und wieder auch Humor und Ironie durch: "It took six months for the newcomers to comprehend the fact that their neighbours were not murdering each other, merely talking" (6, 15ff.). Die Kurzgeschichte zeigt, wie Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen mit unterschiedlichen Bräuchen, Werten und Gewohnheiten trotz aller Unterschiede sowie anfänglicher Vorurteile und Schwierigkeiten sich einander respektieren lernen und friedlich miteinander leben können. Insofern spiegelt die Kurzgeschichte Australien als multikulturelle Gesellschaft wider, die Immigranten aus zahlreichen Ländern beherbergt. Ende des 20. Jahrhunderts konstatiert Paul Keating, der damalige australische Premierminister, für diesen Umstand sogar eine gewisse Vorbildrolle Australiens: "We like to think that we might have in our modern nationhood at least some of the elements of a 21 st century model - diversity, tolerance, openness and worldliness within the boundaries of national purpose and cohesion" (zit. in K UTSCH 2002: 6). Die europäischen Immigranten in "Neighbours" werden nicht als ungewollte Eindringlinge, sondern als soziale Bereicherung für die australische Gesellschaft gezeichnet, indem sie dem jungen australischen Paar mit ihrem ausgeprägten Gemeinschaftssinn aufzeigen, dass Intoleranz, Vorurteile, Klischees und rassistische Diskriminierung auf Ignoranz und Unwissen basieren und ein friedliches Zusammenleben verhindern (vgl. K UTSCH 2001: 7). Schließlich klingt in der Kurzgeschichte die Kritik am Intellektualismus an, indem der junge Mann seine Dissertation über die Entwicklung des Romans schreibt, wobei ihn seine Ausbildung und Spezialisierung nicht auf die Emotionen des wirklichen Lebens vorzubereiten vermochte und er von der Geburt seines Sohnes emotional überwältigt wird. C + 4 S TUNDEN 1 UND 2 (N ICHT V IDEOGRAFIERT ) • Visueller Impuls: Lehrer zeigt Bilder mit australischen Sehenswürdigkeiten (Oper in Sydney, Ayers Rock, Höhlengemälde) und fordert die SuS auf, ihre Vorinformationen einzubringen und anzugeben, was für sie typisch australisch ist bzw., welches Bild am ehesten für sie Australien repräsentiert; • Lehrer teilt kurze Sachtexte zu Australiens Geschichte, Geographie, Politik und Kultur aus, die die SuS in Kleingruppen erarbeiten und anschließend in Form von Kurzreferaten präsentieren (u.a. zum Stichwort dreaming und die Naturverbundenheit der Aborigines). 240 S TUNDE 3 (N ICHT V IDEOGRAFIERT ) • Quiz zu Australien; • Erarbeitung des Begriffs Down Under anhand einer Illustration, die das als Hausaugabe zu lesende satirische Essay "On Having Half a Ball" von Ross Campbell aus der Cornelsen-Ausgabe Australian Encounters (K LEWITZ 2002a: 20ff.) begleitet. S TUNDEN 4 UND 5 • Rekapitulation und Vertiefung des Begriffs Down Under; • Lehrer teilt den Text "On Having Half a Ball" in Abschnitte ein und lässt sie im Kugellager erarbeiten: Find headlines for the various parts. What is the train of thought? • Lehrer bietet anschließend eigene Überschriften an (1. Boasts, 2. Shortcomings in the Southern hemisphere, 3. Plain speaking about the Northern hemisphere, 4. Living up boasting), und fordert die Lernenden auf, in Gruppen Stichpunkte zu der betreffenden Überschrift zu sammeln, diese auf Folie festzuhalten und anschließend der Klasse zu präsentieren; • als pre-reading activity zu der Kurzgeschichte lässt der Lehrer die Schüler ein Rollenspiel vorbereiten: Imagine you come to a new country. What problems do you encounter? S TUNDEN 6 UND 7 • Besprechung der Hausaufgabe: Frage Nr. 6 zu "On Having Half a Ball"; • Based on your own knowledge, to what extent are attitudes in the North towards countries in the southern hemisphere a serious concern? • Vorbereitung und Präsentation der o.a. Rollenspiele; • Hausaufgabe: Die Schüler sollen die Kurzgeschichte lesen und erhalten zusätzlich den Arbeitsauftrag: 1. Make notes about the setting, the opening technique and the narrative perspective. 2. Which attitudes towards the new neighbours are expressed in the story? S TUNDEN 8 UND 9 • Kurzer Rückbezug zum Rollenspiel der letzten Stunde und der darin zum Ausdruck gekommenen Einstellungen; • gemeinsame Erarbeitung der Strukturmerkmale (setting, time, characters, narrative perspective, plot, opening techniques etc.) der Kurzgeschichte im Unterrichtsgespräch; • gemeinsame Erarbeitung der Figurenkonzeption und -konstellation und Erstellen eines Tafelbildes: the couple vs. the neighbours. Arbeitsauftrag: Sum up the distinguishing features of each group according to the following aspects: • 1. national origin • 2. education & social class 241 • 3. different modes of behaviour • Hausaufgabe: Rewrite the story through the eyes of the Macedonians. S TUNDEN 10 UND 11 • Kurze Wiederholung der Ergebnisse der letzten Stunde; • Erarbeitung der Figurenentwicklung und Erstellen eines Tafelbildes: Go through the text again and mark the stages/ changes of behaviour. • Was ist die Moral von der Geschichte? / message; • Erarbeitung des intendierten Adressaten (Who is it written for in a way? ); • Analyse des Stils und des Tons der Kurzgeschichte (Style and tone of the story); • Lehrer teilt als zusätzliche Vorbereitung auf die Klausur den Text "A Land of Immigrants" aus der Cornelsen-Ausgabe Australian Encounters aus (K LEWITZ 2002a: 31f.). S TUNDEN 12 UND 13 • Klausur C 3 , 5 " ' 4 " C 3 *! ) 9 Als Einstimmung auf die in der Kurzgeschichte verhandelte Thematik hat der Lehrer als pre-reading activity ein Rollenspiel zum Thema "Imagine you come to a new country. What problems do you encounter? " geplant. Damit greift er einen Kernaspekt der Kurzgeschichte auf und die Aufgabe dient dazu, das Interesse der Lernenden zu wecken, ihr Vorwissen zu aktivieren und Erwartungen hinsichtlich des Textes zu bilden. Dabei erhalten die Lernenden die Möglichkeit, ihre entsprechenden lebensweltlichen Erfahrungen zu integrieren. Die Lernenden erhalten den Arbeitsauftrag, sich in Gruppenarbeit vorzustellen, in ein fremdes Land zu ziehen und Hypothesen darüber aufzustellen, wie sie als Immigranten von den Einwohnern aufgenommen und behandelt werden und wie sie selbst auf die Einwohner reagieren würden (1, 5). Ihre Ergebnisse sollen sie in einem 5minütigen Rollenspiel präsentieren. Das betreffende Zielland sowie den Ton des Rollenspiels ("funny", "serious", "tragic") dürfen die Schülerinnen und Schüler dabei frei wählen. Im Sinne der Binnendifferenzierung, eines größtmöglichen Aktivierungsradius und einer Förderung der Interaktion zwischen den Lernenden erhalten die Beobachter in der Folgestunde darüber hinaus den Auftrag, herauszufinden, 242 welche Einstellungen der verschiedenen Parteien in den Rollenspielen zum Vorschein gekommen sind. Im Folgenden wird eins der insgesamt vier Rollenspiele dargestellt, das die Kernthematik der Kurzgeschichte antizipiert: L The last but one group. Come on. (S 1 und S 19 postieren sich rechts von der Tafel, S 17 und S 18 links davon) 5 S 17 15: 16 S 18 and me, we are two strangers and we moved from the city to the country and now we´re living here and [S 1 : countryside] to the countryside and now we´re having a conversation. 39b L And which country is it you´re in? 17a S 17 You can imagine. [L: ok] It´s no special country. 39b S 1 But it´s kind of really, really small town they´re in. 39b L They´re in now. [S1: yeah] Ok. Small town anywhere in the world. 14d S 18 (Beginn des Rollenspiels; zu S 17 ) So, what are you looking for? 22, 25a S 17 15: 17 Well I´m searching the address of the next big cinema because I´ve heard there´s a great film going, so… 22, 25a S 18 Oh, that´s a great idea. 22, 25a S 17 Yes, but the next big city is 80 kilometers away, so maybe our neighbours know something. 22, 25a S 18 Ok, then we ask them. Do you know the number? 22, 25a S 17 Yes, one moment. (nimmt ihr Handy und tippt die Nummer ein) Hello? Oh, here´s Mrs. Smith. Yes, right. Yes, we´re your new neighbours. Please, what? Ah, ok, I understand. No, we don´t need anything. Well, ok, I just want, ok, bye. 22, 25a S 18 What was that? 22, 25a S 17 Well, I had no opportunity to say what I want. They just immediately offered to come around and to visit us. 22, 25a S 18 What? 22, 25a S 17 (lacht verzweifelt) Yes, they want to visit us. 22, 25a S 18 Oh, no. (es klopft an der Tür) 22, 25a S 1 Ding dong. 22, 25a S 17 Ah, there they come. 22, 25a S 19 Hello. 22, 25a S 1 Hello. 22, 25a S 17 Hello. (S 17 und S 18 stehen auf) 22, 25a S 19 15: 18 We have brought some cake for you. 22, 25a S 1 (nimmt ein Mäppchen und überreicht es ihr als Kuchen) Here you go. 22, 25a S 18 That´s nice, thank you. 22, 25a 243 S 1 You see, it´s just usual for us to give you a little present, so never mind. 22, 25a S 17 Ok, well. That wouldn´t have been necessary. You know that. 22, 25a S 19 Do you want to visit us for a dinner this evening? 22, 25a S 17 Originally, we wanted to go to the cinema. 22, 25a S 1 (bedauernd) Oh. Well, I, I think there´s a problem, you see. 22, 25a S 17 Really? Why? 22, 25a S 1 Well, because there´s only one cinema here which is closed at the time. It only opens during the winter season. 22, 25a S 17 (verdutzt) Ok. 22, 25a S 18 So, well, can you tell us where we can find the next shopping center and maybe a train station to get there? 22, 25a S 1 15: 19 Well, ehm, there isn´t any. You´ll have to get everywhere by car and what´s - 22, 25a S 19 What´s a shopping center? 22, 25a S 18 (lacht verzweifelt) Forget about it. What can you do here apart from sitting and watching birds? 22, 25a S 1 Oh, well, there´s a lot of things to do. We make a Bridge session once a week, there´s a community party every month and every Sunday after church (begeistert) we have lunch together. 22, 25a S 17 Ok. 22, 25a S 18 See you on Sunday. 22, 25a S 17 Bye. (SuS klatschen) 22, 25a [ROLLENSPIEL] Das Rollenspiel handelt von zwei Personen, die von der Stadt aufs Land ziehen. Die Lernenden führen in das Rollenspiel insofern ein, als das betreffende Land dabei irrelevant sei; wichtig sei nur, dass es sich um einen kleinen Ort handele (39b). Auf der Suche nach dem nächsten Kino bitten S 18 und S 19 ihre Nachbarn um Auskunft, die sich sofort bei ihnen einladen und ihnen einen Willkommenskuchen überreichen, da das bei ihnen so Brauch sei (22, 25a). Von den Nachbarn erfahren sie, dass es zwar ein Kino in der Gegend gäbe, dass dieses aber nur in der Wintersaison geöffnet sei (22, 25a). Auch die Frage nach einem Einkaufszentrum und einem Bahnhof negieren die Nachbarn und weisen darauf hin, dass man in jedem Falle ein Auto bräuchte, um irgendwo hin zu gelangen (22, 25a). Als S 18 verzweifelt fragt, was man in dem Ort außer "watching birds" machen könne, gibt S 1 an, dass man jede Woche eine Bridgerunde veranstalte, dass es jeden Monat eine Gemeindefeier gäbe und dass man jeden Sonntag nach der Kirche zusammen zu Mittag esse (22, 25a). Die Lernenden greifen in ihrem Rollenspiel Stereotype auf, die hinlänglich über das Leben auf dem Land im Gegensatz zum Leben in der Stadt 244 vorherrschen. Die Neugier der Nachbarn und die Tatsache, dass sie sich selbst einladen, um einen Kuchen zu überreichen, würde es in einer durch Anonymität geprägten Großstadt nicht geben. Auch der dargestellte Gemeinschaftssinn, der sich in Aktivitäten wie etwa Bridge Spielen oder dem regelmäßigen gemeinsamen Kirchenbesuch ausdrückt, ist für ein Leben in der Stadt untypisch. Darüber hinaus inszenieren die Lernenden im Gegensatz zu den vorangehenden Rollenspielen hier einen intrakulturellen Konflikt, der in dieser Form überall auftreten könnte. Nach der Präsentation des Rollenspiels erfolgt eine Interpretation durch die Mitschüler: L So, come on. S 5 , what could you see? 18d S 5 15: 20 Ehm yeah the prejudice that eh in the countryside there´s eh nothing to do. There`s "tote Hose". (SuS lachen) 39a L Yeah, there´s nothing going on. 14a/ d S 5 Ehm that there are no supermarkets, no shopping centers and… 39a L Was it a prejudice in this case? 14f, 17b S 7 (meldet sich) No. 37b S 5 No, this becomes… 35b L Maybe the directors were prejudiced as well, yeah (lacht), because they presented that in their play. Ehm, (zu S 7 , der sich meldet) S 7 ? 14h, 13a S 7 15: 21 Yeah, this is very interesting because - they both, also, the four persons played very well. And I think the, the bad problem in the countryside is well presented with no cultural events there for young people, for example the cinema and no shopping malls [S n (lachend): but the Bridge sessions] and the other big cities are far away, so they can´t travel there and it´s very nice also this, this problem is very nice presented here. 39a L Presented in a nice way. 15b S 7 Presented in a nice way. 39a L Or nicely. Yeah, ok. (zu S 12 , die sich meldet) S 12 ? 15b, 14a, 13a S 12 Yeah, another thing was ehm the thing with the cake, that S 17 just called to ask something and S 1 and S 19 just went over to say hello and bring a cake and this is not normal for a city. It is just - in the countryside where everybody lives too close and [L: exactly] they do everything together, know everything from each other because the neighbor always looking out of the window and, so… 39a, 28a L So, what is, what is a characteristic feature of these people? That´s why they came, I think. 8a, 18d S 12 To know everything about each other. 39a, 28a L Curiosity, yeah. 10, 245 14a/ d S 12 They want to know everything. 39a L Let´s see what they are like. (SuS lachen; zu S 16 , der sich meldet) S 16 ? 14d, 13a S 16 15: 22 I think this is also some kind of the impression that (unverständlich), that the people on the countryside, they have nothing to do - what S 17 asked. So, "is there anything to do expect of bird watching? " and this is also, it´s uninteresting for people that come from the city because they have cinema, they have shopping centers. They can go to restaurants, and not even to one restaurant. They can choose from hundreds like Chinese, McDonald`s [L: yeah] and so on. And for the people in the countryside it´s all - they are interested in the people and not in the cinema, in the movies (unverständlich). 39a, 28a L Ok, aha. So it´s positive as well. They are, they are curios but they´re also interested in the people themselves. Ok, (zur Gruppe) can you add something to what we´ve said, what you wanted to express? 14a/ d, 21, 17a S 17 They found everything out. 39b L Ok, good. 14a/ e [FEEDBACK ZU ROLLENSPIEL] S 5 macht die Tatsache, dass es auf dem Land nichts zu tun gäbe und keine Supermärkte bzw. Einkaufszentren existierten, als Vorurteil aus (39a). Auf die kritische Nachfrage des Lehrers, ob es sich hierbei wirklich um ein Vorurteil handele (17b), verneint dies S 5 zwar (37b), doch als er ansetzt, um seine Aussage zu relativieren, wird er durch die Äußerungen des Lehrers unterbrochen (14h), sodass er nicht die Gelegenheit dazu erhält, seinen Gedankengang zu beenden. Der Lehrer führt an, dass die Spielgruppe möglicherweise schon durch Vorurteile geleitet worden seien, da sie das Landleben in dieser Form präsentiert hätten. S 7 setzt mit seinem Feedback an der Darstellung der Schauspieler an, die er als sehr positiv bewertet. Darüber hinaus beurteilt er die Darstellung der Problematik, dass es auf dem Land keine kulturellen Veranstaltungen für Jugendliche gäbe und dass diese oft nicht die Möglichkeit hätten, zu Veranstaltungen zu gelangen, die weiter entfernt seien, als sehr erfolgreich (39a). S 12 hebt darauf ab, dass die Nachbarn die Neuankömmlinge einfach besuchten und ihnen einen Kuchen überreichten, auch wenn diese nur um eine Auskunft bitten wollten. Sie weist darauf hin, dass dies in einer Stadt unüblich sei und zieht den Schluss, dass ein solches Verhalten auf dem Land darauf zurückzuführen sei, dass man sehr nah beieinander lebe, alles zusammen mache und dass die Nachbarn alles voneinander wüssten, weil sie 246 immer aus dem Fenster schauen würden (39a). Die Schülerin integriert an dieser Stelle ihr lebensweltliches Vorwissen zur Interpretation des Rollenspiels. Nichtsdestotrotz scheint ihre Aussage auch von Stereotypen über Menschen, die auf dem Land leben, geprägt zu sein (39a, 28a). Der Lehrer greift diese Aussage auf und vertieft den Aspekt, indem er fragt, was ein charakteristisches Merkmal solcher Leute sei (8a, 18d). Auch wenn der Lehrer zu Beginn der Gesprächssequenz noch die Hypothese aufstellt, dass in der Darstellung des Rollenspiels bereits ein Vorurteil angelegt sein könnte, übernimmt er es an dieser Stelle unkritisch und verfestigt es. Als S 12 daraufhin wiederholt, dass es charakteristisch für Leute auf dem Land sei, dass sie alles voneinander wüssten (39a, 28a), bietet der Lehrer "curiosity" an (10). S 16 greift schließlich noch einmal den Aspekt auf, dass Leute auf dem Land außer Vögel zu beobachten, nichts zu tun hätten und dass dies für Leute aus der Stadt, die es gewohnt seien, aus einer Fülle von Aktivitäten wählen zu können, uninteressant sei. Ein Resultat dieses Mangels an Freizeitaktivitäten ist für S 16 , dass die Menschen auf dem Land sich mehr für ihre Mitmenschen interessierten (39a, 28a). Der Lehrer rundet die Schülerbeiträge insofern ab, als die Menschen auf dem Land zwar neugierig seien, aber auch ein wirkliches Interesse an ihren Mitmenschen zeigten (21). Die Frage, ob sie noch etwas hinzuzufügen hätten, verneint die Spielgruppe. Das Feedback der Mitschüler bezieht sich vornehmlich auf eine inhaltliche Rekapitulation des Rollenspiels, wobei die ursprüngliche Aufgabenstellung, die dargestellten Einstellungen zu rekonstruieren, nicht mehr zur Sprache kommt. Zudem bleibt die Perspektive der Neuankömmlinge unbeleuchtet und die Stereotype hinsichtlich auf dem Land lebender Menschen werden perpetuiert, anstelle sie zu relativieren. Da der in diesem Rollenspiel zum Ausdruck gekommene Konflikt die Kernthematik der Kurzgeschichte antizipiert, hätte es sich angeboten, das Rollenspiel am Ende der Unterrichtseinheit im Sinne einer Stringenz innerhalb der Aufgabensequenz noch einmal aufzugreifen bzw. die Rollenspiele insgesamt noch einmal rekapitulieren zu lassen. Dabei wäre es interessant gewesen, zu erfahren, ob sich die Erwartungen der Lernenden erfüllt haben oder ob sie revidiert werden mussten und inwiefern die zuvor aufgebauten Erwartungen den Verstehensprozess geleitet haben. Diese Vorgehensweise hätte die Thematik auf eine Metaebene transportiert und die Lernenden dazu angehalten, ihren persönlichen Lernprozess zu reflektieren. Insgesamt sind die Rollenspiele hinsichtlich ihrer Situierung und ihres thematischen Schwerpunktes sehr unterschiedlich. Gemein ist den Darstellungen, dass die Lernenden Heterowie Autostereotype sowie Vorurteile aktivieren und sie zum zentralen Konflikt ihrer inter- und intrakulturellen 247 Begegnungen machen. Während die drei Rollenspiele, die hier nicht dargestellt werden konnten, einen interkulturellen Konflikt zum Gegenstand hatten, konzentriert sich das nachgezeichnete Rollenspiel auf einen intrakulturellen Konflikt, indem es den Kontrast zwischen dem Leben in der Stadt zum Leben auf dem Land aufgreift. Die Bedeutung und die Wirkung von Stereotypen und Vorurteilen bleiben dabei allerdings weitgehend unreflektiert. Hinsichtlich der gemeinsamen Analyse des Rollenspiels ist festzustellen, dass nicht konsequent auf die Identifizierung der zum Ausdruck gekommenen Einstellungen geachtet wird. Hier wäre es sinnvoll gewesen, wenn der Lehrer den Erwartungshorizont transparenter gemacht hätte, indem vorher gemeinsam geklärt worden wäre, was Einstellungen 90 , Vorurteile 91 und Stereotype genau bezeichnen bzw. worin sie sich unterscheiden. So hätte man beispielsweise anhand des Begriffs Stereotyp erarbeiten können, dass es sich dabei um eine Form der sozialen oder ethnischen Kategorisierung handelt, in der einer großen menschlichen Gruppe psychologische Eigenschaften zugeschrieben werden (vgl. B IERHOFF 2002: 96-106). Dieses Denken in Kategorien anhand sozialer Schemata hilft uns zwar einerseits, unsere Erlebnisse und unsere Umwelt zu strukturieren und mithin unsere Realität zu vereinfachen. Andererseits können Stereotype aber auch, wenn sie unreflektiert übernommen werden, zu Übergeneralisierungen und Diskriminierung führen. So werden die im dargestellten Rollenspiel auf dem Land lebenden Menschen mit der stereotypen Eigenschaft 'neugierig' versehen und davon die Verhaltensweise 'sitzen den ganzen Tag am Fenster' abgeleitet. Mittels einer differenzierteren Verwendung dieser Begrifflichkeiten, die im Rahmen eines interkulturellen Fremdsprachenunterrichts von herausragender Bedeutung sind, hätten die Rollenspiele in Bezug auf die Ausgangsfragestellung eingehender erörtert und Missverständnisse verhindert werden können. Die Interpretation der Rollenspiele hätte zudem vertieft werden können, indem allgemein die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Rollenspielen herausgearbeitet werden und konkret untersucht wird, inwiefern sich die dargestellten Konflikte ähneln bzw. unterscheiden. Hinsichtlich der Aufgabenstellung wäre es zudem sinnvoll gewesen, die Rollenspiele verbindlich in Australien anzusiedeln, sodass die Lernenden ihr bereits im 90 Bei Einstellungen handelt es sich um Prädispositionen des Menschen, auf eine bestimmte Weise zu reagieren. Sie umfassen dabei die Komponenten Meinungen, Affekte und Verhaltensdispositionen (vgl. Z IMBARDO / G ERRIG 1999). 91 "Als Vorurteile bezeichnet man eine gelernte Einstellung gegenüber einem Zielobjekt, bei der negative Gefühle (Abneigung oder Angst) und negative Annahmen (Stereotype) beteiligt sind, die als Rechtfertigung für die Einstellung dienen" (ibid.: 436). 248 Vorfeld der Unterrichtseinheit erworbenes landeskundliches Wissen über Australien hätten integrieren können. Um der Aufgabenstellung in ihrer Funktion als pre-reading activity Rechnung zu tragen, hätte es sich schließlich angeboten, Hypothesen darüber aufstellen zu lassen, welchen interbzw. intrakulturellen Konflikten die Figuren in der Kurzgeschichte begegnen und so die für den Verstehensprozess notwendigen Top-down-Prozesse einzuleiten. Ein solcher Vergleich hätte sich insofern als fruchtbar erwiesen, als fast alle von den Schülerinnen und Schülern in den Rollenspielen dargestellten Einstellungen in der Kurzgeschichte zum Tragen kommen. An dieser Stelle hätte darüber hinaus schon ein Transfer zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler erfolgen können, indem man sie auffordert, über eigene Erfahrungen und interkulturelle Begegnungen zu berichten und Hypothesen darüber aufstellen zu lassen, wie man mit inter- und intrakulturellen Missverständnissen und Konflikten umgehen kann. C 3 # ' - 5 Nach dem auf die Thematik einstimmenden Rollenspiel erhalten die Lernenden eine Kopie der Kurzgeschichte mit dem einer traditionellen Textanalyse entsprechenden Arbeitsauftrag, diese als Hausaufgabe zu lesen und Notizen zu Schauplatz, Eröffnung sowie Erzählperspektive anzufertigen (3b). Darüber hinaus sollen die Schülerinnen und Schüler mit den in den Rollenspielen zutage getretenen Einstellungen korrespondierend - erörtern, welche Einstellungen in der Kurzgeschichte zum Ausdruck kommen, wobei der Lehrer auf das Ausloten der Einstellungen beider Parteien abhebt und so eine multiperspektivische Betrachtungsweise forciert (4c). Als Einstieg zur Sammlung der Ergebnisse der Lernenden beginnt der Lehrer in der Folgestunde damit, die Merkmale der Erzähltextanalyse, die bereits Gegenstand der Jahrgangsstufe 11 gewesen waren, allgemein rekapitulieren zu lassen, bevor er sie konkret auf die Kurzgeschichte anwenden lässt. So fragt der Lehrer die Lerngruppe vorerst, welche Merkmale die Kategorie Schauplatz umfasst, bevor der Schauplatz von "Neighbours" einer gemeinsamen Analyse unterzogen wird. Die Lerngruppe arbeitet im Unterrichtsgespräch heraus, dass die Kategorie Schauplatz sowohl Raum als auch Zeit umfasst. Die Lernenden führen ihre Aussagen zur Kategorie Raum aus mit dem Hinweis auf die Differenz zwischen Stadt und Land, zur Landschaft sowie zu unterschiedlichen Räumen wie Wüste oder Dschungel. Hinsichtlich des Zeitaspekts nennen die Lernenden nicht nur den Zeitpunkt, zu dem die Erzählung stattfindet, sondern auch den Aspekt 'erzählte Zeit'. Im weiteren Verlauf der Gesprächssequenz treten allerdings begriffliche Unsicherheiten zutage, wenn 249 S 18 den Aspekt "topic" und S 9 "the main characters" unter die Kategorie setting subsumieren. Der Lehrer räumt ein, dass diese Aspekte bei der weiteren Analyse eines narrativen Textes natürlich auch Berücksichtigung finden müssten, wobei seine Aussage allerdings impliziert, dass sie nicht zu der Kategorie setting gehören. Anschließend lenkt der Lehrer die Aufmerksamkeit auf die Kurzgeschichte und fordert die Lernenden auf, die genannten Merkmale auf sie anzuwenden: L Ok, so where does the story take place and when slash how long? (S 3 meldet sich) S 3 ? 3b S 3 It`s in, about a neighbourhood and the neighbourhood is not very rich. I guess it`s not, it`s a suburb, but it`s not a very rich suburb ... and maybe you can (unverständlich) in that place. 23b, 24d L Ok, aha, good. What else can we say? It`s a suburb of what? 14a, 3b S n Of a city. 23b L What city? 17a, 3b S 3 Big city. 23b L Where . is that city located? (S 21 meldet sich) S 21 ? 17a, 3b, 13a S 21 At the East coast of Australia… [L: ok] … because of the Moreton Bay figs, ehm which only ehm (sucht nach dem passenden Wort)… 23b L Grows. 15c S 21 14: 14 Grows, grow in eh at the East coast of Australia, because Moreton Bay is a bay there. 23b, 24d, 28a L Very good. S 7 ? 14e S 7 And in the neighbourhood there are a lot of European immigrants. 23b L 14: 15 Mmh, ok. So, let`s write this down (schreibt die Schülerbeiträge an die Tafel). Ok, what can we say about the time aspect? (S 11 meldet sich) S 11 ? 14a, 21, 3b, 13a S 11 It`s eh at the end of the 20th century. 23b L What makes you think so? 17a S 11 Eh, somewhere (schaut in seine Unterlagen) at the end of the text there is something, which is said, eh "the 20th century did not prepare him" or something like this (signalisiert Unsicherheit) or do I imagine this? And eh, of course there`s a biographical note about the author who lives in our time and his period of work was in the 80s, so it`s sometime, it is some time in this period. 35a, 23b, 24h, 27a L 14: 16 Ok (schreibt an die Tafel). What period of time is covered within the story? How much is described? (ermahnt SuS, die tuscheln) Shht! (zu S 16 , der sich meldet sich) S 16 ? 14a, 3b, 13a S 16 Ehm I think a minimum of nine months because the woman gets a 23b, 250 child… [L: yeah] …and, no, she gets, she… 24d S 2 …becomes pregnant. 32 S 16 Yeah, she got pregnant and yeah … 23b L And receives a baby in the end, yeah? 15c S 16 Right, this was the word I was searching for. [L: ok] Yeah, and I think in the beginning she isn`t even pregnant, so a minimum of nine months. 37a, 24d L Ok, I think we can be a bit more exact. You`re absolutely right with what you`ve deduced so far. (zu S 12 , die sich meldet) S 12 ? 14a, 17, 13a S 12 14: 17 I think it has to be more than a year, because in line 20 it is mentioned that "relations were uncomfortable for many months" and so there were many months ehm when they lived there already before she gets pregnant. 23b, 24d/ h L Aha. (zu S 16 , der sich meldet sich) S 16 ? 14a, 13a S 16 Do she, do they have to live there for many months and do they have to, ehm have a good relationship to the others that the woman gets pregnant or…? She can also get pregnant when they don`t like the neighbours. That doesn`t got anything to do with each other, doesn`t it? 34 L Ehm, (zu S 12 ) is that what you wanted to aim at? 14f S 12 No, I just wanted to say that with this sentence it is said that ehm they lived there for, about a few months and THEN she gets pregnant. It`s nothing to do with the neighbours. 37b, 23b, 35a L 14: 18 Yeah, so they have lived there for some time before she gets pregnant, yeah? "Relations were uncomfortable for many months", so time passes by (gestikuliert mit seinen Händen und deutet eine timeline an) and then she gets pregnant, yeah? It has got nothing to do with (zuckt mit den Schultern), yeah, whether they like each other or not. 14a/ d S 16 But, what relation, what relation should this meant with this sentence? Is it the relationship between the neighbours or in this family, between man and woman? 34 L (zur Klasse) Dear audience? What relations are meant? 18d S 1 Where`s the sentence? 34 L Line 20, still. (einige SuS melden sich) S 4 ? 12, 13a S 4 Yeah, the relation between the neighbours and this family. 23b L Exactly. 14a S 16 So, there`s no reason for the woman to not get pregnant in this time because the neighbours doesn`t got anything to do with this action. 23b L The neighbours haven`t anything to do with it, but that`s not the question. It`s just, she just wanted to tell us that they`ve been living 14d, 13a 251 there for some time before she gets pregnant (macht eine Handbewegung, die einen Punkt andeutet) full stop. So it has to take more than nine months. (zu S 15 , der sich meldet) S 15 ? S 15 14: 19 I think it`s a bit more than one year, I think one year and three months perhaps, because they moved there in the summer and in the late summer of the next year there`s birth. 23b, 24d L Exactly, that`s it, yeah? Because we get information about the seasons in which all the events take place and so it`s, it`s definitely more than a year, a year and four months, or one, nearly one and a half year I think. 14a/ d S 11 And it is even in line 14 "it took six months for the newcomers, newcomers to comprehend", eh blub blub blub, so six months plus pregnancy and a little bit and so we`re at one and a half year. 23b, 24d/ h L 14: 20 Exactly. (schreibt es an die Tafel; zu S 18 , die sich meldet) S 18 ? 14a, 13a S 18 I`ve got a question because ehm (bezieht sich auf das, was an der Tafel steht) "part of an Australian city". I think it`s a small town, because I, I thought that they lived all their life in the, in the suburbs, so in a, in the city and they moved in a small town because it is said that they are used to have good neighbours which were seldom seen and so on, so it`s a big city and now it`s, everything is different so I thought they moved in a small town now. 34, 23b, 24d/ h L 14: 21 Ok, so do we get evidence on that whether it`s a small town or a big city they`re living in right now? (zu S 17 , die meldet) S 17 ? 3b, 17a S 17 Well, suburbs were, are mentioned in line 12 and (liest Textstelle vor) "the young man and woman had lived all their lives in the expansive outer suburbs where good neighbours were seldom seen and never heard" and then later on they, there`s no, no point that they live now in a, in a small town, it`s already a suburb, because there`s no other term used. 23b, 24d/ h L 14: 22 What is stressed here is that they didn`t have anything to do with their neighbours before they moved there and now the situation is different, so we specifically don`t know, yeah? (zeigt auf die Tafel) I just wanted to keep it as neutral as possible by saying it`s part of an Australian city . might be a small town as well. (zu S 18 , die sich meldet) Yeah? 2e, 13a S 18 Yeah, because there in the text it`s mentioned that they`re working in the garden or whatever… [L: mmh] ... and so I think garden is, fits better to a town or, or I don`t think that they still live in the city, I don`t know. 23b, 24d/ h S 1 You know, city doesn`t have to mean Großstadt. It`s just a collection of houses. 38b L Yeah, there`re are also gardens in Frankfurt I think, even in 14a, 2f, 252 14: 23 Chicago. It just depends, it depends on where you`re living. I think it`s not downtown, yeah, that`s, that`s what we can say. It`s not the inner part of the city, but we specifically do not get more information. (zu S 15 , der sich meldet) Yeah, S 15 ? 13a S 15 I think there`s a hint because it`s full of European m/ i/ grants and what should… 23b, 24d L (verbessert Aussprache) M/ ai/ grants. 15a S 15 ...yeah, what should European migrants do in a small Australian town, they look for work and you find work in the cities and not in the towns. 24d, 27a, 28a L Ok. (zu S 11 , der sich meldet) S 11 ? 14a, 13a S 11 Eh, so I even prefer the suburbs because of these arguments, but ehm the, it seems not to be as poor as we think it, because eh the newly-, in line 5 it is said "The newly-weds` house was small, but its high ceilings and paned windows gave it the feel of an ele/ dz/ ant cottage" … 38b, 23b, 24d/ h L (verbessert Aussprache) Elegant. 15a S 11 14: 24 ...elegant cottage, so when I, when I make a picture in my mind, it`s something like the American dream suburb or something like this. Eh houses of wood and so on and these European m/ i/ grants they live in Australia (erhebt den Zeigefinger) an no European m/ i/ grant who is poor … 23b, 24c/ d/ f, 28b L (verbessert Aussprache) Migrant, migrant. 15a S 11 ...migrant who is poor and who searches for work does migrate to Australia. 24c/ d, 28a [...] L Ok, I think it doesn`t make too much sense to go on talking about whether it`s a small town or a bigger city or whatever. We simply do not know. Full stop. 21 [ANALYSE DES SETTINGS] Auf die Frage des Lehrers, wann und wo die Geschichte spiele und welchen Zeitraum sie umfasse (3b), gibt S 3 an, dass es sich um "not a very rich suburb" einer Großstadt handele (23b, 24d). Hinsichtlich der genauen Situierung dieser Großstadt zieht S 21 vor dem Hintergrund seines landeskundlichen Vorwissens die Inferenz, dass sie sich an der Ostküste Australiens befinden müsse, da im Text von "Moreton Bay figs" die Rede sei und sich Moreton Bay an der Ostküste befinde (23b, 24d, 28a). S 7 fügt hinzu, dass in der Nachbarschaft viele europäische Immigranten lebten (23b). Der Lehrer hält die Schülerbeiträge an der Tafel fest und leitet über zur Kategorie Zeit (21, 3b). S 11 macht darauf aufmerksam, dass der Text mit seinem letzten Satz "the 253 20th century did not prepare him …" auf das 20. Jahrhunderts verweise. Die die Kurzgeschichte kommentierenden biographischen Angaben zum Autor veranlassen S 11 darüber hinaus dazu, das Geschehen am Ende des 20. Jahrhunderts zu verorten (23b, 24d/ h, 27a). Der Lehrer nimmt diese Angabe an und lenkt über zur Zeitspanne, die die Handlung umfasst (23b). S 16 gibt an, dass die Kurzgeschichte mindestens einen Zeitraum von neun Monaten abdecke, da die junge Frau ein Kind bekommen habe und zu Beginn der Geschichte noch nicht schwanger gewesen sei (23b, 24d). Der Lehrer betont, dass man die Zeitspanne noch etwas exakter ausmachen könne, woraufhin S 12 unter Verweis auf den Text den Schluss zieht, dass es sich um mehr als ein Jahr handeln müsse, da "relations were uncomfortable for many months", bevor die junge Frau schwanger geworden sei (23b, 24d/ h). S 16 missversteht diese Aussage insofern, als er glaubt, S 12 sähe zwischen der Schwangerschaft und dem guten Verhältnis zu den Nachbarn eine kausale Beziehung (34). S 12 klarifiziert ihre Ausführungen dahingehend, dass es sich um eine temporales Verhältnis handele, insofern das junge Paar bereits einige Monate in der Nachbarschaft gewohnt hätte und die Frau dann schwanger geworden sei (23b, 35a). Dieses inhaltliche Missverständnis zieht sich noch über einige weitere Sprecherwechsel, bis der Lehrer noch einmal klarstellt, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun habe. Im weiteren Verlauf äußert S 15 vor dem Hintergrund der in der Kurzgeschichte angegebenen Jahreszeiten die Vermutung, dass es sich etwa um ein Jahr und drei Monate handeln müsse (23b, 24d). Der Lehrer stimmt dieser Aussage zu und zieht den Schluss, dass es sich etwa um eineinhalb Jahre handeln müsse (14a/ d). Nachdem der Zeitaspekt geklärt wurde, lenkt S 18 eigenständig zurück zu der Frage, ob die Geschichte nun in einer australischen Stadt spiele oder nicht. Der Hinweis, dass das junge Paar aus den anonymen "expansive outer suburbs where good neighbours were seldom seen and never heard" (6, l. 11ff.) zugezogen sei, interpretiert S 18 vielmehr dahingehend, dass das junge Paar nun in einem kleinen Ort wohne (34, 23b, 24d/ h). Der Lehrer gibt diese Frage zurück an das Plenum und fordert die Lernenden auf, Beweise im Text für eine konkrete Ortsangabe anzuführen (3b, 17a). S 17 s diesbezüglicher Beitrag ist nicht zielführend, sodass der Lehrer betont, dass man keine genauen Informationen dazu erhalte, dass es an dieser Stelle aber vor allem darauf ankomme, dass das junge Paar zuvor nichts mit seinen Nachbarn zu tun gehabt habe und dass dies in der neuen Umgebung nun anders sei (2e). S 18 untermauert ihre vorangehende Überzeugung, dass es sich um einen kleinen Ort handele, mit dem Hinweis, dass das junge Paar im Garten arbeite und dieser Umstand eher für einen Ort als für eine Stadt spräche (23b, 24d/ h). S 1 äußert sich insofern ablehnend, dass es sich bei der Angabe "city" 254 nicht notwendigerweise um eine Großstadt handeln müsse (38b). Der Lehrer stimmt dieser Aussage zu und relativiert die Aussage von S 18 weiterhin damit, dass es etwa auch in Frankfurt oder Chicago Gärten gäbe (14a, 2f). S 15 sucht das Problem auf Grundlage seines lebensweltlichen Vorwissens zu lösen, indem er anführt, dass ein Hinweis für eine konkrete Verortung die Tatsache sein könnte, dass dort viele europäische Immigranten ansässig seien und jene nach Arbeit suchten, die auf dem Land nicht zu finden sei. Er schlussfolgert mithin, dass es sich um eine Stadt handeln müsse (23b, 24d, 27a, 28a). S 11 äußert sich ablehnend zu dieser Aussage von S 15 und führt aus, dass er sich das Haus des jungen Paares mit seinen hohen Decken wie ein elegantes Landhaus vorstelle, das man in einem "American dream suburb" verorten würde (23b, 24c/ d/ f, 28b). Zudem würde kein mittelloser europäischer Migrant, der nach Arbeit suche, nach Australien auswandern (24c/ d, 28a). Der Lehrer bricht die Gesprächssequenz an dieser Stelle mit dem Hinweis ab, dass man hinsichtlich des Schauplatzes zu keinem endgültigen Ergebnis kommen werde und lässt somit verschiedene Interpretationsansätze nebeneinander stehen (21). In der Regel lässt sich die Raumdarstellung in narrativen Texten relativ leicht erschließen und bietet so einen guten Ausgangspunkt für die Erzähltextanalyse (vgl. N ÜNNING / S URKAMP 2006: 208). Das Setting in dieser Kurzgeschichte wird nicht expliziert und erfordert von den Schülerinnen und Schülern eine genaue Lektüre sowie das Bilden von Inferenzen. Diese Unbestimmtheitsstellen werden von der Lerngruppe im Unterrichtsgespräch identifiziert und zum Anlass genommen, unterschiedliche Interpretationen auszuhandeln. So entsteht eine angeregte Diskussion darüber, ob das Geschehen in einer Großstadt, einer Kleinstadt oder auf dem Land stattfinde. In diesem Aushandlungsprozess, an dem sich zahlreiche Lernende freiwillig beteiligen, gehen die Schülerinnen und Schüler eigenständig auf die Beiträge ihrer Mitschüler ein, formulieren eigene Fragen, lenken selbst hin auf Gesprächsinhalte (S 18 , 14: 20), klären Missverständnisse, verweisen regelmäßig auf textuelle Hinweise und ziehen ihr lebensweltliches und soziokulturelles Vorwissen für ihre Sinndeutungen heran (S 15 : "I think there`s a hint because it`s full of European migrants and what should European migrants do in a small Australian town, they look for work and you find work in the cities and not in the towns."). Der große Beteiligungsradius und die fundierten Aussagen zeugen darüber hinaus von einer hohen Motivation und einer genauen Textkenntnis der Lernenden. 255 C 3 + & ! ! 0 ! ! Zur Komplettierung der Analyse der Strukturmerkmale der Kurzgeschichte leitet der Lehrer schließlich dazu an, die Figurenkonzeption sowie das Beziehungsgefüge zu untersuchen. Nach einer kurzen Klärung der Berufe des jungen Paares, i.e., dass der junge Mann seine Doktorarbeit schreibt und seine Frau im Krankenhaus arbeitet, wobei unklar bleibt, ob sie als Krankenschwester oder Ärztin tätig ist, lenkt der Lehrer die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler vorerst auf das Verhältnis zwischen dem jungen Paar und den Nachbarn. L Ok, how do the neighbours treat the new neighbours? Or what is special about them? (wartet einige Sekunden; dann zu S 18 , die sich meldet) S 18 ? 3b, 4c S 18 14: 42 I think it`s pretty weird because in some way they want, they try to help the neighbours, for example in the garden they, they try to help them with planting the, the plants and on the other way it is said that one, one neighbour tries to bother them, wants to bother them I think, so it`s I don`t know, it`s pretty weird. 23b, 24c/ e/ f Bewertung L (zögerlich) Yeah, is it? Why is it weird? 14a, 17a S 18 Because in some way they try to help them and in some way they try to nerve them. Nerven, was heißt denn nerven? 35a, 23b, 33, 31 L To get on their nerves. 15c S 18 Yeah. 37a L Or to, to annoy them simply. (zu S 11 , der sich meldet) S 11 ? 15c, 13a S 11 14: 43 I think this is simply a completely other way to live one life, so this just seems strange for these two Australians who live there. It`s, (liest aus der Geschichte vor) "they planted leeks, onions, cabbage", it`s something what is not eh normal for them and "He watched in disgust as the little boy next door urinated in the street." Ehm, so it is not quite common to them and so they are, they feel that there`s a distance between them and they`re not quite happy to live there and it changes when she gets pregnant, when the neighbours start to be very friendly and, in the end there`s some kind of respection, maybe even friendship and what wasn`t imaginable in the beginning. 23b, 24c/ d/ e/ h Interpretation, Perspektivenwechsel L Although I couldn`t imagine. (zu S 1 , die sich meldet) S 1 ? 15b S 1 14: 44 I`d say, well, there`s a change in both of the, well, a change in the neighbours` behaviour and in the couple`s behaviour. And, well, in the beginning they don`t need, like each other at all and they, well, they look at each other with raised eyebrows and so on and then it starts, they start to get used to each other and I think that`s the point and after a while, yeah, they`re not 23b, 24c/ d/ e 256 annoyed by, by the others` actions and yeah get used to them and so they, they have the possibility to get to, to get on a friendly eh … L Basis. 15c S 1 …basis, yeah. That`s what happens after a while. 23b, 24c/ d L 14: 45 Yeah, ok, good. Yeah, I think we really have to turn attention to, to the characters and ehm to those two different groups we have here, the young couple and the people who had already been living there when they, when they moved there. Ehm, there is something which is really special about all the characters in the story. What is that? 14a/ e, 2e, 3b Starke Lenkung, Suggestivfrage S 16 (leise) They have no names. 23b S n (leise) Yeah. 37a L 14: 46 Is there anything that is surprising for you or at least worth mentioning? S 12 ? 12, 3b, 13b S 12 Well, there`re no names. There`s a Ma/ k/ edonian family… 23b L (verbessert Aussprache) Ma/ ts/ edonian. 15a S 12 Ma/ ts/ edonian family and the Polish w/ ai/ dower … 23b L (verbessert Aussprache) W/ i/ dower. 15a S 12 (lacht) …widower and there`s always the woman, the young woman and the young man and never Lucy or something like that. 23b L Ok. Isn`t that strange that even the main characters don`t have names? (einige SuS melden sich) S 15 ? 14a, 3b Suggestivfrage S 15 No, it isn`t. It`s typical for a short story… 37b, 23a L Typical of. 15b S 15 Typical of a short story. 23a L Ok. Why? 14a, 17a S 15 Because it isn`t important for the story. It`s just a message that the short story wants to bring over… 23a L To convey. 15c S 15 …and there the names are unimportant. 23a/ b L 14: 47 Ok. What other reason might there be for not giving names to the characters, to all the characters in the story? (einige SuS melden sich) S 16 ? 14a, 17a, 3a/ b S 16 Perhaps it should show a general message, that there`s not only this couple that moved to the suburb, eh that there are more than one couple, there are many couples that move to another state, another city and that, eh find themself in this situation. [L: ok, mmh] So, it`s a general problem . or situation. 23a/ b, 24d Generalisierbarkeit d.Thematik L Absolutely right. The individual features, they`re not impor- 14a, 2a, 257 tant. It`s just a general message that has to be conveyed, goes into the same direction as what S 15 has just said. (zu S 11 , der sich meldet) S 11 ? 20, 13a S 11 It gets parabolic? Can you say this? [Parable: a short simple story that teaches a moral; Adj. dazu existiert nicht] 23a/ b, 31 L Yeah, mmh, ok. 14a S 11 And through the unpersonality makes it… 23a L Impersonality. Yeah, can be generalized in a way… 15c S 11 Yeah. 37a L 14: 48 …because it`s not the characters that have to be represented, but? The groups of people, yeah? (zu S 17 , die sich meldet) S 17 ? 2a S 17 It`s easier for the reader to identify with one character if there`s no name because then you can (unverständlich, da ein Mitschüler hustet) all feelings, all the thinkings… 23a/ b, 24f L The thoughts. 15c S 17 …thoughts and so you can identify… 24f L More easily. Mmh, ok. (zu S 2 , der sich meldet) S 2 ? 15c, 14a, 13a S 2 14: 49 Ehm at this topic here I would say ehm with giving no character any name, the author made them all equal ehm, they`re all on the same level… [L: ok] …and not the couple he`s named John and she`s named Jane and the other are the Macedonian family and the Polish family and whatever. They`re all one mass, one anonymous mass and the second is ehm in German we don`t say they`re characters, they are all types… [L: ok] …of yeah, of people. 38a, 23a/ b, 24d S n (sehr leise) Stereotype? 23b L 14: 50- 14: 52 Good. Well, just collect that and then you`ll get the opportunity to work on that in detail (hält die Schülerbeiträge an der Tafel fest; SuS schreiben von der Tafel ab.) So, S 2 has just said by giving the characters no names they`re really put on one level, yeah. 14e, 21 [ANALYSE DER FIGURENKONZEPTION UND -KONSTELLATION] Auf die Frage des Lehrers, wie die Nachbarn die Neuankömmlinge behandelten (3b), gibt S 18 an, dass sie das Verhalten der Nachbarn als "weird" empfinde, da jene dem jungen Paar zwar einerseits bei der Gartenarbeit helfen, sie aber andererseits stören würden (23b, 24c/ e/ f). S 18 ist aufgrund dieser vermeintlichen Diskrepanz irritiert, doch dass sich das junge Paar etwa durch das Verhalten des polnischen Witwers gestört fühle, werde auch nur aus deren Perspektive wahrgenommen und dargestellt und sei möglicherweise nicht von dem Nachbarn intendiert, sondern vielmehr auf dessen natürlichen Habitus zurückzuführen. S 11 greift mit seinem Beitrag den dargestellten interkulturellen Konflikt auf und macht auf die unterschied- 258 lichen Lebensweisen aufmerksam ("I think this is simply a completely other way to live one life, so this just seems strange for these two Australians who live there."), die der Grund für eventuelle Missverständnisse sein könnten. Das junge Paar ekle sich laut S 11 etwa darüber, dass "the little boy next door urinated in the street", da es ein solches Verhalten nicht kenne bzw. nicht gewöhnt sei. Insgesamt spüre das junge Paar somit eine Distanz zu den Immigranten und fühle sich in der neuen Nachbarschaft deplatziert ("it is not quite common to them and so they are, they feel that there`s a distance between them and they`re not quite happy to live there"). Dieser Umstand ändere sich allerdings, als die junge Frau schwanger würde und sich die Nachbarn mit dem jungen Paar freuen würden, sodass sich schließlich eine Art Respekt oder sogar Freundschaft entwickle, was zu Beginn noch undenkbar erschienen sei (23b, 24c/ d/ e/ h). S 1 führt diese Entwicklung auf eine Verhaltensänderung auf beiden Seiten zurück und führt aus, dass "they start to get used to each other" und sich somit nicht mehr durch das Verhalten der Anderen gestört fühlten (23b, 24c/ d/ e). Nach diesen Beiträgen, die bereits von einer multiperspektivischen Betrachtung und einem vertieften Textverständnis auf Seiten der Lernenden zeugen, insofern sie die Handlungen, Motive und Gefühle der Figuren detailliert ausloten, hebt der Lehrer den Aspekt der Figurenkonzeption und - konstellation auf eine abstraktere Ebene, indem er darauf hinweist: "there is something which is really special about all the characters in the story" (2e). Auf die Frage, was das sein könnte (3b), kommen die Lernenden schnell zu dem Ergebnis, dass die Figuren keine Namen trügen (23b) und stellen Hypothesen über die Funktion dieses Umstands auf (24d). S 15 weist vor dem Hintergrund seines gattungsspezifischen Vorwissens darauf hin, dass es typisch für die Gattung der Kurzgeschichte sei, dass die Figuren keine Namen trügen und dass es für die Vermittlung der "message" keine Rolle spiele, ob die Figuren Namen hätten oder nicht (23a). Auf die Frage des Lehrers, welchen Grund es noch für die Auslassung der Namen geben könnte (3a/ b), äußert S 16 die Vermutung, dass die Nichtbenennung der Figuren eine Generalisierbarkeit der Thematik und des interkulturellen Konflikts begünstige, da es viele Migranten gäbe, die in einen anderen Staat bzw. ein anderes Land zögen und sich in einer ähnlichen Situation wie das junge Paar wiederfänden (23a/ b, 24d). S 11 pflichtet dieser Aussage insofern bei, als er die Geschichte mit dem false friend "parabolic" umschreibt und ausführt, dass die Unpersönlichkeit eine Verallgemeinerung erleichtere (23a/ b). S 17 artikuliert ihre Perspektive als Leserin, wenn sie anführt, dass es einfacher für den Leser sei, sich mit den Charakteren zu identifizieren und dessen Gefühle und Gedanken nachzuvollziehen, wenn sie keine Namen trügen ("It`s easier for the reader to 259 identify with one character […]") (23a/ b, 24f). S 2 knüpft schließlich an die Aussagen von S 16 und S 11 in Bezug auf die Generalisierbarkeit der Thematik an, indem er die Auslassung der Namen dahingehend interpretiert, dass alle Figuren dadurch auf eine Ebene bzw. gleichgestellt würden und so den Eindruck einer anonymen Masse vermittelten. Zur Untermauerung seiner Aussage bietet er den Begriff "types" an, der im Gegensatz zu Individuen durch einen Mangel an Individualisierung und charakterisierender Details gekennzeichnet sei (38a, 23a/ b, 24d). 92 Ein Mitschüler wirft hierauf den treffenden Begriff des Stereotyps ein (23b), der als Ausgangspunkt für eine fruchtbare Diskussion und ein vertieftes Ausloten des interkulturellen Konflikts hätte fungieren können. Der Lehrer, der den Einwurf leider akustisch nicht wahrgenommen zu haben scheint, geht dazu über, die Schülerbeiträge an der Tafel zu sammeln und so eine Ergebnissicherung zu gewährleisten (21). Nach dieser zwar erst anfänglichen, aber schon teilweise tiefgehenden Erörterung der Eigenschaften der europäischen Immigranten und der zugezogenen Australier sowie der Entwicklung der Beziehung zwischen den zwei Gruppen, leitet der Lehrer auf Grundlage der sich in der Lehrerhandreichung befindlichen Unterrichtseinheit dazu über, das Verhältnis der Parteien konkret anhand dreier Merkmale, i.e. "national origin", "education and social class" sowie "different modes of behaviour", untersuchen zu lassen (K UTSCH 2002: 10). Aus Platzgründen werden die Ergebnisse der Unterrichtsgespräche zu diesen Aspekten zusammenfassend präsentiert. In Bezug auf die Herkunft der beiden Gruppen kommen die Lernenden zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem jungen Paar um weiße Australier handele, während sich die Nachbarn aus europäischen Immigranten zusammensetzten, die u.a. von Mazedonien, Polen, Griechenland und Italien nach Australien emigriert seien. Hinsichtlich des sozialen Status und der Ausbildung der beiden Gruppen erarbeiten die Schülerinnen und Schüler, dass das junge australische Paar einen höheren Bildungsstand habe als die Nachbarn und der Mittelschicht, vielleicht sogar der gehobeneren Mittelschicht, zuzuordnen sei, da der junge Mann seine Doktorarbeit schreibe. Die Nachbarn werden von der Lerngruppe als "not well-educated" beschrieben und mithin der "lower middle class" zugeordnet. In der Tatsache, dass sie Gemüse anbauten und Hühner züchteten, sehen die Lernenden einen Hinweis darauf, dass sie relativ arm seien und durch die Selbstversorgung Geld zu 92 So wird etwa in der Dramentheorie zwischen Typen und Individuen differenziert, wobei Typen nicht eine einzige Eigenschaft, sondern einen ganzen soziologischen bzw. psychologischen Merkmalkomplex repräsentieren und somit vom Individuellen abstrahieren zu vermögen, um ein überindividuelles Allgemeines darzustellen (vgl. P FISTER 2000: 245). 260 sparen versuchten. Der Lehrer paraphrasiert die Beiträge der Lernenden mit "working class" und beendet die Gesprächssequenz. Im Anschluss an die Thematisierung der sozialen Herkunft der Figuren und der Rekonstruktion ihres sozialen Status leitet der Lehrer dazu über, die Verhaltensweisen der beiden Gruppen erarbeiten zu lassen und fordert die Schülerinnen und Schüler zum Ziehen von Inferenzen auf, indem er fragt, ob das jeweilige Verhalten möglicherweise mit dem entsprechenden sozialen Status zusammenhänge bzw. eine Konsequenz daraus sein könnte (3b, 4d). In Bezug auf die Verhaltensweisen der Nachbarn gibt S 9 an, dass diese sehr laut seien und schreien würden. Dieser Umstand resultiere in einer skeptischen und besorgten Einstellung des sich überlegen fühlenden jungen Paares gegenüber den Nachbarn, was sich aber mit der Zeit ändere, da sich die Parteien besser kennen lernten und das junge Paar die Hilfe der Nachbarn schätzen lerne (23b, 24c/ d/ e). Der Lehrer nimmt diesen Schülerbeitrag zum Anlass, an der Tafel eine Tabelle mit beiden Personengruppen anzufertigen, die dem Entwicklungsaspekt des 'vorher-nachher' Rechnung trägt. Um die ersten Eindrücke und Einstellungen des jungen Paares zu rekonstruieren, fordert der Lehrer die Lernenden auf, weitere Adjektive aufzuführen, die in diese Richtung weisen (3b, 4c), woraufhin sie "shocked", "irritated", "annoyed", "disgusted", "wary", "insecure", "displaced" und "uncomfortable" nennen (23b, 24c). Nach dieser Sammlung leitet der Lehrer dazu über, die Einstellungsänderung des jungen Paares im Verlauf der Geschichte nachzuvollziehen (15: 25; 3b, 4c). S 18 sieht als Ausgangspunkt für die Einstellungsänderung des Paares die Schwangerschaft der jungen Frau. Das Paar sei über das Interesse, die Geschenke und die Ratschläge der Nachbarn einerseits dankbar, erfreut und gerührt. Andererseits empfinde die junge Frau das Verhalten der Nachbarn noch immer als aufdringlich, kämpfe weiterhin mit gemischten Gefühlen und behalte eine gewisse Distanz bei (23b, 24c). Nach der Erarbeitung der Seite des jungen Paares schwenkt der Lehrer über zur Perspektive der Nachbarn und fordert die Schülerinnen und Schüler auf, zu eruieren, ob sich auf deren Seite auch ein Wendepunkt bzw. eine Einstellungsänderung identifizieren ließe (15: 27; 3b, 4c). S 17 gibt an, dass die Nachbarn zwar auch anfänglich skeptisch gegenüber den Neuankömmlingen seien, dass sie aber im weiteren Verlauf freundlich seien und dem jungen Paar mit Ratschlägen zur Seite stünden (23b, 24c). S 11 fasst das Verhalten und die Einstellungen der Nachbarn hingegen als "natural behaviour" auf und führt aus, dass deren anfänglicher Skeptizismus gegenüber Fremden und die anschließende Freude über die Schwangerschaft der jungen Frau für sie ein normales Verhalten und eine normale Reaktion seien (23b, 24c). Der Lehrer fügt diesbezüglich hinzu, dass die Nachbarn zu Beginn wohl auch etwas 261 "disapproving" hinsichtlich des späten Aufstehens des jungen Paares gewesen seien. Anschließend lenkt er explizit auf den Begriff des Gemeinschaftssinns auf Seiten der Nachbarn, indem er die charakteristischen Merkmale "they feel for the woman", "care for each other" und "a sense of belonging together" anbietet. Der Lehrer beendet die Sequenz, indem er die Verhaltens- und Einstellungsänderung der Nachbarn dahingehend zusammenfasst, dass sie vorerst ein wenig vorsichtig und ablehnend seien, später dann aber freundlich und hilfsbereit (21). Der Lehrer fertigt zur Ergebnissicherung auf Grundlage der Unterrichtsgesprächs sowie des sich in der Lehrerhandreichung befindlichen Beispieltafelbildes 93 ein Tafelbild an. In der folgenden Stunde lässt der Lehrer kurz den Inhalt der letzten Stunde dahingehend rekapitulieren, dass sowohl die Neuankömmlinge als auch die bereits ansässigen Nachbarn anfänglich misstrauisch und das gegenseitige Verhältnis durch Abneigung und Ablehnung geprägt gewesen sei, dass sich das Verhältnis gegen Ende der Geschichte aber in Richtung einer guten Nachbarschaft entwickle und sogar Ansätze einer Freundschaft erkennbar seien. Der folgende Beitrag von S 17 fasst die Ergebnisse der vorangehenden Stunde dabei treffend zusammen: So, if you look at the education or at the origin it´s very different between the couple - there are many differences between the couple and the neighbours but if you look at their behaviour, it´s very the same, I think because [S 20 : similar], yeah it´s very similar because at first they´re very, yes reserved on both sides but then they, if they get to know each other better they, they have a better relation and it´s very similar. S 17 führt aus, dass sich das Verhalten der beiden Parteien trotz des unterschiedlichen Bildungsstandes ähnle und die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht nicht unmittelbar Rückschlüsse über das Verhalten einer Person zulasse. Dieser Beitrag spiegelt einen interkulturellen Lernprozess wider, insofern die Schülerin erkannt hat, dass Menschen weder auf ihren sozialen Status und ihren Bildungsstand noch auf ihre Kultur reduziert werden können (s. hierzu B REDELLA 2010). Anschließend leitet der Lehrer dazu über, die verschiedenen Schritte und Phasen der Entwicklung zwischen den Figuren, die nicht linear verläuft, ausführlich zu erarbeiten. Dabei forciert er eine sehr genaue Textarbeit im Sinne eines close reading 94 und fordert die Lernenden auf, ihre Aussagen hinsichtlich der Entwicklung der Figurenkonstellation am Text zu belegen. Die insgesamt sehr lange Gesprächssequenz, in der es zu einigen inhaltlichen 93 Vgl. K UTSCH (2002: 10) 94 Close reading wird dabei verstanden als "ein genaues, allen Bedeutungsnuancen und sprachlichen Effekten eines Textes nachspürendes Lesen" (N ÜNNING 2004: 192f.). 262 Überschneidungen zur vorangehenden Stunde kommt, wird im Folgenden im Sinne einer Kontextualisierung zusammengefasst. Die Lerngruppe wiederholt zu Beginn der Gesprächssequenz, dass das Verhältnis zwischen den Nachbarn und dem jungen Paar in der ersten Phase durch gegenseitiges Misstrauen und Distanz charakterisiert sei und sich die beiden Parteien voneinander gestört fühlten. In einer zweiten Phase begännen sie, sich einander anzunähern. Laut S 9 würden die Nachbarn als erste die vorherrschende Distanz zu den Neuankömmlingen überwinden, indem sie auf sie zugingen und ihnen Hilfe anböten (23b, 24c/ d). Als Beleg dafür, dass sich das gegenseitige Verhältnis und insbesondere die Einstellung des jungen Paares gegenüber den Nachbarn ändere, gibt S 11 an, dass das junge Paar Geschenke akzeptiere. Zur Untermauerung seiner Aussage führt er die entsprechende Textstelle an, der zu entnehmen ist, dass das junge Paar zurücklächelt ("The young couple found themselves smiling back at the neighbours."). Er zieht daraus den Schluss, dass kein Misstrauen mehr herrsche und versieht das sich entwickelnde Verhältnis mit "distant optimism" (23b, 24c/ d/ h). S 5 relativiert die Aussage von S 11 allerdings dahingehend, dass das junge Paar die Geschenke nicht gleich dankbar aufnähme, sondern dass die Nachbarn zum wiederholten Male Geschenke überreicht hätten, bis das junge Paar zurücklächle (23b, 24c/ h, 38b). S 18 führt zur weiteren Entwicklung der Figurenkonstellation den Umstand auf, dass der junge Mann sich zwar über die Störungen ärgere, aber dennoch genau zuhöre, was die Nachbarn zu sagen hätten (23b, 24c/ d). S 21 greift diese Aussage auf und führt weiter aus, dass der junge Mann die Ratschläge in Bezug auf das Anlegen eines Nutzgartens akzeptiere (23b, 24c). S 12 sieht einen ersten deutlichen Indikator für eine erfolgreiche Integration des jungen Paares in der neuen Umgebung, als sie von ihren Eltern Besuch erhielten. Während die Eltern auf den ersten Blick genauso geschockt reagierten wie anfänglich das junge Paar ("[they] cast shocked glances across the fence"), zeigten sich die jungen Leute nun stolz und überlegen und gäben keine Hinweise darauf, dass sie sich für ihre Nachbarn schämten (23b, 24c/ d/ h). S 17 weist diesbezüglich erneut auf den Umstand hin, dass das aktive Zugehen dennoch nur von Seiten der Nachbarn erfolge und sich das junge Paar weiterhin passiv verhalte (23b, 24c/ d). S 21 knüpft an diese Aussage an und untermauert sie anhand eines Beispiels, insofern der polnische Witwer unaufgefordert durch den Zaun des jungen Paares schlüpfe, um deren Hühnerstall zu reparieren. Er stellt dabei die Hypothese auf, dass das junge Paar darauf nicht reagiere, da sie ihn nicht verstünden und weist damit explizit auf eine vorherrschende, zuvor nicht angesprochene Sprachbarriere 263 zwischen den Parteien hin (23b, 24b/ c/ d/ h). S 18 lenkt die Aufmerksamkeit erneut auf die von S 21 angesprochene Textstelle und das dort verwendete Adverb "uninvited". Sie sieht in dieser Sprachverwendung den Grund dafür, dass sich das junge Paar zu diesem Zeitpunkt noch über die Störung des Nachbarn gestört fühle, da die 'Hilfeleistung' über ihren Kopf hinweg erfolge (23b, 24c/ d, 30a/ b). Der Lehrer zieht ein Zwischenfazit der Gesprächssequenz, indem er darauf hinweist, dass in diesem Stadium zwar schon eine Annäherung zwischen den Parteien stattgefunden habe, dass sich das junge Paar aber noch immer durch die 'Übergriffe' gestört fühle. Zudem hätten die Nachbarn den aktiven Teil in der Beziehung inne, insofern sie Ratschläge erteilten und Geschenke überreichten, während das junge Paar immer nur auf die Aktionen der Nachbarn reagiere (21). Die in dieser Sequenz erarbeiteten Ergebnisse weisen bereits auf den vom Lehrer zu Beginn angekündigten Umstand hin, dass die Beziehung zwischen den Beteiligten nicht linear verlaufe, sondern vielmehr durch ein vor und zurück geprägt sei. S 1 macht als nächste Phase in der Beziehung die Tatsache aus, dass die Parteien gemeinsam Aktivitäten unternähmen. Die Mazedonier hülfen dem jungen Paar ihre Enten zu schlachten, und auch, wenn die Initiative wiederum von den Nachbarn käme, lasse sich das junge Paar darauf ein und fühle sich nicht mehr gestört (23b, 24c/ d/ h). S 12 identifiziert sogar eine Verhaltensänderung auf Seiten des jungen Paares und belegt sie mit folgendem Zitat: "The newcomers found themselves shouting." Während sich die Neuankömmlinge zu Beginn noch darüber geärgert hätten, dass die Nachbarn so laut gewesen seien, hätten sie sich nunmehr so assimiliert, dass sie ihr Verhalten dem der Nachbarn angeglichen hätten (23b, 24c/ d/ h). S 15 führt als weiteres Beispiel für die Besserung des Verhältnisses an, dass das junge Paar zum Schlachten der Enten von den Mazedoniern eingeladen worden sei, während die zuvor dargestellte Gartenarbeit durch den polnischen Witwer noch ungefragt und ungebeten erfolgt sei (23b, 24c/ d). Der Lehrer stimmt diesem Beitrag zu und fordert die Lernenden auf, diese neuen Umgangsformen näher zu beschreiben (14a, 4c). S 2 bietet daraufhin "perpetual development" an (23b, 24c); der Lehrer bestätigt den Entwicklungsaspekt und untermauert ihn mit dem Hinweis, dass sich die Parteien nun gegenseitig helfen würden (14a/ c). S 1 knüpft an diese Aussagen an und stellt die Hypothese auf, dass sie nun zu Nachbarn im positiven Sinne würden (23b, 24c/ d). S 9 geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet die Entwicklung als eine beginnende Freundschaft (38a, 23b, 24c/ d). S 20 untermauert diese Auffassung mit dem Hinweis, dass das junge Paar die Nachbarn nunmehr nicht nur akzeptiere, sondern auch aktiv mit ihnen Zeit 264 verbringen wolle (38a, 23b, 24c/ d). S 17 paraphrasiert das zuvor Gesagte mit einem sich anbahnenden Vertrauensverhältnis und S 1 führt an, dass sie sich nun gegenseitig respektierten (38a, 23b, 24c/ d). Der Lehrer stimmt den Beiträgen zu und bietet die Begriffe "mutual respect" und "cooperation" an (10). S 3 greift noch einmal den Beitrag von S 9 auf und integriert ihre lebensweltlichen Erfahrungen, indem sie ausführt, dass Respekt die Voraussetzung für eine Freundschaft sei (38a, 28a). Der Lehrer relativiert diese Aussage mit dem Hinweis, dass dies von der jeweiligen Definition von Freundschaft abhänge (14d). An dieser Stelle hätte es sich im Sinne einer verstärkten Schülerorientierung und einer Intensivierung des Verstehensprozesses angeboten, die Perspektive der Lernenden zu integrieren und zu erfragen, was Freundschaft ihrer Meinung nach bedeutet, welche Merkmale sie aufweist etc. Auf diese Weise hätten die Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Vorstellungen artikulieren und mit denen ihrer Mitschüler vergleichen und aushandeln können. Schließlich hätten sie so nicht nur intersubjektiv nachvollziehbare, sondern möglicherweise auch überindividuelle Merkmale herausarbeiten können. Die Ergebnisse dieses Aushandlungsprozesses hätten sie dann erneut für die Analyse des Beziehungsgefüges in der Kurzgeschichte heranziehen lassen können. In der nächsten Phase der Entwicklung bestehe laut S 11 zwar "mutual trust" und "cooperation", den Aspekt der Freundschaft lehne er allerdings ab, da das junge Paar den polnischen Witwer noch immer wegen des Lärms durch den Garagenbau hinter dessen Rücken verfluche. So etwas würde es in einer richtigen Freundschaft nicht geben (38b, 23b, 24a/ c/ d/ h, 28a). In den folgenden Redebeiträgen suchen die Lernenden gemeinsam Gründe bzw. Beweise dafür, warum sich das junge Paar gestört fühlt (23b, 24c/ d). Dabei legt der Lehrer großen Wert auf eine genaue Lektüre und lehnt Spekulationen ab, wie jene von S 7 , die von einer latent fremdenfeindlichen Einstellung zeugt, insofern sich das Paar durch den Witwer gestört fühle, weil er Pole sei. Im weiteren Verlauf fordert der Lehrer die Schülerinnen und Schüler auf, ihre Aussagen am Text zu belegen (4h). S 20 bietet als Gründe dafür an, dass sich das junge Paar durch den Lärm des polnischen Witwers gestört fühle, weil die junge Frau schwanger sei, was eine erhöhte Belastung für den Körper darstelle und der junge Mann unter Heuschnupfen leide und somit beide andere Probleme hätten, als die Geräuschbelästigung durch einen Mann, der grundlos eine Garage baue (23b, 24c/ d). Der Lehrer bestätigt diese Aussage und versieht sie mit dem Hinweis "Now we have encircled the piece of information", wodurch er den Lernenden das Gefühl einer textuellen Spurensuche vermittelt. S 12 führt als einen 265 weiteren Grund für die Verärgerung des jungen Paares den Umstand an, dass es aufgrund des Lärms nicht schlafen könne (38a, 23b, 24c/ d). Der Lehrer pflichtet dieser Aussage bei, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass dies noch nicht der Hauptgrund sei, den er als Ursache ausgemacht habe (4h). S 1 zitiert hierauf die Textstelle, in der deutlich werde, dass das junge Paar glaube, dass der Witwer den Lärm nur verursache, um sie zu provozieren (23b, 24c/ d/ h). Der Lehrer bestätigt den Beitrag von S 1 , indem er die zitierte Stelle szenisch darstellt und anschließend ein Zwischenfazit dahingehend zieht, dass diese Aussage wiederum einen Beweis dafür darstelle, dass die Beziehung zwischen den beiden Parteien noch immer auf zwei Ebenen, i.e. "mutual respect" und "cooperation" vs. "disturbances", angesiedelt sei (21). Im weiteren Verlauf des Gesprächs arbeiten die Lernenden heraus, dass die Nachbarn schnell von der Schwangerschaft der jungen Frau erführen und großes Interesse daran bekundeten. Dies zeige sich wiederum in Form von Geschenken, über die sich die junge Frau zwar freue, gleichzeitig habe sie aber mit Gefühlen der Beklemmung zu kämpfen. S 1 lenkt die Aufmerksamkeit auf die Sprachverwendung und zitiert die entsprechende Textstelle, die die gemischten Gefühle der jungen Frau veranschaulicht ("The young woman felt flattered, claustrophobic, grateful, peeved."). Sie kommentiert sie dahingehend, dass es sich um eine interessante Aufzählung handele, da die verwendeten Adjektive jeweils Gegensätze markierten. Auch wenn die opponierenden Gefühle momentan auf einer Ebene angesiedelt seien ("two feelings kind of are at the same level"), sei insgesamt eine Entwicklung insofern zu identifizieren, als die negativen Gefühle weniger geworden seien, während die positiven Gefühle zugenommen hätten ("annoyance becomes less and the positive feelings become more"), eine Entwicklung, die in dieser Form noch weiter voranschreite (23b, 24c/ d/ e/ h, 30a/ b). Der Lehrer macht diese Aussage als das Ende einer nächsten Entwicklungsphase aus und hält die Ergebnisse der Gesprächssequenz an der Tafel fest (21). Gleichzeitig weist er darauf hin, dass noch eine letzte Phase in der Entwicklung zwischen den Figuren ausstünde (3b, 4c). Den Endpunkt der Entwicklung zwischen den Figuren sieht S 17 in der Tatsache, dass der junge Mann zu weinen anfange, als ihn die Nachbarn zur Geburt seines Sohnes beglückwünschten. Sie interpretiert diesen Umstand dahingehend, dass der junge Mann nun bereit sei für eine solch enge Beziehung, dass er offen seine Emotionen zeige (23b, 24c/ d). S 14 widerspricht dieser Auffassung, wobei sich seine Äußerung auf das Verhalten der Nachbarn bezieht und nicht auf die Reaktion des jungen Mannes, sodass es sich mehr oder weniger um ein Missverständnis handelt (37b, 38b, 23b, 24c). Der Lehrer unterbricht das Wortgefecht zwischen S 17 und S 14 , indem er die 266 Aufmerksamkeit der Lernenden auf den letzten Satz der Kurzgeschichte ("The twentieth century novel had not prepared him for this.”) lenkt und erläutert "Maybe this brings some more light into this affair" (4a). S 11 weist darauf hin, dass dieser Satz darauf anspiele, dass der junge Mann zwar seine Doktorarbeit schreibe, was ein Zeichen für seine Intelligenz, seine Bildung und gehobenen sozialen Status sei. Dieser Status habe den jungen Mann aber nicht in seiner Persönlichkeit bzw. in seiner Sozialkompetenz geschult: "[…] and his whole intelligency, education and higher social status did not educate him to feel real personality." S 11 zieht den Schluss, dass 'einfache Leute' ("simple people") oft die freundlichsten seien und Familien des "so-called high-educated social level" sich sicher nicht so über die Geburt eines Nachbarkindes freuen würden, dass sie vor deren Haus warteten, bis das Kind geboren sei, um der Familie anschließend zu gratulieren (23b, 24c/ d/ e, 28a). Der Lehrer stimmt dieser Aussage zu, indem er sie insofern paraphrasiert, dass der junge Mann so von seinen eigenen Gefühlen überwältigt gewesen sei, da er sich so über die Glückwünsche gefreut habe (14d). S 9 greift im Anschluss daran noch einmal den Beitrag von S 14 auf und bezieht das Gesagte auf ihren eigenen soziokulturellen Hintergrund, indem sie darauf hinweist, dass es für sie normal sei, zur Geburt eines Kindes zu gratulieren. Für das junge Paar hingegen, das aus den durch Anonymität geprägten "expansive outer suburbs" zugezogen ist, sei diese soziale Wärme etwas gänzlich Neues (37b, 38b, 28a, 23b, 24c). Der Lehrer beendet die Gesprächssequenz, hält das Gesagte an der Tafel fest und macht die abschließende Bemerkung "So I think finally we proved it. There´s really no linear development, but in the end they maybe even become friends" (21). Die Konzeption und die Entwicklung zwischen den Figuren wird in der dargestellten Gesprächssequenz einer in extenso-Analyse unterzogen und die Lerngruppe kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Figurengruppen in Bezug auf ihre Herkunft, ihren sozialen Status, ihren Bildungsstand und ihre Verhaltensweisen stark unterscheiden. Hinsichtlich der Figurenkonstellation lässt sich laut den Schülerinnen und Schülern innerhalb der Entwicklung des Beziehungsgefüges eine oszillierende Bewegung ausmachen. Im Interpretationsgespräch forciert der Lehrer eine nahe Arbeit am Text und regt die Lernenden dazu an, ihre Interpretationen konsequent zu belegen. In seiner Funktion als Moderator lässt der Lehrer verschiedene Meinungen zu, weist aber auch nicht plausibel erscheinende Interpretationen zurück. Darüber hinaus zeugt die Gesprächssequenz von gemeinsamen Bedeutungsaushandlungen zwischen den Lernenden, in denen sie eigenständig auf die Beiträge ihrer Mitschüler eingehen und sie weiterführen oder relativieren. So entsteht einerseits eine lebhafte Diskussion über die Konzeption der Figuren 267 und die Entwicklung des Beziehungsgefüges. Andererseits kommt es so auf Seiten der Lernenden immer wieder zu komplexen Äußerungen, in denen sie ihre lebensweltlichen Erfahrungen integrieren und für die Interpretation der Kurzgeschichte heranziehen. Inhaltlich kommt es bei der sehr detaillierten Erarbeitung der Figurenkonzeption und -konstellation schlussendlich aber zu zahlreichen Überschneidungen und Redundanzen, die durch eine stärkere Methodenpluralität hätten vermieden werden können. An verschiedenen Stellen im Unterrichtsgespräch hätte es sich angeboten, dem Postulat der Schülerorientierung verstärkt Rechnung zu tragen. So hätten sich etwa der interkulturelle Konflikt oder das Thema Freundschaft angeboten, die Schülerperspektive zu integrieren, indem die Lernenden gemeinsam eruieren, wie man einem solchen Konflikt begegnen kann und was ein freundschaftliches Verhältnis impliziert bzw. was Freundschaft aus der Sicht der Lernenden bedeutet. Zudem hätte der Einsatz verschiedener handlungs- und produktionsorientierte Verfahren dazu geeignet sein können, die Analyse der Figuren und des Beziehungsgefüges zu vertiefen und eine stärkere Phasierung des Unterrichtsgeschehens zu begünstigen. So hätte etwa die Methode des Hot Seat zu Perspektivenwechsel und -übernahme anregen und die Möglichkeit bereitstellen können, die Einstellungen, Gefühle, Motive und Gedanken der Figuren weiter auszuloten. Die Figurenkonstellation hätte man in Form eines Rollenspiels, das den dargestellten Konflikt aufgreift und szenisch darstellt, rekonstruieren, und die Ergebnisse in Form eines Soziogramms visualisieren und bildlich festhalten können. An dieser Stelle in der Unterrichtseinheit hätte es zudem nahegelegen, die Rollenspiele aus der prereading Phase aufzugreifen und Gemeinsamkeiten und Parallelen sowie Unterschiede zu analysieren. Insbesondere anhand des dritten Rollenspiels hätte die Lerngruppe dabei zu dem Ergebnis kommen können, dass die Spielgruppe den zentralen Konflikt der Kurzgeschichte in ihrem Rollenspiel antizipiert. Schließlich hätte ein Transfer bzw. ein Rückbezug zur Lebenswelt der Lernenden zu einer verstärkten Schülerorientierung beitragen können, insofern sie von erlebten inter- und intrakulturellen Konflikten im Alltag berichten und gemeinsam nach Lösungsstrategien suchen. 268 C 3 3 9 5 Als eine post-reading activity fordert der Lehrer die Schülerinnen und Schüler auf, die Kurzgeschichte aus der Sicht der mazedonischen Familie umzuschreiben und so das Dargestellte aus einer neuen Perspektive zu beleuchten (5a). Insofern handelt es sich bei diesem kreativen Schreibauftrag um die Aufforderung zur Produktion eines alternativen Textes auf der Grundlage des Ausgangstextes, die eine Perspektiventransformation aufweist (vgl. G RZESIK 1996: 335f.). C ASPARI (1994: 221f.) spricht bezüglich solcher Aufgaben zur Textausweitung und -veränderung von Verfahren der kreativen Aneignung und Verarbeitung, die vom Leser eine "doppelte Distanz" zum Text verlangen und somit geeignet sind, die Lernenden zu kritischen Lesern auszubilden. Die "distanzierende Vergegenwärtigung" könne zudem zur "Ausbildung von Selbst- und Fremdverstehen" sowie "zu Verbesserung der allgemeinen Verstehensfähigkeit" beitragen (ibid.). Insgesamt erfordert die Aufgabenstellung neben einer genauen Textkenntnis hinsichtlich des dargestellten Konflikts zwischen den Figurengruppen den Vollzug eines Perspektivenwechsels und das Einfühlen in die Figuren der Nachbarn. Im Folgenden werden zwei dieser schriftlichen Schülerarbeiten dargestellt, wobei auf eine Korrektur verzichtet wurde, um einen authentischen Eindruck der Schreibkompetenz der Lernenden zu vermitteln. S 9 : One summer day we recognise new people in our street. It was a young woman and her husband. It was strange when I saw them the first time. I don´t know why but the couple didn´t fit to us, to our street. I was very skeptical. They both looked so conceited as if they thought their were better than we. The man and the woman also were very unfriendly, they pulled alongside us [einziehen] but they didn´t say "hello" and introduce themselves. I had the feeling they wanted no contact to their surrounding. Furthermore the woman have gone to work every day but her husband stayed at home. They seemed really very strange. The in autumn we had have the first contact. The young couple work in their garden and of course we watch. When I saw they plant something, we gave them good advice and I gave the woman a bagful of garlic cloves to plant. So after this first contact our relationship got better and better and today we have a good neighbourhood and friendship. I was so proud as the young woman became her first Baby. We gave her little presents before because we all were so happy for them. When I heard that the Baby is born, I was very euphoric and couldn´t hide my joy. This two people are very nice and I changed my whole opinion on them. 269 S 9 formuliert die Gedanken und Gefühle der mazedonischen Frau aus, indem sie anführt, dass es "strange" gewesen sei, als sie das junge Paar das erste Mal gesehen habe (25a). Das junge Paar schien nicht in die Umgebung zu passen und sie sei anfänglich sehr skeptisch gewesen, da die Neuankömmlinge sich anscheinend für etwas Besseres hielten. Im zweiten Absatz liefert S 9 Begründungen für ihren ersten Eindruck des jungen Paares. Sie seien insofern sehr unfreundlich gewesen, dass sie neben ihnen eingezogen seien und es nicht für nötig gehalten hätten, sich vorzustellen. Auch die Tatsache, dass die Frau arbeiten gehe, während der Mann zu Hause bleibe, erscheine ihr suspekt. Erst im Herbst hätten sie den ersten richtigen Kontakt zu dem jungen Paar gehabt. Das junge Paar habe im Garten etwas eingepflanzt und natürlich hätten sie als Nachbarn zugeschaut ("of course we watch") und Ratschläge erteilt sowie Knoblauchzehen zum Einpflanzen überreicht. Danach sei das Verhältnis zu dem jungen Paar stetig besser geworden und heutzutage habe man ein freundschaftliches Verhältnis. Als das Kind des jungen Paares geboren wurde, habe sich die mazedonische Frau so damit identifiziert, dass sie mit Stolz erfüllt gewesen sei. Sie habe Geschenke überreicht und sei so euphorisch gewesen, dass sie ihre Freude nicht verbergen konnte. Die mazedonische Frau zieht das Fazit, dass das junge Paar sehr nett sei und sie all ihre anfänglichen Vorurteile revidieren musste. Die kreative Schreibaufgabe von S 9 aus der Perspektive der mazedonischen Frau zeugt von einer sehr genauen Textkenntnis und einem intensiven Einfühlen in die Figur. Dabei vollzieht S 9 unter Verwendung des entsprechenden Personalpronomens "I" erfolgreich einen Perspektivenwechsel. S 20 : We have new neighbours. On our right side, a young couple had moved some days ago. They seem to feel uncomfortable here, they did not come to say hello to us, that is not really nice. Even their dog, this collie, is in any way odd and strange. But the strangest thing is the fact, we can say that we really don´t like this, that they both raise very late in the morning. How can they life that way? Don´t they have any work, nothing to do? And why does the woman work while the man stays at home to do the household? But we will continue to life in the way we did before. No matter if they like it or not. One day, in autumn, the began to garden their ground. We all looked at them to see how they do it. Sometimes, we even gave this couple some hints and the woman was so nice to cuddle our lovely son. That was really nice! Then, in winter, we were all able to smile at the other, even when their parents came to visit them, they seemed to be proud although they glanced at us the way the 270 couple did when they first moved here. In winter, one day, we plucked our muscovies together, what a nice evening. It was fun to be with them together. But then, she begame pregnant. How wonderful! They really thought we did not know that she was pregnant. They would be perfect parents with their little house. But we wonder who of them would work when the child is born. My wife knitted a wonderful babysuit, it is so lovely and the young woman was really happy about it. When labour came, we all waited at the fence to see when the child is born. The man came outside and was surprised to see us so we easily waved to cheer him up and say hello. When the child came, we all were absolutely happy. We have great neighbours. S 20 verwendet bei ihrer kreativen Schreibaufgabe das Personalpronomen "we" und schildert das Geschehen somit aus Sicht des mazedonischen Paares. Wie S 9 berichtet sie darüber, dass neue Nachbarn zugezogen seien und empfindet den Umstand, dass sie sich nicht vorgestellt hätten, auch als unhöflich. Sie vermutet allerdings, dass deren Verhalten dadurch bedingt sei, dass sie sich in der neuen Umgebung nicht wohl fühlten. Im folgenden Absatz zählt S 20 die Faktoren auf, die die Mazedonier in Bezug auf das junge Paar als befremdlich empfinden würden ("that we really don´t like"). Dabei schildert sie ihre Gedanken, Fragen und Vorurteile, insofern sie den Umstand, dass das junge Paar immer spät aufstehe, ablehnten. Gleichzeitig antizipiert sie die Perspektive des jungen Paares, wenn sie darauf hinweist, dass man so weiterleben würde wie bisher, auch wenn dies das junge Paar stören sollte. Es schließt sich eine Nacherzählung an, in der S 20 über die gemeinsamen Aktivitäten und die Annäherung zwischen den Parteien berichtet und mit "That was really nice! " kommentiert. Demgegenüber erweckt die adversative Konjunktion "but" im Folgesatz "But then, she begame pregnant" den Eindruck, als würde die Schwangerschaft der jungen Frau der positiven Entwicklung innerhalb der Beziehungen zuwiderlaufen. Das war von S 20 offenbar nicht intendiert, denn der nächste Absatz beginnt mit dem Exklamativsatz "How wonderful". Anschließend artikuliert S 20 wiederum die Gedanken des jungen Paares, insofern diese davon ausgegangen seien, dass die Nachbarn nichts von der Schwangerschaft gewusst hätten. Danach kommentiert S 20 das Geschehen wieder aus ihrer Perspektive, indem sie die Überzeugung preisgibt, dass das junge Paar perfekte Eltern sein würden. Dieses positive Urteil wird allerdings wiederum von der Frage bzw. dem Vorurteil begleitet, wer von den beiden in Zukunft arbeiten gehen würde. Bei der folgenden Nacherzählungspassage wechselt S 20 die Erzählperspektive, indem sie anstelle von dem bisher verwendete Personalpronomen "we" von "my wife" spricht und so eine männliche Perspektive einnimmt. Da es sich aber in diesem Fall um eine Schülerin handelte, stellte 271 sich hier die Frage nach ihrem Motiv für diese Sprachverwendung und der Aspekt wurde im retrospektiven Interview aufgegriffen. Die Schülerin bezeichnete darin die Sprachverwendung als "Zufall", sodass davon ausgegangen werden kann, dass der in der kreativen Schreibaufgabe vollzogene Perspektivenwechsel unreflektiert und inkonsequent erfolgt ist. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass S 20 darüber hinaus fortwährend zwischen der Darstellung der Perspektive der Mazedonier und der des jungen Paares schwankt. Da die Kurzgeschichte die Handlung vornehmlich aus der Perspektive des jungen Paares darstellt, war die Aufgabenstellung besonders geeignet, die Gedanken und Gefühle der mazedonischen Familie zu vertiefen und mithin eine multiperspektivische Sicht auf das Geschehen zu erzielen, die verschiedenen Perspektiven zu differenzieren und Fremdverstehen zu fördern. Diese schülerorientierte Aufgabenstellung hätte zu einer fruchtbaren Diskussion zwischen den Lernenden und zu einer gemeinsamen Bedeutungsaushandlung darüber führen können, ob die Erstellung des kreativen Produktes und die Beleuchtung einer in der Kurzgeschichte eher vernachlässigten Perspektive zu neuen Ergebnissen geführt hat als dies im vorangehenden Unterrichtsgespräch der Fall gewesen war. Leider versäumt es der Lehrer aus Zeitmangel, die kreativen Produkte in der Folgestunde aufzugreifen und zu besprechen - ein Umstand, den er im retrospektiven Interview ausdrücklich bedauert -, sodass die Aufgabenstellung letztendlich unverbindlich bleibt. C ; ! 6 ( 5 5 1* 52 Eine Woche nach dem Ende der Unterrichtseinheit wurde im Sinne der Perspektiven- und Datentriangulierung mit sechs Schülerinnen und Schülern (S 2 , S 8 , S 9 , S 11 , S 15 und S 20 ) ein retrospektives Leitfadeninterview durchgeführt, das ebenfalls videografiert wurde. Das Interview kann hier nicht in seiner ganzen Länge präsentiert werden, sodass sich die Darstellung auf einige interessante Auszüge beschränkt. Bei der Auswahl der zu interviewenden Lernenden wurde darauf Wert gelegt, dass die Konstellation einen Leistungsquerschnitt der Lerngruppe repräsentiert, sodass leistungsstarke und weniger leistungsstarke Lernende befragt wurden. Ein solches Vorgehen bietet die Möglichkeit, das Unterrichtsgeschehen aus einer größtmöglichen Varianz an Perspektiven zu beleuchten. S 1 , die das Unterrichtsgeschehen maßgeblich mitgeprägt hat, stand am Tag des Interviews leider nicht für eine Befragung zur Verfügung. 272 AKL 14: 07 Wie hat euch die Kurzgeschichte gefallen? = 4f S 11 Ein bisschen langatmig. = 24f AKL Aber sie ist doch sehr kurz. = 14b S 11 Ja, aber irgendwie passiert nichts. = 24f AKL Handlungsarm. = 14d S 11 Ja genau. Wobei von der Aussage auf alle Fälle gut, also so Wiedererkennungswert. Man hat so was schon in die Richtung oft schon mal gehabt, aber so von der, vom Eindruck sozusagen prinzipiell positiv von der Aussage, die dahinter steckt. = 37a, 24e/ f S 9 Ich fand sie gut, weil sie leicht verständlich eigentlich war. = 24e/ f, 30a S 15 Ja, ich fand´s so eigentlich auch ganz nett. Vielleicht kann man das ein oder andere daraus lernen. = 24f AKL Was denn zum Beispiel? = 17a S 15 Ja, dass man halt Vorurteile, dass sich die oft nicht bestätigen. = 24d S 2 Also "Neighbours" fand ich jetzt thematisch uninteressant. Vom Stil her gefallen mir Kurzgeschichten eigentlich überhaupt nicht ehm und deswegen ist da meine Motivation, mich damit zu beschäftigen, jetzt nicht so groß. = 24f S 8 Generell die Geschichte jetzt, ja, ich sag mal so, das hat das Ganze halt so ein bisschen diese Problematik vereinfacht, also viel mehr, es geht ja eigentlich auch drum, um die Probleme, die sich halt ergeben, wenn man halt in eine neue Umgebung zieht und so was und das hat jetzt halt, so dass man´s halt sehr leicht verstehen konnte. Also ich mein, wenn man die Geschichte gelesen hat, dann hat man da auch, ohne jetzt viel rein zu interpretieren zu müssen, direkt gesehen, was die Leute voneinander halten und so und deswegen fand ich´s jetzt halt, gerad in der Fremdsprache halt, fand ich´s halt dann leichter als wenn man jetzt zum Beispiel in Deutsch so manche Texte liest, da muss man da halt schon ein bisschen mehr überlegen. Das fand ich jetzt halt so nicht schlecht. = 24d/ e, 30a [AFFEKTIVER RESPONS] Die Frage, ob ihnen die Kurzgeschichte gefallen habe, zielt darauf ab, die Lernenden zur Artikulation ihres durch die Kurzgeschichte hervorgerufenen subjektiven Responses zu ermutigen (= 4f). Dazu machen die Schülerinnen und Schüler erwartungsgemäß sehr unterschiedliche Angaben. Während S 11 die Kurzgeschichte trotz ihrer Kürze als langatmig und handlungsarm empfindet (= 24f), bewerten sie S 9 und S 15 insofern als positiv, als sie leicht verständlich gewesen sei (= 24e/ f, 30a) und dass man das ein oder andere daraus habe lernen können, wie etwa, dass sich Vorurteile nicht immer 273 bestätigten (= 24d). Während S 2 "Neighbours" als "thematisch uninteressant" einstuft und die Gattung der Kurzgeschichte generell ablehnt (= 24f), beurteilt S 8 die gute Verständlichkeit des dargestellten interkulturellen Konfliktes als positiv (= 24d/ e, 30a). AKL 14: 11 Wie beurteilt ihr das Verhalten der Nachbarn in der Kurzgeschichte und auch des jungen Paares, also beider Parteien? = 4e, 19 S 9 Ich denk mal, das ist eigentlich so ein ganz natürliches Verhalten, weil wenn man irgendwelche Leute noch nicht kennt, also es kommt jetzt auch nicht auf irgendwelche Unterschiede von den Herkunftsländern oder so was an, sondern wenn man Leute nicht kennt, dass man immer so ein bisschen erst mit Abstand an die rangeht und die dann erst mal kennenlernen muss und dann feststellt, ja die sind ja ganz nett und wir haben, also dass man sich dann gut versteht oder anfreundet oder so. = 24e, 27a Intrakulturelle Unterschiede S 15 Ja, ich denke der Hauptpunkt, worin die sich ja eigentlich unterscheiden, ist ja eigentlich die soziale Schicht und wenn da eh schon so ein Multi-Kulti herrscht, denke ich, ist es, spielt es eigentlich gar nicht mehr so eine Rolle, aus welchem Land man im Endeffekt kommt, sondern ich denke, dass die sich erst mal mit hochgezogenen Augenbrauen gegenüberstehen, hängt halt damit zusammen hauptsächlich, dass die halt aus völlig unterschiedlichen Schichten kommen. = 24e, 27a S 11 Ich denk mal, das ist auch gerade, wie sich die, die da zugezogen sind, verhalten, das ist ganz typisch für unsere Gesellschaft auch, dass sich viele hier Tatsache für irgendwie was Besseres halten schon fast, weil sie einfach irgendwie ne gehobenere Herkunft haben und, was weiß ich, überhaupt keinen Bezug zur anderen Leuten haben, während man dann feststellt eben, dass die Leute, die einfachere Bildung haben oder so oftmals viel natürlicher sind oder so. = 24e, 27b Transfer zur eigenen Lebenswelt und Gesellschaft AKL Also ihr seht es dann so, dass vor allem die soziale Herkunft und die Bildung das Verhalten bestimmt? = 14f S 11 14: 12 Oftmals ist es bestimmt so, dass sich die Leute mit einer höheren Bildung dann auch Tatsache für irgendwie was Besseres halten. Das passiert zumindest dann, wenn die Leute nicht drüber nachdenken. Die Leute, die drüber nachdenken, die erkennen dann ziemlich oft auch, und ja, sollten es auch erkennen, dass es eben eigentlich kein Unterschied ist. = 24d/ e Kritik an unreflek. Verhalten [EVALUATION: VERHALTEN DER FIGUREN] 274 Im Anschluss an die Artikulation der persönlichen Eindrücke der Lernenden in Bezug auf die Kurzgeschichte sollten die Einstellungen und Motive der Figuren noch einmal vertieft werden. Zu diesem Zweck wurden die Lernenden aufgefordert, das Verhalten der Figuren aus ihrer Perspektive zu bewerten (= 4e, 19). S 9 beurteilt sowohl das Verhalten des jungen Paares als auch das der Nachbarn insofern als natürlich, dass man fremden Personen erst einmal mit etwas Distanz begegne. Man müsse Menschen erst näher kennen lernen, bevor man sich auf sie einlassen und sich schließlich mit ihnen anfreunden könne. Dies sei ein natürlich menschliches und soziales Verhalten und nicht auf Unterschiede in der Herkunft zurückzuführen (= 24e, 27a). Auch für S 15 entsteht der interpersonale Konflikt weniger aus interkulturellen als aus schichtspezifischen Gründen (= 24e, 27a). S 11 bezieht das zuvor Gesagte auf die eigene Gesellschaft und führt aus, dass es typisch sei, dass sich Menschen mit einer gehobeneren Herkunft, i.e. mit einem höherem Bildungsstand, für etwas Besseres hielten und keinen Bezug zu anderen Leuten hätten, auch wenn diese oft viel natürlicher seien (= 24e, 27b). Diese Aussage verweist auf die Problematik intrakultureller Konflikte und übt Kritik an Menschen, die Absolutheitsansprüche 95 stellen und nicht zum Perspektivenwechsel imstande sind. Würden die Menschen darüber nachdenken, würden sie laut S 11 feststellen, dass eine höhere Bildung nicht bedeutet, dass man ein besserer Mensch sei (= 24d/ e). Hier klingt ein Kernpunkt interkulturellen Lernens an, i.e., dass man Menschen weder auf ihre kulturelle, noch auf ihre schichtspezifische Herkunft reduzieren darf, um sie in ihrer Individualität zu erfassen. Auch reichen solche Faktoren nicht aus, um Rückschlüsse über ihr Verhalten oder ihre Einstellungen zu ziehen, sodass man ihnen offen und respektvoll begegnen muss, und sie nicht vorschnell aburteilen darf. Die Aussagen der Lernenden zeugen insgesamt von einem sehr differenzierten Verständnis der Universalität des dargestellten Konfliktes, der sie dazu veranlasst, die Problematik vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenswelt zu reflektieren. AKL 14: 16 Habt ihr versucht, die Perspektive der Figuren zu übernehmen? ≈ 4c S 11 Das auf alle Fälle. = 37a S 15 Ja, also… = 37a AK Ja? Wie macht ihr das? Könnt ihr eure mentalen Prozesse beschreiben, wie ihr dabei vorgeht? = 17a S 15 Ja, also wir haben ja da die eine Hausaufgabe gehabt, die ≈ 25a, 95 Siehe hierzu B REDELLA 2010. 275 Geschichte aus der Sicht der Makedonier, ja also ich hab dann halt mir die Geschichte noch mal durchgelesen, erst mal halt geguckt, wo dann irgendwas über die makedonische Familie steht und dann hab ich halt so versucht, so´n bisschen das halt aus der, also die Geschichte war ja eigentlich weitgehend aus ner neutraleren Perspektive geschrieben und ich hab dann halt versucht, das so umzuschreiben, dass halt das, was die Makedonier machen, das Normale ist und dann halt versucht, auf diese Perspektive dann halt zu gehen und aus der Sicht dann das Verhalten von diesem couple zu betrachten. Und hab das dann halt, also dann kam ich auch dazu, dass das schon ein bisschen eigenartig ist. 24c/ e Lernprozess durch Perspektivenwechsel AKL Wie das couple sich verhält? = 14f S 15 14: 17 Ja, also dass die halt, also das war auch das, wo ich so, das war so das Zentrale, was ich da genannt hab: Dass die Nachbarn sich darüber mokieren, dass die so früh aufstehen ist halt, eh, so spät aufstehen, SIE stehen früh auf, schaffen den ganzen Tag, ja und im Endeffekt, was bei rumkommt, ist ja nicht so viel. Dagegen die Zugezogenen, die stehen spät auf, haben Freizeit, nur die Frau muss arbeiten und sie stehen trotzdem viel besser da. Und dass die halt mit oberflächlich gesehen weniger Aufwand viel mehr bekommen, als die, die halt viel arbeiten oder denken, sie würden viel mehr arbeiten. = 37a, 35a, 25a, 24c/ e S 11 Das ist ja, das wird, der Mann, der schreibt ja an so was wie ner Dissertation. Es wird ja, es ist beides ist ja ne ganz eigene Arbeit, die ja vollkommen unterschiedlich ist. Jemand, der immer nur im Betrieb oder so was arbeitet, der kann das nicht nachvollziehen, was das andere für ne Arbeit ist und, denke ich, auch umgekehrt, beziehungsweise, es ist schwierig. Der eine sagt, der steht da jetzt spät auf, aber das ist, ne ganz andere Anstrengung. = 38a, 24c/ e Vergleich Lebensumstände [PERSPEKTIVENWECHSEL] Auf die Frage, ob die Lernenden eine Perspektivenübernahme vollzogen hätten (≈ 4c), rekurriert S 15 eigenständig auf die kreative Schreibaufgabe. Seine Aussage zeugt davon, dass die kreative Schreibaufgabe, die Kurzgeschichte aus der Sicht der Makedonier umzuschreiben, geeignet war, einen Perspektivenwechsel zu initiieren und ein vertieftes Verstehen der Figuren und des Konfliktes zu begünstigen. So veranlasst die Aufgabe S 15 , die Lebensumstände der beiden Parteien zu vergleichen und er kommt zu der neuen Erkenntnis, dass das Verhalten des jungen Paares aus der Sicht der Makedonier "ein bisschen eigenartig" gewesen sein muss, insofern sie durch oberflächlich gesehen weniger Arbeit einen höheren Lebensstandard 276 erreichten (≈ 25a, 24c/ e). Während die Nachbarn sehr früh aufstünden und hart arbeiten müssten, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, stehe das junge Paar spät auf, habe Freizeit und "steh[e] trotzdem viel besser da". S 11 greift diese Überlegung auf und weist darauf hin, dass die Arbeit der beiden Parteien grundsätzlich unterschiedlich und schlecht vergleichbar sei. So würden die Nachbarn von der Untätigkeit des jungen Mannes ausgehen, da sie die Arbeit nicht nachvollziehen könnten und nicht verstünden, dass es sich um eine "ganz andere Anstrengung" handele (= 24c/ e). Insofern die Schülerinnen und Schüler eigenständig auf die o.a. Aufgabe zu sprechen kamen, bot es sich im weiteren Verlauf des Interviews an, Vertiefungsfragen zu den beiden eingesammelten Schülerarbeiten (vgl. Kap. 7.4.4) zu stellen bzw. die Verfasser/ innen zu bitten, einige Aspekte zu erläutern. AKL 14: 18 (zu S 9 ) Du hattest in deiner Hausaufgabe geschrieben, dass die neighbours euphorisch wären über die Ankunft des neuen Babys. Könntest du das noch mal erläutern? = 17a S 9 Ja, ich hab das halt so gesehen, weil, also die, also die kommen sich ja immer näher die Nachbarn und das couple und dann, ich weiß nicht, also, wenn man so ein nachbarschaftliches Verhältnis hat, was die eigentlich für mich zum Schluss hatten, dass die sich auch gegenseitig helfen und so was, man freut sich dann ja immer, wenn, also ne Geburt eines Kindes ist immer was Großartiges und so. Deswegen hab ich halt auch euphorisch geschrieben, weil ich mir das so vorgestellt hab, dass die sich so dermaßen drüber freuen, dass die jetzt ein Kind geschenkt bekommen haben. So ungefähr. = 39b S 11 Ich glaub auch das ist so ne andere - also ich würde das auch so unterstützen - das ist doch irgendwie in der Herkunft dann auch anders. Dadurch, dass die, die waren ja hauptsächlich so Südeuropa und so weiter, das ist irgendwie so in dem Bewusstsein alles viel enger zusammen, als bei uns sozusagen im abgekühlten Deutschland. Also bei uns, wenn der Nachbar ein Baby kriegt, da registriert man das wohlwollend oder so und dort ist es einfach, da bekommt die ganze Gemeinschaft sozusagen ein neues Mitglied. = 38a, 27a/ b AKL (zu S 20 ) Bei deiner schriftlichen Hausaufgabe hast du aus einer männlichen Perspektive geschrieben. Warum hast du das gemacht? = 17a S 20 Zufall? = 39b AKL Zufall? Hast du nicht weiter reflektiert, warum? = 14f S 20 Nee. = 39b [KREATIVE SCHREIBAUFGABE] 277 Auf die Bitte, ihre schriftliche Hausaufgabe unter dem Aspekt, dass sich die Nachbarn euphorisch über die Geburt des Kindes gefreut hätten, zu erläutern (= 17a), rekapituliert S 9 noch einmal die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem jungen Paar und den Nachbarn. Sie führt aus, dass sich Personen, die in einem intakten nachbarschaftlichen Verhältnis zueinander stünden, immer über die Geburt eines Kindes freuten (= 39b). S 11 nimmt diese Aussage zum Anlass, den soziokulturellen Hintergrund für die Erklärung des Verhaltens der Nachbarn heranzuziehen und vergleicht deren Reaktion mit dem eigenen soziokulturellen Hintergrund. Unter Südeuropäern bestünde im Gegensatz zum "abgekühlten Deutschland" ein größerer sozialer Zusammenhalt mit dem Resultat, dass man in Deutschland die Geburt eines Kindes in der Nachbarschaft "wohlwollend registrier[e]", während in südeuropäischen Ländern "die ganze Gemeinschaft […] ein neues Mitglied" gewönne. Hier integriert S 11 seine in der Unterrichtseinheit gewonnene Erkenntnis, dass die südeuropäischen Immigranten einen größeren Gemeinschaftssinn hätten und kontrastiert diesen Umstand mit seinem eigenen soziokulturellen Hintergrund, wobei er das Autostereotyp, dass die Deutschen 'abgekühlt' seien, aktualisiert (= 38a, 27a/ b). In Bezug auf die Frage, warum S 20 als Schülerin ihre Arbeit aus einer männlichen Perspektive verfasst habe (= 17a), weist sie lakonisch darauf hin, dass es Zufall gewesen sei und sie den Umstand nicht weiter reflektiert habe. Diese Aussage korrespondiert insgesamt mit dem Eindruck, dass die Schülerin mit der Übernahme der Perspektive große Schwierigkeiten hatte (vgl. Kap. 7.4.4). AKL 14: 20 Wie fandet Ihr den Umgang mit der Geschichte im Unterricht? ≈ 9 S 2 Wir haben es irgendwie totgekaut. = 29 S 15 Also ich denk auch, wir haben das ausgiebig genug besprochen. = 29 S 11 Ausgiebigst. (SuS lachen) = 29 AKL Ist das eine Kritik? = 14f S 11 Nein, das ist nur eine Feststellung. = 29 S 15 Also, das sind wir eigentlich schon gewohnt, also wenn ein Text, wenn wir den bekommen, dann wird er auch wirklich bis in den letzten Winkel durchleuchtet. = 29 S 9 Ich fand bei dem Text ging das eigentlich. Also, ich hab auch schon Texte bearbeitet, da hat man zehnmal über die gleichen Sachen gesprochen, auch so Dinge, die man eigentlich weiß, also, die man, wenn man liest, also, wir sind ja schon so geschult, dass wir da drauf achten auf irgendwelche Interpretationen und so was und das fand ich jetzt eigentlich nicht so übertrieben viel. Das war eigentlich so die Kernaussage, also diese Entwicklung der = 29 278 Beziehung zwischen denen, das war eigentlich so die Kernaussage dieses Textes und den noch mal zu wiederholen, ist ganz klar gewesen. Aber ich fand jetzt nicht, dass wir´s zu detailliert oder so was besprochen haben. S 20 Also ich fand es war zu viel. Normalerweise hätten wir eigentlich schon nach der ersten Doppelstunde das abgeschlossen und dann vielleicht maximal noch für die wiederholt ganz kurz, was wir, also die nicht da waren, was passiert ist in der letzten Stunde, aber dass wir dann noch mal alles [die Entwicklung des Beziehungsgefüges] rekapitulieren, das war dann irgendwie doch zu viel. = 29 S 8 14: 21 Ich hätt es halt besser gefunden, hätten wir nen anderen ähnlichen Text noch gelesen, von mir aus auch so ne Kurzgeschichte und dann dazu dazwischen dann halt noch Bezüge hergestellt. = 29, ≈ 26 AKL Zwischen den Geschichten? = 14f S 8 Zwischen den Geschichten und dann halt verglichen und so was. Das hätt ich hätt´s halt persönlich besser gefunden, da man dann auch irgendwie noch mal intensiver und auch noch mehr Lust hat, das intensiver zu machen, als wenn man noch mal nur diese eine Geschichte hat. = 29, ≈ 26b AKL Erarbeitet Ihr die Figuren sonst auch so detailliert? ≈ 3b S 20 Das machen wir sonst nie eigentlich. ≈ 23b AKL Wie beurteilt ihr insgesamt das methodische Vorgehen in der Unterrichtseinheit? = 9 S 20 Das, was wir in der allerersten Stunde gemacht haben mit diesem Zirkeldingsbums, wo wir die zwei Kreise [AK: Kugellager] und anschließend noch diese Gruppenarbeit und dann das Beginnen mit dem Rollenspiel, das war echtes Schauturnen meiner Meinung nach, weil das haben wir dieses Schuljahr und letztes Schuljahr kein einziges Mal gemacht. = 29 "Beobachtereffekt" S 8 14: 22 Ja, das war auch bei jedem Unterrichtsbesuch. Das ist immer das Gleiche, bei nem Unterrichtsbesuch ist immer Gruppenarbeiten, Kugellager, Rollenspiel und dann noch ein Plakat und das an der Tafel vortragen. Das ist wirklich so. Möglichst, dass man zeigt, dass man sich offensichtlich gut auf den Unterricht auch vorbereitet hat und so und ansonsten, ich will jetzt nicht sagen, dass wir bei diesem Lehrer unbedingt jetzt so Frontalunterricht machen, aber, klar machen wir auch mal ne Gruppenarbeit, aber jetzt so extrem und das alles in einer Stunde, das hatten wir noch nie. = 29 S 2 Das war aber nur in der ersten Stunde. Also ich find die anderen Stunden waren annähernd so wie sonst auch. = 29 279 S 8 Die anderen waren so, wie wir´s immer machen. Aber die erste war ganz schön überzogen. = 29 [EVALUATION METHODEN] Die Frage nach einer Beurteilung des methodischen Vorgehens des Lehrers zielte, wie andere Fragen zuvor, darauf ab, das Unterrichtsgeschehen in der Retrospektive noch einmal zu reflektieren. Die Lernenden äußern sich dazu vornehmlich kritisch, insofern sie die Kurzgeschichte "totgekaut" bzw. "ausgiebigst" erarbeitet hätten (= 29). Auf die Nachfrage der Forscherin, ob es sich hierbei um eine Kritik handele (= 14f), gibt S 11 an, dass es nur eine "Feststellung" sei (= 29). S 15 führt aus, dass man es schon gewohnt sei, dass ein Text "wirklich bis in den letzten Winkel durchleuchtet" werde (= 29). Nur S 9 beurteilt das Vorgehen als angemessen und gibt an, dass sie die Erarbeitung in diesem Fall nicht als übertrieben empfunden habe, während man in anderen Einheiten manchmal "zehnmal über die gleichen Sachen" sprechen würde (= 29). S 8 hätte eine Vorgehensweise bevorzugt, in der man intertextuelle Bezüge hergestellt und verschiedene Geschichten verglichen hätte. Ihn persönlich hätte das motiviert, sich noch intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen (= 29, ≈ 26b). Für S 20 wurde insbesondere der Figurenaspekt zu detailliert erarbeitet und sie weist darauf hin, dass man die Besprechung "normalerweise" schon nach der ersten Doppelstunde beendet hätte (= 29). Eine der ersten videografierten Unterrichtsstunden, in denen der Lehrer neben der Kugellagermethode eine weitere Gruppenarbeit einsetzt und die Lernenden schließlich zur Vorbereitung der Rollenspiele anhält, bezeichnet S 20 als "echtes Schauturnen" (= 29). S 8 untermauert diese Aussage mit dem Hinweis, dass diese Vorgehensweise auch "bei jedem Unterrichtsbesuch" charakteristisch sei (= 29). Diese Schüleraussagen verweisen auf ein Kernproblem qualitativer Sozialforschung, das als "observer `s paradox" bekannt ist (A LLWRIGHT / B AILY 1991: 70f.). Der Begriff bezeichnet den Umstand, dass Beobachtete durch den Akt der Beobachtung ihre Sprache oder, wie in diesem Fall, ihre Vorgehensweise ändern und so von ihrem üblichen Verhalten abweichen. Diese Verzerrung kann in der Regel dadurch behoben werden, dass die Beobachtung über einen längeren Zeitraum andauert und die beobachteten Subjekte allmählich mit der Situation vertraut werden. Die Aussagen der Lernenden bestätigen diese Annahme, wenn sie darauf hinweisen, dass die Folgestunden "annähernd so wie sonst auch" (S 2 ) bzw. so "wie wir´s immer machen" (S 8 ) verlaufen seien (= 29). AKL 14: 24 Was habt ihr durch die Geschichte gelernt? (zu S 15 ) Du hattest vorhin Vorurteile bereits angesprochen… = 9 280 S 9 Ich weiß nicht, es war nicht so was Neues, weil, also wir haben viele Texte, wo´s darum geht mit Toleranz und gegen Vorurteile und so was. Ja, also die Geschichte, es war jetzt, es war jetzt nichts Besonderes oder so. Das haben wir halt schon öfter gemacht. = 29, 24d/ e, 28b S 11 Prinzipiell ist das, denke ich schon, dadurch, dass man´s öfter macht, dass man vielleicht auch in seinem Verhalten ein bisschen was anpasst allgemein. = 29, 24d/ e, 28b AKL Lest ihr öfter Kurzgeschichten oder habt ihr die Thematik schon öfter behandelt? = 17a S11 Öfter die Thematik, aber auch Kurzgeschichten. = 28b S 9 Also vor allem in Deutsch jetzt und so. Ja und es ist einfach so, man hat es in der Vergangenheit, aber es zeigt halt auch wieder, dass es immer noch existiert, also dass man auch in der Zukunft noch diese Vorurteile-Problematik hat und so. = 29, 28a/ b, 24d Lebensweltliche Relevanz AKL So alt ist die Geschichte ja auch noch nicht. S 9 Ja, aber ich mein, also man kennt ja diese Vorurteile schon von früher und sonst noch was und, aber jetzt, es zeigt halt immer wieder auf, dass man nicht so, also dass viele Leute nicht so viel draus lernen, weil es immer noch diese Vorurteile, weil die immer noch bestehen einfach. = 29, 28b, 24d S 15 Also in die Richtung hatten wir doch schon, denke ich, einiges und ja ich denke, das Problem Vorurteile sehe ich halt so eher in anderen Bereichen als jetzt bezüglich Ausländern. Da hier ja schon einiges in der Richtung schiefgelaufen ist, sag ich jetzt mal, in der Vergangenheit und daher auch hier… = 29, 28b, 24e AKL In eurer Klasse, oder…? = 14f S 15 Nee, nee also Deutschland halt jetzt und von daher hier da auch ein großer Schwerpunkt liegt und insofern da eigentlich genug gemacht wird. = 37b, 29, 28a/ b [LERNZUWACHS] Die Frage nach dem Lerneffekt sucht das Unterrichtsgeschehen auf eine Metaebene zu transportieren und die Lernenden ihren individuellen Lernprozess reflektieren zu lassen (= 9). Hinsichtlich des Lerneffekts gibt S 9 an, dass die Thematik an sich für sie nicht Neues gewesen sei, da man bereits zahlreiche Texte zum Thema Toleranz gelesen habe und es dadurch nichts Besonderes mehr gewesen sei (= 29, 24d/ e, 28b). S 11 sieht dagegen in einer wiederholten Thematisierung den positiven Effekt, dass es möglicherweise in einer Verhaltensänderung auf Seiten der Lernenden resultiere ("dadurch, dass man´s öfter macht, dass man vielleicht auch in seinem Verhalten ein bisschen 281 was anpasst allgemein") (= 29, 24d/ e, 28b). S 9 zieht vor dem Hintergrund ihrer lebensweltlichen Erfahrungen und anderen thematisch verwandten Unterrichtseinheiten insgesamt den Schluss, dass Vorurteile nicht nur ein Problem der Vergangenheit seien, sondern dass sie auch in der Gegenwart und in der Zukunft weiter bestünden, weil die Menschen nicht aus ihren Erfahrungen lernten (= 29, 28a/ b, 24d). Der Eindruck der Schülerinnen und Schüler, dass das Thema Vorurteile bereits ausführlich behandelt worden sei, beruht auf der Tatsache, dass insbesondere im Deutschunterricht ein Schwerpunkt auf diesen Problemkreis gelegt werde. Dieser Umstand veranlasst S 15 zu der Aussage, dass er das Problem der Vorurteile nicht in erster Linie in Bezug auf Ausländer sähe, sondern hinsichtlich der schwierigen geschichtlichen Vergangenheit Deutschlands, eine Aussage, die weniger auf interkulturelle als auf intrakulturelle und interreligiöse Unterschiede und Vorurteile verweist und davon zeugt, dass die Lernenden das Gelernte auf ihren lebensweltlichen Horizont beziehen und für ihn fruchtbar machen (29, 28a/ b, 24e). Bis auf den Beitrag von S 9 zeugen die Aussagen der Lernenden von der Einsicht in die Universalität und Unabschließbarkeit interkultureller Lernprozesse, die Vorurteile und Toleranz zum Gegenstand haben. AKL 14: 26 Wenn ihr jetzt ein Fazit zu dieser Einheit ziehen müsstet, was würdet ihr da sagen? = 9 S 15 Ja, also ich persönlich könnte jetzt sagen, dass ich, über Australien wusste ich eigentlich bisher noch nicht so viel, also Sehenswürdigkeiten, dass halt außen rum besiedelt ist, in der Mitte Wüste. So Fakten halt quasi, aber wie die Leute da ticken, das war mir eigentlich noch relativ unbewusst und darüber hab ich jetzt schon deutlich mehr erfahren. = 29, 27a S 11 Ja, also die Lebenseinstellung mehr. = 29, 27a S 9 Ja auch so Verhältnis mit den Ureinwohnern und den Dazugezogenen, also da drüber hat man eigentlich viel erfahren. = 29, 27a S 11 Generell so Probleme, die auch die Gesellschaft dort hat. Ja, also einmal Ureinwohner und dann auch so, immer dieser Konflikt sozusagen Nordhalbkugel gegen Südhalbkugel, ja also so in die Richtung. Und dann immer mit dem Republik, nicht Republik, elitär, nicht elitär und so weiter. = 29, 27a S 15 14: 21 Ja, das ist auch so´n bisschen, dass man, darüber hat man sich einfach noch keine Gedanken gemacht. Wir sind auf der Nordhalbkugel, wir sind auf der oberen Seite der Welt und dass sich andere dadurch benachteiligt fühlen könnten, dass sie halt auf der unteren Seite der Welt sind, darüber hab ich mir echt noch = 29, 27a 282 keine Gedanken gemacht. S 9 Ja, aber ich hab das auch noch nie erfahren, dass man so, dass die Australier das vielleicht auch so sehen, dass wir sie als, also Down Under und so was, dass sie das eigentlich als negativ auffassen oder so was. Weil, das, also das sagt man einfach manchmal so, ja Down Under oder so und ich das eigentlich in dem Sinne noch nie negativ aufgefasst oder auch gesagt oder so als minderwertig, wie das in dem einen Text mit Northern hemisphere und Southern hemisphere hervorkam. Ich fand das eigentlich faszinierend, dass man das einfach mal so sieht die verschiedenen Ansichtspunkte und so, Sichtweisen. = 29, 27a [FAZIT DER LERNENDEN] Die letzte Frage zielte darauf ab, die Unterrichtseinheit aus Sicht der Lernenden noch einmal rekapitulieren zu lassen. S 15 gibt an, dass er außer einigen landeskundlichen Daten und Fakten bisher nicht viel über Australien gewusst hätte, insbesondere nicht "wie die Leute da ticken" (= 29, 27a). S 11 und S 9 schließen sich dieser Aussage an und führen aus, dass sie etwas über die Lebenseinstellung der Australier sowie über das Verhältnis zwischen den Ureinwohnern bzw. Dazugezogenen und den weißen Australiern erfahren hätten (= 29, 27a). Die Lernenden beziehen die gesamte Unterrichtseinheit in ihre Aussagen mit ein und weisen darauf hin, dass sie ihnen zudem potenzielle Konflikte zwischen Bewohnern der Nord- und der Südhalbkugel bewusst gemacht hätte. S 9 schließt damit, dass sie der Perspektivenwechsel mit den Australiern dafür sensibilisiert hätte, dass jene Begriffe wie Down Under als negativ auffassen können, auch wenn die Verwender der Zuschreibung dies nicht intendieren. Insgesamt lassen die Aussagen der Lernenden im retrospektiven Interview darauf schließen, dass sie im Verlauf der Unterrichtseinheit nicht nur zu einem vertieften Verständnis der Kurzgeschichte und des in ihr dargestellten Konfliktes gelangt sind, sondern dass auch ein interkultureller Lernprozess stattgefunden hat, in dem die Schülerinnen und Schüler für interkulturelle Missverständnisse, Stereotypisierungen und Vorurteile sensibilisiert worden sind. Aufgabenformen wie das Rollenspiel und die kreative Schreibaufgabe waren dabei besonders geeignet, einen Perspektivenwechsel zu initiieren und die Lernenden dazu zu bewegen, den dargestellten Konflikt nicht nur aus einer Innenperspektive zu rekonstruieren, sondern ihn auch auf ihren lebensweltlichen Horizont zu beziehen und aus einer Außenperspektive zu evaluieren. 283 C = ! 6 ( ( 1* 2 Das retrospektive Interview mit dem Lehrer fand im Anschluss an die letzte Unterrichtsstunde statt. Aus Platzgründen können aus dem Interview auch hier wiederum nur Auszüge präsentiert werden. AKL Welche Lernziele haben Sie mit der Einheit verfolgt? L 15: 15 Es ist ein Rennen gegen die Zeit und ich versuche, gerade jetzt bei dem Thema Australien, wirklich in Kurzform alles abzuarbeiten, was der Lehrplan mir sagt. Es geht mir um die spezielle Rolle, die Australien heute noch spielt aufgrund auch der engen Beziehung zu, zu Großbritannien. Ich hab´s also unter die, die Reihe Promised Lands fällt ja nicht nur Australien, Australien ist nur eine Möglichkeit, also nur eine Möglichkeit der country of reference und ich hab´s deswegen genommen, weil es halt der, der - vielleicht auch aufgrund seiner Größe mehr oder weniger unbekannteste Kontinent ist. = 2c/ f Curriculare Vorgaben AKL 15: 16 Also, vor allem landeskundliche Aspekte. L Vor allen Dingen sind es landeskundliche Aspekte, ja, die halt hauptsächlich auch vom, vom Lehrplan gefordert werden. Ich versuch dann halt immer solche Sachen dann auch, damit´s nicht zu dröge wird, sonst könnte ich´s ja auch mit diesen, nur mit reinen Infotexten zubomben das halt auch mittels literarischer Texte zu machen. Das war, das hab ich ja vorhin schon gesagt. AKL 15: 22 Welche Bedeutung haben literarische Texte für Sie? L Eine sehr hohe, weil ich finde, dass sie auf unaufdringliche Weise oft viele Einsichten vermitteln, weil sie eben affektiv wirken und deswegen die Schüler dann eventuell viel mehr ansprechen als es so ein dröger Informationstext macht. [LERNZIELE] Hinsichtlich der mit der Einheit verfolgten Lernziele verweist der Lehrer explizit auf den Lehrplan und bezeichnet das abzuarbeitende Pensum als "ein Rennen gegen die Zeit". Den Schwerpunkt der Unterrichtseinheit sieht der Lehrer in der Vermittlung landeskundlicher Aspekte und der Verdeutlichung der Beziehung zwischen Australien und Großbritannien (= 2c/ f). Um eine reine Vermittlung von Daten und Fakten anhand von Informationstexten zu vermeiden und das Unterrichtsgeschehen abwechslungsreicher zu gestalten, hat der Lehrer die Kurzgeschichte integriert. Den Nutzen bzw. die Bedeutung literarischer Texte sieht der Lehrer darin, dass sie "auf unaufdringliche Weise 284 oft viele Einsichten vermittel[te]n", indem sie die Erfahrungen und Emotionen der Lernenden adressierten und somit affektiv wirkten. Insofern sprächen literarische Texte seiner Einschätzung zufolge die Schülerinnen und Schüler mehr an als "ein dröger Informationstext". AKL Wie stehen Sie zu kreativen Bearbeitungsformen? L 15: 26 Mag ich sehr. Ich setze - da ich selbst auch vom, was heißt, ich komm vom Theater, so ist es ja nun auch nicht, aber ich hab hier im Schülertheater mitgespielt und wirke jetzt immer noch mit, eher auf der anderen Seite, aber wenn´s geht, auch oft auf der Bühne. = 5 AKL Als Regisseur? = 14f L 15: 27 15: 28 Als Regisseur, ja, und da die Vermittlung auch von, von Problemen etc. auf diese Art und Weise auch nah steht, mach ich´s halt auch gerne im Unterricht. Wir hatten hier ja auch dieses Rollenspiel, was ja recht effektiv eigentlich war und das mach ich gerne. Ich lass ja auch gerne, lass sie gerne kreativ schreiben, mach gerne Diskussionsrunden oder irgendein Plenum, pro-kontra Diskussionen. Das Problem ist halt, das ist auch sehr zeitraubend. Im Leistungskurs konnte man in einer Doppelstunde, wenn man fünf Stunden die Woche hatte, das natürlich leichter machen, als in nem Grundkurs. Das mach ich aber trotzdem. Denn einfach schon im Zuge dessen, dass ein bisschen Abwechslung in den Unterricht reinkommt. Diese Stunden hier bringen zwar, so wie heute die, die bringen zwar viele Informationen rüber, aber sie sind letztlich auch anstrengend. Andererseits haben die Schüler die Stunden lieber, auch wenn sie dann sitzen, wenn sie hier sitzen und denken so "hoffentlich haben wir´s bald geschafft", ist es im Endeffekt für sie ein leichteres Leben. Sie werden nicht so gefordert. Wenn sie halt denken, sie haben jetzt gerade mal keine Lust, sich zu melden, dann melden sie sich halt nicht, aber wenn sie in der - wenn sie zu viert ne Szene erarbeiten und dann noch zu viert vorspielen sollen, dann müssen sie sich halt einbringen. = 5 [METHODEN] Kreative bzw. handlungs- und produktionsorientiere Verfahren wie Rollenspiele, kreatives Schreiben, Diskussionen und Debatten bewertet der Lehrer positiv (= 5). Er betrachtet sie nicht nur als willkommene Abwechslung im Unterrichtsverlauf, sondern schreibt ihnen auch das Potenzial zu, die Schüler mehr zu fordern, als dies mehr lehrerorientierte Phasen bzw. ein Frontalunterricht vermöge. Bei handlungs- und produktionsorientierten Verfahren müssten sich die Lernenden alle einbringen, während sie sich etwa in 285 Unterrichtsgesprächen leichter zurückziehen könnten ("Wenn sie halt denken, sie haben jetzt gerade mal keine Lust, sich zu melden, dann melden sie sich halt nicht […]"). Gleichzeitig verweist der Lehrer aber auf die Problematik, dass handlungs- und produktionsorientierte Verfahren "sehr zeitraubend" und mithin nicht immer praktikabel seien. Dies gälte insbesondere für Grundkurse, denen im Gegensatz zu Leistungskursen nur drei Wochenstunden zur Verfügung stünden. AKL Warum haben Sie das Rollenspiel gemacht? L 15: 29 Es sollte ihnen einfach - es war dahingehend ne echte pre-reading activity, dass sie schon mal auf das Thema eingestimmt werden, sensibilisiert werden für das Thema und sich in die Lage der Rollen reinversetzen, (greift sich an den Kopf) in die Lage der Leute eben reinversetzen, indem sie eine Rolle übernehmen. Jetzt merkt man mir auch an, dass es schon fast 16: 00 Uhr ist. Wir hätten auch gleich mit der Geschichte anfangen können. Ich hätte sie auch gleich fragen können, "ja, was glaubt ihr denn so, wie fühlen sich denn Leute, wenn sie irgendwo hin umziehen? " und da wär aber längst nicht so viel dabei rausgekommen wie in dem Fall, als sie´s wirklich in Form eines Rollenspiels umwälzen mussten. Jeder, es war wieder jeder gefordert und jeder musste oder war gefordert, verschiedene Aspekte reinzubringen. Das lief ja auch gut. Also insofern fand ich´s - man hätte es auch ohne das machen können, aber ja, damit war´s besser. Insofern ne klassische pre-reading activity. = 5 AKL Warum haben Sie die Hausaufgabe gegeben, das aus der Perspektive der Macedonias schreiben zu lassen? L 15: 30 Da ärgere ich mich jetzt umso mehr, dass ich´s heute nicht einflechten konnte. Ich wollt´s ja machen. Es steht ja hier auf meinem - (hält seine Unterrichtsvorbereitungen in die Kamera) hier steht´s auf meinem Unterrichtszettel: HA (lacht), Story through the eyes of the Macedonian family. Aber in dem Moment, man muss ja natürlich auch immer flexibel sein, weil wir hier an diesem einen Punkt angekommen waren mit dem letzten Satz, der ja dann da hinten (zeigt auf die Tafel) auch noch berücksichtigt wird, von wegen, dass er die Intellektuellen so ein bisschen kritisiert, war ich halt so flexibel (hüstelt gekünstelt) oder habe im Eifer des Gefechts das Ganze vergessen. So, zurück zur Frage. Obwohl die Geschichte so neutral gehalten ist, sieht man sie trotzdem ja aus Sicht der, dieses jungen Paares und die Perspektive der Nachbarn kann man sich zwar erarbeiten, aber man muss sie sich erarbeiten und ich wollte eben, dass die Schüler es direkt ausdrücken, indem sie eben = 5 286 15: 31 einfach die andere Seite noch mal, die andere Perspektive, die andere Sichtweise einnehmen und eben durch die Augen der Makedonier sehen. Das ist ja auch immer ganz wichtig, gerade in so nem Konfliktfall, auch wenn´s jetzt hier nicht so ein sonderlich tragischer Konflikt war, ist es ja immer wichtig, beide Seiten zu sehen. Deswegen versuche ich das auch immer so ausgewogen wie möglich zu machen. Und es ist halt auch kreativ. Es war kein Abschreiben der Geschichte, sondern es eine anspruchsvolle Aufgabe. Wenn sie sich drauf eingelassen haben, glaub ich, kommen auch schöne Sachen bei raus. [ROLLENSPIEL UND KREATIVE SCHREIBAUFGABE] Das im Vorfeld zur Behandlung der Kurzgeschichte durchgeführte Rollenspiel erfüllt für den Lehrer die Funktion einer klassischen pre-reading activity, indem es die Schülerinnen und Schüler "auf das Thema eingestimmt" habe. Durch die Form des Rollenspiels seien alle Lernenden aktiviert worden und aufgrund der Tatsache, dass sie in den Rollenspielen bereits einen Perspektivenwechsel vollziehen mussten, seien sie weiterhin für die Thematik und die Situation von Immigranten sensibilisiert worden (= 5). Dadurch, dass die Rollenspiele im weiteren Verlauf allerdings nicht mehr aufgegriffen werden, bleiben sie hinter ihrem didaktischen Potenzial zurück. Hinsichtlich der Ziele, die der Lehrer mit dem kreativen Schreibauftrag verfolgt hat, gibt er an, dass er es nicht nur als eine "anspruchsvolle Aufgabe" betrachte, die Geschichte aus einer anderen Perspektive umzuschreiben, sondern auch als probates Mittel, die Perspektive der Makedonier, die in der Kurzgeschichte weitgehend vernachlässigt wird, zu rekonstruieren und so wiederum eine multiperspektivische Betrachtung des Konfliktes zu fördern. Umso mehr bedaure er es, dass er es versäumt habe, die Schülerprodukte in den Unterricht einzuflechten (= 5). AKL Wie beurteilen Sie den Verlauf der Einheit? L Ja. Heut war´s ein bisschen dröger als letzte Woche. Heute war´s auch irgendwie, ich sag mal, formaler, ja wir haben zunächst die Entwicklung noch aufgearbeitet, dann die Botschaft… = 9 AKL Aber die Entwicklung des Beziehungsgefüges wurde ja letzte Woche schon bearbeitet, sodass es heute nicht wirklich was Neues war. L 15: 32 Ja, das stimmt, es stimmt. Und das Gefühl hatten die Schüler wahrscheinlich auch. Deswegen haben einige auch mit den Augen gerollt. Aber mir war´s gerade heute (schaut zu Tafel) - das letzte Mal haben wir ja mehr oder weniger so´n bisschen ins Blaue reingesprochen. So nach dem Motto "da steht irgendwo drin, 287 15: 33 dass…". Und es wurde ja, das Fazit wurde ja schon zusammengefasst, dass es kein linearer Verlauf ist. Ich wollte aber heute wirklich, dass die Schüler noch mal am Text arbeiten und mir wirklich auch sagen, anhand der und der Textstelle sehe ich, dass wir nicht einfach nur so Pi mal Daumen das gesagt haben, sondern da wird es wirklich nachgewiesen und ich wollte auch den Leuten wie S 14 und S 7 , die gerne mal so schnotterig irgend so einen Kommentar raushauen, wollte ich zeigen, das ist möglich, was ihr da sagt, es steht aber so nicht im Text. Und insofern, es hat letztlich wahrscheinlich ein bisschen zu lange gedauert, es ging, es ging dann, ja hat sich ne halbe Stunde fast hingezogen, ich glaub 5 vor halb drei war ich fertig und bis 5 vor 3 haben wir hier dann an diesem Tafelbild rumgemacht. Aber mir war´s wirklich wichtig, dass sie nachweisen, so steht´s auch im Text drin und wir haben´s nicht einfach so gesagt und so hingenommen. Also insofern - das Gefühl, was bei Ihnen eben so rauskam, indem was Sie gesagt haben, das teile ich vollkommen, ich fand die letzte Stunde auch, die war entspannter, die war lockerer und es kam letztlich noch mehr rüber. Deswegen hab ich ja gesagt, das war heute ein bisschen dröger oder formaler, aber diese Textarbeit ist mir wichtig. Und deswegen hab ich das noch mal, die noch mal so genau durchkauen lassen. Ich bin auch mehrfach rumgelaufen und hab geschaut, dass die auch wirklich Notizen machen, denn die hatten nur hier und da mal was angestrichen und mal hier so ne Klammer gemacht, so nach dem Motto, ja hier die eine Phase, hier die andere und da hab ich gesagt, ihr müsst bei den Phasen auch drauf achten, welche Seite das wie sieht. Das läuft ja ganz und gar nicht parallel. Also bei denen (zeigt auf die Seite der Nachbarn an der Tafel) ist es ja fast linear, aber bei, gerade bei denen (zeigt auf das Paar) hier, die fühlen sich ja immer mal wieder ein bisschen unwohl. Hätte man vielleicht im Tafelbild auch noch ein bisschen anders machen können. Also hier das mit den Gemeinsamkeiten kommt ja gut raus, aber so dass man diese Störung vielleicht noch ein bisschen einfach weiter einrückt oder eben ausgerückt hätte, dann hätte man gesehen, ok hier haben wir wirklich so ne Kurvenbewegung. Fällt mir jetzt so im Nachhinein ein. Schön, dass wir noch mal drüber reden. Aber ich denke, die Botschaft kommt ja trotzdem rüber. Es steht ja letztlich alles da. Multiperspektivität [EVALUATION DER UNTERRICHTSEINHEIT] Die Frage nach der Beurteilung des Unterrichtsverlaufs zielte darauf ab, auch den Lehrer das Unterrichtsgeschehen aus der Retrospektive reflektieren zu lassen. Seine Ausführungen beziehen sich dabei vornehmlich auf die letzte Unterrichtsstunde, in der die Entwicklung des Beziehungsgefüges sowie 288 Aussage, intendierter Adressat und Stilmittel Gegenstand des Unterrichtsgesprächs waren. Er erläutert sein Vorgehen dahingehend, dass es ihm insbesondere um ein "textnahes Lesen" 96 bzw. eine textimmanente Lektüre gegangen sei, insofern er die Lernenden immer wieder dazu angehalten habe, die Plausibilität ihrer Interpretationen am Text zu belegen. Dabei räumt er ein, dass er die letzte Unterrichtsstunde im Gegensatz zu den vorangehenden selbst als "ein bisschen dröger oder formaler" empfunden habe, dass er aber die Notwendigkeit gesehen habe, den Text noch einmal "genau durchkauen" zu lassen. Diese Aussage des Lehrers verweist auf die bildungspolitischen Vorgaben im Hinblick auf die Förderung textanalytischer und wissenschaftspropädeutischer Gesichtspunkte im Fremdsprachenunterricht, die durch die Einführung des Landesabiturs noch verstärkt gewichtet werden. 97 AKL Welche Auswirkungen hat das Landesabitur auf den Literaturunterricht? L 15: 23 Es schränkt einen halt wirklich unheimlich ein, weil man wirklich immer bei der Unterrichtsplanung den Lehrplan neben sich liegen hat und schaut, was muss ich noch alles abarbeiten? Und in der Regel ist der Weg, den ich eben geschildert habe mit der Literatur der schönere, aber der mit den Sachtexten ist einfach der schnellere und der effizientere. Also jetzt auch hier dieser Text "A Land of Immigrants" ist einfach noch mal so eine Zusatzinformation. Den hab ich denen vorhin deswegen ausgeteilt. Der ist auch aus diesem Australian Encounters und ja, auf die Art und Weise kriegt man halt das Nötigste vermittelt, aber man hat, glaub ich, auch als Schüler wirklich nur das Gefühl, "aha, hier hakt er jetzt einfach nur einen Punkt noch ab". Und mit Literatur geht es geschmeidiger und da fühl ich mich letztlich auch wohler. […] L 15: 24 Es gibt aber auch hier Situationen oder Punkte, die die Schüler einfach nicht sonderlich interessieren oder bei denen die dann denken "ja, ja, jetzt kommt schon wieder die alte Leier". Was sagt uns der Text aus? Mit welchen Stilmitteln macht das der Autor? Das sind Sachen, über die die gerne hinweghören, aber jetzt gerade im Zuge des Zentralabiturs muss man halt damit rechnen, dass eben auch auf die Sprache und auf das 'wie', ja wie der Autor, wie der Erzähler besser gesagt, wie der Erzähler seine Botschaft rüberbringt ist halt immer wichtiger. Man weiß es halt nicht, ob´s auf einen zukommt oder nicht. Früher, als ich das Landesabitur = verstärkte Textanalyse 96 Vgl. hierzu Kap. 2.3.1. 97 Dieser Aspekt wird in der letzten Frage des Interviews noch einmal aufgegriffen. 289 Abitur selbst stellen konnte, habe ich dann vielleicht auch mal, speziell um so ne Uhrzeit hätte ich dann gesagt, "alles klar, machen wir vielleicht Schluss jetzt" und jetzt geht´s eher darum, dass du die 90 Minuten wirklich dann auch nutzt und lieber noch mal ein paar Zusatzinformationen mehr reinbringst. Klar hätte man die Geschichte auch ohne diese kleine stilistische Analyse in Anführungszeichen - es war ja keine wirkliche - verstehen können, aber so denke ich, gibt´s ein runderes Bild einfach. […] L Ich hatte jetzt zwei Leistungskurse bisher, einen, der jetzt letztes Jahr Abitur gemacht hat, also der erste Zentralabiturs-Durchgang und einen davor, als ich die Abiturvorschläge noch selbst aufstellen musste, was natürlich ne Heidenarbeit war, also in der Hinsicht erleichtert mir das Landesabitur das Leben schon, denn die Abiturvorbereitungen, die gehen normalerweise so um die Weihnachtsferien los und das zieht sich dann bis Februar hin, zog sich hin, Präteritum, dann kamen die Sachen dann doch oft zurück vom Schulamt, weil denen irgendwas nicht gepasst hat. Oft waren es irgendwelche formalen Aspekte. […] L 15: 25 In der Hinsicht macht es mir das Leben schon leichter, denn, um´s Abitur muss ich jetzt halt, gut ich denk die ganze Zeit irgendwie dran, aber so richtig akut wird´s dann halt erst ein paar Wochen vorher so ungefähr. Trotzdem wusste ich, bei dem, was ich gemacht hab, genau, ok, damit müssen - wenn die Schüler gelernt haben, unter der Prämisse muss man es natürlich sehen. Wenn sie nicht gelernt haben, haben sie auch schlechte Karten, aber wenn sie, wenn sie gelernt haben oder mit den Aufzeichnungen, die wir gemacht haben, gearbeitet haben, dann konnten sie das auch gut schaffen. […] Also es ist schon, ja, ist schon ne zweischneidige Sache und vom Unterricht her finde ich´s auf jeden Fall einen Nachteil, denn normalerweise würde ich mich jetzt nicht so gehetzt fühlen. Dann würd ich einfach sagen, es ist halt jetzt so, dass da ein paar Stunden auch ausgefallen sind und dann verzichtest du einfach auf den Aspekt und den fragst du dann halt auch nicht ab. So muss ich das dann halt über nen Infotext eben reingeben. [LANDESABITUR] Abschließend wird mit dem Lehrer darauf eingegangen, welche Auswirkungen die Einführung des Landesabiturs aus seiner Perspektive auf den fremdsprachlichen Literaturunterricht hat. Insgesamt erlebt er das Landesabitur als Einschränkung und als "Rennen gegen die Zeit", insofern er "immer bei der Unterrichtsplanung den Lehrplan neben sich liegen ha[be] und schau[e], was muss ich noch alles abarbeiten". Die Vielfalt der nun zu bewäl- 290 tigenden Themen resultiere in einem verstärkten Einsatz von Sachtexten gegenüber literarischen Texten, da sich die entsprechenden Informationen anhand von Sachtexten schneller und effizienter vermitteln ließen, auch wenn "der Weg […] mit der Literatur der schönere" sei. Der Lehrer bedauert diesen Umstand, da er den Einsatz literarischer Texte bevorzuge und als "geschmeidiger" empfinde ("da fühl ich mich letztlich auch wohler"). Das Landesabitur habe allerdings auch konkrete Auswirkung auf den Umgang mit literarischen Texten im Unterricht, insofern die traditionelle Textanalyse mit Fokus auf Stilmittel und Sprache wichtiger geworden sei. Allein die Tatsache, dass er keine Abiturvorschläge mehr unterbreiten müsse, bewertet der Lehrer als Arbeitserleichterung und somit als positiv. Die Auswirkungen auf das konkrete Unterrichtsgeschehen sieht er dagegen als Nachteil: das gestiegene Themenpensum verbreite Hektik, führe zu einem 'Abarbeiten' und lasse wenig individuellen Spielraum. C C & Die Analyse der Unterrichtseinheit zeigt, dass neben textanalytischen Gesichtspunkten wie der Analyse der Strukturmerkmale der Kurzgeschichte und insbesondere der Erarbeitung der Figurenkonzeption und -konstellation die Förderung interkulturellen Lernens im Vordergrund stehen. Während längere narrative Texte oder Dramen im Fremdsprachenunterricht aufgrund mangelnder zur Verfügung stehender Zeit oft nicht bis ins Detail erarbeitet werden können, ermöglicht die Gattung der Kurzgeschichte eine detaillierte Textanalyse. Der Lehrer forciert anhand der Analyse der formalen Gestaltungsmittel und ihrer Wirkungseffekte eine genaue Lektüre im Sinne eines close reading und fordert die Lernenden auf, ihre Sinndeutungen konsequent am Text zu belegen. In toto kann die Unterrichtseinheit als wenig schülerorientiert eingestuft werden und es finden insgesamt nur zwei handlungs- und produktionsorientierte Verfahren ihren Einsatz. Die Ergebnisse des Rollenspiels und der kreativen Schreibaufgabe finden allerdings zu wenig bzw. keine Berücksichtigung im weiteren Verlauf des Unterrichtsgeschehens, sodass sie für die Förderung eines vertieften Textverständnisses nicht herangezogen werden können und so insgesamt unverbindlich bleiben. Insbesondere die in dem Rollenspiel aus der pre-reading phase zum Tragen gekommenen Einstellungen hätten sich dazu angeboten, sie mit denen der Geschichte zu vergleichen und zu eruieren, inwiefern die so erzeugten Erwartungshaltungen der Lernenden die Rezeption der Kurzgeschichte beeinflusst haben. Schließlich wäre ein Aufgreifen des Rollenspiels nicht nur im Sinne einer Stringenz 291 innerhalb der Aufgabensequenz sinnvoll gewesen, sondern auch in Bezug auf ihren erkenntnistheoretischen Wert: Damit die Schüler den erkenntnistheoretischen Wert dieser ersten Phase wahrnehmen und sie nicht als unverbindliche Spielerei von der 'ernsthaften' Arbeit abwerten, sollte daher zum Schluß immer eine Phase der Rekapitulation stattfinden, in der der Erkenntnisweg entweder individuell oder gemeinsam nachvollzogen wird und die Schüler die Gelegenheit erhalten, sich 'vorläufig abschließend' über den Text zu äußern. (C ASPARI 1994: 221) Insgesamt dominiert innerhalb der gesamten Unterrichtseinheit das Unterrichtsgespräch als Methode, was mit nur wenigen Phasenwechseln einhergeht. Gleichzeitig überwiegt die Förderung der kommunikativen Kompetenzen der Lernenden, während etwa Schreibkompetenzen bis auf das Anfertigen von Notizen und dem kreativen Schreibauftrag, der allerdings nicht aufgegriffen wird, weitgehend unberücksichtigt bleiben. Bei den hier dargestellten Gesprächssequenzen handelt es sich über weite Strecken um Beispiele für Unterrichtsgespräche nach dem fragend-entwickelnden Muster (vgl. H ÄRLE / S TEINBRENNER 2004b: 1). Der Lehrer hat durch die Arbeit mit der Lehrerhandreichung bereits eine bestimmte Interpretation im Sinn, die er durch entsprechende Fragen bei den Schülerinnen und Schülern zu evozieren sucht. Diese Vermutung wird dadurch verstärkt, dass die während des Unterrichts entstehenden Tafelbilder nur geringfügig von jenen aus der Lehrerhandreichung abweichen. Dadurch kommt es zu einer starken Lenkung durch den Lehrer auf bestimmte Aspekte und es entsteht streckenweise der Eindruck, dass sich die Auseinandersetzung der Lernenden mit dem literarischen Text auf den Versuch reduziert, diesem einen "bereits feststehenden Sinn zu entnehmen" (S URKAMP / N ÜNNING 2009: 47). Damit einhergehend werden subjektive Sinndeutungen der Lernenden, soweit nicht am Text belegbar, zurückgewiesen. Eine solche Vorgehensweise zur Unterstützung des Verstehensprozesses läuft einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik zuwider, insofern sie suggeriert, dass es einen 'richtigen' Textsinn gäbe, den es zu rekonstruieren gilt. Dieser Eindruck wird allerdings durch die Tatsache relativiert, dass der Lehrer trotz einer deutlichen Lenkung eine weitgehend moderierende Rolle einnimmt und den Lernenden auch immer wieder insofern einen Interpretationsspielraum einräumt, als er flexibel auf Schülerbeiträge reagiert, differierende Deutungen akzeptiert und so der Polyvalenz und Vielstimmigkeit des literarischen Textes Rechnung trägt. Der Lehrer nimmt die verschiedenen Interpretationsansätze der Lernenden ernst und lässt unterschiedliche Deutungsansätze nebeneinander stehen, ohne auf eine abschließende Einigung zu 292 pochen (vgl. S PINNER 2010: 202). So erhalten die Lernenden hin und wieder die Möglichkeit, das Unterrichtsgespräch mitzulenken und ihre subjektiven Eindrücke und Reaktionen zu artikulieren. Auf Seiten der Lernenden lassen sich in den Unterrichtsgesprächen eine gute Textkenntnis und Schüler-Schüler-Interaktionen in Form gemeinsamer Bedeutungsaushandlungen verzeichnen, die eine vertiefte Interpretation insbesondere der Figuren und des interkulturellen Konfliktes fördern. Die Tatsache, dass der Lehrer eine konsequent multiperspektivische Betrachtung des Geschehens forciert, führt dazu, dass die Lernenden den Konflikt nicht nur aus einer Innenperspektive rekonstruieren, sondern ihn auch vor dem Hintergrund ihrer eigenen lebensweltlichen Erfahrungen und mithin aus einer Außenperspektive reflektieren. Insbesondere die kreative Schreibaufgabe war laut Aussage der Lernenden im retrospektiven Interview dazu geeignet, einen Perspektivenwechsel zu initiieren und zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich der Figurenkonstellation und des interkulturellen Konfliktes zu gelangen. Die aktive Mitarbeit der Schülerinnen und Schüler sowie der große Beteiligungsradius zeugen von einem großen Interesse an der Thematik und ihrer lebensweltlicher Relevanz und die Lernenden greifen im Unterrichtsgespräch nicht nur regelmäßig auf ihr gattungstypologisches Vorwissen zurück, sondern ziehen auch ihre lebensweltlichen Erfahrungen für die Interpretation der Kurzgeschichte heran. Die rege Beteiligung an den Unterrichtsgesprächen ist zudem auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Text viele Sprechanlässe bietet, indem er zahlreiche Unbestimmtheitsstellen lässt und die Lernenden somit zu Bedeutungskonstruktionen in Form von Hypothesenbildungen und dem Ziehen von Inferenzen herausfordert. 293 A ? ! ( ! ( .! ? A ! % Die Unterrichtseinheit zu dem 2002 erschienenen Jugendroman Big Mouth and Ugly Girl von Joyce Carol Oates wurde von November bis Dezember 2007 in einem Englisch-Vorleistungskurs der Jahrgangsstufe 11 beobachtet und videoaufgezeichnet. Der Kurs hatte drei Stunden Englisch pro Woche und die videografierte Einheit umfasst insgesamt 16 Unterrichtsstunden. Bei der Schule handelt es sich um ein Gymnasium des Wetteraukreises in Hessen, das 1470 als Lateinschule gegründet wurde. Das Einzugsgebiet der Schule umfasst hauptsächlich den Wetteraukreis sowie Teile der Landkreise Gießen und Lahn-Dill. Die Schule ermöglicht heute ca. 1600 Schülerinnen und Schülern, die von rund 80 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden, den gymnasialen Bildungsweg. Die Lerngruppe bestand aus insgesamt acht Schülerinnen und vierzehn Schülern, die seit der 3. bzw. 5. Klasse Englischunterricht hatten und zum Zeitpunkt der Beobachtung noch nicht alle volljährig waren, sodass die Einwilligung für die Unterrichtsbeobachtung von den Eltern eingeholt wurde. Der Kontakt zum Lehrer kam auf der Fachkonferenz Englisch der betreffenden Schule zustande, auf der die Forscherin das Forschungsprojekt vorstellte. Nach der Skizzierung der Studie erklärte sich der Lehrer bereit, seinen Unterricht für die Untersuchung zu öffnen und die Videoaufzeichnungen anfertigen zu lassen. Der Lehrer, dessen zweites Fach Musik ist, war zum Zeitpunkt der Dokumentation seit einem Jahr im Schuldienst. A # Bei dem 2002 veröffentlichten Roman handelt es sich um den ersten Jugendroman der Autorin; sie verarbeitet darin die Thematik der "Hysterie, die seit Littleton und anderen Highschool-Massakern an amerikanischen Schulen herrscht" (H OFFMANN / S TEEN 2005: 8). Der Roman umfasst 49 Kapitel, 266 Seiten und umspannt einen Zeitraum von vier Monaten (January, February, March und April). Er ist somit der längste Text, der in dieser Studie eingesetzt wurde. Die Handlung des Romans spielt in Rocky River, einem reichen Vorort New Yorks, und dreht sich um die beiden Hauptfiguren, Matt Donaghy (Big Mouth) und Ursula Riggs (Ugly Girl). Der 16-jährige Matt Donaghy, der 294 seinen Freunden mit flotten Formulierungen zu gefallen sucht, was ihm den Spitznamen Big Mouth eingebracht hat, macht in der Cafeteria seiner Schule die als Witz gemeinte Bemerkung, er würde die Schule in die Luft sprengen, wenn ein von ihm verfasstes Theaterstück nicht aufgeführt werde. Zwei senior girls, die Matts Äußerung hören und fehlinterpretieren, setzen den Direktor der Schule darüber in Kenntnis. Dieser alarmiert die örtliche Polizei und Matt gerät in die Mühlen der Justiz. Matt, der bis dato ein zwar vorlauter, aber dennoch guter und allseits beliebter Schüler gewesen war, wird daraufhin von all seinen bisherigen "Freunden" im Stich gelassen. Nur die ihm bis dahin kaum bekannte Ursula Riggs, Einzelgängerin und burschikoser Basketball- Star der Schule, unterstützt ihn und es entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft, die im Laufe der Handlung eine Vielzahl von Widrigkeiten und Feindseligkeiten zu überstehen hat (vgl. H OFFMANN / S TEEN 2005: 8). Das Geschehen wird alternierend aus der Perspektive Matts und Ursulas erzählt. Während die Handlung um Matt von einem auktorialen Erzähler in der dritten Person im Stil der erlebten Rede erzählt und kommentiert wird, handelt es sich bei Ursula vor allem um eine Ich-Erzählerin (ibid.: 48). Auch wenn sich im Roman einige Rückblicke finden lassen, wird vornehmlich aus der Perspektive der Protagonisten erzählt, was gegenwärtig geschieht (B REDELLA 2010: 249). Auch Ursula erzählt, was ihr gegenwärtig zustößt, doch sie tut dies im Gegensatz zu Matt vor allem in der ersten Person. Gleichwohl erzählt sie auch in der dritten Person von sich als Ugly Girl, ihrem Alter Ego, das sie sich aufgrund einer scheinbaren Persönlichkeitsspaltung zum Selbstschutz zugelegt hat (vgl. ibid.: 250). 98 Ugly Girl unterscheidet sich insofern von Ursula, dass sie nichts darauf gibt, was andere von ihr denken. Während Ursula in der Vergangenheit oft wegen ihres Aussehens gehänselt wurde und sich gedemütigt zurückgezogen hatte, würde Ugly Girl niemals weinen, Scham empfinden oder eine Schwäche offen zugeben, sodass sie all das repräsentiert, was Ursula nicht ist. Im Zuge des Romans durchlaufen allerdings beide Protagonisten eine emotionale und soziale Entwicklung, aus der sie gestärkt und selbstbewusst hervorgehen und die es ihnen erlaubt, sich ihres Alter Egos bzw. ihres Spitznamens zu entledigen. 99 Der Jugendroman ist sprachlich und literarisch anspruchsvoll und gibt "einen authentischen Einblick in die gegenwärtige soziale und kulturelle Lebenswelt US-amerikanischer Jugendlicher" (H OFFMANN / S TEEN 2005: 14). Sein didaktisches Potenzial ergibt sich aber nicht nur aus dem aktuellen gesellschaftspolitischen Bezug zu den Schulmassakern in Columbine, Erfurt 98 S. hierzu auch B REDELLA (2009). 99 Für eine detaillierte Inhaltsangabe s. B REDELLA (2010: 249ff.). 295 u.a., sondern insbesondere auch aus den darin verhandelten, für die Adoleszenz typischen Themen wie Identitätsentwicklung, Familie, Freundschaft und Liebe, aber auch Verdacht, Misstrauen und Ausgrenzung. Sie vermögen die lebensweltlichen Erfahrungen jugendlicher Leser zu adressieren und ihnen ein Identifikationspotenzial bereitzustellen, das ihnen einen persönlichen Bezug im Rahmen einer differenzierten, inhaltlichen Auseinandersetzung im Unterricht ermöglicht. A + 4 S TUNDEN 1 UND 2 • Lehrer gibt Ausblick darüber, welches Vorgehen er für die Einheit geplant hat; • da der Roman nicht annotiert ist, teilt der Lehrer den Schüler/ innen jeweils ein Kapitel zum Herausarbeiten der neuen Vokabeln zu. Zu ihren Wörtern sollen die SuS Listen anlegen, die das betreffende Wort, ein Beispiel, Kollokationen und eine Paraphrasierung enthalten und anschließend den Mitschülern via E-Mail zugänglich gemacht werden sollen; • stiller Impuls zu nickname mit anschließendem Brainstorming zu dem Begriff; • Schüler/ innen erstellen in Gruppen Plakate mit ihren Assoziationen zu den Namen Big Mouth und Ugly Girl und präsentieren sie; • gemeinsames lautes Lesen des ersten Kapitels; • Schüler/ innen geben den Inhalt des Gelesenen in Form einer 20-Seconds-Story wieder; • Rollenspiel zu drei verschiedenen Situationen, die sich auf das erste Kapitel des Romans beziehen: Create a short role play in which you act as if you had been in the situations described below. Choose one out of three. Work in a group at about four! A) Imagine you are Matt`s classmates. What is going on after Matt had to leave the classroom? How do you react? What are you talking about? You can include Mr. Weinberg in your play. B) Imagine you are the policemen and you are questioning Matt outside the classroom. What will you be talking about? How does Matt feel during the questioning? C) You can choose any other role which seems appropriate for you. At the beginning of the play you should tell us who and where you are. • Hausaufgabe: Kreative Schreibaufgabe; Schüler/ innen dürfen zwischen newspaper article und diary entry wählen. S TUNDE 3 • Schüler/ innen machen einen Galeriegang, bei dem sie die schriftlichen Hausaufgaben ihrer Mitschüler lesen, Fehler korrigieren und hinsichtlich der 296 Kriterien grammar, content or creativity vergleichen; • gemeinsame Besprechung der identifizierten Fehler; • Unterrichtsgespräch zu Inhalt und Form (Textsortenbewusstsein) der verfassten Hausaufgaben; • Hausaufgabe: Erarbeitung einer Definition von Freundschaft in Form eines acrostic poem zu friendship; Lesen der Kapitel 1 bis 9; Anwendung der angefertigten Definitionen auf den Text: To what extent does your definition of friendship apply to that in the book? S TUNDEN 4 UND 5 • Schüler/ innen fassen den Inhalt der Kapitel 1 bis 9 in Form einer 20-Seconds- Story zusammen. Der Lehrer stellt dazu Vertiefungsbzw. Ergänzungsfragen; • Lehrer schreibt folgende Begriffe und Namen an die Tafel und fordert die Lernenden auf, ihre Bedeutung im Roman zu benennen: Bomb Threat, William Wilson, Ugly Girl, Basketball, Friends, Suspension, E-mail, Pumpkin, Feelings; • Besprechung des acrostic poem zu friendship und Identifikation der Zeichen von Freundschaft im Roman; • Rollenspiel zum Füllen einer textuellen Leerstelle: Die Polizeibeamten interviewen Matts Schulkameraden, Lehrer und Schülerinnen der höheren Jahrgangsstufe. Die beobachtenden Schüler/ innen erhalten die Funktion von Profilern. Nach der Präsentation geben sich die Schüler/ innen gegenseitig Feedback; • Hausaufgabe: Schüler/ innen sollen (auf Grundlage der Rollenspiele) eine schriftliche Beurteilung darüber verfassen, ob Matt ein Bombenleger ist oder nicht: From the notes you have taken about Matt Donaghy and the psychological profile of a bomber, assess whether Matt is likely to have made the bomb threat. Give a detailed and well reasoned account of your assessment. S TUNDE 6 • Schüler/ innen führen einen Galeriegang durch und begutachten die Texte ihrer Mitschüler nach den Kriterien dramatical aspects, linking phrases, spelling mistakes and grammar; • Besprechung einiger fehlerhafter Verwendungen; • UG zu Is Matt a bomber? • Charakterisierung von Ursula vor dem Hintergrund der Seiten 8 bis 22. Als Hilfestellung/ Vorentlastung teilt der Lehrer das Arbeitsblatt "How to write a characterisation" aus und lässt es von einem Schüler laut vorlesen: Find out information about Ursula (pages 8-22), [list them up in columns]; write a characterisation on Ursula; go on reading chapter 10-24, [mark information on Ursula and Matt. 297 S TUNDE 7 • Schüler/ innen führen einen Galeriegang durch und begutachten die Texte ihrer Mitschüler nach den Kriterien grammar, correctness and style; • gemeinsame Erarbeitung der Kriterien einer Zusammenfassung im Unterrichtgespräch; • Hausaufgabe: Jeder der Schüler/ innen fasst eines der bisher gelesenen Kapitel in drei bis fünf Sätzen schriftlich zusammen. S TUNDEN 8 UND 9 • Schüler/ innen lesen die Zusammenfassungen ihrer Mitschüler im Galeriegang; • Experiment on Chinese Whisper (Stille Post) zu einem vom Lehrer vorgegebenen Satz; Anwendung der in dieser Aktivität gemachten Erfahrung auf die Entstehung von Gerüchten und Transfer auf die Figur Matt im Roman; • Freeze Frames (Standbilder) zu den Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Familien Riggs und Donaghy. Ein Schüler wird zum Baumeister erklärt. Die Mitschüler beschreiben die Standbilder und stellen den Schaustellern Fragen. S TUNDE 10 • Stiller Impuls: Lehrer schreibt civil courage an die Tafel; • UG über die Bedeutung bzw. die Definition von Zivilcourage; • Lehrer berichtet über eine Auszeichnung für Zivilcourage in den USA (institution for awards of civil courage); • Hausaufgabe: Recommend Ursula for this award. Why should she get the title? Read "March" (ch. 25-46). S TUNDEN 11 UND 12 • Brainstorming zu dem Begriff Columbine und Erstellen einer Mindmap; • Schülerpräsentation zu den school shootings in Columbine und Erfurt; • Lehrer teilt den zwei-DIN A4-seitigen annotierten Text "2 Gunmen at Colorado School Reportedly kill up to 23 Before Dying in a Siege" aus, den die Schüler/ innen leise lesen sollen; • Besprechung des o.a. Textes anhand der Frage What reasons for the school shooting does the text give? und Diskussion verschiedener Präventionsmöglichkeiten. S TUNDE 13 • Partnerarbeit zu dem Thema: A good day at school. How would teachers behave? When do you feel comfortable? How do you expect a school to be? Lehrer erstellt anhand der Schülerbeiträge ein Tafelbild; • Hausaufgabe: Read the rest of the book. Write your summaries. Choose one of the tasks from the sheet (teilt Arbeitsblatt mir drei Aufgaben zu dem o.a. Text aus) 1. Compare the situation at Columbine High School to that at 298 Rocky River High School. 2. To what extent could the Brewer twins reporting to the principal be influenced by other school massacres such as Columbine? 3. Evaluate the principal`s reaction to the report. S TUNDEN 14 UND 15 • Besprechung der o.a. Hausaufgabe: Lehrer teilt die Schüler/ innen entsprechend der bearbeiteten Aufgabe in Gruppen ein. Schüler/ innen lesen die Hausaufgaben ihrer Mitschüler und wählen die beste aus. Die drei besten Versionen werden vorgelesen; • Lehrer teilt einen Text zu RTC (Right to carry weapons) aus, den die Schüler/ innen leise lesen; • Podiumsdiskussion zum Besitz von Waffen in den USA unter Einsatz der der Fishbowl Method. 100 S TUNDE 16 • Besprechung der Kriterien einer Zusammenfassung; • Einführung der Begriffe flat vs. round character und Anwendung auf die Figuren des Romans: To what extent did Matt change? • Klausur A 3 , 5 " ' 4 " A 3 ) ! ( ! Nach dem einführenden Brainstorming zu "nicknames" leitet der Lehrer die Lernenden dazu an, Hypothesen darüber aufzustellen, was sich hinter Personen, die sich selbst Big Mouth und Ugly Girl nennen, verbergen könnte. Die Lernenden sollen in Gruppen ihr Vorverständnis, ihre Assoziationen und Erwartungen in Bezug auf einen der Namen auf Plakaten festhalten und sie anschließend der Klasse präsentieren. S 11 Ok, ehm we said that he´s maybe superficial and ehm that he is stupid but he thinks he´s clever. Yeah, I don´t know what to say else to that. And ehm we thought that he maybe smiles and laughs a lot and that he talks a lot because he´s called Big Mouth. Ehm and he talks a lot of senseless stuff also. (zu seiner Gruppe) I think another one will continue now. 22 S 16 Ok, ehm we also thought that he may be Black because the most Blacks have a big or a little bit bigger mouth (SuS lachen) and also a big head and might be a little bit bigger (zeichnet einen großen 22 Stereotype & 100 S. hierzu S CHALLHORN / P ESCHEL (2004: 69). 299 12: 04 Taillenumfang mit seinen Händen nach) or fat and (stößt S 19 an) you can explain arrogant. Vorurteile S He might be arrogant or a know-it-all. That´s why he could be called Big Mouth. 22 L Any questions? (keine Reaktion der Mitschüler) I´ve got a question. If you say the Big Mouth is maybe Black, can you explain this? Is this a racist statement, or? [S 16 und S 19 unisono: no] No? So, what does Big Mouth in this, in this situation refer to? 14f, 17a S 19 Ehm, his physical statement [L: ok], eh physical state. 35a L Ok, good. Then it´s ok. To make sure. Thank you. 14a [BRAINSTORMING ZU BIG MOUTH] Die erste Gruppe, die sich mit dem Namen Big Mouth beschäftigt hat, stellt die Hypothesen auf, dass er ihrer Erwartung nach oberflächlich und dumm sei, sich aber selbst für clever halte, dass er viel lache und viel "senseless stuff" rede (22). S 16 gibt an, dass er möglicherweise ein Afro-Amerikaner sei, "because the most Blacks have a big or a little bit bigger mouth", einen großen Kopf habe und übergewichtig sei (22). An dieser Stelle aktualisiert der Schüler Stereotype und Vorurteile gegenüber Afro-Amerikanern, die der Lehrer nicht stehen lässt, sondern kritisch nachfragt, ob es sich hier um eine rassistische Äußerung handele (14f, 17a). S 19 , der im weiteren Verlauf noch die Attribute arrogant und besserwisserisch genannt hatte (22), negiert die Frage des Lehrers und weist darauf hin, dass es sich um eine bloße Beschreibung seiner physischen Eigenschaften handele (35a). Die zweite Gruppe zu dem Namen kommt teilweise zu den gleichen Ergebnissen wie die erste, insofern sie einem Big Mouth zuschreiben, laut, dumm und besserwisserisch zu sein sowie einen großen Mund und dicke Lippen zu haben (22). Darüber hinaus stellen die Lernenden die Hypothese auf, dass er laut spräche, zu selbstbewusst sei, provozierende Sachen sage und andere dadurch verärgere (22). Weiterhin gehen die Lernenden davon aus, dass er viel rede, möglicherweise ein Journalist sei, nach Aufmerksamkeit verlange und Probleme habe, von denen er sich abzulenken versuche (22). Nach der Präsentation der zweiten Gruppe fragt der Lehrer die Lernenden abschließend, ob sie ein vorwiegend positives oder negatives Bild von einem Big Mouth hätten (17a). Während die zweite Gruppe diesen Umstand nicht weiter reflektiert zu haben scheint und beide Möglichkeiten in Betracht zieht, hat sich die erste Gruppe ein eindeutig negatives Bild zu diesem Namen gemacht (35a). 300 L 12: 07 Ok. What about Ugly Girl? 1 S 10 We had different, a few different points of view of her. We thought maybe she does not care about what other people think about her and yeah she don´t wears make-up and don´t have [L flüstert: doesn´t], doesn´t have pretty clothes or something like that and yeah, she thinks that she´s not pretty and maybe a little bit shy. (schaut auffordernd zu S 9 ) 22 S 9 12: 08 Ehm, maybe she had some bad experience before so she calls herself Ugly Gir-, Ugly Girl because she got some problems in the past. Ehm, maybe she does not have many friends so she´s eh, yeah, she just ehm connect this to her nickname that she is not very friendly or something like that. Maybe she´s just not self-confident and just calls her Ugly Girl, maybe she´s pretty. 22 L So you say we still have the chance to get familiar with a pretty girl, [S 9 und S 10 : yeah] so maybe she simply calls herself ugly. 14f S 9 And maybe it´s a nickname- 22 L Why, why does she do it? 4c/ d S 10 12: 09 The nickname is something like a protection that she don´t wants to be eh, yeah, she´s pretty and so you have to like her. So she don´t want to be… 24c/ d L Doesn´t want to be. 15b S 10 … doesn´t want to be (sucht nach dem passenden Wort), eh oberflächlich. 22, 33 L So superficial. 15c S 10 Superficial, yeah. 22 L Ok, good. 14a/ e [BRAINSTORMING ZU UGLY GIRL ] Die erste Gruppe, die sich mit dem Namen Ugly Girl beschäftigt hat, stellt die Hypothesen auf, dass das Mädchen sich nicht darum kümmere, was andere Leute über sie dächten, dass sie kein Make-up trage, keine schöne Kleidung habe und schüchtern sei (22). Für die Lernenden bleibt offen, ob sie sich nur nicht für hübsch halte oder ob sie wirklich nicht hübsch sei. S 9 führt weiter aus, dass sie möglicherweise ein paar schlechte Erfahrungen gemacht habe, bevor sie sich den Namen Ugly Girl zugelegt habe. Darüber hinaus habe sie nicht viele Freunde, sei nicht besonders freundlich und nicht sonderlich selbstbewusst. S 9 artikuliert noch einmal die Möglichkeit, dass sie in Wirklichkeit vielleicht hübsch sei, woraufhin der Lehrer nachfragt, warum sie sich dann selbst so tituliere (4c/ d). S 10 äußert hierauf die Vermutung, dass sie den Namen als Schutz verwende, da sie zwar hübsch sei und von anderen gemocht werde, aber nicht oberflächlich erscheinen wolle (24c/ d). 301 Die zweite Gruppe weist ihre Hypothesen hinsichtlich des Namens Ugly Girl zwei Kategorien, i.e. äußeres Erscheinungsbild und Charakter, zu (22). Ihr äußeres Erscheinungsbild sei dabei durch Pickel, fettiges Haar, Übergewicht, schlechten Geruch, Piercings und schlechte Kleidung gekennzeichnet (22). Weiterhin gehen die Lernenden davon aus, dass ihr unansehnliches Äußeres mit einem hässlichen Charakter korrespondiere. Diesen spezifizieren die Schülerinnen und Schüler dahingehend, dass sie nicht sehr selbstbewusst, gemein und unhöflich, aber auch schüchtern, ruhig und ein-sam sei (22). Darüber hinaus stellen sich die Lernenden einen Teenager vor, der noch in die Schule gehe, viel lerne, keine Freunde habe und dessen Fami-lie sich nicht für ihn interessiere (22). Insgesamt haben die Lernenden durch diese pre-reading activity zahlreiche Hypothesen hinsichtlich des zu lesenden Romans und der beiden Hauptfiguren aufgestellt, die im weiteren Verlauf der Einheit anhand der Lektüre zu überprüfen und somit entweder zu bestätigen oder zu widerlegen sein werden. A 3 # * : Um zu eruieren, ob sich die zu Beginn aufgebauten Erwartungen der Lernenden bewahrheitet haben oder nicht, stellt der Lehrer einen Rückbezug zu den erstellten Plakaten her und fordert die Schülerinnen und Schüler gezielt auf, ihre Poster mit der Art und Weise zu vergleichen, wie Matt im ersten Kapitel beschrieben wird. L 12: 36 We´ll have a first quick look at our expectations and how Matt is described in the first chapter. What aspects come true, are confirmed? Bestätigt. Or refuted? Widerlegt. Have a look at the posters and compare this to what the first chapter says. (zu S 1 , der sich meldet) S 1 ? Veränderung Vorverständnis 4g, 13a S 1 We don´t know who´s Big Mouth and Ugly Girl so we cannot make … [L: ok], cannot associate this on this person. 24e/ g L I can tell you Matt Donaghy is Big Mouth. (zu S 4 , die sich meldet) S 4 ? 2e, 13a S 4 I wanted to say something to (unverständlich) [L: mmh] about our expectations. [L: yeah? ] The drama seems to be his passion [L: mmh] and there´s something with language and texts and maybe this is with Big Mouth and telling the truth in the drama. 24c/ d L Mmh. So, you would say he´s a positive character. [S 4 : yeah] (zu S 7 , die sich meldet) Yeah? 14a/ f S 7 12: 37 I think so too and they also say in the book that eh he´s something like a comic, comic character and (zögerlich) brainy. 24c 302 L Mmh, brainy means? 14a/ f S 7 He knows a lot. 24c L Right. Clever. (zu S 17 , der sich meldet) S 17 ? 14a/ d, 13a S 17 Ehm, yeah, I would say ehm he - on, yeah, (zeigt auf die an der Tafel hängenden Poster) in the front it´s, it says he´s stupid but I would say he´s very intelligent because he knows a lot in school or is very interested in some subjects and I wouldn´t say that is, that that is stupid and he is not, he´s not fat [L: mmh] because it is said that he is very tall and (schaut in seinen Roman) I can´t find it but he was not fat. 24c/ e/ g L Mmh. (zu S 16 , der sich meldet) S 16 ? 14a, 13a S 16 It´s only a question. Is Stacey Ugly Girl? 34 L We will see. 14i S 19 No. (grinst) 37b L 12: 38 I don´t want to tell you at this stage. Ok. (SuS lachen) 14i S 19 I think it might be Ursula. (SuS lachen) 24d S 12 Might be. 24d [RÜCKBEZUG ZU PLAKATEN AUS DER PRE-READING PHASE] In Bezug auf die Frage weist S 1 darauf hin, dass man an dieser Stelle noch nicht wisse, wer Big Mouth sei, sodass man ihn nicht mit den Plakaten abgleichen könne (24e/ g). Um die Bearbeitung der Aufgabe zu ermöglichen, weist der Lehrer darauf hin, dass es sich bei Matt um Big Mouth handele (2e). S 4 und S 7 rekurrieren mit ihren Aussagen hierauf vornehmlich auf den Roman, wenn sie anführen, dass "drama seems to be his passion" (24c/ d) und dass er ein "comic character" und "brainy" sei (24c). S 17 nimmt hingegen einen gezielten Vergleich einiger Aspekte vor, indem er darauf hinweist, dass Matt entgegen der zuvor aufgebauten Erwartungen nicht dumm oder übergewichtig, sondern intelligent, vielseitig interessiert und groß sei (24c/ e/ g). Im weiteren Verlauf fragt S 16 , ob es sich bei Stacey um Ugly Girl handeln würde, eine Hypothese, die er bereits in der 20-Seconds-Story zu Kapitel 1 geäußert hatte, woraufhin der Lehrer ihn für eine Beantwortung der Frage auf später vertröstet und somit die Neugier und Interesse der Lernenden in Bezug auf die Lektüre intensiviert. S 19 äußert hierauf die Hypothese, dass es sich bei Ugly Girl auch um Ursula handeln könnte, was S 12 mit "might be" kommentiert (24d). Insgesamt ist der Gesprächsausschnitt zum Vergleich der Plakate mit dem Gelesenen recht kurz und es wäre an dieser Stelle interessant gewesen, noch weitere Stimmen zu hören. Gleichwohl verdeutlicht die Sequenz, dass 303 die meisten Hypothesen der Lernenden aus der Brainstorming-Phase bereits jetzt widerlegt wurden. A 3 + 9 Als eine Verarbeitung der Rollenspiele, die in der 2. Unterrichtsstunde durchgeführt wurden (vgl. Kap. 8.3), hier aber leider nicht dargestellt werden konnten, erhalten die Lernenden den kreativen Schreibauftrag, auf Grundlage eines der Rollenspiele einen Zeitungsartikel oder einen Tagebucheintrag zu verfassen. L As a, eh as a homework you can decide between two tasks. You can write an article for tomorrow`s newspaper. Then imagine you`ve got an anonymous telephone call by a student and your [asked] immediately go to the High school and interview Matt`s classmates. So this is what you can decide on one of the two plays we just saw. And you know that he was called Big Mouth so you can refer to the notes we got on the board. And you can decide for which kind of newspaper you`re writing. So you can write for the Bildzeitung, for The Sun, for The Mirror or you can write for the FAZ as well, but it`s in English. Or you write a second, you can do a different task. It´s: Imagine you are Matt and you write a diary entry about what happened to you that day. What did the policemen ask you? (zeigt auf S 10 , eine Teilnehmerin der zweiten Gruppe) So, this is maybe one of the policemen role plays. And how did you feel during and after the questioning? Why did they take you out of class? I´ve written it down for you (teilt Handouts aus) so you can take it with you. This is homework for tomorrow. Thank you for being so talkative and you recognise "talkative" is a positive word; the negative word would be "chatty". Thank you for being so talkative and I´m really looking forward to having this unit with you. 5a Wenn sich die Lernenden dazu entschließen sollten, einen Zeitungsartikel zu schreiben, können sie selbst entscheiden, für welches Format sie ihn verfassen, ob sie "the gutter press" bzw. die "tabloids" wählen oder etwa eine anspruchsvollere Tageszeitung ("broadsheet"). Diese Aufgabenstellung fordert die Textsortenkompetenz der Schülerinnen und Schüler insofern verstärkt heraus, als sie nicht nur ihr Vorwissen hinsichtlich der verschiedenen Formate und ihrer Eigenschaften aktivieren müssen, um entscheiden zu können, welches sie für ihren Arbeitsauftrag wählen, sondern auch ihren Schreibstil entsprechend anpassen müssen. Während es sich bei einem Zeitungsartikel um einen mehr oder weniger konzisen und faktischen Text handelt (vgl. Kap. 5.2.5.2), zielt ein Tagebucheintrag darauf ab, die eigenen Gefühle bzw. die Gefühle einer Figur hinsichtlich anderer Personen oder 304 Situationen zu erforschen (vgl. T HALER 2007). In diesem Fall werden die Lernenden angehalten, den Tagebucheintrag aus der Perspektive Matts zu verfassen und zu rekapitulieren, was er an besagtem Tag erlebt hat. Welche Fragen wurden ihm von den Polizeibeamten gestellt? Warum hat man ihn aus der Klasse abgeführt und wie hat er sich bei der Befragung gefühlt? Diese Aufgabenstellung knüpft unmittelbar an die Rollenspiele an, indem die Rolle und die Figur Matts weiter ausgebaut werden und somit eine Stringenz innerhalb der Aufgabensequenz gewährleitet wird, indem die verschiedenen Tasks natürlich auseinander hervorgehen bzw. sinnvoll aufeinander aufbauen. Die schriftlichen Schülerprodukte der Lernenden werden in der Folgestunde in Form eines "Galeriegangs" durch die Mitschüler und den Lehrer begutachtet. Die Lernenden legen ihre Ergebnisse auf ihre Tische und die Mitschüler wandern von einer "Ausstellung" zur nächsten. Dabei erhalten die Schülerinnen und Schüler den Arbeitsauftrag, die Produkte ihrer Mitschüler zu lesen, zu korrigieren und nach den Kriterien "grammar, content or creativity" zu vergleichen. Auf diese Weise können sich die Lernenden einen Überblick über die Arbeitsergebnisse ihrer Mitschüler verschaffen und die Produkte aller Schüler werden gewürdigt. Zudem schlüpfen die Lernenden gewissermaßen in die Rolle eines Lehrers, wodurch ihre evaluativen Kompetenzen herausgefordert werden. Zu diesem Arbeitsauftrag wurden mehrere Schülerarbeiten eingesammelt, wobei aus Platzgründen im Folgenden nur eine exemplarisch dargestellt werden kann. Es handelt sich dabei um einen Zeitungsartikel von S 6 . Das Schülerprodukt wird im Original dargestellt, da ihm die Korrekturen und Anmerkungen der Mitschüler, die sie im Laufe des Galeriegangs verfasst haben, entnommen werden können: 305 306 S 6 macht der Textsorte des Zeitungsartikels entsprechend Angaben zu Zeit und Ort und skizziert die Einführungsszene des Romans, in der Matt von zwei Polizeibeamten überraschend aus seinem Klassenzimmer abgeführt wird. Zudem nimmt sie Bezug auf ein zuvor durchgeführtes Rollenspiel, das die Reaktionen und Gespräche von Matts Schulkameraden nach dessen Abführung zum Gegenstand hat und beruft sich auf einen der Mitschüler als Informanten. Sie formuliert schließlich noch offene Fragen und gibt dem Leser den Ausblick, dass in den nächsten Tagen nähere Informationen zu dem Vorfall folgen und man Matt Donaghy persönlich dazu befragen werde (25a). Die Korrekturen und Anmerkungen der Mitschüler im Galeriegang machen deutlich, dass nicht alle Fehler bemerkt und sogar einige Aspekte markiert wurden, die nicht notwendigerweise inkorrekt sind. Die 'Korrekturen' der Mitschüler bedürfen demnach einer abschließenden Kontrolle durch den Lehrer, damit sich keine zusätzlichen Fehler einschleichen bzw. perpetuieren. Die inhaltliche Anmerkung einer Mitschülerin ist dagegen fruchtbarer, wenn sie den Umstand lobend hervorhebt, dass S 6 in ihren Ausführungen Bezug zu den vorherigen Rollenspielen nimmt. Gleich-zeitig macht sie aber auch auf eine inhaltliche Schwachstelle aufmerksam, wenn sie angibt, die Phrase "they are all helpless" nicht zu verstehen (39a). Diese Aussage nimmt vor dem Hintergrund des Romans insofern wunder, als Matt nach diesem Vorfall von all seinen vermeintlichen Freunden im Stich gelassen 307 wird und sie nicht einmal seine E-Mails beantworten, sodass von einem Gesprächsbedarf auf Seiten seiner Klassenkameraden keine Rede sein kann. Die Schülerprodukte werden in der Folge weitgehend in Bezug auf grammatikalische und stilistische Gesichtspunkte besprochen, wobei inhaltliche und kreative Aspekte in der Nachbesprechung keine Berücksichtigung finden. Insofern bleibt die Aufgabenstellung hinter ihrem didaktischen Potential zurück, denn die Anmerkungen der Mitschüler hätten einen Ausgangspunkt für gewinnbringende Diskussionen und Bedeutungsaushandlungen unter den Lernenden sowie für eine inhaltliche Vertiefung bieten können. Eine Alternative zur hier dargestellten Vorgehensweise des Lehrers könnte zudem sein, dass die Lernenden in Gruppen von einer Ausstellung zur nächsten wandern und jeweils ein Gruppenmitglied bei den Arbeitsergebnissen der eigenen Gruppe stehenbleibt, "um das Produkt vorzustellen und Fragen zu beantworten" (G RIESER -K INDEL / H ENSELER / M ÖLLER 2006: 79). Eine solche Vorgehensweise schult die mündliche Präsentationskompetenz der Lernenden, die Inhalte werden im interaktiven Austausch reflektiert und der Grad der Auseinandersetzung intensiviert. Zudem wird die Teamfähigkeit der Lernenden gefördert sowie die Verantwortung für den eigenen Lernprozess gestärkt. A 3 3 *! " # Als weitere produktions- und handlungsorientierte Bearbeitungsform fordert der Lehrer die Schülerinnen und Schüler in der fünften Stunde der Unterrichtseinheit zum imaginativen Füllen einer textuellen Leerstelle in Form eines Rollenspiels auf (5a). 101 Als Ausgangspunkt für eine szenische Interpretation fungiert die Textstelle "They would interview his teachers, and his friends. They would interview classmates who weren´t his friends" aus Kapitel 7 (O ATES 2003: 58). Im Fokus des Rollenspiels stehen mithin die Befragungen von Matts Lehrern, Freunden und Klassenkameraden durch Polizeibeamte in Bezug auf den Vorwurf der Bombendrohung. Um auch die Zuschauer und somit alle Lernenden zu aktivieren, macht der Lehrer die beobachtenden Schülerinnen und Schüler zu Profilern, die hinter einem einseitigen Spiegel sitzen und die Interviews nachverfolgen können, ohne selbst gesehen zu werden. Um den Lernenden zu verdeutlichen, was die Aufgabe eines Profilers ist, verweist er auf die beliebten Fernsehserien 101 Die Aufgabenstellung ist der Reihe Unterrichts-Konzepte Englisch-Literatur Sek. I/ II des Stark Verlages (2006) entnommen. 308 Profiler und CSI hin und bezieht somit nicht nur die lebensweltlichen Erfahrungen der Lernenden mit ein, sondern aktiviert auch entsprechendes Vorwissen, indem er die Aufgaben eines Profilers in einer kurzen Gesprächssequenz rekapitulieren lässt (8a, 28a). Gleichzeitig erzeugt der Lehrer durch seine Hinweise eine fruchtbare Atmosphäre für die Durchführung des Rollenspiels. In der Rolle als Profiler sind die Lernenden angehalten, das Geschehen genau zu beobachten und Notizen zu den Zeugenaussagen anzufertigen. Nach Beendigung der Befragungen erhalten sie schließlich die Möglichkeit, für sie noch offene Fragen über ein Mikrofon an die Polizeibeamten zu stellen, die die Fragen wiederum an die zu Befragenden weiterleiten. Der Lehrer teilt die Schülerinnen und Schüler entsprechend des Arbeitsauftrages in Polizisten, Lehrer, Freunde und Klassenkameraden ein und es entstehen insgesamt vier Rollenspiele, von denen im Folgenden eins dargestellt wird. Das folgende Rollenspiel von S 6 und S 14 stellt die Befragung von Matts Lehrer, Mr. Weinberg, dar, wobei S 6 eine Polizisten verkörpert und S 14 Mr. Weinberg. L Group two, his teachers. Let´s start with the - Mr. Weinberg. (S 6 und S 14 kommen nach vorne und postieren sich für ihr Rollenspiel) 5a S 6 12: 41 Hello. Who are you? 25a S 14 I´m Mr. Weinberg, the English and Drama teacher of Matt. 25a S 6 How long have you been the teacher of Matt? 25a S 14 Oh, it´s maybe about three years ago now. 25a S 6 Do you know anything about Matt´s social circumstances? 25a S 14 Ehm yes, he, he has many friends and there are no real problems him. He . was a nice guy. 25a S 6 Ehm, is he a good pupil? 25a S 14 Yes, I would say he´s a good pupil and he was always motivated at school and there were no problems with him about marks or something like that. 25a S 6 Do you think he would do for what he´s been excused [accused], I mean to blow up the school? 25a S 14 Ehm I don´t think so. As I mentioned before he was always good at school and he had friends and there would be no reason to make an act like bombing the school. So, in my opinion this are just rumors. 25a S 6 I heard he´s often joking. What jokes did he do? Were that all just jokes? 25a S 14 Yes, ehm like ehm young guys do. They are often joking and so I 25a 309 12: 42 don´t think that this was serious meant, but he joked. S 6 So, you think he´s innocent? 25a S 14 Yes. I would say this, yeah. 25a S 6 Ok. Thank you, Mr. Weinberg. 25a S 14 Yeah, you´re welcome. 25a S 10 Do you know anything about the relationship between Matt and his parents? (unverständlich) are some problems or? 25a S 6 (zu S 14 ) Do you know anything about the relationship of Matt and his family? 25a S 14 I never h/ i: / rd bad stuff about it but I´m not in his family so I can´t, can´t say what is happening there in the family, but there were no rumors or stuff like that which mentioned that there were really hard problems between them. I just know that his father is working for a company and he´s, I think he´s often on trips, but I (zuckt mit den Schultern) don´t know anything more. 25a S 15 Ehm, how does Matt behave while normal lessons in school? Is he - what is his behavior in class? 25a S 14 12: 43 Ehm - oh. (eigentlich sollte S 6 erst die Frage stellen, bevor er sie beantwortet) [L: ok] Ehm I would say that he´s trying to follow the, the course and he´s trying to answer the questions. Sometimes he was making jokes but in, in general he´s behaving like the other pupils. 25a S 17 Ehm, as a Drama teacher you were able to teach eh Matt a lot of tricks that he could use to lie, to lie at the Verhör. 25a S 14 12: 44 Ehm, I would say that this was, this was just, we were just acting for a school play and we didn´t make ehm eh something like eh if you are in a agency, you try to avoid making mistakes when you speak or we didn´t say ehm how to, how to survive a lie detector. It was just a normal school play and I won´t think that he, he´, he´s ehm, he can lie now without ehm letting the other people see that he´s lying. 25a S 21 Well, and there was never something strange in his behavior or something that could give an evidence that he will do eh . [S 17 ihm zuflüsternd: such a crime] such a crime? 25a S 14 Ehm, ok, ehm as I mentioned before he was, he´s just a normal guy. Ok, maybe there are, maybe he´s, maybe I, I didn´t see ehm his, his right character but I, I can´t think so. In my opinion he was just a normal guy with normal behavior and so I don´t think that he would commit a crime like that. . 25a L 12: 44 Ok. (signalisiert, dass die Gruppe zurück auf ihren Platz gehen darf; S 6 und S 14 stehen auf) Oh, the policeman actually would say "thank you and bye". 14a [ROLLENSPIEL: POLICE INTERROGATION] 310 S 6 als Polizistin beginnt ihre Befragung des Lehrers damit, zu eruieren, wie lange Mr. Weinberg Matt bereits als Schüler habe, wie gut er ihn kenne und welche Aussagen er über dessen Sozialverhalten machen könne (25a). Mr. Weinberg, der angibt, dass er Matt mittlerweile seit drei Jahren unterrichte, bezeichnet ihn als motivierten und guten Schüler, der viele Freunde habe und noch nie auffällig geworden sei, sodass er die Anschuldigungen als Gerüchte einstufe und ihn als unschuldig ansähe (25a). Nach dem Ende der Darstellung schalten sich die Mitschüler als Profiler selbstständig in das Geschehen ein und stellen ihre Fragen an die Polizistin zur Weiterleitung an den Lehrer (25a). So möchte S 10 wissen (12: 42), ob der Lehrer etwas über Matts familiären Hintergrund und sein Verhältnis zu seinen Eltern wisse (25a). Der Lehrer führt an, dass er nicht viel über seinen häuslichen Verhältnisse wisse bzw. keine Kenntnis über angebliche Probleme habe. Ihm sei lediglich bekannt, dass der Vater für eine Firma arbeite und viel geschäftlich unterwegs sei (25a). S 15 möchte wissen, wie sich Matt in einer normalen Unterrichtsstunde verhalte, woraufhin der Lehrer angibt, dass Matt zwar manchmal scherze, aber im Großen und Ganzen immer dem Verlauf der Stunde folge und versuche, die gestellten Fragen zu beantworten (25a). S 17 hebt mit seiner Anschlussfrage darauf ab, ob der Lehrer als Matts drama teacher diesen darin unterrichte, unbemerkt zu lügen. Der Lehrer weist diese Unterstellung von sich und gibt an, dass es sich im Unterricht lediglich um Schulschauspiele handele und Matt nun wohl kaum in der Lage sei, einen Lügendetektor zu überlisten, um in einem Verhör eine Falschaussage machen zu können (25a). S 21 s Frage bezieht sich darauf, ob der Lehrer in Matts Verhalten irgendetwas Auffälliges habe feststellen können, das einen Hinweis oder einen Beweis dafür liefern könne, dass er eine solche Straftat begehen könne (25a). Der Lehrer beteuert wiederum, dass sich Matt stets normal verhalten habe und er nicht davon ausgehe, dass er eine solche Tat begehen könne (25a). Das Rollenspiel stellt eine intensive Auseinandersetzung mit den Figuren des Romans dar. Die Fragen der Profiler zeugen dabei nicht nur von einer fundierten Textkenntnis, sondern auch vom Einfallsreichtum der Lernenden. So deutet die Frage von S 17 , ob Mr. Weinberg als Matts drama teacher diesen darin unterrichte, erfolgreich und unerkannt zu lügen, auf eine kreative und imaginative Verarbeitung des Gelesenen hin und S 17 unterstellt dem Lehrer mehr oder weniger eine Mitschuld. Die Schüler beteiligen sich insgesamt sehr engagiert an dem Rollenspiel, was auf deren Motivation und Interesse an der Thematik hinweist. Nach Beendigung der Rollenspiele fordert der Lehrer die Lerngruppe auf, die Darstellungen in der Retrospektive zu reflektieren und ihren Mitschülern 311 ein Feedback zu geben (18d). Dabei hebt er sowohl auf die verwendete Sprache als auch auf den Inhalt der Präsentationen ab. L 12: 52 (unverständlich) so proud of having such wonderful policemen here. Ehm, can you give some feedbacks on these four role plays which you just saw? Good ones, bad ones, yes, no, why, why not? [S n : you´re the best] What about language, what about content? (zu S 7 , die sich meldet) S 7 ? 18d S 7 There were good ones. Some had eh many questions and some just a few. 39a L Mmh. (zu S 14 , der sich meldet) S 14 ? S 14 What I think which all have in common that there were, that there was nothing surprising. All hold on the, on the, the book. There was no one who said something special or surprising. 39a L So, it was not really inventive. It was only referring to the book. [FEEDBACK ROLLENSPIELE : POLICE INTERROGATION] S 7 gibt an, dass einige Rollenspiele gut gewesen seien und in manchen im Gegensatz zu anderen viele Fragen zutage getreten seien (39a). S 14 merkt hinsichtlich der Inhalte der Rollenspiele an, dass keines der Rollenspiele irgendetwas Überraschendes oder Besonderes zur Darstellung gebracht hätte und sich alle Gruppen stark am Roman orientiert hätten (39a). Auch wenn diese Aussage nicht ganz zutreffend ist und insbesondere einige Fragen der Profiler durch Kreativität und Imagination geprägt waren wie etwa die Frage von S 17 (12: 43), ob Mr. Weinberg als drama teacher Matt beigebracht hätte, zu lügen und dabei nicht nur von Matts Schuld ausgeht, sondern auch dem Lehrer eine Mittäterschaft unterstellt paraphrasiert der Lehrer diese Aussage überraschenderweise dahingehend, dass die Rollenspiele nicht wirklich einfallsreich gewesen seien und sich inhaltlich stark am Roman orientiert hätten. Damit wertet er die Rollenspiele insgesamt ab und lässt diesen Umstand auch nicht durch die Einholung weiterer Meinungen relativieren. Insgesamt wäre es an dieser Stelle interessant gewesen, noch weitere Stimmen zu hören und die recht kurze Feedbackrunde nicht auf dieser negativen Note zu beenden. Das kreative Füllen von Unbestimmtheitsstellen im Text verlangt von den Lernenden eine genaue Textkenntnis sowie ein durch Perspektivenwechsel begleitetes Einfühlen in die betreffende Situation sowie die Übernahme der entsprechenden vom Text vorgegeben Rollen. Dadurch werden die kognitiven, affektiven, sozialen und interaktiven Fertigkeiten der Lernenden gefördert. Darüber hinaus bietet die szenische Interpretation eine Fülle von Anlässen, um die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse von Schülerinnen und Schülern anzuregen und auch zu bewerten. […] Die Schüler 312 sprechen, schreiben und agieren in unterschiedlichsten Situationen und zeigen dabei, wie sie mit dem Text und ihrer Rolle umgehen. (S CHELLER 2004: 263) Szenische Leerstellen bieten "Spielräume für eigene Vorstellungen" (ibid.) und ermöglichen es den Lernenden, sich den Text persönlich anzueignen sowie ihre individuellen Interpretationen mit denen ihrer Mitschüler auszuhandeln. Die Aufforderung an die Mitschüler, die Rollenspiele in der Retrospektive zu kommentieren, soll einen großen Beteiligungsradius gewährleisten und die Verbindlichkeit der Aufgabenstellung erhöhen. Das Feedback der Mitschüler zu den oben dargestellten Rollenspielen fällt allerdings sehr knapp und oberflächlich aus, sodass es hinter seinem didaktischen Potenzial zurückbleibt. Während sich die Aussagen der Mitschüler auf strukturelle und inhaltliche Gesichtspunkte beziehen, hebt der Lehrer abschließend auf die schauspielerische Leistung der Lernenden in Form der verwendeten Gestik, Mimik und Intonation ab und würdigt insbesondere die Darstellung der Polizeibeamten. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Lernenden bei der Durchführung der Rollenspiele erfolgreiche Perspektivenwechsel und -übernahmen vollziehen und eigene Fragen an den Text und an die Spielgruppe formulieren, was im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik einen subjektiven Zugang zu dem Roman begünstigt. Durch den Beobachterauftrag an die Profiler trägt der Lehrer dafür Sorge, dass die Schülerinnen und Schüler selbstständig miteinander interagieren und gemeinsam Bedeutungen aushandeln. Schließlich sind die Rollenspiele von einer engagierten Mitarbeit der Lernenden geprägt und zeugen von einer fundierten Textkenntnis. A 3 ; 9 5 ! # $ $ % Nach den Rollenspielen in der fünften Stunde erhalten die Lernenden in Anknüpfung daran und im Sinne einer Stringenz der Aufgabensequenz den Auftrag, in der Rolle eines Profilers eine Beurteilung bzw. ein Gutachten darüber anzufertigen, ob Matt die Bombendrohung ernst gemeint hat und einen Bombenanschlag geplant hat. Dazu teilt der Lehrer ein Arbeitsblatt aus der Reihe Unterrichts-Konzepte Englisch-Literatur des Stark-Verlags (2006) aus und erläutert den Arbeitsauftrag: L 12: 54 You´re topic or your task for being a professional profiler is, what is your suggestion? You do not know Matt personally. You only have the statements. You´ve walked through the cafeteria. You´ve never seen a bomb. You got all these pieces of information so what is your suggestion? Did Matt plan this bomb threat? Or maybe it was only a rumor. You should be really precise in your explanations. So 5a 313 12: 55 actually (zeigt auf das Handout, das er in der Hand hält) it´s this task down here. From the notes you have taken about Matt Donaghy and the psychological profile of a bomber, (zeigt auf Handout) which is the text over here, assess whether Matt is likely to have made the bomb threat. Give a detailed and well reasoned account of your assessment. So, if you say Matt build this bomb. This is definitely not enough. So, it should be really well argued. Ok? […] [KREATIVER SCHREIBAUFTRAG: PSYCHOLOGICAL PROFILE] Durch das Arbeitsblatt und dessen Erläuterung stellt der Lehrer für die Bearbeitung des kreativen Schreibauftrags nicht nur die entsprechenden Redemittel bereit, sondern gibt auch einen genauen Erwartungshorizont vor. Zu dieser Aufgabe wurden drei Schülerprodukte eingesammelt, die im Folgenden unkorrigiert und unbearbeitet dargestellt werden: S 13 In my opinion Matt is not likely to have made the bomb threat because not many of the typical traits of a bomber fit to him. He is a sociable, popular, well-liked boy. But on the other hand he always wants attention and he is intelligent. I guess you can leave "want attention" out because his schoolmates and his teachers say that he is only joking all the time and maybe not just showing off. And there are no hints that he uses his intelligence to try some bomb stuff experiment. Also nobody of the asked witness watched that he tries to get power or that he wants to dominate others. So all in all I want to conclude that he is a normal youth and in my opinion we should give him freedom back. S 13 nimmt in seinem assessment explizit Bezug zu den auf dem Arbeitsblatt genannten Charaktereigenschaften eines Bombenlegers und bestreitet vor diesem Hintergrund die Wahrscheinlichkeit, dass Matt in der Lage sei bzw. intendieren könnte, die Schule in die Luft zu sprengen. Er charakterisiert Matt vielmehr als beliebten, kontaktfreudigen und intelligenten Schüler, der gerne scherze. Zudem gäbe es keine Hinweise dafür, dass Matt seine Intelligenz dafür nutzen würde, mit Bomben zu experimentieren oder Macht über andere zu gewinnen. Deshalb zieht S 13 das Fazit, dass es sich bei Matt um einen normalen Teenager handele, dem man seine Freiheit zurückgeben sollte (25a). S 21 After having heard the teachers and friends of Matt, I actually don´t think he´s built a bomb. Maybe Matt wants attention but many people want that. In opposite of a bomber´s profile, he´s a sociable person, he´s got a lot of friends and no one has ever seen him practicing how to build a bomb. Everyone, except the two children 314 who called the police and didn´t even know him, thought he could be able to do such a thing. And - what matters more - there was never found a gun or a bomb or even something he could use to make a gun or a bomb. So I don´t think he´s done it because there isn´t any evidence except two girls who say they´ve heard him talking about he would do this. S 21 rekurriert in seiner Beurteilung sowohl auf die gesehenen Rollenspiele als auch auf die Merkmale eines Bombenlegers. Wie S 13 ist er der Überzeugung, dass Matt nicht die Intention habe, eine Bombe zu bauen und andere in Gefahr zu bringen, da seine Charaktereigenschaften nicht mit denen eines Bombenlegers korrespondierten und es keinerlei Beweise für die Anschuldigungen gäbe. Allein die zwei senior girls, die Matt nicht einmal wirklich kennten, seien für die Verbreitung dieses jeder Fundierung entbehrenden Gerüchts verantwortlich (25a). S 5 In my opinion Matt isn´t likely to have made the bomb threat because most of the people who would do this have social problems and are outsiders and violent, but Matt has no social problems, he has friends and is no outsider. Matt is a person who loves to make fun and that´s the reason why he can be misunderstood. Wie S 13 und S 21 kommt auch S 5 zu dem Ergebnis, dass Matt die Bombendrohung wohl nicht begangen habe, da Matt im Gegensatz zu einem typischen bomber keine sozialen Probleme habe und kein Außenseiter sei. Die Tatsache, dass Matt gerne spaßt, sei wohl ein Grund dafür, dass er missverstanden werden könne (25a). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Lernenden explizit Bezug auf die gesehenen Rollenspiele nehmen und die Aufgabenstellung somit einer vertieften Verarbeitung der kreativen Schülerleistungen dient, da sie für die Erstellung des psychologischen Profils von Matt herangezogen werden. Gleichzeitig fördert die Aufgabe die Schreibkompetenzen und die evaluativen Fähigkeiten der Lernenden. Die Schülerinnen und Schüler erhalten in der Folgestunde erneut den Auftrag, die Produkte ihrer Mitschüler in Form eines Galeriegangs zu begutachten und nach den Kriterien "dramatical aspects, linking phrases, spelling mistakes and grammar" zu beurteilen. Anschließend sucht der Lehrer im Unterrichtsgespräch zu einem intersubjektiv nachvollziehbaren Ergebnis zu gelangen, indem er abstimmen lässt, wer von den Lernenden davon ausgeht, dass Matt den Bombenanschlag geplant habe. 315 L 10: 03 Who of you thinks Matt is a bomber? . Who of you says Matt is innocent? (die meisten SuS melden sich) Can you give us some reasons why is Matt innocent? (zu S 14 , der sich meldet) S 14 ? 4c/ d/ e, 17a, 13a S 14 10: 04 Ehm, he is always joking and so the accusing that he would have planned it [L: the accusation], the accusation is just said on a, on a joke and there are witnesses ehm, ok although there are witnesses who say that he meant it seriously, there are also witnesses who say that this was just a joke and that you can hear it and the other friends ehm also thought that it is a joke and there were, and the witnesses who says, who accuse him ehm didn´t hear it in the content. They just walked across the group and they just heard bomb thr/ i: / t [L: thr/ e/ t], thr/ e/ t, so ehm and also it´s, it´s not, it´s not, it´s not right to keep a young boy for so much time out of school only because of rumors or accusing. 24c/ d/ e Bewertung L Mmh. Die Anklage beruht auf einem Witz. In English! Die Anklage beruht auf einem Witz. (zeigt auf S 13 , der sich meldet) 14a, 11a, 13a S 13 The accusation is based on a joke. 30a L Very good. Good English, yeah. Ok. (zeigt auf S 17 , der sich meldet) 14e, 13a S 17 And Matt ehm had never really big problems in school and so there´s no reason why he should blow it up. 24c/ d/ e L Mmh. (nickt S 7 zu, die sich meldet) 14a, 13a S 7 10: 05 He does not need to get attention by eh, yeah, saying that he wants to blow a bomb up the school [L: blow up the school], yeah, he has many friends and with his comic character he also, yeah, gets a lot of friends and. 24c/ d/ e L Mmh. (nickt S 22 zu, der sich meldet) 14a, 13a S 22 Yeah, he doesn´t have social problems. Usually bombers have social problems. He doesn´t have friends are being nicht mobbed, sondern wie heißt das? - [S n / L: bullied] or bullied or something like that and (SuS lachen) and that´s not the case. 24c/ d Keine sozialen Probleme L Maybe we can call them outsiders or [S 22 : yeah]…but I wouldn´t be - I would pay attention because there are cases where regular students bomb schools or ehm had an (unverständlich) at schools, so you can say in most cases. Do not say all of them. (zu S 20 , der sich meldet) Yeah? 14d, 13a S 20 Nobody describes him as very courageous so he might be somewhat too cowardish to handle a bomb or to build it. 24c/ d lacking courage L Mmh, good. (nickt S 14 zu, der sich meldet) 14a/ e S 14 And I think if this would be an example for a whole justice [L: if 324e 316 10: 06 this were] were, ehm everyone could be in prison because of denunciations. L Ins Gefängnis stecken. The verb is "to…"? Not to be prisoned. 11a S 21 Imprisoned. 30a L To imto be imprisoned. Ins Gefängnis stecken, yeah. (zu S 7 , die sich meldet) S 7 ? 11a, 13a S 7 Ehm, his interests are in drama and creative writing, not in how to eh build a bomb. 24c/ d L (zu S 5 , die sich meldet) S 5 ? 13a S 5 I don´t think that he has any reasons to build a bomb, so he´s only making fun of it. 24c/ d L (zu S 6 , die sich meldet) S 6 ? 13a S 6 Ehm, he wasn´t / w/ iolent before… 24c/ d L He wasn´t? 14f S 6 He was not / w/ iolent ehm before and so [L: ok, / v/ iolent], / v/ iolent. 24c/ d L Not, / w/ iolent, / v/ iolent. [S 6 : ok] / V/ iolent, everybody! 15a SuS (alle im Chor) / V/ iolent. L Again. SuS (alle im Chor) / V/ iolent. L I do not hear the "f" at the beginning. SuS (alle im Chor) / V/ iolent. L Ok. (nickt S 17 zu, der sich meldet) 14a, 13a S 17 10: 07 I would say, of course, he´s a very ehm powerful and dominant person but eh I wouldn´t say he use the-, uses these facts to blow something up. 24c/ d L Mmh. So you all agree he was innocently accused of this bomb threat? Ok. So this Matt, our first encounter with Matt. 14a, 21 [GEMEINSAME EVALUATION: IS MATT A BOMBER? ] Die Schülerinnen und Schüler sind einhellig der Auffassung, dass Matt den Bombenanschlag nicht geplant habe. Für ihre Argumentation stützen sie sich wiederum auf das ausgehändigte Arbeitsblatt sowie auf die schriftlichen Produkte ihrer Mitschüler, wenn sie darauf verweisen, dass Matt keine schwerwiegenden Probleme in der Schule (S 17 ) bzw. insgesamt keine sozialen Probleme habe (S 22 ) und es sich bei der Aussage vielmehr um einen Witz gehandelt habe (S 14 ), was auf seinen comic character (S 7 ) zurückzuführen sei (24c/ d). Allein S 20 liefert einen anderen Erklärungsansatz für Matts Unschuld, insofern er auf seinen mangelnden Mut verweist, eine Bombe zu bauen (24c/ d). Insgesamt führt die Aufgabensequenz zu einem tiefgreifenden Verständnis der Figur Matt, wie sie in den ersten Kapiteln zum Tragen kommt. Die 317 einzelnen Tasks bauen dabei sinnvoll aufeinander auf, stellen eine wohl durchdachte Progression dar und begünstigen nicht nur einen subjektiven Zugang der Lernenden zum Text, sondern initiieren auch Bedeutungsaushandlungen unter den Lernenden, die schließlich in einer intersubjektiv nachvollziehbaren Interpretation der Figur Matt und seiner Motive münden. Insofern vermag die Aufgabensequenz textanalytische, kreative und intertextuelle Bearbeitungsformen nutzbringend miteinander zu verweben. Zudem trägt der Lehrer für eine konsequente Spracharbeit Sorge, indem er auch solche Sequenzen immer wieder einbaut. A 3 = D ! 4 G! Nach dieser detaillierten Erarbeitung der Figur Matt lenkt der Lehrer der Aufmerksamkeit der Lernenden auf die zweite Hauptfigur des Romans, Ursula Riggs/ Ugly Girl, und fordert sie im Sinne einer textanalytischen Vorgehensweise auf, Ursula vor dem Hintergrund der Seiten 8 bis 22 zu charakterisieren. L And our detective S 15 yesterday (unverständlich) that Ursula has got a split character. She seems to be a bit strange. Ehm, today´s lesson is good for finding out what Ursula is about so you know her both sides. The first side is called or she calls herself ehm Ursula und you’ve got the second side of the coin ehm which is called "Ugly Girl" obviously. Ehm you can find many pieces of information on the pages 8-22. And you have marked many things. What you should do now is: find out which piece of information belongs to which part of Ursula? Before you start read these pages (teilt Handouts aus). We will read together how to characterise a person because this is exactly what we do. 3b, 4c [ARBEITSAUFTRAG: CHARAKTERISIERUNG URSULA/ UGLY GIRL I] Wie in Kap. 8.4.5 zur Erstellung eines psychologischen Profils teilt der Lehrer als scaffolding ein Arbeitsblatt zum Verfassen einer Charakterisierung aus. Damit stellt er wiederum nicht nur die entsprechenden Redemittel bereit, sondern gibt auch einen genauen Erwartungshorizont für die Bearbeitung vor. Um zu gewährleisten, dass allen Schülerinnen und Schülern die Kriterien für das Erstellen einer Charakterisierung präsent sind, lässt er das Arbeitsblatt "How to write a characterisation", das abermals der Reihe Unterrichts- Konzepte Englisch-Literatur des Stark-Verlages (2006) entnommen ist, laut vorlesen: MA 5 How to write a characterisation If you are asked to write a profound characterisation of a character in the book, it 318 will be helpful to proceed according to the guidelines suggested below. Start off with some Preparatory work 1. Mark the appropriate passages in the text where the person in question is described and/ or characterised. 2. Sort the information you find in the marked passages according to the following aspects: a. outward appearance (looks, physique/ physiognomy, clothing …) b. biographical data (gender, age, social status …) c. character traits, patterns of behaviour, temper, habits, abilities d. thinking and thought(s) (in the sense of ideas) e. feelings, perceptions, views and attitudes, drives and needs, experiences f. language, way of speaking g. (social and emotional) relationships with other characters in the book Writing a characterisation/ interpretation When you have collected as much information as possible, put the different pieces together to get a lively and credible picture of the character you are working on: 3. List and comment on all the information the text passages offered (mainly concerning appearance, and behaviour). Use quotations and examples from the text. 4. Relate the specific information on the individual character to the information and the other characters in the book, possibly referring to these questions: a. How does the person see/ perceive him-/ herself? b. How is he/ she seen/ perceived by other characters? c. How does he/ she appear to/ What impression does he/ she give to the reader (through deeds, opinions etc)? d. Is there any character development in the course of the book? 5. 6. The answers to the next questions finally lead you to an explanation or an interpretation of the character and allow you to draw conclusions about the author`s intention: a. How can the person´s character, behaviour and development be explained? b. What is the character´s meaning/ importance for the book? c. Why did the author create this person that way? What could have been the author´s intention to choose/ present such a character? A written characterisation can be prepared by brainstorming or creating a character profile based on keywords, applying adjectives and character traits to a chosen character from the book. 319 Nach dem gemeinsamen lauten Lesen der Hinweise und Richtlinien zum Verfassen einer Charakterisierung erläutert der Lehrer das Arbeitsblatt und die weitere Vorgehensweise: L 10: 12 10: 13 Ok, so, you just read about characterisation. It should be a gathering, a collection of as many pieces of information as possible. This is why I told you "mark everything you find out about Ursula and Matt". Ehm, the problem might be that you start your characterisation with "from my point of view…", this would be definitely incorrect. So you start with telling the reader something some facts which you can find out in the text. This is the first one. And, of course, you´ve organised your pieces of information which is number two. And then you start interpreting the character. Ok, then you can follow this list. First of all, mention what you´ve found out. So, make a list and give, as you know how to quote, give the line or the page where you found the piece of information. Ok? Good. Start working. You can work in groups of about four. So you can work together but everybody should have a list in his or her exercise book afterwards. 3b, 4c 10: 14- 10: 19 (Gruppenarbeit) S 17 I`ve got a question. The facts are kind of difficult because we, yeah, we have to characterise two personalities. 34 L 10: 20 That´s right. But it is one person, but you´re right. So this means, list them up in two columns. So you will see that she´s a split character. You already know this but you´ll find evidence for this now. 12 S 17 Ok. 37a L 10: 21 If you have much time it´s no problem if you go on reading up to the end of the book if you wish to. But you shouldn´t forget to mark everything which is remarkable and mark it and give it a headline at this side. Give it a note that you know what kind of aspect you just marked. But you don´t have to go on reading up to the end. Only if you´ve got time. 12 [ARBEITSAUFTRAG: CHARAKTERISIERUNG URSULA/ UGLY GIRL II] Die Lernenden erhalten den Arbeitsauftrag, in Gruppen den Text erneut nach wichtigen Informationen zu Ursula bzw. Ugly Girl zu scannen und die entsprechenden Passagen zu unterstreichen (3b, 4c). Hiermit unterstützt der Lehrer den Einsatz von Lesestrategien auf Seiten der Lernenden und fördert deren Methodenkompetenz. Als Hausaufgabe sind die Lernenden angehalten, vor dem Hintergrund des Arbeitsblattes und der in Gruppen gefundenen 320 Informationen, eine schriftliche Charakterisierung zu Ursula/ Ugly Girl zu verfassen. Der genaue Arbeitsauftrag lautet wie folgt: "Find out information about Ursula (pages 8-22),[list them up in columns],write a characterisation on Ursula, go on reading chapter 10-24, [mark information on Ursula and Matt])." Insgesamt bauen die einzelnen Arbeitsschritte sinnvoll aufeinander auf und unterstützen den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler im Sinne eines scaffolding. Im Folgenden wird exemplarisch das schriftliche Schülerprodukt von S 7 originalgetreu wiedergegeben. Es handelt sich hierbei um ein sehr positives Beispiel, um zu veranschaulichen, wozu Lernende einer 11. Jahrgangsstufe schriftlich zu leisten imstande sind, wenn sie entsprechend angeleitet werden und die notwendige Unterstützung erhalten. Characterisation of Ursula Riggs Ursula Riggs, 16 years old, is a very tall girl - almost six feet three and dresses carelessly: jeans, which she sometimes wears for weeks, loose-fitting men shirts, has gold studs and usually wears a Mets cap so she has a funky-formal look (p. 22). She lives with her mother and her little sister Lisa together in a house. Her father works in a Corporation, is the boss of some kid´s fathers at her school and travells a lot. The Rocky River Nature Preserve is Ursulas favourite place (p. 12). She is "able to be a good academic student" (p. 9) but has grades from A+ to F. Her favourite teachers are Ms. Zwilich and Mr. Weinberg (p. 11). Ursula does not have many friends also because she thinks that "when you like people you can be hurt" (p. 10). Her mother and sister are one of them, Bonnie LeMoyne and Eveann McDowd are her friends at school although Ursula does not care about them much. Ursula is "self-conscious about her body", so she "hates changing clothes in the locker room" (p. 12). She is a coward and fears other things and the future (p. 12) which is her socalled "Inky Black-mood" (p. 11). This is one side of her splitted mind. The other part is the "Fiery Red-mood". In the Fiery Red-mood she is Ugly Girl, a warriorwoman (p. 12) who does not care about school, friends, other people and if she is liked or not. She has these Ugly-Girl-Genes from her dad (p. 51). Ugly Girl wishes to reply [rely] upon herself more, often stands alone and "crucial facts of her life are boring to others" (p. 9, 18 and 22). She started to hate lots of people she liked, like her grandmother (p. 10). One of her principles is "Do not Quarrel with the Enemy Unless Cornered", and she really loves basketball. Ugly Girl used to be a swimmer-diver in 7th to 8th grade which was her "happiest time" until she did not like her body anymore. She is one of the best athlets at school and the captain of the girls´ basketball team since junior year. Her coach, Ms. Schulz, is one of very less people she respects in the opposite to her mother who she hates sometimes as Ugly Girl (p. 49). In some cases Ugly Girl does not care about what her mother tells her or wants her to do (p. 67) and does not like that Lisa is "everybody´s favourite" (p. 51). She gave up the hope that her parents would ever come to see her playing basketball which makes her sad but Ugly 321 Girl never shows feelings so for example nobody would ever see Ugly Girl cry. Ugly Girl does not know Matt Donaghy, the main character, very well although she is a witness for Matt and defends him (p. 65) because she thinks that "it is her duty" to speak up for Matt (p. 74). I think she is a bit strange because of her splitted mind, but on the other hand I can understand her why she has this splitted mind. It is not easy if you are different from other people but in my opinion Ursula should accept her body and try to get friends otherwise she will be a loner her hole life. I guess if she tries to be friendly to other pupils, dresses more fashioned and tries to adapt herself she will get along with the other pupils much better. I suppose Matt Donaghy will change Ursula a bit so that she won´t be so cold to him and gets other feelings, maybe for her new feelings towards him. These might be feelings that have been piled up (= aufgestaut) over years: affection (= Zuneigung), desire for attention and interest in Ursula and her emotions. The character is very important for the book. She is one of the main characters and is in a similar situation as the other main character Matt Donaghy but for much longer: she does not really have friends, is different from the other pupils/ girls at school (tall, many muscles, …), not very liked at school and is not important for the other pupils. If you ask me the author created this person that way because in every school are outsiders or pupils who are not as famous/ liked as others. Probably he has created Ursula that way because he needed her for Matt because he gets an outsider and needs real friends or a person who helps him no to get completely desperated. S 7 beginnt die Charakterisierung Ursulas gemäß der auf dem Arbeitsblatt aufgeführten Kriterien mit biographischen Daten, Angaben zu Ursulas äußerer Erscheinung und ihren familiären, sozialen und schulischen Verhältnissen (23b, 24c). Es folgen Hinweise auf Ursulas Selbstbild, das etwa durch Komplexe in Bezug auf ihren Körper geprägt ist, und ihre Gefühle und Emotionen, die sie selbst in "Fiery-Red" und "Inky Black" einteilt. Ursula sucht ihre Komplexe und Ängste durch ihr selbst benanntes Alter Ego Ugly Girl, das keine Ängste hat und nichts darauf gibt, was andere über sie denken und sagen, zu überwinden. S 7 nennt im Folgenden zahlreiche Charaktereigenschaften, wobei Ursula und Ugly Girl klar voneinander abgrenzbar sind. Im weiteren Verlauf thematisiert S 7 Ursulas Verhältnis zu Matt Donaghy und formuliert die Hypothese, dass sich Ursula durch das Verhältnis zu Matt im Verlauf des Romans ändern werde ("I suppose Matt Donghy will change Ursula a bit…") (24d). Zudem artikuliert S 7 Empathie für die Figur Ursula und ihre Situation, interpretiert ihre Darstellung im Roman, unterzieht sie einer Evaluation und Bewertung und bringt schließlich potenzielle Lösungsmöglichkeiten für eine Veränderung ihrer Situation zum Ausdruck (24d/ e/ f). S 7 beschließt ihre Charakterisierung mit Hypothesen zu einer möglichen 322 Intention des Autors, indem sie auf eine Transferierbarkeit der Thematik abhebt. Methodisch bleibt festzuhalten, dass S 7 ihre Quellen konsequent mit der entsprechenden Seitenangabe belegt und der Lehrer durch den Arbeitsauftrag das Bewusstsein der Lernenden für wissenschaftspropädeutische Aspekte schärft und ihre Schreibkompetenzen in Bezug auf das Verfassen wissenschaftlicher Hausarbeiten fördert. Die Schülerinnen und Schüler werden aufgefordert, die Charakterisierungen ihrer Mitschüler in Form eines Galeriegangs zu lesen und nach den Kriterien "grammar, correctness" und "style" zu beurteilen. Im sich anschließenden Unterrichtsgespräch fordert der Lehrer die Lernenden auf, ihre Beobachtungen zu verbalisieren. Es stellt sich heraus, dass sich die meisten Schüler auf das Kriterium "grammar" konzentriert haben und S 14 führt etwa an, dass er viele Performanzfehler entdeckt habe ("It were mainly easy faults, which were often made by - ehm because we weren´t so concentrated."). Allein S 7 äußert sich zum Inhalt der gelesenen Charakterisierungen und merkt kritisch an, dass in den meisten Charakterisierungen das Verhältnis zwischen Ursula und anderen Figuren des Romans nicht thematisiert worden sei ("I think in the most texts the, the relationship between the character and other characters wasn´t really described."). Der Lehrer untermauert die Aussage von S 7 dahingehend, dass es sich hierbei um einen wichtigen Aspekt handele ("This is a main aspect. So how does Ursula behave in society, in class, with her friends or in her sports team? ") und bricht die Gesprächssequenz zur Evaluation der Charakterisierungen mit dem Hinweis ab, dass man zu einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen werde. Leider versäumt es der Lehrer aus Zeitgründen, die Charakterisierung im weiteren Verlauf der Unterrichtseinheit noch einmal aufzugreifen. Nach dem Verfassen der Charakterisierungen von Ursula/ Ugly Girl wiederholt der Lehrer im Sinne der Methodenkompetenz die Kriterien für das Schreiben einer Zusammenfassung (present tense, no details, no personal opinion, no quotations, introduction) und teilt jedem Schüler ein Kapitel des Romans zu, das er in drei bis fünf Sätzen zusammenfassen und per Email an S 5 schicken soll, damit sie daraus ein Gesamtdokument erstellen und an alle Lernenden weiterleiten kann. Da die meisten Lernenden diesen Schreibauftrag nicht fristgerecht erledigen, können die Produkte hier leider nicht dargestellt und besprochen werden. 323 A 3 C 5 . & ! ! Zur Vertiefung des Beziehungsgefüges innerhalb der Familien Riggs und Donaghy wählt der Lehrer eine weitere schüler- und handlungsorientierte Bearbeitungsform, indem er die Lernenden auffordert, die Figurenkonstellation in Form eines Standbildes (freeze frame) darzustellen. Die Methode ist für viele der Lernenden neu, sodass der Lehrer zuvor genau erläutert, wobei es sich bei einem Standbild handelt. Der Lehrer führt aus, dass ein Gruppenmitglied der sog. 'Baumeister' sein wird, der sich eine Situation und das entsprechende Standbild ausdenkt und insgesamt die Verantwortung für die Darstellung übernimmt. Die Mitschüler werden aufgefordert, ihre Augen zu schließen, während die zu präsentierende Gruppe ihr Standbild erstellt. Sobald das Standbild fertig gestellt ist, erteilt der Lehrer den Hinweis, dass sie ihre Augen wieder öffnen können, um das Standbild zu beschreiben. Im Anschluss daran erhalten sie die Möglichkeit, die Gruppe zu ihrem Standbild bzw. die Figuren etwa nach ihren Gedanken und Gefühlen zu befragen: "So, how do you feel? What do you think about your sister? " Insgesamt entstehen zu dieser Aufgabenstellung vier Standbilder, wobei aus Platzgründen im Folgenden nur eins dargestellt werden kann. Das folgende Standbild zu Familie Riggs wird von S 1 (Ursula), S 8 (Lisa), S 12 (Ursulas Mutter) und S 20 (Ursulas Vater) präsentiert, wobei es sich bei S 11 um den Baumeister handelt. L 12: 49 12: 50 Ursula Riggs` family number two. Everybody else, please close your eyes again. (Die Gruppe bestehend aus S 1 , S 8 , S 11 , S 12 und S 20 kommt nach vorne und baut ihr Standbild auf. S 11 ist der "builder": S 12 steht in der Mitte mit ausgestreckten Armen vor S 8 , die eine Grundpose aus dem Ballett, i.e. die Auswärtsdrehung der Beine aus dem Hüftgelenk (en dehors), eingenommen hat. S 1 steht links von ihnen abgewandt, hat eine Kapuze ins Gesicht gezogen und schielt zu S 12 und S 18 hinüber; S 20 hat ein Telefon und eine Aktentasche in der Hand und steht ein Stück weiter rechts mit dem Rücken zu den anderen. L schnippst mit den Fingern und die Mitschüler öffnen wieder ihre Augen) 5a, 28a L (zu S 4 , die sich meldet) S 4 ? 13a S 4 I think, S 12 is… 39a L First describe what you see. 12 S 4 12: 50 Ok. Lisa (unverständlich) and Ursula turns away but looks back to her family. Ehm the father telefoniert? [L: phones] and the mother some kind turns into Lisa´s direction. 37a, 39a L So, who´s Lisa and who´s the mother? What do you think, S 4 ? 17a 324 S 4 She´s Lisa, S 12 is the mother ehm or is it no, it´s the father. 39a L S 20 over there with the phone? [S 4 : yeah] So, S 20 the father. S 8 is? 14f S 4 Lisa. 39a L S 12 is? 14f S 4 Ehm, the mother. 39a L And S 1 ? 14f S 4 Ursula. 39a L S 1 , are you Ursula? 14f S 1 Yes, I am. 37a L Ok. What are you doing at the moment, Ursula? 14a, 4c S 1 I´m j/ i: / leous of my sister that she gets more attention than I. 25a, 24c L S 17 ? 13a S 17 12: 51 Ehm, I´ve got a question to S 12 , the mother. What are you going to do the next moment? (SuS lachen) 39a L Come on, you´re (unverständlich) have to say more about this scene. 12 S n No, it´s great so… 37b L Father, what are you doing? 14f S 20 I´m phoning with a very important person and I´m krieching in den Arsch. (SuS lachen) 25a, 24c L So, you´re a very professional business man, then? 14f S20 A very professional business man with a cell phone and a Aktentasche. (SuS lachen) 25a, 24c L (zu S 9 , der sich meldet) S 9 ? 13a S 9 Lisa, why are you standing like this? 39a S 8 Because I come from ballet and I want to show my mother some new move I learned. 25a, 24c, 28a S n How can she hug you when you´re dancing? 39a S 8 12: 52 She´s very happy because I show, I show her only one move and I´ve finished after this and then she can hug me. 25a, 24c S 15 Your mother has really short hairs (die Mutter wird von einem Schüler dargestellt; SuS lachen). 42 L (zu S 2 , die sich meldet) S 2 ? 13a S 2 Mother, what are you doing about your husband´s distance? 39a S 12 Ehm, there´s no other way to make money and so, yes. (SuS lachen) 25a, 24c L Ursula, why don´t you go to ballet? If your mother is interested in you then, go to ballet. 4c S 1 I want to play basketball and I want to get attention from her . [L: 25a, 325 mmh] for playing. 24c L (zu S 5 , die sich meldet) S 5 ? 13a S 5 S 20 , are you interested in your family at all? 39a S 20 12: 53 When I come home I´m very tired and I don´t really know much things about my history, the whole sit-, eh family (SuS lachen)… 25a, 24c L (zu S 7 , die sich meldet) S 7 ? 13a S 7 Lisa, what do you think about Ursula? Do you feel sorry for her? 39a S8 A little bit because she´s my big sister . and she´s kind of a role model for me and yes I eat vegetarian [L: I eat vegetables, I`m vegetarian], vegetarian because my sister is too and yeah I want a little bit like her [L: you want to be], want to be a little bit like her. 25a, 24c L (zu S 17 , der sich meldet) S 17 ? 13a S 17 Yeah, mum, have you ever hugged Ursula after playing basketball? Eh, no [L: after she was playing], after she was playing. 39a S 12 No, not really. 25a, 24c S 17 Why? 39a S 12 12: 54 I think she (unverständlich) on her own. I think she don´t need me anymore. 25a, 24c L (zu S 4 , die sich meldet) S 4 ? (in Bezug auf das zuvor Gesagte) Hard statement. 13a/ d S 4 Ursula, are you angry the most with your father or your mother or your little sister? 39a S 1 It´s all of my family. I´m depressed and I don´t want to live any longer. (SuS lachen) 25a, 24c L Lisa, if you had the chance to say one sentence to your sister, what would you say? 4c S 8 Ehm . we love you and we´re always there for you and we can talk everyday if you want to, (SuS lachen) whenever you want. 25a, 24c L Ursula, if you had the chance to say one sentence to your sister, what would you say? 4c S 1 12: 55 (in Bezug auf das von S 8 zuvor Gesagte ungläubig) What? Your whole life you ignore me and now I want to get support? 25a L (zu S 17 , der sich meldet) S 17 ? 13a S 17 Lisa, do you really ignore your sister? 39a S 8 No. (lacht) 37b L Ok. No more questions. Thank you very much for these really useful freeze frames. 14a [STANDBILD: FAMILIE RIGGS] Das Standbild verdeutlicht, dass sich Ursula lokal wie emotional außerhalb des familiären Beziehungsgefüges befindet, während ihrer Schwester Lisa die 326 ganze Aufmerksamkeit der Mutter zuteilwird (25a). Der Vater ist als Geschäftsmann viel beschäftigt, sodass das Familienleben weitgehend an ihm vorbeiläuft. Die Lernenden greifen für die Umsetzung des Standbildes nicht nur auf ihre Textkenntnis, sondern auch auf ihr Weltwissen zurück. So integriert S 8 eine Grundpose, die ihr aus dem Ballett bekannt ist, um Ursulas Schwester Lisa authentisch darstellen zu können (28a). Neben der Beschreibung des Standbildes und dem Ziehen von Inferenzen, wer wen im Standbild verkörpert, machen die Mitschüler von ihrer Möglichkeit Gebrauch, die Darsteller zur Bauweise ihres Standbildes zu befragen, die daraufhin nicht nur angehalten sind, ihre Posen argumentativ zu begründen, sondern auch ihre Gedankengänge und Gefühle zu beschreiben (24c/ d, 39a/ b). In der sich anschließenden gemeinsamen Bedeutungsaushandlung wird das Standbild mit der Darstellung im Roman abgeglichen und hinsichtlich seiner Plausibilität evaluiert. Zudem klären die Lernenden Missverständnisse und verifizieren bzw. widerlegen ihre Interpretationen. Durch das Standbild und die Fragen der Mitschüler werden neue Aspekte im Verhältnis zwischen Ursula und ihrer Schwester ausgelotet, i.e., dass Ursula deprimiert und eifersüchtig auf ihre Schwester sei, da sie mehr Aufmerksamkeit bekomme und dass Lisa im Gegenzug Mitleid mit Ursula habe und sie insofern als Vorbild sähe, dass sie etwa ihretwegen Vegetarierin sei (24c). Auch die Motive für das Verhalten der Mutter werden erörtert, wenn diese ihre Distanz damit begründet, dass Ursula sie nicht mehr brauche (12: 54). Insgesamt ist die Aufgabenstellung geeignet, die Sinndeutungen der Lernenden im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik zu integrieren und Schüler-Schüler-Interaktionen zu fördern. Gleichzeitig ini-tiiert sie aktive Perspektivenwechsel, die die Lernenden dazu veranlasst, die Gefühle der Figuren auszuloten und zu einem differenzierten Verständnis der Charaktere und ihrer Konstellation zu gelangen. So werden schließlich neue Aspekte im Text beleuchtet und eine vertiefte Interpretation begünstigt. A 3 A '(! " D! ( * ( *! ( Im weiteren Verlauf der Unterrichtseinheit stellt der Lehrer einen Transfer zu den Amokläufen an der Columbine High School und dem Gutenberg- Gymnasium in Erfurt her, bei denen zahlreiche Lehrer und Schüler ums Leben kamen. Damit greift er ein Kernthema des Romans heraus, verknüpft es mit aktuellen, Betroffenheit erzeugenden, gesellschaftspolitischen Ereignissen und adressiert die lebensweltlichen Erfahrungen der Lernenden. 327 Als Einstieg in die Thematisierung der Schulmassaker schreibt der Lehrer "Columbine" an die Tafel und führt mit den Lernenden ein Brainstorming durch, um deren diesbezügliches Vorwissen zu aktivieren. Die Schülerinnen und Schüler haben Kenntnis über den Amoklauf an der Columbine High School vom 20. April 1999 sowie über die in diesem Zusammenhang entstandene Dokumentation Bowling for Columbine von Michael Moore. Sie äußern zudem die Vermutung, dass der Amoklauf in Columbine, der in dieser Form als erster seiner Art betrachtet werden kann, als 'Vorbild' für weitere sich anschließende Amokläufe, wie etwa dem in Erfurt fungiert haben könne. Im Verlauf des Unterrichtsgespräche werden mögliche Gründe für ein solches Verhalten erarbeitet und die Lernenden geben an, dass die beiden Täter, Eric David Harris (18) und Dylan Bennet Klebold (17) Außenseiter sowie Anhänger der sog. Trenchcoat-Mafia gewesen seien, die von ihren Mitschülern schikaniert wurden und familiäre bzw. soziale Probleme gehabt hätten. Als weitere mögliche Gründe nennen die Lernenden den Einfluss aggressiver Musik und gewalttätiger Videospiele. Schließlich sehen die Lerner in dem Umstand, dass man in vielen Staaten der USA einen leichten Zugang zu Waffen hat, eine mögliche Ursache. Nach dieser anfänglichen Dokumentation des Vorwissens der Lernenden geben die Schülerinnen S 5 und S 8 eine Präsentation zu den Amokläufen in Columbine und Erfurt, die die beiden Schulmassaker im Detail rekonstruiert. Anschließend teilt der Lehrer den 2seitigen annotierten Text "2 Gunmen at Colorado School Reportedly kill up to 23 Before Dying in a Siege" mit dem Arbeitsauftrag aus, den Text zu lesen und herauszufiltern, welche Gründe er für den Amoklauf in Columbine anbietet ("What reasons for the school shooting does the text give? "). Zudem werden die Lernenden angehalten, Präventionsmöglichkeiten aufzuzeigen, die helfen könnten, eine solche Gräueltat in Zukunft zu verhindern. Daraufhin entsteht ein sehr angeregtes Unterrichtsgespräch, an dem sich zahlreiche Schülerinnen und Schüler beteiligen. Die Resultate des Unterrichtsgesprächs hält der Lehrer zur Ergebnissicherung in einem Tafelbild fest: C OLUMBINE Preventions Reasons • be nice to e.b./ think positive • report threats to the police/ principal • teachers of trust (& friends) • more than only school • no bullying • revenge • gothic culture • members of a gang • not accepted • bad marks • jealous of others 328 • comfort/ encourage sad students • talk about problems • abolition of marks • focus on improvement (future) • accept downs/ criticism • family as support • fairness • loneliness (no family, friends) • expelled from school • unfair treatment • pressure • misunderstanding • to get attention • not able to deal with problems • psychological problems • no future > it is the teacher`s fault Im weiteren Verlauf bezieht der Lehrer die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler explizit mit ein, indem er sie auffordert, zu reflektieren, was für sie einen guten Schultag ausmacht: "I would like you to work out some ideas of [how] to have a good day school. How should teachers behave? When do you feel comfortable? How do you expect a school to be? " Die Schülerbeiträge hält er wiederum in einem Tafelbild fest: Teachers Students • no favourites • not too strict • sense of humour • reason marks • no yelling, but control • respect the student (`s wishes) • support families in need of help • trustful • interfere • impartial • fair • feel responsible • e.b. is equal • not too much pressure • be a role model • make the students feel responsible • interesting lessons • show perspectives • no bullying • friendly • take care • (special? ) events • stand up for each other • respect for the teachers • e.b. is equal Nach der Thematisierung der beiden o.a. genannten Schulmassaker und der Erarbeitung potenzieller Gründe und Präventionsmöglichkeiten anhand ausgewählter Sachtexte stellt der Lehrer mit den folgenden Arbeitsaufträgen nicht nur einen Rückbezug zum Roman her, sondern fördert zudem die evaluativen Kompetenzen der Lernenden, indem er sie anhält, die Schul- 329 massaker mit der im Roman dargestellten Situation zu vergleichen, das Verhalten der Brewer Zwillinge in Bezug zu den beiden Amokläufen zu setzen sowie die Reaktion des Schulleiters zu evaluieren: "1. Compare the situation at Columbine High School to that at Rocky River High School. 2. To what extent could the Brewer twins reporting to the principal be influenced by other school massacres such as Columbine? 3. Evaluate the principal`s reaction to the report" (4e/ g, 6b). Die Lernenden können dabei einen der drei Arbeitsaufträge zur Bearbeitung wählen. Der Lehrer geht mit den schriftlichen Schülerprodukten in der Folgestunde dergestalt um, dass er die Lernenden gemäß des von ihnen gewählten Arbeitsauftrages in Gruppen einteilt und sie ihre Hausaufgaben gegenseitig lesen lässt, um die beste auszuwählen. Im Anschluss daran werden die drei besten Versionen vorgelesen und von den Mitschülern kommentiert. L 11: 50 I would like to start with number one. Which, which text of number one is the best? Ok, shhh. 4e/ g, 6b S 16 11: 51 (liest vor) "The school shooting at Columbine High School is totally different from the bomb threat at Rocky River High School. At the first school were two young men with guns and explosives. They killed 25 people and wounded 23. Also these two guys were not popular at their school and they were members of a gang. It was a totally different situation at Rocky River High where two girls accused a popular student of planning a bomb attack. They caught the guy talked with his friends about, yeah, about the drama play with a bomb threat at lunch." 24d/ e/ g, 26b L Mmh. (SuS klopfen Beifall auf den Tischen) Ok, thank you. The best text of number two, please. 14a, 4e/ g, 6b S 12 11: 52 (liest vor) "I guess the Brewer twins were not much influenced by happenings similar, similar to those at the Columbine High School or Erfurt. They only heared Matt´s sentence concerning blowing up the school and because they wanted to hurt Matt they used this chance. Probably they imagined this would extremely injure him. Maybe while doing this they thought of massacres like the one at Columbine but this could have just or made them report it to Mr. Parrish. If their statement was influenced by such massacres, it would have been much more untrustable. Everyone would say they Brewer twins would exaggerate the situation." 24d/ e/ g, 26b L Mmh. Ok, good. Number three. 14a, 4e/ g, 6b S 6 (liest vor) "The Brewer twins come to the principle and tell him 24d/ e/ 330 11: 53 about Matt´s act in the cafeteria. Matt has said that he would blow up the school and massacre the pupils and teachers. At first Mr. Parrish cannot believe what he has just heard. He thinks it is a bad joke but in the next moment he remembers the cruel massacres in other schools. Perhaps Matt wants to imitate them. Maybe he wants his name on TV, in the newspaper, everywhere. Mr. Parrish gets shocked and is afraid of what will happen next. He as the principle has the duty to protect his pupils so he takes the telephone and rings the police." g, 26b L 11: 54 Mmh, ok. Does anyone of you want to comment on one of the texts we´ve just heard? Because many of you didn´t do the homework and - (zu S 14 , der sich meldet) S 14 ? Feedback 18d S 14 I think the one S 16 read there was a good argument because he compared the popularity of the ones and the imagined one in the book. 39a L (zeigt auf S 1 , der sich meldet) 13a S 1 I think number three was very realistic because the principle maybe behaved like that in, in the real life. 39a L Ok. Ok, concerning the language all three authors did a good job so there were only little mistakes in it and it sounded really, really good. Ok. 14e S 19 I´ve got another question though. 34 L Yeah? 14a S 19 What is an evaluation? (Lehrer zeigt auf S 4 , die sich meldet) 34 S 4 I think another word for evaluate is to comment or to judge. 32 L 11: 55 Mmh. You have to come to a decision. You weigh the pros and cons. If you´re in a supermarket and you´ve got seven products you weigh the pros and the cons. You check whether it looks good or whether it smells good or whatever or what kind of experience you´ve already gained with it and then you decide for something. 14a/ d S 19 Because then eh S 6 ´s, well, text didn´t really sound like an evaluation. 39a, 37b L Mmh, you´re right. 14a S 19 That´s why I asked. 35a L 11: 56 Mmh. So S 6 ´s text sounds a bit like a summary of what happened but it´s not really an evaluation. (zu S 19 ) You´re right. 14a/ d [VERGLEICH COLUMBINE VS. ROCKY RIVER] S 16 vergleicht in seinem Beitrag das Schulmassaker an der Columbine High School mit der im Roman dargestellten Situation und kommt zu dem Ergebnis, dass die beiden Ereignisse gänzlich unterschiedlich seien. Während in Columbine 25 Menschen getötet und 23 verletzt wurden und die Täter unbeliebte Mitglieder einer Gang gewesen seien, blieb der Vorfall in Rocky 331 River insofern folgenlos, als keine Menschen zu Schaden gekommen seien, da es sich nur um die falsche Anschuldigung eines populären Schülers gehandelt habe (24d/ e/ g, 26b). S 12 setzt sich in seinem Beitrag mit der Frage auseinander, inwiefern das Verhalten der den Vorfall meldenden Brewer Zwillinge von der Kenntnis anderer Schulmassaker beeinflusst gewesen sei. S 12 sieht keinen Zusammenhang zu anderen Schulmassakern, sondern führt das Verhalten der Zwillinge insofern auf niedere Beweggründe zurück, als sie Matt dadurch verletzen wollten (24d/ e/ g, 26b). Der Beitrag von S 6 hat schließlich eine Evaluation der Reaktion des Schulleiters, Mr. Parrish, auf den Hinweis der Bombendrohung zum Gegenstand. Sie formuliert dabei die Gedanken des Schulleiters, der an andere Schulmassaker erinnert würde und befürchte, dass Matt versuchen könne, diese nachzuahmen; so sähe er sich zum Schutz seiner Schülerschaft veranlasst, die Polizei zu informieren (24d/ e/ g, 26b). Nach dem Vortrag der drei Lernenden fordert der Lehrer die Mitschüler wiederum auf, zu den Beiträgen Stellung zu beziehen (18d). S 14 bewertet den Beitrag von S 16 als gelungen und die von ihm vorgebrachten Argumente als plausibel, da er die Persönlichkeiten der Täter von Columbine mit der Matts kontrastiere und insofern Matts Schuldhaftigkeit auszuschließen können glaube (39a). S 1 stuft den Beitrag von S 6 als realistisch ein, da er sich vorstellen könne, dass ein Schulleiter auch im richtigen Leben so reagieren könne (39a). An dieser Stelle hätte es sich angeboten, die dem Roman inhärente Gesellschaftskritik zu thematisieren, i.e. die Hysterie, die seit dem genannten Highschool-Massakern an amerikanischen Schulen herrscht. Vor diesem Hintergrund hätte eine weitere Evaluation des Verhaltens des Schulleiters erfolgen und die Lernenden hätten aufgefordert werden können, alternative Handlungsmöglichkeiten für eine solche Situation auszuhandeln. Als der Lehrer die Feedbackrunde mit dem Hinweis abzuschließen sucht, dass die Beiträge sprachlich alle gut gewesen seien (14e), schaltet sich S 19 mit der Frage ein, was genau eine Evaluation sei (34). Nachdem S 4 und der Lehrer den Begriff mit "to comment or to judge" (32) bzw. mit "you weigh the pros and the cons" paraphrasieren, kommt S 19 zu dem kritischen Schluss, dass der Beitrag von S 6 diesen Anforderungen nicht genügt habe (39a, 37b). Der Lehrer stimmt dem Hinweis zu und führt aus, dass es sich vielmehr um eine Zusammenfassung gehandelt habe (14a/ d). An dieser Stelle hätte es sich angeboten, im Plenum zu eruieren, inwiefern der Beitrag hätte abgewandelt werden müssen, um die Kriterien einer Evaluation zu erfüllen und mithin die Textsortenkompetenz der Lernenden zu fördern. Insgesamt lässt sich zu der hier dargestellten Aufgabensequenz festhalten, dass die einzelnen Aufgaben in Form der Erarbeitung des soziokulturellen 332 Kontextes anhand der Vorfälle in Columbine und Erfurt sowie der Aktivierung der lebensweltlichen Erfahrungen und Erwartungen der Lernenden hinsichtlich potenzieller Ursachen und Präventionsmöglichkeiten - sinnvoll aufeinander aufbauen und für die Lernenden ein scaffolding bereitstellen, das sie zur Bearbeitung der abschließenden kreativen Schreibaufgabe befähigt. So zeugen die Beiträge der Lernenden von einer fundierten Analyse des im Roman dargestellten Konfliktes, für die sie ihr lebensweltliches Vorwissen sowie die Informationen, die sie in Form der intertextuellen Bezüge erhalten haben, fruchtbar machen. A ; ! 6 ( 5 5 1* 52 Eine Woche nach dem Ende der Unterrichtseinheit wurde im Sinne der Perspektiven- und Datentriangulierung mit ca. der Hälfte der Lerngruppe (S 5 , S 7 , S 9 , S 10 , S 11 , S 13 , S 14 , S 15 , S 16 , S 17 , S 19 , S 20 und S 22 ) ein retrospektives Leitfadeninterview durchgeführt, das ebenfalls videografiert wurde. Das Interview kann aus Platzgründen nicht vollständig präsentiert werden, sodass sich die Darstellung auf einige interessante Auszüge beschränkt. Bei der Auswahl der zu interviewenden Lernenden wurde darauf Wert gelegt, dass die Konstellation einen Leistungsquerschnitt der Lerngruppe repräsentiert, sodass leistungsstarke und weniger leistungsstarke Lernende befragt wurden. Ein solches Vorgehen bietet die Möglichkeit, das Unterrichtsgeschehen aus einer größtmöglichen Varianz an Perspektiven zu beleuchten. 9: 44 AKL Wie hat euch der Roman gefallen? = 4f S 17 Ja, also ich persönlich fand ihn jetzt ein bisschen trocken zu lesen. Ich fand das, ja, ein bisschen langweilig, also das war halt nichts Außergewöhnliches, fand ich. Es war halt so ein typisches Schulbuch, wo man heraus-, vorher schon sagen konnte, was passiert. = 24f AKL Konntet Ihr wirklich? = 14f S 17 9: 45 (zögerlich) Nee, nicht in dem Sinne (SuS lachen), aber es ist halt so, ja, am Anfang ist alles gut, dann ist alles schlecht und am Ende wird wieder alles supergut und, ja, ich fand, es war halt nichts Außergewöhnliches. Also, ich hätte so, meine Ansprüche sind da so ein bisschen höher halt so von Romanen. = 24f S 14 Also grundsätzlich würde ich mich ihm da anschließen, dass das eher so ne Standardsache war, aber ein Aspekt, den ich ganz interessant fand, war das mit der Massenhysterie und diesem = 24f 333 Problem mit den Medien und so und auch das mit den Brewer Zwillingen, was ja wirklich aktuelle Probleme da in Amerika anschneidet mit diesen Religionsfanatikern sag ich jetzt mal und dieses, dieses Ausgestoßen Werden und so aufgrund von Gerüchten und so, das fand ich eigentlich ganz interessant. S 22 9: 46 Ja, ich fand das Buch jetzt auch nicht so, dass es der Oberhammer war, also das Thema mit dem Amoklauf und dieser Hysterie, das fand ich auch ganz gut, auch relativ interessant, das so mal zu besprechen, also wir haben es ja nicht nur gelesen, wir haben das ja auch so besprochen mal. Das fand ich ganz ok. Aber so generell, das sind so, ich weiß nicht, ich find, das sind schon so, so was macht man in der Grundschule auch schon, so wahre Freundschaft und mmh. Also ich les lieber ein bisschen spannendere Bücher oder also man konnt´s nicht genau voraussagen, was passiert, aber irgendwie war´s dann schon offensichtlich, dass da die Ursula da eben dem Matt hilft und dann dass die ein Paar werden und so. Also ich fand´s eigentlich, war, war nicht so toll das Buch. = 24f S 17 9: 47 Ja, also ich fand halt so zur Schule war´s halt ganz ok. Man hat halt natürlich Sachen für die Freundschaft und so ja das mitgenommen und man hat auch mal erkennen können, naja, wie krass das ist, wie sich so´n Gerücht verbreiten kann und wie dann alle in Hysterie ausbrechen, wie auch dann Freundschaften auseinandergehen und all so was. Ja. = 24f [AFFEKTIVER RESPONS] Die Frage, ob ihnen der Roman gefallen habe, zielt darauf ab, die Lernenden zur Artikulation ihres durch den Roman hervorgerufenen subjektiven Responses zu ermutigen (= 4f). Zu dieser Frage äußern sich die Schülerinnen und Schüler vornehmlich kritisch. Dies erstaunt insofern, als die Analyse der Unterrichtseinheit von einer durchweg aktiven und engagierten Mitarbeit auf Seiten der Lerner zeugt. S 17 bezeichnet den Roman etwa als "ein bisschen trocken" und "langweilig" und moniert seine vorhersehbare Handlungsstruktur, die seinen Ansprüchen an ein literarisches Werk nicht genügen würde (24f). S 14 schließt sich grundsätzlich den Äußerungen von S 17 an, bewertet allerdings den Gegenwartsbezug zu den Problemen in den USA, wie Massenhysterie, den Einfluss der Medien, Religionsfanatiker sowie das Ausgestoßen werden aufgrund von Gerüchten, als positiv (24f). Auch wenn S 22 den Roman insgesamt als nicht sonderlich spannend einstuft, insofern die Handlungsstruktur zu vorhersehbar sei, bewertet er die Besprechung der Themen Amoklauf und Hysterie im Unterricht positiv (24f). S 17 relativiert schließlich seine Anfangsaussage und bezeichnet den Roman als Schullektüre 334 als "ganz ok" und räumt ein, dass er hinsichtlich der Themen Freundschaft und Hysterie schon etwas "mitgenommen" habe (24f). AKL Ihr habt am Anfang diese Poster erstellt zu den nicknames mit Big Mouth und Ugly Girl. Haben sich eure Erwartungen, die ihr da festgehalten habt, bestätigt? = 9, 18d S 9 9: 48 Ich glaube, ein paar haben sich schon erfüllt, dass halt der Matt zum Beispiel halt ne große Klappe hat und viel sagt, aber nicht da drüber nachdenkt. Aber bei der Ursula, eigentlich stand ja jetzt im Buch nicht explizit, wie sie aussieht. Das war vielleicht manchmal ein bisschen impliziert, dass da irgendwas stand, dass sie sich nicht getraut hat, im Badeanzug rauszugehen oder so, aber das kann ja auch anderen Leuten passieren. Da war sie vielleicht gerade in der Pubertät. Man weiß ja auch nicht, wie alt sie ist. Also, man hat da nicht so… = 29, 28a, 39a 23b, 24c S 17 Sie ist 17. = 37b, 23b S 9 Da hab ich nicht richtig gelesen. = 29 S 17 Also ich fand, nur in wenigen Fällen wurden unsere Erwartungen jetzt nicht erfüllt. Also ich war jetzt bei der Gruppe dabei, die das Plakat zu Ugly Girl gemacht haben. Wir haben eigentlich im Großen und Ganzen auch so was gemacht, dass sie sich jetzt nicht so auf die Mode bezogen kleidet, was ja auch im Buch so war. Dass sie ziemlich sportlich ist und eher ein bisschen dicker und sich selber halt nicht wohl fühlt. Und ja zu dem Big Mouth haben wir auch gesagt, dass, ja, er halt ne große Klappe hat und immer große Reden schwingt, aber soweit ich mich erinnern kann, hatten wir beim Big Mouth mehrere Sachen, die nicht erfüllt wurden. = 29, 39a AKL Kannst du ein Beispiel nennen? = 17b S 17 9: 49 Es wurde gesagt, dass er Afro-Amerikaner ist aufgrund seines angeblich großen Mundes. Was ja natürlich auch (unverständlich) ein Vorurteil ist, weil ja nur wenige Afro-Amerikaner einen großen Mund haben. = 29, 39a S 7 Ja, das war eigentlich auch so das, was ich sagen wollte. Ich fand auch das meiste so, was wir über Ugly Girl rausgefunden haben, also das hat so übereingestimmt und dann bei Big Mouth da gab´s dann so ein paar Abweichungen. = 29, 39a [RÜCKBEZUG PRE-READING ACTIVITY] Um dem erkenntnistheoretischen Wert der pre-reading phase für den Verstehensprozess der Lernenden Rechnung zu tragen, werden die Hypothesen, die zu Beginn der Unterrichtseinheit in Form des Brainstorming zu 335 den Spitznamen aufgestellt wurden, im retrospektiven Interview noch einmal aufgegriffen. Auch wenn der Lehrer diesen Aspekt innerhalb der Unterrichtseinheit kurz anreißt (vgl. Kap. 8.4.4), sollen die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit erhalten, ihren Erkenntnisweg noch einmal zu reflektieren und sich 'vorläufig abschließend' über den Text zu äußern (C ASPARI 1994: 221). Dabei ist von besonderem Interesse, ob die Lernenden ihre anfänglich aufgebauten Hypothesen und Erwartungen verifizieren konnten bzw. widerlegen mussten. S 9 gibt an, dass sich die Erwartungen in Bezug auf Matt im Großen und Ganzen erfüllt hätten; im Hinblick auf Ursula habe der Text nicht genügend Angaben gemacht, sodass der Leser nicht einmal genau wisse, wie alt sie ist (= 29, 28a, 39a; 23b, 24c). S 17 weist diese Aussage von S 9 zurück und führt an, dass Ursula 17 Jahre alt sei (= 37b, 23b), woraufhin S 9 einräumt, dass er den Roman wohl nicht genau gelesen habe (= 29). Entgegen der Aussage von S 9 hinsichtlich der aufgebauten Erwartungen verweist S 17 auf den Umstand, dass sich nur wenige in Bezug auf Ursula nicht erfüllt hätten, während bei Matt mehrere Aspekte nicht zugetroffen hätten (= 29, 39a). Auf die Bitte, diese Aussage an einem Beispiel zu exemplifizieren, nennt S 17 die Hypothese, dass Big Mouth aufgrund seines großen Mundes möglicherweise ein Afro-Amerikaner sei und entlarvt es gleichzeitig als Vorurteil (= 29, 39a). S 7 stimmt den Ausführungen von S 17 abschließend zu, ohne sie allerdings inhaltlich zu vertiefen (= 29, 39a). AKL Wie beurteilt Ihr Ursulas Verhalten? = 4c S 17 9: 50 Jetzt so auf die Bombendrohung bezogen und wie sie Matt hilft oder eher so im Allgemeinen? = 34 AKL Beides. = 4c S 17 9: 52 Ja, also im Allgemeinen würde ich sagen gibt´s natürlich schon manchmal, dass man, also schon so, dass man jetzt wie sie, dieses Ugly Girl entwickelt auch schon so ne Seite, wo man mal sagt im Sport oder so, dass man dann mal mehr Motivation mit reinlegt, aber ein bisschen komisch fand ich das jetzt schon, wie sie da so ne gespaltene Persönlichkeit hat. Auf Matt, also auf diese Bombendrohung bezogen, fand ich´s ziemlich gut, dass sie Matt geholfen hat und dass sie erst mal ganz, am Anfang ganz objektiv an die Sache rangegangen ist, das heißt, sie hatte nicht irgendwelche Vorurteile oder so was gegenüber Personen, sondern wusste wirklich, ok, ich hab das gehört, ich hab ne Aussage, also helfe ich der Person auch und sie hatte da nicht irgendwie Angst oder so was. = 24e, 28a [EVALUATION] 336 Nach dem Abgleich der aufgestellten Hypothesen zu den beiden Hauptfiguren bot es sich an, die Lernenden Stellung zu Ursulas Verhalten, das durch Zivilcourage geprägt ist, nehmen zu lassen (4e). Auch wenn sich zu dieser Frage leider nur ein Schüler zu Wort meldet, ist seine Antwort insofern interessant, als sie von einem differenzierten Verständnis der Figur und gleichzeitig seinen Identifikationsbemühungen zeugt. Er empfinde zwar die anfänglich gespaltene Persönlichkeit Ursulas als "ein bisschen komisch", räumt aber ein, dass auch er etwa im Sport dazu tendiere, sich gewissermaßen ein Alter Ego zuzulegen, um seine Motivation zu steigern. Seine Ausführungen lassen mithin deutlich werden, dass er seine lebensweltlichen Erfahrungen für eine Interpretation der Figur heranzieht und fruchtbar macht (= 24e, 28a). Ursulas Verhalten in Bezug auf Matt bewertet er insgesamt positiv, insofern sie objektiv an die Sache herangegangen sei und sich nicht durch "irgendwelche Vorurteile" hat blenden lassen. AKL Konntet ihr euch mit den Charakteren identifizieren? = 4c S 14 Also ich fand, das war eigentlich ein bisschen zu extrem, also so wie die Ursula oder so, das gibt´s eigentlich eher weniger hier an der Schule, dass jemand sich so aus dem Sozialleben völlig ausklinkt und nur noch im Bereich Sport oder so da ist. Aber das ist halt oftmals so in Büchern, dass es halt überspitzt dargestellt wird und, ok, Matt, ok, das ist jetzt ein bisschen oberflächlich und so. Aber identifizieren konnte ich mich damit jetzt nicht so groß. = 24e, 28a [IDENTIFIKATION MIT DEN FIGUREN] Die Ausführungen von S 17 zur Evaluation Ursulas Verhalten gaben Anlass, diesen Aspekt im Interview noch weiter zu vertiefen und zu eruieren, ob sich die Lernenden mit den Figuren identifizieren konnten (= 4c). S 14 negiert zwar, dass er sich mit den Figuren identifizieren konnte, da er ihr Verhalten "ein bisschen zu extrem" und "überspitzt" gefunden habe, was "oftmals so in Büchern" der Fall sei. Gleichwohl macht seine Antwort auf die Frage deutlich, dass auch er das Gelesene auf seine Lebenswelt bezieht ("das gibt´s eigentlich eher weniger hier an der Schule, dass jemand sich so aus dem Sozialleben völlig ausklinkt") und es an ihr misst (= 24e, 28a). AKL Jetzt würde ich gerne noch ein bisschen auf die verschiedenen Aktivitäten, die ihr gemacht habt, eingehen, also Galeriegang, 20- Seconds-Story, Rollenspiel, kreatives Schreiben. Was haltet ihr davon und wie effektiv findet ihr diese Methoden? Methoden ≈ 9 S 20 Also den Galeriegang fand ich ganz interessant, weil man da = 29 337 9: 53 auch mal gesehen hat, was die anderen geschrieben haben und gemerkt hat, hey, ich hab gar nicht mal so einen Mist geschrieben und das eigene wurde ja auch korrigiert letztendlich, deshalb. Galeriegang S 15 Das Rollenspiel war cool. = 29 AKL Kannst du das noch mal ein bisschen erläutern? = 17a S 15 Ja, weil man, das is halt so, allein das Schauspielern, das is so n bisschen Abweichung von dem normalen Unterricht und das macht halt immer Spaß so zwischendurch, wenn man dann auch mal sich halt so in die Person hineinversetzen kann, halt die Gefühle oder so teilweise mitkriegt, wenn man die Sache ernst nimmt halt. = 29 Abwechslung, Spaß, PW AKL 9: 54 Habt Ihr bei den Rollenspielen versucht, euch in die Perspektive hineinzuversetzen? ≈ 4c S 15 Ja, halt sich das so… = 37a S 14 Imaginativ. = 29, 32 S 15 Ja, halt so imaginär halt sich zu überlegen, wie man das so kennt aus Film, Fernsehen, keine Ahnung und halt, das dann halt so versucht irgendwie nachzustellen oder wenn man selbst schon mal unter so ner Drucksituation war, dass man ausgefragt wurde oder so was, dass man sich das dann halt so noch mal vor Augen geführt hat. = 29 PW S 14 Schon mal drauf vorbereiten für später… = 29 S 17 Den gallery walk fand ich persönlich ziemlich gut, weil ich interessant fand, von anderen die Texte zu sehen, halt auch die Stärken und die Schwächen in den Texten. = 29 Galeriegang AKL Habt ihr das dieses Schuljahr das erste Mal gemacht? = 14f S 17 9: 55 Ja, das ist das erste Mal. Also, ich hab das vorher noch nicht gekannt. Die anderen Sachen, wo wir auch die Figuren gebildet haben und auch das, wo ich der host war, das fand ich ziemlich gut, also das hat Spaß gemacht. = 37a, 29 S 7 9: 56 Ja, ich fand eigentlich auch die meisten Sachen ziemlich gut. Vor allem durch diese Standbilder konnte man sich noch mal so besser in die einzelnen Charaktere hineinversetzen und man hat noch mal mehr drüber nachgedacht, ja, was ist das eigentlich für ne Figur? ehm wobei ich finde im Bezug zur Arbeit jetzt zum Beispiel hatte das jetzt nicht so richtig geholfen. = 29 AKL Ihr habt in der Klausur eine summary geschrieben, oder? = 14f S 7 9: 57 Ja, summary und dann sollten wir noch zu jedem Charakter irgendwie zwei eh [Sn: Eigenschaften] Eigenschaften schreiben, warum die Außenseiter sind. = 37a, 29 AKL Und du meinst die Aktivitäten standen nicht genug in Bezug zur Klausur? = 14f 338 S 7 Ja, also da - mir persönlich hat das jetzt nicht so viel weitergeholfen. Ich mein, ok, das summary schreiben schon, aber (unverständlich). = 29 [METHODEN] Die Frage nach einer Beurteilung des methodischen Vorgehens des Lehrers zielte darauf ab, wie andere Fragen zuvor, das Unterrichtsgeschehen in der Retrospektive aus Sicht der Lernenden noch einmal zu reflektieren (≈ 9). S 20 und S 17 äußern sich auf diese Frage positiv hinsichtlich des wiederholt durchgeführten Galeriegangs, insofern sie die Gelegenheit erhalten hätten, auch mal die Texte ihrer Mitschüler zu lesen und mit ihren eigenen abzugleichen. So hätten sie die Produkte ihrer Mitschüler unverfälscht mit ihren "Stärken" und "Schwächen" zu lesen bekommen und festgestellt, dass sie "gar nicht mal so einen Mist geschrieben" hätten (= 29). Dies lässt den Schluss zu, dass sich der Vergleich mit den anderen Arbeiten bestärkend und motivierend auf die eigenen Leistungen auswirkt. Zudem heben sie den evaluativen Charakter dieser Methode hervor, da die Lernenden ihre Produkte gegenseitig korrigiert hätten (= 29). S 15 begrüßt hingegen die eingesetzten Rollenspiele als "Abweichung von dem normalen Unterricht", die nicht nur Spaß gemacht, sondern auch dazu gedient hätten, sich in die Figuren hineinzuversetzen und ihre Gefühle nachzuvollziehen (= 29). Darüber hinaus hätten die Rollenspiele insofern zu einer Perspektivenübernahme mit den Figuren angeregt, als man angehalten worden sei, sich imaginär in die entsprechende Situation hineinzuversetzen, sie sich vor Augen zu führen und zu versuchen, sie zu rekonstruieren (= 29). Bei der Evaluation der im Unterricht durchgeführten Rollenspiele moniert S 14 allerdings den fehlenden Einfallsreichtum. An dieser Stelle versäumt es die Forscherin aufgrund der spontanen und multifaktoriellen Interviewsituation, S 14 noch einmal dazu zu befragen, wie man die dargestellten Rollenspiele seiner Meinung nach hätte imaginativer gestalten können und ob der Lehrer gegebenenfalls bestimmte Kriterien für die Planung und Durchführung von Rollenspielen vorgeben sollte, um deren didaktisches Potenzial voll ausschöpfen zu können. S 7 bewertet die meisten Aktivitäten als positiv, wobei sie die Funktion der Standbilder hervorhebt, "sich noch mal so besser in die einzelnen Charaktere hinein[zu]versetzen" und noch einmal darüber nachzudenken "was ist das eigentlich für ne Figur? " (= 29). Lediglich den mangelnden Bezug zu der anschließenden Klausur, in der die Lerngruppe eine Zusammenfassung und eine Charakterisierung verfassen sollte, moniert sie. Insgesamt begrüßen die Lernenden die eingesetzten handlungs- und produktionsorientierten Verfahren und sie betonen ihre Vorzüge in Bezug auf Perspektivenübernahme und Rekonstruktion der Figurenkonzeption. 339 AKL Hat euch der Roman zum Nachdenken angeregt? = 9 S 9 9: 58 Ja, ich fand schon, dass es ein bisschen zum Nachdenken angeregt hat, weil der Matt sagt ja, also der macht ja eigentlich nur einen Spaß und dann muss man vielleicht mal überlegen, wie man, wenn man da irgendwas sagt, dass man halt sich vorher genau überlegt, was man sagt und dass man, dass alle Leute es richtig auffassen, weil das ja war eigentlich nur das Problem an der Sache, dass die Leute es falsch aufgefasst haben, was er gesagt hat und deshalb denk ich schon, dass das ein bisschen zum Nachdenken anregt. = 29, 24b/ c, 28a Konsequenzen für das eigene Verhalten ableitbar S 14 Ja, also was ich gut fand, war halt auch dieser aktuelle Bezug, weil ich finde das Buch hat ganz gut dargestellt, was die jetzt - das ist ja ne richtige Hysterie, die die da in Amerika haben, also bei jeder Aktion da, auch im kleinsten Fall, wird der direkt an die große Glocke gehängt und ich denke mal, diese Entwicklung geht in Deutschland ja mittlerweile auch so ein bisschen in die Richtung, hat sich ja, war ja auch zum Teil (unverständlich) da in Köln, wo der eine da sich in den Selbstmord getrieben sah, obwohl er ja eigentlich auch jetzt die akuten Pläne schon eigentlich aufgegeben hatte und so und ich denk schon, dass es das Ganze gut veranschaulicht hat. = 29, 24e, 28a Transfer zum eigenen soziokulturellen Kontext/ zur eigenen Lebenswelt S 10 9: 59 Ich fand auch ganz gut das mit, dass man nachdenkt ein bisschen drüber, wer seine richtigen Freunde sind, weil die ja auch den Matt alle dann verlassen haben, sag ich jetzt mal, als die gehört haben, dass er angeklagt wurde wegen dieser Bombe da, also ja. = 29, 24b/ c/ e, 28a S 11 Da in dem Buch sozusagen da konnte man auch ein bisschen drüber nachdenken, dass so dieser Gegensatz von der Sicherheit, dass die den Amoklauf an der Schule verhindern wollten und der Ungerechtigkeit, dass der Matt halt da festgehalten wurde, das wurde auch verdeutlicht. = 29, 24b/ c S 17 10: 00 Ja, wie der S 14 schon gesagt hat und was mich hauptsächlich zum Nachdenken angeregt hat, war auch dieser reelle Bezug. Das fand ich eigentlich ziemlich interessant, da noch mal mehr über Columbine und so herauszufinden und ja das war ziemlich interessant. Das war jetzt nicht, nicht die gleiche Situation, wie wir´s jetzt in dem Buch hatten, aber ja in dem Buch wurde das, ja, ansatzweise auch ganz gut so dargestellt. = 29, 38a, 24b/ e, 26b Intertextueller Bezug S 7 Ja, ich fand halt auch, dass man dann vielleicht mal selber so drüber nachdenkt, ja, wenn einem selber so was passiert, wenn jetzt irgendwelche Gerüchte aufkommen, das muss jetzt = 29, 28a, 38a, 24b Perspekti- 340 nicht wegen der Bombendrohung oder so, aber wie sich das halt auswirken könnte so auch auf das Umfeld so die Freunde, wie die S10 schon gesagt hat, wie sich dann herauskristallisiert, wer so die wahren Freunde sind und so. venwechsel S 5 10: 01 Ich musste mich ja sowieso dann zwangsläufig also mit Amoklauf allgemein beschäftigen und das fand ich dann ganz interessant. Außer, dass man nur ganz viele Zeitungsartikel bekommen hat und nicht genau wusste, welche Informationen jetzt genau man nehmen sollte und ich fand jetzt das Thema allgemein, ja, interessant, weil es ja realitätsbezogen ist. = 29, 26a/ b, 24b/ e [REFLEXIONSANLASS] Auf die Frage, ob sie der Roman zum Nachdenken angeregt habe, machen die Lernenden zahlreiche interessante Anmerkungen (= 9). Auch wenn die Lernenden die Frage, ob ihnen der Roman gefallen habe, weitgehend negieren, wird bei der Beantwortung der Frage zum Reflexionsanlass wiederholt deutlich, dass sie das Gelesene auf ihre Lebenswelt beziehen und den dargestellten Konflikt vor diesem Hintergrund reflektieren (= 29, 28a). Das Herstellen intertextueller Bezüge und die Erarbeitung des soziokulturellen Kontextes in Form einer eingehenden Thematisierung der Schulmassaker in Columbine und Erfurt erweisen sich dabei als besonders fruchtbar (26b). Des Weiteren zeugen die Aussagen der Lernenden davon, dass sie die Perspektive Matts übernehmen und eruieren, welche Konsequenzen ein solcher Konflikt für sie persönlich haben könnte (24b). AKL Wenn Ihr ein Fazit ziehen müsstet, was habt Ihr in dieser Einheit gelernt? = 9 S 15 10: 02 Dich nicht hinter deiner Komik zu verstecken. = 29 S 16 Vokabeln. = 29, 30 S 10 10: 03 Ja ein bisschen mehr über Columbine. Was die S 5 gemacht hat, da wusste ich vorher eigentlich fast gar nichts drüber. Ich wusste halt nur, dass es da in Erfurt einen gab (unverständlich). = 29 S 20 Ich fand es ganz interessant auch noch mal mehr über die Hintergründe, also wie wir von dem Buch dann weitergearbeitet haben auf Columbine und von da aus dann auf die Waffengesetze. Also, dass wir noch mal dazu mehr gelernt hatten. Intertextuelle Bezüge S 14 Ja, was ich eigentlich im Allgemeinen im Englischunterricht positiv finde und dieses Mal auch wieder, war, dass wir wieder allgemein diskutiert haben und so, weil ich finde, das bringt eigentlich, einen am meisten weiter, wenn man dann noch so ein paar Vokabeln einwirft oder so, weil das ist ja eigentlich Bedeutung von UGs und Diskus- 341 Sinn und Zweck der Sache, dass man vor allem fließend sprechen lernt und so. Und das haben wir ja auch ziemlich oft gemacht, z.B. mit diesen Waffengeschichten da und so. sionen S 15 10: 04 Ja, ich wollte nur mal sagen, also so lernen, keine Ahnung, aber so hinterfragen, dass man sich so mal selbst hinterfragt hat, jetzt wenn man das Buch gelesen hat, so deine Persönlichkeit auch, weil das mit dem Matt ja ziemlich war, wie er die Freunde verloren hat, wenn er sich hinter seiner Komik versteckt. Also bei mir war das jetzt so, wenn ich ehrlich bin, dass man sich da selbst mal so hinterfragt, aber das war jetzt halt nur mal zum Nachdenken angeregt ein bisschen. PW AKL In Bezug auf Freundschaften? S 15 Ja, oder einfach so generell Sozialverhalten. S 17 10: 05 Also so sprachlich jetzt nach Lesen des Buches hab ich, glaub ich, nicht viel gelernt. Wie der S 14 schon gesagt hat, bringt dieses Diskutieren meiner Meinung nach ziemlich viel, also, wenn man sich über manche Sachen unterhält und dann auch lernt, wie man seine eigene Meinung ausdrückt, denke ich mal, kommt man ne ganze Menge weiter, weil das meiner Meinung nach, das Wichtigste ist, frei sprechen zu können. Ehm und ja, aber so vom Inhalt des Buches her oder so denk ich mal, ist in unserem Alter schon die Moral so weit ausgeprägt, dass man da jetzt nicht mehr so viel mitnehmen kann. Diskussionen [LERNZUWACHS] Die Frage nach dem Lerneffekt sucht das Unterrichtsgeschehen auf eine Metaebene zu transportieren und die Lernenden ihren individuellen Lernprozess reflektieren zu lassen (= 9). Während S 16 auf einen Lernzuwachs im Bereich des Wortschatzes verweist, heben S 10 und S 20 hervor, dass sie insbesondere durch die intertextuellen Bezüge mehr über die Hintergründe und den soziokulturellen Kontext in Bezug auf Columbine und die Waffengesetze in den USA erfahren hätten (= 29). S 14 bewertet hingegen den Umstand, dass man während der Unterrichtseinheit regelmäßig diskutiert und somit die Gelegenheit erhalten habe, seine oral skills zu verbessern, worin er ein Hauptziel des Englischunterrichts sähe, als positiv (= 29). S 15 hebt auf die Thematik des Romans und konkrete lebensweltliche Auswirkungen ab, indem er angibt, dass er durch die Unterrichtseinheit gelernt habe, dass man sich nicht hinter seiner Komik verstecken solle, wie es Matt zu Beginn des Romans getan habe, und stattdessen authentisch bleiben solle. Der Konflikt, in dem sich der Protagonist wiederfinde, habe ihn dazu bewogen, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und seine Persönlichkeit zu reflektieren und er 342 zieht das Resümee, dass er insgesamt etwas über Sozialverhalten gelernt habe (= 29). Insgesamt lassen die Aussagen der Lernenden im retrospektiven Interview darauf schließen, dass sie im Verlauf der Unterrichtseinheit zu einem vertieften Verständnis des Jugendromans und des in ihm dargestellten Konfliktes gelangt sind. Die Analyse der Unterrichtseinheit macht weiterhin deutlich, dass die Lernenden die Perspektive der Figuren übernehmen und das Gelesene auf ihre Lebenswelt beziehen und vor diesem Hintergrund reflektieren. Für die Initiierung eines Perspektivenwechsels und zum Nachvollzug der Motive der Figuren aus einer Innenwie aus einer Außenperspektive heben die Lernenden insbesondere die Aufgabenform des Rollenspiels und des Standbildes positiv hervor. Des Weiteren begrüßen die Lernenden im Sinne des interkulturellen Lernens die Erarbeitung des soziokulturellen Kontextes anhand verschiedener intertextueller Bezüge und die eingehende Analyse des Konfliktes, die sie zur Reflexion des eigenen Sozialverhaltens veranlasst habe. Nicht zuletzt befürworten die Lernenden die zahlreichen Unterrichtsgespräche und Diskussionen, die sie als grundlegende Voraussetzung für eine Förderung ihrer kommunikativen Kompetenz erachten. A = ! 6 ( ( 1* 2 Das retrospektive Interview mit dem Lehrer fand nach Beendigung der Unterrichtseinheit statt. Aus Platzgründen können aus dem Interview auch hier wiederum nur Auszüge präsentiert werden. AKL Welche Lernziele haben Sie mit der Einheit verfolgt? L 13: 10 Ich verfolge das Lernziel, dass die Schüler Literatur nicht nur als etwas, nicht nur als ein langweiliges Buch verstehen, sondern dass das mit ihnen tatsächlich was zu tun haben kann. Dementsprechend auch die vielen aktivierenden Methoden. Man kann anhand eines Buches natürlich Themen besprechen, die sonst vielleicht ein bisschen trockener sind. Hier kann man das dann noch auf das Buch projizieren und man ist selbst in einem geschützten Raum, man muss von sich nichts preisgeben. Ja, man kann natürlich an einem solchen Buch sehen, wie gut man schon im Englischen ist. Man kann also da, man kann also quasi seine Fähigkeiten selbst erkennen und ich versuche den Schülern auch, die Lesegeschwindigkeit mehr oder weniger freizugeben, freizustellen, sodass ich sage, bis dann und dann sollt ihr das gelesen haben, aber der Bereich, = 2c, 10 Lebensweltlicher Bezug Ästhetische Distanz 343 13: 11 der Zeitraum ist eigentlich relativ groß. Man kann aktivierende Vokabelarbeit machen, wobei ich schon gemerkt habe, dass das nicht so wirklich funktioniert mit meiner Vokabelliste. […] Was, warum machen wir noch Lektüre? Ja, es ist für die Schüler viel interessanter, an einem Stückchen Lektüre zu arbeiten, als an irgendwelchen anderen Texten. [LERNZIELE] Die Angaben des Lehrers zu den mit der Einheit verfolgten Lernzielen bleiben recht unpräzise, wenn er darauf abhebt, den Lernenden den literarischen Text als etwas zu vermitteln, mit dem man aktiv arbeiten könne (= 2f). Dabei verweist er auf den Vorzug literarischer Texte, Themen interessanter und ansprechender zu gestalten, als das etwa mit vielen Sachtexten der Fall sei. Des Weiteren erlaube die ästhetische Distanz literarischer Texte, Themen "in einem geschützten Raum" auszuhandeln, ohne zu viel von sich selbst preisgeben zu müssen. Schließlich verweist der Lehrer implizit auf die Förderung von Lesekompetenz und Wortschatzarbeit, wobei seine Angaben recht oberflächlich bleiben (= 10). AKL Welche Funktion hat der Galeriegang? L 13: 12 Weil man da natürlich sehr, also erst mal auf ganz viele Texte, auf unterschiedliche Texte eingehen kann und weil die Schüler natürlich auch selbstkritisch werden sollen. Und weil das eine der Möglichkeiten ist, mit ganz vielen schriftlichen Hausaufgaben umzugehen. Ich mein, das Vorlesen ist halt auch ganz nett, aber man kann weder auf einen Fehler, man kann auch nicht wirklich auf den Inhalt eingehen, weil man hört es einmal und das war meine Erfahrung, vorgelesene Hausaufgaben sind für zwei, die zuhören, die was sagen ok, aber meistens verpufft es, meistens ist es einfach nur, ja, vergeudete Zeit. Und deswegen ist dieser gallery walk für mich ne Methode, die einfach gut funktioniert. Und wenn man sich anguckt, was manchmal drunter steht und wie sie Fehler verbessern und dann auch die Fehler finden, weil sie jetzt dann sensibilisiert wurden für Fehler, funktioniert das eigentlich gut. ≈ 15, 18 AKL 13: 13 Trotzdem würde es sich doch anbieten, anschließend auch zwei, drei Hausaufgaben vorlesen und diskutieren lassen. L 13: 14 Was man natürlich machen kann, ist, dass man den Text insofern dann auch bewertet, wenn man sagt, ich hab jetzt fünf Texte gelesen, ich geh einfach hin und geb dem Text nen Strich und die Texte mit den meisten Strichen werden dann verglichen. Warum sind sie gut? Ich mein, man kann sich natürlich auch hier leider nicht genügend Zeit nehmen, dass die ≈ 15, 18 344 Schüler rumgehen und können alles gelesen haben. AKL Welche Bedeutung haben kreative Bearbeitungsformen für Sie? L 13: 17 Das ist, glaub ich, schon relativ deutlich geworden, dass ich das unglaublich wichtig finde, dass man nicht nur an seinem Tisch sitzt und was liest und was drüber sagt, sondern dass man eben auch selbst seine eigene Meinung im Schutze eventuell der anderen Person, wenn ich die Identifikation oder wenn ich mich mit einer anderen Person identifiziere, wenn ich da einfach kreativ meine eigenen Erfahrungen einbringen kann. Also auch Schreibaufgaben oder die Rollenspiele. […] Deshalb arbeite ich auch mit der Lehrerhandreichung des Stark Verlags - es gibt auch eine von Schöningh, glaub ich wobei die Stark-Sachen, die ich jetzt neu von meiner Kollegin bekommen habe, besser sind, weil, oder wie ich finde, besser, weil sie eher schüleraktivierend sind und sehr handlungsorientiert ausgelegt sind, wie man das sieht mit den freeze frames oder dieser Situation, was ja auch ein Rollenspiel war, dass die Polizisten Matt rausholen und spielt die Situation jetzt weiter. Was könnte passieren und solche Sachen? Ein Aspekt von freeze frames oder von so Rollenspielen ist ja immer dieses Überstülpen der neuen Identität. Das funktioniert echt prima. = 5 AKL Wie würden Sie den von Ihnen verfolgten Ansatz im Literaturunterricht bezeichnen? Sie sagten bereits schülerorientiert, handlungsorientiert… L 13: 18 Textimmanent, definitiv, sonst kann man das szenisch nicht darstellen, wobei ich dadurch, dass der OK nur 3stündig ist, ich nicht wirklich den Schülern in der Stunde Zeit geben kann, textimmanent zu arbeiten, sondern das müssen sie zuhause geleistet haben und das gelesen haben. Es ist aber insofern gar nicht so schwierig, weil Big Mouth and Ugly Girl ist eigentlich vom Anspruch her, vom Sprachniveau her nicht zu schwierig, sodass die Schüler ganz leicht das Buch verstehen können. = 3, 4 [METHODEN UND ANSATZ DES LITERATURUNTERRICHTS] Da der Lehrer im Laufe der Unterrichtseinheit wiederholt die Methode des Galeriegangs eingesetzt hat, bot es sich an dieser Stelle an, seine damit verbundenen Motive zu erörtern. Die Hauptfunktion dieses Umgangs mit schriftlichen Schülerprodukten sieht er zum einen darin, "auf ganz viele Texte […] eingehen" zu können. Zum anderen sieht er darin eine Förderung der evaluativen Fähigkeiten der Lernenden, insofern sie nicht nur die Produkte ihrer Mitschüler kritisch läsen und nach bestimmten Kriterien korrigierten, sondern auch für ihre eigene Schreibkompetenz sensibilisiert würden (≈ 15, 345 18). Der Lehrer hebt die Vorzüge dieser Methode im Gegensatz zum Vorlesen schriftlichter Hausaufgaben hervor, bei dem man weder auf die Fehler, noch "wirklich auf den Inhalt eingehen" könne, sodass er diese Vorgehensweise mehr oder weniger als "vergeudete Zeit" betrachte. Dem Hinweis der Forscherin, dass es sich dennoch nach dem Galeriegang anbieten würde, einige wenige Produkte vorlesen und diskutieren zu lassen, um ihnen nicht nur eine entsprechende Würdigung zukommen zu lassen, sondern sie auch gewinnbringend als Redeanlass zu nutzen, weicht der Lehrer insofern aus, als er darauf abhebt, dass man die einzelnen Arbeiten in Form von Strichlisten evaluieren und bewerten könne. Anschließend könnte diese Strichliste als Grundlage für eine Thematisierung der Qualitätsmerkmale fungieren. Handlungs- und produktionsorientierte Verfahren der Textbearbeitung spielen für den Lehrer eine große Rolle und die Analyse der Unterrichtseinheit bestätigt diese Aussage. Von besonderer Bedeutung sei ihm in diesem Zusammenhang, dass die Lernenden in Rollenspielen oder auch kreativen Schreibaufgaben die Möglichkeit erhielten, "ihre eigenen Erfahrungen einbringen" zu können. Die Perspektivenübernahme bzw. das "Überstülpen der neuen Identität" in Rollenspielen oder bei Standbildern erlaube es den Lernern zudem, ihre "eigene Meinung im Schutze […] der anderen Person" zu äußern (= 5). Dennoch betont der Lehrer die Wichtigkeit einer textimmanenten Textanalyse, die er gewissermaßen als Voraussetzung handlungs- und produktionsorientierter Verfahren erachte ("…sonst kann man das szenisch nicht darstellen") (= 3, 4). 102 Da im Unterricht aber oft nicht genug Zeit für ein textimmanentes Arbeiten zur Verfügung stünde, seien die Lernenden angehalten, dies zu Hause zu leisten, was der Lehrer im Fall von Big Mouth and Ugly Girl aber als nicht zu anspruchsvoll erachte, da das Sprachniveau "nicht zu schwierig" sei und "die Schüler ganz leicht das Buch verstehen" könnten. Zu diesem Aspekt wäre es interessant gewesen, genauer zu erörtern, was der Lehrer unter eine textimmanente Herangehensweise subsumiert. Leider stand im Rahmen des Interviews dazu nicht die notwendige Zeit zur Verfügung. AKL 13: 19 Welche Auswirkungen hat die Einführung des Landesabiturs auf Ihren Literaturunterricht? L Ich bin sehr unter Stress. Ich bin, ich kann mir quasi keine zwei Wochen Zeit nehmen, mich intensiv mit irgendetwas, was vielleicht nicht so konkret im Lehrplan steht, zu beschäftigen, weil ich sofort ein schlechtes Gewissen bekomme und ich hab permanent das Landesabitur im Nacken, was mich durch die Einheiten peitscht. Also jetzt im OK in der 11 ist das 102 S. hierzu N ÜNNING (1998: 9). 346 alles noch prima. Das war auch im letzten Grundkurs, den ich in der 11 hatte der Fall, aber die 12, 13 ist doch sehr gebündelt und die Zeit für Kreativität und diese kreativen Ansätze, die ist eigentlich nicht mehr da. Und die Themenauswahl lässt auch gar nicht mehr so viel Kreatives, Interessantes, selbst Agierendes zu. AKL Wie finden Sie das? L 13: 20 Das finde ich ziemlich ätzend weil die englische Sprache als, eigentlich als Lese- oder Textsprache vermittelt wird, weil die einfach sehr viel lesen müssen. Die müssen sich einfach viele Informationen draufschaffen. Es wird viel mit Papier gearbeitet, was vor einem liegt. Das ist eben genau die Art des Unterrichtens, die ich nicht so wirklich mag. Man hat auch nur drei Stunden und es ist richtig heftig. Und die Schüler haben das Problem, dass, dass ja nur einer von vielen Grundkursen ist, der Englisch-Grundkurs, und dass dem eben ganz wenig Priorität beigemessen wird. AKL Aber diesen Kurs werden Sie als Leistungskurs weiterführen. L Genau 5stündig. AKL Da ist dann aber ein bisschen mehr Zeit für… L Da hoffe ich, dass das alles ein bisschen lockerer wird, wobei es dann verpflichtende Lektüren gibt. AKL Sind die so verpflichtend? In Englisch ist die Auswahl im Gegensatz zu Deutsch doch noch halbwegs flexibel. L 13: 21 Ja, es ist insofern freier, dass ich sagen kann, welchen Shakespeare ich lese. Also, es gibt da schon Vorgaben, an die man sich halten muss und die Anzahl der Themen ist relativ hoch, aber ich hoffe, dass eben, dass ich ein bisschen was von dieser Motivation der Schüler und auch meiner eigenen Motivation das geb ich ganz offen zu, ich bereite viel lieber die Einheit hier zu als ein 13er-Grundkurs in Englisch, wo ich einfach so forciert bin, weil da für mich gar nicht viel Möglichkeiten bestehen, was zu machen. [LANDESABITUR] Abschließend wird mit dem Lehrer darauf eingegangen, welche Auswirkungen die Einführung des Landesabiturs aus seiner Perspektive auf den fremdsprachlichen Literaturunterricht habe. Für ihn sei das Landesabitur mit einem erhöhten Zeitdruck und Stress verbunden: "ich hab permanent das Landesabitur im Nacken, was mich durch die Einheiten peitscht." Es bleibe aufgrund der verbindlichen Themenvielfalt im Rahmen des Landesabiturs weder Zeit für Aspekte, die "nicht so konkret im Lehrplan" stünden, noch für kreative Ansätze. Das Lesepensum für die Schülerinnen und Schüler sei enorm und sie seien gezwungen, sich viele Informationen anzueignen, sodass die englische Sprache zu einer reinen "Lese- oder Textsprache" degradiert werde und wenig Raum für kommunikative und mündliche Gesichtspunkte bleibe. Der Lehrer bewertet diese Veränderungen insgesamt als sehr negativ 347 und betont nicht nur eine Motivationsreduktion auf Seiten der Schüler, sondern auch seiner eigenen. A C & Insgesamt veranschaulicht die Fallstudie, dass im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik ein methodischer Pluralismus vorherrscht, in dem analytische, kreative und intertextuelle Gesichtspunkte Berücksichtigung finden, wobei kreativen Bearbeitungsformen ein besonderes Gewicht zukommt. Im Sinne einer traditionellen Textanalyse kommen wiederholt die Inhaltsangabe, Zusammenfassung und Charakterisierung zum Einsatz. Zur Erarbeitung des dargestellten Konfliktes und einer eingehenden Analyse der Hauptfiguren und ihrer Motive, Gedanken und Gefühle sowie der Figurenkonstellation werden insbesondere handlungs- und produktionsorientierte Verfahren wie Rollenspiele, Standbilder und kreative Schreibaufträge eingesetzt. Diese veranlassen die Lernenden nicht nur dazu, die Perspektiven der Figuren zu übernehmen, sondern das Geschehen auch aus einer Außenperspektive zu evaluieren. Die Unterrichtsgespräche zeugen von einem differenzierten Nachvollzug der Konzeption der beiden Hauptfiguren und ihrer Entwicklung. Die für die Adoleszenz charakteristischen Entwicklungsaufgaben, die die beiden Protagonisten zu bewältigen haben, werden von den Lernenden en détail nachvollzogen. Sie rekonstruieren ihre für diesen Entwicklungsabschnitt typischen Emotionen wie Unsicherheit, Angst und Selbstzweifel auf der einen Seite und Wut und Rebellion auf der anderen. Sowohl Ursula als auch Matt meistern diese Herausforderungen und gehen gestärkt aus den diversen Konflikten hervor. Die Aussagen der Lernenden lassen darüber hinaus auf eine genaue Lektüre und Textkenntnis sowie auf das Bilden von Hypothesen und das Ziehen von Inferenzen - Prozesse die grundlegender Bestandteil von Verstehen sind schließen. Schließlich verweisen die Schülerinnen und Schüler explizit auf den Text, um ihre Argumente zu untermauern und unterschiedliche Interpretationen auszuhandeln. Insgesamt bleibt mithin festzuhalten, dass die einzelnen Tasks innerhalb der Aufgabensequenz (Brainstorming zu nicknames, schriftliche Charakterisierung von Ursula, Standbild zur Figurenkonstellation innerhalb der Familien Riggs und Donaghy) geeignet waren, um ein tiefgreifendes Verständnis der Figuren und ihrer Entwicklung zu begünstigen. Neben einer konsequenten Berücksichtigung der Perspektive des Textes, integrieren die verschiedenen Methoden auch die subjektiven Verstehens- 348 weisen der Lernenden und regen sie dazu an, das Gelesene auf ihre Lebenswelt zu beziehen und mögliche Konsequenzen zu reflektieren. Intertextuelle Bezüge dienen der Etablierung des soziokulturellen Kontextes und vermögen interkulturelles Lernen und ein vertieftes Verständnis des dargestellten Konfliktes zu begünstigen. 103 Zudem gewährleistet der Lehrer eine sinnvolle Verwebung des Literaturunterrichts mit konsequenter Sprach- und Wortschatzarbeit, sodass insgesamt neben einer ausgewogenen Förderung der verschiedenen skills der Förderung der literarischen Kompetenz der Lernenden Rechnung getragen wird. Die Unterrichtseinheit kann als durchgängig stark schülerorientiert eingestuft werden. Das wird nicht nur an den genannten handlungs- und produktionsorientierten Verfahren deutlich, sondern auch daran, dass die Schülerinteressen insofern berücksichtigt werden, als sie den zu lesenden Text selbstständig auswählen durften und die Relevanz der Thematik für die Lebenswelt der Schüler konsequent erörtert wird. So werden mögliche Gründe und Lösungswege bzw. Präventionsmöglichkeiten für school shootings erarbeitet und die Lernenden entwickeln einen kritischen Standpunkt in Bezug auf Waffenbesitz in den USA. Des Weiteren legt der Lehrer großen Wert auf eine Förderung der Interaktion unter den Lernenden, indem sie etwa anhand der Methode des Galeriegangs wiederholt dazu angehalten werden, die Produkte ihrer Mitschüler zu kommentieren und zu korrigieren. Auch werden sie konsequent dazu aufgefordert, Stellung zu den szenischen Darstellungen und anderen kreativen Produkten ihrer Mitschüler zu beziehen, wobei die diesbezüglichen Kommentare und Aushandlungssequenzen der Lernenden oft oberflächlich bleiben und schnell durch den Lehrer abgehandelt werden. Gleichwohl fördert der Lehrer durch kooperative Lehr- und Lernmethoden (role play, freeze frames, fishbowl method, gallery walk) nicht nur Schüler- Schüler-Interaktionen, sondern auch die Verantwortung der Lernenden für den eigenen Lernprozess und vermag insgesamt eine unterrichtliche 'Evaluationskultur' zu etablieren. Gleichzeitig ist die gesamte Unterrichtseinheit durch zahlreiche Phasenwechsel und eine lockere Atmosphäre gekennzeichnet, die sich positiv auf die Motivation der Lernenden auswirken und eine aktive mündliche Mitarbeit der Lernenden begünstigen. 103 Als weiterer intertextueller Zugang würde sich der 2008 beim HarperCollins Verlag erschienene Roman The Hour I First Believed von Wally Lamb anbieten, der eine fiktionalisierte und personalisierte Sicht auf das Schulmassaker in Columbine bietet. 349 @ / - ! Die vier Fallstudien (vgl. Kap. 5 bis 8) dienten dazu aufzuzeigen, wie Rezeption und Interaktion mit literarischen Gegenständen im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe stattfindet. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den Aufgaben und Methoden, durch die Lehrkräfte das Unterrichtsgeschehen steuern und welche didaktisch-methodischen Verfahrensweisen geeignet waren, die Interaktion zwischen den Lernenden und dem Text sowie die Interaktion innerhalb der Lerngruppe zu intensivieren, gemeinsame Bedeutungsaushandlungen zu initiieren und vertiefte Verstehensprozesse zu begünstigen. Die detaillierte Analyse exemplarischer Aufgabenarrangements und -sequenzen sowie deren Triangulation mit Schüler-, Lehreraussagen und Lernertexten zielte zudem darauf ab, Stärken und Schwächen in der literarischen Unterrichtspraxis aufzudecken, Bedingungsfaktoren für erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse zu ermitteln und so Hypothesen über lernförderliche bzw. -hinderliche Bedingungen generieren zu können. Schließlich sollten die Unterrichtsanalysen Aussagen über die Förderung verschiedener Kompetenzen zulassen und aufzeigen, inwiefern sich rezeptionsästhetische Prämissen und bildungspolitische Vorgaben bei der Arbeit mit literarischen Texten im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe widerspiegeln. Die aus den Fallstudien gewonnenen Erkenntnisse werden deshalb im Folgenden zusammengeführt in Bezug auf die Stärken und Schwächen der eingesetzten Aufgabenstellungen und Methoden vor dem Hintergrund rezeptionsästhetischer Prämissen und der Förderung verschiedener Kompetenzen. Im Einzelnen wird dabei auf 1. Analytische und handlungs- und produktionsorientierte Verfahren; 2. den Umgang mit Lernertexten; 3. Unterrichtsgespräche; 4. das Herstellen intertextueller und -medialer Bezüge, sowie 5. die Sequenzierung (Vorbereitung, Erarbeitung und Nachbearbeitung) einzelner und das Arrangement mehrerer Aufgaben eingegangen. Den Abschluss bilden Konsequenzen für die Lehrerbildung, den Fremdsprachenunterricht und die bildungspolitische Diskussion. Die resümierende Darstellung der unterrichtspraktischen Erkenntnisse soll nicht nur einen neuen Blick auf die theoretischen Prämissen und bildungspolitischen Vorgaben gewähren, sondern auch der Formulierung von Hypothesen für Optimierungsmöglichkeiten zukünftiger Lehr- und Lernprozesse dienen. 350 @ ' , ! Literarische Texte sind für den Fremdsprachenunterricht von herausragender Bedeutung, denn mit ihnen lassen sich zahlreiche Bildungsziele und Kompetenzen verfolgen. Sie loten nicht nur die Möglichkeiten der Sprache aus und vermögen im Fremdsprachenunterricht als Ausgangspunkt für die Förderung aller Sprachfertigkeitsbereiche zu fungieren, sondern sie sind zudem Medium der Auseinandersetzung mit Hauptfragen der menschlichen Existenz und ethischer Gesichtspunkte, sodass sie der Moral- und Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden sowie der Förderung von Empathie dienen können (vgl. S PINNER 2001). Ferner sind literarische Texte Medium des Fremdverstehens: Sie übernehmen eine Vermittlungsfunktion zu fremden Kulturen, indem sie authentische interkulturelle Begegnungen bereitstellen und zum Perspektivenwechsel einladen. Dadurch werden menschliche Handlungsweisen und unterschiedlich kulturell geprägte Referenzmuster und Verhaltensformen erfahrbar. Die Lernenden können die Welt durch die Augen anderer sehen, eigene und fremde Kulturen besser verstehen, verschiedene Sichtweisen kennen lernen, neue Welten entdecken und ihren subjektiv begrenzten Erfahrungs- und Erlebnishorizont erweitern. So trägt die Lektüre literarischer Texte auch zur Klärung ihres Selbst- und Weltverständnisses bei. Fiktionale Charaktere und Ereignisse erschließen neue Perspektiven und ermöglichen kreative Sichtweisen auf die Welt, die an der Realität etwas sichtbar und erfahrbar machen, "was man ohne diese Erfindungen nicht wahrnehmen könnte" (B REDELLA 2002a: 306). Insofern halten literarische Texte ihren Lesern 'magische Spiegel' vor, die die eigene Lebenswelt besser zu erhellen vermögen als die bloße Wiedergabe realer Ereignisse (T URNER 1988, zit. in B REDELLA 2010: 208). Gleichzeitig werden literarische Texte für ihre Leser dadurch lebens- und bildungsrelevant, dass sie ihnen Modelle "für die Deutung ihrer Erfahrungen, Hoffnungen und Ängste" bereitstellen und ihnen so nicht nur das Gefühl vermitteln, "verstanden und anerkannt zu werden" (B REDELLA / H ALLET 2007: 4), sondern sie auch dazu veranlassen, über sich selbst nachzudenken und das eigene Leben mit einer ästhetischen Distanz zu reflektieren. Literarische Texte ermöglichen ästhetische Erfahrungen und Handlungen, erzählen Geschichten und gewähren dem Leser Einsicht in die Gefühle, Gedanken und die Weltsicht des Erzählers oder der Charaktere. Sie involvieren ihre Leser, indem sie sie persönlich und im Hier und Jetzt ansprechen und dazu anregen, sich in Charaktere zu versetzen, an ihren Schicksalen Anteil zu nehmen und auf das Dargestellte zu antworten, indem 351 sie über ihre Gedanken und Gefühle sprechen (B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004; B REDELLA / H ALLET 2007). Um ein tiefgehendes Verständnis zu erlangen, muss der Leser als "Mitspieler, Beobachter und Kritiker" (B REDELLA / B URWITZ -M ELZER 2004: 101ff.) aktiv werden, seinen eigenen Horizont auf den fremden Horizont beziehen und beide vergleichend gegenüber stellen. Deshalb impliziert das Verstehen eines literarischen Textes das Einnehmen einer Innenwie einer Außenperspektive: Während der Leser beim Einnehmen einer Innenperspektive die dargestellte Welt aus der Perspektive der literarischen Figuren zu sehen sucht, beurteilt er beim Einnehmen einer Außenperspektive das Geschehen vor dem Hintergrund seiner persönlichen Bedürfnisse, Interessen, Erfahrungen und Wertvorstellungen. Im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik stellt sich die Textinterpretation als ein dynamischer Prozess dar, in welchem sich "Verstehen in der Dialektik von Lenkung durch den Text und Freiheit der Deutung vollzieht" (B REDELLA 2003: 53f.). Die Bedeutung eines literarischen Textes ist demnach nicht einfach gegeben, sondern entsteht erst in der Interaktion zwischen Leser und Text, sodass der Leser als selbst tätiges, denkendes und fühlendes Subjekt angesprochen wird und vor dem Hintergrund seines Vorwissens, seiner Erwartungen und Erfahrungen kreativ auf das Dargestellte antwortet. Literarische Texte eröffnen durch Unbestimmtheitsstellen dabei zwar Deutungsspielräume, dennoch müssen diese in angemessener Weise gefüllt werden, sodass die Interpretation nicht beliebig, sondern vielmehr durch die Gegebenheiten des Textes bedingt ist. Literarische Texte entwerfen Modelle der Wirklichkeit, deren Angemessenheit jeweils zur Diskussion gestellt werden kann, sodass jeder individuelle Verstehensvorgang die Möglichkeit zum Dialog enthält. Der Literaturunterricht sollte den Schülern deshalb ermöglichen, ihre eigenen Erwartungen und Erfahrungen in das Unterrichtsgeschehen mit einzubringen und sich mit ihren Mitschülern über ihre Sinndeutungen auszutauschen. So können literarische Texte als Ausgangspunkt für Aushandlungsprozesse zwischen den Lernenden dienen und ihre Urteils- und Kooperationsfähigkeit fördern. Hinsichtlich des fremdsprachlichen Literaturunterrichts haben rezeptionsästhetische Prämissen, die die aktive Rolle des Lesers bei der Bedeutungskonstitution betonen, zu der Entwicklung und Integration alternativer handlungs- und produktionsorientierter Verfahren als Ergänzung zu traditionellen Verfahren der Textanalyse geführt. Dementsprechend existieren unterschiedliche Methoden und Verfahrensweisen, um das spezifische Potenzial eines literarischen Textes im Unterricht zu entfalten, die Lernenden zu aktivieren, zu involvieren und den Verstehensprozess zu vertiefen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht die ideale Methode der Literatur- 352 behandlung gibt, sondern dass die Wahl der jeweiligen Methode von den inhaltlichen und strukturellen Anforderungen des entsprechenden Textes, den verfolgten Lernzielen und Kompetenzen sowie der Lerngruppe abhängt. Die Analyse der Fallstudien zeigt, dass sich heute neben traditionellen Verfahren der Textanalyse und Interpretation handlungs- und produktionsorientierte sowie intertextuelle und -mediale Verfahren der Texterschließung in der Unterrichtspraxis etabliert haben. Im Folgenden werden die Stärken und Schwächen einiger Aufgabenformate und Methoden exemplarisch dargestellt. @ - 0 ! ! ! . Textanalytische Verfahren werden vor allem dazu eingesetzt, Gattungs-, Struktur- und Stilmerkmale zu bestimmen. In den vier dargestellten Fallstudien, die auf dramatischen und narrativen Texten basieren, dienen textanalytische Verfahren der Erarbeitung der Handlung(sstruktur); der Figuren und deren Konstellation; des Settings, der Raumdarstellung und der Atmosphäre; sowie einer Erörterung der Erzählkonventionen und Stilmittel wie etwa rhetorischer Figuren. Den Schwerpunkt der beobachteten textanalytischen Vorgehensweisen bilden dabei in allen Fallstudien die Figurencharakterisierung sowie die Erarbeitung der Figurenkonstellation. In der Fallstudie Cloning Miranda (vgl. Kap. 6) stehen neben Figurencharakterisierung und -konstellation insbesondere die Erarbeitung des Themas Klonen anhand zweier ergänzender Sachtexte, einer Vokabelliste und dreier Fallstudien im Vordergrund. Die Charakterisierung der Protagonistin wird anhand eines Brainstormings zu einem Merkmal der Figur ('perfection') angebahnt. Die Aktivierung des Vorverständnisses der Lernenden zu diesem Aspekt erweist sich dabei als geeignet, die lebensweltlichen Erfahrungen der Lernenden zu adressieren, sie zur Artikulation ihrer subjektiven Vorstellungen zu motivieren, einen lebhaften Austausch der Lernenden untereinander zu begünstigen und gemeinsame Bedeutungsaushandlungen zu gewährleisten, in denen die Lerner eigenständig auf die Beiträge ihrer Mitschüler eingehen. Die Tatsache, dass sich die Lernenden mit ihren unterschiedlichen persönlichen Vorstellungen einbringen können und diese als Diskussionsanlass und Impuls für die Aushandlungen unterschiedlicher Sinndeutungen fungieren, bewerten sie im retrospektiven Interview positiv. Nichtsdestotrotz wird die Charakterisierung der Figur auf das Merkmal der Perfektion verkürzt, wodurch ihr Schicksal und die ethischen Implikationen des Klonens nicht in angemessenem Umfang in den Blick geraten. "Ein wesentliches Moment bei der Rezeption von Geschichten" besteht aber darin, 353 "dass wir an dem Schicksal der Charaktere Anteil nehmen und wir uns in ihnen wiedererkennen" (B REDELLA 2012: 12). Ein differenziertes Verständnis der Figur setzt das Einnehmen einer Innen- und einer Außenperspektive voraus. In diesem Fall wären deshalb eine detaillierte Rekonstruktion der Gefühle und Gedanken der Protagonistin aus einer Innenperspektive und eine anschließende Evaluation der ethischen Implikationen des Klonens aus einer Außenperspektive wesentlich gewesen. In diesem Zusammenhang wäre es zudem gewinnbringend gewesen, den Lernenden nicht nur die medizinischen Termini zum Wortfeld Klonen zu vermitteln, sondern sie zusätzlich mit entsprechenden Redemitteln auszustatten, um sie zur Artikulation eines moralischen Urteils zu befähigen. Im weiteren Verlauf der Unterrichtseinheit kommt eine Hierarchisierungsaufgabe zum Einsatz, die neben der Wiedergabe, Überprüfung und Sicherung des globalen Textverständnisses die Erarbeitung der Figurenkonstellation zum Ziel hat, indem Zitate aus der Novelle ihrer Chronologie entsprechend sortiert werden. Die Aufgabe gewährleistet dabei eine nahe Textarbeit und einen detaillierten Nachvollzug der Entwicklung in der Beziehung zwischen Miranda und ihren Eltern, insofern einzelne Textstellen kontextualisiert, kommentiert und interpretiert werden. Die Lehrerin sieht eine weitere Funktion der Aufgabenstellung darin, als Gesprächsauslöser zu fungieren. Gleichwohl lassen sich in der entsprechenden Gesprächssequenz nur vereinzelt längere Redebeiträge auf Seiten der Lerner und Interaktionen zwischen ihnen verzeichnen. Laut Aussage der Lernenden habe das Sortieren der Zitate zwar zu einem besseren Verständnis der Protagonistin, ihrer Entwicklung sowie der Figurenkonstellation beigetragen; den vergleichsweise "großen Zeitaufwand und die dafür spärlichen Ergebnisse" sehen sie allerdings kritisch (Kap. 6.5). Wie bei der Charakterisierung der Protagonistin wird im Rahmen dieser Hierarchisierungsaufgabe die Auseinandersetzung mit einem Schlüsselthema des Jugendromans versäumt: An dieser Stelle hätte es nahegelegen, das moralisch fragwürdige Verhalten der Eltern zur Diskussion zu stellen und die Lernenden zu einer Stellungnahme herauszufordern. Auf diese Weise hätten sich Aushandlungsprozesse zwischen den Lernenden initiieren und ihre evaluative Kompetenz und Kooperationsfähigkeit fördern lassen. Hinsichtlich der Fallstudie Cloning Miranda lässt sich deshalb der Schluss ziehen, dass das Schlüsselthema Klonen durch die frühe Lenkung auf den Aspekt der Perfektion sowie die fehlenden Redemittel zur Formulierung ethischer Gesichtspunkte nicht in seiner notwendigen Tiefe ausgelotet werden konnte. In der Fallstudie "Neighbours" (vgl. Kap. 7) steht eine traditionelle Textanalyse im Mittelpunkt, die zur Erörterung des Settings, der Gattungs- 354 merkmale, der Erzählperspektive, der Figurenkonzeption und -konstellation, der Aussage und des Adressaten sowie der Sprache und Stilmittel eingesetzt wird. Die Analyse des Settings der Kurzgeschichte erweist sich dabei als ein fruchtbarer Stimulus für Aushandlungsprozesse unter den Lernenden, insofern das Setting nicht explizit genannt wird und die Lernenden zu einer genauen Lektüre und zum Bilden von Inferenzen und Hypothesen herausgefordert werden. Die dem Text inhärenten Unbestimmtheitsstellen werden von der Lerngruppe im Unterrichtsgespräch identifiziert und zum Anlass genommen, unterschiedliche Interpretationen intersubjektiv auszuhandeln. So entsteht eine angeregte Diskussion, an der zahlreiche Schülerinnen und Schüler partizipieren und eigenständig auf die Beiträge ihrer Mitschüler eingehen. Sie lenken selbstständig hin auf Gesprächsinhalte, formulieren eigene Fragen an den Text, klären Missverständnisse, verweisen regelmäßig auf textuelle Hinweise und ziehen ihr lebensweltliches und soziokulturelles Vorwissen für ihre Sinndeutungen heran. Der große Beteiligungsradius und die fundierten Aussagen weisen darüber hinaus auf eine hohe Motivation und eine genaue Textkenntnis der Lernenden hin (vgl. Kap. 7.4.2). Auch anhand der Analyse und Interpretation der Figurenkonzeption und der Entwicklung des Beziehungsgefüges forciert der Lehrer eine nahe Arbeit am Text und fordert die Lernenden dazu auf, ihre Interpretationen konsequent zu belegen. In seiner Funktion als Moderator des Unterrichtsgesprächs lässt der Lehrer verschiedene Meinungen zu, weist aber auch nicht plausibel erscheinende Interpretationen zurück. Trotz dieser vornehmlich textimmanenten Vorgehensweise lassen sich Aushandlungsprozesse und komplexe Schülerbeiträge verzeichnen, in denen sie ihre lebensweltlichen Erfahrungen integrieren und für die Interpretation der Kurzgeschichte heranziehen. Gleichwohl hätte eine verstärkte Schülerorientierung den Verstehensprozess noch weiter vertiefen können: So hätte das Thema 'Freundschaft' oder der interkulturelle Konflikt als Ausgangspunkt dafür fungieren können, die Perspektive der Lernenden zu integrieren, ihre individuellen Vorstellungen einzuholen, diese in der Lerngruppe aushandeln zu lassen und anschließend wiederum für die Analyse des Beziehungsgefüges in der Kurzgeschichte heranzuziehen. Durch eine solche Vorgehensweise hätte nicht nur die Interaktion unter den Lernenden, sondern auch die Interaktion der Lernenden mit dem Text intensiviert werden können. Die sehr detaillierte Erarbeitung der Figurenkonzeption und -konstellation mit der damit einhergehenden Dominanz des Unterrichtsgesprächs als Methode führt schließlich zu zahlreichen Überschneidungen und Redundanzen. Der Einsatz verschiedener handlungs- und produktionsorientierter 355 Verfahren hätte in diesem Fall dazu geeignet sein können, die Analyse der Figuren und des Beziehungsgefüges zu vertiefen sowie eine stärkere Phasierung des Unterrichtsgeschehens und einen methodischen Pluralismus zu begünstigen: So hätte etwa die Methode des Hot Seat zu Perspektivenwechsel und -übernahme anregen und die Möglichkeit bereitstellen können, die Einstellungen, Gefühle, Motive und Gedanken der Figuren weiter auszuloten. Die Figurenkonstellation hätte in Form eines Rollenspiels rekonstruiert und szenisch dargestellt werden können; die Ergebnisse hätten wiederum in Form eines Soziogramms bzw. eines graphic organizers visualisiert und bildlich festgehalten werden können. Auch wenn die Analyse von Struktur- und Stilmerkmalen bei allen Gattungen gleichermaßen bedeutsam ist, lässt sich die Hypothese aufstellen, dass kürzere Gattungen wie die Kurzgeschichte besonders dazu geeignet sind, eine detaillierte Textanalyse im Sinne eines close reading vorzunehmen. So erhalten textanalytische Gesichtspunkte in der Fallstudie "Neighbours" das größte Gewicht, während sie in den übrigen Fallstudien nur anhand von Auszügen bzw. ausgewählten Sequenzen thematisiert werden. Die Charakterisierung der Protagonistin Ursula/ Ugly Girl wird in der Fallstudie Big Mouth and Ugly Girl im Sinne eines scaffolding dadurch vorbereitet, dass die Lernenden ein Arbeitsblatt mit Kriterien zum Verfassen einer schriftlichen Charakterisierung erhalten. Darüber hinaus erhalten die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, den entsprechenden Textabschnitt nach wichtigen Informationen zu der Figur zu scannen und die entsprechenden Passagen zu markieren. Damit stellt der Lehrer nicht nur die entsprechenden Redemittel bereit und gibt einen genauen Erwartungshorizont für die Bearbeitung vor, sondern er fördert auch die Methodenkompetenz und den gezielten Einsatz von Lesestrategien auf Seiten der Schüler. Der exemplarisch dargestellte Lernertext zeugt davon, dass Lerner einer 11. Jahrgangsstufe in der Lage sind, eine literarische Figur sprachlich und mit ausreichender literarischer Kompetenz zu charakterisieren, zu interpretieren und zu evaluieren. Darüber hinaus spiegelt der Lernertext durch eine konsequente Angabe der zitierten Quellen ein Bewusstsein für wissenschaftspropädeutische Aspekte. Die schriftlichen Charakterisierungen dienen im weiteren Verlauf der Aufgabensequenz als Grundlage für einen 'Galeriegang', d.h. die Lernenden legen ihre Produkte auf ihren Tischen aus, sodass sie durch ihre Mitschüler und den Lehrer, die von einer 'Ausstellung' zur nächsten schreiten, begutachtet werden können. Der Lehrer gibt für diesen 'Galeriegang' Kriterien wie etwa grammar, content oder creativity vor, anhand derer die Lernenden die Produkte ihrer Mitschüler beurteilen, korrigieren und vergleichen sollen. So 356 erhalten die Lernenden einen Einblick in die Produkte ihrer Mitschüler und ihre evaluativen Kompetenzen werden dadurch gefördert, dass sie gewissermaßen in die Rolle eines Lehrers schlüpfen. Im sich anschließenden Unterrichtsgespräch sind die Lernenden aufgefordert, ihre Beobachtungen zu verbalisieren. In der Nachbesprechung werden allerdings wiederholt nicht alle vorgegebenen Evaluationskriterien berücksichtigt, sodass interessante Anmerkungen der Mitschüler, die als Ausgangspunkt für gewinnbringende Diskussionen und Bedeutungsaushandlungen sowie für eine inhaltliche Vertiefung hätten dienen können, nicht zur Sprache kommen und die Aufgabenstellung so ihr didaktisches Potenzial nicht voll ausschöpfen kann. Die Lerner äußern sich im retrospektiven Interview positiv zu dieser Methode, als sie ihnen die Möglichkeit biete, die Texte ihrer Mitschüler unverfälscht mit ihren Stärken und Schwächen lesen und mit den eigenen Texten abgleichen zu können (vgl. Kap. 8.5). Es lässt sich hier die Hypothese aufstellen, dass sich die Evaluation und der Vergleich mit den Arbeiten der Mitschüler bestärkend und motivierend auf die eigene Leistung auswirken. Der Lehrer sieht die Hauptfunktion dieser Methode darin, auf viele Schülerprodukte eingehen zu können, die evaluativen Fähigkeiten der Lerner zu fördern und sie in Bezug auf ihre eigene Schreibkompetenz zu sensibilisieren (vgl. Kap. 8.6). Dennoch zeugen die sprachlichen Korrekturen und Anmerkungen der Mitschüler im Galeriegang auch von der Gefahr, dass nicht alle Fehler bemerkt und sogar einige Aspekte markiert werden, die nicht notwendigerweise inkorrekt sind. Die 'Korrekturen' der Mitschüler bedürfen demnach einer abschließenden Kontrolle durch den Lehrer, damit sich keine zusätzlichen Fehler einschleichen bzw. perpetuieren. Die inhaltlichen Anmerkungen der Mitschüler erweisen sich hingegen als fruchtbarer, wenn sie Stärken lobend kommentieren oder auf Schwachstellen aufmerksam machen. Diese könnten im weiteren Verlauf der Unterrichtseinheit dazu dienen, Aushandlungsprozesse unter den Lernenden zu initiieren und ein vertieftes Textverständnis voranzutreiben. In allen vier Fallstudien kommen Rollenspiele und Standbilder zum Einsatz, sodass diese Methoden im Folgenden noch einmal gesondert aufgegriffen werden sollen: Rollenspiele im literaturbasierenden Unterricht verlangen von den Lernern, sich in die Perspektive der jeweiligen literarischen Figuren einzufühlen und aus dieser Rolle heraus zu agieren. Dabei können die Lernenden in der Interaktion mit ihren Mitschülern ihre persönlichen Vorstellungen und Auslegungen des Textes in Form von Spielhandlungen darstellen. Die Lerner versetzen sich in die Gedanken und Gefühle anderer, erfassen andere Sicht- und Erlebnisweisen und evaluieren das 'Erlebte' 357 anschließend aus ihrer eigenen Perspektive. Insofern ist die Methode des Rollenspiels geeignet, die Lernenden zu involvieren und ihre kognitiven, affektiven, sozialen und interaktiven Fertigkeiten zu fördern. Zudem regt sie zum Perspektivenwechsel und dem Einnehmen einer Innen- und Außenperspektive an und vermag so Empathiefähigkeit und Fremdverstehen auszubilden. Eine gemeinsame Analyse und Besprechung der Rollenspiele im Plenum kann schließlich als Ausgangspunkt dafür dienen, die unterschiedlichen Sinndeutungen intersubjektiv nachvollziehbar auszuhandeln und die kommunikativen und evaluativen Kompetenzen der Lernenden zu fördern. Gleichwohl treten bei der Umsetzung, Reflexion und Bewertung sowie in Bezug auf die Situierung der Rollenspiele innerhalb der Lerneinheit wiederholt Schwierigkeiten zutage. Zudem kommt es im Unterricht auch immer wieder vor, dass Lernende die Rollenspiele nicht ernst nehmen und sie deshalb nicht nur Gefahr laufen, ins Lächerliche abzugleiten, sondern auch hinter ihrem didaktischen Potenzial zurückbleiben (vgl. Kap. 6). Szenische Verfahren sprechen nicht alle Lernertypen gleichermaßen an, sodass im Sinne einer Binnendifferenzierung auch solche Rollen vergeben werden müssen, die sich auf die 'Regie' oder eine Beobachtung und Analyse der szenischen Präsentationen beschränken. Szenische Verfahren wie Rollenspiele können nur erfolgversprechend sein, die Interaktion zwischen den Lernern fördern und den Verstehensprozess vertiefen, wenn die Lernenden sie ernst nehmen und sich in angstfreier Atmosphäre auf sie einlassen können. In diesem Zusammenhang hat sich eine hohe Fehlertoleranz von Seiten der Lehrkraft bewährt (vgl. Kap. 8). Der Einsatz von Rollenspielen in literaturbasierenden Unterrichtseinheiten erfolgt nicht immer auf Grundlage des literarischen Textes, sondern kann auch der Vorbereitung auf einen literarischen Text dienen oder sich auf Grundlage eines ergänzenden Sachtextes vollziehen, sodass der Rückbezug zum literarischen Text und die Nutzbarmachung des Rollenspiels für ein vertieftes Verstehen desselben ausbleibt. So wird in der Fallstudie "Neighbours" versäumt, die fruchtbaren Rollenspiele aus der Einführungsphase, die nicht nur interkulturelle Konflikte darstellen, sondern auch den Konflikt der Kurzgeschichte antizipieren, am Ende noch einmal aufzugreifen, zu rekapitulieren und den Lernprozess gemeinsam nachzuvollziehen. In den Rollenspielen kommen zahlreiche Vorurteile und Stereotype zum Ausdruck, die für die Förderung interkulturellen Lernens und im Sinne einer Förderung des Verstehensprozesses hätten nutzbar gemacht werden können. Auch hinsichtlich der anschließenden Analyse der insgesamt sehr unterschiedlichen Rollenspiele treten Schwierigkeiten auf. Die Lernenden erhalten den Arbeitsauftrag, die in den Rollenspielen zum Ausdruck kom- 358 menden Einstellungen zu identifizieren. Diese werden aber bei der gemeinsamen Analyse nicht konsequent berücksichtigt, und es lässt sich die Hypothese aufstellen, dass eine Analyse des Rollenspiels erfolgversprechender gewesen wäre, wenn der Lehrer vorab die für einen interkulturellen Lernprozess elementaren Begriffe 'Einstellung', 'Vorurteil' und 'Stereotyp' thematisiert und erläutert hätte, worin sie sich unterscheiden. Zudem hätte sich eine Interpretation der Rollenspiele vorantreiben lassen, indem man Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen hinsichtlich des dargestellten Konfliktes herausgearbeitet hätte. Schließlich hätten die Rollenspiele als Grundlage für eine Hypothesenbildung und das Aufbauen einer Erwartungshaltung hinsichtlich der in der Kurzgeschichte zum Tragen kommenden inter- und intrakulturellen Konflikte dienen können. Da die in den Rollenspielen dargestellten Konflikte und Einstellungen im weiteren Verlauf der Unterrichtseinheit aber nicht mehr aufgegriffen werden und die kreativen Schülerprodukte insgesamt zu wenig bzw. keine Berücksichtigung finden, bleibt die Aufgabenstellung hinter ihrem didaktischen Potenzial zurück, die Ergebnisse für die Interpretation der Kurzgeschichte nutzbar zu machen, ein vertieftes Textverständnis zu begünstigen und als Ausgangspunkt dafür zu dienen, in einer post-reading phase zu eruieren, inwiefern die in der prereading phase aktivierten Erwartungen die Rezeptionshaltung und den Verstehensprozess beeinflusst bzw. gelenkt haben. In der Fallstudie Cloning Miranda bleibt ein Rückbezug des abschließenden Rollenspiels zum literarischen Text aus, da der literarische Text, laut Aussage der Lehrerin "soweit fertig besprochen" gewesen sei und es ihr "schwer gefallen" wäre, "einen situativ sinnvollen Rückbezug herzustellen" (Kap. 6.6). Dieser Umstand kann darauf zurückgeführt werden, dass sich das abschließende Rollenspiel vollständig vom literarischen Text entfernt und auf Grundlage ergänzender Sachtexte durchgeführt wird, die den Aspekt des Klonens unabhängig vom literarischen Text thematisieren. Ein vertieftes Textverstehen hätte in diesem Fall gefördert werden können, indem man ein Rollenspiel hätte durchführen lassen, das die Figuren aus dem Jugendroman aufgreift. Auf diese Weise hätte man eine sinnvolle Brücke zu den zuvor in der Einheit erarbeiteten Charakterisierungen und Konstellationsmerkmalen schlagen und diese weiter verarbeiten können. In der Fallstudie Big Mouth and Ugly Girl dient das durchgeführte Rollenspiel dem kreativen Füllen einer textuellen Unbestimmtheitsstelle (vgl. Kap. 8.4.4). Die Umsetzung verlangt von den Lernenden eine genaue Textkenntnis sowie ein durch Perspektivenwechsel begleitetes Einfühlen in die betreffende Situation sowie die Übernahme der entsprechenden vom Text vorgegebenen Rollen. Die textuelle Leerstelle eröffnet den Lernenden einen 359 'Spielraum' für eigene Vorstellungen und Sinndeutungen und ermöglicht ihnen so, sich den Text persönlich anzueignen und ihre individuellen Interpretationen mit denen ihrer Mitschüler auszuhandeln. Bei der Durchführung der Rollenspiele vollziehen die Lernenden erfolgreiche Perspektivenwechsel und -übernahmen und formulieren eigene Fragen an den Text und an die Spielgruppe, was im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik einen subjektiven Zugang zu dem Roman begünstigt. Durch die Erteilung von Beobachteraufträgen in Form von Profilern gewährleistet der Lehrer eine Binnendifferenzierung, einen großen Beteiligungsradius, und begünstigt Interaktionen und Aushandlungsprozesse zwischen den Lernern. Die abschließende Feedbackrunde fällt allerdings sehr knapp und oberflächlich aus und wird vom Lehrer zu schnell abgehandelt, sodass die Rollenspiele nicht die notwendige Würdigung erhalten. Hier lässt sich die Hypothese aufstellen, dass sich eine Bewertung der Schülerprodukte durch die Vorgabe konkreter Kriterien hätte fundieren lassen. Die Aussagen der Lernenden zeugen davon, dass viele die Methode des Rollenspiels begrüßen und ihren Nutzen zu schätzen wissen. So erachten die Schüler Rollenspiele nicht nur als willkommene "Abweichung von dem normalen Unterricht" (Kap. 8.5), die ihnen Spaß bereite, sondern geben auch an, dass sie diese Bearbeitungsform zum Nachdenken anrege, den Verstehensprozess fördere, indem man herauskriege, was "zwischen den Zeilen" passiere und am Ende "irgendwas Gutes" dabei herauskäme (Kap. 5.2.6). Zudem intensiviere es eine Auseinandersetzung mit dem Text und vertiefe das Verständnis der Figuren und ihrer Konstellation. Die Lernenden verstehen das Rollenspiel als eine gute Möglichkeit, sich "in die verschiedenen Sichtweisen" hineinzuversetzen und so die Handlungen der Figuren besser nachvollziehen und verstehen zu können (Kap. 6.5; vgl. auch Kap. 8.5). Dabei gehe es aber nicht allein um die Rekonstruktion, das Einfühlen in, die Übernahme der fremden Perspektive und das Einnehmen einer Innenperspektive, sondern auch darum, aus der Außenperspektive zu beurteilen, wie man selbst in einer bestimmten Situation reagieren würde (vgl. Kap. 5.2.6). Im Fall von Shakespeare erleichtere die Methode darüber hinaus eine Aktualisierung des Geschehens und den Transfer auf die eigene Lebenswelt. Schließlich erziele die Methode durch ihre Ganzheitlichkeit und Visualisierung eine bessere Behaltensleistung. Eine besondere Form der szenischen Interpretation, die in den Fallstudien Romeo and Juliet sowie Big Mouth and Ugly Girl wiederholt zum Einsatz kommt, ist das Standbild (freeze frame). Standbilder, die auf Grundlage eines literarischen Textes erstellt werden, sind als Momentaufnahmen zu verstehen, die zentrale textuelle Momente bzw. Schlüssel- 360 szenen aufgreifen. Beim Bauen von Standbildern verharren die Schüler bewegungs- und sprachlos in ihrer Pose, sodass diese Form von Bildern eine visuelle und szenische Komponente beinhalten. In der Fallstudie Romeo and Juliet wird die Methode des Standbildes eingesetzt, um die Figurenkonstellation näher zu beleuchten. Als Vorbereitung darauf werden die Lernenden angehalten, die Charaktereigenschaften der Figuren zu erarbeiten und sie auf Rollenkarten festzuhalten. Nach der Präsentation erfolgt eine Besprechung und Nachbearbeitung, indem die Mitschüler bzw. die Beobachter aufgefordert werden, das Standbild zu interpretieren, sowie die Angemessenheit der Darstellung zu bewerten und Verbesserungsvorschläge vorzubringen. Auch in der Fallstudie Big Mouth and Ugly Girl wird die Methode des Standbildes genutzt, um die Figurenkonstellation zu vertiefen. Anders als in der Fallstudie Romeo and Juliet werden die Standbilder in dieser Fallstudie von einem 'Baumeister' erstellt, der sich eine Situation und das entsprechende Standbild ausdenkt und insgesamt die Verantwortung für die Darstellung übernimmt. Während der Erstellung des Standbildes werden die Mitschüler aufgefordert, ihre Augen zu schließen. Nach der Fertigstellung erteilt der Lehrer den Hinweis, dass sie ihre Augen wieder öffnen können, um das Standbild zu beschreiben. Nach ihrer Beschreibung bzw. Interpretation erhalten sie die Möglichkeit, die Gruppe zu ihrem Standbild bzw. die Figuren etwa nach ihren Gedanken und Gefühlen zu befragen. Neben der Beschreibung des Standbildes und dem Ziehen von Inferenzen, wer wen im Standbild verkörpert, machen die Mitschüler von ihrer Möglichkeit Gebrauch, die Darsteller zur Bauweise ihres Standbildes zu befragen, die daraufhin nicht nur angehalten sind, ihre Posen argumentativ zu begründen, sondern auch ihre Gedankengänge und Gefühle zu beschreiben. In der sich anschließenden gemeinsamen Bedeutungsaushandlung wird das Standbild mit der Darstellung im Roman abgeglichen und hinsichtlich seiner Plausibilität evaluiert. Zudem klären die Lernenden Missverständnisse und verifizieren bzw. widerlegen ihre Interpretationen. Insgesamt regt die Aufgabenstellung zu einem aktiven Perspektivenwechsel an und veranlasst die Lernenden dazu, die Gefühle der Figuren auszuloten, sodass sie zu einem differenzierten Verständnis der Charaktere und ihrer Konstellation zu gelangen. Durch die Standbilder und ihre Evaluation bzw. Befragung durch die Mitschüler werden neue Aspekte des Beziehungsgefüges beleuchtet und eine vertiefte Interpretation begünstigt. Zudem ist die Aufgabenstellung geeignet, die Sinndeutungen der Lernenden im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik zu integrieren und Schüler-Schüler-Interaktionen zu fördern. 361 Standbilder werden von den Schülerinnen und Schülern nicht so positiv bewertet wie Rollenspiele. Einige Lernende lehnen die Methode mit dem Hinweis ab, dass sie keine Schauspieler seien und es schwierig sei, Textstellen szenisch zu interpretieren und mit Gesten zu untermalen, wenn man nicht die Gelegenheit gehabt hätte, den Text auswendig zu lernen. Sie betrachten solche Aufgaben mithin als Pflichtübung, die man "rumzukriegen" versuche (Kap. 5.2.6). Andere begrüßen die methodische Abwechslung und räumen ein, dass sie diese Methode zum Nachdenken anregen würde. Zudem schätzen es die Lernenden, ihre eigenen Vorstellungen von einer Figur bei dieser kreativen Umsetzung mit einbringen zu können und weisen darauf hin, dass dies zu einer Betrachtung des jeweiligen Sachverhalts, in diesem Fall der Figurenkonstellation, aus unterschiedlichen Perspektiven beitrage und eine solch multiperspektivische Betrachtungsweise zu unterschiedlichen Lösungen führe. Auch das Verständnis einzelner Figuren werde gefördert, indem man sich in sie hineinversetze und darüber nachdenke, "was ist das eigentlich für ne Figur? " (Kap. 8.5). An dieser Stelle wird deutlich, dass die Methode trotz ihrer Ablehnung durch einige Schüler dennoch geeignet ist, Perspektivenwechsel und -übernahme zu fördern, die evaluativen Kompetenzen der Lernenden zu fördern und der Polyvalenz literarischer Texte im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik Rechnung zu tragen. Hinsichtlich des Erstellens von Standbildern erachten es die Lernenden als gewinnbringend, wenn die Präsentierenden ihre Standbilder im Anschluss an die Darstellung erklären. Dennoch beklagen viele Schüler eine mangelnde Nachbearbeitung solcher Aktivitäten und es lässt sich der Schluss ziehen, dass Schülerinnen und Schüler ein Feedback und eine entsprechende Würdigung für ihre Leistungen erwarten. Findet ein solcher follow-up nicht statt, kann sich den Lernern nicht der Sinn einzelner Aufgabenstellungen erschließen und das Potenzial einzelner Aufgaben nicht genutzt werden. Eine sinnvolle Nachbearbeitung solcher Aufgaben ist aber nur möglich, wenn sie die Lehrkraft auch ausreichend vorbereitet. Dies impliziert, dass die Aufgaben im Vorfeld vollständig durchdacht und reflektiert werden, dass ein Erwartungshorizont abgesteckt und den Lernenden Kriterien für ihre Bewältigung vorgegeben werden. Insgesamt zeigen die Fallstudien auf, dass analytische wie handlungs- und produktionsorientierte Verfahren geeignet sind für ein "ins-Gesprächkommen" mit dem Text (G ADAMER 1990), das den Verstehensprozess zu fördern vermag. Dennoch muss ihr Einsatz differenziert erfolgen und didaktische Entscheidungen gestalten sich aufgrund ihrer Multifaktorialität oft schwierig. 362 Die Lernenden stufen textanalytische Verfahren wie etwa die Analyse von Stilmitteln als "schon wichtig eigentlich" ein (Kap. 5.2.6), weisen aber auch darauf hin, dass sie die rhetorischen Figuren trotz eingehender Betrachtung im Unterricht nicht verstanden hätten und so ihr Wissen um stilistische Mittel nicht gefestigt bzw. vertieft wurde. Nach Ansicht der Lernenden würden textanalytische Gesichtspunkte darüber hinaus zu oft behandelt und vornehmlich darin bestehen, wichtige Textstellen zu unterstreichen (vgl. ibid.). 104 Zudem monieren die Lernenden eine Monotonie der eingesetzten Aufgabenformate ("zu jeder Lektüre so ähnliche Aufgabenstellungen"; "wirklich jedes Mal das Gleiche zu jedem Buch"; "Immer der gleiche Ablauf"; Kap. 6.5) und würden eine breitere Fächerung der Methoden in Form von schülerorientierten, kooperativen bzw. kollaborativen Arbeitsweisen begrüßen, in denen sich die Lerner untereinander austauschen, voneinander lernen und gemeinsam ein Zielprodukt wie etwa ein Tafelbild erstellen könnten (vgl. ibid.). Andere Lernende haben den Eindruck, dass der literarische Text im Unterricht "totgekaut" bzw. "ausgiebigst" erarbeitet wurde, räumen aber ein, dass man es schon gewohnt sei, dass ein Text "wirklich bis in den letzten Winkel durchleuchtet" werde (Kap. 7.5). Stattdessen würden sie eine vermehrte Perspektivenvielfalt und das Herstellen intertextueller Bezüge begrüßen, anhand derer man verschiedene Geschichten vergleichen könne, denn das würde sie motivieren, sich noch intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen (vgl. ibid.). Textanalytische Verfahren zur Identifizierung von Stil- und Strukturmerkmalen sind zwar sinnvoll, wenn sie das Verhältnis von Form, Bedeutung und Wirkung auf den Rezipienten beleuchten und ein vertieftes Textverständnis vorantreiben, nicht aber, wenn sie zum Selbstzweck werden und sich vom jeweiligen Text entfernen. In dem Fall wirken sie vielmehr demotivierend für Lehrer und Lernende und resultieren in einer ablehnenden Haltung gegenüber literarischen Texten. Handlungs- und produktionsorientierte Verfahren werden zwar auch nicht von allen Lernenden gleichermaßen befürwortet, dennoch wissen die meisten Schüler ihren positiven Nutzen durchaus einzuschätzen: Handlungs- und produktionsorientierte Verfahren tragen dazu bei, dass Lernende literarische Texte in ihrer Offenheit und Polyvalenz wahrnehmen und sie als Mittel zum Ausdruck ihrer persönlichen Interpretationen und Stellungnahmen verstehen. Zudem bieten sie ihnen die Möglichkeit zur Übernahme 104 Diese Auffassung spiegelt die in den Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss genannte Methodenkompetenz, "wichtige Details durch Unterstreichen [zu] markieren" (KMK 2004a: 17). 363 fremder Perspektiven und begünstigen ein differenziertes Verständnis literarischer Figuren, indem sie zum Ausloten von Charaktereigenschaften, Gefühlen und Motiven einladen. Darüber hinaus regen sie Lernende auch dazu an, das Gelesene auf ihre Lebenswelt zu beziehen und mögliche Konsequenzen zu reflektieren, sodass handlungs- und produktionsorientierte Verfahren nicht nur grundlegende Aspekte literarischer Kompetenz, sondern auch Selbst- und Fremdverstehen zu fördern vermögen. Dass Lernende nicht alle Aufgabenstellungen und Methoden gleichermaßen begrüßen, ist nachvollziehbar und unterstreicht wiederum die Notwendigkeit einer Binnendifferenzierung, die im Unterricht häufig vernachlässigt wird. Darüber hinaus machen die Äußerungen der Schüler deutlich, dass es nicht ausreicht, sich auf eine Binnendifferenzierung zu beschränken, sondern dass sie es im Sinne der Schülerorientierung, autonomen Lernens und motivationaler Aspekte begrüßen würden, wenn sie auch in die Textauswahl einbezogen würden und ihre Arbeitsgruppen selbstständig konstituieren dürften. Von Seiten der Lehrkräfte werden handlungs- und produktionsorientierte Verfahren einhellig begrüßt. So sehen sie Lehrkräfte als Möglichkeit, viele Schülerinnen und Schüler zu aktivieren bzw. "den ganzen Kurs einzubinden" (Kap. 5.2.7), während sich die Lernenden etwa in Unterrichtsgesprächen leichter zurückziehen könnten ("Wenn sie […] gerade mal keine Lust haben, sich zu melden, dann melden sie sich halt nicht […]") (Kap. 7.6). Zudem begrüßen sie Lehrende, ähnlich wie die Lernenden, als willkommene Abwechslung im Unterrichtsverlauf, betrachten sie als anspruchsvoll und schreiben ihnen das Potenzial zu, die Schüler mehr zu fordern, als dies die "üblichen Aufgaben zur Textarbeit" (Kap. 6.6) bzw. mehr lehrerorientierte Phasen oder ein Frontalunterricht vermögen würden (vgl. Kap. 7.6). Die Lehrkräfte betonen schließlich, dass handlungs- und produktionsorientierte Aufgabenstellungen dazu dienen, "das tiefere Verständnis" des literarischen Textes zu überprüfen sowie als Ausgangspunkt für eine Transferleistung der Lernenden fungieren können, in der sie Perspektivenwechsel und -übernahmen vollziehen und ihre persönlichen Verstehensweisen dokumentieren können (Kap. 5.2.7). Handlungs- und produktionsorientierte Verfahren ermöglichen den Lernern somit, "ihre eigenen Erfahrungen einbringen" zu können und etwa im Falle von Rollenspielen und Standbildern durch das "Überstülpen der neuen Identität", ihre "eigene Meinung im Schutze […] der anderen Person" äußern zu können (Kap. 8.6). Schließlich verweisen die Lehrkräfte aber auch auf einige Problematiken im Zusammenhang mit handlungs- und produktionsorientierten Aufgabenstellungen: So besteht Konsens darüber, dass solche Verfahren "in der 364 Bearbeitung wie in der Korrektur sehr zeitintensiv" (Kap. 6.6) bzw. "sehr zeitraubend" und so nicht immer praktikabel seien (Kap. 7.6). Dies sei insbesondere in Grundkursen, die nur drei Wochenstunden zur Verfügung hätten und in Zeiten von G8 ein Nachteil. Zudem sprächen solche Aufgabenformate nicht alle Lernertypen an, sodass deren Einsatz nur unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Zeitkontingents und der entsprechenden Lerngruppe erfolgen könne. Nicht zuletzt zeugen die Fallstudien von einigen Schwierigkeiten beim Einsatz handlungs- und produktionsorientierter Verfahren im Literaturunterricht. Diese reichen von den mit ihnen verfolgten Lernzielen bis zur Bewertung der kreativen Schülerprodukte. So zielt etwa in der Fallstudie Romeo and Juliet der kreative Arbeitsauftrag primär auf die Wiedergabe des Inhalts ab und lässt wenig Raum für Unerwartetes oder Neues, Merkmale, die für kreative Aufgabenstellungen charakteristisch sind, sodass unklar bleibt, warum die Lehrkraft hier kreative Verfahren wählt (vgl. Kap. 5.2.5.2). Trotz dieser inhaltlich eng gesteckten Vorgabe zeugen die Lernerprodukte von Imagination und einem individuellen Zugang zu einem vorgegebenen Aspekt des literarischen Textes, sodass die Aufgabenstellung im Sinne einer Förderung der Verarbeitungstiefe geeignet war, ein eingehenderes Verstehen der Figuren und der zentralen Konflikte zu begünstigen. Die kreativen Leistungen der Lernenden werden im Unterricht aber kaum zur Kenntnis genommen und auf das subjektive Potenzial der Schülerprodukte wird nicht eingegangen, da sie in diesem Fall nur als Ausgangspunkt für ein kreatives Abfragen des Textinhalts gedient haben, das wenig Spielraum für individuelle Sinndeutungen und Aushandlungsprozesse bereitstellt. Die mangelnde Würdigung kreativer Schülerprodukte wird auch von Seiten der Lernenden wiederholt moniert, insofern eine Ergebnissicherung bzw. Nachbearbeitung kreativer Verfahren oft ausbleibe und sich Lehrkräfte einer Bewertung entzögen. Lernende erwarten für ihre Produkte und Leistungen aber zu Recht ein Feedback und eine entsprechende Würdigung; diese muss aber nicht ausschließlich von Seiten der Lehrkraft erfolgen, sondern auch der Austausch und die Aushandlung mit Mitschülern im Unterrichtsgespräch spielt für die Lerner eine wichtige Rolle (vgl. Kap. 5.2.6). Der Umstand, dass kreative Leistungen im Unterricht immer wieder übergangen werden, ist deshalb besonders bedauerlich, da die kreativen Schülerprodukte die individuellen Verstehensweisen der Lernenden dokumentieren und als Ausgangspunkt für interaktive Aushandlungsprozesse in Form von kollektiver Reflexion, Evaluation und das Interpretationsgespräch dienen können. Dadurch würden nicht nur vertiefte Verstehensprozesse gefördert, sondern auch die kommunikativen und evaluativen Kompetenzen 365 auf Seiten der Lernenden sowie soziale Lernziele wie Kooperations- und Teamfähigkeit, Solidarität und Kritikfähigkeit gefördert. Es lässt sich deshalb die Hypothese aufstellen, dass Lehrkräfte handlungs- und produktionsorientierte Verfahren 1. vorher sorgfältig planen und durchführen und danach 2. gut reflektieren müssen. Das betrifft zum einen das zur Verfügung stehende Zeitkontingent, insofern solche Verfahren sehr zeitaufwendig sind und einer intensiven Vor- und Nachbereitung bedürfen. Zum anderen müssen die eingesetzten handlungs- und produktionsorientierten Verfahren den mit ihnen verfolgten Zielsetzungen angemessen sein, denn die im fremdsprachlichen Literaturunterricht eingesetzten Aufgaben und Methoden korrelieren unmittelbar mit den durch sie zu fördernden Kompetenzen und zu erreichenden Lernzielen. Schließlich sollten Lehrkräfte Kriterien entwickeln, die nicht nur den Lernenden einen Erwartungshorizont für die Bearbeitung vorgeben, sondern Lehrkräften im Umkehrschluss auch ermöglichen, die entstehenden kreativen Schülerprodukte fundiert bewerten und gebührend würdigen zu können. In diesem Sinne könnten zudem gemeinsame Reflexionsphasen am Ende einer Aufgabenstellung oder Unterrichtseinheit für beide Parteien nutzbringend sein. Die Lerner würden so nicht nur die Gelegenheit erhalten, ihren Lernprozess auf einer Metaebene zu reflektieren, sondern auch die eingesetzten Aufgabenformate zu evaluieren. Dies würde wiederum der Lehrkraft nicht nur Aufschluss über den didaktischen Nutzen der entsprechenden Aufgabe geben und ihr ermöglichen, sie in Zukunft entsprechend zu modifizieren, sondern ihr auch die Gelegenheit bieten, ihre didaktischen Kompetenzen weiter auszubilden. Insgesamt bleibt im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik festzuhalten, dass weder eine einseitige Textanalyse, noch eine Monopolstellung kreativer Verfahren der Textbegegnung geeignet sind, dem interaktiven Verhältnis von Leser und Text gerecht zu werden und ein vertieftes Textverständnis zu begünstigen: Wir "lesen literarische Texte nicht, um zu demonstrieren, dass wir ihre Stil- und Strukturmerkmale erkennen und benennen können" (B REDELLA 2012: 21) genauso wenig, wie wir Sprache sprechen, um grammatische Regeln anzuwenden. Die Form eines literarischen Textes lässt sich nicht von seinem Inhalt trennen, sodass formalästhetische Gesichtspunkte ihre Bedeutung nur in Abhängigkeit von den jeweiligen Inhalten erhalten (ibid.). Gleiches gilt für handlungs- und produktionsorientierte Verfahren: Wir lesen literarische Texte nicht, um kreativ zu werden und ein Rollenspiel aufzuführen, sondern wir lesen sie, um uns als körperliche, geistige, erkennende und moralische Wesen ansprechen und herausfordern zu lassen (ibid.: 37). Wir können uns aber nur ansprechen und herausfordern lassen, wenn wir das Dargestellte angemessen verstehen. 366 Aufgaben und Methoden im fremdsprachlichen Literaturunterricht sind deshalb kein Selbstzweck, sondern dienen dazu, das Potenzial des jeweiligen Textes zu entfalten, ihn für die Lernenden verständlich zu machen und sie emotional wie moralisch zu involvieren. Dies impliziert, dass Aufgabenstellungen und Methoden immer in Abstimmung auf die jeweiligen Inhalte konzipiert und eingesetzt werden müssen. Der mutterwie fremdsprachliche Literaturunterricht steht deshalb vor der schwierigen Aufgabe, analytische und handlungs- und produktionsorientierte Verfahren sinnvoll und in einem angemessenen Verhältnis zu kombinieren. Wie weitreichend und risikoreich didaktische Entscheidungen sein können, veranschaulicht etwa die Fallstudie Cloning Miranda, in der die frühe Lenkung auf das Merkmal der Perfektion verhindert, dass die ethischen Implikationen des Klonens in den Blick kommen. @ # 4( ( Die Produktion von analytisch-interpretativen und kreativen Lernertexten ist für den fremdsprachlichen Literaturunterricht konstitutiv. Während traditionelle Lernertexte wie Essays und Kommentare neben einer Analyse und Interpretation des literarischen Textes eine Flexibilisierung der sprachlichen Mittel zum Ziel haben und noch immer weitgehend Grundlage der schriftlichen Abiturprüfung sind, finden heute auch zunehmend kreative Schreibaufträge unterrichtspraktische Resonanz. Diese streben im Sinne der Prämisse der Schülerorientierung eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Ausgangstext vor dem Hintergrund ihres Vorwissens sowie ihrer Erfahrungen, Erwartungen und Einstellungen an. In den vier Fallstudien kommen verschiedene kreative Schreibaufträge zum Einsatz, die von der Transformation des Ausgangstextes in eine andere Textsorte bzw. eine andere Perspektive zeugen. So werden im Unterricht Zeitungsartikel, Tagebucheinträge und Gedichte verfasst und Geschichten aus einer anderen Perspektive umgeschrieben. Bei der unterrichtlichen Umsetzung solcher Schreibaufträge treten allerdings Schwierigkeiten auf, die von den mit ihnen verfolgten Zielsetzungen bis zu ihrer Bewertung reichen. In Fallstudie Romeo and Juliet erhalten die Lernenden etwa den Auftrag, den Inhalt des dritten Aktes kreativ darzustellen, wobei sie zwischen verschiedenen Darstellungsformen, i.e. Rollenspiel, Pressekonferenz, Zeitungsartikeln, Brief, Tagebucheintrag, Dialog, Comic und einem Gedicht wählen dürfen (vgl. Kap. 5.2.5.2). Die Lernenden entscheiden sich für das Verfassen eines Zeitungsartikels, eines Comics und eines Sonetts, wobei sie zu 367 unterschiedlich erfolgreichen Ergebnissen kommen. 105 Während der Zeitungsartikel recht kurz ist, strukturell nicht den formalen Ansprüchen eines Zeitungsartikels entspricht und inhaltlich unplausibel erscheint, zeugt das Sonett der Lernenden von ihrer Kompetenz, diese literarische Form detailliert analysieren und dieses Analysewerkzeug konsequent für die eigene Textproduktion verwenden zu können. Gleichzeitig dokumentieren die Schüler dabei ein tiefgreifendes Textverständnis und formulieren Sachverhalte, die in der literarischen Vorlage Leerstellen bleiben. Im Vorfeld der Unterrichtseinheit wurden zwei Sonette von Shakespeare eingehend analysiert und es lässt sich die Hypothese aufstellen, dass diese Vorgehensweise die Lernenden nicht nur für diese Textsorte sensibilisiert, sondern sie auch dazu befähigt hat, sie selbstständig zu produzieren. Die Textsorte Zeitungsartikel wurde dagegen nicht explizit thematisiert und das Vorwissen der Lernenden war nicht ausreichend, um ein erfolgreiches Ergebnis zu erzielen. Während die Lehrerin zu dem verfassten Zeitungsartikel zwar keine stilistischen Anmerkungen macht, aber dennoch Vertiefungsfragen stellt und hinsichtlich der wichtigsten Ereignisse in Akt III ein abschließendes Fazit zieht, geht sie auf das Sonett leider nicht ein. Obwohl die Lernenden trotz der recht eng gesteckten inhaltlichen Vorgabe, i.e. der Wiedergabe der wichtigsten Entwicklungen in Akt III, in ihrem Sonett zu sehr kreativen und imaginativen Ergebnissen kommen, die neue Aspekte im Text beleuchten und dabei erfolgreich einen Perspektivenwechsel vollziehen, geht die Lehrerin nicht auf die Schülerleistung ein, sondern nutzt sie lediglich als Ausgangspunkt und Diskussionsstimulus für eine Thematisierung der Figur der Amme, die ohne Weiteres auch ohne die kreative Transformation der Lernenden möglich gewesen wäre. Die Nichtbeachtung bzw. die mangelnde Würdigung des Schülerproduktes lässt die Aufgabenstellung hinter ihrem didaktischen Potenzial zurückbleiben und verwundert an dieser Stelle vor allem deshalb, weil die Lernenden den expliziten Wunsch äußern, das Sonett gemeinsam zu analysieren. Da eine Analyse nach einmaligem Vorlesen für die Lerngruppe schwierig ist, wäre es an dieser Stelle gewinnbringend gewesen, das Sonett auf Folie zu ziehen, um es der Lerngruppe zugänglich zu machen und eingehend besprechen zu können. In der Fallstudie "Neighbours" erhalten die Lernenden im Sinne einer post-reading activity den kreativen Schreibauftrag, die Kurzgeschichte aus der Sicht der mazedonischen Familie umzuschreiben und so das Dargestellte aus einer neuen Perspektive zu beleuchten. Da die Kurzgeschichte die Handlung vornehmlich aus der Perspektive des jungen Paares darstellt, ist die Aufgaben- 105 Der Comic wird an anderer Stelle ausführlich dargestellt (vgl. K IMES -L INK 2008). 368 stellung besonders geeignet, die Gedanken und Gefühle der mazedonischen Familie zu vertiefen, eine multiperspektivische Sicht auf das Geschehen zu erzielen und die verschiedenen Perspektiven zu differenzieren. Die Aufgabenstellung erfordert dabei neben einem kritischen Lesen und einer genauen Textkenntnis hinsichtlich des dargestellten Konflikts zwischen den Figurengruppen den Vollzug eines Perspektivenwechsels und das Einfühlen in die Figuren der Nachbarn. Der Auftrag zur Produktion eines alternativen Textes zielt deshalb nicht nur auf eine kreative Aneignung und Verarbeitung des Gelesenen ab, sondern insbesondere auch auf eine Förderung von Selbst- und Fremdverstehen anhand der Perspektiventransformation. Hinsichtlich der mit dieser Aufgabenstellung verfolgten Ziele gibt der Lehrer an, dass er es nicht nur als eine "anspruchsvolle Aufgabe" betrachte, die Geschichte aus einer anderen Perspektive umzuschreiben, sondern auch als probates Mittel, die Perspektive der Makedonier, die in der Kurzgeschichte weitgehend vernachlässigt würde, zu rekonstruieren und so wiederum eine multiperspektivische Betrachtung des Konfliktes zu fördern (Kap. 7.6). Die Aussagen der Lernenden korrespondieren mit dieser Zielsetzung, wenn sie eigenständig darauf hinweisen, dass sie die Aufgabenstellung dazu veranlasst habe, die Lebensumstände der beiden Parteien zu vergleichen und einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. So seien neue Aspekte des Textes beleuchtet und ein vertieftes Verstehen der Figuren und des Konfliktes begünstigt worden (vgl. Kap. 7.5). Die kreativen Lernertexte hätten bei einer Nachbearbeitung als Ausgangspunkt für eine fruchtbare Diskussion und gemeinsame Bedeutungsaushandlungen zwischen den Lernenden dienen können. Leider versäumt es der Lehrer aus Zeitmangel, die kreativen Produkte in der Folgestunde aufzugreifen und zu besprechen, ein Umstand, den er im retrospektiven Interview ausdrücklich bedauert. So erfahren die Lernertexte keine Würdigung und die Aufgabenstellung bleibt insgesamt hinter ihrem didaktischen Potenzial zurück. Darüber hinaus zeugen die Lernertexte von mehr oder weniger großen Schwierigkeiten in Bezug auf das Verfassen schriftlicher Arbeiten, sodass eine sprachliche wie strukturelle Korrektur nutzbringend hätte sein können. @ + 4 " Im fremdsprachlichen Literaturunterricht nehmen Unterrichtsgespräche eine herausragende Rolle ein. Neben der Förderung fremdsprachlicher kommunikativer und diskursiver Kompetenzen stellen sie für Lernende eine Plattform dar, literarische Texte gemeinsam zu erschließen sowie persönlich relevante Inhalte und unterschiedliche Interpretationsansätze zu verhandeln. Das Unterrichtsgespräch ist dabei eine Sozialform und eine Unterrichts- 369 methode, die mehrere Funktionen erfüllt. So kann das Unterrichtsgespräch etwa der Auswertung handlungs- und produktionsorientierter Verfahren dienen oder einen Weg zur Textinterpretation darstellen. Trotz ihrer großen Bedeutung im Literaturunterricht gibt es kaum empirische Erkenntnisse darüber, wie literarische Inhalte im Unterrichtsgespräch erarbeitet, ausgehandelt und vertieft werden. Im Folgenden werden deshalb die in den vier Fallstudien beobachteten Unterrichtsgespräche in Bezug auf ihre strukturellen, interaktionalen und inhaltlichen Merkmale exemplarisch zusammengeführt. In Bezug auf die quantitative Verteilung von Lehrer- und Schüleräußerungen in den Unterrichtsgesprächen lässt sich festhalten, dass sie über weite Strecken dem von S INCLAIR und C OULTHARD (1975) schon vor fast vierzig Jahren identifizierten Dreierschritt des Lehrer-Schüler-Dialogs von initiation - response- feedback bzw. dem vielfach kritisierten 'Ping-Pong-Spiel' der Redebeiträge entspricht. Dieser Umstand geht mit einem hohen Redeanteil der Lehrkraft und nur unregelmäßig stattfindenden Schüler-Schüler-Interaktionen einher. Darüber hinaus lassen sich in den Fallstudien Unterrichtsgespräche nach dem fragend-entwickelnden Muster identifizieren (vgl. Kap. 2.3.4). Dadurch, dass einige Lehrkräfte mit Lehrerhandreichungen arbeiten, haben sie eine bestimmte Interpretation im Sinn, die sie durch entsprechende Fragen bei den Lernenden zu evozieren suchen. Infolgedessen kommt es zu einer starken Lenkung der Lehrkraft auf bestimmte Aspekte und die Auseinandersetzung der Lernenden mit dem literarischen Text wird auf den Versuch verkürzt, diesem einen eindeutigen bzw. 'richtigen' Sinn zu entnehmen. Dies läuft den rezeptionsästhetischen Prämissen einer interaktiven Bedeutungskonstitution zuwider und führt dazu, dass die Sinndeutungen der Lernenden, die nicht unmittelbar am Text belegbar sind, zurückgewiesen werden. Die Fallstudien zeugen aber auch vereinzelt von Gesprächssequenzen, in denen sich die Lehrkräfte zurücknehmen, auf eine starke inhaltliche Lenkung verzichten und eine eher moderierende Rolle einnehmen. Gleichzeitig zeugen diese Sequenzen von einer hohen Fehlertoleranz, die die Schüler in einer angstfreien Atmosphäre dazu ermutigt, aktiv am Gespräch zu partizipieren. An diesen Stellen des Unterrichtsdiskurses sind die Lehrkräfte zwar regelmäßig an den Interaktionen beteiligt, bleiben aber weitgehend im Hintergrund und treten zumindest phasenweise die Steuerung des Gesprächs im Sinne der Schülerorientierung an die Lernenden ab, indem sie sich auf gesprächsstrukturierende Äußerungen beschränken und flexibel auf Schülerbeiträge reagieren. Dabei akzeptieren sie differierende Deutungen und tragen so der Polyvalenz und Vielstimmigkeit des literarischen Textes Rechnung. Die 370 Lehrkräfte nehmen die verschiedenen Interpretationsansätze der Lernenden ernst und lassen unterschiedliche Deutungsansätze nebeneinander stehen, ohne auf eine abschließende Einigung zu pochen. In solchen Sequenzen wird den Lernenden darüber hinaus die Freiheit eingeräumt, das Unterrichtsgespräch mitzulenken, ihre lebensweltlichen Erfahrungen zu integrieren sowie ihre individuellen Auffassungen, Eindrücke, Reaktionen und Erwartungshaltungen zu artikulieren. Hier lässt sich die Hypothese aufstellen, dass ein flexibler und ungezwungener Umgang der Lehrkraft mit mündlichen Schülerleistungen eine angstfreie, entspannte und kreative Atmosphäre in der Klasse erzeugt, die eine aktive Beteiligung der Lernenden am Gespräch, lebhafte Diskussionen und Schüler-Schüler-Interaktionen begünstigt; auf diese Weise erhalten die Lernenden die Gelegenheit, ihre persönlichen Sinndeutungen intersubjektiv nachvollziehbar auszuhandeln und vertiefte Verstehens- und Spracherwerbsprozesse zu erzielen. Eine Moderatorenrolle der Lehrkraft kann zwar an manchen Stellen zur Konsequenz haben, dass sich die Lehrkräfte einer Beurteilung bzw. Bewertung von Schülerbeiträgen und -produkten entziehen und diskussionswürdige Punkte so ungeklärt im Raum stehen bleiben. Dieser Umstand kann allerdings auch bewirken, dass sich Lernende dadurch zur Partizipation am Unterrichtsgespräch herausgefordert fühlen, indem sie diskussionswürdige Aussagen der Mitschüler, die von der Lehrkraft unkommentiert akzeptiert werden, eigenständig aufgreifen, um sie untereinander zu verhandeln und zu klären. Dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass Schüler ihrer Auffassung nach unrichtige Aussagen nicht stehen lassen wollen und Äußerungen ihrer Mitschüler eigenständig in Frage stellen. So zeigen sie Eigeninitiative, Engagement, Diskussionsbedürfnis und Kooperationsbereitschaft, indem sie klärungsbedürftige Aspekte selbstständig aufgreifen, korrigieren oder relativieren und unterschiedliche Interpretationen verhandeln. Auch textuelle Unbestimmtheitsstellen wie etwa in der Fallstudie "Neighbours" (vgl. Kap. 7.4.2) erweisen sich als geeignet, Sprechanlässe zu bieten und die Lernenden zu Bedeutungskonstruktionen in Form von Hypothesenbildungen und Inferenzziehungen herauszufordern. Ein Interesse an der Thematik und eine lebensweltliche Relevanz begünstigen dabei eine aktive Mitarbeit und einen großen Beteiligungsradius. Zudem bieten sich kreative Schülerprodukte als Ausgangspunkt für Aushandlungsprozesse zwischen den Lernern an: Der Redeanteil der Lernenden während solcher Gesprächsphasen ist im Vergleich zur Lehrkraft sehr hoch und die Transkripte zeugen davon, dass viele Schüler imstande sind, auch längere Beiträge spontan, flüssig und weitgehend korrekt zu leisten. Die gemeinsame Evaluation und Reflexion kreativer Schülerprodukte fordert die persönlichen 371 Stellungnahmen der Schülerinnen und Schüler heraus und erweist sich somit als geeignet, die Interaktion der Lernenden untereinander zu fördern. Das demokratische Aushandeln unterschiedlicher Interpretationen stellt authentische Redeanlässe dar und ist somit geeignet, die kommunikative Kompetenz der Lernenden zu fördern und den stereotypen Dreierschritt von initiation - response- feedback aufzubrechen. Die Lernenden heben die besondere Bedeutung von Unterrichtsgesprächen für die gemeinsame Bedeutungskonstitution im literaturbasierenden Fremdsprachenunterricht in den retrospektiven Interviews hervor. So betonen sie wiederholt die Rolle des Unterrichtsgesprächs für gemeinsame Bedeutungsaushandlungen und eine Förderung des Textverständnisses: "Ich find` auch, dass das wirkliche Verständnis kam jetzt gerade bei dem Thema, was ich schwierig finde, immer erst bei der Besprechung" (Kap. 5.2.6.2). Aspekte, die sich während der Lektüre noch dem Verständnis entzogen haben, können durch eine dialogische Aushandlung im Plenum erhellt und geklärt werden. Dieser Hinweis führt die Notwendigkeit der Förderung von Schüler-Schüler-Interaktionen sowie des Austauschs individueller Verstehensweisen im Unterrichtsgespräch für den Rezeptions- und Verstehensprozess nachdrücklich vor Augen. Darüber hinaus erachten die Lernenden Unterrichtsgespräche und Diskussionen als grundlegende Voraussetzung für die Förderung ihrer kommunikativen Kompetenz (vgl. Kap. 8.5). Damit korrespondierend stellt das Unterrichtsgespräch die dominante Sozialform und Methode innerhalb der vier Fallstudien dar. Dieser Umstand hat allerdings in zwei Fallstudien wenige Phasenwechsel und eine mangelnde Förderung der Schreibkompetenzen zur Folge (vgl. Kap. 6 und 7). @ 3 &( . Neben analytisch-interpretativen und handlungs- und produktionsorientierten Verfahren werden heute auch zunehmend intertextuelle und - mediale Bezüge im fremdsprachlichen Literaturunterricht hergestellt, um ein vertieftes Verständnis des Ausgangstextes zu begünstigen. So werden in den dargestellten Fallstudien intermediale Zugänge durch den vergleichenden Einsatz zweier Filmversionen (vgl. Kap. 5), intertextuelle Bezüge durch den Einsatz ergänzender Sachtexte gewährleistet (vgl. Kap. 6 und 8). Die Arbeit mit Filmen hat sich mittlerweile in den curricularen Dokumenten zum Englischunterricht fest etabliert. Dennoch wird immer wieder beklagt, dass literarische Verfilmungen häufig als 'Lückenfüller' bzw. zur bloßen Abrundung einer Unterrichtseinheit gezeigt würden, ohne die mit einer Filmbildung bzw. einer audio-visual literacy verbundenen Lernziele zu fördern. Dazu zählen etwa die Bereitstellung eines analytisch-semiotischen 372 Handwerkszeugs, die Förderung eines kritischen Hör-/ Sehverstehens sowie im Sinne einer rezeptionsästhetischen Filmdidaktik - "die Fähigkeit, Film intuitiv und assoziativ zu erleben und sprachhandlungsorientiert zu verarbeiten" (vgl. B LELL / L ÜTGE 2008: 128). In der Fallstudie Romeo and Juliet dienen die Verfilmungen von Franco Zeffirelli (1968) und Baz Luhrmann (1996) als Ausgangspunkt für eine Analyse ausgewählter Szenen und einen Vergleich mit der literarischen Vorlage. Dazu werden einzelne Filmsequenzen im Sandwich-Verfahren gezeigt (vgl. T HALER 2008). Zu den Szenen stellt die Lehrerin Erörterungsfragen in Bezug auf Gemeinsamkeiten und Abweichungen zur literarischen Vorlage und regt die Lernenden dazu an, filmische Mittel in Bezug auf Setting und Atmosphäre sowie schauspielerische Leistungen zu analysieren. Die filmische Umsetzung wird somit nicht ausschließlich zum Vergleich mit der literarischen Vorlage eingesetzt, sondern als eigenständiges Medium betrachtet, dessen ästhetische Mittel es zu erörtern gilt. Dadurch wird ein bewusster und kritischer Umgang der Lernenden mit audiovisuellen Medien gefördert. So erhalten die Lernenden etwa in Bezug auf die 'Ballszene' in Baz Luhrmanns Verfilmung die viewing task, die Umsetzung der Figuren zu analysieren und Notizen anzufertigen, die als Grundlage für eine anschließende schriftliche Hausaufgabe dienen sollen (vgl. Kap. 5.2.5.1). Die Lernertexte dienen in der Folgestunde als Redeanlass und führen dazu, dass die Ballszene in der filmischen Umsetzung eingehend in Bezug auf Kostüme und Symbole analysiert und mit der literarischen Vorlage verglichen wird. Die schriftlichen Schülerleistungen und Gesprächssequenzen zeugen dabei von einer genauen Textkenntnis der Lernenden und ihrer Fähigkeit, literarische wie filmische Mittel detailliert analysieren, vergleichen und sie zur Formulierung ihrer eigenen Meinung heranzuziehen zu können. In dieser Unterrichtssequenz wird deutlich, dass die Lernertexte als scaffolding für Aushandlungsprozesse zwischen den Lernenden dienen und die Verschränkung von schriftlicher Analyse und anschließendem Gespräch somit eine wichtige Funktion bei komplexen Unterrichtsgesprächen, z.B. über literarische Texte oder Filme, hat. Die Aufgabensequenz war somit geeignet, die Interaktion zwischen den Lernenden und dem Text bzw. dem Film zu intensivieren. Die Lehrerin sieht die Funktion der beiden Filme nicht nur darin, ein weiteres Medium zu integrieren, das als Redeanlass fungiert, sondern auch als eine gute Möglichkeit, den Inhalt ausgewählter Szenen und Akte "zielorientiert" erarbeiten und Vergleiche zwischen den Adaptionen und der literarischen Vorlage ziehen zu können (Kap. 5.2.7). Auch wenn den Lernenden der Filmeinsatz das Verständnis der Tragödie erleichtert habe, zeugen 373 ihre Aussagen von einem kritischen Hör-/ Sehverstehen, wenn sie darauf hinweisen, dass literarische Verfilmungen immer schlechter seien als ihre Vorlage, da Handlungen (notwendigerweise) verkürzt und teilweise umgestellt würden, sodass die Filme so insgesamt oberflächlicher seien (vgl. Kap. 5.2.6). Die Aussagen der Lernenden zeugen aber auch davon, dass sie den literarischen Text im Sinne einer rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik in seiner Offenheit und Polyvalenz erkennen, den man durchaus unterschiedlich interpretieren und durch seinen partiturähnlichen Charakter unterschiedlich kreativ darstellen kann. So weisen sie darauf hin, dass die jeweilige Verfilmung nur "eine mögliche Interpretation" und eine Filmszene letztendlich auch nichts anderes als eine kreative Arbeit der Schüler sei (ibid.). Insgesamt begünstigt der Einsatz der beiden literarischen Verfilmungen nicht nur ein vertieftes Verstehen der Tragödie, sondern ist zudem dazu geeignet, im Sinne einer Filmbildung ein kritisches Hör-/ Sehverstehen auf Seiten der Lernenden auszubilden und sie zur Dechiffrierung beweglicher Bilder sowie zur Erörterung und Reflexion der durch die Bilder erzeugten Wirkung zu befähigen. In den Fallstudien Cloning Miranda und Big Mouth and Ugly Girl werden ergänzende Sachtexte eingesetzt, um einen thematischen Schwerpunkt des literarischen Textes zu vertiefen. In der Fallstudie Big Mouth and Ugly Girl dienen die intertextuellen Bezüge dazu, über die Schulmassaker in Columbine und Erfurt zu informieren und Vergleiche mit der Situation im Roman anstellen zu können (vgl. Kap. 8.4.8). Darüber hinaus erarbeitet die Lerngruppe anhand eines weiteren Sachtextes mögliche Gründe, aber auch Präventionsmöglichkeiten in Bezug auf solche Schulmassaker. Anschließend erfolgt ein Transfer zur Lebenswelt der Lernenden, wenn sie angehalten werden, Hypothesen über eine angenehme Schulatmosphäre aufzustellen. Als Abschluss dieser Aufgabensequenz erhalten die Schüler den kreativen Schreibauftrag, die Situation im Roman mit dem Schulmassaker in Columbine zu vergleichen. Die einzelnen Aufgaben innerhalb dieser Aufgabensequenz bauen sinnvoll aufeinander auf und stellen für die Lernenden ein scaffolding bereit, das sie zur Bearbeitung der abschließenden kreativen Schreibaufgabe befähigt. Die Lernenden heben das Herstellen der intertextuellen Bezüge im Interview dabei lobend hervor und weisen darauf hin, dass ihnen die Erarbeitung des soziokulturellen Kontextes in Form einer eingehenden Thematisierung der Schulmassaker in Columbine und Erfurt erleichtert habe, das Gelesene auf ihre Lebenswelt beziehen und den dargestellten Konflikt vor diesem Hintergrund zu reflektieren (vgl. Kap. 8.5). Die Beiträge der Lernenden zeugen dabei von einer fundierten Analyse des im Roman dargestellten Konfliktes und es lässt sich die Hypothese aufstellen, 374 dass die intertextuellen Bezüge in diesem Fall nicht nur dazu gedient haben, den soziokulturellen Kontext zu etablieren und einen Transfer der Lernenden zur eigenen Lebenswelt zu begünstigen, sondern auch dazu geeignet waren, ein Schlüsselthema des Romans näher zu beleuchten und interkulturelles Lernen zu fördern. In der Fallstudie Cloning Miranda erfolgt der Einsatz des ergänzenden Sachtextes zum Thema Klonen losgelöst vom literarischen Text, insofern nach dessen Erarbeitung kein Rückbezug zum literarischen Text hergestellt wird. Dadurch erhalten die ergänzenden Sachtexte nicht die Funktion, einen zentralen Aspekt des literarischen Textes zu erhellen und eine vertiefte Interpretation des Jugendromans zu erzielen, sondern unabhängig vom Text über das Thema Klonen zu informieren. Die Aussagen der Lernenden untermauern diesen Eindruck, wenn sie darauf hinweisen, dass eine Thematisierung von Klonen genauso gut unabhängig von dem literarischen Text, allein über die ausgeteilten Sachtexte hätte erfolgen können (vgl. Kap. 6.5). Zudem führen die Integration des Sachtextes mit den damit einhergehenden Fragestellungen "What do we know about Dr Mullen´s research? " und "To what extent does that correspond with reality? "dazu, dass der literarische Text in Bezug auf seine Realitätstreue bewertet wird, wodurch eine ästhetische Erfahrung keine Bedeutung gewinnen kann. Gleichzeitig erfährt der literarische Text so insgesamt eine Entwertung, wenn er der Realität nicht entspricht. Nicht zuletzt gehen die eingesetzten Sachtexte nicht auf die ethischen Implikationen des Klonens ein, sodass die Ernsthaftigkeit der Thematik nicht ins Blickfeld gerät. Dieser Umstand wird dadurch verstärkt, dass die Lernenden anhand einer Vokabelliste zum Thema "Cloning and genetic engineering" zwar mit den Fachtermini ausgestattet werden, um medizinische Aspekte des Klonens zu benennen, dass ihnen aber offenbar der Wortschatz fehlt, um ethische Gesichtspunkte und moralische Urteile zu formulieren. Es lässt sich deshalb die Hypothese aufstellen, dass eine Wortschatzsequenz zum Wortfeld "Moral" in diesem Fall gewinnbringend gewesen wäre, um die Lernenden mit den entsprechenden Redemitteln auszustatten, um ethische Urteile zu formulieren und so ein vertieftes Verständnis der Thematik zu erzielen. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass ein Arrangement von Texten und ein Herstellen intertextueller Bezüge hinreichend reflektiert sein müssen. Textkombinationen bzw. 'Intertexte' müssen dabei in einem erkennbaren Verhältnis zueinander stehen, d.h. sie dürfen weder redundant noch zusammenhangslos sein und sollten eine thematisch relevante Problemlage aus verschiedenen Perspektiven beleuchten (vgl. H ALLET 2002). Hier stellt sich allerdings die grundsätzliche Frage, inwiefern ein Bezug zwischen unter- 375 schiedlichen Textsorten zu konzipieren ist. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Integration eines Sachtextes mit der Konsequenz erfolgt, dass der fiktionale Text an der Realität gemessen wird, müssen noch genauere Kriterien entwickelt werden, die einen sinnvollen, sich gegenseitig erhellenden Bezug zulassen, ohne den literarischen Text zu entwerten: Welche Texte und Textsorten sind geeignet, sich gegenseitig zu erhellen? Welche Kriterien müssen sie erfüllen? Und wie kann man solche Texte konkret aufeinander beziehen? @ ; ' > B ( Es hat sich in den Fallstudien als erfolgreich herausgestellt, wenn im Sinne eines Task-Based Language Learning einzelne Aufgaben innerhalb einer Sequenz sinnvoll aufeinander aufbauen und so im Sinne N UNAN s eine 'pädagogische Geschichte' erzählen (N UNAN 2004). So lässt sich in Fallstudie Romeo and Juliet bei der Erarbeitung der Ballszene (vgl. Kap. 5.2.5.1) festhalten, dass die verschiedenen Aufgaben miteinander verknüpft sind und die Lehrerin so einen ganzen task cycle bzw. ein scenario erstellt: Als Ausgangspunkt für die Aufgabensequenz fungieren die lebensweltlichen Erfahrungen und Erwartungen der Lernenden hinsichtlich einer guten Party. Anschließend erfolgt ein Rückbezug zum Text in Form der Hypothesenbildung über mögliche Erwartungen und Motive der literarischen Figuren in Bezug auf das geplante Fest. Anschließend werden die auftretenden Figuren sowie deren Konstellation gemeinsam erarbeitet; die Resultate dieser Phase werden schließlich als Grundlage für zu erstellende Standbilder genutzt, wodurch die Aufgabensequenz in ein kreatives Produkt der Lernenden mündet. Auch in der Fallstudie Big Mouth and Ugly Girl ist eine Aufgabenorientierung beobachtbar. Zum imaginativen Füllen einer textuellen Leerstelle wählt der Lehrer die Methode des Rollenspiels, anhand dessen die Lernenden eine Polizeibefragung simulieren sollen. Zur Vorbereitung des Rollenspiels teilt der Lehrer ein Arbeitsblatt mit genauen Hinweisen für die Durchführung aus. Zudem nimmt er eine Binnendifferenzierung vor, wenn er die beobachtenden Schülerinnen und Schüler zu Profilern macht, die hinter einem einseitigen Spiegel sitzen und die Interviews nachverfolgen können, ohne selbst gesehen zu werden. In diesem Zusammenhang adressiert er die lebensweltlichen Erfahrungen der Lernenden und aktiviert ihr entsprechendes Vorwissen, indem er auf die beliebten Fernsehserien Profiler und CSI verweist und die Tätigkeiten eines Profilers in einer kurzen Gesprächssequenz gemeinsam rekapitulieren lässt. In der Rolle als Profiler sind die Beobachter angehalten, das Geschehen genau zu verfolgen und Notizen zu den 376 Zeugenaussagen anzufertigen. Nach Beendigung der Befragungen erhalten sie schließlich die Möglichkeit, für sie noch offene Fragen über ein Mikrofon an die Polizeibeamten zu stellen, die die Fragen wiederum an die zu Befragenden weiterleiten. Diese Vorgehensweise zeugt nicht nur von einer intensiven Vorbereitung im Sinne eines scaffolding für die Durchführung des Rollenspiels, sondern auch von der Erzeugung einer fruchtbaren Atmosphäre. In Anknüpfung an die Durchführung der Rollenspiele erhalten die Lernenden den kreativen Schreibauftrag, in der Rolle eines Profilers eine Beurteilung bzw. ein psychologisches Gutachten darüber zu verfassen, ob Matt die Bombendrohung ernst gemeint und einen Bombenanschlag geplant hat. Als Vorbereitung darauf erhalten die Lernenden wiederum ein Arbeitsblatt, das sowohl allgemeine Merkmale eines psychologischen Profils, als auch spezielle Hinweise zum Profil eines Bombenlegers gibt. So stellt er für die zu verfassenden Lernertexte nicht nur die entsprechenden Redemittel bereit, sondern gibt auch einen genauen Erwartungshorizont für die Bearbeitung vor. Die aus dieser Sequenz hervorgegangenen Lernertexte zeugen dabei nicht nur von einem differenzierten Verständnis des Protagonisten, sondern auch davon, dass die Lernenden sowohl auf das Arbeitsblatt als auch auf die aufgeführten Rollenspiele explizit Bezug nehmen und die Aufgabenstellung somit einer vertieften Verarbeitung der kreativen Schülerleistungen dient. Gleichzeitig fördert die Aufgabe die Schreibkompetenzen und die evaluativen Fähigkeiten der Lernenden Dieses Beispiel veranschaulicht, dass die einzelnen Tasks eine wohl durchdachte Progression darstellen, sinnvoll aufeinander aufbauen und intensiv vor- und nachbereitet werden. Sie begünstigen dabei nicht nur einen subjektiven Zugang der Lernenden zum Text, sondern initiieren auch Bedeutungsaushandlungen unter den Lernenden, die schließlich in einer intersubjektiv nachvollziehbaren Interpretation der Figur Matt und seiner Motive münden. Insofern vermag die Aufgabensequenz textanalytische, kreative und intertextuelle Bearbeitungsformen nutzbringend miteinander zu verweben. Zudem zeugt das Beispiel von einer sinnvollen Verwebung des Literaturunterrichts mit konsequenter Sprach- und Wortschatzarbeit, sodass insgesamt neben einer ausgewogenen Förderung der verschiedenen skills der Förderung der literarischen Kompetenz der Lernenden Rechnung getragen wird. Insgesamt lässt sich deshalb die Hypothese aufstellen, dass eine sorgfältig aufeinander abgestimmte Verzahnung analytischer, kreativer und intertextueller Aufgabenformate und eine konsequente Task-orientation in Form einer intensiven Vor- und Nachbereitung einzelner Aufgaben geeignet ist, 377 Aushandlungsprozesse zu initiieren und den Verstehensprozess zu fördern. Dabei muss die Progression der eingesetzten Aufgabenformate nicht immer von der Textanalyse zur kreativen Aufgaben verlaufen, sondern es hat sich auch als gewinnbringend erwiesen, die Thematisierung textanalytischer Gesichtspunkte anhand kreativer Schülerprodukte vorzubereiten und zu fördern. @ # 9! > % & ( ! ! Wie in Kap. 3.5 dargelegt, sehen die Verfasser des hessischen Lehrplans die vorrangige Zielsetzung des Englischunterrichts in der gymnasialen Oberstufe in dem "Vermittlungsprozess von Fremdsprache, Literatur und Landeskunde" (HKM 2006: 7). Im Sinne eines handlungs- und schülerorientierten Fremdsprachenunterrichts sollen die Schülerinnen und Schüler mit ihren komplexen Fähigkeiten erfasst und kommunikative Kompetenzen und interkulturelles Lernen gefördert werden. Einer rezeptionsästhetisch orientierten Literaturdidaktik entsprechend sollen Lernende " bei der Beschäftigung mit Literatur die Wirkung künstlerischer Gestaltungsmittel als kreativen Prozess" erfahren und "aktiv an der Erschließung eines literarischen Textes beteiligt werden" (ibid.: 11). Der Umgang mit Texten soll deshalb Möglichkeiten für eine kreative Verarbeitung bereitstellen und die Lernenden für "die Wahrnehmung ästhetischer Dimensionen" sensibilisieren (ibid.: 11). Zur Förderung von Kreativität und Phantasie seien dabei insbesondere Aufgabenformen wie kreatives Schreiben, szenisches Interpretieren von Texten, Rollenspiele, Assoziationsspiele u.Ä. geeignet. Gleichzeitig wird die Bedeutung einer traditionellen Textanalyse hervorgehoben, die insbesondere auf die Analyse textsortenspezifischer Kodierungen und Stilmittel sowie eine historische und soziokulturelle Kontextualisierung abzielt (ibid.: 11). Die Fallstudien belegen, dass der englische Literaturunterricht in der gymnasialen Oberstufe theoretische Prämissen und bildungspolitische Vorgaben in Bezug auf rezeptionsästhetische und wissenschaftspropädeutische Forderungen widerspiegelt und sich handlungs- und produktionsorientierte neben analytisch-interpretativen Verfahren in der literarischen Unterrichtspraxis etabliert haben. Wie in Kap. 9.1.1 illustriert, werden handlungs- und produktionsorientierte Verfahren auch, trotz einiger zutage getretenen Schwierigkeiten bei ihrer Umsetzung, einhellig von den Lehrkräften begrüßt und ihr didaktischer Nutzen im Sinne einer vielseitigen Kompetenzentwicklung auf Seiten der Lernenden hervorgehoben. 378 Es besteht unter den Lehrkräften allerdings auch Konsens darüber, dass der Einsatz literarischer Texte im Allgemeinen sowie die Integration handlungs- und produktionsorientierter Verfahren im Speziellen im Rahmen des eingeführten Landesabiturs sowie in Zeiten von G8 marginalisiert zu werden drohen. Lehrkräfte empfinden die Vorgaben und das zielgerichtete Arbeiten auf das Landesabitur hin oft als Einschränkung ihrer persönlichen Entscheidungsfreiheit und verbinden diese Arbeit mit einem erhöhten Zeitdruck ("ein Rennen gegen die Zeit"; Kap. 7.6) und Stress ("ich hab permanent das Landesabitur im Nacken, was mich durch die Einheiten peitscht"; Kap. 8.6). So hätten Lehrkräfte aufgrund der gestiegenen Vielfalt verbindlich zu bewältigender Themen im Rahmen des Landesabiturs bei der Unterrichtsplanung immer den Lehrplan neben sich liegen, um nachzuprüfen, "was muss ich noch alles abarbeiten? " (Kap. 7.6). Analog dazu bleibe weder Zeit für Aspekte, die "nicht so konkret im Lehrplan" stünden, noch für kreative Ansätze (Kap. 8.6). Dadurch, dass die Lehrkräfte bis zum Tag der Abiturprüfung das Klausurthema nicht kennen, müssten insgesamt mehr Themen abgesteckt werden, ein Umstand, der sich nicht nur negativ auf den Unterricht auswirke, sondern auch in einer Oberflächlichkeit der Themenbehandlung resultiere (vgl. Kap. 5.2.7). Dementsprechend seien die Aufgabenstellungen vor der Einführung des Landesabiturs anspruchsvoller gewesen (vgl. Kap. 6.6). Darüber hinaus monieren die Lehrkräfte einen zunehmend landeskundlichen Schwerpunkt, der in einen verstärkten Einsatz von Sachtexten gegenüber literarischen Texten resultiere, da sich die entsprechenden Informationen anhand von Sachtexten schneller und effizienter vermitteln ließen (vgl. Kap. 6.6. und 7.6), sodass literarische Texte in Zukunft nebensächlich würden bzw. in Zukunft "hinten runter" fielen (Kap. 5.2.7). Diese Erkenntnis korrespondiert mit den Ausführungen von H OLLM (2009b: 61) hinsichtlich der Literaturvermittlung im Englischunterricht der Sekundarstufe I: Stichprobenartige Befragungen von Englischlehrerinnen und -lehrern der Sekundarstufe I […] legen die Vermutung nahe, dass die in den Curricula mehr oder minder stark geforderte Auseinandersetzung mit literarischen Texten und insbesondere mit längeren Lektüren angesichts der Fülle von den Schülerinnen und Schülern zu erwerbenden Kompetenzen im alltäglichen Unterrichtsgeschehen einen eher geringen Stellenwert einnimmt. (Ibid.) Die Lehrkräfte bedauern diese Entwicklungen nicht nur, da sie den Einsatz literarischer Texte gegenüber Sachtexten bevorzugen ("da fühl ich mich letztlich auch wohler"; Kap. 7.6), sondern betrachten sie sogar als Rückschritt, 379 denn literarische Texte würden Sachverhalte und Themen durch Figuren inszenieren, die den Schülern durch die Möglichkeit der Perspektivenübernahme einen besseren Zugang ermöglichten und ihnen anspruchsvollere Leistungen abverlange (vgl. Kap. 5.2.7). Das Landesabitur habe zudem auch konkrete Auswirkung auf den Umgang mit literarischen Texten im Unterricht, insofern die traditionelle Textanalyse mit Fokus auf Stilmittel und Sprache wichtiger geworden sei. Schließlich verbreite das gestiegene Themenpensum Hektik, führe zu einem 'Abarbeiten' und lasse wenig individuellen Spielraum (vgl. Kap. 7.6). Nicht zuletzt sei auch das Lesepensum für die Lernenden enorm und sie seien gezwungen, sich viele Informationen anzueignen, sodass die englische Sprache auf eine reine "Lese- oder Textsprache" reduziert werde und wenig Raum für kommunikative und mündliche Gesichtspunkte bleibe (Kap. 8.6). Der Lehrer bewertet diese Veränderungen insgesamt als sehr negativ und weist darauf hin, dass diese Entwicklungen nicht nur eine Motivationsreduktion auf Seiten der Schüler, sondern auch seiner eigenen zur Folge habe. Diese Schilderungen der Unterrichtsrealität spiegeln nicht nur den bildungspolitischen Druck wider, dem Lehrende und Lernende ausgesetzt sind, sondern werfen auch die grundsätzliche Frage auf, ob zeitlich aufwendigere Lehr- und Lernprozesse unter solchen Rahmenbedingungen überhaupt erfolgreich sein können. Durch die gestiegene Themenvielfalt und die damit einhergehende Vermittlung von Daten und Fakten werden die kognitiven und analytischen Fakultäten der Lernenden überbetont, während affektive und kreative Komponenten drohen, an den Rand gedrängt zu werden. Diese Entwicklungen laufen nicht nur der gegenwärtigen Hinwendung zu einer Kompetenzentwicklung im Sinne einer Förderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten zuwider, sondern verkennen auch, dass das menschliche Gehirn nicht darauf ausgelegt ist, Daten und Fakten zu memorieren, sondern Regeln zu generieren und aus dem Einzelfall das Allgemeine abzuleiten, um in der Lebenswelt kompetent handeln zu können (vgl. S PITZER 2011). Diese neurowissenschaftliche Erkenntnis spricht mithin für eine Aktivierung der Lernenden im Sinne der Handlungs- und Produktionsorientierung, einen lebensweltlichen Transfer und Erfahrungslernen; Aspekte, die allesamt bei der Behandlung literarischer Texte im fremdsprachlichen Literaturunterricht umsetzbar sind. Eine angemessene Umsetzung dieses Postulats erfordert von Seiten der Lehrenden ein reflektiertes Vorgehen in Bezug auf Aufgaben, Methoden und Zeitmanagement. Berufsbegleitende Weiterbildungen könnten in diesem Zusammenhang als Plattform für Lehrkräfte dienen, ihre Lehr-, Lern- und Bildungsprozesse mit 380 anderen Lehrkräften anhand von Fallbeispielen gemeinsam zu reflektieren, zu evaluieren und ihre didaktischen Kompetenzen weiter auszubilden. 106 Die Studie zeigt abschließend somit verschiedene Felder des fremdsprachlichen Literaturunterrichts auf, die nicht nur Perspektiven für weitere Forschungsarbeiten bieten, sondern auch hinsichtlich der Lehrerbildung an Universitäten und Studienseminaren verstärkt berücksichtigt und reflektiert werden sollten: Dies betrifft im Einzelnen … • die sinnvolle Gewichtung und Kombination analytischer und handlungs- und produktionsorientierter Verfahren der Textbegegnung; • die Sequenzierung und das Arrangement verschiedener Aufgabenformate und Materialien sowie die Konzeption und der Einsatz komplexer Lernaufgaben; • die Auswahl bestimmter Methoden der Literaturbegegnung in Abstimmung mit den jeweiligen Inhalten, Zielen und angestrebten Kompetenzerweiterungen; • den Umgang mit Schülerprodukten in Bezug auf ihre Würdigung und Bewertung; • die Entwicklung genauerer Kriterien für das Herstellen intertextueller und -medialer Bezüge; • sowie eine stärkere Berücksichtigung inter- und transkulturellen Lernens. Hinsichtlich der Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht und die bildungspolitische Diskussion bleibt festzuhalten, dass Lehrpläne und Curricula stofflich reduziert bzw. entzerrt werden müssen, damit der fremdsprachliche Literaturunterricht sein Potenzial voll ausschöpfen kann, die bildungspolitisch geforderten Kompetenzen sowie allgemeine Bildungs- und Erziehungsziele wie Empathie, Toleranz und Kooperationsbereitschaft auszubilden. Nur so können Freiräume geschaffen werden, die ein holistisches, den ganzen Menschen ansprechendes Erfahrungslernen ermöglichen. 106 Vgl. hierzu S PITZER (2010: 222). 381 < : (" F LAKE , Sharon G. (1998): The Skin I´m In. New York: Jump at the Sun. L AMB , Wally (2008): The Hour I First Believed. London: HarperCollins. M ATAS , Carol (2003 [1999]): Cloning Miranda. Notes by K AMINSKI , Cornelia. Stuttgart et al.: Klett. O ATES , Joyce Carol (2003): Big Mouth and Ugly Girl. Know who your friends are? London: HarperCollins. 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Die Studie bedient sich eines qualitativ-empirischen Designs und einer Daten-, Methoden- und Perspektiventriangulation. Durch die Integration von Videoaufzeichnungen, Lehrer- und Schülerinterviews sowie schriftlichen Schülerprodukten wird ein Panoramablick auf das Unterrichtsgeschehen bereitgestellt, der es ermöglicht, Hypothesen über die Ausbildung verschiedener Kompetenzen auf Seiten der Lernenden sowie über lernförderliche und -hinderliche Bedingungen für die Vertiefung von Verstehensprozessen beim Umgang mit literarischen Texten zu generieren. Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik