eBooks

Homer und die Tragödie

2014
978-3-8233-7899-0
Gunter Narr Verlag 
Claudia Michel

Der Ursprung der griechischen Tragödie wird vor allem im Dionysos-Kult und im Mythos gesehen. Der bereits in der Antike bekannte Einfluss der homerischen Epen ist dagegen bisher wenig untersucht. Aus modernem Blickwinkel wird das Epos als mythologische Quelle wahrgenommen, nicht wie im Athen des 6./5. Jhs. v. Chr. als effektvolle Performance eines Rhapsoden. Die Autorin zeichnet das Bezugsverhältnis am Beispiel von Odyssee und Orestie-Dramen mit rezeptionsästhetischem Ansatz nach. Einleitend sind die kulturpolitische Förderung der Aufführung von Epos und Tragödie im 6. Jh. v. Chr., die Verknüpfung beider Gattungen bei Platon und Aristoteles sowie der literarische Kontext des Bezuges wischen Orestie-Dramen und Odyssee behandelt. Die Textanalyse ergibt, dass Aischylos die Struktur der Orestie vor der Folie der Odyssee gestaltet, die Transformation epischen Materials führt zu neuen Szenenformen und bühnentechnischen Innovationen. Sophokles verwendet den Homer-Bezug zur Psychologisierung der Protagonistin. Euripides spielt mit epischen Clichés und dem literarischen Spannungsfeld zwischen Epos und Drama. Die Orestie-Dramen interpretieren das dramatische Potential der Odyssee, was entscheidend zur Konstitution der Gattung Tragödie beiträgt.

Claudia Michel Homer und die Tragödie Zu den Bezügen zwischen Odyssee und Orestie-Dramen (Aischylos: Orestie; Sophokles: Elektra; Euripides: Elektra) Homer und die Tragödie DRA RR MA Neue Serie · Band 15 Studien zum antiken Drama und zu seiner Rezeption Herausgegeben von Bernhard Zimmermann in Zusammenarbeit mit Juan Antonio López Férez (Madrid), Giuseppe Mastromarco (Bari), Bernd Seidensticker (Berlin), N.W. WW Slater (A (( tlanta) a , Alan H. Sommerstein (Nottingham), Pascal Thiercy (Brest). Claudia Michel Homer und die Tra rr g aa ödie Zu den Bezügen zwischen Ody dd s yy see und Orestie-Dramen (A (( ischylos: Ore rr stie; Sophokles: El EE ektr tt a rr ; Euripides: El EE ektr tt a rr ) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. rr Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wo WW rt. © 2014 · Narr Francke Attempto Ve VV rlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das We WW rk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ve VV rwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Ve VV rlages unzulässig und strafbar. rr Das gilt insbesondere für Ve VV rvielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Ve VV rarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem We WW rkdruckpapier. rr Internet: www. ww narr. rr de E-Mail: info@narr. rr de Satz: typoscript GmbH, Wa WW lddorfhäslach Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 1862-7005 ISBN 978-3-8233-6899-1 Parentibus Vorwort Vorwort Diese Arbeit ist die teilweise überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Sommersemester 2013 der Philologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg vorgelegen hat. Die Druckfassung wurde im Februar 2014 fertiggestellt. An dieser Stelle möchte ich all denen danken, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Bernhard Zimmermann, der die Arbeit angeregt und ihr Entstehen mit konstruktiver Kritik und unermüdlichem Zuspruch über Jahre hinweg gefördert hat. Ohne seine vielfältige Unterstützung läge die Arbeit in dieser Form nicht vor. Prof. Dr. Eckard Lefèvre hat bereitwillig das Zweitgutachten übernommen; dafür und für so manches inspirierende Gespräch über das antike, moderne und postmoderne Theater möchte ich ihm meinen herzlichen Dank aussprechen. Wichtige Hinweise habe ich durch das gemeinsame Doktorandenkolloquium der Universtäten Basel und Freiburg erhalten, vor allem von Herrn Prof. Dr. Anton Bierl. Ich danke ferner allen Angehörigen des Seminars für Klassische Philologie, besonders meinen Lehrern Frau Prof. Dr. Ulrike Auhagen, Herrn Dr. Bernhard Coppel und Herrn Dr. Harald Merklin, die mir eine gründliche philologische Ausbildung vermittelt haben. Dankbar bin ich auch der Studienstiftung des deutschen Volkes, die mit einem Stipendium mein Studium unterstützt hat, sowie der VG Wort für die Bewilligung eines großzügigen Zuschusses zu der Drucklegung dieses Bandes. Beim Korrekturlesen und Überarbeiten hat mir mein Vater, Herr Dr. Christoph Michel, stets sachkundig und tatkräftig zur Seite gestanden. Den Herausgebern danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „DRAMA-- Neue Serie“ und dem Gunter Narr Verlag, besonders Herrn Tillmann Bub, für die erfreuliche Zusammenarbeit. Claudia Michel Inhalt Inhalt Inhalt Abkürzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1 Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 Epos und Drama im institutionellen und poetologischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.1 Panathenäen und Große Dionysien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2 Homer und die Tragödie bei Platon und Aristoteles . . . 28 3 Zum literarischen Kontext des Bezugs zwischen Odyssee und Orestie-Dramen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1 Aischylos, Sophokles, Euripides und die Odyssee . . . . . . 35 3.1.1 Aischylos und die Odyssee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1.2 Sophokles und die Odyssee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.1.3 Euripides und die Odyssee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3.2 Der Stoff der Orestie vor Aischylos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.3 Zum zeitlichen Verhältnis der sophokleischen und der euripideischen Elektra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee . . . . . . . . . . . . 51 4.1 Agamemnon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.1.1 Der Prolog des Wächters (Ag. 1-39) . . . . . . . . . . . . . 51 4.1.2 Die zwei Vogelbilder in der Parodos (Ag. 49-59; 111-120) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.1.3 Die Botenszene (Ag. 503-680) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4.1.4 Agamemnons Ankunft (Ag. 783-854) . . . . . . . . . . . . 61 4.1.5 Die Trugreden der Klytaimestra (Ag. 587-614; 855-902). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.1.6 Die Teppichszene (Ag. 905-974) . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.1.7 Die Kassandraszene (Ag. 1072-1330) . . . . . . . . . . . . 77 4.1.8 Die Auseinandersetzung zwischen dem Chor und Aigisth (Ag. 1577-1673) . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.2 Choephoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.1 Der Prolog des Orest (Cho. 1-21). . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2.2 Die Wiedererkennungsszene (Cho. 164-245) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 10 Inhalt 4.2.3 Das Vogelbild in Orests Gebet an Zeus und ein Klagemotiv des Kommos (Cho. 246-263; 345-353; 363-371). . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.2.4 Der Traum der Klytaimestra (Cho. 514-552) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.2.5 Der Racheplan Orests (Cho. 554-584) . . . . . . . . . . . 99 4.2.6 Orests Ankunft und Verstellung (Cho. 652-718) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4.2.7 Die Amme Kilissa (Cho. 730-782) . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.2.8 Die Schlußszene (Cho. 973-1076). . . . . . . . . . . . . . . . 110 4.3 Eumeniden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.3.1 Das Erwachen der Erinyen (Eum. 117-130) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.3.2 Die Irrfahrten Orests (Eum. 64-84; 235-243; 276-291; 436-469) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.3.3 Die Anklage der Erinyen und die Verteidigung Orests (Eum. 585-673) . . . . . . . . . . . . 120 4.3.4 Athenes Eingreifen (Eum. 681-710; 734-743). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 4.3.5 Die Versöhnung der Erinyen (Eum. 778-1047) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee . . . . . . . . . . . 135 5.1 Der Prolog des Paidagogos und der Racheplan Orests (Soph. El. 1-85) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.2 Die Lage Elektras (Soph. El. 86-323) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.3 Der Traum der Klytaimestra (Soph. El. 405-471) . . . . . . 145 5.4 Die Trugrede des Paidagogos (Soph. El. 660-822) . . . . . . 148 5.5 Elektras Racheplan (Soph. El. 938-1057) . . . . . . . . . . . . . . . 152 5.6 Die Verstellung und die Wiedererkennung Orests (Soph. El. 1098-1287) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 5.7 Zweite Wiedererkennung und der Plan Orests und des Paidagogos (Soph. El. 1288-1383) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 5.8 Die Verstellung Elektras (Soph. El. 1442-1490) . . . . . . . . 164 5.9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6 Die Elektra des Euripides und die Odyssee . . . . . . . . . . . . 173 6.1 Der Prolog des Autourgos und der Plan Orests (Eur. El. 1-111) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Inhalt 11 6.2 Die Lage Elektras (Eur. El. 112-214) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 6.3 Die Verstellung Orests (Eur. El. 215-431) . . . . . . . . . . . . . . 181 6.4 Die Wiedererkennung (Eur. El. 487-584) . . . . . . . . . . . . . . . 187 6.5 Der Racheplan Orests, des Presbys und Elektras (Eur. El. 596-698) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 6.6 Der Botenbericht von der Ermordung Aigisths (Eur. El. 747-858) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 6.7 Die Verstellung Elektras (Eur. El. 988-1146) . . . . . . . . . . . 203 6.8 Das Eingreifen der Dioskuren (Eur. El. 1233-1356) . . . . 207 6.9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 7 Zusammenfassung: Die Orestie-Dramen als dramatische Interpretationen der Odyssee . . . . . . . . . . . . 217 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Abkürzungen Abkürzungen DK DIELS, H./ KRANZ, W.: Die Fragmente der Vorsokratiker. 3 Bde. Berlin/ Zürich 1951/ 1952 (6. Aufl.). EGF DAVIES, M.: Epicorum Graecorum Fragmenta. Göttingen 1988. FGrH JACOBY, F.: Die Fragmente der griechischen Historiker. Leiden 1923 ff. IEG WEST, M. L.: Iambi et Elegi Graeci ante Alexandrum cantati. 2 Bde. Oxford 1992 (2. Aufl.). IG Inscriptiones Graecae. Berlin/ New York 1873 ff. M.-W. MERKELBACH, R./ WEST, M. L.: Hesiodi Fragmenta selecta. Oxford 1970. PCG KASSEL, R./ AUSTIN, C.: Poetae Comici Graeci. Berlin/ New York 1983 ff. PEG BERNABÉ, A.: Poetarum Epicorum Graecorum Testimonia et Fragmenta. Bd. 1. Leipzig 1987. PMG PAGE, D. L.: Poetae Melici Graeci. Oxford 1962. PMGF DAVIES, M.: Poetarum Melicorum Graecorum Fragmenta. Bd. 1. Oxford 1991. TrGF SNELL, B./ KANNICHT, R./ RADT, S.: Tragicorum Graecorum Fragmenta. 5 Bde. Göttingen 1981-2004. 1 Einleitung Homer und die Tragödie in der Forschung Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung Platon läßt Sokrates Homer ironisch als „ersten Lehrer und Anführer aller dieser bezaubernden Tragiker“, tw'n kalw'n aJpavntwn touvtwn tw'n tragikw'n prw'to" didavskalov" te kai; hJgemwvn , 1 bezeichnen. Vor seiner bekannten Theorie von der Entstehung der Tragödie aus Dithyrambos und saturikovn sagt Aristoteles von Homer, dieser habe mimhvsei" dramatikaiv gedichtet, und konstatiert eine Analogie von Ilias und Odyssee zur Tragödie; 2 er behandelt sogar die Frage, wie viele Tragödien aus einem gegebenen Epos entwickelt werden können. 3 Dabei besteht sowohl für Platon als auch für Aristoteles das Verknüpfungselement zwischen beiden Gattungen in ihrer Zugehörigkeit zu den mimetischen Künsten und in ihrer Wirkung auf den Rezipienten. Implizit wird also durchaus vorausgesetzt, daß eine Rezeption des homerischen Epos in der attischen Tragödie stattgefunden hat, dennoch ist diese Nachwirkung in der Antike kein expliziter Untersuchungsgegenstand; es gibt keine genauen Hinweise bezüglich des rezeptionstechnischen Verfahrens. Aischylos, so ist bei Athenaios überliefert, pflegte zu sagen, seine Tragödien seien „Schnitten von den großen Mahlzeiten Homers“, temavch tw'n @Omhvrou megavlwn deivpnwn . 4 Sucht man nach einem weniger häufig verwendeten Zitat, gerät man in Verlegenheit: weitere explizite Zeugnisse für die Annahme eines literarischen Bezuges zwischen Homer und Aischylos bietet die antike Kritik nicht. In den Fröschen läßt Aristophanes Aischylos von Homer als einem Lehrer der Kriegskunst, tavxei" ajreta; " oJplivsei" ajndrw'n, sprechen, 5 der ihn, so darf man vermuten, zumindest in thematischer Hinsicht bei der Verfassung seines dra'ma #Arew" mestovn , den Sieben gegen Theben, beeinflußt hat; an dieser Stelle geht es allerdings um die Dichtung als nützliche Quelle von Fachwissen, nicht um das literarische Verhältnis zwischen Homer und Aischylos. Ausdrücklich schreibt die antike Literaturkritik dagegen Sophokles einen Bezug 1 Plat. Rep. 10, 595c. 2 Arist. Poet. 4, 1448b34-1449a2. 3 Ebd. 23, 1459b2-7. 4 Athen. 8, 347D=TrGF 3 T 112 a. 5 Ar. Ran. 1034-1036. 14 Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung zu Homer zu, er gilt als $Omhro" tragikov" 6 , filovmhro", oJ tou' @Omhvrou zhlwthv" . 7 Die Tragödie des Euripides wird weniger im Bezug auf Homer gesehen, sondern vielmehr, wie der Dichterwettstreit der Frösche zeigt, bezogen auf den älteren Dramatiker Aischylos. Der die antike Kritik betreffende Befund scheint sich in der Behandlung des Verhältnisses zwischen Epos und Drama durch die neuere Forschung widerzuspiegeln. Der Bezug zwischen Epos und Tragödie ist immer noch wenig untersucht. Der Ursprung der Tragödie wird vor allem im Dionysos-Kult und im Mythos gesehen, der Einfluß der homerischen Epen meist beiläufig erwähnt. So schreibt A. Lesky in seinem Standardwerk Die tragische Dichtung der Hellenen erst ganz am Schluß des Kapitels über die Ursprungsprobleme der Tragödie: „Die Alten haben für die Entwicklung der Tragödie einen Ansatz gegeben, der hier noch nicht zur Sprache kam. Sie haben Homer zum Vater der Tragödie, ja gelegentlich zu ihrem ersten Dichter gemacht.“ 8 Als chorische Gattung wird sie formal auf die Chorlyrik zurückgeführt, das homerische Epos gilt allenfalls als stoffliche Vorlage mit universeller Modellfunktion neben anderen, besonders lyrischen Einflüssen. 9 Die mangelnde Beachtung der Verbindung zwischen Epos und Drama erklärt sich allerdings nicht nur durch die undeutliche Vorlage der antiken Kritik, sondern auch dadurch, daß aus modernem Blickwinkel die eine Gattung als der Lektüre vorbehaltene mythologische Quelle, die andere als aufgeführtes Kulturereignis wahrgenommen wird, nicht beide, wie im Athen des 5. Jhs., als „performance“. Der Einfluß des Epos auf das Drama im Allgemeinen wird anfangs vereinzelt auf philologischer Ebene als sprachlicher, stofflicher oder struktureller Textbezug behandelt, erst in den 80er und 90er Jahren zieht er vor dem Hintergrund von Narratologie und Reader-Response Criticism breitere Aufmerksamkeit auf sich. Bereits K. Matthiessen stellt im zweiten Teil seiner Untersuchung zum Spätwerk des Euripides ein Handlungsmuster 6 TrGF 4 T 115 a/ b. 7 TrGF 4 T 116. 8 Lesky 1972, 47. 9 Vgl. Zimmermann 2011, 534: „Die Auseinandersetzung der Tragödie mit der mythischen Tradition läßt sich für uns am besten am Beispiel der Homer-Rezeption nachvollziehen. Es muß allerdings betont werden, daß wir, wenn wir von tragischer Homer-Rezeption sprechen, nur einen Faden im Gewebe der vielschichtigen Mythentransformation der Tragödie greifen.“ S. auch Bagordo 2003 zu den Lyrik-Reminiszenzen der attischen Tragödie. Zum Einfluß der homerischen Epen auf die gesamte griechische Literaturgeschichte s. Bierl 2008. Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung 15 Novsto" -- Anagnwvrisi" - Mhcavnhma fest, welches er auf die Odyssee zurückführt und in den Choephoren des Aischylos sowie den beiden Elektren nachverfolgt; allerdings geht er nicht weiter auf das Phänomen der Gattungstransformation zwischen epischem Modell und dramatischer Umsetzung ein. 10 Erstmalig sieht G. F. Else (The origin and early form of Greek tragedy) die Tragödie als Schöpfung des Thespis und des Aischylos unter dem Einfluß der rhapsodischen Homerrezitationen im Athen des 6. Jhs. v. Chr. 11 Einen rituellen Ursprung der Tragödie aus dem Dionysos-Kult und die Theorie einer stufenweisen literarischen Entwicklung nach der Poetik des Aristoteles lehnt er als unlogisch ab. Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes nimmt J. Herington in seinem bemerkenswerten Buch Poetry into drama: early tragedy and the Greek poetic tradition vor, auf dem die vorliegende Untersuchung aufbaut: 12 er entwirft, neben den traditionellen Vorstellungen von der Herkunft der Tragödie aus dem Dionysos-Kult, aus dem Dithyrambos und dem Satyrischen, aus dem Mythos, ein Entstehungsmodell, das von einer Verschmelzung der damals bereits entwickelten Dichtungsgattungen Chorlyrik und Epos zu einer neuen Form ausgeht. Hierbei wird die Nähe von Epos und Drama hervorgehoben, hinsichtlich ihrer „performance“, ihrer politischen Bedeutung im Rahmen der religiösen Feste Athens und ihrer gemeinsamen terminologischen Zuordnung zur poivhsi" . Herington stellt eine direkte Auseinandersetzung des Aischylos mit Homer fest und nimmt an, daß diese zu der Ausformung der noch jungen Gattung Tragödie entscheidend beigetragen habe. Anders als Else und Herington, die den Homer-Bezug der Tragödie als konkurrierendes Modell zu einem kultischen Ursprung formulieren, erkennt R. Seaford (Reciprocity and ritual: Homer and tragedy in the developing city state) gerade in gemeinsamen rituellen Elementen die Verknüpfung zwischen Epos und Tragödie; 13 durch diese Elemente erfüllten beide Gattungen eine stabilisierende soziale Funktion innerhalb der Polis. Wie Herington weist Seaford auf die parallele Aufführungssituation der Gattungen als Teil panhellenischer Feste hin. J. Wise (Dionysos writes. The invention of theater in ancient Greece) räumt eine Kontinuität zwischen epischer Rezitation und Theateraufführung nach Herington ein; dennoch vermutet sie in 10 Matthiessen 1964, 93-125. 11 Else 1965; vgl. auch Knox 1979a. 12 Herington 1985. 13 Seaford 1994. 16 Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung der beginnenden Verschriftlichung der homerischen Epen und der gesamten Literatur im 6. Jh. v. Chr. die Grundlage für die Entstehung der Tragödie. 14 R. Garner (From Homer to tragedy. The art of allusion in Greek poetry) untersucht den Bezug auf der Ebene der sprachlichen Anspielung. 15 Er konzentriert sich auf die Übernahme homerischer Gleichnisse, wobei oft nicht plausibel wird, warum diese Textstellen, schon an sich Versatzstücke, gezielt gerade den homerischen Epen entnommen und nicht aus dem allgemeinen epischen Formelschatz eingeflossen sein sollten; eher überzeugt die Beobachtung der Konzentration von epischem Material in den Botenberichten. Von narratologischer Seite wird eine Verknüpfung von Epos und Drama durch strukturelle Gemeinsamkeiten versucht: B. Goward (Telling tragedy. Narrative technique in Aeschylus, Sophocles and Euripides) 16 und M. Kuntz (Narrative setting and dramatic poetry) 17 behandeln narrative Elemente der Tragödie mit homerischem Vorbild. 18 Die Sekundärliteratur zu den Homer-Bezügen der einzelnen Tragiker ist überschaubar. Einige frühe Untersuchungen konzentrieren sich auf die Auflistung sprachlicher Bezüge. M. Lechner hat in Einzelstudien diesen Aspekt des homerischen Einflusses bei allen drei Tragikern untersucht. 19 Speziell die Bezüge zwischen Aischylos und Homer behandeln L. Schmidt, 20 S. B. Franklin (Traces of epic influence in the tragedies of Aeschylus) 21 und M. Gigli. 22 In diesen Untersuchungen wird zwischen stofflichen und formalen homerischen Elementen bei Aischylos unterschieden, wobei mit formalen Elementen immer sprachliche Details, Wörter, Wortverbindungen und Gleichnisse, gemeint sind. Grundlegend ist immer noch die Dissertationsschrift Aeschylus Homericus. Untersuchung zu den Homerismen der aischylei- 14 Wise 1998; vgl. auch Svenbro 1990. 15 Garner 1990. 16 Goward 1999. 17 Kuntz 1993. 18 Maclean 1988 hebt umgekehrt die performativen Qualitäten des Erzählens hervor, jedoch ohne ausführliche Bezugnahme auf Homer und die Tragödie. Vgl. Jäkel 1992 zu epischen und lyrischen Elementen der Tragödie. 19 Lechner 1859; 1862; 1864. S. auch Lummerzheim: De Aeschyli Choephorarum, Sophoclis et Euripidis Electrae cum Homerica poesi necessitudine. Progr. 1874. Diese Untersuchung war dem Verfasser leider nicht zugänglich. 20 Schmidt 1863. 21 Franklin 1895. 22 Gigli 1928. Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung 17 schen Sprache von A. Sideras, in der eine besonders sorgfältige Zusammenstellung einzelner sprachlicher Homer-Reminiszenzen vorgenommen wird. 23 Leider ist auch hier der größere Zusammenhang, in dem diese sprachlichen Elemente stehen, und die Funktion, die sie darin einnehmen, nicht genügend berücksichtigt; so bleibt manchmal unglaubhaft, daß eine bewußte Reminiszenz vorliegt. Einige neuere Studien beschäftigen sich mit den Bezügen einzelner Textstellen der Orestie, vor allem des Agamemnon, zur Ilias. 24 Eine wichtige Anregung für die vorliegende Untersuchung ist der Aufsatz „Aischylos und Homer“ von B. Zimmermann, in dem, erstmalig für den Homer-Bezug dieses Dramatikers, der Ansatz der strukturellen Parallelität anstelle der stofflichen Entsprechung verwendet wird. 25 In der von Zimmermann betreuten Dissertation Epische Szenen in tragischem Kontext. Untersuchung zu den Homer-Bezügen bei Aischylos stellt G. Kraias eine szenische Intertextualität zwischen den aischyleischen Tragödien und den Epen Homers fest. 26 Die vielseitigste Beachtung wird der Homerrezeption des Sophokles in zahlreichen Einzeluntersuchungen zuteil; so werden z. B. der äußeren Situation nach parallele, inhaltlich aber kontrastierende Szenen des Aias und der Ilias 27 miteinander verglichen. Bezüge hat man zwischen König Ödipus und der Odyssee 28 sowie zwischen Philoktet und dem 9. Buch der Odyssee festgestellt. 29 J. Davidson verbindet die Gesamtkonzeption von Trachinierinnen 30 und Elektra 31 mit derjenigen der Odyssee. In einem weiteren Aufsatz, „Euripides, Homer and Sophocles“, untersucht er die Bezüge der euripideischen und der sophokleischen Elektra zu den Choephoren des Aischylos und zur Odyssee. 32 Sprachliche Bezüge zwischen Euripides und Homer behandeln bereits H. Burkhardt (Die Archaismen des Euripides) 33 und P. Kese- 23 Sideras 1971; Ergänzungen bei Garson, R. W.: „Aspects of Aeschylus’ Homeric usages“. Phoenix 39, 1985, 1-5. 24 Heath 1999; O’Neill 1998; Lynn-George 1933. 25 Zimmermann 2004. 26 Kraias 2008. 27 Zimmermann 2002; Easterling 1984. 28 Tarkow 1982. 29 Levine 2003; vgl. auch Whitby 1996 zu Entsprechungen zwischen Neoptolemos im Philoktet und Telemachos. 30 Davidson 2003. 31 Ders 1994; 1988. 32 Ders. 1999/ 2000. 33 Burkhardt 1906. 18 Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung ling. 34 K. Lange (Euripides und Homer) gibt die einzige umfassende Darstellung dieses Einflusses. 35 Er bezieht sich auf ein „Nostos- Schema“, ähnlich dem von Matthiessen behandelten „Dramentyp“, das von den Tragikern aus den Nosten und besonders aus der Odyssee übernommen wurde; dabei lehnt er sich an die Definition eines „‚ novsto" ‘ play“ von Taplin an. 36 Im Bezug auf die homerischen Epen kommt er zu dem Ergebnis, daß die Odyssee-Nachwirkung für Elektra, Iphigenie auf Tauris, Helena, Orestes und Kyklops prägender gewesen sei als die Nachwirkung der Ilias. Einzelne Studien beschäftigen sich mit Helena und Odyssee, Elektra und Odyssee 37 oder dem Bezugssystem zwischen Elektra, Rasendem Herakles und Odyssee. 38 Die Aufsätze zu den Homer-Bezügen der Tragiker- Fragmente gehen verständlicherweise von einer stofflichen Übernahme aus. In dem genannten Aufsatz „Aischylos und Homer“ von Zimmermann werden die Anspielungen auf die homerischen Epen als „absoluten Bezugspunkt“ der griechischen Literatur in archaischer und klassischer Zeit nach dem rezeptionstheoretischen Ansatz von H. R. Jauß als Möglichkeit der Bestätigung oder der Durchbrechung des „Erwartungshorizontes“ 39 des Publikums gesehen. Die- 34 Keseling 1943. 35 Lange 1995. 36 Taplin 1977, 124 definiert ein „‚ novsto" ‘ play“ mit Blick auf Aesch. Pers. wie folgt: „In such plays a ‚hero‘ returns from some mission or expedition; he may return safely to some catastrophe at home, or may (as here) return from a catastrophe. His first entry is bound to be a central event, and so tends to be the object of considerable dramatic preparation and attention.“ Bezugnehmend auf den Begriff „story pattern“ von Lattimore (Lattimore 1964, bes. 11) spricht er von „story pattern entries“. Archetyp sind weniger die Nosten als die Odyssee, die ajnagnwvrisi" und mhcavnhma als Handlungselemente enthält. Als Beispiele nennt Taplin, neben den Persern, Aesch. Ag., Soph. Trach. und Eur. Herc., dagegen klassifiziert er Aesch. Cho., Soph. El. und Eur. El. als „plays of return and revenge“, auch wenn sie Elemente mit einem „‚ novsto" ‘ play“ gemeinsam haben. 37 Zu Helena und Odyssee s. Eisner 1980; zu Elektra und Odyssee s. Davidson 1999/ 2000. 38 Cropp 1986. Zu den Bezügen des wohl unechten Rhesos zum 10. Buch der Ilias s. Bond 1996. 39 Vgl. Jauß 1970, 173-189, bes. 173 f.: „Die Analyse der literarischen Erfahrung des Lesers entgeht dann dem drohenden Psychologismus, wenn sie Aufnahme und Wirkung eines Werks in dem objektivierbaren Bezugssystem der Erwartungen beschreibt, das sich für jedes Werk im historischen Augenblick seines Erscheinens aus dem Vorverständnis der Gattung, aus der Form und Thematik zuvor bekannter Werke und aus dem Gegensatz von poetischer und praktischer Sprache ergibt.“ Vgl. Eliot 1932, 15. Zur Rezeptionstheorie vgl. Kimmich/ Stiegler 2003, 10-16; Warning 2003, 64-69; zu ihrem politischen Kontext s. Erhart 2003; Funke 2004. Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung 19 ser Einführung literaturtheoretischer Terminologie (I) 40 folgt eine eher philologische 41 Analyse des Bezuges der Sieben gegen Theben zur Ilias, die das Ineinandergreifen der verschiedenen Spielarten eines ganzen Bezugskomplexes zeigt: die Parallelität der Grundsituation, nämlich der Belagerung; die Parallelität der suvstasi" tw'n pragmavtwn der Sieben und der Ilias; die Verwendung der homerischen Modelle Teichoskopie und Schildbeschreibung; die Konzentration der Anklänge auf ein zentrales Buch der Ilias ( Z ) (II); die Hervorhebung der Parallelen durch homerisches Vokabular, besonders durch eine Art einzelnes Verbindungswort ( rJusivp [ t ] oli" , Sept. 130; Il. Z 305); hier wird die vom Kontext isolierte Untersuchung homerischer Reminiszenzen, die Sideras durchführt, kritisiert (III); schließlich die Herausarbeitung der Charakteristik des Eteokles durch die Kontrastfigur Hektor (IV). Die Umgestaltung, die der Gattungswechsel von Epos zu Drama nach sich zieht, und durch die Aischylos den Homertext deutet, wird, zur Terminologie der Literaturtheorie zurückkehrend, nach W. Iser als das Füllen von „Leerstellen“ 42 bezeichnet, das zu einer umfangreicheren Dramatisierung (Sept. Parodos; 1. Epeisodion; 1. Stasimon) der im Epos in wenigen Versen beschriebenen Panik der Frauen (Il. Z 237-241) führt (V). Das Fehlen einer eigenen Terminologie für den Homer- Bezug der Tragiker in der antiken Kritik, wie es sie etwa für die römische Rezeption griechischer Literatur gibt, 43 ist hier sozusagen ausgeglichen durch die Einbeziehung der literaturtheoretischen Begriffe des „Erwartungshorizontes“ und der „Leerstelle“. 44 Der Aufsatz von Zimmermann ist insofern für diese Arbeit methodisch grundlegend, als sich das zwischen den Sieben des Aischylos und der Ilias beobachtete Bezugssystem ebenso deutlich, wenn nicht noch deutlicher, zwischen der aischyleischen Orestie und der Odyssee nachzeichnen läßt. Der Ansatz eines Systems verschiedener, ineinanderspielender Bezugsaspekte erlaubt es, die 40 Die im obigen Text mitgeführten römischen Zahlen entsprechen den Paragraphen (I-V) des Aufsatzes. 41 Damit ist gemeint, daß der Text als für einen individuellen Autor signifikant behandelt wird. Vgl. Culler, J.: „Presupposition and intertextuality“. MLN 91, 1976, 1380-1396, 1395. 42 Vgl. Iser 1976, 257-355. Mit „Leerstelle“ bezeichnet Iser in der Nachfolge der „Unbestimmtheitsstelle“ der Phänomenologie R. Ingardens eine durch die Vorstellung des Lesers besetzbare Systemstelle im Text. 43 Vgl. z. B. Reiff, A.: Interpretatio, imitatio, aemulatio. Köln 1959 (Diss. 1958). 44 Vgl. Sullivan 1993 zur Verwendung literaturtheoretischer Ansätze in der klassischen Philologie. 20 Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung einzeln betrachtet typologisch durch ein „Nostos-Schema“ erklärbar oder undeutlich scheinenden Anklänge der Orestie des Aischylos an die Odyssee miteinander zu verbinden. Der so gewonnene Bezugskomplex kann anschließend mit den in der Forschung besser analysierten Parallelen zwischen den Elektren der beiden jüngeren Tragiker und der Odyssee 45 verglichen werden. Die vorliegende Untersuchung soll die Bezugnahme der Tragödie auf das homerische Epos nach den Ansätzen von Herington und Zimmermann am konkreten Beispiel der Rezeption der Odyssee in der Orestie des Aischylos sowie in den Elektren des Sophokles und des Euripides nachweisen. Folgende Überlegungen liegen zugrunde: im Hinblick auf die zentrale, für die griechische Literatur der frühen Klassik bereits kanonische Bedeutung Homers macht die motivische Parallelität der Heimkehrergeschichten des Odysseus, des Agamemnon und Orest eine direkte Bezugnahme der Tragiker auf die homerische Odyssee wahrscheinlich; in der Odyssee selbst liegt diese Verbindung zum Mythos der Orestie bereits in Form des Atriden-Motivs vor. Weiter müßte sich an diesem Beispiel zeigen lassen, inwiefern die Auseinandersetzung mit den homerischen Epen für die Entstehung der Gattung Tragödie ein entscheidendes konstituierendes Element darstellt. 46 Schließlich wird die Bezugnahme zur Odyssee in der Orestie auf andere Weise stattgefunden haben als in den Elektra-Dramen des Sophokles und des Euripides; das Epos könnte also nicht nur zur Entstehung der Gattung Tragödie beigetragen haben, sondern auch zu ihrer Entwicklung. Ziel ist es, die Bezugnahme zu belegen, ihre Eigenart zu beschreiben und festzustellen, was sie für den neuen Text als Gestaltungsmittel und für den alten Text als Ausdeutung bewirkt. Als Vermittler in dem Vorgang der Bezugnahme wird, nach Jauß, 47 der Rezipient gesehen, der Tragiker als aktiver Rezipient, dessen Rezeption zu einer neuen literarischen Form führt, und das Publikum, das die neue Form mithilfe der darin verwendeten bekannten Elemente wieder einordnet. Zunächst soll auf die gezielte kulturpolitische Förderung der Aufführung von Epos und Drama innerhalb der Feste der Polis (2.1), dann auf die „rezeptionsästhetische“ Deutung beider Gattungen bei Platon (Ion; Rep. Buch 3; 10) und in der Poetik des Aristoteles eingegangen werden (2.2). Danach wird ein kurzer Abriß gegeben über den Rekonstruktionsversuch einer aischyleischen 45 Vgl. Lange 1995, 59-101; Davidson 1988. 46 Siehe auch Lesky 1972, 47 f. 47 Vgl. Jauß 1970, 168-171. Einleitung: Homer und die Tragödie in der Forschung 21 Dramatisierung der Odyssee selbst, sowie über die sophokleische und die euripideische dramatische Umsetzung von Teilen des Epos (3.1). Die Vorüberlegungen schließen mit einem Überblick über die literarische Behandlung des Orestie-Stoffes vor Aischylos (3.2) und einer Bemerkung zum zeitlichen Verhältnis der Elektren (3.3). Der Hauptteil, die Untersuchung der Bezüge von Orestie und Elektren zur Odyssee (4-6), folgt, der teilweise sequentiellen Komponente dieser Bezüge wegen und aus Gründen der Übersichtlichkeit, kommentierend dem Text der Dramen. In der Zusammenfassung (7) wird versucht, die spezifischen Homer-Bezüge der drei Tragiker festzustellen und miteinander zu vergleichen. 2 Epos und Drama im institutionellen und poetologischen Kontext Epos und Drama im institutionellen und poetologischen Kontext 2.1 Panathenäen und Große Dionysien Panathenäen und Große Dionysien Die Festszene auf dem Schild Achills, die einen Kitharaspieler inmitten feiernder Winzer zeigt (Il. S 567-572), deutet emblematisch auf die enge Einbettung der frühen griechischen Dichtung in einen bestimmten sozialen Anlaß hin, seien es öffentliche Festspiele, Symposien oder Familienfeste. 48 So haben sich die Aufführungen musischer Agone und dramatischer Wettkämpfe im Rahmen der öffentlichen religiösen Feste entwickelt und sind ein wichtiger Bestandteil von ihnen. 49 Während im 8./ 7. Jh. v. Chr. in Delos, Sparta, Sikyon und Delphi bereits Festspiele mit musischen Agonen stattfanden, 50 war der Beitrag Athens zur Dichtungs- und Musikkultur Griechenlands zu dieser Zeit gering. 51 Erst ab dem frühen 6. Jh. erwachte mit den lyrischen Dichtungen Solons in Athen ein reges musisches Interesse, aus dem heraus in der zweiten Jahrhunderthälfte das Drama entstand. Vermutlich unter dem Archontat des Hippokleides 566/ 65 v. Chr. wurden die alten Panathenäen zu einer großen Penteteris und einem alljährlichen kleineren Fest umgestaltet; 52 Peisistratos vollendete wohl diese Reform während seiner Regierung. 53 Mehrere Belege 48 Vgl. hierzu Zimmermann 2004, 191 f.; Segal 1992, 4. 49 Vgl. Kotsidu 1991, 16; Herington 1985, 5-10. 50 Das delische Festival ist beschrieben Hymn. Hom. ad Apoll.146-178; Thuc. 3, 104 zitiert daraus die Verse 146-150 im Zusammenhang mit der athenischen Reinigung von Delos unter Peisistratos. Zu einer ersten Organisierung musikalischer Aktivitäten in Sparta durch Terpander s. [Plut.] De musica 1134b-c. Rhapsodische Wettkämpfe in Sikyon schon vor der Tyrannis des Kleisthenes sind Hdt. 5, 67, 1 belegt. Von der Geschichte der Pythischen Wettkämpfe berichtet Paus. 10, 7, 2-8. 51 Vgl. Herington 1985, 6 ff. (mit einer tabellarischen Übersicht über die frühen Feste mit musischen Agonen); 79 ff.; Kotsidu 1991, 15-26. 52 Marc. Vita Thucyd. 3; Euseb. Chron. zu Ol. 53, 3. 53 Arist. fr. 637, p. 395, 5 f.; 18 ff. Rose. Hier ist die Auffassung von Ziehen 1949, 459 übernommen, der die Belege, die einerseits auf eine Reform unter dem Archontat des Hippokleides, also vielleicht durch die Philaiden, andererseits auf Peisistratos als Reformator weisen, kombiniert. Die Datierung der Neuordnung auf 566/ 65 v. Chr. ist allgemein akzeptiert; vgl. Parker 1996, 89-91; Shapiro 1996, 215; Kotsidu 1991, 27 f.; Herington 1985, 85 f. 24 Epos und Drama im institutionellen und poetologischen Kontext deuten auf eine Neuordnung des Rhapsodenwettkampfes innerhalb der Großen Panathenäen hin, durch die eine vollständige Aufführung ausschließlich der homerischen Epen festgelegt wurde: Nach Diog. Laert. 1, 57 geht eine solche Neuordnung auf Solon zurück, allerdings werden die Panathenäen nicht erwähnt; nach [Plat.] Hipparch. 228b soll einer der Söhne des Peisistratos, Hipparchos, die Epen Homers als erster nach Griechenland gebracht und die Rhapsoden dazu verpflichtet haben, sie bei den Panathenäen der Reihe nach vollständig vorzutragen ( ejx uJpolhvyew" ejfexh'" aujta; diievvnai ). 54 Hipparchos, der filovmouso" , 55 wäre als Initiator einer solchen kulturpolitischen Regelung tatsächlich gut vorstellbar. 56 Es gibt somit eine deutliche Tradition dafür, daß die Umgestaltung der Panathenäen in die Zeit zwischen 566 und 514 v. Chr. fällt und auf eine gezielte Politik der Familie der Peisistratiden zurückgeht. Die überformten Panathenäen entwickelten sich schon unter den Tyrannen zu einem Fest mit panhellenischem Anspruch, bei dem in klassischer Zeit jede Art musischer Aufführung, homerische Rhapsodie, Kitharodie und Aulodie, zu hören war, und das den Gästen die zunehmende kulturelle Bedeutung und politische Macht Athens vor Augen führen sollte. 57 Der Versuch, sich die homerischen Epen anzueignen, indem man ihre Herkunft mit Athen in Verbindung brachte, 58 sie regelmäßig aufführte, sie für politische Zwecke einsetzte, 59 ist Teil dieser Politik. Die homerischen Epen wurden zudem, zusammen mit den didaktischen Dichtungen von Hesiod und Theognis, grundlegende Schullektüre; der Grammatikunterricht im Lesen und Schreiben baute bald auf ihnen auf, große Teile wurden auswendig gelernt. 60 54 S. Lycurg. Leocr. 102, hier wird kein Name eines bestimmten Reformators der Panathenäen genannt. Vgl. hierzu auch Engels, J.: Lykurg. Die Rede gegen Leokrates. Herausgeg., eingel. u. übers. von J. Engels (Texte zur Forschung 93). Darmstadt 2008, ad loc. 55 Arist. Athen. pol. 18, 1. 56 S. Reichel 2011, 49; Wilson 2000, 15-17; Shapiro 1992, 72-75. 57 Herington 1985, 87; 94-97; ders. 1986, 19. 58 [Plat.] Hipparch. 228b5-c1; Graziosi 2002, 217-228 stellt die Verbindung zwischen Homer, dem panionischen Fest in Delos und den Homeriden als Konzept des Peisistratos dar. 59 Zu der Auseinandersetzung mit Megara über Salamis s. Arist. Rhet. 1375b30; Schol. Il. B 557; Strab. 9, 1, 10 p. 394C; Diog. Laert. 1, 48; Plut. Sol. 10; die Athener berufen sich auch auf die Erwähnung der herausragenden Fähigkeiten des Menestheus als Feldherr Il. B. 553 f.; s. Hdt. 7, 161, 3; Aeschin. 3, 185, vgl. hierzu Verdenius 1970, 14 f.; zu dem athenischen Anspruch auf Sigeum s. Hdt. 5, 94, 2; vgl. Richardson 1992, 31. 60 Vgl. Xenophan. 21 B 10 DK: ejx ajrch'" kaq j $Omhron ejpei; memaqhvkasin pavnte" . Homer gilt als oJ poihthv" , „der Dichter schlechthin“; s. Plat. Gorg. 485d5 f., Leg.-7, Panathenäen und Große Dionysien 25 Eine schriftliche Festlegung des Homertextes zu dieser Zeit, die als „Peisistratische Redaktion“ in der Forschung immer wieder vertreten wurde, läßt sich sinnvollerweise vermuten, ist aber nicht eindeutig nachweisbar. 61 Etwa eine Generation nach der Neuordnung der Panathenäen wurde ein weiteres Fest neu eingeführt oder überformt, die Großen Dionysien zu Ehren des Dionysos Eleuthereus. Auch die Stiftung dieses Festes ging wohl auf die Politik des Peisistratos zurück, allerdings wurde die communis opinio, das Fest mit tragischem Agon sei genau im Jahr 535/ 33 v. Chr. eingerichtet oder überformt worden, 62 inzwischen angegriffen; die Einführung des tragischen Agons in das Fest des Dionysos Eleuthereus wird gern als Ausdruck der neuen demokratischen Freiheit nach den Reformen des Kleisthenes gese- 803e6; s. auch Verdenius 1970, 5 f. Platons ablehnende Haltung gegenüber den homerischen Epen und Dichtung überhaupt als Gefährdung für seinen Idealstaat gibt einen Eindruck von der Schlüsselposition Homers in der griechischen Erziehung, s. Plat. Rep. 10, 595b9 f.; 606e-607a5, bes. 606e2-3: th; n @Ellavda pepaivdeuken ou|to" oJ poihthv" . Vgl. auch Rep. 2, 377b11-d6, zur Erziehung der Wächter, und Prot. 339a. Zum Auswendiglernen der homerischen Epen s. Plat. Prot. 325e1-326a4; Leg. 7, 810e6-811a5; zum Memorieren homerischen Vokabulars s. Ar. Daitales fr. 233 PCG. Für das 4. Jh. s. auch Xen. Symp. 3, 5-6; 4, 6-7: ein gewisser Nikeratos behauptet hier, er habe als Kind auf Betreiben seines Vaters Ilias und Odyssee auswendig gelernt und könne dieses Wissen nun auf alle menschlichen Lebensbereiche anwenden. Vgl. Reichel 2011, 51 f.; Joyal/ McDougall/ Yardley 2009, 40-42; 101-103; Bierl 2008, bes. 208 f.; 213. Kraias 2008, 4 mit Anm. 5; Baumgarten 2006, 90; 95 f.; Goldhill 1997, 128 f.; ders. 1986a, 139-143; Verdenius 1970, 5-19; Marrou 1965, 39-41; 231 ff.; 246 f.; 251 f.- S. auch Lamberton 1992 zur antiken und spätantiken Homerrezeption; Sandnes 2009, 40-58 zu Homer und frühem Christentum. Verdenius 1970, 3 f. und passim unterscheidet richtig zwischen didaktischem Einfluß und didaktischer Intention der homerischen Epen; er kritisiert die Darstellung von Jaeger 1959, 63-88, nach der die Entwicklung der griechischen Kultur von der homerischen Zeit an ein organischer und notwendiger Prozeß gewesen sei. Die zentrale didaktische Wirkung eines zumindest nicht rein-didaktischen Textes könnte auch auf eine kulturpolitisch gesteuerte Rezeption hinweisen. 61 Der älteste Beleg ist das Zeugnis des Dieuchidas von Megara (Diog. Laert. 1, 57), der eher schon Solon als erst Peisistratos für den Initiator einer Homerredaktion hält. Hinter dieser Alternative steht wohl ein Streit zwischen Megara und Athen um attische Interpolationen in der Ilias (bes. Il. B 557), die Athens Anspruch auf Salamis legitimiert haben könnten. Vgl. Cic. De or. 3, 137. Für eine „Peisistratische Redaktion“ argumentieren West 1988, Introd. 36-40 und, weniger einleuchtend, Merkelbach 1969, 239-262. Dagegen hält Graziosi 2002, 233 die These für „a myth of the first century BC“. Die Belege zu Lykurgs Bemühungen um den Homertext sind wohl ein späterer Versuch, das Prestigeprojekt Homerredaktion für Sparta zu beanspruchen; s. Plut. Lyc. 4, 4-6; Dio Chrys. 2, 44; Arist. fr. 611, 10 Rose; Tim. (FGrH 566 F 127) bei Plut. Lyc. 1, 4; Ephor. (70 F 149) bei Strab. 10, 4, 19 p. 482C; Apollod. (244 F 63b) bei Clem. Strom. 1, 117, 3 p. 74, 2. St.; Ael. Var. hist. 13, 14. 62 Vgl. Zimmermann 1992b, 14 f.; Pickard-Cambridge 1968, 58. 26 Epos und Drama im institutionellen und poetologischen Kontext hen. 63 Dabei setzt die antiaristokratische, zentralistische, repräsentative Politik des Kleisthenes eine Tradition der Tyrannen fort. 64 Nach wie vor ist ein Datum zwischen 540 und 520 v. Chr. für eine Einführung oder Reform der Großen Dionysien, sowie chorischer und tragischer Aufführungen in diesem Rahmen, plausibel. 65 Wie die Rhapsodenwettkämpfe und musischen Agone zur prachtvollen Ausgestaltung der Panathenäen gehörten, so bildete der tragische Agon, während dem am 11., 12. und 13. Elaphebolion täglich drei Tragödien und ein Satyrspiel aufgeführt wurden, 66 einen besonderen Höhepunkt der Großen Dionysien. Obwohl die Tragödie thematisch kaum den Mythos von Dionysos behandelt, wie in dem Sprich- 63 Zimmermann 2011, 466 f. gibt einen Überblick über die Kritik an der Datierung der Stiftung der Großen Dionysien auf 535/ 33 v. Chr. Angegriffen wird diese Datierung vor allem von Scullion 2002a, 81, der sich auf West 1989 beruft: „The Suda’s date for Thespis, 535-532, is roughly comparable with that in the Marmor Parium, sometime between 538 and 528, but West concludes that both are guesswork.“ Das ist eine Vereinfachung, West weist nach, daß es sich bei den Suda-Datierungen zu Thespis (erste Produktion: 535/ 33), Choirilos (erste Produktion 523/ 20) und Phrynichos (erster Sieg: 511/ 08) um einen chronologischen Schematismus handelt (die Daten liegen jeweils drei Olympiaden auseinander), der möglicherweise von Eratosthenes stammt; dieser habe sich an anderen, selbst schematisierenden, aber zu seiner Zeit immerhin allgemein akzeptierten Datierungstraditionen, wie der des Marmor Parium (TrGF 1 T 2=FGrH 239 A 43, vgl. IG 12, 5 444, 58 f.), orientiert (West 1989, 253). Das Marmor Parium behält also mehr Gewicht. Connor 1989 will in den Großen Dionysien ein Fest der demokratischen Freiheit nach den kleisthenischen Reformen, eingeführt um 501 v. Chr., sehen. Die Einführung des Kultes des Dionysos Eleuthereus in Athen verbindet er nach Paus. 1, 38, 8 mit der Eingliederung von Eleutherai in Attika; hierzu argumentiert er für eine Spätdatierung dieser Annektierung auf 506/ 01 (16). In zwei längeren Anhängen (24-32) versucht Connor wenig überzeugend, die archäologischen Belege, die für einen Dionysos-Kult in Athen schon um 550/ 00 sprechen, zu entkräften und das Marmor Parium TrGF 1 T 2 zu Thespis mit seiner These zu vereinbaren: er hält Böckhs angreifbare Konjektur ejn a[stei für falsch und meint, Thespis habe seine frühen Tragödien zwar bereits unter Peisistratos, aber im Rahmen der früheren, Ländlichen Dionysien, nicht der Städtischen, aufgeführt. Diese kulturpolitische Unwahrscheinlichkeit übernimmt Wilson 2000, 18, führt jedoch die Stiftung der Großen Dionysien und ihres choregischen Systems auf Peisistratos oder Hipparchos zurück. S. auch Cartledge 1997, 22-24. 64 Vgl. Zimmermann 1992a, 31-38, bes. 35. 65 Vgl. Zimmermann 2011, 467. Sourvinou-Inwood 2003 bringt gegen Connor 1989 die Einführung eines Kultes von einem bestimmten Ort als „mythoritual schema“ nicht mit einer politischen Annektierung in Zusammenhang, die Annektierung von Eleutherai wäre also für die Datierung der Stiftung der Großen Dionysien irrelevant (103); vgl. Parker 1996, 94 f. Sourvinou-Inwood hält einen Entwicklungsbeginn der Großen Dionysien und der Tragödie zwischen 540 und 520 v. Chr. für wahrscheinlich (104). 66 Zu den Details des Ablaufes der Großen Dionysien vgl. Pickard-Cambridge 1968, 58. Panathenäen und Große Dionysien 27 wort Oujde; n pro; " to; n Diovnuson zum Ausdruck kommt, 67 so wird ihr Ursprung doch meist auf den Dionysos-Kult, sowie auf Dithyrambos und Satyrspiel als ‚dionysische‘ Elemente zurückgeführt. 68 Bei diesem Anlaß waren ebenfalls Besucher aus ganz Hellas zugegen, und die mehrtägigen Feierlichkeiten boten Athen Gelegenheit zur Selbstrepräsentation, die sich im demokratischen Athen des 5. Jhs. zur Machtdemonstration gegenüber den Verbündeten entwickelte. 69 Es bestehen also deutliche Gemeinsamkeiten zwischen Panathenäen und Großen Dionysien: die Einführung im Zuge der Kulturpolitik der Peisistratiden, die repräsentative Funktion als panhellenisch ausgerichtetes Fest, die Ausschmückung durch musische oder tragische Agone; weiter ist auf die pomphv 70 und das eröffnende Fackelritual 71 beider Feste hinzuweisen. Die Regelung zur vollständigen Aufführung der homerischen Epen bei den Panathenäen läßt darauf schließen, daß diese Texte für das athenische Publikum in einer schon gefestigten Form präsent waren. In der Einheitlichkeit der Aufführungsrahmen von homerischem Epos und Tragödie ist eine Kontinuität der kulturpolitischen Maßnahmen und damit des kulturellen Bewußtseins hinsichtlich der beiden Gattungen abzulesen, die einen literarischen Bezug begünstigt haben könnte. 67 Die Belege des Sprichwortes zeigen, daß bereits in der Antike eine Erklärung für den Widerspruch zwischen ‚dionysischem‘ Rahmen und ‚undionysischem‘ Inhalt der Tragödie gesucht wurde. S. u. a. Suda s. v. Oujde; n p . t . D .; Phot. Lex. s. v.; Apostol. 8, 42. Zu weiteren Belegen s. Leonhardt 1991, 68 f. 68 S. Sourvinou-Inwood 2003, 197-200 und passim; Easterling 1997, bes. 38-44; Seaford 1994, 275 f.; Bierl 1991, 4-8; Burkert 1990a; Castellani 1992, bes. zur euripideischen Tragödie; dag. Scullion 2002b; Seeck 2000. 69 S. Zimmermann 1992b, 15. 70 Die pomphv der Großen Dionysien behandelt Pickard-Cambridge 1968, 61 ff., diejenige der Panathenäen Ziehen 1949, 459-470. Seaford 1994, 258 ff. geht davon aus, daß bei beiden Festen Epheben an der Prozession teilnahmen, was für die Panathenäen aber erst in späterer Zeit belegt ist; vgl. Ziehen 1949, 468. 71 Die Panathenäen begannen mit der Pannuciv" in der Nacht auf den 28. Hekatombaion; dabei fand ein Fackellauf ( lampav" ) statt. Siehe Ziehen 1949, 459 f. Das Eröffnungsritual der Großen Dionysien bestand darin, daß das Kultbild des Dionysos Eleuthereus am 8./ 9. Elaphebolion in einen Tempel in der Nähe der Akademie gebracht und dann, als rituelles Nachspielen der ursprünglichen Ankunft des Dionysos aus Eleutherai, mit einer Fackelprozession, der eijsagwgh; ajpo; th'" ejscavra" , zurück zum Theater geleitet wurde. 28 Epos und Drama im institutionellen und poetologischen Kontext 2.2 Homer und die Tragödie bei Platon und Aristoteles Homer und die Tragödie bei Platon und Aristoteles Bereits Gorgias schreibt im Enkomion auf Helena 8-14 dem gesprochenen Wort ( lovgo" ) eine gewaltige Wirkungskraft zu, wenn er diese als dritten von vier möglichen Beweggründen- - neben göttlichem Ratschluß bzw. Schicksal, Gewalt und Liebe- - zur Rechtfertigung von Helenas Fahrt nach Troja anführt: 72 lovgo" dunavsth" mevga" ejstivn, o}" smikrotavtwi swvmati kai; ajfanestavtwi qeiovtata e[rga ajpotelei' (Gorg. Hel. 8=82 B 11, 8 DK). Die Rede entfaltet mit Hilfe von Überzeugungskraft ( peiqwv ) ein ganzes Wirkungsspektrum ( fovbon pau'sai , luvphn ajfelei'n , cara; n ejnergavsasqai , e[leon ejpauxh'sai ), indem sie die Vorstellung ( dovxa ) 73 der Rezipienten manipuliert; hier zieht Gorgias einen Vergleich zur Dichtung, welche ebenfalls bei den Rezipienten extreme emotionale Reaktionen durch seelische Empathie hervorruft: th; n poivhsin a{pasan kai; nomivzw kai; ojnomavzw lovgon e[conta mevtron: h|" tou; " ajkouvonta" eijsh'lqe kai; frivkh perivfobo" kai; e[leo" poluvdakru" kai; povqo" filopenqhv", ejp j ajllotrivwn te pragmavtwn kai; swmavtwn eujtucivai" kai; duspragivai" i[diovn ti pavqhma dia; tw'n lovgwn e[paqen hJ yuchv (Hel. 9). 74 Platon und Aristoteles beobachten beide diesen wirkungsästhetischen Aspekt von Dichtung besonders an den Gattungen Epos und Tragödie. 75 72 Vgl. Zimmermann 2011, 510; s. auch Pedrique 2011, 25-30 zu dem Verständnis von lovgo" („Rede“) in Gorg. Hel. 8. 73 Pedrique 2011, 68-75 übersetzt dovxa mit „Ansicht“ oder „Meinung“, antithetisch zu ajlhvqeia : „Die dovxa ist also von Natur aus durch ihr Defizit ausgezeichnet. Dieses Unvermögen, alles gleichzeitig zu wissen, eröffnet die Möglichkeit der Täuschung“ (69). Der Begriff dovxa kommt in der Helena insgesamt zehnmal vor (Hel. 9: einmal; 10: zweimal; 11: zweimal; 13: viermal; 21: einmal); er wird im Zusammenhang mit der Dichtungsdefinition eingeführt (9) und fällt am häufigsten in dem Paragraphen über peiqwv (13). Gemeint ist also wohl in diesem poetologischen Kontext eher der psychologische Bereich des Rezipienten, auf den die Projektionskraft (peiqwv ) der Fiktion trifft, die Vorstellung. Dieses Verständnis würde sich auch gut mit dem visuellen Aspekt vereinbaren lassen, der Hel. 13 mit toi'" th'" dovxh" o[mmasin hervorgehoben wird. 74 Vgl. MacDowell 1982 ad loc. 75 Dagegen gilt nach dem Modell der modernen griechischen Literaturgeschichte die Tragödie als Synthese im Sinne Kants aus dem ‚objektiven‘ Epos und der ‚subjektiven‘ Lyrik. Vgl. Schlegel, A. W.: „Vorlesungen über die schöne Literatur“ (1802- 1803). In: Behler, E./ Jolles, P. (Hgg.): A. W. S. Kritische Ausgabe der Vorlesungen. Bd. 1: Vorlesungen über Ästhetik 1 (1795-1803), Paderborn 1989, 473-781, 724; vgl. hierzu auch Most 1993, 164-166. Entsprechend wird zwischen epischer und tragischer „performance“ sorgsam abgegrenzt; Goethe und Schiller schreiben in der Homer und die Tragödie bei Platon und Aristoteles 29 Platons kleiner Dialog Ion gibt ein ausführliches und lebendiges Bild von rhapsodischer Aufführung. Der Gesprächspartner des Sokrates, Ion aus Ephesos, ist professioneller Rhapsode und hegt eine fanatische, ausschließliche Bewunderung für die Epen Homers, von denen er behauptet, sie am besten von allen Menschen rezitieren zu können (Ion 530c-d). 76 Um Ion davon zu überzeugen, daß diese besondere Vorliebe und Eignung für das homerische Epos nicht auf Sachkenntnis ( tevcnh / ejpisthvmh ) sondern göttlicher Kraft ( qeiva duvnami" ) beruht, erinnert Sokrates ihn an die Aufführungssituation: o{tan eu\ ei[ph/ " e[ph kai; ejkplhvxh/ " mavlista tou; " qewmevnou", h] to; n Odusseva o{tan ejpi; to; n oujdo; n ejfallovmenon a[/ dh/ ", ejkfanh' gignovmenon toi'" mnhsth'rsi kai; ejkcevonta tou; " ojistou; " pro; tw'n podw'n, h] Acilleva ejpi; to; n $Ektora oJrmw'nta, h] kai; tw'n peri; Andromavchn ejleinw'n ti h] peri; @Ekavbhn h] peri; Privamon, tovte povteron e[mfrwn ei\ h] e[xw sautou' givgnh/ kai; para; toi'" pravgmasin oi[etaiv sou ei\nai hJ yuch; oi|" levgei" ejnqousiavzousa, h] ejn Iqavkh/ ou\sin h] ejn Troiva/ h] o{pw" a]n kai; ta; e[ph e[ch/ ; (535b2-c3). Ion stimmt der Beschreibung des Außersich- Geratens ( e[xw eJautou' givgnesqai ) zu: ejgw; ga; r o{tan ejleinovn ti levgw, dakruvwn ejmpivmplantaiv mou oiJ ojfqalmoiv: o{tan te fobero; n h] deinovn, ojrqai; aiJ trivce" i{stantai uJpo; fovbou kai; hJ kardiva phda'/ (535c5-8). Der Rhapsode nimmt bei seinem Vortrag die Rolle der epischen Gestalten an, ahmt wohl andeutungsweise ihre Bewegungen nach ( ejfallovmenon , ejkcevonta ) und versetzt sich in die Szenerie hinein, die er schildert ( para; toi'" pravgmasin oi[etaiv sou ei\nai hJ yuch; oi|" Abhandlung „Über epische und dramatische Dichtung“: „Der Rhapsode sollte als ein höheres Wesen in seinem Gedicht nicht selbst erscheinen, er läse hinter einem Vorhange am allerbesten, so daß man von aller Persönlichkeit abstrahierte und nur die Stimme der Musen im Allgemeinen zu hören glaubte. Der Mime dagegen ist gerade in dem entgegengesetzten Fall, er stellt sich als ein bestimmtes Individuum dar, er will daß man an ihm und seiner nächsten Umgebung ausschließlich Teil nehme, daß man die Leiden seiner Seele und seines Körpers mitfühle, seine Verlegenheiten teile und sich selbst über ihn vergesse.“ In: Apel, F. (Hg.): J. W. G. Sämtliche Werke. 1. Abt., Bd. 18: Ästhetische Schriften (1771-1805), Frankfurt a. M. 1998, 445-447, 447. Nach Walter Benjamin erfährt die Sage eine „Beruhigung im epischen Spiegel“, durch die Tragödie eine „tendenziöse Umformung“. Tiedemann, R. (Hg.): W. B. Ursprung des deutschen Trauerspiels. Frankfurt a. M. 1996, 7. Aufl., 87; vgl. hierzu Lehmann 1991, 17 f. Ähnlich auch Vernant 1979, 638-640. Keine derartige Antithese formuliert dagegen Thomas Mann in „Versuch über das Theater“. In: De Mendelssohn, P. (Hg.): T. M. Gesammelte Werke in Einzelbänden. Bd. 15: Die Forderung des Tages. Abhandlungen und kleine Aufsätze über Literatur und Kunst. Frankfurt a. M. 1986, 11-51, 15-23. 76 Als weitere zum Standardrepertoire der Rhapsoden gehörende Dichter werden Ion 531a1-3 und passim Hesiod und Archilochos genannt. 30 Epos und Drama im institutionellen und poetologischen Kontext levgei" ); damit rückt er in deutliche Nähe zum Schauspieler, 77 vor allem wenn man bedenkt, daß die noch recht einfachen Bedingungen des attischen Theaters ebenfalls der imaginativen Kraft der Sprache großen Spielraum ließen. 78 Die heftige emotionale Reaktion, die der Rhapsode, indem er vorträgt, zeigt, überträgt sich auf das Publikum: kaqorw' ga; r eJkavstote aujtou; " a[nwqen ajpo; tou' bhvmato" klavontav" te kai; deino; n ejmblevponta" kai; sunqambou'nta" toi'" legomevnoi" (535e1-3). Die psychagogische Wirkung verbindet nach Platons Auffassung Tragödie und Epos und ist der Grund für seine zwiespältige, teils abweisende, teils anerkennende Haltung gegenüber beiden Gattungen; 79 Rep. 2, 376e-3, 392c wendet er sich gegen die dichterische Darstellung göttlicher Verantwortung für das Schlechte, des Todes als Übel und Schrecknis, des unrechten Verhaltens von Göttern und Heroen und der Unvereinbarkeit von Gerechtigkeit und Glück; die Kritik konzentriert sich auf Homer, die vier angeführten Tragödienzitate stammen alle von Aischylos. 80 Rep. 10, 595b-c führt Platon die Tragiker als Beispiel für mimetische Künstler an und nennt Homer ihren Lehrer und Wegbereiter: e[oike me; n ga; r tw'n kalw'n aJpavntwn touvtwn tw'n tragikw'n prw'to" didavskalov" te kai; hJgemw; n genevsqai (595b10-c2). 81 Mimetische, tragische wie epische, Dichter sind nicht nur Nachahmer von Schattenbildern (598a-599b), ihres Tuns unkundig (602b), vielmehr wird auch hier die ethische Gefährdung, die von der Aufführung ihrer Texte ausgeht, hervorgehoben; 82 Homer ist analog zu den Tragikern behan- 77 S. Herington 1985, 10-15; 39; Herington geht davon aus, daß ein Rhapsode des 7./ 6. Jhs. in Ton, Tempo, Dynamik und Gestik zurückhaltender war als Ion, bemerkt allerdings mit Blick auf diese Zeit: „One is not prepared to believe, on the basis of experience, that he stood there like a treetrunk and recited the pathetic episodes that involve Andromache, or Hecuba, or Priam at an even speed and in a monotone.“ (13 f.). Goward 2005, 21, bezeichnet den Rhapsoden als „an actor ‚avant la lettre‘“. Dag. Slator 1990, 385. 78 Vgl. Zimmermann 1992b, 19 f.; Taplin 1977, 37 f. 79 Vgl. Halliwell 2002, 24-27; 98-117; Richardson 1992, 35 f. 80 Halliwell 2002, 107-109 diskutiert diese Passage ausführlich im Hinblick auf die platonische Konzeption des Tragischen. Die Aischylos-Zitate stehen Plat. Rep. 2, 380a3-4; 381d8; 383b1-9; 3, 391e7-9. 81 Es ist nicht klar, ob die Bezeichnungen didavskalo" , hJgemwvn metaphorisch zu verstehen sind, als Hinweis darauf, daß Homer „tragisch“ gelesen werden kann (Halliwell 2002, 110), oder ob doch eine literarhistorische Kontinuität zwischen Homer und den Tragikern ausgedrückt werden soll (Herington 1985, 104). Vgl. auch Plat. Rep. 10, 598a-d9; 607a2-3; Theaet. 152e2-7. 82 Zu der Ambiguität des Mimesis-Begriffes vgl. Halliwell 2002, der zwischen einem welt-reflektierenden und einem welt-simulierenden/ schaffenden Modell unter- Homer und die Tragödie bei Platon und Aristoteles 31 delt: oiJ gavr pou bevltistoi hJmw'n ajkrowvmenoi @Omhvrou h] a[llou tino; " tw'n tragw/ dopoiw'n mimoumevnou tina; tw'n hJrwvwn ejn pevnqei o[nta kai; makra; n rJh'sin ajpoteivnonta ejn toi'" ojdurmoi'" h] kai; a[/ dontav" te kai; koptomevnou", oi\sq j o{ti caivromevn te kai; ejndovnte" hJma'" aujtou; " eJpovmeqa sumpavsconte" kai; spoudavzonte" ejpainou'men wJ" ajgaqo; n poihthvn, o}" a]n hJma'" o{ti mavlista ou{tw diaqh'/ (605c10-d5). Der Bezug zwischen homerischem Epos und Tragödie liegt für Platon folglich in ihrer Fiktionalität, die eine seiner eigenen Philosophie widersprechende Lebensdeutung transportiert. 83 Eine erschütternde Wirkung auf das Publikum wie bei Platon für Rhapsodenvortrag und Tragödienaufführung beschrieben gehört in der Poetik des Aristoteles bekanntlich zur Definition der Tragödie: als Nachahmung einer Handlung, die Mitleid und Schrecken hervorruft und dadurch eine Reinigung von solchen Zuständen bewirkt: e[stin ou\n tragw/ diva mivmhsi" pravxew" … drwvntwn kai; ouj di j ajpaggeliva", di j ejlevou kai; fovbou peraivnousa th; n tw'n toiouvtwn paqhmavtwn kavqarsin (Arist. Poet. 6, 1449b24-28); anders als Platon scheint Aristoteles hier dramatische und narrative Form streng voneinander abzugrenzen, da er von einer Nachahmung von Handelnden ( drwvntwn ) und nicht durch Bericht ( di j ajpaggeliva" ) spricht. Die homerischen Epen betrachtet er jedoch auf Grund der häufig verwendeten direkten Rede als Sonderform eines Berichtens in der Rolle eines anderen: kai; ga; r ejn toi'" aujtoi'" kai; ta; aujta; mimei'sqai e[stin oJte; me; n ajpaggevllonta, h] e{terovn ti gignovmenon w{sper $Omero" poiei' h] wJ" to; n aujto; n kai; mh; metabavllonta, h] pavnta" wJ" pravttonta" kai; ejnergou'nta" † tou; " mimoumevnou" † (Poet. 3, 1448a20- 24). An anderer Stelle läßt Aristoteles sogar nur dieses dramatische Berichten in direkter Rede, das Homer verwendet, als Nachahmung gelten: oiJ me; n ou\n a[lloi aujtoi; me; n di j o{lon ajgwnivzwntai, mimou'ntai de; ojlivga kai; ojligavki": oJ de; (scil. $Omhro" ) ojlivga froimiasavmeno" eujqu; " eijsavgei a[ndra h] gunai'ka h] a[llo ti h\qo", kai; oujdevn j ajhvqh ajll j e[conta h\qo" (Poet. 24, 1460a8-11). Deutlicher als in Platons Staat erscheint Homer in der Poetik als historischer Vorläufer des Dramas und damit auch der Tragödie: 84 w{sper de; kai; ta; spoudai'a mavlista poihth; " $Omhro" h\n ( movno" ga; r oujc o{ti eu\ ajlla; kai; mimhvsei" dramatika; " ejpoivhsen ) , ou{tw" kai; to; scheidet. Vgl. Petersen, J. H.: Mimesis-- Imitatio-- Nachahmung. Eine Geschichte der europäischen Poetik. München 2000, 259-267 und passim. 83 Vgl. hierzu die Auseinandersetzung zwischen den Gesetzgebern und der Schauspieltruppe Plat. Leg. 7, 817. 84 Vgl. Herington 1985, 133-136. 32 Epos und Drama im institutionellen und poetologischen Kontext th'" kwmw/ diva" sch'ma prw'to" uJpevdeixen, ouj yovgon ajlla; to; geloi'on dramatopoihvsa": oJ ga; r Margivth" ajnavlogon e[cei, w{sper Ilia; " kai; hJ Oduvsseia pro; " ta; " tragw/ diva", ou{tw kai; ou|to" pro; " ta; " kwmwdiva" (Arist. Poet. 4, 1448b34-1449a2). 85 Auch bei Aristoteles sind Epos und Tragödie durch ihre Wirkung verknüpft, aber der Ansatz ist strukturell. 86 Er verweist für die von ihm geforderte Einheitlichkeit der Handlung ( mu'qo" ) auf das Vorbild der Odyssee, aber auch auf die Ilias, an denen sich Homers Fertigkeit oder natürliche Begabung in der Stoffauswahl zeigt: Oduvsseian ga; r poiw'n ou]k ejpoivhsen a{panta o{sa aujtw'/ sunevbh, … ajlla; peri; mivan pra'xin oi{an levgomen th; n Oduvsseian sunevsthsen, oJmoivw" de; kai; th; n Iliavda (8, 1451a24- 30); 87 nur die Heimkehr wird als eigentlicher Stoff der Odyssee betrachtet, das übrige sind Episoden: th'" ga; r Odusseiva" ouj makro; " oJ lovgo" ejstivn: ajpodhmou'ntov" tino" e[th polla; kai; parafulattomevnou ujpo; tou' Poseidw'no" kai; movnou o[nto", e[ti de; tw'n oi[koi ou{tw" ejcovntwn w{ste ta; crhvmata uJpo; mnhsthvrwn ajnalivskesqai kai; to; n uiJo; n ejpibouleuvesqai, aujto; " de; ajfiknei'tai ceimasqeiv", kai; ajnagnwrivsa" tina; " ejpiqevmeno" aujto; " me; n ejswvqh tou; " d j ejcqrou; " dievfqeire. to; me; n ou\n i[dion tou'to, ta; d j a[lla ejpeisovdia (17, 1455b16-23). In dieser Zusammenfassung des Plots wird auch grammatikalisch das Handlungsgerüst nachgezeichnet: während die Irrfahrten und die Situation in Ithaka durch lange Partizipialkonstruktionen wiedergegeben sind, fällt das Prädikat ( ajfiknei'tai ) erst mit dem Beginn der eigentlichen Heimkehrhandlung in der zweiten Hälfte des Epos. Die homerischen Epen, besonders die Odyssee, sieht Aristoteles offenbar als gestaltetes Textmaterial, das dramatisch weiter umgestaltet werden kann: 88 toigarou'n ejk me; n Iliavdo" kai; Odusseiva" miva tragw/ diva poiei'tai eJkatevra" h] duvo movnai, ejk de; Kuprivwn pollai; kai; th'" mikra'" Iliavdo" [[ plevon ] ojktwv, oi|on o{plwn krivsi", Filokthvth", Neoptovlemo", Eujruvpulo", ptwceiva, Lavkainai, jIlivou pevrsi" kai; ajpovplou" [ kai; Sivnwn kai; Trw/ avde" ]] (23, 1459b2-7). 89 Außerdem 85 Arist. Poet. 13, 1453a30-39 wird die Odyssee mehr mit der Komödie in Verbindung gebracht. Diesen Vergleich stellt auch [Long.] De subl. 9, 15 an; vgl. hierzu Brandt 1966, 20; Russel 1964 zu 9, 11-15; 9, 15. 86 Vgl. Lucas 1968, 265 f. 87 Die besondere Einheitlichkeit von Ilias und Odyssee ist auch Arist. Poet. 26, 1462b7-11 betont. Griffin 1977, 53 weist auf den speziellen Charakter von Ilias und Odyssee gegenüber dem Epischen Kyklos hin, dem er „un-tragic attitude“ und „less dramatic style“ bescheinigt. 88 Siehe Hermann 1802, 237-246 zu den Unterschieden zwischen der „forma dramatica“ und der „forma epica“. 89 Vgl. Arist. Poet. 26, 1462b3-11. Homer und die Tragödie bei Platon und Aristoteles 33 stellt Aristoteles in der epischen wie der tragischen Dichtung dieselben Arten ( ei[dh ) fest ( aJplhv , peplegmevnh , hjqikhv , paqhtikhv ), und dieselben Teile ( mevrh ) ausgenommen Melodik und Inszenierung: besonders Peripetien, Wiedererkennungen und Unglücksfälle, aber auch Gedankenführung und Sprache (24, 1459b7-16); Homer habe alle diese Elemente als Erster und zureichend verwendet: oi|" a{pasin $Omhro" kevcrhtai kai; prw'to" kai; iJkanw'". kai; ga; r tw'n poihmavtwn eJkavteron sunevsthken hJ me; n Ilia; " aJplou'n kai; paqhtikovn, hJ de; Oduvsseia peplhgmevnon ( ajnagnwvrisi" ga; r diovlou ) kai; hjqikhv (1459b12-15). Wiedererkennungen und Peripetien tragen nach Kap. 6 am meisten zu der psychagogischen Wirkung der Tragödie bei: pro; " de; touvtoi" ta; mevgista oi|" yucagwgei' hJ tragw/ diva tou' muvqou mevrh ejstivn, ai{ te peripevteiai kai; ajnagnwrivsei" (6, 1450a33- 35). Oft vermischen sich die Grenzen zwischen Epos und Tragödie völlig, so in den Beispielszenen für die Wiedererkennung (Kap. 16) und den Trugschluß ( paralogismov", Kap. 16; 24). Bei Aristoteles, so geht aus diesem Überblick hervor, ist das wirkungsgeschichtliche Verhältnis der Tragödie zu Homer deutlicher thematisiert als bei Platon, doch ein Bezug ist bei beiden Autoren Voraussetzung für die parallele Behandlung der Gattungen. Während in den platonischen Dialogen die Grenze zwischen homerischem Epos und Tragödie durch das Aufführungserlebnis des Rhapsoden und des Publikums und die starke affektive Wirkung aufgehoben ist, 90 nimmt Aristoteles zudem in der dramatischen Umsetzbarkeit der Struktur des epischen Textes die Verbindung beider Gattungen wahr. 90 Sullivan 1993, 15 sieht in der Befürchtung Platons, unmoralische Fiktionalität könne negative Auswirkungen auf den Charakter des Lesers (= Rezipienten) haben (Rep. 2, 377-3, 397), und in der Katharsis-Theorie des Aristoteles (Pol. 8, 1342a; Poet. 6, 1449b27) eine Grundlage für moderne psychoanalytische Deutung und Reader-Response Criticism. 3 Zum literarischen Kontext des Bezugs zwischen Odyssee und Orestie-Dramen Zum literarischen Kontext 3.1 Aischylos, Sophokles, Euripides und die Odyssee Aischylos, Sophokles, Euripides und die Odyssee 3.1.1 Aischylos und die Odyssee Dem aischyleischen Ausspruch über die temavch tw'n @Omhvrou megavlwn deivpnwn fügt Eustathios erklärend hinzu: dia; to; lamprw'" ajpomavttesqai ta; " @Omhrika; " meqovdou" . 91 Er abstrahiert also den Begriff der temavch , der zunächst an ein stoffliches „Tranchieren“ denken läßt, eine Umformung einzelner inhaltlicher Abschnitte der Epen in Tragödien nach Aristoteles, 92 indem er ihn methodisch auffaßt. Inwieweit sind die homerischen Epen stoffliche Quelle für die Tragödie des Aischylos, inwieweit strukturelles Vorbild? Von den zwischen 70 und 90 Aischylos zugeschriebenen Stücktiteln verweisen lediglich sieben bis zehn auf den Inhalt von Ilias und Odyssee. 93 Die Kares oder Europe (TrGF 3 F **99-101) könnten den Tod Sarpedons nach der Ilias (Il. P 419-683) behandelt haben. 94 Das auf die Orestie folgende Satyrspiel Proteus (TrGF 3 F 210- 215) bezog sich stofflich auf den Bericht des Menelaos von seiner 91 Eust. Il. 1298, 56 ff.=TrGF 3 T 112b; zu ajpomavttesqai , bzw. ejkmavttesqai , vgl. Ar. Ran. 1039 ff.; Vita Soph. 20=TrGF 4 T 1, bes. 85 f.: ejkmattovmeno" ; vgl. auch Sideras 1971, 12, Anm. 9. 92 Arist. Poet. 23, 1459b2-7. Vgl. dagegen Radin 1921/ 1922, 334, der temavch mit „slices of fish“ übersetzt; er vermutet in temavch tw'n @Omhvrou megavlwn deivpnwn ein witziges Paradox, da Fisch als Gericht in den homerischen Epen nicht vorkommt; vgl. Plat. Rep. 3, 404bc; Plut. De Iside et Osiride 8, 8, 3. Die temavch wären somit das mythische Material, welches Homer späteren Dichtern unbearbeitet übrigläßt. 93 Die Suda gibt eine Anzahl von 90 Stücken an, die Codd. Mediceus und Ven. Marc. 468 nennen 73 Titel; s. TrGF 3 T 78; vgl. Zimmermann 2011, 562 f.; ders. 2004, 191; Lesky 1972, 70. Die Titel, die sich auf Ilias und Odyssee beziehen, lauten: Kirke, Myrmidones, Ostologoi, Penelope, Proteus, Phryges, Psychagogoi; unsicher: Kares, Nereides, Sisyphos Petrokylistes. 94 Vgl. Mette 1963, 170-172. 36 Zum literarischen Kontext Begegnung mit dem Meergott in der Odyssee (Od. d 351 ff.); in der Dramatisierung von den Abenteuern des Menelaos in Ägypten spielte vermutlich Eidothea, die Tochter der Proteus, eine Rolle (F 212); es könnte der Hunger des Menelaos und seiner Schiffsmannschaft dargestellt worden sein (F 210; 211). Wie in der zugrundeliegenden Stelle der Odyssee war wohl eine Erzählung der Ermordung Agamemnons durch Klytaimestra eingeblendet (F 375). 95 In den Stücken Sisyphos Drapetes und Sisyphos Petrokylistes (TrGF 3 F 225-234), vielleicht Satyrspielen, wurden wahrscheinlich die vergeblichen Mühen des Sisyphos dargestellt, die in der Nekyia der Odyssee geschildert sind (Od. l 593-600); 96 eine wörtliche Entsprechung hat man zwischen F 230, wohl einer Anrede an den aus dem Hades entlaufenen Sisyphos, und l 393, einer Beschreibung von Agamemnons Seele, vermutet. 97 In Anlehnung an die erhaltene Trilogie des Aischylos, die Orestie, hat man versucht, aus den Fragmenten auf jeweils drei inhaltlich zusammenhängende Dramen zu Ilias und Odyssee zu schließen. Die „Achilleis“ des Aischylos hat vermutlich in den Myrmidonen (TrGF 3 F 131-142) den Tod des Patroklos (Il. P - S ), in den Nereiden (F 150-154) Hektors Tod ( T - Y ) und in den Phrygern (F 263-272) den Gang des Priamos zu Achill ( W ) behandelt. 98 Während diese Rekonstruktion einer direkten dramatischen Umsetzung der zweiten Ilias-Hälfte durch Aischylos sich immerhin auf eine gewisse Anzahl von Fragmenten stützen kann, muß der entsprechende Rekonstruktionsversuch einer aischyleischen „Odysseus“- Tetralogie, bestehend aus Psychagogoi (TrGF 3 F 273-278), Penelope (F 187), Ostologoi (F 179-*180) und Kirke (F 113a-115) als Satyrspiel, noch hypothetischer bleiben. 99 Der Inhalt des ersten Stückes, der Psychagogoi, ist nur in Grundzügen zu erkennen. Die Psychagogoi, die den Chor bilden, sind wohl Geleiter in die Unterwelt, wie aus einer Anrufung an Hermes, den sie als ihren Ahnherrn bezeichnen, hervorgeht (F 273). Von dem Chor erhält ein Fremder ( xei'no" ), in 95 S. Cunningham 1994; Sutton 1984b; Mette 1963, 76 f.; Cunningham 1994, 68 vermutet, daß im Proteus des Aischylos auch die Geschichte vom Trugbild der Helena vorkam; vgl. dag. Sutton 1984b, 128. 96 Vgl. Mette 1963, 170-172. 97 Sideras 1971, 209. 98 S. Mette 1963, 112-121; Schadewaldt 1960, bes. 210; Radt 1986, 1-6; vgl. Zimmermann 2011, 568. 99 Katsouris 1982/ 1985; Mette 1963, 127-129. Vgl. Zimmermann 2011, 569; Grossardt 1998, 294-310. In Psychagogoi und Ostologoi hat man auch Satyrspiele gesehen; s. Lämmle 2011, 638. Aischylos, Sophokles, Euripides und die Odyssee 37 dem meist Odysseus gesehen wird, 100 Anweisungen für ein Totenopfer (F 273a 1-6) und die Aufforderung, Chthon, Hermes Chthonios und Zeus Chthonios anzuflehen (7-13); durch die Beschreibung der Vegetation um den Unterweltsee (1 f.; 6) und den Fluß Styx (10-13) entsteht ein eindringliches Bild von dem Handlungsort. In einem weiteren Fragment sagt Teiresias Odysseus den Tod durch einen Rochenstachel voraus (F 275). Das Stück basiert offensichtlich auf der homerischen Nekyia (Od. l 23-330; 385-635), die Todesprophezeiung erinnert an die Voraussage des Teiresias, Odysseus werde einen Tod fern vom Meer ( ejx aJlov" ) 101 sterben ( l 134-136= y 281-283); die naturbeschreibenden Elemente haben Ähnlichkeit mit der Darstellung der Insel der Kirke ( k 509 f.; 513-515). 102 Aus dem Mittelstück, der Penelope, ist nur ein einziger Vers erhalten, Sprecher ist eindeutig der als Bettler auftretende Odysseus, der sich als Kreter aus uraltem Adelsgeschlecht ausgibt: ejgw; gevno" mevn eijmi Krh; " ajrcevstaton (F 187); in der homerischen Odyssee taucht diese „Lügengeschichte“ mehrfach, immer leicht variiert, auf, Odysseus erzählt sie Athene ( n 256-286), Eumaios ( x 199-359; vgl. p 61-67) und Penelope ( t 165-202). Das Fragment muß aus einer Szene stammen, die dem ersten Gespräch der beiden Gatten in der Odyssee entsprach ( t 96-360; 506-599); wahrscheinlich umfaßte die Penelope auch die Wiedererkennung von Odysseus durch Eurykleia ( t 361- 503), die das Gespräch unterbricht, die Bogenprobe, die Ermordung der Freier und die Wiedererkennung von Odysseus durch seine Frau ( y 165-343). 103 Das dritte Stück, so nimmt man an, waren die Ostologoi. In einem dieser Tragödie ausdrücklich zugewiesenen 104 Fragment beschwert sich Odysseus darüber, daß Eurymachos ihn gedemütigt und ihm wiederholt einen Krug an den Kopf geworfen habe (F 179). Die Rede könnte sich als „negatif funeral speech“ 105 an die Verwandten der getöteten Freier, den Chor, richten, der die Knochen der Verbrannten aufsammelt. In denselben Zusammenhang gehört womöglich ein ähnliches Fragment, worin der Sprecher sich ebenfalls beklagt, man habe einen Gegenstand nach ihm geschleu- 100 Cousin 2005, 140; Radt 1986, 6; Katsouris 1982/ 1985, 49. 101 ejx aJlov" kann allerdings auch mit „aus dem Meer“ übersetzt werden, vgl. Radt 1986, ebd. 102 S. Cousin 2005, 39; 141 f.; Katsouris 1982/ 1985, 50, Anm. 9. 103 Diese Rekonstruktion des Inhalts der Penelope folgt Katsouris 1982/ 1985, 52; s. auch Grossardt 1998, 301 f. 104 Athen. 15, 667C. 105 Katsouris 1982/ 1985, 54. 38 Zum literarischen Kontext dert, hier ist das Wurfgeschoß eine oujravnh kavkosmo" (F *180). 106 In der Odyssee muss Odysseus wiederholt Demütigungen durch Eurymachos ertragen, unter anderem bewirft dieser ihn mit einem Fußschemel; allerdings trifft der Schemel nicht Odysseus, sondern die Hand eines Weinschenks, der daraufhin seine Kanne fallenläßt; es kommt hier also entsprechend ein Gefäß ins Spiel ( s 350-381). Nach dem Aufsammeln der Knochen, das an die Reinigung des Hauses des Odysseus ( c 448-457) und die Bestattung der Toten ( w 413-419) anklingt, kann die Handlung den Rat der Verwandten der Freier ( w 420-466), die Bewaffnung, den Götterrat, den Kampf, das göttliche Eingreifen und schließlich die Versöhnung beider Parteien durch Athene aufgenommen haben. 107 Von dem Satyrspiel Kirke sind nur wenige Wörter greifbar, es hatte wahrscheinlich das Abenteuer des Odysseus auf der Insel der Zauberin ( k 135-574) zum Inhalt, in dem ja viele komische Elemente bereits angelegt sind. 108 So spekulativ der Versuch, eine aischyleische Tetralogie über den Odyssee-Stoff zu rekonstruieren, auch teilweise erscheinen mag, so geht aus den Fragmenten doch deutlich hervor, daß Aischylos bestimmte Passagen der Odyssee Homers, den Aufenthalt bei Kirke ( k ), die große Unterweltszene ( l ), die Verstellung des Heimkehrers durch eine Trugrede, in der er sich als Kreter ausgibt ( n , x , p , t ), die daraus folgenden Wiedererkennungen ( t , y ), die turbulenten Auseinandersetzungen zwischen dem vermeintlichen Bettler und den Freiern ( r , s ), wohl auch den Racheplan der Verwandten der Freier und die mit göttlicher Hilfe herbeigeführte Versöhnung ( w ) sich angeeignet und in dramatischer Form neu gestaltet hat; wie im Fall der „Achilleis“ und der Ilias konzentrieren sich die Anklän- 106 Zu dem für die Tragödie etwas derben Ausdruck, der für eine Identifizierung von den Ostologoi als Satyrspiel sprechen könnte, s. Lämmle 2011, 633 mit Anm. 122. Mit dieser Frage im Zusammenhang steht das Verständnis des Titels Ostologoi, entweder als um Essensreste bettelnde Satyrn in Anlehnung an Od. r 411 f. oder eben als Verwandte der Freier, die deren Knochen aufsammeln. Grossardt 2003 hält die letztere Möglichkeit für die richtige, da der Begriff Ostolovgoi deutlich an das homerische Modell des ojsteva levgein anklingt (Il. Y 239; 252 f.; W 793; Od. w 72), und sieht das Stück folglich als Tragödie (158). Er weist mit N. Wecklein („Über eine Trilogie des Aischylos und über die Trilogie überhaupt“, SBAW 1891, 327-385, 382) darauf hin, daß die in TrGF 3 F *180 geschilderte Szene nicht auf der Bühne gezeigt wurde, also kein großes Hindernis für eine Klassifizierung der Ostologoi als Tragödie darstelle; zudem habe der vulgäre Ton eine Parallele in F 275 der mit großer Wahrscheinlichkeit tragischen Psychagogoi (156 mit Anm. 8). Vgl. hierzu Cousin 2005, 137 f.; 149-151; vgl. auch die Sprache der Amme Aesch. Cho. 734 ff. 107 S. Katsouris 1982/ 1985, 55. 108 Ebd., 60. Aischylos, Sophokles, Euripides und die Odyssee 39 ge auf die zweite Hälfte des Epos, die Heimkehrererzählung, die Aristoteles als eigentlichen Inhalt ( to; i[dion ) der Odyssee betrachtet. 109 Die motivische oder strukturelle Bezugnahme des Aischylos auf die homerischen Epen ist bislang kaum untersucht. Wie einleitend erwähnt, hat Zimmermann die Bezüge der Sieben gegen Theben zur Ilias, besonders zum Z, aufgezeigt: die parallele Situation der Belagerung, die homerischen Modelle Teichoskopie und Schildbeschreibung, sowie den Kontrast zwischen den Figuren Eteokles und Hektor. 110 Inzwischen hat Kraias auch Anspielungen in einzelnen Szenen von Persern, Sieben und Orestie auf Passagen der Ilias und der Odyssee festgestellt; 111 hier konzentrieren sich die Homer- Bezüge innerhalb der Orestie eindeutig auf die Odyssee: verglichen werden die Begegnung Orests und Elektras in den Choephoren mit derjenigen zwischen Odysseus und Nausikaa (Od. z ), 112 sowie der Schluß der Eumeniden mit dem Ende des Epos ( w ). 113 3.1.2 Sophokles und die Odyssee Eine Stelle der Vita des Sophokles lautet: To; pa'n me; n ou\n @Ohrikw'" wjnovmaze. touv" te ga; r muvqou" fevrei kat j i[cno" tou' poihtou'. kai; th; n Oduvsseian de; ejn polloi'" dravmasin ajpogravfetai (Vita Soph. 20=TrGF 4 T 1, 80 f.). Im Unterschied zu Aischylos verwendet allerdings der ausdrücklich von Eustathios als filovmhro" bezeichnete Sophokles weniger den Stoff von Ilias und Odyssee, sondern bevorzugt den epischen Kyklos; 114 nur drei von vermutlich 122 Stükken betreffen den Inhalt der Odyssee, vielleicht eines denjenigen der Ilias. 115 Die Aussage der Vita muß sich also auf homerische 109 Arist. Poet. 17, 1455b16-23. Vgl. 2.2, S. 32. 110 Zimmermann 2004. 111 Kraias 2008. 112 Ders., 58-73. 113 Ders., 95-104. 114 Vgl. Athen. 7, 277C=TrGF 4 T 136, 8 f.: e[caire de; Sofoklh'" tw'/ ejpikw'/ kuvklw/ , vgl. Radt 1983, 197 f. Zu Eustathios und der engen literarischen Beziehung zwischen Sophokles und Homer s. Miller 1946. 115 Die Vita gibt eine Gesamtzahl von 130 Stücken, darunter 17 für unecht erklärte, an; s. TrGF 4 T 1, 76 f. Die Suda nennt 123 aufgeführte Stücke (T 2, 9). Vgl. Zimmermann 2011, 575; 579; ders. 2002, 239 f.; Radt 1983, 186; Lesky 1972, 257. Die Phryges könnten wie das gleichnamige Stück des Aischylos auf der Auslösung von Hektors Leichnam am Schluß der Ilias ( W ) basiert haben. Zum Atriden- Mythos in den Fragmenten des Sophokles s. Alexopoulou 2000. 40 Zum literarischen Kontext Motive und Strukturen beziehen, wofür auch ein Beispiel, eine Etymologie des Namens Odysseus, angeführt wird: paretumologei' de; kaq j $Omhron ( t 406 sqq.) kai; tou[noma tou' Odussevw" (F 965) : ojrqw'" d j jOdusseuv" eijm j ejpwvnumo" kakw'n: / polloi; ga; r wjduvsanto dusmenei'" ejmoiv (T 1, 81-84). 116 In Nausikaa oder Plyntriai, vielleicht einem Satyrspiel, 117 ist offenbar die Ankunft des Odysseus auf Phaia und seine Begegnung mit der Königstochter beim Wäschewaschen behandelt (TrGF 4 F 439-441); es gab eine Umsetzung des dramatisch effektvollen Ballspiels, eine Szene, in der Sopkokles selbst als Nausikaa aufgetreten sein soll (TrGF 4 Ha). Das Stück würde somit auf einem Ausschnitt der Odyssee basieren (Od. z ), den Aischylos in seiner „Odysseus“- Tetralogie unberührt gelassen hat. 118 Niptra oder Odysseus Akanthoplex (TrGF 4 F 451a) hat dagegen wohl die Wiedererkennung des Odysseus durch Eurykleia bei der Fußwaschung (Od. t 361-503) und seine Verwundung durch einen Rochenstachel zum Inhalt (vgl. l 134-136= y 281-283); 119 er überschneidet sich demnach womöglich mit der Penelope des Aischylos. Über den Inhalt der Phaiakes (TrGF 4 F *675; 676) schließlich ist nichts Genaues bekannt (~ Od. h , q ). Aus den Fragmenten ergibt sich, daß Sophokles mit der Phaiakenepisode ( z q ) und den Niptra ( t ) der Odyssee besonders gut vertraut war. Angesichts der schmalen stofflichen Beeinflussung verwundert es, daß Sophokles ein zentraler Bezug zu Homer und speziell zur Odyssee zugeschrieben wird: es muß also ein motivisches und strukturelles Verhältnis gemeint sein. 120 Anders als bei Aischylos ist die Forschung bei Sophokles dieser Bezugsform bereits ausführlich nachgegangen. So wurde im Aias der Abschied des Helden von Tekmessa und seinem Sohn Eurysakes (Aiax 430 ff.) vor der Folie der Dreierszene zwischen Hektor, Andromache und Astyanax in der Ilias (Il. Z 369 ff.) interpretiert. 121 Der Philoktet wurde motivisch im Hinblick auf die Insel-Szenerie mit dem Kyklopenabenteuer der 116 Vgl. Radt 1983, 199-202; Lechner 1859, 29. 117 Vgl. Lämmle 2011, 644; dag. Sutton 1984a, 84. 118 Wilamowitz 1914, 246, Anm. 1 vermutet, daß Sophokles durch die Vernachlässigung der Passage in der aischyleischen „Odysseus“-Tetralogie zu seiner Nausikaa angeregt wurde. 119 Sutton 1984a, 89 betrachtet Niptra und Odysseus Akanthoplex als zwei verschiedene Stücke des Sophokles. S. auch Radt 1983, 190. 120 Vgl. Zimmermann 2002, 239. 121 Zimmermann 2002; Easterling 1984. Aischylos, Sophokles, Euripides und die Odyssee 41 Odyssee ( i ) in Verbindung gebracht, 122 wobei man auf Parallelen zwischen den Figuren Neoptolemos und Telemachos hingewiesen hat. 123 Weiter ist im König Ödipus ein Einfluß der Odyssee aufgefallen, der Bezug des Protagonisten zu Odysseus und besonders ein Verweis auf das 9. Buch im Zusammenhang mit der Selbstblendung des Ödipus. 124 Ein Bezug der Heimkehrhandlungen der Trachinierinnen 125 sowie der Elektra 126 zu dem kanonischen Heimkehrmodell der Odyssee ist ebenfalls bereits festgestellt worden. 3.1.3 Euripides und die Odyssee Auch von den wohl 88 Stücken des Euripides sind nicht mehr als zwei stofflich auf die Ilias und die Odyssee zurückzuführen, die Beeinflussung durch die kyklischen Epen überwiegt. 127 Der vermutlich unechte Rhesos setzt die Dolonie der Ilias (Il. K ) dramatisch um, wobei die Struktur des ganzen Epos als Gestaltungsmodell verwendet wird. 128 Das Satyrspiel Kyklops bezieht sich auf das Kyklopenabenteuer der Odyssee (Od. i 105-566); 129 es gehört also, mit dem Sisyphos Petrokylistes und der Kirke des Aischylos sowie der Nausikaa des Sophokles, zu einer Reihe von Satyrspielen, die Episoden der Irrfahrten thematisieren. 130 Der Prolog, die Abenteuererzählung des Silen, der mit den Satyrn in die Gefangenschaft Polyphems gera- 122 Levine 2003. 123 Whitby 1996. 124 Tarkow 1982. 125 Davidson 2003. 126 Ders. 1999/ 2000; 1994; 1988. 127 Nach dem Suda-Artikel hat das Werk des Euripides 92 Stücke, darunter wahrscheinlich drei Pseudepigrapha und den Rhesos, nach Varro bei Gell. 17, 4, 3 insgesamt 73 Stücke umfaßt; s. TrGF 5, 1 T 1-3; vgl. Zimmermann 2011, 588 f.; Lesky 1972, 280; vgl. Kannicht 2004, 194 zu einer nach Sagenkreisen geordneten tabellarischen Übersicht über die gesicherten Titel. Zur Rekonstruktion einer trojanischen Trilogie des Euripides vgl. Ritoók 1993. 128 Bond 1996. Der Phoinix (TrGF 5, 2 F 803-818) könnte sich auf die in der Ilias von Achills altem Erzieher erzählte Geschichte (Il. I 447-484) bezogen haben 129 Vgl. Lämmle 2011, 651-658; Katsouris 1997; Seaford 1984, Introd. 51-59; Lechner 1864, 12-14. 130 Sutton 1974 weist auf die zahlreichen Parallelen zwischen der Odyssee und dem Satyrspiel hin: das Märchenhafte, die Motive der Gastfreundschaft, der Gefangenschaft bei einem Ungeheuer und der Befreiung durch einen listigen Helden, sowie ein exotisches Setting in der Natur; ebenso wie das Satyrspiel zur Tragödie bilde die Odyssee mit einer phantastischen, ‚untragischen‘ Lebensauffassung ein Gegengewicht zu der ‚tragischen‘ Ilias. Vgl. Lämmle 2011, 619. 42 Zum literarischen Kontext ten ist, evoziert durch homerisches Vokabular den epischen Hintergrund (Eur. Cycl. 1-40). Anders als in der Odyssee ist der Handlungsort Sizilien. 131 Das erste Epeisodion schildert die Ankunft des Odysseus und sein Zusammentreffen mit Polyphem, wobei auf das Epos angespielt wird: der Kyklop zweifelt etwa in seiner sophistisch gefärbten Antwort die Überlegenheit des Zeus an (Cycl. 316- 346; vgl. Od. i 275). 132 Im zweiten Epeisodion gibt Odysseus einen Bericht von den grausigen Ereignissen in der Höhle und plant die Blendung Polyphems. Hier sind die Homer-Reminiszenzen zahlreicher, es werden gleichzeitig neue Elemente eingefügt: so ist der Wein im Kyklops ein spezifisch griechisches Produkt, das es auf der Kyklopeninsel bislang noch nicht gab (413-415; vgl. dag. Od. i 347 ff.). 133 In einer Trinkszene zwischen Polyphem, Odysseus, Silen und Satyrn weist der Name Ou\ti" für Odysseus (548 f.) kurz auf das Epos hin. 134 Nach der Blendung des Kyklopen verdichten sich in der Schlußszene (Cycl. 663-707) die Homer-Bezüge: der Kyklop schreit (663; 665; vgl. Od. i 395), kommt aus dem Höhleneingang (667 f.; vgl. i 416-418); der Name des Odysseus wird enthüllt (689-692; vgl. i 502- 505); Polyphem erwähnt das Orakel von der Ankunft des Odysseus (696-700; vgl. i 507 ff.) und droht, mit Felsbrocken zu werfen (704 f.; vgl. i 481-484; 537-541). 135 Euripides hat die entsprechende homerische Episode also mit Originalität verwendet und komische Effekte eingestreut. 136 Wurden zwischen sophokleischen Dramen und den homerischen Epen von der Forschung bereits strukturelle Bezüge, über die stofflichen hinaus, beobachtet, so ist das für Euripides in gesteigertem Maße der Fall: eine ganze Gruppe von späteren, um die Helena des Jahres 412 v. Chr. zu datierenden Stücken, die als „‚ novsto" ‘ plays“ 137 131 Zu Sizilien als Insel der Kyklopen auch Thuc. 6, 2; Strab. 1, 2, 9 p. 20C; Verg. Aen. 3, 569 ff.; vgl. Lämmle 2011, 651. Da diese Lokalisierung im Kyklops mehrfach betont wird, wäre eine Anspielung auf die Sizilische Expedition 413 v. Chr. denkbar; s. Seaford 1984, Introd. 55 f. und zu Eur. Cycl. 20. 132 Vgl. Seaford 1984, Introd. 52 f.; zu Eur. Cycl. 320-2. 133 Vgl. Lämmle 2011, 657; Katsouris 1997, 15; Seaford 1984, Introd. 54; 57; zu Eur. Cycl. 414. 134 Vgl. Seaford 1984 zu Eur. Cycl. 548-51: „Od.’s famous trick is essential in Homer (Od. 9355-70, 403-12), but here prepares for nothing more than satyric taunting (672-5).“ 135 Ders. zu Eur. Cycl. 704. 136 Katsouris 1997, 23. Seaford 1984, Introd. 57: „We are faced in fact with a multiple incongruity, between the Homeric folk-tale, the loftiness of tragedy, the rhetorical expression of contemporary intellectual debate characteristic of Euripidean tragedy, and the Dionysiac world oft the Thiasos.“ 137 Taplin 1977, 124. Der Stoff der Orestie vor Aischylos 43 eine Heimkehrhandlung der Struktur Novsto" - - Anagnwvrisi" - Mhcavnhma verbindet, 138 sieht man unter dem Einfluß der zweiten Hälfte der Odyssee: Elektra, Iphigenie im Taurerland, Helena; 139 dabei gilt der Bezug im Fall der Elektra als am deutlichsten. 140 Es wird klar, daß sich Euripides, ebenso wie Aischylos und Sophokles, intensiv mit der homerischen Odyssee auseinandergesetzt hat. Die Tragiker haben Material der Irrfahrten in Satyrspielen verarbeitet und in Tragödien besonders die zweite Hälfte des Epos stofflich und strukturell, oder nur strukturell zugrunde gelegt. Die Verwendung von dramatischen Strukturabschnitten der Odyssee, den oJmhrikai; mevqodoi im Umgang mit dem Odysseus- Mythos, bei der Gestaltung eines Stoffes mit offensichtlichen Parallelen zur Odyssee, wie des Atriden-Mythos, ist demnach ein naheliegender Schritt. 3.2 Der Stoff der Orestie vor Aischylos Der Stoff der Orestie vor Aischylos In der Ilias erfährt man über die Familie der Atriden lediglich, daß Agamemnon die Gefangene Chryseis seiner Frau Klytaimestra vorzieht (Il. A 113-115), daß er drei Töchter, Chrysothemis, Laodike, Iphianassa, und einen Sohn, Orest, hat ( I 142-145=284-287). Kassandra wird zweimal erwähnt, aber nicht als Seherin und ohne Bezug zu Agamemnon ( N 361 ff.; W 697-701). 141 Die Odyssee dagegen nimmt das Thema der Heimkehr Agamemnons mehrfach auf, blendet es als Kontrastfolie zu der Heimkehrgeschichte des Odysseus über das ganze Epos hin immer wieder 138 Vgl. Lange 1995, 24 ff. und passim. Vgl. auch Matthiessen 1964. 139 Lange 1995 bezieht Orestes und Kyklops mit ein. Zu Rasendem Herakles, Elektra und Odyssee vgl. Cropp 1986, zu Helena und Odyssee Eisner 1980. Zu Bezügen der Hekabe zur Odyssee, besonders aber zur Orestie des Aischylos s. Thalmann, W. G.: „Euripides and Aeschylus. The case oft the Hekabe“. ClAnt 12, 1993, 126-159. 140 Vgl. Davidson 1999/ 2000, 120; Lange 1995, 270. 141 Hom. Il. N 361 ff. fällt Othryoneus, der um Kassandra wirbt, im Kampf gegen Idomeneus, W 697-706 sieht Kassandra, wie Priamos ihren toten Bruder Hektor zurück nach Troja bringt, und beginnt die Totenklage. Eine Seherin ist sie erst in den Kyprien, s. Procl. Chrest. 93 f. Severyns=Cypr. arg. 11, p. 39 PEG=Procl. Cypr. enarrat. 15 f., p. 31 EGF. 44 Zum literarischen Kontext ein. 142 Das „Atriden-Paradigma“ 143 konzentriert sich besonders auf drei Stellen, Anfang, Mitte und Ende, der Odyssee. 144 Im ersten Götterrat spricht Zeus zuerst von Aigisth, der, entgegen der göttlichen Warnung durch Hermes, Agamemnon getötet und Klytaimestra geheiratet hat und dem deshalb die Rache des Orest bevorsteht, ein Beispiel dafür, daß die Götter zu Unrecht für menschliches Leid verantwortlich gemacht werden (Od. a 29 ff.); die Erwähnung der erfolgreichen Rache des Orest an Aigisth deutet schon auf die Bestrafung der Freier durch Odysseus voraus. 145 Mit dem Hinweis auf Orest, der seinen Vater vorbildlich gerächt hat, versucht Athene in Gestalt des Mentes, Telemachos zu ermutigen ( a 298-300); das ist auch Nestors Absicht, der im Gespräch mit Telemachos und Athene/ Mentor über die Verführung der Klytaimestra durch Aigisth und über dessen Herrschaft berichtet ( g 193-198; 234 f.; 248-275; 303-310); Menelaos referiert, was ihm der Meergott Proteus über die Ermordung seines Bruders verkündet hat ( d 91 f.; 512-537; 546 f.). In der Nekyia begegnet Odysseus dem Schatten Agamemnons, der den Bericht des Proteus um Klytaimestras Mord an Kassandra ergänzt ( l 387 ff.). Genau in der Mitte des Epos, nachdem Odysseus angekommen ist, er Ithaka erkannt und von Athene die Warnung vor den Freiern, die sein Haus belagern, erhalten hat, zieht der Heimkehrende selbst den Vergleich zu Agamemnon, dessen Schicksal er ohne Athenes Informationen wohl hätte teilen müssen ( n 383-385). Gegen Ende der Odyssee schließlich taucht der Atriden-Mythos nochmals auf, der Schatten Agamemnons preist gegenüber Amphimedon, der, gerade mit den übrigen getöteten Freiern von Hermes in die Unterwelt geleitet, von dem Freiermord erzählt, den Odysseus glücklich, daß dieser in Penelope eine hervorragende Frau habe; er setzt Penelope dabei gegen Klytaimestra ab ( w 19-22; 95-97; 193 ff.). 146 Anders als in der Orestie des Aischylos wird der Muttermord des Orest in der Odyssee nicht erwähnt, er würde sich in das Vergleichssystem zwischen Telemachos und Orest ( a , g , d , l ), Penelope und Klytaimestra ( l , w ), Odysseus und 142 S. Heubeck 1988, General introd. 16 ff.; West 1988, Introd. zu Od. a d , 60; Garvie 1986, Introd. ix-xiii; Olson 1990; Goldhill 1986a, 147-151; Hölscher 1967; Hommel 1955; D’Arms/ Hulley 1946; Düring 1943. 143 Zimmermann 2011, 537. 144 Vgl. Hölscher 1967, 1. 145 Zu den Parallelen zwischen den Freiern und Aigisth vgl. Hommel 1955, 241 f.; Olson 1990, 60; 69 ff. sieht sowohl eine Beziehung Orest/ Odysseus ( a 39 f.) als auch Aigisth/ Odysseus ( d 532-535; w 22). 146 Vgl. Düring 1943, 105. Der Stoff der Orestie vor Aischylos 45 Agamemnon ( n , w ) schlecht einfügen lassen. 147 Die Schuld der Klytaimestra, ihre Beteiligung an der Ermordung Agamemnons, bleibt anfangs im Hintergrund ( a , g , d ), tritt dann aber als kontrastierendes Element zu der Charakterisierung der Penelope immer deutlicher hervor. 148 Auch das Festmahl als Schauplatz des Mordes ( d 529 ff.; l 409 ff.) 149 und die Einführung von Gefährten des Agamemnon ( d 536 f.; l 412 ff.; w 21 f.), Anspielungen auf die Mnesterophonie ( c ) und die Gefährten des Odysseus, zeigen die bewußte Gestaltung des Mythos als Bezugsebene für seinen neuen Kontext. Die Behandlung der Atriden-Sage nach Homer ist unzureichend überliefert. Laut Proklos schlossen die angeblich von Agias von Troizen verfassten fünf Bücher Nosten, die von der Rückkehr verschiedener Helden aus dem Trojanischen Krieg berichteten, mit der Rache des Orest und des Pylades für die Ermordung Agamemnons durch Aigisth und Klytaimestra und mit der Heimkehr des Menelaos. 150 Drei Fragmente des Heroinen-Katalogs Hesiods beziehen sich auf die Atriden (frr. 23a; 176; 194 M.-W.), davon ist fr. 23a, 29 f. der erste literarische Beleg für den Muttermord Orests. 151 In fr. 176, 5-7 wird die Untreue Klytaimestras mit derjenigen Helenas verglichen. Fr. 194 bezeugt zwei unterschiedliche genealogische Traditionen: nach Homer sei Agamemnon der Sohn des Atreus, nach Hesiod dagegen der Sohn des Pleisthenes. 152 Von der Oresteia des Stesichoros sind mehrere Fragmente erhalten. Eine Metopengruppe des Hera-Tempels in Paestum (570- 550 v. Chr.) weist so verblüffende Entsprechungen mit deren Inhalt auf, daß man oft eine literarische Beeinflussung der Darstellungen angenommen hat. 153 Die Aufführungspraxis des Stesichoros, und 147 Vgl. West 1988, Introd. zu Od. a d , 60. Anders Dupont 2001, 34. 148 Vgl. Hölscher 1967, 4 ff.; Düring 1943, 105. 149 Vgl. Olson 1990, 67; D’Arms/ Hulley 1946, 213; Düring 1943, 95-105. 150 Procl. Chrest. 301-303 Severyns=Nost. arg. 17-19, p. 95 PEG=Procl. Nost. enarrat. 25-27, p. 67 EGF. Die Inhaltsangabe der Nosten von Proklos beginnt mit dem Streit der Atriden über den Zeitpunkt der Abfahrt der Flotte von Troja, Agamemnon wird durchgehend erwähnt, das Referat endet mit dem Schicksal von Agamemnon und Menelaos; nach Lange 2002, 40 stellt die Atreidw'n kavqodo" somit eine „kompositorische Klammer“ des Nostenepos dar. 151 Vgl. Garvie 1986, Introd. xvi; Bergmann 1970, 42-51. 152 Nach Tzetz. Exeg. Iliad. p. 68, 19 Hermann soll Pleisthenes früh gestorben sein; seine Söhne wurden von ihrem Großvater Atreus aufgezogen und deshalb Atriden genannt. Zu der Abstammung des Agamemnon von Pleisthenes vgl. auch Aesch. Ag. 1569; 1602. 153 Garvie 1986, Introd. xvii. 46 Zum literarischen Kontext somit die Einordnung seiner Dichtungen zwischen Epik und Chorlyrik, ist in der Forschung umstritten: während eine Hypothese davon ausgeht, daß Stesichoros als Kitharöde wirkte, vielleicht begleitet von einem stummen Chor, 154 nimmt die andere Hypothese einen Vortrag durch einen singenden Chor an; 155 vermittelnd wurde auch eine teils monodische, teils chorische „performance“ vertreten. Am wahrscheinlichsten ist wohl eine „rethematisierte“ Chorlyrik, eine inhaltliche Ausgestaltung der chorlyrischen Bauform mit dem Material der homerischen Epen. 156 Die alexandrinische Einteilung der Oresteia in zwei Bücher läßt auf eine umfangreiche, detaillierte Gestaltung des Mythos schließen, vielleicht handelte das erste Buch vom Tod Agamemnons, das zweite vom Tod Aigisths. 157 Der Handlungsort war nicht wie stellenweise in der Odyssee Mykene, 158 sondern Sparta; einige Forscher sehen darin eine gezielte Aneignung des argivischen Mythos über die Pelopiden-Herrschaft, durch die Sparta im 7./ 6. Jh. v. Chr. seine Machtansprüche legitimieren wollte. 159 Ein eindrucksvolles Fragment schildert einen Angsttraum Klytaimestras; sie glaubt, eine Schlange mit blutigem Haupt zu sehen, aus der heraus ein basileu; " Pleisqenivda" (Stes. 219 PMGF) erscheint; mit Pleisqenivda" ist entweder Agamemnon oder Orest gemeint. 160 Wahrscheinlich hat Aischylos das Motiv von Klytaime- 154 S. West 1971, 309; 313. 155 Willi 2008, 79-81, nennt die Triadenform von Stesichoros’ Hauptwerken (vgl. Suda s. v. triva Sthsicovrou =TB22c PMGF) und einen möglichen Hinweis auf mehrere Choreuten 212, 2 PMGF als Argumente für eine chorlyrische Darbietungsform. 156 Ders., 81 f. Quintilian bezeichnet Stesichoros als „epici carminis onera lyra sustinentem“ (Inst. or. 10, 1, 62). 157 Das vermutet Davies 1969, 250, der die beiden Mord-Szenen auf dem Boston Oresteia Krater für eine direkte Illustration der Oresteia des Stesichoros hält und den Krater vor die aischyleische Orestie datiert. Dagegen äußert sich West 1971 skeptisch zu Schlüssen aus der Kunst des 6. Jhs. auf die Dichtungen des Stesichoros: „Many oft the themes of Stesichorus’ poems were subjects in seventhand sixth-century art. But they must all have been current in epic poetry before him, it is in principle unlikely that we shall be able to establish direct influence of his poetry on vase-painting or vice versa“. 158 Der Handlungsort ist in der Odyssee nicht genau definiert; vgl. Od. g 263: Argos; g 304: Mykene; d 514: Lakonien; vgl. auch Schol. Eur. Or. 46=Stes. 216 PMGF. 159 S. Bowra 1961, 112-115; 1934, 117 ff.; dagegen Podlecki 1971, 313-317, vgl. auch Willi 2008, 83 f., der die Verlegung der Handlung nach Sparta als Hinweis auf einen Auftritt des Stesichoros in der spartanischen Kolonie Tarent deutet. 160 Garvie 1986, Introd. xx sieht sowohl hinter der Schlange als auch in Pleisqenivda" Agamemnon, während Bowra 1961, 117 basileu; " Pleisqenivda" als den Nachfolger des Königsgeschlechts, Orest, versteht. Stesichoros verwendet das Patronym Pleisqenivda" auch in den Nostoi, 209, col. ii, 4 PMGF, als Umschreibung für Menelaos; vgl. Willi 2008, 85. Der Stoff der Orestie vor Aischylos 47 stras Traum aufgenommen und variiert (Aesch. Cho. 523-550). 161 Auch die Wiedererkennung des Orest durch eine Haarlocke (Cho. 168-180; 229 f.) stammt offenbar aus der Oresteia des Stesichoros (217, 11-13 PMGF). 162 Weiter ist belegt, daß bei Stesichoros die Gestalt der alten Amme des Orest bereits angelegt war, die allerdings nicht wie bei Aischylos Kilissa, sondern Laodameia hieß (218 PMGF). Der Eindruck, daß die Oresteia starken Einfluß auf die Tragödie ausgeübt hat, wird dadurch bekräftigt, daß Euripides, in der Nachfolge des Stesichoros, Orest mit einem von Apoll verliehenen Bogen ausstattete (Eur. Or. 268-270; Stes. 217, 14-24 PMGF; vgl. Schol. Eur. Or. 268). Wie Stesichoros siedelt auch Pindar den Atriden-Mythos in Lakonien an, und zwar in Amyklai (Pind. P. 11, 15-37). Die etwas abrupt einsetzende parevkbasi" 163 hebt zuerst die Schuld der als nhlh; " gunav bezeichneten Klytaimestra hervor (17-22), die Motive für ihre Tat werden erwogen, die Opferung der Iphigenie (22 f.) und die Liebe zu Aigisth (24 f.), ähnlich wie Aesch. Ag. 1412 ff.; 1431 ff. Nach einer eingeschobenen Maxime (29 f.) werden die Heimkehr Agamemnons, der Troja verwüstet hat (31-34), und die Ankunft des Rächers Orest (34-37) thematisiert. 164 Die Scholien geben zwei Datierungsmöglichkeiten für die Ode, 474 v. Chr. 165 oder 454 v. Chr. 166 ; die Anspielungen auf die Orestie des Aischylos sprechen für eine Datierung hinter die Trilogie, also auf 454 v. Chr. 167 Überblickt man die erhaltenen literarischen Gestaltungen des Atriden-Mythos aus der Zeit vor Aischylos, so ist zum einen festzustellen, daß mehrere signifikante Motive der aischyleischen Orestie bereits von Stesichoros in der Oresteia verwendet worden sind. 168 Der vermutlich eher größere, episch angelegte Umfang der Ore- 161 Vgl. Soph. El. 417 ff.; Eur. Or. 618. 162 Vgl. Podlecki 1971, 318. 163 Vgl. Schol. Pind. P. 11. 164 Die Gliederung orientiert sich an Bowra 1962, 64 ff. 165 Bowra 1936, 135-140; Garvie 1986, Introd. xxv. 166 Herington 1984, 145 f.; Finley 1966, 160-166; Burton 1962, 60-70; Düring 1943, 108 ff. 167 Der Tadel an der Tyrannis Pind. P. 11, 53 wäre dann mit Burton 1962, 73 nicht als Kritik an Hieron, sondern an der Gewaltherrschaft Athens zu verstehen. 168 S. hierzu auch Bagordo 2011, 192 f. Stesichoros könnte seinerseits in der Oresteia nicht nur von der homerischen Odyssee, sondern auch von Xanthos beeinflußt gewesen sein (699-700 PMG), der 700 PMG eine Namenserklärung für Elektra gibt. 48 Zum literarischen Kontext steia 169 und die Aufteilung in zwei Bücher machen es sogar wahrscheinlich, daß die oft bemerkte parallele Struktur von Agamemnon und Choephoren, die zuerst die Ermordung von Kassandra und Agamemnon, dann die Ermordung von Klytaimestra und Aigisth schildern, 170 mit auf dieses Gedicht zurückgehen könnte. Die andere Beobachtung besteht darin, daß die Odyssee Homers nicht nur motivische Entsprechungen und strukturelle Grundlagen, sondern durch das „Atriden-Paradigma“ auch die am besten erhaltene direkte stoffliche Vorlage für die Orestie des Aischylos liefert. Gleichzeitig beweist die Verwendung des Orestie-Stoffes als Kontrastmotiv in der Odyssee, daß die Entsprechung und Gegensätzlichkeit der beiden mythologischen Stoffe, und damit der literarische Reiz ihrer Kombination, schon früh bekannt waren. 171 3.3 Zum zeitlichen Verhältnis der sophokleischen und der euripideischen Elektra Zum zeitlichen Verhältnis der Elektra Mit der Behandlung des Orestie-Stoffes in der Folge der kanonischen Trilogie des Aischylos verbindet sich das Problem der relativen Chronologie der Elektren des Sophokles und des Euripides. Für keines der beiden Stücke gibt es eine sichere absolute Datierung: aufgrund inhaltlicher, stilistischer und metrischer Kriterien 169 Die Geryoneis des Stesichoros umfaßte mindestens 1300 Zeilen; s. die Zeilenangabe P. Oxy. 2617 fr. 7=Stes. S27, col. ii PMGF. Zu dem großen Rahmen und dem epischen Charakter der Dichtung des Stesichoros vgl. Willi 2008, 77 f.; Bowra 1961, 126 ff. Die antike Kritik hebt die Nähe des Stesichoros zu Homer hervor; vgl. Simon. 564 PMG=Stes. TA 1a PMGF; [Long.] De subl. 13, 3; Quint. Inst. or. 10, 1, 62. 170 Garvie 1986, Introd. xxxv: „The first two plays balance each other, while the third, which provides the resolution, is set apart, so that it is reasonable to speak of an A-A-B plan, the whole providing a single dramatic unity.“ Vgl. auch Taplin 1977, 331-360; Stößl 1937, 46. Es ist interessant, daß Stesichoros sogar als Begründer der von ihm verwendeten Triadenform ( strofhv ajntivstrofo" ejpw/ dov" ) gilt (Suda s. v. triva Sthsicovrou ), die strukturelle Ähnlichkeit mit der Form der Trilogie aufweist. S. dag. West 1971, 312, der die Formel AAB als „traditional pattern in Greek melodic structure“ bezeichnet. 171 Garner 1990, 32: „Thus, as a supplement to the tragedy of Agamemnon’s departure and return, the epic material invites allusions not only to the Iliad and the Odyssee but to the Odyssey’s allusive comparisons of the two families as well“. Zur Vernetzung des mythischen Megatexts durch Homer und Hesiod s. Segal 1983, 176. Zum zeitlichen Verhältnis der Elektra 49 ordnet man die Elektra des Sophokles dem Spätwerk des Dichters zu und nimmt ein Aufführungsdatum nach 420 v. Chr. und vor dem Philoktet (409 v. Chr.) an. 172 Die Datierung der Elektra des Euripides auf 413 v. Chr. galt lange als allgemein akzeptiert: in Eur. El. 1280-1283 wurde eine Ankündigung der Helena (412 v. Chr.) und in Eur. El. 1347 ff. (1348: povnton Sikelovn ) eine Anspielung auf die Entsendung athenischer Hilfstruppen nach Sizilien während des Peloponnesischen Krieges gesehen. 173 Zuntz hat dagegen argumentiert, daß sich die genannten Stellen nicht auf historische Ereignisse beziehen, vielmehr aus ihrem dramatischen Kontext zu verstehen sind, und daß die Elektra, vor allem aus metrischen Gründen, früher (422/ 416 v. Chr.) datiert werden muß. 174 Newiger betrachtet eine Stelle der Wolken des Aristophanes (Ar. Nub. 534-536), an der diese Komödie mit der Figur der Elektra verglichen wird, als Anspielung auf die aktuelle Kritik in der Elektra des Euripides an der Wiedererkennungsszene der Choephoren des Aischylos (Eur. El. 532-544; Aesch. Cho. 205-210; 228 f.); er schließt folglich auf eine Datierung der euripideischen Elektra um 420 v. Chr., vor der Parabase der Wolken. 175 Die beiden Tragödien zeigen deutliche strukturelle Ähnlichkeiten, die auf zeitliche Nähe und eine bewußte Bezugnahme schließen lassen: die Stücke werden jeweils durch einen Prolog, eine Monodie Elektras und eine Parodos zwischen Elektra und dem Chor eröffnet (Soph. El. 86-120; 121-250; Eur. El. 112-166; 167-212); Elektra beschreibt in einer Rhesis ihre Situation (Soph. El. 254-309; Eur. El. 300-338); es kommt zu einem Agon zwischen Elektra und Klytaimestra (Soph. El. 516-659; Eur. El. 998-1123). Im Hinblick auf die unsichere Datierungslage hat man in dem textimmanenten Vergleich der Stücke eine Möglichkeit gesehen, ihre zeitliche Reihenfolge zu bestimmen; meistens ist hierbei der jeweilige Bezug zu den Choephoren des Aischylos berücksichtigt, die die Handlungsstruktur der Elektren stark beeinflußt und die zentrale Vorlage für die Prot- 172 Vgl. Zimmermann 1992b, 66; Lesky 1972, 229; Schwinge 1969, 11; Theiler 1966, 110; Segal 1966, 533; Webster 1936, 6; Owen 1936, 156; vgl. auch Kamerbeek 1974, Introd. 6; Jebb 1894, Introd. lvi-lviii. 173 Vgl. Lesky 1972, 392-394; Cropp 1988, Introd. l-li; Denniston 1939, Introd. xxxiiixxxix. 174 Zuntz 1955, 63-71; vgl. dag. Leimbach 1972; Burkert 1990b sieht in den Anspielungen auf Tyndaros, den Erwähnungen Helenas und den Dioskuren einen Bezug zu Sparta und zu dem Defensivbündnis Athen/ Sparta gegen Argos (421 v. Chr.); er datiert die Elektra des Euripides somit auf 420 v. Chr. 175 Newiger 1961, bes. 426 f. 50 Zum literarischen Kontext agonistin geliefert haben. Beide Positionen wurden vertreten: Wilamowitz ging von der Priorität der Elektra des Euripides aus und betrachtete die Elektra des Sophokles als Verteidigung der Würde der aischyleischen Darstellung und des Mythos gegen den frivolen Neuerer Euripides. 176 Dagegen verteidigte Steiger die Priorität der Elektra des Sophokles, die als Idealisierung des Muttermordes durch die Elektra des Euripides zu Recht kritisiert worden sei. 177 Wenn auch weniger moralisch aufgeladen, hat sich die Diskussion in der Forschung fortgesetzt, allerdings ohne zu einer endgültigen Klärung des Prioritätsproblems zu führen. 178 Für die folgende Untersuchung der Bezüge der Orestie-Dramen zur Odyssee ist die Frage nach der zeitlichen Reihenfolge der Elektren insofern von Belang, als es sich auch um indirekte, also über ein anderes Drama rezipierte Bezüge handeln kann; in dem mutmaßlich späteren Stück muß von einer weiteren Bezugsebene, neben der Orestie, zwischen Odyssee und dem Stück selbst ausgegangen werden. Im Interpretationsteil wird versucht, das zeitliche Verhältnis möglichst offen zu lassen. Die Anordnung der beiden Stücke im Text der Untersuchung soll keine Aussage über ihre zeitliche Reihenfolge treffen, sondern richtet sich nach der Art ihrer Bezüge zu Orestie und Odyssee. 176 Wilamowitz 1972=Hermes 18, 1883, 214-263. Später revidiert Wilamowitz seine These und schließt sich Steiger an; vgl. Von Wilamowitz-Moellendorff, U.: „Exkurse zum Oedipus des Sophokles“. In: Ders.: Kleine Schriften 6, Berlin 1972, 209-233, 212, Anm. 1=Hermes 34, 1899, 55-80, 58, Anm. 2; s. hierzu Braun 2000. Zu einem umgekehrten Wechsel der Position s. Diller 1971a, 299 f. mit Anm. 16. 177 Steiger 1897. 178 Die Mehrheit der Forscher schließt sich der Position Steigers von der Priorität der Elektra des Sophokles an; vgl. Ribbeck 1885, 382 und passim; Vahlen 1891, 351 und passim; Parmentier 1898, 334 ff.; Von Fritz 1962, 129 f.; 144 f. Matthiessen 1964, 81-88; Vögler 1967, 113 ff.; 187 f.; Schwinge 1969,11; Brunel 1971, 49 f.; Dalfen 1983, 55; vgl. auch Jebb 1894, Introd. lviii; Denniston 1939, Introd. xxxix; Cropp 1988, Introd. l. Die Priorität der Elektra des Euripides vertreten: Owen 1936, 147; Webster 1967, 15; Ronnet 1970, 330 f.; Solmsen 1974, 304; Burkert 1990b, 68; Rigo 1992, 217 und passim; Irigoin 1993, 172; Deforge 1997, 218ff; Müller 2000, 38; Kamerbeek 1974, Introd. 7. Theiler 1966 meint, daß die Elektra des Euripides zwar 419/ 418 v. Chr. geschrieben, aber als „Schubladenstück“ erst 413 v. Chr. aufgeführt wurde, vor der Elektra des Sophokles (~410 v. Chr.). 4 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee Die Orestie des Aischylos und die Odyssee 4.1 Agamemnon Agamemnon 4.1.1 Der Prolog des Wächters (Ag. 1-39) Zwischen dem Wächter ( fuvlax ), der zu Beginn des Agamemnon, auf dem Dach des Atridenpalastes kauernd, nach dem Siegeszeichen aus Troja, dem Lichtsignal der Fackelkette, Ausschau hält, und dem Späher ( skopov" ) des Aigisth in der von Menelaos wiedergegebenen Rede des Proteus in der Odyssee ( d 524-528) ist oft eine stoffliche Übereinstimmung bemerkt worden; 179 ob sie sich aus der gemeinsamen mythologischen Tradition heraus oder aus einem direkten Bezug der beiden Stellen zueinander ergibt, ist schwer zu entscheiden. 180 Im Agamemnon sehnt der Wächter das Fackelzeichen als Erlösung von seinen Mühen, dem bereits ein Jahr lang andauernden Wachdienst (Ag. 2: froura'" ejteiva" mh'ko" ), herbei; der Späher in der Odyssee steht ebenfalls schon ein Jahr auf seinem Posten ( d 526: fuvlasse d j o{ g j eij" ejniautovn ). Der Wächter schaut von der skhnhv , dem Hausdach der Atriden (Ag. 3: stevgai" Atreidw'n a[gkaqen ), in den nächtlichen Himmel, den zuerst nur die Gestirne und die Erwartung des Fackelzeichens (Ag. 8: kai; nu'n fulavssw lampavdo" to; suvmbolon , 9: aujgh; n purov" , 21: ojrfnaivou purov" ) erhellen (1-21), dann das Zeichen selbst (Ag. 22 f.: lampth; r nuktov", hJmerhvsion / favo" ; vgl. 28; 30; 33), das Agamemnons Ankunft verkündet (22-39). 181 Der Spä- 179 West 1988 zu Hom. Od. d 526; Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 2; Denniston/ Page 1957 zu Aesch. Ag. 1 ff.; Sideras 1971, 220; Goldhill 1986a, 151; Reinhardt 1949, 83 f.; Stößl 1937, 14, Anm. 10; Lesky 1931, 192 f. Gigli 1928, 38; Lechner 1862, 4. 180 West 1988, ebd.; Sideras 1971, ebd. ordnet Ag. 1 ff. den „Homerischen Reminiszenzen“ zu. 181 Zu der Licht-Metaphorik des Orestie, in der Feuer sowohl als Zeichen der Zivilisation als auch der Zerstörung eingesetzt wird, vgl. Gantz 1977. Die Licht-Dunkelheit-Kontraste der Trilogie beobachtet auch Thalmann 1978, 145. Die Rede des Wächters gibt dem Publikum durch die Definition der skhnhv als Atridenpalast und der Erwartung des Fackelzeichens aus Richtung der östlichen ei[sodo" eine erste Orientierung über „the spatial world oft the play“ (Goward 2005, 30). 52 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee her der Odyssee sieht, offenbar am Tag, von einer Warte ( d 524: ajpo; skopih'" ) Agamemnon ankommen, den heimatlichen Boden küssen und Tränen vergießen ( d 521-523). Sowohl der Wächter als auch der Späher sind angespannt, den entscheidenden Moment nicht zu verpassen (Ag. 14 f.: fovbo" ga; r ajnq j u{pnou parastatei', / to; mh; bebaivw" blevfara sumbalei'n u{pnwi , d 526: mhv eJ lavqoi pariwvn, mnhvsaito de; qouvrido" ajlkh'" ). Ein Unterschied zwischen den Szenen besteht darin, daß im Prolog des Agamemnon eindeutig Klytaimestra, deren Name noch ausgespart wird, die Auftraggeberin des Wächters ist (Ag. 10 f.: w|de ga; r kratei' / gunaiko; " ajndrovboulon ejlpivzon kevar , 26: jAgamevmnono" gunaiki; shmaivnw torw'" ), wohingegen der Späher in der Rede des Proteus im Dienst des Aigisth steht ( d 524 f.: o{n rJa kaqei'sen / Ai[gisqo" dolovmhti" a[gwn , 529: aujtivka d j Ai[gisqo" dolivhn ejfravssato tevcnhn ). Auch in der inneren Haltung der beiden Figuren, ihrer Loyalität gegenüber Agamemnon, ist ein Gegensatz gesehen worden, der Wächter wäre demnach ein treuer Diener des abwesenden Herrschers, der Späher dagegen ein gekaufter Überläufer. 182 Dabei zeigt der Wächter im Prolog, in dem in wenigen Versen eine angespannte, schwankende, ins Extreme tendierende 183 Atmosphäre entsteht, eine eher indifferente Sicht der Situation in Argos. Wie in der Odyssee Aigisth den Späher gekauft hat ( d 525 f.: uJpo; d j e[sceto misqo; n / crusou' doia; tavlanta ), erhofft sich der Wächter einen Gewinn davon, seiner Herrschaft die Nachricht vom Fall Trojas zu überbringen (Ag. 32 f.: ta; despotw'n ga; r eu\ pesovnta qhvsomai, / tri; " e}x balouvsh" th'sdev moi fruktwriva" ). Obwohl er über das Unglück im Haus klagt (18 f.) und über das Verhältnis zwischen Klytaimestra und Aigisth, wenn nicht sogar über den Mordplan, Bescheid weiß (36 ff.), äußert er keine Furcht um seinen Herrn und freut sich offenbar auf dessen Heimkehr, weil der anstrengende Wachdienst dann vorüber sein wird (20 f.), und aus einer Art alter Anhänglichkeit heraus (34 f.). Der virtuos gezeichnete, in sich widersprüchliche, den äußeren Verhältnissen angepaßte Charakter des Wächters (Ag. 38 f.: wJ" eJkw; n ejgw; / maqou'sn aujdw' kouj maqou'si lhvqomai ), das erste von drei kunstvollen Dienerportraits der Orestie, 184 könnte eine Ausgestaltung des von Aigisth gedunge- 182 Denniston/ Page 1957 zu Aesch. Ag. 1 ff. 183 Vgl. Aesch. Ag. 5: cei'ma kai; qevro" , 11: gunaiko; " ajndrovboulon ejlpivzon kevar , 22 f.: lampthvr, nukto; " hJmerhvsion / favo" . 184 Auch in der Odyssee gibt es eine lebendig dargestellte untere Gesellschaftsschicht. Vgl. hierzu Halverson 1985, 132. Nach Rose 1975, 40 legitimiert die Zuneigung der „guten Diener“ den Herrschaftsanspruch des Odysseus. Agamemnon 53 nen Spähers in der Odyssee sein, auf dessen Charakteristik nicht näher eingegangen wird. Betrachtet man die beiden Textstellen unabhängig von ihrem Kontext, ist eine bewußte Bezugnahme zwar nicht zu beweisen, aber möglich; die Entsprechungen des Vokabulars (Ag. 2: ejteiva" / d 526: ejniautovn , Ag. 8: fulavssw / d 526: fuvlasse , Ag. 21: eujaggevlou , 30: ajggevllwn / d 528: ajggelevwn , Ag. 22: cai're / d 521: caivrwn , Ag. 39: lhvqomai 185 / d 527: lavqoi ) sind nicht auffällig genug, auch kann in der Oresteia des Stesichoros eine ähnliche Wächterfigur vorgekommen sein. Ein Argument für eine gezielte Bezugnahme ist die Tatsache, daß Aischylos gerade diese Passage der Odyssee im Satyrspiel Proteus dramatisch verarbeitet hat, wahrscheinlich unter Einbeziehung des Berichtes von Proteus über die Ermordung Agamemnons. 186 Im Fall eines Bezuges zu Homer hätte Aischylos die in der Rede von Menelaos geschilderte Situation den Wächter aus dessen eigener Sicht darstellen lassen, vor die Ankunft des Agamemnon am hellen Tag retardierend die nächtliche Erwartung und das Eintreffen des Fackelzeichens geschoben, die Charakteristik des Wächters ausgeführt und die Rolle der Klytaimestra als künftiger Täterin betont. Mit der skhnhv verwendet Aischylos eine bühnentechnische Neuheit, die den Atridenpalast als internen Raum des oi\ko" verkörpert, einen auch in der Odyssee wichtigen Bereich. 187 4.1.2 Die zwei Vogelbilder in der Parodos (Ag. 49-59; 111-120) Der Chor der argivischen Greise wendet im Einzugslied den Blick zurück zum Aufbruch der Flotte in den Trojanischen Krieg (Ag. 40-71), an dem er seines Alters wegen nicht mehr teilnehmen konnte (72-82), er bemerkt verwundert, daß Klytaimestra überall in der Stadt Opferfeuer entzündet hat (83-103), und geht zeitlich einen weiteren Schritt zurück bis zu den Geschehnissen vor der Abfahrt 185 Zu lhvqomai als homerischer Form vgl. Lechner 1862, 7. 186 S. hierzu Cunningham 1994, 67; Sutton 1984b, 128 ff. vermutet im Proteus einen parodistischen „flash-back“ auf die Trilogie (130); Mette 1963, 76 f.; vgl. auch 3.1.1, S. 35 f. 187 S. Goward 2005, 26: „Aeschylus was probably the first playwright to associate the external orchestra space with what is light, knowable, seeable, rational and (sometimes) masculine, and to contrast it with the internal space inside the oikos, which ist dark, unknowable, unpredictable and (sometimes) feminine, the place of entrapment and death.“ Vgl. 29 f.; 35. S. auch Newiger 1977, 327 f. zur verbalen und szenischen Präsenz des Hauses in der Trilogie. 54 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee der Schiffe (104-257). Die zwei Zeitstufen dieses Rekurses auf die Vorgeschichte des Trojanischen Krieges werden motivisch durch ein Vogelgleichnis (49-59) und ein Vogelvorzeichen (111-120) miteinander verknüpft, beide Bilder gelten als homerische Reminiszenzen. 188 Zu Beginn der Parodos wird das zornige Kriegsgeschrei der Atriden Agamemnon und Menelaos (Ag. 48: megavl j ejk qumou' klavzonte" #Arh ), die nach dem Raub der Helena eine tausend Schiffe starke argivische Flotte zusammenziehen, mit dem Geschrei von Geiern verglichen (Ag. 49: trovpon aijgupiw'n ), die im extremen Schmerz um ihre Jungen (Ag. 49 f.: ejkpativoi" / a[lgesi paivdwn ) über dem leeren Nest kreisen, umsonst ihre Brut bewacht, sich um sie gemüht haben. Man hat in der Stelle einen Anklang an ein Gleichnis der Ilias gesehen, in dem das Kriegsgeschrei von Patroklos und Sarpedon (Il. P 430: keklhvgonte" ) mit dem Gekreisch zweier kämpfender Geier ( P 429: megavla klavzonte ) parallelisiert wird ( P 428-430). Noch mehr wird die Ähnlichkeit mit einem Vogelgleichnis in der Odyssee hervorgehoben (Od. p 216-219); 189 Odysseus und sein Sohn Telemachos klagen nach der Wiedererkennung eindringlicher als Vögel, Adler oder krummklauige Geier ( p 216 f.: oijwnoiv, / fh'nai h] aijgupioi; gamywvnuce" ), denen Bauern die Jungen noch ungefiedert aus dem Nest genommen haben. Wie das Geiergleichnis des Agamemnon entstehen die Gleichnisse in Ilias und Odyssee aus einer akustischen Assoziation heraus. Das Geschrei der beiden Vögel bedeutet einmal Angriffslust (Il.), einmal Schmerz (Od.), Gefühle, die sich im Gleichnis der Parodos vermischen. 190 Außer dem Hintergrund des Trojanischen Krieges gibt es allerdings keine speziellere Verbindung zwischen dem Kontext des aischyleischen Gleichnisses und den Gleichnissen bei Homer. 191 Der noch weiter in die Vergangenheit reichende Teil des Rückblickes, in dem die Verzögerung der Flottenausfahrt durch Wind- 188 Heath 1999; West 1979; s. auch Garner 1990, 32-35; Sideras 1971, 221 f.; 246f; Gigli 1928, 38; Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 48 ff. 189 Vgl. Heath 1999, 397 f.; hier wird zusätzlich verwiesen auf Il. L 113 f. und, besonders wichtig, auf Il. S 316-323. Vgl. auch Garner 1990, 32; Hoekstra 1989 zu Hom. Od. p 218; Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 48 ff. 190 S. Garner 1990, ebd.; Sideras 1971, 247: „Zwei homerische Gleichnisse sind also in ein einheitliches und eindrucksvolles Bild zusammengezogen, das eine starke homerische Färbung trägt.“ 191 Gegen Garner 1990, ebd., der etwas abwegig die Trennung des Wächters von seinem Herrn Agamemnon mit der Trennung des Telemachos von Odysseus assoziiert. Agamemnon 55 stille, die Entscheidung Agamemnons für die Opferung der Iphigenie und schließlich das Opfer selbst thematisiert werden, beginnt mit einem Vorzeichen (Ag. 111-120), das der Seher Kalchas deutet (122-157); zwei Adler (Ag. 114: oijwnw'n basileuv" ) erscheinen in der Nähe des Palastes (Ag. 116: i[ktar melavqrwn ) rechter Hand, der eine mit dunklem, der andere mit hellem Gefieder, und verschlingen eine trächtige Häsin mitsamt ihrem ungeborenen Jungen. Kalchas sieht darin die gewaltsame Einnahme Trojas durch die Atriden (122-130) und zugleich den Anlaß für den Zorn der Artemis, die als Schützerin der Jungtiere mit der trächtigen Häsin Mitleid empfindet, die Ausfahrt der Flotte verzögern und Iphigenie als Gegenopfer fordern wird (131-137; 140-155). Als deutlichstes Vorbild für das Zeichen betrachtet man das Omen in der Ilias, das ebenfalls in die Zeit vor der Abfahrt der Schiffe von Aulis fällt, und das Odysseus nach der Peira des Agamemnon zur Ermutigung dem Heer in Erinnerung ruft (Il. B 299-320); 192 hier schließt sich ebenfalls eine Deutung des Kalchas an: die acht nackten Sperlingsjungen in ihrem Nest, die eine Schlange mit rotem Hals verschlingt, stehen für acht erfolglose Kriegsjahre, die Sperlingsmutter, die als letzte gefressen wird, für das neunte. Das Zeichen, bei dem die Schlange zuletzt zu Stein erstarrt, deutet voraus auf den Sieg über Troja im zehnten Kriegsjahr ( B 321-329). 193 Die Entsprechung der beiden Vorzeichen besteht hauptsächlich in dem Zeitpunkt, zu dem sie stattfinden; der Ort des Adler-Häsin-Vorzeichens ist eher Argos als Aulis, wo sich das Schlange-Spatzen-Vorzeichen abspielt, 194 und die inhaltlichen Parallelen, daß etwa in beiden Fällen ein Raubtier ein harmloses Tier anfällt, daß Jungtiere vorkommen, sind recht allgemein. 195 Auch fehlt, wie bei den Geiergleichnissen, ein Bezug zwischen dem 192 Peradotto 1969, 243; Heath 1999, 398 f. gibt weitere homerische Gleichnisse ähnlichen Inhalts an. West 1979, 1 ff. weist auf die Parallelen zwischen dem aischyleischen Gleichnis und der Fabel von Adler und Fuchs bei Archilochos hin (frr. 172-181 IEG). Garner 1990, 34 vergleicht das Adler-Häsin-Vorzeichen zutreffend mit Il. Z 57-60; s. auch Sideras 1971, 221; vgl. Gigli 1928, 38. 193 Zu der Behandlung des Zeichens mit der Schlange und seiner Deutung in den Kyprien s. Procl. Chrest. 122-124 Severyns=Cypr. arg. 33-35, p. 40 PEG=Procl. Cypr. enarrat. 44-46, p. 32 EGF und Apollod. Epit. 3, 15; s. auch West 1979, 2 mit Anm. 2. In den Kyprien erregt Agamemnon selbst den Zorn der Artemis durch eine überhebliche Äußerung bei der Hirschjagd, s. Procl. Chrest. 135-142 Severyns=Cypr. arg. 42-49, p. 41 PEG=Procl. Cypr. enarrat. 55-63, p. 32 EGF. Vgl. Soph. El. 566-572. S. hierzu Peradotto 1969, 242 f. 194 Versteht man mevlaqra (Aesch. Ag. 116) als „Palast“, so ist der Handlungsort Argos. Einen Überblick über die Diskussion gibt Heath 1999, 399 f., Anm. 14. 195 Heath 1999, 399 ff. führt einen genauen Vergleich durch, auch zwischen dem Schlange-Spatzen-Vorzeichen der Ilias und dem Geiergleichnis im Agamemnon. 56 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee aischyleischen und dem homerischen Kontext; während in der Ilias das Schlange-Spatzen-Vorzeichen ein Emblem der Länge des Krieges und der bis zu seinem siegreichen Ende nötigen Beharrlichkeit darstellt, ist das Vorzeichen von den beiden Adlern und der trächtigen Häsin im Agamemnon zwar auch Hinweis auf den Sieg, aber gleichzeitig Ausgangspunkt für die folgende Verkettung der Gewalttaten und changierende Referenzstelle für die Frage nach Agamemnons Schuld. 196 Die beiden Vogelbilder der Parodos beziehen sich also nicht eindeutig auf bestimmte Bilder der homerischen Epen; eine Ähnlichkeit zwischen dem Inhalt der Gleichnisse und Vorzeichen rechtfertigt diese Annahme nicht, solange das jeweilige textuelle Umfeld nicht ebenfalls auf einen bestimmten Bezug hindeutet. 197 Dennoch, das zeigen die behandelten Parallelen, ist der inhaltliche und sprachliche Charakter der aischyleischen Vogelbilder homerisch, sie erzeugen das epische Kolorit der Parodos 198 und unterlegen so die beginnende Handlung des Agamemnon mit der Atmosphäre von Ilias und Odyssee. 196 Die Deutung des Kalchas ist widersprüchlich angelegt. Zunächst bekommt man den Eindruck, daß die Tötung der trächtigen Häsin und des ungeborenen Jungtieres das bivaion der Einnahme Trojas bedeutet (Aesch. Ag. 126-130), das von Agamemnon verschuldet ist; dann wird das Geschehen nicht mehr metaphorisch, sondern direkt gesehen: Artemis verabscheut das dei'pnon aijetw'n , für das Agamemnon nichts kann (131-137). Der Wechsel von metaphorischer zu gegenständlicher Interpretation des Vorzeichens läßt die Verantwortlichkeit Agamemnons für den Zorn der Artemis schillern. Ebenso schwankt die Beurteilung seiner Schuld an der Opferung Iphigenies. Winnington-Ingram 1974, 3 ff. geht davon aus, daß Agamemnon aus einer freien Entscheidung heraus Iphigenie opfert; nach Peradotto 1969, 261 und passim steht das Zeichen für das h\qo" der Atriden; vgl. Murray 1951, 186 ff. Vgl. dagegen Denniston/ Page 1957, Introd. xxiiiff. Zu einer Verbindung zwischen Iphigenie und Kassandra s. Morin, B.: „De l’épopée à la tragédie: Eschyle inventeur d’Iphigénie“. LEC 74 (4), 2006, 289-307. 197 Anders sieht Garner 1990, 180 und passim gerade die homerischen Gleichnisse als einen Hauptgegenstand der tragischen Allusionstechnik. 198 Lynn-Georg 1993, 4 f. verfolgt das im Prolog begonnene Spiel von Licht und Dunkelheit durch die Parodos und sieht in krovkou bafav" (Aesch. Ag. 239), dem safrangelben Gewand der Iphigenie, eine Anspielung an die Morgendämmerung der Ilias, Hw; " krokovpeplo" (Il. Q 1; T 1 f.; Y 226 f.; W 695). Judet de la Combe 1995 sieht die gesamte dictio des Agamemnon geprägt von Bezügen zur Ilias. Moreau 1990, 52 betrachtet den Agamemnon als „tissu mythique“ aus vor allem homerischem Material, wobei zwischen zwei Vergangenheitsstufen und der Gegenwart unterschieden wird. Agamemnon 57 4.1.3 Die Botenszene (Ag. 503-680) Der staub- und lehmbedeckte Bote, der mit Olivenblättern bekränzt vom Ufer kommt, um die Ankunft des siegreichen Feldherrn Agamemnon und der Flotte zu verkünden, hat einen umfangreichen Auftritt, bei dem er drei Einzelreden hält; 199 zuerst begrüßt er die Heimat und kündigt Agamemnon an (Ag. 503-537); nach einer Stichomythie mit dem Chorführer berichtet er von den Mühseligkeiten des Krieges (551-582); es folgt Klytaimestras erste Trugrede, schließlich gibt der Bote, vom Chorführer nach dem Verbleib des Menelaos gefragt, einen Bericht von dem Seesturm, bei dem sich die beiden Atriden aus den Augen verloren haben (636-680). In der Ankunft des Boten bestehen möglicherweise Anklänge an das archetypische Heimkehrmodell der Odyssee. In der ersten Rede (Ag. 503-537) wendet sich der kh'rux erst erstaunlich spät seinem Auftrag, der Ankündigung Agamemnons, zu (522 ff.); voraus geht, retardierend, eine persönliche Begrüßung der Heimat. Der Bote grüßt voller Freude Erde und Sonnenlicht (Ag. 508: nu'n cai're me; n cqwvn, cai're d j hJlivou favo" ), ruft Zeus, den Pythischen Apoll, die ajgwvnioi qeoiv , 200 seinen Beschützer, den Götterboten Hermes (Ag. 514 f.: tovn t j ejmo; n timavoron / @Ermh'n, fivlon khvruka, khruvkwn sevba" ), und dem Heer wohlgesonnene Heroen an (516 f.), er sieht den Palast der Atriden wieder (518 f.), der ihn zu dem offiziellen, metaphernreichen Teil der Rede, der Verkündung von Agamemnons Ankunft, bringt. Die Wiederbegegnung mit der Heimat zeigt den Boten nicht in seiner Botenrolle, sondern als Soldat und Heimkehrer. 201 Durch die Überschwänglichkeit seiner emotionalen Reaktion (Ag. 503: ijw; patrw'ion ou\da" Argeiva" cqonov" , 518: ijw; mevlaqra basilevwn, fivlai stevgai , 539: caivrw , 541: w{st j ejndakruvein g j o[mmasin cara'" u{po ) wird die Erwartung von Agamemnons Auftreten weniger gesteigert als vielmehr abgeleitet; 202 die Heimkehr des Boten scheint die Ankunft des Feldherrn teilweise vorwegzunehmen. In der im Vorigen betrachteten Passage der Rede des Menelaos in der Odyssee wird auf ähnliche Weise die Wiederse- 199 Vgl. Conacher 1987, 25. 200 Gemeint sind wohl die Götter der Volksversammlung; vgl. Aesch. Ag. 90 und Denniston/ Page 1957 zu Aesch. Ag. 513. 201 Vgl. Reinhardt 1949, 80 ff. 202 Taplin 1977, 297 ff. geht davon aus, daß die lange Verzögerung der Ankündigung in der Botenrede die Spannung steigert. Zimmermann 2010, 13 spricht von einer „naiven Begrüßung der Heimat“ durch den Boten. 58 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee hensfreude, die Agamemnon bei seiner Heimkehr dort selbst empfindet, seine Sehnsucht nach der heimatlichen Erde (Od. d 521 f.: h\ toi oJ me; n caivrwn ejpebhvseto patrivdo" ai[h", / kai; kuvnei aJptovmeno" h}n patrivda ) und seine starke Emotion betont ( d 523: davkrua qerma; cevont j ). 203 Vergleichbare Elemente enthält auch die zentrale Heimkehrdarstellung der Odyssee, die Ankunft des Odysseus. Sobald Athene den verhüllenden Nebel aufgehoben hat und Odysseus Ithaka erkennt, begrüßt er freudig die Erde seiner Heimat ( n 352-354: ei[sato de; cqwvn: / ghvqhsevn t j a[r j e[peita poluvtla" di'o" Odusseu; " / caivrwn h|/ gaivh/ , kuvse de; zeivdwron a[rouran ) und ruft die Neiaden, die Töchter des Zeus, und die Zeustochter Athene als Beutespenderin und persönliche Schutzgöttin an ( n 356-360); Hermes wird zwar nicht erwähnt, ist aber von Zeus mit dem Heimgeleit des Odysseus beauftragt. 204 Wie der Bote des Agamemnon über den Palast spricht, so betrachtet und beschreibt Odysseus als Bettler bewundernd vor Eumaios sein eigenes Haus ( r 264-268). In der Heimkehr des Boten ist demnach ein episches, vor allem in der Odyssee verwendetes Heimkehrerschema erfüllt, das man eigentlich für die Heimkehr des Protagonisten selbst erwarten würde. Obwohl der Chorführer anzudeuten versucht hat, daß im Haus nicht alles zum besten steht, ist der Optimismus des Boten in der zweiten Rede ungebrochen (Ag. 551-582), 205 er ist erleichtert, die Kriegsmühen überstanden zu haben; dabei bestehen diese Mühen, über die er klagt ( ejpivmomfa ), nicht etwa in den Kämpfen selbst, sondern, abseits des Feldes der Ehre und als Kontrast zu den Phrasen des Unterwerfungsberichtes, in der alltäglichen Mühsal, der unbequemen Unterkunft (Ag. 555: movcqou" dusauliva" ), den engen Schiffsgängen mit schlechtem Lager (Ag. 556: sparna; " parhvxei" kai; kakostrwvtou" ). 206 Die Soldaten schlafen vor den Mauern der Feinde (Ag. 559: eujnai; ga; r h\san dai? wn pro; " teivcesin ), sind dem Tau ausgesetzt (560 f.: leimwvniai / drovsoi ), Ungeziefer nistet sich in ihrer Kleidung ein (561 f.: e[mpedon sivno", / eJsqhmavtwn … e[nqhron trivca ), sie leiden unter dem Winter (563: ceimw'na ), der Schnee vom Idagebirge bringt (564: Idaiva ciwvn ), und unter der Hitze (565: qavlpo" ). 203 Diese Entsprechung wird auch bei Sideras 1971, 223 unter den „Homerischen Reminiszenzen“ aufgeführt; vgl. Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 503. 204 Od. e 28-42; vgl. a 84-87. 205 Conacher 1987, 24 ff. beobachtet, wie der Chor den fröhlichen Boten allmählich mit seiner düsteren Stimmung ansteckt. 206 Ähnliche Beschreibungen eines unbequemen Lagers finden sich Aesch. Ag. 12-14; 335 f. Agamemnon 59 Die pragmatische, antipropagandistische Darstellung 207 erinnert stark an die zweite Trugerzählung des Odysseus vor Eumaios, mit der er versucht, sich einen Mantel für die kommende Regennacht zu verschaffen (Od. x 462-506). 208 Der vermeintliche Kreter berichtet von einem gemeinsamen Hinterhalt mit Odysseus und Menelaos vor Troja ( x 469: uJpo; Troivhn lovcon ); direkt bei den Stadtmauern ( x 472: poti; ptovlin aijpuv te tei'co" ) liegen sie unter einem dichten Gebüsch, entlang an Schilf und Sumpf ( x 474: a]n dovnaka" kai; e{lo" ) unter ihre Schilde geduckt, als eine eisige Nacht mit Nordwind hereinbricht; ein frostiger Schauer fällt wie Reif, Eis bildet sich auf den Schilden ( x 476 f.: aujta; r u{perqe ciw; n gevnet j hju? te pavcnh, / yucrhv, kai; sakevessin peritrevfeto kruvstallo" ). Der Kreter hat als einziger keinen Mantel und bittet Odysseus um Hilfe, der zu einer List greift; er schickt Thoas, um Verstärkung anzufordern, zu Agamemnon ( x 496-498), der Kreter bekommt den Mantel, den Thoas in der Eile zurückläßt. Nicht nur entspricht die betont unheroische Schilderung der Unbequemlichkeiten des Krieges der zweiten Rede des Boten der Erzählung des Odysseus, es besteht an diese Stelle des Epos auch ein, wenn auch unauffälliger, Bezug zu Agamemnon. Erst nach der zweiten Rede des Boten tritt Klytaimestra auf, nicht um die Nachricht von Agamemnons Heimkehr zu erfahren, sie verkündet vielmehr selbst, daß sie die Nachricht schon kennt, ihr Vertrauen in das Fackelsignal berechtigt war (Ag. 587-599), und stellt sich in einer Trugrede (600-614) als treue Gattin dar; anschließend geht sie von der Bühne. 209 Diese Textstelle soll später im Zusammenhang mit Klytaimestras Rede vor Agamemnon untersucht werden. Der Chorführer fragt nun den Boten nach Menelaos und verlangt eine Beschreibung des Sturmes, der ihn von der Flotte getrennt hat (Ag. 617-635). Die dritte Rede des Boten (636-680) gehört nicht mehr wie die beiden ersten zum engeren Stoff des Agamemnon, man hat vermutet, daß sie eine Verbindung zu dem Satyrspiel 207 Die Ungewöhnlichkeit dieses unheroischen Berichtes wird auch von Denniston/ Page 1957, Introd. xxxiii hervorgehoben: „Descriptions of warfare in Greek Tragedy (and elsewhere) are as a rule rather conventional; this one is a notable exception. The worst of war is not its occasional dangers but its perpetual discomforts.“ Zu dem Kontrast zwischen dem Bericht des Boten und Agamemnons Begrüßungsrede vgl. auch Davies, M.: „New light on masters and slaves in Greek drama“. Prometheus 35, 3, 2009, 221-228. 208 Vgl. Sideras 1971, 223. 209 Taplin 1977, 300-302 sieht durch das rasche Auf- und Abtreten Klytaimestras eine dramatisch wirkungsvolle Isolation der Rede hervorgerufen. 60 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee Proteus herstellt, 210 das sich seinerseits stofflich auf Od. d 351 ff. bezieht. 211 Der vom Zorn der Götter hervorgerufene Sturm (Ag. 649: ceimw'n j † jAcaiw'n oujk ajmhvniton qeoi'" †) bricht in der Nacht los (Ag. 653: ejn nukti; duskuvmanta d j wjrwvrei kakav ), die Schiffe zerbersten oder werden fortgetrieben; der auf die Nacht (653-657) folgende Morgen (658-660) zeigt ein bizarres Bild der Verwüstung (Ag. 659 f.: oJrw'men ajnqou'n pevlago" Aijgai'on nekroi'" / ajndrw'n Acaiw'n nautikoi'" t j ejreipivoi" ). 212 Die Nosten haben bereits die Sturmkatastrophen auf der Heimfahrt der Achaier behandelt. 213 In der Odyssee erwähnt Nestor einen Sturm, der Menelaos mit einem Teil der Flotte nach Ägypten verschlägt (Od. g 286-300), in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Orestie-Stoff ( g 248-275; 303-310) auf die Frage des Telemachos nach Agamemnon, Menelaos und Aigisth hin ( g 248-252). 214 Proteus spricht im Bericht des Menelaos von einem Sturm, bei dem Aias der Lokrer ertrinkt, dem Agamemnon aber entkommen kann ( d 499-513); er wird vor seiner Ankunft allerdings nochmals fortgetrieben ( d 514-518). Kurz darauf folgt die bereits besprochene Entdeckung Agamemnons durch den Späher Aigisths ( d 524-528). 215 Die Beschreibung von Seestürmen ist fester Bestandteil der Odyssee, Odysseus gerät nach seinem Aufbruch von Kalypso in den langen, von Poseidon erregten Sturm ( e 291 ff.), bei dem es plötzlich Nacht wird (Od. e 294: ojrwvrei d j oujranovqen nuvx ), er erzählt den Phaiaken von einem Sturm nach dem Kampf mit den Kikonen ( i 67-71) und von dem Unwetter nach dem Frevel an den Rindern des Helios auf Thrinakia ( m 405-425), bei dem alle Gefährten ertrinken, wofür, wie in Ag. 659 f., ein eindrucksvolles Bild gebraucht wird (Od. m 418 f.= x 308 f.: oiJ de; korwvnh/ sin i[keloi peri; nh'a mevlainan / kuvmasin 210 Vgl. Lesky 1931, 200; Stößl 1937, 17 mit Anm. 13. 211 Vgl. 3.1.1, S. 35 f. 212 Vgl. Denniston/ Page 1957 ad loc.: „an exceptionally incongruous metaphor“; vgl. Aesch. Pers. 420. Nach Stieber 2006 könnte ajnqou'n an die Jugend der toten Soldaten anklingen (vgl. Ag. 197 f.), aber auch an die Farbe von Blut (vgl. Eur. I. T. 300) oder Kleidungsstücken (vgl. Aesch. Pers. 274-277) im Wasser. Stieber vermutet sogar einen Bezug zu Ag. 958-960 und bezeichnet 659 f. als „central, defining moment (…) of the entire play“ (43). 213 Procl. Chrest. 285-287; 294 f. Severyns=Nost. arg. 6 f.; 12 f., p. 94 PEG=Procl. Nost. enarrat. 9-11; 18 f., p. 67 EGF. 214 Vgl. Murray 1951, 215. Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 649; 653. 215 Lange 2002, 38-40 vergleicht übersichtlich die Telemachie der Odyssee als zentrale Quelle für den Nostos der Atriden mit dem Referat des Proklos. S. Od. g 130- 183; (248-252); (255-261); 276-302; (303-310); 311 f.; 318-322; d 81-91; 95 f.; 125-135; 220-232; 351-586; 613-619. Ergänzende Einzelheiten zum Inhalt der Nosten finden sich bei Apollod. Epit. 6, 5-7; 11. Vgl. hierzu Lange 2002, 41. Agamemnon 61 ejmforevonto ); 216 er erwähnt die Stürme schließlich in seinem Bericht für Penelope ( y 310-341). Der Bote des Agamemnon weist sich also auch mit seinem Bericht von dem Seesturm als Heimkehrer epischer Tradition aus, was eher für Agamemnon selbst angemessen wäre. Die Frage des Chorführers nach einem noch abwesenden Troja-Heimkehrer, Menelaos, die der Bote nicht beantworten kann, auf die hin er aber die Sturmbeschreibung gibt, legt besonders einen Vergleich mit den Befragungen von Nestor ( g 79 ff.) und Menelaos ( d 316 ff.) nach dem Schicksal des Odysseus durch Telemachos nahe. In der Telemachie der Odyssee wird wie im Agamemnon das Material der Nosten in Berichtform eingespielt, um den Helden vor seinem lange hinausgezögerten Erscheinen in das Umfeld der anderen Trojaheimkehrer einzuordnen. In der Rede des Nestor ( g 286-300) und in der von Menelaos berichteten Rede des Proteus ( d 499-518) ist, wie schon festgestellt, eine genaue stoffliche Übereinstimmung mit der Situation, die der Bote beschreibt, zu finden. Mehrere Assoziationsstränge der Botenszene des Agamemnon laufen offenbar in der Odyssee zusammen; die freudige Begrüßung der Heimat, die pragmatische Schilderung des Kriegsalltags, die Sturmbeschreibung lassen den Boten vor der Folie der Odyssee (Od. g , d , n , x ) als Inbegriff des Heimkehrers erscheinen, wodurch die Bedeutung Agamemnons schon vor dessen Auftreten reduziert wird. Wie die Erzählungen von Nestor und Menelaos ( g , d ) die Einführung des Odysseus ( e ) in das Epos retardieren, so befindet sich auch der thematisch und formal von ihnen beeinflußte Sturmbericht 217 des Boten im Agamemnon kurz vor dem Auftritt des Protagonisten. 4.1.4 Agamemnons Ankunft (Ag. 783-854) Sobald Agamemnon zusammen mit Kassandra in einem Wagen auf der Bühne erscheint, begrüßt ihn der Chor mit einer verdeckten Warnung vor Heuchelei und mit der Versicherung seiner gegenwärtigen Loyalität (Ag. 783-809). Das Schwanken des Chores zwischen Offenheit und Verstellung zeigt sich schon in der Suche nach einer geeigneten Anrede, um das richtige Maß an Freude (787: kairo; n 216 Vgl. auch Hom. Od. k 122-124. 217 Garner 1990, 180 bemerkt in den Botenberichten der drei attischen Tragiker eine Konzentration homerischer Allusionen. Zum Botenbericht als Relikt einer ursprünglichen Form der Tragödie s. Bremer 1976, 42-44. 62 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee cavrito" ) auszudrücken (785: pw'" se proseivpw ; pw'" se sebivxw ; ). Wie die Ankunft des Boten greift Agamemnons Ankunft Motive der Odyssee auf, es entstehen aber deutliche Kontraste. Die Warnung vor Verstellung (Ag. 788-798) ist sehr allgemein gehalten: 218 viele der Sterblichen ziehen den Anschein, ein scheinbares Sein (788: to; dokei'n ei\nai ), vor, wenn sie das Recht übertreten haben. Jeder ist bereit, zusammen mit einem Unglücklichen zu jammern (790: ejpistenavcein ), ohne daß die Schärfe des Leids sein Herz berührt; die Leute nehmen an einer Freude teil, indem sie ihr ernstes Gesicht zu einem passenden Ausdruck zwingen (793 f.: kai; xugcaivrousin oJmoioprepei'" / ajgevlasta provswpa biazovmenoi ). Einem guten Kenner der Herde Mensch aber (795: ajgaqo; " probatognwvmwn ) können die Augen eines scheinbar Wohlwollenden, der aus Berechnung mit falscher Freundlichkeit schmeichelt, nicht entgehen (796- 798). Der Moment der Ankunft ist der Höhepunkt des Agamemnon als „‚ novsto" ‘-play“. 219 Vergleicht man die entsprechende Situation in der für den damaligen Rezipienten exemplarischen Heimkehrdichtung, der Odyssee, stößt man auch hier auf das Thema Verstellung. Athene tritt Odysseus in Gestalt eines jungen Mannes, eines Schafhirten, entgegen (Od. n 222: ajndri; devma" eji>kui'a nevw/ , ejpibwvtori mhvlwn ); Odysseus hält seine erste Trugrede ( n 256-286), er vertraut sich der Göttin nicht an ( n 254 f.: oujd j o{ g j ajlhqeva ei\pe, pavlin d j o{ ge lavzeto mu'qon, / aije; n ejni; sthvqessi novon polukerdeva nwmw'n ). Im zweiten Teil der Begrüßung legt der Chor seine eigene Haltung gegenüber dem Heimkehrenden dar (Ag. 799-806); er gibt sehr freimütig zu, 220 daß er gegen den Zug nach Troja war, und beschreibt den damaligen negativen Eindruck von Agamemnon (801 f.: kavrt j ajpomouvsw" h\sqa gegrammevno", / oujd j eu\ prapivdwn oi[aka nevmwn ). Diese Charakteristik klingt fast wie das mißglückte Gegenstück zu dem Bild von Odysseus, das Athene nach dessen Trugrede entwirft (Od. n 291-295: kerdalevo" k j ei[h kai; ejpivklopo" o{" se parevlqoi / ejn pavntessi dovloisi, kai; eij qeo; " ajntiavseie. / scevtlie, poikilomh'ta, dovlwn a\t j, oujk a[r j e[melle", / oujd j ejn sh'/ per ejw; n gaivh/ ,/ lhvxein ajpatavwn / muvqwn te klopivwn, oi{ toi pedovqen fivloi eijsivn ). Die rednerische und dichterische Gabe des Odysseus, die ihm in der Ilias bereits zuge- 218 Vgl. Conacher 1987, 30; Reinhardt 1949, 91 f. geht davon aus, daß der Chor bereits gegen Agamemnon eingestellt ist und ihn nicht mehr warnen will. 219 Vgl. Taplin 1977, 302 ff. 220 Siehe Denniston/ Page 1957 zu Aesch. Ag. 783-809. Agamemnon 63 schrieben wird (Il. G 191-224) 221 , und die in der Odyssee in Form der Trugreden und der Apologe erzähltechnisches Gestaltungsmittel wird, 222 fehlt dem ajpomouvsw" gegrammevno" Agamemnon. 223 Die praktische Klugheit, an der es Agamemnon als oujk eu\ prapivdwn oi[aka nevmwn ebenfalls mangelt, ist eine weitere signifikante Eigenschaft des poluvmhti" Odysseus. Abschließend kehrt der Chor zu dem warnenden Ton zurück, er rät Agamemnon, hinsichtlich der Rechtschaffenheit der Bürger im Lauf der Zeit nachzuforschen (Ag. 807-809: gnwvshi de; crovnwi diapeuqovmeno" / tovn te dikaivw" kai; to; n ajkaivrw" / povlin oijkourou'nta politw'n ), von einer vorsichtigen Haltung gegenüber Klytaimestra spricht er nicht. Gerade diese Vorsicht findet Athene aber bei Odysseus (Od. n 333-336: ajspasivw" gavr k j a[llo" ajnh; r ajlalhvmeno" ejlqw; n / i{et j ejni; megavroi" ijdevein pai'dav" t j a[locovn te: / soi; d j ou[ pw fivlon ejsti; dahvmenai oujde; puqevsqai ), erst später erwägt Odysseus, die Treue der Diener zu prüfen ( p 305-307: kaiv kev teo dmwvwn ajndrw'n e[ti peirhqei'men, / hjme; n o{pou ti" nw'i> tivei kai; deivdie qumw'/ , / hjd j o{ti" oujk ajlevgei, se; d j ajtima'/ toi'on ejovnta ), was dann aber, weil die Zeit drängt, auf die weibliche Dienerschaft beschränkt wird ( p 313 f.: dhqa; ga; r au[tw" ei[sh/ eJkavstou peirhtivzwn, / e[rga metercovmeno" , vgl. dagegen Ag. 807: crovnwi diapeuqovmeno" ). Agamemnons Begrüßungsrede (Ag. 810-854) beginnt mit einer Hinwendung an die Stadt Argos und die Heimatgötter, die Formulierung ist betont unpersönlich gehalten (810 f.: prw'ton me; n #Argo" kai; qeou; " ejgcwrivou" / divkh proseipei'n ), was besonders im Vergleich zu der lebhaften Wiedersehensfreude auffällt, wie sie der Bote und, in der Odyssee, Odysseus und Agamemnon zeigen. Das Verhältnis zu der Heimat erscheint dort elementar (Ag. 503: ijw; patrw'ion ou\da" Argeiva" cqonov" , 508: nu'n cai're me; n cqwvn, cai're d j hJlivou favo" , vgl. Od. n 354: caivrwn h|/ gaivh/ , kuvse de; zeivdwron a[rouran , d 521 f.: h\ toi oJ me; n caivrwn ejpebhvseto patrivdo" ai[h" , / kai; kuvnei aJptovmeno" h}n patrivda ), die Götteranrufung ist direkt, an bestimmte, namentlich genannte Götter (Bote: Zeus, Apoll, ajgwvnioi qeoiv , Hermes, Heroen; Odysseus: Neiaden, [Zeus], Athene), darunter befindet sich eine persönliche Schutzgottheit, Hermes im Fall des Boten, im Fall des 221 Bei der Mauerschau wird Agamemnon unmittelbar vor Odysseus beschrieben (Il. G 162-190). 222 Die dichterischen Qualitäten des Odysseus werden auch von den werkimmanenten Zuhörern hervorgehoben (Od. l 363-379; x 361 f.; 508 f.; r 514-521). Vgl. Stanford 1954, 71 f.; Worman 1999, 40-42. 223 Nieto Hernández 2001/ 2002, 321-323 untersucht das unterschiedliche Verhalten von Agamemnon und Odysseus gegenüber ajoidoiv . 64 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee Odysseus Athene (Ag. 509-517; Od. n 356-360). Agamemnon dagegen hat keinen göttlichen Schutz; in der Ilias beschimpft er den Apollon-Priester Chryses (Il. A 26-32) und kränkt den Seher Kalchas ( A 106-120). 224 Im Folgenden wird der kontrastierende Anklang an die Odyssee noch deutlicher, Agamemnon kommt auf die entscheidende Kriegslist, das hölzerne Pferd, zu sprechen (Ag. 822-826), ohne Odysseus als Urheber zu nennen, er maßt sie sich vielmehr selbst an (823: ejpraxavmesqa ). Diese selbstgerechte Verhaltensweise Agamemnons gegenüber Odysseus ist schon in der Ilias entwickelt. Im 2. Buch hält Odysseus auf Weisung der Athene das von Agamemnon zum Rückzug aufgeforderte Heer zurück (Il. B 182ff.), verteidigt Agamemnon gegen den schimpfenden Thersites ( B 246-264) und erinnert zur Ermutigung an das siegverheißende Schlange-Spatzen-Vorzeichen vor Kriegsbeginn in Aulis ( B 284-332). Im Hinblick auf diese Verdienste erscheint der Tadel Agamemnons an Menestheus und Odysseus bei der Musterung des Heeres als taktlose Machtgebärde ( D 338-348). 225 Als Agamemnon zum dritten Mal vorschlägt heimzukehren ( X 65-81)-- sein zweiter Fluchtvorschlag ( I 17-28) wird von Diomedes abgefangen - ist es wiederum Odysseus, der eingreift und ihn von der Unvernünftigkeit seines Planes überzeugt ( X 83-102). Agamemnon wirkt gegenüber Odysseus gleichzeitig hochfahrend und unsicher, seine Anführerposition ist rein äußerlich. 226 Es ist bezeichnend, daß Agamemnons Schatten in der Odyssee zwar immer Odysseus’ Schicksal beneidet, es aber nie mit dessen besonderen Fähigkeiten, die ihm selbst ja fehlen, sondern mit dem unterschiedlichen Charakter von Penelope und Klytaimestra begründet, er ist sozusagen einfach an die falsche Frau geraten (Od. l 427-453; w 192-202). In beiden Epen liegt also ein kontrastierender Bezug zwischen Agamemnon und Odysseus vor. Nach seiner blaß ausgefallenen Begrüßung der heimatlichen Götter greift Agamemnon die versteckte Warnung des Chores, das frovnhma , auf (Ag. 830-844), er wolle sie beherzigen, stimme vollkommen mit ihr überein (831: kai; fhmi; taujta; kai; sunhvgorovn m j e[cei" ); indem er das Thema referiert, modifiziert er es allerdings 224 Vgl. dagegen Odysseus’ Gespräch mit Maron (Od. i 196-215); s. hierzu Nieto Hernández 2001/ 2002, 323-327. S. auch Greenberg 1992/ 1993, 204. 225 Vgl. Haft 1989/ 1990, 103. 226 Taplin 1990, 65: „In the nutshell of the Homeric formula, ajgaqov" per ejwvn, though he has every advantage, he behaves like a rat.“ Donlan 1971, 112-115, will immerhin eine Fähigkeit zur Besserung erkennen. Agamemnon 65 etwas; nicht so sehr der Vorgang der Verstellung an sich (788: to; dokei'n ei\nai ) beschäftigt ihn, sondern ein hauptsächliches Motiv dafür, der Neid (833: fqovno" ). Das geheuchelte Mitgefühl, das Nachspielen von Emotionen kennt er, wie er sagt, aus eigener Erfahrung, er faßt es zusammen in den Ausdrücken „Spiegel des menschlichen Zusammenseins“ und „Abbild eines Schattens“ (838-840: eijdw; " levgoim j a[n, eu\ ga; r ejxepivstamai / oJmiliva" kavtoptron, ei[dwlon skia'", / dokou'nta" ei\nai kavrta preumenei'" ejmoiv ); wie er die Worte des Chores als frovnhma wertet, bleiben auch seine Überlegungen abstrakt, Agamemnon schwankt zwischen dem Bedürfnis, sich kennerisch zu geben, und der Unsicherheit darüber, was der Chor meint. Die folgenden Verse haben bislang für Verwunderung gesorgt: 227 einzig Odysseus, der nicht freiwillig in den Krieg mitzog, sei, einmal eingespannt, ein bereitwilliges Zugpferd für ihn gewesen; Agamemnon scheint sich kurz nach Odysseus’ Schicksal zu fragen und fügt hinzu, er müsse das über ihn sagen, ob dieser nun tot sei oder lebe (Ag. 841-844: movno" d j jOdusseuv", o{sper oujc eJkw; n e[plei, / zeucqei; " eJtoi'mo" h\n ejmoi; seirafovro": / ei[t j ou\n qanovnto" ei[te kai; zw'nto" pevri / levgw ). Man kann hier natürlich nach einer inhaltlichen Erklärung suchen und Belege aus der Ilias für eine besondere Loyalität des Odysseus gegenüber Agamemnon zusammentragen, die Verteidigung gegen Thersites (Il. B 246-264), die Beteiligung an der Bittgesellschaft zu Achill ( I 180-306) oder die Vermittlung bei der Übergabe der Briseis ( T 155-183). Nach den vorhergehenden Beobachtungen ist es aber viel naheliegender, daß an dieser exponierten Stelle, in der Begrüßungsrede des Heimkehrers, der Kontrastbezug zur Odyssee in Form der Namensnennung explizit wird. Außerdem entsteht 227 Winnington-Ingram 1974, 15, Anm. 11: „It is not easy to say, why Odysseus is introduced“; Stephens 1971 meint, die Bezugnahme könne nicht befriedigend interpretiert warden, und vermutet: „What then is the purpose of the reference? What aspect must we focus on? Is it not the strange and paradoxical nature of Odysseus’ behaviour? (…) The unexpected in Odysseus’ behaviour is consonant with the whole aura of unnaturalness and unpredictability that permeates the Agamemnon and the Choephoroi“ (360 f.). Denniston/ Page 1957, Introd. xxxiii: „He is mistrustful in man’s friendship - only one comrade, he says, was true to him, Odysseus; though what fault he had to find with Nestor, Diomede, and others remains a great mystery.“ Zu Aesch. Ag. 841 f.: „What had Agamemnon to complain of in Nestor, Diomede, and many others? “ Reinhardt 1949, 93: „‚Einzig Odysseus, der dem Aufgebot nur widerstrebend folgte, war mir ein gefügiger Helfer - von dem ich nicht weiß, lebt er oder ist er tot? ‘ Was soll das Beispiel? Wilamowitz sah darin eine der Vorbereitungen auf das nachfolgende Satyrspiel, den Proteus: Ist es nicht vielmehr ein blindes Abirren vom Nächsten auf das Fernste? Ein Zeichen der Einsamkeit des Herrschers? “. 66 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee so eine doppelte Spiegelung, da Odysseus in der parallelen Situation der Odyssee umgekehrt den Namen Agamemnons nennt und über dessen Schicksal reflektiert (Od. n 383-385: w] povpoi, h\ mavla dh; Agamevmnono" Atreivdao / fqivsesqai kako; n oi\ton ejni; megavroisin e[mellon, / eij mhv moi su; e{kasta, qeav, kata; moi'ran e[eipe" ). 228 Zudem warnt in der Nekyia Agamemnons Schatten, die Situationen parallelisierend, Odysseus vor einer so offensichtlichen, und damit tödlichen, Heimkehr wie der seinen (Od. l 454-456: a[llo dev toi ejrevw, su; d j ejni; fresi; bavlleo sh'/ si: / kruvbdhn, mhd j ajnafandav, fivlhn ej" patrivda gai'an / nh'a katiscevmenai ); die Passage könnte Aischylos präsent gewesen sein, Teile der Nekyia hat er wohl in den Psychagogoi in den Sisyphos-Dramen (vgl. bes. TrGF 3 F 230 zu Od. l 393) verarbeitet. 229 Der Einschub Agamemnons, Odysseus sei nicht aus freien Stücken mitgesegelt, entspricht seiner Darstellung in der Zweiten Nekyia (Od. w 115-117: h\ ouj mevmnh/ o{te kei'se kathvluqon uJmevteron dw', / ojtrunevwn Odush'a su; n ajntiqevw/ Menelavw/ / #Ilion eij" a{m j e{pesqai ejussevlmwn ejpi; nhw'n ; ). 230 Das eine Unterwerfung suggerierende Vokabular ( zeucqeiv" , seirafovro" 231 ) paßt zu dem von ungeschickten Drohgebärden gezeichneten Verhalten Agamemnons gegenüber Odysseus in der Ilias. Daß Agamemnon gerade Odysseus, den poikilomhvth" , für den einzigen vertrauenswürdigen Gefährten hält, zeigt, daß er eben nicht ist, als was er gern erschiene, ein ajgaqo; " probatognwvmwn . Von Beginn des Stückes an ist eine Verbindung zu der Odyssee durch den Bezug zu dem dort mitgeführten Orestie-Motiv gegeben; die Parodos erzeugt sprachlich und motivisch episches Kolorit; der Auftritt des lehmbeschmutzten Boten als Heimkehrer verfestigt einerseits für den Rezipienten die Assoziation an die Odyssee, 232 andererseits löst er eine Irritation aus, weil die von dem Epos geprägte Erwartung, daß der erste Ankommende der heimkehrende Protagonist sein muß, unterlaufen wird. Der Bericht über den Sturm erinnert an die Nosten-Erzählungen der Telemachie, die im Text des Epos ebenfalls das Auftreten des Protagonisten vorbereiten. Agamemnons demonstrativer Auftritt in einem Wagen setzt die 228 Kuntz 1993, 98: „Agamemnon’s homecoming is offered in the Odyssey as the archetype of the failed nostos.“ 229 Vgl. 3.1.1, S. 36 f. 230 Vgl. Sideras 1971, 224; Gigli 1928, 39. 231 Vgl. auch Aesch. Ag. 1640 f. 232 Zu dem schäbigen Äußeren des Heimkehrers Odysseus vgl. Od. z 127-138 (nach der Ankunft auf Phaia); n 429-438 (durch die Verwandlung Athenes). Agamemnon 67 Irritation fort, vor dem Hintergrund der Odyssee ist schon deutlich zu erahnen, daß diese Heimkehr keinen guten Ausgang nimmt. Die Folie der Odyssee wird in der Heimkehrszene konzentriert genutzt, um mithilfe der Kontrastfigur Odysseus die Charakteristik Agamemnons herauszuarbeiten. 233 Die Nennung von Odysseus’ Namen fungiert als Signalwort, 234 in dem die Kontrastierung kulminiert. Sowohl die Ankunftsszene Agamemnons als auch diejenige des Boten machen Gebrauch von dem bühnenwirksamen Potential der epischen Heimkehrerzählung, indem sie den erzählten Moment der Ankunft in den dramatischen Moment des Auftritts transformieren. 235 4.1.5 Die Trugreden der Klytaimestra (Ag. 587-614; 855-902) Die Verstellung ( to; dokei'n ei\nai ), vor der der Chor der argivischen Alten Agamemnon bei dessen Ankunft warnt (Ag. 787-798), wird von Klytaimestra in zwei Trugreden dramatisch umgesetzt, in denen sie die von ihr erwartete Wiedersehensfreude simuliert, entsprechend der letzten der beiden vom Chor genannten Verstellungsformen (793 f.: kai; xuncaivrousin oJmoioprepei'" / ajgevlasta provswpa biazovmenoi ). Verstellung und besonders Trugreden sind das signifikante Leitmotiv der Odyssee. In der ersten Rede (587-614) innerhalb der Botenszene betont Klytaimestra, daß sie schon längst durch die Fackelkette von Agamemnons Ankunft weiß, sie zitiert rhetorisch gekonnt den ungerechtfertigten Tadel des Chores 236 in Form einer ejpivmemyi" , die sie mit einem Epizismus einführt (590: kaiv tiv" m j ejnivptwn 237 ei\pe ); sie läßt den Boten erst gar nicht zu Wort kommen: sie werde von dem Herrscher selbst die ganze Geschichte erfahren (598 f.: kai; 233 Vgl. Zimmermann 2004, 196 f.; 199 zu der Darstellung des Charakters von Eteokles (Aesch. Sept.) durch kontrastierende Anspielung auf den Hektor der Ilias. Vgl. Zimmermann 2002, 243 ff. zu dem Gegensatz von Aias und Hektor (Soph. Aiax); s. hierzu auch Easterling 1984, 4 ff. 234 Vgl. Zimmermann 2004, 196. 235 S. Kuntz 1993, 151: „The spacial opposition of fictive and performance space created through the mimetic processes of tragedy recreates in performance the antinomy of home and not-home that underlies so many of the traditional narratives on which the tragedians draw for their plots. Alienation from home and return define the experience of tragedy, even as it defines the nostos of Odysseus or the exile of Medea.“ 236 Vgl. Aesch. Ag. 475-487. 237 Vgl. Fraenkel 1974 ad loc.; Lechner 1862, 9. 68 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee nu'n ta; mavssw me; n tiv dei' s j ejmoi; levgein ; / a[nakto" aujtou' pavnta peuvsomai lovgon ). Klytaimestra kaschiert geschickt die Gereiztheit ihrer Frage, indem sie die Vorstellung einer perfekten Homilie evoziert, bei der der Heimkehrer seiner Frau alles, was er erlebt hat, pa'" lovgo" , erzählt, das bekannteste Modell hierfür ist die Odyssee (Od. y 306-309: aujta; r oJ diogenh; " Oduseu; " o{sa khvde j e[qhken / ajnqrwvpoi" o{sa t j aujto; " ojizuvsa" ejmovghse, / pavnt j e[leg j: hJ d j a[r j ejtevrpet j ajkouvous j, oujdev oiJ u{pno" / pi'pten ejpi; blefavroisi pavro" katalevxai a{panta ). 238 Agamemnon wird keine Gelegenheit zu einer solchen Heimkehrererzählung haben, und nach dem, was man aus Ilias und Odyssee über sein literarisches Talent weiß, dürfte dieser Verlust nicht allzu groß sein. Um ihr Verhalten und ihre Gefühle zu beschreiben, beruft sich Klytaimestra mehrfach auf eine typische Frauenrolle (Ag. 592: ‚… h\ kavrta pro; " gunaiko; " ai[resqai kevar @ , 594: gunaikeivwi novmwi , 601 f.: tiv ga; r / gunaiki; touvtou fevggo" h{dion drakei'n , 239 vgl. 861). Den folgenden Teil der Rede (Ag. 605-614) soll der Herold dem Agamemnon ausrichten: Klytaimestra entwirft eine Selbstdarstellung als gunh; pisthv (vgl. 614: gunaiki; gennaivai ), eine Preisrede ( kovmpo" ) 240 auf ihre eigene eheliche Treue, die voller Übertreibung und Doppelbödigkeit ist. Agamemnon werde sie bei seiner Ankunft zuhause treu vorfinden, wie er sie verlassen habe, als des Hauses Hund (Ag. 606: gunai'ka pisth; n d j ejn dovmoi" eu{roi molw; n 241 / oi{anper ou\n e[leipe, dwmavtwn kuvna ). Die Hundemetapher, die über die ganze Orestie immer wieder auftaucht, 242 drückt die Kluft zwischen Anschein und Realität von Klytaimestras Haltung gegenüber Agamemnon aus; einerseits gilt der Hund als treuer Wächter, ein Beispiel dafür ist Argos, der Hund des Odysseus, auf den sein Herr gleich bei der Ankunft stößt (Od. r 291-327); auf der anderen Seite werden auch die Erinyen als Hunde bezeichnet. Weiter sagt Klytaimestra von sich, sie sei Agamemnon ergeben, feind- 238 Vgl. auch die Warnung von Agamemnons Schatten an Odysseus in der Nekyia, seiner Frau alles ( mu'qon a{panta ) zu erzählen (Od. l 441-443). 239 Vgl. Aesch. Eum. 34: deina; … ojfqalmoi'" drakei'n , Od. t 446: pu'r d j ojfqalmoi'si dedorkwv" , t 476: ejsevdraken ojfqalmoi'si , k 197; Gigli 1928, 46. 240 Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 613 f. schreibt diese Verse mit Hermann der Klytaimestra zu, nicht wie die MSS dem Boten. Diese Zusammenfassung unterstreicht den artifiziellen Charakter von Klytaimestras Rede. 241 Zu dem poetischen molwvn vgl. Od. g 44: deu'ro molovnte" . molei'n wird in der Tragödie häufig verwendet, um den Moment der Ankunft, meist der Heimkehr, zu bezeichnen (vgl. Ag. 192; 601; 767; 968 f.; Pers. 809; Suppl. 239; Soph. O. T. 1010; Phil. 239; Eur. Or. 176). 242 Vgl. Lebeck 1971, 66 f.; Aesch. Ag. 3; 135; 607; 694; 1093; 1228. Od. l 424 wird Klytaimestra bereits als kunw'pi" bezeichnet; vgl. Gigli 1928, 40. Agamemnon 69 lich den Übelgesinnten und im Bezug auf alles andere gleich geblieben (Ag. 608 f.: ejsqlh; n ejkeivnwi, polemivan toi'" duvsfrosin, / kai; ta[ll j oJmoivan pavnta ), wodurch der Eindruck entsteht, sie sei von Feinden Agamemnons, vielleicht von werbenden Männern, umlagert, aber innerlich standhaft. Das ist charakteristisch für Penelope in der Odyssee; bei Odysseus’ Ankunft beschreibt Athene ihr Verhalten (Od. n 379-381: hJ de; so; n aijei; novston ojduromevnh kata; qumo; n / pavnta" me; n e[lpei kai; uJpivscetai ajndri; eJkavstw/ , / ajggeliva" proi>ei'sa, novo" dev oiJ a[lla menoina'/ ), kurz bevor Odysseus seine Situation mit derjenigen Agamemnons vergleicht. Die Formulierung kai; ta[ll j oJmoivan pavnta (Ag. 609) kann heißen, Klytaimestra sei sich in jeder anderen Hinsicht gleich geblieben; die Standhaftigkeit Penelopes wird in der Odyssee häufig erwähnt, sprachlich besonders ähnlich in den Fragen des Odysseus an Teiresias (Od. l 178: hje; mevnei para; paidi; kai; e[mpeda pavnta fulavssei ). Es kann aber auch bedeuten, sie sei in jeder anderen Hinsicht so, wie sie sich gerade darstelle. 243 Dieses zweite Verständnis könnte implizieren, daß Klytaimestra in ihrer Selbstdarstellung einer Typologie folgt, die dem Publikum, dem internen wie dem externen, hinlänglich bekannt ist. Klytaimestra schließt damit, daß sie Vergnügen ( tevryi" ) und schlechte Nachrede durch den Umgang mit einem anderen Mann ( ejpivyogon favtin / a[llou pro; " ajndrov" ) genausowenig kenne wie das Gießen von Erz 244 (611 f.). Man kann hier an Penelope denken, die in ihrem Kummer keinen Sinn für die tevryi" des Gesanges von Phemios aufbringt (Od. a 346 f.: mh'ter ejmhv, tiv t j a[ra fqonevei" ejrivhron ajoido; n / tevrpein o{pph/ oiJ novo" o[rnutai ; ) oder sich mit den Gaben der Freier vor Beginn des Tanzes zurückzieht (Od. s 302-305: hJ me; n e[peit j ajnevbain j uJperwvi>a di'a gunaikw'n, / th'/ d j a[r j a{m j ajmfivpoloi e[feron perikalleva dw'ra. / OiJ 243 Denniston/ Page 1957 zu Aesch. Ag. 609: „either ‚the same (i. e. unchanged) in all other respects‘, or ‚and similar (i. e. similary loyal) in all etc.‘.“ Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 609 gibt die Möglichkeiten in umgekehrter Reihenfolge an: „Either: ‚like (corresponding to) the loyal attitude I have just described‘ (…). Or ‚remaining the same, unchanged‘.“ Er hält die erste für richtig: „(…) but I prefer the first meaning, because it seems to me better that she should say‚ I don’t want to go into details about all the rest; it is exactly what would be naturally expected after what I have said‘.“ Was „naturally expected“ ist, hängt vom „Erwartungshorizont“ der Rezipienten ab; die homerische Penelope kann zu dieser Zeit als bekanntes Modell einer treuen Gattin vorausgesetzt werden. 244 Zu calkou' bafav" vgl. Aesch. Ag. 612, vgl. auch 239; 960. Jenkins 1985, 123 versteht unter diesem Ausdruck das Färben von Bronze, einen Vorgang, bei dem sich zwei gegensätzliche, geschlechterspezifische Handwerksbereiche, Weben und Metallarbeit, vermengen; vgl. Aesch. Cho. 1011; vgl. auch Eur. Med. 1278. 70 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee d j eij" ojrchstuvn te kai; iJmerovessan ajoidh; n / treyavmenoi tevrponto, mevnon d j ejpi; e{speron ejlqei'n ). Die zweite Trugrede Klytaimestras, mit der sie Agamemnon bei seiner Ankunft begrüßt (Ag. 855-902), gebraucht noch übersteigertere Formulierungen als die Rede vor dem Boten, die Selbstdarstellung als gunh; pisthv wandelt sich von einem ironisierten Cliché zu einer schrillen Karikatur. Zunächst schildert Klytaimestra, an den Chor gewandt, das schwere Leben ( duvsforo" bivo" ), das sie in der Abwesenheit ihres Mannes habe führen müssen (855-876); nicht nur unter der Trennung, sondern auch unter Unglücksbotschaften habe sie gelitten (863: polla; " kluvousan klhdovna" paligkovtou" ), denen zufolge Agamemnon schon durchlöcherter als ein Netz ( diktuvon ) sein und sich schon mit drei Körpern, ein zweiter Geryon, ein Recht auf einen Mantel ( clai'na ) aus Erde erworben haben müsste; aus der Verstellung bricht Klytaimestras Mordvorstellung hervor. 245 Auch Penelope berichtet dem als fremder Bettler auftretenden Odysseus von dem Leben ohne ihren Mann (Od. t 127: eij kei'nov" g j ejlqw; n to; n ejmo; n bivon ajmfipoleuvoi ) und ihrer List, ein Gewebe ( fa'ro" ), das Grabtuch ( tafhvion ) für Laertes, herzustellen ( t 124- 147). 246 Penelope bekommt, wie Klytaimestra es von sich behauptet, falsche Botschaften über den Verbleib des Odysseus ( x 126-130: o}" dev k j ajlhteuvwn Iqavkh" ej" dh'mon i{khtai, / ejlqw; n ej" devspoinan ejmh; n ajpathvlia bavzei: / hJ d j eu\ dexamevnh filevei kai; e{kasta metalla'/ , / kaiv oiJ ojduromevnh/ blefavrwn a[po davkrua pivptei, / h} qevmi" ejsti; gunaikov", ejph; n povsi" a[lloq j o[lhtai ). Vor dem schlichten Schmerz der Penelope erscheint die Behauptung Klytaimestras, oft hätten fremde Hände die Schlinge von ihrem bereits darin hängenden Nacken lösen müssen (Ag. 875 f.), ins Lächerliche übertrieben. Erst im nächsten Abschnitt, in dem sie versucht, die Abwesenheit Orests zu erklären (877-886), spricht Klytaimestra Agamemnon direkt an. Orest sei zur Sicherheit bei dem Phoker Strophios, der Klytaimestra hinsichtlich zweier Bedrohungen, Agamemnons Tod vor Troja und einem politischen Umsturz in Argos, gewarnt habe. Diese Vorsichtsmaßnahme ( skh'yi" ) bringe keinen Betrug ( dovlo" ) mit sich. Inhaltlich entsprechend beklagt sich Agamemnons Schatten in der Nekyia, daß er Klytaimestras wegen um das Wiedersehen mit seinem Sohn gekom- 245 Reinhardt 1949, 94: „Im Unmaß der Verstellung zeigt sich ein Getriebensein, sie kann nicht halt machen, bevor ihr ganzes Inneres sich aus ihr herausgesagt hat.“ 246 Während Penelope von ihrem Mann als Abwesenden spricht (Od. t 127: kei'no" ), weist Klytaimestra in ihrer Rede direkt auf Agamemnon (Aesch. Ag. 860: ou|to" , 867: aJnh; r oJd j ), bevor sie ihn im Zusammenhang mit Orest anspricht (878 ff.). Agamemnon 71 men sei (Od. l 452 f.: hJ d j ejmh; oujdev per ui|o" ejniplhsqh'nai a[koiti" / ojfqalmoi'sin e[ase ). Anschließend begründet Klytaimestra, wie um Agamemnons mögliches Mißtrauen zu ersticken, ihre Tränenlosigkeit damit, daß ihre Augen übernächtigt seien und schmerzten, womit sie nochmals auf das vorige Thema, den duvsforo" bivo" der alleingelassenen Frau zurückkommt (Ag. 887-894). Die vorgeblichen Tränenströme und Augenschmerzen sind mit adjektivischen Rara epischer Färbung versehen (887 f.: klaumavtwn ejpivssutoi 247 / phgaiv , 889: ejn ojyikoivtoi" o[mmasin ); die Darstellung der vergeblichen Nachtwachen endet mit einem Enjambement, ausklingend auf der ionischen Form aijevn (890 f.: lampthrouciva" 248 / ajthmelhvtou" aijevn ). 249 Klytaimestra beschreibt ihre schlaflosen Nächte wiederum auf hyperbolische Weise: aus ihren Träumen sei sie durch den leichten Flügelschlag einer sie umsurrenden Mücke erwacht, 250 sie habe um Agamemnon mehr Gefahren ( pavqh ) gesehen, als Zeit zum Schlafen war. Auch hier ist ihre Ausdrucksweise doppeldeutig, es bleibt offen, ob sie die pavqh Agamemnons fürchtet oder herbeisehnt. Das Weinen vor dem Einschlafen und durchwachte Nächte gehören in der Odyssee zu der Darstellung Penelopes, sie selbst beschreibt sie dem als Bettler auftretenden Odysseus (Od. t 510- 534), gefolgt von einer Traumerzählung ( t 535-553). 251 Dem vergangenen duvsforo" bivo" stellt Klytaimestra abschließend die Gegenwart gegenüber (Ag. 895-902), als gunh; pisthv preist sie den Heimkehrer mit einer rhetorisch kunstvollen Kette von Apostrophen als Hund der Hürden, rettendes Vortau des Schiffes, festen Pfeiler des hohen Daches, einziges Kind des Vaters, Quellwasser für den durstigen Wanderer, Festland, das dem Seemann unverhofft erscheint, strahlendes Wetter, das man nach dem Sturm erblickt 247 Das Adjektiv ejpivssuto" kommt sonst nur Ag. 1150; Eum. 923 und Eur. Hipp. 575 vor; s. Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 1150. Zu den homerisch gefärbten Adjektiven bei Aischylos vgl. Lechner 1862, 25. 248 lampthroucivai ist ein Hapax. Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 890 f. bezieht es auf die Feuerzeichen, man hat aber auch das Tragen von Fackeln im Hausinneren darin gesehen, vgl. Blomfield, C. J.: Aijscuvlou jAgamevmnwn . Aeschyli Agamemnon. Ad fidem manuscriptorum emendavit, notas et glossarium adjecit. Leipzig 1823, Gloss. in Ag. 863 s. v. * lampthrouciva : „Quid si intelligamus per lampthrouciva" nocturnas faculorum accensiones, quibus veteres cubicula illustrare solebant? Ut lampth're" sint vigiles lucernae, ad quas Clytaemnestra se adsedisse dicat, dum conjux (sic) frustra exspectaretur.“ Vgl. Hom. Od. s 307-311; 343 f.; t 63 zu dieser Verwendung von lampthvr . Vgl. auch t 150: ejph; n dai? da" paraqeivmhn , Aesch. Cho. 536 f. Vgl. 4.2.4, S. 96; 98. 249 Vgl. Sideras 1971, 111. 250 Aesch. Ag. 891-893 parodiert möglicherweise Hom. Od. t 516 f. 251 Vgl. Garner 1990, 37. Vgl. auch Hom. Od. y 18 f. 72 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee (Ag. 900 f.: kai; gh'n fanei'san nautivloi" par j ejlpivda, / kavlliston h\mar eijsidei'n ejk ceivmato" ). Einige Bilder wirken als Metaphern der männlichen Schutzfunktion für Haus und Land merkwürdig, „Hund der Hürden“ (896) und „des Vaters einziges Kind“ 252 (898) lassen durchblicken, daß Klytaimestra nicht mehr allzuviel Achtung vor Agamemnon hat. Die naturalistischen maritimen Metaphern (897; 900 f.) sind eindeutig eine Anspielung an die Homilie der Odyssee, in der Odysseus Penelope wie ein rettendes Festland erscheint (Od. y 233-239: wJ" d j o{t j a]n ajspavsio" gh' nhcomevnoisi fanhvh/ , / w|n te Poseidavwn eujergeva nh' j ejni; povntw/ / rJaivsh/ , ejpeigomevnhn ajnevmw/ kai; kuvmati phgw'/ : / pau'roi d j ejxevfugon polih'" aJlo; " h[peirovnde / nhcovmenoi, pollh; de; peri; croi; tevtrofen a{lmh, / ajspavsioi d j ejpevban gaivh", kakovthta fugovnte": / w}" a[ra th'/ ajspasto; " e[hn povsi" eijsorowvsh/ ). 253 Sosehr sich die äußeren Situationen entsprechen, in denen die Bilder gebraucht werden, so entgegengesetzte Gefühlssituationen chiffrieren sie. In dem Gleichnis der Odyssee vollzieht Penelope gewissermaßen einen eigenen Nostos, der ihr Wiederzusammenfinden mit Odysseus ausdrückt; daß Klytaimestra in ihrer Situation darauf anspielt, ist der Gipfel der Ironie. Das Erzählmotiv der Trugrede hat vermutlich seinen Ursprung in der Heimkehrergeschichte, der Heimkehrende wendet sie zur Prüfung der Treue seiner Frau an. 254 In der Odyssee sind die zahlreichen längeren Trugreden, die Odysseus gegenüber Athene ( n ), Eumaios ( x ), Antinoos ( r ), Penelope ( r) und Laertes ( w ) hält, ein entscheidendes strukturgebendes Element. Im Agamemnon dagegen greift nicht der Heimkehrer sondern Klytaimestra zu einer Spielart dieser Textform, das traditionelle Schema ist verkehrt. In ihren beiden Trugreden stellt sich Klytaimestra als gunh; pisthv dar, die Entsprechungen mit der Odyssee zeigen, daß das Modell hierfür Penelope ist; Klytaimestra wendet das epische Cliché von der treuen Gattin an, um Agamemnon in Sicherheit zu wiegen. Für den Rezipienten, der den Orestie- und den Odyssee-Stoff kennt, entsteht durch die Kontrastierung mit der Figur der Penelope und der Handlung der Odyssee eine Spannung, die Klytaimestra und ihren Mordplan umso entsetzlicher erscheinen läßt. 255 In der dramatischen Umset- 252 Vgl. Hom. Il. Z 405-439; Soph. Aiax 514-522. 253 Sideras 1971, 207 vermutet ebenfalls an dieser Stelle eine Reminiszenz; vgl. Gigli 1928, 39 f.; vgl. Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 899-902. 254 Siehe Grossardt 1998, 12 f. 255 Kuntz 1993, 97; Conacher 1987, 33: „In both speeches, the patently innocent ‚Penelope-tone‘ of the faithfull grass-widow is exquisitely blended with the sinister Agamemnon 73 zung dieser Kontrastierung wird die Figur der Penelope zu Klytaimestras Rolle, einer Rolle innerhalb der Rolle; besonders in der ersten Trugrede kommt dieser Aspekt durch das rasche Auf- und Wiederabtreten zur Geltung. 256 Das homerische Erzählmotiv der Trugrede wird von Aischylos somit als dramatische Form der Rolle erkannt und als Reflexion über die Gattung Drama neu eingesetzt. 4.1.6 Die Teppichszene (Ag. 905-974) Kaum hat Klytaimestra die Begrüßungsrede im Tonfall der gunh; pisthv Penelope absolviert, lenkt sie über zur Realisation ihres Mordplans (Ag. 905 ff.). Die Teppichszene zeigt weitere Facetten des Verhältnisses zwischen Klytaimestra und Agamemnon und kontrastiert mit der Wiederbegegnung der Gatten in der Odyssee, bei der auch Gewebe eine wichtige Bedeutung haben. Klytaimestra fordert Agamemnon auf, aus dem Wagen zu steigen (Ag. 905-913); er soll aber nicht den Fuß, der Troja zerstört hat, auf den Erdboden setzen (906 f.: mh; camai; tiqei; " / to; n so; n povd j, w\nax, jIlivou porqhvtora ), vielmehr befiehlt sie ihren Dienerinnen, den Boden seines Weges mit kostbaren Teppichen zu bedecken; die Bahn soll sogleich mit Purpur ausgelegt werden (908-910: dmwiaiv, tiv mevlleq j, ai|" ejpevstaltai tevlo" / pevdon keleuvqou stornuvnai petavsmasin ; / eujqu; " genevsqw porfurovstrwto" povro" ), damit Dike ihn in ein Haus voller Überraschungen ( dw'ma a[elpton ) führe. Das übrige wird sorgliche Planung, die kein Schlaf besiegt, richtig und mit Hilfe der Götter fügen (912 f.: ta; d j a[lla fronti; " oujc u{pnwi nikwmevnh / qhvsei dikaivw" su; n qeoi'" eiJmarmevna ). In der Odyssee gibt Penelope für die erste Nacht, die der als Bettler erscheinende Odysseus in seinem Haus verbringt, ihren Dienerinnen den Befehl, den Fremden zu waschen, ihm das Lager zusammenzurichten, Bettstätten, Decken, schimmernde Teppiche, damit er sich bis zum Morgendämmer gut aufwärme (Od. t 317-319: ajllav min, ajmfivpoloi, ajponivyate, kavtqete d j eujnhvn, / devmnia kai; claivna" private irony which expresses for the Queen herself (and for the audience) her secret, delicious embracings for the deed to come.“ Bereits Gigli 1928, 39 f. sieht in den Reden Klytaimestras eine Penelope-Parodie. 256 Vgl. Taplin 1977, 300 ff. Alle Personen des Agamemnon außer Klytaimestra haben nur einen Auftritt; s. hierzu Erler 1992, bes. 34-38; 50; er bezieht sich auf eine Beobachtung Goethes in einem Brief an Wilhelm von Humboldt (1. Sept. 1816). 74 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee kai; rJhvgea sigaloventa, / w{" k eu\ qalpiovwn crusovqronon Hw' i{khtai ), 257 auch sie will ihre gute Planung des Empfangens von Gästen unter Beweis stellen ( t 325 f.: ei[ ti gunaikw'n / ajllavwn periveimi novon kai; ejpivfrona mh'tin ). Klytaimestra bleibt also, obwohl sie den Purpurteppich mißbraucht, indem sie ihn als Bodenbelag verwendet, teilweise in ihrer Penelope-Rolle; 258 das Motiv des Bades taucht in der Kassandra-Szene auf (Ag. 1109), wo die Seherin die hinterszenische Ermordung als Vision auf der Bühne nachvollzieht. Agamemnon begrüßt nun seinerseits Klytaimestra mit wohlgesetzten Worten des Tadels (Ag. 914-930). Er kritisiert die Länge ihrer Rede, das unangemessene Lob; sie soll ihn nicht verzärteln, als sei er eine Frau (918: gunaiko; " ejn trovpoi" ), ihn nicht, als sei sie ein Barbarenmann (919: barbavrou fwto; " divkhn ), auf den Boden hingestreckt begrüßen, auch nicht die Gewänder neiderregend auf seinen Weg breiten (921 f.: mhd j ei{masin strwvsas j ejpivfqonon povron / tivqei ); diese Ehre gebührt den Göttern, als Sterblicher kann er die bunten Prunkteppiche niemals ohne Angst betreten (923 f.: ejn poikivloi" de; qnhto; n o[nta kavllesin / baivnein ejmoi; me; n oujdamw'" a[neu fovbou ). Man soll ihn als Mensch, nicht als Gott ehren (925: levgw kat j a[ndra, mh; qeovn, sevbein ejmev ). Wie in der Antwort auf die warnende Begrüßung des Chores ist Neid ( fqovno" ) dasjenige, was Agamemnon vermeiden will. Auch hier versucht er, seine Unsicherheit 259 mit Redewendungen und allgemeinphilosophischen Aussagen zu überdecken: gesunder Verstand ( to; mh; kakw'" fronei'n ) sei das größte Göttergeschenk, man solle nur jemanden glücklich preisen, der sein Leben auch glücklich beendet habe (927-930). Anders als Agamemnon fürchtet Odysseus die Decken und glänzenden Teppiche nicht, er verabscheut sie. Als Begründung nennt er aus seiner Rolle als Kreter heraus, aber auch aus eigener Erfahrung, die vielen schlaflosen Nächte, die er schon auf unbequemem Lager zugebracht habe (Od. t 337-339: h\ toi ejmoi; clai'nai kai; rJhvgea sigaloventa / h[cqeq, o{te prw'ton Krhvth" o[rea nifoevnta / nosfisavmhn ejpi; nho; " ijw; n dolichrevtmoio ). 257 Vgl. Hom. Od. y 174-180. 258 Jenkins 1985, 112-115 verweist auf das Weben als Symbol des griechischen Mythos für die Unberechenbarkeit des weiblichen Charakters im positiven wie im negativen Sinn; als Beispiele nennt er einerseits Penelope, die die Freier mit ihrer Weblist täuscht, um den Haushalt zu bewahren (Od. b 94-110; t 138-156; w 129-146), andererseits Klytaimestra, die Gewebe als Mittel zur Zerstörung einsetzt (114). 259 Murray 1951, 218 zu Aesch. Ag. 914-957: „Observe his nervously repeated objections; the repetition shows his irresolution.“ Agamemnon 75 In der folgenden Stichomythie (Ag. 931-943) bringt Klytaimestra Agamemnon in kürzester Zeit dazu, seinen Entschluß, den Teppich nicht zu betreten (932), umzustoßen, indem sie ihn zuerst durch Reizwörter provoziert (933: deivsa" , 935: Privamo" , 937: aijdesqh'i" ), den Begriff fqovno" aufgreift (939: ajfqovnhto" ) und ihm schließlich schmeichelt (941: ojlbivoi" , 943: piqou' ). Agamemnons Nachgeben (944-957) geschieht gegen sein besseres Wissen, 260 er schiebt die Verantwortung für sein Handeln Klytaimestra zu (944; 956). Das geradezu lächerlich schnelle Aufgeben des eigenen Standpunktes kennzeichnet bereits den Agamemnon der Ilias, besonders sein Verhalten gegenüber Odysseus. 261 Bei dem Streit mit Odysseus während der Epipolesis nimmt Agamemnon seinen Tadel sofort zurück (Il. D 356-363), er unterstellt sogar, Odysseus habe die gleiche Denkungsart wie er ( D 361: ta; ga; r fronevei" a{ t j ejgwv per ). Als Odysseus über Agamemnons dritten Vorschlag, das Heer von Troja abzuziehen, in Zorn gerät, macht Agamemnon wiederum einen Rückzieher (Il. X 103-108). Von Klytaimestra überredet, läßt Agamemnon sich die Schuhe lösen, die er als „Sklaven seines Fußes“ bezeichnet, dann tritt er auf den Purpurteppich (Ag. 944-947: uJpaiv ti" ajrbuvla" / luvoi tavco", provdoulon e[mbasin podov", / kai; toi'sde m j ejmbaivnonq j aJlourgevsin qew'n ). Wieder wird mit dem Betreten des Teppichs durch den Fuß Agamemnons eine Unterwerfungsgeste verbunden (vgl. 907). 262 Die Umschreibung des Purpurstoffes mit aiJ aJlourgivde" , die seine Herkunft aus dem Meer unterstreicht, nimmt Klytaimestra am Anfang ihrer dunklen Worte, die Agamemnons Gang über den Purpurteppich ins Haus begleiten, thematisch auf (958-960). Wiederum im Unterschied zu Agamemnon bleibt Odysseus bei seiner Haltung und schläft in Tierfelle gehüllt in der Vorhalle ( u 1-4). Genauso lehnt er eine Fußwaschung ab ( t 343 f.: oujdev tiv moi podavniptra podw'n ejpihvrana qumw'/ / givgnetai ), keine von den Frauen, die im Haus Dienerinnen sind, werde seinen Fuß berühren ( t 344 f.: oujde; gunh; podo; " a{yetai hJmetevroio / tavwn ai{ toi dw'ma kavta drhvsteirai e[asin ), außer einer Greisin, die schon genausoviel erlitten habe wie er. Der Begriff pou'" , der in der Teppichszene als Sym- 260 Conacher 1987, 37 sieht in Agamemnons Verhalten einen Mangel an gesundem Verstand, to; mh; kakw'" fronei'n (Aesch. Ag. 927 f.). 261 Vgl. Haft 1989/ 90, 99 ff. 262 Lebeck 1971, 74-79 sieht das Betreten des Teppichs als Symbol für die Eroberung Trojas. Vgl. auch Goward 2005, 105 zur Verbindung von Ag. 957 ( patw'n ) mit 383 ( laktivsanti ). 76 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee bol für die Machtausübung Agamemnons eine Rolle spielt, könnte folglich ein Anklang an die Fußwaschungsszene der Odyssee sein. Bekräftigen würde die Vermutung, daß der Purpurteppich im Agamemnon mit Wasser, der Herkunft der Purpurschnecke, assoziiert wird (Ag. 946: kai; toi'sdev m j ejmbaivnonq j aJlourgevsin qew'n , 958-960: e[stin qavlassa, tiv" dev nin katasbevsei ; / trevfousa pollh'" porfuvra" ijsavrguron / khki'da pagkaivniston, eiJmavtwn bafav" ) und somit möglicherweise an das Wasserbecken in der Odyssee erinnert (Od. t 386-388; 469 f.). Agamemnon berührt mit dem Fuß den Purpurstoff, um in den sicheren Tod zu gehen, Odysseus taucht den Fuß in das Becken, um neu zum Leben zu erwachen, wiedererkannt zu werden. Der Bezug der Teppichszene des Agamemnon zur Odyssee setzt nicht nur die Kontrastierung zwischen Agamemnon und Odysseus, zwischen Klytaimestra und Penelope fort und hebt die unterschiedlichen Verhältnisse innerhalb der Figurenpaare hervor, er bedeutet auch eine Umsetzung der szenischen Elemente des homerischen Textes des t , das Hinbreiten der Decken, zu dem Penelope die Dienerinnen auffordert, das Entblößen von Odysseus’ Füßen, die Eurykleia gerade waschen will, in die Realität des Theaters. Das Stoff- Motiv des Epos, das dort auch in Form des Gewebes der Penelope vorkommt, wird neben der vielfältigen sprachlichen Verarbeitung zum Requisit verdichtet, 263 das durch seine Farbigkeit die Szene dominiert. 263 Auch das Wasserbecken ( levbh" ), das Eurykleia in der Odyssee herbeibringt (Hom. Od. t 386-388) und das so wirkungsvoll umgestoßen wird ( t 496 f.), könnte den Mord an Agamemnon in einer Wanne (Aesch. Ag. 1109; 1128 f.; 1129: levbhto" ), die als Requisit zu sehen ist (Ag. 1372 ff.), beeinflußt haben. Aufgefallen sind die Requisiten auch Reinhardt 1949, 106: „Man wird kaum umhin können, in Anbetracht ihres Effekts für die beiden Schluß- und Schauszenen, des Agamemnon wie der Choephoren, Tuch und Wanne für Erfindungen des Aischylos zu halten, Mittel theatralischer Sichtbarmachung.“ Vgl. Goward 2005, 33: „These cloths or clothes, over which Clytemnestra and Agamemnon debate, have no mythical precursors. Their use here shows Aeschylus’ original and highly developed sense of theatre’s symbolic potential: they are surely the most sinister ‚prop‘ in ancient tragedy.“ Vgl. hierzu auch Jenkins 1985, 116. Das Gewand, in das Klytaimestra Agamemnon verwickelt, ist schwer zu definieren (Aesch. Ag. 1115 f.; 1126; 1375; 1382 f.; 1492=1516; 1580), es ist unklar, ob auf der Bühne derselbe Stoff benützt wurde wie für die Darstellung des Teppichs (909 f.; 921; 923; 926; 936; 946; 949; 957; 960; 963); vgl. 358, 1048. S. Taplin 1977, 314; vgl. Herington 1985, 147 f. Goward 2005, 106- 108. Einige Bezeichnungen, die Orest für das Gewebe, in dem Agamemnon getötet wurde, verwendet, greifen den Begriff pou'" aus der Teppichszene auf (Cho. 998 f.: nekrou' podevnduton / droivth" kataskhvnwma , 1000: podisth'ra" pevplou" ); das könnte darauf hindeuten, daß es sich tatsächlich um dasselbe Requisit handelt. Agamemnon 77 4.1.7 Die Kassandraszene (Ag. 1072-1330) Im ersten, lyrischen Teil der Szene (Ag. 1072-1177) offenbaren sich der Seherin das Verbrechen des Atreus und die Ermordung Agamemnons in einer Kette von Visionen; Kassandra führt diese Visionen dann in rJhvsei" weiter aus (1178-1330). Der Bezug zur Odyssee tritt hier zurück, im Mittelpunkt steht die Vergangenheit und die unmittelbar drohende Zukunft des Atridenhauses, das Kassandra als „Menschenschlachtplatz“ (1092: ajndrosfagei'on ) bezeichnet. Dennoch könnten drei Textpassage, zwei Vergleiche (1140-1149; 1233-1236) sowie die Beschreibung Kassandras und Orests (1273 f.; 1282), mit der im Vorigen angelegten Assoziation an die Odyssee zusammenhängen. Kassandra klagt unablässig Apoll wegen ihres Schicksals an, der Chor vergleicht ihr Jammern mit demjenigen der Nachtigall (1140-1145). Sie sei wahnsinnig (1140: frenomanhv" ), von Gott getrieben, singe über sich selbst ein unmelodisches Lied wie die bräunliche 264 (1143: xouqav ), „unersättlich rufende, ach, mit traurigem Sinn um Itys, Itys klagende, über ihr von Übeln umgebenes Schicksal schluchzende“ Nachtigall (1144 f.: #Itun #Itun stevnous j … / ajhdwvn ). 265 Kassandra antwortet (1146-1149), das Leben der singenden Nachtigall sei gegen das ihre noch beneidenswert, auf sie warte nur die Spaltung mit der doppelschneidigen Waffe (1149: ejmoi; de; mivmnei scismo; " ajmfhvkei doriv ). Kassandras laute Klage und ihre Ermordung durch Klytaimestra sind bereits im „Atriden-Paradigma“ der Odyssee aus der Perspektive Agamemnons erwähnt (Od. l 421-423; 421 f.: oijktrotavthn d j h[ kousa o[ pa Priav mou qugatrov ", / Kassav ndrh" ). 266 Zudem gebraucht Penelope dasselbe Vogelbild in der Schilderung ihrer schlaflosen Nächte (Od. t 518-529): 267 wie wenn die Tochter des Pandareos, die fahle Nachtigall ( clwrhi; >" ajhdwvn) im Frühling im Laub der Bäu- 264 Vgl. Denniston/ Page 1957 zu Aesch. Ag. 1142. 265 Kassandra wird von Klytaimestra außerdem mit einer Schwalbe (Aesch. Ag. 1050- 1053) und einem Schwan (Ag. 1444-1446) verglichen; vgl. auch Ag. 1316. Zu einem weiteren Nachtigall-Vergleich s. Aesch. Suppl. 58-67. 266 Durch die Umkehrung der Perspektive entsteht hier der neuartige Szenentyp der „hinterszenischen“ Ermordung, bei der Kassandra, und mit ihr das Publikum, Agamemnons zweimaligen Todesschrei hört (Ag. 1343; 1345); vgl. Zimmermann 2010, 14: „Die kühne Neuerung des Dichters besteht darin, daß er dadurch den konventionellen Botenbericht ersetzt, in dem Ereignisse, die auf der Bühne nicht dargestellt werden können, ausführlich dargelegt werden.“ 267 Vgl. Garner 1990, 37; Sideras 1971, 244 f.; Gigli 1928, 40; Lechner 1862, 23. Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 1144 f.; s. auch Soph. El. 147-149. 78 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee me sitzt und singt, häufig ihre Stimme wechselt und um ihr Kind jammert, Itylos, den Sohn des Herrschers Zeus, den sie einst im Wahnsinn mit dem Schwert getötet hat ( t 522 f.: pai'd j ojlofuromevnh #Itulon fivlon, o{n pote calkw'/ / ktei'ne di j ajfradiva" ), so tobt ihr Gemüt entzweit bald hierhin, bald dorthin ( t 524: w}" kai; ejmoi; divca qumo; " ojrwvretai e[nqa kai; e[nqa ), ob sie zuhause bei ihrem Sohn Telemachos bleiben oder einen der Freier heiraten soll. Das Gleichnis der Odyssee ist ausführlicher, wegen der Übertragbarkeit des Verhältnisses von Mutter und Sohn auf den Kontext. Motivische Elemente, die in der Odyssee zu dem Gleichnis gehören, der Wahnsinn, die Tötung mit einer Waffe, vollziehen sich im Agamemnon an Kassandra selbst. Dem psychologischen Zwiespalt der Penelope steht die Furcht Kassandras, faktisch von einer Waffe gespalten zu werden, gegenüber. Wie im Fall der Vogelbilder der Parodos ergibt sich aus dem jeweiligen Kontext der Nachtigall-Vergleiche nichts, was auf eine bewußte Anspielung hindeuten würde. Andererseits wird das t der Odyssee, wie schon gezeigt, mehrfach als Folie verwendet: die Rede der Penelope, die das Nachtigall-Gleichnis enthält, wird in der zweiten Trugrede der Klytaimestra parodiert, Penelopes Aufforderung an die Mägde, dem Ankömmling ein Lager zu richten, Odysseus’ Reaktion darauf sowie die Fußwaschung kontrastieren in der Teppichszene. Es wäre also plausibel, daß das Nachtigall-Gleichnis, das sich in diesem dem Tragödiendichter vertrauten Kontext befindet, in die Kassandraszene mit eingeflossen ist. Ein weiterer Vergleich (Ag. 1233-1235), der möglicherweise mit dem Odyssee-Bezug des Agamemnon zusammenhängt, befindet sich im zweiten, gesprochenen Teil der Szene (1178-1330); Kassandra überkommt nochmals die Vision der geschlachteten Kinder des Thyest, und sie beschimpft heftig Aigisth und Klytaimestra (1215-1241). Sie kommentiert die Ankunftsszene, deren Doppelbödigkeit sie durchschaut hat, die Ahnungslosigkeit Agamemnons (1228: oujk oi\den ), die dieser immer zu verdecken suchte (838; 934: eijdwv" ), und die Trugrede der Klytaimestra (1228: glw'ssa mishth'" kunov" 268 ). Während sich Klytaimestra selbst als Penelope stilisiert, wählt Kassandra ein anderes Bild, ebenfalls aus der Odyssee, für sie, dasjenige der doppelköpfigen Skylla, die in den Felsen haust, den Seeleuten zum Verderben (1233 f.: ajmfivsbainan h] Skuvllan tina; / oijkou'san ejn pevtraisin, nautivlwn blavbhn ). Es folgt die vieldisku- 268 Vgl. Hom. Od. l 424: hJ de; kunw'pi" . Agamemnon 79 tierte Bezeichnung Klytaimestras als „rasende, höllische Mutter“ (1235: quvousan $Aidou mhvter j ). 269 Der Anklang an das Skylla-Abenteuer der Apologe (Od. m 73-100; 222-259; 426-446) hebt die Besonderheit von Agamemnons Schicksal hervor, daß für ihn Klytaimestra ist, was für Odysseus die plavnai sind, daß die Bedrohung für ihn nicht in der Heimfahrt liegt, sondern von seiner eigenen Frau ausgeht. 270 In dem Ausdruck $Aidou mhvthr könnte eine Assoziation an die Nekyia mitschwingen, wo Agamemnons Schatten gegenüber Odysseus diesen Zusammenhang formuliert (Od. l 406-410: ou[t j ejmev g j ejn nhvessi Poseidavwn ejdavmassen, / o[rsa" ajrgalevwn ajnevmwn ajmevgarton aju>tmhvn, / ou[te m j ajnavrsioi a[ndre" ejdhlhvsant ejpi; cevrsou, / ajllav moi Ai[gisqo" teuvxa" qavnatovn te movron te / e[kta su; n oujlomevnh/ ajlovcw/ ). Ein Bezug zur Odyssee könnte schließlich am Ende der Szene vorliegen; Kassandra beklagt ihr eigenes Unglück (Ag. 1256-1294), ihr Tod steht unmittelbar bevor; Apoll nehme ihr selbst die Sehertracht, in der sie unter seinen Augen von Freund und Feind verspottet wurde (1271: katagelwmevnhn ). Sie mußte es ertragen, umherschweifende Landstreicherin, elende Bettlerin, Hungerleiderin genannt zu werden (Ag. 1273 f.: kaloumevnh de; foita; " wJ" ajguvrtria / ptwco; " tavlaina limoqnh; " hjnescovmhn ). In ihrer Not denkt sie an einen anderen Umherirrenden, den künftigen Rächer Orest (1280- 1285); er wird kommen, die Mutter töten, den Vater rächen. Als unsteter Flüchtling und Verbannter des Landes wird er ankommen und für die Seinen die Freveltaten krönen (Ag. 1282-1285: fuga; " d j ajlhvth" th'sde gh'" ajpovxeno" / kavteisin a[ta" tavsde qrigkwvswn fivloi". / ojmwvmotai ga; r o{rko" ejk qew'n mevga", / a[xein nin uJptivasma keimevnou patrov" ). Das soziale Milieu des Ankömmlings und der Seherin hat somit wenig mit dem des heimkehrenden Heerführers Agamemnon gemein, umsomehr dagegen mit demjenigen, das den Heimkehrer Odysseus umgibt; die Bezeichnung Orests als ajlhvth" erscheint als Stilisierung, da Orest seit seiner Kindheit bei dem Phoker Strophios untergebracht ist (Ag. 879-881; vgl. Cho. 679). 271 Athene verwandelt 269 Vgl. Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 1235; die Schwierigkeit liegt nicht in $Aidou , der Genetiv ersetzt ein Adjektiv zu $Aidh" , sondern vielmehr in mhtevra . Nach Fraenkel bezieht sich quvousan $Aidou mhtevra zusammen mit der nächsten Apostrophierung Klytaimestras, a[spondon #Arh pnevousan , auf fivloi" (1236), was nicht nur Agamemnon meint, sondern bereits Orest und Elektra mit einschließt. 270 Vgl. Gigli 1928, 40. 271 Orest wiederholt die Formulierung Aesch. Cho. 1042. Vgl. auch Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 1282: „(…) in Orestes’s fate it is a frightful duplication that after his 80 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee den Angekommenen in einen Bettler (Od. n 429-438), der stets zuerst darauf aus ist, seinen hungrigen Magen zu füllen, und dem Geduld abverlangt ist, um auf den Moment der Rache zu warten ( n 306 f.: ei[pw q j o{ssa toi ai\sa dovmoi" e[ni poihtoi'si / khvde j ajnascevsqai ). Die Heimkehr wird dreimal von dem Seher Theoklymenos vorausgesagt ( o 525-534; r 152-161; u 351-357; 364-370), die Rache ist göttlich legitimiert durch Athene. Bereits in der Odyssee besteht ein Bezug zwischen Odysseus und Orest; im ersten Götterrat erinnert sich Zeus an Aigisth, den Orest getötet hat ( a 29 f.: mnhvsato ga; r kata; qumo; n ajmuvmono" Aijgivsqoio, / tovn rJ j jAgamemnonivdh" thlekluto; " e[ktan  Orevsth" ); obwohl die Verbindung scheinbar zwischen Aigisth und Odysseus gezogen wird, steht doch die erfolgreiche Tat des Orest wie ein Emblem vor der Erzählung von der erfolgreichen Heimkehr und Rache des Odysseus. Der Nachtigall-Vergleich und die Bezeichnung der Klytaimestra als Skylla bewegen sich innerhalb des im Agamemnon schon entstandenen Bezugsfelds zur Odyssee; die Gemeinsamkeiten der Darstellung des Orest in Kassandras Prophezeiung mit der Odysseus-Figur der Odyssee lassen Orest in der vom Epos geprägten Erwartung des Rezipienten schon im voraus als den „richtigen“ Heimkehrer erscheinen, im Gegensatz zu Agamemnon, und lenken die Aufmerksamkeit auf das folgende Stück, die Choephoren. 4.1.8 Die Auseinandersetzung zwischen dem Chor und Aigisth (Ag. 1577-1673) Nach der Ermordung Agamemnons treten die beiden Schuldigen, die Täterin Klytaimestra und der Anstifter Aigisth, nacheinander auf, halten eine Rede, in der sie ihre Freude über die gelungene Tat ausdrücken, und werden vom Chor attackiert. In der Konfrontation zwischen Klytaimestra und dem Chor (Ag. 1372-1576) scheinen die juristisch gefärbte Sprache und die Entwicklung der extremen Positionen der beiden Seiten zu einem Ausgleich schon auf den Prozeß und die Lösung der Eumeniden vorauszudeuten. 272 Die folgende Auseinandersetzung zwischen Aigisth und dem Chor greift zudem deed as before it he is to be ‚im Elend‘ (which means primarily ‚in exile‘ but also ‚in misery‘).“ Dirksen 1965, 20 f.; 82; Lesky 1931, 210 beschäftigen sich mit den in den Eumeniden erwähnten Irrfahrten des Orest, Dirksen sieht dabei eine Parallele zu Odysseus. Vgl. 4.3.2. 272 Siehe Taplin 1977, 328. Vgl. Aesch. Ag. 1412; 1421; 1429 f.; 1505 ff.; 1560. Agamemnon 81 stoffliche Elemente des „Atriden-Paradigmas“ der Odyssee auf und nimmt kontrastierend Bezug auf den Schluß des Epos. Durch den Auftritt des Aigisth und seiner Leibwache spitzt sich die Situation erneut zu (Ag. 1577 ff.). Aigisth stellt sich als Rächer seines Vaters Thyest dar, er beschreibt das grauenvolle Mahl, das Atreus diesem vorsetzte (1577-1603). Als berechtigter Planer des begangenen Mordes (1604: divkaio" tou'de tou' fovnou rJafeuv" ) 273 beansprucht er für sich das traditionelle Charakteristikum des Rächers, daß er, wie Odysseus und Orest, von außerhalb kommt: Atreus vertreibt ihn als das dreizehnte Kind zusammen mit seinem Vater (1606: sunexelauvnei ), noch klein und in Windeln; als er erwachsen ist, führt Dike ihn zurück (1607: trafevnta d j au\qi" hJ Divkh kathvgagen ), und er setzt den Anschlag, den er aus der Ferne (1608: qurai'o" w[n ) geplant hat, in die Tat um (1605-1609). Nach seiner Darstellung könnte mit der erfolgten Ermordung Agamemnons die Kette der Gewalttaten enden. Der Chor hat allerdings ein anderes Bild von Aigisth als das des ajlhvth" , er ist für ihn vielmehr wie eine Frau, die auf die aus dem Krieg Heimkehrenden wartet und das Haus hütet (1625 f.: tou; " h{konta" ejk mavch" mevnwn / oijkourov" ); er hat es nicht gewagt, die Tat selbst zu begehen (1635: dra'sai tovd j e[rgon oujk e[tlh" aujtoktovnw" ), er ist mit einem Wort ein Feigling (1643: ajpo; yuch'" kakh'" ) und wird bald von dem echten Ankömmling und Rächer Orest getötet werden (1647 f.: o{pw" katelqw; n deu'ro preumenei' tuvchi / ajmfoi'n gevnhtai toi'nde pagkrath; " foneuv" ). Aigisth reagiert mit tyrannischen Machtgebärden (1624: pro; " kevntra mh; lavktize , 1632: krathqei; " d j hJmerwvtero" fanh'i , 1639: a[rcein politw'n , vgl. 1633: tuvranno" Argeivwn ) und droht dem Chor mit Gefängnis und Hunger (1621; 1641 f.). Schließlich eskaliert die Auseinandersetzung (1649-1653), der Chor macht sich kampfbereit, Aigisth befiehlt seiner Leibwache, die Schwerter zu ziehen (1651: ei\a dhv, xivfo" provkwpon pa'" ti" eujtrepizevtw ). 274 Nur das Eingreifen Klytaimestras verhindert den Kampf (1654- 1661), sie bittet Aigisth einzuhalten; es sei schon genug Leid geschehen, sie will kein weiteres Blutvergießen (1656: phmonh'" d j a{li" uJpavrcei: mhde; n aiJmatwvmeqa ). Das verbale Nachgefecht (1662-1671), 273 Vgl. Od. p 379: fovnon … ejravptomen , p 421-423; g 118; Gigli 1928, 46; Lechner 1862, 14. 274 Die Verteilung dieser Verse an die jeweiligen Personen geht davon aus, daß der Chor keine Schwerter trägt, Aesch. Ag. 1651 also von Aigisth gesprochen werden muß. Vgl. Denniston/ Page 1957 zu Aesch. Ag. 1650-3. 82 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee das sich Aigisth und der Chor anschließend liefern, beendet wieder Klytaimestra, die damit das letzte Wort behält (1672 f.). Zur Odyssee besteht zum einen eine stoffliche Verbindung: bereits im „Atriden-Paradigma“ ist Aigisth als Feigling dargestellt, der nicht am Krieg teilgenommen hat (Od. g 262-264: hJmei'" me; n ga; r kei'qi poleva" televonte" ajevqlou" / h{meq j: oJ d j eu[khlo" mucw'/ #Argeo" iJppobovtoio / povll j jAgamemnonevhn a[locon 275 qevlgesken e[pessin , vgl. g 310: ajnavlkido" Aijgivsqoio ). Er tritt ebenfalls als tyrannischer Herrscher auf, er scheint hier allerdings Agamemnon selbst getötet zu haben ( g 304: eJptavete" d j h[nasse polucruvsoio Mukhvnh" / kteivna" Atrei? dhn, devdmhto de; lao; " uJp j aujtw'/ ). Entsprechend ist eine „Eliteeinheit“ Aigisths erwähnt, die Agamemnon und seinen Leuten bei einem Gastmahl einen Hinterhalt bereitet ( d 530 f.: krinavmeno" kata; dh'mon ejeivkosi fw'ta" ajrivstou" / ei|se lovcon, eJtevrwqi ajnwvgei dai'ta pevnesqai ). Darüberhinaus liegt ein struktureller Bezug zum Schluß der Odyssee vor: auch dort weitet sich die private Rache zuletzt zu einem Politikum aus (Od. w 413 ff.), 276 was zu einer bewaffneten Konfrontation führt ( w 463 ff.); ein Teil der Verwandten der ermordeten Freier, den Eupeithes anführt, verlangt nach Gegenrache und zieht gerüstet zum Landgut des Laertes, wo sich Odysseus aufhält ( w 463-471). Die andere Partei, Odysseus und seine Mitstreiter, ist vorbereitet und bewaffnet sich ebenfalls ( w 489-501). Mit Athenes Hilfe tötet der greise Laertes den Eupeithes; als daraufhin der Kampf erst richtig loszubrechen beginnt ( w 526 f.: ejn d j e[peson promavcoi" Oduseu; " kai; faivdimo" uiJov", / tuvpton de; xivfesivn te kai; e[gcesin ajmfiguvoisi ), greift die Göttin auf Rat des Zeus schlichtend ein ( w 529 ff.), um den Streit unblutig beizulegen ( w 531 f.: i[scesqe ptolevmou, Iqakhvsioi, ajrgalevoio, / w{" ken ajnaimwtiv ge diakrinqh'te tavcista ). Odysseus ist allerdings erst auf ein Donnerzeichen des Zeus und ein wiederholtes Eingreifen Athenes dazu zu bewegen, abzulassen. Genauso wie Aigisth als berechtigter Rächer seines Vaters angesehen werden möchte, maßt sich Klytaimestra die Rolle der Streitschlichterin an, die gerade ihr am wenigsten zukommt, da sie die eigentliche Mörderin Agamemnons ist. Betrachtet man den Schluß des Agamemnon als Anklang an den Schluß der Odyssee, zeigt sich noch deutlicher, wie wenig nach dem ersten Stück der Trilogie eine wirkliche Lösung erreicht ist. 275 Vgl. Aesch. Ag. 1499: Agamemnonivan … a[locon . 276 Vgl. Hommel 1955, 242. Choephoren 83 Aigisth ist nicht die Rächerfigur nach epischem Maßstab, als die er erscheinen will, das trifft vielmehr auf den von Kassandra angekündigten Orest zu (Ag. 1280-1285). Noch verstiegener aber ist vor dem Hintergrund der Odyssee der Versuch Klytaimestras, die Rolle der Schlichterin zu übernehmen, als Täterin die dea ex machina zu spielen. Durch die Assoziation der epischen Folie verstärkt sich somit für den Rezipienten die Dissonanz des Schlusses, die zum folgenden Stück weiterdrängt. Darüberhinaus ist die szenische Umsetzung der im Epos erzählten bewaffneten Konfrontation und ihres Abbruchs in letzter Minute choreographisch sehr ergiebig. 277 4.2 Choephoren Choephoren 4.2.1 Der Prolog des Orest (Cho. 1-21) Die Heimkehr Orests wird im Agamemnon vorbereitet, 278 mit dem Beginn der Choephoren setzt unmittelbar die Rachehandlung ein. 279 Diese Rachehandlung zeigt deutliche Parallelen zur Struktur der zweiten Hälfte der Odyssee. In Orests Prolog entstehen durch die Anrufung des Hermes und die Lauscherszene Anklänge an das Epos. Der Heimkehrer Orest wird nicht, wie Agamemnon, erwartet, er eröffnet am Grab des Vaters aktiv das Stück mit einem Gebet 277 Vgl. Reinhardt 1949, 9-12. Zu der dramatischen Deutung bestimmter Passagen von Hom. Il. Z , C in Aesch. Sept. vgl. Zimmermann 2004, 197-199. Das visuelle Element bei Aischylos hebt Herington 1985, 144-150 hervor, bes. 145: „By some means Aeschylus has already acquired a truly unique mastery in the blending of verbal and visual poetry - a mastery that I cannot parallel in any other poetdramatist known to me of any date.“ 278 Vgl. Taplin 1977, 333; Aesch. Ag. 877-886; 1280-1285; 1646-1648; 1667; vgl. auch die Selbstdarstellung Aigisths Ag. 1603 ff. 279 Taplin 1977, 357-359 spricht von einer AAB-Struktur der Trilogie; Deforge 1997 sieht Agamemnon und Choephoren als Diptychon; dagegen konstatiert Van Erp Taalman Kip 1996, 130 im Bezug auf die Bewertung von Agamemnons Ermordung und des Muttermordes „a deep rift between the first play and the other two“. Murray 1951, 180 betont die Handlungsdichte der Choephoren, die auf der im Agamemnon geschaffenen Atmosphäre schon aufbauen können. Stößl 1937, 23 bemerkt die straffere Komposition der Choephoren im Vergleich zu derjenigen des Agamemnon. 84 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee an Hermes Chthonios, der die väterliche Macht ausübt, 280 und den er sich als Retter ( swthvr ) und Mitstreiter ( suvmmaco" ) erfleht; im Agamemnon hat der Ankommende dagegen kein persönliches Verhältnis zu den Göttern, Hermes wird nur einmal von dem Boten, bei dessen Ankunft, angerufen (Ag. 514 f.). In den Choephoren ist Hermes die Gottheit, in deren Zuständigkeit die Durchführung des von Apoll in Auftrag gegebenen Anschlags gegen Klytaimestra und Aigisth fällt, und an die sich alle Beteiligten wenden, Orest selbst als Rächer, Elektra (Cho. 124 ff.), der Chor der Sklavinnen (812-818; vgl. 622; 727). Mit Hermes verbunden ist der Begriff der List ( dovlo" ), der schon im Agamemnon im Bezug auf Klytaimestras Tat gebraucht wird (Ag. 1495=1519; 1523) und die Choephoren als Leitmotiv der Gegentat durchzieht (Cho. 556 f.; 726; 888; 947; 955; 1003). 281 Wie schon im Zusammenhang mit der Botenszene des Agamemnon erwähnt, 282 ist auch in der Odyssee Hermes am Geleit des Heimkehrers beteiligt. Im ersten Götterrat schlägt Athene vor, Hermes auf die Insel Ogygia zu senden, um Kalypso den Beschluß von Odysseus’ Heimkehr mitzuteilen (Od. a 84-87), in der zweiten Götterversammlung erhält er von Zeus den Auftrag dazu und führt ihn durch ( e 28-148). Hermes warnt Odysseus vor der Zauberin Kirke und gibt ihm, um ihn zu erlösen und zu retten ( k 286: ajll j a[ge dhv se kakw'n ejkluvsomai hjde; sawvsw ), als Gegenmittel das Kraut Moly ( k 277-308). In einer Prüfungsrede an Eumaios gibt Odysseus vor, bei den Freiern als Diener arbeiten zu wollen, wozu ihm Hermes das Geschick ( drhstosuvnh ) verliehen habe ( o 319-324). Es besteht sogar eine besondere Verbindung zwischen Hermes und der Familie des Odysseus: Autolykos, Odysseus’ Großvater mütterlicher- 280 Es ist umstritten, ob mit patrw'/ a der Vater des Hermes, Zeus, oder der Vater des Orest, Agamemnon, gemeint ist. Im Dichteragon der Frösche des Aristophanes vertreten Aischylos und Euripides jeweils eine der Deutungen (Ar. Ran. 1141- 1146). Nach Euripides heißt es ironisch: „du, der du die Gewalttat gegen meinen Vater beschützt hast“, nach Aischylos: „du, der du die Macht, die dir dein Vater verliehen hat, ausübst“. Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 1 meint, beide Interpretationen müßten falsch sein, da sonst keine komische Wirkung entstehen könne; er versteht patrw'/ a kravth als die herrschaftliche Autorität Agamemnons. Es ist aber viel plausibler, anzunehmen, daß Orest von der Macht des Zeus spricht und so versucht eine gemeinsame Ebene mit Hermes, der auch Sohn seines Vaters ist, herzustellen. Außerdem wäre damit die direkte Anrufung Aesch. Cho. 18 vorbereitet und das letzte Argument für den Freispruch Orests, der Wille des Zeus (Aesch. Eum. 616-621), bereits zu Beginn der Rachehandlung angelegt. 281 S. Vogt 1994, 99; Dalfen 1983, 61; Brunel 1971, 66-68; Diller 1971b, 208. 282 Vgl. 4.1.3, S. 55 f. Choephoren 85 seits und sein Namensgeber, hat seine herausragende Verschlagenheit ( kleptosuvnh) von Hermes selbst ( t 395-398). 283 Wie in den Choephoren ist in der Odyssee das dovlo" -Motiv durchgehend verwendet, vor allem in der Charakterisierung des Odysseus (z. B. n 291 f.: kerdalevo" k j ei[h kai; ejpivklopo" o{" se parevlqoi / ejn pavntessi dovloisi, kai; eij qeo; " ajntiavseie ), aber auch für die Weblist der Penelope ( b 93). 284 Mit dem Gebet an Hermes steht also die Rachehandlung unter dem Schutz eines Gottes, der die epische Heimkehrgeschichte des Odysseus begleitet. Orest legt eine Haarlocke auf dem Grabhügel seines Vaters nieder (Cho. 7-9). Da erblickt er eine Frauenschar, die Trankspenden bringt, und rätselt in einer Reihung von Fragen darüber, wer die Frauen sind, und was sie bei Agamemnons Grab wollen (10-15). Dann glaubt er, darunter Elektra, seine Schwester, zu erkennen (16-18). Er bittet nun Zeus selbst, Mitstreiter ( suvmmaco" ) bei der Rache für die Ermordung seines Vaters zu werden (18 f.). Um den genauen Anlaß für den Bittgang der Frauen zu erfahren, fordert er seinen Begleiter Pylades, der als kwfo; n provswpon nur unmittelbar vor der Ermordung Klytaimestras (900-902) spricht, 285 dazu auf, mit ihm beiseite zu treten (Cho. 20 f.: Pulavdh, staqw'men ejkpodwvn, wJ" a]n safw'" / mavqw gunaikw'n h{ti" h{de prostrophv ), wodurch eine für die Tragödie untypische Lauscherszene entsteht. 286 Die vorsichtige Haltung Orests (16: dokw' , 20 f.: wJ" a]n safw'" / mavqw ), die im Gegensatz zu Agamemnons angemaßter Kennerhaltung (Ag. 838; 934: eijdwv" ) steht, rückt ihn in die Nähe zu Odysseus. Orest sucht zuerst das Grab des Vaters auf, bevor er sich zum Haus der Atriden begibt, entsprechend zu Odysseus’ Aufenthalt bei Eumaios (Od. x , o , p , r ) vor der eigentlichen Heimkehr ( r ). Wie Orest in Begleitung des Pylades als Teil eines Figurenpaares auftritt, vollzieht Odysseus den Weg in sein Haus gemeinsam mit Eumaios (Od. r 200: tw; bhvthn , 261: sthvthn ejrcomevnw ). 287 Mögli- 283 Zu einem Überblick über die Auftritte des Gottes Hermes in der Odyssee s. auch Michel 2008, 30-32. 284 Zum dovlo" -Motiv innerhalb des „Atriden-Paradigmas“ vgl. Hom. Od. a 300; g 198; 250; 308; d 92; 525; 529; l 422; 439. 285 Vgl. Taplin 1977, 334. 286 Ders., 334-336. 287 Garvie 1986, Introd. xiv sieht in der Figur des Pylades Spuren einer älteren Version des Mythos, in der Hermes selbst von Apoll gesandt wurde, um Orest zu geleiten. Pylades und sein Vater Strophios könnten demnach Formen des Hermes Strofeuv" , Strofai'o" , Pulai'o" , Propuvlaio" , Pulhdovko" , Puvlio" gewesen sein. Vgl. ders. 1970, 87 f. Auch Eumaios hat möglicherweise eine Verbindung zu Hermes, dem Maiavdo" uiJov" , dem er ein Schweineopfer bringt (Od. x 435 f.). 86 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee cherweise klingt auch die Passage der Odyssee an, in der Odysseus Nausikaa und deren Dienerinnen, die ihn durch ihr Geschrei beim Ballspiel geweckt haben, aus einem Versteck im Gebüsch heraus beobachtet (Od. z 110 ff.): Odysseus stellt sich in ähnlicher Weise eine Reihe von Fragen darüber, in welchem Land er sei, ob die Mädchen gastfreundlich, Nymphen oder Sterbliche seien ( z 118-124; 118: eJzovmeno" d j o{rmaine kata; frevna kai; kata; qumovn ). Auch Odysseus will Klarheit darüber, wer die Mädchen sind ( z 126: ajll j a[g j ejgw; n aujto; " peirhvswmai hjde; i[dwmai ), verläßt dafür aber sein Versteck. Eine choreographische Anregung könnte Aischylos auch in dem Kollektiv der auftretenden Frauen, unter denen sich die Protagonistin befindet, gesehen haben. 288 Diese eher flüchtige Assoziation mit der Begegnung von Odysseus und Nausikaa wird in der Elektra des Euripides ausgearbeitet. 289 Der Prolog bestätigt die in der Prophezeiung Kassandras angedeuteten Parallelen zwischen Orest und Odysseus (Ag. 1280-1285). Der göttliche Beistand durch Hermes und die Vorsichtigkeit Orests lassen vor dem epischen Hintergrund trotz der Atmosphäre von Unsicherheit und Gefahr den Rezipienten bereits ahnen, daß die Rachehandlung erfolgreich verlaufen wird. Die beobachtende, prüfende Haltung des epischen Helden, die in der Odyssee immer wieder beschrieben wird, bekommt in der Lauscherszene eine innovative choreographische Form, die stetige Begleitung des Odysseus durch Eumaios könnte zu einer dritten Bühnenfigur 290 angeregt 288 Kraias 2008, 58-73 untersucht ausführlich den Bezug zwischen der Begegnung von Orest und Elektra in den Choephoren und der Begegnung von Odysseus und Nausikaa in der Odyssee; er versucht den gleitenden, choreographischen Bezug auch auf den jeweiligen Kontext auszudehnen, was nicht durchgehend überzeugt. Als „Knotenpunkte“ des Bezuges sieht Kraias das Auftreten einer Frauengruppe und dessen Motivation durch einen Traum (60 f.). Er stellt eine „erstaunliche Analogie“ zwischen den beiden ganzen Szenen fest. Allerdings handelt es sich, wie Kraias selbst einräumt (68), bei der Begegnung zwischen Orest und Elektra um eine Wiedererkennung, Odysseus und Nausikaa sehen sich zum ersten Mal, ihre Begegnung bleibt Episode. 289 Vgl. 6.1; 6.3. 290 Glucker 2000, 49 meint, daß der dritte Schauspieler zwar von Aischylos verwendet, aber von Sophokles eingeführt wurde; Arist. Poet. 4, 1449a15; Diog. Laert. 3, 56; Vita Soph. 4=TrGF 4 T 1, 23; Suda s. v. Sofoklh'" =TrGF 4 T 2, 3; vgl. dag. Vita Aesch. 15=TrGF 3 T 1, 57-59; Themist. Or. 26, 316D=TrGF 3 T 101; zu den gesammelten Belegen s. TrGF 3 T 100-102; TrGF 4 T 95-98; siehe auch Knox 1979b, 40 ff.; Glucker 1969. Nach Marshall 2002/ 2003, 270 verkörpert dieser dritte Schauspieler in der Orestie als Kassandra im Agamemnon, als Pylades in den Choephoren, sowie als Pythia und Apoll in den Eumeniden „the voice of Apollo“. Choephoren 87 haben, deren kontinuierliche Präsenz gerade durch ihr Schweigen hervorgehoben wird. 4.2.2 Die Wiedererkennungsszene (Cho. 164-245) Die Wiedererkennung Orests durch Elektra stellt eine entscheidende Etappe der Heimkehr nach dem Handlungsmuster Novsto" - Anagnwvrisi" - Mhcavnhma eines „play of return and revenge“ dar, das in den Choephoren zum ersten Mal in der erhaltenen Tragödie dramatisch umgesetzt ist. 291 In dem epischen Modell für dieses Handlungsmuster, 292 der Odyssee, ist die Wiedererkennung ein zentrales Erzählmotiv, das als lösendes Komplementär zum Motiv der Trugrede mehrfach angewendet und vielfältig variiert wird. 293 Nach der Parodos fragt Elektra den Chor um Rat, mit welchen Worten sie den von Klytaimestra angeordneten Weihguß vollziehen soll (Cho. 84-105); Orest, der ihr heimlich zuhört, erfährt dabei, daß seine Schwester und die Dienerinnen untereinander solidarisch gegen das Herrscherpaar des Hauses eingestellt sind (101: koino; n ga; r e[cqo" ejn dovmoi" nomivzomen ). Der Chor antwortet, immer wieder von Rückfragen Elektras unterbrochen (106-123), sie solle das Gebet für sich selbst, dann für ihn, den Chor, und schließlich auch für Orest sprechen (115: mevmnhs j jOrevstou, keij qurai'ov" ejsq j o{mw" ), für die Schuldigen aber die Ankunft eines Menschen oder Gottes erbitten (119: ejlqei'n tin j aujtoi'" daivmon j h] brotw'n tina ). Auf die vor- 291 Taplin 1977, 124; Matthiessen 1964, 108-111; Diller 1971b, 306 f.; West 1990, bes. 4-6; 20 stellt bei seiner Untersuchung der Komposition der aischyleischen Tragödie zwei Phasen fest, „charging“ und „discharging“. Während novsto" und ajnagnwvrisi" innerhalb der ersten Phase von Wests Modell stattfinden, würde das mhcavnhma in die zweite hineinreichen („completion of the story“). 292 In den Nosten fand nach Proklos die Wiedererkennung des Neoptolemos durch dessen Großvater Peleus statt (Procl. Chrest. 300 Severyns=Nost. arg. 16, p. 95 PEG=Procl. Nost. enarrat. 23 f., p. 67 EGF); am Schluß des Epos wurde vielleicht auch Orest durch Angehörige wiedererkannt; allerdings ist anzunehmen, daß diese Wiedererkennungen nicht sehr breit ausgeführt waren; vgl. Matthiessen 1964, 107 f. Einen starken Einfluß auf die Szene hatte sicher auch die Wiedererkennung der Oresteia des Stesichoros, s. 217 PMGF. 293 Eustath. Od. 1873, 44 ff., bes. 44-54: Crh; de; shmeiwvsasqai kai; oi{oi" proswvpoi" eJauto; n kai; o{pw" ejpivsteusen jOdusseu; " i{na kai; ou{tw" hJ poihtikh; poikiliva diadeicqeivh kai; to; th'" plavsew" poluvtropon … paradovxw" ou\n kai; polutrovpw" ajnegnwrivsqh pa'sin, oi|" h\lqen eij" gnw'sin , mhdeno; " ajnagnwrismou' sumpesovnto" eJtevrw/ ajnagnwrismw'/ to; suvnolon: a[llw" ga; r Thlemavcw/ , eJtevrw" th'/ Eujrukleiva/ , eJtroivw" toi'" douvloi", paradoxovteron de; th'/ Penelovph/ , a[llon de; trovpon tw'/ Laevrth/ , kai; o{lw" ajnomoivw" a{pasin . Siehe auch Richardson 1983, 229. 88 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee sichtige Frage Elektras hin, ob ein Richter oder ein Rächer gemeint sei, weicht der Chor aus, sie solle einfach sagen: jemand der den Mord mit Mord vergelten werde. Die ratsuchenden Fragen Elektras deuten auf ihre Hilflosigkeit hin. 294 In einem Gebet (124-148), das sie Hermes an die Götter der Unterwelt weiterzutragen bittet, fleht sie Agamemnon an, er möge sich ihrer und Orests erbarmen (130 f.: ejpoivktirovn t j ejme; / fivlon t j jOrevsthn ), und schildert die Situation im Haus (132 f.: pepramevnoi ga; r nu'n gev pw" ajlwvmeqa / pro; " th'" tekou'sh" , 135-137: kajgw; me; n ajntivdoulo", ejk de; crhmavtwn / feuvgwn Orevsth" ejstivn, oiJ d j uJperkovpw" / ejn toi'si soi'" povnoisi clivousin mevga ). Sie wünscht, Orest möge doch kommen (138: ejlqei'n d j jOrevsthn deu'ro ) und Rache nehmen. Der versteckte Ankömmling hört also vor der Wiedererkennung mehrfach, wie sein Name genannt und sein Kommen herbeigesehnt wird, er sieht die Notlage, in der sich seine Schwester befindet. Entsprechend beschreibt in der Odyssee Telemachos gegenüber dem fremden Bettler die Zustände im Haus in Ithaka (Od. p 113- 129), seine Hilflosigkeit als Einzelkind, die Bedrängnis durch die Freier ( p 127 f.: toi; de; fqinuvqousin e[donte" / oi\kon ejmovn: tavca dhv me diarraivsousi kai; aujtovn ) und wünscht, sein Vater möge heimkehren ( p 148 f.: eij gavr pw" ei[h aujtavgreta pavnta brotoi'sin, / prw'tovn ken tou' patro; " eJloivmeqa novstimon h\mar ), bevor dieser sich zu erkennen gibt. Auch der Wiedererkennung durch Eurykleia und Penelopes Erkennen ihres Mannes innerhalb der Trugerzählung des angeblichen Kreters geht eine Schilderung der Lage in Ithaka voraus ( t 124-161); Penelope ersehnt Odysseus’ Heimkehr ( t 127 f.: eij kei'nov" g j ejlqw; n to; n ejmo; n bivon ajmfipoleuvoi, / mei'zovn ke klevo" ei[h ejmo; n kai; kavllion ou{tw ) und beklagt sich über die Freier ( t 133: oi{ m j ajekazomevnhn mnw'ntai, truvcousi de; oi\kon ). In den Choephoren beginnt die Wiedererkennungsszene selbst damit, daß Elektra die von Orest geopferte Haarlocke ( bovstruco" ) vorfindet (Cho. 164-204), ein Motiv, das wohl schon in der Oresteia des Stesichoros verwendet wurde (217, 11-13 PMGF). Hier ist Elektra diejenige, die auf die unsicheren Fragen des Chores antwortet; sie meint, eine Ähnlichkeit mit ihrem eigenen Haar festzustellen, beginnt zu weinen, zögert aber noch, der Vermutung, die Locke könne eine Spende Orests sein (177: mw'n ou\n Orevstou kruvbda dw'ron 294 Vgl. Conacher 1987, 105; Tarkow 1979, 16. Dagegen sieht Auer 2006, 259 in diesen Fragen „leading questions“, die, wie die Organisation des Trankopfers und das Gebet, auf Elektras starken Charakter und ihre starke persönliche Motivation zur Rache deuten (260). Choephoren 89 h\n tovde ; , 192-194: ejgw; d j o{pw" me; n a[ntikru" tavd j aijnevsw, / ei\nai tovd j ajglavismav moi tou' filtavtou / brotw'n Orevstou ), offen zuzustimmen. Da stößt sie auf ein zweites Zeichen ( deuvteron tekmhvrion ), die Fußabdrücke ( stivboi ) von Orest und Pylades (205-211); merkwürdigerweise erkennt sie zweifelsfrei diejenigen von Orest, sie stimmen angeblich mit ihren eigenen überein. In diesem Moment tritt Orest aus seinem Versteck hervor und gibt sich zu erkennen (212-245); zuerst zögert Elektra (220: ajll j h\ dovlon tin j, w\ xevn j, ajmfiv moi plevkei" ; ), aber Orest kann sie durch die Schlußfolgerung 295 , daß Haarlocke und Fußspur, die sie als zu Orest gehörig erkannt hat, von ihm stammen, er also Orest sein muß, und durch ein drittes tekmhvrion , ein von ihr selbst geschaffenes Gewebe ( u{fasma ) mit einem Tierbild von seiner Identität überzeugen. Er mahnt sie jedoch sofort, ihre Freude zu mäßigen, da er fürchtet, ihr Jubel könnte im Haus gehört werden (233 f.: e[ndon genou', cara'i de; mh; kplagh'i" frevna", / tou; " filtavtou" ga; r oi\da nw'in o[nta" pikrouv" , 555, 581 f.). Eurykleia erkennt Odysseus bei der Fußwaschung ebenfalls durch ein Zeichen wieder, der Narbe an seinem Fuß, die ihm ein Eber geschlagen hat (Od. t 386-475); 296 wie Orest gegenüber Elektra versucht Odysseus die Freude der Amme gewaltsam zu dämpfen ( t 479-486; 485 f.: ajll j ejpei; ejkfravsqh" kaiv toi qeo; " e[mbale qumw'/ / sivga, mhv tiv" t j a[llo" ejni; megavroisi puvqhtai , vgl. c 409-412); das tekmhvrion der Fußabdrücke in den Choephoren könnte, wie Agamemnons Betreten des Purpurteppichs (mit dem Fuß: Ag. 907; 945), an die Niptra anklingen; 297 Euripides, der die Zeichen der Choephoren in seiner Elektra parodiert (Eur. El. 518 ff.), bezieht sich noch direkter auf Homer, indem er Elektra Orest durch eine Narbe, die dieser sich bei der Hirschjagd zugezogen hat, erkennen läßt. 298 Kurz vor 295 Vgl. Arist. Poet. 16, 1455a4-6. 296 Vgl. Arist. Poet. 16, 1454b25-30; Hogan 1973, 99 f. 297 Penelope vergleicht Hände und Füße des Fremden mit denjenigen des Odysseus (Od. t 358 f.: kaiv pou Odusseu; " / h[dh toiovsd j ejsti; povda" toiovsde te cei'ra" ). Auch Eurykleia fällt die Ähnlichkeit der Füße auf ( t 381: wJ" su; devma" fwnhvn te povda" t j jOdush'i> e[oika" ). Die Ähnlichkeit von Telemachos’ Händen und Füßen mit denen des Odysseus wird außerdem von Menelaos hervorgehoben ( d 149: keivnou ga; r toioivde povde" toiaivde te cei're" ). 298 Vgl. Lange 2002, 72 f.; Garvie zu Aesch. Cho. 164-245. Vgl. 6.4. Fraenkel 1974, Appendix D, Vol. 3, 815-826 betrachtet nicht nur Eur. El. 518-544, sondern mit Schütz auch Aesch. Cho. 205-211, die Fußspuren-Passage, und 228 f., die Fußspurenzeile, als Interpolation; ohne die fraglichen Verse wäre die Locke das dominierende Zeichen der Wiedererkennung. Nach Fraenkel hat ein ehrgeiziger Regisseur der Choephoren unter dem Einfluß des dramentheoretischen Trends der ajnagnwvrisi" im 4. Jh. (vgl. Arist. Poet. 16) dieses deuvteron tekmhvrion eingeführt (820 f.). Jouanna 1997, 77-82 erklärt dagegen das Erkennungszeichen der Fußspur 90 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee der Fußwaschungsszene hält der als Kreter auftretende Odysseus eine Trugrede vor Penelope, in der er behauptet, auf Kreta Odysseus gesehen zu haben (Od. t 172-202). Penelope ist tief erschüttert, weint ( t 213: poludakruvtoio govoio , vgl. Aesch. Cho. 449: poluvdakrun govon ) 299 , aber glaubt dem Fremden noch nicht, sie will ihn auf die Probe stellen ( t 215: nu'n me; n dhv seu, xei'ne, oji? w peirhvsesqai ) und verlangt eine Beschreibung von Odysseus’ Gewändern ( ei{mata ) und seinen Gefährten ( t 215-219). Der scheinbare Kreter nennt ihr einen wollenen, purpurfarbenen Mantel ( clai'na ) mit einer goldenen Spange ( perovnh ), worauf sich die Abbildung eines Hirschkalbs, in das sich ein Hund verbissen hat, befindet, und einen schimmernden Leibrock ( citwvn ) ( t 221-248). Auf diese shvmata hin erkennt Penelope Odysseus innerhalb der Truggeschichte und weint erneut ( t 249-260). Das Weinen Elektras in den Choephoren auf den Fund der Locke hin, ihr Zweifeln und das bebilderte Gewebe, mit dem Orest schließlich beweisen kann, wer er ist, klingen wahrscheinlich an diese Passage der Odyssee an. 300 Die Erkennungszeichen der beiden epischen Szenen, die Kleidungsstücke und die Narbe, geben Gelegenheit zu kunstvollen Beschreibungen, die die schrittweise Annäherung ausschmücken und hervorheben; sie sagen auch etwas über das Verhältnis zwischen den beteiligten Figuren aus: Eurykleia weiß von der Narbe, weil sie Odysseus von klein auf kennt. Penelope hat die genannten Kleidungsstücke ihrem Mann liebevoll ausgesucht und mitgegeben (Od. t 255-257). Entsprechend wird in den Choephoren das Gewebe als Werk von Elektras Hand bezeichnet (Cho. 231). Eher schlicht und pragmatisch wirkt dagegen die Wiedererkennung zwischen Telemachos und Odysseus (Od. p 166-219). Athene drängt dazu ( p 166-171), um die Rache an den Freiern zu beschleunigen ( p 169: wJ" a]n mnhsth'rsin qavnaton kai; kh'r j ajrarovnte ), sie verwandelt Odysseus zurück ( p 172-176). Telemachos fürchtet, der Fremde könne ein Gott sein ( p 178-185; 179: mh; qeo; " ei[h , 183: h\ mavla ti" qeov" ejssi , vgl. Cho. 119); auch als Odysseus sich zu erkennen gibt ( p 186-191), 301 bleibt er skeptisch ( p 192-200; 194 f.: ouj u. a. aus dem homerischen Kontext; die Textstelle verteidigen auch Roux 1974, 51-54; Lloyd-Jones 1961, 177 f. 299 Vgl. Gigli 1928, 46; Lechner 1862, 16. 300 S. Diller 1971b, 307: „Sie (sc. Elektra) vermutet eine List, und genau wie Penelope wird sie erst durch ein weiteres Zeichen, ein Kleid, das sie einst Orestes webte (231 f.), endgültig überzeugt.“ 301 Vgl. Arist. Poet. 16, 1454b30-37. Choephoren 91 suv g j jOdusseuv" ejssi path; r ejmov", ajllav me daivmwn / qevlgei ), bis ihm der Vater nochmals seiner Identität versichert ( p 201-212). Die Wiederbegegnung steht unter dem Druck des bevorstehenden Anschlags; sich selbst zu erkennen zu geben, ist für Odysseus der rascheste Weg zu der Wiedervereinigung mit dem Sohn, die ein gemeinsames Planen ermöglicht; es darf nichts von Telemachos’ Wiedersehensfreude zu den Freiern durchdringen ( p 299- 303; 300 f.: eij ejteovn g j ejmov" ejssi kai; ai{mato" hJmetevroio, / mhv ti" e[peit j jOdush'o" ajkousavtw e[ndon e[onto" ). Auch zu dieser Form der Wiedererkennung weist die Szene der Choephoren Parallelen auf. Orest gibt sich seiner Schwester, die anfangs zweifelt, zweimal selbst zu erkennen. Wie in der Mahnung des Odysseus zur Verschwiegenheit zeichnet sich die äußere Bedrohung in Orests Versuch ab, Elektras Freude zu dämpfen. 302 In der Wiedererkennung Orests durch Elektra sind somit Elemente der durch Zeichen zustande kommenden, ausführlich geschilderten ajnagnwrivsei" des 19. Buches der Odyssee, die das Ziel der Handlung, die Homilie von Odysseus und Penelope, betreffen, sowie Elemente der knapperen Wiedererkennung des Odysseus durch Telemachos im 16. Buch, die in die Intrigen-Handlung eingebunden ist, miteinander verbunden. 303 Vor dem assoziativen Hintergrund der Odyssee erscheint die Wiedervereinigung der Geschwister einerseits bedrängend intensiv, als Zielpunkt der Handlung; das Weinen Elektras und das Gewebe mit dem Tiermotiv setzen die Szene in Beziehung zu der Wiederbegegnung der Ehegatten Odysseus und Penelope. Andererseits entsteht durch die Szene kein Ruhemoment, sie wirkt gehetzt und treibt die Handlung zu einem anderen Ziel weiter; die Tatsache, daß Orest sich selbst zu erkennen gibt, sowie seine Warnung an Elektra lassen an die Wiederbegegnung von Odysseus und Telemachos denken, auf die unmittelbar der Racheplan folgt. Im Gegensatz zu den in sich ausgewogenen Wiedererkennungsformen in der Odyssee evoziert die Geschwisterszene der Choephoren eine Atmosphäre der Verstörung und der Unruhe. Keines der angerissenen epischen Modelle 302 Vgl. Davidson 2000, bes. 19 f.; 26-28, der die Warnung Orests in den Choephoren wegen ihrer „business-like atmosphere“ (27) auf Hom. Od. f 226-229, die Warnung des Odysseus an die Hirten, bezieht. Vgl. auch Hom. Od. c 411 und dazu Sideras 1971, 227. 303 Lange 2002, 72-81 meint, daß Euripides in der Wiedererkennungsszene seiner Elektra neben der Niptra vor allem die Wiedererkennung von Odysseus durch Laertes (Hom. Od. w ), also eine von Aischylos nicht übernommene Passage der Odyssee, verwendet. 92 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee läßt sich im Bezug auf die Choephoren-Handlung zu Ende denken. Orest und Elektra sind keine Ehepartner, die sich wiederfinden; zu welcher eigentlichen Wiedererkennung soll es aber danach noch kommen? Daß das Aufeinandertreffen von Orest und Klytaimestra nicht friedlich verlaufen wird, ist bereits zu ahnen. Aischylos nützt die homerischen Wiedererkennungsszenen, um die Problematik in seiner Figurenkonstellation hervorzuheben; die epische Erzählform der Wiedererkennung bietet ihm durch ihren Ablauf und die emotionale Wirkung, die sie hervorruft, reichhaltiges dramatisches Potential. 304 4.2.3 Das Vogelbild in Orests Gebet an Zeus und ein Klagemotiv des Kommos (Cho. 246-263; 345-353; 363-371) Auf die Wiedererkennungsszene folgt ein Gebet, das Orest in seinem und Elektras Namen an Zeus richtet (Cho. 246-263); er bittet um Hilfe bei der neuen Errichtung der Herrschaft. Um die Schutzlosigkeit von sich und seiner Schwester zu illustrieren, gebraucht er das Bild von Adlerjungen, die ihren Vater verloren haben (247-251); im Kommos äußern Orest und Elektra den Wunsch, Agamemnon wäre rühmlich vor Troja gefallen (345-353; 363-371). Beide Motive könnten an die Odyssee anklingen. Das Gleichnis stellt eine Verbindung zu den beiden Vogelbildern der Parodos des Agamemnon, dem Geier-Gleichnis (Ag. 40-59) und dem Häsin-Adler-Vorzeichen (Ag. 111-159) her. 305 Der Adler starb in den gedrehten Windungen einer furchtbaren Schlange (Cho. 247- 249: ijdou' de; gevnnan eu\nin aijetou' patro; " / qanovnto" ejn plektai'si kai; speiravmasin / deinh'" ejcivdnh" ). Die verwaisten Jungen quält bitterer Hunger (250: nh'sti" … limov" ), denn sie sind noch nicht ausgewachsen genug, die väterliche Beute ins Nest zu ziehen (250 f.: ouj ga; r ejntelei'" / qhvran patrwvian prosfevrein skhnhvmasin ). Orest setzt sich und Elektra mit den Adlerjungen gleich. Wenn Zeus die Nachkommen des Adlers (258: aijetou' gevneql j ), des ihm heiligen Tieres, verderben läßt, werden seine Zeichen an Glaubwürdigkeit verlieren, auch wird er keine Opfer von der Atridenfamilie mehr empfangen. 304 Vgl. Arist. Poet. 24, 1459b9-15; 10, 1452a16 ff.; 32 f.; 36-1452b3; vgl. 6, 1450a33-36. Siehe Richardson 1983, 221. 305 Conacher 1987, 107. Choephoren 93 Es wurde bereits angesprochen, daß das erste der Bilder der Parodos des Agamemnon, das Geier-Gleichnis, von der Forschung als Reminiszenz an ein Vogelgleichnis der Odyssee (Od. p 216-219) betrachtet wird, in dem die Klage von Geiern, denen Bauern die Jungen noch ungefiedert aus dem Nest genommen haben ( p 217 f.: fh'nai h] aijgupioi; gamywvnuce", oi|siv te tevkna / ajgrovtai ejxeivlonto pavro" petehna; genevsqai ), das Jammern von Odysseus und Telemachos zum Ausdruck bringt. 306 Trotz der inhaltlichen Parallele bezüglich der Vogelart im Geier-Gleichnis des Agamemnon war die Vermutung einer direkten Reminiszenz nicht überzeugend erschienen, weil sich die jeweiligen Kontexte nicht miteinander in Verbindung bringen lassen. Das Adlerjungen-Gleichnis der Choephoren hat zwar zugegebenermaßen inhaltlich nicht viel mit dem Gleichnis der Odyssee gemein. Es geht um Adler, nicht um Geier, die Jungvögel vermissen den toten Vater, während in der Odyssee umgekehrt die Elternvögel die Jungen verloren haben. Auch fehlt in Orests Gebet die akustische Assoziation mit dem Vogelgeschrei. Vom Kontext her ist eine bewußte Anspielung dennoch naheliegend; in beiden Fällen geht es um die Zerstörung des Verhältnisses zwischen Kindern und Eltern. Während Odysseus und Telemachos mit der Wiedererkennung diese Bedrohung überstanden haben, ist die Trennung zwischen den Geschwistern Elektra und Orest und ihrem Vater durch dessen Tod irreversibel; eine Wiederbegegnung kann nur noch auf geistiger Ebene stattfinden, was sich kurz darauf im Kommos vollzieht. Hinzu kommt, daß die dem Adlerjungen-Bild vorausgehende Wiedererkennung von Orest durch Elektra, wie schon gezeigt, deutlich von der Wiedererkennung zwischen Vater und Sohn im 16. Buch der Odyssee, die in dem Vogelgleichnis endet, beeinflußt ist. Der Kommos, in dem hinter die bereits von Apoll verfügte Rachehandlung die Kraft des Toten tritt, bildet den einzigen Aufenthalt in der vorwärtsdrängenden Handlung der Choephoren. Er löst sich, ähnlich der Kassandraszene, weitgehend von dem Bezug zur Odyssee. In einem Motiv der zweiten Triade ist allerdings eine Anspielung anzunehmen; Orest wünscht, Agamemnon wäre einen rühmlichen Kriegstod gestorben (Cho. 345-353); wenn er doch vor Ilion (345: uJp j jIlivwi ) von dem Speer eines Lykiers getroffen worden wäre; dann hätte er Ruhm im Haus hinterlassen und ein auf den Straßen beachtetes Dasein für seine Kinder (348-350: lipw; n a]n 306 Vgl. auch Garner 1990, 32; Hoekstra 1989 zu Hom. Od. p 218; Fraenkel 1974 zu Aesch. Ag. 48 ff.; vgl. 4.1.2, S. 52. 94 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee eu[kleian ejn dovmoisin / tevknwn t j ejn keleuvqoi" / ejpistrepto; n aijw' ), er läge in einem hochaufgeschütteten Grab (352 f.: poluvcwston … / tavfon ) in der Erde jenseits des Meeres, für das Haus gut erträglich. Elektra variiert dieses Motiv (363-371). In der Zweiten Nekyia der Odyssee spricht die Seele Achills gegenüber Agamemnons Seele einen ähnlichen Wunsch aus (Od. w 30-34), der allgemein für das stoffliche Vorbild des Motivs im Kommos gehalten wird. 307 Wäre Agamemnon doch im Genuß seiner Herrscherwürde ( w 30: timh'" ) im Land der Troer ( w 31: dhvmw/ e[ni Trwvwn ) dem Todesschicksal gefolgt, dann hätten ihm die Achaier einen Grabhügel ( w 32: tuvmbon ) errichtet, und er hätte seinem Sohn großen Nachruhm erworben ( w 33: hjdev ke kai; sw'/ paidi; mevga klevo" h[ra j ojpivssw ). Die Entsprechung der Bestandteile der Formulierung, die in den Choephoren wie der Odyssee an Agamemnon gerichtet ist, erscheint so auffällig, daß man vermutlich von einer direkten Anspielung ausgehen kann. 308 Zudem gibt es innerhalb der Odyssee einen Bezug zu dieser Stelle, der zu den Kontrastierungen zwischen der Familie des Odysseus und der Atridenfamilie gehört. 309 Telemachos leidet vor der Heimkehr des Odysseus nicht unter einem bestimmten, schmählichen Tod seines Vaters, sondern unter dessen spurlosem Verschwinden; gegenüber Athene, die in der Gestalt des Mentes auftritt, gesteht er, daß ihm ein ruhmvoller Kriegstod des Odysseus lieber wäre (Od. a 236-240), wenn der Vater zwischen seinen Gefährten im Land der Troer ( a 237: Trwvwn ejni; dhvmw/ ) zugrunde gegangen wäre oder in den Händen der Freunde nach Beendigung des Krieges; dann hätten die Achaier ihm einen Grabhügel ( a 239: tuvmbon ) errichtet und er hätte für seinen Sohn großen Nachruhm erworben ( a 240: hjdev ke kai; w|/ paidi; mevga klevo" h[rat j ojpivssw , a 239 f.~ w 32 f.). Der Bezug in der Odyssee hebt ein weiteres Mal das unterschiedliche Schicksal der beiden Helden hervor: während sich das ruhmlose Verschwinden des Odysseus Schritt für Schritt in eine gelungene Heimkehr verwandelt, ist Agamemnons Schmach besiegelt. Telemachos tritt hinter den heimkehrenden Vater zurück, Orest fällt die Hauptrolle des Rächers zu. Die Anspielung in den Choephoren könnte diesen bereits innerhalb der Odyssee bestehenden Bezug aufgreifen. 310 307 Garner 1990, 38; Sideras 1971, 227 f.; Reinhardt 1949, 115. 308 Vgl. auch Od. l 406-411. 309 Vgl. Garner 1990, 38; Sideras 1971, 227 f. 310 Garner, 1990, 38: „The fates of the two father-son pairs are thus effectively contrasted if Aeschylus had these lines in mind, and there is evidence that he did.“ Choephoren 95 Das Vogelbild in Orests Gebet nach der Wiedererkennung der Geschwister ist nicht nur, entsprechend den Vogelbildern des Agamemnon, ein sprachlicher Anklang an das Epos, sondern wohl eine bewußte Anspielung an das Vogelbild nach der Wiedererkennung des Odysseus durch Telemachos ( p ); sie trägt, wie der Bezug zu dem Klagemotiv der Odyssee, zu der Darstellung des Verhältnisses zwischen den Geschwistern und ihrem Vater bei, der im Gegensatz zu Odysseus als Person abwesend bleiben wird, dessen geistige Gegenwart aber im Kommos auf Orest übergeht. 4.2.4 Der Traum der Klytaimestra (Cho. 514-552) Nach dem Kommos drängt der Chor zum Handeln. Orest will jedoch zunächst den Grund für die Grabspende erfahren (Cho. 514-522). 311 Die fragende, nachforschende Haltung Orests (514-516: puqevsqai d j oujdevn ejst j e[xw drovmou / povqen coa; " e[pemyen, ejk tivno" lovgou / mequvsteron timw's j ajnhvkeston pavqo" ) stimmt mit der im Prolog durch die lange Fragekette gegebenen Charakteristik überein. Der Chor weiß Bescheid, er war selbst dabei (523-525): Klytaimesta, die gottverhaßte Frau (525: duvsqeo" gunhv ), schickt die Spenden, weil sie von Träumen und nächtlichen Schreckensbildern (523 f.: ojneiravtwn / kai; nuktiplavgktwn 312 deimavtwn ) aufgeschreckt worden ist. In der Oresteia des Stesichoros ist bereits ein Angsttraum Klytaimestras belegt (219 PMGF). Auch in der Odyssee ist die Ankündigung der Rache in Form eines Traumes ein wichtiges Strukturelement. Der Angsttraum wird schon in der Parodos erwähnt, allerdings nur in unklaren Umschreibungen (32-41): ein Geschrei um Mitternacht (34 f.: aj wrov nukton aj mbov ama ) bricht über das Haus herein, Seher (38: kritaiv ) deuten den Traum als Groll der Unterirdischen gegen die Mörder. Klytaimestras nächtliches Erschrecken und die Weisung Apolls sind die beiden Formen, in denen die Kraft des ungerächten Toten wirkt, und durch die die Geschwister am Grab des Vaters zusammengeführt werden. 313 Der Inhalt des Traumes wird in einer Stichomythie zwischen dem Chorführer und Orest wiedergegeben (526-533); Klytaimestra glaubte, nach ihren eigenen Worten (527: wJ " auj th; lev gei ), eine Schlange (527: drav kont j ) geboren und sie wie ein Kind in Windeln gewickelt zu haben. Sie gab ihr die Brust, 311 Vgl. Stößl 1937, 25. 312 Vgl. Aesch. Ag. 12; 330. 313 Vgl. Reinhardt 1949, 125-129. 96 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee und das Untier saugte mit der Milch Blutklumpen ein. Orest fragt, der Chorführer antwortet, aber die Fragen Orests führen bereits in sich den Inhalt fort und setzen die Kenntnis des Traumes voraus (530; 532); auch Orests abschließende Bemerkung, daß dieses Traumgesicht sehr wohl eine Bedeutung haben dürfte (534: ou[ toi mav taion a] n tov d j o[ yanon pev loi ) 314 weist darauf hin, daß er den Sinn erahnt oder kennt. Der Chorführer beschreibt nun die äußeren mit dem Traum verbundenen Ereignisse (535-539), Klyraimestras Schreien, ihr Aufschrecken aus dem Schlaf, das neue Entzünden der schon ausgelöschten Fackeln (536 f.: polloi; d j aj nhv iqont j ej ktuflwqev nte" skov twi / lampth' re" ej n dov moisi despoiv nh" cav rin ) und schließlich die Aussendung der Totenspenden, von denen sich die Herrin die Abwehr des Unglücks erhofft. Daraufhin fleht Orest bei der Erde und dem Grab seines Vaters, daß der Traum sich erfüllen möge (540 f.; 541: tou[ neiron ei\ nai tou' t j ej moi; telesfov ron ) und gibt eine Traumdeutung (542-550). Er deutet den Traum (542: kriv nw ), indem er der Mutter einen gewaltsamen Tod voraussagt (548 f.: dei' toiv nin, wJ " e[ qreyen e[ kpaglon tev ra", / qanei' n biaiv w" ) und sich selbst mit der Schlange, also dem künftigen Mörder, identifiziert (549 f.: ej kdrakontwqei; " d j ej gw; / kteiv nw nin, wJ " tou[ neiron ej nnev pei tov de ). Der Chorführer bestätigt Orest als Orakeldeuter (551: teraskov pon ) 315 in dieser Sache und wünscht, es möge so geschehen (551 f.). Sicher ist in das Traum-Motiv der Choephoren Klytaimestras Angsttraum aus der Oresteia des Stesichoros eingeflossen, in dem auch eine Schlange erscheint (219, 1 PMGF: dravkwn ); 316 ist der basileu; " Pleisqenivda" , der aus dem blutenden Haupt der Schlange zum Vorschein kommt (219, 2 PMGF), Orest, so besteht in der Version des Traumes bei Stesichoros nur eine geringfügige Trennung zwischen dem Tier und dem Rächer (vgl. dag. Aesch. Cho. 549: ejkdrakontwqeiv" ). Ist dagegen mit basileu; " Pleisqenivda" Agamemnon gemeint, würde die Schlange eher Klytaimestras Untat verkörpern. 317 Leider kann man anhand des Fragments nicht mehr 314 West 1990, 245 f. nimmt Anstoß an Orests ungeduldiger Frage Cho. 528 ( kai; poi' teleuta'i kai; karanou'tai lovgo" ; ). Er schlägt vor, Cho. 528 mit 534 zu tauschen. Dabei ist es entscheidend, daß der Rächer erst nach der vollständigen Schilderung des Traumes abschließend dessen Erfüllung verspricht und ihn dann deutet. Auch in der Episode über Penelopes Traum in der Odyssee ( t 535-558) liegt dieses Muster vor. 315 Siehe Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 551. 316 S. 3.2; S. 46 f. 317 In diesem Fall könnte ein Bezug von Aesch. Cho. 247-249 zu Stes. 219 PMGF vorliegen. Zu Pleisqenivda" vgl. Ag. 1569: daivmoni tw'i Pleisqenida'n , 1602: pa'n to; Choephoren 97 feststellen, wie bedeutend der Traum für die Gesamtstruktur des Stückes war. Ein greifbarer Bezug besteht dagegen zu dem Traum der Penelope in der Odyssee (Od. t 535-558). Nach der Wiedererkennung des Odysseus durch Penelope innerhalb der Trugerzählung und der Wiedererkennung bei der Fußwaschung durch Eurykleia erzählt Penelope dem Fremden von ihren nächtlichen Sorgen ( t 509-534) und fordert ihn dann auf, einen Traum von ihr anzuhören und zu deuten ( t 535: ajll j a[ge moi to; n o[neiron uJpovkrinai kai; a[kouson ). Sie schildert den Traum wie ein wirkliches Geschehen: ein großer Adler mit krummem Schnabel kam vom Gebirge, brach ihren zwanzig Gänsen, an denen sie sich zu freuen pflegt, den Nacken und tötete sie; sie lagen haufenweise im Haus, der Adler aber flog wieder auf. Penelope jammerte in dem Traum um ihre Gänse ( t 535-543). Da kam der Adler zurück, setzte sich auf den Dachfirst und sprach zu ihr mit menschlicher Stimme ( t 545: fwnh'/ … brotevh/ ); er ermutigte sie ( t 546 f.), der Traum werde sich erfüllen ( t 547: oujk o[nar, ajll j u{par ejsqlovn, o{ toi tetelesmevnon e[stai ) und identifizierte sich mit Odysseus, der die Freier töten werde ( t 548-550: ejgw; dev toi aijeto; " o[rni" / h\a pavro", nu'n au\te teo; " povsi" eijlhvlouqa, / o}" pa'si mnhsth'rsin ajeikeva povtmon ejfhvsw ). Der Fremde antwortet ihr, daß man den Traum nicht anders deuten könne, Odysseus habe ja schon selbst verkündet, wie er es beenden werde; den Freiern zeige sich die Vernichtung ( t 554-558). Sowohl der Traum der Penelope wie Klytaimestras Traum folgen auf Wiedererkennungsszenen; Elemente beider Wiedererkennungen des 19. Buches der Odyssee sind in die Wiedererkennungsszene der Geschwister in den Choephoren verarbeitet worden. 318 Penelopes Klage über ihre nächtlichen Sorgen, die der Traumerzählung unmittelbar vorausgeht, liefert das Material für Klytaimestras Inszenierung ihrer schlaflosen Nächte in der zweiten Trugrede im Agamemnon. 319 Beide Träume geben der Rachehandlung neuen Antrieb, in den Choephoren folgt Orests Racheplan, 320 in der Odyssee leitet Penelope anschließend die Bogenprobe ein. Die beiden künftigen Rächer wünschen die Erfüllung der Träume und geben Pleisqenvou" gevno" . 318 Vgl. 4.2.2. 319 Vgl. 4.1.5, S. 71. 320 Conacher 1987, 114: „One further supernatural element must be provided before the avengers are ready for specific plans.“; vgl. Stößl 1937, 25. 98 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee jeweils eine Traumdeutung, in der sie sich mit dem Tier, das die Rache symbolisch vollzogen hat, identifizieren. Bei Aischylos ist die Traumerzählung in dramatischer Form als Dialog zwischen dem Chor und Orest gegeben, während Penelope ihren Traum selbst schildert. Klytaimestras Abwesenheit, während ihr Traum referiert wird, zeigt die Ausgeschlossenheit und Isolation der Figur, gegen die sich die Rachehandlung richtet. Während durch Penelopes Traumerzählung eine neue Vertrautheit zwischen den Eheleuten entsteht, 321 ist in den Choephoren die Konfrontation zwischen Orest und der Empfängerin des Traumes, Klytaimestra, sofortiger Auslöser der Tat (Cho. 928 f.). Vor dem Hintergrund der Traumerzählung der Odyssee baut sich in dem Bericht von Klytaimestras Traum in den Choephoren für den Rezipienten die Spannung weiter auf. 322 Zusätzlich hat möglicherweise ein atmosphärisches Element des 19. Buches der Odyssee Eingang in die Passage Choephoren und die gesamte Orestie gefunden; in dem Bericht des Chores von Klytaimestras nächtlichem Aufschrecken wird das neue Entfachen der bereits gelöschten Fackeln erwähnt (Cho. 536 f.); damit wird das Feuer-Motiv, das den Agamemnon durchzieht, 323 wieder aufgenommen. Im 18. und 19. Buch der Odyssee ist mehrfach von Feuer und Licht die Rede. In der ersten Nacht, die Odysseus im eigenen Haus verbringt, entzünden die Mägde Fackeln (Od. s 307-311), Odysseus wacht selber über das Licht ( s 317; 343 f.; vgl. 354 f.). Athene leuchtet Odysseus und Telemachos beim Verbergen der Waffen mit einer Lampe ( t 33-40), Telemachos schläft bei Fackellicht ( t 48), die Dienerinnen erneuern die Leuchter ( t 63 f.), nach der Fußwaschung rückt Odysseus näher ans Feuer ( t 506 f.). Bedenkt man, daß diese Partie der Odyssee Aischylos offenbar in vielfältiger Weise Anregung für die Orestie gewesen ist, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß er die dort verwendete Lichtregie als dramatisch effektvolles, sprachliches und visuelles Motiv in die Trilogie integriert hat. 321 Vgl. Russo 1988, Introd. xi. 322 Dagegen Reinhardt 1949, 128: „Die Traumerfüllung ist bei Aischylos von so dramatischer Gestalt, die Abwehr, die Aussendung so nur wirksam auf der Bühne, daß ein Epos oder Lied als Quelle für das Wesentliche undenkbar ist.“ 323 Vgl. Aesch. Ag. 6 f.; 8 f.; 20-24; 33; 91-94; 281 ff.; 389; 475-477; 522; 602; 658; 772-774; 818-820; 890; 1056 f.; 1309-1311; 1435 f.; vgl. auch Garvie 1977, 28-34. Zu Ag. 890 s. bes. 4.1.5, S. 71. Choephoren 99 4.2.5 Der Racheplan Orests (Cho. 554-584) Auf die Aufforderung des Chores hin (Cho. 552 f.) entwirft Orest einen Handlungsplan, nach dem der Anschlag verlaufen soll. Das Planen der Rache leitet die Intrige ein, den letzten Teil des Schemas Novsto" - Anagnwvrisi" - Mhcavnhma ; 324 es ist bereits ein wichtiges Element der Erzählstruktur der Odyssee. Orest beauftragt Elektra damit, ins Haus zu gehen (554: thvnde me; n steivcein e[sw ) und bittet den Chor, die Abmachungen geheimzuhalten (555: aijnw' de; kruvptein tavsde sunqhvka" ejmav" ). 325 Die Ermordung Agamemnons kam durch List (556: dovlwi ) zustande und soll mit List (557: dovlwi ) vergolten werden, so hat es Apoll verkündet (558 f.: h|i kai; Loxiva" ejfhvmisen / a[nax Apovllwn, mavnti" ajyeudh; " to; privn ). 326 Orest selbst will, einem Fremden gleichend, in voller Reiseausrüstung (560: xevnwi ga; r eijkwv", pantelh' sagh; n e[cwn ) mit Pylades, seinem Gastfreund und Waffenbruder 327 zu den Hoftoren gehen. Beide werden reden wie Leute vom Parnaß und den Klang der phokischen Sprache nachahmen (563 f.: a[mfw de; fwnh; n h{somen Parnhssivda / glwvssh" aujth; n Fwkivdo" mimoumevnw ). Orest rechnet damit, daß sie vom Pförtner nicht eingelassen werden könnten, aufgrund der Zustände im Haus, und setzt darauf, trotzdem abzuwarten und so das Aufsehen der Vorbeigehenden zu erregen (565-568). Er stellt sich wörtlich vor, was die verwunderten Passanten sagen werden (569 f.). Wenn er die Türschwelle (571: balovn ) überschreitet, Aigisth auf dem Thron seines Vaters vorfindet, dieser auf ihn zukommt und ihn direkt anspricht, wird er ihn töten, bevor dieser die obligatorische Begrüßungsfrage nach der Herkunft des Fremden stellen kann (571-576), womit die dritte Rachetat vollzogen ist (577 f.). Orests eindrucksvolle Darstellung des möglichen Tatverlaufs wird durch die imaginierte wörtliche Rede der erstaunten Passanten und des ahnungslosen Aigisth (569 f.; 575) noch lebendiger, Orest spielt gewissermaßen seine Vorstellung der Ermordungsszene vor, wie er auch in der Lage ist, in die Rolle des Fremden zu 324 Vgl. Matthiessen 1964, 93. 325 West 1990 vermutet nach Aesch. Cho. 554 ( thvnde me; n steivcein e[sw ) einen fehlenden Vers, der eine Weisung an den Chor enthalten haben müßte (* uJma'" de; mivmnein ejkto; " eJrkeivwn pulw'n ). Die Aufforderung zu schweigen Cho. 555 könnte jedoch vor allem an den Chor gerichtet sein, entsprechend zu 581 f., oder aber an Elektra und den Chor zusammen. 326 Zu dem dovlo" -Motiv der Orestie s. 4.2.1, S. 84 f. 327 Siehe Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 561-2. 100 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee schlüpfen. 328 In einer Ringkomposition endet der Mordplan mit den Themen des Anfangs; Elektra soll gut auf die Vorgänge im Haus aufpassen, damit alles reibungslos ( ajrtivkolla ) abläuft (579 f.), der Chor soll seine Zunge hüten, im richtigen Moment schweigen oder reden (581 f., vgl. 233 f.), das Übrige stellt Orest der Obhut Apolls anheim (583 f.). In der Odyssee plant Odysseus mit Telemachos den Mord an den Freiern (Od. p 233-320). Er setzt damit die Planung mit Athene nach seiner Ankunft in Ithaka fort ( n 393-415); 329 der Rezipient bekommt, wie Telemachos, eine Vorschau über den Heimweg und die Verspottung des Odysseus ( r , s , u ). Einen weiteren Plan entwirft Odysseus gegenüber den Dienern Philoitios und Eumaios unmittelbar vor dem Freiermord ( f 228-241). Sowohl die epische als auch die dramatische Planungsszene folgt auf eine Wiedererkennung und leitet über zur Durchführung der Tat; 330 der Einfluß der zeitlich gedrängten Wiedererkennung zwischen Odysseus und Telemachos und derjenige der längeren Wiedererkennungen des 19. Buches auf die Wiedererkennungsszene der Geschwister ist schon im Vorigen untersucht worden. 331 Zuerst betont Odysseus, daß der Racheplan im Auftrag Athenes entsteht ( p 233 f.: nu'n au\ deu'r j iJkovmhn uJpoqhmosuvnhsin Aqhvnh", / o[fra ke dusmenevessi fovnou pevri bouleuvswmen , vgl. 167-171), und nennt, nachdem Telemachos ihm, wie verlangt, alle Freier aufgezählt hat ( p 235-255), Zeus und Athene als Mitstreiter ( p 259-269). Nicht nur die göttliche Unterstützung, 332 auch die Verteilung der Aufgaben ist eine Gemeinsamkeit der beiden Planungsszenen. 333 Wie Elektra soll Telemachos ins Haus gehen ( p 270 f.: ajlla; su; me; n nu'n e[rceu a{m j hjoi' fainomevnhfin / oi[kade ) und dort die Situation unter Kontrolle halten. Odysseus selber will sich, von Eumaios geführt, auf den Heimweg machen ( p 272: aujta; r ejme; proti; a[stu 328 Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 569-70: „The insertion of direct speech (cf. 575) adds liveliness to Orest’s visualization of the scene.“ 329 De Jong 2001 zu Hom. Od. a 81-95 zählt diesen Plan Athenes ( n 393-415) zu den „‚table of contents‘ speeches“ der Göttin, er gibt einen Überblick über x und o ; die Rede a 81-95 informiert über a e , die Rede e 29-42 über e m ; auch die menschlichen Planungsszenen haben eine orientierende Funktion. 330 Reinhardt 1949, 129 stellt die Überleitungsfunktion des Racheplanes in den Choephoren fest. 331 Vgl. 4.2.2. 332 S. Brunel 1971, 92: „En se référant aux poèmes homériques et aux origines de la tragédie, on pourrait voir en Oreste, comme en Ulysse, la victime du conflit qui divise les dieux.“ 333 Vgl. auch die Instruktionen der Athene Od. n 303-310; 375-381; 404-411. Siehe Hoekstra 1989, Introd. zu Od. n p , 147. Choephoren 101 subwvth" u{steron a[xei ); dem entspricht Orests Begleitung durch Pylades in den Choephoren. Beide Rächer gehen mit List, äußerlicher Verkleidung und sprachlicher Verstellung vor; Odysseus gleicht einem elenden Bettler und Greis ( p 273: ptwcw'/ leugalevw/ ejnalivgkion hjde; gevronti ), der sich als Kreter ausgeben wird, Orest will sich als fremder Reisender verkleiden und zusammen mit Pylades Phokisch sprechen. Odysseus ermahnt Telemachos, es zu ertragen, wenn die Freier den Vater vor seinen Augen mißhandeln werden ( p 274-280); dabei entwirft er eine Vorstellung von den möglichen Demütigungen, die genauso lebendig ist wie Orests Vorstellung von der Begegnung mit Aigisth. Als weiteren Punkt des Planes vereinbart Odysseus mit Telemachos, daß dieser auf ein Zeichen hin die Waffen aus dem Saal in eine Kammer bringen und nur Bewaffnung für sich und den Vater zurücklassen soll ( p 281-298); um dem Mißtrauen der Freier zu begegnen, rät er dem Sohn zu einer Ausrede, die er, ebenso wie Orest das Erstaunen der Vorübergehenden und die Begrüßungsfrage Aigisths, in direkter Rede formuliert, sie vorspielt ( p 288-294): Telemachos wolle nur die Waffen vor dem Rauch schützen und die Freier vor einer zufälligen Verletzung bewahren. Odysseus schließt mit der Bitte um Verschwiegenheit ( p 299-303), die Orest an den Chor und zuvor an Elektra richtet, 334 sowie dem Vorschlag, die Dienerschaft zu prüfen ( p 304-307). So eindrücklich die Vorstellung ist, die Odysseus von dem Verlauf der Rachehandlung evoziert, kommt es durch die Entwicklung der Umstände doch teilweise anders als gedacht, das Zurücklassen von Waffen für den eigenen Gebrauch wird nicht ausgeführt, die Ausrede für die Freier wiederholt ( p 286-294= t 5-13), aber nicht angewendet, 335 eine Seitentür wird beim Absperren des Raumes, in dem der Kampf stattfindet, vergessen ( c 126-200). 336 Auch der fiktive Plot (Cho. 554: mu'qo" ) der Rachehandlung, den Orest entwirft, übergeht den heikelsten und wichtigsten Punkt, die Ermordung Klytaimestras; 337 durch das überraschende Auftreten der Mutter (Cho. 668) nimmt das Geschehen seine eigene Wendung. 334 Zu dem homerischen Motiv der Warnung in den Choephoren s. 4.2.2, S. 89-91. 335 Von der analytischen Homerforschung wird in dieser Widersprüchlichkeit die ungeschickte Verarbeitung zweier Textquellen gesehen. Vgl. Page 1955, 92-100; Merkelbach 1969, 73; Erbse 1972, 3-41; 245 f. erklärt dagegen den Widerspruch mit der Situationsbezogenheit des epischen Textes. 336 Vgl. Reinhardt 1949, 129. 337 Vgl. Conacher 1987, 115. 102 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee Das Planen des Anschlags im 16. Buch der Odyssee, das sich aus der Wiedervereinigung zwischen Vater und Sohn ergibt und zur Verwirklichung der Rachehandlung, die ihre eigene Dynamik entfaltet, 338 überleitet, ist in der Orestie als dramatische Struktur verstanden und interpretiert. 4.2.6 Orests Ankunft und Verstellung (Cho. 652-718) Sobald die Verschwörer Orest, Pylades und Elektra abgetreten sind, singt der Chor ein Lied über die Ungeheuer der Erde und des Meeres und über mythische Verbrechen von Frauen (Cho. 585-651); Klytaimestras Gattenmord wird so in die Taten der Althaia, der Skylla und der Lemnierinnen eingereiht. 339 Nach dem Lied kehren Orest und Pylades zurück, der Schauplatz ist nicht mehr, wie in der ersten Hälfte des Stückes, Agamemnons Grab, sondern der Palast. 340 In der folgenden Klopfszene (674-690) könnte ein Einfluß der Architekturbeschreibung und der Darstellung des Dienermilieus in der Odyssee vorliegen. Orest hält gegenüber Klytaimestra verkleidet eine Trugrede (674-690); in der zweiten Hälfte der Odyssee tritt Odysseus als alter Bettler auf, Trugreden bilden das erzählerische Leitmotiv des Epos. Orest geht direkt zum Haustor (Cho. 653: quvra" eJrkeiva" ), wie er angekündigt hat (561: eJrkeivou" puvla" , 571: balo; n eJrkeivwn pulw'n ), und klopft dreimal (653-656); damit lenkt er gestisch die Aufmerksamkeit auf die skhnhv , die den Atridenpalast darstellt. 341 Die ein- 338 Reinhardt 1949, 129: „Es liegt im Wesen einer Handlung solcher Art, die mit einer Verabredung beginnt, auf dem Theater wenigstens seit Aischylos, daß etwas eintritt, was in der Verabredung nicht vorgesehen war. Daß es anders, überraschend, gefährlicher kommt, als gedacht. Das größte seiner Vorbilder auch hierfür war für Aischylos die Odyssee.“ 339 Vgl. Conacher 1987, 115-118; Stößl 1937, 25. Möglicherweise klingt die Erwähnung von Skylla, die ihren Vater Nisos, bestochen durch die goldenen Halsketten von dem Kreterkönig Minos (Aesch. Cho. 615-617: Krhtikoi'" / cruseokmhvtoisin o{r - / moi" ), getötet hat (vgl. Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 613-622), in Verbindung mit den Meerungetümen (587: knwdavlwn ) an das Ungeheuer Skylla an, mit dem Klytaimestra von Kassandra verglichen wird (Ag. 1233). Dag. sieht Stinton 1990, 70 darin eine Umkehrung von Agamemnons Mord an seiner Tochter Iphigenie. 340 Siehe Taplin 1977, 338-340. 341 Ebd., 339: „Lines 264 ff. are a sign that the scene is set away from the palace rather just outside; (…) Moreover, neither of Orestes’ references to the e{rkeioi puvlai (561, 571) has any deictic reference, whereas, when he re-enters at 653, he goes straight up to them and knocks, naming them in the first line (653) and so indicating that he has now arrived at the place formerly referred to verbally.“ Choephoren 103 fache Form der Ankunft, zu Fuß mit einem einzelnen Gefährten, kontrastiert mit der prunkvollen Heimkehr Agamemnons, 342 sie hat mehr Ähnlichkeit mit derjenigen des Boten. In der Klopfszene liegt der Prototyp einer Theatertechnik vor, die allerdings von der Komödie, nicht von der Tragödie aufgegriffen worden ist; auch der umgangssprachliche Ton (654; 657) 343 und die soziale Ebene des Wortwechsels zwischen dem Bediensteten der Klytaimestra und dem schlichten Wanderer (657-667) setzt die komödienhaften Züge, die das Stück schon durch die Lauscherszene bekommen hat, fort. 344 Diese Färbung hat auch die zweite Hälfte der Odyssee, in der der heimkehrende Held mit Hirten und Dienern konfrontiert wird, den Kampf mit dem Bettler und die derben Späße der Freier bestehen muß. 345 Gemeinsam ist auch die Gegenständlichkeit des Vokabulars; wie Orest von der Haustür und der Türschwelle spricht und das Anklopfen an der Tür erwähnt und ausführt, setzt sich Odysseus auf die eschene Türschwelle seines Hauses (Od. r 339: i|ze d j ejpi; melivnou oujdou' e[ntosqe quravwn , vgl. r 267 f.: quvrai d j eujerkeve" eijsi; / diklivde" ). Auch in der Odyssee vollzieht sich ein Ortswechsel nach der Ankunft, vom Gehöft des Eumaios zum Haus des Odysseus; Odysseus legt wie Orest den Weg zu Fuß und in Begleitung eines Gefährten zurück, beide Helden sind verkleidet und haben sich eine Rolle zurechtgelegt. Als der Pförtner endlich öffnet, bittet Orest dringend um Aufnahme, da es schon dunkelt, die Stunde naht, in der die Wanderer in gastfreundlichen Häusern den Anker auswerfen (Cho. 660-662; 661 f.: w{ra d j ejmpovrou" meqievnai / a[gkuran ejn dovmoisi pandovkoi" xevnwn ); die Schiffsmetaphorik erweckt den Eindruck, der Fremde sei ein weitgereister Seefahrer. Trotz Orests eindringlicher Bitte, man möge ihm lieber den Hausherrn als dessen Frau schicken (663-667), tritt überraschend Klytaimestra auf. 346 Sie empfängt die Fremden in ihrer Rolle als vorbildliche Hausfrau (668-673); die dem Haus angemessenen Dinge stünden zur Verfügung, ein warmes Bad (670: qerma; loutrav ), ein Lager und aufrichtige Blicke (671: strwmnh; 342 Siehe Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 653-718; Taplin 1977, 340; 343. Vgl. 4.1.4. 343 Taplin 1977, 341. 344 Siehe Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 653; Taplin 1977, 355; 340 f. 345 Vgl. Hoekstra 1989, Introd. 148; s. a. [Long.] De Subl. 9, 15: toiau'ta gavr pou ta; peri; th; n tou' Odussevw" hjqikw'" aujtw'/ biologoumevna oijkivan oiJonei; kwmw/ diva tiv" ejstin hjqologoumevnh , und Russel 1964 zu [Long.] De Subl. 9, 15. 346 Siehe Reinhardt 1949, 130. 104 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee dikaivwn t j ojmmavtwn parousiva ) 347 ; für anderes sei ihr Mann zuständig. Wie in der Teppichszene des Agamemnon klingt auch hier Penelopes Aufnahme des fremden Bettlers mit (Od. t 317-328). 348 Im Unterschied zu Penelope, die zuerst die Herkunft des Fremden erfahren will ( t 104 f.), fragt Klytaimestra lediglich überstürzt nach den Bedürfnissen der Wanderer. Die zweite Abweichung von ihrer epischen Rollenvorlage ist Klytaimestras entscheidender Fehler; Penelope beklagt an erster Stelle die Abwesenheit des Odysseus und bedauert, dem Fremden kein Heimgeleit geben zu können, da kein Mann im Hause sei ( t 313-316). Klytaimestra kommt nicht auf die Idee, vorzugeben, Orest zu vermissen, und bekennt sich zu ihrem Verhältnis mit Aigisth. Daraufhin hält Orest eine Trugrede (Cho. 674-690); er stellt sich als Mann aus Daulis in Phokien vor (674: xevno" mevn eijmi Daulieu; " ejk Fwkevwn ), der, selbst mit seiner Reiseausrüstung bepackt (675: aujtovforton oijkeivai sagh'i ), nach Argos marschiert und dorthin unterwegs (676: w{sper deu'r j ajpezuvghn povda" ) einem ihm bis dahin Unbekannten, dem Phoker Strophios, begegnet sei (674-679). Er referiert wörtlich, was ihn dieser an Orests Eltern auzurichten gebeten habe, nämlich die Nachricht von Orests Tod (680-687). Abschließend gibt er sich ahnungslos, er wisse nicht, ob die Botschaft die Richtigen erreicht habe, fügt aber hinzu, als Antwort auf Klytaimestras selbstverständliche Erwähnung des neuen Gatten, der Vater von Orest wisse das wahrscheinlich (688-690). Anders als Agamemnon verstellt sich Orest vor Klytaimestra. Die Situation hat große Ähnlichkeit mit der ersten Wiederbegegnung von Odysseus und Penelope, bei der sich Odysseus, in Gestalt eines Bettlers, als Kreter Aithon ausgibt (Od. t 172: Krhvth ti" gai' j e[stin mevsw/ ejni; oi[nopi povntw/ , 183: ejmoi; d j o[noma kluto; n Ai[qwn , vgl. x 199 f.: ejk me; n Krhtavwn gevno" eu[comai eujreiavwn, / ajnevro" ajfneioi'o pavi>" ). Odysseus ist ebenfalls mit einem Ranzen ausgestattet, der anschaulich beschrieben wird ( n 437 f.: ajeikeva phvrhn, / pukna; rJwgalevhn: ejn de; strovfo" h\en ajorthvr , vgl. r 197 f.), wie als Requisit gedacht. Eine bewußte Bezugnahme erscheint dadurch noch gesicherter, daß Aischylos in der Penelope, wohl dem zweiten Stück seiner „Odysseus“-Tetralogie, diese Trugreden des Odysseus direkt dramatisch umgesetzt hat ( ejgw; gevno" mevn eijmi Krh; " ajrcevstaton , 347 Vgl. Aesch. Ag. 796. Menschen, die ouj divkaioi sind, werden den filovxenoi entgegengesetzt; Hom. Od. z 120 f.; q 575 f.; s. Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 670 f. 348 Vgl. 4.1.6. Choephoren 105 TrGF 3 F 187). 349 Auch der vorgebliche Kreter in der Odyssee beruft sich in seinen Trugreden hinsichtlich der Nachrichten von Odysseus auf einen Gewährsmann; allerdings berichtet er, daß Odysseus lebt. Gegenüber Eumaios behauptet er, von dem Thesprotenkönig Pheidon erfahren zu haben, daß Odysseus bei diesem gewesen sei und von ihm heimgeleitet werde ( x 321-333). In der Trugrede vor Penelope erzählt er zuerst, er habe Odysseus in Kreta selbst gesehen ( t 185-202). Um Penelope zu trösten, führt er nochmals die Nachricht von Pheidon an, daß Odysseus bald heimkehren werde ( t 268-307). Die Todesnachricht, die Orest an Klytaimestra überbringt, erinnert am ehesten an die Trugrede des Odysseus seinem Vater Laertes gegenüber, die den Tod des Helden zumindest nahelegt; Odysseus gibt sich, anders als in den übrigen Trugreden, als Sikanier aus, 350 den mit Odysseus das Verhältnis der Gastfreundschaft ( xenivh ) verbindet ( w 244-279; 303-314). Ähnlich wie in der Trugrede des Orest ist die gespielte Ahnungslosigkeit: Odysseus tut so, als halte er den alten Vater für einen Diener, und als wisse er nicht, ob er wirklich in Ithaka sei ( w 244-264); in beiden Textstellen wird eine zufällige Begegnung erwähnt (Od. w 260: ajnh; r … xumblhvmeno" ; vgl. Cho. 677: sumbalw; n ajnhvr ). Die Klage Klytaimestras (Cho. 691-699), die die Todesnachricht auslöst, ist unterschiedlich interpretiert worden. 351 Klytaimestra jammert, daß die empfangene Nachricht sie zugrunde richtet, und gibt dem Fluch des Hauses (692: dwmavtwn Arav ) Schuld an dem Unglück (691-694); sie sei ihrer Freunde beraubt (695: fivlwn ajpoyiloi'" me th; n panaqlivan ). Orest hielt doch wohlbehalten seinen Fuß von dem Verderben fern. Die Hoffnung im Haus, die den schlimmen Wahnsinn noch hatte heilen können, ist jetzt dahin (695- 699). Zeigt Klytaimestra echten Schmerz um ihren Sohn, was nach ihrem teilweise einsichtsvollen Verhalten am Ende des Agamemnon nicht auszuschließen ist (vgl. Ag. 1554 ff.; 1567 ff.), oder verstellt sie sich, 352 wie die Amme behauptet (Cho. 737-741), spielt sie die Einstellung Elektras und des Chores nach, um den Fremden, falls er doch mehr weiß, als er sagt, in die Irre zu führen? Orest entgegnet höflich, daß er seinen Gastgebern gerne eine gute Nachricht überbracht hätte (700-706), wobei er, seiner gewählten Rolle gemäß, das Thema der Gastfreundschaft, das auch die Trugrede des Odysseus 349 Vgl. 3.1.1, S. 37. 350 Vgl. Grossardt 1998, 180 f. 351 Siehe Garvie 1986 zu Aesch. Cho. 691-9. 352 Conacher 1987, 119; Reinhardt 1949, 130 f.; Stößl 1937, 25. 106 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee gegenüber Laertes prägt, begrifflich umspielt (700: xevnoisi , 702: xenwqh'nai , 703: xevnou xevnoisin , 706: katexenwmevnon ). Klytaimestra übernimmt den höflichen Ton (707-718), versichert, daß der Fremde trotzdem willkommen sei, leitet die Aufnahme der Gäste ein und kündigt an, die Nachricht Aigisth mitzuteilen; dabei wiederholt sie das Eingeständnis ihrer neuen Ehe (717: koinwvsomen , vgl. 673) und widerruft die Klage, Orests Tod habe sie der Freunde beraubt (717: kouj spanivzonte" fivlwn , vgl. 695). In dem anschließenden Gebet des Chores um Erfolg (719-729) wird, wie in dem vorausgehenden Lied im Zusammenhang mit Skylla (622), Hermes erwähnt, zusammen mit Peitho (726-729), die beide die Begegnung zwischen Mutter und Sohn beherrschen. Bei der Gestaltung von Orests Ankunft könnte die haptische Architekturbeschreibung und die sorgfältige Milieustudie der Dienerschicht in der Odyssee Aischylos zu dem neuen Szenentyp der Klopfszene inspiriert haben, der die skhnhv optisch und akustisch wirkungsvoll in den Spielverlauf einbindet. In der Odyssee stellt sich durch die Trugerzählungen die Frage nach der wahren und der falschen Geschichte und dem Wesen der Fiktionalität; 353 Aischylos dramatisiert die Trugrede, verwandelt sie in eine interne Rolle der betreffenden Figur. Die Szene zwischen Klytaimestra und Orest erweitert die Trugrede eines Einzelnen, wie sie Klytaimestra im Agamemnon hält, um die Dimension des Dialoges; dadurch, daß beide Figuren eine neue, zweite Rolle spielen, verschwimmen die Kriterien des Echten und des Unechten, wie die umstrittene Bewertung von Klytaimestras Klage zeigt; es entsteht eine andere Spielebene. Die dramatische Umsetzung des epischen Erzählmotivs der Trugrede führt zu einer Reflexion der Fiktionalität des Theaters. 4.2.7 Die Amme Kilissa (Cho. 730-782) Durch die Begegnung zwischen Orest und Klytaimestra hat die Spannung einen Höhepunkt erreicht; sie wird während den Anapästen des Chores, der Orest Erfolg wünscht, in der Schwebe gehalten. Statt eines Todesschreies von Aigisth oder gar Klytaimestra folgt jedoch der Auftritt der weinenden Amme Kilissa, die der Chor ankündigt und namentlich anspricht (Cho. 730-733); sie trägt als 353 Vgl. Pucci 1987, 98 ff.; Gould 1983, 44 f. Zu den ‚Rollen‘ des Odysseus vgl. auch Jäkel 1999, 8 f. Choephoren 107 einzige Dienerfigur der erhaltenen Tragödie einen Namen. Bei Stesichoros, der in der Oresteia bereits eine Amme des Orest einführt, heißt sie Laodameia, Pindar nennt sie Arsinoe. 354 In der Komödie sind Namen von Dienern dagegen üblich, 355 überhaupt führt der Auftritt der Amme den leichten Ton der Klopfszene fort, und die Spannung lockert sich vorübergehend. 356 In der Odyssee spielt ebenfalls die Figur der Amme eine entscheidende Rolle. In einer längeren Rede (Cho. 734-765) erwähnt die Amme den Auftrag von Klytaimestra, sie solle Aigisth herbeiholen (734-737); sie durchschaut die Verstellung ihrer Herrin, die den Bediensteten ein kummervolles, finsteres Gesicht zeigt, während sie sich heimlich über den Tod Orests freut, der ihr gelegen kommt, aber für das Haus Unheil bringt (737-740: pro; " me; n oijkevta" / qevto skuqrwpw'n pevnqo" ojmmavtwn, gevlwn / keuvqous j ejp j e[rgoi" diapepragmevnoi" kalw'" / keivnhi, dovmoi" de; toi'sde pagkavkw" e[cein ); auch Aigisth wird sich freuen, wenn er die Nachricht hört (742 f.). Im Gegensatz zu ihrer Herrschaft empfindet Kilissa echten Schmerz (743-746); von allem, was sie bereits ertragen hat, ist die Nachricht von Orests Tod das größte Leid (747 f.: ajll j ou[ti pw toiovnde ph'm j ajnescovmhn: / ta; me; n ga; r a[lla tlhmovnw" h[ntloun kakav ). Gegen ihre schlichte, unmittelbare Reaktion erscheint die Klage Klytaimestras nachträglich noch gekünstelter. Der Schmerz der Amme geht aus ihrem Verhältnis zu Orest hervor (749-762), 357 den sie von der Mutter empfangen und selbst aufgezogen hat (749 f.: fivlon d j jOrevsthn, th'" ejmh'" yuch'" tribhvn, / o}n ejxevqreya mhtrovqen dedegmevnh ). Sie hat das nächtliche Geschrei (751: nuktiplavgktwn … keleumavtwn ) 358 des Kindes ertragen (753: tlavshi ) und war für seine Bedürfnisse zuständig, einschließlich des Windelwaschens, Amme und Wäscherin in einem (759 f.: paido; " spargavnwn faidruvntria, / knafeu; " trofeuv" te taujto; n eijcevthn tevlo" ). Kilissa hat Orest dem Vater zuliebe übernommen; nun ist er tot, und sie muß diese Nachricht dem Herrn des Hauses überbringen (763-765). Die Erinnerung der Amme an Orests frühe Kindheit charakterisiert sie als nicht nur gutmütige, 354 Schol. Aesch. Cho. 733 (=Stes. 218 PMGF). Vgl. Bowra 1961, 114. 355 Vgl. Taplin 1977, 346 mit Anm. 1. 356 Reinhardt 1949, 132. 357 Conacher 1987, 120: „Thus the Nurse provides an element of tenderness notably lacking in the exchange between the real mother and her son.“ Vgl. Reinhardt 1949, 133 f. 358 Vgl. Aesch. Ag. 12; 330; Cho. 524. 108 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee sondern auch energische, etwas redselige Frau von ungeschliffener Natürlichkeit. Es ist nicht mehr feststellbar, wie stark die Laodameia in der Oresteia des Stesichoros die Darstellung der Amme der Choephoren beeinflußt hat. Die bekannteste Ammenfigur, die vermutlich auch die Amme bei Stesichoros geprägt hat, ist aber sicherlich Eurykleia, die alte Amme des Odysseus in der Odyssee. 359 Auch sie ist leidgeprüft; Odysseus beschreibt sie, um sie für die Fußwaschung auszuwählen, als Greisin, die schon ebensoviel in ihrem Sinn ertragen hat wie er (Od. t 346 f.: eij mhv ti" grhu' " ej sti palaihv , kedna; ij dui' a, / h{ ti" dh; tev tlhke tov sa fresi; n o{ ssa t j ej gwv per ). Ihr Schmerz um Odysseus ist ebenso direkt wie derjenige Kilissas, sie weint, als Penelope Füße und Hände des Fremden mit denen des Odysseus vergleicht ( t 361 f.: grhu; > " de; katev sceto cersi; prov swpa, / dav krua d j e[ kbale qermav , e[ po" d j oj lofudno; n e[ eipen , vgl. Cho. 731: keklaumev nhn ), und ist aufgewühlt, weil die Ähnlichkeit auch ihr selbst auffällt ( t 377 f.: ej peiv moi oj rwv retai e[ ndoqi qumo; " / khv desin ). Sie fürchtet, daß Odysseus wie der Fremde von anderen Dienerinnen verspottet werden könnte ( t 370-374). Odysseus und Eurykleia verbindet entsprechend Kilissa und Orest ein enges Verhältnis, sie hat ihn von frühester Kindheit an versorgt, wie Penelope sagt ( t 353-355: e[ sti dev moi grhu; > " pukina; fresi; mhv de j e[ cousa, / h} kei' non duv sthnon ej u> ; trev fen hj d j aj tiv talle, / dexamev nh ceiv ress j , o{ te min prw' ton tev ke mhv thr ) und wie Odysseus selbst erinnert, nachdem er von ihr erkannt ist ( t 482 f.: su; dev m j e[ trefe" auj th; / tw' / sw' / ej pi; mazw' / ). 360 Hinter der nachdrücklichen Erwähnung des Windelwaschens von Kilissa könnte eine Assoziation an Eurykleias Aufgabe der Fußwaschung stehen, ihr Hantieren mit dem Wasserbecken ( t 386-388), in dem sie Odysseus’ Füße waschen will und das schließlich umstürzt ( t 467-470; 503 f.). Wie in der Orestie durch die Rede der Kilissa ein weiteres eindrucksvolles Dienerportrait neben dem des Wächters und dem des Boten entsteht, 361 so ist auch Eurykleia in der Odyssee eine von mehreren sorgfältig ausgestalteten Nebenfiguren der dienenden Schicht, Eumaios, Philoitios, Dolios oder Melanthios. 362 359 Sideras 1971, 229 weist auf eine Parallele zwischen Kilissa und Phoinix, dem alten Erzieher des Achill in der Ilias, er bezieht Aesch. Cho. 751 ff. auf Hom. Il. I 490 ff. Ebenso Gigli 1928, 42. 360 Eurykleia hat auch Telemachos aufgezogen (Od. a 428-442). 361 Vgl. Finley 1966, 250; 271. 362 Vgl. Arist. Poet. 24, 1460a5-11 zu dem h\qo" in den homerischen Epen. Richardson 1992, 38 sieht h\qo" bei Aristoteles auf die Odyssee und die Komödie festgelegt. Vgl. Jakoby 1933, 170-173. Choephoren 109 Auf Kilissas Rede folgt ein Dialog mit der Chorführerin (Cho. 766-782). Die Amme versteht die Frage, mit welcher Ausrüstung Aigisth kommen soll, zuerst nicht, antwortet auf eine Verdeutlichung hin aber, daß Klytaimestra ihn mit seinen Lanzenträgern (769: dorufovrou" ojpavona" ) rufen läßt (766-769). Die Chorführerin ändert den Auftrag ab, Kilissa soll nichts von der Leibwache sagen, und gibt ihr damit eine entscheidende Rolle bei dem Anschlag (770- 773). Auf die Verwunderung der Amme hin, die davon ausgeht, daß Orest tot und mit ihm jede Hoffnung (776: ejlpiv" , vgl. 699) dahin sei, deutet die Chorführerin an, daß es noch einen Ausweg gibt (774-777). Als Kilissa aber, aufmerksam geworden, zurückfragt und konkret wissen will, ob der Chor andere Informationen hat, wird sie rüde abgewiesen, sie soll die Nachricht überbringen und den Auftrag ausführen; um das, was den Göttern obliegt, sollen sich die Götter kümmern (779 f.: a[ggell j ijou'sa, pra'sse tajpestalmevna. / mevlei qeoi'sin w|nper a]n mevlhi pevri ); Kilissa fügt sich in ihr Botenamt (781 f.). Entsprechend fällt in der Odyssee Eurykleia eine Beteiligung bei der Durchführung der Intrige gegen die Freier zu. Telemachos beauftragt sie, die Dienerinnen im Saal zurückzuhalten, bis er und sein Vater die Waffen (Od. t 17: e[ntea ) in die Kammer fortgebracht haben ( t 15-30); wie in den Choephoren hängt der Auftrag an die Amme mit der Entwaffnung des Gegners zusammen. Telemachos weiht Eurykleia nicht ein, er gebraucht eine Ausrede für das Fortbringen der Waffen; einen Vorschlag von ihr lehnt er ab. Nachdem Eurykleia Odysseus an der Narbe erkannt hat, versucht er, sie zum Schweigen zu bringen, indem er droht, sie zusammen mit den anderen Dienerinnen zu töten. Ihr Angebot, ihm die von ihm abgefallenen und die loyal gebliebenen Dienerinnen zu nennen, weist er zunächst zurück, das sei nicht nötig, er werde selber Nachforschungen anstellen, sie solle schweigen und es den Göttern überlassen ( t 482-504; 502: ajll j e[ce sigh'/ mu'qon, ejpivtreyon de; qeoi'sin ); später kommt er allerdings doch auf die von ihr angebotene Unterstützung zurück ( c 417 f.). 363 Unmittelbar vor dem Freiermord richtet Eumaios der Amme den Befehl des Telemachos aus, wiederum die Türen des Saales zu verschließen, damit die Dienerinnen nicht, von dem Kampflärm erschreckt, den Raum verlassen ( f 380-387). 363 Ähnlich wie im Fall der nicht ausgeführten Anweisungen des Odysseus an Telemachos sieht die Homeranalyse in diesem Widerspruch einen Hinweis auf die Uneinheitlichkeit des Textes; vgl. dagegen Erbse 1972, 3-41. 110 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee In den Choephoren ist nicht nur in ethopoietischer Hinsicht auf die alte Amme des Odysseus angespielt, indem Kilissa in ihrem Monolog das, was im Epos andere Figuren beschreibend über Eurykleia sagen, selbst ausdrückt und darstellt; Kilissa hat auch in der Handlung eine vergleichbare Funktion wie Eurykleia, auf inhaltlicher Ebene trägt sie zur heimlichen Entwaffnung des Gegners bei, strukturell wird ihr Auftreten unmittelbar vor der Durchführung des Anschlags durch seinen alltäglichen Ton zu einer kurzfristigen Lockerung verwendet, nach der die Spannungskurve neu aufgenommen und höher geführt werden kann. 4.2.8 Die Schlußszene (Cho. 973-1076) Im dritten Stasimon (Cho. 935-972) jubelt der Chor (942: ejpololuvxat ) über die Ermordung des Herrscherpaares. Dann tritt Orest auf, mit blutbefleckten Händen, die Leichen von Klytaimestra und Aigisth werden auf dem Ekkyklema sichtbar. Die visuelle Parallele zum Schluß des Agamemnon, wo sich Klytaimestra mit den Leichen Kassandras und Agamemnons präsentiert, ist oft bemerkt worden; sie hebt die unterschiedliche innere Haltung der beiden Täter hervor. 364 Die Schlußszene der Choephoren weist, anders als die kontrastierende Schlußszene des Agamemnon, Parallelen zum Schluß der Odyssee auf. Zu Beginn der Schlußszene, in der Eröffnungsrede Orests (973- 1006), setzt sich die triumphale Stimmung des Chorliedes fort. Orest zeigt das Tuch, das Klytaimestra über den badenden Agamemnon warf, ihren Kunstgriff (981: to; mhcav nhma ) bei der Ermordung, als Zeichen für die Berechtigung seiner Rachetat (988 f.); er ist noch erfüllt von dem Haß gegen die Mörderin seines Vaters, die er als Meeraal oder Natter bezeichnet (994: muv rainav g j ei[ t j e[ cidn j ) 365 . Bei der ersten Betrachtung des Tuches, während der Orest eine Kette möglicher Benennungen für das unsägliche Gewebe hervorstößt (998- 1000: a[ greuma qhrov ", h] nekrou' podev nduton / droiv th" kataskhv nwma ; div ktuon me; n ou\ n / a[ rkun t j a] n ei[ poi" kai; podisth' ra" pev plou" ), hält sein Abscheu vor der Tat Klytaimestras an; auch Klytaimestra findet in der spiegelbildlichen Szene des Agamemnon kunstvolle Ausdrükke für das Gewebe, darunter einen Vergleich mit einem Fischer- 364 Siehe Garvie 1986, Introd. xxxvi; Taplin 1977, 357-359. 365 Vgl. die Bezeichnung als Skylla Aesch. Ag. 1233; Cho. 612 f.; s. auch Conacher 1987, 125. Choephoren 111 netz (Ag. 1375: phmonh' " aj rkuv stat j , 1382 f.: a[ peiron aj mfiv blhstron, w{ sper ij cquv wn, / peristiciv zw, plou' ton ei{ mato" kakov n ). 366 Als Orest das Tuch jedoch erneut zur Hand nimmt, wandelt sich seine Freude in Schmerz, er beginnt beide Seiten zu sehen, das Unrecht Klytaimestras und die eigene Schuld (Cho. 1016: aj lgw' me; n e[ rga kai; pav qo" gev no" te pa' n ). Während sich sein Verstand zu trüben anfängt (1021- 1043), wiederholt er, die Mutter zu Recht getötet zu haben, die durch den Vatermord den Göttern verhaßt war (1028: patroktov non miv asma kai; qew' n stuv go" ), und beruft sich auf Apoll als Hauptantrieb (1029- 1032). Im Gegensatz zu Klytaimestra sucht Orest nach Entsühnung und will sich mit Olivenzweig und Kranz zum Apollonheiligtum in Delphi aufmachen (1036 f.: mesov mfalov n q j i{ druma, Loxiv ou pev don, / purov " te fev ggo" a[ fqiton keklhmev non ). In der Odyssee jubelt die Amme Eurykleia, als sich ihr, nach dem Öffnen der Türen des Saales, der Anblick des blutüberströmten Odysseus und der toten Freier bietet (Od. c 407 f.: hJ d j wJ" ou\n nevkuav" te kai; a[speton e[siden ai|ma, / i[qusevn rJ j ojloluvxai, ejpei; mevga e[siden e[rgon ); wie in den Choephoren wird aber die erste, selbstgerechte Freude über die gelungene Tat abgebremst, Odysseus ist wie Orest ein reflektierter, maßvoller Rächer ( c 411 f.: ejn qumw'/ , grhu', cai're kai; i[sceo mhd j ojlovluze: / oujc oJsivh ktamevnoisin ejp j a[ndrasin eujcetavasqai ). Die Beschreibung der niedergemetzelten Freier und des Rächers Odysseus hinterläßt im Rezipienten einen starken bildlichen Eindruck. Möglicherweise hat das Gleichnis, das für die Scharen der auf dem Boden liegenden Freier verwendet wird, auf den szenischen Einfall des Aischylos, Klytaimestra am Ende des Agamemnon und Orest am Ende der Choephoren das Gewebe zeigen zu lassen, oder zumindest auf die verwendeten Begriffsketten, eingewirkt. Die Freier werden mit Fischen verglichen, die Fischer aus dem grauen Meer mit vielmaschigem Netz ( c 384-386: w{" t j ijcquva", ou{" q j aJlih'e" / … / diktuvw/ ejxevrusan poluwpw'/ ) an den Strand ziehen. Auch Odysseus sieht seine Tat durch göttliche Bestimmung und das Unrecht der Freier gerechtfertigt ( c 413: touvsde de; moi'r j ejdavmasse qew'n kai; scevtlia e[rga ). Entsprechend zu Orests Vorsatz, sich in das Apollonheiligtum nach Delphi zu begeben, läßt Odysseus, nach 366 Durch die Reihung von Synonymen für das Tuch, in das Klytaimestra Agamemnon verwickelt, und durch das Demonstrieren des Requisits wird das Stoff-Motiv der Orestie weitergeführt; im Agamemnon dominiert es die Teppichszene (vgl. 4.1.6), in den Choephoren ist es auch in dem dritten Erkennungszeichen zwischen Elektra und Orest, Elektras Gewebe (Cho. 531), aufgenommen (vgl. 4.2.2). Vgl. Jenkins 1985, 116 f. 112 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee der grausigen Bestrafung der Dienerinnen und des Melanthios, Eurykleia Schwefel und Feuer zur Reinigung bringen ( c 481 f.: oi\se qeveion, grhu? , kakw'n a[ko", oi\se dev moi pu'r, / o[fra qeeiwvsw mevgaron , c 491 f.: pu'r nu'n moi prwvtiston ejni; megavroisi genevsqw ). Orests Verhalten nach dem Muttermord entspricht also, im Gegensatz zu Klytaimestras Haltung nach der Ermordung Agamemnons, in wesentlichen Zügen demjenigen des traditionellen epischen Rächers Odysseus; obwohl der Vater gerächt ist, versteht sich Orest weiterhin als Umherziehender, aus seinem Land Verbannter (Cho. 1042: ajlhvth" th'sde gh'" ajpovxeno" , vgl. Ag. 1280), 367 was zu der Typologie des homerischen Heimkehrers gehört. Orests Unruhe verstärkt sich, in seiner Vorstellung erscheinen die Erinyen, die ihn forttreiben (Cho. 1048-1062). Wie sich die Wahrnehmung des Helden zunehmend von der des Chores abspaltet, wird dadurch deutlich, daß Orest immer ein Wort des Chores aufgreift, aber einen anderen Sinn darin findet: der Chor lobt den Befreier von Argos, der das Schlangenpaar geköpft hat, Orest sieht gorgonenhafte, dunkelgewandete und von Schlangen dicht umwimmelte Gestalten (1048-1050: Gorgov nwn div khn / faiociv twne" kai; peplektanhmev nai / puknoi' " drav kousin ). Der Chor fragt, was das für Einbildungen seien, keine Einbildungen entgegnet Orest, vielmehr die zornigen Rachehunde seiner Mutter (1054: mhtro; " e[ gkotoi kuv ne" ). Das Blut an Orests Händen sei eben noch frisch, versucht der Chor zu beruhigen, Orest ruft Apoll an, die Gestalten werden immer mehr (1057: ai{ de plhquv ousi dhv ), aus ihren Augen tropft Blut. Orest begreift, daß die Vision nur ihn betrifft, daß nur er als Täter der Getriebene ist (1050: ouj kev t j a] n meiv naim j ej gwv , 1062: ej lauv nomai de; kouj kev t j a] n meiv naim j ej gwv ). Entsprechend ist in der Odyssee die Handlung mit der Ermordung der Freier nicht abgeschlossen, Odysseus rechnet frühzeitig mit einer Gegenrache der mit den Freiern verwandten Ithakesier; während er in der ersten Nacht in seinem eigenen Haus schlaflos liegt und Athene zu ihm kommt, denkt er darüber nach, wie er, wenn er die Freier getötet hat, fliehen kann (Od. u 42 f.: ei[ per ga; r kteivnaimi Diov" te sevqen te e{khti, / ph'/ ken uJpekprofuvgoimi ; ); nach Vollbringung der Tat beratschlagen Odysseus und Telemachos über ihre Flucht ( y 118-120: kai; gavr tiv" q j e{na fw'ta katakteivna" ejni; dhvmw/ , / w|/ mh; polloi; e[wsin ajosshth're" ojpivssw, / feuvgei phouv" te prolipw; n kai; patrivda gai'an ), Odysseus will ein Fest veranstalten, um die Verbreitung der Nachricht von der Ermordung der Freier 367 Vgl. Taplin 1977, 360 f. Vgl. auch 4.1.7, S. 79 f.; 4.3.2. Eumeniden 113 zu verzögern ( y 130-140). Die wirkungsvolle Einsetzung der Erinyen, die, zunächst als Obsession von Orest beschrieben, sich in den Eumeniden in die Bühnenwirklichkeit drängen, den Prozeß von sprachlicher zu körperlicher Darstellung vollziehen, könnte gleichfalls einen Bezug zur Odyssee haben. 368 Die Gegenrache der Verwandten der Freier bricht los, indem Ossa, das personifizierte Gerücht, 369 überall durch die Stadt läuft und den Tod der Freier verkündet ( w 413 f.: #Ossa d j a[r j a[ggelo" w\ka kata; ptovlin oi[ceto pavnth,/ / mnhsthvrwn stugero; n qavnaton kai; kh'r j ejnevpousa ); die Entstehung des Vergeltungsschlages bekommt durch die Personifizierung von #Ossa einen unheimlichen, dämonischen Charakter, wie er das Auftreten der Erinyen kennzeichnet. Nicht nur das Verhalten Orests nach der Tat, sondern auch die Handlungsstruktur, die auf die Rache die Gegenrache folgen läßt, entspricht dem Schema der Odyssee. Vor dem Hintergrund des Epos entsteht für den Rezipienten dadurch der Eindruck, daß trotz des Stimmungsumschlages von Triumph zu neuem Schmerz und der Bedrohung durch die Rachegeister Orest der erwartete erfolgreiche Rächer ist und seine Tat sich letztlich behaupten wird. Die lawinenartige Entwicklung der Gegenrache durch das Wirken von Ossa ist möglicherweise in der Materialisierung der Rachegeister zu Bühnenfiguren, die über die Stückgrenze zwischen Choephoren und Eumeniden führt, dramatisch umgesetzt. 4.3 Eumeniden Eumeniden 4.3.1 Das Erwachen der Erinyen (Eum. 117-130) Im Prolog beschreibt die Seherin den furchtbaren Anblick (Eum. 34: h\ deina; levxai, deina; d j ojfqalmoi'" drakei'n ), der sich ihr im Inne- 368 Nach Whallon 1995, 231 sind die Erinyen am Ende der Choephoren für das Publikum schon sichtbar; er stellt sogar die gewagte Hypothese auf, daß die Furien schon Ag. 1072; 1076; 1087; 1217 als Rachegeister der getöteten Kinder Thyests erscheinen (231 f.). Sommerstein 1989, Introd. 5 nimmt an, daß Aischylos die Erinyen anstelle der Verwandtschaft der Klytaimestra in einer früheren Form des Mythos eingesetzt haben könnte. Siehe dagegen Garvie 1986, Introd. xvii; xxi und zu Aesch. Cho. 973-76. 369 Vgl. Hom. Il. B 93 f.; Od. a 282; b 216 f. und Heubeck 1988 zu Hom. Od. w 413. Vgl. auch 4.3.1. 114 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee ren des Apollontempels bietet (34-59): Orest mit dem Ölzweig in der Hand um Entsühnung flehend und vor ihm auf Stühlen die seltsame Schar der Erinyen (46: qaumasto; " lovco" ), die sie an Frauen, dann an Gorgonen erinnert. Das Erschrecken der Seherin setzt die panische Stimmung der Schlußszene der Choephoren fort; 370 waren die Erinyen anfangs noch als Wahnvorstellung Orests (Cho. 1051; 1053: dovxai ) abzutun, sind sie hier schon für einen zweiten Menschen, wenn auch eine Prophetin, sichtbar. Die Parallele zu der Gegenrache der Ithakesier am Schluß der Odyssee setzt sich fort. Die Beschreibung, die die Pythia von den Rachegeistern gibt (Eum. 46-59), ist ausführlicher als die abgerissenen Impressionen des Verfolgten selbst, sie versucht sie vergeblich als Frauen, Gorgonen, Harpyien einzuordnen (Eum. 46-51; vgl. Cho. 1048); es folgt eine Art Nahaufnahme der Wesen (Eum. 51-56): sie sind schwarz (vgl. Cho. 1049), abstoßend, sie schnarchen, haben triefende Augen (vgl. Cho. 1058), und ihre Kleidung schließt sie von den Heiligtümern der Götter und von menschlicher Gemeinschaft aus (vgl. Cho. 1049). Betont ist besonders das kollektive Auftreten der Erinyen (Eum. 46: qaumasto; " lovco" , 57: to; fu'lon … th'sd j oJmiliva" , 58: tou't j … gevno" , vgl. Cho. 1057: plhquvousi ), von dem ihre erschreckende Wirkung entscheidend ausgeht, und das durch ihre Verwendung als Chor dramatisch ausgeschöpft wird. Im Anschluß an den Prolog (64 ff.) zeigt sich dem Zuschauer auf dem Ekkyklema das Innere des Tempels, die von den Worten der Seherin in der Vorstellung bereits evozierte Szene, Orest und die schlafenden Erinyen, wird faktisch sichtbar. 371 In seiner Reglosigkeit formt der Chor noch ein ‚lebendes Bild‘, das sich allmählich, von Klytaimestras Schatten (116: o[nar … Klutaimhvstra ) angerufen (94-116; 131-139), zur dramatischen Darstellung wandelt. Zunächst reagiert der Chor auf den Vorwurf von Klytaimestras Traumbild, daß Orest entkommen sei, nur mit dem Ausstoßen von Geräuschen (117-130), einem Stöhnen (117; 120: mugmov" , 129: mugmo; " diplou'" ojxuv" ) und einem dumpfen Rufen (123; 126: wjgmov" ); 372 der Schatten Klytaimestras kommentiert ungeduldig (118: muvzoit j a[n , 124: w[zei" ) diese 370 Vgl. Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 34. 371 Ders. zu Aesch. Eum. 64-93; Taplin 1977, 369-374 argumentiert, daß die dramatische Steigerung, besonders die Geräusche des Chores, besser zur Geltung kommen, wenn die Erinyen erst 140 ff. sporavdhn auftreten. Der Vorgang des Erwachens ist jedoch auch visuell zur Darstellung auf der Bühne geeignet. Für ein Sichtbarwerden des Chores Eum. 64 ff. spricht eindeutig Eum. 67. 372 Zu der Authentizität dieser Bühnenanweisungen vgl. Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 117. Eumeniden 115 Laute. Nach dem wiederholten Appell, die Jagd nach dem Muttermörder fortzusetzen, erhebt sich der Chor schließlich zur Parodos (143-177), die Wahnvorstellung Orests hat sich zu einer Guppe, die greifbar als dramatis persona auf der Bühne agiert, verwandelt. In der Odyssee beginnt die Gegenrache, wie schon erwähnt, 373 ebenfalls mit einem gesichtslosen Wesen kollektiven Charakters, dem personifizierten Gerücht (Od. w 413: #Ossa ). 374 Die Verwandten der Freier versammeln sich daraufhin zu einer Gruppe der Rächer ( w 420 f.: aujtoi; d j eij" ajgorh; n kivon ajqrovoi, ajcnuvmenoi kh'r. / aujta; r ejpeiv rJ j h[gerqen oJmhgereve" t j ejgevnonto) , 375 ein Vorgang, der sich wiederholt, nachdem ein Großteil von ihnen den Racheplan aufgegeben hat ( w 468: ajqrovoi hjgerevqonto ). Als das Gerücht sich unter den Bewohnern verbreitet, laufen sie von hierher und dorther zusammen unter Stöhnen und Seufzen zum Haus des Odysseus ( w 415 f.: oiJ d j a[r j oJmw'" aji? onte" ejfoivtwn a[lloqen a[llo" / mucmw'/ te stonach'/ te dovmwn propavroiq j jOdush'o" ) und tragen ihre Toten heraus. Der erste der Klagelaute ( w 416: mucmw'/ ) ist ungewöhnlich 376 und entspricht von der Wurzel her genau dem ersten Laut der erwachenden Erinyen (Eum. 117; 118; 120; 129). Es wäre möglich, daß das zur Gestalt gewordene Gerücht und die Horde der rachedurstigen Verwandten der Freier in der Odyssee Aischylos zu der Verwendung der Erinyen als Chor, der dramatischen Form des Kollektivs, angeregt haben. Die Gegenrache baut sich im Epos stufenweise auf, von dem Umlaufen des Gerüchts ( w 413: w\ka kata; ptovlin oi[ceto pavnth/ ) zu der Versammlung der Ithakesier ( w 415: ejfoivtwn a[lloqen a[llo" , 420: kivon , 421: h[gerqen , 432: i[omen , 437: ajll j i[omen ), 373 Vgl. 4.2.8, S. 113. 374 Die personifizierte # Ossa wird bereits in der Ilias genannt; dort treibt sie als Botin des Zeus das Heer zur Versammlung ( B 93 f.). In der Odyssee ist die Kunde von Odysseus, nach der Telemachos sucht, als o[ssa ( a 282 f.; b 216 f.) bezeichnet. Zum Begriff der Fhvmh vgl. Hes. Op. 760-764. Das monströse Äußere und die zunehmende Dynamik des Gerüchts, der Fama, werden eindrucksvoll von Vergil beschrieben (Aen. 4, 174 ff.); s. auch Ov. Met. 12, 39-63; Val. Flacc. Arg. 2, 115 ff.; Stat. Theb. 2, 205 ff.; 4, 32 ff.; 9, 32 ff. Eine moderne musikalische Umsetzung des akkumulativen Effekts der Verleumdung, des bewußt gestreuten, falschen Gerüchts, ist die Arie „La calunnia è un venticello“ des Basilio im ersten Akt des Barbiere di Siviglia von Gioachino Rossini. 375 Zu der Anzahl der Freier vgl. Hom. Od. p 241-257. 376 mucmw'/ ist ein aus der attischen Wurzel muvzein , muvzai gebildetes Hapax; vgl. Heubeck 1988 zu Hom. Od. w 416. Erbse 1972, 221 nennt mucmw'/ als eine der wenigen sprachlichen Besonderheiten des Schlußteils der Odyssee ( y 297 ff.), die er gelten läßt, während er sonst die Einheitlichkeit des Epos gegen Page verteidigt. Page 1955, 102-111 erwähnt in seiner sprachlichen Untersuchung des Schlusses den Begriff merkwürdigerweise nicht. 116 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee zu ihrer Rüstung (466: ejpi; teuvcea ejsseuvonto , 468: hjgerevqonto ), zu ihrem Sturm gegen das Landgut des Laertes (491: mh; dh; scedo; n w\si kiovnte" , 495: oi{de dh; ejggu; " e[as j ). Die Dynamik der Racheaktion der Ithakesier am Schluß der Odyssee könnte Aischylos in der Orestie dramatisch rezipiert haben, indem er den fragmentarischen Eindruck der Wahnvorstellung des Orest zu dem fiktiven Bild der Beschreibung der Erinyen durch die Pythia, zu dem faktisch sichtbaren Tableau des reglosen Chores, zu dem in Bewegung geratenden, singenden und tanzenden Chor der Parodos verwandelt. 4.3.2 Die Irrfahrten Orests (Eum. 64-84; 235-243; 276-291; 436-469) Kassandra kündigt den heimkehrenden Rächer Orest als Umherziehenden und aus seinem Land Verbannten an (Ag. 1282: fuga; " d j ajlhvth" th'sde gh'" ajpovxeno" ), er selbst ist nach dem Muttermord noch vor dem Erscheinen der Erinyen bereit, seine Wanderung wieder aufzunehmen (Cho. 1042: ejgw; d j ajlhvth" th'sde gh'" ajpovxeno" ), um in Delphi Entsühnung zu suchen. Durch das Motiv der Irrfahrten verstärkt sich die Entsprechung zwischen Orest und Odysseus. In den Eumeniden wird dieses Motiv weitergeführt. Apoll, der Orest seines Schutzes gegen die Erinyen versichert (Eum. 64-73), erlegt ihm dennoch auf, die Flucht fortzusetzen (74- 84). Die Rachegötinnen werden ihn durch das weite Festland treiben, über die Erde hin, die er bei seinen Wanderungen betritt, 377 über das Meer und durch meerumbrandete Städte (74-77: o{ mw" de; feu' ge, mhde; malqako; " gev nhi: / ej lw' si gav r se kai; di j hj peiv rou makra' " / bibw' nt j aj n j aij ei; th; n planostibh' cqov na / uJ pev r te pov nton kai; perirruv ta" pov lei" ). Orest darf nicht ablassen, diese Mühe zu verfolgen 378 (78 f.: kai; mh; prov kamne tov nde boukolouv meno" / pov non ). In Athen angekommen, soll er sich bei dem Kultbild der Stadtgöttin niedersetzen, dort werden sie Richter und, mithilfe bezwingender Worte (81 f.: qelkthriv ou" / muv qou" ), Kunstgriffe (82: mhcanav " ) finden, um Orest zu befreien. Als Geleiter gibt Apoll seinem Schützling Hermes mit (89-93); es ist 377 Vgl. Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 76. 378 In den Übersetzungsvorschlägen von Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 78, „caring for, devoting yourself to“ ist das Bewegungselement des Begriffes vernachlässigt. Eumeniden 117 umstritten, ob diese Figur wirklich auf der Bühne verkörpert wurde, oder eher als innerliche Schutzmacht fungiert. 379 Unmittelbar nach dem Szenenwechsel zwischen Eum. 234 und 235, in dem sich neben dem Wechsel des Ortes von Delphi nach Athen gleichzeitig ein Zeitsprung vollzieht, 380 bittet Orest Athene um Aufnahme und erwähnt dabei seine Wanderungen (235-243), auf denen ihm der Chor gefolgt ist (248-251); er ist kein Schutzsuchender mehr (237: prostrovpaion , vgl. 41; 176; 205; 234), 381 seine blutbefleckte Hand ist gereinigt durch die Beherbergung unter dem Dach anderer Menschen und gemeinsame Fahrten (239: a[lloisin oi[koi" kai; poreuvmasin brotw'n ); indem er Festland und Meer durchquert (240: oJmoi'a cevrson kai; qavlassan ejkperw'n ), den Seherspruch Apolls erfüllt hat, gelangt er zu dem Heiligtum Athenes. Orest kommt also nicht auf dem direkten Weg von Delphi nach Athen, die Wanderungen zu Land und zu Wasser, die offenbar einen größeren Zeitraum eingenommen haben, 382 gehören zu dem Vorgang der Reinigung. Nach der Epiparodos des Chores, der Orest erneut als Muttermörder beschuldigt (Eum. 254-275), wiederholt Orest, daß er entsühnt ist, und ruft nochmals Athene an (276-298). Er stellt sich als jemand dar, der den tragischen Erkenntnisprozeß bereits durchlaufen hat, durch Schaden klug geworden ist und nicht nur eine, sondern viele Reinigungen kennt (276 f.: ejgw; didacqei; " ejn kakoi'" ejpivstamai / † pollou; " kaqarmouv" †). Zuerst nennt er ein Schweineopfer am Altar Apolls (282 f.), dann nochmals den sozialen Kontakt (284-286). Als Athene selbst auftritt, wendet sie sich ausdrücklich an beide Parteien (408 f.), die Erinyen drängen sich jedoch vor und geben zuerst an, wer sie sind und wie sie Orests Verbrechen sehen (415- 435). Deshalb fragt Athene Orest eigens nach Herkunft, Geschlecht, seiner unglücklichen Lage (436-438: tiv pro; " tavd j eijpei'n, w\ xevn j, ejn mevrei qevlei" ; / levxa" de; cwvran kai; gevno" kai; xumfora; " / ta; " sav" ) und fordert ihn auf, sich gegen den Vorwurf der Erinyen zu verteidigen (436-442). Dabei stellt sie die Standardfragen an den Fremden 379 Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 89-93 sieht keine Notwendigkeit für eine faktische Präsenz von Hermes, er verweist zudem auf 235 ff., wo Hermes nicht erwähnt wird; s. auch Taplin 1977, 364 f. Dagegen geht Neitzel 1991, 81 von einem realen Auftreten des Hermes aus. S. auch Dirksen 1965, 8. 380 Vgl. Taplin 1977, 377-379. 381 Siehe Conacher 1987, 147 f. 382 Taplin 1977, 379: „We are made to think by 235 ff. that Orestes has been wandering for weeks or even months rather than hours or days, and this impression is confirmed later.“ 118 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee (409: xevnwi , vgl. 436), die Orest von Aigisth gar nicht erst abwarten wollte (Cho. 575 f.), und die Klytaimestra in ihrem Übereifer, die aufmerksame Gastgeberin zu spielen, zu stellen vergaß (Cho. 668 ff.). Orest wiederholt ein letztes Mal, daß seine Entsühnung bereits vollzogen ist (443-452), er zählt wiederum die Formen der Reinigung auf, den menschlichen Umgang in fremden Häusern, das Tieropfer, und erwähnt zusätzlich den Gebrauch von Wasser (451 f.: pavlai pro; " a[lloi" tau't j ajfierwvmeqa / oi[koisi kai; botoi'si kai; rJutoi'" povroi" ). 383 Dann geht er auf Athenes Fragen ein (453-469), er stellt sich als Argiver und Sohn des Agamemnon, des Anführers der Flotte, vor, den die Göttin ja aus dem Trojanischen Krieg kennt (455 f.: Argei'ov" eijmi, patevra d j iJstorei'" kalw'", / Agamevmnon j, ajndrw'n naubatw'n aJrmovstora ); er erzählt sein Schicksal und gibt damit den Inhalt der beiden vorhergehenden Stücke der Trilogie wieder; den Untergang Agamemnons kurz nach seiner Heimkehr, die Ermordung im Bad durch Klytaimestras listige Verwendung des bunten Gewebes, das die Tat bezeugt (458-461); die eigene Heimkehr, vor der er verbannt war (462: kajgw; katelqwvn, to; n pro; tou' feuvgwn crovnon ), den Muttermord, den er gesteht, als Rachetat für den Mord am Vater (463 f.). Orest schließt damit, daß er von Apoll zu der Rache beauftragt wurde und daß er das Urteil in Athenes Hände legt (465-469). In der Rede vor der Göttin erwähnt Orest sowohl die neue Wanderung durch fremde Häuser, als auch die Verbannung vor dem Muttermord, womit beide Linien des ajlhvth" -Motivs miteinander verknüpft werden. Der Aufenthalt Orests in Athen entspricht stofflich dem „Atriden-Paradigma“ der Odyssee, dort findet er allerdings vor der Ermordung Aigisths statt (Od. g 306-308; 306 f.: tw'/ dev oiJ ojgdoavtw/ kako; n h[luqe di'o" jOrevsth" / a]y j ajp j jAqhnaivwn ). Die assoziative Verbindung zwischen dem umherziehenden Verbannten Orest und dem epischen Helden der Irrfahrten Odysseus wurde schon bei der Besprechung der Prophezeiung Kassandras im Agamemnon und dem Beginn der Verfolgung durch die Erinyen in den Choephoren festgestellt, 384 in den Eumeniden ist sie noch deutlicher. Die Irrfahrten, die Apoll Orest auferlegt, wirken so gewaltig, daß sie sich von ihrer Funktion in der Handlung, der Überbrückung des Wechsels des Handlungsortes von Delphi nach Athen, loszulösen scheinen. 385 383 Zu dem Ort der Reinigungsvorgänge vgl. Conacher 1987, 147 f. 384 Vgl. 4.1.7, S. 79; 4.2.8, S. 112. 385 Lesky 1931, 191 sieht die Irrfahrten Orests sogar als Fremdkörper im Text: „Wenn in den Eumeniden mehrfach von weiten Irrfahrten des Orest die Rede ist, die für Eumeniden 119 Dabei wird zu wenig beachtet, daß sie ein wesentlicher Bestandteil der Reinigung Orests sind und in einem angemessenen Verhältnis zu den Dimensionen der Tat stehen müssen; zudem evozieren sie einen bisher unberücksichtigten Teil der Odyssee (Od. e , i m ). 386 Wie Odysseus muß Orest über das Meer fahren und vom Meer umspülte Städte besuchen (vgl. Od. a 3 f.). Die ihm abverlangte Ausdauer ist eine Grundeigenschaft des poluvtla" Odysseus (vgl. z. B. k 53: ajll j e[tlhn kai; e[meina , u 18: tevtlaqi dhv, kradivh: kai; kuvnteron a[llo pot j e[tlh" ); der Gott Hermes wirkt ebenfalls bei den Irrfahrten der Odyssee auf versteckte Weise mit, er überbringt, im Auftrag des Zeus, Kalypso die Botschaft, daß die Götter Odysseus’ Heimkehr beschlossen haben ( e 28-148; vgl. a 84-87), mit seiner Hilfe besteht der Held gegen die Zauberin Kirke ( k 275-308). 387 In Athen wird der xevno" Orest von der Stadtgöttin erstmals nach seinem Herkunftsland, seiner Abstammung und seinem unglücklichen Schicksal befragt, eine klassische Situation der Odyssee ( q 572-586; i 252-255; x 185-190; t 104 f.; 162 f.; w 298-301). Anders als in der Trugrede gegenüber Klytaimestra (Cho. 674-690) gibt Orest seine tatsächliche Identität preis; die Wortstellung und die Bezeichnung Agamemnons als Anführer der Flotte könnten an das Bekenntnis des Seefahrers Odysseus zu seiner Identität vor den Phäaken anklingen (Od. i 19-36; 19: ei[m j jOduseu; " Laertiavdh" ). Der Kurzbericht von Orests xumforaiv , der an die Angaben zu seiner Person anschließt, faßt auf ähnliche Weise den Inhalt der Orestie zusammen, wie Odysseus, was er an Leid zugefügt und erduldet hat, vor den Phaiaken oder Penelope wiedergibt ( i 37 ff.; y 310-343; 306 f.: o{sa khvde j e[qhken / ajnqrwvpoi" o{sa t j aujto; " oji>zuvsa" ejmovghse ). Die Erwähnungen von Orests Irrfahrten in den Eumeniden tragen die maritime Atmosphäre der Nostenerzählungen der Telemachie, des 5. Buches und der Apologe in das schon bestehende Bezugsfeld zwischen Orestie und Odyssee; durch den epischen Hintergrund erhalten die Fahrten Orests größeres Gewicht und werden als Weg zur Reinigung und Neuerfindung der Identität glaubwürdiger. Die Figur Orests nähert sich noch mehr an Odysseus an, indem sie die den Gang der Handlung ohne Bedeutung, mit ihren Voraussetzungen zum Teile unvereinbar sind, so ist dahinter nichts weiter als die Einwirkung älterer Sagenfassungen zu sehen, in denen jene plavnai eine wesentliche Rolle spielten.“ 386 Vgl. Dirksen 1965, 20 f. 387 Neitzel 1991, 75 f.; 81 f. vergleicht die Schutzfunktion von Hermes mit dem Eingreifen dieses Gottes in Odyssee und Ilias. Zu Hermes in den Choephoren vgl. 4.2.1, S. 83-85. 120 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee Typologie des ausdauernden, leiderprobten, rastlosen homerischen Helden erfüllt, der bis zuletzt nicht völlig zur Ruhe kommt; Orest macht sich vor dem Ende des Stückes auf den Heimweg nach Argos (Eum. 775), Odysseus ist von Teiresias erneute Wanderschaft vorausgesagt (Od. l 119-137; y 248-253; 264-284); 388 daß aber in Athen das vorläufige Ziel der Irrfahrten Orests erreicht ist, deutet sich an in dem Bekenntnis zu der eigenen Identität und dem Bericht des erlittenen Schicksals gegenüber Athene, die beide auf wichtige Stationen der Heimkehr des Odysseus anspielen. 4.3.3 Die Anklage der Erinyen und die Verteidigung Orests (Eum. 585-673) Athene erscheint der Fall Orest zu schwierig, als daß sie ihn allein entscheiden könnte, und so setzt sie ein Mordgericht ein, das aus den Besten der Bürger (Eum. 487: ajstw'n tw'n ejmw'n ta; bevltata ) bestehen soll. Diese aitiologische Bezugnahme zu einer zeitgenössischen Institution, dem Adelsrat auf dem Areopag, dessen Zuständigkeitsbereich unter Ephialtes 462/ 61 v. Chr. auf die Blutgerichtsbarkeit beschränkt worden war, hat nach den mythologisch geprägten ersten beiden Stücken der Trilogie verwundert 389 oder ist zumindest als besonderer, politischer Aspekt der Eumeniden bewertet und getrennt abgehandelt worden; 390 dabei durchzieht die politische Sprache der Gerichtsszene der Eumeniden die ganze Orestie; 391 die Darstellung der Gerichtsverhandlung ist außerdem nicht an einem authentischen Prozeß vor dem Areopag orientiert. 392 Am Schluß der Odyssee wird die Rache des Odysseus an den Freiern Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung, was ebenfalls als unorganisches Element beurteilt wurde. Nach dem zweiten Stasimon tritt Athene mit dem zusätzlichen Chor der von ihr gewählten Richter auf 393 und eröffnet die Gerichts- 388 Merkelbach 1969, 142-155 sieht in der Weissagung des Teiresias eine Spur der Telegonie des Eugammon von Kyrene, worin Odysseus, auf den Freiermord hin, nach Thesprotien verbannt wird. Zu der Sage von der Verbannung des Odysseus vgl. Plut. Mor. 294CD; Quaest. Graec. 140 und Apollod. Epit. 7, 40. 389 Vgl. Reinhardt 1949, 140 f. 390 Siehe z. B. Dover 1957. 391 Siehe Aesch. Ag. 456 f.; 640; 883 f.; 938; 1355; Cho.: 809; 863; 1046; vgl. Dodds 1960, 19 f. 392 Vgl. Sommerstein 1989, Introd. 16; Macleod 1982, 127; dagegen Lebeck 1971, 135. 393 S. hierzu Taplin 1977, 392-395. Eumeniden 121 verhandlung, indem sie das Volk zusammenruft (Eum. 566: khvrusse, kh'rux, kai; strato; n kateirgaqou' , 570: plhroumevnou ga; r tou'de bouleuthrivou ) und den streitenden Parteien das Wort erteilt; der Kläger soll zuerst sprechen und den Tatbestand darlegen (582-584). Die Erinyen wählen ein Kreuzverhör von Orest in Form einer Stichomythie (585-608); 394 den ihm angelasteten Muttermord gesteht Orest unumwunden ein; er gibt jedoch an, von Apoll, der ihm das bezeugt, beauftragt worden zu sein, und hebt Klytaimestras Verbrechen, den Gattenmord, der gleichzeitig der Mord an Orests Vater ist, hervor. Von Orests vielen, auch privaten, Motiven ( polloi; i{meroi ) ist nicht mehr die Rede (vgl. dag. Cho. 299-304). 395 Die Erinyen argumentieren, daß Klytaimestras Gattenmord weniger schwer wiegt und von ihnen nicht geahndet wird, weil er im Unterschied zu der Tat Orests kein Mord an einem Blutsverwandten ist (Eum. 605: oujk h\n o{maimo" fwto; " o}n katevktanen , 608: ajpeuvchi mhtro; " ai|ma fivltaton ; , vgl. 212: oujk a]n gevnoiq j o{maimo" aujqevnth" fovno" ). Daraufhin bittet Orest Apoll, für ihn Zeugnis abzulegen (609-613) und die Tat zu bewerten. Apoll geht auf die beiden Gesichtspunkte, die Orest zu seiner Verteidigung bereits genannt hat, ein und bekräftigt sie durch ausführlichere Darstellung. Zunächst spricht er seine Billigung der Tat aus, als Seher, der noch nie etwas geweissagt hat, wozu ihn Zeus nicht beauftragt hätte (614-621; 618: o} mh; keleuvsai Zeu; " Olumpivwn pathvr ), und fordert das Gericht auf, den göttlichen Ratschluß zu akzeptieren (620: boulh'i pifauvskw d j u[mm j ejpispevsqai patrov" ). Die Erinyen reagieren verunsichert, fragen, ob wirklich Zeus der Auftraggeber von Orests Rachetat ist (622-624). Apoll wendet sich nun Orests zweitem Argument zu, das gleichzeitig den Beschluß des Zeus erklärt, dem Mord Klytaimestras an Agamemnon (625-639); Agamemnon ist von edler Abstammung, durch einen von Zeus verliehenen Herrscherstab geehrt, hat in Troja seine Sache im Ganzen gut gemacht, ist äußerst ehrwürdig, der Anführer der Flotte (625: a[ndra gennai'on , 626: diosdovtoi" skhvptroisi timalfouvmenon , 631 f.: hjmpolhkovta / ta; plei'st j a[meinon , 637: tou' pantosevmnou, tou' strathlavtou new'n ). Dem hohen Status des Trojaheimkehrers stellt Apoll das ruhmlose Ende, im Bad in ein buntes Tuch verstrickt von der eigenen Frau erschlagen zu werden, gegenüber und hebt durch dieses Mißverhältnis die Schwere von Klytaimestras Tat hervor. Die folgende Argumentation ist ein sophistisches Spiel um 394 Vgl. zu dieser Rede-Form der Erinyen Aesch. Eum. 198-212; 415-435. 395 Siehe Conacher 1987, 159. 122 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee die Bewertung der beiden Mordtaten, Ermordung des Vaters und Ermordung der Mutter in allgemeiner Hinsicht, bei dem jede Partei versucht, eine theogonische Legitimation für ihren Standpunkt anzuführen; bei dem rhetorischen Schlagabtausch rückt die eigentliche, ethische Problematik immer mehr in den Hintergrund. 396 Die Erinyen werfen ein, daß für Zeus die Ermordung des Vaters nicht so schwer wiegen kann, da er selbst seinen Vater Kronos in Fesseln schlug (640-644), Apoll behauptet, die Mutter sei bei der Erzeugung eines Kindes unbedeutend oder sogar überflüssig; als Beispiel nennt er Athene, die nicht von einer Mutter, sondern aus dem Haupt ihres Vaters Zeus geboren wurde (657-666). Apoll schließt mit einer offenen captatio benevolentiae, 397 er bietet Athene eine Allianz zwischen Athen und Argos an, wobei auf das historische Bündnis beider Städte 462 v. Chr. angespielt wird (667-673). 398 Athene schließt die Anhörung ab und leitet über zur Abstimmung (674-680). Eine Konfrontation der unterschiedlichen Standpunkte im Bezug auf die Gegenrache findet auch in der Odyssee statt. Die Gegenrache der Ithakesier gehört in den Schlußteil der Odyssee, dessen Zusammengehörigkeit mit dem Epos immer wieder in Frage gestellt wurde; ausgehend von einer Bemerkung der Scholien, die y 296 als das tevlo" / pevra" der Odyssee bezeichnen, hat man dort das ursprüngliche Ende des Epos angesetzt und an der „continuation“ auch sprachliche, inhaltliche und stilistische Anstöße geäußert. 399 Die gegen den letzten Abschnitt dieses Teiles, die Abschluß- Schlacht ( w 412-548), erhobenen Beanstandungen, die scheinbar unnötige Politisierung des Konflikts und der als abrupt empfundene Wechsel zwischen menschlicher und göttlicher Ebene, 400 zeigen eine erstaunliche Parallelität zu der Kritik am Schluß der Eumeniden. Dabei kann tevlo" oder pevra" auch als innerer Zielpunkt, nicht als buchtechnisches Ende verstanden werden, 401 und es gibt zahlreiche Argumente zumindest für eine stilistisch einheitliche Überformung des heute vorliegenden Epos. So ist auf die frühzeitige Vorbereitung der Gegenrache 402 und die Entsprechung der 396 Vgl. Lebeck 1971, 135; Reinhardt 1949, 148: „Die Götter stechen einander aus. Wo wir am meisten hofften, daß sie aus der Fülle ihres Wesens reden würden, enden sie in theogonischen Spitzfindigkeiten.“ 397 Siehe Conacher 1987, 161. 398 Vgl. Sommerstein 1989, Introd. 26 f. 399 Page 1955, 101-130; Merkelbach 1969, 142-155. 400 Page 1955, 112-114; Merkelbach 1969, 147 ff. 401 Stanford 1962 zu Hom. Od. y 296 ff.; Moulton 1974, 153-157; Erbse 1972, 166-177. 402 Hom. Od. a 378-380; b 143-145; u 41-43; y 111-140. Vgl. Wender 1978, 65. Eumeniden 123 Versammlungsszenen im 2. Buch und im 24. Buch 403 hingewiesen worden. Nach der Bestattung der toten Freier versammeln sich die aufgebrachten Verwandten auf dem Marktplatz (Od. w 420: aujtoi; d j eij" ajgorh; n kivon ajqrovoi, ajcnuvmenoi kh'r , 421: aujta; r ejpeiv rJ j h[gerqen oJmhgereve" t j ejgevnonto ) und beratschlagen über einen Vergeltungsschlag gegen Odysseus. Die Versammlung der Ithakesier ( w 420-466) eröffnet Eupeithes, der Vater des Antinoos, dem der Schmerz um seinen Sohn „grausam im Sinn“ liegt ( w 423: paido; " gavr oiJ a[laston ejni; fresi; pevnqo" e[keito , vgl. Eum. 236: ajlavstora ). In seiner Rede ( w 426-437) hebt er die Untaten des Odysseus hervor, der Schiffe und Mannschaft verloren und nach seiner Ankunft die Besten der Kephallenen 404 getötet hat; er treibt zum Handeln ( w 430: ajll j a[gete , 432: i[omen , 437: ajll j i[omen ), es wäre eine Schande vor der Nachwelt, sich an den Mördern der Söhne und Brüder nicht zu rächen ( w 434 f.: eij dh; mh; paivdwn te kasignhvtwn te fonh'a" / tisovmeq j , vgl. Eum. 268: tivnhsi" , 324: a[timon , 419: timav" , 624: tima; " nevmein ). Eupeithes vertritt, auch wenn der Fall anders liegt, wie die Erinyen in den Eumeniden das Prinzip der Blutrache. Darauf folgen dieselben Gegenargumente, mit denen sich Orest gegenüber den Erinyen verteidigt, und die Apoll weiter ausführt. Aus dem Haus kommen der Sänger Phemios und der Herold Medon, deren Leben Odysseus verschont hat. In die allgemeine Rührung hinein, die die Rede des Eupeithes ausgelöst hat, spricht Medon ( w 443-449). Odysseus hat diese Taten nicht gegen den Willen der Götter ersonnen ( w 443 f.: ouj ga; r Odusseu; " / ajqanavtwn ajevkhti qew'n tavde mhvsato e[rga ). Wie Apoll, der bezeugt, Orests Mord im Auftrag des Zeus zu billigen, ist Medon Augenzeuge der göttlichen Hilfe für Odysseus durch Athene in der Gestalt Mentors ( w 445: aujto; " ejgw; n ei\don qeo; n a[mbroton ). Ähnlich wie dieses Argument die Erinyen aus der Fassung bringt, löst die Rede Medons Panik bei den Verwandten der Freier aus ( w 450: ^W" favto, tou; " d j a[ra pavnta" uJpo; clwro; n devo" h{/ rei ). Während in den Eumeniden Apoll allein für Orest spricht, ergreift in der Odyssee nach Medon der alte Halitherses für Odysseus das Wort ( w 454-462), der schon als Seher im 2. Buch die Heimkehr des Helden vorausgesagt hat (vgl. b 157-176). Wie in der Rede Apolls das Verbrechen Klytaimestras nach dem göttlichen Auftrag als zweiter Rechtfertigungsgrund genannt ist, wendet sich 403 Hom. Od. b 1-295; w 413-466. Vgl. Bertmann 1968, 122 f. 404 Siehe Heubeck 1988 zu Hom. Od. w 355. 124 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee Halitherses den Freveltaten der Freier zu, die er gleichfalls zu dem hohen Status des Helden in Relation setzt ( w 458-460: oi} mevga e[rgon e[rexan ajqastalivh/ si kakh'/ si, / kthvmata keivronte" kai; ajtimavzonte" a[koitin / ajndro; " ajristh'o" ). Die Entsprechung der jeweiligen Argumente der Erinyen und Apolls in der Prozeßszene der Eumeniden zu denjenigen des Eupeithes einerseits, des Medon und Halitherses andererseits in der Versammlung der Ithakesier im 24. Buch der Odyssee erscheint mit Blick auf das bereits festgestellte System der Assoziationen als beabsichtigter Bezug. Im Gegensatz zu der parallelen Argumentation differieren die jeweiligen Situationen entschieden, die Ermordung der Freier mag, trotz deren provozierenden Verhaltens, als ungewöhnlich grausam empfunden werden, aber der Muttermord ist eine Monstrosität. Die argumentative Anspielung auf das Epos würde demnach eine leichter erträgliche Konstellation suggerieren und die Prozeßszene mit einem traditionellen Modell hinterlegen, das das Unerhörte von Orests Tat nivellieren soll; auch Athenes Entscheidung zugunsten Orests ist dadurch vorbereitet. Für diese Interpretation spricht, daß die abschließenden Argumente der Erinyen und Apolls auf die rhetorische Ebene ausweichen und die Tat durch Beispiele aus der Theogonie zu legitimieren suchen. 4.3.4 Athenes Eingreifen (Eum. 681-710; 734-743) Nach der Anhörung von Anklage und Verteidigung setzt Athene das Mordgericht auf dem Areopag ein und gibt Orest ihre Stimme. Auch in der Odyssee schlichtet Athene einen Konflikt, zwischen Odysseus und den Verwandten der Freier, zugunsten des Helden. Der Lösungsansatz, die Entscheidung über Orests Schuld einem unabhängigen Richtergremium zu übertragen (Eum. 470-489), weist auf eine neutrale Haltung der Göttin hin, die sie als für beide Parteien akzeptable Streitschlichterin qualifiziert. Ihr Anliegen ist es an dieser Stelle nicht, Orest zum Sieg zu verhelfen, sondern durch die Gründung des Gerichts eine öffentliche Instanz zu schaffen und den unauflöslichen Konflikt endgültig zu beenden. Dazu ist die Stabilität des Gerichts wichtig, Athene hebt die eidliche Bindung der Richter 405 hervor (482-484: ejpei; de; pra'gma deu'r j ejpevskhyen tovde, / o{mw" ajmovmfou" o[nta" aiJrou'mai povlei / fovnwn dikasta; " oJrkivwn 405 Vgl. Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 483. Eumeniden 125 aijdoumevnou" / qesmovn, to; n eij" a{pant j ejgw; qhvsw crovnon , 489: [ o{rkon perw'nta" …]). Auch in der Gründungsrede (681-710) steht die Festigkeit der neuen Satzung im Vordergrund. Sie soll nicht durch schlechte Einflüsse (694: kakai'" ejpirroai'si ) 406 getrübt werden, als Gegenstand der Scheu (690; 700: sevba" ) ein rettendes Bollwerk (701: e[ruma … swthvrion ) für Stadt und Land gegen das Verbrechen sein. Wieder wird der Richtereid erwähnt, als Abschluß der Rede (708-710: ojrqou'sqai de; crh; / kai; yh'fon ai[rein kai; diagnw'nai divkhn / aijdoumevnou" to; n o{rkon ). Eine andere Seite Athenes zeigt sich bei der Abstimmung, wenn sie als einer der Richter für Orest Partei ergreift und, auf Apolls Plaidoyer zurückkommend, weil sie ganz Vaterstochter sei, für den Freispruch des Muttermörders stimmt (734-743). 407 Die menschliche Stimmengleichheit entscheidet sie somit zugunsten Orests (752 f.: aJnh; r o{d j ejkpevfeugen ai{mato" divkhn: / i[son gavr ejstin tajrivqmhma tw'n pavlwn ). Abgesehen von dieser Begründung erscheint der persönliche Einsatz der Göttin für Orest (735: yh'fon d j jOrevsthi th; nd j ejgw; prosqhvsomai ) aus dem Verhältnis der beiden Figuren zueinander plausibel. Durch die Befragung Orests nach seiner Herkunft (436-469) entsteht, wie im Vorigen gezeigt, ein Bezug zwischen dem Fremden und der Stadtgöttin, die beide von Reisen kommen (Orest: 74-79; 235-243; 276-291; 436-469; Athene: 397-405), welcher das Verhältnis zwischen Orest und seinem Beschützer Apoll fortsetzt (64- 66; 85-87; 232-243; 576-580). Während Orest anfangs nur auf ein Urteil wartet (243), bittet er später um ihr persönliches Erscheinen (289: molei'n , 297: e[lqoi ), das dann tatsächlich eintritt; es ist unklar, ob zu Fuß, durch die Luft mithilfe der mhcanhv , sofern diese schon erfunden war, 408 oder auf einem Wagen (403-405: e[nqen diwvkous j 406 Die Bedeutung von kakai; ejpirroaiv im politischen Kontext der Zeit wird unterschiedlich aufgefaßt; Podlecki 1966, 94-100 geht von einer antiperikleischen Haltung des Aischylos aus und versteht darunter einen Hinweis auf den Versuch des Perikles, dem Areopag die Nomophylakia zu entziehen; Dodds 1960, 21 f. meint, es sei eine Anspielung auf eine mögliche Zulassung der Zeugiten als Archonten, die Aischylos’ gemäßigter Haltung nicht entsprochen habe. Nach Dover 1957, 234 adaptiert Aischylos hier die Argumente der Reform von 462 v. Chr. und spricht von den ejpivqeta , die dem Areopag genommen wurden (vgl. Arist. Athen. pol. 25,-2). 407 Die Frage, ob die Stimmengleichheit mit oder ohne Athenes Stimme entsteht, ist umstritten. Conacher 1987, 164-166 gibt einen Überblick über die Diskussion und nimmt selbst an, daß der Stimmstein Athenes die Stimmengleichheit auflöst. 408 Für Ar. Pax 79-178 und Av. 1196-1261 ist die Verwendung des Krans ( gevrano" , mhcanhv , kravdh ) von der Forschung anerkannt; beide Stellen sind Tragödienparodien, also ist der Gebrauch dieser Technik für die Tragödie gesichert; vgl. hierzu Newiger 1990, 34 f.; Newiger nimmt allerdings an, daß die mhcanhv noch nicht bei 126 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee h\lqon a[truton povda / pterw'n a[ter rJoibdou'sa kovlpon aijgivdo" / [ pwvloi" ajkmaivoi" tovnd j ejpizeuvxas j o[con ]). 409 Das plötzliche Auftreten Athenes 410 auf Orests Bitten hin und ihr entschiedenes Eingreifen in den Konflikt lassen sie als frühe Form der dea ex machina erscheinen und nehmen dem Prozeß der Eumeniden an realistischer Schwere. 411 Entsprechend ist Athene im 24. Buch der Odyssee, nachdem die Versammlung der Verwandten der Freier zwar keine Stimmengleichheit ergeben hat, mehr als die Hälfte von der Gegenrache an Odysseus absieht, aber doch noch ein harter Kern der Rächer um Eupeithes bleibt (Od. w 463 f.: oiJ d j a[r j ajnhvi>xan megavlw/ ajlalhtw'/ / hJmivsewn pleivou": toi; d j ajqrovoi aujtovqi mivmnon ), neutrale Schlichterin; von dem Zug der bewaffneten Ithakesier wird abrupt zu einem Gespräch der Götter ( w 472-488) übergeleitet, in dem Athene Zeus nach seinen Gedanken fragt, ob er die Schlacht stattfinden lassen oder Freundschaft zwischen beiden Parteien stiften will ( w 475 f.: h] protevrw povlemovn te kako; n kai; fuvlopin aijnh; n / teuvxei", h\ filovthta met j ajmfotevroisin tivqhsqa ; ). Zeus gibt Athene freie Hand, sagt aber, wie es ihm richtig scheint; nach der Bestrafung der Freier durch Odysseus soll die Rachekette zur Ruhe kommen, Odysseus als König herrschen. Wie Athene im Hinblick auf die Gründung des Areopag, hebt Zeus die Kontinuität der neuen Verfassung hervor, auch sie soll durch Eide bekräftigt werden ( w 482 f.: ejpei; dh; mnhsth'ra" ejtivsato di'o" Odusseuv", / o{rkia pista; tamovnte" oJ me; n basileuevtw aijeiv ). Als nach der Ermordung des Eupeithes sich ein Gemetzel anbahnt, greift Athene zweimal schlichtend ein ( w 529- 532; 541-545), die Stellen wurden schon im Bezug auf Klytaimestras Eingreifen am Ende des Agamemnon (Ag. 1654-1661; 1672 f.) Aischylos oder Sophokles, sondern erst in mehreren Tragödien des Euripides eingesetzt wurde (35-39). Ders. 1977, 332 f. vertritt die These, daß Aesch. Eum. 405 interpoliert und Athene Eum. 404 aus dem Tempel aufgetreten sei. Einen Auftritt der Göttin zu Fuß hält auch Taplin 1977, 390 für wahrscheinlich. 409 In der Antike ist man von mindestens zwei Arten des Auftritts ausgegangen; vgl. Schol. Aesch. Eum. 397: ejpi; ojchvmato" e[rcetai , Schol. Aesch. Eum. 404: wJ" ajrmevnw/ crwmevnh th'/ aijgivdi . In der modernen Forschung wird für alle drei möglichen Auftrittsformen argumentiert; s. Taplin 1977, 389, Anm. 2. Einen Auftritt aus der Luft vermuteten schon Hermann (Opuscula VI 2. Leipzig 1835, 175 f.) und Wilamowitz (Einleitung in die griechische Tragödie. Berlin 1921, 154, Anm. 63). 410 Taplin 1977, 388. 411 Reinhardt 1949, 152 sieht den Prozeß als „Götterspiel“: „Das Gefecht der Reden wird entrückt, schwebt auf, wird sonderbar, wo Götter streiten, fängt der Boden der Tatsachen an zu wanken.“ Eumeniden 127 angesprochen. 412 Schließlich führt sie in der Gestalt des Mentor die Stiftung der Eide aus ( w 546-548: o{rkia d j au\ katovpisqe met j ajmfotevroisin e[qhke / Palla; " Aqhnaivh, kouvrh Dio; " aijgiovcoio, / Mevntori eijdomevnh hjme; n devma" hjde; kai; aujdhvn ). Zugleich ist Athene die persönliche Schutzgottheit des Odysseus (vgl. z. B. n 291-328), woran das Verhältnis zwischen Apoll und Orest, später auch dasjenige zwischen Athene und Orest in den Eumeniden erinnert, und ist im Kampf mit den Verwandten der Freier auf der Seite des Helden; Athenes plötzliches Eingreifen in die menschliche Handlung ( w 487 f.: ^W" eijpw; n o[trune pavro" memaui'an Aqhvnhn, / bh' de; kat j Oujluvmpoio karhvnwn ajivxasa ) erscheint, wie in den Eumeniden, als Vorform einer deus ex machina-Szene. Sie tritt in der Gestalt des Mentor zu den Verbündeten des Odysseus ( w 502 f.) und verhilft Laertes zu seinem Sieg über Eupeithes ( w 516-521). Athenes schlichtendes Eingreifen in den Eumeniden hat, in scharfem Kontrast zu Klytaimestras Einmischung in der Schlußszene des Agamemnon, neben seiner göttlichen Autorität eine neutrale Komponente, die auch ihre Friedensstiftung am Ende der Odyssee kennzeichnet, es wird vor dem epischen Hintergrund als gültig empfunden. 413 Die Entsprechung des persönlichen Einsatzes der Göttin für Orest zu dem Verhältnis zwischen ihr und Odysseus trägt, wie die Argumentation der Prozeßszene, zu der Relativierung von Orests Verbrechen bei. Der Schauplatzwechsel im letzten Buch der Odyssee von der sich anbahnenden Gegenrache der Verwandten der Freier zu dem Gespräch der Götter ist im Rahmen der Diskussion über die Einheitlichkeit des Epos als zu übergangslos, das von Athene herbeigeführte Ende als zu jäh empfunden worden; 414 dagegen hat man auf ähnliche rasche Wechsel des Schauplatzes in der Ilias 415 und die Entsprechung zu Athenes Eingreifen in Gestalt des Mentes im 1. Buch der Odyssee 416 hingewiesen. Das plötzliche Umblenden von der bewaffneten Schar der Ithakesier zu dem Göttergespräch zwischen Athene und Zeus (Od. w 471 f.) sowie Athenes unerwarteten Auftritt in der menschlichen Handlungsebene ( w 487 f.) hat Aischylos wohl als dramatisch wir- 412 Vgl. 4.1.8, S. 82. 413 Vgl. dag. Scardino 2009, 26-28, zu dem Unterschied zwischen der politischen Lösung des Konfliktes in den Eumeniden und dem einmaligen göttlichen Intervenieren in der Odyssee. 414 Page 1955, 12-14; Merkelbach 1969, 148-150. 415 Vgl. Moulton 1974, 164-166; Erbse 1972, 241 f. 416 Vgl. Wender 1978, 67 f.; Bertmann 1968, 120-123. 128 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee kungsvolle Elemente gesehen und in dem überraschenden Erscheinen der Göttin in den Eumeniden umgesetzt, wodurch ein Prototyp der deus ex machina-Szene 417 entsteht. 4.3.5 Die Versöhnung der Erinyen (Eum. 778-1047) Orest ist auf dem Rückweg nach Argos, das Drama der Hikesie ist beendet, als sich durch den Groll der um ihr Amt gebrachten Rachegöttinnen ein neuer Konflikt anbahnt. Athene löst ihn, indem sie die Erinyen, die der Stadt mit Unfruchtbarkeit und Seuchen drohen (Eum. 778-793; vgl. 711; 720), nicht verstößt, sondern sie in Form des Kultes der Semnai zu integrieren versucht (804-807). 418 Die Identifikation der Erinyen mit den Semnai; qeaiv stammt wohl von Aischylos, während die Verbindung des Kultes der alten Erdgottheiten mit dem Rat auf dem Areopag der topographischen Nähe zufolge schon früher anzusetzen ist. 419 In dem „Nachspiel“ zwischen Athene und den Erinyen werden mehrere Motive, die die Orestie durchziehen und diese mit der Odyssee verbinden, zusammengeführt. Athene gelingt es, die Erinyen dazu zu bewegen, den ihnen angebotenen Kultort anzunehmen, indem sie rhetorische Überzeugungskraft, Peitho, anwendet (Eum. 794: pivqesqe , 829: eujpiqhv" , 885: Peiqou'" sevba" , 970: o[mmata Peiqou'" ), die schon zuerst Klytaimestra (Ag. 943: piqou' ), dann Orest (Cho. 726: Peiqw; dolivan ) bei ihren Intrigen zum Erfolg verholfen hat; sie ist eng mit dem dovlo" -Motiv verknüpft (vgl. Eum. 846: duspavlamoi dovloi ), das im Zusammenhang mit Orests Gebet an Hermes im Prolog der Choephoren bereits untersucht wurde. 420 Die Wirkung auf die Erinyen besteht in einer Verzauberung, durch die sie ihren Groll vergessen, sich in Eumeniden 421 verwandeln (886: glwvssh" ejmh'" meivligma kai; qelkthvrion , 900: qevlxein m j e[oika", kai; meqivstamai kovtou ). 422 Mit dem Zauber des Wortes will auch Apoll Orests Freispruch errei- 417 Zu der Verwendung signifikanter homerischer Szenen als Modelle für die dramatische Gestaltung vgl. Zimmermann 2004, 193 f.; 199. 418 Vgl. Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 778-891. 419 Ebd., Introd. 11. Reinhardt 1949, 154 f. 420 Vgl. 4.2.1, S. 84 f. 421 Die Bezeichnung Eujmenivde" kommt nirgends im Stück vor; der Titel ist möglicherweise durch die Hypothesis beeinflußt und somit kein ausreichender Beweis für eine Umbenennung. S. Brown 1984, 267-276. 422 Siehe Reinhardt 1949, 153 f. Wilson/ Taplin 1993, 174 f. sehen in dieser Transformation eine selbstreferenzielle Allegorie für die Organisation der Tragödie. Eumeniden 129 chen (81 f.: qelkthrivou" / muvqou" ). In der Odyssee ist die herausragende rhetorische und erzählerische Begabung des Odysseus, die ihn mit seiner Schutzgöttin verbindet, ein zentrales Thema (z. B. Od. n 297-299: ejpei; su; mevn ejssi brotw'n o[c j a[risto" aJpavntwn / boulh'/ kai; muvqoisin, ejgw; d j ejn pa'si qeoi'si / mhvti te klevomai kai; kevrdesin ); entsprechend wird der Zauber, der davon ausgeht, erwähnt (z. B. n 2; r 514; 521). Bei der Prozession, in der ein zusätzlicher Chor 423 sie zu ihrem neuen Sitz geleitet, tragen die Erinyen vermutlich purpurrote Gewänder (Eum. 1028: foinikobavptoi" … ejsqhvmasi ) über ihrer ursprünglichen düsteren Kleidung (Cho. 1049; Eum. 52; 55), 424 womit das Gewebe-Motiv abgeschlossen wird, das in der Teppichszene und der Schlußszene des Agamemnon sowie der Wiedererkennungsszene und der Schlußszene der Choephoren, in der Orest das mörderische Netz Klytaimestras zeigt, zu einem Requisit verdichtet ist, 425 abgeschlossen wird. Stoffe haben in der Odyssee große Bedeutung, z. B. bei der Weblist der Penelope (Od. b 87-122; t 138-156; w 128- 148) und in Form der Decken, die Penelope dem Fremden für seine erste Nacht zuhause anbietet, die dieser aber ablehnt ( t 317-319; 336-340). Während die Eumeniden heimgeleitet werden, brennen Fackeln (Eum. 1029: kai; to; fevggo" oJrmavsqw purov" , 1041 f.: puridavptwi / lampavdi terpovmenai ). 426 Damit wird das Licht-Motiv, das im Prolog des Agamemnon mit dem Warten auf das Fackelzeichen beginnt, über das ganze Stück hin immer wieder auftaucht und sich in den Choephoren in dem Bericht von Klytaimestras Traum fortsetzt, noch einmal aufgenommen. 427 Auf die Konzentration der Erwähnungen von Licht und Feuer im 19. Buch der Odyssee, auf das mehrere Szenen der Orestie anspielen, ist schon hingewiesen worden (Od. t 33-40; 48; 55; 63 f.; 506 f.). 428 Über diese motivischen Verbindungen hinaus wird der in den Eumeniden beobachtete Bezug zum 24. Buch der Odyssee im Schluß des Dramas weitergeführt. Nachdem die Eumeniden, von Athenas 423 Die Geleiter sind möglicherweise die Richter der Prozeßszene. Vgl. Taplin 1977, 410 f. 424 Ebd., 412 f. Vgl. auch Jenkins 1985, 117 f. 425 Vgl. 4.1.6; 4.1.8; 4.2.2; 4.2.8. 426 Taplin 1977, 413 f. 427 Taplin ebd., 414 betont, daß die Fackeln der Schluß-Prozession nicht unbedingt auf die Fackelkette am Anfang des Agamemnon zu beziehen sind, sondern auf das durchgängige Licht-Motiv der ganzen Trilogie. 428 Vgl. 4.2.4, S. 98. 130 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee Peitho bezaubert, von ihren Groll ablassen (Eum. 900: qevlxein m e[oika", kai; meqivstamai kovtou ), weiht die Stadtgöttin sie in ihre neuen Aufgaben ein (903-915; 913: toiau'tav sou[sti ): sie sollen für günstige Witterung, Fruchtbarkeit der Pflanzen, Tiere und Menschen sorgen, Frevler vertreiben; für die kriegerische Außenpolitik ist weiter Athene zuständig. Daraufhin stimmen die Eumeniden ein Segenslied für Athen an, in dem sie auf die Weisung der Göttin eingehen; sie wünschen der Stadt Sonnenschein, um das Wachstum der Pflanzen zu fördern (921-926), Verschonung von Beschädigung der Pflanzen durch Unwetter und Krankheiten (938-942), Fruchtbarkeit des Viehs (943-945), die Entdeckung reicher Bodenschätze (945 f.: govno" / ploutovcqwn ), lange Lebensdauer und glückliche Ehen (956-967), Verschonung von Bürgerkrieg (977: Stavsin ) und von Blutvergießen durch Rachetaten (981 f.: poina; " ajntifovnou" ), Eintracht durch gemeinütziges Denken (976-987; 985: koinofilei' dianoivai ) 429 . In einem abschließenden Gruß fordert der Chor die Stadt auf, sich an Reichtum und Glück (996: aijsimivaisi plouvtou ) zu erfreuen. Waren die sprachlichen Bilder aus dem Bereich der Metereologie und Pflanzenwelt sowie die familiären Verhältnisse der Atriden zuvor erschreckend und pervertiert (vgl. Ag. 219 f.; 389; 1391 f.), Ausdruck einer durch menschliches Verbrechen bewirkten Zerstörung, kehrt mit den Bitten der Eumeniden um die Segnungen der Natur die Weltordnung nach dem Prinzip der Dike ein. Am Ende der Odyssee ist entsprechend die Wiederherstellung einer solchen umfassenden Ordnung 430 erwähnt. Zeus beschränkt seine Weisung an Athene in dem Göttergespräch (Od. w 472-488) nicht nur auf die menschliche Handlungsebene, indem er die Beendigung der Rachetaten durch das Schließen von Eiden und die dauerhafte Herrschaft des Odysseus anrät ( w 482 f.: ejpei; dh; mnhsth'ra" ejtivsato di'o" Odusseuv", / o{rkia pista; tamovnte" oJ me; n basileuevtw aijeiv , vgl. Aesch. Eum. 484; 489; 710), sondern nennt auch einen göttlichen Anteil an der Lösung ( w 484-486); wie die Erinyen in der Orestie von ihrem Groll lassen, will er selbst zusammen mit Athene ein Vergessen der Morde an den Söhnen und Brüdern stiften ( w 484 f.: hJmei'" d j au\ paivdwn te kasignhvtwn te fovnoio / e[klhsin qevwmen , vgl. 543: nei'ko" oJmoii? ou polevmoio ); entsprechend den Segenswünschen der Eumeniden für Athen sollen Ithakas Bewohner Freunde sein wie früher ( w 485 f.: toi; d j ajllhvlou" fileovntwn / wJ" to; pavro" ), Reich- 429 Vgl. Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 916-1020. 430 Vgl. Hes. Op. 225-237; Hom. Od. t 109-114. S. a. Macleod 1982, 137 f.; Conacher 1987, 173. Zusammenfassung 131 tum und Friede soll in Fülle bei ihnen herrschen ( w 486: plou'to" de; kai; eijrhvnh a{li" e[stw ). 431 Während Zeus die Segnungen für Ithaka in wenigen Worten ausspricht, ergibt der Segen der ehemaligen Rachegeister im letzten Stück der Orestie ein mehrstrophiges Lied, in dem die einzelnen gesungenen Segnungen immer von Athenes rezitativen Kommentaren unterbrochen werden. 432 Am Ende der Orestie werden Motive, die der Trilogie und der Odyssee gemeinsam sind, verdichtet. Nimmt man einen bewußten Bezug des Segensliedes der Eumeniden zu dem Segen des Zeus in der Odyssee an, zeigt sich die Eigenständigkeit, mit der Aischylos eine im Epos nur angedeutete Wendung aufnimmt und dramatisch ausformuliert. 4.4 Zusammenfassung Zusammenfassung Die stoffliche Beeinflussung der Orestie durch das „Atriden-Paradigma“ der Odyssee hat sich insgesamt als geringfügig erwiesen; es gibt zwar Entsprechungen, zwischen dem Wächter des Prolog des Agamemnon und dem Späher Aigisths in der Rede des Proteus (Ag. 1-39; Od. d 524-528), 433 die Erwähnung des Sturmes, in den Agamemnon gerät (Ag. 636-680; Od. g 286-300; d 499-518), 434 die Betonung Agamemnons, daß Odysseus nicht freiwillig in den Krieg gezogen sei (Ag. 841-844; Od. w 115-119), 435 die Ermordung Kassandras durch Klytaimestra (Ag. 1313 ff.; Od. l 421-423), 436 die Tyrannis des Aigisth (Ag. 1577 ff.; Od. g 304 f.), 437 den Wunsch, Agamemnon hätte vor Troja einen ehrenvollen Tod gefunden (Cho. 345-353; 363-371; 431 Übereinstimmend werden die Begriffe plou'to" und eijrhvnh als für das homerische Epos untypisch betrachtet. plou'to" erscheint in der Odyssee nur noch x 206, in der Ilias sechsmal, eijrhvnh in der Odyssee sonst gar nicht, in der Ilias in der Verbindung wJ" pot j ejp j eijrhvnh" , B 797; to; pri; n ejp j eijrhvnh" , I 403; C 156. Vgl. Erbse 1972, 223 f.; Page 1955, 111. Gerade bei einer memorialen Kenntnis der Odyssee könnten die beiden Begriffe sich somit besonders eingeprägt haben. 432 Zu der ähnliche Form von Aesch. Ag. 1407-1576 vgl. Sommerstein 1989 zu Aesch. Eum. 916-1020. 433 Vgl. 4.1.1. 434 Vgl. 4.1.3, S. 59-61. 435 Vgl. 4.1.4. 436 Vgl. 4.1.7. 437 Vgl. 4.1.8. 132 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee Od. w 30-34), 438 und den Aufenthalt Orests in Athen (Eum. 235 ff.; Od. g 306 f.). 439 Daneben bestehen deutliche inhaltliche Unterschiede, die aktive Rolle der Klytaimestra bei Aischylos, gegenüber der hauptsächlichen Schuld Aigisths in der Odyssee, die Ermordung Agamemnons im Bad in der Trilogie, sein Ende während eines Festmahls bei Homer; 440 die Entsprechungen bleiben jedoch so allgemein, daß man auch nicht von einem bewußten Abweichen von der epischen Form des Mythos sprechen kann. Einige signifikante Elemente des Dramen-Stoffes fehlen in der Odyssee ganz, vielmehr scheint in stofflicher Hinsicht die Wirkung der Oresteia des Stesichoros auf die Orestie entscheidender gewesen zu sein: der Angsttraum Klytaimestras (219 PMGF), 441 die Wiedererkennung des Orest durch Elektra mithilfe einer Haarlocke (217, 11-13 PMGF) 442 und das Auftreten von Orests alter Amme (218 PMGF) 443 sind in den aischyleischen Choephoren zu unentbehrlichen Teilen der Handlung geworden. Der Vergleich zwischen dem Orestie-Stoff in der Odyssee und der Trilogie führt auch interpretatorisch zu keinem Ergebnis, es entsteht weder eine klare Entsprechung noch ein Kontrast. 444 Homer als bloße stoffliche Quelle zu nutzen, wäre zudem ein unbefriedigendes Unterfangen für einen attischen Dramatiker, dessen Publikum sich mehr für das „Wie“ des neuen Stückes als für das „Was“ eines in seinen Grundzügen ohnehin bekannten mythologischen Plots interessierte. 445 Der Orestie-Stoff ist in der Odyssee als Kontrastfolie für die Handlung um Odysseus konzipiert, und es ist offenbar gerade dieses Bezugsverhältnis, das Aischylos aufgegriffen hat: er gestaltet die Struktur der Orestie vor dem Hintergrund der Odyssee. Die Vermutung, daß Aischylos die Odyssee selbst wenige Jahre vor der Entstehung der Orestie in Form einer „Odysseus“-Tetralogie dramatisch verarbeitet hat, 446 würde auf eine genaue Kenntnis des 438 Vgl. 4.2.3, S. 93 f. 439 Vgl. 4.3.2, S. 118. 440 Vgl. 3.2, S. 45. 441 Vgl. 4.2.4. 442 Vgl. 4.2.2. 443 Vgl. 4.2.7. 444 Entsprechend ergeben sich nur wenige Bezüge, wenn man die Odysseus-Figur der Tragödie direkt mit dem epischen Odysseus vergleicht. Vgl. Kullmann 1980, 80; Stanford 1954, 102-117. 445 Siehe Zimmermann 1992b, 21. 446 Vgl. Grossardt 1982, 310; Katsouris 1982/ 1985, 56. Zusammenfassung 133 Epos, und damit auch der dort hergestellten Verbindung zwischen Odyssee- und Orestie-Stoff hindeuten. Der Bericht des Boten über den Seesturm im Agamemnon (Ag. 636-680) erzeugt wie die Erzählungen des Nestor und des Menelaos in der Odyssee (Od. g 103 ff.; 254 ff.; d 351 ff.) die Atmosphäre der Nosten, ordnet den Helden in die übrigen Trojaheimkehrer ein und bereitet seine Ankunft vor. 447 Sowohl in der Rede des Nestor als auch in derjenigen des Menelaos wird der Orestie-Stoff erwähnt; die von Menelaos berichtete Rede des Proteus im 4. Buch könnte Aischylos in dem Satyrspiel Proteus verwendet 448 und besonders gut gekannt haben. Die Offensichtlichkeit von Agamemnons Ankunft, sein pompöser Auftritt auf dem Wagen (Ag. 783 ff.) und das Betreten des ihm angebotenen Teppichs (Ag. 944) laufen deutlich dem epischen Heimkehrmodell, nach dem der Heimkehrer seine Identität verbirgt, zuwider; beide Heimkehrer erwähnen einander gegenseitig (Ag. 841; Od. n 383; ). 449 Die entsprechenden Bücher der Odyssee, besonders Buch 19, hat Aischylos vielleicht in der Penelope umgesetzt. 450 Der drohende Kampf zwischen dem Chor und der Leibwache Aigisths nach Agamemnons Ermordung lehnt sich an den Kampf mit den Verwandten der Freier im letzten Buch der Odyssee an (Od. w 489 ff.) und scheint die Auseinandersetzung der Eumeniden schon en miniature vorwegzunehmen, 451 wobei Klytaimestra, die Täterin, denkbar ungeeignet ist, als dea ex machina die Rachekette zu durchbrechen; 452 das 24. Buch der Odyssee könnte den Ostologoi, der letzten Tragödie der aischyleischen „Odysseus“- Tetralogie, zugrunde gelegen haben. Die Choephoren setzen an der Stelle der Handlungsstruktur des Agamemnon neu ein, von der an das Modell der Odyssee unterlaufen wird, mit dem Auftritt des Helden. Orest, der anstelle seines Vaters „weiterspielt“, hält sich an die Folie des Epos, er sucht als ersten Standort in der Heimat das Grab Agamemnons auf (Cho. 1 ff.), wie Odysseus zunächst zu Eumaios geht (Od. x p ); 453 dort findet die Wiedererkennung durch seine Schwester Elektra statt (Cho. 164-245), entsprechend wird Odysseus von seinem Sohn Telemachos noch 447 Vgl. 4.1.3. 448 Ebd., S. 59 f. 449 Vgl. 4.1.4; 4.1.6. 450 S. Grossardt 1998, 297 f.; 309. Katsouris 1982/ 1985, 51 f. 451 Vgl. Taplin 1977, 328. 452 Vgl. 4.1.8. 453 Vgl. 4.2.1. 134 Die Orestie des Aischylos und die Odyssee bei Eumaios wiedererkannt (Od. p 166-219); 454 erst dann entsteht der konkrete Racheplan (Cho. 554-584; Od. p 233-320). 455 Bei seiner Ankunft im eigenen Haus verbirgt Orest wie Odysseus seine Identität (Cho. 674-690; Od. t 165-202; 262-307), 456 die alte Amme Kilissa (Cho. 730-782) unterstützt, ähnlich der Eurykleia, den Anschlag. 457 Der einzige erhaltene Vers der Penelope (TrGF 3 F 187) belegt, daß Aischylos dort Odysseus selbst eine Trugrede halten ließ. 458 Das Losbrechen der Gegenrache, das am Ende der Choephoren mit der Vision Orests beginnt und in den Eumeniden in Gestalt des Chores greifbar wird (Cho. 1048-1062; Eum. 64 ff., weckt die bereits am Ende des Agamemnon angedeutete Assoziation an den Kampf mit den Ithakesiern im letzten Buch der Odyssee (Od. w 413 ff.); 459 der Bezug setzt sich in der Prozeßszene (Eum. 566-673) fort, in der, wie in der Versammlung in Ithaka im letzten Buch der Odyssee (Od. w 420-466), Anklage und Verteidigung des Helden gehört werden, 460 und gipfelt in dem Eingreifen Athenes, das die Folge von Rache und Gegenrache dauerhaft beendet (Eum. 681-710; 734-743; Od. w 472-488; 529-532; 541-545). 461 Die Zweite Nekyia zu Beginn des 24. Buches nimmt nochmals die Atridengeschichte auf, auch dieses Buch hat Aischylos wohl dramatisch bearbeitet, was schon in der Schlußszene des Agamemnon durchklingt: die Ostologoi haben vermutlich von dem Ende der Odyssee, der Bestattung der toten Freier und dem Vergeltungsschlag ihrer Verwandten gehandelt. 462 454 Vgl. 4.2.2. 455 Vgl. 4.2.5. 456 Vgl. 4.2.6. 457 Vgl. 4.2.7. 458 Vgl. Grossardt 1998, 301 f. Vgl. 4.2.6, S. 104 f. 459 Vgl. 4.2.8; 4.3.1. 460 Vgl. 4.3.3. 461 Vgl. 4.3.4. 462 Vgl. Grossardt 1998, 299-301; 309; Katsouris 1982/ 1985, 53-59. 5 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee Die Elektra des Sophokles und die Odyssee 5.1 Der Prolog des Paidagogos und der Racheplan Orests (Soph. El. 1-85) Der Prolog des Paidagogos und der Racheplan Orests Den ersten Teil des Prologes (Soph. El. 1-85) eröffnet eine Rede des Paidagogos, der Orest und Pylades in Mykene willkommen heißt (1-22). Durch die zusätzliche Figur des alten Erziehers, der Orests Rache unterstützt, könnte die Assoziation an Eumaios, den treuen Schweinehirten des Odysseus, die sich in den Choephoren des Aischylos mit Pylades nur schwach andeutet, weiter ausgeführt sein. Teil von Orests Racheplan (23-76) ist eine Trugbotschaft; Trugreden sind das signifikante Element der Ezählstruktur der Odyssee. Eine Lauscherszene, wie sie in den Choephoren, vielleicht mit epischem Vorbild, stattfindet, ist expressis verbis abgelehnt (80-85). Auch wenn der Paidagogos mit zu den Ankömmlingen gehört, stellt er durch seine Worte für Orest eine Verbindung her zu der Herkunft als Sohn Agamemnons (2: Agamevmnono" pai' ), zur Heimat, der Landschaft der Argolis, die durch die Io-Sage mythologisch besetzt wird (4: to; ga; r palaio; n #Argo" ouJpovqei" tovde ), 463 und zu der Vaterstadt Mykene. Der Paidagogos verknüpft den Heimkehrer mit Haus und Familie: 464 er ist sein trofeuv" , er hat Orest einst von Elektra zur Betreuung empfangen, gerettet und aufgezogen, als künftigen Rächer des Mordes an seinem Vater (12-14: pro; " sh'" oJmaivmou kai; kasignhvth" labw; n / h[negka kajxevswsa kajxeqreyavmhn / tosovnd j ej" h{bh", patri; timwro; n fovnou ). Orest lobt in seiner Antwort die vornehme Gesinnung des Paidagogos (24: e[sqlo" eij" hJma'" gegwv" ), vergleicht ihn mit einem edlen, wenn auch alten Pferd (25: w{sper ga; r i{ppo" eujgenhv", ka]n h\/ gevrwn ) und sieht ihn bei der Rachehandlung in erster Reihe mitkämpfen (28: hJma'" t j ojtruvnei" kaujto; " ejn prwvtoi" e{ph/ ). 463 Vgl. Od. a 40 f.: ejk ga; r Orevstao tivsi" e[ssetai Atrei? dao, / oJpovt j a]n hJbhvsh/ kai; h|" iJmeivretai ai[h" , vgl. dazu Lechner 1859, 7. 464 Kuntz 1993, 26 spricht von einem „contracting spatial focus“ in der Rede des Paidagogos. 136 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee In der Elektra des Sophokles hat Orest also neben Pylades eine gewichtige Dienerfigur zur Seite, anders als in den Choephoren des Aischylos, wo er nur von Pylades, bis auf Cho. 900-902 einem kwfo; n prov swpon , begleitet wird. Man hat folglich den Paidagogos, auch wegen seiner Rolle als trofeuv " Orests, als Ersatz für die Amme Kilissa aus den Choephoren gedeutet (vgl. Aesch. Cho. 750: o} n ej xev qreya mhtrov qen dedegmev nh ); 465 dabei ist es hier Elektra, die, der Kilissa entsprechend, Orest zuerst rettet. Im vorigen Kapitel wurde die Ankunft Orests in den Choephoren vor dem Hintergrund der Ankunft des Odysseus auf Ithaka in der Odyssee interpretiert; dabei war für Pylades ein Anklang an Eumaios, den Schweinehirten und Begleiter des Odysseus, festgestellt worden. 466 In der Figur des Paidagogos scheint sich der Anklang zu verdeutlichen: 467 wie der Paidagogos ein Bild von der argolischen Landschaft entwirft, so ist das ausführlich beschriebene Landgut des Eumaios die erste Heimkehrstation für Odysseus auf Ithaka (Od. x p ); beide vermitteln als ältere, langjährige Diener zwischen dem Heimkehrer und der Familie (vgl. Od. o 352 ff.). Eumaios, der di' o" uJ forbov " , ist nicht nur von edler Gesinnung, sondern auch von königlicher Abkunft ( o 413 f.), er kämpft bis zum Schluß des Epos mit Odysseus gegen die Freier (vgl. c 112-115) und deren Verwandte (vgl. w 496 f.). Zudem ist Eumaios wie der Paidagogos ein begabter Erzähler (vgl. o 390-484). Nach der lobenden Anrede an den Paidagogos berichtet Orest in seiner Rede (23-76) von dem Orakelspruch Apolls (29-37), den er eingeholt hatte, um zu erfahren, wie er an den Mördern seines Vaters Rache nehmen soll (33 f.: o{tw/ trovpw/ patri; / divka" ajroivmhn ); in der Forschung ist diese Frage, nach dem „Wie“, nicht nach dem „Ob“, mehrfach als ‚falsche Frage‘ bewertet worden, was dann auf eine Einschränkung der göttlichen Autorisierung des Muttermordes hindeuten würde. 468 Apolls Antwort lautet, Orest müsse den Rachemord ohne den Schutz von Waffen oder eines Heeres, durch 465 Jebb 1894, Introd. xxii; xxxix sieht Kilissa und den Paidagogos jeweils als Relikte der Version des Stesichoros, in der möglicherweise eine Amme, Laodameia, Orest dem Herold Agamemnons Talthybios übergab; er bezieht in seine Rekonstruktion der Oresteia des Stesichoros archäologische Belege mit ein. Zum Namen der Amme s. Stes. 218 PMGF; zu der Legende über die Rettung Orests durch Talthybios s. Nicol. Damasc. FGrH 90 F 25; ‚Dictys Cret.‘ 6, 2. 466 Vgl. 4.2.1, S. 85-87. 467 Vgl. Davidson 1988, 53, der in der Figur des Paidagogos nicht nur Züge des Eumaios, sondern auch des Odysseus feststellt. 468 Sheppard 1927, 3 f. verweist auf Hdt. 6, 86; 1, 157-159; Xen. Anab. 3, 1, 6; vgl. dag. Horsley 1980, 18 ff.; Erbse 1978, 285 ff.; Stevens 1978, 113; Alexanderson 1966, 81. Der Prolog des Paidagogos und der Racheplan Orests 137 List vollziehen (37: dovloisi klevyai ceiro; " ejndivkou" sfagav" ). Und Orest entwirft, wie von dem Paidagogos gefordert (15 f.; 16: tiv crh; dra'n ejn tavcei bouleutevon ) folgenden Plan (38-58): der Paidagogos soll vorausgehen und die Lage im Palast erkunden (39-41; 73 f.); durch sein Alter und nach der langen Zeit wird man ihn gewiß nicht erkennen, keinen Verdacht gegen den Ergrauten schöpfen (42 f.: ouj gavr se mh; ghvra/ te kai; crovnw/ makrw/ ' / gnw's j, oujd j ujpopteuvsousin w|d j hjnqismevnon ). Er soll sich als Gesandter des Phokers Phanoteus, eines Waffengefährten Aigisths, ausgeben (44: lovgw/ de; crw' toiw/ 'd j ) und die Trugbotschaft (50: oJ mu'qo" ; vgl. Aesch. Cho. 554) von Orests Tod beim Wagenrennen übermitteln. Orest selbst will mit Pylades an Agamemnons Grab eine Spende bringen und dann mit einer Urne im Arm (54: tuvpwma calkovpleuron hjrmevnoi ceroi'n ) die falsche Todesnachricht bekräftigen (56: lovgw/ klevptonte" ). Anschließend reflektiert Orest seine auf Ruhm ( klevo" ) abzielende Vorgehensweise (59-66; 59 f.: tiv gavr me lupei' tou'q j, o{tan lovgw/ qanw; n / e[rgoisi swqw', kajxenevgkwmai klevo" ; ): 469 sie erscheint ihm richtig, solange sie Gewinn bringt (61: kevrdei ). Außerdem gibt es Vorbilder: oft waren kluge Männer fälschlich totgesagt, und wurden, wenn sie heimkehrten, umso mehr geehrt (62-64: h[dh ga; r ei\don pollavki" kai; tou; " sofou; " / lovgw/ mavthn qnh/ vskonta": ei\q j, o{tan dovmou" / e[lqwsin au\qi", ejktetivmhntai plevon ). 470 Orest schließt mit einer Anrufung des väterlichen Bodens, der heimatlichen Götter und des Vaterhauses (67-69). Als Elektras Stimme aus dem Haus ertönt, beschließen die Verschwörer, 471 nicht zu lauschen, sondern gleich den Plan auszuführen (77-85). Auch in Orests Racheplan in den Choephoren des Aischylos geht das Anwenden von List ( dovlo" ) auf Apolls Auftrag zurück (Aesch. Cho. 556-559), 472 Elektra fällt dort die Aufgabe zu, ins Haus zu gehen (Cho. 554; 579). Die Verstellung des Orest und die falsche Todesnachricht aus den Choephoren ist bei Sophokles durch die Trugrede des Paidagogos weiterentwickelt und in Form der Urne, die bei Aischy- 469 Zu einer inhaltlichen Entsprechung im „Atriden-Paradigma“ s. Hom. Od. a 298- 300; 298: h] oujk aji? ei" oi|on klevo" e[llabe di'o" Orevsth" , vgl. Lechner 1859, 8. 470 Vgl. Lefèvre 2001, 178: „Über den großen Raum, den die Intrige in der Tragödie einnimmt, sind viele Sophokles-Freunde befremdet. Es wird vor allem in weltanschaulicher Richtung spekuliert; aber ihre wichtigste Funktion besteht darin, Orestes’ skrupulös abgestimmte Handlungsweise im Gegensatz zu Elektras ungestümem Agieren und Reagieren zu zeigen.“ 471 Nach Sandbach 1977, 72 sind Soph. El. 78-81 dem Paidagogos, 82-85 Orest zuzuschreiben. Dann würde Orest gegen die Lauscherszene entscheiden. 472 Vgl. Vogt 1994, 99 f.; Dalfen 1983, 61. 138 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee los nur erwähnt wird (Cho. 686: levbhto" calkevou pleurwvmata ), um ein greifbares Requisit bereichert. 473 Dagegen verzichtet Sophokles ausdrücklich auf die aischyleische Lauscherszene (Cho. 20 ff.), 474 deren Choreographie vielleicht durch eine Episode der Odyssee, die Begegenung von Odysseus und Nausikaa (Od. z 110 ff.), angeregt ist. 475 Sophokles hat diese epische Episode wohl ausführlich in der Nausikaa choreographiert (TrGF 4 F 439-441). 476 Sowohl mit dem dovlo" -Motiv der Choephoren als auch demjenigen der Elektra des Sophokles verbindet sich der epische Prototyp der Heimkehrerzählung, die Odyssee. 477 Wie Apolls Orakelspruch Orest zu einer Rache durch List rät, begegnen sich Athene und Odysseus nach seiner Ankunft auf Ithaka mit Trugreden (Od. n 256- 286), bevor sie zusammmen die Intrige planen. 478 Odysseus ist dabei wie Orest auf seinen Gewinn bedacht ( n 255: aijei; ejni; sthvqessi novon polukerdeva nwmw'n , 291: kerdalevo" k j ei[h kai; ejpivklopo" ). Vergleichbar ist auch der Racheplan zwischen Odysseus und Telemachos ( p 233-320). Die Trugrede, das zentrale Element von Orests Racheplan, durchzieht als Leitmotiv die zweite Hälfte der Odyssee. Wie Orest spekuliert, daß das Alter des Paidagogos verhindern wird, daß man ihn erkennt, verwandelt Athene Odysseus, um ihn unkenntlich zu machen, in einen Greis ( n 397-403; 397: a[gnwston , 399: xanqa; " d j ejk kefalh'" ojlevsw trivca" ). Orests Bemerkung über andere sofoiv , fälschlich totgesagte Heimkehrer (Soph. El. 62-64), wird meist als Anspielung auf historische Figuren wie Pythagoras oder den Thraker Salmoxis gedeutet. 479 Sie könnte aber auch ein direkter Hinweis auf den Odyssee- 473 Brunel 1971, 69. Jebb 1894 zu Soph. El. 54. 474 Kamerbeek 1974 zu Soph. El. 77. 475 Vgl. 4.2.1, S. 85 f. Bei Sophokles ist es die Urne, die in einem Gebüsch versteckt ist (Soph. El. 55: qavmnoi" … kekrummevnon , vgl. Od. z 127: qavmnwn ). 476 Zu der Ballspiel-Szene der Nausikaa, in der Sophokles selbst die Protagonistin verkörpert haben soll, s. Athen. 1, 20E=TrGF 4 T 28, 5; Eust. Il. 381, 8=T 29; ders. Od. 1553, 63=T 30. 477 Vgl. Goward 1999, 39 ff. 478 Grossardt 1998, 63. 479 Zu der Anekdote über den Thraker Salmoxis, einen Schüler des Pythagoras, s. Hdt. 4, 95. Schol. Soph. El. 62 verweist auf eine Geschichte über Pythagoras selbst, erwähnt aber auch, mit einem Einwand, Odysseus: e[nioi de; oi[ontai ajpiqavnw", eij" Odusseva ajpoteivnesqai. ouj ga; r pevpraktaiv ti toiou'ton Odussei' . Jebb 1894 zu Soph. El. 62 ff. wiederholt im Bezug auf den Kommentar von Hartung 1850 ad loc. den Einwand des Scholion: „(…) but, as Odysseus did not contrive the rumour of his own death, the case is not in point.“ Zum einen sagt aber der Ausdruck lovgw/ mavthn qnh/ vskonta" nichts darüber aus, von wem diese Personen totgesagt werden, zum anderen deutet Odysseus Laertes gegenüber sehr wohl den eigenen Tod Die Lage Elektras 139 Bezug sein. Ebenso erwähnt im Agamemnon des Aischylos der Protagonist im Moment seiner Ankunft Odysseus (Aesch. Ag. 841), in der Odyssee umgekehrt Odysseus den Agamemnon (Od. n 383). Auch Orests Anrufung der väterlichen Erde und heimatlichen Götter entspricht dem Vorbild des epischen Heimkehrers (vgl. n 353- 360). Im Prolog der Elektra hat Sophokles somit Anklänge der Choephoren des Aischylos an die Odyssee aufgegriffen und verdichtet: mit der Figur des Paidagogos hat er Orest mit einem Begleiter versehen, der charakterlich deutlicher als Pylades an Eumaios erinnert, das Motiv der Trugrede ist als Teil des Racheplans hervorgehoben. Elektra wird als an der Rettung Orests Beteiligte erwähnt. Möglicherweise ist mit Soph. El. 62-64 ein direkter Hinweis auf die Odyssee gegeben. Allerdings zeigt die Verwendung der Urne als Requisit und das bewußte Auslassen der Lauscherszene den starken Bezug zu den Choephoren als neuer Ebene des „Erwartungshorizontes“. 5.2 Die Lage Elektras (Soph. El. 86-323) Die Lage Elektras Die unglückliche Situation, der Elektra im Palast der Atriden schon seit langem ausgesetzt ist, wird in drei Schritten, einer Klage-Monodie (86-120), der Parodos (121-250) und dem Beginn des ersten Epeisodions (251-323) kunstvoll exponiert. 480 Gegenüber dem kurzen, auf die Wiedererkennung hin konzipierten Auftritt Elektras in den Choephoren 481 entsteht ein emotionales Portrait der Heroine, das an die Figur der Penelope in der Odyssee anklingt. an (Od. w 309-314); s. auch Hartung 1850 ad loc.: „(…) Es ist aber ganz gewiß kein anderer als Odysseus gemeint, welcher, von den Freiern für todt gehalten, eben durch diesen Glauben derselben in den Stand gesetzt wurde, sie zu vernichten und desto größeren Ruhm und Ehre zu gewinnen. Sophokles bekundet hiedurch selbst seine Nachahmung Homers.“; vgl. Cobet 1977, 22 f.; dag. Kells 1973 ad loc.: „I think there is some contemporary allusion in these lines which is now lost“; Kamerbeek 1974 ad loc. nimmt einen Bezug zu einem Beispiel bei Herodot an, zu der erwähnten Geschichte über Salmoxis oder derjenigen über Aristeas von Prokonessos (Hdt. 4, 14). 480 Kells 1993 zu Soph. El. 95 f. 481 Während die aischyleische Elektra nach der communis opinio als Charakter farblos bleibt, sieht Auer 2006, 250; 271 gerade in dieser Figur die Triebkraft für die stavsi" pavgkoino" (Aesch. Cho. 458). 140 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee In der Monodie (86-120), einem „von Empfindung überbordenden qrh'no" “, 482 beschreibt Elektra ihre schlaflosen Nächte, ironisch bezeichnet als „nächtliche Feste“ (92: ta; de; pannucivdwn ), in denen sie Agamemnon beweint, der nicht vor Troja den Heldentod fand, sondern von dem ehebrecherischen Paar, Klytaimestra und Aigisth, getötet wurde (94-96: o{sa to; n duvsthnon ejmo; n qrhnw' / patevr j, o}n kata; me; n bavrbaron ai\an / foivnio" #Arh" oujk ejxevnisen ). Sie will, solange sie Tag und Nacht erblickt, von ihrem Jammern und Klagen nicht ablassen, wie eine Nachtigall, die ihrer Jungen beraubt ist (107-109: mh; ouj teknolevteir j w{" ti" ajhdwvn / … / … hjcw; pa'si profwnei'n ); der Nachtigall-Vergleich wird in der Parodos nochmals aufgegriffen, wobei die Anspielung an den Mythos von Prokne, die ihren Sohn Itys im Wahnsinn tötet und dann in eine Nachtigall verwandelt wird, dort deutlicher ist (147-149: ajll j ejmev g j aJ stonovess j a[raren frevna", / a} #Itun, aije; n #Itun ojlofuvretai, / o[rni" ajtuzomevna, Dio; " a[ggelo" , vgl. 242 f.; 1075-1077). Elektra beendet die Klage-Monodie mit einer Anrufung an die Unterwelt, Hermes Chthonios, Are und die Erinyen, von denen sie sich Rache und die Heimkehr Orests erbittet (110-120). Die Klage um Agamemnons ruhmlosen Tod ist auch ein Motiv im Kommos der Choephoren des Aischylos (Aesch. Cho. 345-353: 345: uJp j jIlivwi , vgl. 363-371), das sich auf die Odyssee bezieht, wie schon gezeigt wurde: 483 in der zweiten Nekyia wünscht Achill dem Agamemnon, dieser wäre vor Troja gefallen (Od. w 30-34; 31: dhvmw/ e[ni Trwvwn ); 484 zu Beginn des Epos äußert Telemachos für seinen Vater Odysseus den entsprechenden Wunsch ( a 236-240; 237: Trwvwn ejni; dhvmw/ ). Bei Sophokles ist der Anklang weniger ausgeführt und sprachlich undeutlicher (vgl. auch Od. l 406-411). 485 Der Nachtigall-Vergleich wird im Agamemnon des Aischylos für Kassandra, ebenfalls mit lautmalerischer reduplicatio des Names Itys, gebraucht (Ag. 1140-1145; 1140: frenomanhv" ti" ei\ , 1142- 1145: oi|av ti" xouqa; / ajkovreto" boa'", feu', talaivnai" fresi; n / #Itun #Itun stevnous j ajmfiqalh' kakoi'" / ajhdw; n movron , vgl. Soph. El. 123: ajkovreston oijmwgavn ). In der Odyssee verwendet diesen Vergleich Penelope: nachdem sie am Tag unaufhörlich geweint hat, überfallen sie in der Nacht drängende Sorgen, sie vergleicht ihre innerliche Unruhe mit der Klage einer Nachtigall (Od. t 518: wJ" d j o{te 482 Lefèvre 2001, 159. 483 Vgl. 4.2.3. 484 Vgl. Garner 1990, 38. 485 Jebb 1894 zu Soph. El. 95. Die Lage Elektras 141 Pandarevou kouvrh, clwrhi>; " ajhdwvn , 521-523: h{ te qama; trwpw'sa cevei poluhceva fwnhvn, / pai'd j ojlofuromevnh #Itulon fivlon, o{n pote calkw'/ / ktei'ne di j a[fradiva", kou'ron Zhvqoio a[nakto" ). 486 Sprachlich könnte diese Stelle Sophokles gut beeinflußt haben (Soph. El. 109: hjcw; pa'si profwnei'n , vgl. Od. t 521: cevei poluhceva fwnhvn , Soph. El. 148: ojlofuvretai , vgl. Od. t 522: ojlofuromevnh ). Der Konflikt Elektras ist mit demjenigen der Penelope teilweise vergleichbar: beide Frauen erwarten einen heimkehrenden Rächer und stehen unter starkem äußeren Druck. 487 In der Elektra des Sophokles ruft die Protagonistin die unteren Mächte, darunter Hermes Chthonios an, während in den Choephoren Orest das Stück mit einem Gebet an Hermes Chthonios eröffnet, Elektra sich erst später an Hermes als Vermittler zu den Toten (Cho. 124) wendet; Hermes ist in der Odyssee ein Begleiter des heimkehrenden Helden. Die Anrufung bei Sophokles läßt den Rezipienten eine aktive Beteiligung Elektras an der Rachehandlung vermuten. Die Parodos (121-250), ein Amoibaion zwischen Elektra und dem Chor, verstärkt die Charakterisierung von Elektra als Frau, die auf einen Heimkehrer wartet (164-172): sie erwartet Orest unermüdlich, kinderlos, unverheiratet und in Tränen gebadet (166: davkrusi mudaleva ), sie empfindet endlose Plage der Übel (166 f.: to; n ajnhvnuton / oi\ton e[cousa kakw'n ). 488 Sie mißtraut trügerischen Botschaften, die sie bekommen hat (169 f.: tiv ga; r oujk ejmoi; / e[rcetai ajggeliva" ajpatwvmenon ; ): immer sehnt sich Orest zwar angeblich zurück (171: poqei' ), hält es trotz seiner Sehnsucht aber nicht für angemessen zu erscheinen. Der Chor versucht zu ermutigen (173-184): man müsse auf die Zeit vertrauen; denn weder sei der Sohn Agamemnons, der am „rinderbewohnten Strand von Krisa“ weilt, noch der Gott der 486 S. Davidson 1988, 55; Bowra 1944, 243; Lechner 1859, 28. Vgl. 4.1.7, S. 54 f. 487 Zu einem autobiographischen Hintergrund der Nachtigall-Vergleiche bei Sophokles vgl. Suksi 2001. Den Mythos von Prokne hat Sophokles im Tereus dramatisch verarbeitet (TrGF 4 F 581-595); vgl. Suksi 2001, 646 f. 488 Die Maßlosigkeit von Elektras Leid wird auch vom Chor hervorgehoben (Soph. El. 140 f.: ajmhvcanon / a[lgo" ). Nach Lefèvre 2001, 156 gibt der Chor „zu erkennen, daß er ihre Klage als lang, doch wohl als zu lang empfindet.“ Die Pertinenz von Elektra Klage kommt zudem in der gehäuften Verwendung von ajeiv zum Ausdruck (Soph. El. 122; 141; 171: ajeiv , 148; 165: aijevn ); vgl. Od. t 596; Aesch. Ag. 891 (Klytaimestras Klage-Parodie). 142 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee Unterwelt 489 pflichtvergessen (180-182: ou[te ga; r oJ ta; n Kri'san 490 / bouvnomon e[cwn ajkta; n / pai'" Agamemnonivda" ajperivtropo" ). Aber Elektra klagt weiter über ihr Elend (185-192): schon der größte Teil ihres Lebens ist ohne Hoffnung verstrichen (186: bivoto" ajnevlpisto" , vgl. 819; 822). Sie verzehrt sich (123: tavkei" , 187: katatavkomai , vgl. 283: tevthka ) ohne Kinder, ohne männlichen Schutz. Wie eine Fremde, Verachtete muß sie im eigenen Haus dienen, in schäbigem Gewand (189-191: ajll j aJpereiv ti" e[poiko" ajnaxiva / oijkonomw' qalavmou" patrov", w|de me; n / ajeikei' su; n stola'/ ) und an leerem Tisch stehen. Daraufhin erinnern der Chor und Elektra an die grausame Ermordung Agamemnons bei einem Mahl (203 f.: w\ nuvx, w\ deivpnwn ajrrhvtwn / e[kpagl j a[cqh ). Die Elektra in den Choephoren des Aischylos wünscht ebenfalls die Heimkehr Orests herbei (Aesch. Cho. 138 f.), 491 aber die Erwartung Elektras bei Sophokles ist stärker emotional aufgeladen: Elektra will keine eigene Familie gründen (Soph. El. 164 f.; 187 f.; 240 ff.), fürchtet, Orest könnte sie vergessen haben, und bezeichnet seinen Wunsch heimzukehren als „Sehnen“ (171 f.: poqei' , poqw'n , vgl. 4). 492 Sie verhält sich wie eine Frau, die ihren heimkehrenden Mann erwartet, was erneut an Penelope in der Odyssee erinnert: 493 Penelope verzehrt sich in Sehnsucht nach Odysseus (Od. t 136: ajll Odush' poqevousa fivlon katathvkomai h\tor , vgl. 204-208) 494 und spürt unermessliche Trauer ( t 512: aujta; r ejmoi; kai; pevnqo" ajmevtrhton povre daivmwn ); sie erhält trügerische Botschaften über Odysseus ( x 126 f.: o}" dev k j ajlhteuvwn Iqavkh" ej" dh'mon i{khtai , / ejlqw; n ej" devspoinan ejmh; n ajpathvlia bavzei ); das Element der falschen Nachricht findet sich übrigens auch, in ironischer Form, in Klytaimestras Trugrede über ihren vorgeblichen duvsforo" bivo" im Agamemnon des Aischylos (Ag. 863 ff.; vgl. auch Od. t 127). 495 489 S. Jebb 1894 zu Soph. El. 183. Dagegen sehen Kells 1973 zu Soph. El. 173 ff. und Kamerbeek 1974 ad loc. in dem para; to; n Acevronta qeo; " ajnavsswn den Geist des toten Agamemnon; s. auch Lefèvre 2001, 158 mit Anm. 63. 490 Lloyd-Jones/ Wilson: Kri'san , ebenso Hermann; vgl. codd.: Krivs(s)an . Dag. Musgrave, Pearson: Krivsa/ . 491 Vgl. Kamerbeek 1974, Introd. 4 f. 492 Vgl. Od. a 41: iJmeivretai , vgl. Lechner 1859, 8. Elektra bezeichnet Soph. El. 601 f. Orest auch als tlhvmwn , was an den poluvtla" Odusseuv" anklingen könnte. 493 S. Diller 1971b, 13. 494 Vgl. Davidson 1988, 55. 495 Vgl. 4.1.5, S. 70. Die Lage Elektras 143 Der Aufenthalt Orests in Krisa, einer Küstenstadt in der Nähe Delphis, 496 erklärt sich durch die Orakelbefragung; die ungewöhnliche Formulierung bouvnomon e[cwn a[ktan könnte sich, vor dem assoziativen Hintergrund der Odyssee, auf den langen Aufenthalt des Odysseus bei Kalypso beziehen (Od. e 151: to; n d ja[r j ejp j ajkth'" eu|re kaqhvmenon ). 497 Die niederen Dienste, die Elektra tun muß, und ihre ärmliche Kleidung sind bereits in den Choephoren angedeutet (Aesch. Cho. 132 f.: ajlwvmeqa , 135: ajntivdoulo" ). In der Odyssee bietet Odysseus, als Bettler verkleidet (Od. n 435-438; 437: ajeikeva phvrhn ), den Freiern seine Dienste an ( o 315-324). Während in den Choephoren Agamemnon im Bad getötet wird, orientiert sich die sophokleische Darstellung von Agamemnons Ermordung bei einem Mahl stofflich an der Vorlage des „Atriden- Paradigmas“ der Odyssee: 498 hier wird Agamemnon bei einem Gelage im Haus Aigisths umgebracht (Od. d 529-537; 535: deipnivssa" , vgl. Od. l 406-420), eine Spiegelung des Freiermordes ( c ). Die schlechte Behandlung Elektras wird am Anfang des ersten Epeisodion konkretisiert (251-323). Sie muß mit den Mördern ihres Vaters zusammensein und ist ihnen untergeben. Sie muß ansehen, wie Aigisth auf Agamemnons Thron sitzt, dessen Kleider trägt, am Hausaltar opfert, wo er ihn getötet hat, und, den schlimmsten Frevel (271: th; n teleutaivan u{brin ): sein ehebrecherisches Treiben mit Klytaimestra; überhaupt stellt Elektra Aigisth als Weiberheld dar (301: oJ pavnt j a[nalki" 499 ou|to", hJ pa'sa blavbh , / oJ su; n gunaixi; ta; " mavca" poiouvmeno" ). Klytaimestra begeht den Tag von Agamemnons Ermordung als eine Art Festtag mit Reigen, Schafsopfer und Festmahl (280: corou; " i{sthsi kai; mhlosfagei', 283 f.: patro; " / th; n dustavlainan dai't j ejpwnomasmevnhn ). Zudem beschimpft Klytaimestra Elektra (289 : w\ duvsqeon mivshma , vgl. 622: w\ qrevmm j ajnaidev" 500 ) und wirft ihr die Rettung Orests vor (296 f.: h{ti" ejk cerw'n / klevyas j Orevsthn tw'n ejmw'n uJpexevqou , vgl. 12; 321). 496 S. Jebb 1894 ad loc.; Kamerbeek 1974 zu Soph. El. 180: „Crisa is an old settlement on the road from the coast to Delphi and striktly speaking bouvnomon ajkta; n seems not very apposite.“ 497 Eine ähnliche Formulierung findet sich bei der Beschreibung von Orests ebenfalls langen Irrfahrten nach dem Muttermord Aesch. Eum. 78 f. ( tovnde boukolouvmeno" / povnon ), vgl. 4.3.2, S. 89. 498 Vgl. Jebb 1894, Introd. xli; zu Soph. El. 95; 193-196. 499 Vgl. Hom. Od. g 310: ajnavlkido" Aijgivsqoio , Lechner 1859, 11; Miller 1977, 261. 500 Vgl. Bowra 1944, 236. 144 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee Aigisth und Klytaimestra treten als feindliche Partei, als Kollektiv auf, was eine Assoziation an die Freier der Odyssee aufruft. Die Freier schlachten das Vieh des Odysseus, essen und feiern in seinem Haus (z. B. Od. a 91 f.: oi{ tev oiJ aijei; / mh'l j aJdina; sfavzousi kai; eijlivpoda" e{lika" bou'" , 150-152: aujta; r ejpei; povsio" kai; ejdhtuvo" ejx e[ron e{nto / mnhsth're", toi'sin me; n ejni; fresi; n a[lla memhvlei , / molphv t j ojrchstuv" te: ta; gavr t j ajnaqhvmata daitov" ), er muß mitansehen, wie sie sich mit den Dienerinnen vergnügen ( u 6-13). Odysseus wird von ihnen beschimpft wie Elektra von Klytaimestra ( r 446: tiv" daivmwn tovde ph'ma proshvgage, daito; " ajnivhn ; ). Elektra in ihrer Funktion als Retterin Orests erinnert an die Amme Kilissa der Choephoren des Aischylos (Aesch. Cho. 749 f.: fivlon d j jOrevsthn … / o}n ejxevqreya mhtrovqen dedegmevnh ); es wurde schon im Vorigen besprochen, inwieweit hinter Kilissa die Amme Laodameia aus der Oresteia des Stesichoros und Eurykleia aus der Odyssee stehen könnten. 501 Während in den Choephoren des Aischylos Elektra eine für die Handlung wichtige, aber unscheinbare, kurze Rolle spielt, führt Sophokles in der Monodie, der Parodos und dem ersten Epeisodion in die seelische Disposition und die Lebensumstände der Protagonistin ein. Es wurde schon oft festgestellt, daß Elektras Charakter im Mittelpunkt des Stückes steht, daß sogar die Konzeption der Handlung darauf ausgerichtet ist, ihn mit anderen Figuren des Stückes zu kontrastieren. 502 Ein weiteres Mittel zur Charakterisierung scheint in der intertextuellen Bezugnahme zu bestehen: 503 der Nachtigall- Vergleich und die emotionale Darstellung der Situation des Wartens auf einen heimkehrenden Rächer legen einen Vergleich zwischen Elektra und Penelope in der Odyssee nahe; der Rekurs auf das epische Modell läßt Elektras Gefühle unangemessen und übersteigert erscheinen. 504 Die ungewöhnliche Formulierung bezüglich Orests langen Aufenthalts in Delphi (El. 180-182) ließe sich als Anspielung auf das Epos gut erklären. Aigisths und Klytaimestras provokantes Verhalten, wie Elektra es beschreibt, hat Ähnlichkeiten mit demjenigen der Freier in der Odyssee; hier changiert der Bezug zwischen Elektra und Penelope zu einem Bezug zwischen Elektra und Odys- 501 Vgl. 4.2.7, S. 108. 502 S. Kirkwood 1958, 35; Webster 1936, 83-100; vgl. auch Parmentier 1898, 336. 503 Zu einem entsprechenden Verfahren im Aias des Sophokles vgl. Zimmermann 2002, 244 ff.; s. auch Von Möllendorff 2001. 504 Lefèvre 2001, 157 bezeichnet die Darstellung Elektras als „ein Inbild des Unglücks und des Leidens“. Der Traum der Klytaimestra 145 seus. 505 Kurz klingt eine Verbindung zwischen Elektra als Retterin Orests mit Kilissa der Choephoren und Eurykleia der Odyssee an. Der assoziative Hintergrund des Epos trägt dazu bei, die skizzenhaften Züge Elektras, die Sophokles in den Choephoren des Aischylos vorfindet, ethopoietisch auszufüllen. 5.3 Der Traum der Klytaimestra (Soph. El. 405-471) Der Traum der Klytaimestra Am Schluß des ersten Epeisodion findet ein Dialog zwischen Elektra und Chrysothemis über den Traum der Klytaimestra statt. In den Choephoren hat Klytaimestra ebenfalls einen Traum, was der Erzählstruktur der Odyssee entspricht: dort kündigt sich die Rachetat in einem Traum Penelopes an. Elektra erkundigt sich bei Chrysothemis mit einer Reihe dezidierter Fragen nach dem Empfänger der Grabspenden und dann, nachdem sie erfahren hat, daß sie von Klytaimestra für Agamemnons Grab bestimmt sind, nach dem genauen Anlaß (Soph. El. 405: poi' d j ejmporeuvh/ ; tw'/ fevrei" tavd j e[mpura ; , 409: ejk tou' fivlwn peisqei'sa ; tw'/ tou't j h[resen ; ). Chrysothemis gibt als Grund ein nächtliches Schrekkensbild (410: deivmatov" tou nuktevrou ) an. Elektra bittet sofort voller Hoffnung um göttliche Hilfe und verlangt einen Bericht von dem Traum, um ihn deuten zu können (413: ei[ moi levgoi" th; n o[yin, ei[poim a]n tovte ). Chrysothemis beteuert, nur wenig (414; 426) aus zweiter Hand (417: lovgo" ti" aujthvn ejstin eijsidei'n , vgl. 424 f.: toiau'tav tou parovnto", h{nic j@Hlivw/ / deivknusi tou[nar, e[kluon ejxhgoumevnou ) zu wissen, berichtet aber detailliert den Inhalt des Traumes (417-423): es geht die Rede, Klytaimestra habe eine zweite Ehe mit Agamemnon, der ans Licht gekommen sei, gesehen; dann habe dieser das Szepter, das einst er selbst trug, jetzt aber Aigisth, ergriffen und in den Herd gepflanzt; daraus sei ein blühender Zweig emporgewachsen, der ganz Mykene überschattete (421-423: e[k te tou'd j a[nw / blastei'n bruvonta qallovn, w|/ katavskion / pa'san genevsqai th; n Mukhnaivwn cqovna ). Auf diese Traumerzählung hin hält Elektra Chrysothemis davon ab, die Grabspende Klytaimestras zu opfern, sie ersetzt sie 505 Woodard 1965 meint, daß sich Elektras Verhältnis zur Zeit im Verlauf des Stückes beschleunigt; am Anfang des Stückes lebt sie in einer „world of perpetuity“ / „petrified time“ (198 f.), was sich mit dem Zustand Penelopes vergleichen ließe. 146 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee durch eigene Opfergaben: Haarlocken von Chrysothemis und ihr selbst sowie einen Gürtel (448-452); Chrysothemis soll Agamemnon um Hilfe und eine erfolgreiche Rache durch Orest bitten. Elektra deutet den Traum als Botschaft Agamemnons (459 f.: oi\mai me; n ou\n, oi\maiv ti kajkeivnw/ mevlein / pevmyai tavd j aujth'/ dusprovsopt j ojneivrata ). Im folgenden Chorlied wird diese Traumdeutung Elektras übernommen und als Wirken der  Erinuv" bekräftigt (472-502). In den Choephoren des Aischylos kommt es zu einem Dialog zwischen Orest und dem Chor: Orest fragt den Chor nach dem Grund für Klytaimestras Grabspende und erfährt so von deren Traum (Aesch. Cho. 523 f.: ojneiravtwn / kai; nuktiplavgktwn deimavtwn ). 506 Orest bittet um die Erfüllung des Traumes, er deutet ihn (Cho. 542: krivnw ) und erkennt sich in dem Drachen, der darin vorkommt, wieder. Der Angsttraum der Choephoren bezieht sich wohl zum einen motivisch auf die Oresteia des Stesichoros, in der Klytaimestra ebenfalls von einer Schlange träumt (Stes. 219 PMGF); zum anderen könnte er, wie gezeigt, auf den Traum der Penelope in der Odyssee zurückgehen, der ein entsprechendes Strukturelement der Rachehandlung bildet (Od. t 535-558); Odysseus erfährt diesen Traum von Penelope. Der Adler, von dem Penelope träumt, ermutigt sie, verspricht, dass der Traum sich erfüllen werde, deutet den Traum als Vorzeichen einer erfolgreichen Rache ( t 555: uJpokrivnasqai ) und identifiziert sich mit Odysseus, was dieser dann nur noch bestätigt. Indem in der Tragödie des Sophokles Elektra, und nicht Orest, 507 von dem Traum durch Chrysothemis 508 erfährt, ermutigt um seine Erfüllung bittet und ihn als Vorzeichen einer erfolgreichen Rache deutet, wird ein Handlungsmuster auf sie übertragen, das nach dem epischen Modell den Rächer kennzeichnet. 509 Anders als der Traum der Klytaimestra in den Choephoren und der Traum der Penelope in der Odyssee zeigt Klytaimestras Traum in der Elektra des Sophokles keine gewaltsame Handlung eines Tieres, das den Rächer symbolisiert. Der in drei Phasen gegliederte Inhalt (Erneuerung der Ehe mit Agamemnon; Einpflanzen des Szepters; Wachstum des Zweiges) ist allegorisch verschlüsselt und wirkt ambigue; er wird in der Forschung mit zwei Träumen bei Hero- 506 Vgl. Deforge 1997, 216 zu den Choephoren des Aischylos als Modell für die Intrigenhandlung der Elektren. S. auch Dalfen 1983, 63; Von Fritz 1962, 134. Vgl. 4.2.4. 507 Vgl. Kamerbeek 1974, 10; Goward 1999, 107 f. 508 Zu der Figur der Chrysothemis vgl. Owen 1936, 147; Webster 1936, 89, sieht Chrysothemis als Folie für Elektra. 509 Vgl. Davidson 1988, 56. Der Traum der Klytaimestra 147 dot in Verbindung gebracht: 510 Der Perserkönig Astyages träumt, daß aus dem Schoß seiner Tochter Mandane, der Frau des Kambyses, ein Weinstock emporwächst und ganz Asien bedeckt ( fu'nai a[mpelon , th; n de; a[mpelon ejpiscei'n th; n jAsivhn pa'san ); Traumdeuter legen den Traum so aus, daß der Sohn der Mandane, Kyros, an Stelle des Astyages König werden werden wird (Hdt. 1, 108). Kyros wird folglich als Kind, wie Orest, nach dem Leben getrachtet, er wird heimlich aufgezogen. Das Wachstum des Zweiges erinnert auch an einen Traum des Xerxes, der sich selbst mit einem Ölbaumzweig bekränzt sieht, der über die ganze Erde hinreicht ( ejdovkee oJ Xevrxh" ejsqefanw'sqai ejlaivh" qallw'/ , ajpo; de; th'" ejlaivh" tou; " klavdou" gh'n pa'san ejpiscei'n , Hdt. 7, 19). Die Geschichte von Agamemnons Szepter, dem zentralen Symbol in Klytaimestras Traum, ist ausführlich im 2. Buch der Ilias beschrieben (Il. B 101-108): 511 es ist ein Werk Hephaists, der es Zeus schenkte. Zeus gab es Hermes, der es an Pelops weitergab. Pelops vererbte es über Atreus und Thyest schließlich an Agamemnon. Durch das Motiv des Szepters, mit dem sich in der Ilias eine Genealogie der Atriden verbindet, erhält der Traum episches Kolorit. Der Traum der Klytaimestra in der sophokleischen Elektra geht als struktureller Bestandteil der Rachehandlung also auf den Traum in den Choephoren des Aischylos zurück, hinter dem wiederum, neben dem Vorbild der Oresteia des Stesichoros, ein Bezug zu dem Traum der Penelope in der Odyssee steht. Anders als in den Choephoren wird das epische Handlungsmuster des künftigen Rächers Odysseus, das im Anhören und Deuten des Traumes besteht, nicht auf Orest, sondern auf Elektra übertragen; die Figur der Elektra bekommt dadurch mehr Gewicht. Zudem ist im Inhalt des Traumes Orest nicht als Tiergestalt verkörpert wie der Orest der Choephoren oder Odysseus in Penelopes Traum in der Odyssee. Seine Anwesenheit ist vielmehr chiffriert durch die Allegorie des wachsenden Zweiges und die damit verbundene Anspielung auf die herodoteische Erzählung vom Traum des Astyages und von der Jugend des Kyros. Obwohl der Inhalt des Traumes sich deutlich auf Herodot bezieht, ist mit dem zentralen Motiv, dem Szepter Agamemnons, wohl eine epische Reminiszenz an die Geschichte dieses Szepters in der Ilias eingeblendet. 510 Vgl. Bowra 1944, 223 ff.; Cobet 1977, 21 f.; s. auch Jebb 1894 zu Soph. El. 421 ff.; Kells 1973 zu Soph. El. 417 ff.; Kamerbeek 1977 zu Soph. El. 421-423. 511 Jebb 1894 zu Soph. El. 417ff; vgl. auch Il. A 234 ff. 148 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee 5.4 Die Trugrede des Paidagogos (Soph. El. 660-822) Die Trugrede des Paidagogos Als sei das Gebet Klytaimestras, das sie auf ihren Traum hin an Apoll richtet, erhört worden, 512 tritt im zweiten Epeisodion der Paidagogos auf, um, nach Orests Plan (Soph. El. 38-50), die falsche Botschaft von dessen Tod zu überbringen (660-822). Die Form der Trugrede ist kennzeichnend für die narrative Technik der Odyssee. Inhaltlich liegt eine Reminiszenz an das Wagenrennen bei den Leichenspielen für Patroklos in der Ilias vor. Der Paidagogos fragt die Chorführerin, ob er an der richtigen Adresse sei, und wendet sich dann an Klytaimestra. Der Paidagogos stellt sich als Bote des Phokers Phanoteus (670: Fanoteu; " oJ Fwkeuv" ), eines Freundes des Aigisth, vor, wie Orest es ihm aufgetragen hatte (44-46; 44: lovgw/ de; crw' toiw'/ d j ), und meldet den Tod Orests (673; 676). Elektra beginnt zu klagen, Klytaimnetsra fragt dagegen nach den Umständen des Todes. Daraufhin gibt der Paidagogos, wieder gemäß Orests Auftrag (47-50; 50: w|d j oJ mu'qo" eJstavtw ), einen ungewöhnlich langen Trugbericht von Orests Tod beim Wagenrennen anläßlich der Pythischen Spiele (680-763). 513 Abschließend kündigt er, zu Orests Plan zurückkehrend (vgl. 53-58; 54: tuvpwma calkovpleuron ), zwei phokische Männer an, die die Urne (757 f.: ejn bracei' / calkw'/ ) mit Orests Asche bringen werden (757-760). In den Choephoren des Aischylos spricht Orest bei seiner Ankunft zunächst mit einem Diener, bevor er, wie hier der Paidagogos, auf Klytaimestra trifft. Vor ihr hält er selbst eine Trugrede (Aesch. Cho. 674-690): 514 er gibt sich als Mann aus Daulis in Phokien aus; er habe die Nachricht des Phokers Strophios (Cho. 679: Strofivo" oJ Fwkeuv" ) zu überbringen, daß Orest gestorben sei und daß sich dessen Asche in einer Urne befinde (Cho. 680-687; 686: 512 Vgl. Horsley 1980, 22; Sheppard 1927, 7. 513 Vgl. Grote 1995-1997, 1 f. zu der Kritik an dem Anachronismus und besonders an der Länge der Rede: „When he gives the deceptive report, the Paidagogos takes up fully 83 of the 1510 verses of the play. The lavishly depicted details of the chariot race, which include the exact line-up of the competitors at the gate and the breeds and even the colours of some of the horses, seem gratuitous at best and extravagant bombast at worst.“ S. auch Arist. Poet. 24, 1460a31-33; Aristoteles kritisiert hier Ungereimtheiten ( a[loga ), die, wie der Bericht von den Pythien, innerhalb der Bühnenhandlung ( ejn tw'/ dravmati ) stattfinden. Das bezieht sich wohl auf den Anachronismus: die Pythischen Spiele wurden 582 v. Chr., also lange nach der mythischen Zeit der Handlung, eingeführt. 514 S. Davidson 1988, 54. Die Trugrede des Paidagogos 149 levbhto" calkevou pleurwvmata ). Die Trugnachricht steht in wörtlicher Rede, die genauen Umstände von Orests angeblichem Tod werden nicht erwähnt. 515 Auch in der Odyssee wird diese Erzähltechnik verwendet, der Heimkehrer, der sich als Kreter ausgibt, behauptet, Nachrichten über Odysseus von einer weiteren Person zu haben. In der Trugrede gegenüber Eumaios erzählt er von dem Thesprotenkönig Pheidon, der Odysseus aufgenommen habe und heimgeleiten wolle (Od. x 321-333), er erwähnt diesen nochmals in der Trugrede vor Penelope ( t 268-307). Die Todesnachricht läßt an die Trugrede gegenüber Laertes denken, in der Odysseus als angeblicher Sikanier seinen eigenen Tod zumindest als wahrscheinlich darstellt ( w 309-314). Trugerzählungen, nicht nur des Helden selbst, sind ein entscheidendes Strukturmerkmal der Odyssee. Bei der Planung der Intrige beauftragt Odysseus Telemachos mit einer Trugrede gegenüber den Freiern, um die Waffen sicherzustellen ( p 286-294~ t 5-13; p 286 f.= t 5 f.: malakoi'" ejpevessi / parfavsqai ). Zunächst beschreibt der Paidagogos in seiner Trugrede (Soph. El. 680-763) Orests triumphalen Sieg beim Wettlauf. Mit einer Bemerkung über die Unausweichlichkeit des Schicksals leitet er über zu dem unglücklichen Wagenrennen am Morgen des folgenden Tages. Er schildert die zehn teilnehmenden Gespanne, anschaulich bis in die Farben der Pferde (705: xanqai'si pwvloi" , 706: leuvkippo" ). Die Wagenlenker erlosen ihre Aufstellung (710: klhvroi" e[phlan kai; katevsthsan divfrou" ), starten, rufen ihren Pferden zu (712: oJmoklhvsante" ). Sie überholen, der Atem der Pferde schäumt, er sprüht auf den Rücken und die Radreifen des vorderen Lenkers (718 f.: oJmou' ga; r ajmfi; nw'ta kai; trocw'n bavsei" / h[frizon, eijsevballon iJppikai; pnoaiv ). Ein Gespann bekommt die Kurve nicht, es gibt eine Karambolage. Das athenische Gespann kann ausweichen und bleibt, zusammen mit Orest, übrig. Orest wendet gekonnt (720-722: kei'no" d j uJp j aujth; n ejscavthn sthvlhn e[cwn / e[crimpt j ajei; suvrigga, dexio; n d j ajnei; " / serai'on i{ppon ei\rge to; n proskeivmenon ). In der Endphase des Rennens stößt er an die Wendesäule, die Radnabe bricht; er stürzt aus dem Wagensitz, verwickelt sich in den Riemen und wird zu Tode geschleift. Der Trugbericht des Paidagogos, der mu'qo" von Orests Tod beim Wagenrennen der Pythien, wird von der Forschung allgemein als Reminiszenz an das Wagenrennen anläßlich der Leichenspiele für 515 Vgl. Jebb 1894, Introd. xxxix. 150 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee Patroklos in der Ilias (Il. Y 287-533) betrachtet; 516 Sophokles verwendet gezielt ähnliche Bilder und das epische Vokabular. 517 In der Ilias sind es fünf teilnehmende Gespanne, darunter ein Fuchs mit weißem Stern im Gespann des Diomedes ( Y 454 f.: foi'nix h\n, ejn de; metwvpw/ / leuko; n sh'ma tevtukto perivtrocon hju? te mhvnh ). 518 Auch hier wird die Aufstellung erlost ( Y 352-354: a]n d j e[ban ej" divfrou", ejn de; klhvrou" ejbavlonto: / pavll jAcileuv", ejk de; klh'ro" qovre Nestorivdao /  Antilovcou ), die Pferde werden durch Zuruf angespornt ( Y 363: oJmovklhsan ). 519 Die Gespanne verfolgen einander, der Atem der Pferde wärmt den Rücken des voranfahrenden Lenkers ( Y 380 f.: pnoih'/ d j Eujmhvloio metavfrenon eujreve t j w[mw / qevrmet j ). 520 An einem Wagen bricht das Joch, der Lenker wird herausgeschleudert. Die Beschreibung von Orests Technik beim Wenden erinnert an die Anweisung, die Nestor seinem Sohn Antilochos gibt ( Y 336-340: ajta; r to; n dexio; n i{ppon / kevnsai oJmoklhvsa", ei\xaiv tev oiJ hJniva cersivn. / ejn nuvssh/ dev toi i{ppo" ajristero; " ejgcrimfqhvtw, / wJ" a[n toi plhvmnh ge doavssetai a[kron iJkevsqai / kuvklou poihtoi'o ). 521 Der Unfall Orests könnte an eine Befürchtung Nestors anklingen ( Y 467 f.). Klytaimestras Reaktion zeigt das ambivalente Verhältnis zu ihrem Sohn, der, von ihr entfremdet, immer mehr zur Bedrohung wird (Soph. El. 785 f.: toujmo; n ejkpivnous j ajei; / yuch'" a[kraton ai|ma ). 522 Elektras Reaktion besteht dagegen in der klagenden Anrede an den vermeintlichen Toten und im Vorwurf gegen Klytaimestras mangelndes Mitgefühl und ihren Spott (788 ff.: oi[moi tavlaina: nu'n ga; r oijmw'xai pavra, / Orevsta, th; n sh; n xumforavn, o{q j w|d j e[cwn / pro; " th'sd j uJbrivzh/ mhtrov" , vgl. 804 ff.; 807: a[ll j ejggelw'sa frou'do". w] tavlain j ejgwv: ). 523 Die Antwort Klytaimestras, die der Trugbericht des Paidagogos hervorruft, wiederholt die Ambivalenz, die Klytaimestra bereits in den Choephoren des Aischylos auf die Todesnachricht zeigt (Aesch. 516 Vgl. Jebb 1894, Introd. xli; Grote 1995-1997, 1. Zu der Erwähnung des Wagenrennens des Pelops Soph. El. 505-515 als Vorbereitung der Trugbotschaft des Paidagogos vgl. Webster 1936, 105 f.; Sheppard 1927, 6. 517 S. Davidson 1988, 65; Lechner 1859, 8 f. 518 S. Jebb 1894 zu Soph. El. 705. 519 Ders. zu Soph. El. 710; 712. 520 Ders. zu Soph. El. 718 f. 521 Ders. zu Soph. El. 721 f.; s. auch Kells 1973 zu Soph. El. 720 f.; Kamerbeek 1974 zu Soph. El. 720-722. 522 Vgl. Lefèvre 2001, 173-175. 523 Zu einer Interpretation der Trugbotschaft des Paidagogos im Hinblick auf die Reaktionen Klytaimestras und Elektras vgl. Kamerbeek 1974, Introd. 12 f.; Diller 1971b, 315; Segal 1966, 479; Woodard 1965, 200 f. Die Trugrede des Paidagogos 151 Cho. 691-699; 707-718); 524 die Metapher für das Gefühl der Bedrohung spielt auf eine Formulierung Orests in den Choephoren an, die sich auf den Inhalt von Klytaimestras Angsttraum in diesem Stück bezieht (Cho. 577 f.: fovnou d j jErinu; " oujc uJpespanismevnh / a[kraton ai|ma pivetai ). Dagegen erinnert die Reaktion Elektras deutlich an diejenige der Amme Kilissa in den Choephoren (Cho. 734-765): wie Elektra klagt Kilissa um Orest und wirft Klytaimestra mangelndes echtes Gefühl und heimlichen Spott vor (Cho. 738-740: gevlwn / keuvqous j ejp j e[rgoi" diapragmevnoi" kalw'" / keivnhi, 743: w\ tavlain j ejgwv , 747-749; 748 f.: ta; me; n ga; r a[lla tlhmovnw" h[ntloun kakav, / fivlon d j jOrevsthn ). Im Hintergrund beider Figuren scheint die Amme Eurykleia in der Odyssee zu stehen: bevor Eurykleia dem vermeintlichen Fremden die Füße wäscht, klagt sie um Odysseus, indem sie ihn anredet, und vermutet, daß auch er, wie der Fremde, von Dienerinnen verspottet wird (Od. t 363: w[ moi ejgw; sevo, tevknon, ajmhvcano" , 369-372: nu'n dev toi oi[w/ pavmpan ajfeivleto novstimon h\mar. / ou{tw pou kai; keivnw/ ejfeyiovwnto gunai'ke" / xeivnwn thledapw'n, o{te teu kluta; dwvmaq j i{koito, / wJ" sevqen aiJ kuvne" ai{de kaqeyiovwntai a{pasai ). Mit beiden Figuren wurde Elektra bereits als Erzieherin Orests (vgl. Soph. El. 12-14; 296 f.; 321) assoziiert. Durch die Übertragung der Trugrede Orests aus den Choephoren des Aischylos auf eine weitere Figur, den Paidagogos, hat Sophokles das Motiv der verbalen Verstellung, des lovgw/ klevptein , das sich in der Odyssee widerspiegelt, herausgehoben; der Umfang der Trugbotschaft des Paidagogos legt auch formal den Vergleich mit den Trugreden des Epos nahe. 525 Indem Orest die Trugbotschaft nicht, wie in den Choephoren, selbst überbringt, sondern in Auftrag gibt, agiert er nicht wie ein interner Schauspieler, sondern wie ein interner Regisseur: die dramatische Umsetzung der epischen Form der Trugrede vollzieht sich somit bei Sophokles abstrahierter als bei Aischylos. Die inhaltliche Allusion der Trugbotschaft von Orests Tod an das Wagenrennen bei den Leichenspielen für Patroklos im 23. Buch der Ilias hinterlegt die Szene mit der Atmosphäre der homerischen Epen, ähnlich wie das Motiv von Agamemnons Szepter im Traum der Klytaimestra. Elektras doppelte Reaktion auf die Trugbotschaft, Klage und Vorwurf gegen Klytaimestra, setzt den Bezug der Figur zu Kilissa in den Choephoren und Eurykleia in der Odyssee fort, der sich in ihrer Rolle als Retterin Orests schon ange- 524 Vgl. 4.2.6, S. 105. 525 Grote 1995-1997, 3 erklärt die Länge der Trugbotschaft mit der Notwendigkeit, Elektra und Klytaimestra zu überzeugen. 152 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee deutet hat; er trägt eine Facette zum Charakterbild der Protagonistin bei. 5.5 Elektras Racheplan (Soph. El. 938-1057) Elektras Racheplan Ein Plan des Rächers leitet nach dem Schema Novsto" - Anagnwvrisi" - Mhcavnhma zum letzten Teil, der Intrige, über; 526 der Racheplan Orests in den Choephoren folgt diesem Handlungsmuster, das bereits in der Odyssee vorliegt. 527 Elektras Racheplan ist zwar als Strukturelement erkennbar, bleibt aber für die weitere Handlung funktionslos. Obwohl Chrysothemis von der Haarlocke, die sie an Agamemnons Grab gefunden hat, berichtet, ist Elektra durch die Trugbotschaft des Paidagogos von Orests Tod überzeugt und entwirft einen eigenen Racheplan (El. 947-989). Elektra versucht, Chrysothemis von ihrem Plan zu überzeugen (938: eja; n d j ejmoi; pivqh/ , 947: a[koue dhv nun, h|/ bebouvleumai telei'n , 986: ajll j, w\ fivlh, peivsqhti ), der viel Mühe mit sich bringen wird (943: tlh'nai , 945: povnou , 986 f.: sumpovnei patriv, / suvgkamn j ajdelfw/ ' ): solange Orest lebte, hoffte sie auf ihn als Rächer, jetzt soll Chrysothemis mit ihr zusammen Aigisth töten. Sie malt der Schwester das bevorstehende Elend unter Aigisth aus, enterbt und unverheiratet dahinzuleben; die Tat dagegen verspricht Pietät (968: eujsevbeian ) gegenüber Vater und Bruder, Freiheit und vor allem Ruhm (973: lovgwn … eu[kleian ); Elektra zitiert wörtlich die Lobreden, mit denen Bürger und Fremde die Schwestern auszeichnen werden (976: toioi'sd j ejpaivnoi" ): bei Festen und Volksversammlungen müssen alle sie wegen ihrer Tapferkeit (983: ou{nek j ajndreiva" ) ehren. Elektra verspricht sich von der Tat unsterblichen Ruhm (985: zwvsain qanouvsain q j w{ste mh; klipei'n klevo" ). Chrysothemis reagiert, vom Chor unterstützt, mit Einwänden: Elektra ist eine Frau, kein Mann, sie hat weniger Macht als die Gegner (997 f.: gunh; me; n oujd j ajnh; r e[fu" / sqevnei" d j e[lasson tw'n ejnantivwn ceriv ); es fehlt ihr die göttliche Unterstützung (999 f.: daivmwn … / hJmi'n d j ajporrei' kajpi; mhde; n e[rcetai ), sie sollte sich vielmehr überreden lassen nachzugeben. Daraufhin kündet Elektra an, die Tat im Allein- 526 Vgl. Matthiessen 1964, 93. 527 Vgl. 4.2.5. Elektras Racheplan 153 gang auszuführen (1019 f.: ajll j aujtovceiriv moi movnh te drastevon / tou[rgon tovd j ). Sie wirft Chrysothemis mangelnde Hilfsbereitschaft vor (1025: wJ" oujci; sundravsousa , 1031: soi; ga; r wjfevlhsi" oujk e[ni ) und rät ihr ironisch, Klytaimestra gleich alles zu erzählen (1033: ejlqou'sa mhtri; tau'ta pavnt j e[xeipe sh'/ ). Sie beharrt auf ihrem Plan (1045: kai; mh; n pohvsw , 1049: pavlai devdoktai tau'ta kouj newstiv moi ). Chrysothemis geht ins Haus, die Schwestern trennen sich im Streit (1050: Cr. a[peimi toivnun , 1052: Hl. ajll j ei[siq j ). Während in den Choephoren des Aischylos Orest nach der Wiedererkennung in Anwesenheit Elektras einen Racheplan entwirft (Aesch. Cho. 554-584), plant bei Sophokles zuerst Orest mit dem Paidagogos (Soph. El. 29-76), dann Elektra. 528 Orest ist sich sowohl in der aischyleischen als auch in der sophokleischen Darstellung seiner Mitstreiter bereits sicher, anders als Elektra. In den Choephoren richtet sich Orests Plan ebenso wie der Plan Elektras im Stück des Sophokles ausdrücklich gegen Aigisth; 529 die Zukunftsvision in seinem Plan, bei dem er gleichfalls wörtliche Rede zitiert, betrifft allerdings den Ablauf der Tat, nicht den Nachruhm (Cho. 569 f.; 575). Orests Plan entsteht mit göttlicher Unterstützung, im Auftrag Apolls (Cho. 558 f.: h|i kai; Loxiva" ejfhvmisen / a[nax Apovllwn , vgl. 583; Soph. El. 32-37); Orest verteilt Aufgaben an seine Mithelfer (Cho. 554: thvnde me; n steivcein e[sw , vgl. 579 f.; Soph. El. 39-50; 73 f.) und rät zur Verschwiegenheit (Cho. 555: aijnw' de; kruvptein tavsde sunqhvka" ejmav" , vgl. 581 f.). Elektra dagegen schickt ihre Schwester im Zorn ins Haus und fordert sie in provokativer Weise auf, den Plan auszuplaudern. Der Racheplan in den Choephoren des Aischylos folgt, wie gezeigt, dem Muster des Racheplanes in der Odyssee, besonders dem Plan von Odysseus und Telemachos (Od. p 233-320). 530 Beide Planungsszenen finden nach einer Wiedererkennung statt, Odysseus ist sich der Loyalität eines Helfers, Telemachos, sicher. Zudem hat er göttliche Unterstützung durch Athene, die ihn zu dem Racheplan beauftragt hat ( p 233 f.: nu' n au\ deu' r j iJ kov mhn uJ poqhmosuv nh/ sin Aqhv nh", / o[ fra ke dusmenev essi fov nou pev ri bouleuv swmen , vgl. p 167-171); dem Einwand des Telemachos, daß die Feinde in der Übermacht sind 528 Vgl. Von Fritz 1962, 33 ff.; De Romilly 1992, 240. 529 Jebb 1894 zu Soph. El. 957 meint, daß sich Elektras Plan auf Aigisth beschränkt, weil Sophokles die Sympathie für Elektra nicht beeinträchtigen wollte; dagegen sehen Kells 1973 und Kamerbeek 1974 ad loc. darin eine Taktik Elektras; vgl. auch Friis Johansen 1964, 21 f.; Sheppard 1927, 7. 530 Vgl. 4.2.5. 154 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee ( p 241-257; 243 f.: ouj dev ken ei[ h / a[ ndre duv w polloi' si kai; ij fqiv moisi mav cesqai ), kann er Zeus und Athene als Mitstreiter entgegenhalten ( p 259-261). Wie Orest in den Choephoren verteilt Odysseus die Aufgaben ( p 270 ff.; 270 f.: aj lla; su; me; n nu' n e[ rceu … / oi[ kade ) und fordert zur Verschwiegenheit auf ( p 299-303). Orests Plan in den Choephoren korrespondiert mit dem epischen Plan, Orests Plan in der Elektra teilweise, dagegen kann der Plan der Protagonistin die wesentlichen Voraussetzungen nicht erfüllen; zudem fehlt ihr eine konkrete Vorstellung vom Ablauf der Tat. 531 Dazu steht im Widerspruch, daß Elektra sich und ihre Schwester in der Rolle eines gefeierten Rächers sieht; 532 das Erdulden von Mühen und die Rachetat sollen ihr unsterblichen Ruhm ( klev o" ) verschaffen, ähnlich wie dem epischen Dulder Odysseus (z. B. p 241). 533 Indem Elektra versucht, aus Chrysothemis, einer potentiellen Verräterin, einen Mitstreiter nach epischem Vorbild zu formen, gerät die Planungsszene zu einer paradoxen Situation. 534 Durch den eigenen Racheplan Elektras wird in der Elektra des Sophokles ein Handlungsmuster auf die Protagonistin übertragen, das in dem epischen Modell einer Rachehandlung, der Odyssee, dem Rächer zugeordnet ist; in den Choephoren übernimmt es Orest. Entsprechend der Verspottung im eigenen Haus, dem Anhören und Deuten des Traumes, verbindet der Racheplan Elektra mit Odysseus, was auf eine aktive Seite der Figur und ihre entscheidende Teilnahme an der Rachehandlung weist. Während Aischylos in den Choephoren die epische Form des Racheplanes auf seine Rächer- 531 Während das epische Erzählschema der Racheplanung die Position des Rächers in der Gruppe seiner Mitstreiter bestätigt und zudem dem Rezipienten einen Überblick über den Verlauf der Rache gibt (vgl. 4.2.5, S. 100 mit Anm. 329), zeigt Elektras Racheplan ihre Isolation und bleibt für die Handlung folgenlos. 532 S. Woodard 1965, 200, über Elektras Veränderung durch die Trugbotschaft des Paidagogos: „An alternative attitude toward time begins to replace despair about time in the next scene, along with her decision to act“. Vgl. Parmentier 1898, 336. Zum epischen Stil von Elektras „ ti" -Rede“ (Soph. El. 977-983) s. Finglass 2005, 204. 533 Zu Orests Streben nach klevo" vgl. Soph. El. 60: e[rgoisi swqw' kajxenevgkwmai klevo" , Od. a 298: h] oujk aji? ei" oi|on klevo" e[llabe di'o" Orevsth" , vgl. Lechner 1859, 8. Vgl. auch 5.1, S. 137. 534 Vgl. Lefèvre 2001, 169: „Selbst wenn man annimmt, daß Elektra schon längere Zeit daran denkt, im Fall von Orestes’ Tod die Rache selbst zu vollziehen, handelt es sich nicht um ein wohlüberlegtes Unternehmen, sondern um die letzte Zuspitzung äußerster Verzweiflung, die in die Katastrophe führen kann - wenn nicht muß.“ Die Verstellung und die Wiedererkennung Orests 155 figur, Orest, fast unverändert überträgt, fehlen in der Elektra des Sophokles im Racheplan der Protagonistin wichtige Elemente oder sie werden sogar konterkariert. Der Selbststilisierung Elektras als heldenhafte Rächerin widerspricht die Diskrepanz zwischen der Planungsszene und der epischen Vorlage. 5.6 Die Verstellung und die Wiedererkennung Orests (Soph. El. 1098-1287) Die Verstellung und die Wiedererkennung Orests Zu Beginn des dritten Epeisodion kommt Orest in Begleitung des Pylades und zweier Diener beim Palast an, um, wie geplant (Soph. El. 53-58), die Urne als Bekräftigung der falschen Todesnachricht abzuliefern (1098-1125). Orests Verstellung gegenüber Elektra führt zu einer Parallele mit der Begegnung von Odysseus und Penelope in der Odyssee ( t ), die den Bezug zwischen Elektra und Penelope unterstützt. Motive von Elektras Klage (1126-1170) und das mevlo" aj po; skhnh'" (1232-1287) unterstreichen jedoch die Ammentypologie der Figur. Orest erkundigt sich bei der Chorführerin nach Aigisth und fragt, wer das erwartete Erscheinen von ihm und Pylades (1104: poqeinh; n koinovpoun parousivan ) im Haus melden kann. Er wendet sich an Elektra, sie soll ins Haus gehen und verkünden, daß phokische Männer (1107: Fwkh'" a[ndre" ) nach Aigisth suchen. Auf Elektras ängstliches Nachfragen hin gibt er sich als Gesandter des alten Strophios (1110 f.: gevrwn / … Strofivo" ) aus und bestätigt, daß die Urne (1113 f. bracei' / teuvcei , 1118: a[ggo" , 1120: teu'co" , vgl. 54: tuvpwma calkovpleuron ) Orests Asche enthalte; er läßt ihr das Gefäß überreichen. In den Choephoren des Aischylos gibt sich Orest Elektra gegenüber rasch zu erkennen, er verstellt sich vor Klytaimestra (Aesch. Cho. 674-690), nachdem er zuerst einen Diener nach Aigisth gefragt hat. In der Elektra des Sophokles empfängt Elektra die falsche Todesnachricht Orests, Klytaimestra hat mit Elektra zusammen von Orests angeblichem Tod bereits durch den Paidagogos erfahren. In den Choephoren gibt sich Orest vor Klytaimestra entsprechend als Mann aus Daulis in Phokien aus (Cho. 674: Daulieu; " ejk Fwkevwn ) und Bote des Strophios (Cho. 679: Strofivo" oJ Fwkeuv" ) aus; dagegen nennt der Paidagogos den Phoker Phanoteus (vgl. Soph. El. 156 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee 45; 670). 535 Die Urne ist in den Choephoren nur erwähnt (Cho. 686: levbhto" calkevou pleurwvmata ), in Orests Plan findet die Anspielung noch auf verbaler Ebene durch das Adjektiv calkovpleuro" (Soph. El. 54) statt; hier wird sie zum greifbaren Requisit. 536 Bei der Wiedererkennung zwischen Orest und Elektra in den Choephoren vermengen sich, wie gezeigt, 537 Elemente verschiedener ajnagnwrivsei" der Odyssee, der kurzen, pragmatischen Wiedererkennung zwischen Odysseus und Telemachos (Od. p 166-219) und der kunstvollen Wiedererkennung durch Zeichen zwischen Odysseus und Eurykleia sowie, im Rahmen der Trugrede, Penelope (Od. t 100 ff.; 343 ff.). Indem Sophokles Orest sich vor Elektra verstellen läßt, verstärkt er den Anklang an die Wiedererkennungen des 19. Buches der Odyssee, wo Odysseus mehrere Trugreden vor Penelope hält ( t 165-202; 221-248; 262-307); er gibt sich als Kreter aus und behauptet, Nachrichten über Odysseus von dem Thesprotenkönig Pheidon zu haben ( t 268-307). Elektra beklagt ausführlich die vermeintliche Asche ihres Bruders (Soph. El. 1126-1170); sie bedauert, Orest einst gerettet zu haben; deshalb ist er in der Fremde gestorben und sie konnte ihn nicht zur Aufbahrung waschen (1138 f.: kou[t j ejn fivlaisi cersi; n hJ tavlain j ejgw; / loutroi'" s j ejkovsmhs j ), 538 noch seine Überreste aus dem Scheiterhaufen heben. Die ganze Pflege, die sie an Orest wandte, war umsonst (1143-1145: oi[moi tavlaina th'" ejmh'" pavlai trofh'" / ajnwfelhvtou, th; n ejgw; qavm j ajmfi; soi; / povnw/ glukei' parevscon ); Elektra hat das Kind allein, anstelle der Mutter aufgezogen (1145-1148: ou[te gavr pote / mhtro; " suv g j h\sqa ma'llon h] kajmou' fivlo" , / ou[q j oiJ kat j oi\kon h\san ajll j ejgw; trofov", / ejgw; d j ajdelfh; soi; proshudwvmhn ajeiv ). 539 In ihrer Trauer muß sie zudem die Schadenfreude ihrer Feinde, Aigisths und Klytaimestras, ertragen, die sie der Mutter bitter vorwirft (1153 f.: gelw'si d j ejcqroiv: maivnetai d j uJf j hJdonh'" / mhvthr ajmhvtwr ). Sie wünscht sich selbst den Tod, ist in einem Zustand der völligen inneren Vernichtung (1166: th; n mhde; n ej" to; mhdevn , vgl. 1129: oujde; n o[nta , 999 f.). 540 535 Jebb 1894 zu Soph. El. 1110 f.; Kamerbeek 1974 zu Soph. El. 1111; Kells 1973 zu Soph. El. 44 f.; 670. 536 Brunel 1971, 69; Segal 1985, 19. 537 Vgl. 4.2.2. 538 Jebb 1894 zu Soph. El. 1139 , loutroi'" s j ejkovsmhs j : „not merely ‚honoured with washings‘, but rather ‚washed and dressed‘ for the provqesi" .“ Elektra würde so ihre Erinnerung an das Aufziehen Orests mit der Gegenwart verbinden. 539 S. Segal 1966, 496 f. 540 Jebb 1894 zu Soph. El. 1165: „ th; n mhdevn as in Ai. 1231 tou' mhdevn = tou' qanovnto" “. Die Verstellung und die Wiedererkennung Orests 157 Den Auftrag Orests an Elektra, Aigisth zu benachrichtigen, erhält in den Choephoren des Aischylos die Amme Kilissa von Klytaimestra (Aesch. Cho. 734-737; 764 f.). In Elektras Klage verstärkt sich der Bezug zwischen Elektra und Kilissa, der sich schon durch ihre Funktion als Retterin Orests (vgl. Soph. El. 12-14; 296 f.; 321; 1128; 1130; 1132 f.) und ihre Reaktion auf den Trugbericht des Paidagogos (788-790; 804-822), Klage und Vorwurf gegen Klytaimestra, abgezeichnet hat; Kilissa erwähnt das Motiv des Waschens in ihrer Klage (Aesch. Cho. 734-756), indem sie an ihre Aufgabe als Windelwäscherin erinnert (Aesch. Cho. 759 f.: paido; " spargavnwn faidruvntria / knafeu; " trofeuv" te taujto; n eijcevthn tevlo" , 761: dipla'" de; tavsde ceirwnaxiva" , vgl. 763: tavlaina ). Sie jammert, daß die Mühe der Pflege umsonst war (Cho. 752 f.: kai; polla; kai; mocqhvr j ajnwfevlht j ejmoi; / tlavshi ), sie hat Orest hauptsächlich aufgezogen (Cho. 749 f.: fivlon d j jOrevsthn, th'" ejmh'" yuch'" tribhvn, / o}n ejxevqreya mhtrovqen dedegmevnh , 751: nuktiplavgktwn ojrqivwn keleumavtwn ). Kilissa wirft wie Elektra Klytaimestra Schadenfreude vor (Cho. 738 f.: gevlwn / keuvqous j ejp j e[rgoi" diapepragmevnoi" kalw'" ). Beide Figuren beziehen sich auf die archetypische Amme Eurykleia in der Odyssee. Eurykleia soll Odysseus die Füße waschen (Od. t 386-388, 357 ff.), sie hat ihn aufgezogen ( t 353-355: e[sti dev moi grhu; >" pukina; fresi; mhvde j e[cousa, / h} kei'non duvsthnon eju>; trevfen hjd j ajtivtalle, / dexamevnh ceivress j, o{te min prw'ton tevke mhvthr , vgl. 482 f.); die Amme klagt um Odysseus und vermutet, daß er, wie der vermeintliche Fremde, von Dienerinnen verspottet wird ( t 370- 372); die Verzweiflung Elektras übersteigt diejenige der Ammenfiguren jedoch bei weitem; das Gefühl des Verlustes der Identität erinnert vielmehr an das Schicksal des Odysseus, des Ou\ti" . 541 Angesichts von Elektras Trauer kann Orest, sobald er die Schwester erkennt, 542 sein Mitgefühl nicht lange verbergen (Soph. 541 Vgl. Segal 1966, 484 f.: „In the Oedipus at Colonus (393) the aged protagonist asks, ‚When I am no longer, than I am a man? ‘, a formulation which lies close to the heart of Sophoclean tragedy. Electra too feels herself as ‚nothing‘ (sic! ) th; n mhdevn , 1166) just before rebirth and triumph. But if heroes like Oedipus, Antigone, Ajax are victorious in defeat, are everything when they are ‚nothing‘, it is the paradox of Electra that its protagonist is, in a sense, defeated in her victory: her victory is her tragedy.“ Vgl. O. C. 393: o{t j oujkevt j eijmiv, thnikau't j a[r j ei[m j ajnhvr ; , vgl. Soph. Aiax 125 f.; s. auch Tarkow 1982, 21 ff., der die Verwendung von ou[ti" Soph. O. T. 1329-1332 mit Od. i 364 ff. in Verbindung bringt. Zu ou[ti" vgl. Soph. El. 948 f.; (1328); 1369; vgl. auch 5.7, S. 163. 542 Vgl. Kells 1973 zu Soph. El. 1174 f.: „Realising now (as he must have almost from the first words of her speech) that she is Electra, (…) he feels that he can no longer keep up his pretence with her.“ 158 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee El. 1175: kratei'n ga; r oujkevti glwvssh" sqevnw ), was zur Wiedererkennung führt (1171-1231); in einer Stichomythie bedauert Orest Elektras körperliche Entstellung (1181: w\ sw'm j ajtivmw" kajqevw" ejfqarmevnon ), ihre Ehelosigkeit (1183: feu' th'" ajnuvmfou ), ihren Kummer (1187: polloi'" ejmprevpousan a[lgesin ); Elektra schildert ihm die Mißhandlung, der sie ausgesetzt ist (1196: kai; cersi; kai; luvmasi kai; pa'sin kakoi'" ), und ihre Hilflosigkeit. Daraufhin bekennt Orest seine Anteilnahme an ihrem Leid, eröffnet ihr, daß Orest lebt (1219: tou' ga; r zw'nto" oujk e[stin tavfo" ). Die Stichomythie wechselt in Analabai, er gibt sich zu erkennen, indem er ihr einen Siegelring Agamemnons (1223: sfragi'da ) zeigt; Elektras tiefe Trauer schlägt abrupt in Freude um. 543 Während in den Choephoren Elektras Trauer, die zur Wiedererkennung führt, durch den Fund der gnwrivsmata , Locke und Fußspur, ausgelöst wird (Aesch. Cho. 183-211), ist sie in der Elektra des Sophokles durch die Trugrede Orests und die Urne 544 provoziert, was situativ an das Weinen Penelopes auf die Trugreden des Odysseus hin erinnert (Od. t 204-209; 213; 249-251). Anders als Orest kennt Odysseus von Anfang an sein Gegenüber und ist dennoch in der Lage, sein Mitgefühl zu verbergen ( t 209-212: aujta; r Odusseu; " / qumw'/ me; n goovwsan eJh; n ejlevaire gunai'ka, / ojfqalmoi; d j wJ" eij kevra e{stasan hje; sivdhro" / ajtrevma" ejn blefavroisi: dovlw/ d j o{ ge davkrua keu'qen ). Das Elend Elektras, das Orest in der Stichomythie beobachtet, und das sie ihm schildert, 545 erinnert, wie die Exposition ihrer unglücklichen Lage (vgl. Soph. El. 86-323), an die Situation Penelopes: Penelope fühlt sich körperlich entstellt (Od. t 124 f.: xei'n j, h\ toi me; n ejmh; n ajreth; n ei\dov" te devma" te / w[lesan ajqavnatoi ), worauf auch Odysseus eingeht ( t 263 f.: mhkevti nu'n crova kalo; n ejnaivreo mhdev ti qumo; n / th'ke povsin goovwsa ), sie sieht ihr Leben eingeschränkt durch die Abwesenheit ihres Mannes ( t 127 f.: eij kei'nov" g j ejlqw; n to; n ejmo; n bivon ajmfipoleuvoi, / mei'zovn ke klevo" ei[h ejmo; n kai; kavllion ou{tw ), und fühlt sich niedergedrückt von zahlreichen Übeln ( t 129: nu'n d j a[comai: tovsa gavr moi ejpevsseuen kaka; daivmwn ). Penelope ist dem Treiben der Freier und der Dienerinnen hilflos ausgesetzt ( t 130- 161). Der vermeintliche Fremde versucht, Penelope zu beschwichtigen, wie Orest Elektra, und teilt ihr entsprechend mit, daß Odys- 543 Sheppard 1927, 8 sieht in Elektras Freude tragische Ironie; vgl. auch Wright 2005, 188. 544 Zu der Wirkung des falschen tekmhvrion auf Elektra vgl. Solmsen 1974, 300 ff. 545 Bowra 1944, 251 sieht in Elektras Elend den entscheidenden Impuls für Orest zum Handeln. Die Verstellung und die Wiedererkennung Orests 159 seus lebt ( t 270-272: wJ" h[dh Odush'o" ejgw; peri; novstou a[kousa / ajgcou', Qesprwtw'n ajndrw'n ejn pivoni dhvmw/ , / zwou' ). 546 Die Begrüßung der Geschwister ist in Form eines Liedes zwischen zwei Schauspielern, einem mevlo" ajpo; skhnh'" , dargestellt (1232-1287). Sie verläuft jedoch nicht reziprok: Elektra ist erfüllt von Wiedersehensfreude und neuer Hoffnung, Orest dagegen rät ihr zu schweigen, um ihre Freude zu mäßigen und aus Angst, daß ihr Jubel im Haus gehört werden könnte (1236: ajlla; si'g j e[cousa provsmene , 1238: siga'n a[meinon, mhv ti" e[ndoqen kluvh/ , 1271 f.: ta; mevn s j ojknw' caivrousan eijrgaqei'n, ta; de; / devdoika livan hJdonh'/ nikwmevnhn, vgl. 1251 f.; 1257; 1259; 1288; 1322). 547 Auch in den Choephoren des Aischylos versucht Orest, Elektras Freude nach der Wiedererkennungsszene zu bremsen (Aesch. Cho. 233 f.: e[ndon genou', cara'i de; mh; kplagh'i" frevna", / tou; " filtavtou" ga; r oi\da nw'in o[nta" pikrouv" ); auch den Chor fordert er auf zu schweigen (Cho. 581 f.; 582: siga'n q j o{pou dei' , vgl. 555). Das Motiv ist jedoch nicht wie bei Sophokles zu einer lyrischen Passage ausgeführt. 548 In der Odyssee befiehlt Odysseus Eurykleia in auffallend heftiger Weise zu schweigen, nachdem diese ihn erkannt hat (Od. t 485 f.: ajll j ejpei; ejfravsqh" kaiv toi qeo; " e[mbale qumw'/ / sivga, mhv tiv" t j a[llo" ejni; megavroisi puvqhtai , vgl. 502); entsprechend hemmt er ihren Jubel nach der Ermordung der Freier ( c 411: ejn qumw'/ , grhu', cai're kai; i[sceo mhd j ojlovluze ). In der Begrüßungsszene setzt sich also der Bezug zwischen Elektra und Eurykleia fort. 549 Indem Sophokles in der Elektra die Wiedererkennung der Geschwister gegenüber den Choephoren um das Element der Verstellung erweitert, verstärkt sich die Assoziation an die Trugreden des Odysseus gegenüber Penelope im 19. Buch der Odyssee und die dortigen Wiedererkennungen. Die Erwähnung der Urne mit Orests Asche aus den Choephoren ist hier zu einem greifbaren Requisit innerhalb der Verstellung, einem Requisit zweiten Grades, trans- 546 Die situative Parallele zwischen Orests Verstellung und der Verstellung des Odysseus ist zusätzlich betont durch Elektras Anrede „Fremder“; Soph. El. 1180; 1184: w\ xevn j, zu der ionischen Form s. Soph. El. 1119: w\ xei'ne , vgl. 675. S. hierzu Lechner 1859, 17. Vgl. Hom. Od. t 104; 124; 215; 253; 309; 350; 509; 560; 589. 547 Vgl. Jebb 1894 zu Soph. El. 1283 f. Lefèvre 2001 weist auf das gefährdende Unmaß von Elektras Gefühlen, die hier ins Positive umschlagen: „Daß ihre Gefühle überborden, ist verständlich und menschlich. Aber Orestes muß die Schwester unablässig zur Beherrschung auffordern, damit sie nicht den kairov" verstreichen lassen oder sich gar verraten“ (166). 548 Kirkwood 1958, 142 nennt Orest „businesslike“. 549 Davidson 2000, 21 ff. sieht einen Bezug zwischen den Warnungen Orests an Elektra zu der Warnung des Odysseus an die Hirten Od. f 226 ff. 160 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee formiert. Elektras Klage über die falsche Todesnachricht schließt sich eng an die Klage der Kilissa in den Choephoren und der Eurykleia in der Odyssee an; die schon angedeutete Verbindung zwischen Elektra und den Ammenfiguren wird deutlicher. Die Stichomythie zwischen Orest und Elektra erinnert an das Gespräch zwischen Odysseus und Penelope im 19. Buch der Odyssee, sie wirkt wie eine dramatische Engführung der längeren Wechselreden im Epos. Die Parallelen zwischen Elektras und Penelopes Situation verfestigen sich. Dagegen hält Orest dem Vergleich mit Odysseus nicht stand, vor der epischen Folie wirkt er unsicher: er kann sein Mitleid nicht verbergen und gibt sich zu erkennen; zudem hat er selbst vermutlich zum Zeitpunkt seiner Trugbotschaft Elektra noch nicht erkannt. Elektras Wiedersehensfreude und Orests Aufforderungen zu schweigen bilden ein mevlo" ajpo; skhnh'" , in dem die ungewöhnlich heftige Aufforderung des Odysseus gegenüber Eurykleia im 19. Buch musikalisch verarbeitet sein könnte; der Bezug zwischen den Figuren Elektra und Eurykleia setzt sich hier fort. 5.7 Zweite Wiedererkennung und der Plan Orests und des Paidagogos (Soph. El. 1288-1383) Zweite Wiedererkennung Im zweiten Teil des dritten Epeisodion bereiten Orest, Elektra und der Paidagogos die unmittelbare Durchführung der Rachetat vor (Soph. El. 1288-1383). Nach Orests anfänglichem Plan (23-76) und Elektras gescheitertem Planungsversuch (947-989) sind hier beide Geschwister beteiligt, die eigentliche Initiative übernimmt aber der Paidagogos, der von Elektra wiedererkannt wird. Auch in der Odyssee wiederholt sich die Erzählstruktur der Racheplanung, die von der Wiedererkennung zur Intrige überleitet; Wiedererkennung und Planung sind jedoch auf einen einzigen Helden zentriert. Nach dem mevlo" ajpo; skhnh'" beginnt Orest zu planen (1288-1325). Er fordert erneut Elektra auf, sich kurz zu fassen, nicht länger ihre elende Lage zu schildern, sondern zu erklären, was im jetzigen Augenblick nützt (1293 f.: a} d j aJrmovsei moi tw'/ parovnti nu'n crovnw/ / shvmain j ). Er trägt ihr auf, sich zu verstellen; damit Klytaimestra nicht ihr heiteres Gesicht bemerkt, soll Elektra über den vorgetäuschten Unglücksfall jammern (1296-1299: ou{tw" d j o{pw" mhvthr se mh; pignwvsetai / faidrw'/ proswvpw/ nw'/ n ejpelqovntoin dovmou": / ajll j Zweite Wiedererkennung 161 wJ" ejp j a[th/ th'/ mavthn lelegmevnh/ / stevnaz j ). Elektra erklärt sich bereit zu der Verstellung, ihre Freudentränen werden ihr dabei helfen (1309-1313; 1309 f.: h}n su; mh; deivsh/ " poq j wJ" / gevlwti toujmo; n faidro; n o[yetai kavra ); 550 sie ordnet sich bei der Planung Orest unter (1307: ajll j oi\sqa me; n tajnqevnde , 1319: a[rc j aujto; " w{" soi qumov" ). Orest bittet sie nochmals zu schweigen (1322: siga'n ejphv/ nes j ), da er jemand aus dem Haus kommen hört, woraufhin Elektra bereits ihre Rolle spielt: sie spricht Orest und Pylades als Fremde an, die sie gerade empfängt (1323: ei[sit j, w\ xevnoi ). Anders als in den Choephoren des Aischylos wird Orest nicht nach seinem Plan gefragt, er fragt vielmehr Elektra; sie ordnet sich freiwillig unter. In den Choephoren plant Orest seine eigene Verstellung und die des Pylades (Aesch. Cho. 560-576); wie Orest in der Elektra des Sophokles in seinem ersten Racheplan den Paidagogos mit der Trugbotschaft von seinem Tod beauftragt (Soph. El. 39-50), beteiligt er auch Elektra an der Verstellung, die diese sofort ausführt. 551 Der Racheplan des Orest in den Choephoren folgt, wie gezeigt, dem epischen Muster des Racheplans, besonders dem Plan zwischen Odysseus und Telemachos (Od. p 233-320, vgl. auch f 228-241). Odysseus leitet in Athenes Auftrag die Planung ( p 234: bouleuvswmen ) und will sich als alter Bettler ausgeben ( p 273: ptwcw'/ leugalevw/ ejnalivgkion hjde; gevronti ). Telemachos soll sich vor den Freiern verstellen ( p 274-279), Odysseus bittet ihn um Verschwiegenheit ( p 299-303). In der Elektra sind Elemente der Planung und der Verstellung auf Orest und Elektra verteilt, was die Protagonistin aktiver wirken läßt. Elektras Rolle hat allerdings eine gewisse Ähnlichkeit mit Klytaimestras Verhalten in den Choephoren (Aesch. Cho. 737-739: pro; " me; n oijkevta" / qevto skuqrwpw'n pevnqo" ojmmavtwn, gevlwn / keuvqous j , vgl. Soph. El. 790; 804-807). Der Paidagogos tritt auf und beschleunigt die Planung (Soph. El. 1326-1375). Er wirft den Geschwistern ihre Unvorsichtigkeit vor. Wenn er nicht die Pforte bewacht hätte (1331: staqmoi'si toi'sde ) bewacht hätte, wären ihre Pläne im Haus schon bekannt geworden. Er bekräftigt Orests Aufforderung zu schweigen (1335 f.: kai; nu'n ajpallacqevnte tw'n makrw'n lovgwn / kai; th'" ajplhvstou th'sde su; n cara'/ boh'" ). 552 Auf Orests Frage hin berichtet er kurz von der Lage im 550 Vgl. Jebb 1874 zu Soph. El. 1312 f. 551 Kamerbeek 1974 zu Soph. El. 1323-1325: „the divided line ist suggestive of Electra’s immediately playing the game of deceit. She does not keep silence, she does better“. Vgl. auch Kells 1973 zu Soph. El. 1322-1338. 552 Vgl. Lefèvre 2001, 168. 162 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee Haus, schneidet aber ein weiteres Gespräch ab (1344: teloumevnwn ei[poim j a[n ). Elektra erkennt nach langem Zögern und Prüfen (1347; 1349; 1351 f.) auf Orests ausdrückliche Versicherung hin (1353: o{d j ejstiv. mhv m j e[legce pleivosin lovgoi" ) in dem Paidagogos den treuen Diener wieder, der ihr früher bei der Rettung Orests half, indem er diesen nach Phokien trug. Sie begrüßt überschwänglich Hände und Füße des alten Dieners (1357 f.: w\ fivltatai me; n cei're", h{diston d j e[cwn / podw'n uJphrevthma ) und wirft ihm seine lange Verstellung und die Trugbotschaft vor (1358-1360: pw'" ou{tw pavlai / xunwvn m j e[lhqe" oujd j e[faine", ajllav me / lovgoi" ajpwvllu", e[rg j e[cwn h{dist j ejmoiv ; ); sie bezeichnet ihn als Vater (1361: cai'r j, w\ pavter: patevra ga; r eijsora'n dokw' , vgl. 1315-1317). Wiederum hemmt der Paidagogos Elektras Überschwang: um das, was inzwischen geschah, 553 ihr genau zu berichten, „kreisen“ viele Tage und Nächte (1364-1366: ajrkei'n dokei' moi: tou; " ga; r ejn mevsw/ lovgou" / pollai; kuklou'ntai nuvkte" hJmevrai t j i[sai, / ai} tau'tav soi deivxousin, Hlevktra, safhv ). Dann rät er Orest und Pylades, unverzüglich zu handeln (1367-1369: sfw'/ n d j ejnnevpw ge toi'n parestwvtoin, o{ti / nu'n kairo; " e[rdein: nu'n Klutaimnhvstra movnh: / nu'n ou[ti" ajndrw'n e[ndon ). Mit dem Paidagogos ist eine weitere Figur an dem Racheplan beteiligt, die schließlich die Initiative ergreift. Der treue Diener, der die Pforte bewacht, erinnert wie im Prolog (Soph. El. 1-28) nochmals an Eumaios, den Schweinehirten des Odysseus, der bei der Intrige ähnlich eingesetzt wird (Od. c 181: tw; d j e[stan eJkavterqe para; staqmoi'si mevnonte ). 554 Gleichzeitig sind parallele Handlungsmuster zu Odysseus selbst festzustellen, die er teilweise mit Orest gemeinsam hat. Er verschärft Orests Forderung zu schweigen (vgl. Aesch. Cho. 264-267) und wird von Elektra wiedererkannt. 555 Odysseus bittet Telemachos (Od. p 299-303), Eurykleia ( t 485 f.) und die Hirten, darunter Eumaios, ( f 226-229) 556 um Verschwiegenheit. Penelope zögert lange, bevor sie ihren Mann nach einer Prüfung wiedererkennt ( y 10-204; 114: peiravzein ; 181: peirwmevnh ). In Penelopes Auftrag an Eurykleia, Odysseus die Füße zu waschen, was zur Wiedererkennung durch die Amme führt, sind Hände und Füße des 553 Kamerbeek 1974 zu Soph. El. 1364 ff.; dag. übersetzt Kells 1973 ad loc. tou; " ga; r ejn mevsw/ lovgou" mit „words that stand in between us (sc. and our goal)“. Kamerbeek 1974 zu Soph. El. 1364-1366 übersetzt mit „what happened between now and then“, was heißen kann „as for the story of the past“ oder „the intervening words“. 554 Vgl. Jebb 1894 ad loc. 555 Vgl. Solmsen 1974, 318. 556 S. Davidson 2000, 23; ders. 1999/ 2000, 120. Zweite Wiedererkennung 163 Fremden erwähnt ( t 358 f.: kaiv pou Odusseu; " / h[dh toiovsd j ejsti; povda" toiovsde te cei'ra" , vgl. t 381), die auch Elektra nennt. 557 Die Bemerkung des Paidagogos zu Elektra über die Nächte und Tage, die zum Erzählen bleiben, könnte an die nächtlichen Erzählungen des Odysseus anklingen ( y 300-309; l 373-376; o 392-400). 558 Bereits durch das Äußere des Paidagogos (Soph. El. 42 f.; vgl. Od. n 396; 399) und seine umfangreiche Trugrede (680-763) ist der Bezug zu Odysseus in der Gestalt des alten Bettlers angelegt. Die Anweisung des Paidagogos an Orest und Pylades, unverzüglich zu handeln, scheint catchwords zu enthalten, die die Assoziation an das Heimkehrerepos stützen (1367: ejnnevpw , 1369: ou[ti" ajndrw'n , vgl. 1328; Od. a 1: #Andra moi e[nnepe , i 366: Ou\ti" ejmoiv g j o[noma ). 559 Soph. El. 1369: nu'n ou[ti" ajndrw'n e[ndon, würde also die unmittelbare Gegenwart der Rächer im Haus umschreiben, wobei der Bezug zwischen den Taten des Ou\ti" in der Polyphemepisode ( i ) und bei der Ermordung der Freier im eigenen Haus ( c ) changiert. Nachdem Orest und Pylades die Hausgötter begrüßt haben, richtet Elektra ein Gebet an Apoll (1376-1383). 560 Sie erinnert an die Opfergaben, die sie oft dargebracht hat, und fleht ihn an, bereitwilliger Helfer des Racheplanes zu werden (1380 f.: genou' provfrwn / hJmi'n ajrwgo; " tw'nde tw'n bouleumavtwn ). 557 Elektras Begrüßung des Paidagogos, vor allem der Vergleich mit ihrem Vater Agamemnon, wurde bereits als übertrieben empfunden, vgl. Kells 1973 zu Soph. El. 1357 f.: „The picture is grotesque, were it not for the sinister delusion that it embodies“; dag. Stevens 1978, 116. 558 Nach den Erzählungen des Odysseus vor Penelope greift Athene sogar in den Ablauf der Tageszeiten ein, s. Od. y 347 f. 559 Auch e[rdein Soph. El. 1368 ist ein Epizismus. Zu ou[ti" vgl. Soph. El. 188; 948 f.; (1328); Soph. O. T. 1329-1332 verwendet Ödipus ou[ti" zur Beschreibung seiner Selbstblendung: e[paise d j aujtovceir nin ou[ - / ti" ajll j ejgw; tlavmwn (1331 f.); Tarkow 1982, 21 ff. sieht darin eine Anspielung auf die Blendung Polyphems durch den Ou\ti" Odysseus (Od. i 364 ff.): „But there exists one additional Homeric parallel which, perhaps because of its very obviousness seems to have engaged the critical intention of no commentators. It will serve as a convening starting point, one which will be illustrative of the extraordinary complexity of the Odyssean nature of Oedipus the King. For it is Outis who blinds the Polyphemus during the course of a famous episode on Odysseus’ return from Troy (Od. IX. 364 ff.) - an episode whose successful conclusion demonstrates the cunning shrewdness of Odysseus at its very best.“ Ein etymologisches Interesse am Namen des Odysseus ist Vita Soph. 20=TrGF 4 T 1, 81-84 mit F 965 zu Od. t 406 ff. belegt. Zu Soph. El. 1166: th; n mhde; n ej" to; mhdevn vgl. auch 5.6, S. 157 f. mit Anm. 541. 560 Vgl. Klytaimestras Gebet an Apoll (Soph. El. 637-659) und Elektras vorangehendes Gebet an die Mächte der Unterwelt (Soph. El. 110-120). In der Forschung, die die Elektra des Sophokles ironisch deutet, wurde das Gebet an Apoll als moralischer Tiefpunkt der Protagonistin betrachtet, s. Sheppard 1927, 8; Horsley 1980, 26 f. Dag. Szlezák 1981, 15. S. auch Segal 1966, 525 f. 164 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee In den Choephoren betet Orest nach der Wiedererkennung zu Zeus, wobei er an Agamemnons Opfergaben erinnert (Aesch. Cho. 246-263), sein Racheplan entsteht auf Befehl Apolls (Cho. 558 f.), wie der anfängliche Plan Orests bei Sophokles (El. 32-37); in Elektras eigenem Racheplan fehlt die göttliche Unterstützung (999 f.). Durch das Gebet an Apoll erfüllt Elektra somit ein weiteres Kennzeichen des epischen Rächers. 561 Odysseus bittet Athene bei seiner Ankunft in Ithaka um Hilfe (Od. n : 387-391; 391: o{ te moi prov frass ej parhv goi" ), die Planung mit Telemachos geschieht auf Athenes Weisung ( p 233 f.; vgl. 169-171), Zeus und Athene sind Mitstreiter ( p 260 f.). In der dritten Planungsszene wird Elektra um Rat gefragt, was die Durchführung der Rachetat betrifft, sie wird aufgefordert, sich zu verstellen, was sie sofort ausführt, und sie richtet ein Gebet um Beistand an eine Schutzgottheit. Auf die Protagonistin sind also erneut Handlungselemente übertragen, die in den Choephoren des Aischylos mit Orest, in der Odyssee mit dem epischen Helden verbunden sind. Zusätzlich verliert Orest als Rächer an Profil, neben ihm agiert der Paidagogos mit mehr Initiative; an der Figur des alten Dieners wiederholen sich zu Orest gehörende Handlungsstrukturen, die Aufforderung zu schweigen und die Wiedererkennung durch Elektra. Wie bereits im Prolog erinnert der Paidagogos an Eumaios aus der Odyssee. Über seine Leitung des Racheplanes und die Wiedererkennung bestätigt sich aber auch eine Verbindung zu Odysseus selbst, die durch sein Äußeres und die lange Trugrede bereits vorbereitet ist; einige sprachliche Reminszenzen in der Rede des Paidagogos (El. 1367; 1369) verdichten den Bezug zum Epos. 5.8 Die Verstellung Elektras (Soph. El. 1442-1490) Die Verstellung Elektras Nach der Ermordung Klytaimestras ergreift Elektra in der Exodos die Initiative (Soph. El. 1436: tajnqavd j a]n mevloit j ejmoiv ), sie verstellt sich, gemäß Orests Auftrag für ihr Verhalten gegenüber Klytaimestra (El. 1296-1299), nun gegenüber Aigisth, um ihn in den Hinterhalt zu locken. In den Choephoren verstellt sich Orest gegenüber 561 Vgl. Woodard 1965, 210ff, der die Entwicklung Elektras zu einer aktiven Haltung auch an ihren Gebeten zuerst zu niederen, dann zu höheren Gottheiten abliest. Die Verstellung Elektras 165 Klytaimestra; in der epischen Intrigenhandlung der Odyssee ist die Verstellung des Rächers ein signifikantes Strukturelement. Aigisth kommt an, fragt nach den phokischen Fremden, woraufhin Elektra doppeldeutig antwortet, sie hätten das Haus einer lieben Gastgeberin erreicht, oder: den Mord an einer lieben Gastgeberin vollstreckt (El. 1451: fivlh" ga; r proxevnou kathvnusan ). 562 Sie bestätigt die falsche Nachricht von Orests Tod, indem sie das tekmhvrion der Urne durch den angeblichen Leichnam Orests, tatsächlich denjenigen Klytaimestras, ersetzt (1453: ajlla; kajpevdeixan, ouj lovgw/ movnon ). Aigisth läßt die Palasttore öffnen, wer noch auf Orest gehofft hat, soll sich jetzt seinem Zaum fügen (1461 f.: nu'n oJrw'n nekro; n / stovmia devchtai tajmav ). Elektra antwortet wieder doppeldeutig, daß ihr Teil schon ausgeführt sei; das kann als Gehorsam verstanden werden, aber auch heißen, daß ihr Anteil an dem Racheplan erfüllt ist (1464: kai; dh; telei'tai tajp j ejmou' ). 563 Dann spielt sie die Rolle der Fügsamen, zu der Chrysothemis geraten hatte (1464 f.: tw'/ ga; r crovnw/ / nou'n e[scon, w{ste sumfevrein toi'" kreivssosin , vgl. 340; 396; 1013 f.). 564 In den Choephoren des Aischylos hält Orest gegenüber Klytaimestra eine Trugrede (Aesch. Cho. 674-690), das Handlungselement der Verstellung konzentriert sich auf eine einzelne Rächerfigur, entsprechend den Trugreden und der Verstellung des Helden in der Odyssee; die Verstellung Elektras gegenüber Aigisth unterstreicht ihre aktive Teilnahme an der Intrige, zumal sie sich selbständig dazu entschließt. 565 Die falsche Nachricht von Aigisths Tod wird hier zum dritten Mal verwendet, wobei der Leichnam Klytaimestras, anstelle der von Aischylos angeregten Urne, 566 auf makabere Weise das falsche tekmhvrion bildet. 567 Neben dem Bezug zu den Choephoren besteht eine szenische Anspielung auf den Agamemnon: dort kommt Agamemnon an und wird von Klytaimestra mit einer Trugrede empfangen, die voller Doppeldeutigkeiten ist (Aesch. Ag. 855- 562 S. Jebb 1894 zu Soph. El. 1451. 563 Ders. zu Soph. El. 1464 f. Je nachdem, wie man die Ellipse ausfüllt (mit oi\kon oder mit fovnon ) ergibt sich eine offensichtliche und ein verdeckte Bedeutung. 564 Vgl. Kells 1973 zu Soph. El. 1465. Lefèvre 2001, 176 f., der Chrysothemis die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis zuspricht, untersucht die Bedeutung von eijkaqei'n bei Sophokles; der Terminus bezeichnet nicht etwa Feigheit, sondern Einsicht in die eigenen Grenzen. 565 S. Erbse 1978, 296 ff.; Segal 1966, 532. 566 Vgl. 5.6, S. 155 f. 567 Vgl. Déforge 1997, 228: „La révolution réalisée par Sophocle réside bien dans ce tour de passe-passe consistant à amener sur scène le premier cadavre, en le faisant passer pour celui d’un autre! “ 166 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee 902, bes. 887-894); 568 sie spielt die Rolle einer gunh; pisthv nach dem epischen Vorbild Penelopes, wie Elektra die Rolle der fügsamen Chrysothemis übernimmt. 569 Der Bote, der Agamemnon ankündigt, benützt für dessen Sieg in Troja das Bild der Unterjochung (Ag. 529: toiovnde Troiva/ peribalw; n zeukthvrion , vgl. 237); bei seiner Ankunft bezeichnet Agamemnon, wie besprochen, Odysseus als bereitwilliges Zugpferd, sei dieser erst einmal eingespannt gewesen (Ag. 842: zeucqei; " eJtoi'mo" h\n ejmoi; seirafovro" ). Allerdings verwendet auch Aigisth selbst bei seinem Auftritt in Tyrannenmanier am Schluß des Agamemnon eine ähnliche Argumentation und Metaphorik (Ag. 1623 f.: oujc oJra'i" oJrw'n tavde ; / pro; " kevntra mh; lavktize , vgl. 1640 f.) In Gegenwart von Orest und Pylades, die noch ihre Rolle als Phoker spielen, enthüllt Aigisth Klytaimestras Leiche; er erschrickt und klagt, welchen Männern er ins Netz gegangen sei (Soph. El. 1476 f.: tivnwn pot j ajndrw'n ejn mevsoi" ajrkustavtoi" / pevptwc j oJ tlhvmwn 570 ; ). Orest entgegnet, daß er die Lebenden anspricht, als wären sie tot (1477 f.: ouj ga; r aijsqavnh/ pavlai / zw'nta" qanou'sin ou{nek j ajntauda'/ " i[sa ; ). Daraufhin erkennt Aigisth Orest (1479: ouj ga; r e[sq j o{pw" / o{d j oujk Orevsth" e[sq j oJ prosfwnw'n ejmev ); Orest bezeichnet ihn ironisch als Seher (1481: kai; mavnti" w]n a[risto" ejsfavllou pavlai ; ). Aigisth klagt erneut und bittet um ein Schlußwort (1482 f.: o[lwla dh; deivlaio". ajllav moi pavre" / ka]n smikro; n eijpei'n ). In dem Dialog zwischen Aigisth und Orest setzt der Begriff des Netzes die Assoziation an die verbal und als Requisit verwendeten Stoffe der Orestie des Aischylos, besonders im Agamemnon, fort; Kassandra beschreibt in ihrer Vision von Agamemnons Ermordung im Bad, wie Klytaimestra ihn in ein netzartiges Tuch verwikkelt (Aesch. Ag. 1115 f.: h\ divktuovn tiv g j $Aidou: / ajll j a[rku" , vgl. 1126). Klytaimestra verwendet bei ihrer Rede nach Agamemnons Ermordung verschiedene Begriffe für das Gewebe, das sie zeigt (Ag. 1375; phmonh'" ajrkuvstat j , vgl. 1382 f.); das wird von Orest nach Klytaimestras Ermordung aufgegriffen (Cho. 1000: a[rkun j ). 571 Orests Ausspruch über Aigisths Verwechslung von Lebenden und Toten klingt an das Wort des Dieners in den Choephoren an, der 568 Vgl. 4.1.5. 569 Bereits in den Choephoren parallelisiert Elektra ihren Charakter mit demjenigen Klytaimestras und lehnt ein angepasstes Verhalten ab (Aesch. Cho. 420-422: pavresti saivnein, ta; d j ou[ti qevlgetai: / luvko" ga; r w{st j wjmovfrwn a[santo" ejk / matrov" ejsti qumov" ). 570 Vgl. Soph. El. 602: tlhvmwn jOrevsth" , vielleicht eine Allusion an poluvtla" Odusseuv" . 571 Vgl. 4.2.8, S. 110. Die Verstellung Elektras 167 die Ermordung Aigisths meldet (Cho. 886: to; n zw'nta kaivnein tou; " teqnhkovta" levgw ). 572 Durch die ausgeführte Darstellung der Intrige gegen Aigisth am Schluß des Stückes entsteht zudem eine Situation, die Ähnlichkeiten mit der Ermordung der Freier in der Odyssee hat. Nachdem Antinoos von Odysseus getroffen ist und seine Leiche am Boden liegt, begreifen die Freier zunächst nicht, was geschehen ist; eine hier verwendete metaphorische Formulierung könnte bei der Erwähnung des Netzes von Aigisth mitschwingen (Od. c 32 f.: to; de; nhvpioi oujk ejnovhsan, / wJ" dhv sfin pa'sin ojlevqrou peivrat j ejfh'pto , vgl. 41; 384-386). Odysseus wirft den Freiern vor, daß sie ihn bereits für tot hielten. Die Freier erschrecken und erkennen Odysseus ( c 45 f.: eij me; n dh; Oduseu; " Iqakhvsio" eijlhvlouqa" , / tau'ta me; n ai[sima ei\pa" ). Wie Orest Aigisth einen Seher nennt, spricht Odysseus Leiodes ironisch auf dessen Beruf als Opferbeschauer an, als dieser um Gnade fleht ( c 321: eij me; n dh; meta; toi'si quoskovo" eu[ceai ei\nai ). Elektra schneidet Aigisth die Rede ab (Soph. El. 1483 f.: mh; pevra levgein e[a, / pro; " qew'n, ajdelfev, mhde; mhkuvnein lovgou" ); Orest soll ihn sofort töten und den Totengräbern überlassen, die er verdient, also Vögeln und Hunden 573 (1487-1489: ktanw; n provqe" / tafeu'sin w|n tovnd j eijkov" ejsti tugcavnein, / a[popton hJmw'n ). Diese Behandlung Aigisths sieht Elektra als einzige Vergeltung für die Übel, die sie lange ertrug (1489 f.: wJ" ejmoi; tovd j a]n kakw'n / movnon gevnoito tw'n pavlai luthvrion ). Indem Elektra Aigisth das Wort entzieht, übernimmt sie ein ähnliches Verhalten, wie es vorher Orest und der Paidagogos ihr gegenüber gezeigt haben (vgl. Soph. El. 1232-1287; 1288-1291; 1326- 1338); 574 in der Odyssee kennzeichnet es Odysseus. Allerdings wendet sich Elektra nicht an Verbündete, sondern an ihren Feind, was einen Vergleich mit der unerbittlichen Haltung des Odysseus gegenüber den Freiern naheliegender erscheinen läßt, besonders gegenüber Leiodes; er tötet ihn, während er noch ruft (Od. c 329: fqeggomevnou d j a[ra tou' ge kavrh konivh/ sin ejmivcqh ). Elektras Aufforderung, den Leichnam des Aigisth Vögeln und Hunden zu überlassen, hat eine direkte stoffliche Entsprechung in der Odyssee, innerhalb des „Atriden-Paradigmas“. Nestor wünscht in seiner Erzählung vor Telemachos, daß Menelaos Aigisth noch lebend angetroffen hätte; dann hätte man den Toten nicht bestattet, Hunde 572 S. Jebb 1894 zu Soph. El. 1479 f. 573 Ders. zu Soph. El. 1488 f. 574 Vgl. Kells 1973 zu Soph. El. 1483 f.: „Electra has now become as great a foe of ‚long‘ words as her brother and the Paidagogos“. 168 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee und Vögel hätten ihn aufgefressen, und er wäre fern von der Stadt gelegen ( g 259 f.: ajll j a[ra tovn ge kuvne" te kai; oijwnoi; katevdayan / keivmenon ejn pedivw/ eJka; " a[steo" ). 575 Man könnte auch an die Verstümmelung des Melantheus bei der Ermordung der Freier denken ( c 475 f.). Elektra sieht in der Ermordung Aigisths die einzige Form der Vergeltung für lange ertragene Übel, Odysseus lehnt entsprechend die materielle Wiedergutmachung, die Eurymachos anbietet, ab ( c 63 f.: oujdev ken w}" e[ti cei'ra" ejma; " lhvxaimi fovnoio / pri; n pa'san mnhsth'ra" uJperbasivhn ajpoti'sai ). 576 In der Schlußszene übernimmt Elektra mit ihrer Verstellung gegenüber Aigisth ein Handlungselement, das in den Choephoren Orest und in dem epischen Modell einer Rachehandlung, der Odyssee, den Helden kennzeichnet. Die Situation von Aigisths Ankunft und Elektras Verstellung spielt szenisch auch auf die Ankunft des Protagonisten im Agamemnon des Aischylos an, bei der Klytaimestra sich verstellt. Das hebt einerseits den Stellenwert der Tat als legitime Vergeltung hervor, leuchtet aber auch eine weitere charakterliche Facette Elektras an, die bisher mit Penelope und den Ammenfiguren Eurykleia und Kilissa verbunden wurde. Durch die betonte Abschlußstellung der Ermordung Aigisths klingt der Freiermord der Odyssee ( c ) mit. Die Parallelen zu dem epischen Helden sind auch hier auf beide Geschwister verteilt: Aigisth erkennt in Orest den heimgekehrten Rächer, aber Elektra drängt, unbarmherzig wie Odysseus, zur Vollstreckung der Rache. Mit dem Anhören und Deuten von Klytaimestras Traum, dem eigenen Racheplan, dem Gebet an Apoll und schließlich der Verstellung und dem Vollzug der Rache verwendet Sophokles meist über die Choephoren rezipierte Handlungselemente des epischen Helden für seine Heroine, um sie in den Mittelpunkt des Stückes zu rücken. 575 Vgl. Jebb 1894 zu Soph. El. 1488 f. 576 Die Folie der Rache an den Freiern in der Odyssee könnte die Ermordung Aigisths zusätzlich rechtfertigen. Das würde gegen eine ironische Deutung des Stückes sprechen. Zu der ironischen Interpretation vgl. Wright 2005; Friis Johansen 1964; Sheppard 1927; dag. Szlezák 1981; Alexanderson 1966; De Romilly 1992. Zusammenfassung 169 5.9 Zusammenfassung Zusammenfassung In der Elektra schließt sich Sophokles eng an die Choephoren des Aischylos als wichtigsten Referenztext an; er rezipiert die dortigen Bezüge zur Odyssee, indem er sie verstärkt oder verschiebt, und ergänzt sie um eigene epische Reminiszenzen. Die einprägsame Figur des alten Paidagogos, der in seinem Prolog die Landschaft der Argolis beschreibt, 577 verdeutlicht die Assoziation an den Aufenthalt des Odysseus auf dem Gehöft des Eumaios im ländlichen Ithaka (Od. x r ). In Orests Plan ist das dovlo" -Motiv in Form der Trugrede, ein charakteristisches Element der Erzählstruktur der Odyssee, gegenüber den Choephoren weiter ausgeführt: Orest plant nicht nur, sich selbst zu verstellen, er beauftragt den Paidagogos mit einer Trugbotschaft von seinem Tod. Eine Anspielung auf frühere fälschlich totgesagte Heimkehrer, die im Nachhinein umso mehr Ehre erlangten (Soph. El. 62-64), mit der Orest sein Vorgehen begründet, ist wohl ein direkter Hinweis auf Odysseus. Bei dem Auftritt Elektras und des Chores läßt Sophokles explizit die Lauscherszene der Choephoren aus, die choreographisch an die Begegnung zwischen Odysseus und Nausikaa (Od. z ) erinnert; Sophokles könnte sich mit dieser Stelle des Epos ausführlich in Nausikaa oder Plyntriai beschäftigt haben (TrGF 4 F 439-441). In der Exposition der Protagonistin durch Monodie, Parodos und Rhesis 578 stellt sich Elektra als Frau dar, die auf einen Heimkehrer wartet: der mehrfach wiederholte Nachtigall-Vergleich, im Agamemnon für Kassandra verwendet, und das emotionalisierte Warten auf den heimkehrenden Rächer bewirken eine Parallele zwischen Elektra und Penelope (Od. t ); die entsprechende Passage der Odyssee hat Sophokles vermutlich in den Niptra behandelt (TrGF 4 F 451a). Klytaimestra und Aigisth, die Agamemnons Ermordung während eines Mahls als Fest begehen und Elektra verspotten, lassen an das Verhalten der Freier denken. Anders als Aischylos 577 Diese Passage im Prolog des Paidagogos gehört zu den eindrucksvollen sophokleischen Landschaftsbeschreibungen; vgl. Segal 1995, 4: „These landscapes evoked briefly but unforgettably by such touches of extraordinary poetry, are as much part of the plays’ tragic world as the solid façades and palace fronts before which the actors move and gesticulate“. Levine 2003, 8 ff. sieht die landschaftliche Szenerie des Philoktet unter dem Einfluß des Kyklopenabenteuers der Odyssee ( i ). Vgl. 5.1. 578 Vgl. 5.2. 170 Die Elektra des Sophokles und die Odyssee übernimmt Sophokles die Version von Agamemnons Ermordung bei einem Gastmahl, die im „Atriden-Paradigma“ der Odyssee stofflich vorgegeben ist (Od. d 529-537; l 409-426). Der Inhalt von Klytaimestras Traum 579 orientiert sich, anders als in den Choephoren, nicht an der Oresteia des Stesichoros, sondern ist von zwei herodoteischen Traumbeschreibungen beeinflußt (Hdt. 1, 108; 7, 19); Agamemnons Szepter, das zentrale Bild des Traumes, wird in der Ilias als genealogisches Symbol der Atridenfamilie beschrieben (Il. B 101-108). In den Choephoren wird Orest von Klytaimestras Traum, in der Odyssee Odysseus von einem Traum Penelopes vor der Rache ermutigt und als Rächer bestätigt (Od. t ); bei Sophokles hört und deutet Elektra den Traum, was sie nach dem epischen Handlungsmuster als Rächerfigur kennzeichnet. Die Trugbotschaft des Paidagogos von Orests Tod beim Wagenrennen in Dephi 580 weckt die Assoziation an die Odyssee, nicht nur durch die Technik der verbalen Verstellung, sondern auch formal durch ihren ungewöhnlichen Umfang; die deutliche Bezugnahme auf das Wagenrennen im 23. Buch der Ilias verleiht der Trugbotschaft auch inhaltlich episches Kolorit. Elektras Reaktion auf die falsche Todesnachricht, ihre Klage über das vergebliche Aufziehen Orests, entsprechen derjenigen einer Ammenfigur, Kilissa in den Choephoren und Eurykleia in der Odyssee; schon im Prolog und in Elektras Rhesis ist dieser Charakterzug der Protagonistin angelegt. Mit Elektras Racheplan 581 wird erneut ein Handlungsmuster der Rächerfigur, des Helden der Odyssee oder Orests in den Choephoren, auf die Protagonistin überspielt. Obwohl sich Elektra zwar als Rächer epischen Formats stilisiert, fehlt ihrem Plan im Vergleich eine konkrete Vorstellung vom Ablauf der Tat sowie göttliche und menschliche Unterstützung. In den Choephoren verstellt sich Orest gegenüber Klytaimestra; Orests Verstellung gegenüber Elektra 582 bei Sophokles, erweitert durch das Requisit der Urne, das sich wohl auf eine Erwähnung in den Choephoren bezieht (vgl. Aesch. Cho. 686), führt zu einer Situation, die dem ersten Gespräch zwischen Odysseus und Penelope vergleichbar ist (Od. t ) und den Bezug zu den Wiedererkennungen in diesem Buch der Odyssee herstellt; anders als Odysseus hält 579 Vgl. 5.3. 580 Vgl. 5.4. 581 Vgl. 5.5. 582 Vgl. 5.6. Zusammenfassung 171 Orest seinem Mitleid nicht stand und gibt sich zu erkennen. Orests mehrfache Aufforderung an Elektra, ihre Wiedersehensfreude zu bremsen und zu schweigen, in Form eines mevlo" ajpo; skhnh'" , könnten die heftige Anweisung des Odysseus an Eurykleia, nachdem diese ihn erkannt hat, umsetzen. In der Planungsszene fragt Orest Elektra um Rat und fordert sie zur Verstellung auf; Elektra richtet abschließend ein Gebet an Apoll. 583 Damit sind nochmals Handlungsmuster, die in der Odyssee zu dem epischen Helden, in den Choephoren zu Orest gehören, von Sophokles auf die Protagonistin übertragen. Durch den Auftritt des Paidagogos verblaßt zudem Orest als Rächer: der Paidagogos mahnt wie Orest zum Schweigen und wird von Elektra wiedererkannt, er ergreift die Initiative zur Ausführung der Rache. Das Versprechen des Paidagogos, Elektra später alles zu erzählen (Soph. El. 1364-1366), sowie einzelne catchwords (1367: ejnnevpw , 1369: ou[ti" ajndrw'n ) könnten Hinweise auf die Odyssee sein. Elektras Verstellung gegenüber Aigisth 584 entspricht dem Handlungsmuster des Rächers in der Odyssee und zeigt sie als aktive Teilnehmerin an der Intrige; gleichzeitig entsteht eine situative Assoziation an die Verstellung Klytaimestras gegenüber dem Heimkehrer im Agamemnon des Aischylos, was den Stellenwert der Tat als Vergeltung betont und zudem einen weitern Aspekt von Elektras Charakter andeutet. Sophokles, der Meister der Charakteristik, 585 nützt den Hintergrund der Odyssee, um aus der Randfigur der Choephoren seine Protagonistin zu entwickeln: er überträgt Handlungselemente des epischen Helden, die in den Choephoren Orest übernimmt, auf Elektra und rückt diese damit ins Handlungszentrum; zudem verwendet er Bezüge zu den Frauenfiguren Penelope und Eurykleia, aber auch zu Kilissa der Choephoren, um Elektra psychologisch auszugestalten. 586 583 Vgl. 5.7. 584 Vgl. 5.8. 585 Vgl. Plut. De prof. in virt. 7, 79B=TrGF 4 T 100; hier heißt es, nach eigener Aussage des Sophokles habe sein Stil mehrere Phasen durchlaufen, bis hin zu einer Form, die er als hjqikwtavth bezeichnet. Vgl. Kells 1973, Introd. 17; Kirkwood 1958, 4; Webster 1936, 83-100. 586 Ein vergleichbares Verfahren läßt sich auch in anderen Stücken des Sophokles nachweisen: im Aias steht hinter der Dreierszene zwischen Aias, Tekmessa und seinem Sohn Eurysakes der Abschied Hektors von Andromache und seinem Sohn Astyanax in der Ilias ( Z 369 ff.); vgl. Zimmermann 2002; Easterling 1984; Von Möllendorff 2001 sieht changierende Assoziationen von Aias an Hektor und Dolon, sowie von Odysseus an die entsprechende epische Figur und Achill. 6 Die Elektra des Euripides und die Odyssee Die Elektra des Euripides und die Odyssee 6.1 Der Prolog des Autourgos und der Plan Orests (Eur. El. 1-111) Der Prolog des Autourgos und der Plan Orests Der Handlungsort ist die hügelige Landschaft des argolischen Grenzlandes in der Nähe des Inachos. 587 In den Choephoren fängt die Handlung beim Grab Agamemnons an, in der Elektra des Sophokles vor dem Palast, also auch an abseits gelegenen Orten. Die ländliche Umgebung und die einfache Hütte sind eine noch deutlichere szenische Umsetzung des Gehöfts des Eumaios in der Odyssee, des ersten Zufluchtsortes des Heimkehrers auf Ithaka (Od. x r ); 588 zwischen dem Autourgos und Eumaios, zwischen Elektra und Penelope sind offensichtliche Verweise angelegt. Die Lauscherszene der Choephoren, die in der Elektra des Sophokles entfällt, findet hier statt, wobei der dort angedeutete epische Bezug betont wird. Das ländliche Setting ist mehrfach erwähnt (Eur. El. 79: eij" ajrouvra" , 96: pro; " tevrmona" gh'" th'sd j , 170: ojreibavta" ), die skhnhv stellt eine einfache Hütte dar (168: poti; / sa; n ajgrovteiran aujlavn , 207: ejn cernh'si dovmoi" , 210: oujreiva" ajn j ejrivpna" , 342: ejp j ajgrauvlou" puvla" ). Der Autourgos tritt im Morgengrauen aus der Tür und beginnt den Prolog mit einer Rede (1-53). Er führt in die Vorgeschichte ein, er berichtet von Agamemnons Sieg über Troja, dessen Ermordung bei der Heimkehr durch Klytaimestra und Aigisth sowie von dem Schicksal dessen Kinder: Orest wurde vor Aigisth 587 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 1-212. 588 Lange 2002, 85-90; 89: „Mit der Ausweitung der Szenerie, der Schaffung des ländlichen Rahmens und der Einführung konkreter, ‚biotischer‘ Details hat Euripides gewissermaßen etwas Ähnliches getan wie der Odysseedichter bei der Ausweitung der alten Heimkehrergeschichte in der zweiten Hälfte seines Epos. (…) Beiden Dichtern ist es gelungen, durch die Hereinnahme von Details aus anderen Lebensphären als der alten, heroischen Welt, starke Kontrastierungen zu erzielen.“ Michelini 1987, 185-187; Diller 1971b, 309 f., Anm. 8. Wiles 1997, 170 sieht in der Hütte ein visuelles Zitat des Palastes der Orestie des Aischylos. Said 1989, 107 ff. behandelt Euripides’ Umgang mit dem Raum; vgl. auch Kuntz 1993, 28. Zu den Naturbeschreibungen in der Odyssee und ihrem Einfluß auf das Satyrspiel s. Sutton 1974, 171. 174 Die Elektra des Euripides und die Odyssee gerettet und von Agamemnons altem Erzieher zu Strophios nach Phokien gebracht (16: to; n me; n patro; " geraio; " ejkklevptei trofeuv" ), Elektra blieb im Palast und wurde, sobald sie erwachsen war, von den Vornehmsten Griechenlands als Freiern umworben (19-21: h} d j ejn dovmoi" e[meinen Hlevktra patrov", / tauvthn ejpeidh; qalero; " ei\c h{bh" crovno" , / mnhsth're" h[/ toun @Ellavdo" prw'toi cqonov" ). Aigisth verwehrt ihr eine standesgemäße Ehe aus Angst vor den Nachkommen und hat sie an den Autourgos verheiratet, der zwar von adliger Abkunft, aber verarmt ist (35-38: patevrwn me; n Mukhnaivwn a[po / gegw'sin - ouj dh; tou'tov g j ejxelevgcomai: / lamproi; ga; r ej" gevno" ge, crhmavtwn de; dh; / pevnhte", e[nqen huJgevnei j ajpovllutai -). Der Autourgos ist von edler Gesinnung, aus Rücksicht auf den abwesenden Orest (45 f.: aijscuvnomai ga; r ojlbivwn ajndrw'n tevkna / labw; n uJbrivzein, ouj katavxio" gegwv" , 47 f.: stevnw de; to; n lovgoisi khdeuvont ejmoi; / a[qlion Orevsthn ) hat er die Ehe nicht vollzogen. Es folgt ein kurzer Dialog mit Elektra, die mit einem Krug (55: a[ggo" ) zum Wasserholen geht (54-81). Der Autourgos treibt bei Sonnenaufgang seine Ochsen aufs Feld (78 f.: ejgw; d j a{m j hJmevra/ / bou'" eij" ajrouvra" ejsbalw; n sperw' guva" ). Auch die Landschaft Ithakas ist gebirgig ( x 1 f.: Aujta; r oJ ejk limevno" prosevbh trhcei'an ajtarpo; n / cw'ron ajn j uJlhventa di j a[kria" ), Eumaios hat das Gehöft in Abwesenheit des Odysseus selbst gebaut, es wird plastisch beschrieben ( x 5-7: e[nqa oiJ aujlh; / uJyhlh; devdmhto, periskevptw/ ejni; cwvrw/ , / kalhv te megavlh te, perivdromo": ). Der Autourgos erinnert entsprechend noch stärker an Eumaios als der Paidagogos in der sophokleischen Elektra. 589 Eumaios ist der Sohn eines Königs, der durch Zufall in die Sklaverei geraten ist ( o 389-484; 413 f.: th'/ sin d j ajmfotevrh/ si (scil. duvw povlie" , 412) path; r ejmo; " ejmbasivleue, / Kthvsio" jOrmenivdh", ejpieivkelo" ajqanavtoisin , 483: e[nqa me Laevrth" privato kteavtessin eJoi'sin ). Wie der Autourgos dem Orest, ist Eumaios dem abwesenden Odysseus treu ergeben ( x 144-146: ajlla; m j jOdussh'o" povqo" ai[nutai oijcomevnoio. / to; n me; n ejgwvn, w\ xei'ne, kai; ouj pareovnt j ojnomavzein / aijdevomai: peri; gavr m j ejfivlei kai; khvdeto qumw'/ ). Beide kümmern sich vorbildlich um ihr Vieh ( x 524-526: oujde; subwvth/ / h{ndanen aujtovqi koi'to", uJw'n a[po koimhqh'nai, / ajll j o{ g j a[r j e[xw ijw; n oJplivzeto ). Eine dem Paidagogos der Elektra des Sophokles ähnliche Figur ist bei Euripides mit dem alten Erzieher ( trofeuv" ) Agamemnons, der Orest gerettet hat, 589 Lange 2002, 65; Davidson 1999/ 2000: „If Sophocles slips in the ‚Odyssey‘ subtly, Euripides announces it with a fanfare“. Der Prolog des Autourgos und der Plan Orests 175 genannt; dieser trofeuv" begleitet Orest allerdings nicht nach Phokien, um ihn aufzuziehen. Als Retter Orests übernimmt er die Funktion einer Ammenfigur, 590 wie in den Choephoren Kilissa und in der Elektra des Sophokles die Protagonistin. Elektra wird, wie gezeigt, bei Sophokles deutlicher als bei Aischylos mit der wartenden Penelope der Odyssee verbunden. Die Darstellung Elektras als einer Frau, die von Freiern umlagert wird, scheint diesen Zusammenhang aufzugreifen und ihn durch ein mit Penelope verbundenes Cliché auffälliger zu machen (z. B. Od. t 130-133: o{ssoi ga; r nhvsoisin ejpikratevousin a[ristoi, / Doulicivw/ te Savmh/ te kai; uJlhventi Zakuvnqw/ , / oi{ t j aujth; n Iqavkhn eujdeivelon ajmfinevmontai, / oi{ m j ajekazomevnhn mnw'ntai ). Elektras Wasserkrug ist szenisches Zitat der Spendengefäße in den Choephoren (Aesch. Cho. 15 ff.), 591 möglicherweise auch der Urne in der Elektra des Sophokles (Soph. El. 1113 ff.), allerdings kontrastiert im Vergleich sein prosaischer Verwendungszweck. 592 Dann tritt Orest auf, begleitet von Pylades und Dienern. Er kommt von Apolls Orakel, 593 ohne Mitwisser, um sich an den Mördern des Vaters zu rächen (Eur. El. 87-89: aj fi' gmai d j ej k qeou' musthriv wn /  Argei' on ou\ da" ouj deno; " xuneidov to", / fov non foneu' si patro; " aj llav xwn ej mou' ). Nachdem er eine Locke und Blut eines Schafes am Grab geopfert hat, erklärt er seinen vorläufigen Plan: er meidet die Stadtmauern und ist aus zwei Gründen an die Grenze des Landes gekommen (96: pro; " tev rmona" gh' " th' sd j ): um, wenn ihn jemand sehen und erkennen würde, in ein anderes Land fliehen zu können, und um die Schwester zu suchen; er erhofft sie sich als Mitstreiterin bei der Tat und will von ihr erfahren, was in den Stadtmauern vor sich geht (100 f.: wJ " suggenw' mai kai; fov nou xunergav tin / labw; n tav g j ei[ sw teicev wn safw' " mav qw ). Obwohl er vorhat, jemanden, der ihm begegnet, nach der Behausung Elektras zu befragen, beschließt er beim Anblick der Schwester, die er für eine Sklavin hält, sich niederzukauern und sie zu belauschen, um die Lage im Land zu erkunden (109-111: eJ zwv mesqa kaj kpuqwv meqa / douv lh" gunaikov ", h[ n ti dexwv mesq j e[ po" / ej f j oi| si, Pulav dh, thv nd j aj fiv gmeqa cqov na ). 590 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 16. 591 Vgl. 4.2.1. 592 Vgl. Luschnig 1992, 8 ff.; Hammond 1984, 380 f. sieht in dem umgekehrten Vorgang des Wasserholens in der Elektra des Euripides sogar eine Parodie der Trankspende in den Choephoren des Aischylos. 593 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 87; Denniston 1939 ad loc. 176 Die Elektra des Euripides und die Odyssee Orest kommt an, er war bei dem Delphischen Orakel, handelt also in göttlichem Auftrag (vgl. Eur. El. 971-973); 594 Apolls Name wird jedoch, anders als in den Stücken der beiden anderen Tragiker, nicht genannt (vgl. Aesch. Cho. 269 f.; 558 f.: h|i kai; Lovxia" ejfhvmisen / a[nax Apovllwn , Soph. El. 35: crh'/ moi toiau'q j oJ Foi'bo" ). Orests Plan ist, verglichen mit dem Plan in der Elektra des Sophokles (Soph. El. 29-76), vorläufig, er führt bis zur Wiedererkennung. Euripides folgt dem aischyleischen Schema, 595 nach dem der Racheplan (Aesch. Cho. 554-584) auf die Wiedererkennung (Cho. 164-245) folgt. Das epische Modell für diese Struktur ist, wie gezeigt, die Odyssee. Der vorläufige Plan Orests erinnert vielmehr an den Plan zwischen Athene und Odysseus nach der Ankunft in Ithaka; Athene rät Odysseus, zuerst zu Eumaios zu gehen, ihn nach allem zu befragen; sie selbst will Telemachos als Mitstreiter herbeiholen (Od. n 404: aujto; " de; prwvtista subwvthn eijsafikevsqai, 411-413: e[nqa mevnein kai; pavnta parhvmeno" ejxerevesqai, / o[fr j a]n ejgw; n e[lqw Spavrthn ej" kalliguvnaika / Thlevmacon kalevousa ). 596 Mit der Lauscherszene zitiert Euripides wieder ein szenisches Element von Aischylos, womöglich mit epischem Hintergrund, bis in sprachliche Details (Cho. 20 f.: Pulavdh, staqw'men ejkpodwvn, wJ" a]n safw'" / mavqw gunaikw'n h{ti" h{de prostrophv , vgl. Eur. El. 100 f.: wJ" … / … safw'" mavqw ) und nimmt dafür sogar eine logische Inkonsequenz in Kauf, 597 anders als Sophokles, der die Lauscherszene bewußt ausläßt (Soph. El. 77-85). 598 Die sprachliche Parallele zu der Einleitung der epischen Lauscherszene vor der Begegnung zwischen Odysseus und Nausikaa ist deutlicher als in den Choephoren (Od. z 118 f.: eJzovmeno" d j o{rmaine kata; frevna kai; kata; qumovn: / # W moi ejgwv, tevwn au\te brotw'n ej" gai'an iJkavnw ; ). Der Prolog der Elektra des Euripides weckt gezielt die Assoziation an den Aufenthalt des Odysseus bei Eumaios in der Odyssee, die in den Choephoren in Form von Orests Aufenthalt am Grab Agamemnons nur angedeutet ist und sich in der Elektra des Sophokles 594 Vgl. Vogt 1994, 100. 595 Deforge 1997, 223. 596 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 96. 597 S. Denniston 1939 zu Eur. El. 107-111: „There is a strange lack of dramatic realism in these lines. Here is the oijkevti" gunhv for whom Orestes was looking (104-6). Why, instead of accosting her, does he croach down behind cover ( eJzwvmesqa ) in the hope that he will hear what he wants? “. Denniston nimmt als Erklärung einen Einfluß der Szene der Choephoren an, in der Orest bereits vermutet, daß es sich um seine Schwester handelt, aber erst Sicherheit darüber haben will. 598 Vgl. 5.1, S. 137 f. Die Lage Elektras 177 mit der Figur des Paidagogos verstärkt. Die epische Vorlage wird nicht nur bühnentechnisch umgesetzt durch den Handlungsort auf dem Land und durch die skhnhv als Vergegenständlichung der Hütte des Eumaios, sie führt auch zu einer Gruppe von Dienerfiguren, dem Autourgos, der nach Eumaios gestaltet ist, dem trofeuv" und der als Sklavin gekleideten Elektra. Die Erwähnung von Freiern Elektras (Eur. El. 19-21) setzt eine deutliche Parallele zwischen ihr und Penelope. Orests vorsichtiges, auf die Wiedererkennung ausgerichtetes Konzept bei seiner Ankunft erinnert an die Planung von Athene und Odysseus bei der Ankunft in Ithaka (Od. n ). Das Wasserholen Elektras mit einem Krug und die Lauscherszene bewirken visuelle Reminiszenzen an die Choephoren des Aischylos; bei der Einleitung der Lauscherszene ist der epische Bezug ( z ) im Vergleich zu der aischyleischen Version sprachlich betont. 6.2 Die Lage Elektras (Eur. El. 112-214) Die Lage Elektras Zwei lyrische Partien, eine Monodie Elektras und die Parodos, geben eine Exposition der Lage der Protagonistin. Wie in der Elektra des Sophokles wird die kleinere Rolle der Figur aus den Choephoren psychologisch ausgestaltet, wobei ein eindeutiger Bezug zu Penelope in der Odyssee entsteht; gleichzeitig entwickelt sich eine assoziative Verbindung zwischen Orest und Odysseus. In der Monodie (Eur. El. 112-166) beginnt Elektra bei sich und ihrem Schicksal (120 f.: feu' feu' scetlivwn povnwn / kai; stugera'" zova" ), bevor sie um Agamemnon klagt; sie spricht von dem paradoxen Vergnügen, das von vielen Tränen kommt (126: poluvdakrun aJdonavn ). Sie trauert über die Abwesenheit Orests und fragt, zu welcher Stadt und zu welchem Haus er wohl irrt, nachdem er sie daheim in schmerzhaftem Unglück zurückließ (130-134: tivna povlin, tivna d j oi\kon, w\ / tla'mon suvggon j, ajlateuvei" / oijktra; n ejn qalavmoi" lipw; n / patrwv/ oi" ejpi; sumforai'" ajlgivstaisin ajdelfavn ; ), Formulierungen, die verwundern, da sie weiß, daß er als kleines Kind zu Strophios gebracht wurde. Orest ist der Erlöser von den Übeln, auf den Elektra hofft; sie fleht um seine Rückkehr, daß er den Schritt nach Argos lenken möge (135-139: e[lqoi" tw'nde povnwn ejmoi; / ta'/ meleva/ luthvr, / w\ Zeu' Zeu', patri; q j aiJmavtwn / ejcqivstwn ejpivkouro", #Ar - / gei kevlsa" povd j ajlavtan ). Elektra klagt nachts bis zum Mor- 178 Die Elektra des Euripides und die Odyssee gengrauen und tagsüber um Agamemnon (141 f.: i{na patri; govou" nucivou" / ejporqroboavsw 599 , 144 f.: ejnevpw govou" / oi|" ajei; to; kat j h\mar dievpomai ). Sie verwendet für ihre Klage einen Vogel-Vergleich, das Rufen eines Singschwanes im Fluß, dessen Vater ins Netz gegangen ist (151-156: oi|a dev ti" kuvkno" ajcevta" / potamivoi" para; ceuvmasin / patevra fivltaton kalei', / ojlovmenon dolivoi" brovcwn / e{rkesin, w}" se; to; n a[qlion / pavter j, ejgw; kataklaivomai ), und erinnert an Agamemnons Ermordung im Bad. Auch in den Choephoren des Aischylos schildert Elektra die Situation der Geschwister, ihr eigenes Sklavendasein im Haus und die Verbannung Orests (Aesch. Cho. 132 f.: pepramevnoi ga; r nu'n gev pw" ajlwvmeqa / pro; " th'" tekouvsh" , 135 f.: kajgw; me; n ajntivdoulo", ejk de; crhmavtwn / feuvgwn Orevsth" ejstivn , vgl. Ag. 1282; Cho. 1042: ajlhvth" ); sie wünscht, Orest möge heimkehren (Cho. 138: ejlqei'n d j jOrevsthn deu'ro ); in der Elektra des Euripides wirken die Emotionen der Protagonistin jedoch übersteigert; 600 wie im Stück des Sophokles, in dem Elektra ihre Lage ebenfalls in einer Klagemonodie und der Parodos schildert, 601 entspricht ihr Verhalten demjenigen einer wartenden Frau (vgl. Soph. El. 186: bivoto" ajnevlpisto" 602 ). Auch die Verbannung Orests ist betont und nachdrücklich als Irrfahrt interpretiert. Dadurch entsteht eine eindeutige Assoziation an das Warten der Penelope auf den Heimkehrer in der Odyssee: 603 bei dem Gespräch mit dem vermeintlichen Fremden „erfreut“ sich Penelope an der „tränenreichen Klage“ (Od. t 213: hJ d j ejpei; ou\n tavrfqh poludakruvtoio govoio = t 251= f 57). Tagsüber schwelgt sie bei der Arbeit in Jammer, nachts peinigen sie schwere Sorgen ( t 513-517: h[mata me; n ga; r tevrpom j ojduromevnh, goovwsa , / e[" t j ejma; e[rg j oJrovwsa kai; ajmfipovlwn ejni; oi[kw/ : / aujta; r ejpei; nu; x e[lqh/ , e{lh/ siv te koi'to" a{panta" , / kei'mai ejni; levktrw/ , pukinai; dev moi ajmf j aJdino; n kh'r / ojxei'ai meledw'nai ojduromevnhn ejrevqousin ). Sie hofft auf die Rückkehr des Odysseus, die ein besseres Leben verspricht ( t 127 f.: eij kei'no" g j ejlqw; n to; n ejmo; n bivon ajmfipoleuvoi , / mei'zovn ke klevo" ei[h ejmo; n kai; kavllion ou{tw ). Die Beschreibung Orests als eines Umherirrenden (Eur. El. 139: ajlavta" , vgl. 202; (131)) und das für ihn verwendete Adjektiv tlavmwn (131, vgl. 233; 850) verfestigen den Be- 599 Vgl. Denniston 1939 zu Eur. El. 141-142, Cropp 1988 ad loc. 600 Die Elektra-Figur des Euripides wird oft als verbittert und egozentrisch interpretiert, s. Denniston 1939, Introd. xxviiif., Conacher 1967, 204 f.; Dalfen 1983, 60 f. 601 Vgl. 5.2. 602 Vgl. Lloyd-Jones ajnevlpiston nach Dindorf gegen die codd. 603 Vgl. Lange 2002, 63 f. Die Lage Elektras 179 zug zur Odyssee und ihrem Helden, dem klassischen Irrfahrer poluv tla" j Odusseuv " . 604 Der Vergleich von Elektras Klage mit dem Rufen eines Singschwanes steht im Bezug zu dem Nachtigall- Vergleich in der Elektra des Sophokles (Soph. El. 107-109: mh; ouj teknolev teir j w{ " ti" aj hdw; n / … hj cw; pa' si profwnei' n , vgl. Eur. El. 151: aj cev ta" , vgl. Soph. El. 147-149; 242 f.; 1076 f.). Im Agamemnon des Aischylos vergleicht der Chor Kassandra mit einer Nachtigall (Aesch. Ag. 1140-1145), von Klytaimestra wird sie mit einem Schwan verglichen (Ag. 1444-1446: hJ dev toi kuv knou div khn / to; n u{ staton mev lyasa qanav simon gov on / kei' tai filhv twr tou' d j ). In der Erwähnung des Netzes (Eur. El. 154 f.: doliv oi" brov cwn / e{ rkesin ) könnte das Stoffmotiv der Orestie, besonders des Agamemnon anklingen. 605 Im Hintergrund steht der epische Nachtigall-Vergleich, den Penelope für ihre Sorgen verwendet (Od. t 518: wJ " d j o{ te Pandarev ou kouv rh, clwrhi; > " aj hdwv n , 521 f.: h{ te qama; trwpw' sa cev ei poluhcev a fwnhv n , / pai' d j oj lofuromev nh , vgl. Eur. El. 151 f.: aj cev ta" / potamiv oi" para; ceuv masin ). 606 In der Parodos (167-214) lädt der Chor mykenischer Frauen Elektra zu einem Hera-Fest ein; Elektra lehnt ab, ihr steht der Sinn nicht nach Schmuck, sie will nicht mit den Mädchen zusammen tanzen (178-180: oujd j iJsta'sa corou; " /  Argeivai" a{ma nuvmfai" / eiJlikto; n krouvsw povd j ejmovn ); sie weint nachts und am Tag (181-183: davkrusi nuceuv - / w, dakruvwn dev moi mevlei / deilaiva/ to; kat j h\mar ). Ihr Haar ist staubig, ihre Gewänder sind zerlumpt (184 f.: skevyai moi pinara; n kovman / kai; truvch tavd j ejmw'n pevplwn ). Der Chor bietet an, Elektra Gewänder und Schmuck für das Fest zu leihen, aber sie denkt an den toten Agamemnon und an Orest, den lebenden Umherirrenden, der sich in einem fremden Land aufhält, ein „elender Flüchtling am Herd eines Dieners“ (202-205: tou' te zw'nto" ajlavta, / o{" pou ga'n a[llan katevcei, / mevleo" ajlaiv - / nwn poti; qh'ssan eJstivan , / tou' kleinou' patro; " ejkfuv" ). Sie selbst ist „gramverzehrt“ (208: yuca; n takomevna , vgl. 240) und bewohnt eine armselige Hütte, fern vom Palast, im Gebirge. Die Verbindung zwischen Elektra und Penelope setzt sich in der Parodos fort. Penelope kann dem Lied des Sängers Phemios keine tevryi" abgewinnen und zieht sich vor dem Lärmen der Freier in ihre Gemächer zurück, um dort zu weinen (Od. a 362 f.: ej" d j 604 Vgl. Lange 2002, 61-63. Vgl. Soph. El. 602: tlhvmwn Orevsth" , 742; 1477; Aesch. Cho. 933. 605 Vgl. 4.1.6, bes. S. 76 mit Anm. 263. 606 Einen Nachtigall-Vergleich verwendet Euripides im Phaethon TrGF 5, 2 F 773, 23-26; vgl. Suksi 2001, 650. 180 Die Elektra des Euripides und die Odyssee uJperw'/ j ajnaba'sa su; n ajmfipovloisi gunaixi; / klai'en e[peit j jOdush'a, fivlon povsin , a 365: Mnhsth're" d j oJmavdhsan ajna; mevgara skioventa , vgl. p 449 f.); situativ erinnert die zum Tanz vorbereitete Mädchengruppe, die von Orest und Pylades aus dem Hinterhalt heraus belauscht wird, allerdings an die Phaiakenmädchen, von denen Odysseus in seinem Versteck geweckt wird; anders als Elektra ist Nausikaa die Anführerin des Tanzes ( z 101: th'/ si de; Nausikava leukwvleno" h[rceto molph'" , 105: nuvmfai , 157: toiovnde qavlo" 607 coro; n eijsoicneu'san ). Wie Elektra „verzehrt“ sich Penelope in Sehnsucht nach dem Heimkehrer ( t 136: ajll j jOdush' poqevousa fivlon katathvkomai h\tor , vgl. 204-208; Soph. El. 187: katatavkomai ; vgl. 123; 283). Die schlechte Kleidung Elektras ist in den Choephoren angelegt (Aesch. Cho. 135: ajntivdoulo" , vgl. Soph. El. 191: ajeikei' su; n stola'/ ); 608 sie erinnert nicht an Penelope (vgl. Od. r 48), sondern vielmehr an Odysseus selbst in seiner Rolle als Bettler. Die Darstellung Orests nähert sich durch den Hinweis auf seine Zuflucht am Herd eines Taglöhners weiter der Figur des Odysseus, der Aufnahme im Dienermilieu findet (Od. x r , vgl. auch o 317-324, s 356 ff.; 357: xei'n j, h\ a[r j k j ejqevloi" qhteuevmen 609 ). Das Bild von Elektra, das in Monodie und Parodos entsteht, ist psychologisch ausformulierter als die skizzenhafte Figur in den Choephoren des Aischylos; wie in der Elektra des Sophokles wird der Bezug zur Odyssee bei der Gestaltung der Protagonistin eingesetzt, allerdings ist die literarische Bezugnahme auch Selbstzweck. Während bei Sophokles Elektra auch Züge einer Amme, der Kilissa oder der Eurykleia, trägt, konzentriert sich bei Euripides die Anspielung auf Penelope, die Klage über ihr Schicksal und das Warten auf den Heimkehrer. Die Beschreibung des Orest als ajlavta" und tlavmwn , der bei Dienern Zuflucht findet, erzeugt entsprechend einen Bezug zwischen Orest und Odysseus. Elektras gesamte Situation wird also offensichtlich mit derjenigen Penelopes in der Odyssee hinterlegt. Der Schwanen-Vergleich Elektras, der eine direkte Bezugnahme an den Nachtigall-Vergleich Penelopes aus der Odyssee umgeht und auf den Agamemnon, wo beide Vogel-Vergleiche für Kassandra verwendet sind, zurückgreift, zeigt die spielerische Qualität dieser Bezugstechnik. 607 Vgl. Eur. El. 15: qh'luv t j jHlevktra" qavlo" , Lechner 1864, 19. 608 Zu Elektras Materialismus s. Thury 1985, bes. 8: „For Electra materialistic terms are almost a metaphor for her dishonored and outcast state.“ 609 Vgl. Eur. Alc. 6: qhteuvein , Cycl. 76: qhteuvw . Die Verstellung Orests 181 6.3 Die Verstellung Orests (Eur. El. 215-431) Die Verstellung Orests Die Parodos wird von dem erschreckten Ausruf Elektras beendet, die Orest und seine Begleiter aus dem Versteck nah beim Haus kommen sieht. Die choreographisch ausgearbeitete Auflösung der Lauscherszene spielt deutlich an die Begegnung zwischen Odysseus und Nausikaa in der Odyssee an, die in der kurzen Lauscherszene der Choephoren wohl schon anklingt. Die lange Verstellung Orests gegenüber Elektra läßt eine parallele Situation zu dem ersten Gespräch zwischen Odysseus und Penelope entstehen. Orests Empfang durch den Autourgos setzt die Assoziation an die Aufnahme des Odysseus bei Eumaios fort, die bereits Handlungsort und Szenerie des Stückes bestimmt. Elektra warnt vor den Fremden (Eur. El. 215-217; 216 f.: xevnoi tine; " par j oi\kon oi{d j ejfestivou" / eujna; " e[conte" ejxanivstantai lovcou ); 610 sie rät dem Chor, den Weg hinunter, also entlang einer der Parodoi, 611 zu fliehen, sie selbst will sich ins Haus flüchten (218 f.: fugh'/ su; me; n kat j oi\mon, ej" dovmou" d j ejgw; / fw'ta" kakouvrgou" ejxaluvxwmen podiv ). In der folgenden Stichomythie (220-289) versucht Orest Elektra, die vor Furcht zittert, zu beruhigen (220: mevn j, w\ tavlaina: mh; trevsh/ " ejmh; n cevra ), greift nach ihr, wogegen sie sich wehrt (223: a[pelqe, mh; yau' j w|n se mh; yauvein crewvn ), und schneidet ihr schließlich den Weg ab. Während in den Choephoren des Aischylos Orest mit Pylades sein Versteck verläßt und sich mit wenigen Worten Elektra zu erkennen gibt (Aesch. Cho. 212-219), ist das Ende der Lauscherszene hier choreographisch ausgeführt. 612 Die Reminiszenz an die Begegnung des Odysseus mit Nausikaa nach seiner Ankunft auf Phaia (Od. z 110 ff.), die schon in den Choephoren anklingt, wird dadurch noch augenfälliger. 613 Odysseus, durch das laute Rufen von Nausikaas ball- 610 Der Begriff ejfestivou" , wörtlich „beim Herd“, ist mit „at the altar“ (Keene), also bei Apolls Altar auf der Bühne, oder „close to the house, i. e. with evil intentions against it“ (Payley) übersetzt worden; s. Denniston 1939 zu Eur. El. 216. 611 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 215-227. 612 Vgl. ders. zu Eur. El. 215-227: „All this is in pathetic and humorous contrast with Orest’s simple emergence and declaration in A. Cho. 212 ff.“ Entgegen Elektras Anweisung verläßt der Chor die Orchestra nicht; s. Arnott 1973, 45. 613 Lange 2002, 69-71 sieht hier zudem eine Anspielung auf die Begegnung mit Artakie (Od. k 100-111) und die Wiederbegegnung zwischen Odysseus und Laertes ( w 205 ff.). Zum Einfluß der Nausikaa-Episode auf das Motiv des Wäschewaschens in den Parodoi von Hippolytos und Helena vgl. Nikolsky, B.: „Les femmes au lavoir. Une image homérique dans Hippolyte d’Euripide“. Gaia 2008/ 2009, 12, 105-122. 182 Die Elektra des Euripides und die Odyssee spielenden Gefährtinnen geweckt, erhebt sich aus dem Gebüsch, in dem er sich versteckt hatte ( z 127: w}" eijpw; n qavmnwn uJpeduvseto di'o" Odusseuv" ); er wird mit einem Löwen verglichen, der aus Hunger nah an eine Schafherde und ein festes Gebäude herangeht ( z 133 f.: kevletai dev eJ gasth; r / mhvlwn peirhvsonta kai; ej" pukino; n dovmon ejlqei'n ). Zuvor wird das Versteck des Odysseus als eujnhv bezeichnet, denselben Begriff verwendet Elektra ( e 482 f.: a[far d j eujnh; n ejpamhvsato cersi; fivlh/ sin / eujrei'an , vgl. Eur. El. 217: eujnav" ). Die Mädchen stieben bei seinem Anblick zitternd auseinander ( z 138: trevssan d j a[lludi" a[llh , vgl. Eur. El. 220: trevsh/ " ) und trennen sich so von der Hauptfigur, was die Choreographie des Euripides effektvoll umsetzt. Allerdings bleibt Nausikaa, anders als Elektra, von Athene ermutigt stehen ( z 139: oi[h d j jAlkinovou qugavthr mevne , 141: sth' d j a[nta scomevnh ), Odysseus faßt sie bewußt nicht an ( z 141- 147; 168 f.; 145-147: w}" a[ra oiJ fronevonti doavssato kevrdion ei\nai, / livssesqai ejpevessin ajpostada; meilicivoisi, / mhv oiJ gou'na labovnti colwvsaito frevna kouvrh ). Orests Verhalten wirkt im Vergleich brutal und ungeschickt. Orest behauptet im weiteren Verlauf der Stichomythie, Nachrichten von Elektras Bruder zu haben, und teilt ihr mit, daß dieser lebt (Eur. El. 230: zh'/ ); er irrt angeblich noch immer umher (233 f.: Hl. pou' gh'" oJ tlhvmwn tlhvmona" fuga; " e[cwn ; / Or: oujc e{na nomivzwn fqeivretai povlew" novmon , vgl. 130 f.; 138 f.; 202-205; 236; 850) und fragt nach Elektra. Dadurch setzt sich die in Monodie und Parodos begonnene Schilderung von Elektras Lage fort: Elektra klagt über ihr elendes Aussehen, Orest bezeichnet sie bestätigend als „gramverzehrt“, (239 f.: Hl. oujkou'n oJra'/ " mou prw'ton wJ" xhro; n devma". / Or. luvpai" ge suntethkov", w{ste me stevnein , vgl. 208) und ihre Verheiratung mit dem Autourgos, der trotz seiner Armut von vornehmer Abstammung und Gesinnung ist (252 f.: Or. skafeuv" ti" h] bouforbo; " a[xio" dovmwn. / Hl. pevnh" ajnh; r gennai'o" e[" t j e[m j eujsebhv" ). Orest forscht nach der Zuverlässigkeit des Chores und nach Elektras Bereitschaft, sich an der Rache zu beteiligen (272-283). Elektra gibt zu, daß sie selbst Orest nicht erkennen könnte, würde sie ihn sehen, nur ein einziger wäre dazu in der Lage, nämlich Agamemnons alter Erzieher (287: patrov" ge paidagwgo; " ajrcai'o" gevrwn ). Während der Stichomythie wird immer wieder mit der Verstellung Orests gespielt: 614 oft bricht seine Erschütterung durch (244: feu' feu' , 261/ 262; 281/ 282: feu' ), die er anschließend zu verbergen versucht. 614 Cropp 1988 zu Eur. El. 220-289. Die Verstellung Orests 183 Elektra spricht den Bruder wiederholt mit „Fremder“ an (247: w\ xei'ne , 259: xevne , 265; 283: w\ xevn j ). 615 In den Choephoren gibt sich Orest Elektra sofort zu erkennen, in der Elektra des Sophokles erkennt Orest selbst wohl zunächst seine Schwester nicht und gibt sich, nachdem sie ihre Lage geschildert hat, aus Mitleid zu erkennen. In der Elektra des Euripides dauert die Verstellung Orests gegenüber Elektra am längsten an, was verstärkt an die erste Begegnung zwischen Odysseus und Penelope in der Odyssee erinnert, bei der Odysseus seiner Frau gegnüber sein Inkognito wahrt. 616 Wie Orest Elektra bringt Odysseus Penelope die Nachricht, daß der erwartete Heimkehrer noch lebt (Od. t 272: zwou' ). Das Umherirren Orests wird wiederholt, was den Bezug zu Odysseus unterstützt; gegenüber Penelope erwähnt der angebliche Fremde, daß Odysseus umherzieht, um sein Vermögen zu vergrößern ( t 283 f.: ajll j a[ra oiJ tov ge kevrdion ei[sato qumw'/ , / crhvmat j ajrgurtavzein pollh; n ejpi; gai'an ijovnti ). Penelope klagt wie Elektra über den Verlust ihrer inneren und äußeren Vorzüge ( t 124 f.: xei'n j, h\ toi me; n ejmh; n ajreth; n ei\dov" te devma" te / w[lesan ajqanavtoi ), dabei wird mehrfach eine Form von thvkesqai verwendet (Od. t 136; 204- 208; vgl. Soph. El. 123; 187; 283). Penelope selbst erkennt Odysseus nicht, sondern die alte Amme Eurykleia ( t 353: e[sti dev moi grhu>; " pukina; fresi; mhvde j e[cousa ). Anders als Orest, der Elektra um Rat und Unterstützung fragt, beteiligt Odysseus Penelope nicht an der Rache. Orest erscheint neben Odysseus jung und unentschieden; 617 Odysseus hat allerdings wie Orest Mühe, seine Rührung zu verbergen ( t 209 f.). Mit der Verstellung wird entsprechend gespielt, indem Penelope den Unbekannten als „Fremden“ anspricht ( t 104; 215; 253; 309; 509; 589: xei'ne , vgl. 124; 560: xei'n j , 350: xei'ne fivl j ). Vom Chor und von Orest befragt führt Elektra ihre Situation in einer Rhesis (Eur. El. 300-338) weiter aus; sie beklagt sich erneut über ihre ärmliche Kleidung und Behausung (304-306); sie muß sich 615 In der parallelen Situation der Elektra des Sophokles nennt Elektra Orest nur zweimal „Fremder“ (Soph. El. 1180; 1184: w\ xevn j , vgl. 1119; 675: w\ xei'ne ); vgl. 5.6, S. 159, Anm. 546. Euripides verwendet die ionische Form xei'no" auch Alc. 598; Cycl. 510; Herc. 355; I. A. 606; I. T. 218; 226; vgl. Burkhardt 1906, 25; Lechner 1864, 14. 616 Cropp 1988, Introd. xxxiv vergleicht Orests lange Anonymität mit Odysseus’ Verhalten gegenüber Telemachos. Vgl. Matthiessen 1964, 121: „Sicher haben hier Euripides die peivra -Gespräche der Odyssee als Vorbild vorgeschwebt, wo Odysseus auch jeweils die Erkennung sehr lange herauszögert.“ 617 Zu der Figur Orests als Folie für die dominante Figur Elektras vgl. Cropp 1988, Introd. xxxv-xxxviii; Dalfen 1993, 60 f.; Lloyd 1986, 2 ff.; Conacher 1967, 205 sieht Elektra als „bitter, self-pitying, sharp-tongued virago“. 184 Die Elektra des Euripides und die Odyssee ihre Kleider selbst weben (307 f.: aujth; me; n ejkmocqou'sa kerkivsin pevplou", / h] gumno; n e{xw sw'ma kajsterhvsomai ), 618 selbst Wasser holen und ist von Festen ausgeschlossen (310: ajnevorto" iJerw'n kai; corw'n thtwmevnh , vgl. 178-180). Kastor hat sie umsonst umworben (312 f.: ajnaivnomai de; Kavstor j, w|/ pri; n ej" qeou; " / ejlqei'n ejm j ejmnhvsteuon ). Elektra beschreibt zudem Klytaimestras und vor allem Aigisths u{bri" : Klytaimestra lebt prunkvoll, Aigisth fährt in Agamemnons Gespann und hält dessen Szepter in der Hand. Er springt betrunken auf Agamemnons Grabhügel herum, bewirft das Grabmahl mit Steinen und stößt Spottreden aus, die Elektra wörtlich zitiert (326-331: mevqh/ de; brecqei; " th'" ejmh'" mhtro; " povsi" / oJ kleinov", wJ" levgousi, ejnqrwv/ skei tavfw/ / pevtroi" te leuvei mnh'ma lavinon patrov", / kai; tou'to tolma'/ tou[po" eij" hJma'" levgein: / Pou' pai'" Orevsth" ; a\rav soi tuvmbw/ kalw'" / parw; n ajmuvnei ; - tau't j ajpw; n uJbrivzetai ). Elektras Rhesis, die die Protagonistin noch mehr in den Vordergrund stellt, spielt weiter auf die Situation Penelopes an: Penelope berichtet dem vermeintlichen Fremden von ihrer Weblist (Od. t 137-156; 138-140: fa'ro" mevn moi prw'ton ejnevpneuse fresi; daivmwn / sthsamevnh/ mevgan iJsto; n ejni; megavroisin uJfaivnein, / lepto; n kai; perivmetron , vgl. aber auch Aesch. Cho. 231 f.); dagegen webt Elektra pragmatisch für ihren Eigenbedarf. Das Gefühl der Ausgeschlossenheit von Festen war schon in der Parodos angesprochen 178-180, vgl. Od. a 362 f.; t 589-599). Durch Kastor als Brautwerber taucht nochmals wie im Prolog (vgl. 19-21) die Thematik der Freier, die für Penelope spezifisch ist (z. B. Od. t 130-133), in Verbindung mit Elektra auf. Auch in der Elektra des Sophokles beschreibt die Protagonistin in ihrer Rhesis das provokante Verhalten Klytaimestras und Aigisths (vgl. Soph. El. 254-309; 271: u{brin ), zu dem Spottreden Klytaimestras gehören. Bei Euripides sind die Parallelen zwischen Aigisth und den Freiern der Odyssee verdeutlicht (vgl. Od. a 227: uJbrivzonte" ): 619 die Freier trinken unmäßig Wein (z. B. a 106-112; 144-154; c 9 ff.), sie bewerfen den als Bettler verkleideten Odysseus ( r 462 f.; s 394-398; u 299 f.) und verspotten ihn verbal. 618 Gegen eine mögliche Tilgung von Eur. El. 308 argumentiert Kovacs 1985, 306-310, bes. 309; die übertriebene Formulierung scheint ihm aus Elektras Sicht gerechtfertigt und im Kontext schlüssig (vgl. Eur. El. 107; 175-179). 619 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 326: „Aeg. resembles the suitors in the Odyssey in his drunkenness, hybristic behaviour and misplaced sense of impunity (330-1).“; vgl. auch Lange 2002, 66 f., der das Verhalten Aigisths zusätzlich mit Il. D 169-182 vergleicht. Die Verstellung Orests 185 Daraufhin tritt der Autourgos auf. Nach anfänglichem Mißtrauen heißt er die Fremden als Boten Orests gastlich willkommen (Eur. El. 357 f.: oujkou'n pavlai crh'n toi'sd j ajneptuvcqai puvla" ; / cwrei't j ej" oi[kou" ); obwohl er arm ist, weiß er, was sich gehört (362 f.: kai; ga; r eij pevnh" e[fun, / ou[toi tov g j h\qo" dusgene; " parevxomai ). Orest ist über diesen Empfang erstaunt und hält eine Rede (367-400) 620 über die Schwierigkeit, die moralische Qualität eines Menschen zu erkennen: Abkunft und Besitz sind dabei unwesentliche Kriterien (368: e[cousi ga; r taragmo; n aiJ fuvsei" brotw'n , 369-372: h[dh ga; r ei\don a[ndra gennaivou patro; " / to; mhde; n o[nta, crhstav t j ejk kakw'n tevkna , / limovn t j ejn ajndro; " plousivou fronhvmati, / gnwvmhn te megavlhn ejn pevnhti swvmati ). 621 Orest nimmt die Einladung des Autourgos dankbar an und lobt dessen Gastfreundlichkeit (394-396: wJ" ejmoi; pevnh" / ei[h provqumo" plousivou ma'llon xevno" . / aijnw' me; n ou\n tou'd j ajndro; " ejsdoca; " dovmwn ). Elektra tadelt den Autourgos, weil er trotz seiner Armut die vornehmen Gäste eingeladen hat. Sie schickt ihn zu Agamemnons altem Erzieher, der gerade Vieh hütet, dieser soll zusätzliches Essen herbeibringen (409: e[lq j wJ" palaio; n trofo; n ejmou' fivlon patrov" , 413 f.: kevleue d j aujto; n tw'nd j ejmoujsagfigmevnwn / ejlqei'n, xevnwn t j ej" dai'ta porsu'naiv tina ). Der Autourgos reflektiert über den Zusammenhang von Reichtum und Nahrung. Auch der Bezug zwischen dem Autourgos und Eumaios setzt sich fort; Orest nennt ihn während der Stichomythie bouforbov" (Eur. El. 252), was die Bezeichnung di'o" uJforbov" (z. B. Od. x 3) für Eumaios assoziieren läßt. Eumaios nimmt den als Bettler verkleideten Odysseus gastlich auf ( x 45: ajll j e{peo, klisivhnd j i[omen ). Trotz der bescheidenen Verhätnisse ist er gastfreundlich ( x 56-59: xei'n j, ouj moi qevmi" e[st j, oujd j eij kakivwn sevqen e[lqoi / xei'non ajtimh'sai: pro; ; " ga; r Diov" eijsin a{pante" / xei'noiv te ptwcoiv te: dovsi" d j ojlivgh te fivlh te / givgnetai hJmetevrh: ). Odysseus freut sich über das Verhalten des Eumaios und dankt ihm ( x 51-54: cai're d j jOdusseu; " / o{tti min w}" uJpevdekto, e[po" t j e[fat j e[k t j ojnovmaze: / “ Zeuv" toi doivh, xei'ne, kai; ajqavnatoi qeoi; a[lloi / o{tti mavlist j ejqevlei", o{ti me provfrwn uJpevdexo. ”). Die Frage nach dem Zusammenhang von materiellem Besitz, sozialer Herkunft und moralischem Wert, die Orest in seiner Rede stellt, ist ein zentrales Thema der Odyssee. Das zeigt sich bereits in 620 Die Authentizität von Teilen der Rede Orests, bes. Eur. El. 373-379; 386-400, wird in der Forschung angezweifelt; vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 367-400. Goldhill 1986b, 167 betrachtet die Rede Orests als „integral to the drama“. 621 Vgl. Denniston 1939 zu Eur. El. 364; s. a. Cropp 1988 zu Eur. El. 368-372. 186 Die Elektra des Euripides und die Odyssee der Bettlerrolle des Odysseus und den moralisch integren Dienerfiguren wie Eumaios und Philoitios, die mit den begüterten, aber moralisch degenerierten Freiern kontrastieren. Daß eine vornehme Abkunft keinen dauerhaften Wohlstand garantiert, zeigt die Lebensgeschichte des Eumaios ( o 403-484); Odysseus spricht gegenüber Antinoos in einer Trugrede über die Wandelbarkeit des menschlichen Schicksals ( r 415-444); vergleichbar ist auch die Rede des Odysseus gegenüber Amphinomos ( s 125-150; 130 f.: oujde; n ajkidnovteron gai'a trevfei ajnqrwvpoio / pavntwn o{ssa te gai'an e[pi pneivei te kai; e{rpei ). 622 Elektras Auftrag an den Autourgos, den alten Erzieher Agamemnons herbeizuholen, könnte an den Auftrag des Telemachos an Eumaios, zu Penelope zu gehen, erinnern ( p 130- 155). 623 Durch die choerographische Ausformung der schlichten Auflösung der Lauscherszene in den Choephoren des Aischylos verstärkt sich die Assoziation des Zusammentreffens von Orest und Elektra an die Begegnung von Odysseus und Nausikaa im 6. Buch der Odyssee. Die lange Verstellung Orests gegenüber Elektra erinnert situativ an das erste Gespräch zwischen Odysseus und Penelope (Od. t ). Elektras breite Schilderung ihrer Lage, zuerst in der Stichomythie mit Orest, dann in ihrer Rhesis, bestätigt den Bezug zu Penelope, der sich schon in Monodie und Parodos zeigt; auffällig ist besonders das Detail, daß Elektra webt. Die Anspielungen bleiben jedoch punktuell und stehen im Widerspruch zu den banalen Zügen der Figur. In der Rhesis lassen sich Entsprechungen zwischen der u{bri" Aigisths und dem Verhalten der Freier feststellen. Mit der gastlichen Aufnahme Orests und seiner Begleiter durch den Autourgos wird die Reminiszenz an den Aufenthalt des Odysseus bei Eumaios ( x r ), der Szenerie, Figuren und die Arm-Reich-Thematik des Stükkes bestimmt, weitergeführt. 622 Nach Goldhill 1986b, 171 verurteilt sich Orest durch seine Rede selbst, da er seinem moralischen Anspruch nicht standhält; Thury 1985, 13 sieht Orest weniger materialistisch als Elektra; vgl. auch Mulryne 1977, 49, O’Brien 1964, 32 ff. 623 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 404-431: „This step recalls Hom. Od. 16, where Telemachus asks the swineherd Eumaeus to report his save return to Penelope; this leaves father and son alone together so that Odysseus can savely reveal himself.“ Die Wiedererkennung 187 6.4 Die Wiedererkennung (Eur. El. 487-584) Die Wiedererkennung Nach dem ersten Stasimon (Eur. El. 432-486), in dem an die homerische Schildbeschreibung angespielt wird (bes. El. 452-469; vgl. Il. S 483-489), 624 tritt der Presbys, der alte Erzieher Agamemnons, auf (El. 487-507), von dem Elektra zuvor gesagt hatte, er sei der einzige, der Orest erkennen könne (vgl. 16-18; 285-287); die Wiedererkennungsszene wird in der Forschung vor allem wegen der Erkennungsszeichen, die der Alte Mann vorschlägt, Elektra aber ablehnt, diskutiert: sie entsprechen den Erkennungszeichen der Choephoren. Während hier entweder eine gezielte Kritik des Euripides an Aischylos oder aber eine Interpolation vermutet wird, bleibt die eindeutige Anspielung an die Odyssee im unmittelbaren Kontext, die Einführung der Figur des Presbys, der Orest an einer Narbe erkennt, weniger beachtet. Wegen seines Alters hat der trofeuv" Mühe, den steilen Weg zu gehen (Eur. El. 489-492: wJ" provsbasin tw'nd j ojrqivan oi[kwn e[cei / rJusw'/ gevronti tw'/ de prosbh'nai podiv. / o{mw" de; prov" ge tou; " fivlou" ejxelktevon / diplh'n a[kanqan kai; palivrropon govnu ). Entsprechend Elektras Auftrag bringt er zusätzliche Nahrungsmittel (vgl. 409- 416); er wischt sich mit Fetzen seines zerlumpten Gewandes Tränen aus den Augen (501 f.: ejgw; de; truvcei tw'/ d j ejmw'n pevplwn kovra" / dakruvoisi tevgxa" ejxjomovrxasqai qevlw , vgl. 185). 625 Elektra fragt den Alten, warum er weint (503: tiv d j, w\ geraiev, diavbrocon tovd j o[mm j e[cei" ; ), ob wegen ihres Unglücks oder wegen Orests Verbannung und Agamemnon, den er umsonst in seinen Armen aufgezogen hat (504-507: mw'n tajma; dia; crovnou s j ajnevmnhsen kakav ; / h] ta; " Orevstou tlhvmona" fuga; " stevnei" / kai; patevra to; n ejmovn, o{n pot j ejn ceroi'n e[cwn / ajnovnht j e[qreya" soiv te kai; toi'" soi'" fivloi" ; ). In den Choephoren des Aischylos tritt die Amme Orests Kilissa weinend auf und wird, wie der alte Mann von Elektra, von der Chorführerin befragt (Aesch. Cho. 731 f.: trofo; n d j jOrevstou thvnd j oJrw' keklaumevnhn. / poi' dh; patei'", Kivlissa, dwmavtwn puvla" ; ). 626 Sie klagt, daß sie das andere Unglück geduldig ausgehalten habe, nun aber sei Orest tot, sie habe die Mühe des Aufziehens umsonst aufgewandt (748-750: ta; me; n ga; r a[lla tlhmovnw" h[ntloun kakav,: / 624 Vgl. Walsh 1977; Lechner 1864, 10. Die Distanz zu dem homerischen Modell betont Goldhill 1986a, 164 f. 625 S. Cropp 1988 zu Eur. El. 501; Denniston 1939 ad loc.: „Rags again! “. 626 Ders. zu Eur. El. 504-505; Hammond 1984, 382 f.; Ronnet 1970, 320. 188 Die Elektra des Euripides und die Odyssee fivlon d j jOrevsthn, th'" ejmh'" yuch'" tribhvn, / o}n ejxevqreya mhtrovqen dedegmevnh , 752: kai; polla; kai; mocqhvr j ajnwfevlht j ejmoi; / tlavshi: ). Vor der Wiedererkennung zwischen Odysseus und Penelope in der Odyssee steigt die Amme Eurykleia zu den Gemächern ihrer Herrin hinauf, ähnlich mühevoll wie der Presbys, allerdings jubelnd, um ihr die Ankunft des Odysseus zu verkünden (Od. y 1-3: Grhu; " d j eij" uJperw'/ j ajnebhvseto kagcalovwsa, / despoivnh/ ejrevousa fivlon povsin e[ndon ejovnta: / gouvnata d j ejrrwvsanto, povde" d j uJperiktaivnonto ). Der weinende alte Erzieher, der sich die Augen wischt, könnte zudem an das Weinen des Odysseus anklingen ( q 83-89; 86: uJp j ojfruvsi davkrua leivbwn , 88: davkru j ojmorxavmeno" kefalh'" ajpo; fa'ro" e{leske ). Der Presbys antwortet, daß er Agamemnons Grab besucht und dort ein schwarzes geopfertes Schaf (Eur. El. 513: oi\n melavgcimon povkw/ , vgl. 92) und blonde Haarlocken (515: xanqh'" te caivth" bostruvcou" ) vorgefunden habe; er vermutet, Orest könnte heimlich zurückgekommen sein, und fordert Elektra auf, die Locken mit ihrer Haarfarbe zu vergleichen (520: skevyai … prostiqei'sa ). Elektra weist zurück, daß Orest fürchten könnte öffentlich zurückzukehren, und daß ihre Haare sich ähnlich sein müßten; selbst wenn sie ähnlich wären (530: oJmoptevrou" ), würde das noch keine Verwandtschaft beweisen. Daraufhin schlägt der Alte vor, die Größe der Fußspur (532: i[cno" ) mit derjenigen Elektras zu vergleichen (532: eij" i[cno" ba's j … skevyai , 533: suvmmetro" ). Elektra hält dagegen, daß es auf steinigem Boden keine Fußspur gibt; selbst wenn es eine gäbe, wäre sie bei Bruder und Schwester nicht gleich groß. Als drittes mögliches Zeichen nennt der Presbys ein von Elektra gewebtes Gewand (539: kerkivdo" … ejxuvfasma sh'" ), in dem er Orest rettete; wieder reagiert Elektra ablehnend: sie war damals noch zu klein, und selbst wenn sie ein Gewand gewebt hätte, würde es Orest nun nicht mehr passen. Elektra ist überzeugt, daß ein Fremder (545: xevno" ) das Grab besucht hat, 627 der Presbys will dagegen die Gäste nach Orest befragen. Das Erkennungszeichen der Haarlocke ist am festesten im Orestie-Mythos verankert, es kam wohl schon in der Oresteia des Stesichoros vor (Stes. 217, 11 f. PMGF); es ist das einzige der aischyleischen Gnorismata, das Sophokles in seiner Elektra beibehält, dort berichtet Chrysothemis Elektra, daß sie die Haarlocke am Grab gefunden hat (Soph. El. 892-915). 628 Das geopferte schwarze Schaf, 627 Zu der Konstruktion des Satzes s. Denniston 1939 zu Eur. El. 545-546; Cropp 1988 ad loc. 628 Cropp 1988 zu Eur. El. 518-544. Die Wiedererkennung 189 das zu den blonden Locken einen gesuchten farblichen Kontrast bildet, ist möglicherweise ein Hinweis auf die Nekyomanthie der Odyssee, wo Odysseus für Teiresias ein schwarzes Schaf zu opfern verspricht (Od. l 32 f.: Teiresivh/ d j ajpavneuqen o[i>n iJereusevmen oi[w/ / pammevlan j ). Die drei Erkennungszeichen, die der Paidagogos vorschlägt, entsprechen genau den gnwrivsmata der Choephoren des Aischylos: 629 Elektra entdeckt die Locke auf dem Grab (Aesch. Cho. 168: tovnde bovstrucon ); Orest fordert sie später auf, diese Locke mit ihrem eigenen Haar zu vergleichen (Cho. 229: scevyai … prosqei'sa , vgl. auch 174: oJmovptero" ). Weiter findet Elektra Fußabdrücke (Cho. 205: stivboi ), die beim Abmessen (Cho. 209: metrouvmenai ) mit ihren übereinstimmen, und auf die Orest sich beruft (Cho. 227: ijcnoskopou'sa ). 630 Schließlich erkennt Elektra Orest an einem selbstgewebten Gewand mit einem eingewebten Tierbild wieder (Cho. 231 f.: ijdou' d j u{fasma tou'to, sh'" e[rgon cerov", / spavqh" te plhga; " hjde; qhvreion grafhvn ). Aufgrund der sophistischen, spitzfindigen und jeweils doppelten Widerlegungen, die Elektra bei Euripides den aischyleischen Erkennungszeichen entgegenhält, ist die Passage Eur. El. 518-544 als Kritik oder Parodie der Szene der Choephoren interpretiert worden, 631 obwohl Elektra sich ja offensichtlich irrt. 632 Man hat diese Passage aber auch als Interpolation betrachtet. 633 Wäh- 629 S. Deforge 1997, 219; Burian 1997, 195 f.; Brunel 1971, 55-57. 630 Zu dem homerischen Hintergrund des Zeichens der Fußspuren in den Choephoren s. Od. d 149 f.; t 359; 381; 392 f.; vgl. Jouanna 1997, 77-79. 631 Solmsen 1974, 292 nennt die Szene eine „beißende Kritik“ gegen Aischylos; vgl. Von Fritz 1962, 141: „jene seltsame Kritik an Aischylos“; Bond 1974, 7 sieht darin „not a serious criticism of Aeschylos, but a light hearted burlesque“. Zuerst Stanley, T.: Aijscuvlou tragw/ divai eJptav / Aeschyli trgoediae septem cum scholiis Graecis omnibus, deperditorum dramatum fragmentis, versione & commentario. Vol. 3: Choephoroi, Eumenides, Supplices. London 1864, zu Aesch. Cho. 231 (229 Stanley). Den Aspekt der literarischen Allusion betonen Roux 1974, 54: „un jeu typiquement sophistique“; Michelini 1987, 202 ff. 632 S. Arnott 1981, 185 f.; Gellie 1981, 4 sieht die aischyleische Zeichenszene als „backdrop“ für Elektras pedantisches Denken. 633 Mau 1877, 298 kritisiert besonders die räumliche Absurdität von Eur. El. 520 ff. und 532 f., Elektras Abwertung von Orests vorsichtigem Verhalten in 524-526 und den Stil: „Man beachte ferner die trockene und pedantische Art, wie die Sache Punct für Punct abgehandelt wird.“ Vgl. Fraenkel 1974, Appendix D, Vol. 3, 821- 826; Fraenkel meint, daß die Kritik des Euripides an der aischyleischen Wiedererkennungsszene bereits in dem Einsetzten des Presbys, einer Person gegenüber den dinglichen gnwrivsmata der Choephoren (=Locke und Gewand, nach Fraenkel sind Cho. 205-211; 228 f. interpoliert) besteht; er hält Eur. El. 518-544 für nicht genuin (824-826). Der Odyssee-Bezug der Szene spricht gegen Fraenkels These: er beschränkt sich nicht auf die Wiedererkennung durch Eurykleia an der Narbe ( t ), sondern schließt die Wiedererkennung durch Penelope ein ( y ), Elektras übertriebenes Zweifeln gehört zur Anspielung auf die Haltung Penelopes. Euripides 190 Die Elektra des Euripides und die Odyssee rend der ersten Begegnung zwischen Odysseus und Penelope in der Odyssee erkennt Penelope ihren Mann im Rahmen einer der Trugreden des vorgeblichen Fremden an Gewändern (Od. t 218: ei{mata ), einem Mantel ( clai'na ), und einem Leibrock ( citwvn ), sowie an einer Spange mit einem Tierbild ( perovnh ) wieder, die sie für ihn ausgesucht und ihm mitgegeben hatte ( t 255-257); wie schon vermutet, könnte diese Passage die Wiedererkennung durch ein Gewand in den Choephoren beeinflußt haben. In der Elektra setzt sich damit auch das Motiv des Webens fort, das die Protagonistin mit Penelope verbindet (vgl. Eur. El. 307 f.). Orest kommt mit Pylades und den Dienern schnell (Eur. El. 549: laiyhrw'/ podiv ) 634 aus dem Haus und trifft auf den Presbys und Elektra (550-584). Er fragt Elektra, wer der alte Mann sei, wobei er dessen Hinfälligkeit betont (553 f.: tou' pot j, jHlevktra, tovde / palaio; n ajndro; " leivyanon fivlwn kurei' ; ); er wundert sich, daß ihn dieser prüfend anblickt. Elektra meint, er freue sich, einen Altersgenossen Orests zu sehen (560: i[sw" Orevstou s j h{lic j h{detai blevpwn ). Zu Orests Erstaunen läuft der alte Erzieher im Kreis um ihn herum (561: tiv de; kuklei' pevrix povda ; ). 635 Bei dem Versuch, Elektra mitzuteilen, daß der Fremde ihr Bruder ist, stößt der Presbys zunächst auf Ablehnung. Elektra erklärt ihn für nicht mehr zurechnungsfähig (568: pavlai devdorka, mh; suv g j oujkevt j eu\ fronh'/ " ). Er besteht auf seiner Entdeckung (571: oJra'n Orevsthn tovnde to; n Agamevmnono" ) und führt als Zeichen eine Narbe an der Braue an, die sich Orest durch einen Sturz während einer Hirschjagd in Anwesenheit Elektras zugezogen hat (573 f.: oujlh; n par j ojfruvn, h{n pot j ejn patro; " dovmoi" / nebro; n diwvkwn sou' mevq j hJ/ mavcqh peswvn ); er ermuntert Elektra ungeverknüpft gerne Orestie- und Odyssee-Bezüge, z. B. in der zweiteiligen Intrige, der Ermordung Aigisths, die sich an der Odyssee orientiert, und der Ermordung Klytaimestras nach dem Agamemnon. Zu Intertextualität und „anomalies intratextuelles“ s. Riffaterre 1981, 5. Zu Fraenkels These vgl. Bain 1977. Gegen die Annahme einer Interpolation dag. Wilamowitz 1972, 182, Anm. 2; vgl. 170, Anm. 2=Hermes 18, 1883, 236, Anm. 2; vgl. 224, Anm. 2; Lloyd-Jones 1961; Vögler 1967, 107 f.; 168 ff.; Bond 1974; Davies 1998; vgl. Newiger 1961, der aus Ar. Nub. 534-536 auf eine Wiederaufführung der Orestie des Aischylos in den Zwanziger Jahren schließt, auf die sich die Replik des Euripides unmittelbar beziehen würde. S. auch Denniston 1939 zu Eur. El. 520-584. 634 Cropp 1988 zu Eur. El. 549: „‚fleet footed‘: some see a suggestion of athletic demeanor, indicating superficial nobility and provoking the Old Man’s sceptical response (Denniston; Basta Donzelli 240-1). But it needs only mean that they enter hurriedly and alert for danger; they do not know and had just arrived.“ 635 Cropp 1988 zu Eur. El. 561: „ tiv de; kuklei' pevrix povda ; perhaps ‚walk round and round‘ (or ‚up and down‘) ‚in absorbed reflexion‘.“ Die Wiedererkennung 191 duldig, den Bruder zu umarmen (576: e[peita mevllei" prospivtnein toi'" filtavtoi" ; ). Daraufhin begrüßen sich die Geschwister. Die Wiedererkennung Orests durch den alten Erzieher Agamemnons bezieht sich eindeutig auf die Wiedererkennung des Odysseus durch Eurykleia in der Odyssee (Od. t ). 636 Wenn Penelope Eurykleia herbeiruft, um Odysseus die Füße zu waschen, betont sie deren Altersschwäche, wie Orest diejenige des Presbys ( t 356: ojlighpelevousav per e[mph" ); sie befiehlt ihr, einem Altersgenossen ihres Herrn die Füße zu waschen, wie Elektra den Fremden als Altersgenossen Orests bezeichnet ( t 358: nivyon soi'o a[nakto" oJmhvlika ). 637 Eurykleia erkennt Odysseus ( t 474: h\ mavl j jOdusseuv" ejssi, fivlon tevko": ) ebenfalls an einer Narbe ( t 391: oujlhvn ), allerdings befindet sich diese am Fuß; möglicherweise spielen die häufigen und teilweise sprachlich ungewöhnlichen Erwähnungen des Begiffes pou'" darauf an (vgl. Eur. El. 490, 549, 561). Anders als Orest hat sich Odysseus die Narbe ruhmvoll bei einer Eberjagd zugezogen, von der ausführlich berichtet wird ( t 392-466). 638 Als Eurykleia Penelope, nach der Ermordung der Freier, meldet, daß der Fremde Odysseus ist, glaubt diese ihr zunächst nicht und zweifelt am Verstand der Amme, wie Elektra gegenüber dem Presbys, allerdings ohne an Altersschwäche zu denken ( y 11-14: mai'a fivlh, mavrghn se qeoi; qevsan, oi{ te duvnantai / a[frona poih'sai kai; ejpivfronav per mavl j ejovnta, / kaiv te califronevonta saofrosuvnh" ejpevbhsan: / oi{ sev per e[blayan: pri; n de; frevna" aijsivmh h\sqa ). Telemachos rügt das Mißtrauen seiner Mutter gegenüber Odysseus, wie der alte Erzieher Elektras Zurückhaltung gegenüber Orest ( y 97 f.: mh'ter ejmhv, duvsmhter, ajphneva qumo; n e[cousa, / tivfq j ou{tw patro; " nosfivzeai ). 639 Der Auftritt des Presbys löst die im Prolog und der Stichomythie der Geschwister vorbereiteten Züge einer Ammenfigur ein, er erinnert sowohl an Kilissa in den Choephoren des Aischylos, als auch an Eurykleia in der Odyssee ( y ). Sein Besuch bei Agamemnons 636 Vgl. Lange 2002, 72 ff.; Halporn 1983, 107 f., Diller 1971b, 310; Matthiessen 1964, 123 f.; auch die Wiedererkennung zwischen Odysseus und Laertes klingt an (Od. w 203 ff.); das betont vor allem, bis hin zur Annahme einer Entsprechung von Elektra und Laertes, Dingel 1969, bes. 104 f. 637 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 560. 638 S. Davidson 1999/ 2000, 120 f.; Goff 1991, 264 und passim; nach Tarkow 1981, 182 f., ist die Narbe „one of several similarities between Odysseus and Orestes - similarities which are not at all substantiated by the actualities of the situation.“ 639 Die Wiedererkennung wird wegen Elektras Zweifel allgemein als wenig emotional empfunden, vgl. Denniston 1939, Introd. xxiii; Conacher 1967, 206 ff. Anders als Aischylos (vgl. TrGF 3 F 187) hat Euripides die Figur der Penelope nicht direkt dramatisch verarbeitet; vgl. Ar. Thesm. 547 f.; Lechner 1864, 3. 192 Die Elektra des Euripides und die Odyssee Grab, wo er Orests Locke findet, steht im Bezug zu dem Lockenfund der Chrysothemis in der Elektra des Sophokles. Die Erkennungszeichen, Haarlocke, Fußspur, Gewand, die der Alte Mann nennt, und die Elektra für nicht existent, bzw. nicht aussagekräftig erklärt, sind eine klare Reminiszenz an die Choephoren des Aischylos. Die Wiedererkennung Orests durch den Alten Mann an einer Narbe ist ein überdeutlicher Hinweis auf die Wiedererkennung des Odysseus durch Eurykleia ( t ). Die Zurückweisung der aischyleischen gnwrivsmata , die einen zu eindeutigen Odyssee-Bezug vermeiden, durch Elektra, zugunsten des homerischen Zeichens, erscheint somit als geradezu hellenistisches Spiel mit literarischen Bezugsebenen, mit dem Aischylos-Bezug, dem Homer-Bezug und dem Homer-Bezug bei Aischylos; unmittelbar neben der Allusion steht kontrastierend der unheroische Hintergrund der Narbe. Der Presbys erinnert durch die Mühe, Elektra seine Entdeckung mitzuteilen, erneut an Eurykleia, die Penelope von der Heimkehr des Odysseus zu benachrichtigen versucht ( y ), wobei auch die Verbindung zwischen den Figuren Elektra und Penelope weiterentwickelt wird. 6.5 Der Racheplan Orests, des Presbys und Elektras (Eur. El. 596-698) Der Racheplan Orests, des Presbys und Elektras Nach einem kurzen Lied des Chores (Eur. El. 585-595) folgt auf die Wiedererkennung die Planung der Rache (596-698). Nach dem Handlungsschema, das in den Choephoren und in der Odyssee vorliegt, leitet die Planungsszene zur Intrige ( mhcavnhma ) über. 640 Wie in der Elektra des Sophokles mit dem Paidagogos ist mit dem Presbys eine dritte Person beteiligt, die sogar die Ermordung Aigisths in die Wege leitet (619-639), während Elektra bei der Planung des Muttermordes Regie führt (647-670). Orest unterbricht mit wenigen Worten die Begrüßungsfreude (596 f.: ei\eJn: fivla" me; n hJdona; " ajspasmavtwn / e[cw, crovnw/ de; kau\qi" aujta; dwvsomen ), er beginnt, mit dem Presbys zu planen (596-646), indem er ihn fragt, was er tun soll (559: levxon, tiv drw'n a]n foneva 640 Vgl. Matthiessen 1964, 93. Zum Einfluß der Handlungsschemata von Agamemnon und Choephoren auf Euripides vgl. auch Aélion, R.: Euripide, héritier d’Éschyle. Bd. 2. Diss. Paris 1983, 65-86. Der Racheplan Orests, des Presbys und Elektras 193 teisaivmhn patrov" ; ) und mit wem er sich verbünden kann (601: e[stin tiv moi kat j #Argo" eujmene; " fivlwn ; , 603: tw'/ xuggevnwmai ). Der alte Mann antwortet, daß man im Unglück keine Mitstreiter zu erwarten hat (605: w\ tevknon, oujdei; " dustucou'ntiv soi fivlo" ), daß alles in Orests Hand liegt (610: ejn ceiri; th'/ sh'/ pavnt j e[cei" ). Trotzdem behält Orest in der anschließenden Stichomythie seine ratlose Haltung des Fragens bei. Die Stadt ist als Ort der Rache ungeeignet, weil sie von Aigisths Leibgarde kontrolliert wird (616: dorufovrwn ); also entwirft der Presbys auf Orests Aufforderung hin (618: su; dh; toujnqevnde bouvleuson, gevron ), einen Plan. Die Abfolge von Wiedererkennung und Intrige ist ein spezifisches Handlungsschema mehrerer Stücke des Euripides, die das Thema der Heimkehr miteinander verbindet, Elektra, Iphigenie auf Tauris, Helena und Ion. 641 Bereits in den Choephoren des Aischylos erkennen sich zunächst Orest und Elektra wieder (Aesch. Cho. 164-245), bevor Orest den Racheplan entwirft (Cho. 554-584). 642 Wie gezeigt, findet sich in der bekanntesten epischen Heimkehrerzählung, der Odyssee, hierfür ein Modell: nach der Wiedererkennung zwischen Odysseus und Telemachos (Od. p 166-219) planen sie gemeinsam die Rache ( p 233-320); auch an die Wiedererkennung zwischen Odysseus und den Dienern ( f 188-225) schließt sich eine Planung des weiteren Vorgehens gegen die Freier an ( f 226-241). Das Einschränken der ohnehin kurzen 643 Wiedersehensfreude durch den Heimkehrer, das sowohl in den Choephoren (Aesch. Cho. 233 f.; vgl. 264-267) als auch in der Odyssee (t 485 f.; 502; f 226-229) Entsprechungen hat, fällt situationsbedingt knapp aus: durch die Entfernung des Handlungsortes vom Palast ist die Angst gehört zu werden geringer; 644 in der Elektra des Sophokles dagegen sind die Aufforderungen Orests und des Paidagogos an Elektra zu schweigen besonders ausgearbeitet (Soph. El. 1232-1287, 1326 ff.). 645 Wie in der Elektra des Sophokles mit dem Paidagogos ist bei Euripides mit dem Presbys eine dritte Person in die Planung einbezogen. Während in den Choephoren nach dem Vorbild der Odyssee der heimkehrende Rächer in göttlichem Auftrag einen Plan entwirft (Aesch. Cho. 555: tav sde sunqhv ka" ej mav " , 558 f.: h| i kai; Loxiv a" ej fhv misen / a[ nax Apov llwn , Od. p 233 f.: nu' n au\ 641 Vgl. Lange 2002, 24 ff.; 61; Matthiessen 1964, 11; 93-125; Strohm 1957, 80-84; vgl. Cropp 1986, 190 f. zu Elektra und Herakles. 642 Michelini 1987, 206. Vgl. 4.2.5. 643 Vgl. Conacher 1967, 206; Denniston 1939, Introd. xxviii. 644 S. Davidson 2000, 23 f. 645 Vgl. 5.6, S. 159; 5.7, S. 161 f. 194 Die Elektra des Euripides und die Odyssee deu' r j iJ kov mhn uJ poqhmosuv nh/ sin Aqhv nh", / o[ fra ke dusmenev essi fov nou pev ri bouleuv swmen ), beschränkt sich Orest bei Euripides darauf, Fragen an den Presbys zu stellen. Ähnlich ratsuchend wendet sich Odysseus nur an Athene (Od. n 386: aj ll j a[ ge mh' tin u{ fhnon, o{ pw" aj potiv somai auj touv ": ). In der Odyssee antwortet Odysseus Telemachos auf dessen Frage nach Mitstreitern, die bei Euripides Orest an den Presbys richtet, indem er Athene und Zeus nennt ( p 259-261: toiga; r ej gw; n ej rev w, su; de; suv nqeo kaiv meu a[ kouson: / kai; frav sai h[ ken nw' i> n Aqhv nh su; n Dii; patri; / aj rkev sei, h\ ev tin j a[ llon aj muv ntora mermhriv xw ); die Antwort des Presbys wirkt im Vergleich desillusionierend. Aigisths Leibgarde spielt bereits bei der bewaffneten Konfrontation am Schluß des Agamemnon eine Rolle (Ag. 1650-1653), sie wird in den Choephoren durch eine Intervention des Chores ausgeschaltet (Cho. 766-733; 769: dorufov rou" oj pav ona" ); 646 auch innerhalb des „Atriden-Paradigmas“ der Odyssee kommt eine Spezialtruppe Aigisths vor, die dieser auswählt, um Agamemnon zu ermorden (Od. d 530 f.). In seinem Plan wählt der Presbys zunächst den Handlungsort: Aigisth befindet sich gerade in der Nähe, bei einer Pferdeweide (Eur. El. 623: ajgrw'n pevla" tw'nd j iJppoforbivwn e[pi ), wo er ein Opfer für die Nymphen vorbereitet (625: Nuvmfai" ejpovrsun j e[rotin ); er ist nur von Haussklaven, die Orest noch nie gesehen haben und folglich nicht erkennen werden, begleitet (631: dmw'e" mevn eijsin, oi} sev g j oujk ei\dovn pote ). 647 Orest fragt nach der Gesinnung der Diener, ob sie ihm im Falle eines Sieges wohlgesonnen seien (632: hJmi'n a]n ei\en, eij kratoi'men, eujmenei'" ; ), worauf der alte Mann entgegnet, das sei so die Art von Sklaven (633: douvlwn ga; r i[dion tou'to, soi; de; suvmforon ). 648 Orest soll also auf einem Weg an dem Fest vorübergehen, Aigisth wird ihn dann zum Mahl einladen, was Gelegenheit zur Tat bietet (637: o{qen g j ijdwvn se daiti; koinwno; n kalei' , 638: pikrovn ge sunqoinavtor j, h]n qeo; " qevlh/ ). Klytaimestra kommt zu dem Fest erst nach, sie scheut das öffentliche Gerede (643: yovgon trevmousa dhmotw'n ). Das Opfer für die Nymphen auf dem Land, das, nach dem Plan des Presbys Gelegenheit zur Tat bietet, könnte an die Ankunft des Odysseus auf Ithaka bei einer Nymphengrotte, in der er oft geopfert hat, anklingen (Od. n 347-350: ajgcovqi d j aujth'" a[ntron ejphvraton hjeroeidev", / iJro; n numfavwn, aiJ nhi>avde" kalevontai: / tou'to 646 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 616. 647 S. ders. zu Eur. El. 631; vgl. dag. Denniston 1939 ad loc. 648 Cropp 1988 zu Eur. El. 633. Der Racheplan Orests, des Presbys und Elektras 195 dev toi spevo" eujru; kathrefev", e[nqa su; polla; " / e[rdeske" nuvmfhsi telhevssa" eJkatovmba": ). Wie Orest thematisiert Odysseus bei der Planung der Rache gegenüber Telemachos die Frage nach der Loyalität der weiblichen und männlichen Diener, was bis zum Ende des Epos ein zentrales Thema bleibt ( p 304 f.: ajll j oi\oi suv t j ejgwv te gunaikw'n gnwvomen ijquvn / kai; kev teo dmwvwn ajndrw'n e[ti peirhqei'men ), auch hierzu ist die Auffassung des Alten Mannes, ein Allgemeinplatz über das Verhalten von Sklaven, nihilistisch. In den Choephoren stellt sich Orest in seinem Plan, wie der Presbys, die Begegnung mit Aigisth vor (Aesch. Cho. 573 f.: h\ kai; molw; n e[peitav moi kata; stovma / ejrei': ); Klytaimestras Furcht vor dem öffentlichen Gerede könnte auf den Schluß des Agamemnon anspielen (Aesch. Ag.: 1401-1576; 1403 f.: su; d j aijnei'n ei[te yevgein qevlei", / oJmoi'on , 1409~1413: dhmoqrovou" a[ra" , vgl. 611; 833; 937 f.); in diesem Kontext spricht Klytaimestra in Bezug auf die cena Thyestea von Atreus als „furchtbarem Gastgeber“ (Ag. 1502: calepou' qoinath'ro" , vgl. Eur. El. 638: pikrovn ge sunqoinavtor j ). 649 Unaufgefordert ergreift Elektra die Initiative und übernimmt die Planung des Muttermordes (Eur. El. 647-670; 647: ejgw; fovnon ge mhtro; " ejxartuvsomai ); sie schickt den alten Mann zu Klytaimestra mit der Trugbotschaft, sie habe ein Kind bekommen (651 f.: levg j, w\ geraiev, tavde Klutaimhvstra/ molwvn: / lecwv m j ajpavggell j ou\san a[rseno" tovkw/ ). Auf die Frage des Presbys nach dem Fortgang des Planes (659: pavlin toi mu'qon ej" kamph; n a[ge ), erklärt Elektra, daß sie Klytaimestra auf diese Weise herbeizulocken und zu töten hoffe. Sie verteilt die Aufgaben an die Teilnehmer der Intrige (664- 670): der alte Mann soll zuerst Orest zu Aigisth geleiten, dann die Trugbotschaft an Klytaimestra überbringen. Orest soll mit seiner Tat den Anfang machen. Anschließend beten Orest, Elektra und der alte Mann 650 um Erfolg bei der Rache mit Anrufungen an Zeus, Hera, Agamemnon und Gaia (671-683). Zuletzt ermutigt Elektra Orest nochmals. Sie selbst will sich im Falle einer Niederlage das Leben nehmen; sie wartet auf ein „Feuerzeichen“ des Chores, das ihr den Kampflärm meldet (694 f.: eu\ purseuvete / kraugh; n ajgw'no" tou'de ), während sie mit dem Schwert in der Hand Wache hält (695 f.: frourhvsw d j ejgw; / provceiron e[gco" ceiri; bastavzous j ejmh/ ' ). Elektras Plan zur Ermordung Klytaimestras entspricht eher als Orests unentschlossenes Fragen dem Plan des Rächers in den Choe- 649 Vgl. Burkhardt 1906, 46. 650 Zu der Sprecherverteilung von Murray vgl. Denniston 1939 zu Eur. El. 671-683; Cropp 1988 ad loc. folgt dagegen der weniger plausiblen Verteilung von Diggle. 196 Die Elektra des Euripides und die Odyssee phoren oder in der Odyssee (Aesch. Cho. 554: aJplou'" oJ mu'qo" , vgl. Soph. El. 50: w|d j oJ mu'qo" eJstavtw ); zwar fehlt auch hier die Erwähnung einer göttlichen Autorisierung, aber Elektra macht Gebrauch von dem Element der Trugrede, indem sie eine Trugbotschaft schickt; 651 in der Elektra des Sophokles schickt Orest den Paidagogos mit der Trugbotschaft von seinem Tod zu Klytaimestra (Soph. El. 39-50). In den Choephoren verteilt Orest, in der Odyssee Odysseus die Aufgaben zur Durchführung der Rache an seine Helfer (Aesch. Cho. 554; 579-582; Od. p 270 ff.; f 230-241). Elektras Verteilen der Aufgaben an den Alten Mann und an Orest läßt sie als zentrale Rächerfigur erscheinen. Das abschließende Gebet der drei Verschwörer klingt an den Kommos der Choephoren an (Cho. 306-509). 652 Im Agamemnon des Aischylos hat Klytaimestra eine Fackelkette eingerichtet, die das Ende des Trojanischen Krieges verkündet, ein Wächter hat ein Jahr lang auf das Zeichen gewartet (Ag. 1405 f.: froura'" ejteiva" mh'ko" ). Klytaimestra hält eine Feuerzeichen-Rede (Ag. 281-316), die den Weg des Fackelsignals von Troja nach Argos beschreibt; unmittelbar danach imaginiert sie den Kampflärm in Troja (Ag. 321: oi\mai boh; n a[meikton ejn povlei prevpein ). Klytaimestra tötet Agamemnon mit einer Waffe von eigener Hand (Ag. 1405 f.: th'sde dexia'" cero; " / e[rgon , vgl. 1496=1520: ejk cero; " ajmfitovmwi belevmnwi ). In Elektras Wache spiegeln sich somit Züge der Figur Klytaimestras im Agamemnon. Der Racheplan folgt, wie der Plan Orests in den Choephoren und der Plan des Odysseus und Telemachos in der Odyssee ( p ) auf eine Wiedererkennung. Mit dem alten Mann sind, wie in der Elektra des Sophokles mit dem Paidagogos, drei Figuren an der Racheplanung beteiligt. Orests fragende Haltung, die die eigentliche Planung der Ermordung Aigisths dem Presbys zuspielt, widerspricht dem epischen Modell des Rächers. Vor dem Hintergrund des Epos zeigt sich bei der Suche nach Mitstreitern besonders das Fehlen einer göttlichen Autorisierung; während in der Odyssee die Einstellung der Diener gegenüber dem Heimkehrer durchgehend ein zentrales Thema darstellt, wird sie hier als Opportunismus karikiert. Elektra übernimmt bei der Planung des Muttermordes anders als Orest Handlungselemente der epischen Rächerfigur, indem sie die Trugbotschaft schickt und die Aufgaben zur Durchführung der Rache an Orest und den Presbys verteilt; allerdings fehlt auch ihr ein gött- 651 Vgl. Brunel 1971, 71 f.; De Romilly 1992, 245. 652 Cropp 1988 zu Eur. El. 671-684. Der Botenbericht von der Ermordung Aigisths 197 licher Auftrag. Die Verbindung Elektras mit der Klytaimestra im Agamemnon des Aischylos, die sich bei ihrer Wache andeutet, zeigt eine dunkle Seite der Figur und stellt einen Bezug zum ersten Stück der aischyleischen Trilogie her. 6.6 Der Botenbericht von der Ermordung Aigisths (Eur. El. 747-858) Der Botenbericht von der Ermordung Aigisths Im dritten Epeisodion (Eur. El. 747-858) ist die Ermordung Aigisths durch Orest bei einem Nymphenopfer auf dem Land in Form eines Botenberichts dargestellt (774-858). Von der Ankunft des Odysseus auf Ithaka bei der Nymphengrotte über den Freiermord bis zu der Wiederbegegnung mit Laertes sind hier Allusionen an die zweite Hälfte der Odyssee zu einem drameninternen Epyllion verdichtet. Voran geht ein kurzer Dialog Elektras zuerst mit der Chorführerin, dann mit dem ankommenden Boten (747-773): die Chorführerin und Elektra vernehmen aufgeregt ferne Kampfgeräusche (447 f.: boh'" …, w{ste nertevra bronth; Diov" , 752: fovnion oijmwghvn , 754: gh'ru" , 755: oJ stenagmov" , 756: mevlo" boh'" ) 653 , woraufhin Elektra, in Annahme einer Niederlage Orests, sich umbringen will; sie fragt ungeduldig, wo denn die Boten bleiben (759: pou' ga; r a[ggeloi ), was als Spiel mit der Theaterkonvention des Botenberichts gedeutet wurde. 654 Der Bote kommt an und meldet Orests Sieg. Elektra erkennt ihn zunächst vor Schreck nicht wieder (767 f.: w\ fivltat j, e[k toi deivmato" dusgnwsivan / ei\con proswvpou: nu'n de; gignwvskw se dhv ). Der Kampflärm, den die Frauen erschreckt vernehmen, ist im Verhältnis zu den im Botenbericht beschriebenen Ereignissen gesteigert, der Bote trifft zu rasch danach ein. 655 Neben dem Verweis auf Klytaimestra, die im Agamemnon nach ihrer Fackelzeichenrede Kampflärm aus Troja zu hören glaubt (Aesch. Ag. 321), 656 liegt hier möglicherweise bereits eine Anspielung auf die Odyssee 653 Denniston 1939 zu Eur. El. 747: boh'" hjkouvsate . „In Greek drama a deathcry is often heard close at hand, from within the palace. Here, as in the Septem (78 ff.), the sound comes farther of.“ 654 Vgl. Cropp 1988 ad loc.; Arnott 1973, 50 f. 655 Denniston 1939 zu Eur. El. 760: „The Messenger does, in fact, arrive with remarkable speed, close on the heels of the cries without even an intervening choral ode to gloss over the lack of realism.“ 656 Vgl. 6.5, S. 195 f. 198 Die Elektra des Euripides und die Odyssee vor: Eurykleia berichtet Penelope von der Ermordung der Freier, während der sie nur durch verschlossene Türen den Kampflärm gehört hat, ängstlich mit den anderen Mägden in einem Winkel sitzend (Od. y 40-42: oujk i[don, ouj puqovmhn, ajlla; stovnon oi\on a[kousa / kteinomevnwn: hJmei'" de; mucw'/ qalavmwn eujphvktwn / h{meq j ajtuzovmenai, sanivde" d j e[con eu\ ajrarui'ai , vgl. f 235-239; 381-385). Elektras Frage nach den Boten als Reminiszenz an eine Theaterkonvention würde somit bereits in einem mehrschichtigen, metaliterarischen Kontext stehen. Das erneute, für die Handlung funktionslose Aufgreifen der Thematik der Wiedererkennung ist eine Replik von Elektras langem Zögern bei der Wiedererkennung Orests (vgl. Eur. El. 572 ff.), 657 hinter dem wiederum Penelopes Zögern bei der Wiedererkennung des Odysseus steht (Od. y 85-204). Elektras schreckbedingte Dysgnosie banalisiert dabei Penelopes Schwanken zwischen Erkennen und Nichterkennen ( y 93-95: tavfo" dev oiJ h\tor i{kanen: / o[yei d j a[llote mevn min ejnwpadivw" ejsivdesken, / a[llote d j ajgnwvsaske kaka; croi; > ei{mat j e[conta ). Von Elektra aufgefordert, berichtet der Bote von Aigisths Ermordung (774-858). Kunstvoll ist die idyllische Landschaft, ein bewässerter Garten, beschrieben, in den ein Fahrweg (775: div kroton … aJ maxitov n ) Orest und seine Begleiter, und mit ihnen das innere Auge des Rezipienten, führt. Dort treffen Orest und Pylades Aigisth bei der friedlichen Beschäftigung an, sich Myrtenzweige für einen Kranz zu schneiden (777 f.: kurei' de; khv poi" ej n katarruv toi" bebwv ", / drev pwn tereiv nh" mursiv nh" kav ra/ plov kou": ). Aigisth begrüßt die Fremden höflich mit traditionellen Formeln (779 f.: ij dwv n t j aj utei' : Caiv ret j , w\ xev noi: tiv ne" / pov qen poreuv esq j j ; e[ ste t j ej k poiv a" cqonov " ; ). Orest verstellt sich und gibt sich und Pylades als Thessalier aus, die zu einem Zeusopfer am Fluß Alpheios unterwegs seien (781: oJ d j ei\ p j Orev sth": Qessaloiv : ). Wie von dem Presbys vorausgesehen (vgl. 637), lädt Aigisth die Fremden zum Mahl ein und führt sie gastfreundlich in sein Haus (787-789: aj ll j i[ wmen ej " dov mou" - / kai; tau' q j a{ m j hj gov reue kai; cero; " labw; n / parh' gen hJ ma' " -). Im Haus will er ihnen ein Bad bereiten lassen, um sich vor dem Opfer zu reinigen, was Orest aber ablehnt (791: louv tr j wJ " tav cista toi' " xev noi" ti" aij rev to , 793: aj ll ei\ pOrev sth": ). Die Wächter stellen ihre Lanzen fort, die Diener bereiten das Opfer vor (798 f.: lov gca" de; qev nte" despov tou frourhv mata / dmw' e" pro; " e[ rgon pav nte" i{ esan cev ra" ): sie entfachen Feuer und 657 Cropp 1988 zu Eur. El. 765: „Her slowness to recognize Or. is humorously replayed.“; Gellie 1981, 4. Der Botenbericht von der Ermordung Aigisths 199 stellen um den Herd Kessel auf, das ganze Gebäude erdröhnt (801 f.: a[ lloi de; pu' r aj nh' pton aj mfiv t j ej scav ra" / lev bhta" w[ rqoun: pa' sa d j ej ktuv pei stev gh ). Aigisth vollzieht ein korrektes Opferritual: er streut Gerstenkörner auf die Altäre und richtet ein Gebet an die Nymphen (805: Nuv mfai petrai' ai ) für das Wohlergehen seiner Familie, während Orest heimlich um seinen eigenen Sieg betet. Aigisth schneidet Haare von der Stirn des Opfertieres und tötet es. Auf den Wunsch Aigisths zeigt Orest seine Kunst des Rinderschlachtens, er häutet den Stier schneller ab als „ein Rennpferd die doppelte Laufbahn vollendet“ (824 f.). Die Schau der Eingeweide ergibt ein schlechtes Omen (827-829); kurz darauf tötet Orest Aigisth beim Zerteilen des Fleisches. Es kommt zu einem Kampf zwischen Orest, Pylades und den Dienern, die in der Überzahl sind (844-847: dmw' e" d j ij dov nte" euj qu; " h/ \ xan ej " dov ru, / polloiv macev sqai pro; " duv j : aj ndreiv a" d j u{ po / e[ sthsan aj ntiv prw/ ra seiv onte" bev lh / Pulav dh" Orev sth" t j 658 ). Orest gibt sich als tlhv mwn Orev sth" (850) 659 zu erkennen, ein alter Diener erkennt ihn wieder (852 f.: ej gnwv sqh d j uJ po; / gev ronto" ej n dov moisin aj rcaiv ou tinov " ). 660 Schließlich bekränzen die Diener Orest und jubeln (855: caiv ronte" aj lalav zonte" , vgl. 690 f.). Der Botenbericht öffnet ein Erzählfenster, das eine räumliche Trennung der Ermordung Aigisths von der Ermordung Klytaimestras ermöglicht. 661 Der verbal dargestellte locus amoenus bildet einen Kontrast zu der grausamen Mordhandlung. 662 Die Landschaft läßt an das ländliche Ithaka in der Odyssee (Od. n 242-247) mit der Nymphengrotte bei dem Berg Neriton denken ( n 103 f.=347 f.), aber auch an den Garten des Laertes ( w 205 f.: oiJ d j ej pei; ej k pov lio" katev ban, tav ca d j aj gro; n i{ konto / kalo; n Laev rtao tetugmev non ); die Begegnung von Orest und Aigisth klingt an diejenige von Odysseus und Laertes an, der dort gerade Pflanzen hackt ( w 226: to; n d j oi\ on patev r j eu| ren ej u> ktimev nh ej n aj lwh' / / listreuv onta futov n , vgl. 247: kata; kh' pon ). In den Choephoren des Aischylos stellt sich Orest in seinem Mordplan eine traditionelle Begrüßung durch Aigisth vor, ebenfalls 658 Diese Parataxe ist ein deutlicher Epizismus, s. Burkhardt 1906, 91; vgl. 86. 659 Denniston 1939 zu Eur. El. 850: „ tlhvmwn is almost a fixed epithet of Orestes, at any rate in the play that bears his name: Or. 35, 74, 845, 947, 1334; A. Ch. 933, S. El. 602.“ Vgl. Eur. El. 131; 233; 505; s. 6.2, S. 177-179. 660 Zu dem möglichen Widerspruch zwischen patro; " palaioi; dmw'e" (Eur. El. 851) und den Sklaven Aigisths, oijkeiva ceivr (Eur. El. 629), vgl. Kamerbeek 1987, 278 f. 661 Vgl. Luschnig 1992, 22 f.; Said 1989, 107 ff.; Vögler 1967, 176 f.; zum Botenbericht als erzähltechnischem Darstellungsmittel von Mordszenen vgl. De Jong 1991, 117 ff.; Bremer 1976, 36-42; Issacharoff 1981, 215-220. 662 Vgl. De Jong 1991, 153 f.; Arnott 1981, 187. 200 Die Elektra des Euripides und die Odyssee in wörtlicher Rede (Aesch. Cho. 575: pri; n auj to; n eij pei' n ‘ podapo; " oJ xev no" ; ’); dazu kommt es aber nicht, Orest hält seine Trugrede, in der er sich als Phoker ausgibt, vor Klytaimestra (Cho. 674: xev no" mev n eij mi Daulieu; " ej k Fwkev wn ). In der Odyssee wird Odysseus mehrfach nach seiner Herkunft befragt (z. B. Od. x 187-190; t 104 f.; 162 f.; w 298-301) und hält Trugreden, in denen er sich als Kreter oder Sikanier ausgibt ( x 192-359; t 165-202; w 303-314); der in den Botenbericht eingelegte Dialog 663 entspricht somit, vom Kontext des Dramas umgeben, auch erzähltechnisch dem epischen Vorbild. Die Gastfreundschaft Aigisths erinnert, wie diejenige des Autourgos (vgl. 357 f.), an Eumaios ( x 45: aj ll j e{ peo, klisiv hnd j i[ omen , 48 f.: ^W" eij pw; n klisiv hnd j hJ ghv sato di' o" uJ forbov ", / ei| sen d j eij sagagwv n ). Wie Orest das Bad gegenüber Aigisth ablehnt, lehnt Odysseus das Lager und die Fußwaschung ab, die Penelope ihm anbietet (Od. t 317: aj llav min, aj mfiv poloi, aj poniv yate , 343 f.: ouj dev tiv moi podav niptra podw' n ej pihv rana qumw' / / giv gnetai: ). Vor dem Kampf gegen die Freier legen Odysseus und Telemachos die Waffen im Haus beiseite ( t 4 f.: Thlev mace, crh; teuv ce j aj rhv ia katqev men ei[ sw / pav nta mav l j ); am Folgetag machen die Dienerinnen Feuer ( t 63 f.; u 122 f.: aiJ d j a[ llai dmw/ ai; kata; dwv mata kav l j j Odush' o" / aj grov menai aj nev kaion ej p j ej scav rh/ aj kav maton pu' r , vgl. s 307-311; 343 f.) und bereiten die Ankunft der Freier vor ( u 152 f.: kaqhv rate de; krath' ra" / kai; dev pa aj mfikuv pella tetugmev na , vgl. t 386: lev bhq j , 469: lev bhti ). Die Hirten bringen Vieh, das sie in der „tönenden Halle“ festbinden ( u 176: uJ p j aij qouv sh/ ej ridouv pw/ ). Wie Aigisth spricht Odysseus selbst bei seiner Ankunft in Ithaka ein Gebet an die Nymphen ( n 355-360; 356: nuv mfai nhi> av de" ), eine Entsprechung, die die moralische Einordnung Aigisths, und somit die Beurteilung von Orests Handeln, erschwert. 664 Orests Kunstfertigkeit im Zerlegen des Fleisches, die zu Aigisths Ermordung führt, nimmt die Stelle der Bogenprobe in der Odyssee ein, bei der die Aristie des Rächers in die Ermordung der Freier umschlägt (Od. f , c ). Der Vergleich der Schnelligkeit Orests mit einem Rennpferd als Bild seiner Aristie könnte im Bezug zu der Trugbotschaft von Orests Tod bei einem Wagenrennen in der Elektra des Sophokles stehen (Soph. El. 680-763; 663 Durch die wörtliche Rede entsteht innerhalb des Berichtes eine interne Theaterszene; s. De Jong 1991, 131; 139; Riedinger 1995, 45 f.; Zimmermann 2011, 534. Vgl. auch. Bers, V.: Speech in speech. Studies in incorporated oratio recta in Attic drama and oratory. Lanham 1997; Poe, J. P.: „Description of action in the narratives of Euripidean and Sophoclean tragedy“. Mnemosyne Ser. 4, 62 (3), 2009, 357-377. 664 Vgl. Arnott 1981, 186 ff.; Morwood 1981, 367 f.; Lloyd 1986, 15. Der Botenbericht von der Ermordung Aigisths 201 vgl. auch Eur. El. 659). 665 Auch in der Odyssee geht ein schlechtes Omen der Ermordung der Freier voraus (Od. u 345-357), bei Aischylos und Sophokles erfüllt der Traum Klytaimestras eine vergleichbare Funktion (vgl. Aesch. Cho. 514-550; Soph. El. 405-471). 666 Der beginnende Kampf zwischen Orest und Pylades gegen die Überzahl der Diener ist eindeutig eine Anspielung auf die Mnesterophonie (Od. c 73 f.: ajlla; mnhswvmeqa cavrmh": / favsganav te spavssasqe , 116-118: Aujta; r o{ g j, o[fra me; n aujtw'/ ajmuvnesqai e[san ijoiv, / tovfra mnhsthvrwn e{na g j aijei; w|/ ejni; oi[kw/ / bavlle tituskovmeno" , vgl. p 243 f.: oujdev ken ei[h / a[ndre duvw polloi'si kai; ijfqivmoisi mavcesqai ). Wie Odysseus verwenden Orest und Pylades trotz des Kampfes im Rauminneren eine Distanzwaffe, Pfeil und Bogen; 667 schon in der Kampfszene der Odyssee wurde diese Auffälligkeit bemerkt. 668 Die Bezeichnung Orests als tlhvmwn Orevsth" verstärkt die Assoziation an den poluvtla" Odusseuv" . 669 Die Wiedererkennung durch den alten Diener spiegelt innerhalb des Botenberichts die Wiedererkennung Orests durch den Presbys wieder (Eur. El. 550-584), 670 die sich ihrerseits, wie gezeigt, auf die Erkennung des Odysseus durch Eurykleia bezieht (Od. t ). 671 Auch Odysseus wird von den treuen Dienerinnen, besonders Eurykleia, jubelnd empfangen ( c 495-501; 408: i[qusevn rJ j ojloluvxai ). Der Botenbericht bezieht sich zudem auf die Darstellung von Agamemnons Ermordung bei einem Mahl innerhalb des „Atriden- Paradigmas“ der Odyssee (Od. d 529-537; l 409-426). Aigisth verfügt dort ebenfalls über zahlreiche Diener, er wählt eine Kampftruppe aus und läßt andere Bedienstete das Mahl zubereiten ( d 530 f.: krinav meno" kata; dh' mon ej eiv kosi fw' ta" aj riv stou" / ei| se lov con, eJ tev rwqi d j aj nwv gei dai' ta pev nesqai ); er lädt Agamemnon ein und tötet ihn beim Essen „wie ein Rind an der Krippe“; diese Metapher könnte das Stieropfer als Kontext von Aigisths Ermordung mit angeregt haben ( d 534 f.: katev pefne / deipniv ssa", w{ " tiv " te katev ktane bou' n 665 S. Ribbeck 1885, 382 f. 666 S. Deforge 1997, 216 f. 667 Orest ist schon Stes. 217, 11-13 PMGF mit einem Bogen bewaffnet; vgl. Eur. Or. 268-270; Schol. zu 268. 668 Stanford 1962 zu Hom. Od. c 24 f. 669 Vgl. 6.2. 670 Vgl. Gellie 1981, 4. 671 Vgl. Lange 2002, 82-85, bes. 84: „In gewisser Weise läßt sich die ganze Szene als eine Art ‚Miniaturnostos‘ beschreiben, als stark komprimiertes Resümee der Handlungsstruktur der zweiten Odysseehälfte.“ Vgl. auch die „Odysseae totius summa“ (Lechner 1864, 12) Eur. Troad. 433-444. 202 Die Elektra des Euripides und die Odyssee ej pi; fav tnh/ , 535= l 411; vgl. Eur. El. 805: bouqutei' n , vgl. 785); Agamemnons Schatten schildert den eigenen Tod als besonders jämmerlich ( l 412: w} " qav non oij ktiv stw/ qanav tw/ , vgl. Eur. El. 843: dusqnh/ v skwn fov nw/ ). Es kommt entsprechend zu einem Kampf im Haus, den aber weder Agamemnons noch Aigisths Leute überleben ( d 536 f.; l 388 f.; 412-420; w 21 f.). Die Version von Agamemnons Ermordung in der Odyssee verwendet Euripides also nicht als stoffliche Grundlage (vgl. Eur. El. 157 f.), sondern als weitere Assoziationsfolie in der von dem Epos beeinflußten Schilderung von Aigisths Tod. Elektra und die Chorführerin, die den hinterszenischen Kampflärm hören, könnten eine dramatische Umformung der ängstlich lauschenden Mägde während der Mnesterophonie der Odyssee sein (Od. y ); so ließe sich der mangelnde Realismus der Geräusche sowie der räumlichen und zeitlichen Verhältnisse erklären. Der Botenbericht von der Ermordung Aigisths eröffnet eine neue Erzählebene und einen neuen Handlungsort, die beiden Teile der Intrige sind dadurch räumlich getrennt; die idyllische Landschaft, die mit dem Mordgeschehen scharf kontrastiert, scheint an Landschaftsbeschreibungen der Odyssee, das ländliche Ithaka ( n ) und den Garten des Laertes ( w ), anzuklingen, wie die faktische Szenerie auf der Bühne das Gehöft des Eumaios umsetzt ( x ). Während Aigisths freundlicher Aufnahme der Fremden entstehen punktuelle Verbindungen zu Laertes und Eumaios. Durch das Gebet an die Nymphen liegt sogar eine Parallele zu Odysseus selbst vor ( n ). Die bisher recht übersichtlichen Bezugsmuster zwischen Figuren des Dramas zu Figuren der Odyssee, zwischen Orest und Odysseus, dem Autourgos und Eumaios, Aigisth und den Freiern, verwirren sich; für den Rezipienten entsteht so eine Irritation der moralischen Bewertung des Geschehens. 672 Die Begrüßung Aigisths und Orests Verstellung spielen an die Choephoren des Aischylos an; durch den wörtlichen Dialog innerhalb des Botenberichtes entwickelt sich eine interne dramatische Form. Euripides spielt virtuos mit den dramatischen Elementen des Epos, indem er sie in den episch gefärbten Botenbericht, der seinerseits im Kontext des Dramas steht, einbaut. Die bewaffnete Konfrontation zwischen Orest, Pylades und den Dienern Aigisths erinnert an den Kampf mit den Freiern in der Odyssee ( c ). 672 Zu Figurenvergleichen zwischen Odyssee und Atriden-Mythos s. auch Eur. Or. 588-590 (Klytaimestra-Orest/ Penelope-Telemachos); 1403-1405 (Pylades/ Odysseus); vgl. Lechner 1864, 11; Eisner 1979, 158. Die Verstellung Elektras 203 6.7 Die Verstellung Elektras (Eur. El. 988-1146) Die Verstellung Elektras Im zweiten Teil des vierten Epeisodion führt Elektra ihren selbstgefaßten Plan, Klytaimestra durch die Trugbotschaft von einer Geburt in ihr Haus zu locken (Eur. El. 647-663), zuende (988-1146). Während eine eindeutige Reminiszenz an die Ankunft Agamemnons auf einem Wagen im Agamemnon des Aischylos vorliegt, läßt Elektras lange und provokante Verstellung auch an die Bettlerrolle des Odysseus denken. Klytaimestra kommt, nachdem sie Elektras Trugbotschaft von dem Presbys erhalten hat, prunkvoll gekleidet auf einem Wagen an (966: kai; mh; n o[coi" ge kai; stolh'/ lampruvnetai ) und wird durch ein anapästisches Chorlied (988-997) begrüßt. Elektras List hat also gewirkt (965: kalw'" a[r j a[rkun ej" mevshn poreuvetai , vgl. 647: ejxartuvsomai). In dem eröffnenden Dialog zwischen Elektra und Klytaimestra kommt es zu keiner Begrüßung (998-1110). Klytaimestra fordert die trojanischen Sklavinnen, die sie begleiten, auf, ihr beim Aussteigen zu helfen (998 f.: ceiro; " d j ejmh'" / lavbesq j, i{n j e[xw tou'd j o[cou sthvsw povda ). Elektra verstellt sich, indem sie sich als „verstoßene Sklavin“ deklariert, und bietet unterwürfig ihre Hilfe an (1004 f.: douvlh ga; r ejkbeblhmevnh / dovmwn patrwv/ wn dustucei'" oijkw' dovmou" ). Klytaimestra geht darauf nicht ein, aber Elektra beharrt auf dem Vergleich zwischen sich und einer trojanischen Kriegsgefangenen (1008: aijcmavlwtovn toiv m j ajpwv/ kisa" dovmwn ). 673 Daraufhin hält Klytaimestra eine Verteidigungsrede (1011-1050), in der sie die Opferung Iphigenies und das Verhältnis mit Kassandra als Vorwürfe gegen Agamemnon nennt. Das Handlungselement der Verstellung ist, wie das der Planung der Rache, in den Choephoren des Aischylos Orest vorbehalten (Aesch. Cho. 674-690); in der Odyssee kennzeichnet es den epischen Helden, der den Freiern gegenüber bis zur Ausführung der Rache konsequent seine Rolle als Bettler wahrt (Od. r f ). Elektras Verstellung im Stück des Euripides charakterisiert sie als aktive Rächerfigur. 674 In der Elektra des Sophokles verstellt sich Elektra gegenüber Aigisth auf Orests Aufforderung hin (Soph. El. 1288-1300). Wie Klytaimestra kommt im Agamemnon des Aischylos der Protagonist auf 673 Vgl. Denniston 1939 zu Eur. El. 1007. 674 Conacher 1967, 207: „Electra’s plan and its execution emphasizes the degree of personal loathing our matricidal ‚heroine‘ must have for her mother (…).“; De Romilly 1992, 254; Brunel 1971, 71 f. 204 Die Elektra des Euripides und die Odyssee einem Wagen an und wird vom Chor mit einem anapästischen Lied begrüßt (Aesch. Ag. 783-809); 675 dort ist es Klytaimestra, die sich verstellt; die Netzmetaphorik, die Elektra für ihre List verwendet, nimmt das Motiv des Gewebes auf, das mit Klytaimestras Intrige verbunden ist (vgl. Soph. El. 1476: ejn mevsoi" ajrkustavtoi" ). 676 Agamemnon läßt sich beim Absteigen vom Wagen die Schuhe lösen, die er prägnant als „Sklaven seines Fußes“ bezeichnet, bevor er den Purpurteppich betritt (Ag. 944 f.: uJpaiv ti" ajrbuvla" / luvoi tavco", provdoulon e[mbasin podov" ). 677 Bereits in den Choephoren vergleicht sich Elektra mit einer Sklavin (Cho. 135: kajgw; me; n ajntivdoulo" ) 678 und tritt gemeinsam mit dem Chor der trojanischen Kriegsgefangenen auf. Hier ist der aischyleische Vergleich zu einer Rolle der douvlh weiterentwickelt, vergleichbar der Rolle des Bettlers, die Odysseus gegenüber den Freiern spielt und für die er äußerlich entsprechend verwandelt und verkleidet ist (vgl. Od. r 337 f.: ptwcw'/ leugalevw/ ejnalivgkio" hjde; gevronti, / skhptovmeno": ta; de; lugra; peri; croi; > ei{mata e{sto , vgl. n 429-438). Nach einem kurzen Kommentar des Chores (Eur. El. 1051-1054) läßt sich Elektra von Klytaimestra Redefreiheit zusichern, geradeso, als ob die alten Machtverhältnisse noch bestünden (1055-1059; 1056: didou'sa pro; " sev moi parrhsivan , 1058: † a\ra † kluvousa, mh'ter, ei\t j e[rxei" kakw'" ; ), um dann in einer Rede die Verteidigung der Mutter zurückzuweisen und ihr schlechte Gesinnung vorzuwerfen (1060-1096; 1061: ei[q j ei\ce", w\ tekou'sa, beltivou" frevna" ); 679 Elektra vergleicht Klytaimestra mit Helena und wirft ihr die ungerechte Behandlung ihrer Kinder vor; sie droht mit Rache (1093- 1095: eij d j ajmeivyetai / fovnon dikavzwn fovno", ajpoktenw' s j ejgw; / kai; pai'" Orevsth" patri; timwrouvmenoi ). Der Agon zwischen Klytaimestra und Elektra hat, wie oft festgestellt wurde, große Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Agon in der Elektra des Sophokles (Soph. El. 516 ff.); 680 wie Elektra Kly- 675 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 988-997; vgl. Aesch. Pers. 150-158. 676 Vgl. 4.1.6. Vgl. bes. Aesch. Ag. 116; (1375); Cho. 1000; vgl. auch Eur. El. 154 f. 677 Eur. El. 998: e[kbht j ajphvnh" , vgl. Aesch. Ag. 1039: e[kbain j ajphvnh" th'sde , s. Cropp 1988 zu Eur. El. 998 f. 678 S. Denniston 1939 zu Eur. El. 1004 f. 679 Ders. zu Eur. El. 1055 ff.: „Electra runs a great risk by indulging in the crushing invective which follows. (…) But Electra cannot resist the temptation.“; vgl. Strohm 1957, 82 f. 680 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 1055-1059: „In S. El. 552-7 Cl. gives assurances but then revokes them in her anger at what she hears (626-9). There her power ist still real.“ Die Verstellung Elektras 205 taimestra im Stück des Euripides, bestätigt Odysseus die Freier zwar in ihrer Machtposition, provoziert sie aber gleichzeitig durch Vorwürfe: er vergleicht Antinoos scheinbar bewundernd mit einem König (Od. r 415 f.: ouj mevn moi dokevei" oJ kavkisto" Acaiw'n / e[mmenai, ajll j w[risto", ejpei; basilh'i> e[oika" ) und hält ihm dann, als dieser ihm eine Gabe verweigert, niedrige Gesinnung vor ( r 454: w] povpoi, oujk a[ra soiv g j ejpi; ei[dei> kai; frevne" h\san ), er droht die Rache an ( r 475 f.: ajll j ei[ pou ptwcw'n ge qeoi; kai; ejrinuve" eijsivn, / jAntivnoon pro; gavmoio tevlo" qanavtoio kiceivh , vgl. s 143-150 gegenüber Amphinomos). Im Schlußteil des Agons (Eur. El. 1102-1146) reagiert Klytaimestra auf die Provokation nicht, sie räumt sogar eigene Fehler ein (1105 f.; 1109: oi[moi tavlaina tw'n ejmw'n bouleumavtwn ); sie versucht, das Thema zu wechseln, indem sie den Zustand Elektras anspricht, die ungebadet und schlecht gekleidet ist, und die, wie sie meint, vor kurzem ein Kind geboren hat (1107 f.: su; d j w|d j a[louto" kai; duseivmato" crova / lecw; neognw'n ejk tovkwn pepaumevnh ; 681 ). Elektra spielt mit Klytaimestra, sie tut, als irre Orest noch in der Fremde umher (1112 f.: to; n d j e[xw cqono; " / pw'" ouj komivzh/ pai'd j ajlhteuvonta sovn ; ), und als sei Aigisth noch am Leben (1116-1122); 682 immer wieder gibt sie sich demütig (1118: ajlgw' gavr: ajlla; pauvsomai qumoumevnh , 1122: sigw': devdoika gavr nin wJ" devdoik j ejgwv ). Von Klytaimestra dazu aufgefordert wiederholt sie die Trugbotschaft von ihrer Niederkunft (1124: h[kousa", oi\mai, tw'n ejmw'n loceumavtwn ; ). 683 Auf Klytaimestras Einwand hin, das Geburtsopfer sei Aufgabe der Geburtshelferin, gibt Elektra vor, bei der Geburt aufgrund ihrer Armut allein gewesen zu sein (1131: pevnhta" oujdei; " bouvletai kta'sqai fivlou" ). 684 Endlich ist Klytaimestra bereit, in die Hütte zu 681 Eine Umstellung der Verse Eur. El. 1107 f. vor 1132 nach Weil begründet Denniston ad loc.: Während er die irreguläre Gedankenfolge Klytaimestras, die durch die ursprüngliche Platzierung von 1107 f. zustande kommt, psychologisch erklärbar findet, erscheint ihm 1124 in der unmittelbaren Folge der Verse doch merkwürdig; besonders nimmt er Anstoß an oi\mai , was er für eine vorsichtige Formulierung hält („the cautious oi\mai “); im Kontext von Elektras Verstellung ist oi\mai aber ironisch zu verstehen und würde gerade in einer inhaltlichen Wiederholung von 1108, als Replik auf Klytaimestras ‚dumme Frage‘ 1123, Sinn machen. Bei der Verstellung des Odysseus gegenüber den Freiern wird oji? w oft in Drohungen gebraucht (Od. r 460; s 149); vgl. auch Cropp 1988 zur Stelle. 682 Cropp 1988 zu Eur. El. 1116-1122: „Each comment of Electra covertly mocks her mother with the fact that Aeg. lies dead in her cottage.“ 683 Zum Inhalt der Trugbotschaft s. Kubo 1966, 25-29: „Electra’s mechanema does not need any external force of persuasion to fulfill its course, but works from inside its victims“(29). 684 Denniston 1939 ad loc.: „Exaggerated, ad misericordiam. Why should they be poorer than the neighbouring farmers? “. 206 Die Elektra des Euripides und die Odyssee gehen (1132: ajll j ei\mi ). Die Rede, mit der Elektra Klytaimestras Weg ins Haus begleitet (1139-1146), schillert: 685 zuerst verstellt sie sich, spricht von ihrer ärmlichen Behausung und warnt Klytaimestra davor, ihre Gewänder an den rußigen Wänden zu beschmutzen (1139 f.: cwvrei pevnhta" ej" dovmou": frouvrei dev moi / mhv s j aijqalwvsh/ poluvkapnon stevgo" pevplou", vgl. 695: frourhvsw ); dann erwähnt sie auf doppeldeutige Weise das Opfer; sobald Klytaimestra im Haus verschwunden ist, triumphiert sie schließlich offenkundig. In der Odyssee ist das Betteln bei den Freiern eine Prüfung des Charakters ( r 361-363); während die Freier aggressiv auf die Provokationen des Odysseus reagieren, verhält sich Klytaimestra auf die Rede Elektras hin vergleichsweise einsichtig. Odysseus spricht gegenüber den Freiern von sich, wie Elektra von Orest, als ob er noch in der Fremde sei ( s 145 f.: ajndrov", o}n oujkevti fhmi; fivlwn kai; patrivdo" ai[h" / dhro; n ajpevssesqai ). Er stellt sich wie Elektra unterwürfig ( r 465: ajll j ajkevwn kivnhse kavrh, kaka; bussodomeuvwn , 473: aujta; r ejm j jAntivnoo" bavle gastevro" ei{neka lugrh'", / oujlomevnh", h] polla; kavk j ajnqrwvpoisi divdwsin ); die soziale Isolation durch Armut wird ebenfalls thematisiert ( r 387: ptwco; n d j oujk a[n ti" kalevoi truvxonta e} aujtovn ). Wie Klytaimestra die Hütte betritt, geht im Agamemnon der Heimkehrer schließlich in den Palast (Aesch. Ag. 957: ei\m j ej" dovmwn mevlaqra ); Klytaimestra hält dabei wie Elektra eine Rede, deren Metaphorik während Agamemnons Gang ins Hausinnere dunkler und bedrohlicher wird, am Ende schlägt sie in eine Anrufung an Zeus um Vollstreckung der Rache um (Ag. 958-974); in der Rede werden auch Gewänder erwähnt, ein zentrales Motiv der Trilogie, nämlich der Purpurteppich, auf dem Agamemnon ins Haus geht (960: eiJmavtwn bafav" , 963: pathsmo; n d j eiJmavtwn , vgl. auch Od. n 435: rJwgaleva rJupovwnta, kakw'/ memorugmevna kapnw'/ ). Die Intrige gegen Klytaimestra zeigt deutliche szenische Parallelen zum Agamemnon des Aischylos: Klytaimestra kommt wie Agamemnon auf einem Wagen an, wird von einem Chorlied empfangen, durch Verstellung ins Hausinnere gelockt und dort getötet. In der Elektra des Sophokles verstellt sich Elektra dagegen gegenüber Aigisth. Die szenische Parallelität der Handlungen, in denen Klytaimestra entgegengesetzte Positionen besetzt, einmal Täterin, einmal Opfer ist, drückt das Verhältnis von Tat zu Rachetat auf subtile Weise aus. Während im Agamemnon Klytaimestra die Rolle der Penelope aus der Odyssee parodiert, nimmt Elektra als douvlh durch 685 Cropp 1988 ad loc.: „A ‚gloating‘ speech (…).“ Das Eingreifen der Dioskuren 207 ihr provokatives Verhalten eher Züge von Odysseus selbst an, der sich als Bettler unter die feindlichen Freier begibt (bes. r ). Elektra tritt, wie schon in der Planungsszene, als zentrale Rächergestalt auf. Der Agon zwischen Klytaimestra und Elektra erinnert an den Agon zwischen diesen Figuren in der Elektra des Sophokles; vor den veränderten Machtverhältnissen wird er zur Prüfung Klytaimestras. In der Odyssee reagieren die Freier auf die Provokationen des Odysseus aggressiv, Klytaimestra dagegen nimmt Elektras Anschuldigungen moderat auf, wodurch die Rache auch vor dem Hintergrund des Epos wenig gerechtfertigt erscheint. 6.8 Das Eingreifen der Dioskuren (Eur. El. 1233-1356) Das Eingreifen der Dioskuren Nach der Ermordung Klytaimestras schlägt Elektras Entschlossenheit in verzweifelte Reue um; in die Klage Orests, Elektras und der Chorführerin greift das plötzliche Erscheinen der Dioskuren ein, die als dei ex machina den Schluß des Stückes in die mythologische Tradition zurückführen (Eur. El. 1233 ff.; vgl. 257; 312 ff.; 746; 990 f.; 1064 f.); diese Schlußform ist in der Forschung häufig als inhomogener, technischer Zusatz interpretiert worden. 686 In den Eumeniden des Aischylos führt Athenes unerwarteter Auftritt zur Lösung des Konflikts zwischen Orest und den Erinnyen, das epische Modell dieser Klausel ist, wie gezeigt, 687 das Ende der Odyssee. Die Beschreibung, die der Chor von dem Erscheinen der Dioskuren gibt (El. 1233-1237), deutet auf die Verwendung der mhcanhv hin: 688 sie erscheinen über dem Dachfirst (1233: dovmwn uJpe; r ajkrotavtwn ); der Chor schließt daraus, daß es sich um göttliche Wesen (1234: daivmone" ) oder Götter handeln muß, da das nicht der Weg der Sterblichen sei (1235 f.: ouj ga; r qnhtw'n g j / h{de kevleuqo" ); er wundert sich darüber, daß sie sich den Menschen enthüllen (1236 f.: tiv pot j ej" fanera; n / o[yin baivnousin brotoi'sin ; ). 686 Gärtner 2005, 24 ff.; Goward 1999, 2; 123; 126 f.; Michelini 1987, 223-226; Dalfen 1983, 69 ff.; Gellie 1981, 8 ff.; Conacher 1967, 210; Kubo 1966, 29 ff.; dag. Thury 1985, 20 ff.; vgl. auch Bain 1987, 12 ff. 687 Vgl. 4.3.4. 688 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 1233-1237; Newiger 1990, 34-39. 208 Die Elektra des Euripides und die Odyssee In den Eumeniden des Aischylos tritt Apoll als göttlicher Beschützer Orests auf (Aesch. Eum. 64-66; 85-87; 232-243; 576-580), dann erscheint Athene auf Orests Bitten hin; obwohl nicht eindeutig ist, ob sie zu Fuß, durch die Luft, also bereits mit einer Art mhcanhv , oder auf einem Wagen auf die Bühne kommt (Eum. 403- 405: e[nqen diwvkous j h\lqon a[truton povda / pterw'n a[ter rJoibdou'sa kovlpon aijgivdo" / [ pwvloi" ajkmaivoi" ejpizeuvxas j o[con ]), lassen sie das plötzliche Erscheinen und das entscheidenede Eingreifen in den Konflikt als Vorform des deus ex machina wirken. 689 Wie die Dioskuren vom Meer herbeikommen, war Athene zuvor weit fort, in Troja beim Fluß Skamander (Eum. 397-402; vgl. 292-298). Hinter den Eumeniden steht, wie bereits gezeigt, die Struktur des Schlusses der Odyssee: auch hier greift Athene am Ende in einen Konflikt ein, 690 nach einer Rücksprache mit Zeus (Od. w 472-488) schlichtet sie den Kampf zwischen Odysseus und den Verwandten der Freier, sie kommt dazu vom Olymp herab, ein dramatisch wirkungsvoller Vorgang ( w 487 f.: ^W" eijpw; n o[trune pavro" memaui'an Aqhvnhn, / bh' de; kat j Oujluvmpoio karhvnwn aji? xasa ). Kastor hält eine Rede an Orest (Eur. El. 1238-1291); zunächst stellt er sich und Polydeukes vor. Sie haben vor ihrer Ankunft in Argos einem Seesturm Einhalt geboten (1241 f.: deino; n de; nao; " ajrtivw" povntou savlon / pauvsant j ajfivgmeq j #Argo" ). Er spricht Orest von der Schuld am Muttermord frei, beschuldigt dagegen Apoll; dieser ist allerdings sein Herr, was ihn zu einer Aposiopese nötigt (1245 f.: Foi'bov" te, Foi'bo" - ajll j a[nax gavr ejst j ejmov", / sigw': sofo; " d j w]n oujk e[crhsev soi sofav , vgl. 1296 f.; 1302). Dann verkündet er, was Moira und Zeus für die Zukunft beschlossen haben: Elektra soll Pylades heiraten; Orest muß Argos verlassen, wird von den Erinyen verfolgt (1252 f.: deinai; de; kh'rev" < s j > aiJ kunwvpide" qeai; / trochlathvsous j ejmmanh' planwvmenon ) und soll in Athen beim Götterbild der Pallas Athene Schutz suchen (1254 f.: ejlqw; n d j jAqhvna" Pallavdo" semno; n brevta" / provsptuxon ); Athene wird die Furien, wenn sie mit ihren schrecklichen Schlangen „brodeln“/ „kochen“, abhalten (1255-1257: ei{rxei gavr nin ejptohmevna" / deinoi'" dravkousin 689 Hammond 1984, 384; dag. Dunn 1996, 38: „There is thus in Eumenides no figure comparable to a deus ex machina (…)“. Vgl. Newiger 1990, 35-39; ders. 1977, 332 f.; vgl. 4.3.4, S. 125 f. mit Anm. 408 und 409. 690 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 1233-1237; Dunn 1996, 39: „If Euripides has a model, it is to be found not in drama but in epic, in Athena’s intervention to end the battle between Odysseus and the suitors’ relatives in the last book of the Odyssey.“ Das Eingreifen der Dioskuren 209 w{ste mh; yauvein sevqen, / govrgwf j uJperteivnousav sou kavra/ kuvklon ). 691 Auf dem Areopag wird Orest ein gerechtes Urteil finden; der Name Areopag wird hier von einem Prozeß gegen Ares an diesem Ort hergeleitet, der einen Sohn Poseidons, Halirrhothios, getötet haben soll (1258-1263). Gleichzahl der Stimmsteine wird Orest vor der Todesstrafe bewahren (1265 f.: i[sai dev s j ejksw/ vzousin mh; qanei'n divkh/ / yh'foi teqei'sai ). Die Erinyen werden nach ihrer Niederlage den Kult der Semnai Theai 692 begründen (1270-1272), Orest soll sich in Arkadien niederlassen. Aigisth wird von den Argivern, Klytaimestra von Menelaos und Helena begraben; Helena hielt sich zuvor im Palast des Proteus in Ägypten auf, sie war nie in Troja (1280 f.: Prwtevw" ga; r ejk dovmwn / h{kei lipou's j Ai[gupton oujd j h\lqen Fruvga" ); Zeus hatte nur ein Trugbild von ihr (1283: ei[dwlon @Elevnh" ) gesandt, um den Krieg zu entfachen. 693 Der Autourgos wird mit Pylades und Elektra nach Phokien zurückkehren. Während Athene und Apoll in den Eumeniden, so wie Athene in der Odyssee, von Zeus autorisiert sind (Aesch. Eum. 614-621; 663- 666; 738; vgl. Od. w 472 ff.), wählt Euripides mit den Dioskuren erst nach einem menschlichen Leben vergöttlichte Gestalten, 694 die Apoll untergeordnet sind, sich aber von dessen Orakelspruch distanzieren; 695 die von ihnen herbeigeführte Lösung erscheint dadurch noch formalistischer. Kastors lange Rede über Orests künftiges Schicksal bezieht sich deutlich auf den Inhalt der Eumeniden des Aischylos. 696 Orest erhält dort von Apoll zudem eine formal vergleichbare Weisung (Eum. 64-84). Am Ende der Choephoren und in den Eumeniden werden die Erinyen entsprechend mit Hunden und Schlangen verbunden und als dunkel gekleidet beschrieben; sie werden mit Gorgonen verglichen, bei Euripides ist die Gorgo im Zusammenhang mit Athenes Aigis erwähnt (Cho. 924: mhtro; " ej gkov tou" kuv na" , vgl. 1054; 1048-1050: dmoiai; gunai' ke" ai{ de Gorgov nwn div khn / 691 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 1255 f.; Denniston 1939 ad loc.; Kamerbeek 1987, 285 bezieht deinoi'" dravkousin auf die Gorgo von Athenes Schild. 692 Zu den Bezügen zwischen Eumeniden, Semnai Theai und Erinyen s. Brown 1984, bes. 262 f. über den Kult der Semnai Theai. Zu den Erinyen in der Elektra des Sophokles s. Winnington-Ingram 1954/ 1955. 693 Diese Version wird als Hinweis auf die Helena des Euripides gesehen, was für eine Datierung der Elektra in zeitliche Nähe der Helena (412 v. Chr.) sprechen könnte. Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 1280-1283; vgl. dag. Zuntz 1955, 64-66; Matthiessen 1964, 66-69. 694 S. Hom. Il. G 236-244; Od. l 298-304; vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 1233-1237. 695 Vgl. Vogt 1994, 104; Morwood 1981, 370. Vgl. auch Reinhardt 1960, 256 zu Apolls Eingreifen am Ende von Euripides’ Orestes. 696 Vgl. Whitehorn 1978, bes. 13; Gellie 1981, 8. 210 Die Elektra des Euripides und die Odyssee faiociv twne" kai; peplektanhmev nai / puknoi' " drav kousin: , Eum. 48-52: ou[ toi gunai' ka", aj lla; Gorgov na" lev gw: / ouj d j au\ te Gorgeiv oisin eij kav sw tuv poi" , 52: au| tai mev lainaiv t j , 127: deinh' " drakaiv nh" , 131 f.: a{ per / kuv wn , 246: wJ " kuv wn ). 697 In den Eumeniden soll sich Orest nach Apolls Weisung am Bild der Pallas festhalten (Eum. 80: i{ zou palaio; n a[ gkaqen labw; n brev ta" , vgl. 242). Der Name des Gerichtsortes wird von Athene mit einer anderen Etymologie belegt, demnach leitet er sich von einem alten Opfer der Amazonen an Ares her (Eum. 685- 690). 698 Die Freisprechung Orests durch Stimmengleichheit findet sich bereits bei Aischylos (Eum. 741: nika' i d j j Orev sth" ka] n ij sov yhfo" kriqh' i , vgl. 753). In den Eumeniden weist Athene den besänftigten Erinyen ihren neuen Kultort zu (Eum. 778 ff.), in der Darstellung des Euripides scheinen sie sich von selbst enttäuscht dorthin zurückzuziehen. 699 Von der späten Rückkehr des Menelaos aus Troja berichten Nestor und Menelaos selbst dem Telemachos innerhalb des „Atriden-Paradigmas“ (Od. g 311 f., d 544-547). Dagegen weicht die Geschichte von dem Trugbild der Helena bewußt von der epischen Tradition ab, sie ist am frühsten in der Palinodie des Stesichoros belegt (192; 193 PMGF, vgl. auch Hdt. 2, 113-119). Möglicherweise kam das ei[ dwlon der Helena auch in dem Satyrspiel Proteus vor, das auf die Orestie folgte und den Aufenthalt des Menelaos in Ägypten behandelte (vgl. Od. d 351 ff.). 700 In diesem Fall würde Euripides in der Prophezeihung Kastors nach der Paraphrasierung der Eumeniden auch auf das letzte Stück der aischyleischen Tetralogie anspielen. Kastor wird nun befragt, warum er den Muttermord nicht verhindert hat, Orest und Elektra beklagen ihr Schicksal. Anschließend richtet Kastor an Orest eine Geleit-Rede (Eur. El. 1342-1356): Elektra und Pylades sollen heiraten, Orest soll nach Athen aufbrechen, um vor den Erinyen zu fliehen (1342 f.: kuvna" / tavsd j , 1345: ceirodravkonte" crw'ta kelainaiv ). Die Dioskuren eilen zum sizilischen Meer, um dort Schiffe zu retten (1347 f.: nw; d j ejpi; povnton Sikelo; n spoudh'/ / swv/ sonte new'n prw/ vra" ejnavlou" ), wobei sie durch die Luft schreiten (1349: dia; d j aijqeriva" steivconte plakov" ). Die Erwähnung des „Sizilischen Meers“ wurde als tagespolitische Anspielung auf die Sizilische Expedition des Jahres 415 v. Chr. gese- 697 Vgl. Cropp 1988 zu Eur. El. 1252; Hammond 1984, 375; Webster 1968, 42. 698 Cropp 1988 zu Eur. El. 1258-1263. 699 Ders. zu Eur. El. 1270-1272. 700 Zu der Hypothese von einem Trugbild der Helena im Satyrspiel Proteus des Aischylos, s. Cunningham 1994, 68; dag. Sutton 1984b, 28. Vgl. 3.1.1, S. 36 mit Anm. 95. Das Eingreifen der Dioskuren 211 hen, was für die Datierung der Elektra einen terminus post quem liefern würde. 701 In den Eumeniden gibt Apoll, wie Kastor, den Auftrag, nach Athen zu fliehen (Aesch. Eum. 74-79). 702 Die Flucht Orests vor den Erinyen gestaltet sich dort, wie bereits besprochen, als Irrfahrt zu Lande und zu Wasser, sie ist Teil seiner Reinigung von der Blutschuld (Eum. 74-77: o{mw" de; feu'ge, mhde; malqako; " gevnhi: / ejlw'si gavr se kai; di j hjpeivrou makra'" / bibw'nt j ajn j aijei; th; n planostibh' cqovna / uJpevr te povnton kai; perirruvta" povlei" , vgl. 235-243; 276- 291; 436-469). Schon vor seiner Tat wird Orest als ajlhvth" bezeichnet (Ag. 1282; vgl. Cho. 1042). Es wurde im Vorigen vermutet, daß die Erwähnung von längeren Irrfahrten Orests auf dem Meer die Assoziation zwischen Orest und Odysseus verstärkt. 703 Die Dioskuren als Retter der Seeleute würden somit die maritime Atmosphäre der Nosten, die Euripides nicht direkt mit dem ajlhvth" und tlhvmwn Orest verbindet (vgl. Eur. El. 130 f.; 138 f.; 202-205; 233 f.; 236; 850), ergänzen, zumal kurz zuvor die Heimkehr des Menelaos angesprochen wurde. Der Begriff povnto" Sikelov" könnte zudem das Meer der Apologe evozieren. Im Kyklops siedelt Euripides das Kyklopenabenteuer nach dem 9. Buch der Odyssee, vielleicht auch mit aktuellem politischem Hintergrund, ausdrücklich auf Sizilien an. 704 Das Auftreten der Dioskuren als dei ex machina bezieht sich auf das Eingreifen der Götter, besonders Athenes plötzliches Erscheinen, in den Eumeniden des Aischylos, sowie auf Athenes schlichtendes Eingreifen in den Kampf zwischen Odysseus und den Ithakesiern am Schluß der Odyssee ( w ). Aischylos formt die dramatische Qualität dieser epischen Klausel aus, Euripides stellt sie als unorganischen Formalismus infrage: obwohl die Dioskuren Apolls Auftrag ausführen, kritisieren sie ihn; das gottgewollte happy ending steht im Widerspruch zu der menschlichen Verzweiflung. Kastors Rede über Orests Zukunft gibt geradezu eine Inhaltsangabe der Eumeniden mit einzelnen gezielten Abweichungen; sie erinnert formal besonders an Apolls Weisung an Orest (Eum. 64-84), wobei die 701 Mulryne 1977, 50; Leimbach 1972; dag. Matthiessen 1964, 66-69; Zuntz 1955, 66-69. Burkert 1990b hält das Auftreten der Dioskuren, sowie die Erwähnungen Helenas für einen Hinweis auf Sparta und das Defensivbündnis Sparta/ Athen 421 v. Chr., von dem Thuc. 5, 23, 4 berichtet; er datiert die Elektra auf 420 (68). 702 Die Heimkehr des Menelaos, über die die Nosten und die Telemachie (Od. g , d ) als Teil der Atreidw'n kavqodo" berichten, behandelt Euripides auch in der Helena und im Orestes; vgl. Lange 2002, 46-59. 703 Vgl. 4.3.2. 704 Vgl. Lämmle 2011, 651. Vgl. 3.1.3, S. 42 mit Anm. 131. 212 Die Elektra des Euripides und die Odyssee Autorität dieses Gottes ironischerweise gerade angezweifelt wird. Während die verspätete Rückkehr des Menelaos auf den Stoff der Nosten und des „Atriden-Paradigmas“ der Odyssee zurückgreift (Od. g , d ), bricht die Erwähnung des ei[dwlon der Helena bewußt mit der homerischen Tradition. 6.9 Zusammenfassung Zusammenfassung Die Elektra des Euripides bezieht sich sowohl auf die Orestie des Aischylos als auch auf die Odyssee, wobei sie besonders die Odyssee-Bezüge der Orestie auf literarisch virtuose Weise rezipiert: die Bezüge werden zu eindeutigen Allusionen aufgehöht, formal variiert und kritisch hinterfragt. Die Szenerie des Stückes, der Handlungsort auf dem Land und die skhnhv als einfache Hütte, setzt die ländliche Ungebung Ithakas und das Gehöft des Eumaios, wo Odysseus nach seiner Ankunft Zuflucht findet, für die Bühne um (Od. x r ). Der Autourgos, der den Prolog spricht, ist von vornehmer Herkunft, aber verarmt, was offensichtlich auf Eumaios anspielt. Wie der Presbys und der Chor der Landfrauen gehört er zu den sozial niedrig gestellten Figuren, die mit dem ländlichen Milieu des Stückes verbunden sind. 705 Elektra, mit der der Autourgos in einer Scheinehe verheiratet ist, wird als von Freiern umworben dargestellt (Eur. El. 19-21; vgl. 312 f.), ein punktueller Hinweis auf die Typologie der Penelope in der Odyssee. Orests vorsichtige Haltung bei seiner Ankunft erinnert an das Verhalten des Odysseus bei der Ankunft auf Ithaka (Od. n ). Euripides übernimmt die Lauscherszene der Choephoren, die ihrerseits choreographisch die Begegnung von Odysseus und Nausikaa zitiert (Od. z ). 706 In einer Monodie Elektras und der Parodos wird die Protagonistin eingeführt: ihre Klage und ihr Warten auf den Heimkehrer ver- 705 Vgl. Cropp 1988, Introd. xxix: „With this latter group (scil. Hel.; Ion; I. T.; Or.), Electra owes much to the Odyssey in complexity and variety, humour and incongruity, sentimentality and domesticity - as if Euripides were leaving tragedy’s Iliadic severity with the Odyssey’s human range and mortal subtlety.“ 706 Webster 1967, 14: „What I have called above the traditional forms of Greek tragedy were in large measure the creation of Aeschylus, and in a number of instances we can point to a particular shaping of these traditional forms by Aeschylus which was later taken over by Euripides.“ Vgl. 6.1. Zusammenfassung 213 binden sie mit Penelope (Od. t ); Orest ist ausdrücklich als Umherirrender (Eur. El. 131 f.; 139; 202-206) geschildert und mit dem Adjektiv tlavmwn , bzw. tlhvmwn (El. 131; 233; 850) versehen, was den Bezug zu dem poluvtla" Odysseus verstärkt. Der Vergleich Elektras mit einem Schwan führt auf den Agamemnon des Aischylos zurück, wo auf Kassandra mehrere Vogelvergleiche (Schwan, Nachtigall, Schwalbe) bezogen sind; in der Odyssee vergleicht Penelope ihre Sorgen mit dem Gesang einer Nachtigall (Od. t ); auch in dem Schwanen-Vergleich, der einen direkten Odyssee-Bezug umgeht, zeigt sich somit der spielerische Umgang des Euripides mit verschiedenen literarischen Bezugsebenen. 707 Während sich in den Choephoren die Lauscherszene unscheinbar auflöst, baut Euripides das Erschrecken der Frauen choreographisch aus und unterstreicht, mit parodistischen Zügen, die Assoziation an die Begegnung zwischen Odysseus und Nausikaa (Od. z 110 ff.), die wohl schon hinter der aischyleischen Lauscherszene steht. Die lange Verstellung Orests gegenüber Elektra, die dieser Gelegenheit gibt, in Stichomythie und Rhesis ihre Lage zu schildern - dabei erwähnt sie, daß sie webt, allerdings ihre eigene Kleidung (Eur. El. 307) -, erinnert an die erste Unterhaltung zwischen Penelope und dem als Bettler auftretenden Odysseus (Od. t ). Die u{bri" Aigisths, besonders seine Trunkenheit, von der Elektra berichtet, klingt deutlich an das Verhalten der Freier an. Die Aufnahme Orests und seiner Begleiter durch den Autourgos nimmt die Verbindung zu dem Aufenthalt des Odysseus bei Eumaios und zu der Thematik von materiellem Besitz und moralischem Wert wieder auf. Als Signalwort fällt die Bezeichnung bouforbov" für den Autourgos, was die Anspielung an den uJforbov" Eumaios bestätigt (Eur. El. 252; vgl. z. B. Od. x 3). 708 Der Auftritt des Presbys, des alten Erziehers des Agamemnon, hat Ähnlichkeit mit demjenigen der Kilissa in den Choephoren und besonders der Eurykleia in der Odyssee (Od. t , y ). Die Erkennungszeichen, die der Alte Mann Elektra nach seinem Besuch an Agamemnons Grab vorschlägt, Haarlocke, Fußspur, Gewand, zitieren die gnwrivsmata der Choephoren und werden von Elektra mit sophistischen Doppelargumenten als unzureichend verworfen. Dagegen erkennt der Presbys Orest an einer Narbe wieder, wie Eurykleia Odysseus in der Odyssee ( t ); im Vergleich zu Odysseus hat Orest 707 Vgl. 6.2. 708 Vgl. 6.3. 214 Die Elektra des Euripides und die Odyssee die Narbe allerdings auf wenig heroische Weise erworben. Elektras Skepsis gegenüber der Entdeckung des Presbys entspricht Penelopes Verhalten gegenüber Eurykleia ( y ). 709 In der anschließenden Planungsszene zeigt sich vollends Orests Hilflosigkeit: der Presbys plant die Ermordung Aigisths, Elektra entwirft auf eigene Initiative den Plan zur Ermordung Klytaimestras, die sie mit der Trugbotschaft von ihrer Niederkunft aufs Land locken will; sie verhält sich nach dem Vorbild einer epischen Rächerfigur, die die Racheplanung dominiert; allerdings fehlt ihr die göttliche Autorisierung. 710 Der Botenbericht von der Ermordung Aigisths erzeugt bereits durch seine Form epische Atmosphäre. Das Zusammentreffen zwischen Orest und Aigisth in dessen idyllischen Ländereien erinnert an die Wiederbegegnung zwischen Odysseus und Laertes in dessen Garten, aber auch an die Landschaft Ithakas, die bei der Ankunft des Odysseus beschrieben wird (Od. w , n ), Aigisths Gebet an die Nymphen verbindet diesen mit Odysseus selbst ( n ): für eine Weile verwirrt sich so für den Rezipienten vor dem epischen Hintergrund die moralische Orientierung. Die Begrüßung Aigisths und Orests Verstellung sind in wörtlicher Rede, als eine Art Miniaturdrama, in den Bericht eingelegt. Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Orest, Pylades und den Dienern Aigisths ist in deutlicher Anlehnung an die Mnesterophonie ( c ) gestaltet. Die Ermordung Aigisths bei dem Rinderopfer klingt aber auch an die Darstellung der Ermordung Agamemnons durch Aigisth bei einem Mahl in dessen Haus innerhalb des „Atriden-Paradigmas“ der Odyssee an ( d 529-537; l 409-426); Euripides nutzt die Version des Atridenmythos in der Odyssee also nicht als stoffliche Grundlage sondern als weitere Anspielungsebene. 711 Elektras Intrige gegen Klytaimestra zeigt dagegen klare Parallelen zum Agamemnon des Aischylos: Klytaimestra kommt wie Agamemnon auf einem Wagen an, sie wird ins Hausinnere gelockt; hier ist es jedoch Elektra, die sich, wie im Agamemnon Klytaimestra, verstellt. Während in der Odyssee die Freier aggressiv auf die Provokationen des vermeintlichen Bettlers reagieren (Od. r , s ), zeigt sich Klytaimestra eher einsichtig gegenüber den Anschuldigungen 709 Vgl. 6.4. 710 Vgl. 6.5. 711 Vgl. 6.6. Zusammenfassung 215 der vorgeblichen douvlh Elektra; die Berechtigung der bevorstehenden Tat erscheint dadurch noch fraglicher. 712 Das Eingreifen der Dioskuren spielt sowohl auf das Auftreten der Götter Apoll und Athene in den Eumeniden des Aischylos als auch auf Athenes schlichtende Intervention bei dem Kampf zwischen Odysseus und den Ithakesiern am Ende der Odyssee an (Od. w ). 713 Aischylos setzt die dramatischen Möglichkeiten des Epenschlusses um und kommt zu einer Vorform der deus-ex-machina-Szene; Euripides problematisiert dagegen das Äußerliche, Unorganische dieser Schlußtechnik, indem die Dioskuren Apolls Auftrag zwar formal bestätigen, aber inhaltlich kritisieren. Die Rede Kastors liefert nahezu eine Inhaltsangabe der Eumeniden. Die Erwähnung der späten Heimkehr des Menelaos schließt an das „Atriden-Paradigma“ der Odyssee an ( g 311 f.; d 544-547), das ei[dwlon der Helena widerspricht dagegen bewußt der homerischen Tradition und greift die Version des Stesichoros auf (192-193 PMGF); vielleicht kam auch im an die Orestie anschließenden Satyrspiel Proteus ein Trugbild der Helena vor. Die Dioskuren als Retter aus Seenot unterstützen das maritime Kolorit, das die Nosten umgibt. 714 In der Elektra des Euripides findet sich somit ein dichtes Netz auffälliger und vielfältiger Bezüge zur Odyssee. Sie dienen zur Gestaltung der Szenerie, der Choreographie und der Figuren, deren alltäglicher Charakter durch den Kontrast des Epos hervortritt; oft handelt es sich um stichwortartige Allusionen an epische Clichés. Die Bezüge tragen zudem zu der kritschen Auseinandersetzung des Euripides mit der Orestie des Aischylos bei. Ein entscheidender Gesichtspunkt dieser Bezugstechnik ist sicher das ästhetische Vergnügen an dem literarischen Formenreichtum, den der Bezugsraum zwischen den Gattungen Epos und Drama bietet. 712 Vgl. 6.7. 713 Vgl. Davidson 1999/ 2000, 120; Lange 1995, 270. 714 Vgl. 6.8. 7 Zusammenfassung Die Orestie-Dramen als dramatische Interpretationen der Odyssee Zusammenfassung Zusammenfassung Der stoffliche Einfluß des Atridenmythos in der Odyssee auf die Orestie des Aischylos hat sich als eingeschränkt erwiesen: die aktive Rolle Klytaimestras und Agamemnons Ermordung im Bad weichen offensichtlich von der Version des „Atriden-Paradigmas“ ab. Aischylos hat vielmehr den Bezug zwischen den beiden mythologischen Stoffen als solchen aus dem Epos übernommen und Strukturelemente der Odyssee seiner Trilogie zugrunde gelegt. Die strukturellen Bezüge der Orestie zur Odyssee, besonders die Parallelen, verdichten sich in den Choephoren, was sich in der literarischen Rezeption durch Sophokles und Euripides niederschlägt: die beiden jüngeren Dramatiker haben diese strukturelle Übereinstimmung wahrgenommen, sie in ihren Elektra-Dramen verarbeitet und daraus eigene Bezugsmuster zu Homers Odyssee sowie zu der Orestie des Aischylos entwickelt. 715 Die Grundstruktur der Odyssee, die Aischylos bei der Komposition der Orestie vor Augen hatte, entspricht der einleitend schon zitierten aristotelischen Definition ihres Plots (Arist. Poet. 17, 1455b16-23); 716 während vorgeschobene Partizipialkonstruktionen die Irrfahrten und die Situation in Ithaka paraphrasieren, bildet vor allem der Hauptsatz, der mit der Ankunft des Helden beginnt, der Inhalt der zweiten Hälfte der Odyssee, den assoziativen Hintergrund der Trilogie (Arist. Poet. 17, 1455b21-23: auj to; " de; aj fiknei' tai ceimasqeiv ", kai; aj nagnwriv sa" tina; " ej piqev meno" auj to; " me; n ej swv qh tou; " d j ej cqrou; " diev fqeire ); er enthält nichts anderes als das von Matthiessen festgestellte Handlungsmuster Nov sto" - Anagnwv risi" - Mhcav nhma , 717 das Taplin dem „‚ nov sto" ‘ play“, bzw. dem „play of return and revenge“, 718 und Lange dem „Nostos-Schema“ 719 zugrun- 715 Lange 2002, 101: „Der Umfang von Euripides’ Vertrautheit mit der ‚Odyssee‘ kommt nirgends klarer zum Ausdruck als in der ‚Elektra‘“; Davidson 1988, 71: „A possible scenario would be that Sophocles felt impelled to build his treatment of the revenge of the children of Agamemnon on the platform provided by the revenge of the Odyssey.“ 716 S. 2.2, S. 32. 717 Vgl. Matthiessen 1964, 93-125. 718 Vgl. Taplin 1977, 124. 719 Vgl. Lange 1995, 24 ff. und passim. 218 Zusammenfassung delegt. Das Motiv der von Seestürmen bedrohten Heimfahrt ( ceimasqeiv " ) 720 wirkt als flashback in dem Sturmbericht des Boten (Ag.) mit, der sich an die Nostenerzählungen der Telemachie (Od. g ; d ) anlehnt, und in den Erwähnungen der Irrfahrten Orests (Cho.; Eum.), die sich auf die Apologe beziehen könnten. Der Spannungsbogen des zweiten Teils des Epos, der eigentlichen Heimkehrgeschichte, der sich von der Ankunft des Odysseus ( n ) über die Wiedererkennung durch seinen Sohn ( p ), die Planung und Durchführung des Anschlags gegen die Freier ( r c ), bis zu der Gegenrache und dem rettenden Eingreifen Athenes erstreckt ( w ), wird im Agamemnon bewußt verfehlt, in den Choephoren erneut aufgenommen und bis zum Schluß der Eumeniden durchgehalten. 721 Aischylos sieht die dramatische Qualität der Odyssee nicht nur hinsichtlich der Makrostruktur des Epos, er eignet sich auch spezielle Struktureinheiten an; Aristoteles nennt als ein besonderes Merkmal der homerischen Epen die häufige Verwendung der direkten Rede, des „Berichtens in der Rolle eines anderen“ (Arist. Poet. 3, 1448a20-24; 21 f.: ajpaggevllonta … e{teron ti gignovmenon , vgl. 24, 1460a8-11); in der Odyssee ist dieses Element sogar zu dem Grundprinzip der Erzählstruktur verstärkt: während der gesamten Apologe (Od. i m ) ist der epische Held der Erzähler. In der zweiten Hälfte des Epos hält er als Bettler verkleidet mehrere Trugreden, spielt also selbst eine Rolle. Aischylos scheint die besondere dramatische Qualität dieses Epos entdeckt und für die Orestie in den Trugreden Klytaimestras und Orests als metatheatralische Form eines Spiels im Spiel neu gestaltet zu haben. Zudem nennt Aristoteles die Wiedererkennung ( ajnagnwvrisi" ) als gemeinsames Element ( mevro" ) einer gemeinsamen Art ( ei\do" ) von Tragödie und Epos, die er als kompliziert ( peplegmevnon ) bezeichnet; Beispiel für ein solches Epos ist die Odyssee (Arist. Poet. 24, 1459b7-16; vgl. 18, 1455b32-34). Die Elemente Wiedererkennung und Peripetie führen nach Aristoteles am meisten zu einer erschütternden Wirkung auf den Rezipienten (Poet. 6, 1450a33-35). Die Entstehung der Wiedererkennungsszene des Dramas könnte somit in Aischylos’ Auseinan- 720 Nach Hermann 1802 zu Arist. Poet. Kap. 17 bedeutet ceimasqeiv" „omnes absentis Ulyssis labores“. 721 Siehe Stanford 1962, Introd. li: „Books 13-24 appeal more to the heart, to our pity, fear, hope, anger and joy. (…) Instead of wonder and surprise we feel sympathy and suspense.“ Zusammenfassung 219 dersetzung mit einer emotional besonders wirkungsvollen epischen Erzählstruktur begründet sein. 722 Die Umsetzung und Neuinterpretation von Strukturelementen des Epos im Drama erscheint noch naheliegender, wenn man berücksichtigt, daß die epische Dichtung nicht durch Lektüre sondern in Form des rhapsodischen Vortrags rezipiert wurde und dadurch ihr dramatisches Potential voll entfalten konnte. 723 Die Wirkung, die eine rhapsodische „performance“ nach Platons Ion auslösen konnte (Plat. Ion 535b1-c8), ist von derjenigen eines Dramas kaum zu unterscheiden (vgl. Arist. Poet. Kap. 6, 1449b24-28); bezugnehmend auf diesen starken psychagogischen Effekt wendet sich Platon gleichzeitig kritisch und bewundernd gegen Homer als den „Lehrer und Anführer“ der Tragiker (Plat. Rep. 10, 595b10-c2). 724 Durch die zentrale Position Homers im griechischen Bildungssystem und die regelmäßige Aufführung der homerischen Epen im Rahmen der neugeordneten Panathenäen spätestens ab der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. als kulturpolitisches Projekt der Peisistratiden ist außerdem ein hoher Bekanntheitsgrad der Texte gewährleistet; man kann davon ausgehen, daß das Publikum, das an den Großen Dionysien 458 v. Chr. die Premiere der Orestie des Aischylos miterlebte, eine fest verankerte und gleichzeitig lebendige Vorstellung von der Odyssee mit ins Theater brachte. 725 Das dem Rezipienten bekannte Handlungsschema des Epos wirkte als Bestätigung oder Infragestellung der Handlung der Orestie und trug dazu bei, die Spannung über die ganze Trilogie hin aufrecht zu erhalten. Gegen die hier vertretene These eines direkten Bezuges von Orestie zu Odyssee könnte man, wenn man von der Bedeutung der homerischen Epen Ilias und Odyssee als kanonischer Grundlage der archaischen und klassischen griechischen Literatur absieht, dennoch einwenden, daß die untersuchten strukturellen Bezüge zu vage bleiben, um eine bloße typologische Entsprechung zweier Heimkehrergeschichten auszuschließen, die demselben, ursprünglich mündlich tradierten, Handlungschema folgen; in den Nosten fand eine Wiedererkennung statt, wahrscheinlich wurde auch Orest 722 Zu dem Erschrecken ( e[kplhxi" ), das die Wiedererkennung in Epos und Drama auslöst, vgl. Richardson 1992, 38; 1983, 225 ff.; vgl. Arist. Poet. 14, 1454a4; Schol. Hom. Od. q 492; n (init.). 723 Vgl. Herington 1985, 3-40; bes. 10-15. 724 Vgl. Halliwell 2002, 110; s. 2.2, S. 30. 725 Zu den Parallelen zwischen Panathenäen und Großen Dionysien vgl. Seaford 1994, 247-251; Zimmermann 1992a, 31-34; vgl. 2.1. 220 Zusammenfassung gegen Ende dieses Epos von Angehörigen wiedererkannt; in der Oresteia des Stesichoros lag sicher eine Wiedererkennung Orests durch Elektra vor (217, 11-13 PMGF). Sowohl in den Nosten als auch in der Oresteia des Stesichoros könnte es bei der Rache Orests zu einer Intrigenhandlung gekommen sein, wenn auch in kleinerem Umfang als in der zweiten Hälfte der Odyssee. Während in der Elektra des Euripides Allusionen wie das Narben-Motiv bei der Wiedererkennung eindeutig auf die zweite Hälfte der Odyssee verweisen, 726 in der sophokleischen Elektra die Anspielungen auf die Odyssee 727 durch das antike Urteil über den tragiko; " $Omhro" gestützt werden, sind die Bezüge der Orestie zu dem Epos merkwürdig verhalten; an dieser Stelle ist zu bedenken, daß die Homer-Rezeption des Aischylos, als des ältesten der drei Tragiker, ein anderes Ziel verfolgt als diejenige des Sophokles oder gar des Euripides. Es geht Aischylos nicht um virtuose Allusionen, die das Publikum bewußt erkennen und goutieren soll, der Bezug dient vielmehr der Produktion einer neuen künstlerischen Form durch die Transformation der im Epos vorgefundenen dramatisch wirkungsvollen Strukturelemente; er ist nicht Gegenstand eines literarischen Spiels, sondern experimentelles Kompositionsmittel. Diese zunächst unauffällige Bezugnahme läßt sich weder allein durch Parallelen des Handlungsschemas, noch durch vom Kontext isolierte Entsprechungen des Vokabulars und schon gar nicht durch die Ähnlichkeit von Gleichnissen belegen. Es erscheint deshalb sinnvoll, die in dem einleitend zitierten Aufsatz von Zimmermann über den Bezug der Sieben gegen Theben zur Ilias 728 angewendete Methode auf die Orestie zu übertragen und die verschiedenen Bezugsaspekte, die die Untersuchung ergeben hat, miteinander zu einem Bezugskomplex zu verbinden: (I) Die Grundsituation von Odyssee und Orestie sowie mehrere Elemente ihrer suvstasi" tw'n pragmavtwn der Heimkehrergeschichte sind parallel; die durch Abweichung von dem epischen „Erwartungshorizont“ entstehenden Dissonanzen heben die pervertierte Ordnung des Atridenhauses hervor. In der Odyssee wird umgekehrt der Orestie-Stoff, das „Atriden-Paradigma“, als Kontrastfolie hinterlegt. 729 (II) Aischylos verwendet spezifische Modelle der Erzählstruktur der Odyssee, Lauscherszene, Wiedererkennung, Racheplanung, 726 Siehe Lange 2002, 59-101; bes. 85 ff. 727 Siehe Davidson 1988. 728 Zimmermann 2004. Vgl. 1, S. 18 f. 729 S. 3.2, S. 43-45. Zusammenfassung 221 Trugrede und Athenes unerwartetes Eingreifen am Schluß. Die Anklänge konzentrieren sich auf die zweite Hälfte des Epos, abgesehen von der Sturmschilderung des Boten im Agamemnon, die an die Erzählungen von Nestor und Menelaos in der Telemachie denken läßt (Od. g , d ): 730 für den Bezug zentral ist Buch 13, gegen das sich Agamemnons Ankunft absetzt (Ag.), 731 Buch 16, an dem sich die Wiedererkennungsszene der Geschwister 732 und der Mordplan 733 orientiert (Cho.), Buch 19, das Klytaimestras Rolle der treuen Gattin zugrundeliegt (Ag.), 734 mit dem die Teppichszene kontrastiert (Ag.), 735 und nach dem Orests Trugrede gestaltet ist (Cho.). 736 Das 19. Buch hat ebenfalls Elemente zu der Wiedererkennungsszene beigesteuert und durch den Traum der Penelope wohl mit zu Klytaimestras Traum 737 angeregt (Cho.). In Anlehnung an den Konflikt mit den Verwandten der Freier im 24. Buch sind schließlich die Auseinandersetzung zwischen Aigisth und dem Chor (Ag.), 738 Orests Verfolgung durch die Erinyen (Eum.), 739 die Prozeßszene 740 und das Erscheinen Athenes 741 entwickelt (Eum.). Die meisten dieser Passagen des Epos könnte Aischylos im Satyrspiel Proteus (TrGF 3 F 210-215~Od. d ) und in einer hypothetischen „Odysseus“-Tetralogie (Psychagogoi, F 273-278~Od. l ; Penelope, F 187~Od. t ; Ostologoi, F 179-*180~Od. w ; Kirke, F 113a-115~Od. k ) dramatisch bearbeitet haben. 742 (III) Die Aneignung homerischen Vokabulars, bei der plastische Neologismen entstehen, 743 und typisch epische sprachliche Formen wie die Vogelbilder (Ag. 49-59; 111-120; 744 1140-1149: Nachtigall- Vergleich; 745 Cho. 247-251 746 ) verdichten diese Bezüge. Eine Entsprechung der Atmosphäre schaffen gemeinsame sprachliche Motive: 730 Vgl. 4.1.3. 731 Vgl. 4.1.4. 732 Vgl. 4.2.2. 733 Vgl. 4.2.5. 734 Vgl. 4.1.5. 735 Vgl. 4.1.6. 736 Vgl. 4.2.6. 737 Vgl. 4.2.4. 738 Vgl. 4.1.8. 739 Vgl. 4.3.1; 4.2.8. 740 Vgl. 4.3.3. 741 Vgl. 4.3.4. 742 Vgl. 3.1.1, S. 36-38. 743 Vgl. bes. die Sprache in Klytaimestras Penelope-Parodie, vgl. 4.1.5. 744 Vgl. 4.1.2. 745 Vgl. 4.1.7. 746 Vgl. 4.2.3. 222 Zusammenfassung die Erwähnungen von dovlo" und Peiqwv sowie, als deren Wirkung, qevlxi" ; das Feuer/ Licht-Motiv, das in der Odyssee vor allem in Buch 18-20 vorkommt; die Bezeichnungen von verschiedenen Gewebestoffen. 747 Als einzelnes Signalwort für den Odyssee-Bezug wird von Agamemnon bei seiner Ankunft Odysseus’ Name genannt (Ag. 841-844), umgekehrt erwähnt Odysseus bei der Ankunft Agamemnon (Od. n 382-385). Die in der Forschung bislang als unvermittelt geltende Erwähnung des Odysseus ließe sich auf diese Weise erklären. 748 (IV) Ein wichtiger Aspekt des Odyssee-Bezuges liegt in der Herausarbeitung der einzelnen Figuren der Atridenfamilie: Agamemnons mäßige Intelligenz und seine Unsicherheit bei herrscherlicher Attitüde werden durch die Kontrastierung mit Odysseus herausgehoben; 749 Klytaimestras Treulosigkeit und ihre Verachtung für ihren Mann treten durch den Vergleich mit Penelope, in deren Rolle sie schlüpft, umso deutlicher hervor. 750 Orest dagegen zeigt sich als Held vom Format eines Odysseus. Seine Umsicht, 751 der göttliche Auftrag und seine Herkunft aus der Fremde lassen ihn als idealen Rächer erscheinen, ein Bild, dem auch die ethische Fragwürdigkeit seiner Tat auf Dauer nichts anhaben kann. Orests Irrfahrten nach der Tat, die, wie die Forschungsliteratur vermerkt, die geographische Entfernung von Delphi nach Athen bei weitem überschreiten, bestätigen die Parallele mit dem epischen Rächer. 752 Als selbst hilflose, in den Anschlag eingeweihte Verwandte Orests übernimmt Elektra kurzfristig eine dem Telemachos ähnliche Rolle. 753 Eine Ähnlichkeit besteht auch zwischen den Ammen-Figuren Kilissa und Eurykleia. 754 (V) Die durch den Gattungswechsel bedingte Transformation des epischen Materials führt zu neuartigen Szenenformen; so realisiert Aischylos die vorsichtige Haltung des Rächers bei dem gemeinsamen Auftritt Elektras und des Chors, wohl mit einer Assoziation an die Nausikaa-Episode (Od. z ), bühnenwirksam in der Lauscherszene (Cho.). Wiedererkennung, Planung und Verstellung werden zu szenischen Einheiten (Cho.), die der Interaktion von mindestens zwei 747 Vgl. 4.3.5; 4.1.6. 748 Vgl. 4.1.4. 749 Vgl. ebd. 750 Vgl. 4.1.5; 4.1.6. 751 Vgl. 4.2.1. 752 Vgl. 4.3.2. 753 Vgl. 4.2.2. 754 Vgl. 4.2.7. Zusammenfassung 223 Schauspielern Entfaltungsmöglichkeit bieten; 755 in der Planungsszene kann der Chor als Person in die Handlung integriert werden. Im Erscheinen der Erinyen vollzieht sich, anders als bei der epischen Beschreibung der Racheaktion der Ithakesier, die das dämonische Wesen Ossa initiiert, der Übergang von fiktivem, durch verbale und gestische Beschreibung erzeugtem Bild zum faktischen Anblick der theatralischen Darstellung des Chores über eine Stückgrenze hinweg (Cho.; Eum.), Athenes unerwartetes Eingreifen im Epos verwandelt sich in einen plötzlichen Auftritt, den Prototyp der deus ex machina-Szene, möglicherweise schon durch eine Bühnentechnik akzentuiert; der kurze Segensspruch des Zeus am Ende der Odyssee wird zu einem Segenslied der Eumeniden musikalisch ausgeformt. Weiter könnte die Odyssee Aischylos zum Einsetzen des Gewebes, das die Trilogie farblich dominiert, und der Wanne als Requisiten angeregt haben. Der im Epos zentrale Bereich des oi\ko" ist in der Orestie durch die skhnhv auf der Bühne als abgegrenzter Raum repräsentiert. Die häufig erwähnten Lichtquellen im Hausinneren, Herdfeuer, Leuchter und Fackeln, verwandeln sich zu einer effektvollen Pyrotechnik. 756 Das sich abzeichnende System verschiedener Bezugsaspekte weist auf eine produktive Rezeption des epischen Textes; Aischylos hat das dramatische Potenzial des Heimkehrerepos erkannt, die Nähe von Ankunft und Auftritt, von Verstellung und Rolle, den Kostüm- und Requisitenreichtum der Milieuschilderung, den oi\ko" als Bühnenbereich der skhnhv , die Lichtregie, und so durch die Orestie eine bahnbrechende Interpretation der Odyssee Homers gegeben. Die Elektra des Sophokles steht deutlich unter dem Einfluß der Orestie des Aischylos, besonders der Choephoren. Betrachtet man die Choephoren und die Odyssee als zwei verschiedene Ebenen eines 755 Nach Arist. Poet. 4, 1449a15-18 soll Aischylos den zweiten Schauspieler eingeführt, die Chorpartien eingeschränkt und die Sprechpartien ( to; n lovgon ) zum Hauptbestandteil gemacht haben; die Vita schreibt ihm sogar die Erfindung des dritten Schauspielers zu, die in den meisten Belegen aber mit Sophokles verbunden wird (TrGF 3 T 1, 57-59); vgl. hierzu 4.2.1, S. 86 f. mit Anm. 290. 756 Aischylos wurde als Urheber von Neuerungen im Bezug auf die Ausstattung der Bühne, die Bühnentechnik und die Kostümierung der Schauspieler betrachtet, TrGF 3 T 1, 53-57, die in der optischen Wirkung auf die Rezipienten lamprovth" (54) erzeugt haben sollen; vgl. T 103-110. Die Belege sind jedoch wohl von der Parodie der aischyleischen Bühneneffekte in den Fröschen des Aristophanes beeinflußt und mit Vorsicht zu bewerten; vgl. Zimmermann 2011, 562; Taplin 1977, 44-49. 224 Zusammenfassung „Erwartungshorizontes“, so ist die Ebene der Choephoren unmittelbar präsent: die Bezüge zur Odyssee sind über diese kanonische Dramatisierung des Orestie-Stoffes wie über einen Filter rezipiert. Sophokles intensiviert, variiert und verschiebt sie für seine Komposition. An den parallelen Strukturen der suvstasi" tw'n pragmavtwn von Choephoren und Odyssee beteiligt Sophokles Elektra, indem für den Rächer signifikante Handlungselemente, die in der Odyssee der epische Held und in den Choephoren Orest ausführt, auf Elektra verlagert sind: Elektra, nicht Orest, erfährt von Klytaimestras Traum und deutet ihn, 757 wie Odysseus Penelopes Traum anhört und deutet (Od. t ). Elektra faßt auf die Trugbotschaft von Orests Tod hin einen eigenen Racheplan, der zwar ihr Streben nach klevo" zum Ausdruck bringt, aber im Unterschied zu dem epischen Muster keine konkrete Vorgehensweise enthält und an mangelnder göttlicher und menschlicher Hilfe scheitert; 758 in den Choephoren plant Orest, in der Odyssee Odysseus die Rache (Od. n , p , f ). Elektra nimmt an der Planung Orests und des Paidagogos teil und verstellt sich gegenüber Aigisth; 759 in den Choephoren und in der Odyssee kennzeichnen List und Verstellung den Rächer. Elektra, die Nebenfigur der Choephoren, die Sophokles zur Protagonistin macht, rückt dadurch ins Zentrum der Handlung; gleichzeitig erscheint ihre Funktion als Rächerin epischen Formats als problematische Selbststilisierung. Spezifische Modelle der Odyssee, die die Choephoren übernehmen, die Trugrede, die Wiedererkennung und die Racheplanung sind verdoppelt oder verdreifacht: sowohl Orest als auch der Paidagogos verstellen sich verbal, beide werden von Elektra wiedererkannt, beide versuchen anschließend Elektras Wiedersehensfreude zu bremsen. 760 Die Wiedersehensfreude der Amme hat Sophokles wahrscheinlich in dem Stück Niptra oder Odysseus Akanthoplex dramatisch bearbeitet (TrGF 4 F 451a~Od. t ). Die Planungsszene ist in Orests anfänglichen Plan, Elektras erfolglosen Planungsversuch und die gemeinsame Planung der Geschwister und des Paidagogos aufgesplittert. So verstärkt sich der Bezug zur Odyssee, allerdings wirkt Orest als Rächerfigur weniger signifikant. Die Lauscherszene ist dagegen explizit ausgelassen. Dabei könnte es sich um eine bewußte Abweichung von den Choephoren handeln; allerdings hat 757 Vgl. 5.3. 758 Vgl. 5.5. 759 Vgl. 5.7; 5.8. 760 Vgl. 5.4; 5.6; 5.7. Zusammenfassung 225 Sophokles die Partie der Odyssee, die in der Lauscherszene des Aischylos mitklingt (Od. z 110 ff.), vermutlich ausführlich in dem Stück Nausikaa oder Plyntriai behandelt (F 439-441~Od. z ). 761 Die sprachliche Assoziation an die homerischen Epen wird durch die Erwähnung von Agamemnons Szepter, neben Anklängen an herodoteische Traumerzählungen (Hdt. 1, 108; 7, 19) dem zentralen Motiv von Klytaimestras Traum (vgl. Il. B 101-108), 762 und durch die lange Trugrede des Paidagogos von Orests angeblichem Tod beim Wagenrennen bei den Pythien, die an das Wagenrennen im 23. Buch der Ilias ( Y 287-533) anklingt, 763 unterstützt. Eine direkte Markierung des Odyssee-Bezuges scheint in dem Hinweis Orests auf andere sofoiv , frühere fälschlich totgesagte Heimkehrer, vorzuliegen, den er nach seiner Ankunft gibt (Soph. El. 62-64); entsprechend nennt kurz nach seiner Ankunft im Agamemnon der Heimkehrer Odysseus (Aesch. Ag. 841-844) und umgekehrt in der Odyssee Odysseus Agamemnon (Od. n 383-385). Bislang ist die Stelle aufgrund eines Scholions zu Soph. El. 62 meist als Anspielung auf Pythagoras oder seinen Schüler Salmoxis (Hdt. 4, 95) erklärt worden. 764 Als catchword des Odyssee-Bezuges wird ou[ti" verwendet (1369; vgl. 188; 948 f.); Tarkow hat diese Form der Referenz an den epischen Ou\ti" (vgl. Od. i 364 ff.) bereits überzeugend für O. T. 1329-1332 nachgewiesen. 765 Sophokles verwendet den Begriff, um eine existenzielle Krise des Helden zu chiffrieren. Im Anschluß an die Trugbotschaft von Orests Tod bezeichnet sich Elektra als th; n mhde; n ej" to; mhdevn (1166). Eine wichtige Funktion des Odyssee-Bezuges der Elektra des Sophokles ist die Charakterisierung der Figuren. 766 Wie Sophokles die Protagonistin in einer Folge von Konfrontationen mit anderen Figuren des Stückes herausarbeitet (El./ Chrys.; El./ Klyt.), 767 so 761 Vgl. 3.1.2, S. 40. 762 Vgl. 5.3. 763 Vgl. 5.4. 764 Vgl. 5.1, S. 135-137. 765 S. Tarkow 1982, 21 ff.; s. auch die Etymologie des Namens Odysseus Vita Soph. 20=TrGF 4 T 1, 81-84 mit F 965 zu Od. t 406 ff. Vgl. 5.6; 5.7. 766 Zu der Kontrastierung der Familienszenen zwischen Aias, Tekmessa und Euysakes (Soph. Aiax 514 ff.) mit dem Abschied von Hektor, Andromache und Astyanax (Il. Z 369 ff.) vgl. Zimmermann 2002, 244 ff.; Easterling 1984. 767 Webster 1936, 85: „The difference between the methods of Sophocles and Euripides may broadly be stated thus: Sophocles displays his characters by contrasting them with other characters, Euripides by the situations which he makes them face and the monologues which he makes them speak“, vgl. 87: „The technique of contrasted characters goes back to Homer.“ 226 Zusammenfassung setzt er sie auch in Bezug zu Figuren der Odyssee. Der Paidagogos ist nach dem Vorbild des Eumaios gestaltet (Od. x r ). In der Exposition von Elektras Lage in Monodie, Parodos und Rhesis 768 stellt sich die Protagonistin als Frau dar, die einen Heimkehrer erwartet; die emotional aufgeladene Situation des Wartens (Soph. El. 187: katatavkomai , vgl. 123; 283; vgl. Od. t 136; 204-208) und ihr Klagen, das mehrfach mit demjenigen einer Nachtigall verglichen wird, legen den Bezug zu Penelope nahe (Od. t ). Orests Verstellung gegenüber Elektra, nicht gegenüber Klytaimestra wie in den Choephoren, erinnert situativ an das erste Gespräch zwischen Odysseus und Penelope. Elektra als Retterin Orests dagegen, die auf die Trugbotschaft von Orests Tod hin die vergeblichen Mühen des Aufziehens beklagt, läßt eher an eine Ammenfigur, Kilissa der Choephoren oder Eurykleia der Odyssee denken. Auch die Mahnung Orests und des Paidagogos an Elektra zu schweigen korrespondiert mit den Aufforderungen des Odysseus an Eurykleia (Od. t , vgl. c ). Dabei fällt auf, daß der Bezug zu Penelope eher Elektras Selbstdarstellung kennzeichnet, während der Bezug zu Eurykleia und Kilissa durch ihr Verhalten und die Behandlung von seiten anderer Figuren entsteht. Orest als verspäteter Heimkehrer (Soph. El. 180-182) klingt an Odysseus an, in der Rhesis Elektras bilden Klytaimestra und Aigisth, die Agamemnons Ermordung feiern und Elektra verspotten, ein den Freiern ähnliches, feindliches Kollektiv. In der dramatischen Umformung epischer Elemente vertieft und variiert Sophokles das Modell der Choephoren. Im Prolog gibt er ein verbales Bühnenbild der argolischen Landschaft, das an die Beschreibung des ländlichen Ithaka und den Aufenthalt des Odysseus auf dem Land bei Eumaios denken läßt. Er bereichert die Verstellung Orests durch die Trugbotschaft ‚epischer‘ Länge des Paidagogos und das vielleicht von Aischylos angeregte falsche tekmhvrion der Urne, ein Requisit zweiten Grades; die in den Choephoren einmaligen, dialogischen Szenenformen, Verstellung, Wiedererkennung, Planung, werden in verschiedenen Besetzungen durchgespielt; häufig sind drei Schauspieler beteiligt. 769 Die ungewöhnlich heftige Mahnung des Odysseus an Eurykleia zu schweigen könnte in Form des mevlo" ajpo; skhnh'" zwischen Elektra und Orest musikalisch verarbeitet worden sein. 768 Vgl. 5.2. 769 Zu Sophokles als ‚Erfinder‘ des dritten Schauspielers vgl. Arist. Poet. 4, 1449a15; Diog. Laert. 3, 56; Vita Soph. 4=TrGF 4 T 1, 23, vgl. T 2, 3; T 95-98; vgl. auch 4.2.1, S. 86, Anm. 290. Zusammenfassung 227 Der Schwerpunkt der Bezüge zur Odyssee in der Elektra des Sophokles liegt auf der Darstellung der Protagonistin: Sophokles nützt die über die Choephoren rezipierte Struktur der zweiten Hälfte des Epos, um Elektra zentral in der Handlung zu verankern und ihre Rolle als Rächerin zu problematisieren; die Assoziationen an die Frauengestalten der Odyssee, Penelope und Eurykleia, sowie an Kilissa der Choephoren, tragen dazu bei, ein in sich widersprüchliches, brüchiges Psychogramm der Heroine zu entwerfen. In der Elektra des Euripides wird der Odyssee-Bezug innerhalb der Orestie des Aischylos virtuos umspielt und mit den eigenen Bezügen zu beiden Werken verflochten. Odyssee und Orestie sind als verschiedene Ebenen eines „Erwartungshorizontes“ bewußt. Der Bezug zur Odyssee ist in dieser dramatischen Bearbeitung des Orestie-Stoffes am aufälligsten. Die suvstasi" tw'n pragmavtwn schließt sich eng an die Struktur der Choephoren an, die, wie gezeigt, ihrerseits von der Struktur der zweiten Hälfte der Odyssee beeinflußt ist. Wie in der Elektra des Sophokles und sogar noch entschiedener übernimmt die neue Protagonistin Handlungselemente des Rächers: in der Planungsszene mit Orest und dem Presbys ergreift sie die Initiative und lanciert die Trugbotschaft von ihrer Niederkunft, um Klytaimestra in die Falle zu locken. 770 Sie verstellt sich gegenüber Klytaimestra und gibt sich als unterwürfige douvlh aus. 771 In der Odyssee hat der Held die Planungsinitiative (Od. p , f ) und spielt vor den Freiern eine Bettlerrolle ( r u ). In der Orestie dramatisierte spezifische Modelle der Odyssee werden aufgegriffen, indem Euripides den epischen Bezug betont: die Lauscherszene ist durch das Erschrecken Elektras und des Chores, wenn Orest und seine Begleiter ihr Versteck verlassen, ausgeführt; der latente Bezug der entsprechenden Szene der Choephoren zu der Begegnung zwischen Odysseus und Nausikaa ist verdeutlicht, wobei Orests Ungeschick und Elektras Flucht der Episode der Odyssee zuwiderlaufen (Od. z ). 772 Die lange Verstellung Orests gegenüber Elektra, während der sie den Bruder häufig als „Fremden“ anspricht, 773 läßt das erste Gespräch zwischen Odysseus und Penelope assoziieren (Od. t ). In der Wiedererkennungsszene weist 770 Vgl. 6.5. 771 Vgl. 6.7. 772 Vgl. 6.1; 6.3. 773 Vgl. 6.3. 228 Zusammenfassung Elektra die aischyleischen Gnorismata, die der Presbys vorschlägt, ab; 774 der alte Erzieher erkennt Orest an einer Narbe, wie Eurykleia Odysseus (Od. t ), und muß die zögernde Elektra von seiner Entdekkung überzeugen, wie Eurykleia Penelope ( y ). Orest entwirft einen vorläufigen Racheplan, während der Alte Mann die Ermordung Aigisths, Elektra die Ermordung Klytaimestras plant. Anders als Odysseus hat Orest die Narbe allerdings nicht auf heroische Weise erworben. Das Eingreifen der Dioskuren als dei ex machina 775 geht, wie Athenes plötzlicher Auftritt in den Eumeniden, auf Athenes Eingreifen in die Auseinandersetzung zwischen Odysseus und den Ithakesiern am Ende der Odyssee zurück (Od. w ). Homerisches Kolorit entsteht durch das Chorlied über die Waffen Achills, das an die Schildbeschreibung in der Ilias erinnert, den Vogelvergleich in Elektras Klage-Monodie 776 und eine Ansammlung epischen Vokabulars im Botenbericht von der Ermordung Aigisths. 777 Die Bezüge zu einzelnen Figuren der Odyssee sind ebenfalls offensichtlich; sie sind zusätzlich durch punktuelle Allusionen an epische Clichés aufgehöht: der Autourgos, der, von vornehmer Herkunft, aber verarmt, ein guter Gastgeber ist, spielt auf den Schweinehirten (z. B. Od. x 3: uJforbov" ) Eumaios an, er wird als bouforbov" bezeichnet (Eur. El. 525). 778 Elektra ist, wie Penelope, von Freiern, darunter sogar Kastor, umlagert (El. 19-21; 312 f.). In der Exposition der Protagonistin, die wie in der Elektra des Sophokles in Monodie, Parodos und Rhesis aufgebaut ist, schildert Elektra das Warten auf den umherirrenden Orest (El. 202: ajlavta" ; vgl. 139); ihre Klage vergleicht sie mit derjenigen eines Schwanes, ein Spiel mit den Vogelvergleichen für Kassandra im Agamemnon des Aischylos und mit deren literarischem Hintergrund, dem Nachtigall-Vergleich Penelopes in der Odyssee: während Sophokles das Bild mit dem deutlichsten Homer-Bezug von Aischylos übernimmt, entscheidet sich Euripides bewußt für ein anderes. Orest verwendet zur Beschreibung von Elektras Zustand eine Form von thvkesqai , eines Begriffes, der mit Elektra bei Sophokles und mit Penelope verbunden ist (208: yuca; n takomevna , vgl. 240: suntethkov" , vgl. Soph. El. 187: katatavkomai , 123; 283; vgl. Od. t 136; 204-208). 774 Vgl. 6.4. 775 Vgl. 6.8. 776 Vgl. 6.2. 777 Vgl. 6.6. 778 Vgl. 6.3. Zusammenfassung 229 Elektra erwähnt schließlich, daß sie webt (El. 307 f.), aber im Unterschied zu Penelope stellt sie ihre eigenen Kleider her. Orest als sehnlichst erwarteteter Heimkehrer, mit dem Epitheton tlavmwn / tlhvmwn versehen (El. 131; 233; 850), erinnert an den poluvtla" Odysseus; durch sein unsicheres, ungeschicktes Verhalten hält er jedoch weder bei der Beendigung der Lauscherszene, noch bei Verstellung und Wiedererkennung und schon gar nicht in der Planungsszene mit Elektra und dem Paidagogos diesem Vergleich stand. Aigisth, der, wie Elektra berichtet, in u{bri" betrunken Agamemnons Grab mit Steinen bewirft und Spottreden führt (El. 326-331), ist eindeutig mit Blick auf die Freier der Odyssee gestaltet; in dem Botenbericht über seine Ermordung tritt er umgeben von dem Kollektiv seiner Diener auf. Hier verwirren sich allerdings die Bezüge, da zunächst eine situative Parallele zwischen Aigisth und Laertes, der in seinem Garten beschäftigt ist (Od. w ), und dann, durch das Gebet an die Nymphen, sogar eine Überschneidung zwischen Aigisth und Odysseus selbst entsteht ( n ). Indem er das angelegte Bezugsschema unterläuft, nützt Euripides an dieser Stelle also die Bezüge zu Figuren der Odyssee zur Irritation der Sympathie des Rezipienten. Die Transformation zwischen epischem und dramatischem Material, das Füllen von „Leerstellen“, das der Gattungswechsel mit sich bringt, und das in der Orestie des Aischylos zu der Begründung neuer Szenenformen führt, hat bei Euripides besonders große Bedeutung: der Handlungsort auf dem Land und die skhnhv als einfache Hütte setzen das ländliche Gehöft des Eumaios, das in der Odyssee eindrucksvoll beschrieben ist (Od. x ), in die Bühnenrealität um. Das Stoff-Motiv der Odyssee, das Aischylos zu den prunkvollen Geweben als Requisiten der Orestie angeregt haben könnte, verwandelt Euripides provokativ in die Lumpengewänder der Diener und Elektras, die zu den Kostümen des Chores der argivischen Mädchen und Klytaimestras kontrastieren. Während Aischylos in den Choephoren aus der Begegnung zwischen Odysseus und Nausikaa ( z ) besonders die verwunderten Fragen des soeben erwachten Odysseus für die Gestaltung seiner Lauscherszene verwendet, wählt Euripides aus derselben Episode der Odyssee die Flucht der Mädchen vor dem plötzlich auftauchenden Fremden und interpretiert sie dramatisch als turbulente Choreographie; Orests ungeschickte Aufdringlichkeit und Elektras Fluchtversuch parodieren das epische Modell. Der erste Teil der Intrige, der Botenbericht von der Ermordung Aigisths durch Orest gibt in epischer Form einen 230 Zusammenfassung „Miniaturnostos“ 779 : Elemente der zweiten Hälfte der Odyssee sind hier auf engstem Raum komprimiert: die Begegnung zwischen Odysseus und Laertes in dessen Garten (Od. w ), das Gebet an die Nymphen bei der Ankunft des Odysseus ( n ), seine Verstellung, seine Aufnahme im Haus ( t ), die bewaffnete Auseinandersetzung mit der gegnerischen Partei ( c ), die Wiedererkennung des Heimkehrers durch einen Diener ( t , f ) und die Restitution in seine alten Rechte ( c ). Als weitere Bezugsebene schwingt im Botenbericht die Ermordung Agamemnons durch Aigisth bei einem Mahl im „Atriden- Paradigma“ der Odyssee mit ( d 529-537, l 409-426). Die Begrüßung Aigisths und Orests Verstellung sind in wörtlicher Rede gegeben, es entsteht ein berichtinternes Drama, das auch auf die imaginierte Begrüßung Aigisths in Orests Plan in den Choephoren anspielen könnte. Der zweite Teil der Intrige dagegen, Elektras Verstellung gegenüber Klytaimestra, die auf einem Wagen ankommt, spiegelt die Ankunftsszene des Agamemnon, Klytaimestras Verstellung gegenüber dem Heimkehrer. Die Ermordungen Aigisths und Klytaimestras sind so durch epische und dramatische Referenz geteilt. In der dei-ex-machina-Szene, dem Eingreifen der Dioskuren, baut Euripides das Eingreifen der Götter, besonders Athenes plötzliches Erscheinen in den Eumeniden, das Athenes Streitschlichtung am Ende der Odyssee dramatisiert ( w ), zu einer rein technischen Klausel aus, die inhaltlich nicht mehr gedeckt ist. Die Rede Kastors über die Zukunft Orests gibt in Form einer Prophezeihung eine Inhaltsangabe der Eumeniden, der letzten Tragödie der aischyleischen Trilogie. Euripides experimentiert in der Elektra bei seiner Rezeption der Odyssee und der Orestie mit dem literarischen Spannungsfeld zwischen den Gattungen Epos und Drama. Die Odyssee-Bezüge, die sich in dem dramatischen Modell der Orestie des Aischylos finden, sind das Thema einer variationsreichen Klitterung der beiden mythologischen Stoffe sowie epischer und dramatischer Formen. 779 Lange 2002, 84. Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Textausgaben ALLEN, T. W./ MONRO, D. B.: Homeri opera. Bde. 1; 2: Iliadis libri I-XII; XIII-XXIV. Editio tertia; Bde. 3; 4: Odysseae libri I-XII; XIII-XXIV. Editio altera. Oxford 1917-1920. BURNET, J.: Platonis opera. Bde. 3; 4. (1903; 1902). Oxford 1992. DIGGLE, J.: Euripidis fabulae. Bd. 2. Oxford 1981. KASSEL, R.: Aristotelis de arte poetica liber. Repr. from the corr. sheets of the 1 st edition (1965). Oxford 1966. LLOYD-JONES, H./ WILSON, N. G.: Sophoclis fabulae. Oxford 1990. PAGE, D.: Aeschyli septem quae supersunt tragoediae. Oxford 1972. SNELL, B./ KANNICHT, R./ RADT, S.: Tragicorum Graecorum Fragmenta. 5 Bde. Göttingen 1981-2004. Kommentare und kommentierte Ausgaben ARIETI, J. A./ CROSSETT, J. M.: Longinus. On the sublime. Translated with commentary. New York/ Toronto 1985. BRANDT, R.: Pseudo-Longinos. Vom Erhabenen. Darmstadt 1966. CROPP, M. J.: Euripides. Electra. Warminster 1988. DENNISTON, J. D.: Euripides Electra. Oxford 1939. DENNISTON, J. D./ PAGE, D.: Aeschylus. Agamemnon. Oxford 1957. DOVER, K.: Aristophanes. Frogs. Ed. with introduction and commentary. Oxford 1993. FRAENKEL, E.: Aeschylus. Agamemnon. Ed. with a commentary. Oxford 1974. GARVIE, A. F.: Aeschylus. Choephori. With introduction and commentary. Oxford 1986. HARTUNG, J. A.: Sophokles. Elektra. Sophokles’ Werke. Griechisch mit metrischer Übersetzung und prüfenden und erklärenden Anmerkungen. Bd. 1. Leipzig 1850. HEUBECK, A. et al.: A commentary on Homer’s Odyssee. Vol. 1 (edd. Heubeck, A./ West, S./ Hainsworth, J. B.); Vol. 2 (edd. Heubeck, A./ Hoekstra, A.); Vol. 3 (edd. Russo, J./ Fernandez-Galiano, M./ Heubeck, A.). Oxford 1988; 1989; 1992. 232 Literaturverzeichnis HERMANN, G.: Aristotelis de arte poetica liber cum commentariis. Leipzig 1802. JEBB, R. C.: Sophocles. The plays and fragments. Part IV: The Electra. Cambridge 1894. DE JONG, I. J. F.: A narratological commentary on the Odyssey. Cambridge 2001. KAMERBEEK, J. C.: The plays of Sophocles. Commentaries. Part V: The Electra. Leiden 1974. KELLS, J. H.: Sophocles. Electra. Cambridge 1973. LUCAS, D. W.: Aristotle. Poetics. Oxford 1968. MARCH, J.: Sophocles. Electra. Warminster 2001. MACDOWELL, D. M.: Gorgias. Encomium of Helen. Ed. with introduction, notes and translation. Bristol 1982. RUSSEL, D. A.: Longinus. On the sublime. Ed. with introduction and commentary. Oxford 1964. SEAFORD, R.: Euripides. Cyclops. Ed. with introduction and commentary. Oxford 1984. SEVERYNS, A.: Recherches sur la Chrestomathie de Proclos. 4: La Vita Homeri et les Sommaires du Cycle. Texte et traduction (Bibliothèque de la Faculté de Philosophie et Lettres de l’Université de Liège 170). Paris 1963. SOMMERSTEIN, A. H.: Aeschylus. Eumenides. Cambridge 1989. STANFORD, W. B.: The Odyssey of Homer. Vol. 2 (B. XIII-XXIV). London 1962. Forschungsliteratur ALEXANDERSON, B.: On Sophokles’ Elektra. C & M 27, 1966, 79-98. ALEXOPOULOU, C.: Der Mythos der Atriden in den Fragmenten von Sophokles. Platon 51, 2000, 146-152. D’ARMS, E. F./ HULLEY, K. K.: The Oresteia story in the Odyssey. TAPhA 77, 1946, 207-213. ARNOTT, W. G.: Euripides and the unexpected. G & R 20, 1973, 49-64. ARNOTT, W. G.: Double the vision. A reading of Euripides’ Elektra. G & R 28, 1981, 179-192. AUER, J.: The Aeschylean Electra. GRBS 46, 2006, 249-273. Literaturverzeichnis 233 BAGORDO, A.: Reminszenzen früher Lyrik bei den attischen Tragikern. Beiträge zur Anspielungstechnik und poetischen Tradition. (Zetemata 118) München 2003. BAGORDO, A.: Lyrik. Die lyrischen Dichter: Stesichoros. In: Zimmermann, B. (Hg.): Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. HGL I, III. 2.11. München 2011, 188-196. BAIN, D.: [Euripides], Electra 518-44. BICS 24, 1977, 104-116. BAIN, D.: Some reflexions on the illusion in Greek tragedy. BICS 34, 1987, 1-14. BAUMGARTEN, R.: Schule: Elementar- und Grammatikunterricht. Griechenland. In: Christes, J./ Klein, R./ Lüth, C. (Hgg.): Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike. Darmstadt 2006, 89-100. BERGMANN, P.: Der Atridenmythos in Epos, Lyrik und Drama. Diss. Erlangen 1970. BERTMANN, S.: Structural symmetry at the end of the Odyssey. GRBS 9 (2), 1968, 115-123. BIERL, A.: Dionysos und die griechische Tragödie. Politische und ‚metatheatralische‘ Aspekte im Text. Tübingen 1991. BIERL, A.: Die Rezeption der Homerischen Dichtung in der griechischen Literatur. In: Latacz, J./ Greub, T./ Blome, P./ Wieczorek, A. (Hgg.): Homer. Der Mythos von Troia in Dichtung und Kunst. München 2008, 208-214. BOND, G. W.: Euripides’ parody of Aeschylus. Hermathena 118, 1974, 1-14. BOND, R. S.: Homeric echoes in Rhesus. AJPh 117, 2, 1996, 255-274. BOWRA, C. M.: Pindar, Pythian XI. CQ 30, 1936, 129-141. BOWRA, C. M.: Sophoclean tragedy. Oxford 1944. BOWRA, C. M.: Greek lyric poetry. From Alcman to Simonides. Oxford 1961. BRAUN, M.: „Die beiden Elektren“ (1883): Warum Wilamowitz später seine Meinung geändert hat. In: Calder, W. M. et al. (Hgg.): Wilamowitz in Greifswald (Spudasmata 81). Hildesheim 2000, 616-636. BREMER, J. M.: Why messenger-speeches? In: Bremer, J. M./ Radt, S./ Ruijgh, C. J. (Hgg.): Miscellanea tragica in honorem J. C. Kamerbeek. Amsterdam 1976, 29-48. BROWN, A. L.: Eumenides in Greek tragedy. CQ 34, 2, 1984, 260-281. BRUNEL, P.: Le mythe d’Electre. Paris 1971. BURIAN, P.: Myth into mythos: the shaping of the tragic plot. In: Easterling, P. E. (Hg.): The Cambridge companion to Greek tragedy. Cambridge 1997, 178-208. 234 Literaturverzeichnis BURKERT, W.: Griechische Tragödie und Opferritual. In: Ders.: Wilder Ursprung. Opferritual und Mythos bei den Griechen. Berlin 1990, 13-39. Zitiert als: Burkert 1990a. BURKERT, W.: Ein Datum für Euripides’ Elektra: Dionysia 420 v. Chr. MH 47, 1990, 65-69. Zitiert als: Burkert 1990b. BURKHARDT, H.: Die Archaismen des Euripides. Hannover 1906 (Diss. Erlangen 1906). BURTON, R. W. B.: Pindar’s Pythian Odes. Oxford 1962. CARTLEDGE, P.: ‚Deep plays‘: theatre as process in Greek civic life. In: Easterling, P. E. (Hg.): The Cambridge companion to Greek tragedy. Cambridge 1997, 3-35. CASTELLANI, V.: Everything to do with Dionysos: Urdrama, Euripidean melodrama and tragedy. In: Redmond, J. (Hg.): Melodrama. Cambridge 1992, 1-16. COBET, J.: Wann wurde Herodots Darstellung der Perserkriege publiziert? Hermes 105, 1977, 2-27. CONACHER, D. J.: Euripidean drama: myth, theme and structure. Toronto 1967. CONACHER, D. J.: Aeschylus’ Oresteia. A literary commentary. Toronto 1987. CONNOR, W. R.: City Dionysia and Athenian democracy. C & M 40, 1989, 7-32. COUSIN, C.: La Nékyia homérique et les fragments des Evocateurs d’âmes d’Eschyle. Gaia 9, 2005, 137-152. CROPP, M. J.: Heracles, Electra and the Odyssey. In: Cropp, M. J. et al. (Hgg.): Greek tragedy and its legacy. Essays presented to D. J. Conacher. Calgary 1986, 187-199. CULLER, J.: Literaturtheorie. Eine kurze Einführung. Stuttgart 2002. CUNNINGHAM, M.: Thoughts on Aeschylus: the satyrplay Proteus - the ending of the Oresteia. LCM 19, 1994, 67-68. DALFEN, J.: Die Bearbeitung des Orest-Elektra-Stoffes in der griechischen Tragödie. Zum Handwerklichen in der Tragödiendichtung. In: Händel, P./ Meid, W. (Hgg.): Festschrift für R. Muth zum 65. Geburtstag am 1. Januar 1981, dargebracht von Freunden und Kollegen (Innsbrukker Beiträge zur Kulturwissenschaft 22). 1983, 55-71. DAVIDSON, J. F.: Homer and Sophocles’ Electra. BICS 35, 1988, 45-72. DAVIDSON, J. F.: Euripides, Homer and Sophocles. ICS 1999/ 2000, 24/ 25, 117-128. DAVIDSON, J. F.: Beware of the danger: a Homeric motif in fifth century drama. C & M 51, 2000, 17-28. Literaturverzeichnis 235 DAVIDSON, J. F.: Sophocles’ Trachiniae and the Odyssey. Athenaeum 91, 2, 2003, 517-523. DAVIES, M. I.: Thoughts on the Oresteia before Aeschylus. BCH 93, 1969, 214-260. DAVIES, M.: Euripides’ Elektra: the recognition scene again. CQ N. S. 48, 2, 1998, 389-403. DEFORGE, B.: Le modèle des Choéphores. Contribution à la réflexion sur les trois Electre. CGITA 10, 1997, 213-230. DILLER, H.: Menschendarstellung und Handlungsführung bei Sophokles. In: Newiger, H.-J./ Seyffert, H. (Hgg.): Diller, H.: Kleine Schriften zur antiken Literatur. München 1971, 286-303=A & A 6, 1957, 166. Zitiert als: Diller 1971a. DILLER, H.: Erwartung, Enttäuschung und Erfüllung in der griechischen Tragödie. In: Newiger, H.-J./ Seyffert, H. (Hgg.): Diller, H.: Kleine Schriften zur antiken Literatur. München 1971, 304-334=Serta Philologica Aenipontana (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft) 7/ 8, 1962, 93-115. Zitiert als: Diller 1971b. DINGEL, J.: Der 24. Gesang der Odyssee und die Elektra des Euripides. RhM 112, 1969, 103-109. DIRKSEN, H. J.: Die Aischyleische Gestalt des Orest und ihre Bedeutung für die Interpretation der Eumeniden. Nürnberg 1965. DODDS, E. R.: Morals and politics in the Oresteia. PCPS 186, 1960, 19-31. DONLAN, W.: Homer’s Agamemnon. CW 65, 1971, 109-115. DOVER, K. J.: The political aspect of Aeschylus’s Eumenides. JHS 77, 1957, 230-237. DÜRING, I.: Klutaimestra - nhlh; " gunav . A study of the development of a literary motiv. Eranos 41, 1943, 91-123. DUNN, F. M.: Tragedy’s end. Closure and innovation in Euripidean drama. New York/ Oxford 1996. DUPONT, F.: L’insignifiance tragique. Les Choéphores d’Eschyle. Electre de Sophocle. Electre d’Euripide. Paris 2001. EASTERLING, P. E.: The tragic Homer. BICS 31, 1984. EASTERLING, P. E.: A show for Dionysos. In: Dies. (Hg.): The Cambridge companion to Greek tragedy. Cambridge 1997, 36-53. EISNER, R.: Euripides’ use of myth. Arethusa 12, 2, 1979, 153-174. EISNER, R.: Echoes of the Odyssey in Euripides’ Helen. Maia 32, 1980, 31-37. ELIOT, T. S.: Tradition and individual talent. In: Ders.: Selected essays. London 1932, 13-22. 236 Literaturverzeichnis ELSE, G. F.: The origin and early form of Greek tragedy. Cambridge 1965. ERBSE, H.: Beiträge zum Verständnis der Odyssee. Berlin/ New York 1972. ERBSE, H.: Zur Elektra des Sophokles. Hermes 106, 1978, 284-300. ERHART, W.: Aufstieg und Fall der Rezeptionsästhetik. Skizzenhaftes zu einer Wissenschaftsgeschichte der Literaturtheorie in Deutschland. In: Kimmich, D./ Stiegler, B. (Hgg.): Zur Rezeption der Rezeptionstheorie. Berlin 2003, 19-37. ERLER, M.: Held und Protagonist. Zur additiven Struktur der frühgriechischen Tragödie. In: Zimmermann, B. (Hg.): Antike Dramentheorien und ihre Rezeption. Drama: Beiträge zum antiken Drama und seiner Rezeption N° 1. Stuttgart 1992, 34-54. VAN ERP TAALMAN KIP, A. M.: The unity of the Oresteia. In: Silk, M. S. (Hg.): Tragedy and the tragic Greek theatre and beyond. Oxford/ New York 1996, 119-138. FINGLASS, P. J.: Is there a polis in Sophocles’ Electra? Phoenix 59, 3-4, 2005, 199-209. FINLEY, J. H.: Pindar and Aeschylus. Cambridge 1966. FRANKLIN, S. B.: Traces of epic influence in the tragedies of Aeschylus. Diss. Baltimore 1895. FRIIS JOHANSEN, H.: Die Elektra des Sophokles. C & M 25, 1964, 8-32. VON FRITZ, K.: Die Orestessage bei den drei großen griechischen Tragikern. In: Ders.: Antike und moderne Tragödie. Neun Abhandlungen. Berlin 1962, 113-159. FUNKE, M.: Rezeptionstheorie - Rezeptionsästhetik. Betrachtungen eines deutsch-deutschen Diskurses. Bielefeld 2004. GÄRTNER, T.: Verantwortung und Schuld in der Elektra des Euripides. MH 62, 2005, 1-29. GANTZ, T. N.: The fires of the Oresteia. JHS 97, 1977, 28-38. GARNER, R.: From Homer to tragedy. The art of allusion in Greek poetry. London/ New York 1990. GARVIE, A. F.: The opening of the Choephori. BICS 17, 1970, 79-91. GELLIE, G.: Tragedy and Euripides’ Electra. BICS 28, 1981, 1-12. GIGLI, M.: Dell’ imitazione omerica di Eschilo. Rivista Indo-Greco-Italica 12, 1928, Fasc. I-II, 43-59, Fasc. III-IV, 33-50. GLUCKER, J.: Aeschylus and the third actor. C & M 30, 1-2, 1969, 56-77. GLUCKER, J.: Aeschylus and the third actor - some early discussions. C & M 51, 2000, 29-50. GOFF, B.: The sign of the fall: the scars of Orestes and Odysseus. ClAnt 10, 1991, 259-267. Literaturverzeichnis 237 GOLDHILL, S.: Reading Greek tragedy. Cambridge 1986. Zitiert als: Goldhill 1986a. GOLDHILL, S.: Rhetoric and relevance. Interpolation at Euripides, Electra 367-400. GRBS 27, 1986, 157-171. Zitiert als: Goldhill 1986b. GOLDHILL, S.: The language of tragedy: rhetoric and communication. In: Easterling, P. E. (Hg.): The Cambridge companion to Greek tragedy. Cambridge 1997, 127-150. GOULD, J.: Homeric epic and the tragic moment. In: Winnifrith, I./ Murray, P./ Gransden, K. W. (Hgg.): Aspects of the epic. New York 1983, 32-45. GOWARD, B.: Telling tragedy. Narrative technique in Aeschylus, Sophocles and Euripides. London 1999. GOWARD, B.: Aeschylus: Agamemnon. London 2005. GRAZIOSI, B.: Inventing Homer: the early reception of epic. Cambridge 2002. GREENBERG, N. A.: The attitude of Agamemnon. CW 86, 1992/ 1993, 193- 205. GRIFFIN, J.: The epic cycle and the uniqueness of Homer. JHS 97, 1977, 39-53. GROSSARDT, P.: Die Trugreden in der Odyssee und ihre Rezeption in der antiken Literatur. Diss. Bern 1998. GROSSARDT, P.: The title of Aeschylus’ Ostologoi. HSPh 101, 2003, 155-158. GROTE, D.: On the pedagogos’s deception speech in Sophocles’s Electra. ElectronAnt 1995-1997, 3, 6. HAFT, A.: Odysseus’ wrath and grief in the Iliad. Agamemnon, the ithacan king, and the sack of Troy in books 2, 4, and 14. CJ 85, 1989/ 1990, 97-114. HALLIWELL, S.: The aesthetics of mimesis. Ancient texts and modern problems. Princeton/ Oxford 2002. HALPORN, J. W.: The sceptical Electra. HSPh 87, 1983, 101-118. HALVERSON, J.: Social order in the Odyssey. Hermes 113, 1985, 129-145. HAMMOND, N. G. L.: Spectacle and parody in Euripides’ Elektra. GRBS 25, 1984, 373-387. HERINGTON, J.: Pindar’s eleventh Pythian Ode and Aeschylus’ Agamemnon. In: Gerber, D. E. (Hg.): Greek poetry and philosophy. Studies in honour of Leonard Woodbury. Chico 1984, 137-146. HERINGTON, J.: Poetry into drama. Berkeley/ Los Angeles/ London 1985. HERINGTON, J.: Aeschylus. New Haven 1986. HERMANN, G.: De interpolationibus Homeri. In: Opuscula 5. Leipzig 1834, 52-77. 238 Literaturverzeichnis HÖLSCHER, U.: Die Atridensage in der Odyssee. In: Singer, H. et al. (Hgg.): Festschrift für R. Alewyn, Köln/ Graz 1967, 1-16. HOGAN, J. C.: Aristotles’s criticism of Homer in the Poetics. CPh 68, 1973, 95-108. HOMMEL, H.: Aigisthos und die Freier. SG 8, Heft 4, 1955, 237-245. HORSLEY, G. H. R.: Apollo in Sophokles’ Elektra. Antichthon 14, 1980, 18-29. IRIGOIN, J.: Les deux Electres et les deux Electre. In: Machin, A./ Pernée, L. (Hgg.): Sophocle. Le texte, les personnages. Actes du colloque international d’Aix-en-Provence, 10, 11 et 12 janvier 1992. Aix-en-Provence 1993, 163-172. ISER, W.: Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung. München 1976. ISSACHAROFF, M.: Space and reference in drama. Poetics today 2, 3, 1981, 211-224. JAEGER, W.: Paideia. Die Formung des griechischen Menschen. Bd. 1. Berlin 1959 (4. Aufl.), bes. Kap.: Homer als Erzieher, 63-88. JÄKEL, S.: Die aesthetische Funktion der lyrischen und epischen Elemente in der griechischen Tragödie. Arctos 27, 1992, 55-61. JÄKEL, S.: New aspects of ancient Greek mythology in Homer and Hesiod - and its revival in Greek tragedy. Eos 86, 1, 1999, 5-17. JAKOBY, F.: Die geistige Physiognomie der Odyssee. Die Antike 9, 1933, 159-194. JAUSS, H. R.: Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft. In: Ders.: Literaturgeschichte als Provokation. Frankfurt a. M. 1970, 144-207. JENKINS, I. D.: The ambiguity of Greek textiles. Arethusa 18, 2, 1985, 109- 132. DE JONG, I. J. F.: Narrative in drama. The art of the Euripidean messenger-speech. Mnemosyne Supplement N° 116. Leiden 1991. JOUANNA, J.: Notes sur la scène de la reconnaissance dans les Choéphores d’Eschyle (v. 205-211) et sa parodie dans l’Electre d’Euripides (v. 532- 537). CGITA 10, 1997, 69-85. JUDET DE LA COMBE, P.: Sur la reprise d’Homère par Eschyle. Lexis 13, 1995, 129-144. KAMERBEEK, J. C.: Some notes on Euripides’ Electra. Mnemosyne 40, 1987, 276-285. KANNICHT, R.: Scheiben von den großen Mahlzeiten Homers. Euripides und der Troische Sagenkreis. In: Bierl, A. et al. (Hgg.): Antike Literatur in neuer Deutung. München 2004, 185-202. Literaturverzeichnis 239 KATSOURIS, A.: Aeschylus’ Odyssean tetralogy. Dioniso 53, 1982/ 1985, 47-60. KATSOURIS, A. G.: Euripides’ Cyclops und Homer’s Odyssey: an interpretative comparison. Prometheus 23, 1, 1997, 1-24. KESELING, P.: Homerische Anklänge bei Euripides. PhW 63, 1943, 262-264. KIMMICH, D./ STIEGLER, B.: Einleitung. In: Dies. (Hgg.): Zur Rezeption der Rezeptionstheorie. Berlin 2003, 7-18. KIRKWOOD, G. M.: A study of Sophoclean drama. New York 1958. KNOX, B. M. W.: Myth and Attic tragedy. In: Ders.: Word and action. Essays on the ancient theater. Baltimore/ London 1979, 3-24. Zitiert als: Knox 1979a. KNOX, B. M. W.: Aeschylus and the third actor. In: Ders.: Word and action. Essays on the ancient theater. Baltimore/ London 1979, 39-55. Zitiert als: Knox 1979b. KOTSIDU, H.: Die musischen Agone der Panathenäen in archaischer und klassischer Zeit. Diss. München 1991. KOVACS, D.: Castor in Euripides’ Electra (El. 307-13 and 1292-1307). CQ 35, 1985, 306-314. KRAIAS, G.: Epische Szenen in tragischem Kontext: Untersuchung zu den Homer-Bezügen bei Aischylos. Diss. Freiburg 2008. KUBO, M.: The norm of myth: Euripides’ Electra. HSCP 71, 1966, 15-31. KULLMANN, W.: Tragische Abwandlungen von Odysseethemen. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte der Odyssee. Archaiognosia 1, 1, 1980, 75-89. KUNTZ, M.: Narrative setting and dramatic poetry. Leiden/ New York/ Köln 1993. LÄMMLE, R.: Drama. Das Satyrspiel. In: Zimmermann, B. (Hg.): Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. HGL I, IX. 3. München 2011, 611-663. LAMBERTON, R.: Introduction. In: Lamberton, R./ Keaney, J. J. (Hgg.): Homer’s ancient readers. The hermeneutics of Greek epic’s earliest exegetes. Princeton 1992, vii-xxiv. LANGE, K.: Euripides und Homer. Untersuchung zur Nachwirkung in Elektra, Iphigenie im Taurerland, Helena, Orestes und Kyklops. Diss. Stuttgart 2002. LATTIMORE, R.: Story patterns in Greek tragedy. London/ Ann Arbor 1964. LEBECK, A.: The Oresteia. A study in language and structure. Washington 1971. LECHNER, M.: De Sophocle poeta @Omhrikwtavtw/ . Erlangen 1859. 240 Literaturverzeichnis LECHNER, M.: De Aeschyli studio Homerico. Erlangen 1862. LECHNER, M.: De Homeri imitatione Euripidea. Erlangen 1864. LEFÈVRE, E.: Die Unfähigkeit, sich zu erkennen. Sophokles’ Tragödien. Leiden/ Boston/ Köln 2001. LEHMANN, H.-Th.: Theater und Mythos. Die Konstruktion des Subjekts im Diskurs der antiken Tragödie. Stuttgart 1991. LEIMBACH, R.: Die Dioskuren und das „Sizilische Meer“ in Euripides’ Elektra. Hermes 100, 1972, 190-195. LEONHARDT, J.: Phalloslied und Dithyrambos. Aristoteles über den Ursprung des griechischen Dramas (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 4). Heidelberg 1991. LESKY, A.: Die Orestie des Aischylos. Hermes 66, 1931, 190-214. LESKY, A.: Die tragische Dichtung der Hellenen. Göttingen 1972 (3. Aufl.). LEVINE, D. B.: Sophocles’ Philoctetes and Odyssey 9. Odysseus versus the cave man. Scholia 12, 2003, 3-26. LLOYD, M.: Realism and character in Euripides’ Electra. Phoenix 40, 1986, 1-19. LLOYD-JONES, H.: Some alleged interpolations in Aeschylus’ Choephori and Euripides’ Electra. CQ n. s. 11, 1961, 171-184. LUSCHNIG, C. A. E.: Electra’s pot and the displacement of settings in Euripides’ Electra. Dioniso 62, 1, 1992, 7-27. LYNN-GEORGE, M.: A reflection on Homeric dawn in the parodos of Aeschylus, Agamemnon. CQ 43, 1933, 1-9. MACLEAN, M.: Narrative as performance. The Baudelairean experiment. London/ New York 1988. MACLEOD, C. W.: Politics and the Oresteia. JHS 102, 1982, 124-144. MARROU, H. I.: Histoire de l’éducation dans l’antiquité. Paris 1965. MARSHALL, C. W.: Casting the Oresteia. CJ 98, 3, 2002/ 2003, 257-274. MATTHIESSEN, K.: Elektra, Taurische Iphigenie und Helena. Untersuchungen zur Chronologie und zur dramatischen Form im Spätwerk des Euripides. (Hypomnemata 4) Göttingen 1964. MAU, A.: Zu Euripides’ Elektra. In: Ders.: Commentationes philologicae in honorem Theodori Mommseni. Berlin1877, 291-301. MERKELBACH, R.: Untersuchungen zur Odyssee. Zetemata, H. 2. München 1969. METTE, H. J.: Der verlorene Aischylos. Berlin 1963. MICHEL, C.: Hermes in der Odyssee. WJA 32, 2008, 11-34. MICHELINI, A. N.: Euripides and the tragic tradition. Madison Wisc. 1987. Literaturverzeichnis 241 MILLER, D. A.: A note on Aegisthus as „hero“. Arethusa 10, 2, 1977, 259-268. MILLER, H. W.: @O Filovmhro" Sofoklh'" and Eustathius. CPh 41, 1946, 99-102. VON MÖLLENDORFF, P.: Die Konstruktion von Helden: Rezeptionslenkung durch Intertextualität im Aias des Sophokles. In: Von den Hoff, R./ Schmidt, S. (Hgg.): Konstruktionen von Wirklichkeit. Bilder im Griechenland des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. Stuttgart 2001, 261-279. MOREAU, A.: Les sources d’Eschyle dans l’Agamemnon: silences, choix, innovations. REG 103, 1990, 30-53. MORWOOD, J. H. W.: The pattern of the Euripides Electra. AJPh 102, 1981, 362-370. MOST, G. W.: Schlegel, Schlegel und die Geburt eines Tragödienparadigmas. Poetica 25, 1-2, 1993, 155-175. MOULTON, C.: The end of the Odyssey. GRBS 15, 2, 1974, 153-169. MÜLLER, C. W.: Überlegungen zum zeitlichen Verhältnis der beiden Elektren. In: Stärk, E./ Vogt-Spira, G. (Hgg.): Dramatische Wäldchen. Festschrift für Eckard Lefèvre zum 65. Geburtstag. Hildesheim 2000, 37-45. MULRYNE, J. R.: Poetic structures in the Electra of Euripides. LCM 2, 1977, 31-38; 41-50. MURRAY, G.: Aeschylus. The creator of tragedy. Oxford 1951 (2. Aufl.). NEITZEL, H.: Zur Reinigung des Orest in Aischylos’ Eumeniden. WJA 17, 1991, 69-89. NEWIGER, H.-J.: Elektra in Aristophanes’ Wolken. Hermes 89, 1961, 422- 430. NEWIGER, H.-J.: Die Orestie und das Theater. Dioniso 48, 1977, 319-340. NEWIGER, H.-J.: Ekkyklema und Mechané in der Inszenierung des griechischen Dramas. WJA 16, 1990, 33-42. NIETO HERNÁNDEZ, P.: Odysseus, Agamemnon and Apollo. CJ 97, 2001/ 2002, 319-334. O’BRIEN, M. J.: Orestes and the Gorgon. Euripides’ Elektra. AJPh 85, 1964, 13-39. OLSON, S. D.: The stories of Agamemnon in Homer’s Odyssey. TAPhA 120, 1990, 57-71. O’NEILL, K.: Aeschylus, Homer, and the serpent at the breast. Phoenix 52, 3-4, 1998, 216-229. OWEN, A. S.: The date of the Electra of Sophocles. In: Murray, G. (Hg.): Greek poetry and life. Essays presented to G. Murray. Oxford 1936, 145- 157. PAGE, D. L.: The Homeric Odyssey. Oxford 1955. 242 Literaturverzeichnis PARKER, R.: Athenian religion. A history. Oxford 1996. PARMENTIER, L.: Une scène de l’Electre de Sophocle. In: Benloew, L. et al. (Hgg.): Mélanges Henri Weil. Paris 1898, 333-354. PEDRIQUE, N.: Logos dynastes. Dichtung und Rhetorik in Platons Gorgias (Prismata 19). Frankfurt a. M. 2011 (Diss. Freiburg 2010). PERADOTTO, J.: The omen of the eagles and the HQOS of Agamemnon. Phoenix 23 (3), 1969, 237-263. PICKARD-CAMBRIDGE, A.: The dramatic festivals of Athens. Oxford 1968 (2. Aufl.). PODLECKI, A. J.: The political background of aeschylean tragedy. Ann Arbor 1966. PODLECKI, A. J.: Stesichoreia. Athenaeum 49, 1971, 313-327. PUCCI, P.: Odysseus Polutropos. Intertextual readings in the Odyssey and the Iliad. Ithaca/ London 1987. RADIN, M.: Homer and Aeschylus. CJ 17, 1921/ 1922, 332-334. RADT, S.: Sophokles in seinen Fragmenten. In: De Romilly, J. (Hg.): Sophocle. Vandœuvre/ Genève 1983, 185-222. RADT, S.: Der unbekanntere Aischylos. Prometheus 7, 1986, 1-13. REICHEL, M.: Epische Dichtung. Homer. In: Zimmermann, B. (Hg.): Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. HGL I, II. 2. München 2011, 12-61. REINHARDT, K.: Aischylos als Regisseur und Theologe. Bern 1949. REINHARDT, K.: Die Sinneskrise bei Euripides. In: Ders.: Tradition und Geist. Göttingen 1960, 227-256. RIBBECK, O.: Zu Sophokles’ und Euripides’ Elektra. Leipziger Studien 8, 1885, 382-386. RICHARDSON, N. J.: Recognition scenes in the Odyssey and ancient literary criticism. Liverpool Lat. Semin. 4, 1983, 219-235. RICHARDSON, N. J.: Aristotle’s reading of Homer and its background. In: Lamberton, R./ Keaney, J. J. (Hgg.): Homer’s ancient readers. The hermeneutics of Greek epic’s earliest exegetes. Princeton 1992, 30-40. RIEDINGER, J.-C.: Technique du récit et technique dramatique dans le récit du messager d’Euripide. Pallas 42, 1995, 31-54. RIFFATERRE, M.: L’intertexte inconnu. Littérature 41, 1981, 4-7. RIGO, G.: Les trois Electre. RIS 28, 1992, 217-233. RITOÓK, Z.: Zur Trojanischen Trilogie des Euripides. Gymnasium 100, 2, 1993, 109-125. Literaturverzeichnis 243 DE ROMILLY, J.: L’hésitation et le regret dans les tragédies artistiques relatives à Electre. BAGB 1992, 237-248. RONNET, G.: Réflexions sur la date des deux Electre. REG 83, 1970, 309- 332. ROSE, P. W.: Class ambivalence in the Odyssey. Historia 24, 1975, 129-149. ROUX, G.: Choéphores v. 164 sq.: la scène de reconnaissance, ou: Electre avait-elle de grands pieds? REG 87, 1974, 42-56. SAID, S.: L’espace d’Euripide. Dioniso 59, 2, 1989, 107-136. SANDBACH, F. H.: Sophocles, Electra 77-85. PCPhS 23, 1977, 71-73. SANDNES, K. O.: The challenge of Homer. School, pagan poets and early Christianity. London 2009. SCARDINO, C.: Konfliktlösung durch Institutionalisierung. Das Ende der Odyssee, Aischylos’ Eumeniden und Euripides’ Orestes. WJA 33 N. F., 2009, 7-29. SCHADEWALDT, W.: Aischylos’ Achilleis. In: Schadewaldt, W./ Zinn, E./ Bartels, K.(Hgg.): Hellas und Hesperien. Gesammelte Schriften zur Antike und zur neueren Literatur. Zürich/ Stuttgart 1960, 166-211. SCHMIDT, L.: Ueber die epischen Reminscenzen bei Aeschylus. Pädag. Archiv 5, 1863, 430-436; 609-618; 730-740. SCHWINGE, E. R.: Abermals die Elektren. RhM 112, 1969, 1-13. SCULLION, S.: Tragic dates. CQ 52, 2002, 81-101. Zitiert als: Scullion 2002a. SCULLION, S.: Nothing to do with Dionysos: tragedy misconceived as ritual. CQ 52, 2002, 102-137. Zitiert als: Scullion 2002b. SEAFORD, R.: Reciprocity and ritual. Homer and tragedy in the developping city-state. Oxford 1994. SEECK, G. A.: Die Entstehung der Tragödie - von Dionysos abgesehen. In: Stärk, E./ Vogt-Spira, G. (Hgg.): Dramatische Wäldchen. Festschrift für Eckard Lefèvre zum 65. Geburtstag. Hildesheim 2000, 1-19. SEGAL, C.: The Electra of Sophocles. TAPhA 97, 1966, 473-545. SEGAL, C.: Greek myth as a semiotic system and the problem of tragedy. Arthusa 16, 1983, 173-198. SEGAL, C.: Tragedy, corporeality and the texture of language: matricide in the three Electra plays. CW 79, 1985, 7-23. SEGAL, C.: Bard and audience in Homer. In: Lamberton, R./ Keaney, J. J. (Hgg.): Homer’s ancient readers. The hermeneutics of Greek epic’s earliest exegetes. Princeton 1992, 3-29. SEGAL, C.: Sophocles’ tragic world. Divinity, nature, society. Cambridge/ London 1995. 244 Literaturverzeichnis SHAPIRO, H. A.: Mousikoi agones: Music and poetry at the Panathenaia. In: Neils, J. (Hg.): Goddess and polis. Hanover, New Hampshire 1992, 53-75. SHAPIRO, H. A.: Democracy and imperialism. The Panathenaia in the age of Pericles. In: NEILS, J. (Hg.): Worshipping Athena. Panathenaia and Parthenon. Madison, Wisc. 1996, 215-225. SHEPPARD, J. T.: Electra: a defence of Sophocles. CR 41, 1927, 2-9. SIDERAS, A.: Aeschylus Homericus. Untersuchungen zu den Homerismen der aischyleischen Sprache. Göttingen 1971. SLATOR, N. W.: The idea oft he actor. In: Winkler, J. J./ Zeitlin, F. I. (Hgg.): Nothing to do with Dionysos? Athenian drama in its social context. Princeton 1990, 385-395. SOLMSEN, F.: Elektra und Orestes. Drei Wiederbegegnungsszenen in der griechischen Tragödie. In: Hommel, H. (Hg.): Wege zu Aischylos. Bd. 2: Die einzelnen Dramen. WdF 465. Darmstadt 1974, 275-318. SOURVINOU-INWOOD, C.: Tragedy and Athenian religion. Lanham/ Boulder/ New York/ Oxford 2003. STANFORD, W. B.: The Ulysses theme. A study in the adaptability of a traditional hero. Oxford 1954. STEIGER, H.: Warum schrieb Euripides seine Elektra? Philologus 56, 1897, 561-600. STEPHENS, J. C.: Odysseus in Agamemnon 841-2. Mnemosyne 24, 1971, 358-361. STEVENS, P. T.: Sophocles: Electra, doom or triumph? G & R 25, 1978, 111- 120. STIEBER, M.: Beflowered with beauty: the imagery of Ag. 659-60. SCI 25, 2006, 25-49. STINTON, T. C. W.: The scope and limits of allusion in Greek tragedy. In: Cropp, M. J. et al. (Hgg.): Greek tragedy and its legacy. Essays presented to D. J. Conacher. Calgary 1986, 67-102=Stinton, T. C. W.: Collected papers on Greek tragedy. Oxford 1990, 455-492. STÖSSL, F.: Die Trilogie des Aischylos. Formgesetze und Wege der Rekonstruktion. Baden bei Wien 1937. STROHM, H.: Euripides. Interpretationen zur dramatischen Form. (Zetemata 15) München 1957. SUKSI, A.: The poet at Colonos: nightingales in Sophocles. Menmosyne Ser. 4, 54, 6, 2001, 646-658. SULLIVAN, J. P.: Introduction. In: De Jong, I. J. F./ Sullivan, J. P. (Hgg.): Modern critical theory and classical literature. New York/ Köln 1993, 1-26. SUTTON, D. F.: Satyr plays and the Odyssey. Arethusa 7, 1974, 161-185. Literaturverzeichnis 245 SUTTON, D. F.: The lost Sophocles. Lanham 1984. Zitiert als: Sutton 1984a. SUTTON, D. F.: Aeschylus’ Proteus. Philologus 128, 1984, 127-130. Zitiert als: Sutton 1984b. SVENBRO, J.: The interior voice: on the invention of silent reading. In: Winkler, J. J./ Zeitlin, F. I. (Hgg.): Nothing to do with Dionysos? Athenian drama in its social context. Princeton 1990, 366-384. SZLEZÁK, Th. A.: Sophokles Elektra und das Problem des ironischen Dramas. MH 38, 1981, 1-21. TAPLIN, O.: The stagecraft of Aeschylus. The dramatic use of exits and entrances in Greek tragedy. Oxford 1977. TAPLIN, O.: Agamemnon’s role in the Iliad. In: PELLING, C. (Hg.): Characterization and individuality in Greek literature. Oxford 1990, 60-82. TARKOW, T. A.: Electra’s role in the opening scene of the Choephoroi. Eranos 77, 1979, 11-21. TARKOW, T. A.: The scar of Orestes. Observations on an Euripidean innovation. RhM 124, 1981, 143-153. TARKOW, T. A.: Sophocles and Odysseus once again: Oedipus the King. Dioniso 53, 1982, 19-31. THALMANN, W. G.: Dramatic art in Aeschylus’s Seven against Thebes. Yale 1978. THEILER, W.: Die ewigen Elektren. WS 79, 1966, 102-112. THURY, E. M.: Euripides’ Electra: an analysis through character development. RhM 128, 1985, 5-22. VAHLEN, J.: Zu Sophokles und Euripides Elektra. Hermes 26, 1891, 351- 365. VERDENIUS, W. J.: Homer, the educator of the Greeks. Amsterdam/ London 1970. VERNANT, J.-P-: Le sujet tragique: historicité et transhistoricité. Belfagor 34, 1979, 635-642. VÖGLER, A.: Vergleichende Studien zur sophokleischen und euripideischen Elektra. Diss. Heidelberg 1967. VOGT, S.: Das Delphische Orakel in den Orestes-Dramen. In: Bierl, A./ Von Möllendorff, P. (Hgg.): Orchestra. Drama, Mythos, Bühne. Festschrift für H. Flashar anlässlich seines 65. Geburtstages. Stuttgart 1994, 97-104. WALSH, G. B.: The first stasimon of Euripides’ Elektra. YClS 25, 1977, 277- 289. WARNING, R.: Von der Rezeptionsästhetik zum Dekonstruktivismus. In: Kimmich, D./ Stiegler, B. (Hgg.): Zur Rezeption der Rezeptionstheorie. Berlin 2003, 63-77. 246 Literaturverzeichnis WEBSTER, T. B. L.: An introduction to Sophocles. Oxford 1936. WEBSTER, T. B. L.: The tragedies of Euripides. London 1967. WEBSTER, T. B. L.: Euripides, traditionalist and innovator. In: Allen, D. C. et al. (Hgg.): The poetic tradition. Essays on Greek, Latin and English poetry. Baltimore 1968, 27-45. WENDER, D.: The last scenes of the Odyssey. Leiden 1978. WEST, M. L.: Stesichorus. CQ 21, 1971, 302-314. WEST, M. L.: The parodos of the Agamemnon. CQ 29, 1979, 1-6. WEST, M. L.: The early chronology of Attic tragedy. CQ 39, 1989, 251-254. WEST, M. L.: Studies in Aeschylus. Stuttgart 1990. WHALLON, W.: The furies in Choe. and Ag. CQ 45, 1, 1995, 231-232. WHITBY, M.: Telemachus transformed? The origins of Neoptolemus in Sophocles’ Philoctetes. G & R 43, 1, 1996, 31-42. WHITEHORNE, J. E. G.: The ending of Euripides’ Electra. RBPh 56, 1978, 5-14. VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, U.: Aischylos. Interpretationen. Berlin 1914. VON WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, U.: Die beiden Elektren. Hermes 18, 1883, 214-263=Ders.: Kleine Schriften VI. Berlin 1972, 161-208. WILES, D.: Tragedy in Athens. Performance space and theatrical meaning. Cambridge 1997. WILLI, A.: Sikelismos. Sprache, Literatur und Gesellschaft im griechischen Sizilien (8.-5. Jh. v. Chr.). Basel 2008. WILSON, P./ TAPLIN, O.: The ‚aetiology‘ of tragedy in the Oresteia. PCPhS 39, 1993, 169-180. WILSON, P.: The Athenian institution of the khoregia. The chorus, the city and the stage. Cambridge 2000. WINNINGTON-INGRAM, R. P.: Sophocles’ Electra: prolegomena to an interpretation. PCPhS n. s. 3, 183, 1954/ 1955, 20-26. WINNINGTON-INGRAM, R. P.: Notes on the Agamemnon of Aeschylus. BICS 21, 1974, 3-19. WISE, J.: Dionysos writes. The invention of theatre in ancient Greece. Ithaka/ London 1998. WOODARD, T.: Electra by Sophocles: the dialectical design (Part II). HSCP 70, 1965, 195-233. WORMAN, N.: Odysseus panourgos; the liar’s style in tragedy and oratory. Helios 26, 1, 1999, 35-68. WRIGHT, M.: The joy of Sophocles’ Electra. G & R 52, 2, 2005, 172-194. Literaturverzeichnis 247 ZIEHEN, L.: Panathenaia. In: RE, 36. Halbb., 2. Drittel, Stuttgart 1949, 457- 493. ZIMMERMANN, B.: Dithyrambos. Geschichte einer Gattung (Hypomnemata 98). Göttingen 1992. Zitiert als: Zimmermann 1992a. ZIMMERMANN, B.: Die griechische Tragödie. Eine Einführung. München/ Zürich 1992. Zitiert als: Zimmermann 1992b. ZIMMERMANN, B.: Der tragische Homer. Zum Aias des Sophokles. In: REICHEL, M./ RENGAKOS, A. (Hgg.): Epea pteroenta. Beiträge zur Homerforschung. Festschrift für W. Kullmann. Stuttgart 2002, 239-246. ZIMMERMANN, B.: Aischylos und Homer. Lexis 22, 2004, 191-199. ZIMMERMANN, B.: Aischylos, Agamemnon - ein Gesamtkunstwerk. In: Ders. (Hg.): Die Orestie auf der Bühne (Freiburger Universitätsblätter 189, Jg. 49, H. 3). Freiburg/ Berlin/ Wien 2010, 7-16. ZIMMERMANN, B.: Drama. Ursprungsfragen: Vor- und Frühgeschichte, Organisation; Die attische Tragödie. In: Ders. (Hg.): Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. HGL I, IX. 1.1; IX. 2. München 2011, 451-474; 484-610. ZUNTZ, G.: The political plays of Euripides. Manchester 1955. Stellenregister Stellenregister Stellenregister AELIANUS Var. hist. 13, 14: 25, Anm. 61 AESCHINES 3, 185: 24, Anm. 59 AESCHYLUS Ag. 1 ff.: 51; Ag. 1-39: 51-53; 131 Ag. 3: 68, Anm. 242 Ag. 5: 52, Anm. 183 Ag. 6 f.: 98, Anm. 323 Ag. 8 f.: 98, Anm. 323 Ag. 11: 52, Anm. 183 Ag. 12: 107, Anm. 358 Ag. 12-14: 58, Anm. 206 Ag. 20-24: 98, Anm. 323 Ag. 22: 52, Anm. 183 Ag. 33: 98, Anm. 323 Ag. 40-257: 53-56 Ag. 40-59: 92 Ag. 49-59: 53 f.; 221 Ag. 90: 57, Anm. 200 Ag. 91-94: 98, Anm. 323 Ag. 111-120: 53-56.; 221 Ag. 111-159: 92 Ag. 116: 204, Anm. 676 Ag. 122-157: 55 f. Ag. 135: 68, Anm. 242 Ag. 192: 68, Anm. 241 Ag. 197 f.: 60, Anm. 212 Ag. 219 f.: 130 Ag. 237: 166 Ag. 239: 56, Anm. 198; 69, Anm. 244 Ag. 281 ff.: 98, Anm. 323 Ag. 281-316: 196 Ag. 321: 196 Ag. 330: 107, Anm. 358 Ag. 335 f.: 58, Anm. 206 Ag. 358: 76, Anm. 263 Ag. 383: 75, Anm. 262 Ag. 389: 98, Anm. 323; 130 Ag. 456 f.: 120, Anm. 391 Ag. 475-477: 98, Anm. 323 Ag. 475-487: 67, Anm. 236 Ag. 503-680: 57-61 Ag. 514 f.: 84 Ag. 522: 98, Anm. 323 Ag. 529: 166 Ag. 551-582: 58 f. Ag. 587-614: 59; 67-70 Ag. 594: 68 Ag. 601-614: 68-70; 68, Anm. 241 Ag. 602: 98, Anm. 323 Ag. 607: 68, Anm. 242 Ag. 611: 195 Ag. 612: 69, Anm. 244 Ag. 617-680: 59-61 Ag. 636-680: 131; 133 Ag. 640: 120, Anm. 391 Ag. 658: 98, Anm. 323 Ag. 690: 69, Anm. 244 Ag. 694: 68, Anm. 242 Ag. 767: 68, Anm. 241 Ag. 772-774: 98, Anm. 323 Ag. 783 ff.: 133 Ag. 783-809: 61-63; 203 f. Ag. 787-798: 67 Ag. 796: 104, Anm. 347 Ag. 799-854: 62-65 Ag. 818-820: 98, Anm. 323 Ag. 833: 195 Ag. 838: 78; 85 Ag. 841: 133; 139 Ag. 841-844: 131; 222 Ag. 842: 166 Ag. 855-902: 67; 70-72; 165 f. Ag. 860: 70, Anm. 246 Ag. 861: 45 Ag. 867: 70, Anm. 246 Ag. 875-902: 70-72 Ag. 877-886: 83, Anm. 278 Ag. 878 ff.: 70, Anm. 246 Ag. 879-881: 79 Ag. 883 f.: 120, Anm. 391 Ag. 890: 98, Anm. 323 Ag. 891: 141, Anm. 487 Ag. 891-893: 71, Anm. 250 Ag. 896-901: 71 f. Ag. 905-974: 73-76 Ag. 907: 75; 89 Ag. 909 f.: 76, Anm. 263 Ag. 921: 76, Anm. 263 Ag. 923: 76, Anm. 263 Ag. 926: 76, Anm. 263 Ag. 927 f.: 75, Anm. 260 Ag. 934: 78; 85 Ag. 936: 76, Anm. 263 Ag. 937 f.: 195 Ag. 938: 120, Anm. 391 Ag. 943: 128 Ag. 944: 133 250 Stellenregister Ag. 944 f.: 204 Ag. 944-947: 75 Ag. 945: 89 Ag. 946: 76; 76, Anm. 263 Ag. 949: 76, Anm. 263 Ag. 957: 75, Anm. 262; 76, Anm. 263; 206 Ag. 958-960: 60, Anm. 212; 76; 206 Ag. 960: 76, Anm. 263; 206 Ag. 963: 76, Anm. 263; 206 Ag. 968 f.: 68, Anm. 241 Ag. 1000: 76, Anm. 263 Ag. 1039: 204, Anm. 677 Ag. 1047-1576: 131, Anm. 432 Ag. 1048: 76, Anm. 263 Ag. 1050-1053: 77, Anm. 265 Ag. 1056: 98, Anm. 323 Ag. 1072: 113, Anm. 368 Ag. 1072-1330: 77-80 Ag. 1076: 113, Anm. 368 Ag. 1087: 113, Anm. 368 Ag. 1093: 68, Anm. 242 Ag. 1109: 74; 76, Anm. 263 Ag. 1115 f.: 76, Anm. 263; 166 Ag. 1126: 76, Anm. 263; 166 Ag. 1128 f.: 76, Anm. 263 Ag. 1140-1145: 140; 179 Ag. 1140-1149: 221 Ag. 1149: 77 Ag. 1150: 71, Anm. 247 Ag. 1178-1330: 78 Ag. 1215-1241: 78 Ag. 1217: 113, Anm. 368 Ag. 1228: 68, Anm. 242; 78 Ag. 1233: 102, Anm. 339; 110, Anm. 365 Ag. 1233-1235: 78 f. Ag. 1236: 79, Anm. 269 Ag. 1256-1285: 79 Ag. 1280-1285: 83; 83, Anm. 278; 86 Ag. 1280: 112 Ag. 1282: 116; 178; 211 Ag. 1309-1311: 98, Anm. 323 Ag. 1313 ff.: 131 Ag. 1316: 77, Anm. 265 Ag. 1343: 77, Anm. 266 Ag. 1345: 77, Anm. 266 Ag. 1355: 120, Anm. 391 Ag. 1372 ff.: 76, Anm. 263 Ag. 1375: 76, Anm. 263; 110 f.; 166; 204, Anm. 676 Ag. 1382 f.: 76, Anm. 263; 111; 166 Ag. 1391 f.: 130 Ag. 1401-1576: 195 Ag. 1403 f.: 195 Ag. 1405 f.: 196 Ag. 1407-1576: 131, Anm. 432 Ag. 1409~1416: 95 Ag. 1412: 55, Anm. 272 Ag. 1412 ff.: 27 Ag. 1421: 80, Anm. 272 Ag. 1429 f.: 80, Anm. 272 Ag. 1431 ff.: 47 Ag. 1435 f.: 98, Anm. 323 Ag. 1444-1446: 77, Anm. 265; 179 Ag. 1492=1516: 76, Anm. 263 Ag. 1495=1519: 84 Ag. 1496=1520: 196 Ag. 1499: 82, Anm. 275 Ag. 1502: 195 Ag. 1523: 84 Ag. 1554 ff.: 105 Ag. 1560: 80, Anm. 272 Ag. 1567 ff.: 105 Ag. 1569: 45, Anm. 152; 96, Anm. 317 Ag. 1577 ff.: 131 Ag. 1577-1673: 80-83 Ag. 1580: 76, Anm. 263 Ag. 1602: 45, Anm. 152; 96, Anm. 317 Ag. 1603 ff. 83, Anm. 278 Ag. 1640 f.: 66, Anm. 231; 166 Ag. 1646-1648: 83, Anm. 278 Ag. 1650-1653: 194 Ag. 1651: 81, Anm. 274 Ag. 1667: 83, Anm. 278 Cho. 1-21: 83-87; 133 f. Cho. 15 ff.: 175 Cho. 18: 84, Anm. 280 Cho. 20 f.: 176 Cho. 32-41: 95 Cho. 84-148: 87 Cho. 119: 90 Cho. 124: 141 Cho. 124 ff.: 84 Cho. 129 f.: 47 Cho. 132 f.: 143; 178 Cho. 135: 143; 180; 204 Cho. 135 f.: 178 Cho. 138: 88; 178 Cho, 138 f.: 142 Cho. 164-245: 87-92; 133; 176; 193 Cho. 168: 189 Cho. 168-180: 47 Cho. 174: 189 Cho. 183-211: 158 Cho. 205: 189 Cho. 205-210: 49 Stellenregister 251 Cho. 205-211: 89, Anm. 298; 189, Anm. 633 Cho. 209: 189 Cho. 212-219: 181 Cho. 227: 189 Cho. 228 f.: 49; 189, Anm. 633 Cho. 229: 189 Cho. 231: 90 Cho. 231 f.: 184; 189 Cho. 233 f.: 159; 193 Cho. 246-263: 92 f.; 164 Cho. 247-249: 96, Anm. 317 Cho. 247-251: 221 Cho. 264-267: 193 Cho. 269 f.: 176 Cho. 299-304: 121 Cho. 306-509: 196 Cho. 345-353: 93-95.; 131; 140 Cho. 363-371: 94 f.; 131; 140 Cho. 420-422: 166, Anm. 569 Cho. 458: 139, Anm. 481 Cho. 514-550: 201 Cho. 514-552: 95-98 Cho. 523 f.: 146 Cho. 523-550: 47 Cho. 524: 107, Anm. 358 Cho. 526-552: 95 f. Cho. 528: 96, Anm. 314 Cho. 531: 111, Anm. 366 Cho. 534: 96, Anm. 314 Cho. 536 f.: 71, Anm. 248; 98 Cho. 542: 146 Cho. 554: 137; 153; 195 f. Cho. 554 f.: 99, Anm. 325 Cho. 554-584: 99-102; 134; 153; 176; 193 Cho. 555: 89; 153; 159; 193 Cho. 556 f.: 84 Cho. 556-559: 137 Cho. 558 f.: 176; 193 Cho. 560-576: 161 Cho. 569 f.: 153 Cho. 573 f.: 195 Cho. 575: 153; 200 Cho. 579: 137; 153 Cho. 579-582: 196 Cho. 581 f.: 89; 99, Anm. 325; 153; 159 Cho. 612 f.: 110, Anm. 365 Cho. 615-617: 102, Anm. 339 Cho. 622: 84 Cho. 652-718: 102-106 Cho. 660-679: 103 f. Cho. 668: 101 Cho. 668 ff.: 118 Cho. 673: 106 Cho. 674-690: 134; 148; 155; 165; 203 Cho. 679: 79; 148; 155 Cho. 680-687: 148 Cho. 680-699: 104-106 Cho. 686: 138; 148 f.; 156; 170 Cho. 691-699: 150 f. Cho. 695: 105 Cho. 700-729: 105 f. Cho. 707-718: 151 Cho. 726: 84; 128 Cho. 730-782: 106; 134 Cho. 731 f.: 187 Cho. 734ff: 38, Anm. 106 Cho. 734-765: 151; 156 f. Cho. 737-739: 161 Cho. 737-741: 105 Cho. 738 f.: 157 Cho. 748-750: 187 f. Cho. 749 f.: 144; 157 Cho. 750: 136 Cho. 751: 157 Cho. 751 ff.: 108, Anm. 359 Cho. 752: 188 Cho. 757 f.: 148 Cho. 763-782: 107-109 Cho. 766-773: 194 Cho. 769: 109; 194 Cho. 809: 120, Anm. 391 Cho. 812-818: 84 Cho. 863: 120, Anm. 391 Cho. 886: 167 Cho. 888: 84 Cho. 900-902: 85; 136 Cho. 924: 209 Cho. 928 f.: 98 Cho. 933: 178, Anm. 604 Cho. 947: 84 Cho. 955: 84 Cho. 973-1076: 110 Cho. 1000: 166; 204, Anm. 676 Cho. 1003: 84 Cho. 1011: 69, Anm. 244 Cho. 1016: 111 Cho. 1021-1043: 111 Cho. 1042: 79, Anm. 271; 112; 116; 178; 211 Cho. 1046: 120, Anm. 391 Cho. 1048 f.: 114 Cho. 1048-1050: 209 f. Cho. 1048-1062: 112; 134 Cho. 1049: 129 Cho. 1051: 114 Cho. 1053: 114 252 Stellenregister Cho. 1054: 112; 209 Cho. 1057: 114 Cho. 1523: 84 Eum. 34: 68, Anm. 239 Eum. 34-139: 113-115 Eum. 41: 117 Eum. 48-52: 210 Eum. 52: 129; 210 Eum. 55: 129 Eum. 64 ff.: 134 Eum. 64-66: 125; 208 Eum. 64-84: 116; 211 Eum. 64-93: 114, Anm. 371 Eum. 74-79: 125; 211 Eum. 78 f.: 143, Anm. 497 Eum. 80: 210 Eum. 81 f.: 181 Eum. 85-87: 125; 208 Eum. 89-93: 116 Eum. 117-129: 115 Eum. 127: 210 Eum. 131 f.: 210 Eum. 140ff: 114, Anm. 371 Eum. 143-177: 115 Eum. 176: 117 Eum. 198-212: 121, Anm. 394 Eum. 205: 117 Eum. 232-243: 125; 208 Eum. 234: 117 Eum. 235 ff.: 117, Anm. 379; 132 Eum. 235-243: 116 f.; 125; 211 Eum. 236: 123 Eum. 237: 117 Eum. 239 f.: 117 Eum. 242: 210 Eum. 243: 125 Eum. 246: 210 Eum. 248-251: 117 Eum. 254-298: 117 Eum. 268: 123 Eum. 276-291: 117; 125; 211 Eum. 289: 125 Eum. 292-298: 208 Eum. 297: 125 Eum. 324: 123 Eum. 397-402: 208 Eum. 397-405: 125 Eum. 403-405: 125 f.; 208 Eum. 404 f.: 125, Anm. 408 Eum. 408 f.: 117 Eum. 415-435: 121, Anm. 394 Eum. 415-469: 117 f. Eum. 419: 123 Eum. 436-469: 116 f.; 125; 211 Eum. 458-469: 118 Eum. 470-489: 124 Eum. 484: 130 Eum. 498: 130 Eum. 566: 121 Eum. 566-673: 134 Eum. 570: 121 Eum. 576-580: 125; 208 Eum. 582-639: 121 Eum. 585-673: 120-124 Eum. 614-621: 209 Eum. 616-621: 84, Anm. 280 Eum. 624: 123 Eum. 625 f.: 121 Eum. 631 f.: 121 Eum. 637: 121 Eum. 640-644: 122 Eum. 657-680: 122 Eum. 663-666: 209 Eum. 681-710: 124 f.; 134 Eum. 685-690: 210 Eum. 701: 125 Eum. 708-710: 125 Eum. 710: 130 Eum. 711: 128 Eum. 720: 128 Eum. 734-743: 125 f.; 134 Eum. 738: 209 Eum. 741: 210 Eum. 752 f.: 125 Eum. 753: 210 Eum. 775: 120 Eum. 778 ff.: 210 Eum. 778-1047: 128-131 Eum. 900: 130 Eum. 903-915: 130 Eum. 921-926: 130 Eum. 923: 71, Anm. 247 Eum. 938-946: 130 Eum. 956-967: 130 Eum. 976-987: 130 Eum. 996: 130 Pers. 150-158: 204, Anm. 675 Pers. 274-277: 60, Anm. 212 Pers. 420: 60, Anm. 212 Pers. 809: 68, Anm. 241 Suppl. 58-67: 77, Anm. 265 Suppl. 239: 68, Anm. 241 frr. **99-101 (Kares oder Europe): 35 frr. 113-115 (Kirke): 36; 38; 221 frr. 131-142 (Myrmidones): 36 frr. 150-154 (Nereides): 36 frr. 179-*180 (Ostologoi): 37 f.; 38, Anm. 106; 221 Stellenregister 253 fr. 187 (Penelope): 36 f.; 104 f.; 134; 191, Anm. 639; 221 frr. 210-215 (Proteus): 35 f.; 177 fr. 210 (Proteus): 36 fr. 211 (Proteus): 35 f. frr. 225-234 (Sisyphos Drapetes/ Sisyphos Petrokylistes): 36 fr. 230 (Sisyphos Drapetes/ Sisyphos Petrokylistes): 36; 66 frr. 263-272 (Phryges): 36 frr. 273-278 (Psychagogoi): 36 f.; 66; 221 fr. 273 (Psychagogoi): 36 f. fr. 375: 36 APOLLODORUS Epit. 3, 15: 55, Anm. 193 Epit. 6, 5-7; 11: 60, Anm. 215 Epit. 7, 40: 120, Anm. 388 FGrH 244 F 63b (Chron.): 25, Anm. 61 APOSTOLIUS 8, 42: 27, Anm. 67 ARCHILOCHUS fr. 172-181 IEG: 55, Anm. 192 ARISTOPHANES Av. 1196-1261: 125, Anm. 408 Nub. 534-536: 49; 189, Anm. 633 Pax 79-178: 125, Anm. 408 Ran. 1034-1036: 13 Ran. 1039 ff.: 35, Anm. 91 Ran. 1141-1146: 84, Anm. 280 Thesm. 547 f.: 191, Anm. 639 fr. 233 PCG: 25, Anm. 60 ARISTOTELES Athen. pol. 18, 1: 24, Anm. 55 Athen. pol. 25, 2: 125, Anm. 406 Poet. 3, 1448a20-24: 31; 218 Poet. 4, 1448b34-1449a2: 31 f. Poet. 4, 1449a15: 86, Anm. 290; 226, Anm. 769 Poet. 4, 1449a15-18: 223, Anm. 755 Poet. 6, 1449b24-28: 31; 219 Poet. 6, 1449b27: 33, Anm. 90 Poet. 6, 1450a33-35: 33; 218 Poet. 6, 1450a33-36: 92, Anm. 304 Poet. 8, 1451a24-30: 32 Poet. 10, 1452a16 ff.; 32 f.; 36-1452b3: 92, Anm. 304 Poet. 13, 1453a30-39: 32, Anm. 85 Poet. 14, 1454a4: 219, Anm. 722 Poet. 16: 33; 89, Anm. 298 Poet. 16, 1454b25-30: 89, Anm. 296 Poet. 16, 1454b30-37: 90, Anm. 301 Poet. 16, 1455a4-6: 89, Anm. 295 Poet. 17, 1455b16-23: 32; 39, Anm. 109 Poet. 17, 1455b16-26: 217 Poet. 18, 1455b32-34: 218 Poet. 23, 1459b2-7: 32; 35, Anm. 92 Poet. 24: 33 Poet. 24, 1459b7-16: 33; 218 Poet. 24, 1459b9-15: 92, Anm. 304 Poet. 24, 1460a5-11: 108, Anm. 362 Poet. 24, 1460a8-11: 31; 218 Poet. 24, 1460a31-33: 148, Anm. 513 Poet. 26, 1462b3-11: 32, Anm. 89 Poet. 26, 1462b7-11: 32, Anm. 87 Pol. 8, 1342a: 33, Anm. 90 Rhet. 1375b30: 24, Anm. 59 fr. 611, 10 Rose: 25, Anm. 61 fr. 637, p. 295, 5 f.; 18 ff. Rose: 23, Anm. 53 ATHENAEUS 1, 20E: 138, Anm. 476 7, 277C: 39, Anm. 114 8, 347D: 13 15, 667C: 37, Anm. 104 CICERO De or. 3, 137: 25, Anm. 61 ‚DICTYS CRETENSIS‘ 6, 2: 136, Anm. 465 DIOGENES LAERTIUS 1, 48: 25, Anm. 61 1, 57: 8; 25, Anm. 61 3, 56: 86, Anm. 290; 226, Anm. 769 DIO CHRYSOSTOMUS 2, 44: 25, Anm. 61 EGF Procl. Cypr. enarrat. 15 f., p. 31: 43, Anm. 141 Procl. Cypr. enarrat. 44-46, p. 32: 55, Anm. 193 Procl. Cypr. enarrat. 55-63, p. 32: 55, Anm. 193 Procl. Nost. enarrat. 9-11, 18 f., p. 67: 60, Anm. 213 Procl. Nost. enarrat. 23 f., p. 67: 87, Anm. 292 Procl. Nost. enarrat. 25-27, p. 67: 45, Anm. 150 EPHORUS FGrH 70 F 149: 25, Anm. 61 EURIPIDES Alc. 6: 180, Anm. 609 Alc. 598: 183, Anm. 615 Cycl. 1-40: 41 f. Cycl. 76: 180, Anm. 609 Cycl. 316-346: 42 Cycl. 413-415: 42 254 Stellenregister Cycl. 510: 183, Anm. 615 Cycl. 548 f.: 42 Cycl. 663: 42 Cycl. 663-707: 42 Cycl. 665: 42 Cycl. 667 f.: 42 Cycl. 689-692: 42 Cycl. 696-700: 42 Cycl. 704 f.: 42 El. 1-111: 173-177 El. 15: 180, Anm. 607 El. 16-18: 187 El. 19-21: 177; 212; 228 El. 92: 188 El. 112-166: 49; 177-179 El. 130 f.: 182 El. 131: 199, Anm. 659; 213; 229 El. 131 f.: 213 El. 138 f.: 182 El. 139: 213; 228 El. 154 f.: 204, Anm. 677 El. 157 f.: 202 El. 167-212: 49 El. 167-214: 179 El. 178-180: 184 El. 185: 187 El. 202: 228 El. 202-205: 185 El. 202-206: 213 El. 208: 179; 228 El. 215-431: 181-186 El. 233: 178; 199, Anm. 659; 213; 229 El. 240: 179; 228 El. 252: 185; 213 El. 257: 207 El. 285-287: 187 El. 300-338: 49 El. 307: 213 El. 307 f.: 190; 229 El. 312 f.: 212; 228 El. 312 ff.: 165 El. 326-331: 229 El. 357 f.: 200 El. 409-416: 187 El. 432-486: 187 El. 447 f.: 197 El. 487-584: 187-192 El. 501-507: 187 El. 518 ff.: 89 El. 518-544: 89 f., Anm. 298; 189; 189, Anm. 633 El. 520 ff.: 189, Anm. 633 El. 524-526: 189, Anm. 633 El. 525: 228 El. 532 f.: 189, Anm. 633 El. 532-544: 49 El. 549-584: 190 f. El. 550-584: 201 El. 572 ff.: 198 El. 585-698: 192-197 El. 629: 199, Anm. 660 El. 637: 198 El. 647: 203 El. 647-663: 203 El. 659: 201 El. 690 f.: 199 El. 695: 206 El. 746: 207 El. 747-858: 197-202 El. 785: 202 El. 805: 202 El. 850: 178; 199; 199, Anm. 659; 213; 229 El. 851: 199, Anm. 660 El. 852: 199 El. 855: 199 El. 965 f.: 203 El. 990 f.: 207 El. 998-1123: 49 El. 998-1146: 203-207 El. 1102-1146: 205 El. 1233-1356: 207-212 El. 1280-1283: 49 El. 1342-1356: 210 El. 1347 ff.: 49 Herc. 355: 183, Anm. 615 Hipp. 575: 71, Anm. 247 I. A. 606: 183, Anm. 615 I. T. 218: 183, Anm. 615 I. T. 226: 183, Anm. 615 I. T. 300: 60, Anm. 212 Med. 1278: 69, Anm. 244 Or. 176: 60, Anm. 213 Or. 268-270: 27; 201, Anm. 667 Or. 588-590: 202, Anm. 672 Or. 1403-1405: 202, Anm. 672 Troad. 433-444: 201, Anm. 671 fr. 773, 23-26 (Phaeton): 179, Anm. 606 frr. 803-818 (Phoinix): 41, Anm. 128 EUSEBIUS Chron. zu Ol. 53, 3: 23, Anm. 52 EUSTATHIUS Il. 381, 8: 138, Anm. 476 Il. 1298, 56 ff.: 35, Anm. 91 Od. 1553, 63: 138, Anm. 476 Stellenregister 255 Od. 1873, 44 ff., bes. 44-54: 87, Anm. 293 GELLIUS 17, 4, 3: 41, Anm. 127 GORGIAS Hel. 8-14: 28 HERODOTUS 1, 108: 147; 170; 225 1, 157-159: 136, Anm. 468 4, 14: 138, Anm. 479 4, 95: 138, Anm. 479; 225 5, 67, 1: 23, Anm. 50 5, 94, 2: 24, Anm. 59 6, 86: 136, Anm. 468 7, 19: 147; 170; 225 7, 161, 3: 24, Anm. 59 HESIODUS Heroinen-Katalog fr. 23a M.-W.: 45 Heroinen-Katalog fr. 176 M.-W.: 45 Heroinen-Katalog fr. 194 M.-W.: 45 Op. 225-237: 130, Anm. 430 Op. 760-764: 115, Anm. 374 HOMERUS Il. 1, 26-32: 64 Il. 1, 106-120: 64 Il. 1, 113-115: 43 Il. 1, 234 ff.: 147, Anm. 511 Il. 2, 93 f.: 113, Anm. 369; 115, Anm. 374 Il. 2, 101-108: 147; 170; 225 Il. 2, 182ff: 64 Il. 2, 246-264: 64 f. Il. 2, 284-332: 64 Il. 2, 299-329: 55 Il. 2, 553 f.: 24, Anm. 59 Il. 2, 557: 25, Anm. 61 Il. 2, 797: 130, Anm. 430 Il. 3, 191-224: 62 f. Il. 3, 162-190: 63, Anm. 221 Il. 3, 236-244: 209, Anm. 694 Il. 4, 169-182: 184, Anm. 619 Il. 4, 338-348: 64 Il. 4, 356-363: 75 Il. 6: 20; 83, Anm. 277 Il. 6, 57-60: 55, Anm. 192 Il. 6, 369 ff.: 40 f.; 171, Anm. 586; 225, Anm. 766 Il. 6, 405-439: 72, Anm. 252 Il. 8, 1: 56, Anm. 198 Il. 9, 17-28: 64 Il. 9, 142-145=284-287: 43 Il. 9, 180-306: 65 Il. 9, 403: 130, Anm. 430 Il. 9, 447-484: 41, Anm. 128 Il. 9, 490 ff.: 108, Anm. 359 Il. 10: 41 Il. 11, 113 f.: 54, Anm. 189 Il. 13, 361 ff.: 43; 43, Anm. 141 Il. 14, 65-81: 64 Il. 14, 83-103: 64 Il. 16-18: 36 Il. 16, 419-683: 35 Il. 16, 428-430: 54 Il. 18, 316-323: 54, Anm. 189 Il. 18, 483-489: 187 Il. 18, 567-572: 23 Il. 19-23: 36 Il. 19, 1 f.: 56, Anm. 198 Il. 19, 155-183: 65 Il. 22: 83, Anm. 277 Il. 22, 156: 130, Anm. 430 Il. 23: 151; 170 Il. 23, 226 f.: 56, Anm. 198 Il. 23, 239: 38, Anm. 106 Il. 23, 252 f.: 38, Anm. 106 Il. 23, 287-533: 150; 225 Il. 23, 336-340: 150 Il. 23, 380 f.: 150 Il. 23, 467 f.: 150 Il. 24: 18; 39, Anm. 115 Il. 24, 695: 56, Anm. 198 Il. 24, 697-701: 43 Il. 24, 697-706: 43, Anm. 141 Il. 24, 793: 38, Anm. 106 Od. 1: 44 Od. 1, 1: 163 Od. 1, 3 f.: 119 Od. 1, 29 ff.: 44; 80 Od. 1, 39 f.: 44, Anm. 145 Od. 1, 40 f.: 135, Anm. 463 Od. 1, 41: 142, Anm. 492 Od. 1, 81-95: 100, Anm. 329 Od. 1, 84-87: 58, Anm. 204; 84; 119 Od. 1, 91 f.: 144 Od. 1, 106-112: 184 Od. 1, 144-154: 184 Od. 1, 150-152: 144 Od. 1, 227: 184 Od. 1, 236-240: 94; 140 Od. 1, 239 f.~24, 32 f.: 94 Od. 1, 282: 113, Anm. 369 Od. 1, 282 f.: 115, Anm. 374 Od. 1, 298: 154, Anm. 533 Od. 1, 298-300: 44; 137, Anm. 469 Od. 1, 300: 85, Anm. 284 Od. 1, 346 f.: 69 Od. 1, 362 f.: 179 f.; 184 Od. 1, 365: 180 256 Stellenregister Od. 1, 378-380: 122, Anm. 402 Od. 1, 428-442: 108, Anm. 360 Od. 2, 1-295: 123, Anm. 403 Od. 2, 87-122: 129 Od. 2, 93: 85 Od. 2, 94-110: 74, Anm. 258 Od. 2, 143-145: 122, Anm. 402 Od. 2, 157-176: 123 Od. 2, 216 f.: 113, Anm. 369; 115, Anm. 375 Od. 3: 44 f.; 60 f.; 211, Anm. 702; 218 Od. 3, 44: 68, Anm. 241 Od. 3, 79 ff.: 61 Od. 3, 103 ff.: 133 Od. 3, 118: 81, Anm. 273 Od. 3, 130-183: 60, Anm. 215 Od. 3, 193-198: 44 Od. 3, 198: 85, Anm. 284 Od. 3, 234 f.: 44 Od. 3, 248-252: 60; 60, Anm. 215 Od. 3, 248-275: 44 Od. 3, 250: 85, Anm. 284 Od. 3, 254 ff.: 102 Od. 3, 255-261: 60, Anm. 215 Od. 3, 259 f.: 198 Od. 3, 262-264: 82 Od. 3, 263: 46, Anm. 158 Od. 3, 276-302: 60, Anm. 215 Od. 3, 286-300: 60; 131 Od. 3, 303-310: 44; 60; 60, Anm. 215 Od. 3, 304: 46, Anm. 158 Od. 3, 304 f.: 131 Od. 3, 306 f.: 132 Od. 3, 306-308: 118 Od. 3, 308: 85, Anm. 284 Od. 3, 310: 82.; 143, Anm. 499 Od. 3, 311: 60, Anm. 215 Od. 3, 311 f.: 210; 215 Od. 3, 318-322: 60, Anm. 215 Od. 4: 44 f.; 61; 212; 211, Anm. 702; 218 Od. 4, 81-91: 60, Anm. 215 Od. 4, 91 f.: 44 Od. 4, 92: 85, Anm. 284 Od. 4, 95 f.: 60, Anm. 215 Od. 4, 149: 89, Anm. 297 Od. 4, 149 f.: 189, Anm. 630 Od. 4, 220-232: 60, Anm. 215 Od. 4, 316 ff.: 61 Od. 4, 351 ff.: 36; 60; 133; 210 Od. 4, 351-386: 60, Anm. 215 Od. 4, 499-518: 61; 131 Od. 4, 512-537: 44 Od. 4, 514: 46, Anm. 158 Od. 4, 521 f.: 58; 63 Od. 4, 523: 58 Od. 4, 524-528: 52; 60; 131 Od. 4, 529: 85, Anm. 284 Od. 4, 529 ff.: 45 Od. 4, 529-537: 143; 170; 201; 214; 230 Od. 4, 530 f.: 82; 194; 201 Od. 4, 532-535: 44, Anm. 145 Od. 4, 534 f.: 201 f. Od. 4, 535=11, 411: 202 Od. 4, 536 f.: 45; 202 Od. 4, 544-547: 210 Od. 4, 546 f.: 44 Od. 4, 613-619: 60, Anm. 215 Od. 5: 61; 119 Od. 5, 28-42: 58, Anm. 204 Od. 5, 28-148: 84; 119 Od. 5, 29-42: 100, Anm. 329 Od. 5, 151: 143 Od. 5, 291 ff.: 60 Od. 5, 482 f.: 182 Od. 6: 39; 169; 177; 212; 222-225; 227; 229 Od. 6-8: 40 Od. 6, 101: 180 Od. 6, 105: 180 Od. 6, 110 ff.: 213 Od. 6, 118 f.: 176 Od. 6, 118-126: 86 Od. 6, 120 f.: 104, Anm. 347 Od. 6, 127: 138, Anm. 475; 182 Od. 6, 127-138: 66, Anm. 232 Od. 6, 133 f.: 182 Od. 6, 138 f.: 182 Od. 6, 141-147: 182 Od. 6, 157: 180 Od. 6, 168 f.: 182 Od. 7: 40 Od. 8: 40 Od. 8, 83-89: 188 Od. 8, 572-586: 119 Od. 8, 575 f.: 104, Anm. 347 Od. 9: 41 f.; 163; 169, Anm. 577 Od. 9, 19-36: 119 Od. 9, 37 ff.: 119 Od. 9, 67-71: 60 Od. 9, 105-566: 41 Od. 9, 196-215: 64, Anm. 224 Od. 9, 252-255: 119 Od. 9, 275: 42 Od. 9, 347 ff.: 42 Od. 9, 364 ff.: 157, Anm. 541; 163, Anm. 559; 225 Od. 9, 366: 163 Stellenregister 257 Od. 9, 395: 42 Od. 9, 416-418: 42 Od. 9, 481-484: 42 Od. 9, 502-505: 42 Od. 9, 507 ff.: 42 Od. 9, 537-541: 42 Od. 10: 38 Od. 10, 53: 119; 221 Od. 10, 100 f.: 181, Anm. 613 Od. 10, 122-124: 60, Anm. 215 Od. 10, 135-574: 38 Od. 10, 197: 68, Anm. 239 Od. 10, 275-308: 119 Od. 10, 277-308: 84 Od. 10, 509 f.: 37 Od. 10, 513-515: 37 Od. 11: 38; 44; 221 Od. 11, 23-330: 37 Od. 11, 32 f.: 189 Od. 11, 119-137: 120 Od. 11, 134-136=23, 281-283: 37; 40 Od. 11, 178: 69 Od. 11, 298-304: 209, Anm. 694 Od. 11, 363-379: 63, Anm. 222 Od. 11, 373-376: 163 Od. 11, 385-635: 37 Od. 11, 387 ff.: 44 Od. 11, 388 f.: 202 Od. 11, 393: 36; 66 Od. 11, 406-410: 79 Od. 11, 406-411: 94, Anm. 308; 140 Od. 11, 406-420: 143 Od. 11, 409 ff.: 45 Od. 11, 409-426: 170; 201; 214; 230 Od. 11, 412: 202 Od. 11, 412 ff.: 45 Od. 11, 412-420: 202 Od. 11, 421-423: 77; 131 Od. 11, 422: 85, Anm. 284 Od. 11, 424: 68, Anm. 242; 78, Anm. 268 Od. 11, 427-453: 64 Od. 11, 439: 85, Anm. 284 Od. 11, 441-443: 68, Anm. 238 Od. 11, 452 f.: 71 Od. 11, 454-456: 66 Od. 11, 593-600: 36 Od. 12, 73-100: 79 Od. 12, 222-259: 79 Od. 12, 405-425: 60 Od. 12, 418 f.=14, 308 f.: 60 f. Od. 12, 426-446: 79 Od. 13: 38; 45; 61; 72; 177; 202; 212; 218; 224; 229 Od. 13, 2: 129 Od. 13, 103 f.=347 f.: 199 Od. 13, 222: 62 Od. 13, 242-247: 199 Od. 13, 254 f.: 62 Od. 13, 255: 138 Od. 13, 256-286: 37; 62; 138 Od. 13, 291: 138 Od. 13, 291 f.: 85 Od. 13, 291-295: 62 Od. 13, 291-328: 227 Od. 13, 297-299: 119 Od. 13, 303-310: 100, Anm. 333 Od. 13, 333-336: 63 Od. 13, 347-350: 194 f. Od. 13, 352-354: 58 Od. 13, 353-360: 139 Od. 13, 355-360: 200 Od. 13, 356-360: 58; 64 Od. 13, 375-381: 100, Anm. 333 Od. 13, 379-381: 69 Od. 13, 383: 133; 139 Od. 13, 383-385: 44; 66; 222; 225 Od. 13, 386: 194 Od. 13, 387-391: 164 Od. 13, 393-415: 100; 100, Anm. 329 Od. 13, 396: 163 Od. 13, 397-403: 138 Od. 13, 399: 163 Od. 13, 404: 176 Od. 13, 404-411: 100, Anm. 333 Od. 13, 411-413: 176 Od. 13, 429-438: 66, Anm. 232; 204 Od. 13, 435: 206 Od. 13, 435-438: 143 Od. 13, 437 f.: 104 Od. 14: 38; 61; 72; 85; 100, Anm. 329; 186; 202; 229 Od. 14, 1 f.: 174 Od. 14, 3: 185; 213; 228 Od. 14, 5-7: 174 Od. 14, 45: 185; 200 Od. 14, 48 f.: 200 Od. 14, 51-54: 185 Od. 14, 56-59: 185 Od. 14, 126 f.: 142 Od. 14, 126-130: 70 Od. 14, 144-146: 174 Od. 14, 185-190: 119 Od. 14, 192-359: 200 Od. 14, 199: 104 Od. 14, 199-259: 37 Od. 14, 206: 131, Anm. 431 Od. 14, 321-333: 105; 149 258 Stellenregister Od. 14, 361 f.: 63, Anm. 222 Od. 14, 435 f.: 85, Anm. 287 Od. 14, 462-506: 59 Od. 14, 508 f.: 63, Anm. 222 Od. 14, 524-526: 174 Od. 15: 85; 100, Anm. 329 Od. 15, 315-324: 143 Od. 15, 317-324: 180 Od. 15, 319-324: 84 Od. 15, 352 ff.: 136 Od. 15, 389-484: 174 Od. 15, 390-484: 136 Od. 15, 392-400: 163 Od. 15, 403-484: 186 Od. 15, 413 f.: 136; 174 Od. 15, 483: 174 Od. 15, 525-534: 80 Od. 16: 38; 85; 91; 95; 196; 218; 224; 227 Od. 16, 61-67: 37 Od. 16, 113-129: 88 Od. 16, 130-155: 186 Od. 16, 148 f.: 88 Od. 16, 166-219: 90; 134; 156; 193 Od. 16, 167-171: 100; 153 Od. 16, 169-171: 164 Od. 16, 216-219: 54; 93 Od. 16, 233 f.: 100; 153; 164 Od. 16, 233-320: 100; 134; 138; 153; 161; 193 Od. 16, 235-255: 100 Od. 16, 241-257: 115, Anm. 375; 154 Od. 16, 243 f.: 201 Od. 16, 259-261: 154; 194 Od. 16, 259-269: 100 Od. 16, 260 f.: 164 Od. 16, 270 f.: 196 Od. 16, 270 ff.: 154 Od. 16, 273: 101; 161 Od. 16, 274-307: 101 Od. 16, 286-294=19, 5-13: 101; 149 Od. 16, 299-303: 91; 154; 161 f. Od. 16, 304 f.: 195 Od. 16, 305-307: 63 Od. 16, 313 f.: 63 Od. 16, 379: 81, Anm. 273 Od. 16, 421-423: 81, Anm. 273 Od. 16, 449 f.: 180 Od. 17: 38; 72; 85; 100; 207; 214 Od. 17, 48: 180 Od. 17, 152-161: 80 Od. 17, 197 f.: 104 Od. 17, 200: 85 Od. 17, 261: 85 Od. 17, 264-268: 58 Od. 17, 267 f.: 103 Od. 17, 291-327: 68 Od. 17, 337 f.: 204 Od. 17, 339: 103 Od. 17, 387: 206 Od. 17, 411 f.: 38, Anm. 106 Od. 17, 415 f.: 205 Od. 17, 415-444: 186 Od. 17, 446: 144 Od. 17, 454: 205 Od. 17, 460: 205, Anm. 681 Od. 17, 462 f. 184 Od. 17, 465: 206 Od. 17, 473: 206 Od. 17, 475 f.: 205 Od. 17, 514: 129 Od. 17, 514-521: 63, Anm. 222 Od. 17, 521: 129 Od. 18: 38; 98; 100; 214 Od. 18, 125-150: 186 Od. 18, 143-150: 205 Od. 18, 145 f.: 206 Od. 18, 149: 205, Anm. 681 Od. 18, 302-305: 69 f. Od. 18, 307-311: 71, Anm. 248; 98; 200 Od. 18, 317: 98 Od. 18, 343: 71, Anm. 248; 98; 200 Od. 18, 350-381: 38 Od. 18, 354 f.: 98 Od. 18, 356 ff.: 180 Od. 18, 394-398: 184 Od. 19: 38 f.; 91; 98; 155; 159 f.; 170; 186; 189, Anm. 633; 192; 201; 213.; 221; 227 f.; 230 Od. 19, 4: 200 Od. 19, 15-30: 109 Od. 19, 33-40: 98; 129 Od. 19, 48: 98; 129 Od. 19, 55: 129 Od. 19, 63: 71, Anm. 248 Od. 19, 63 f.: 98; 129; 200 Od. 19, 96-360: 37 Od. 19, 100 ff.: 1156 Od. 19, 104: 159, Anm. 546; 183 Od. 19, 104 f.: 104; 119 Od. 19, 109-114: 130, Anm. 430 Od. 19, 124: 159, Anm. 546; 183 Od. 19, 124-147: 70 Od. 19, 124-161: 88; 158 Od. 19, 127: 70, Anm. 246; 142 Od. 19, 127 f.: 178 Od. 19, 130-133: 175; 184 Od. 19, 136: 142; 180; 183; 226; 228 Stellenregister 259 Od. 19, 137-156: 184 Od. 19, 138-140: 184 Od. 19, 138-156: 74, Anm. 258; 129 Od. 19, 150: 71, Anm. 248 Od. 19, 162 f.: 119 Od. 19, 165-202: 37; 134; 156; 200 Od. 19, 172: 104 Od. 19, 172-202: 90 Od. 19, 183: 104 Od. 19, 204-208: 158; 180; 183; 226; 228 Od. 19, 209 f.: 183 Od. 19, 209-212: 158 Od. 19, 213: 90; 158 Od. 19, 213=251=21, 57: 178 Od. 19, 215: 159, Anm. 546; 183 Od. 19, 215-260: 90 Od. 19, 218: 190 Od. 19, 221-248: 156 Od. 19, 249-251: 158 Od. 19, 253: 159, Anm. 546; 183 Od. 19, 255-257: 90; 190 Od. 19, 262-307: 134; 156 Od. 19, 263 f.: 158 Od. 19, 268-307: 105; 149; 156 Od. 19, 270-272: 158 f. Od. 19, 272: 183 Od. 19, 309: 159, Anm. 546; 183 Od. 19, 313-316: 104 Od. 19, 317: 200 Od. 19, 317-319: 73 f.; 129 Od. 19, 317-328: 104 Od. 19, 325 f.: 74 Od. 19, 336-340: 129 Od. 19, 337-339: 74 Od. 19, 343 ff.: 156 Od. 19, 343-345: 75 Od. 19, 346 f.: 108 Od. 19, 350: 149, Anm. 546 Od. 19, 353: 183 Od. 19, 353-355: 108; 157 Od. 19, 356: 191 Od. 19, 357 ff.: 157 Od. 19, 358: 191 Od. 19, 358 f.: 89, Anm. 297; 162 f. Od. 18, 359: 189, Anm. 630 Od. 19, 361 f.: 108 Od. 19, 361-503: 37; 40 Od. 19, 363: 151 Od. 19, 369-372: 151 Od. 19, 370-372: 157 Od. 19, 370-374: 108 Od. 19, 377 f.: 108 Od. 19, 379-486: 89 Od. 19, 381: 89, Anm. 297; 163; 189, Anm. 630 Od. 19, 386: 200 Od. 19, 386-388: 76; 76, Anm. 263; 108; 157 Od. 19, 386-475: 89 Od. 19, 391-466: 191 Od. 19, 392 f.: 189, Anm. 630 Od. 19, 395-398: 85 Od. 19, 406 ff.: 40; 163, Anm. 559; 225, Anm. 765 Od. 19, 446: 68, Anm. 239 Od. 19, 467-470: 108 Od. 19, 469: 200 Od. 19, 469 f.: 76 Od. 19, 474: 191 Od. 19, 476: 68, Anm. 239 Od. 19, 482 f.: 108; 157 Od. 19, 482-504: 109 Od. 19, 485 f.: 159; 162; 193 Od. 19, 496 f.: 76, Anm. 263 Od. 19, 502: 159; 193 Od. 19, 503 f.: 108 Od. 19, 506 f.: 98; 129 Od. 19, 506-599: 37 Od. 19, 509: 159, Anm. 546; 183 Od. 19, 510-553: 71 Od. 19, 512: 142 Od. 19, 513-517: 178 Od. 19, 516 f.: 71, Anm. 251 Od. 19, 518: 140 f.; 179 Od. 19, 518-529: 77 Od. 19, 521 f.: 179 Od. 19, 521-523: 141 Od. 19, 535-558: 96, Anm. 314; 97; 146 Od. 19, 560: 159, Anm. 546; 183 Od. 19, 589: 159, Anm. 546; 183 Od. 19, 589-599: 184 Od. 19, 596: 141, Anm. 488 Od. 20: 100 Od. 20, 1-4: 75 Od. 20, 6-13: 144 Od. 20, 18: 119 Od. 20, 41-43: 122, Anm. 402 Od. 20, 42 f.: 112 Od. 20, 122 f.: 200 Od. 20, 152 f.: 200 Od. 20, 176: 200 Od. 20, 299 f.: 184 Od. 20, 345-357: 201 Od. 20, 351-357: 80 Od. 20, 364-370: 80 Od. 21: 200; 224; 227; 230 Od. 21, 188-241: 193 260 Stellenregister Od. 21, 226 ff.: 159, Anm. 549 Od. 21, 226-229: 91, Anm. 302; 162 Od. 21, 228-241: 100; 161 Od. 21, 230-241: 196 Od. 21, 235-239: 198 Od. 21, 380-387: 109 Od. 21, 381-385: 198 Od. 22: 45; 143; 163; 168; 200; 202; 214; 226; 230 Od. 22, 9 ff.: 184 Od. 22, 32 f.: 167 Od. 22, 41: 167 Od. 22, 45 f.: 167 Od. 22, 63 f.: 168 Od. 22, 73 f.: 201 Od. 22, 112-115: 136 Od. 22, 116-118: 201 Od. 22, 126-200: 101 Od. 22, 321: 167 Od. 22, 329: 167 Od. 22, 384-386: 82; 167 Od. 22, 407 f.: 111 Od. 22, 408: 201 Od. 22, 409-412: 89 Od. 22, 411: 91, Anm. 302; 159 Od. 22, 411-413.: 111 Od. 22, 417 f.: 109 Od. 22, 448-457: 38 Od. 22, 475 f.: 168 Od. 22, 481 f.: 112 Od. 22, 491 f.: 112 Od. 22, 495-501: 201 Od. 23: 38; 189, Anm. 633; 191; 202; 214; 228 Od. 23, 1-3: 188 Od. 23, 10-204: 162 Od. 23, 11-14: 191 Od. 23, 18 f.: 71, Anm. 251 Od. 23, 40-42: 198 Od. 23, 85-204: 198 Od. 23, 93-95: 198 Od. 23, 97 f.: 191 Od. 23, 111-140: 122, Anm. 402 Od. 23, 118-120: 112 Od. 23, 130-140: 112 f. Od. 23, 165-343: 37 Od. 23, 174-180: 74, Anm. 257 Od. 23, 233-239: 72 Od. 23, 248-253: 120 Od. 23, 264-284: 120 Od. 23, 296: 122 Od. 23, 306 f.: 119 Od. 23, 306-309: 68 Od. 23, 310-341: 61 Od. 23, 310-343: 119 Od. 23, 347 f.: 163, Anm. 558 Od. 24: 38; 44 f.; 72; 91, Anm. 303; 124; 214 f.; 218; 221; 228; 230 Od. 24, 19-22: 44 Od. 24, 21 f.: 45; 202 Od. 24, 22: 44, Anm. 145 Od. 24, 30-34: 94; 140 Od. 24, 72: 38, Anm. 106 Od. 24, 95-97: 44 Od. 24, 115-117: 66 Od. 24, 115-119: 101 Od. 24, 128-148: 129 Od. 24, 129-146: 74, Anm. 258 Od. 24, 192-202: 64 Od. 24, 193 ff.: 44 Od. 24, 203 ff.: 191, Anm. 636 Od. 24, 205 f.: 199 Od. 24, 205 ff.: 181, Anm. 613 Od. 24, 226: 199 Od. 24, 244-279: 105 Od. 24, 247: 199 Od. 24, 298-301: 119 Od. 24, 303-314: 105; 200 Od. 24, 309-314: 139, Anm. 479; 149 Od. 24, 412-548: 122 Od. 24, 413: 115 Od. 24, 413 ff.: 82; 113; 134 Od. 24, 413-419: 38 Od. 24, 413-466: 123, Anm. 403 Od. 24, 415 f.: 115 Od. 24, 420 f.: 115; 123 Od. 24, 420-466: 38; 123; 134 Od. 24, 432: 115; 123 Od. 24, 437: 115; 123 Od. 24, 458-460: 124 Od. 24, 463 f.: 126 Od. 24, 463-471: 82 Od. 24, 466: 116 Od. 24, 468: 116 Od. 24, 471 f.: 127 Od. 24, 472 ff.: 209 Od. 24, 472-488: 126; 130; 134; 208 Od. 24, 486: 130 f. Od. 24, 487 f.: 127 Od. 24, 489 ff.: 133 Od. 24, 489-501: 82 Od. 24, 491: 116 Od. 24, 495: 116 Od. 24, 496 f.: 136 Od. 24, 526 f.: 82 Od. 24, 529 ff.: 82 Od. 24, 529-532: 126; 134 Od. 24, 541-545: 134 Stellenregister 261 Od. 24, 541-548: 126 f. H. Hom. ad Apoll. 146-178: 23, Anm. 50 [LONGINUS] De subl. 9, 15: 103, Anm. 345 De subl. 13, 3: 48, Anm. 169 LYCURGUS In Leocr. 102: 24, Anm. 54 MARCELLINUS Vita Thuc. 3: 23, Anm. 52 NICOLAUS DAMASCENUS FGrH 90 F 25: 136, Anm. 465 OVIDIUS Met. 12, 39-63: 115, Anm. 374 PAUSANIAS 10, 7, 2-8: 23, Anm. 50 PEG Cypr. arg. 11, p. 39: 43, Anm. 141 Cypr. arg. 33-35, p. 40: 55, Anm. 193 Cypr. arg. 42-49, p. 41: 55, Anm. 193 Nost. arg. 6 f.; 12 f., p. 94: 60, Anm. 213 Nost. arg. 16, p. 95: 87, Anm. 292 Nost. arg. 17-19, p. 95: 45, Anm. 150 PHOTIUS Lex. s. v. Oujde; n p. t. D .: 27, Anm. 67 PINDARUS P. 11, 15-37: 47 P. 11, 17-22: 47 P. 11, 22 f.: 47 P. 11, 29 f.: 47 P. 11, 31-34: 47 P. 11, 34-37: 47 PLATO Gorg. 485d5 f.: 24 f., Anm. 60 Hipparch. 228b5-c1: 24, Anm. 58 Ion 530c-d: 29 Ion 531a1-3: 29, Anm. 76 Ion 535b1-c8: 219 Ion 535b2-c3: 29 Ion 535c5-8: 29 f. Ion 535e1-3: 30 Leg. 7, 803e6: 24 f., Anm. 60 Leg. 7, 810e6-811a5: 25, Anm. 60 Leg. 7, 817: 31, Anm. 83 Prot. 339a: 25, Anm. 60 Rep. 2, 376e-3, 392c: 30 Rep. 2, 377-3, 397: 33, Anm. 90 Rep. 2, 377b11-d6: 25, Anm. 60 Rep. 2, 380a3-4: 30, Anm. 80 Rep. 2, 381d8: 30, Anm. 80 Rep. 2, 383b1-9: 30, Anm. 80 Rep. 3, 391e7-9: 30, Anm. 80 Rep. 3, 404bc: 35, Anm. 92 Rep. 10, 595b-c: 30 f. Rep. 10, 595b9 f.: 25, Anm. 60 Rep. 10, 595b10-c2: 219 Rep. 10, 595c: 13 Rep. 10, 598a-599b: 30 Rep. 10, 598a-d9: 30, Anm. 81 Rep. 10, 602b: 30 Rep. 10, 605c10-d5: 30 f. Rep. 10, 606e-607a5: 25, Anm. 60 Rep. 10, 607a2-3: 30, Anm. 81 Theaet. 152e2-7: 30, Anm. 81 PLUTARCHUS De Iside et Osiride 8, 8, 3: 35, Anm. 92 De prof. in virt. 7, 79B: 171, Anm. 585 Lyc. 1, 4: 25, Anm. 61 Mor. 294CD: 120, Anm. 388 Quaest. Graec. 140: 120, Anm. 388 Sol. 10: 24, Anm. 59 [PLUTARCH] De mus. 1134b-c: 23, Anm. 50 PMG 564=TA 1a PMGF: 48, Anm. 169 699-700: 54, Anm. 189 PMGF 18: 136, Anm. 465 192; 193: 210; 215 209, col. ii, 4: 46, Anm. 160 212, 2: 46, Anm. 155 216: 46, Anm. 158 217: 87, Anm. 292 217, 11-13: 47; 88; 132; 188; 201, Anm. 667; 220 217, 14-24: 47 218: 47; 107, Anm. 354; 132 219: 46; 95 f.; 69, Anm. 317; 132; 146 S27, col. ii: 48, Anm. 169 TA 1a PMGF: 48, Anm. 169=564 PMG TB 22c: 46, Anm. 155 PROCLUS Chrest. 93 f. Severyns: 43, Anm. 141 Chrest. 122-124 Severyns: 55, Anm. 193 Chrest. 135-142 Severyns: 55, Anm. 193 Chrest. 300 Severyns: 87, Anm. 292 Chrest. 301-303 Severyns: 45, Anm. 150 Chrest. 285-287; 294 f. Severyns: 60, Anm. 213 QUINTILIANUS Inst. or. 10, 1, 62: 46, Anm. 156; 48, Anm. 169 SCHOLIA 262 Stellenregister Schol. Aesch. Eum. 397: 126, Anm. 409 Schol. Aesch. Eum. 404: 126, Anm. 409 Schol. Eur. Or. 268: 47; 201, Anm. 667 Schol. Hom. Od. 8, 422: 219, Anm. 722 Schol. Hom. Od. 13 (init.): 219, Anm. 722 Schol. Soph. El. 62: 138, Anm. 479; 181 SIMONIDES 564 PMG: 48, Anm. 169 SOPHOCLES Aiax 125 f.: 157, Anm. 541 Aiax 430 ff.: 40 Aiax 514-522: 72, Anm. 252 El. 1-28: 162 El. 1-85: 135-139 El. 12: 143 El. 12-14: 151; 157 El. 29-76: 176 El. 32-37: 164 El. 39-50: 161; 196 El. 42 f.: 163 El. 44-50: 148 El. 45: 155 f. El. 53-58: 148; 155 El. 60: 154, Anm. 533 El. 62: 138, Anm. 479 El. 62-64: 138 f.; 169; 225 El. 77-85: 176 El. 86-120: 49; 139 El. 86-323: 139-145; 158 El. 107-109: 179 El. 110-120: 163, Anm. 560 El. 121-250: 49 El. 123: 183; 226; 228 El. 147-149: 77, Anm. 267; 179 El. 180-182: 226 El. 186: 178 El. 187: 142; 180; 183; 226; 228 El. 188: 163, Anm. 559; 225 El. 242 f.: 179 El. 254-309: 49; 184 El. 283: 226 El. 296 f.: 151; 157 El. 321: 151; 157 El. 340: 165 El. 396: 165 El. 405-471: 201 El. 417 ff.: 47, Anm. 161 El. 505-515: 150, Anm. 516 El. 516 ff.: 204 El. 516-659: 49 El. 566-572: 55, Anm. 193 El. 601 f.: 142, Anm. 492 El. 602: 166, Anm. 570; 179, Anm. 604 El. 637-659: 163, Anm. 560 El. 660-822: 148-152 El. 670: 156 El. 675: 159, Anm. 546; 183, Anm. 615 El. 680-763: 200 El. 742: 179, Anm. 604 El. 788-790: 157 El. 790: 161 El. 804-807: 161 El. 804-822: 157 El. 819: 142 El. 822: 142 El. 892-915: 188 El. 947-989: 160 El. 948 f.: 157, Anm. 541; 163, Anm. 559; 225 El. 999 f.: 156; 164 El. 1075-1077: 140 El. 1076 f.: 179 El. 1098-1287: 155-160 El. 1139: 156, Anm. 538 El. 1166: 163, Anm. 559; 225 El. 1180: 159, Anm. 546; 183, Anm. 615 El. 1184: 159, Anm. 546; 183, Anm. 615 El. 1113 ff.: 175 El. 1232-1287: 159; 167; 193 El. 1288-1291: 167 El. 1288-1300: 203 El. 1288-1383: 160-164 El. 1296-1299: 164 El. 1326 ff.: 193 El. 1326-1338: 167 El. 1328: 157, Anm. 541; 163, Anm. 559 El. 1364-1367: 171 El. 1368: 163, Anm. 559 El. 1369: 163; 171; 225 El. 1442-1490: 164-168 El. 1476: 204 El. 1477: 179, Anm. 604 O. C. 393: 157, Anm. 541 O. T. 1010: 68, Anm. 241 O. T. 1329-1332: 157, Anm. 541; 163, Anm. 559; 225 Phil. 239: 68, Anm. 241 frr. 439-441 (Nausikaa oder Plyntriai): 40; 138; 225 fr. 451a (Niptra oder Odysseus Akanthoplex): 40; 169; 224 Stellenregister 263 frr. 581-595 (Tereus): 141, Anm. 487 frr. *675-676 (Phaiakes): 40 fr. 965: 40; 163, Anm. 559; 223, Anm. 765 STATIUS Theb. 2, 205 ff.: 115, Anm. 374 Theb. 4, 32 ff.: 115, Anm. 374 Theb. 9, 32 f.: 115, Anm. 374 STESICHORUS 192; 193 PMGF: 210; 215 209, col. ii, 4 PMGF: 46, Anm. 160 217 PMGF: 87, Anm. 292 217, 11-13 PMGF: 47; 88; 132; 188; 201, Anm. 667; 220 217, 14-25 PMGF: 47 216 PMGF: 46, Anm. 158 218 PMGF: 47; 107, Anm. 354; 132; 136, Anm. 465 219 PMGF: 46; 95 f.; 96, Anm. 317; 132 STRABO 1, 2, 9 p. 20C: 42, Anm. 131 9, 1, 10 p. 394C: 24, Anm. 59 THUCYDIDES 3, 104: 23, Anm. 50 5, 23, 4: 211, Anm. 701 6, 2: 42, Anm. 131 TIMOTHEUS FGrH 566 F 127: 25, Anm. 61 TrGF TrGF 1 T 2: 26, Anm. 63 TrGF 3 F **99-101: 35 TrGF 3 F 113-115: 36; 221 TrGF 3 F 131-142: 36 TrGF 3 F 150-154: 36 TrGF 3 F 187: 36; 104 f.; 134; 191, Anm. 639; 221 TrGF 3 F 179-*180: 36; 221 TrGF 3 F *180: 38, Anm. 106 TrGF 3 F 210-215: 35 f.; 221 TrGF 3 F 225-234: 36 TrGF 3 F 230: 66 TrGF 3 F 263-272: 36 TrGF 3 F 273: 36 TrGF 3 F 273a: 36 f. TrGF 3 F 273-278: 36 f.; 221 TrGF 3 F 275: 37; 38, Anm. 106 TrGF 3 T 1, 53-57: 223, Anm. 756 TrGF 3 T 1, 57-59: 86, Anm. 290; 223, Anm. 755 TrGF 3 T 1, 76 f.: 39, Anm. 115 TrGF 3 T 78: 35, Anm. 93 TrGF 3 T 101: 86, Anm. 290 TrGF 3 T 101-102: 86, Anm. 290 TrGF 3 T 103-110: 223, Anm. 756 TrGF 3 T 112b: 35, Anm. 91 TrGF 4 F 439-441: 40; 138; 169; 225 TrGF 4 F 451a: 40; 169; 224 TrGF 4 F 581-595: 141, Anm. 487 TrGF 4 F *675-676: 40 TrGF 4 F 965: 163, Anm. 559; 225, Anm. 765 TrGF 4 Ha: 40 TrGF 4 T 1, 23: 86, Anm. 290; 226, Anm. 769 TrGF 4 T 1, 80 f.: 39 TrGF 4 T 1, 81-84: 40; 163, Anm. 559; 225, Anm. 765 TrGF 4 T 1, bes. 85 f.: 35, Anm. 91 TrGF 4 T 2, 3: 86, Anm. 290; 226, Anm. 769 TrGF 4 T 2, 9: 39, Anm. 115 TrGF 4 T 28-30: 138, Anm. 476 TrGF 4 T 95-98: 86, Anm. 290; 226, Anm. 769 TrGF 4 T 100: 171, Anm. 585 TrGF 4 T 115a/ b: 14 TrGF 4 T 116: 14 TrGF 4 T 136, 8 f.: 39, Anm. 114 TrGF 5, 1 T 1-3: 41, Anm. 127 TrGF 5, 2 F 773, 23-26: 179, Anm. 606 TrGF 5, 2 F 803-818: 41, Anm. 128 VALERIUS FLACCUS Arg. 2, 115 ff.: 115, Anm. 374 VERGILIUS Aen. 3, 569 ff.: 42, Anm. 131 Aen. 4, 174 ff.: 115, Anm. 374 XANTHUS 699-700 PMG: 47, Anm. 168 XENOPHANES 21 B 10 DK: 24, Anm. 60 XENOPHO Anab. 3, 1, 6: 136, Anm. 468 Symp. 3, 5-6: 25, Anm. 60 Symp. 4, 6-7: 25, Anm. 60 DRAMA Neue Serie · Band 15 Studien zum antiken Drama und zu seiner Rezeption Herausgegeben von Bernhard Zimmermann Der Ursprung der griechischen Tragödie wird vor allem im Dionysos-Kult und im Mythos gesehen. Der bereits in der Antike bekannte Einfluss der homerischen Epen ist dagegen bisher wenig untersucht. Aus modernem Blickwinkel wird das Epos als mythologische Quelle wahrgenommen, nicht wie im Athen des 6./ 5. Jhs. v. Chr. als effektvolle Performance eines Rhapsoden. Die Autorin zeichnet das Bezugsverhältnis am Beispiel von Odyssee und Orestie-Dramen mit rezeptionsästhetischem Ansatz nach. Einleitend sind die kulturpolitische Förderung der Aufführung von Epos und Tragödie im 6. Jh. v. Chr., die Verknüpfung beider Gattungen bei Platon und Aristoteles sowie der literarische Kontext des Bezuges zwischen Orestie-Dramen und Odyssee behandelt. Die Textanalyse ergibt, dass Aischylos die Struktur der Orestie vor der Folie der Odyssee gestaltet; die Transformation epischen Materials führt zu neuen Szenenformen und bühnentechnischen Innovationen. Sophokles verwendet den Homer- Bezug zur Psychologisierung der Protagonistin. Euripides spielt mit epischen Clichés und dem literarischen Spannungsfeld zwischen Epos und Drama. Die Orestie-Dramen interpretieren das dramatische Potential der Odyssee, was entscheidend zur Konstitution der Gattung Tragödie beiträgt.