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Sprachenlernen und Kognition

2017
978-3-8233-7931-7
Gunter Narr Verlag 
Jörg-Matthias Roche
Ferran Suñer

Trotz vieler Bemühungen um Kompetenz-, Aufgaben- und Handlungsorientierung kommen in der Praxis der Sprachvermittlung weiterhin verbreitet traditionelle Verfahren zur Anwendung, deren Wirksamkeit weder durch empirische Forschung noch durch die Unterrichtspraxis bestätigt worden sind. Mit der Weiterentwicklung der kognitiven Linguistik und weiterer kognitiv ausgerichteter Nachbardisziplinen beginnt sich auch in der Sprachvermittlung in vieler Hinsicht ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Die kognitionslinguistischen Grundlagen dieses Paradigmenwechsels und verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für den Sprachenerwerb werden in diesem Band systematisiert und im Kontext einer neuen, wegweisenden kognitiven Fremdsprachendidaktik illustriert. Diese Didaktik verbindet Sprache, (Inter-)Kultur, Kommunikation und Medien in innovativer, transparenter und nachhaltig wirkender Weise.

Trotz vieler Bemühungen um Kompetenz-, Aufgaben- und Handlungsorientierung kommen in der Praxis der Sprachvermittlung weiterhin verbreitet traditionelle Verfahren zur Anwendung, deren Wirksamkeit weder durch empirische Forschung noch durch die Unterrichtspraxis bestätigt worden sind. Mit der Weiterentwicklung der kognitiven Linguistik und weiterer kognitiv ausgerichteter Nachbardisziplinen beginnt sich auch in der Sprachvermittlung in vieler Hinsicht ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Die kognitionslinguistischen Grundlagen dieses Paradigmenwechsels und verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für den Sprachenerwerb werden in diesem Band systematisiert und im Kontext einer neuen, wegweisenden kognitiven Fremdsprachendidaktik illustriert. Diese Didaktik verbindet Sprache, (Inter-)Kultur, Kommunikation und Medien in innovativer, transparenter und nachhaltig wirkender Weise. 1 1 DaF/ DaZ 1 Kompendium DaF/ DaZ ISBN 978-3-8233-6931-8 Roche / Suñer Sprachenlernen und Kognition Jörg Roche / Ferran Suñer Sprachenlernen und Kognition Kompendium DaF/ DaZ Grundlagen einer kognitiven Sprachendidaktik Sprachenlernen und Kognition Kompendium DaF / DaZ Herausgegeben von Jörg Roche (München) Band 1 Jörg Roche / Ferran Suñer mit Beiträgen von Kees de Bot, Sabine De Knop, Marina Foschi, Marianne Hepp und Parvaneh Sohrabi Sprachenlernen und Kognition Grundlagen einer kognitiven Sprachendidaktik Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: info@narr.de Printed in Germany ISSN 2512-8043 ISBN 978-3-8233-7931-7 5 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Sprachenlernen und Kognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.1 Kognitive Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2 Sprache und das mehrsprachige Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.2 Raum und Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2.3 Kognitive Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Konstruktionen und Chunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.1 Grammatik als Konstruktionsinventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.2 Konstruktionen im Fremdsprachenlernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.3 Chunking und Dechunking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4.1 Sprachverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5. Text und Textualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5.1 Text als mentale Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5.2 Kontrastive Textologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 5.3 Hypertext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 6. Textverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 6.2 Höherstufige Prozesse des Lesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . . 240 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 7.1 Bilder, Sprache und Gedächtnis-- Grundlegende Theorien des Arbeitsgedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 7.2 Theorien des multimedialen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 6 8. Kognition und Sprachvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 8.1 Transferdifferenz im Modell der kognitiven Sprachdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . 294 8.2 Grammatik und Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 8.3 Kognitionslinguistisch basierte Fremdsprachenvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . 316 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 7 Vorwort Vorwort Trotz vieler neuerer Bemühungen um Kompetenz-, Aufgaben- und Handlungsorientierung kommen in der Praxis der Sprachvermittlung weiterhin verbreitet traditionelle Verfahren zur Anwendung, beispielsweise bei der Festlegung der Lehrprogression, den Niveaustufen, der Fehlerkorrektur und der Leistungsmessung. Mit der Weiterentwicklung der kognitiven Linguistik und weiterer kognitiv ausgerichteter Nachbardisziplinen beginnt sich nun aber auch in der Sprachvermittlung in vieler Hinsicht ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Die kognitionslinguistischen Grundlagen dieses Paradigmenwechsels werden in diesem Band systematisiert und anhand zahlreicher Materialien, Grammatikanimationen und weiterführender Aufgaben für den Transfer in die Praxis aufbereitet. Der Band erscheint als der erste in einer neuen Reihe, die von (fakultativen) Online-Modulen für eine moderne Aus- und Weiterbildung begleitet wird. Diese Online-Module vertiefen den Stoff der Bücher und enthalten Zusatzlektüre und Zusatzaufgaben (www.multilingua-akademie.de). Das Digitale Lexikon Fremdsprachendidaktik (www.lexikon-mla.de) bietet Erklärungen der wichtigsten Fachbegriffe aller Bücher der Reihe und damit einen leichten Zugang zu allen aktuellen Themen der Fremdsprachendidaktik und der Sprachlehr- und -lernforschung. Die Reihe Kompendium DaF / DaZ verfolgt das Ziel einer Vertiefung, Aktualisierung und Professionalisierung der Fremdsprachenlehrerausbildung. Der Fokus der Reihe liegt daher auf der Vermittlung von Erkenntnissen aus der Spracherwerbs-, Sprachlehr- und Sprachlernforschung sowie auf deren Anwendung auf die Sprach- und Kulturvermittlungspraxis. Die weiteren Bände behandeln die Themen Kognitive Linguistik, Sprachenerwerb, Berufs- und Fachsprachen, Sprachen lehren, Unterrichtsmanagement, Medien, Kultur, Propädeutik. Durch die thematisch klar abgegrenzten Einzelbände bietet die Reihe ein umfangreiches, strukturiertes Angebot an Inhalten der aktuellen DaF / DaZ-Ausbildung, die über die Reichweite eines Handbuchs weit hinausgehen und daher sowohl in der akademischen Lehre als auch im Rahmen von Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen eingesetzt werden können. Das verbindende fachliche Element der Bände ist eine Orientierung an kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen verschiedener Forschungsdisziplinen. Möglich gemacht wurde die Entwicklung der Inhalte und der Online-Module durch die Förderung des Tempus-Projektes Consortium for Modern Language Teacher Education. Neben den hier verzeichneten Autorinnen und Autoren haben eine Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der Fertigstellung des Manuskriptes dieses Buches mitgewirkt: Svenja Uth, Julia Bode, Katsiaryna EL -Bouz, Sarah Hehmann und Kathrin Heyng sowie Elena Gastring (Gunter Narr Verlag). Simone Lackerbauer hat einige der Originaltexte ins Deutsche übersetzt. Ihnen allen gebührt großer Dank für die geduldige und professionelle Mitarbeit. Der Text dieses Bandes hat mehrere Autorinnen und Autoren: in erster Linie ist er erstellt von Jörg Roche und Ferran Suñer, speist sich zusätzlich aber auch aus Elementen der Mehrsprachigkeitstheorie (2013) von Jörg Roche (1.1, Kapitel 2, Kapitel 4, Kapitel 7, Kapitel 8), dem Band Hypertexte im L2-Spracherwerb (2011) von Ferran Suñer (4.1, 4.3, 5.1, 5.3, 6.1, 6.2) und dem gemeinsamen Beitrag Kognition und Grammatik: Ein kognitionswissenschaftlicher Ansatz zur Grammatikvermittlung am Beispiel der Grammatikanimationen (2014) in der Zeitschrift 8 Vorwort für den Interkulturellen Fremdsprachenunterricht (1.1, 2.1, 2.3, 7.3, 8.1). Außerdem basieren Teile der Lerneinheit 2.3 und 7.3 auf dem Beitrag Metaphern und Grammatikvermittlung am Beispiel der Passivkonstruktion (2015) von Ferran Suñer, Teile der Lerneinheit 7.3 auf dem Beitrag Metaphors and Grammar Teaching (2016) von Jörg Roche & Ferran Suñer und Teile der Lerneinheit 8.3 auf dem Beitrag Grammatik und Methode (2015) von Jörg Roche & Ferran Suñer. Weitere Lerneinheiten sind erstellt von Kees de Bot & Hanneke Loerts (1.2 und 1.3), Sabine De Knop (Kapitel 3), Marianne Hepp & Marina Foschi (5.2) und Parvaneh Sohrabi (6.3). 9 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Der Bedarf an solider Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Sprachvermittlung nimmt ständig zu. Immer stärker treten dabei spezialisierte Anforderungen zum Beispiel in Bezug auf Fach- und Berufssprachen, Kompetenzen oder Zielgruppen in den Vordergrund. Theoretisch fundiert sollten die entsprechenden Angebote sein, aber gleichzeitig praxistauglich und praxiserprobt. Genau diese Ziele verfolgen die Buchreihe Kompendium DaF / DaZ und die begleitenden E-Module. In mehreren Modulen und Bänden soll hiermit eine umfassende Einführung in die Wissenschaft und in die Kunst des Sprachenlernens und Sprachenlehrens gegeben werden, weit weg von fernen Theorie- oder Praxiskonstruktionen und Lehr-Dogmen. Im Mittelpunkt des hier verfolgten Ansatzes steht das, was in den Köpfen der Lerner geschieht oder geschehen sollte. Sachlich, nüchtern, effizient und nachhaltig. Buchreihe und e-Module sind eine Einladung zur Professionalität eines Bereichs, der die natürlichste Sache der Welt behandelt: den Sprachenerwerb. In diesen Materialien und Kursen werden daher Forschungsergebnisse aus verschiedenen Forschungsrichtungen zusammengetragen und der Nutzen ihrer Synthese für die Optimierung des Sprachenerwerbs und Sprachunterrichts aufgezeigt. Warum solide Aus-, Weiter- und Fortbildung heute so wichtig sind Wer sich etwas eingehender darum bemüht zu verstehen, welche Rolle die Sprache im weiten Feld des Kontaktes von Kulturen spielt-- oder spielen könnte--, muss von den Gegensätzen, Widersprüchen und Pauschalisierungen, die die Diskussion in Gesellschaft, Politik und Fach bestimmen, vollkommen irritiert sein. Vielleicht lässt sich aus dieser Irritation auch erklären, warum dieser Bereich von so vielen resistenten Mythen, Dogmen und Praktiken dominiert wird, dass das eigentlich notwendige Bemühen um theoretisch fundierte Innovationen kaum zur Geltung kommt. Mangelndes Sprach- und Sprachenbewusstsein besonders in Öffentlichkeit und Politik führen ihrerseits zu einem ganzen Spektrum gegensätzlicher Positionen, die sich schließlich auch bis in die lehrpraktische Ebene massiv auswirken. Dieses Spektrum ist gekennzeichnet durch eine Verkennung der Bedeutung von Sprache im Umgang der Kulturen auf der einen und durch reduktionistische Rezepte für ihre Vermittlung auf der anderen Seite: Die Vorstellung etwa, die Wissenschaften, die Wirtschaft oder der Alltag kämen mit einer Universalsprache wie dem Englischen aus, verkennt die- - übrigens auch empirisch über jeden Zweifel erhabenen- - Realitäten genauso wie die Annahme, durch strukturbasierten Sprachunterricht ließen sich kulturpragmatische Kompetenzen (wie sie etwa für die Integration in eine fremde Gesellschaft nötig wären) einfach vermitteln. Als ineffizient haben sich inzwischen auch solche Verfahren erwiesen, die Mehrsprachigkeit als Sonderfall-- und nicht als Regelfall-- betrachten und daher Methoden empfehlen, die den Spracherwerb vom restlichen Wissen und Leben zu trennen versuchen, also abstrakt und formbasiert zu vermitteln. Der schulische Fremdsprachenunterricht und der Förderunterricht überall auf der Welt tendieren (trotz rühmlicher unterrichtspraktischer, didaktischer, struktureller, konzeptueller und bildungspolitischer Ausnahmen und Initiativen) nach wie vor stark zu einer solchen Absonderung: weder werden bisher die natürliche Mehrsprachig- 10 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ keit des Menschen, die Sprachenökologie, Sprachenorganik und Sprachendynamik noch die Handlungs- und Aufgabenorientierung des Lernens systematisch im Fremdsprachenunterricht genutzt. Stattdessen wird Fremdsprachenunterricht in vielen Gesellschaften auf eine (internationale) Fremdsprache reduziert, zeitlich stark limitiert und nach unterschiedlich kompetenten Standards kanalisiert. Interkulturelle Kommunikation im Zeitalter der Globalisierung In unserer zunehmend globalisierten Welt gehört die Kommunikation zwischen verschiedenen Kulturen zu einem der wichtigsten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Aufgabenbereiche. Die Globalisierung findet dabei auf verschiedenen Ebenen statt: lokal innerhalb multikultureller oder multikulturell werdender Gesellschaften, regional in multinationalen Institutionen und international in transkontinentalen Verbünden, Weltorganisationen (unter anderem für Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Sport, Banken) und im Cyberspace. Dabei sind all diese Globalisierungsbestrebungen gleichzeitig Teil einer wachsenden Paradoxie. Der Notwendigkeit, die großen sozialen und wirtschaftlichen Probleme wegen der globalen Vernetzung der Ursachen auch global zu lösen, stehen andererseits geradezu reaktionäre Bestrebungen entgegen, der Gefahr des Verlustes der »kulturellen Identität« vorzubauen. Einerseits verlangt oder erzwingt also eine Reduktion wirklicher und relativer Entfernungen und ein Überschreiten von Grenzen ein Zusammenleben und Kommunizieren von Menschen verschiedener Herkunft in bisher nicht gekannter Intensität, andererseits stehen dem Ideal einer multikulturellen Gesellschaft die gleichen Widerstände entgegen, die mit der Schaffung solcher Gesellschaften als überkommen geglaubt galten (Huntington 1997). Erzwungene, oft mit großer militärischer Anstrengung zusammengehaltene multikulturelle Gesellschaften haben ohne Druck keinen Bestand und neigen als Folge des Drucks vielmehr dazu, verschärfte kulturelle Spannungen zu generieren. Auch demokratisch geschaffene multikulturelle Gesellschaften benötigen meist viel Zeit und Energie, um sich aus der Phase der multi-kulturellen Duldung zu inter-kultureller Toleranz und interkulturellem Miteinander zu entwickeln. Die rechtspopulistischen Bewegungen in Europa und die ethnischen Auseinandersetzungen in Afrika und Asien zeigen, dass es zuweilen gewaltig unter der Oberfläche gesellschaftlicher Toleranz- und Internationalisierungspostulate rumort. Ethnozentrismus, Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit, Rechtspopulismus, Rassismus, Diskriminierung, Terrorismus, Bürgerkrieg, Massen- und Völkermord sind durch politisch und wirtschaftlich bewirkten Multikulturalismus nicht verschwunden. Das verbreitete Scheitern von Multikulturalismus-Modellen zeigt, dass ein verordnetes oder aufgezwungenes Nebeneinander von Kulturen ohne Mediationsbemühungen eher Spannungen verstärkt, als nachhaltig Toleranz zu bewirken. Es mangelt an effizienten Verfahren der Vermittlung (Mediation) zwischen Kulturen. Den Sprachen kommt in dem Prozess der Mediation deswegen eine besondere Rolle zu, weil er mit der Kommunikation über kulturelle Grenzen hinweg anfängt und auch nur durch diese am Laufen gehalten wird. Die Sprache kann nicht alle Probleme lösen, aber sie hat eine Schlüsselposition beim Zustandekommen interkulturellen Austauschs, die weit über die Beherrschung von Strukturen sprachlicher Systeme hinausgeht. Diese Funktion hat 11 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ mehr mit Kulturvermittlung als mit strukturellen Eigenschaften sprachlicher Systeme zu tun und sie kann kaum durch eine einzige Lingua Franca erfüllt werden. Das Lernen und Lehren von Sprachen ist in Wirklichkeit eines der wichtigsten politischen Instrumente im Zeitalter der Globalisierung und Internationalisierung. Sprachunterricht und Sprachenlernen werden aber von Lehrkräften und Lernern gleichermaßen oft noch als die Domäne des Grammatikerwerbs und nicht als Zugangsvermittler zu anderen Kulturen behandelt. Wenn kulturelle Aspekte im Fremdsprachenerwerb aber auf die Faktenvermittlung reduziert werden und ansonsten vor allem strukturelle Aspekte der Sprachen in den Vordergrund treten, bleiben wichtige Lern-und Kommunikationspotenziale ungenutzt. Dabei bleibt nicht nur der Bereich des landeskundlichen Wissens unterentwickelt, sondern es wird in erster Linie der Erwerb semantischer, pragmatischer und semiotischer Kompetenzen erheblich eingeschränkt, die für die interkulturelle Kommunikation essentiell sind. Wenn in der heutigen Zeit vordringlich interkulturelle Kompetenzen verlangt werden, dann müssen in Sprachunterricht und Spracherwerb im weiteren Sinne also bevorzugt kulturelle Aspekte der Sprachen und Kommunikation berücksichtigt werden. Dazu bedarf es aber einer größeren Bewusstheit für die kulturelle Bedingtheit von Sprachen und die sprachliche Bedingtheit von Kulturen. Diese müssen sich schließlich in kultursensitiven Lern- und Lehrverfahren manifestieren, die Mehrsprachigkeit nicht nur künstlich rekonstruieren und archivieren wollen, sondern die in Fülle vorhandenen natürlichen Ressourcen der Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität organisch, dynamisch und effizient zu nutzen wissen. Das Augenmerk der künftigen Lern- und Lehrforschung ist daher verstärkt auf Aspekte der Ökologie und Ökonomie des Sprachenerwerbs und Sprachenmanagements zu richten. Das bedeutet aber, dass die Spracherwerbs- und die Mehrsprachigkeitsforschung sich nicht nur eklektisch wie bisher, sondern systematisch an kognitiven und kultursensitiven Aspekten des Sprachenerwerbs und Sprachenmanagements ausrichten müssen. Diesen Aufgabenbereich zu skizzieren, indem wichtige, dafür geleistete Vorarbeiten vorgestellt werden, ist Ziel dieser Reihe. Interkultureller Fremdsprachenunterricht Als die Forschung begann, sich mit interkulturellen Aspekten in Spracherwerb und Sprachunterricht zu beschäftigen, geschah dies auf der Grundlage bildungspolitischer Zielsetzungen und hermeneutischer Überlegungen. Literarische Gattungen sollten den kommunikativen Trend zur Alltagssprache ausgleichen helfen und damit gleichzeitig frische, auf rezeptionsästhetischen Theorien basierende Impulse für das Fremdverstehen und die Fremdsprachendidaktik liefern (vergleiche Hunfeld 1997; Wierlacher 1987; Krusche & Krechel 1984; Weinrich 1971). Die anfängliche Affinität zu lyrischen Texten weitete sich auf andere Gattungen aus und verjüngte mit dieser Wiederentdeckung der Literatur im Fremdsprachenunterricht gleichzeitig das in den 1980er Jahren bereits zum Establishment gerinnende kommunikative Didaktikparadigma. Man vergleiche die Forderung nach einem expliziten interkulturellen Ansatz von Wylie, Bégué & Bégué (1970) und die bereits frühe Formulierung der konfrontativen Semantik durch Müller-Jacquier (1981). Für die auf Zyklen sozialisierte Zunft der Sprachlehre stand fest: das ist eine neue, die vierte Generation der Fremdsprachendidaktik, die interkul- 12 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ turelle, oder zumindest die Version 3.5, die kommunikativ-interkulturelle. Allerdings hat diese Euphorie nicht überall zu einer intensiveren, systematischen Reflexion interkultureller Aspekte in Bezug auf ein besseres Verstehen des Sprachenlernens und eine effizientere Ausrichtung des Sprachenlehrens geführt. Selbst in der Lehrwerksproduktion, deren Halbwertzeitzyklen seitdem immer kürzer werden, ist die Anfangseuphorie vergleichsweise schnell verflogen. Infolge des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen ( GER )-- und bereits seines Vorgängers, des Schwellen-Projektes (threshold level project) des Europarates-- scheinen sich aufgrund der (oft falsch verstandenen) Standardisierungen die starken Vereinheitlichungstendenzen zu einer Didaktik der Generation 3 oder gar 2.5 zurück zu verdichten. Die Aufnahme der Fremdperspektive in Lehrwerken beschränkte und beschränkt sich oft auf oberflächlich vergleichende Beschreibungen fremder kultureller Artefakte, und die Behandlung der Landeskunde unterliegt nach wie vor dem Stigma der vermeintlich mangelnden Unterrichtszeit. Ein kleiner historischer Rückblick auf die Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts Der Fremdsprachenunterricht ist traditionellerweise vor allem von den bildungspolitischen, pädagogischen, psychologischen und soziologischen Vorstellungen der entsprechenden Epoche und ihren gesellschaftlichen Trends beeinflusst worden. Diese Aspekte überschreiben im Endeffekt auch alle sporadischen Versuche, den Fremdsprachenunterricht an sprachwissenschaftlichen oder erwerbslinguistischen Erkenntnissen auszurichten. So verdankt die Grammatik-Übersetzungsmethode ihre Langlebigkeit den verbreiteten, aber empirisch nicht begründeten Vorstellungen von der Steuerbarkeit des Lerners, der Autorität des Inputs und der Bedeutung elitärer Bildungsziele. Mit den audio-lingualen und audio-visuellen Methoden setzt eine Ent-Elitarisierung und Veralltäglichung des Sprachenlernens ein. Die vorwiegend mit Alltagssprache operierenden Methoden sind direkte, wenn auch reduzierte Abbildungen behavioristischer Lernmodelle und militärischer Bedürfnisse ihrer Zeit. Der kommunikative Ansatz schließlich ist von den Demokratisierungsbestrebungen der Gesellschaften bestimmt. Sein wichtigstes Lernziel, die kommunikative Kompetenz, ist dem soziologischen Ansatz der Frankfurter Schule entlehnt (Habermas 1981). Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen stellt zwar keinen neuen didaktischen Ansatz dar, bildet aber über seine Ausrichtung auf den pragmatischen und utilitaristischen Bedarf eines zusammenwachsenden und mobilen europäischen Arbeitsmarktes den Zeitgeist des politisch und wirtschaftlich gewollten Einigungsprozesses in Europa ab und wirkt daher paradigmenbildend und auf den Unterricht stärker standardsetzend als alle didaktischen Ansätze zuvor. Er weist deutliche Parallelen zu den Proficiency-Guidelines des American Council of Teachers of Foreign Languages ( ACTFL ) auf, die ihrerseits-- wie bereits die audiolinguale Methode-- stark von den Bedürfnissen der Sprachschulen des US -Militärs beeinflusst wurden. Eine erwerbslinguistische oder stringente sprachwissenschaftliche Basis weist er nicht auf. Typisch für die zeitlichen Strömungen sind konsequenterweise auch all die Methoden, die in der Beliebigkeit des Mainstreams keine oder nur geringe Berücksichtigung finden können. Diese alternativen Methoden oder Randmethoden wie die Suggestopädie, Total Physical Response, Silent 13 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Way oder Community (Language Learning) Approach reflektieren die Suche des Sprachunterrichts nach zeitgemäßen Verfahren, die vor allem die vernachlässigte Innerlichkeit der Gesellschaft ansprechen oder die Kritik an ihrem Fortschrittsglauben ausdrücken sollen. Die gefühlte Wahrheit der Methoden bei gleichzeitigem Mangel an wissenschaftlich-kritischer Überprüfung der Annahmen ergibt ein inkohärentes Bild der Fremdsprachendidaktik und -methodik, das zwangsläufig zu vielen Widersprüchen, Rückschritten und Frustrationen führen muss. Die rasante Abkehr von der Sprachlerntechnologie der 60er und 70er Jahre, das Austrocknen der alternativen Methoden, die Rückentwicklung der kommunikativen Didaktik oder die neo-behavioristischen Erscheinungen der kommerziellen Sprachsoftware gehören zu den Symptomen dieses Dilemmas. Die anhaltende unreflektierte Verbreitung eklektischer Übungsformen der Grammatik-Übersetzungsmethode oder des Pattern Drills in Unterricht und Lehrmaterial illustriert, wie wenig nachhaltig offenbar die Bemühungen um eine theoretisch fundierte und empirisch abgesicherte kommunikative Didaktik waren. Mit dem Auftauchen der interkulturellen Sprachdidaktik und der »vierten Generation von Lehrwerken« (Neuner & Hunfeld 1993) schien sich eine Veränderung gegenüber den Referenzdisziplinen anzubahnen. Zunehmende Migration und Globalisierungstendenzen machten eine entsprechende Öffnung nötig. Aber auch diese anfänglichen Bestrebungen haben sich in der Breite des Lehrmaterials und des Sprachunterrichts genauso wenig durchgesetzt wie wissenschaftlich fundierte Modelle von Grammatik und Sprache. Stattdessen beschäftigt sich die Unterrichtsmethodik geradezu aktionistisch mit temporären Neuerungen (wie den neuen Medien, dem Referenzrahmen, der farbigen Darstellung grammatischer Phänomene) oder Wiedererfindungen bekannter Aspekte (wie dem Inhaltsbezug oder der Diskussion der Bedeutung mündlicher Texte), ohne sich ernsthaft mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Didaktik zu beschäftigen. Ein kurzer Rückblick auf die Vorschläge von Comenius zum inhaltsbezogenen Lernen aus dem 17. Jahrhundert etwa oder der Sprachreformer früherer Jahrhunderte sowie die Modelle aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts würde der neueren Diskussion des Content and Language Integrated Learning ( CLIL ) eine erhellende Perspektive bieten. Comenius hält unter Bezug auf einen christlichen Gelehrten bereits 1623 fest: Die Kenntnis einer Sprache mache noch keinen Weisen, sie diene lediglich dazu, uns mit den anderen Bewohnern der Erdoberfläche, lebenden und toten, zu verständigen; und darum sei auch derjenige, welcher viele Sprachen spreche, noch kein Gelehrter, wenn er nicht zugleich auch andere nützliche Dinge erlernt habe. (Comenius 1970: 269) Dabei verbindet Comenius bereits die Prozesse des Spracherwerbs und der allgemeinen Maturation (der Vision und des Intellekts des Kindes) und nimmt damit Jean Piagets Modell der kognitiven Entwicklung sowie die in der Spracherwerbsforschung etablierten, kognitive Entwicklungsphasen repräsentierenden Konzepte der Erwerbssequenzen vorweg. Darüber hinaus produzierte er bereits ein Lehrbuch (Orbis sensualium pictus), in dem er systematisch die Verwendung visueller Materialien beim Sprachenlernen und -lehren bedachte (Comenius 1981). Auch die Mitte des 19. Jahrhunderts im Kontext der industriellen und sozialen Umwälzungen entstandene, bildungspolitisch und methodisch motivierte Reformbewegung des Fremdsprachenunterrichts bildet zwar eine didaktische Brücke zwischen den Arbeiten von 14 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Comenius und den Elementen des inhaltsbezogenen und handlungsorientierten Lernens moderner didaktischer Ansätze, verfolgt jedoch keine wissenschaftlichen Ziele. Ihr geht es vielmehr darum: Fremdsprachen jedem zugänglich zu machen, anstatt sie einer exklusiven Elite vorzubehalten, den Fremdsprachenunterricht weit über den Unterricht klassischer Literatur hinaus zu erweitern, indem Inhalte des Alltags- und Berufslebens sowie schulischer Fächer in den Fremdsprachenunterricht aufgenommen werden sollten, zum Beispiel in verschiedenen Verfahren des immersiven Lernens. Mitbegründer oder Anhänger dieser Bewegung wie Jesperson (1922), Passy (1899), Sweet (1899), Gouin (1892), Berlitz (1887), Viëtor (1882) prägten die Reformbewegung mit unterschiedlichen auf die Praxis ausgerichteten Ideen, Modellen und Unterrichtsverfahren. In seiner einflussreichen Einführung benennt Stern (1983) diese Phase wie folgt: The last decades of the nineteenth century witnessed a determined effort in many countries of the Western world (a) to bring modern foreign languages into the school and university curriculum on their own terms, (b) to emancipate modern languages more and more from the comparison with the classics, and (c) to reform the methods of language teaching in a decisive way. (Stern 1983: 98) Verschiedene Methoden sind in den 20er Jahren (bis in die 40er Jahre) des 20. Jahrhunderts als »praktische Antworten« auf die vorangehende Diskussion entwickelt worden: darunter die vermittelnde Methode (England), die Lesemethode (England) und BASIC English (British/ American / Scientific / International / Commercial), ein Versuch, das Sprachenlernen zu vereinfachen und zu rationalisieren. Mit diesen Methoden beginnen die ersten Ansätze, das Unterrichtsgeschehen, die sprachliche Basis, das Testen von Fertigkeiten und das Lern- und Lehrverhalten mittels verschiedener Pilotstudien systematisch zu untersuchen (unter anderem die Modern Foreign Language Study der American and Canadian Committees on Modern Languages 1924-1928, siehe Bagster-Collins, Werner & Woody 1930). Dieser Trend wurde in den 40er und 50er Jahren mit der Profilierung der Linguistik noch intensiviert. Hierzu gehören Schlüsselereignisse wie die Veröffentlichung von Psycholinguistics: A Survey of Theory and Research Problems, herausgegeben von Osgood, Sebeok, Gardner, Carroll, Newmark, Ervin, Saporta, Greenberg, Walker, Jenkins, Wilson & Lounsbury (1954), Verbal Behavior von Skinner (1957) und Lados erste systematische Erfassung der kontrastiven Linguistik Linguistics across Cultures: Applied Linguistics for Language Teachers (1957). The American Army Method, deren Errungenschaften später heiß umstritten waren, versuchte nachzuweisen, dass Sprachunterricht auch ohne die traditionellen schulartigen Methoden und mit wesentlich größeren Gruppen und in kürzerer Zeit effizient durchgeführt werden kann. Als Folge der behavioristischen Ideologie wurden besonders in den USA die audiolingualen und in Frankreich die audiovisuellen Lehrverfahren entwickelt, die lange Zeit den Sprachunterricht dominierten und unter anderem auch dem Vormarsch der Sprachlabortechnologie Vorschub leisteten und-- trotz gegenteiliger empirischer Evidenz-- bis heute dem konditionierenden Einsatz elektronischer Medien zugrunde liegen (zum Beispiel in Programmen wie Rosetta Stone oder Tell me more). Die stetige Zunahme von linguistischen Studien und die Begründung der Psycholinguistik als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet leisteten später einen wesentlichen Beitrag zur 15 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Identifizierung der aus den Methoden der behavioristischen Verhaltensformung entstehenden Probleme des Spracherwerbs (zum Beispiel Rivers einflussreiches Buch The Psychologist and the Foreign Language Teacher 1964). Als Folge der zunehmenden Kritik an den intuitiven Methoden gewann schließlich das kognitive Lernen-- bis heute weitgehend als das regelgeleitete, systematische Lernen missverstanden-- in der Diskussion um angemessene Ansätze an Gewicht. Chomskys nativistische Theorie auf der einen Seite und soziolinguistische und pragmalinguistische Strömungen auf der anderen haben im Anschluss daran vor allem die Erwerbsforschung und die Entwicklung neuer methodischer Verfahren geprägt. Chomskys Ausgangshypothese zufolge haben Kinder eine angeborene Fähigkeit der Sprachbildung (in der Muttersprache, L1). Wenn Kinder zum ersten Mal die Sprache hören, setzten allgemeine Prinzipien der Spracherkennung und Sprachproduktion ein, die zusammen das ergäben, was Chomsky den Language Acquisition Device ( LAD ) nennt. Der LAD steuere die Wahrnehmung der gehörten Sprache und stelle sicher, dass das Kind die entsprechenden Regeln ableite, die die Grammatik der gehörten Sprache bildeten. Dabei bestimmten Verallgemeinerungen, wie die Sätze in der entsprechenden Sprache zu bilden seien. Im Zweitsprachenerwerb werde die Reichweite des LAD einfach auf die neue Sprache ausgedehnt. Nativistische Theorien des Spracherwerbs haben jedoch wenig Einfluss auf die Entwicklung von Erwerbs- und Unterrichtskonzepten für Fremdsprachen gehabt. Den stärksten Einfluss haben sie in der Erforschung und Formulierung von Erwerbssequenzen ausgeübt. In deutlichem Kontrast dazu haben sich seit den 1970er Jahren parallel verschiedene Forschungsrichtungen ausgebildet, die sich an die Valenzgrammatik, die Pragmalinguistik (Sprechakttheorie, Diskursanalyse), die funktionale Linguistik, die Textlinguistik und die Psycholinguistik und andere Kognitionswissenschaften anlehnen. Mit wenigen Ausnahmen ist es aber auch dieser Forschung nicht gelungen, nachhaltig auf die Lehr- und Lernpraxis einzuwirken. Unter den Versuchen einer systematischen Nutzung wissenschaftlicher Ergebnisse für die Entwicklung von Lehrmaterial und Lehrverfahren sind die folgenden zu nennen: ▶ ein kurzlebiger Versuch, die Valenzgrammatik als Grundlage einer didaktischen Grammatik einzuführen (zum Beispiel das DaF-Lehrwerk Deutsch Aktiv) ▶ die eklektische Nutzung von Elementen der pragmatischen Erwerbsforschung in der Lehrwerksproduktion (siehe die DaF-Lehrwerke Tangram, Schritte international) ▶ die Berücksichtigung von Aspekten der Interkomprehensionsdidaktik in Lehransätzen ( EUROCOMM ) ▶ die Gestaltung des Sprachunterrichts nach handlungstheoretischen und konstruktivistischen Prinzipien (Szenariendidaktik, fallbasiertes Lernen, Fachsprachenunterricht). Fremdsprachenunterricht wird verbreitet noch als Domäne des Einzelerwerbs betrachtet. Die systematische Nutzung von Kenntnissen der Vorsprachen beim Erwerb weiterer Sprachen wird bisher nur ansatzweise bedacht und bearbeitet. In Begriffen wie Mehrsprachigkeitsdidaktik, Deutsch nach Englisch oder Interkomprehensionsdidaktik zeigen sich die Vorboten einer neuen Generation der Fremdsprachendidaktik, deren Grundlagen jedoch noch zu erarbeiten sind, wenn sie nicht bei kontrastiven Vergleichen verharren will. 16 Einleitung: Die Reihe Kompendium DaF / DaZ Zur kognitiven Ausrichtung Um zu verstehen, wie die Sprache überhaupt in den Köpfen der Lerner entsteht und sich weiter verändert-- und darum geht es in dieser Buchreihe-- sind Erkenntnisse aus verschiedenen Nachbardisziplinen der Sprachlehrforschung erforderlich. Die Neurolinguistik kann zum Beispiel darüber Aufschluss geben, welche Gehirnareale während der Sprachverarbeitung aktiviert werden und inwiefern sich die Gehirnaktivität von L1-Sprechern und L2-Sprechern voneinander unterscheidet. Durch die Nutzung bildgebender Verfahren lässt sich die sprachrelevante neuronale Aktivität sichtbar und damit auch greifbarer machen. Was können wir aber daraus für die Praxis lernen? Sollen Lehrer ab jetzt die Gehirnaktivität der Lerner im Klassenraum regelmäßig überprüfen und auf dieser Basis die Unterrichtsinteraktion und die Lernprogression optimieren? Dabei wird schnell klar, dass eine ganze Sprachdidaktik sich nicht allein auf der Basis solcher Erkenntnisse formulieren lässt. Dennoch können die Daten über die neuronale Aktivität bei sprachrelevanten Prozessen unter anderem die Modelle der Sprachverarbeitung und des mehrsprachigen mentalen Lexikons besser begründen, die sonst nur auf der Basis von behavioralen Daten überprüft werden. Ähnlich wie die Neurolinguistik stellt die kognitive Linguistik eine Referenzdisziplin dar, deren Erkenntnisse zwar für die Unterrichtspraxis sehr relevant und wertvoll sind, sich aber unter anderem aufgrund des introspektiven Charakters ihrer Methoden nicht direkt übertragen lassen. Die kognitive Linguistik erklärt nämlich die Sprache und den Spracherwerb so, dass sie mit den Erkenntnissen aus anderen kognitiv ausgerichteten Disziplinen vereinbar sind. So dienen kognitive Prinzipien wie die Metaphorisierung oder die Prototypeneffekte der Beschreibung bestimmter Sprachphänomene. Der Spracherwerb wird seinerseits durch allgemeine Lernmechanismen wie die Analogiebildung oder die Schematisierung erklärt. Die kognitive Linguistik, die Psycholinguistik, die Neurolinguistik, die kognitiv ausgerichteten Kulturwissenschaften sind also Bezugsdisziplinen, die als Grundlage einer kognitiv ausgerichteten Sprachdidaktik fungieren. Sie sollen in den Bänden dieser Reihe soweit zum Tragen kommen, wie das nur möglich ist. Bei jedem Band stehen daher die Prozesse in den Köpfen der Lerner im Mittelpunkt der Betrachtung. 17 1. Sprachenlernen und Kognition Um zu verstehen, wie die Sprache überhaupt in den Köpfen der Lerner entsteht und sich weiter verändert, sind Erkenntnisse aus verschiedenen Nachbardisziplinen der Sprachlehrforschung erforderlich. Die Neurolinguistik kann zum Beispiel darüber Aufschluss geben, welche Gehirnareale während der Sprachverarbeitung aktiviert werden und inwiefern sich die Gehirnaktivität von L1-Sprechern und L2-Sprechern voneinander unterscheidet. Durch die Nutzung bildgebender Verfahren lässt sich die sprachrelevante neuronale Aktivität sichtbar und damit auch greifbarer machen. Was können wir aber daraus für die Praxis lernen? Sollen Lehrer ab jetzt die Gehirnaktivität der Lerner im Klassenraum regelmäßig überprüfen und auf dieser Basis die Unterrichtsinteraktion und die Lernprogression optimieren? Dabei wird schnell klar, dass eine ganze Sprachdidaktik sich nicht allein auf der Basis solcher Erkenntnisse formulieren lässt. Dennoch können die Daten über die neuronale Aktivität bei sprachrelevanten Prozessen unter anderem die Modelle der Sprachverarbeitung und des mehrsprachigen mentalen Lexikons besser begründen, die sonst nur auf der Basis von behavioralen Daten überprüft werden. Ähnlich wie die Neurolinguistik stellt die kognitive Linguistik eine Nachbardisziplin dar, deren Erkenntnisse zwar für die Unterrichtspraxis sehr relevant und wertvoll sind, die sich aber unter anderem aufgrund des introspektiven Charakters der Methoden, mit denen sie gewonnen werden, nicht direkt übertragen lassen. Die kognitive Linguistik erklärt nämlich die Sprache und den Spracherwerb so, dass sie mit den Erkenntnissen aus anderen kognitiv ausgerichteten Disziplinen vereinbar sind. So dienen kognitive Prinzipien wie die Metaphorisierung oder die Prototypeneffekte der Beschreibung bestimmter Sprachphänomene. Der Spracherwerb wird seinerseits durch allgemeine Lernmechanismen wie die Analogiebildung oder die Schematisierung erklärt. Sowohl die kognitive Linguistik als auch die Neurolinguistik sind also Bezugsdisziplinen, die als Grundlage einer kognitiv ausgerichteten Sprachdidaktik fungieren. Im Folgenden sollen daher die Grundannahmen und Methoden dieser beiden Disziplinen vorgestellt werden sowie die qualitativ neuen Wege der Sprach- und Kulturvermittlung, die damit eröffnet werden können. 18 1. Sprachenlernen und Kognition 1.1 Kognitive Linguistik In der vorliegenden Lerneinheit gehen wir gleich folgenden spannenden Fragen nach: Wie hängen Sprache, Denken und Kognition zusammen? Inwiefern spiegelt die Sprache das allgemeine konzeptuelle System des Menschen wider? Nach welchen allgemeinen Prinzipien organisieren sich natürliche Sprachen? Zur Beantwortung dieser Fragen wird zunächst ein geschichtlicher Rückblick auf die bisherigen Sprach- und Grammatiktheorien geworfen. Danach erläutern wir die Grundlagen der kognitiven Linguistik, die viel näher an der lebensweltlichen Realität sind, als es die anspruchsvolle Bezeichnung vielleicht vermuten lässt. Anschließend werden die Organisationsprinzipien beschrieben, die sowohl in allen natürlichen Sprachen als auch in jedem Sprachbereich (Syntax, Morphologie und Ähnliches) beobachtet werden können. Schließlich zeigen wir, wie sich die unterschiedlichen Konzeptualisierungen einer Szene beziehungsweise eines Ereignisses in der sprachlichen Formulierung niederschlagen. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die verschiedenen historischen und aktuellen Forschungsperspektiven auf den Zusammenhang von Sprache, Kultur und Kognition verstehen können; ▶ die Grundannahmen der kognitiven Linguistik verstehen und die kognitive Linguistik von anderen Ansätzen abgrenzen können; ▶ die Vorteile kognitionslinguistischer Ansätze für die Erklärung von grammatischen Phänomenen erkennen können; ▶ die wichtigsten Elemente der kognitiven Sprachdidaktik kennen und ihren Mehrwert für die Lehrpraxis begründen können. 1.1.1 Welt, Sprache und Denken Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass Sprache nicht zwischen die Realität und das Denken treten solle, also transparent wie Glas sein müsse. Savory (1967) spielt auf diese Auffassung in dem Motto an, das seinem Buch The Language of Science vorangestellt ist. Hier moniert er, dass die Mittlerfunktion der Sprache den Erkenntnisgewinn verhindere: »There can be no doubt that science is in many ways the natural enemy of language«. Derartige Vorstellungen sind insofern bemerkenswert, als die Interdependenzen von Sprache und Denken und die Bedeutung der Sprache als konstitutives Instrument im Prozess der Wahrnehmung und des Erkenntnisgewinns in zahlreichen wichtigen Arbeiten in der Folge einflussreicher Sprachphilosophen wie Humboldt, Locke, Vico oder Condillac bis hin zu Casagrande, Osgood, Hjelmslev, Ullman, Schlesinger, Vygotskij und Weinreich bereits nachdrücklich belegt sind. Dennoch scheinen sie nur rudimentär ins Sprachbewusstsein von Öffentlichkeit und Wissenschaft einzudringen. 19 1.1 Kognitive Linguistik Als Mikrokosmos des menschlichen Bewusstseins, das sich im Prozess der phylogenetischen Entwicklung von Sprachen ständig ändert, bezeichnet Vygotskij die Wörter der Sprache: Linguistics did not realize that in the historical evolution of language the very structure of meaning and its psychological nature also change. From primitive generalizations, verbal thought rises to the most abstract concepts. It is not merely the content of a word that changes, but the way in which reality is generalized and reflected in a word-[…] (Vygotskij 1962: 121). Thought and language, which reflect reality in a way different from that of perception, are the key to the nature of human consciousness. Words play a central part not only in the development of thought but in the historical growth of consciousness as a whole. A word is a microcosm of human consciousness. (Vygotskij 1962: 153) Boas zieht aus Sprachvergleichen den Schluss, dass Sprachen jeweils unterschiedliche Teilaspekte eines Gesamtkonzepts beziehungsweise eines mentalen Gesamtbildes in den Vordergrund rücken, ein Aspekt, der uns in dem Konzept der Profilierung in der kognitiven Linguistik wieder begegnen wird und der weitreichende Folgen in der kognitiven Sprachdidaktik hat. When we consider for a moment what this implies, it will be recognized that in each language only a part of the complete concept that we have in mind is expressed, and that each language has a peculiar tendency to select this or that aspect of the mental image which is conveyed by expression of thought. (Boas 1911, zitiert nach Slobin 1996: 71) Auch Naturwissenschaftler wie Heisenberg und Einstein weisen in unterschiedlicher Art auf die Interdependenz von Sprache und Erkenntnis hin. Während Heisenberg die Notwendigkeit der Begriffe für das Verständnis der Welt thematisiert, greift Einstein den kognitions- und identitätsformenden Charakter von Sprache und die Ausbildung von Linguakulturen auf. […-D]ie existierenden wissenschaftlichen Begriffe passen jeweils nur zu einem sehr begrenzten Teil der Wirklichkeit, und der andere Teil, der noch nicht verstanden ist, bleibt unendlich. (Heisenberg 1959: 169f) What is it that brings about such an ultimate connection between language and thinking? -[…] the mental development of the individual and his way of forming concepts depend to a high degree upon language. This makes us realize to what extent the same language means the same mentality. (Einstein 1981: 7) Die kognitive Linguistik beschäftigt sich systematisch damit, wie das Denken über mentale Modelle und Bildschemata in der Sprache abgebildet wird und wie diese sprachlich abgebildeten Modelle das weitere Denken beeinflussen. Das hat weitreichende Folgen für den Lebensbezug und die Transparenz von Sprache und damit auch für ihre Vermittelbarkeit. Im folgenden Kapitel sollen daher die Grundlagen dieser vergleichsweise neuen Art der Linguistik dargestellt werden. 20 1. Sprachenlernen und Kognition 1.1.2 Der Weg zur kognitiven Linguistik Dem Strukturalismus von Ferdinand de Saussure zufolge, der den Beginn der modernen Linguistik stark geprägt hat, wird die Sprache unterschieden in langue und parole (vergleiche Albrecht 2007: 27ff). Langue wird von de Saussure als ein System von Symbolen und Regeln definiert, das durch soziale Konventionen festgelegt ist. Parole wird hingegen als die Verwendung dieses Systems durch die Individuen beschrieben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese durch Konvention festgelegten und verwendeten Symbole immer arbiträr sind in ihrer Zuweisung zu dem, was sie bezeichnen (signifié, Bezeichnetes, Zeicheninhalt) und dem, wie sie das Bezeichnete bezeichnen (signifiant, Bezeichnendes, äußere Zeichenform) (vergleiche Albrecht 2007: 43). Es handelt sich bei Sprachen also um ein abstraktes Regel- und Symbolwerk, das zunächst einmal mit Konvention und individueller Verwendung zusammenhängt. Ursprünglich hatte de Saussure die Trichotomie langage-langue-parole vorgesehen, wobei langage die Sprachfähigkeit der Menschen bezeichnete, die auf die langue und parole angewandt wird (vergleiche Albrecht 2007: 29). De Saussure hat jedoch in seiner Sprachtheorie nicht erläutert, wie die Komponenten langue und parole zusammenhängen, und vor allem wie die Individuen überhaupt zum Erwerb des Systems und dessen Verwendung kommen (vergleiche Geeraerts & Cuyckens 2007: 11). Jahre später hat Chomsky (1965) diesen Aspekt in seiner Transformationsgrammatik (auch generative Grammatik genannt) behandelt und unter anderem durch die Annahme eines angeborenen Spracherwerbsmechanismus (Language Acquisition Device, kurz LAD ) erklärt. Nach Chomsky verfügt jedes Individuum über eine mehr oder weniger angeborene Universalgrammatik, in der das nötige Wissen über das System einer Sprache gespeichert ist, was Chomsky als Kompetenz des Individuums bezeichnete (vergleiche Hoffmann 2003: 2ff). Dank der Kompetenz, dem Vorhandensein der Universalgrammatik, ist das Individuum auch imstande, das Sprachsystem zu verwenden, wofür Chomsky den Begriff der Performanz verwendet. Dieser ist in etwa dem Begriff der parole von de Saussure gleichzusetzen, er spielt jedoch in der Transformationsgrammatik eine eher nebengeordnete Rolle (Smirnova & Mortelmans 2010: 11f). Mit der Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz löste Chomsky jedoch eine noch größere Lücke in der Sprachtheorie aus, weil dabei die soziale Dimension und die kommunikative Funktion von Sprache und Spracherwerb völlig außer Acht gelassen wurden (vergleiche Geeraerts & Cuyckens 2007: 11). So fasst Chomsky zum Beispiel die Grammatik als ein eher abstraktes Regelwerk auf, das durch sogenannte Transformationen (Ersetzungs- und Umstellungsregeln) ermittelbar ist (vergleiche auch Klenk 2003: 71f). Dabei sollen die jeweils zugrundeliegenden Transformationen die Überführung von einer Tiefenstruktur in eine syntaktische Oberflächenstruktur beziehungsweise in die konkreten Äußerungen ermöglichen (vergleiche Klenk 2003: 74f). Demnach ist Grammatik formell operationalisierbar und bildet ein in sich logisches Regelwerk, das wenig durch dessen Gebrauch seitens der Individuen veränderbar ist und relativ unabhängig von Bedeutung und allgemeiner Kognition funktionieren kann. Sprache ist also durch eine Universalgrammatik bestimmt und in diesem Sinne recht starr und wenig manipulierbar durch nichtsprachliche Kognition. 21 1.1 Kognitive Linguistik Erst Ende der 1980er Jahre führte die kognitive Linguistik zu einem Paradigmenwechsel von dieser hauptsächlich syntaxorientierten Sprachbeschreibung zu einer bedeutungsorientierten. So heißt es bei Langacker (2008a: 8), einem der wichtigsten Vertreter der kognitiven Linguistik: »If generative linguistics views syntax as being central to language, Cognitive Linguistics accords this honor to meaning«. Die kognitive Linguistik betont folgerichtig die symbolische Funktion von Sprache, deren Teile beziehungsweise Symbole als Paare, bestehend aus (phonologischer) Form und Bedeutung, beschrieben werden. Die konzeptuellen Organisationsprinzipien des symbolischen Systems der Sprache-- und vor allem der Grammatik- - erklärt die kognitive Linguistik hauptsächlich anhand von allgemeinen Prozessen und Phänomenen der menschlichen Kognition wie zum Beispiel Analogiebildung, Kategorisierung, Komposition, Prototypeneffekte und Ähnliches (vergleiche Langacker 2008b). Die Sprachbeschreibung erlangt damit eine kognitive Plausibilität. Auch die Veränderbarkeit des symbolischen Systems durch die Sprecher selbst wird in der kognitiven Linguistik im Gegensatz zu den vorherigen Ansätzen stark betont: Substantial importance is given to the actual use of the linguistic system and a speaker’s knowledge of its use; the grammar is held responsible for a speaker’s knowledge of the full range of linguistic conventions, regardless of whether those conventions can be subsumed under more general statements. (Langacker 1987: 494) Entscheidend ist das Sprachwissen des Sprechers. Damit wandte sich die kognitive Linguistik entschieden von der generativen Grammatik von Chomsky ab. Die Hauptkritikpunkte richteten sich unter anderem gegen folgende Aspekte: ▶ Die in der generativen Grammatik postulierte Autonomie des Sprachmoduls ist nicht mehr annehmbar, da Sprache als Teil des menschlichen kognitiven Systems ebenfalls nach allgemeinen kognitiven Prinzipien funktioniert (vergleiche Barcelona & Valenzuela 2011: 19). Ein Beispiel dafür sind die Metaphorisierungsprozesse in der Sprache, bei denen konkrete, nichtsprachliche Erfahrungen als konzeptuelle Basis für abstrakte Konzepte genutzt werden. ▶ Große Teile der Sprache werden in der generativen Grammatik als Ausnahmen erklärt und damit ausgeschlossen. Die kognitive Linguistik beschreibt sprachliche Realisierungen hingegen als Teile eines Kontinuums, auf dem die Nähe beziehungsweise die Distanz zu einem Prototypen dargestellt ist (vergleiche Evans & Green 2006). ▶ Die generativistische Auffassung von Spracherwerb als Naturphänomen und als angeborene Fähigkeit des Menschen wird in der kognitiven Linguistik nicht mehr vertreten. Die Idee von Sprache als ein vom sozialen und kulturellen Kontext abgekoppeltes, formelles Regelsystem wird somit abgelehnt (vergleiche Geeraerts & Cuyckens 2007: 13). Vielmehr wird Sprache als ein Produkt der Interaktion zwischen Individuen in einem bestimmten kulturellen Kontext angesehen und somit als ein von Menschen geschaffener Code, der durch allgemeine Lernmechanismen erworben wird, begriffen. Mit dem Ziel, eine höhere Plausibilität zwischen Sprachbeschreibung und allgemeiner menschlicher Kognition zu erlangen, sind im Bereich der kognitiven Linguistik verschiedene 22 1. Sprachenlernen und Kognition Ansätze entstanden, wie zum Beispiel die kognitive Semantik (Talmy 1983, 2000), die Konstruktionsgrammatik (Bergen & Chang 2005; Croft 2001; Fillmore 1988; Tomasello 2003), die conceptual metaphor theory (Lakoff & Johnson 1980; Lakoff 1987) und die kognitive Grammatik (Langacker 1991). Obwohl jeder dieser Ansätze die Grundannahmen der kognitiven Linguistik teilt, unterscheiden sie sich alle in ihrer Schwerpunktsetzung voneinander. Die wichtigsten konstitutiven Merkmale der kognitiven Linguistik sind: ▶ Sprache ist ein symbolisches System. ▶ Sprache ist ein Teil der allgemeinen menschlichen Kognition. ▶ Sprache ist ein gebrauchsbasiertes System. Sie sollen im nächsten Abschnitt erläutert werden. 1.1.3 Grundannahmen der kognitiven Linguistik Die erste Grundannahme betrifft die Symbolhaftigkeit der Sprache (vergleiche Evans 2012). Wie auch vorherige Grammatiktheorien, nimmt die kognitive Linguistik Sprache als symbolhaft an. Symbole sind die Grundeinheiten der Sprache und bestehen aus einer Bedeutungskomponente und einer Formkomponente. Demnach sind alle Bereiche der Sprache stets bedeutungsvoll (siehe Langacker 2008b: 8), auch die Grammatik. Daraus ergibt sich eine wichtige Erkenntnis bezüglich der Grammatik, und zwar wird sie nicht mehr als ein abstraktes und arbiträres Regelwerk aufgefasst; vielmehr bildet sie zusammen mit dem Lexikon ein Kontinuum von symbolischen Strukturen (vergleiche Langacker 2008a: 67). Auf diese Weise besitzen sowohl das Wort Kaffeemaschine als auch die verschiedenen Kasus im Deutschen jeweils eine oder mehrere Bedeutung(en). Im Umkehrschluss heißt das, dass es sowohl bei der Wortschatzvermittlung als auch bei der Grammatikvermittlung eigentlich um Bedeutungsvermittlung geht. Ohne die Bedeutungskomponente kann die symbolische Einheit nicht vollständig erworben werden (siehe Langacker 2008c). Trotz der beschriebenen Ähnlichkeiten besteht jedoch ein ganz offensichtlicher Unterschied zwischen den Bedeutungskomponenten beider Symbole, nämlich: Die Bedeutung des Wortes Kaffeemaschine ist relativ unmittelbar und konkret zu bestimmen, während die Bedeutung des Kasussystems vielschichtiger und weniger greifbar ist und einen höheren Abstraktionsgrad besitzt, der auch als Schematizität bezeichnet wird (vergleiche Langacker 2008b: 22; Meex & Mortelmans 2002: 51). Talmy (2000) hat diesen Unterschied genauer unter die Lupe genommen. Demnach besteht die semantische Funktion der Grammatik beziehungsweise grammatischer Strukturen darin, die konzeptuelle Struktur der Sprache zu repräsentieren, während die semantische Funktion des Lexikons beziehungsweise lexikalischer Strukturen darin besteht, den konzeptuellen Inhalt darzustellen. In anderen Worten ist die Grammatik die konzeptuelle Struktur, mit der der konzeptuelle Inhalt-- also das Lexikon-- organisiert wird. Talmy (2000) ging es aber nicht primär um die Ausarbeitung der Prinzipien der konzeptuellen Struktur der Sprache, also der Grammatik, sondern eher um die Erschließung des allgemeinen konzeptuellen Systems des Menschen anhand der Sprache. Somit dient Sprache nach Talmy als Mittel zur Beobachtung der allgemeinen kognitiven Strukturen. 23 1.1 Kognitive Linguistik Diese Position setzt eine weitere Grundannahme voraus: Sprache ist kein separates Modul im Kopf der Menschen, sondern ein Teil der allgemeinen menschlichen Kognition und funktioniert nach denselben Prinzipien. Diese Annahme ist in der Literatur auch als das cognitive commitment bekannt (vergleiche Evans & Green 2006: 193). Demnach spiegeln sich die Organisationsprinzipien des konzeptuellen Systems auch in der Sprache und in der Grammatik wider. Aspekte der Perzeption sowie Prozesse des bildlichen Denkens und der Metaphorisierung sind mit dem symbolischen System der Sprache eng verbunden. Diese Prozesse speisen sich wiederum aus den sogenannten körperlichen Erfahrungen (zum Beispiel Bewegung, Druck, Kraft, Teil-Ganzes-Beziehungen, Vertikalität und Ähnliches; vergleiche Evans & Green 2006). Nehmen wir folgenden Satz als Beispiel: Der Fußball ist durch seine starke Kommerzialisierung weltweit etwas heruntergekommen. An diesem Beispielsatz können wir gut erkennen, wie abstrakte Konzepte der Sprache durch konkrete körperliche Erfahrungen strukturiert werden können: UNTEN ist schlecht, OBEN ist gut. Die körperliche Erfahrung von Vertikalität im Raum wird auf etwas Abstraktes, nicht Greifbares angewandt. Dieser Prozess der Metaphorisierung (auch mapping, vergleiche Gibbs & Ferreira 2011) ist nach der Conceptual Metaphor Theory (Lakoff & Johnson 1980; Lakoff 1987) ein zentrales Werkzeug des menschlichen Denkens und Handelns. Gerade die Nutzung von Metaphorisierungsprozessen eröffnet qualitativ andere Wege für die Vermittlung von scheinbar abstrakten Sprachbereichen wie der Grammatik, denn Metaphern docken letzten Endes an körperliche Erfahrungen an, die bei jedem Lerner im gleichen Maße ausgeprägt sind. Die dritte wichtige Grundannahme der kognitiven Linguistik betrifft die Gebrauchsbasiertheit der Sprache (auch usage-based approach) (vergleiche Evans 2012; vergleiche auch Behrens 2009: 429; Langacker 2009: 628). Demnach nutzen Sprecher allgemeine Lernmechanismen wie Generalisierung, Kategorisierung oder Komposition, um aus den konkreten Äußerungen Gemeinsamkeiten zu erkennen und daraus eine Art Muster oder Schema abzuleiten (vergleiche Langacker 2008b, 2009). Damit distanziert sich die kognitive Linguistik von der Annahme einer angeborenen Grammatik, denn die Etablierung von Strukturen der Sprache setzt eine intensive Analyse authentischer Äußerungen aus dem Input voraus. Mit der Annahme der schrittweisen Schematisierung von Sprachstrukturen aus konkreten Äußerungen betont die kognitive Linguistik die Wichtigkeit der Sprachverwendung in einem kommunikativen beziehungsweise sozialen Kontext. Demnach stellt die Kodierung und Symbolisierung von Bedeutung in einer Sprache ein geteiltes Wissen innerhalb einer Sprachgemeinschaft dar, womit die soziale und interaktive Funktion von Sprache begründet wird (vergleiche Evans & Green 2006). Für die Grammatikvermittlung ergibt sich daraus eine ganz wichtige Konsequenz, nämlich dass die zunehmende Schematisierung und Kategorisierung sprachlicher Äußerungen einer grammatischen Struktur keinesfalls durch das explizite Regelerklären ersetzt werden kann (vergleiche auch Achard 2008: 440). Die Relevanz der Gebrauchsbasiertheit für die Sprach- und Kulturvermittlung wird in Kapitel 8 ausführlicher behandelt. Neben den drei Grundannahmen postuliert die kognitive Linguistik außerdem die Existenz von Organisationsprinzipien menschlicher Sprachen, die nicht nur für alle einzelnen Sprachbereiche (Syntax, Morphologie, Lexik und Ähnliches) gleich sind, sondern auch für die 24 1. Sprachenlernen und Kognition allgemeinen Denkprozesse des Menschen, wie zum Beispiel die Kategorisierung nach Prototypen oder die Polysemie. Solche Prinzipien werden im nächsten Abschnitt erklärt. 1.1.4 Organisationsprinzipien natürlicher Sprachen Wir nehmen die Welt nicht einfach unsortiert wahr, lassen nicht einfach alle Eindrücke in unser Gehirn dringen und dort irgendwie walten, sondern sortieren unseren nichtsprachlichen und sprachlichen Input. Dieser Aspekt unseres Denkens schlägt sich auch in der Ordnung von Sprache in den Köpfen der Sprecher (und Hörer) nieder. Nach Evans & Green (2006: 28; vergleiche auch Evans 2012) sind die natürlichen Sprachen nach bestimmten Prinzipien organisiert, die sowohl im Lexikon als auch in der Grammatik zu beobachten sind. Im Folgenden sollen einige dieser Prinzipien in Anlehnung an Radden (2008) erläutert werden. Prototypen Ein erstes wichtiges Prinzip ist der sogenannte Prototypeneffekt. Kognitionspsychologische Forschungen haben gezeigt, dass die Organisation von Konzepten als grundlegende kognitive Entitäten nicht nach Kriterien oder festen Definitionen erfolgt, sondern nach dem Prinzip der Zentralität (vergleiche Evans & Green 2006: 28f; Geeraerts 1989; Radden 2008). Wahrscheinlich ist der Prototypeneffekt aus der Tatsache heraus zu erklären, dass unsere konzeptuellen Kategorien oft mit den konkreten Erfahrungen aufgrund von Abweichungen nicht leicht vereinbar sind (Rosch 1975). So sind Prototypen als zentrale Vertreter einer bestimmten Kategorie zu verstehen. Die anderen Vertreter der Kategorie differieren in unterschiedlicher Intensität und durch unterschiedliche Dimensionen vom Prototypen (Barcelona & Valenzuela 2011: 21f). Der zentrale Vertreter weist in der Regel die maximale Anzahl an Charakteristika auf, die mit den anderen Vertretern der Kategorie geteilt werden können (nicht müssen). Die konzeptuelle Organisation nach Prototypen setzt außerdem voraus, dass es kein Charakteristikum gibt, das allen Vertretern der Kategorie gemeinsam sein muss. Zur Veranschaulichung des Prototypeneffekts nehmen wir das Konzept Kugel als Beispiel: Abbildung 1.1: Prototypeneffekt am Beispiel Kugel An den verschiedenen Abbildungen ist zu erkennen, dass a) den prototypischen und besten Vertreter der Kategorie Kugel darstellt. Die anderen Mitglieder der Kategorie Kugel können zwar als solche erkannt werden, aber sie weichen auf irgendeine Weise vom zentralen Vertreter ab: Während d) eine metaphorische Extension von Kugel (Patronenkugel) darstellt, 25 1.1 Kognitive Linguistik bezieht sich b) auf Kugel in ihrer synonymischen Verwendung zu (Fuß-)Ball und c) auf eine bestimmte Art von Kugel, nämlich Billardkugel. Die Distanz zwischen dem Prototypen und den anderen Vertretern der Kategorie variiert je nach Art der Abweichung. Wie bereits erwähnt, gibt es auch in diesem Beispiel keine gemeinsamen Kriterien, die alle Vertreter der Kategorie Kugel definieren. So wäre zum Beispiel das Merkmal rundes Objekt, das rollen kann bei d) nicht erfüllt. Folglich lassen sich Prototypen nach Geeraerts (1989) durch folgende Charakteristika festlegen: ▶ Prototypen besitzen Mitglieder mit unterschiedlichen Graden an Typikalität. ▶ Periphere Vertreter eines Prototypen sind verschwommen. ▶ Kategorien können nicht nach Kriterien definiert werden. ▶ Die semantische Struktur von Prototypen organisiert sich radial. Der Prototypeneffekt betrifft aber nicht nur die Semantik einzelner Wörter, sondern auch die Phonologie, die Phonetik und die Grammatik im Allgemeinen (vergleiche Evans & Green 2006). So finden sich im Bereich der Phonologie verschiedene Realisierungen eines selben Phonems, die trotz ihrer unterschiedlichen phonologischen Merkmale einem selben Phonem zugeordnet werden können, wobei eine Realisierung als die prototypische bezeichnet werden könnte. So sind zum Beispiel die Laute [ ʁ ] und [r] im Deutschen unterschiedliche Realisierungen (Allophone) desselben Phonems / R/ ; je nach Dialekt wird die eine oder die andere Realisierung des Phonems / R/ von den Sprechern als die prototypische bezeichnet. Im Bereich der Phonetik hat Kuhl (1991) festgestellt, dass Vokale wie zum Beispiel der Laut [i] als Kategorie intern so strukturiert sind, dass die verschiedenen phonetischen Realisierungen des Lautes nach der Nähe oder Distanz zum Prototypen beurteilt werden können. Kuhl stellte in weiteren Experimenten auch fest, dass es einen sogenannten Magnet-Effekt (›Perceptual Magnet Effect‹) gibt (vergleiche Kuhl 1998; Iverson & Kuhl 1995): Das Vorkommen des Prototypen als Stimulus bewirkt eine bessere Bewertung der umliegenden Laute. Der Prototyp zieht sozusagen die anderen Laute an sich heran, wie in der folgenden Abbildung gezeigt wird: Abbildung 1.2: Magnet-Effekt (Kuhl 1998: 58) Ein weiteres Beispiel für das Vorkommen von Prototypeneffekten innerhalb des Systems der Sprache ist die Tatsache, dass sich nicht alle transitiven Verben passivieren lassen und trotzdem als Vertreter der Kategorie der transitiven Verben erkannt werden (vergleiche Evans & Green 2006: 32): 26 1. Sprachenlernen und Kognition 1) Er wäscht sich seine Hände; * seine Hände werden von ihm gewaschen. 2) Der Bertelsmann-Konzern besitzt über 70-% der Aktien der RTL Group; * Über 70-% der Aktien der RTL Group werden vom Bertelsmann-Konzern besessen. Einige transitive Verben scheinen also das Merkmal der Passivierung nicht mit den anderen Vertretern der Kategorie zu teilen. Dieser Umstand kann jedoch aus pragmatischer Sicht erklärt werden: Da die Passivierung primär eine Fokusverlagerung vom Agens zum Patiens bewirkt, scheint eine solche Fokusverlagerung bei Äußerungen mit gleichem Agens und Patiens (1) nicht notwendig zu sein. Auch Verben wie zum Beispiel besitzen, haben, behalten und ähnliche Verben (2), die einen Besitzer mit einem Besitztum assoziieren (vergleiche Verspoor & Lowie 2003: 87), scheinen den Vorgangsaspekt durch das Passiv nicht zu benötigen. Experiment Machen wir nun ein Experiment zum Prototypeneffekt. Überlegen Sie sich ein bestimmtes Konzept (zum Beispiel Sofa, Fahrrad, Baum oder Ähnliches), suchen Sie ähnlich wie bei Abbildung 1.1 unterschiedliche Bilder zum ausgewählten Konzept und nummerieren Sie diese von 1-5. Im nächsten Schritt fragen Sie drei oder mehr Freiwillige, welche Bilder dem Prototypen des ausgewählten Konzepts näher stehen und welche etwas ferner. Was können Sie an den Ergebnissen beobachten? Wie würden Sie den verschiedenen Freiwilligen den beobachteten Effekt erklären? Überlegen Sie gemeinsam, welche Konsequenzen Sie aus Ihren Beobachtungen für Ihren Sprachunterricht ableiten können. Polysemie Verbunden mit dem Prototypeneffekt ist der Begriff der Polysemie. Er tritt dann ein, wenn eine linguistische Einheit mehrere (poly) Bedeutungen (seme) besitzt (vergleiche Radden 2008). Im Lexikon werden bei diesem auffallenden Phänomen Wörter-- oft durch Metaphorisierung- - mit einer anderen Bedeutung verwendet. Nehmen wir zum Beispiel das Wort Quelle, so kann das Wort sowohl entspringendes Grundwasser als auch den Ursprung einer Information (zum Beispiel bei Zitaten) bezeichnen. In der Grammatik ist Polysemie ebenfalls ein verbreitetes Phänomen. Ein oft genanntes Beispiel ist das Morphem {-er} als Affix bei der Substantivierung von Verben. Im Deutschen besteht die Möglichkeit, das Morphem {-er} für unterschiedliche Zwecke zu nutzen (vergleiche Wildgen 2008). So kann die Kombination eines Verbs mit dem Affix {-er} das Agens einer Szene markieren (zum Beispiel Käufer); {-er} kann jedoch auch ein Instrument kodieren (zum Beispiel Kocher). Ein weiteres Beispiel für Polysemie in der Grammatik sind die Modalverben. So bezeichnet das Modalverb müssen 27 1.1 Kognitive Linguistik sowohl eine interne Kraft (zum Beispiel: Ich muss gegenüber meinem Freund ehrlich sein.) als auch einen externen Druck (beispielsweise Ich muss morgen den Bericht abgeben.). Taxonomien Auch die sogenannten Taxonomien stellen ein weiteres Organisationprinzip natürlicher Sprachen dar, das ebenfalls aus der allgemeinen Kognition bekannt ist: Konzeptuell-semantische Kategorien schweben nämlich nicht isoliert in unserem konzeptuellen System, sondern sie sind miteinander auf eine hierarchieartige Weise verbunden (vergleiche Radden 2008). Durch die Nutzung von Hyperonymen (Fahrzeug-=> Auto) und Kohyponymen (Auto <=> Motorrad) bieten Taxonomien die Möglichkeit, den Aufbau begrifflichen Wissens ökonomisch zu verwalten (vergleiche Neveling 2004: 42). Zur Systematisierung des Wortschatzes vermitteln einige Vokabellehrwerke wie memo folgerichtig Strategien, die auf Unter- oder Nebenordnung basieren (vergleiche Roche 2013b: 93). Damit lässt sich die Wortschatzarbeit mit den Organisationsprinzipien unseres konzeptuellen Systems besser vereinbaren und zugleich der Aufbau unterschiedlicher Netze lexikalischen Wissens unterstützen, was wiederum die Nutzung unterschiedlicher Speicher- und Abrufwege ermöglicht. Nach Radden (2008; vergleiche auch Neveling 2004) besitzen die sogenannten basic-level-words innerhalb der Taxonomien eine besondere kognitive Prägnanz: Sie können einerseits ein konkretes mentales Bild aus unseren Erfahrungen hervorrufen, enthalten andererseits jedoch nicht zu viele Details, die ihre Speicherung eventuell erschweren könnten. Die Speicherwirksamkeit von basic-level-words lässt sich aber nicht nur durch ihre kognitive Prägnanz begründen, sondern vor allem durch ihre kommunikative Relevanz (Neveling 2004: 44): Ein Wort wie Auto kommt in der Kommunikation öfter vor als zum Beispiel das Wort sidecar und ist daher für Sprecher und Lerner auch relevanter. Die Vermittlung von basic-level-words eignet sich daher für die Anfangsphasen des Wortschatzerwerbs besonders gut. 1.1.5 Die Rolle der kognitiven Linguistik in der Sprachdidaktik An verschiedenen Stellen dieses Kapitels ist bereits deutlich geworden, wie sich ein kognitionslinguistischer Ansatz auf die Sprachvermittlung auswirken kann. Im Folgenden sollen die wichtigsten Prinzipien einer kognitionslinguistisch ausgerichteten Sprachdidaktik zusammengefasst und ergänzt werden, bevor im letzten Kapitel das Modell einer kognitiven Sprachdidaktik präsentiert und illustriert wird. Festzuhalten ist also: Für den erfolgreichen Erwerb von grammatischen Konstruktionen ist erstens der Erwerb ihrer Bedeutung zwingend erforderlich (vergleiche Langacker 2008b, 2008c). Zweitens muss die zunehmende Schematisierung und Kategorisierung konkreter sprachlicher Äußerungen einer grammatischen Struktur aus authentischem Input und nicht durch die explizite Regelerklärung erfolgen (vergleiche Achard 2008). Drittens ist die Grammatik kein arbiträres und abstraktes System, sondern sie ist konzeptuell motiviert und organisiert sich nach den Prinzipien der allgemeinen Kognition und Perzeption körperlicher Erfahrungen (vergleiche Evans & Green 2006). Aus diesem letzten Aspekt ist zu schließen, dass die Grammatik auch 28 1. Sprachenlernen und Kognition durch konkrete, körperliche Erfahrungen vermittelbar sein sollte (vergleiche Littlemore & Low 2006b; Suñer 2013: 16). Erst über diesen Weg lassen sich konkrete Handlungen mental simulieren und damit die Grammatik erfahrbar machen. Eine solche Vermittlung kann durch entsprechende körperliche Erfahrungen (Gestik oder Mimik) gestützt werden oder auch durch Animationen erfolgen, die ein grammatisches Phänomen einer Sprache kognitionslinguistisch verbildlichen. Wie das konkret erfolgen kann, zeigt Kapitel 7 anhand verschiedener grammatikalischer Bereiche. Wie Sie in Kapitel 8 sehen werden, erweisen sich die handlungsorientierten Ansätze als ein besonders geeigneter methodischer Rahmen für den Einsatz von Grammatikanimationen. Ganz im Sinne der kognitionslinguistischen Postulate gehen handlungsorientierte Ansätze davon aus, dass Wörter und Grammatik als Handlungen verstanden werden können und dass aus ihrem Erfolg gelernt werden kann (vergleiche auch das Handlungsprinzip nach Roche, Reher & Simic 2012: 32). In anderen Worten: Erst durch den Gebrauch von Sprache in einer konkreten Handlungssituation können grammatische Konstruktionen erworben und nach situationaler Differenzierung weiter elaboriert beziehungsweise spezifiziert werden (vergleiche auch das Situativitätsprinzip nach Roche et al. 2012: 32). Diese Prinzipien korrespondieren mit dem kognitionslinguistischen Postulat der Gebrauchsbasiertheit insofern, als dass Sprachen erst durch ihren aktuellen Gebrauch in konkreten Situationen schrittweise erworben werden können (vergleiche Behrens 2009; Bybee 2008; ausführlicher siehe Lerneinheit 8.2). Vor diesem Hintergrund unterstützen Grammatikanimationen die mentale Repräsentation konkreter Handlungen und machen damit die Verbindung zwischen situationsspezifischen Aspekten von Handlungen und den entsprechenden Sprachmitteln transparent (vergleiche dazu Kapitel 7). Dieses Prinzip lässt sich beispielweise so umsetzen, dass die Lerner nach einer ersten Phase der Exploration der Animationen die dort abzuspielenden Handlungen selbst gestalten. Durch das anschließende Abspielen der gestalteten Situation können die Lerner ihre Vorstellungen überprüfen und sich den Zusammenhang zwischen Sprache und Handeln nochmals vor Augen führen. Außerdem lassen sich Grammatikanimationen besonders gut in kooperativen Lernsettings einsetzen, denn sie bieten Lernenden durch ihre vordergründige Unvollständigkeit und ihre induktive Präsentationsform vielfältige Impulse für das selbständige Problemlösen in der Gruppe (vergleiche Entwicklungsprinzip nach Roche et al. 2012: 32). Schließlich ist zu erwähnen, dass die in Grammatikanimationen abzubildenden Situationen die Interessen und Bedürfnisse der Lerner berücksichtigen sollen, um die nötige Salienz und Relevanz zu erzeugen (vergleiche auch Relevanzprinzip nach Roche et al. 2012: 32). Erst durch die Einbeziehung der Lernerwelt in die Grammatikanimationen können lernrelevante Prozesse (Hypothesenbildung, Analogiebildung etc.) initiiert werden, die den sukzessiven Aufbau der (Fremd-)Sprache ermöglichen (vergleiche Roche et al. 2012: 32). Eine im Sinne der kognitiven Linguistik ausgerichtete kognitive Sprachdidaktik lässt sich folgendermaßen beschreiben (ausführlicher siehe Lerneinheit 8.3): Die Bezeichnung kognitive Sprachdidaktik leitet sich von ihrer wichtigsten linguistischen Bezugsdisziplin, der kognitiven Linguistik, ab. Die kognitive Linguistik basiert nach Evans (2012) auf den folgenden Annahmen: Sprache ist Konzeptualisierung (thesis that meaning is conceptualisation), Sprache ist und entwickelt sich gebrauchsbasiert und damit in unterschiedlichen kulturellen 29 1.1 Kognitive Linguistik Kontexten (usage-based thesis), Bedeutung ergibt sich aus der Gesamtheit des Wissens aller konzeptuellen Bestände (thesis of encyclopedic semantics) und körperlicher Erfahrungen (thesis of embodied cognition) und Form und Bedeutung bilden eine Einheit (symbolic thesis) (vergleiche Evans 2012). Die kognitive Sprachdidaktik macht die konzeptuellen und semantischen Bezüge linguakultureller Systeme transparent und interkulturell salient. Sie geht nicht nur von strukturellen Unterschieden zwischen Sprachsystemen aus, sondern fasst konzeptuelle Unterschiede als Elemente linguakultureller Systeme auf und vermeidet damit die artifizielle Trennung zwischen Sprache und Kultur, die in der Sprach- und Kulturvermittlung oft in Form von isoliertem Landeskundeunterricht betrieben wird. Die kognitive Sprachdidaktik passt die Sprachvermittlung an das an, was ein Lerner in einer bestimmten Entwicklungsphase verarbeiten kann, verbindet die Erkenntnisse der kognitiven Linguistik mit denen der Spracherwerbsforschung, Lernpsychologie und Psycholinguistik. Da sich Sprachen und ihre Grammatiken phylo- und ontogenetisch aus Handlungen und Bedeutungen entwickeln, ist die kognitive Sprachdidaktik eine handlungsorientierte und grundsätzlich landeskundlichinterkulturelle lernerorientierte Didaktik mit einer starken Affinität zu kommunikativen Prinzipien und authentischer sprachlicher Variation und distanziert sich von Kognitivierung im Sinne metasprachlicher Bewusstmachungsverfahren. 1.1.6 Zusammenfassung ▶ Die kognitive Linguistik hebt sich von anderen Ansätzen dadurch ab, dass sie Sprache als Mittel zur Konzeptualisierung der Realität definiert, das durch die Interaktion zwischen Individuen in einem bestimmten kulturellen Kontext fixiert und durch allgemeine Lernmechanismen erworben wird. ▶ Die kognitive Linguistik geht weiterhin davon aus, dass Sprache ein bedeutungsvolles System symbolischer Strukturen darstellt, das sich anhand von Prinzipien allgemeiner Kognition erklären und weniger durch ein festes Regelwerk generieren lässt. So können unter anderem Prototypeneffekte, Metaphorisierung und Polysemie die Lexik und die Grammatik einer Sprache erklären. ▶ Schließlich lässt sich der Mehrwert einer kognitiv ausgerichteten Sprachdidaktik unter anderem durch die kognitive Plausibilität der Sprachbeschreibung sowie durch die hohe Kompatibilität mit handlungsorientierten Ansätzen begründen. 1.1.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Was sind die größten Unterschiede zwischen der kognitiven Linguistik und dem Generativismus? 2. Was ist das cognitive commitment in der kognitiven Linguistik? 3. Was bedeutet genau, dass die Sprache gebrauchsbasiert ist? 4. Was ist ein Prototypeneffekt und welche Rolle spielt er in der Grammatik? 5. Wie würden Sie den Mehrwert einer kognitiv ausgerichteten Didaktik begründen? 30 1. Sprachenlernen und Kognition 1.2 Sprache und das mehrsprachige Gehirn Kees de Bot & Hanneke Loerts (übersetzt von Simone Lackerbauer) Die Sprachverarbeitung ist eine der komplexesten Aufgaben, die unser Gehirn bewältigen muss. Sie verlangt das Zusammenwirken vieler Bestandteile, die über das gesamte Gehirn hinweg in einem Netzwerk miteinander verbunden sind, wobei einige Teile des Gehirns dabei stärker eingebunden sind als andere. Früher hat man geglaubt, dass bestimmte Sprachelemente in bestimmten Bereichen des Gehirns verarbeitet werden. Mittlerweile herrscht Einigkeit darin, dass es keine Netzwerkbereiche gibt, die ausschließlich der Sprachverarbeitung dienen, und dass viele Bereiche des Netzwerks in beiden Gehirnhälften eine Rolle spielen. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ erklären können, welche Bereiche des Gehirns für die Sprachverarbeitung wichtig sind; ▶ zwischen verschiedenen Arten des Sprachverlusts und der Sprachwiedererlangung bei bilingualen Patienten mit Aphasie unterscheiden können. 1.2.1 Die historisch ersten Erkenntnisse zu Gehirn und Sprache Hirnforschung ist ein verhältnismäßig junger Forschungsbereich. Da das Gehirn nicht einfach zugänglich ist, konnte man Annahmen über die Funktionsweise der Sprachverarbeitung nur anhand von Auswirkungen bestimmter Hirnschäden in bestimmten Bereichen des Gehirns anstellen. Insbesondere durch den Ersten Weltkrieg und andere militärische Konflikte gab es viele Menschen mit spezifischen Hirnverletzungen und -beschädigungen, die infolgedessen an ganz spezifischen Sprachproblemen litten. Die Verletzungen durch Schusswunden waren jedoch meist zu großflächig, um eine exakte Verortung der Sprachverarbeitung im Gehirn zu ermöglichen. Nicht nur bei Soldaten, sondern auch bei Zivilisten mit Gehirnverletzungen und Sprachproblemen war es oft erst bei der Obduktion möglich, die Verbindung zwischen einzelnen Bereichen im Gehirn und dem Muster der jeweiligen Sprachstörung zu untersuchen. Phrenologie In den frühen Jahren der Erforschung dieser Phänomene stellte auch die Phrenologie einen beliebten Forschungszugang dar. Die Phrenologen und Phrenologinnen gingen davon aus, anhand der Form des Schädels eines Patienten Aussagen über verschiedene kognitive und emotionale Eigenschaften machen zu können. Diese Lehre, die oft auf fragwürdige Weise versuchte, Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen festzustellen, um eine vermeintliche »Überlegenheit der weißen Rasse« auf körperliche Eigenschaften zurückzuführen, wurde aber schnell durch seriösere Forschungsansätze von Neurologen wie Carl Wernicke, Paul Broca und John Hughlings Jackson abgelöst. Ihre Arbeiten werden weiter unten genauer vorgestellt. 31 1.2 Sprache und das mehrsprachige Gehirn Sie begannen, das Gehirn zu kartographieren und waren damit in der Lage, eine Verbindung zwischen bestimmten Gehirnarealen und bestimmten Sprachstörungen festzustellen. Frühe Untersuchungen des Gehirns verstorbener Patienten und Patientinnen zeigten bereits, dass das Gehirn aus zwei großen Hirnhälften besteht, nämlich der linken und der rechten Hirnhemisphäre, die durch den sogenannten corpus callosum oder ›Balken‹ verbunden sind. Es zeigte sich weiter, dass die Hemisphären nicht gleichermaßen am Sprachprozess beteiligt sind. Es ist zwar bis heute nicht vollständig geklärt, welche Rolle sie genau spielen, aber es spielt immer eine Hemisphäre die dominante Rolle. In dieser Hemisphäre befindet sich der Großteil der Komponenten, die für die Sprachverarbeitung wichtig sind. Bei Rechtshändern ist die linke Hemisphäre typischerweise dominant. Bei Linkshändern ist das Bild nicht ganz so eindeutig. Nur bei ungefähr 19-% der Linkshänder ist die rechte Hemisphäre dominant, bei weiteren 18-% sind beide Hälften mehr oder weniger gleichermaßen dominant. Die beiden Hirnhälften oder Hemisphären, die zusammen auch als Großhirn bezeichnet werden, enthalten ausgeprägte, schmale Spalten oder Furchen in ihrer Oberfläche, die das Gehirn in verschiedene Lappen teilen. Beide Hemisphären haben jeweils einen Frontal-, Parietal-, Okzipital- und einen Temporallappen. Die beiden Frontallappen sind für die Steuerung unseres Verhaltens, das Treffen von Entscheidungen, Denken, Planen und willkürliche Bewegungen (durch den Motorcortex) zuständig. Die Hemisphären sind kontralateral angelegt, das heißt, sie steuern die Muskelbewegungen und erhalten die Sinneseindrücke von der jeweils gegenüberliegenden Hälfte des Körpers. Ein Schlaganfall in der linken Hemisphäre betrifft somit die rechte Hälfte des Körpers und Gesichts, und ein Schlaganfall in der rechten Hemisphäre kann umgekehrt zur Lähmung der linken Körperseite führen. Da die Frontallappen unsere Körperbewegungen und unser Verhalten sowohl planen als auch steuern, wird dieser vordere Teil des Gehirns als Sitz der Persönlichkeit angesehen und ist nachweislich an der Verarbeitung von Emotionen beteiligt. Die Parietallappen, die sich hinter den Frontallappen befinden, sind hauptsächlich für unseren Tastsinn und für die Interpretation der Körpersignale zuständig, die wir hören, sehen und fühlen oder an die wir uns erinnern. Visuelle Impulse werden hauptsächlich in den Okzipitallappen auf der Kopfhinterseite verarbeitet. Die Temporallappen, die sich nah an den Ohren befinden, sind hingegen für die Verarbeitung unseres Hörsinns verantwortlich. Ebenso sind sie für Gedächtnis und Emotionen wichtig. Jeder Lappen kann daher bestimmten Hirnfunktionen zugewiesen werden, jedoch arbeiten die Hirnlappen nicht im Alleingang. Es gibt verschiedene komplexe Verbindungen und Beziehungen zwischen den Lappen und Hemisphären, die entscheidend dazu beitragen, dass das Gehirn als Ganzes ordnungsgemäß funktioniert. In den 1960er und 1970er Jahren wurde bei vielen Patientinnen und Patienten mit Epilepsie ein operativer Eingriff durchgeführt, bei dem Teile des corpus callosums, des Nervengewebes, das die beiden Gehirnhälften verbindet, entfernt wurden. Es wurde nämlich angenommen, dass die epileptischen Anfälle, unter denen diese Patienten und Patientinnen litten, die Folge von widersprüchlichen Informationen aus den beiden Hemisphären waren. Das führte zu interessanten Veränderungen, die aber für die Patientinnen und Patienten nicht immer von Vorteil waren. Weil die Hälften nicht mehr miteinander kommunizierten, verhielten sie sich 32 1. Sprachenlernen und Kognition mehr oder weniger unabhängig voneinander. Man erkannte, dass die nicht-dominante Hälfte nur sehr bedingt sprachliche Fähigkeiten aufweist und dass die meisten sprachbezogenen Prozesse in der dominanten Hirnhälfte stattfinden. Die bekanntesten Gebiete sind das Broca- Areal und das Wernicke-Areal. Broca, Wernicke und die Verbindung zwischen ihnen Paul Pierre Broca (1824-1880) war ein französischer Chirurg und Anatom, der für die Entdeckung eines Areals bekannt ist, das (zumindest teilweise) für die Sprachproduktion zuständig ist. Er obduzierte Patientinnen und Patienten, die bis zu ihrem Tod ein gutes Sprachverständnis hatten, aber keine verständliche Sprache mehr produzieren konnten (Broca 1861). Bei der Obduktion entdeckte er Läsionen (›Verletzungen‹) am Frontallappen der linken Hemisphäre (siehe auch Abbildung 1.3). Etwas mehr als ein Jahrzehnt nach Brocas Entdeckung berichtete ein anderer Arzt und Anatom namens Carl Wernicke (1848-1905) von einem Patienten, der das umgekehrte Problem hatte. Wernickes Patient hatte große Mühe, Sprache zu verstehen, war aber in der Lage, flüssige wenn auch unverständliche Sprache zu produzieren. Die Obduktion zeigte eine Läsion in einem Bereich weiter hinten am linken Temporallappen, der heute als Wernicke-Areal bekannt ist. Obwohl es keine übereinstimmende Meinung darüber gibt, wie diese Areale genau funktionieren, lässt der Vergleich zwischen diesen Verhaltensabweichungen und anatomischen Unregelmäßigkeiten darauf schließen, dass Verletzungen am Broca-Areal bei verhältnismäßig gut erhaltenen rezeptiven Fähigkeiten zu mühevoller, nicht-flüssiger und telegraphischer Sprechproduktion führen (Broca-Aphasie). Verletzungen am Wernicke-Areal führen meistens zu einer zwar flüssigen, aber größtenteils »leeren« Sprachproduktion mit einem geringen Anteil an spezifischen Wörtern, umständlichen Pa- Abbildung 1.3: Seitenansicht der linken Hemisphäre mit ihren vier Lappen (Frontal-, Parietal-, Okzipital- und Temporallappen) sowie den wichtigsten Verarbeitungszentren (nach Roche 2013a: 54) 33 1.2 Sprache und das mehrsprachige Gehirn raphrasierungen und großen Verständnisproblemen (Wernicke-Aphasie). Im Gegensatz dazu lässt sich bei Patienten und Patientinnen, die Schäden am fasciculus arcuatus (das Nervenbündel, das die Broca- und Wernicke-Areale verbindet) erlitten haben, weiterhin ein gutes Sprachverständnis und eine gute Sprachproduktion feststellen. Allerdings sind sie nicht in der Lage, Sprache zu wiederholen beziehungsweise zu imitieren. Die am weitesten verbreitete Hypothese hinsichtlich der zugrundeliegenden Funktionen dieser klassischen Sprachbereiche im Gehirn besagt, dass das Broca-Areal hauptsächlich für die Sprachproduktion und das Wernicke-Areal hauptsächlich für die Sprachrezeption zuständig ist. Jüngere neurologische Untersuchungen mit modernen bildgebenden Verfahren weisen jedoch darauf hin, dass diese Aufteilung zu grob ausfällt. So wurden auch andere Erklärungen vorgeschlagen, wie zum Beispiel die Aufteilung zwischen Grammatik (Broca) und Bedeutung (Wernicke). Die meisten dieser Studien stimmen allerdings darin überein, dass diese klassischen Sprachbereiche für die Sprachproduktion unverzichtbar sind. Auf die typischen Merkmale der unterschiedlichen Aphasie-Arten gehen wir später genauer ein. 1.2.2 Zweisprachigkeit und Lateralisation: das bilinguale Gehirn In Bezug auf Bilingualismus gibt es eine große Anzahl von Studien, die versucht haben zu zeigen, dass Zweitsprachen sich teilweise oder vollständig in der nichtdominanten Hemisphäre befinden. Es wurden viele Faktoren, die die Rolle dieser Hemisphäre erklären könnten, untersucht: Das Alter, in dem die Sprache erworben wurde, die Rechts- oder Linkshändigkeit und die Sprachkompetenz in der Zweitsprache (L2) wurden hierbei am häufigsten betrachtet. Um den Einfluss beider Hemisphären zu untersuchen, wurden vor der Entwicklung bildgebender Verfahren in der Neurologie Techniken verwendet, wie zum Beispiel das visuelle Halbfeld-Paradigma. Bei diesem Verfahren mussten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einen Punkt im Mittelpunkt eines Bildschirms mit den Augen fokussieren, während links oder rechts davon Wörter projiziert wurden. Nach der Sitzung wurden die Teilnehmenden nach den Wörtern befragt, die im linken beziehungsweise rechten visuellen Halbfeld gezeigt wurden. Obwohl die Ergebnisse oft uneindeutig waren, war doch festzustellen, dass die im rechten visuellen Halbfeld gezeigten Wörter besser behalten wurden als Wörter im linken Halbfeld. Eine mögliche Erklärung dafür war, dass das rechte Halbfeld direkter mit der dominanten Gehirnhälfte verbunden sei und damit Wörter in diesem Halbfeld besser im Gedächtnis blieben. Die andere Variante dieser Aufgabe betraf den Hörsinn, genauer das sogenannte dichotische Hören. Bei dieser Aufgabe hörten die Teilnehmenden mit beiden Ohren gleichzeitig verschiedene Wörter. Wörter, die mit dem dominanten Ohr gehört wurden, also in dem Ohr gegenüber der dominanten Gehirnhälfte, wurden für gewöhnlich besser behalten. Des Weiteren wurde dieses Experiment mit Rücksicht auf die Inputsprache modifiziert, wobei die Teilnehmenden Wörter in zwei Sprachen gleichzeitig hörten, eine Sprache je Ohr. Dabei wurden die Lateralisation hinsichtlich der jeweiligen Sprache und das Behalten der Wörter in zwei Sprachen untersucht. Als Vergleichswert wurden Ergebnisse dieses Versuchs bei monolingualen Sprechern und Sprecherinnen herangezogen. Paradis (2003, 2007) spricht sich in einigen Veröffentlichungen gegen die Annahme aus, dass durch Mehrsprachigkeit 34 1. Sprachenlernen und Kognition die rechte Hemisphäre stärker einbezogen würde. Er kritisiert die Methoden, die für diesen Test verwendet werden, als nicht angemessen und unzuverlässig. Dazu reagierte er sehr energisch auf weitere Versuche, diejenigen einzigartigen Bedingungen zu finden, die zufällig zum erwünschten Effekt führen, nämlich einer augenscheinlichen Spezialisierung der Gehirnhälften. Aus seiner Sicht ist die nichtdominante Hemisphäre an der bildhaften und metaphorischen Sprache beteiligt sowie an supra-segmentalen Aspekten der Artikulation. Bezüglich weiterer Sprachaspekte behauptete er, nach lateraler Spezialisierung zu suchen, komme der Suche nach dem Loch-Ness-Monster gleich (vergleiche Paradis 2003). Neueste Studien verwenden bildgebende Verfahren, die die Argumentation von Paradis mehr oder weniger bestätigen. Seitdem bewegt sich die Aufmerksamkeit der Forschung weg von der lateralen Spezialisierung auf Sprachen, da es zunehmend als anerkannt gilt, dass Sprachen und Sprachkompetenzen nicht an einer bestimmten Stelle verortet sind, sondern vielmehr auf einem Netzwerk aus Gehirnzellen basieren, das sich über beide Seiten der Hirnhautrinde ausbreitet. Sprachdarstellungen im mehrsprachigen Gehirn Über die Lateralisation bei bilingualen Sprecherinnen und Sprechern hinaus haben sich viele Forscher und Forscherinnen mit der Frage beschäftigt, ob unterschiedliche Sprachen in den gleichen Gehirnregionen Neuronen aktivieren oder nicht. Ursprünglich glaubten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass unterschiedliche Sprachen womöglich in unterschiedlichen Regionen des Gehirns gespeichert werden. Diese These stammt hauptsächlich aus der Auseinandersetzung mit medizinischen Fällen, in denen berichtet wurde, dass bilinguale Sprecher und Sprecherinnen nach einer Gehirnverletzung oder einem Schlaganfall nur noch eine der beiden Sprachen sprechen konnten. Der Neurologe Albert Pitres (1895; in Paradis, 1997) behauptete allerdings, dass unterschiedliche Sprachareale unwahrscheinlich seien, da sich ein Schlaganfall oder eine Gehirnverletzung in diesem Fall sehr selektiv auf die vier Bereiche des Gehirns auswirken müsste, die der Sprachverarbeitung dienen. Das würde bedeuten, dass zwei Wahrnehmungszentren (Hörsinn und Sehsinn) und zwei motorische Zentren (graphisches und phonetisches Areal) gleichzeitig eingeschränkt werden müssten, ohne dabei die andere Sprache zu beeinflussen. Pitres Ansicht gilt auch heute noch und wurde durch neurologische Studien mit bildgebenden Verfahren bestätigt und erweitert. Eine interessante Studie von Chee, Tan & Thiel (1999) setzte die funktionelle Magnetresonanztomographie (f MRT oder f MRI , diese Methode wird in Lerneinheit 1.3 genauer beschrieben) ein, um festzustellen, welche Gehirnareale für die Wortbildung bei bilingualen Sprechern und Sprecherinnen (Mandarin und Englisch) verantwortlich sind, und zwar sowohl bei früh als auch spät erworbener Mehrsprachigkeit. Trotz der großen Unterschiede zwischen den Sprachen und deren Schriftsystemen wurden bei der Beobachtung der Hirnrinde keine Unterschiede in der Aktivierung festgestellt, egal ob die Probanden und Probandinnen Wörter auf Englisch oder Mandarin formulierten. Die aktiven Areale waren bei beiden Sprachen das Broca-Areal, jener Teil des Frontallappens, der für die ausführende Steuerung von Tätigkeiten zuständig ist, sowie das motorische Areal, das bei der Artikulation von 35 1.2 Sprache und das mehrsprachige Gehirn Sprache beteiligt ist. Interessanterweise gab es keinen Unterschied hinsichtlich der aktiven Areale zwischen Probanden und Probandinnen, die Englisch vor dem sechsten Lebensjahr erworben hatten, und Probanden und Probandinnen, die erst nach dem zwölften Lebensjahr Englisch zu erwerben begonnen hatten. Eine Studie von Vingerhoets, Van Borsel, Tesink, Van den Noort, Deblaere, Seurinck & Achten (2003), bei der trilinguale Sprecher und Sprecherinnen (Niederländisch-Englisch- Französisch) verschiedene Aufgaben, zum Beispiel zur Objektbenennung oder zum Leseverständnis, ausführen mussten, belegt ebenfalls eine Überschneidung der Hirnregionen, jedoch konnten hier Unterschiede in der Intensität und Reichweite des Aktivierungsmusters beobachtet werden. Nach jetzigem Forschungsstand scheint es so, als wäre ein erweitertes Set von Hirnarealen an der Verarbeitung der später erworbenen oder weniger verfestigten Sprache beteiligt. Eine von Indefrey (2006) durchgeführte Meta-Analyse, die die Ergebnisse von 30 Lokalisierungsexperimenten untersuchte, bestätigt, dass keine spezifischen Regionen mit der Sprachverarbeitung von L2 in Verbindung gebracht werden können. Die Studien zeigten jedoch, dass Unterschiede in der Intensität der Aktivierung zwischen L1 und L2 messbar sind. Die zweite Sprache ruft scheinbar einen höheren Grad an Aktivierung hervor, insbesondere im Broca-Areal und den umliegenden Arealen. Bilinguale Aphasie So wie einzelne Komponenten innerhalb der Sprachen dadurch untersucht werden können, dass man beobachtet, welche Stellen im Gehirn verletzt sind und welche spezifischen Sprachprobleme dabei auftreten, so können uns auch Forschungen über Aphasie Erkenntnisse verschaffen, wie verschiedene Sprachen im Gehirn repräsentiert werden. Zwei Meta-Analysen zur bilingualen und multilingualen Aphasie sind die wichtigsten Informationsquellen hierzu (Albert & Obler 1978 mit 108 Fällen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1977; Paradis 1977 sowie 1983 mit einer Analyse historischer Fälle). Obwohl die berichteten Fälle durchaus faszinierend sind und reichhaltige Informationen liefern, ist bei ihrer Interpretation dennoch Vorsicht geboten. Albert & Obler weisen darauf hin, dass »individual case studies on polyglot aphasics are published because they are interesting« (Albert & Obler 1978: 100). Gemessen an heutigen Standards sind die Berichte und Bewertungsmethoden vollkommen unzureichend und basieren oft auf zwar womöglich sehr scharfsinnigen, aber oft schwer einzuschätzenden Eindrücken medizinischer Expertinnen und Experten. Es gibt fünf wiederkehrende Muster in Bezug auf den Verlust und der Wiedererlangung (Restitution) verschiedener Sprachen, die in der Literatur erwähnt werden (Paradis 1977, 2004: 65): ▶ Parallele Restitution: Die Sprachen sind im gleichen Ausmaß gestört und werden gleichmäßig wiedererlangt. ▶ Differentielle Restitution: Die Sprachen sind in unterschiedlichem Maße gestört, aber die Wiedererlangung vollzieht sich in allen Sprachen. ▶ Sukzessive Restitution: Die Sprachen werden nacheinander wiedererworben. ▶ Selektive Restitution: Eine oder mehrere Sprachen bleiben dauerhaft gestört, während eine andere Sprache wiedererlangt wird. 36 1. Sprachenlernen und Kognition ▶ Antagonistische Restitution: Durch die Restitution einer Sprache verschlechtert sich eine andere. Die Literatur zu bilingualer Aphasie weist auf eine Reihe von Faktoren hin, die eine Rolle bei der Wiedererlangung der Sprachen spielen. Dazu gehören die Reihenfolge, in der die Sprachen gelernt wurden, das erreichte Kompetenzniveau in den Sprachen, affektive Einstellungen gegenüber den Sprachen, der Ort und die Größe der Läsion und die Verwendung der Sprache in der jüngeren Vergangenheit. Kein einzelner Faktor scheint alleine geeignet, die unterschiedlichen Muster des Sprachverlusts und der Restitution zu erklären. Paradis (2001) fasst die Ergebnisse der Meta-Analysen wie folgt zusammen: Weder die Erstsprache, Automatisierung, Gewohnheiten, ex-ante und ex-post Stimulierung, Angemessenheit, Notwendigkeit, Affektivität, Schwere der Aphasie, Art der Zweisprachigkeit, Art der Aphasie oder strukturelle Distanz zwischen den Sprachen konnte die verschiedenen nicht-parallelen Restitutionsmuster angemessen erklären. (Paradis 2001: 90) Diese Daten zeigten also bereits, was bildgebende Verfahren in der Neurologie später bestätigten: Unterschiedliche Sprachen besitzen nicht jeweils einen eigenen Ort im Gehirn, sondern befinden sich in einzelnen Zell-Netzwerken innerhalb der bekannten Sprachbereiche im Gehirn. Die Literatur kennt einige Fälle, in denen bei Patientinnen und Patienten verschiedene Formen der Aphasie in unterschiedlichen Sprachen auftraten. Das würde die Vorstellung unterstützen, dass Sprachen ihre eigenen Bereiche im Gehirn einnehmen. Paradis (2004: 65ff) diskutiert eine Reihe von Fällen, die als differentielle Restitution bezeichnet wurden. Er schließt daraus, dass sich diese Art der Restitution auf den Grad der Störung in unterschiedlichen Sprachen bezieht und dass es sich nicht um tatsächlich unterschiedliche Störungsvarianten bei den untersuchten Patienten und Patientinnen handelt. Theoretisch gibt es wahrhafte Datenozeane in den Krankenhäusern der Welt, die eine neurologische Abteilung haben, die man hinzuziehen könnte, um diese Fragen genauer zu beantworten, da die meisten eingelieferten Patienten und Patientinnen entweder bilingual oder bidialektal sind. Idealerweise sollten sie so früh wie möglich und dann noch einmal ein paar Tage später getestet werden, um das Ausmaß der Verschlechterung oder der Wiedererlangung der Sprachen festzustellen. Der bereits existierende bilingual aphasia test (vergleiche Paradis & Libben 2014), ein ausführlicher Auswahltest, der in vielen Sprachen verfügbar ist, könnte dazu herangezogen werden. Während es für monolinguale Sprecher und Sprecherinnen nur eine Möglichkeit der Sprachtherapie gibt, können bilinguale und multilinguale Personen ihre Therapie in mehr als einer Sprache erhalten. Es gibt eine rege Diskussion darüber, welches der effektivste Ansatz sei: Sollte man die am stärksten ausgeprägte Sprache, meist die Erstsprache, behandeln und darauf hoffen, dass die weiteren Sprachen zurückkehren, oder sollte man eine Zweit- oder Drittsprache verwenden, um das gesamte Sprachsystem zu reaktivieren? 37 1.2 Sprache und das mehrsprachige Gehirn Unterschiede zwischen bilingualer und multilingualer Aphasie Die Definitionsprobleme bezüglich Bilingualismus und Multilingualismus werden dann besonders akut, wenn man versucht, sie in Bezug auf Aphasie zu vergleichen. Die Fachliteratur, die sich auf dieses Thema bezieht, ist dadurch eingeschränkt, dass sich die Berichte selektiv für besonders außergewöhnliche oder spannende Fälle interessieren. Das macht es schwierig, generalisierbare Aussagen zu treffen. Aus heutiger Sicht ist ebenfalls problematisch, dass die Berichte aufgrund fehlender Standards nur ein unvollständiges Bild liefern. Belastbare Schlussfolgerungen kann man deswegen kaum aus den verfügbaren Studien ziehen. Albert & Oblers (1978) Meta-Analyse konnte keine signifikanten Unterschiede zwischen Bilingualen und Multilingualen feststellen, weist aber auf einige Tendenzen hin: ▶ Mehrsprachige scheinen die zuerst erworbene Sprache besser wiederzuerlangen, während Bilinguale eher die Sprache wiedererlangten, die sie als Letztes gelernt und häufiger genutzt hatten. ▶ Bei multilingualen Sprecherinnen und Sprechern kam es öfter zu nicht-paralleler Restitution. ▶ Die erste Sprache verschlechtert sich bei der Wiedererlangung der zweiten Sprache eher bei multilingualen Personen als bei bilingualen. Das Hauptproblem besteht weiterhin darin, dass zu den Patienten und Patientinnen kaum Informationen über prämorbide Sprachfähigkeit und Sprachnutzung vorhanden sind, um diese Tendenzen zu belegen. Nicht-parallele Restitution spiegelt sehr wahrscheinlich die Unterschiede in der Sprachfähigkeit vor der Gehirnverletzung wieder. 1.2.3 Neuroplastizität und Zweitspracherwerb Obwohl das Gehirn lange Zeit als feste Struktur gesehen wurde, die menschliches Verhalten einschränkt, wird heutzutage übereinstimmend davon ausgegangen, dass das Gehirn tatsächlich auf äußere Reize reagiert und sich ihnen anpasst. Daraus ergibt sich die Frage nach dem Ausmaß des Einflusses, den der Erwerb und die Verwendung einer Zweit-, Dritt-, Viertsprache auf funktionale und strukturelle Veränderungen im Gehirn ausüben. Green, Crinion & Price (2006) beziehen sich auf eine Reihe von Untersuchungen, die zeigen, dass es ein Verhältnis zwischen der Struktur des menschlichen Gehirns und bestimmten Lernaufgaben gibt. Die bekannteste Studie ist vermutlich von Maguire, Spiers, Good, Hartley, Frackowiak & Burgess (2003), die sich mit Unterschieden in der Gehirnstruktur zwischen erfahrenen und unerfahrenen Taxifahrern und Taxifahrerinnen in London beschäftigte. Diese Querschnittsstudie kam zu dem Ergebnis, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Erfahrenheit des Taxifahrers oder der Taxifahrerin und der Dichte der grauen Substanz sowie der Größe bestimmter Areale gibt. Bestimmte Erfahrungen führten also zu strukturellen Veränderungen im Gehirn. Harding, Paul & Mendl (2004) beobachteten das Verhältnis zwischen dem Erlernen des Jonglierens und der lernbedingten Formbarkeit (Plastizität) des Gehirns. Sie verglichen eine 38 1. Sprachenlernen und Kognition Gruppe, die dabei war, das Jonglieren zu lernen, mit einer Gruppe, die nicht jonglieren konnte. Ihre Gehirne wurden vor dem Jongliertraining, drei Monate nach dessen Beginn und nach drei weiteren Monaten untersucht. Bei der ersten Untersuchung gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Dichte der grauen Substanz, bei der zweiten Untersuchung gab es bei der Jongliergruppe im Vergleich zur vorherigen Messung eine signifikante, bilaterale Expansion der grauen Substanz im mittleren Bereich des Temporallappens und im linken hinteren sulcus intraparietalis. Dieser Unterschied vergrößerte sich nochmals in der Zeit nach dem zweiten Scan. In dieser Zeit jonglierten beiden Gruppen nicht. Die Plastizität war in den visuellen Bereichen ausgeprägter als in den motorischen Arealen, was womöglich mit den spezifischen Anforderungen der geübten Drei-Ball-Kaskade zusammenhängt. Die Frage ist nun: Ist auch das Erlernen einer Sprache eine Aufgabe, die strukturelle und funktionale Veränderungen im Gehirn hervorrufen kann? Diese Frage wurde bisher nur teilweise beantwortet. Die nächste Einheit beschäftigt sich mit den spezifischen neurologischen bildgebenden Verfahren, die verwendet werden, um zu erkennen, ob die Verwendung einer Zweit- oder Drittsprache zu Veränderungen im Gehirn führt. 1.2.4 Zusammenfassung ▶ Die klassischen Sprachbereiche im Gehirn sind das Broca-Areal, das hauptsächlich für die Sprachproduktion zuständig ist, und das Wernicke-Areal, das hauptsächlich für das Sprachverständnis zuständig ist. Jüngere neurologische Untersuchungen schlagen allerdings differenziertere Erklärungen vor, wie zum Beispiel die Aufteilung zwischen Grammatik (Broca) und Bedeutung (Wernicke). ▶ Unterschiedliche Sprachen besitzen nicht jeweils einen eigenen Ort im Gehirn, sondern befinden sich in einzelnen Zell-Netzwerken innerhalb der bekannten Sprachbereiche im Gehirn. ▶ Bezogen auf wiederkehrende Muster beim Verlust und der Wiedererlangung (Restitution) verschiedener Sprachen gibt es fünf Muster: ▷ Parallele Restitution: Die Sprachen sind im gleichen Ausmaß gestört und werden gleichmäßig wiedererlangt. ▷ Differentielle Restitution: Die Sprachen sind in unterschiedlichem Maße gestört, aber die Wiedererlangung vollzieht sich dennoch in allen Sprachen. ▷ Sukzessive Restitution: Die Sprachen werden nacheinander wiedererworben. ▷ Selektive Restitution: Eine oder mehrere Sprachen bleiben dauerhaft gestört, während eine andere Sprache wiedererlangt wird. ▷ Antagonistische Restitution: Durch die Restitution einer Sprache verschlechtert sich eine andere. 1.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Beschreiben Sie die Struktur des Gehirns. Welche Bereiche sind für die Sprachverarbeitung zuständig? 39 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns 2. Wie sind mehrere Sprachen im Gehirn dargestellt? Welche Untersuchungsergebnisse sprechen dafür? 3. Welche Arten der Aphasie und der Wiedererlangung der Sprache gibt es? Welche Faktoren spielen hierbei eine Rolle? 4. Welche Unterschiede zwischen bilingualer und multilingualer Aphasie konnten festgestellt werden? 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns Hanneke Loerts & Kees de Bot (übersetzt von Simone Lackerbauer) Im 18. und 19. Jahrhundert haben Hirnforscher mit der Beschreibung unterschiedlicher Fälle begonnen, bei denen Schäden in bestimmten Gehirnarealen zu sehr spezifischen Sprachdefiziten führen können. Wie bereits in Einheit 1.2 erwähnt, waren die frühen anatomisch-klinischen Beobachtungen insofern bahnbrechend, da sie die speziellen Regionen für Sprachproduktion (Broca-Areal) und Verständnis (Wernicke-Areal) sichtbar machten. Leider war es den Forschern aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Verfahren nur auf dem Autopsie-Tisch möglich, die Stellen der Gehirnläsionen zu untersuchen, d. h. erst nach dem Tod der Patienten und Patientinnen. Erst in den frühen 1970er Jahren sind bildgebende Verfahren entwickelt worden, die es Forschern ermöglichen, bestimmte Gehirnareale mit ihren Funktionen in Verbindung zu setzen, indem sie Bilder vom lebendigen Gehirn machen. Dabei wird zwischen struktureller und funktioneller Bildgebung unterschieden. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Unterschiede zwischen den verschiedenen bildgebenden Verfahren erklären können; ▶ die grundlegenden Unterschiede zwischen der Verarbeitung der L1 und der L2 in Bezug auf die Struktur und die elektrische Aktivität des Gehirns aufzeigen können. 1.3.1 Die Untersuchung anatomischer Unterschiede mittels struktureller Bildgebung Die ersten Neuroimaging-Studien verwendeten Verfahren der strukturellen Bildgebung, um die anatomische Struktur des Gehirns zu untersuchen und so mögliche strukturelle Abweichungen aufgrund von Tumoren zu diagnostizieren. Die Computertomographie ( CT ) oder die computerisierte axiale Tomographie ( CAT ) werden zu diesem Zweck immer noch häufig verwendet: Sie stellen eine recht schnelle und (meist) nichtinvasive Möglichkeit dar, scheibenweise oder in manchen Fällen dreidimensionale Bilder des Gehirns zu produzieren. Mithilfe dieser Technik werden die konventionellen Röntgenbilder aus vielen verschiedenen Perspektiven kombiniert und zu Querschnittsansichten des Gehirns (oder des Körpers) zu- 40 1. Sprachenlernen und Kognition sammengefügt. Jedes Querschnittsbild steht für eine Scheibe und es kann digital eine Scheibe des Gehirns wie eine Scheibe Brot abgeschnitten werden, um hineinzusehen und die Struktur zu untersuchen (vergleiche Abbildung 1.4). Abbildung 1.4: CT -Scan (Kurowski, Blumstein & Alexander 1996: 7) Der Proband, der gescannt werden soll, muss sich dafür auf einen horizontal fahrenden Tisch legen. Der liegende Körper wird daraufhin durch einen Detektorring geführt, der wie ein riesengroßer Donut aussieht. In diesem rotierenden Ring befindet sich auf der einen Seite eine Röntgenröhre und auf der anderen Seite ein Detektor. Während der Ring sich um den Kopf des Probanden beziehungsweise der Probandin bewegt, durchdringen die Röntgenstrahlen den Kopf des Probanden beziehungsweise der Probandin und erstellen dabei Bilder. Scans mittels eines Computertomographen funktionieren genauso wie konventionelle Röntgenmaschinen. Die meisten Menschen sind mit Röntgenbildern des Körpers vertraut, auf denen die Organe in Grautönen und die Knochen in mehr oder weniger opakem Weiß dargestellt sind. Das liegt daran, dass die verschiedenen Gewebearten die Röntgenstrahlen unterschiedlich stark absorbieren. Knochen absorbieren ziemlich viele Röntgenstrahlen, wohingegen Gewebe mit geringer Dichte, beispielsweise Organe, weniger Strahlung in sich aufnehmen, da eine große Menge der Strahlung diese Art von Gewebe einfach durchdringt. Auf Röntgen- und CT -Scans wird Gewebe mit hoher Dichte weiß dargestellt, Gewebe mit geringer Dichte in Grautönen und Luft ist schwarz. Gesundes Gehirngewebe sieht auf einem CT -Scan grau aus, wohingegen ein Gehirntumor oder eine stark erhöhte Blutmenge aufgrund einer Gehirnblutung normalerweise als weißes Areal auf dem CT -Scan auftaucht. Gehirnläsionen und 41 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns Schlaganfälle führen hingegen zur Abnahme oder sogar zum Verlust von Gewebe. Deshalb erscheinen sie auf einem CT -Scan dunkler als gesundes Gehirngewebe. Ein ähnliches, aber detaillierteres anatomisches Bild können wir mithilfe der Aufnahmen aus der Magnetresonanztomographie ( MRT oder auch MRI ) erhalten. Ein Magnetresonanztomograph ähnelt dem Computertomographen insoweit, als dass auch er aus einer horizontalen Röhre besteht, in der der Patient oder die Patientin still liegt, während das Bild angefertigt wird. Anders als bei CT -Scans ist die Röhre des MRI -Scanners oft ziemlich eng; das kann für Menschen unbehaglich werden, die unter Klaustrophobie leiden. M#RI -Scanner verwenden keine Röntgenstrahlen, sondern stattdessen Magnetismus, um ein dreidimensionales Bild vom lebenden Gehirn zu erstellen. Der Ring des MRI -Scanners beherbergt einen sehr starken Magneten. Deshalb dürfen sich Personen nicht in der Nähe der Maschine aufhalten, wenn sie metallische Objekte bei sich tragen oder sich metallische Objekte in ihrem Körper befinden. Der Magnet des Magnetresonanztomographen ist in der Lage, ein sehr starkes und stabiles magnetisches Feld von 0,5 bis 2,0 Tesla zu erzeugen (zum Vergleich: Das magnetische Feld der Erde hat nur ungefähr 50 Mikrotesla). Im Gehirn befinden sich Atome, die sich an dem magnetischen Feld ausrichten. Der Magnetresonanztomograph zielt mit Impulsen von Radiowellen auf das Gehirn und sorgt dafür, dass die Atome zeitweise durcheinandergeraten. Während sich die Atome neu ausrichten, geben sie Radiowellen ab, die aufgegriffen werden können, um daraus ein anatomisches Querschnittsbild zu erstellen. Eine typische MRI -Untersuchung ist für Patienten und Patientinnen weniger angenehm als ein CT -Scan. Dem Patienten oder der Patientin werden nicht nur alle metallischen Objekte entfernt, die er oder sie bei sich trägt. Er oder sie wird zusätzlich den eher lästigen und lauten Geräuschen während einer MRI -Untersuchung ausgesetzt, während er oder sie eine Stunde oder länger möglichst regungslos liegen muss. Trotzdem ziehen die meisten Neurologen und Neurologinnen die Magnetresonanztomographie der Computertomographie vor: Die Kontrastierung ist bei CT -Scans eingeschränkt und die Patienten und Patientinnen sind während eines CT -Scans einer größeren Strahlungsmenge ausgesetzt. Magnetresonanztomographie wird als die beste Methode dafür bezeichnet, wie in ein Gehirn oder einen Körper hineingesehen werden kann, ohne ihn aufschneiden zu müssen, denn die Magnetresonanztomographie kann zusätzlich den Unterschied zwischen grauer und weißer Substanz sichtbar machen. Graue Substanz besteht hauptsächlich aus Zellkörpern und wird größtenteils mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen assoziiert. Weiße Substanz besteht hauptsächlich aus Nervenfasern (Axone). Sie sind von weißem Myelin bedeckt, das der Isolierung dient. Weiße Substanz ist deshalb hauptsächlich dafür zuständig, Signale von einer Gehirnregion in eine andere zu übertragen. In der Sprachforschung wird die strukturelle Bildgebung dazu verwendet, Gehirnstrukturen und Regionen zu lokalisieren, die Sprachfunktionen unterstützen. In einer typischen Studie werden unter Verwendung der strukturellen Bildgebung die Gehirnstrukturen (graue oder weiße Substanz) von unterschiedlichen Personengruppen verglichen, um herauszufinden, ob die jeweilige Gehirnstruktur mit Sprachfähigkeiten in Zusammenhang gebracht werden kann (Richardson & Price 2009). Mechelli, Grinion, Noppeney, O’Doherty, Ashburner, Frackowiak & Price (2004) untersuchten die Gehirne von mehrsprachigen Personen in einer voxel-basier- 42 1. Sprachenlernen und Kognition ten Morphologie-Studie. Sie haben eine Gruppe einsprachiger Probanden und Probandinnen mit einer Gruppe früher bilingualer Personen (Beginn des L2-Erwerbs mit weniger als fünf Jahren) und einer Gruppe später bilingualer Personen (Beginn des L2-Erwerbs zwischen zehn und 15 Jahren) verglichen. Ein zusätzliches Kriterium war, dass die erste Vergleichsgruppe die Sprache regelmäßig seit dem Erlernen verwendeten, wohingegen die späten Lerner die Sprache nur während der letzten fünf Jahre regelmäßig verwendet haben. In dem Forschungsbericht werden keine Informationen zur Art oder Häufigkeit der Verwendung oder zu den möglichen Auswirkungen von Unterschieden zwischen der L1 und der L2 erörtert. Doch die Ergebnisse dieser ersten Studie zeigen eine höhere Dichte der grauen Substanz im inferioren Parietalkortex bei den bilingualen im Vergleich zu den monolingualen Personen. Dieser Effekt ist bei den frühen bilingualen Probanden und Probandinnen stärker als bei den späten. In einer zweiten Studie untersuchten Mechelli et al. (2004) italienische Englischlerner mit unterschiedlichem Erwerbsbeginn (im Alter von zwei bis 34 Jahre) sowie mit unterschiedlichen L2-Kompetenzstufen. Eine sehr hohe positive Korrelation wurde zwischen der Dichte der grauen Substanz und dem Alter nachgewiesen, in dem der L2-Erwerb begonnen hatte. Das deutet darauf hin, dass es zu einer Verdichtung der grauen Substanz kommt, wenn eine Sprache erlernt wird. Diese Verdichtung geht mit zunehmendem Alter zurück. In einer aktuelleren Studie von Luk, Bialystok, Craik & Grady (2011) wurde eine spezielle Variante der strukturellen Bildgebung verwendet, um einsprachige mit mehrsprachigen älteren Erwachsenen zu vergleichen: die sogenannte Diffusions-Tensor-Bildgebung ( DTI ). Bei der DTI wird ein MRI -Scanner verwendet, der Schwerpunkt liegt jedoch auf der bildlichen Erfassung der Datenwege weißer Substanz im Gehirn. Die Daten zeigen, dass die weiße Substanz in der Gruppe der mehrsprachigen Personen in höherem Maße unversehrt vorliegt, insbesondere im corpus callosum (der Balken oder das Bündel der Nervenfasern, das beide Hemisphären verbindet). Das deutet darauf hin, dass die Strukturen der weißen Substanz im Alterungsprozess bei mehrsprachigen im Vergleich zu einsprachigen Personen besser erhalten bleiben. Green, Crinion & Price (2006) erörtern kurz eigene Ergebnisse aus Studien mit bi- und multilingualen Personen. Dabei erwähnen sie, dass »preliminary analyses indicate an area in the left parietal context that shows a significant effect of the number of languages spoken« (Green et al. 2006: 116). Auf der Grundlage der besprochenen Literatur und ihrer eigenen Erkenntnisse schließen sie darauf, dass der Erwerb einer zweiten Sprache zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führt, insbesondere zur weiteren Entwicklung der grauen Substanz oder zur Zunahme von grauer Substanz in bestimmten Bereichen. In Kombination deuten die Studien darauf hin, dass der L2-Erwerb vor allem im jungen Alter zu einer Zunahme der grauen Substanz führt (zumindest in bestimmten Gehirnregionen) und zur Verbesserung des Zustands der weißen Substanz im alternden Gehirn. Es wird vermutet, dass die ständigen kognitiven Übungen aufgrund von Mehrsprachigkeit (zum Beispiel Sprachenwechsel) für das alternde Gehirn von Vorteil sind. Es hat sich herausgestellt, dass das mehrsprachige Gehirn besser bei der Bewältigung bestimmter exekutiver Aufgaben ist. Außerdem stellt sich heraus, dass bei mehrsprachigen Personen Demenz in einem höheren Alter diagnostiziert wird als bei einsprachigen Personen (Bialystok, Craik & 43 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns Freedman, 2007). Abschließend lässt sich sagen, dass das Gehirn einerseits die Variationsmöglichkeiten beim Zweitsprachenerwerb einschränkt. Andererseits ist das Gehirn plastisch und durch bestimmte Erfahrungen veränderbar. Die Grenzen sowohl der Einschränkungen als auch der Formbarkeit des Gehirns müssen jedoch noch bestimmt werden. 1.3.2 Die Untersuchung der aktiven Areale mittels Verfahren der funktionellen Bildgebung Die strukturelle Bildgebung ist immer noch weitverbreitet, um Anomalien zu lokalisieren und Strukturen bei unterschiedlichen Personengruppen zu vergleichen: Etwa bei Legasthenikern, bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen und bei älteren Personen. In den vergangenen Jahrzehnten überwogen jedoch die Verfahren der funktionellen Bildgebung in der psycho- und neurolinguistischen Forschung, denn diese Verfahren ermöglichen die Untersuchung der Gehirnaktivität, indem Veränderungen der Durchblutung, elektrische Aktivität oder magnetische Felder beobachtet werden. Unser Gehirn ist pausenlos aktiv und wenn es Informationen verarbeitet, übertragen die Nervenzellen im Gehirn Informationen an andere Nervenzellen. Die Kommunikation dieser Nervenzellen (oder Neuronen) verursacht einen elektrischen Strom im Gehirn. Wenn eine ausreichende Anzahl Neuronen an der Verarbeitung derselben Information beteiligt ist, erzeugen sie ein elektrisches und magnetisches Feld, das außerhalb des Schädels gemessen werden kann. Bei den Verfahren der funktionellen Bildgebung wird zwischen solchen unterschieden, die zur Lokalisierung von Gehirnregionen verwendet werden-- sogenannte Wo-Verfahren-- und solchen, bei denen die Bildgebung auf Basis von magnetischer oder elektrischer Aktivität im Gehirn entsteht, die Wann-Verfahren. Wann-Verfahren, die elektromagnetische Aktivität verwenden Der Kommunikationsprozess innerhalb des Gehirns erfolgt durch das Feuern der Neuronen, das zu elektrischer Strömung führt. Dieser Strom fließt in Zellen hinein und wieder heraus und erzeugt dabei in geringem Abstand Dipole mit negativer und positiver elektrischer Ladung. Wenn viele neuronale Dipole dieselbe Art von Input erhalten und ähnlich ausgerichtet sind (positiv oder negativ), addieren sie sich auf und können dann mittels der Elektroenzephalographie ( EEG ) außerhalb des Schädels gemessen werden. Während einer EEG -Aufzeichnung trägt der Proband oder die Probandin eine Kappe, die mit 32, 64 oder sogar noch mehr Elektroden bestückt ist. Die Kappe ist so beschaffen und wird so aufgesetzt, dass jede Elektrode an einer bestimmten Stelle auf die Kopfhaut trifft; jede Elektrode zeichnet die elektrische Aktivität von Tausenden Neuronen auf. Das Ergebnis stellt ein Gesamtbild der Gehirnaktivität dar. Dabei wird pro positionierter Elektrode eine Wellenlinie ausgegeben. Als ereigniskorrelierte Hirnpotentiale ( ERP s) werden die Veränderungen in der elektrischen Strömung bezeichnet, die sich aufgrund eines spezifischen Stimulus oder einer bestimmten Aktivität ereignen, zum Beispiel durch ein Wort oder ein Bild. Um herauszufinden, welcher Teil des EEG die durch den Stimulus erzeugte Aktivität abbildet, sind mehrfache Messungen vonnöten. Denn die Aufzeichnung erfasst auch viele irrelevante Gehirnaktivitäten zusammen mit den ereigniskorrelierten Hirnpotentialen. 44 1. Sprachenlernen und Kognition Für ein aussagekräftiges Ergebnis muss das EEG deshalb zeitlich auf den spezifischen Stimulus eingegrenzt und der Durchschnitt ermittelt werden. Danach erst wird das ereigniskorrelierte Hirnpotential sichtbar, denn die nicht zeitlich eingegrenzten, irrelevanten Gehirnaktivitäten werden ausgeglichen. Viele Studien, die ereigniskorrelierte Hirnpotentiale zur Untersuchung von Sprachverarbeitung verwenden, machen sich das Erwartungsverletzungsparadigma zunutze. Bei diesem Verfahren werden ereigniskorrelierte Hirnpotentiale miteinander verglichen, die als Reaktion auf zwei Sätze entstehen. Die beiden Sätze unterscheiden sich nur in einem einzigen Aspekt. Es wird davon ausgegangen, dass die Unterschiede in der Wellenform der beiden ERP s die Verarbeitungsunterschiede im Gehirn abbilden. Es ist möglich, diese Abweichung auf den einen Aspekt zurückzuführen, der in den beiden Sätzen anders war. Wenn zum Beispiel der zeitliche Verlauf der semantischen Verarbeitung untersucht werden soll, kann die Reaktionen des Gehirns auf die Wörter Buch und Wasser in den folgenden beiden Sätzen verglichen werden: (1) Ich werde dieses Buch im Zug lesen. (2) Ich werde dieses Wasser im Zug lesen. Die daraus resultierenden ERP -Effekte oder -Komponenten, das heißt der Unterschied in der Aktivierung zwischen den beiden Sätzen ab Beginn des Wortes Buch beziehungsweise Wasser, werden oft nach der Polarität und dem Zeitpunkt benannt, an dem sie ihren Höhepunkt erreichen (N400 ist eine negativ gerichtete Welle, der Höhepunkt liegt bei 400 Millisekunden nach Beginn); oder sie werden nach der Verteilung und der Polarität benannt ( LAN ist links anterior negativ bei verschiedenen Latenzzeiten nach Beginn). Im Verlauf der Jahre sind mit Experimenten mittels ereigniskorrelierter Hirnpotentiale verschiedene Komponenten der Hirnpotentiale identifiziert worden, die überwiegend mit bestimmten Aspekten des Sprachverstehens in Verbindung gebracht werden können. N400 ist die bekannteste ERP -Komponente, die bei Verstößen gegen die Semantik sicher beobachtet werden kann (Kutas & Hillyard 1980), so wie in Ich werde dieses Wasser im Zug lesen. Diese Komponente zeigt einen negativen Ausschlag, der bei ungefähr 400 Millisekunden seinen Höhepunkt erreicht, nachdem ein semantisch nicht plausibles Wort verarbeitet worden ist. Am besten ist dieser Effekt über den zentralen parietalen Arealen der Kopfhaut sichtbar (vergleiche dazu Abbildung 1.5 weiter unten). N400 ist stärker bei Wörtern, die schwer in einen Satz integriert werden können und schwach bei leicht integrierbaren Wörtern. Es wäre zum Beispiel einfach, das Wort Pferd in so einem Satz zu verarbeiten: Der Cowboy ritt auf dem Pferd. Es wäre weitaus aufwändiger für das Gehirn, das Wort Pferd in diesem Satz zu verarbeiten: Der Einbrecher bewegte sein Pferd. Wenn die ERP -Wellenformen bei einer Person als Reaktion auf das Wort Pferd in diesen beiden Sätzen verglichen werden, dann würden die Gehirnwellen einen relativen negativen Höhepunkt als Reaktion auf das Wort Pferd im Satz Der Einbrecher bewegte sein Pferd aufweisen. Der Höhepunkt steht für die erhöhte Aktivität und kann die relative Schwierigkeit bei der Verarbeitung der Information abbilden. Kutas und Hillyard (1983) haben zuerst gezeigt, dass morphosyntaktische Verstöße andere ERP -Komponenten hervorrufen als semantische Verstöße. Ihre Studie umfasste sowohl 45 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns semantische Anomalien als auch deplatzierte finite und infinite Verben. Die semantischen Anomalien erzeugten ein N400, wohingegen alle morphosyntaktischen Anomalien frontal zentral negativ bei 300-400 Millisekunden und rückwärtig positiv bei 300 Millisekunden nach Beginn auftraten. Sie leiten daraus ab, dass Semantik und Syntax über separate neurale Verarbeitungssysteme gesteuert werden. Aber es ist auch denkbar, dass diese Annahme schlichtweg die vorherrschenden Sprachtheorien dieser Zeit wiederspiegelt, in denen strikt zwischen Syntax und Semantik getrennt wurde. Die ermittelte spät positive Reaktion erreicht bei syntaktischen Verstößen bei 600 Millisekunden nach Beginn ihren Höhepunkt, beginnt bei 500 Millisekunden und dauert bis zu 800 oder 1000 Millisekunden an. Am deutlichsten wird sie auf der Rückseite des Kopfes sichtbar (vergleiche 1.5). Osterhout & Holcomb (1992) bezeichneten dies zuerst als einen syntaktischen Effekt und nannten es den P600-Effekt. Der P600-Effekt wird von einer Vielzahl syntaktischer Verstöße ausgelöst. Dazu gehören morphosyntaktische Verstöße und Verstöße gegen die Kategorienerwartung. In einem Satz wie Der Cowboy hat sein Pferd reiten muss der Leser oder die Leserin die falsche Zeit des Verbs korrigieren und den Satz neu analysieren, um die verarbeiteten Informationen zu verstehen. Das zeigt sich im größeren positiven Ausschlag bei 600 Millisekunden für reiten im Vergleich zur korrekten Zeitform geritten. Außer bei syntaktischen Verstößen wurde der P600-Effekt auch als Reaktion auf grammatikalisch korrekte Sätze mit unterschiedlicher Komplexität gemessen (Kaan, Harris, Gibson & Holcomb 2000). Abbildung 1.5: ERP -Wellenformen nach Loerts, Stowe & Schmid (2013: 573) Abbildung 1.5 zeigt Wellenformen ereigniskorrelierter Hirnpotentiale als Reaktion auf ein Zielwort, das innerhalb eines Satzes semantisch und grammatikalisch korrekt war (die schwarze Linie), und auf das Wort, als es semantisch und grammatikalisch nicht vollständig korrekt war. Die X-Achse zeigt die Latenzzeit in Millisekunden nach dem Beginn des Wortes und die Y-Achse zeigt die Höhe der Mikrovolt, die zu den bestimmten Zeitpunkten gemessen wurden. Beachten Sie, dass positiv nach unten und negativ nach oben ausgerichtet ist. Aus unbekannten Gründen ist dies in der Forschung so üblich. 46 1. Sprachenlernen und Kognition Die räumliche Auflösung in ereigniskorrelierten Hirnpotentialen ist mangelhaft, ihre zeitliche Auflösung nach Millisekunden ist jedoch hervorragend. Deshalb ist das ERP -Verfahren eine erprobte und verlässliche Messmethode der Sprachverarbeitung in Echtzeit. Einige Forscher und Forscherinnen bevorzugen die Magnetenzephalographie ( MEG ) anstelle der Elektroenzephalographie. Ein Magnetenzephalograph misst magnetische Felder, die von elektrischen Strömungen im Gehirn produziert werden. Das magnetische Feld wird in Reaktion auf so genannte Events von Hunderten Sensoren in einem helmartigen Scanner gemessen, der um den Kopf des Probanden oder der Probandin herum aufgebaut wird. Der Magnetenzephalograph ähnelt dem Elektroenzephalographen, ermöglicht jedoch eine bessere Lokalisierung der Quelle, da die magnetischen Felder nicht so sehr vom Schädel verzerrt werden wie die elektrische Aktivität, die vom Elektroenzephalographen gemessen wird. Ein Nachteil des Magnetenzephalographen ist, dass er nur neurale Strömungen erkennen kann, die parallel zur Oberfläche des Schädels fließen. Bei der Verwendung von Wann-Verfahren in der Zwei- und Mehrsprachigkeitsforschung wird hauptsächlich der Frage nachgegangen, ob bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieselben Reaktionen und dieselben zeitlichen Abläufe und Ausschläge der Reaktionen in ihrer Zweitsprache messbar sind wie bei einsprachigen Personen. Ein wichtiger Vorteil dieses Verfahrens ist: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind sich nicht bewusst, dass sie auf bestimmte Aspekte der Sprache und unbewusste Reaktionen auf Verstöße oder Komplexität in der L2 getestet werden. Wenn weder N400-Effekte noch P600-Effekte während der Verarbeitung von semantischen und syntaktischen Verstößen in der Zweitsprache nachgewiesen werden, kann das darauf hindeuten, dass der L2-Lerner den Fehler nicht sieht oder hört. Eine verspäteter N400- oder P600-Effekt könnte auf langsamere Verarbeitung hindeuten und ein geringerer Ausschlag des N400- oder P600-Effekts könnte eine weniger genaue Verarbeitung der Verstöße oder Komplexität in der L2 widerspiegeln. Der Großteil der Forschung bis heute hat gezeigt, dass fortgeschrittene L2-Lerner in der Lage sind, semantische Aspekte in ihrer Zweitsprache zu verarbeiten (wie in N400-Effekten (verspätet) abgebildet). Es scheint allerdings insbesondere für ältere Lerner schwierig zu sein, syntaktische Eigenschaften in der L2 ähnlich wie in der Muttersprache zu verarbeiten. Einige Studien zeigen keine P600-Effekte als Reaktion auf syntaktische Verstöße in der L2, was darauf hindeuten könnte, dass die L2-Lerner den Fehler nicht bewusst bemerkt und verarbeitet haben. Andere wiederum zeigen eine verzögerte oder abgeschwächte P600-Reaktion bei L2-Sprechern: Das ist ein Hinweis auf eine weniger detailgenaue Verarbeitung der syntaktischen Verstöße in der L2 (vergleiche die Übersicht von van Hell & Tokowicz 2010). Das Vorhandensein oder das Fehlen von P600-Effekten könnte in Verbindung mit Ähnlichkeiten zwischen der L1 und der L2 stehen, aber auch mit der Kompetenzstufe (Loerts 2012). Eine interessante Longitudinalstudie zu ereigniskorrelierten Hirnpotentialen untersuchte die Gehirnaktivierung als Reaktion auf syntaktische Strukturen der L2, während die Lerner im Verlauf des ersten Jahres formalen Unterrichts an der Universität in der L2 Französisch Fortschritte erzielten (McLaughlin, Tanner, Pitkänen, Frenck-Mestre, Inoue, Valentine & Osterhout 2010). Aufgrund der Daten konnte man darauf schließen, dass die Lerner zu Beginn grammatikalische Fehler als lexikalische Einheiten verarbeiten. Dabei zeigten sich 47 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns N400-Effekte als Reaktion auf einen Regelverstoß nach vier Wochen Unterricht in der L2 Französisch. Während der zweiten Testphase und nach ungefähr 16 Wochen Unterricht traten bei einigen immer noch N400-Effekte auf, wohingegen bei anderen eine verzögerte Reaktion auf Regelverstöße ähnlich wie in der Muttersprache zu beobachten war (erkennbar in Form von kleinen P600-Effekten). Während der dritten Phase und nach 26 Wochen Unterricht war bei den meisten Studentinnen und Studenten verlässlich eintretende P600-Effekte nachweisbar, die auf muttersprachenähnliche Verarbeitung, Korrektur oder Neuanalyse syntaktischer Verstöße hindeuten. Die Autoren vermuteten, dass die Abweichungen in der zweiten Phase auf Unterschiede in der Erwerbsgeschwindigkeit hindeuten. Wo-Verfahren, die hämodynamische Aktivität verwenden Da Elektroenzephalographen und Magnetenzephalographen nicht sehr nützlich für die Lokalisierung von Aktivität sind, können Wo-Verfahren verwendet werden, um Fragen hinsichtlich der Aktivierung spezifischer Regionen im Gehirn zu beantworten. Das bekannteste Wo-Verfahren ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (f MRI ). Diese Methode verwendet die MRI -Technologie, bezieht aber die Tatsache mit ein, dass Blut in einen bestimmten Teil des Gehirns fließt, wenn Gruppen von Neuronen in diesem Bereich aktiv werden (zum Beispiel wenn dieser Teil genutzt wird, um auf einen speziellen Stimulus wie ein Geräusch, ein Bild oder einen Film zu reagieren). In unserem Blut befindet sich Eisen und wenn frisches Blut fließt, dann verzerrt das Eisen das magnetische Feld. Ein f MRI -Scanner kann dies aufzeichnen. Genauer gesagt findet eine Veränderung im Blutfluss statt, wenn Neuronen in einem bestimmten Gebiet des Gehirns kommunizieren. Dabei wird Sauerstoff absorbiert und das Blut desoxidiert. In Studien mit funktioneller Magnetresonanztomographie wird das Verhältnis zwischen oxidiertem (mit Sauerstoff angereicherten) und desoxidiertem Hämoglobin im Blut gemessen. Dieser BOLD -Kontrast, der blood oxygenation level dependent (›Abhängigkeit vom Blutsauerstoffgehalt‹) wird mit dem f MRI -Gerät gemessen. Während ein strukturelles MRI aus mehreren Momentaufnahmen besteht, wird ein f MRI verwendet, um einen Film davon zu produzieren, was im Gehirn während der Verarbeitung von (linguistischen) Stimuli passiert. Eine weitere Technik zur Untersuchung, welche Regionen während der Verarbeitung spezieller Stimuli aktiv sind, ist die Positronen-Emissions-Tomographie ( PET ). Im Gegensatz zur funktionellen Magnetresonanztomographie setzt die Positronen-Emissions-Tomographie die Injektion einer kleinen Menge Flüssigkeit mit einem radioaktiven Element in den Blutkreislauf voraus. Diese injizierte Substanz sammelt sich in den Gehirnregionen an, die abhängig von der in sie einfließenden Blutmenge sind. Dies wird wiederum von der Kamera aufgezeichnet. Leider dauert es ungefähr eine Minute, um den Anstieg des so genannten regionalen zerebralen Blutflusses (r CBF ) zu messen. Während die räumliche Auflösung von funktioneller Magnetresonanztomographie und Positronen-Emissions-Tomographie relativ gut ist, ist die zeitliche Auflösung deutlich schlechter als bei der Elektroenzephalographie oder der Magnetenzephalographie. Außerdem ist sie aufgrund der invasiven Elemente umstritten. 48 1. Sprachenlernen und Kognition Die funktionelle Magnetresonanztomographie und die Positronen-Emissions-Tomographie können insbesondere Fragen in Bezug auf Mehrsprachigkeit beantworten, beispielsweise ob die Sprachen einer multilingualen Person in denselben oder in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns repräsentiert sind. Wenn dieselben Bereiche im Gehirn aktiv sind, kann das auf die Aktivität derselben Mechanismen zurückgeführt werden. Wenn unterschiedliche Teile des Gehirns aktiv sind, kann das die Aktivierung unterschiedlicher Mechanismen wiederspiegeln. Um solche Fragen zu untersuchen, vergleichen f MRI - und PET -Studien üblicherweise hämodynamische Reaktionen unter Versuchsbedingungen, die Kontrollbedingungen beinhalten. Die zwei Bedingungen werden so ausgewählt und konzipiert, dass sie bis auf einen kritischen Aspekt sehr ähnliche kognitive Prozesse erfordern. Es könnten zum Beispiel Probanden und Probandinnen gebeten werden, lautlos Bilder zu benennen, woraufhin die aktiven Regionen mit der Gehirnaktivität während einer Ruhephase verglichen werden können. Das f MRI -Signal würde alle fünf Sekunden aufgezeichnet, während die Probanden und Probandinnen 30 Sekunden lang Bilder benennen und danach 30 Sekunden pausieren. Die Regionen, die aufgrund des Blutflusses nur während jener 30 Sekunden aufleuchten, in denen die Personen Bilder benennen (und nicht während der Ruhephasen), könnten die Areale sein, die für das visuelle Erfassen von Bildern, das Abrufen der entsprechenden Bezeichnung aus dem Lexikon und das nachfolgende lautlose Benennen der Bilder auf Basis der korrekten Bezeichnungen verantwortlich sind. Die meisten Forscherinnen und Forscher würden sich bei der Lokalisierung der Regionen für die funktionelle Magnetresonanztomographie entscheiden, weil die Methode nicht invasiv ist und nicht voraussetzt, dass den Versuchsteilnehmern und Versuchsteilnehmerinnen eine radioaktive Substanz gespritzt wird. Außerdem ist sowohl die räumliche als auch zeitliche Auflösung von f MRI -Scans (einige wenige Sekunden) besser als die räumliche Auflösung von PET -Scans. Wenn man allerdings den zeitlichen Verlauf der Verarbeitung der (Zweit)Sprache untersuchen möchte, eignet sich dafür ein Elektroenzephalograph oder Magnetenzephalograph besser, da diese über eine zeitliche Auflösung im Millisekunden-Bereich verfügen. Wie wir bereits in der Einheit 1.2 erläutert haben, weisen die meisten funktionellen Neuroimaging-Studien bis heute darauf hin, dass die unterschiedlichen Sprachen bei einer mehrsprachigen Person nicht in verschiedenen Regionen des Gehirns verortet sind, sondern dass die Aktivierungsmuster einander überlappen (vergleiche zum Beispiel Vingerhoets, Van Borsel, Tesink, Van den Noort, Deblaere, Seurinck, Vandemaele & Achten 2003). In den meisten Studien wird vermutet, dass das Aktivierungsmuster bei der Verarbeitung der weniger gut beherrschten oder später erlernten Sprache diffuser ist als bei der Muttersprache. In Studien zur Kontrolle der L2-Kompetenzstufe ist es nicht gelungen, Unterschiede aufzuzeigen, die die Aktivierungsmuster beider Sprachen von frühen und späten Zweitsprachenlernern bei semantischen Aufgaben, wie beispielsweise das Anhören von Geschichten (vergleiche Perani, Paulesu, Galles, Dupoux, Dehaene, Bettinardi, Cappa, Ferruccio & Mehler 1998), betreffen. Im Gegensatz dazu scheint das Alter des Spracherwerbs sogar bei L2-Lernern mit hoher Kompetenzstufe Einfluss auf die grammatische Verarbeitung zu nehmen (Wartenburger, Heekeren, Abutalebi, Cappa, Villringer & Perani 2003). 49 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns Deshalb wird davon ausgegangen, dass das Alter des Spracherwerbs die grammatikalischen Repräsentationen beeinflusst. Die Kompetenzstufe in der L2 ist demnach ein aussagekräftigerer Bestimmungsfaktor für die Organisierung der Sprachen einer multilingualen Person in Bezug auf die semantische Verarbeitung (Abutalebi 2008). Verfahren zur Stimulation des Gehirns Einige mehr oder weniger invasive bildgebende Verfahren werden ebenfalls manchmal verwendet. Eines davon ist die elektrische Stimulation des Gehirns ( EBS ). Sie wird üblicherweise in Vorbereitung auf die Entfernung eines Gehirntumors angewandt oder um zu prüfen, welche Teile des Gehirns mit verschiedenen kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht werden können. Einige Studien, in denen die elektrische Stimulation des Gehirns verwendet wird, unterstützen die oben erwähnten Erkenntnisse nicht, dass Bereiche des Gehirns für unterschiedliche Sprachen einander überlappen. Die Prozedur bei Verfahren, die die elektrische Stimulation des Gehirns nutzen, sieht ungefähr so aus: Zuerst werden die für Sprache verantwortlichen Bereiche mittels bildgebende Verfahren aufgespürt. Danach wird die Schädeldecke entfernt und Elektroden werden auf Teilen des Cortexes platziert, woraufhin kleine Mikrovolt-Stromstöße zur Stimulation des Gehirns ausgelöst werden. Der Patient beziehungsweise die Patientin befindet sich während dieser Phase im Wachzustand (im Gehirn befinden sich keine Schmerzrezeptoren) und muss verschiedene Aufgaben erfüllen. Dazu gehören auch Aufgaben zur Sprachverarbeitung. Wenn die Sprachverarbeitung unterbrochen wird, während ein bestimmter Bereich im Gehirn stimuliert wird, geht man davon aus, dass dieser Teil des Gehirns eine zentrale Rolle für die Sprachverarbeitung einnimmt und deshalb nicht ohne Schaden entfernt werden kann. Lucas, McKhann & Ojeman (2004) haben im gesamten kortikalen Bereich keine Unterschiede zwischen der L1 und der L2 gefunden; sie erläutern, dass eine zweite Sprache keine größere kortikale Darstellung voraussetzt. Sie weisen ebenfalls sowohl sprachspezifische Bereiche als auch geteilte Bereiche im Gehirn nach. Es gibt also Unterschiede zwischen den Ergebnissen der kortikalen Gehirnstimulation und den Ergebnissen aus den bildgebenden Verfahren-- und das ist problematisch. Es scheint keine Grundlage dafür zu geben, der einen oder der anderen Technik den Vorzug zu geben, obwohl Lucas, McKhann & Ojemann (2004) behaupten: »(our) results underscore the fact that f MR imaging can be used to visualize areas in the cortex involved in language processing but not necessarily those areas essential for it« (Lucas et al. 2004: 455). Es sollte erwähnt werden, dass sich all diese Studien nur mit zwei Sprachen befassen und dass aus den Berichten nicht ersichtlich wird, ob die getesteten Patienten und Patientinnen nicht noch weitere Sprachen beherrschten. Bello, Acerbi, Giussani, Baratta, Taccone, Songa, Fava, Stocchetti, Papagno & Gaini (2006) legen Daten über mehrsprachige Patienten und Patientinnen vor und sie kommen direkt zu der Schlussfolgerung: »Sites for each language were distinct and separate« (Bello et al. 2006: 125), was wiederum in absolutem Widerspruch zu den Daten aus bildgebenden Verfahren steht. Ein Problem bei den Studien, die die elektrische Stimulation des Gehirns nutzen, ist, dass sie üblicherweise an Patienten und Patientinnen durchgeführt werden, die schwerwiegende 50 1. Sprachenlernen und Kognition epileptische Anfälle erlitten haben. Diese können Auswirkungen auf die Architektur und die Verarbeitungsmechanismen ihres Gehirns gehabt haben. Dieses Problem könnte durch die Verwendung einer ähnlichen, aber nicht-invasiven Technik namens transkranielle Magnetstimulation ( TMS ) gelöst werden. Obwohl dabei keine Flüssigkeit injiziert werden muss, kann es für die Teilnehmenden durchaus beängstigend sein, sich dieser Prozedur zu unterziehen, denn bei diesem Verfahren werden Gehirnläsionen imitiert. Ein ziemlich starker elektrischer Strom wird unter Verwendung eines Gerätes erzeugt, das an eine bestimmte Stelle am Kopf des Probanden oder der Probandin gehalten wird. Der Strom erzeugt ein magnetisches Feld, das die darunterliegenden Neuronen von ihrer Tätigkeit abhält. Genauso wie bei EBS ist die Funktion, für die dieser Teil des Gehirns normalerweise zuständig ist, für den Probanden oder die Probandin nicht verfügbar. Diese Technik wurde noch nicht oft dafür verwendet, zweisprachige oder mehrsprachige Sprachverarbeitung zu untersuchen, aber sie könnte dafür eingesetzt werden, die möglichen Unterschiede zwischen den Regionen zu untersuchen, die in Zusammenhang mit der Verarbeitung verschiedener Sprachen bei einer multilingualen Person stehen. 1.3.3 Fazit Die meisten Studien, die bildgebende Verfahren verwenden, weisen darauf hin, dass sich die Unterschiede zwischen der Verarbeitung und der Aktivierung von Regionen bei den Sprachen eines mehrsprachigen Menschen verringern. Die Ergebnisse von Neuroimaging-Studien sollten jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Wie in einer ausführlichen Rezension von de Groot (2011) erwähnt wird, muss der Beantwortung dieser Frage mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden: Was sorgt dafür, dass eine Region im Gehirn in bestimmten Situationen aktiviert wird? Eine geringere Aktivierung muss nicht notwendigerweise auf weniger Mitwirkung hindeuten, sondern könnte auch ein Indikator dafür sein, dass die Aufgabe in diesem Areal effektiver verarbeitet wird. Ungeachtet dessen haben die Neuroimaging-Studien wesentlich zu unserem aktuellen Wissen und Verständnis des (mehrsprachigen) Gehirns beigetragen. 51 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns 1.3.4 Zusammenfassung ▶ Bildgebende Verfahren werden vermehrt dafür genutzt, die Sprachverarbeitung und die Sprachenaktivierung bei zwei- und mehrsprachigen Personen zu untersuchen. ▶ Wenn der zeitliche Verlauf der Sprachverarbeitung untersucht werden soll, kann das Verfahren zu ereigniskorrelierten Hirnpotentialen dafür verwendet werden, Gehirnaktivitäten auf die Millisekunde genau zu visualisieren. ▶ Wenn eine Forschungsfrage sowohl eine hohe zeitliche Auflösung voraussetzt als auch eine relativ hohe räumliche Auflösung, kann das magnetische Gegenstück der Verfahren zu ereigniskorrelierten Hirnpotentialen herangezogen werden: die Magnetoenzephalographie. ▶ Bei Studien, die sich mit den in der Sprachverarbeitung involvierten Gebieten beschäftigen, kann die Positronen-Emissions-Tomographie genutzt werden, bei der der Sauerstoff im Gehirn lokalisiert wird - oder alternativ die transkranielle Magnetstimulation, um Gehirnläsionen zu imitieren. ▶ Ein nichtinvasives Verfahren, das eine sogar noch genauere räumliche Ortung der Quelle ermöglicht, ist die funktionelle Magnetresonanztomographie. Dieses Verfahren wird am häufigsten dafür genutzt, aktive Areale im Gehirn bei den Sprachen von multilingualen Personen zu vergleichen. 1.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Welche zwei Hauptarten der strukturellen Bildgebung gibt es? Erklären Sie, wie sie funktionieren. 2. Wozu wird die strukturelle Bildgebung in der Sprachforschung verwendet? 3. Welche Vorteile hat die Mehrsprachigkeit für das Gehirn? 4. Was ist die funktionelle Bildgebung? Welche Unterschiede gibt es zwischen ihren Verfahren? 5. Wie wird die elektrische Stimulation des Gehirns durchgeführt und welche Erkenntnisse werden dadurch gewonnen? 53 1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Beim Sprechen bedienen wir uns oft körperlicher Erfahrungen, die wir aus unserem täglichen Umgang mit der Umwelt kennen, um abstrakte Konzepte auszudrücken. Das ist zum Beispiel der Fall bei metaphorischen Ausdrücken wie zwischen zwei Stühlen sitzen oder jemandem unter die Arme greifen. Dass aber solche körperlichen Erfahrungen ebenfalls die Grundlage für viele Bereiche der Grammatik bilden, fällt uns beim Sprechen nicht immer auf. In der Tat lassen sich viele Bereiche der Sprache im Kontext der kognitiven Linguistik anhand von Prinzipien der Perzeption sowie Prozessen des bildlichen Denkens beschreiben. So nutzen wir zum Beispiel bei Ausdrücken wie wir haben den Termin vorverlegt oder nach hinten verschoben räumliche Konzepte wie VOR und HINTEN , um uns auf das abstrakte Konzept der Zeit zu beziehen. Auch andere Grammatikbereiche wie die Modalverben lassen sich durch die körperlichen Erfahrungen der Kraft und der Dynamik beschreiben: Das Modalverb müssen im Satz jeder muss die Steuern zahlen kann beispielsweise als eine Art Druck verstanden werden, der uns zu einer (fiktiven) Fortbewegung zwingt. Mit diesen Beispielen wird sofort klar, dass die Sprache und das bildliche Denken sehr eng miteinander verbunden sind. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns daher mit der Frage, wie sich die Sprache anhand solcher bildhaften Konzepte beschreiben lässt und wie diese qualitativ andere Wege für die Sprachvermittlung eröffnen. 54 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung Im Fremdsprachenunterricht wird oft versucht, undurchsichtige Bereiche der Sprache anhand von bildhaften Darstellungen anschaulicher zu machen. Zu diesem Zweck werden zum Beispiel fliegende Satzteile zur Darstellung der Endverbstellung und farbliche Markierungen zur Unterscheidung der Kasusendungen eingesetzt. Obwohl sich viele Lehrkräfte einen Mehrwert davon versprechen, führen diese methodischen Unterrichtsmaßnahmen in den meisten Fällen lediglich zu einer leichteren Verdauung von Regelhaftigkeiten der Sprache, ihre Beliebigkeit und fehlende Kohärenz kann jedoch den Lernern nicht verborgen bleiben. In dieser Einheit soll daher der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich die Sprache anhand von bildhaften Darstellungen beschreiben lässt. Zu diesem Zweck werden wir uns zunächst ansehen, in welcher Form sich die Nutzung bildhafter Konzepte in der Sprache manifestiert. Danach wird auf die Nutzung körperlicher Erfahrungen in der Metaphorisierung näher eingegangen. Schließlich werden wir uns mit Aspekten der Verarbeitung von Metaphern beschäftigen und daraus einige Konsequenzen für die Vermittlung einer metaphorischen Kompetenz im Unterrichtskontext formulieren. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Rolle der Bildhaftigkeit in der Sprache beschreiben können; ▶ die verschiedenen Arten von Metaphern erläutern können; ▶ den Verarbeitungsprozess von Metaphern und die mitwirkenden Faktoren erklären können; ▶ die Wichtigkeit der Metaphern im Fremdsprachenerwerb und Förderungsmöglichkeiten begründen können. 2.1.1 Bilder in der Sprache Im ersten Kapitel haben Sie die wichtigsten Postulate der kognitiven Linguistik kennen gelernt. Unter anderem geht die kognitive Linguistik davon aus, dass Sprache mit der allgemeinen menschlichen Kognition eng verbunden ist (vergleiche Evans & Green 2006: 193). Das bedeutet also, dass sich viele Aspekte der Sprache und Grammatik anhand von Organisationsprinzipien der allgemeinen Perzeption sowie körperlicher Erfahrungen erklären lassen. So werden meteorologische Phänomene wie der Regen oder die Sonne im Deutschen vorwiegend als Behälter konzeptualisiert (im Regen, in der Sonne etc.), während sie in anderen Sprachen wie dem Spanischen oder Französischen als Entitäten über uns beschrieben werden (bajo el sol / bajo la lluvia; sous le soleil / sous la pluie). Andere Sprachen wie das Russische kombinieren sogar mehrere körperliche Erfahrungen zur Beschreibung desselben Phänomens: Neben der Konzeptualisierung der Sonne als Behälter können sich Sprecher des Russischen auch dafür entscheiden, die besonnte Oberfläche auf dem Boden zu profilieren 55 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung (Russ. Я стою на солнце; Dt. ich stehe-auf-der Sonne). Es wird aber noch spannender, wenn Sie sich anschauen, wie systematisch bestimmte abstrakte Bereiche der Sprache von körperlichen Erfahrungen geprägt sind. So nutzen viele Ausdrücke beispielsweise die Vertikalität ( OBEN , UNTEN ), um Machverhältnisse zwischen Entitäten oder Personen zu beschreiben: Man steht unter Druck, leidet unter bestimmten Bedingungen oder steht unter Kontrolle, wenn man einer mächtigeren Person oder Entität ausgesetzt ist. Im Gegensatz dazu können die Personen oder Entitäten, die in einer mächtigeren Position sind oder sich einfach anderen gegenüber durchsetzen können, andere Personen oder Entitäten überwachen oder Schwierigkeiten überwinden. Andere Bereiche der Sprache wie die idiomatischen Redewendungen nutzen bildhafte Vorstellungen auf eine sehr offensichtliche Weise, wie zum Beispiel in den Sätzen: Der griechische Minister nimmt kein Blatt vor den Mund oder Die Parksituation in der Stadtmitte von München ist zum Mäuse melken. Jeder von uns erkennt sofort, dass die Ausdrücke im übertragenen Sinne zu verstehen sind, auch wenn wir uns dessen beim Sprechen oft nicht immer bewusst sind. Solche körperlichen Erfahrungen und mentalen Bilder werden zwar in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich verwendet, allen Sprachen ist jedoch der Prozess der Metaphorisierung gemeinsam, nach dem ein bestimmter konzeptueller Inhalt von einer Quellendomäne auf eine Zieldomäne übertragen wird (Lakoff & Johnson 1980; Roche & Roussy-Parent 2006). Oft sind die Quellendomänen konkrete Konzepte, wie zum Beispiel Druck, Kraft, Vertikalität etc., und die Zieldomänen abstrakte Konzepte, wie zum Beispiel die Teilnahme an einer Diskussion oder der Stresszustand wegen der vielen Abgabetermine. Die Projektionsrichtung wird als unidirektional von der Quellendomäne auf die Zieldomäne ausgerichtet verstanden, da die Quellendomäne stärker an die physikalische Erfahrung gebunden ist. Bei Metaphern handelt es sich nach Grady (2007: 188) nicht um rein linguistische Konventionen, sondern um konzeptuelle Assoziationen. Daraus lässt sich schließen, dass jeder Sprecher durch entsprechende konzeptuelle Prozesse neue Metaphern schaffen und bereits vorhandene weiter entwickeln kann. Von einem solchen kreativen Umgang mit Metaphern in der Fremdsprache zeugt der folgende Auszug eines Gesprächs zwischen verschiedenen Lernern des Englischen als Fremdsprache über ihre bisherigen Lernerfahrungen. Dabei wird die Metapher SPRACHENLERNEN IST EINTAUCHEN INS WASSER zugrunde gelegt und weiter elaboriert (Littlemore & Low 2006a: 279): S1 It is best for the students to be showered in a lot of English. S2 But we don’t want to throw them in the water. S1 We are not throwing them in the water, they are just in the shower. S2 We need to get them used to the water before swimming. S1 But grammar teaching is like sitting on the tatami mat, and not getting in the water. S3 And there is few [sic] water in Japan, this is why the classroom atmosphere is more important. Metaphern sind also dynamisch und produktiv, und können sich in allerlei Kontexten als ein wichtiges Mittel zum Ausdruck komplexer abstrakter Sachverhalte erweisen. Da aber 56 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata beim Verstehen solcher metaphorischen Elaborationen auch der soziokulturelle und der pragmatische Kontext eine wichtige Rolle spielen, kann ihre erfolgreiche Erschließung nicht alleine durch konzeptuelle Prozesse sichergestellt werden (vergleiche De Cock & Suñer im Druck; Kövecses 2015: 15; vergleiche auch Yu 2008). Vielmehr situieren sich unbekannte Metaphern auf einem Kontinuum, das einerseits aus universellen körperlichen Erfahrungen und andererseits aus kontextbedingter Variation besteht (vergleiche Kövecses 2015: 14; vergleiche auch Kövecses 2010). Für eine erfolgreiche Erschließung sollte also der konzeptuelle Inhalt der Metapher mit beiden Polen vereinbar sein. Wie die konzeptuellen Metaphern aber genau entstehen, soll im nächsten Abschnitt behandelt werden. 2.1.2 Wie funktioniert die Metaphorisierung? Ursprünglich haben Lakoff & Johnson (1980) in ihrer konzeptuellen Metapherntheorie zwischen dem linguistischen Ausdruck der Metapher und der zugrunde liegenden konzeptuellen Metapher unterschieden: Während eine konzeptuelle Metapher das kognitive Mapping zwischen zwei konzeptuellen Domänen darstellt, bezieht sich die linguistische Metapher auf die konkrete Realisierung der konzeptuellen Metapher. So werden konzeptuelle Metaphern in der Regel nicht verbalisiert und sind daher nicht sichtbar, stellen jedoch das konzeptuelle Grundgerüst für die Erschließung der linguistischen Metaphern dar. Den folgenden zwei linguistischen Metaphern liegt beispielsweise die konzeptuelle Metapher EINE DISKUSSION IST EIN KRIEG zugrunde, auch wenn sie nicht explizit genannt wird. (1) Die Parlamentarier griffen die Kanzlerin wegen des Flüchtlingsdeals mit der Türkei an, aber sie konnte sich gut verteidigen. Wie Sie bestimmt schon gemerkt haben, sind nicht alle konzeptuellen Metaphern gleich. Manchmal werden körperliche Erfahrungen wie die Vertikalität verwendet und manchmal Konzepte wie der Krieg oder das Eintauchen ins Wasser (vergleiche Littlemore & Low 2006a). Lassen sich die Metaphern also nach bestimmten Kriterien klassifizieren? Die konzeptuelle Metapherntheorie von Lakoff & Johnson (1980) unterscheidet grundsätzlich drei Hauptarten von Metaphern: Strukturmetaphern, Orientierungsmetaphern und ontologische Metaphern. Strukturmetaphern bezeichnen das Mapping zwischen zwei spezifischen Konzepten, wie zum Beispiel DIE LIEBE IST EINE REISE . Daraus lassen sich linguistische Metaphern ableiten wie unsere Beziehung führt zu nichts oder wir wollen einen gemeinsamen Weg gehen. Im Gegensatz dazu verwenden die Orientierungsmetaphern sogenannte Bildschemata, die sich aus körperlichen Erfahrungen mit der Umwelt ableiten lassen, wie zum Beispiel Bewegung, Kraft, Vertikalität etc. Ausdrücke wie wir kommen gut voran oder die Zinsen steigen unaufhörlich verwenden solche Bildschemata als konzeptuelle Basis. Schließlich werden abstrakte Konzepte in sogenannten ontologischen Metaphern als Objekte oder Behälter konzeptualisiert. So setzen im Deutschen Ausdrücke wie zum Beispiel eine Idee haben/ geben/ klauen die konzeptuelle Metapher EINE IDEE IST EIN OBJEKT voraus. Auch Menschen können in ihrer Rolle als Emotionsempfänger als eine Art Behälter profiliert werden, wie zum Beispiel in den Sätzen er 57 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung verliebt sich in ihre Kollegin oder der neue Trainer hat sein volles Vertrauen in die Mannschaft gesetzt. Obwohl die Klassifizierung nach diesen drei Hauptarten sehr plausibel erscheint, darf keine starre Trennung angenommen werden, denn oft werden mehrere Metaphern im selben Satz miteinander kombiniert (vergleiche Littlemore & Low 2006a; Drewer 2003: 7). Nehmen wir den folgenden Satz als Beispiel: Er stellte immer wieder ihre Wünsche in den Vordergrund. In diesem Fall liegt einerseits die Orientierungsmetapher VORNE IST WICHTIG vor und andererseits die ontologische Metapher WÜNSCHE SIND OBJEKTE . Ein weiterer Kritikpunkt gegen die konzeptuelle Metapherntheorie betrifft die metaphorische Übertragungsrichtung (vergleiche Unidirectionality Hypothesis, Jäkel 2003). Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass die Metaphern stets durch ein Mapping von einer Quellendomäne auf eine Zieldomäne entstehen. Einige alternative Ansätze wie die conceptual blending theory (vergleiche Fauconnier & Turner 2002) haben jedoch gezeigt, dass das Mapping durchaus bidirektional ist und zum Teil einen neuen konzeptuellen Inhalt schaffen kann, der weder in der Quellennoch in der Zieldomäne enthalten ist. Der Prozess des Blending ist vor allem im Bereich der Wortkomposition sehr produktiv, wie zum Beispiel beim Wort Brunch, welches durch das Blending der Konzepte Lunch und Breakfast entstanden ist (vergleiche Radden 2008). In diesem Fall entsteht durch das Blending ein weiterer mentaler Raum, der Eigenschaften besitzt, die weder im Konzept Breakfast noch im Konzept Lunch enthalten sind, wie zum Beispiel die Uhrzeit oder der Ausnahmecharakter der Mahlzeit. Außerdem wurde das von Lakoff & Johnson (1980) verwendete Korpus als relativ begrenzt beschrieben, da die Belege nicht den reellen Gebrauch von Metaphern im Diskurs widerspiegeln. Weiterhin sind die Methode zur Analyse der Metaphern sowie die Analysen selbst als recht intuitiv charakterisiert worden, da die Belege gezielt zur Begründung der ad hoc geschaffenen Kategorien ausgewählt werden (vergleiche Kövecses 2015, Gibbs & Ferreira 2011). Schließlich erklärt die konzeptuelle Metapherntheorie nicht, wie eigentlich Metaphern unter verschiedenen Bedingungen verarbeitet werden, vor allem die innovativen Metaphern (Bowdle & Gentner 2005). Andere kognitionslinguistische Ansätze wie die kognitive Grammatik (Langacker 2008b) oder die kognitive Semantik (Talmy 2000) haben ebenfalls die Metaphorisierung verwendet, um die konzeptuelle Motiviertheit der Grammatik zu erklären. So wurden zum Beispiel die kausalen Konnektoren und die Modalverben anhand von Kraft und Dynamik (Talmy 2000; Sweetser 1990) und die transitiven Szenen durch das Konzept der Energieübertragung beschrieben (Langacker 2004). Anhand dieser sogenannten Bildschemata lässt sich die eher abstrakte und oft undurchsichtige Bedeutung der Grammatik als eine konzeptuelle Struktur beschreiben, anhand derer sich der konzeptuelle Inhalt der lexikalischen Einheiten organisieren lässt. Was diese Bildschemata genau sind und wie sie in den Metaphern verwendet werden, soll im nächsten Abschnitt besprochen werden. 58 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata 2.1.3 Die Verwendung von Bildschemata in der Sprache Der Begriff der Bildschemata geht auf Johnson (1987) zurück, der sie als rekurrente, immer wieder vorkommende sensorische Muster optischer, auditiver, haptischer, motorischer oder olfaktorischer Natur beschreibt, die wir in unseren körperlichen Interaktionen mit der Umwelt erkennen und in schematischer Form speichern (vergleiche auch Evans & Green 2006). Aus der körperlichen Bewegung, der Manipulation von Objekten, der Wahrnehmung von Druck und externen Kräften etc. leiten wir Bildschemata ab, die uns dann als eine Art Vorlage zur Strukturierung konzeptueller Inhalte zur Verfügung stehen (vergleiche Grady 2005). Einige Beispiele für Bildschemata sind: URSPRUNG - WEG - ZIEL , TEIL - GANZES , BEHÄLTER , OB- JEKT , DRUCK , KRAFT etc. (vergleiche Johnson 1987; Oakley 2007; siehe Tabelle 2.1). Da diese Bildschemata ihren Ursprung in den sensorischen Erfahrungen haben, behalten sie auch die entsprechenden modalitätsspezifischen Informationen und können durch Prozesse des bildlichen Denkens, wie beispielsweise die mentale Simulation, als sensorische Repräsentationen abgerufen werden (vergleiche Johnson 2005: 20). So beobachteten Wilson & Gibbs (2007), dass das Verständnis von Metaphern wie to push an argument erleichtert werden konnte, wenn sich die Probanden zuvor die physische Handlung des Drückens mental vorstellten oder selbst ausführten. Ein solcher Priming-Effekt wurde jedoch nicht beobachtet, wenn die Probanden eine nicht relevante Handlung ausführten, wie zum Beispiel einen Kaugummi kauen. Auch Gentner (2001; vergleiche auch Gentner, Imai & Boroditsky 2002) untersuchte die Verwendung von Zeitmetaphern und stellte fest, dass der Ausdruck von Zeitkonzepten in unterschiedlichen metaphorischen Systemen mit Einbußen in der Reaktionszeit einhergehen kann. Beim Ausdruck von Zeitkonzepten, die auf dasselbe metaphorische System zurückgreifen, verschwinden derartige negative Auswirkungen. All diese Experimente zeigen, inwiefern die Konzepte der Quellendomäne den Ausdruck abstrakter Konzepte beeinflussen. RAUM OBEN - UNTEN ; VORNE - HINTEN ; LINKS - RECHTS ; NAH - ENTFERNT ; ZENTRUM - PERIPHERIE ; KONTAKT ; GERADE ; VERTIKALITÄT BEHÄLTNIS BEHÄLTER ; DRAUSSEN - DRINNEN ; OBERFLÄCHE ; VOLL - LEER ; INHALT BEWEGUNG IMPULS / EIGENDYNAMIK ; URSPRUNG - WEG - ZIEL GLEICHGEWICHT ACHSEN - GLEICHGEWICHT ; WAAGE - GLEICHGEWICHT ; GLEICHGEWICHTSPUNKT ; EQUILIBRIUM KRAFT DRUCK ; BLOCKIERUNG ; GEGENKRAFT ; ABLEITUNG ; ENTFERNUNG VON ; ANZIEHUNG ; WIDERSTAND UNITÄT ; MULTIPLIZITÄT FUSIONIERUNG ; SAMMLUNG ; TRENNUNG ; WIEDERHOLUNG ; TEIL - GANZES ; ZÄHLBAR - UNZÄHLBAR , VERBINDUNG IDENTITÄT ANPASSUNG ; ÜBERLAGERUNG EXISTENZ ENTFERNUNG ; BEGRENZTER RAUM ; ZYKLUS ; OBJEKT ; PROZESS Tabelle 2.1: Basic Domains und Schemata nach Evans & Green (2006: 190) 59 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung Wie lassen sich aber die Bildschemata genauer charakterisieren? Nach Oakley (2007, vergleiche auch Evans & Green 2006) haben die Bildschemata folgende Merkmale: Erstens weisen Bildschemata oft eine komplexe innere Struktur auf, so dass sie auch in gewisser Weise Transformationen zulassen. Das Bildschema URSPRUNG - WEG - ZIEL kann aus pragmatischen Gründen durch eine Fokussierung auf den Ursprung oder das Ziel so transformiert werden, dass nur einzelne Teile davon evoziert werden (path-focus versus endpoint-focus nach Johnson 1987). So geben wir bei Sätzen wie ich gehe jetzt in den Unterricht nicht immer an, wo wir gerade herkommen, weil der Ursprung entweder bereits bekannt oder einfach irrelevant ist. Zweitens werden Bildschemata zwar aus konkreten sensorischen Erfahrungen abgeleitet, können jedoch in unterschiedlichen Modalitäten verarbeitet werden (vergleiche Evans & Green 2006: 186). Das Bildschema BLOCKIERUNG kann sowohl visuell (zum Beispiel durch Beobachtung einer verhinderten Bewegung von Objekten durch Ausübung einer Gegenkraft) als auch haptisch beziehungsweise motorisch (zum Beispiel durch Spüren einer Gegenkraft durch ein Objekt oder eine Person, die die eigene Fortbewegung verhindert) motiviert sein. Drittens lassen sich die verschiedenen Bildschemata nach Evans & Green (2006: 187ff) in Clustern gruppieren, die auf bestimmte Grunddomänen unserer Erfahrungen zurückzuführen sind. Demnach haben alle Bildschemata der Gruppe einige Eigenschaften gemeinsam: So drücken alle Bildschemata in der Gruppe KRAFT Kausalität (es besteht immer eine Ursache der Kraft) und Direktionalität (die Kraft hat stets eine Richtung) aus, und sie lassen sich anhand einer Intensitätsskala darstellen (die Kraft kann stärker oder weniger stark sein) (vergleiche Evans & Green 2006). In unserem Kopf haben wir allerdings auch andere Arten von Wissensrepräsentation wie beispielsweise die allgemeinen Schemata und die mentalen Bilder. Wie lassen sich aber die Bildschemata von diesen mentalen Repräsentationen genau unterscheiden? Die Bildschemata teilen zwar einige Schnittmengen mit den mentalen Bildern und den allgemeinen Schemata, sie unterscheiden sich aber von ihnen vor allem durch ihre Allgemeingültigkeit und ihren Abstraktheitsgrad. So sind Bildschemata nach Oakley (2007: 216) im Unterschied zu den Schemata, die wir als abstraktes, strukturiertes Wissen über Konzepte und Handlungsmuster besitzen (Schemata, vergleiche auch Rumelhart 1975), viel dynamischer und flexibler. Während das abstrakt gespeicherte Wissen über den Ablauf einer Kontrolle am Flughafen nur auf diese konkrete Situation angewandt werden kann (Boardkarte vorzeigen, Handgepäck auf das Band legen, Laptops und Flüssigkeiten herausnehmen etc.), können Bildschemata wie UR- SPRUNG - WEG - ZIEL auf allerlei Bewegungen von einem Punkt A über einen Weg bis Punkt B angewandt werden, sei es am Flughafen oder auf einer Hochzeit. Die verschiedenen Slots der Bildschemata können also mit mehr Items gefüllt werden als die der Schemata von Konzepten und Handlungen. Weiterhin sind mentale Bilder weniger allgemein anwendbar, weil sie konkrete Situationen abbilden und daher spezifischer sind (vergleiche Oakley 2007: 216; siehe Abbildung 2.1). Beispielsweise kann das mentale Bild der letzten Hochzeit nicht in Bezug auf weitere Hochzeiten verallgemeinert werden, weil Braut und Bräutigam vermutlich Unikate sind, selbst wenn sie Zwillingsgeschwister haben, die zur gleichen Zeit heiraten. Die Anwendbarkeit mentaler Bilder ist auf diese konkrete Situation beschränkt. Mentale Bilder erlauben uns daher aber auch, uns eine Situation konkret vor Augen zu führen, während die 60 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Bildschemata dafür zu abstrakt sind. Gemeinsam ist mentalen Bildern und Bildschemata jedoch ihre analoge Natur: Beide bilden die sensorischen Erfahrungen auf eine analoge Weise ab und aktivieren die entsprechenden modalitätsspezifischen Aspekte mit (vergleiche Evans & Green 2006; Seel 2003). Abbildung 2.1: Mentale Bilder In der Literatur werden einige andere Merkmale von Bildschemata diskutiert, die immer noch als umstritten gelten, wie zum Beispiel die Tatsache, dass einige Bildschemata nicht ausschließlich perzeptueller Natur sind, sondern sich aus den Vorwissensbeständen speisen und daher konzeptuelle Aspekte haben (Grady 2005). Ein weiterer umstrittener Aspekt bezieht sich auf die Universalität der Bildschemata, die nach einigen Autoren (Kimmel 2005: 41ff) nicht immer als gegeben vorausgesetzt werden darf. Für eine ausführliche Darstellung dieser und weiterer Kritikpunkte siehe Kimmel (2005), Grady (2005) oder Zlatev (2005). 2.1.4 Piktoriale und multimodale Metaphern In der konzeptuellen Metapherntheorie wird davon ausgegangen, dass sich die konzeptuellen Metaphern hauptsächlich an der linguistischen Oberfläche manifestieren, wobei die Rolle statischer und dynamischer Bilder sowie der von Musik und Gestik völlig außer Acht gelassen wird. Aus diesem Grund plädiert Forceville (2008) für die Erweiterung des Metaphernbegriffes durch die sogenannten piktorialen und multimodalen Metaphern. Beide Arten von Metaphern haben gemeinsam, dass ihre Quellendomäne und / oder ihre Zieldomäne nicht verbaler Natur sind. Sie unterscheiden sich jedoch durch ihre jeweils monomodale und multimodale Natur: Während multimodale Metaphern verschiedene Kodierungssysteme und Sinnesmodalitäten miteinander kombinieren, wie zum Beispiel Sprache, Musik und Bild, speisen sich piktoriale Metaphern ausschließlich aus bildhafter Information. Innerhalb der Kategorie der piktorialen Metaphern gibt es unterschiedliche Typen. In der Abbildung 2.2 sehen wir zum Beispiel, wie die piktoriale Information aus dem Kontext 61 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung (hier das begleitende Bild) zur Erschließung der Metapher SPRACHENLERNEN IST EIN KAMPF beiträgt. Dadurch wird die Idee evoziert, dass die Sprachschule den Schülern die Unterstützung leistet, die sie zur Bewältigung kommunikativer Situationen in der Fremdsprache benötigen. Diese Art von piktorialer Metapher nennt Forceville folgerichtig kontextuelle Metapher (Forceville 2008: 464). Eine andere Art von piktorialer Metapher stellen die sogenannten hybriden Metaphern dar, die durch die piktoriale Zusammensetzung von Quellen- und Zieldomänen in derselben Gestalt eine neue, hybride Gestalt schaffen, die es in der Realität nicht gibt (Forceville 2008: 465f.). Zum Beispiel wird ein Atomkraftkanister (siehe Abbildung 2.3) mit Beinen versehen, um den Satz der Atomkraft Beine machen zu verbildlichen. Solche hybriden Metaphern unterscheiden sich wiederum von den integrierten Metaphern dadurch, dass letztere keine unwahrscheinliche Gestalt darstellen, sondern diese nur andeuten. So wird beispielsweise in der Werbung für eine Kaffeemaschine (siehe Abbildung 2.4) durch ihre besondere Form die Metapher KAFFEEMASCHINE IST EIN DIENER bzw. EIN KELLNER suggeriert, das heißt die Kaffeemaschine serviert die fertigen Kaffees wie ein echter Kellner (vergleiche Forceville 2008: 468). Schließlich werden in sogenannten piktorialen Vergleichen die Quellen- und die Zieldomäne als zwei eigenständige Entitäten präsentiert (beispielsweise als zwei nebeneinanderstehende Objekte), wodurch eine Ähnlichkeit zwischen beiden evoziert wird. Abbildung 2.2: Wall Street Englisch (Quelle: wallstreetenglish 2016) Abbildung 2.3: Der Atomkraft Beine machen (Jusos Drensteinfurt 2016) 62 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Abbildung 2.4: Kaffeemaschine (Heise 2016) Im Gegensatz zu den piktorialen Metaphern kombinieren multimodale Metaphern (Forceville 2008: 467ff) verschiedene Kodierungssysteme oder Wahrnehmungsmodalitäten, so dass zum Beispiel durch die Interaktion von Musik und Bildern die intendierte Metapher evoziert werden kann. Ein Beispiel dafür finden wir in der Werbung für das Katzenfutter »Xirah« (über den Wahrheitsgehalt der Werbung müssten Sie Ihre eigene Katze entscheiden lassen), in der ein Streit um das Essen zwischen einer Katze und einem Hund inszeniert wird. Dabei wird durch zwei besondere Elemente die Metapher EIN STREIT UM DAS ESSEN IST EIN DUELL IM WILDEN WESTEN evoziert: Einerseits wird ein Ausschnitt aus dem bekannten Lied The good, the bad and the ugly von Ennio Morricone im Hintergrund gespielt und andererseits wird der Eintritt des Hundes in das Zimmer durch eine Schwingtür gezeigt, wie sie aus Westernfilmen bekannt ist. Der konzeptuelle Inhalt der Quellendomäne wird also durch Elemente unterschiedlicher Modalitäten aktiviert. 2.1.5 Die Verarbeitung von Metaphern Nachdem wir den Prozess der Metaphorisierung und die verschiedenen Arten von Metaphern kennengelernt haben, beschäftigen wir uns nun mit der Frage, wie Metaphern eigentlich verarbeitet werden und welche Faktoren dabei überhaupt mitwirken. Da aber die meisten Ansätze zur Verarbeitung von Metaphern kaum Bezug auf den Kontext des Fremdsprachenerwerbs nehmen, sollen die Ansätze in einem ersten Schritt nur in ihren Grundzügen präsentiert werden (für eine ausführliche Darstellung siehe auch Littlemore & Low 2006b: 46ff). Danach wird die Wichtigkeit des Erwerbs einer metaphorischen Kompetenz im Unterrichtskontext besprochen. Bisher sind zahlreiche Theorien formuliert worden, die jeweils den Schwerpunkt auf einen einzelnen Aspekt gelegt (zum Beispiel den Kontext, den Bekanntheitsgrad der Metapher, die Salienz etc.) und größtenteils die dafür nötige empirische Evidenz geliefert haben. Wie Sie aber sicher schon einmal festgestellt haben, wirken beim Verständnis von Metaphern mehrere Faktoren zusammen, so dass wir eher von einem mehrdimensionalen Konstrukt 63 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung ausgehen sollten. Ein erster wichtiger Streitpunkt betrifft die Frage, inwiefern der gesamte konzeptuelle Inhalt der Quellendomäne aktiviert wird, um die Metaphern zu verstehen. Einerseits verteidigte Searle (1979) die Position, dass die Metaphern zunächst von dem Sprecher als Verletzungen der Qualitätsmaxime erkannt und nachher anhand von Implikaturen interpretiert werden. Dabei wird der gesamte konzeptuelle Inhalt aktiviert und es wird auf dieser Basis nach möglichen Interpretationen gesucht, die die pragmatischen Kriterien der kommunikativen Situation erfüllen. Demnach erfolgt der Zugang zu den relevanten Aspekten der Quellendomäne bei der Interpretation der Metaphern auf indirekte Weise. Demgegenüber stehen Ansätze wir der des direct access view von Gibbs (1994), die einen direkten Weg zum relevanten konzeptuellen Inhalt der Quellendomäne postulieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Konzepte der Quellendomäne sowohl über eine konkrete als auch über eine übertragene Bedeutung verfügen, so dass die Sprecherin oder der Sprecher beziehungsweise die Hörerin oder der Hörer direkt die eine oder andere Bedeutung aktiviert (vergleiche auch Glucksberg 2008). Demnach sollte die Verarbeitung einer Metapher nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Verarbeitung der konkreten Bedeutung. Beim Beispielsatz er frisst wie ein Schwein stehen Merkmale wie die Art des Essens von Schweinen für die übertragene Bedeutung der Quellendomäne (hier das Schwein) zur Verfügung. Weiterhin argumentieren Glucksberg, Newsome & Goldvarg (2001) im Rahmen ihres class-inclusion model, dass oft neue Subkategorien geschaffen werden, die in Abgrenzung zu den anderen Kategorien eine Bedeutung haben. Dabei werden irrelevante Aspekte der Quellendomäne nicht aktiviert (vergleiche auch Glucksberg 2008). In dem vorangehenden Beispielsatz werden beispielsweise verschiedene Arten von Essgewohnheiten vorausgesetzt, so dass nur diejenigen Merkmale vom Schwein aktiviert werden, die zur Interpretation der Metapher beitragen können. Bowdle & Gentner (2005) merken jedoch kritisch an, dass die metaphorische Bedeutung der Konzepte der Quellendomänen erst im Zusammenhang mit einer Zieldomäne geschaffen werden kann und dass die Quellendomänen daher nicht unbedingt eine metaphorische Bedeutung neben der konkreten Bedeutung besitzen. Eine Interaktion zwischen Quellen- und Zieldomäne ist vor allem für innovative Metaphern unabdingbar. Nach Giora (1999) können derartige Ansätze nur einen kleinen Teil der Verarbeitung von Metaphern erklären, unabhängig davon, welche Art von Zugang sie postulieren (Giora 1999: 240). Im Rahmen ihrer graded salience hypothesis geht die Autorin vielmehr davon aus, dass der Grad von Salienz eine zentrale Rolle spielt. Demnach wird die Salienz konkreter und metaphorischer Bedeutungen von Wörtern und Sätzen von Faktoren wie dem Konventionalitätsgrad, der Frequenz, dem Bekanntheitsgrad etc. mitbestimmt. So werden bei der Verarbeitung von Metaphern zunächst die salienten Bedeutungen eines Konzeptes aktiviert, auch wenn sie für den Kontext nicht relevant sind. Wenn aber die Metapher anhand der salienten Bedeutung der Quellendomäne nicht erschlossen werden kann, dann werden Kontextinformationen herangezogen. Giora (1999) merkt jedoch an, dass der Kontext eine begrenzte Rolle spielt: Obwohl der Kontext die zutreffende Bedeutung eines Konzeptes aktivieren kann, kann er die Aktivierung von salienten, nicht zutreffenden Bedeutungen nicht inhibieren. Dabei bezieht sich Giora auf Eye-Tracking-Studien (vergleiche Rayner, Pacht & Duffy 1994), die gezeigt haben, dass zweideutige Wörter länger fixiert werden als eindeutige Wörter, auch wenn ein 64 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata kontextuelles Priming zur Aktivierung der weniger salienten Bedeutung dargeboten wurde. Diese Ergebnisse legen nahe, dass bei zweideutigen Wörtern der Kontext zwar die weniger saliente Bedeutung aktiviert, die saliente Bedeutung jedoch stets mitaktiviert ist. Dabei ist die längere Fixationszeit auf den zusätzlichen Zeitaufwand zur Disambiguierung und Reinterpretation des Wortes zurückzuführen. Im Unterschied zu Giora (1999) fokussiert die career of metaphor theory von Bowdle & Gentner (2005) die Entwicklung des Gebrauchs von Metaphern im Diskurs. Den Autoren zufolge spielt der Unterschied zwischen konventionellen und unkonventionellen Metaphern eine zentrale Rolle unabhängig davon, ob sie direkt oder indirekt verarbeitet werden. Dabei gehen Bowdle & Gentner (2005) davon aus, dass konventionelle Metaphern bereits vorhandene metaphorische Kategorien nutzen und daher leichter verarbeitet werden können, während unkonventionelle Metaphern zwingend durch Vergleichsprozesse zwischen Quellen- und Zieldomäne erschlossen werden. Die folgende Abbildung 2.5 zeigt, wie die verschiedenen Arten von Metaphern in der Regel unterschiedliche Verarbeitungsprozesse erfordern, die wiederum mit einem unterschiedlichen kognitiven Aufwand verbunden sind: Abbildung 2.5: Die sogenannte career of metaphor nach Bowdle & Gentner (2005 : 2009) 65 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung Die Wahl des einen oder anderen Verarbeitungsprozesses hängt nach Bowdle & Gentner (2005) von anderen Faktoren wie der Salienz der konkreten Bedeutung (vergleiche auch graded salience hypothesis nach Giora 1999) und dem Kontext (vergleiche direct access view nach Gibbs 1994) ab. Der integrative Charakter dieser Theorie lässt sich an zwei Aspekten festmachen: Erstens lassen sich die eher traditionellen Vergleichsmodelle zur Verarbeitung von Metaphern (Quellen- und Zieldomäne werden miteinander verglichen und ihre Ähnlichkeiten herausgearbeitet) mit den Kategorisierungsmodellen (vergleiche class-inclusion model nach Glucksberg et al. 2001) vereinbaren; zweitens werden die unterschiedlichen Verarbeitungsstrategien in Abhängigkeit vom Konventionalitätsgrad der Metaphern (konventionelle, innovative und tote Metaphern) beschrieben. Weiterhin ist der Ansatz von Kövecses (2010; 2015) insofern als Ergänzung zur career metaphor theory anzusehen, als verschiedene Ebenen des Kontextes beschrieben werden, die besonders bei der Verarbeitung von innovativen Metaphern eine Rolle spielen. Bisher hatten sich die meisten Ansätze bei der Beschreibung des Kontextes auf den unmittelbaren linguistischen Kontext beschränkt. Kövecses (2010) differenziert jedoch zwischen den körperlichen Erfahrungen (Raum, Bewegung etc.) aus dem unmittelbaren physischen Kontext (physical environment), dem Diskurswissen, dem soziokulturellen Wissen (cultural context und immediate social setting) und dem linguistischen Kontext selbst. Vor allem bei innovativen Metaphern versuchen wir, Kohärenz auf allen Ebenen des Kontextes herzustellen. Da aber der Kontext gerade von Gespräch zu Gespräch variiert, variieren auch die Metaphern und sie erscheinen uns deswegen als neue Metaphern. Im Kontext des Fremdsprachenerwerbs weist die Verarbeitung von Metaphern jedoch einige besondere Merkmale auf. Ähnlich wie bei Gioras (1999) graded salience hypothesis, postuliert Cieślicka (2006), dass bei der Verarbeitung metaphorischer Ausdrücke in der L2 die konkrete Bedeutung der einzelnen Komponenten in der Regel eine höhere Salienz genießt und der Kontext eine relative Wichtigkeit hat (vergleiche auch Kecskes 2000). In dieser Hinsicht schlägt Liontas (2002) zwei Phasen der Verarbeitung von Metaphern in der L2 vor: Zuerst stellt der Lerner oft ohne Nutzung des Kontextes eine Reihe von Hypothesen zur Interpretation der Metapher auf. In einer zweiten Phase werden die verschiedenen Hypothesen entweder beibehalten oder verworfen je nachdem, wie kompatibel sie mit dem dargebotenen Kontext sind. Weiterhin stellten Littlemore & Low (2006b) fest, dass L2-Lerner zwar verschiedene Strategien zur Interpretation unbekannter Metaphern in der L2 einsetzen, der Erfolg der eingesetzten Strategien hängt jedoch mit dem Sprachniveau der Lerner stark zusammen. Besonders häufige Strategien, die von L2-Lernern zur Interpretation von Metaphern in der L2 verwendet wurden, sind die Analogiebildung, das bildliche Denken, die Erschließung aus dem Kontext, die Nutzung von primären Metaphern aus der L2 und der Transfer aus der L1 (vergleiche Azuma & Littlemore 2010; Azuma 2009). Die Tatsache, dass viele L2-Lerner unabhängig von ihrem Sprachniveau den Transfer aus der L1 als Strategie zur Interpretation von Metaphern in der L2 einsetzen, hat dazu geführt, dass sich immer mehr Studien mit der Erforschung des Einflusses der Unterschiede zwischen den Metaphern in der L2 und ihren L1-Äquivalenten beschäftigt haben. Einerseits haben einige Studien festgestellt, dass L2-Lerner die Metaphern in der L2 besser verarbeiten konnten, wenn sie aus linguistischer, konzeptueller und sozio- 66 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata kultureller Sicht den L1-Äquivalenten ähnlich waren (vergleiche Charteris-Black 2002; Chen & Lai 2013). Andererseits zeigt eine neuere Studie von De Cock und Suñer (im Druck), dass die soziokulturellen und konzeptuellen Unterschiede nicht immer Schwierigkeiten bei der Interpretation von Metaphern bereiten und dass sie mit anderen Faktoren wie dem Kontext unterschiedlich interagieren. Dabei wurde davon ausgegangen, dass für die Verarbeitung konzeptueller Aspekte von Metaphern allgemeines Wissen über körperliche Erfahrungen verwendet wird und für die soziokulturellen Aspekte eher Wissen über das Wertesystem, die Geschichte, die sozialen und politischen Strukturen etc. Die Autoren stellten fest, dass die Darbietung eines Kontextes vor allem bei soziokulturellen Unterschieden zu einer signifikant besseren Interpretation der Metaphern führte, bei konzeptuellen Unterschieden hingegen zu einer signifikant schlechteren Interpretation. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass bei der Verarbeitung von Metaphern in der L2 nicht nur der Zugang zur konkreten Bedeutung der Quellendomäne eine Rolle spielt, sondern auch der Einsatz von Strategien, das Sprachniveau, die Darbietung eines Kontextes sowie die konzeptuelle und soziokulturelle Distanz zwischen den Metaphern in der L2 und ihren L1-Äquivalenten. 2.1.6 Metaphern in der Sprachvermittlung Sie stellen sich vielleicht die Frage, warum gerade die Metaphern in dieser Ausführlichkeit behandelt werden. Wenn Sie Ihre Kollegen fragen, dann werden sie Ihnen sicher sagen, dass Metaphern doch eher für fortgeschrittene Fremdsprachenlerner in Frage kommen. In diesem letzten Abschnitt wollen wir uns daher mit der eigentlichen Relevanz der Metaphern für den Fremdsprachenerwerb beschäftigen. Wir werfen zunächst einen Blick auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen ( GER ). Dort werden die Metaphern nur marginal erwähnt, und zwar als Teil der sogenannten lexikalischen Kompetenz: Lexikalische Elemente sind: feste Wendungen, die aus mehreren Wörtern bestehen und jeweils als ein Ganzes gelernt und verwendet werden. Solche festen Wendungen sind z. B.: idiomatische Wendungen, oft semantisch undurchsichtige, erstarrte Metaphern, z. B.: Er hat den Löffel abgegeben / fallen lassen. (=-er ist gestorben). (Europarat 2001: 111) Wenn wir aber die Metaphern aus kognitionslinguistischer Sicht definieren, so erweisen sie sich auch für L2-Lerner als ein wichtiges Werkzeug des Denkens und Handelns, das sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene höchst relevant ist. In dieser Hinsicht stellten Littlemore, Krenmayr, Turner & Turner (2014) fest, dass L2-Lerner auf allen Niveaustufen des GER metaphorische Ausdrücke nutzten, wobei sie mit zunehmendem Sprachniveau häufiger verwendet werden. Außerdem haben sie beobachtet, dass die Lerner auf den Anfängerniveaus für die metaphorischen Ausdrücke vorwiegend Items aus kaum erweiterbaren Wortklassen nutzten, wie zum Beispiel die räumlichen Präpositionen unter und über für den Ausdruck von hierarchischen Beziehungen. Die Lerner auf den höheren Niveaustufen (ab B2) nutzten hingegen vor allem Wörter aus erweiterbaren Wortklassen (zum Beispiel das Verb kontern in einer Diskussion) (vergleiche auch Roche & Suñer 2014). Insgesamt scheinen Metaphern also doch im gesamten Prozess des Fremdsprachenerwerbs präsent zu sein, auch wenn deutliche 67 2.1 Bildschemata und Metaphorisierung Unterschiede in Abhängigkeit vom Niveau zu beobachten sind. Da bisher der Erwerb einer solchen metaphorischen Kompetenz in den Kompetenzskalen nicht formuliert wurde, versuchen die Autoren auf der Basis ihrer Befunde die wichtigsten Deskriptoren einer solchen Kompetenz zu beschreiben. Im Folgenden sehen Sie exemplarisch die Deskriptoren für die Niveaustufen B1 und B2: B1: In addition to the above, learners should be able to use a limited number of conventional metaphors, with appropriate phraseology to present their own perspective. They should also be able to make limited use of personification metaphors. They may be starting to use a small number of metaphor clusters. B2: In addition to the above, learners should be able to make use of a limited number of conventional and creative open-class metaphors. They should be able to use metaphors for evaluative and discourse organizing purposes. They should be starting to use personification metaphors more extensively. Metaphorical clusters are more in evidence at this level. Some are coherent, whereas others contain mixed metaphors. (Littlemore et al. 2014: 142) Vor diesem Hintergrund plädieren die Autoren für eine stärkere Berücksichtigung der metaphorischen Kompetenz sowie für die Anwendung dieser Deskriptoren beispielsweise bei der Beurteilung schriftlicher Arbeiten. In diesem Fall sollte der Erwerb der metaphorischen Kompetenz den Autoren zufolge vor allem auf der Niveaustufe B2 durch eine entsprechende Didaktisierung begleitet werden, da die Lerner auf dieser Stufe beginnen, Metaphern mit Wörtern aus erweiterbaren Wortklassen zu verwenden. Deshalb sind entsprechend konzeptuelle Fehler zu erwarten (zum Teil durch den L1-Einfluss) (vergleiche Littlemore et al. 2014: 143). Da aber gerade die adäquate konzeptuelle Enkodierung von Erfahrungen (unter anderem anhand von Bildschemata) eine wichtige Voraussetzung für eine qualitativ entwickelte Mehrsprachigkeit ist, erweist sich der Erwerb einer solchen metaphorischen Kompetenz als ein sinnvolles übergeordnetes Ziel der Sprachvermittlung (vergleiche Roche 2013b; Danesi 2008; Littlemore & Low 2006b). In diesem Zusammenhang betont Danesi (2008), dass ein erfolgreicher Sprachenerwerb nicht nur in der Beherrschung formeller Aspekte der Fremdsprache besteht, sondern auch in dem kultursensitiven Umgang mit den metaphorischen Extensionen denotativer Wortbedeutungen. Wie eine solche metaphorische Kompetenz gefördert werden kann, zeigen Azuma & Littlemore (2010) in ihrer Studie, in der sie den Effekt unterschiedlicher Verfahren zur Steigerung des kreativen Umgangs mit Sprache und zur besseren Erschließung und Produktion metaphorischer Ausdrücke untersuchen. In einer Interventionsstudie vergleichen sie das sogenannte attribute-matching-training (Zuordnen von gemeinsamen Eigenschaften zwischen Quellen- und Zieldomäne mit anschließender Reflexion) mit dem Gestalt-Training (Förderung der ganzheitlichen Wahrnehmung). Die Ergebnisse zeigen, dass das attribute-matching-training zu einer signifikant besseren Rezeption und Produktion von metaphorischen Ausdrücken als das Gestalt-Training führt. Die Autorinnen und Autoren erklären diesen Unterschied dadurch, dass das attribute-matching-Prinzip die Schritte bei der Metaphernverarbeitung 68 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata auf eine besser handhabbare Weise transparent macht. Dadurch fällt deren Anwendung auf andere Fälle leichter und es können damit mentale Prozesse gefördert werden, die als Grundlage für die Verarbeitung von metaphorischen Ausdrücken dienen, wie zum Beispiel das assoziative und bildliche Denken sowie die Analogiebildung (vergleiche Littlemore & Low 2006b). 2.1.7 Zusammenfassung ▶ Körperliche Erfahrungen und mentale Bilder werden zwar in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich verwendet, allen Sprachen ist jedoch der Prozess der Metaphorisierung gemeinsam, nach dem ein bestimmter konzeptueller Inhalt von einer Quellendomäne auf eine Zieldomäne übertragen wird. ▶ Metaphern sind also dynamisch und produktiv und können sich in allerlei Kontexten als ein wichtiges Mittel zum Ausdruck komplexer abstrakter Sachverhalte erweisen. ▶ Im Fremdsprachenerwerb werden sie bereits auf den niedrigsten Niveaustufen verwendet, allerdings aus qualitativer und quantitativer Sicht anders als auf höheren Niveaustufen. ▶ Bei der Metaphernverarbeitung wirken viele Faktoren zusammen. Der Konventionalitätsgrad und die Salienz der Wortbedeutungen sind oft für die Art der Verarbeitung entscheidend. 2.1.8 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie lassen sich Metaphern definieren und welche Arten gibt es? 2. Welche sind die wichtigsten Beschränkungen der konzeptuellen Metapherntheorie? 3. Wie würden Sie den Begriff Bildschema definieren und welche Beispiele würden Sie für ihre Verwendung in der Sprache geben? 4. Welche Faktoren spielen bei der Metaphernverarbeitung eine Rolle? 5. Warum ist die metaphorische Kompetenz im Fremdsprachenerwerb so wichtig? 69 2.2 Raum und Zeit 2.2 Raum und Zeit In dieser Lerneinheit beschäftigen wir uns mit Aspekten von Raum- und Zeitkonzepten und ihrem sprachlichen Ausdruck. Mit Hilfe von Raum- und Zeitkonzepten strukturieren und organisieren wir die Wahrnehmung von Ereignissen, die unser Leben bestimmen. Dabei zeigt sich, dass zeitliche Konzepte oft auf räumlichen Metaphern aufbauen. Zeit- und Raummarkierungen sind so fundamental für das Leben, dass viele Sprachen obligatorische Markierungen von Raum (Räumlichkeit) und / oder Zeit (Temporalität) vorsehen. Dies drückt sich zum Beispiel in obligatorischen Raum- oder Richtungsangaben und im Tempus (also den Zeitmarkierungen in Sätzen) aus. Zeit- und Raumangaben sind dabei so eng miteinander verbunden, dass sie sich gegenseitig implizieren. Temporalitätskonzepte sind in der Regel in Sprachen so fixiert (entrenched) und konventionalisiert, dass sie grammatikalisiert sind und diese obligatorischen Markierungen nicht immer konzeptuell transparent bleiben. Der Bezug zu den historischen Wurzeln ihrer Entstehung geht verloren. Diese sprachlichen Markierungen schreiben den Nutzern vor, wie sie die Welt zu konzeptualisieren haben, und sie verlangen von Lernern ein »Umdenken«, wenn sie diese Konzeptualisierungswege bisher nicht kennen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die strukturellen Formen ein kleineres Problem sind als die eingefahrenen Konzepte. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ verstehen, wie Raum- und Zeitkonzepte miteinander in Beziehung stehen und wie sie in verschiedenen Sprachen kulturspezifisch realisiert werden; ▶ Argumente für eine semantische, funktionale und pragmatische Darstellung von Grammatik neben einer formalen Darstellung kennen; ▶ grammatische Zeitausdrücke, insbesondere Tempus vor dem Hintergrund kulturspezifischer, konkreter Raumerfahrungen temporalsemantisch, funktional und pragmatisch erklären können. 2.2.1 Beziehungen von Raum und Zeit Raum und Zeit sind Grundgrößen jeder Kommunikation. Wenn wir sprechen oder schreiben, auch wenn wir sprachlich denken (innere Sprache), tun wir das in einer bestimmten Situation, die einen Raum sowie einen Anfang und ein Ende hat. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sich um eine reale oder virtuelle, um eine geschlossene oder offene Situation und den entsprechenden Raum handelt. Raum und Zeit sind immer da. Und sie sind von jedem Sprecher und Lerner ständig erfahrbar. Es ist interessant, dass wir auch in neuen virtuellen Räumen in Outer Space (Weltall) und Cyberspace auf Raum- und Zeitkonzepte zurückgreifen, die wir aus unserer irdisch-konkreten Erfahrung kennen und für die uns unsere Sprachen irdisch-konkrete Mittel zur Verfügung stellen (Raumschiff, Station, Chat 70 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Room, Forum, Archiv, Bibliotheken, hoch- und herunterladen / up-/ downloading, Speicher, Webseite- …). Raum und Zeit lassen sich jedoch unterschiedlich gestalten und perspektivieren. Man kann den Raum etwa als Größe ansetzen (im Auto, in der U-Bahn, unter freiem Himmel, in der Straße), die man nach vertikalen, horizontalen oder lateralen (in den Raum führenden) Aspekten organisiert, sie als veränderlichen Container konzeptualisieren (einen Ballon aufblasen, vor Wut platzen), in Bezug auf seine Begrenzung markieren (im Zimmer / in das Zimmer), seine Richtung, seinen Zugang oder Ausgang thematisieren (zur Post / nach Hause, hinein---heraus) oder auch deiktisch einteilen (hier--da---dort) und vieles mehr. Es gibt linguakulturelle (sprachentypische) Präferenzen dafür, aber ein Sprecher hat innerhalb der gebotenen Möglichkeiten weitere Differenzierungsoptionen. Grammatiken erklären oft nur den formalisierten und fossilisierten Stand einer Sprache, aber nicht den konzeptuellen Gehalt ihrer Mittel und deren Entwicklung. Dabei ergeben sich daraus viele prinzipielle Gemeinsamkeiten von unterschiedlich erscheinenden Sprachen, die sich in der Sprach- und Kulturvermittlung wunderbar nutzen ließen. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie ähnlich sich Sprachen oft sind und welche Gemeinsamkeiten Zeit- und Raumkonzepte dabei in konzeptueller Hinsicht aufweisen. Anschließend wird gezeigt, woher diese Gemeinsamkeiten kommen können und wie Lerner im ungesteuerten Spracherwerb die Aufgaben des Erwerbs von Räumlichkeits- und Temporalitätskonzepten angehen. Gemeinsamkeiten von Räumlichkeit und Temporalität Räumlichkeit und Temporalität lassen sich in ihrer Dimensionalität (ein-, zwei-, dreidimensional), ihrer Orientierung nach Horizontalität oder Vertikalität und ihrer Form (linear, zyklisch) fassen. Zum Beispiel: vor einem Monat (vorigen Monat)/ vor einer Tür-…, nach dem Unterricht / nach (hinter) dem Ortsschild, neben (nebenbei), und zwar nicht nur im Deutschen. Im Samoanischen entspricht vorgestern zum Beispiel der Bezeichnung der Tag hinter gestern (talaatu ana-nafi) und übermorgen der Bezeichnung der Tag hinter morgen (talaatu taeao) (Mosel nach Radden 2011: 28). Es verwundert daher kaum, dass räumliche Bewegungen und Grenzüberschreitungen ihre Parallelen in der Temporalität haben (passing time, der kommende Feiertag, die Zeit überschreiten). Eine Ortsangabe impliziert, dass sie zu einer bestimmten Zeit passierte, eine Zeitangabe impliziert, dass sie an einem bestimmten Ort stattfand (um 3 Uhr, in der Schule). Welche Aspekte oder Perspektiven von Räumlichkeit und Temporalität eine Sprache jedoch wählt, ist ihren Sprechern überlassen. Diese sprachlichen Perspektivierungen sind Ergebnisse konzeptueller Profilierungen (construal). Im Deutschen und Englischen stellt man sich zum Beispiel bestimmte Raumereignisse als Behälter vor (im Regen, in the rain), während in romanischen Sprachen eine Fläche die konzeptuelle Grundlage bildet (bajo la lluvia, sous la pluie). Im Englischen spielt die Verlaufsform (going to, eating) eine wichtige Rolle, im Deutschen dagegen der Aspekt der Abgeschlossenheit oder Nicht-Abgeschlossenheit verschiedener Ereignisse in der Vergangenheit (Unterschied von Präteritum und Perfekt), im Französischen werden sich wiederholende Ereignisse (Iterativität) mit dem imparfait markiert. In vielen Kulturen wird Zeit als linearer (räumlicher) Vorgang verstanden, mit einem präsentischen Zentrum, von dem aus der Be- 71 2.2 Raum und Zeit trachter in seinem Bezugssystem (Origo) nach vorne und nach hinten in die Zeit schaut. Die Reihung der Zeitabschnitte ergibt sich dabei entweder aus der äußersten Vergangenheit zur äußersten Zukunft oder auch »gegenläufig« durch die Änderung der Blickrichtung des Sprechers in die Zukunft oder in die Vergangenheit. Die Blickrichtung des Sprechers ist damit eine lokalisierbare (er blickt nach vorne oder nach hinten, zum Beispiel facing hard times). Man spricht hier auch von ego-aligned (nacheinander gereihten) und ego-opposed (gegenläufigen) Perspektiven. In Hausa und anderen westafrikanischen Sprachen findet sich eine ähnliche Perspektivierung im Ausdruck der Temporalität. Hier ist aber die Entfernung vom Betrachter das unterscheidende Kriterium. Ein früherer Wochentag kann so zum Beispiel als vor einem später liegenden (ego opposed)-- und nicht in Beziehung zur Sprechzeit-- markiert werden (Radden 2011: 19). Radden (2011: 6f) weist darauf hin, dass temporale Ereignisse auch vertikal organisiert sein können. In asiatischen Sprachen geschieht das gelegentlich, aber auch im Englischen und anderen indoeuropäischen Sprachen gibt es durchaus Parallelen: Christmas is coming up, on top of things to do. In Mandarin heißt es shang-ban-nian (oberes halbes Jahr, das erste Halbjahr) oder xia-ban-nian (niedrigeres halbes Jahr, das zweite Halbjahr), im Koreanischen spricht man von sang-bangi (obere Halbperiode) und von ha-bangi (niedrige Halbperiode), im Japanischen von kami-han-ki (hoch halb Periode) und shimo-han-ki (niedrig halb Periode). Monatsanfang heißt in Mandarin yue-tou, (Monat Kopf / Spitze), Monatsende yue-di (Monat Boden). Das Koreanische lokalisiert das erste, zweite und dritte Drittel eines Monats nach sang-sun, jung-su und ha-sun, also obere, mittlere und untere 10 Tage (Beispiele nach Radden 2011: 6). Zudem gibt es in manchen Sprachen wie dem Chinesischen metaphorische Varianten der Markierungen, zum Beispiel durch die Bezeichnung von Kopf für frühere Ereignisse. Während in ostasiatischen Sprachen oben immer mit Vorzeitigkeit assoziiert ist und Nachzeitigkeit mit unten, ist das Englische in dieser Hinsicht nicht eindeutig festgelegt: »down to this day, down into the future, down the road, Rudolph the red-nosed reindeer, you’ll go down in history« (bekanntes amerikanisches Weihnachtslied). Diese Systematik ist nicht immer durchgängig lexikalisiert. Zyklische Zeitkonzepte, die auf einem räumlichen Konzept basieren, sind in vielen Sprachen statt linearer verbreitet. Die südamerikanische Sprache Toba verwendet zum Beispiel ein zyklisches Konzept von Zeit: Was außerhalb eines Blickfeldes ist, verschwindet (geht unter) in der unmittelbaren Vergangenheit (rechts vom Sprecher) oder taucht in der nahen Zukunft (links von ihm) auf (Radden 2011: 12). Es ist berichtet worden, dass Sprecher von Toba, aber auch von anderen Sprachen, links über die Schulter schauen, wenn sie auf die Zukunft verweisen (left shoulder phenomenon). Zyklische Raumkonzepte liegen auch den Vorstellungen von Jahres- und Saisonzyklen, Wochen- und Monatszyklen und sich wiederholenden, auf Uhren und in manchen Kalendern kreisrund dargestellten Stundenabläufen zugrunde. Verbunden mit der linearen Vorstellung von Zeitabläufen, die einmalig und unwiederbringlich sind, ergibt sich daraus ein spiralförmiges Konzept von Temporalität mit offenem Beginn und unbestimmtem Ende. 72 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Die Räumlichkeit von Zeitmodellen Woher kommen die Temporalitätskonzepte? Darüber lassen sich derzeit keine abschließenden Aussagen machen, aber es ist auffällig, dass die Konzepte mit einer Reihe von grundlegenden Räumlichkeitserfahrungen korrespondieren. In Bezug auf die in asiatischen Sprachen so weit verbreitete vertikale Konzeption der Zeit, kann vermutet werden, dass sich diese an der Schreibrichtung von oben nach unten in diesen Sprachen orientiert. Alternativ kann vermutet werden, dass das Flussmodell fließender Zeit durch die kulturelle Bedeutung des Jangtse Flusses in China gestärkt wurde. Da sich vertikale Konzepte aber auch in anderen Sprachen finden, kann angenommen werden, dass die menschliche Erfahrung von sich abwärts bewegenden Hängen hierbei einen Einfluss gehabt haben könnte (Evans 2004: 235f) oder auch die grundlegende Erfahrung von Krabbel- und Kriechbewegungen, bei der der Kopf in der Regel die Vorderseite markiert und damit anderen, sich nach vorne bewegenden Objekten wie Autos, Schiffen oder Flugzeugen ähnelt (Yu 1998: 111). 2.2.2 Dimension der Temporalität Neben der kulturspezifischen, metaphorischen Konzeptualisierung drücken Tempusangaben implizit oder explizit unterschiedliche Aspekte der zeitlichen Referenz aus: neben inhärenten, semantischen Merkmalen wie zum Beispiel Perfektivität, Iterativität oder Inchoativität, auch funktionale Aspekte wie eine Unterscheidung zwischen Erzähltempora (Präteritum im Deutschen, weil es Abgeschlossenheit in der Vergangenheit ausdrückt) und Berichtzeit (Perfekt im Deutschen, weil das Ende offen ist). Diese können in Tempora wie dem Perfekt / Präteritum, imparfait, present perfect oder auch lexikalisch wie in Präfixen im Deutschen ausgedrückt werden (auf-, ver-, abblühen als Aktionsart). Die Tempora drücken unterschiedliche Referenzen auf die Ereignis-, die Referenz- und die Sprechzeit aus. Eine Äußerung wie Che ist mit dem Motorrad durch Südamerika gefahren markiert nicht nur eine bestimmte, hier nicht näher benannte, aber bekannte Referenzzeit in der Vergangenheit (1952) und deren potenzielle Unbegrenztheit, sondern auch einen Sprechzeitpunkt außerhalb der Ereigniszeit (zum Beispiel gerade eben). Zudem markiert eine Äußerung, der Professor hat gesagt, Che ist-… gefahren eine weitere Referenzzeit zum Ereignis. Diese Referenzaspekte gilt es im Sprachunterricht und Spracherwerb insofern zu berücksichtigen, als auch bei ihrer Realisierung kulturspezifische Präferenzen wirken können oder müssen. Im Fremdsprachenunterricht werden Fragen des Ausdrucks von Zeit in der Regel auf lexikalische und formale Aspekte reduziert. Selten geht es um Funktionen der Temporalität. Es wird also vor allem das unmittelbar erforderliche Inventar für den Ausdruck zeitlicher Verhältnisse genannt: gestern, heute, morgen, vor einer Woche, in einer Stunde, immer, der Tag, der Monat, das Jahr, 13 Uhr, 1984, eine Ewigkeit. Und es werden die-- meist obligatorischen-- grammatischen Markierungen des Tempus eingeführt, in der kommunikativen Didaktik das Perfekt vor dem Präteritum, weil es in der Umgangssprache häufiger ist, aber ansonsten am besten rein topologisch, also die kurzen Tempusformen vor den zusammengesetzten. Ob das Präsens überhaupt ein Tempus ist, ob die Partizipien nicht eher Adjektive sind und wie 73 2.2 Raum und Zeit Tempus und Aspekt zusammenhängen, interessiert dabei nicht, ist vielleicht für Lerner auch nicht unbedingt wichtig. Die Konsequenzen dieser linguistischen Diskussion könnten jedoch vermittlungsrelevant sein, aber das fällt meist unter den Tisch, weil diese zu einer Komplexität führen könnten, deren Bewältigung Lernern trotz des Lebensbezuges nicht zugetraut wird. Dabei wären aber doch folgende Fragen durchaus für die Vermittlung von Sprachen hoch relevant: Wann lässt sich Temporalität rein lexikalisch markieren? Wieso wird sie oft implizit ausgedrückt und unter welchen Bedingungen? Wieso kann man im Deutschen etwa mit dem Präsens fast alle Tempora ausdrücken? Worin besteht der Unterschied zwischen Präteritum und Perfekt? Welche textkonstituierenden Funktionen haben Tempora eigentlich? Wieso sagt man im Westdeutschen bin angefangen und nicht habe, wieso kann ein Rennfahrer gefahren haben und gefahren sein? Dazu gibt es recht viel und umfangreiche, oft auch kontroverse Literatur. Vater (2007) gibt unter Rückgriff auf einschlägige Forschungsliteratur eine konzise Darstellung der wichtigsten Orientierungslinien, mit denen die Komplexität des temporalen Systems von Sprachen, vor allem des Deutschen, übersichtlich erklärt werden kann. Auf seine Darstellung nimmt der folgende Abschnitt Bezug. Ereignis-, Referenz- und Sprechzeiten Unter dem Begriff Temporalität lassen sich alle Funktionen und Mittel fassen, die zeitliche Dimensionen in der Sprache ausdrücken, also Aspekte der innersprachlichen Temporalsemantik und der Referenz auf die außersprachliche Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit besteht in Zeitpunkten, Zeiträumen und Zeitspannen, Vorgängen und Vorgangsweisen (zum Beispiel in Beginn, Dauer, Ende, Wiederholbarkeit, Gleichzeitigkeit, Vor- oder Nachzeitigkeit) und anderem, die wir als rekurrente Muster erkennen (vergleiche Oakley 2007). Temporale Beziehungen können lexikalisch explizit, etwa durch Adverbiale ausgedrückt werden, durch grammatische Mittel wie Tempus und Aspekt erscheinen oder implizit gegeben sein, etwa durch lokale Angaben oder situative Voraussetzungen wie etwa in der Warnung »Achtung«, die weder eine adverbiale noch eine grammatische Zeitmarkierung enthält. Die durch das Tempus ausgedrückte Temporalität lässt sich nach dem einflussreichen Schema von Reichenbach (1947) nach drei Kriterien bestimmen: 1. Sprechzeit (S, point of speech); 2. Ereigniszeit (E, point of event); 3. Referenzzeit (R, point of reference). Die Sprechzeit (S), bei Klein (1994) time of utterance ( TU ), bezeichnet die Referenz auf den Zeitpunkt oder Zeitraum, in dem die Äußerung produziert wird. Von dort aus kann ein Ereignis (E) zuvor, gleichzeitig oder später stattfinden. Es war schön im Urlaub bedeutet also, dass E vor S erfolgt ist. Wann genau, kann ein Sprecher zudem lexikalisch markieren (etwa durch letztes Jahr). Der Urlaub war so teuer, dass ich mir lange Zeit keinen mehr leisten werde situiert die traurigen Aussichten in der Zukunft. S erfolgt vor E. Bei Isch bin glücklisch fallen beide zusammen, ob im Dialekt, in der Talkshow oder irgendwo anders. Mit dem Plusquamperfekt und ähnlichen Tempora in anderen Sprachen lässt sich eine Vor-Vorzeitigkeit zu einem 74 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Ereignis vor der Sprechzeit ausdrücken. Bis vorletztes Jahr hatte sie noch nie Urlaub gemacht. Referenzzeit (R) = vorletztes Jahr, E-= davor, S-= jetzt. Eine wichtige Differenzierung ergibt sich aus Kleins Konzepten der Situationszeit ( TS it), in der das Ereignis stattfindet, auf das sich ein Sprecher in der Topik-Zeit ( TT ) bezieht. Der ermittelnde argentinische Staatsanwalt wurde in der Badewanne gefunden. Er war tot. bezieht sich auf TT (das Finden) und TS it (das Totsein), das zur Sprechzeit noch andauert. Das Tempus markiert also nach Klein (1994) die Referenz zwischen TU und TT . Die Relation zwischen TT und TS it wird demzufolge, wo Sprachen das erlauben oder für nötig halten, durch Aspektmarkierungen ausgedrückt. Das Präsens im Deutschen markiert sowohl die Inklusion von TU (S) und TT (wie oben E, Gegenwart) als auch die Nachzeitigkeit von TT nach TU (Zukunft). Kontextuelle Relation und intrinsische Relation Ehrich und Vater (1989) zeigen, dass es im Sinne der einflussreichen Kategorisierung von Reichenbach (1947) sinnvoll ist, in den Relationen von E, S und R zwischen intrinsischer und kontextueller Referenz zu unterscheiden. Die intrinsische betrifft das Verhältnis von E und R, die kontextuelle das Verhältnis von R und S. In Bezug auf die intrinsische Referenz stimmen Präsens und Präteritum im Deutschen somit überein: E und R sind simultan. In Bezug auf die kontextuelle Referenz von R und S stimmen dagegen Präsens und Perfekt überein: R ist simultan mit der Sprechzeit. Das heißt, das Perfekt kann im Deutschen die Sprechzeit mitumfassen und ist, anders als das Präteritum, nicht von dieser ausgeschlossen. Genau aus diesem Grund wird das Präteritum in der Rechtssprache bevorzugt: es bezeichnet abgeschlossene und nicht potenziell in der Gegenwart (Sprechzeit) oder Zukunft noch veränderbare Ereignisse. kontextuelle Relation S, R R < S intrinsische Relation E, R Präsens Präteritum E < R Perfekt Plusquamperfekt Abbildung 2.6: Intrinsische und kontextuelle Bedeutung deutscher Tempora (Vater 1997: 28) Aus den beiden genannten Dimensionen ergibt sich zudem eine dritte Relation zwischen E und S: Perfekt und Präteritum unterscheiden sich in der intrinsischen und der kontextuellen Bedeutung, wie in der Tabelle oben dargestellt, markieren aber die gleiche deiktische Relation, nämlich E liegt vor S. Im Plusquamperfekt ergibt sich folgerichtig eine intrinsische Relation von E vor R und die kontextuelle Relation R vor S (Ehrich & Vater 1989: 119) beziehungsweise nach Klein (1994: 131) für das Englische » TU after TT and TT after TS it«. Perfekt Präteritum E < R Intrinsische Bedeutung E, R S, R Kontextuelle Bedeutung R < S E < S Deiktische Interpretation E < S Abbildung 2.7: Deiktische Deutung von Perfekt und Präteritum (Vater 1997: 28) 75 2.2 Raum und Zeit Funktionale Aspekte der Temporalität Tempora können darüber hinaus auch kognitiv relevante, textuelle Funktionen übernehmen, indem sie Hinweise auf die Lokalisierung und Verarbeitung von Vorwissen beziehungsweise auf einen bestehenden Ausgleichsbedarf zwischen Sprecher und Hörer geben. Die Kontinuität der, im Deutschen und Englischen meist obligatorischen, Tempusmarkierung etwa produziert zwar Redundanz, markiert damit jedoch auch die weitere Gültigkeit des zuvor etablierten Temporalitätsrahmens. Fremdsprachenlerner umgehen diese Obligatorik gerne durch Rückgriff auf das Prinzip der anhaltenden Markierung, demgemäß eine sprachliche Markierung solange gilt, bis sie explizit aufgehoben ist. Keine Markierung ist also auch eine Markierung. Mit dem Tempus lässt sich Weinrich zufolge zudem zwischen erzählter und berichteter Welt unterscheiden (Weinrich 2005). Das Signal Es war einmal- … als Einleitungsformel markiert eine bestimmte Textsorte, nämlich das Märchen, während die gleichen Ereignisse im Perfekt ausgedrückt, eher einem Protokoll oder Bericht zugestanden werden müssten. Das wichtigste Erzähltempus ist daher im Deutschen das Präteritum. Allerdings nicht zwingend, denn auch im Präsens und Perfekt lassen sich unter bestimmten Umständen Ereignisse erzählen. Darüber hinaus gibt es noch regionale Präferenzen, die sich bekanntlich unter anderem im Präteritumschwund im deutschen Sprachgebiet ausdrücken. Das bedeutet, dass lokal bedingt die oben genannten Referenzdimensionen nicht immer realisiert werden. So spielt in süddeutschen Varietäten die Unterscheidung der kontextuellen Relationen zwischen Präteritum und Perfekt offenbar keine so wichtige Rolle wie in nord- und westdeutschen Varietäten. Es ist ein interessantes Phänomen, dass mit dem Wegfall dieser Differenzierungen oder Differenzierungsmöglichkeiten eine Notwendigkeit für Ersatzformen geschaffen werden kann. Diese liegen etwa in den hessischen und unterfränkischen Varietäten des doppelten Perfekts und des doppelten Plusquamperfekts vor: Mir habbe Hunger g’kabt g’kabt (Wir haben Hunger gehabt gehabt) oder Beim Unnerwasserkriesch sinn mir 14 daach unner Wasser marschiert und ham als noch staubische fieß g’happt g’katte (Beim Unterwasserkrieg sind wir 14 Tage unter Wasser marschiert und haben immer noch staubige Füße gehabt gehabt). Es ist erstaunlich, wie viel Information in wenigen und kleinen Morphemen stecken kann, wie diese sich sogar überlagern oder auch außer Kraft setzen kann. Beachtenswert ist auch, wie viel Information und Korrektiv der Kontext bereithalten kann, um die verbleibenden Unklarheiten zu disambiguieren. Nicht jeder Lerner wird das ganze mögliche Inventar auch nutzen müssen, aber Temporalitätskonzepte unterscheiden sich zwischen den Sprachen und sind damit potentiellermaßen anfällig für konzeptuelle Transfers und Fehler. 2.2.3 Räumlichkeit und Temporalität in Lernergrammatiken Sehen wir uns nun ein paar Grammatiken an, die sich mit Temporalität und Räumlichkeit beschäftigen. 76 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Abbildung 2.8: Auszug aus Hammer’s German Grammar zu Zeitausdrücken (Durrell & Hammer 2011: 204) Abbildung 2.9: Auszug aus Hammer’s German Grammar zu Zeitausdrücken (Durrell & Hammer 2011: 71) Die Hammer’s German Grammar versucht eigentlich, Sprache in aktuellen, auch umgangssprachlichen Gebrauchskontexten darzustellen. Sie wendet sich dabei an Sprecher des Englischen und geht daher oft explizit oder implizit kontrastiv vor. In diesem Ausschnitt behandelt sie die Verwendung von Zeitausdrücken aus einer implizit anglophonen Perspektive. Die Frage, ob ein Artikel verwendet wird oder nicht, könnte ansonsten auch relativ nachgeordnet sein. Für Lerner mit der L1 Englisch stellt sie aber ein großes Erwerbsproblem dar. Bei der Darstellung der Tempora nimmt die Grammatik-- wie oft-- direkten Bezug zum Englischen, in der Annahme, dass diese Kenntnis ein Erwerbsvorteil für Sprecher des Englischen sein könnte. Die spezifischen Unterschiede der Sprachsysteme werden ebenfalls in der Hoffnung herausgestellt, damit Transferfehler zu vermeiden. Insofern ist diese Grammatik eine 77 2.2 Raum und Zeit Mischform unterschiedlicher Ansätze: kontrastiv, gebrauchsorientiert, mit authentischem Sprachmaterial arbeitend und auf die Bedürfnisse der Lerner ausgerichtet. Sie ist damit aber gleichzeitig auch eine Grammatik, die sich sehr an den strukturellen Formen der Sprache ausrichtet und die funktionalen Aspekte in den Hintergrund stellt. Auf kognitionslinguistische Prinzipien geht die Grammatik verständlicherweise nicht ein. Abbildung 2.10: Darstellung des Tempussystems in Hammer’s German Grammar (Durrell & Hammer 2011: 183) 78 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Plusquamperfekt Perfekt Präteritum Präsens Futur Futur II Abbildung 2.11: Darstellung des Tempussystems in Grammatik mit Sinn und Verstand (Rug & Tomaszewski 2013: 26) Abbildung 2.12: Auszug aus Minigrammatik Deutsch als Fremdsprache (Roche & Webber 2009: 20) 79 2.2 Raum und Zeit Die beiden Grammatiken verstehen sich als Lernergrammatiken, sind also explizit an den vermeintlichen Progressionen der Lerner ausgerichtet. Diese sind jedoch nicht empirisch ermittelt worden, sondern beziehen sich auf Vereinfachungsstrategien und Plausibilitäten, die sich aus der Lehrerfahrung der Autoren ergeben. In gewisser Weise werden damit spätere Erkenntnisse der kognitiven Linguistik vorweggenommen. Beiden Grammatiken ist gemeinsam, dass sie die Komplexität des Tempussystems, d. h. des Formeninventars, dadurch reduzieren und transparent machen wollen, dass sie zu den kommunikativen Grundlagen des Systems, nämlich dem Ausdruck der Temporalität, zurückkehren. Dabei stellt sich heraus, dass Temporalität unterschiedlich ausgedrückt werden kann: mit gleichen Formen (z. B. Präsens), durch Adverbiale (lexikalisch) oder durch den Kontext. Die Funktionen stehen also im Vordergrund. Gleichzeitig werden aber auch Wege aufgezeigt, wie die Grammatik im Tempussystem differenziert werden kann. Im Bereich der Wechselpräpositionen zeigt die Minigrammatik, dass sie Ansätzen der kognitiven Linguistik verwandt ist, da sie zumindest in diesem Bereich auf Bildschemata zurückgreift, wie sie parallel in der kognitiven Linguistik beschrieben wurden. Abbildung 2.13: Auszug aus der Textgrammatik von Weinrich (Weinrich 2005: 184) Dieser kurze Auszug aus der Textgrammatik illustriert einige Besonderheiten textlinguistischer Ansätze. Zum einen findet Sprache nicht in Silben, Funktionswörtern (wie Artikeln), Wörtern oder Sätzen, sondern immer in Texten statt. Auch wenn diese kurz sind. Hierzu gehört, dass es in der Sprache keine namenlosen Sätze gibt, sondern Sprecher bestimmte Rollen übernehmen: hier deutlich gemacht durch die Sprecherrolle, die Adressatenrolle und die Referenzrolle. In der Tabelle werden dazu die wichtigsten formellen Merkmale zugeordnet. Interessant ist ferner, dass sich diese Textgrammatik im pragmalinguistischen Sinne folgerichtig als Signalgrammatik versteht. Sprecher und Adressat geben sich über sprachliche Symbole Signale zum Austausch ihrer unterschiedlichen Wissensbestände. So wird das Partizip Perfekt zu einer Anweisung an den Adressaten, nach bekannter Information im Vorwissen 80 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata zu suchen (Rück-Partizip). Wann immer dieses Partizip auftaucht, verweist es also auf vorbekannte oder vorgenannte Information. Auch dieser textlinguistische Ansatz ist in vielerlei Hinsicht ein Vorläufer der kognitiven Grammatik und mit ihr im Unterricht kompatibel. Auch hier stehen die Transparenz, die Funktionalität und die Einfachheit / Plausibilität und Erfahrbarkeit im Vordergrund. Experiment Sie sind nun Versuchsleiter und wollen unterschiedliche Lernkonzepte der Zeit- und Raumdarstellung an Ihren Lernern erproben. Formansätze kennen Sie vermutlich schon. Probieren Sie also mal funktionale und textlinguistische Verfahren. Wie gehen Sie vor, was stellen Sie fest? 2.2.4 Zusammenfassung Anhand der Ausführungen in dieser Einheit können Sie Folgendes erkennen: ▶ Den sprachlichen Formen unterliegen tatsächlich klare Konzepte elementarer Raum- und Zeitdomänen. ▶ In den Zeitkonzepten finden sich die meisten Raumkonzepte wieder. ▶ Die Konzepte basieren auf sprachenübergreifenden Bildschemata (oben - unten, früh - spät, Dauer …), weisen aber sprachtypische Profilierungen und Perspektivierungen auf, etwa die Nicht- Abgeschlossenheit, Wiederholbarkeit und andere. ▶ Aus Erwerbsstudien ergeben sich bestimmte natürliche Reihenfolgepräferenzen unabhängig von den Ausgangssprachen der Lerner. ▶ Eine große Rolle im Erwerb spielt die Salienz und Relevanz der Strukturen in der Zielsprache. ▶ Formale Aspekte der Beschreibung grammatischer Strukturen halten im Wesentlichen nur die Merkmale der Oberfläche fest, zum Beispiel ob in Adverbialen Artikel oder Präpositionen erscheinen und wie sich starke und schwache Verben verhalten können. Für das Lernen einer fremden Sprache steht der Nutzen solcher Beschreibungen nicht wirklich fest. ▶ Eine kontrastive Betrachtung metaphorischer Konzepte von Raum und Zeit hilft, Transparenz zu schaffen und Nachhaltigkeit zu sichern. Form-Funktionsaspekte lassen sich durch Darstellungen der Funktionen und - in den Anfangsphasen - auch durch Chunkingverfahren vermitteln (siehe Kapitel 3). 2.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Warum sind Raum und Zeit essentielle oder gar existentielle Kategorien unserer Wahrnehmung? 2. Welche Rolle spielt die individuelle Perspektive eines Sprechers? 81 2.3 Kognitive Grammatik 3. Wie wirken sich linguakulturelle Weltsichten in Bezug auf die Raum- und Zeitwahrnehmung und ihre sprachliche Realisierung aus? 4. Erläutern Sie die Grundkategorien des Temporalitätsmodells von Reichenbach. 5. Wie spezifiziert Kleins Modell das Grundmodell nach Reichenbach? 6. Was ist unter der deiktischen Dimension zu verstehen? 2.3 Kognitive Grammatik Wie ist Grammatik in unseren Köpfen eigentlich repräsentiert? Nutzen wir bildhafte Vorstellungen zur mentalen Repräsentation von Grammatik? Welche Rolle kann die Bildhaftigkeit im Zweitbeziehungsweise Fremdsprachenunterricht spielen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Lerneinheit. Zur Beantwortung dieser Fragen sollen zunächst Grammatiktheorien und Ansätze aus der kognitiven Linguistik vorgestellt werden, die die Grammatik anhand verschiedener bildhafter Vorstellungssysteme des Menschen beschreiben. Im Mittelpunkt der Ausführungen in dieser Lerneinheit stehen einerseits die kognitive Grammatik von Langacker (2008a) und andererseits die kognitive Semantik von Talmy (2000). Beide Ansätze nutzen Prinzipien allgemeiner menschlicher Wahrnehmung und Kognition wie bildliches Denken und Metaphorisierung, um die konzeptuelle Motiviertheit von Sprache und Grammatik zu erklären. Im ersten Teil der Einheit soll gezeigt werden, inwiefern bildhafte Vorstellungen bei Konzeptualisierungsprozessen eine Rolle spielen und wie sie sich in der sprachlichen Realisierung niederschlagen. Im zweiten Teil dieser Einheit werden ausgewählte Grammatikthemen anhand von bildhaften Darstellungen exemplarisch analysiert. Das Kapitel schließt mit einem Ausblick auf das Potenzial dieser Ansätze für die Fremdsprachenvermittlung. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die wichtigsten Prinzipien der Konzeptualisierung anhand konkreter Beispiele erklären können; ▶ verschiedene Grammatikphänomene anhand bildhafter Elemente analysieren können; ▶ das Potenzial bildhafter Erklärungsansätze zur Veranschaulichung der Grammatik begründen können; ▶ die Erkenntnisse in der eigenen Vermittlung von Grammatik umsetzen können. 82 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata 2.3.1 Grammatik und Konzeptualisierung Oft werden bildliche Darstellungen zur Veranschaulichung komplexer Zusammenhänge der Grammatik verwendet. Die bisherigen Studien haben jedoch gezeigt, dass die Nutzung solcher visuellen Mittel nur dann effektiv ist, wenn die bildlichen Darstellungen lernrelevante Aspekte transparent machen und daher auch kognitiv verankert werden (vergleiche Scheller 2009; Roche & Scheller 2008). Vor dem Einsatz solcher visuellen Mittel sollte man sich im Klaren darüber sein, welche Konzepte hinter der Grammatik stehen und wie sie anhand von bildlichen Darstellungen den Lernern nähergebracht werden können. Zu diesem Zweck erweist sich die kognitive Grammatik von Langacker (2008a) als äußerst produktiv, da sie die konzeptuelle Motiviertheit von grammatischen Konstruktionen bildhaft beschreibt. Auf welchen Hintergründen diese Idee beruht, schauen wir uns im Folgenden an. Die kognitive Grammatik von Langacker (2008a) teilt einige Grundprinzipien und Postulate mit den Ansätzen der Konstruktionsgrammatik und der allgemeinen kognitiven Linguistik (vergleiche Goldberg 1995; Croft 2001), nämlich das symbolische Prinzip, das Prinzip der Konzeptualisierung und das Prinzip der Schematisierung. Diese Prinzipien wurden zwar bereits in der Lerneinheit 1.1 einführend behandelt, in der vorliegenden Einheit befassen wir uns jedoch intensiv mit dem Aspekt der Konzeptualisierung. Die zwei Beispielsätze der Tisch unter der Lampe und die Lampe über dem Tisch zeigen, wie wir dieselbe Situation durch Sprache konstruieren. Das heißt, durch die Sprache nehmen wir stets eine bestimmte Perspektive ein, die nur partiell durch die Eigenschaften der objektiven Welt bestimmt ist und damit nur eine Interpretationsmöglichkeit darstellt (vergleiche auch Evans & Green 2006: 571). Diese Fähigkeit, Erfahrungen auf eine bestimmte Weise mental zu konstruieren, ist in der Literatur als Konzeptualisierung bekannt (Evans & Green 2006; Langacker 2008a). Begriffe wie construal (Langacker 2008b) und imaging system (Talmy 2000; vergleiche auch Clausner & Croft 1999) werden synonymisch zu Konzeptualisierung verwendet. Zum Zweck der Konzeptualisierung werden unter anderem Entscheidungen in Bezug auf die Spezifizität, Fokussierung, Salienz und Perspektivierung der auszudrückenden Erfahrungen getroffen (vergleiche Langacker 2008b), die sich dann an der sprachlichen Oberfläche in unterschiedlichen lexikalischen beziehungsweise grammatischen Realisierungen niederschlagen. All diese Konzeptualisierungsprinzipien sind zwar für eine erfolgreiche Kommunikation entscheidend, bleiben jedoch den Sprechern in der Regel verborgen, da sie in der Regel auf den Inhalt fokussiert sind. Diesen Umstand erläutert Langacker (2000: 46) am Beispiel der Brille: Die Brille ist zum größten Teil für die Wahrnehmung der Welt durch den Brillenträger verantwortlich und bestimmt also, was gesehen werden kann. Trotzdem ist der Brillenträger so intensiv auf die externe Situation konzentriert, dass die Brille für ihn praktisch undurchsichtig wird. Im Kontext der Sprachvermittlung erweist es sich aber gerade als sehr hilfreich, die verschiedenen Möglichkeiten der Organisation konzeptuellen Inhalts sichtbar zu machen, die die Brille der Zielsprache anbietet. Da die Konzeptualisierung den Prozess der Formulierung von sprachlichen Nachrichten steuert (vergleiche Levelt, Roelofs & Meyer 1999), kann auch nur die angemessene Konzeptualisierung den Ausgangspunkt für 83 2.3 Kognitive Grammatik die Grammatikvermittlung darstellen (vergleiche Scheller 2009). Im Folgenden betrachten wir deshalb, welche Prinzipien bei der Veranschaulichung der konzeptuellen Struktur der Grammatik relevant sind. Salienz Durch die Salienz heben wir beim Sprechen stets einen Aspekt oder eine Teilstruktur der Szene hervor (vergleiche Langacker 2008a). Die Salienz ist jedoch kein eindimensionales Konstrukt, sondern sie manifestiert sich auf mehreren Ebenen der Versprachlichung. So differenziert Langacker (2008a) zunächst zwischen einer Basis und einem Profil, wobei andere Autoren wie Fillmore (1985) das Begriffspaar concept und frame jeweils für Profil und Basis verwenden. Nach Langacker (2008a) bildet die konzeptuelle Basis die kognitive Domäne, innerhalb derer die Profile eine bestimmte Bedeutung erlangen. Der Unterschied zwischen Basis und Profil lässt sich durch einzelne Konzepte wie zum Beispiel Stuhlbein gut veranschaulichen: Ein Stuhlbein kann zum Beispiel nur auf der konzeptuellen Basis des Konzepts Stuhl als solches verstanden werden. In diesem Fall bildet das Stuhlbein ein konkretes Profil der konzeptuellen Basis Stuhl (vergleiche auch Langacker 2008b: 68f). Abbildung 2.14: Profil und Basis (Möbel Ideal 2016) Auf den ersten Blick haben die Basis-Profil-Beziehungen keinerlei Verbindungen mit der Grammatik, könnte man denken. In Wirklichkeit stellen sie aber ein wichtiges Instrument zur Beschreibung von Wortklassen unter anderen. Die folgenden Graphiken zeigen exemplarisch, wie sich die konzeptuelle Basis der Handlung kaufen je nach Profilierung entweder als verbale Relation mit zwei Argumenten oder als Substantiv konstruieren lässt. 84 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Abbildung 2.15: Verb (b) und Substantiv (c) als unterschiedliche Profilierungen derselben konzeptuellen Basis (in Anlehnung an Langacker 2007: 436) Durch die Bildung von Substantiven oder Verben entscheiden wir uns also für ein bestimmtes Profil der Basis und heben gezielt nur einen Teilaspekt der Gesamtszene hervor. So stellen Sie sich bei kaufen immer einen zu kaufenden Gegenstand, einen Käufer und vielleicht auch einen Verkäufer vor. Bei Käufer denken Sie hingegen an das Agens im Kaufgeschehen, während der Verkäufer eher nur implizit vorhanden ist. Diese Profilierungen der Basis in Form eines Verbs und eines Substantivs weisen eine völlig unterschiedliche konzeptuelle Struktur auf, die Langacker (2008a) jeweils anhand der Begriffe Ding und Relation charakterisiert. So werden Substantive in der kognitiven Grammatik als Dinge beschrieben, die aus materieller Substanz bestehen und konzeptuell autonom sowie unabhängig von jedem Ereignis und im (fiktiven) Raum spezifisch situiert sind. Verben stellen hingegen nicht materielle Relationen dar, die lediglich Interaktionen zwischen Dingen (Energietransfer, Bewegung, Kraftausübung, Zustandsveränderung etc.) beschreiben. Verben haben als Relationen weiterhin eine eigene zeitliche Dimensionen und werden in Abhängigkeit mit den Dingen konzeptualisiert. Andere Wortkategorien wie die Adverbien, Präpositionen, Adjektive, Infinitive, Partizipien etc. beschreiben nach Langacker ebenfalls Relationen, die allerdings atemporalen Charakter besitzen. Nehmen wir als Beispiel die Handlung präsentieren. Wenn wir diese Handlung als zeitliche Relation zwischen zwei Dingen ausdrücken möchten, dann bilden wir zum Beispiel den Satz Der neue Chef hat die Ziele für das neue Jahr präsentiert. Möchten wir hingegen die Handlung konzeptuell autonom beschreiben, dann bilden wir zum Beispiel den Satz Die Präsentation der Ziele für nächstes Jahr war sehr langweilig (vergleiche auch Langacker 2008a: 101). Das folgende Diagramm zeigt, wie sich die verschiedenen Wortkategorien in Bezug auf die Unterscheidung Ding und Relation sowie temporal und atemporal klassifizieren lassen: 85 2.3 Kognitive Grammatik DOMÄNE REGION (DING) RELATION EINFACH (statisch) GEBUNDEN zählbare Nomen UNGEBUNDEN nicht zählbare Nomen TEMPORAL (Prozess) finite Verbformen ATEMPORAL Präpositionen Adjektive Adverbien infinite Verbformen KOMPLEX (dynamisch) EINFACH (Zustand) KOMPLEX (Komplexe, statische, Szene) Abbildung 2.16: Klassifizierung der Wortkategorien nach Evans & Green (2006: 571) Die verschiedenen Profilierungsmöglichkeiten einer Sprache bilden keineswegs ein beliebiges Inventar von Sprachmitteln, sondern werden von Sprechern gezielt genutzt, um bestimmte Effekte bei der Fokussierung der Aufmerksamkeit zu erreichen. Nach Talmy werden Informationen, die nominal kodiert sind, als kognitiv salienter wahrgenommen als verbal kodierte Informationen. Auch durch die Wahl von Wörtern offener Klassen (Nomen, Verben) wird eine höhere kognitive Salienz gegenüber Items geschlossener Klassen wie Tempus- oder Genusmarkierungen erreicht (vergleiche Talmy 2008: 29). Ein weiteres Werkzeug der Salienz ist aus der allgemeinen Wahrnehmung bekannt: Sie haben bestimmt schon mal ein Bild gesehen, auf dem sowohl eine alte Dame als auch eine junge Frau dargestellt sind, wobei sie nicht beide gleichzeitig wahrnehmen können (siehe 2.17). Dieses Salienzprinzip, das auf Erkenntnissen der allgemeinen Wahrnehmungspsychologie beruht, wird Figur-Grund-Prinzip genannt (Wertheimer 1967; Talmy 2008; vergleiche auch trajector und landmark nach Langacker 2008a) und sollte nicht mit dem Begriffspaar Basis- Profil verwechselt werden. 86 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Abbildung 2.17: Alte Dame und junge Frau (Brillen & Seehilfen 2016) Dem Figur-Grund-Prinzip zufolge nehmen Menschen stets ein Element aus einer Szene als vordergründig (Figur) und alle anderen Elemente einer Szene als hintergründig (Grund) wahr. In der Grammatik lassen sich durch dieses Salienzprinzip grundlegende Grammatikkategorien wie Subjekt und Objekt beschreiben. Im Beispielsatz Der Kontrolleur hat einen Schwarzfahrer erwischt ist der Kontrolleur die Figur und der Schwarzfahrer der Grund. Auch bei intransitiven Sätzen mit einem Präpositionalobjekt lässt sich eine solche Figur-Grund- Konstellation gut veranschaulichen: Moritz Bleibtreu (Figur) geht in die Talkshow (Grund). Experiment 1 Sie haben jetzt die Möglichkeit zu testen, wie Figur und Grund tatsächlich wahrgenommen werden. Zu diesem Zweck müssen Sie mindestens drei Personen darum bitten, das folgende Bild in einem Satz zu beschreiben: Abbildung 2.18: Figur und Grund (tinypic 2016) 87 2.3 Kognitive Grammatik Höchstwahrscheinlich sind die Sätze der verschiedenen Personen nicht identisch. Es gibt aber doch gewisse Ähnlichkeiten in Bezug auf die Bestimmung der Figur und des Grundes. Welches Element wird als Figur gewählt? Durch welche Merkmale, glauben Sie, unterscheidet sich die Figur vom Grund in Bezug auf die Größe und den Bekanntheitsgrad? Die Figuren einer Szene stellen in der Regel die kleineren, beweglicheren, relevanteren und nicht erwarteten oder bekannten Elemente dar (vergleiche Talmy 2000: 315f). Solche Elemente müssen aber zunächst einmal wahrgenommen werden, bevor sie diese erhöhte Salienz erlangen. Überträgt man das auf die Sprache, werden die Figur durch das Subjekt und der Grund durch das Objekt beziehungsweise durch das Präpositionalobjekt realisiert. Syntaktische Rollen in der Sprache lassen sich also nicht nur anhand formeller Merkmale (zum Beispiel Subjekt-Verb-Kongruenz, Deklination etc.) erklären, sondern können anhand von Prinzipien aus der allgemeinen menschlichen Wahrnehmung konzeptuell begründet werden. Dabei ist anzunehmen, dass die Bewusstmachung dieser Prinzipien im Unterricht den Lernern einen viel leichteren Zugang zur Sprache bietet als die vorwiegend logisch-formellen Beschreibungsparameter. Durch das Einbeziehen dieser Erfahrungen können syntagmatische Beziehungen innerhalb von Sätzen auch sprachübergreifend dargestellt werden. Mit dem Figur-Grund-Prinzip lässt sich beispielweise die Subjektfunktion auch in Sprachen wie dem Chinesischen oder Japanischen beschreiben, in denen keine Subjekt-Verb-Kongruenz besteht (die Konjugation der finiten Verbform bleibt gleich unabhängig von Person und Numerus des Subjekts) und eine Charakterisierung des Subjekts nach formellen Kriterien schwer möglich ist. Die folgenden Beispiele aus Roche & Sun˜er (2014: 129) zeigen, welche Salienzeffekte das Figur-Grund-Prinzip in weiteren grammatischen Phänomenen bewirken kann: (1a) Der Toaster steht hinter der Kaffeemaschine. (1b) Die Kaffeemaschine steht vor dem Toaster. (2a) George Clooney gefällt mir. (2b) Ich mag George Clooney. (3a) Der Trainer wechselt Lewandowski aus. (3b) Lewandowski wird vom Trainer ausgewechselt. (4a) Er hat Krapfen gekauft, bevor er zur Arbeit gegangen ist. (4b) Nachdem er Krapfen gekauft hat, ist er zur Arbeit gegangen. Die Autoren fassen die Salienzeffekte folgendermaßen zusammen: Bei (1a) und (1b) werden unterschiedliche Zielbereiche oder Referenzpunkte verwendet, um die jeweilige Figur in der Szene räumlich zu situieren. Die Beispielsätze in (2a) und (2b) versprachlichen beide zwar eine Relation zwischen einem Stimulus George Clooney und einem Experiencer ich, stellen jedoch, durch die Verwendung unterschiedlicher Verben (gefallen und mögen), jeweils den Stimulus und den Experiencer in den Vordergrund. (3a) und (3b) beschreiben eine transitive Handlung mit einer unterschiedlichen Fokussierung der Partizipanten: Bei (3a) steht das Agens Der Trainer durch 88 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata die Verwendung des Aktivs im Vordergrund, während das Passiv in (3b) eine Deagentivierung und damit die stärkere Fokussierung des Patiens Lewandowski bewirkt. Schließlich werden in (4a) und (4b) zwei Handlungen durch die Verwendungen zweier temporaler Konnektoren unterschiedlich fokussiert: Während bei (4a) der Kauf der Krapfen im Vordergrund steht und in Bezug auf die (Hinter)Grundsituation zeitlich situiert wird, ist es bei (4b) umgekehrt. Perspektivierung Durch unser »mentales Auge« können wir die Erfahrungen und Szenen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Diese Möglichkeiten der Konzeptualisierung, die sich wiederum in unterschiedlichen sprachlichen Realisierungen niederschlagen, fasst Talmy als Perspektivierung auf (vergleiche auch vantage point bei Langacker 2008b: 69; vergleiche Talmy 2000: 217; Langacker 2008a: 73). Im Unterschied zur Alltagssprache wird der Begriff »Perspektivierung« im Bereich der kognitiven Grammatik (Langacker 2008a & Talmy 2000) zur Bezeichnung von drei spezifischen Dimensionen der Konzeptualisierung verwendet. Talmy unterscheidet die interne und die externe Perspektive, so zum Beispiel bei Die Tür öffnete sich und er kam ins Zimmer (intern) und Er öffnete die Tür und ging ins Zimmer (extern). Dabei fungiert die Position des Sprechers in Bezug auf die wahrgenommene Szene als Origo (vergleiche Talmy 2000: 69; vergleiche auch Langacker 2008a: 75-77). Dieses Prinzip erklärt zum Beispiel die unterschiedlichen Perspektiven, die die Sprecher durch die Nutzung des progressiven oder des nicht-progressiven Aspekts einnehmen können (vergleiche Radden & Dirven 2007: 177; Niemeier & Reif 2008; Reif 2012). Mit dem nicht-progressiven Aspekt wird eine Art globale beziehungsweise externe Perspektive eingenommen, die bei perfektiven Verben die Betrachtung des Anfangs- und / oder des Endpunkts eines Prozesses ermöglicht (zum Beispiel Er schläft ein). Mit dem progressiven Aspekt wird hingegen eine lokale beziehungsweise interne Perspektive eingenommen, die auf eine einzelne Komponente des Prozesses fokussiert und daher auch Anfangs- und Endpunkt des Prozesses ausblendet (zum Beispiel Er ist am Einschlafen): Abbildung 2.19: Bounded event (links) und unbounded event (rechts) (Radden & Dirven 2007: 178) 89 2.3 Kognitive Grammatik Eine zweite Dimension der Perspektivierung nach Talmy betrifft die mitlaufende und die feste Kameraperspektive. So wäre im Satz Auf der Zugstrecke sind mehrere Tunnel eine feste Kameraperspektive anzunehmen, während im Satz Auf der Zugstrecke fahren wir ab und an durch einen Tunnel eine mitlaufende Kameraperspektive eingenommen wird. Eine weitere Möglichkeit der Kameraperspektive stellt nach Talmy die wechselnde Betrachtung von Ereignissen an verschiedenen Orten dar, so zum Beispiel im Satz Der Zug fährt durch den Wald, dann am See vorbei. Schließlich beschreibt Talmy eine dritte Dimension der Perspektivierung, die sich bei der Lokalisierung von Objekten ausdrückt. Die Beispielsätze Hinter dem Baum steht ein Radar oder Vor dem Baum steht ein Radar könnten sich durchaus auf dieselbe Situation beziehen. Die Situierung des Radars nimmt einen anderen Bezugspunkt ein. Dabei wird ersichtlich, dass neben der Figur Radar und dem Grund Baum ein weiterer Grund erforderlich ist: Die sogenannte secondary landmark, die die Objekte im Raum situiert (nach Langacker 2000). Wird der Sprecher als Bezugspunkt genommen, so bestehen nach Radden (2011: 17ff) zwei weitere Möglichkeiten für die Lokalisierung von Objekten: Man spricht von einer ego-aligned Perspektive, wenn die Blickrichtung des Sprechers nach hinten und nach vorne als Bezugssystem zugrunde gelegt wird; werden die Objekte relativ zur gegenläufigen Blickrichtung des Zuhörers im Raum lokalisiert, spricht man von einer ego-opposed Perspektive. Neben diesen zwei subjektzentrierten Perspektiven existieren nach Levinson (2003: 55) auch die objektzentrierte Perspektive und die absolute Perspektive. Die objektzentrierte Perspektive ist dann möglich, wenn ein Referenzobjekt eine intrinsische vordere und hintere Seite hat. So lässt sich zum Beispiel die vordere und die hintere Seite eines Autos leicht bestimmen, während das bei einer Kugel unmöglich ist. Bei der absoluten Perspektive geht es darum, ein Orientierungssystem aus der Umwelt als Grundlage zu nehmen, welches unverändert bleibt, wie zum Beispiel die Himmelsrichtungen. Experiment 2 Stellen Sie sich vor, Sie sind auf Sardinien (Italien) und möchten mit dem Auto zum Strand fahren. Nachdem Sie 30 Minuten lang nach einer Parklücke gesucht haben, werden Sie endlich fündig (siehe Foto). Sie sind sich zwar nicht ganz sicher, ob man dort parken darf, aber offenbar haben es andere auch so gemacht. Wie sagen Sie aus einer subjektzentrierten Perspektive dem Fahrer Bescheid, er soll zwischen dem schwarzen und dem grauen Auto parken? Und wie wäre es aus einer objektzentrierten Perspektive? Nehmen Sie in beiden Fällen das schwarze Auto als Referenzobjekt, um die Parklücke zu situieren? 90 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Abbildung 2.20: Perspektivierung (sardinien.com 2016) Kraft-Dynamik Das Vorstellungssystem der Kraft-Dynamik von Talmy (2000) wurde bisher als Grundlage zur Erklärung zahlreicher Aspekte der Sprache angewandt. Einen besonderen Schwerpunkt des Ansatzes bildete jedoch die Nutzung kinästhetischer Erfahrungen (körperliche Erfahrungen in Bezug auf Kraft und Bewegung) sowie somatosensorischer Erfahrungen (körperliche Erfahrungen in Bezug auf Druck und Schmerz) zur Beschreibung der Kausalität (vergleiche Evans & Green 2006: 199). Die Erklärung der konzeptuellen Struktur bestimmter Sprachbereiche anhand des Kraft-Dynamik-Ansatzes erklären Roche und Suñer (2014: 131) folgendermaßen: So kann der Satz Das Flugzeug stürzte ins Meer sowohl in Bezug auf die verursachende Kraft ergänzt werden Das Flugzeug stürzte ins Meer wegen eines Anfängerfehlers des Piloten als auch in Bezug auf die dynamische Opposition Das Flugzeug stürzte ins Meer trotz des starken Auftriebs. Diese Interaktionen zwischen Kraft und Dynamik überträgt Talmy unter anderem auch auf psychologische und soziale Domänen. So unterscheidet sich der eher neutrale Satz Peter öffnete die Tür beträchtlich vom Satz Peter wurde dazu gezwungen die Tür zu öffnen, und zwar in der sozialen Kraft, die auf ihn ausgeübt wird. Peter erfüllt in diesem Satz die Funktion des Agonisten (in gewisser Weise der »Protagonist«), der eine Tendenz zum Ruhezustand hat und daher gegen gewisse Kräfte (Antagonisten), die die Fortbewegung von Peter bewirken wollen, resistent ist (vergleiche Talmy 2000: 413). Auch die konzeptuelle Motiviertheit von Konnektoren und Präpositionen (konzessive, kausale etc.) und Modalverben heranziehen, die sozialen und psycho-soziale Beziehungen ausdrücken, lässt sich anhand der Kraft-Dynamik-Verhältnisse transparent machen. Im Beispielsatz Pep ging trotz der Niederlage gegen Dortmund auf das Oktoberfest drückt die konzessive Präposition trotz folgendes kraft-dynamisches Verhältnis aus: Die Tendenz zur Fortbewegung des Agonisten Schweinsteiger ist stärker als die Gegenkraft vom Antagonisten die Niederlage gegen Dortmund, so dass die Fortbewegung auf das Oktoberfest gehen trotz des Widerstands nicht verhindert werden kann. Im Gegensatz dazu drückt die kausale Präposition wegen im Beispielsatz Wegen des Streiks fuhr der Garmischer Ski-Express heute nicht 91 2.3 Kognitive Grammatik ein komplett anderes kraft-dynamisches Verhältnis aus: Der Antagonist der Streik konnte durch entsprechende Gegenkraft die Fortbewegung des Agonisten der Garmischer Ski-Express verhindern. Im Beispielsatz Pep ging trotz der Niederlage gegen Dortmund auf das Oktoberfest drückt die konzessive Präposition trotz folgendes kraft-dynamisches Verhältnis aus: Die Tendenz zur Fortbewegung des Agonisten Schweinsteiger ist stärker als die Gegenkraft vom Antagonisten die Niederlage gegen Dortmund, so dass die Fortbewegung auf das Oktoberfest gehen trotz des Widerstands nicht verhindert werden kann. Im Gegensatz dazu drückt die kausale Präposition wegen im Beispielsatz Wegen des Streiks fuhr der Garmischer Ski-Express heute nicht ein komplett anderes kraft-dynamisches Verhältnis aus: Der Antagonist der Streik konnte durch entsprechende Gegenkraft die Fortbewegung des Agonisten der Garmischer Ski-Express verhindern. 2.3.2 Praxisbeispiele Im vorherigen Abschnitt wurde gezeigt, welche zentrale Rolle die Prinzipien allgemeiner menschlicher Wahrnehmung und Kognition (unter anderem bildliches Denken, Metaphorisierung etc.) spielen, um die konzeptuelle Motiviertheit von Sprache und Grammatik zu erklären. So tragen zum Beispiel Beschreibungsparameter wie Profil / Basis und Figur / Grund dazu bei, die konzeptuelle Motiviertheit vieler grammatischer Strukturen transparent zu machen. Im Folgenden soll nun exemplarisch gezeigt werden, wie die konzeptuelle Struktur der Wechselpräpositionen, der Modalverben und der Passivkonstruktion anhand von körperlichen Erfahrungen und Prinzipien allgemeiner Kognition veranschaulicht werden kann. Die Erklärungsansätze nutzen unterschiedliche Merkmale von körperlichen Erfahrungen, wie zum Beispiel die Bewegung im Raum oder die Kraftübertragung, um komplexe grammatische Beziehungen zu strukturieren und zu verdeutlichen. Die Wechselpräpositionen Die neun Wechselpräpositionen im Deutschen können je nach Satzkontext den Akkusativ oder den Dativ regieren. Die traditionelle Grammatik hat die Kasuswahl vorwiegend anhand der itemspezifischen Bedeutung der Verben (Bewegungsverben mit Akkusativ; statische Verben mit Dativ) und der Fragen Wo? und Wohin? erklärt. Im authentischen Sprachgebrauch stellen wir aber sofort fest, dass diese Fragen oft beliebig gestellt werden können und der Dativ durchaus in Sätzen mit Bewegungsverben verwendet werden kann, wie zum Beispiel beim folgenden Satzpaar: Ich gehe in die Dusche und Ich gehe in der Dusche. Geht man hingegen von der konzeptuellen Motiviertheit der Kasuswahl aus, so zeigt sich, dass Akkusativ und Dativ die Szene unterschiedlich konstruieren: Überschreitet die Figur die imaginäre Grenze des Grunds, wird Akkusativ verwendet (Das Auto fährt auf die Straße, vergleiche Abbildung 2.21); bleibt die Figur jedoch innerhalb der imaginären Grenze des Grunds, wird Dativ verwendet (Das Auto fährt auf der Straße, vergleiche Abbildung 2.22). Die konzeptuelle Motiviertheit der Kasuswahl bei den Wechselpräpositionen wird hier also anhand von körperlichen Erfah- 92 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata rungen (Bewegung, Positionswechsel etc.) und Prinzipien der menschlichen Wahrnehmung (Figur und Grund) erklärt, die dem Lerner einen leichteren konzeptuellen Zugang bieten. Abbildung 2.21: Das Auto fährt auf die Straße (nach Scheller 2009: 104) Abbildung 2.22: Das Auto fährt auf der Straße (Scheller 2009: 104) Die Modalverben Ähnlich wie bei den Wechselpräpositionen können die Bedeutungen der deutschen Modalverben in Anlehnung an Sweetser (1990), Talmy (2000) und Tyler (2008) ebenfalls anhand von körperlichen Erfahrungen erklärt werden, und zwar stellen sie unterschiedliche kraftdynamische Relationen zwischen dem Agonisten und dem Antagonisten dar. Nehmen wir folgende Beispielsätze: (1a) Moritz Bleibtreu muss ziemlich oft verreisen, weil sein neuer Film an vielen verschiedenen Standorten gedreht wird. (1b) Moritz Bleibtreu soll weniger rauchen, sonst wird er ständig Stimmprobleme bei den Dreharbeiten haben. Das Modalverb müssen im Satz 1a) wird in deontischer Lesart verwendet und drückt somit eine Notwendigkeit aus. Dieser Notwendigkeit liegt in kraft-dynamischer Hinsicht eine externe, kaum überwindbare Kraft zugrunde (zum Beispiel ein Vertrag mit der Filmgesellschaft), die die Fortbewegung des Agonisten Johnny Depp bewirkt. Satz 1b) geht durch die Verwendung von sollen ähnlich vor, die externe Kraft ist jedoch weniger stark und damit ist auch die Fortbewegung des Agonisten weniger wahrscheinlich / notwendig. Die kraft-dynamische Relation zwischen Agonisten und Antagonisten stellt sich im Satz Nach der Scheidung darf George Clooney wieder zu Hause rauchen etwas komplexer dar: In diesem Satz kann die deontische Bedeutung des Modalverbs (Erlaubnis) auch in kraft-dynamischer Sicht erklärt werden, indem es die Aufhebung eines Hindernisses durch eine externe 93 2.3 Kognitive Grammatik Autorität oder Kraft darstellt. Dadurch wird die Fortbewegung des Agonisten (hier der Vollzug einer Handlung) ermöglicht. Bildschematisch lässt sich die Kraft-Dynamik-Relation in Anlehnung an Talmy (2000: 418) wie folgt darstellen: Abbildung 2.23: Änderung des Kräfteverhältnisses durch Aufhebung des Antagonisten nach Talmy (200: 418) Auf dem Bild (siehe Abbildung 2.23) sind der Agonist George Clooney und der erste Antagonist seine Frau jeweils durch einen Kreis und durch eine gewölbte Figur dargestellt, der zweite Antagonist in der Szene hingegen durch den schwarzen Pfeil. Die möglichen Ergebnisse der kraft-dynamischen Interaktion werden durch den schwarzen Punkt (Ruhezustand) und die Pfeilspitze (Fortbewegung) dargestellt. Im vorherigen Beispielsatz wurde die intendierte Fortbewegung des Agonisten Rauchen anfangs durch die unüberwindbare Gegenkraft des Antagonisten seine Frau verhindert (schwarzer Punkt auf der Linie). Das Eintreten eines zweiten Antagonisten die Scheidung bewirkt jedoch die Aufhebung des Hindernisses seine Frau, so dass sich der Agonist fortbewegen kann. Dabei spielt aber keine Rolle, ob George Clooney durch die Aufhebung des Hindernisses tatsächlich raucht oder nicht. Vielmehr geht es bei den Modalverben darum, die Notwendigkeit beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit des Vollzugs von Handlungen auszudrücken. Aktiv und Passiv Das sogenannte Genus Verbi im Deutschen (Aktiv und Passiv) wurde im traditionellen Ansatz oft anhand von vorwiegend formell ausgerichteten Transformationsregeln erklärt (vergleiche zum Beispiel Dreyer & Schmitt 2009; Helbig & Buscha 2001). Dabei wird das Passiv als eine Art Ableitung aus dem Aktiv präsentiert, indem das aktivische Subjekt zum passivischen Agens wird und das aktivische Objekt zum passivischen Subjekt: 94 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata Subjekt Akkusativobjekt Subjekt von + Dativ Der Patient wurde (vom Hausarzt) untersucht. Abbildung 2.24: Transformationsregeln zur Bildung des Passivs (nach Dreyer & Schmitt 2009: 122) So einfach und logisch diese Transformation erscheinen mag, ist sie für die Sprachvermittlung nur bedingt tauglich. Durch die direkte Ableitung des Passivs aus dem Aktiv wird nämlich suggeriert, dass das Passiv in der Regel das Agens nennt. Korpusanalysen sowohl gesprochener als auch schriftlicher Sprache zeigen jedoch, dass eine solche Nennung eher selten ist: Demnach nennen weniger als 18 % der Passivsätze das Agens (vergleiche Brinker 1971; Schoenthal 1976). Grund hierfür ist, dass mit dem Passiv eine Deagentivierung intendiert ist, die die Beschreibung der Handlung aus der Perspektive des Objekts beziehungsweise des Patiens ermöglichen soll. Eine solche Deagentivierung ist vor allem in Textsorten wie Protokollen, Berichten, Rezepten und weiteren Beschreibungen von Prozessabläufen erforderlich (vergleiche Weinrich 2005; Götze & Hess-Lüttich 2002), denn das Agens ist in diesen Fällen oft entweder nicht bekannt oder allgemein bekannt und daher irrelevant (vergleiche Pape- Müller 1980). Der mechanische und rein formelle Charakter einer solchen Transformation lässt zudem semantische Aspekte (v. a. Konzeptualisierung durch unterschiedliche Salienz der Partizipanten) und funktional-pragmatische Aspekte (Topikalisierung des Objekts, intendierte Anonymisierung des Subjekts, implizite Themakontinuität des Agens etc.) unberücksichtigt (vergleiche Wegener 1998). Der kognitionslinguistische Erklärungsansatz des Passivs nach Suñer (2013) beschreibt das Passiv und das Aktiv in Anlehnung an Langacker (2004, 2008a) und Arnett (2004) als zwei unterschiedliche Konzeptualisierungen transitiver Szenen. Dabei wird die sogenannte Aktionskette als konzeptuelle Basis transitiver Szenen angenommen (vergleiche Langacker 2004, 2008a): Durch die Aktionskette wird die Übertragung von (fiktiver) Energie von einem Agens über ein Instrument auf ein Patiens ausgedrückt, das wiederum eine Zustandsveränderung erfährt. Diese konzeptuelle Basis wird jedoch nicht immer in voller Gänze versprachlicht beziehungsweise betont. Vielmehr entscheidet der Sprecher je nach Kontext, inwiefern die einzelnen Partizipanten der Szene relevant sind und hervorgehoben werden müssen. In einem weiteren Schritt stellt der Sprecher anhand des Figur-Grund-Prinzips die ausgewählten Partizipanten entweder in den Vordergrund oder Hintergrund: Beim Aktiv steht das Agens im Vordergrund (Figur), während im Passiv das Patiens als primäres Element der Szene fungiert und das Agens entweder in den Hintergrund (Grund) rückt oder völlig 95 2.3 Kognitive Grammatik verschwinden kann-[…], ohne dass die mentale Repräsentation der Szene mit dem entsprechenden Energietransfer an Kohärenz verliert. (Roche & Suñer 2014: 129f) Hinzu kommt aber noch der Unterschied zwischen Vorgangs- und Zustandspassiv: Das Vorgangspassiv fokussiert die vollständige Zustandsveränderung des Patiens, während das Zustandspassiv den Nachzustand (vergleiche Arnett 2004) betont. Aktiv, Vorgangspassiv und Zustandspassiv als verschiedene Ergebnisse von Profilierungs- und Fokussierungsprozessen transitiver Szenen lassen sich wie folgt darstellen Roche & Sun˜er (2014: 130): Abbildung 2.25: Der Aktiv-Satz Der Champion spielt die Kugel mit dem Queue. Abbildung 2.26: Vorgangspassiv: Die Kugel wird von dem Champion gespielt. Abbildung 2.27: Zustandspassiv: Die Kugel ist gespielt. 96 2. Konzepte, Bilder und Bildschemata 2.3.3 Zusammenfassung ▶ Bilder und andere visuelle Mittel können, sofern sie durchdacht eingesetzt werden, ein gutes Medium für den Sprachunterricht sein, um verschiedene auch grammatische Phänomene zu erklären. ▶ Lerner benötigen keine aufwändigen linguistischen Erklärungen und Regeln, um semantische und funktionale Aspekte der Grammatik zu verstehen. Wichtiger und fruchtbarer ist es, Sprache erfahrbar zu machen. Dabei müssen die bildlichen Darstellungen kognitiv verankert werden und Konzeptualisierungsprozesse initiieren, um den gewünschten Lernmehrwert zu erhalten. ▶ Eine besonders wichtige Dimension der Konzeptualisierung ist die Salienz. Demnach heben wir bei der Versprachlichung von Erfahrungen stets einen Aspekt oder eine Teilstruktur der Szene hervor. So werden einzelne Konzepte (Profil) immer vor dem Hintergrund eines übergeordneten konzeptuellen Rahmens (Basis) verstanden. Es gibt also immer ein Element im Vordergrund, das in Bezug auf ein anderes Element im Hintergrund beschrieben wird. ▶ Weiterhin nutzen wir auch körperliche Erfahrungen wie die Kraft-Dynamik, um psychosoziale Beziehungen wie Notwendigkeit oder Erlaubnis zu konzeptualisieren. 2.3.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Worauf bezieht sich die Unterscheidung Profil / Basis? Geben Sie konkrete Beispiele. 2. Wie würden Sie die Funktion des Figur-Grund-Prinzips in der Sprache erklären? Geben Sie konkrete Beispiele. 3. Wie würden Sie die Bedeutung des Konnektors trotz im Beispielsatz Die Gäste gingen trotz des Regens in den Biergarten aus kraft-dynamischer Sicht beschreiben? 4. Welche Beschränkungen hat der traditionelle Erklärungsansatz in Bezug auf die Wechselpräpositionen? 5. Was hat die Aktionskette mit dem Genus Verbi (Aktiv und Passiv) zu tun? 97 2.3 Kognitive Grammatik 3. Konstruktionen und Chunks Das Erlernen einer Fremdsprache ist ein mühsames Unterfangen, das trotz Aufstellung und Beschreibung von Grammatikregeln nicht unbedingt zum Erfolg führt. Sicherlich haben Sie sich als Lehrerin oder Lehrer immer wieder gefragt, warum sich Ihre Lerner trotz intensiven Grammatikunterrichts nicht fließend ausdrücken können. Wie Sie wissen, reicht es nicht aus, einige Vokabeln und Regeln zu erlernen, vielmehr geht es darum, diese Vokabeln in bedeutungsvollen Sequenzen korrekt zusammenzufügen. Dies bleibt angesichts unterschiedlicher Konzeptualisierungen in verschiedenen Sprachen eine Herausforderung und bedarf unterstützender Beschreibungsmodelle für den Fremdsprachenunterricht. Von der kognitiven Linguistik ist in den letzten Jahren eine Vielzahl von Modellen entwickelt worden, die alle unter dem Terminus Konstruktionsgrammatik subsumiert werden. Obwohl diese Grammatikmodelle nicht unbedingt das Erlernen einer Fremdsprache im Blick haben, bieten sie interessante Ansätze für den Fremdsprachenunterricht. Der Ansatz der Konstruktionsgrammatik ist holistischer Natur, er geht von ganzen, bedeutungsvollen Wortsequenzen oder Konstruktionen aus und fasst einzelne Lexeme als sprachliche Einheiten auf, die bestimmte Lücken in diesen Konstruktionen besetzen sollen. Weiter können die Konstruktionsgrammatikmodelle den Zusammenhang zwischen Exemplaren einer Konstruktion und ihrer abstrakten Form anhand von konkreten Beispielen erläutern. Die Grammatik einer Sprache wird als Konstruktionsinventar aufgefasst. Im Folgenden wollen wir auf die Prinzipien dieses Grammatikmodells etwas näher eingehen. 98 3. Konstruktionen und Chunks 3.1 Grammatik als Konstruktionsinventar Sabine De Knop Als Fremdsprachenlehrer oder Fremdsprachenlehrerin stellt man sich oft die Frage, wie man Vokabular und fremde Strukturen interessant und effizient unterrichten kann. Auch sollen solche Strukturen authentisch sein und wirklichen Situationen im fremden Land entsprechen. Lehrer und Lehrerinnen werden oft alleine gelassen, wenn es darum geht zu entscheiden, welche Themen überhaupt relevant sind und wo sie ansprechende Beispiele finden können. Natürlich bieten neue Medien wie das Internet eine Vielfalt an Ressourcen, aber diese sind nicht systematisch organisiert und die Suche nach relevanten Beispielen ist meist zeitintensiv. Haben Sie als Lehrerin oder Lehrer nicht schon einmal davon geträumt, über eine Liste mit den wichtigsten Konstruktionen einer Fremdsprache zu verfügen? Die Möglichkeit, solche Listen fertigzustellen, bietet die Konstruktionsgrammatik. Lernziele In dieser Einheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ das Modell der Konstruktionsgrammatik kennenlernen; ▶ sich Gedanken über den neuen Beschreibungsansatz machen können, nämlich die Idee, im Fremdsprachenunterricht von Konstruktionen und weniger von einzelnen Wörtern auszugehen; ▶ erkennen können, welche Konstruktionen beim Erlernen der deutschen Sprache wesentlich sind und welche vernachlässigt werden können. 3.1.1 Modelle der Konstruktionsgrammatik Unter den konstruktionistischen Modellen lassen sich zwei wesentliche Richtungen erkennen, und zwar einerseits die kognitive Konstruktionsgrammatik und andererseits eine formal ausgerichtete Variante davon. Die Vertreter der kognitiven Konstruktionsgrammatik sind in erster Linie Lakoff mit der 1987 erschienenen Beschreibung der there-Konstruktionen und Goldberg (1995), die sich von Lakoffs Verständnis von Konstruktionen als Form-Bedeutungspaaren inspirieren ließ und dieses Konzept auf die Analyse sogenannter Argumentstrukturen- Konstruktionen anwendete. Croft (2001) entwickelte die Konstruktionsgrammatik später zur radikalen Konstruktionsgrammatik weiter, einem Modell, das von einem sprachvergleichenden Ansatz ausgeht und syntaktische Relationen wie etwa Subjekt und Objekt und Wortart-Kategorien wie zum Beispiel Verb und Nomen als abstrakte Kategorien ablehnt und sie eher als Konstituenten von Konstruktionen auffasst. Unter den formal ausgerichteten Modellen sind der bahnbrechende Beitrag von Fillmore, Kay und O’Connor (1988) über den Ausdruck let alone zu erwähnen, aber auch die fluid con- 99 3.1 Grammatik als Konstruktionsinventar struction grammar (Steels 2003) mit dem Schwerpunkt auf computerlinguistischen Methoden. Zu diesen Modellen gehört auch die embodied construction grammar (Bergen & Chang 2005), die von dem Postulat ausgeht, dass Konstruktionen sich aus Wahrnehmungserfahrungen ergeben. So werden Flaschen, Häuser und Städte oft als Container aufgefasst, was in der Sprache durch die Wahl der Präposition in zum Ausdruck kommt, etwa Peter gießt Wasser in die Flasche oder Er wohnt in einem großen Haus in Köln. 3.1.2 Die Einheiten der Konstruktionsgrammatik Trotz der Unterschiede der einzelnen Modelle haben sie eines gemeinsam: Sie alle kritisieren die generative Transformationsgrammatik durch das Postulat eines Kontinuums zwischen Lexikon und Grammatik. In den letzten Jahren hat Goldbergs Modell, das in ihren beiden Monographien Constructions: A Construction Grammar Approach to Argument Structure (1995) und Constructions at Work: The Nature of Generalization in Language (2006) dargestellt ist, großen Zuspruch erfahren. Es dient oft als theoretischer Ausgangspunkt für die Beschreibung der Strukturen einer bestimmten Sprache. Die Grundeinheiten einer Sprache bilden Konstruktionen, das heißt konventionalisierte Form-Bedeutungspaare: »[C]onstructions are the fundamental units of language acquisition and reflect the most direct embodiment of learners’ communicative intentions« (Ellis & Cadierno 2009: 111). In ihrem ersten Buch (1995) sieht Goldberg die Nicht-Kompositionalität als eine definitorische Eigenschaft von Konstruktionen. Damit ist gemeint, dass die Bedeutung einer Konstruktion sich nicht aus der Bedeutung der einzelnen Konstituenten der Konstruktion ableiten lässt. In ihrem späteren Werk (2006) bildet dieses Charakteristikum kein obligatorisches Prinzip mehr, um von Konstruktionen zu reden, solange diese Strukturen in einer Sprache fest verankert sind, das heißt mit hinreichender Frequenz vorkommen. So drückt zum Beispiel die sogenannte caused-motion-Konstruktion die Bedeutung ›X causes Y to move Z‹ (X veranlasst Y, Z zu bewegen) (Goldberg 1995: 3) aus. In dem berühmten Beispiel Pat sneezed the napkin off the table (›Pat niest die Serviette vom Tisch‹) verursacht etwa das Niesen die Bewegung der Serviette herunter vom Tisch. Die Bedeutung der Konstruktion ist so dominant, dass das intransitive Verb niesen in dieser Konstruktion transitiv gebraucht wird. Somit hat die Konstruktionsgrammatik einen anderen Ansatz als die Valenztheorie, bei der das Verb den Kern des Satzes bildet und eine Anzahl von Argumenten regiert. In der Konstruktionsgrammatik »steuert die Konstruktion als Ganzes irreduzible Bedeutungsaspekte zur Satzbedeutung bei« (Ziem & Lasch 2013: 21). Eine besondere Klasse der Konstruktionen bilden bei Goldberg (1995 & 2006) sogenannte Argumentstruktur-Konstruktionen, da sie die konstituierenden Elemente auf der Satzebene bilden. Ein und dasselbe Verb kann zur Bildung verschiedener Satzstrukturen beitragen, wie beispielsweise schlagen in den folgenden Konstruktionen: (1) Peter hat seinen kleinen Bruder geschlagen. (transitiv) (2) Peter schlug den Verbrecher bewusstlos. (resultativ) (3) Peter schlug sich den Kopf. (reflexiv) 100 3. Konstruktionen und Chunks Neben diesen Konstruktionen und der oben erwähnten caused-motion-Konstruktion hat Goldberg (1995 & 2006) weitere Konstruktionen beschrieben: die ditransitive motion mit zwei Objekten wie in Peter gibt Maria ein Stück Kuchen, die intransitive motion wie in Er setzte sich aufs Sofa und die konative wie in Der Affe griff nach der Banane. Konstruktionen sind durch verschiedene Grade an Komplexität und Abstraktheit gekennzeichnet. So ist etwa die Passivkonstruktion abstrakter als eine konkrete Realisierung einer Konstruktion wie in Die Schokolade wurde von den Kindern gegessen. Zu hinterfragen ist, ob all diese Konstruktionen nebeneinander zur Verfügung stehen oder ob sie miteinander vernetzt sind. Folgender Abschnitt befasst sich näher mit dieser Frage. 3.1.3 Das Konstruktionsinventar Wie sind nun all diese Konstruktionen überhaupt in unserem Gehirn repräsentiert? Sind sie als allgemeine Regeln gespeichert oder sind auch konkrete Beispiele enthalten? Das konstruktions-linguistische Modell postuliert, dass die Gesamtheit an Konstruktionen einer Sprache in einem strukturierten Inventar organisiert ist. Konstruktionen ergeben sich aus Generalisierungs- und Schematisierungsprozessen und haben schon auf der abstrakten Ebene eine eigene Bedeutung. Sie sind nicht isoliert zu betrachten, sondern oft als Instanziierungen um einen etwas abstrakteren Prototypen organisiert und durch sogenannte Vererbungsbeziehungen aneinander gebunden, das heißt durch Polysemie, durch metaphorische Erweiterung, durch Teil-von- oder Instanz-von-Beziehungen. Dies wollen wir anhand einiger Konstruktionen mit der deutschen Präposition bis veranschaulichen. Diese Präposition wird in Abhandlungen über Präpositionen weitgehend außer Acht gelassen (Carstensen 2000; Cuyckens & Radden 2002; Grießhaber 2009; Lutzeier 1995; Rauh 1991; und Zelinsky-Wibbelt 1993) oder mit nur unpräzisen oder undeutlichen Aussagen beschrieben. So seien Beispiele mit bis »sehr verwickelt und verlangen oft Umdeutungen« (Klein 1991: 88) oder »bis und je haben außergewöhnliche Rektionseigenschaften« (Lehmann & Stolz 1992: 15). Für Wunderlich (1984: 76) ist bis »die prototypische Präposition, die eine Präpositionalphrase als Argument verlangt und daher gar keinen Kasus zuweist«. Diese spärlichen Beschreibungen sind aus mehreren Gründen nicht sehr hilfreich. Einerseits wird der Präposition bis ein problematischer Sonderplatz zugewiesen, andererseits werden die kurzen Aussagen der vielfältigen syntaktischen und semantischen Variation der Strukturen mit bis nicht gerecht. Bei genauerem Betrachten der Beispiele mit bis stellt sich schnell heraus, dass diese Präposition in sehr verschiedenen Präpositionalgruppen und Konstruktionen benutzt werden kann, wie folgende Beispiele illustrieren: (4) Der Weg bis an die Grenze ist gleich gefunden. ( DWDS Kernkorpus) (5) Große Spieler sitzen spät bis in die Nacht. (Cosmas II : I00 / DEZ .75 273) (6) Ich werde dich lieben bis in den Tod. ( DWDS Kernkorpus) (7) Der Prinz bewaffnete sich bis an die Zähne. ( DWDS Kernkorpus) (8) Die Wut steht ihm bis über den Kopf. ( DWDS Kernkorpus) (9) Wir kämpfen bis zum Sieg! (Cosmas II : K00 / OKT .78 443) (10) […] Schnee bis an den See hinunter. (Cosmas II : A00 / MAR .16 690) 101 3.1 Grammatik als Konstruktionsinventar Diese kurze Liste reicht, um festzustellen, dass die meisten Beispiele von Konstruktionen mit bis zusammen mit einer weiteren Präpositionalphrase vorkommen [bis + PP ]). In seltenen Fällen ist die mit der Präposition bis auftretende Phrase keine Präpositionalphrase, die durch eine weitere Präposition eingeführt wird, da der Kern der Phrase entweder ein Nomen ohne Determinanten oder ein Adverb ist, etwa in Wir bleiben bis Morgen oder Bis bald! Die Auswahl der zweiten Präposition ( PRÄP 2) hängt von der Bedeutung des folgenden Nomens ab, mit dem eine Art semantisches Raster festgelegt wird. Im Gegensatz zu anderen Sprachen (vergleiche dazu Hottenroths (2002) Beschreibung vom französischen jusque ›bis‹) ist im Deutschen eine Vielfalt an Präpositionen zur Einleitung der Präpositionalphrase nach bis möglich: bis an die Grenze, bis in die Nacht, bis in den Tod, bis über den Kopf, bis unter das Dach, bis hinter den Horizont, bis zum Gartentor, bis ans Knie, bis vor Jahren etc. Die meisten Präpositionen, die nach bis vorkommen, sind modaler Natur, sie drücken eine Art und Weise aus. In dieser Vielfalt lässt sich eine prototypische Konstruktion erkennen, die eine räumliche Bedeutung ausdrückt, entweder realisiert als räumlichen Pfad, wie etwa in (4) Der Weg bis an die Grenze ist gleich gefunden. ( DWDS Kernkorpus) oder als räumlichen Endpunkt, wie etwa in (9) Wir kämpfen bis zum Sieg! (Cosmas II : K00 / OKT .78 443). Diese Bedeutung motiviert auch den Akkusativ-Kasus nach PRÄP 2, wenn diese eine Wechselpräposition ist, nach der der Akkusativ oder der Dativ möglich ist. Da ein dynamischer Vorgang mit Bewegung zum Ausdruck kommt, wird der Akkusativ nach PRÄP 2 privilegiert. Die Konstruktion mit der Präposition bis drückt auch oft eine temporale Bedeutung aus, wie zum Beispiel in (5) Große Spieler sitzen spät bis in die Nacht. (Cosmas II : I00 / DEZ .75 273) Der temporalen Bedeutung liegt eine sogenannte konzeptuelle Metapher (Lakoff & Johnson 1980) der Art Zeit ist Raum zugrunde, was die metaphorische Erweiterung der Konstruktion vom Prototypen mit räumlicher Bedeutung und auch den Akkusativ-Kasus nach PRÄP 2, wenn sie eine Wechselpräposition ist, rechtfertigt. In folgendem Beispiel wird nicht nur eine Zeit ausgedrückt, sondern darüber hinaus auch eine Intensität: (6) Ich werde dich lieben bis in den Tod. ( DWDS Kernkorpus) Dieses letzte Beispiel illustriert den nicht-kompositionellen Charakter von Konstruktionen (vergleiche auch Dirven & Ruiz de Mendoza Ibanez 2010: 25). Weiter kann die Konstruktion mit bis auch nur eine Intensität ausdrücken, wie etwa in: (7) Der Prinz bewaffnete sich bis an die Zähne. ( DWDS Kernkorpus) (11) Die Älteren sind eifrig und motiviert bis unter die Haarspitzen. (Cosmas II : M02 / FEB .10 642) 102 3. Konstruktionen und Chunks Auch diese Beispiele sind nicht-kompositionell zu verstehen und enthalten oft Bezeichnungen für Körperteile, was aus kognitionslinguistischer Sicht nicht überrascht. In diesem Sinne werden oft durch den Prozess des sogenannten embodiment (Lakoff 2008) konkrete Ausdrücke (Körperteile oder -funktionen) für abstraktere Erfahrungsdomänen benutzt. Auch hier liegt eine metaphorische Erweiterung vor. Um das Inventar an Instanziierungen der Konstruktion mit bis vollständig zu beschreiben, muss noch die Kombination dieser Präposition mit der zweiten Präposition auf erwähnt werden. Diese Konstruktion kann dann einen Ausschluss oder eine Einschränkung beziehungsweise ein totales Einschließen oder eine Vollendung ausdrücken: (12) Bis auf einen haben alle Bewährungsstrafen erhalten. (Cosmas II : RHZ 00 / JAN .07 520) (13) Er war nackt bis auf einen langen breiten Lendenschurz und die Mokassins. (Cosmas II : GR 1 / TL 1.04547) In diesen Beispielen illustrieren die beiden Präpositionen die Bedeutungslesart ›alle außer‹. Nach der Präposition auf wird meistens ein Zahladjektiv benutzt, etwa ein. Dieses Zahladjektiv darf nicht verwechselt werden mit einem indefiniten Artikel, der dieselbe Form hat. Die folgenden Beispiele dagegen drücken eine Vollendung oder totales Einschließen aus, etwa (14) …-ist der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. (Cosmas II : A00 / JAN .03 295) (15) Wir haben den Fleck bis auf die letzte Spur entfernt. (Cosmas II : A00 / JAN .00 484). Die Disambiguierung zwischen den beiden Interpretationen findet dank des größeren Kontextes statt. In Beispiel (12) ist das Sprachzeichen alle zur Bezeichnung einer größeren Gruppe oder Menge zu finden, was mit [bis + PP auf] eingeschränkt wird. Nach Radden & Dirven (2007: 121) entsprechen diese Kollokate sogenannten full-set quantifiers. In Beispiel (13) drückt das Sprachzeichen nackt metonymisch die Idee der totalen Entblößung aus: Wenn jemand nackt ist, dann setzt es voraus, dass alle Kleidungsstücke ausgezogen worden sind. In den Beispielen (14) und (15) tritt dagegen ein definiter Artikel vor dem Nomen in der Präpositionalgruppe auf, das heißt es wird keine Quantifizierung ausgedrückt. 103 3.1 Grammatik als Konstruktionsinventar 3.1.4 Zusammenfassung Konstruktionen mit der Präposition bis bilden aus mehreren Gründen einen interessanten Untersuchungsgegenstand. ▶ Zuerst veranschaulichen sie die große Variation an Ausdrücken für Bewegungsabläufe (siehe oben), die für die deutsche Sprache typisch ist. Diese Vielfalt gibt es in vielen anderen Sprachen nicht, wie der Übersetzer dieser Konstruktionen feststellen kann. ▶ Weiter wird die Stärke des konstruktions-linguistischen Ansatzes mit diesen Konstruktionen deutlich. Die Konstruktionsgrammatik privilegiert einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Kognition und sieht die Grammatik als ein kognitives Konstrukt, das zugrundeliegende Konzeptualisierungen zum Ausdruck bringt. Es ist für die Lerner wichtig, dass sie sich mit solchen Konzeptualisierungen vertraut machen. ▶ Ein weiterer Vorteil des konstruktionistischen Modells besteht darin, dass die Bedeutung einzelner Wörter im Rahmen von größeren Sequenzen definiert und Konstruktionen nicht isoliert betrachtet werden, sondern als Teil eines strukturierten Konstruktionsinventars. Dieser Abschnitt hat gezeigt, dass sich für die Beschreibung der Gebrauchsmöglichkeiten der Präposition bis ein solches Inventar am besten eignet. 3.1.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Mit welchen Spracheinheiten befassen sich die Modelle der Konstruktionsgrammatik? 2. Wie werden diese Einheiten definiert? 3. Welche Vorteile bietet die Konstruktionsgrammatik für den Fremdsprachenunterricht? 4. Beschreiben Sie die semantischen Gebrauchsmöglichkeiten der Präposition bis. 5. Erklären Sie, wie die einzelnen Konstruktionen mit bis miteinander verknüpft sind. 104 3. Konstruktionen und Chunks 3.2 Konstruktionen im Fremdsprachenlernen Sabine De Knop Bevor wir uns weiter mit dem Begriff der Konstruktionen befassen, möchten wir kurz auf die historischen Hintergründe zurückblicken und sehen, wo das Interesse für größere Sequenzen im Fremdsprachenunterricht herkommt. Weiter wollen wir zeigen, inwiefern sich das Modell der Konstruktionsgrammatik von früheren Auffassungen unterscheidet und was den Mehrwert dieses neuen Modells ausmacht. Es gibt viele Möglichkeiten, die Erkenntnisse der Konstruktionsgrammatik für den Fremdsprachenunterricht zu implementieren. Im konstruktions-linguistischen Sinne heißt das Fremdsprachenlernen, dass Lerner eine neue Reihe konventionalisierter Form- Bedeutungspaare erwerben müssen, die in der Fremdsprache benutzt werden, um bestimmte Ereignisse oder Situationen zu konstruieren (Ellis & Cadierno 2009: 125). Die Vorteile einer Beschreibung von Strukturen im Rahmen des konstruktionistischen Modells werden mit dem Gebrauch der deutschen Lokalisierungsverben stellen, legen und setzen veranschaulicht. Wie schon in der ersten Lerneinheit mit den Beispielen mit der Präposition bis gezeigt wurde bilden die verschiedenen Konstruktionen ein strukturiertes Inventar. Im Folgenden wird deutlich, wie die Strukturierung möglich ist. Dies kann für den Fremdsprachenunterricht genutzt werden. Lernziele In dieser Einheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ frühere Studien zum Thema Sprachsequenzen, Schablonen etc. kennenlernen; ▶ verstehen können, warum es für den Fremdsprachenunterricht wichtig ist, sich mit größeren Spracheinheiten zu befassen; ▶ erkennen können, dass Konstruktionen nicht isoliert zu betrachten sind, sondern dass sie mit anderen Konstruktionen verbunden sind; ▶ sich näher mit Lokalisierungsverben und deren Gebrauch in größeren Konstruktionen befassen können. 3.2.1 Die audiolinguale Methode Vor etwa siebzig Jahren entwickelte sich aus dem Strukturalismus und Behaviorismus, und als Reaktion auf die bis dahin geltende Grammatik-Übersetzungs-Methode, ein neuer Ansatz für den Fremdsprachenunterricht: die audiolinguale Methode. Vorreiter dieser Methode war Lado (1943), der aus Anwendungen für britische Soldaten, die im zweiten Weltkrieg eine Fremdsprache vor ihrem Einsatz schnell erlernen sollten, Listen mit relevanten Strukturen (auch patterns genannt) in der jeweiligen Fremdsprache entwickelte. Dies führte schließlich 1961 zur pattern practice. Diese Methode, die meistens im Sprachlabor praktiziert wurde, beruhte auf dem automatischen Wiederholen (und dem Drill) von sogenannten Sprachmustern oder Sprachschablonen (Englisch: language patterns, Lado & Fries 1967), die als »the 105 3.2 Konstruktionen im Fremdsprachenlernen significant framework[s] of the sentence« (Lado & Fries 1967: XV ) identifiziert wurden. Lexikalische Elemente wurden als Füllwörter (Englisch: slot-fillers) für bestimmte Positionen innerhalb gleicher Wortklassen in den Schablonen aufgefasst. Als Beispiel sei die Fragestellung mit dem Hilfsverb do im Englischen erwähnt. Zum Üben dieser Schablone hören die Lerner zuerst die Struktur Do you see the train? (›Siehst du den Zug? ‹), dann erhalten sie andere Lexeme und sollen train etwa durch ship ›Schiff‹, truck ›Laster‹, car ›Auto‹ etc. ersetzen. Durch das Wiederholen wird die Schablone immer wieder geübt. Hiermit wird aber klar, dass die Bedeutung und überhaupt die kommunikative Funktion der Schablonen beim Erlernen der Fremdsprache weitgehend außer Acht gelassen wurden. Es ging eher um eine bloße Wiederholung von Sprachstrukturen, bei denen lexikalische Elemente im selben Paradigma durch andere substituiert werden konnten. Das zugrundeliegende Prinzip dieser Methode basiert auf der Annahme, dass die Hauptstrukturen einer Fremdsprache geübt werden können, ohne dass der Lerner erfährt, was er oder sie genau sagt (Politzer 1961: 19). Als Konsequenz wurde der Fremdsprachenunterricht ganz im Sinne behavioristischer Lernmodelle auf einen mechanischen Prozess der Gewohnheitsbildung (Englisch: habit formation, Ellis 1990: 27) reduziert. Aus der audiolingualen Methode entwickelten sich später die Fehleranalyse (Corder 1967) und die kontrastive Analyse (unter anderem Wardhaugh 1970), bei denen auf Sprachstrukturen fokussiert wurde, die den Lernern die meisten Schwierigkeiten bereiten. Es überrascht nicht, dass die Methode der mechanischen Gewohnheitsbildung (Ellis 1990: 27), die auf dem fast automatischen Erlernen von Sprachstrukturen beruht, rasch kritisiert wurde (unter anderem durch Chomsky (1959) oder Lenneberg (1967)). Vor allem der nichtauthentische Charakter der zu lernenden Sprachstrukturen ermöglicht es den Lernern nicht, neue Sätze zu verstehen, geschweige zu produzieren. Die kommunikativen Situationen waren meist stark abstrahierte, nicht authentische ohne Bezug zur Lebenswirklichkeit der Lerner. Aber die audiolinguale Methode mit ihrem Fokus auf längere Sequenzen inspirierte doch die spätere Fremdsprachendidaktik. Dies wollen wir im folgenden Abschnitt näher beschreiben. 3.2.2 Fokus auf bedeutungsvolle Wortsequenzen In den letzten Jahren hat die Fremdsprachendidaktik die Notwendigkeit erkannt, sich auf größere Sequenzen von Wörtern zu beziehen, um eine Fremdsprache erfolgreich zu lernen. Allerdings sollen diese Sequenzen bedeutungsvoll und -tragend sein und kommunikativen Situationen und Zielen (Nunan 1991; Widdowson 1992; Savignon 2000) gerecht werden. Diese Einsicht entspringt der Erkenntnis, dass fluent and idiomatic control of a language rests to a considerable extent on knowledge of a body of ›sentence stems‹ which are ›institutionalized‹ or ›lexicalized‹. A lexicalized sentence stem is a unit of clause length or longer whose grammatical form and lexical content is wholly or largely fixed.-[…] In the store of familiar collocations there are expressions for a wide range of familiar concepts and speech acts, and the speaker is able to retrieve these as wholes or as automatic chains from the longterm memory. (Pawley & Syder 1983: 191f) 106 3. Konstruktionen und Chunks Selbst das Wortschatzlernen wird oft als Kollokationslernen (Hausmann 1984) aufgefasst. So behauptet Wray (2002: 192), dass der Erfolg in einer Fremdsprache sehr stark von der Fähigkeit abhängt, Sequenzen zu lernen. Aus demselben Grund betont Gonzalez Rey (2013: 7): »Learners need to be provided with a stock of prefabricated units in order to improve their communication skills«. Größere Wortsequenzen sind in der Linguistik (und weiter in der Fremdsprachendidaktik) je nach Ansatz als präfabrizierte Schablonen (Englisch: prefabricated patterns, Wong-Fillmore 1976), Kollokationen (Hausmann 1984), lexikalische Phrasen (Nattinger & DeCarrico 1992), formelhafte Sprache (Wray 2002), Chunks (Handwerker 2008; Handwerker & Madlener 2006) oder weiter als Konstruktionen (Ellis & Cadierno 2009; Ellis & Ferreira-Junior 2009a, 2009b; Robinson & Ellis 2008) untersucht worden. (Diese Liste erhebt nicht den Anspruch, vollständig zu sein. Die einzelnen Referenzen dienen nur als Beispiele). Wong-Fillmore (1976) ist eine der ersten vollständigen Studien zu präfabrizierten Sprachschablonen im kindlichen Spracherwerb. Sie untersucht Daten von spanisch-sprechenden Kindern beim Erlernen der englischen Sprache und kommt zu der Feststellung, dass präfabrizierte Strukturen eine Hauptrolle im Spracherwerb spielen. Nattinger & DeCarrico (1992: 114) sehen verschiedene Vorteile beim Erlernen einer Fremdsprache mit lexikalischen Phrasen. Sie werden als Ganzes gespeichert und sind leicht abrufbar. Da sie in kommunikativen Situationen eingebettet sind, sind sie leichter zu behalten und bieten eine effiziente Möglichkeit, mit anderen Teilnehmern zu interagieren. Wenn die Lerner fortgeschrittener sind, kann man die Phrasen in kleinere bedeutungsvolle Einheiten segmentieren. Den nächsten Schritt bezeichnen Nattinger & DeCarrico (1992: 117) folgendermaßen: »to introduce the students to controlled variation in these basic phrases with the help of simple substitution drills, which would demonstrate that the chunks learnt previously were not invariable routines, but were instead patterns with open slots«. 3.2.3 Abstrakte Konstruktionen und Instanziierungen Auch das konstruktions-linguistische Modell Goldbergs (1995 & 2006) geht von Sprachschablonen mit offenen Slots aus, allerdings ist es das erste Modell, das abstrakte Konstruktionen mit eigener Bedeutung postuliert. Dies bietet den Vorteil, dass die Lerner aufgrund ihrer Kenntnis der Konstruktion unmittelbar deren Bedeutung erkennen. Die Gesamtbedeutung der Konstruktion ist sogar vordergründiger als die Bedeutung ihrer konstituierenden Elemente. Wie bei der Beschreibung der Konstruktionen mit der Präposition bis deutlich wurde, werden Konstruktionen nicht isoliert, sondern in einem vernetzten Inventar betrachtet, bei dem einige Konstruktionen als prototypisch anzusehen sind, während andere durch Vererbungsbeziehungen mit den Prototypen verbunden sind. Die prototypischen Konstruktionen sind meistens konkreter, erweiterte Konstruktionen können durch Polysemie-, Metapher-, Instanziierung-von- oder Teil-von-Beziehungen mit dem Prototyp verknüpft sein. Dies hat Folgen für den Fremdsprachenunterricht. Es ist demnach empfehlenswert, zuerst die Prototypen als stabile Exemplare zu unterrichten, und erst danach die metaphorischen Erweiterungen. Durch die Organisation von Konstruktionen um einen Prototypen herum, 107 3.2 Konstruktionen im Fremdsprachenlernen lässt sich auch die Anzahl der Ausnahmen bei der Erklärung der Systematik sprachlicher Strukturen erheblich reduzieren. Auch wenn die Lerner eine Reihe von konstruktionellen Schablonen gelernt haben, bedeutet es nicht automatisch, dass sie Konstruktionen und Instanziierungen von Konstruktionen aktiv und kreativ produzieren können. Die entscheidende Frage im Fremdsprachenunterricht und -lernen ist, wie das Praktizieren von Konstruktionen in einem kommunikativen Rahmen geübt werden und erfolgen kann. Schwierigkeiten beim Erlernen einer Fremdsprache ergeben sich aus den linguistischen und konzeptuellen Unterschieden zwischen der Muttersprache und der Fremdsprache: »[…]-the categorization systems that we build up due to our L1 cause us to form habits that are hard to break when we encounter a different language with different categorization systems« (Littlemore 2009: 29). Das bedeutet für die Lerner, dass sie ihre Aufmerksamkeit neu orientieren und die konzeptuellen und linguistischen Aspekte, die in der Fremdsprache relevant sind, beachten müssen. Dabei ist zuerst eine Bewusstseinsbildung für die konzeptuellen Unterschiede zwischen der Muttersprache und der Fremdsprache nötig. Roberson (2005: 66) behauptet: »a critical component on any category learning is increased selective attentional weighting of salient dimensions«. Dies erinnert an Schmidts (1990; 2001) noticing hypothesis. Diese Hypothese besagt, dass Lerner sich fremde Strukturen erst dann aneignen können, wenn diese vorher bewusst wahrgenommen worden sind. Wir wollen im Folgenden mit Beispielen von deutschen Konstruktionen mit Lokalisierungsverben veranschaulichen, wie man dies erzielen kann. 3.2.4 Deutsche Konstruktionen mit Lokalisierungsverben Während die französische Sprache allgemeine Verben benutzt, um die Lokalisierung von Objekten und Personen zum Ausdruck zu bringen (etwa mettre ›hintun‹ oder placer ›platzieren‹), verfügt die deutsche Sprache über eine Reihe von spezifischen Lokalisierungsverben (siehe auch De Knop 2016; De Knop & Gallez 2013; Fagan 1991), wie etwa legen für eine liegende Position, stellen für eine vertikale Orientierung, setzen für eine sitzende Position (vergleiche Serra Borneto 1996: 377). Für weitere Lokalisierungen gibt es die Verben hängen, stecken etc. Auch im Französischen gibt es eine Reihe von Verben, die diese Orientierungen ausdrücken können (etwa (se) coucher ›(sich) hinlegen‹, (se) lever / mettre debout ›(sich) hinstellen‹, (s’) asseoir ›(sich) hinsetzen‹, pendre / accrocher ›hängen‹, fourrer ›stecken‹ etc.), allerdings werden sie seltener benutzt und sind nicht wie im Deutschen obligatorisch in Aussagen über das Platzieren (siehe auch Ameka & Levinson 2007; Gullberg 2009). Hierunter sind einige kontrastive Beispiele zu finden: (1) a. Papa met le journal sur la table. b. Vati legt die Zeitung auf den Tisch. (2) a. Papa met le vase sur la table. b. Vati stellt die Vase auf den Tisch. (3) a. Papa met le bébé dans la chaise. b. Vati setzt das Baby in den Kinderstuhl. 108 3. Konstruktionen und Chunks (4) a. Papa met le cadre au mur. b. Vati hängt das Bild an die Wand. Die Schwierigkeiten für die Lerner sind unterschiedlicher Natur. Zuerst müssen die französischsprechenden Lerner realisieren, dass für ein einziges Konzept in ihrer Muttersprache verschiedene Konzepte im Deutschen zur Verfügung stehen. Littlemore (2009: 29) weist darauf hin, dass »[t]hings become even more difficult for language learners when a concept that is divided into two broad categories in their own language is divided into, say, three categories in the target language«. Es herrscht eine Asymmetrie in der Kodierung der Platzierung zwischen den beiden Sprachen (Narasimhan, Kopecka, Bowerman, Gullberg & Majid 2012: 3), was oft seitens der Lerner zu einer Vereinfachung durch den Nicht-Gebrauch von verschiedenen Lokalisierungverben führt (Gullberg 2009: 8). Eine weitere Schwierigkeit für den Lerner besteht darin, die Lokalisierung der Objekte und Lebewesen in ihrer Orientierung zu unterscheiden. Dies gilt ganz besonders für die abstrakteren Gebrauchsmöglichkeiten dieser Verben. Was etwa rechtfertigt den Gebrauch des Lokalisierungsverbs setzen in folgendem Satz: (5) Im Deutschen muss man ein Komma zwischen 2 Sätze setzen. Noch schwieriger ist der Gebrauch von Lokalisierungsverben in Kollokationen oder sogenannten Funktionsverbgefügen (vergleiche Eisenberg 2013), wie etwa (6) in Verbindung setzen; (7) in den Vordergrund stellen. Serra Borneto definiert das Problem bei seiner Beschreibung der verwandten Positionsverben stehen und liegen wie folgt: […] locative verbs like stehen and liegen are simply devices the speaker uses to convey information about the orientation of the object(s) he is referring to in discourse. Thus, in order to decide how to characterize the position of an object, the speaker first has to set his attention on the most relevant dimension of the object and then must match it with one of the abstract spatial axes. These cognitive operations of course imply a certain amount of »schematization,« which is ›a process that involves the systematic selection of certain aspects of the referent scene to represent the whole, while disregarding the remaining aspects.‹ (Talmy 1983: 225), because one particular feature of the overall shape of the object is isolated in order to determine its orientation. (Borneto 1995: 462) Eine Fremdsprache zu lernen bedeutet demnach, als Lerner die Aufmerksamkeit neu zu orientieren und auf verschiedene Aspekte in der visuellen Szenerie zu fokussieren. Athanasopoulos (2009: 92) spricht von einer »kognitiven Restrukturierung im Geist von Zweisprachigen«. Robinson und Ellis (2008) befürworten ein rethinking for speaking. Dabei ist der Lehrer oder die Lehrerin besonders gefordert, da er oder sie auf die Unterschiede aufmerksam machen muss. Vergleichende Beispiele zwischen Französisch und 109 3.2 Konstruktionen im Fremdsprachenlernen Deutsch, wie sie oben schon erwähnt wurden, sind sicher ein guter Einstieg in die Materie. Am besten wird mit Lesarten angefangen, bei denen es um die konkrete Position geht, wie durch die obigen Beispiele illustriert. Danach kann über die Lokalisierung und die nicht-konkrete Position geredet werden, etwa (8) Die Fliege setzt sich auf den Kuchen. Bei diesem Beispiel kann auf die Tatsache hingewiesen werden, dass Insekten und Vögel im Deutschen als sitzend erlebt werden, auch wenn sie einfach auf ihren Beinen stehen. Ein weiteres Beispiel betrifft den Gebrauch von setzen für Elemente in Körperteilen, die als eine Art Container aufgefasst werden, wie etwa (9) Der Chirurg setzte eine Prothese in die Hüfte. Oder es wird ein Kontakt veranschaulicht: (10) Er setzte seine Brille schief auf die Nase. (11) Der Räuber setzte das Messer an ihre Kehle. Das Lokalisierungsverb setzen kann noch abstrakter benutzt werden, und zwar wenn es metaphorisch gebraucht wird: (12) Er hat volles Vertrauen in seine Schwester gesetzt. (13) Der Lehrer setzt ein Komma zwischen diese beiden Wörter. (14) Hast Du nicht vergessen, diesen Diskussionspunkt auf die Tagesordnung zu setzen? Eine gewisse Systematik über die verschiedenen Gebrauchsmöglichkeiten dieser Verben ist auch hilfreich. Dies kann aber nicht die Form von langen Eigenschaftslisten annehmen, wie sie von Gerling und Orthen (1979) zur Beschreibung deutscher Zustands- und Bewegungsverben vorgeschlagen werden. Um etwa die lokal-relationalen Zustandsverben zu gliedern, zu denen nach beiden Autoren sitz, steh, wohn, zelt, ruh, hock etc. gehören, schlagen sie folgende Merkmale vor: »einen inneren Aufenthaltsort, einen äußeren Aufenthaltsort, eine haltungsbezogene Position, eine richtungsbezogene Position, eine Position mit festem Kontakt, eine Position mit lockerem Kontakt« (1979: 64). Diese Merkmale sind sehr spezifisch und schwer zu unterscheiden. Für die Lerner sind sie daher keine große Hilfe. Vielmehr kann der Lehrer oder die Lehrerin nach der Beispielsuche eher auf folgende semantische Kategorien verweisen, wie sie in der Tabelle zum Gebrauch des Lokalisierungsverbs setzen unten gezeigt werden (die folgenden Tabellen sind inspiriert von den Beschreibungen der deutschen und niederländischen Positionsverben in De Knop & Perrez 2014): 110 3. Konstruktionen und Chunks GEBRAUCH BESCHREIBUNG BEISPIELE Position In eine sitzende Position bringen Das Ehepaar setzte sich an den Tisch. Die Mutter setzt das Baby auf die Kommode. Lokalisierung Lokalisierung von kleinen Tieren (+ Insekten) Das Rotkehlchen setzt sich in den Baum. Die Fliege setzt sich auf den Kuchen. Container Die Polizei setzte den Kriminellen ins Gefängnis. Der Chirurg setzt eine Prothese in die Hüfte. Kontakt Er setzt die Brille auf die Nase. Der Bandit setzte ein Messer an ihre Kehle. Metaphorisch Container Er hat sein Vertrauen in seine Schwester gesetzt. Geschriebener Text Der Lehrer setzte ein Komma zwischen die Wörter. Einen Diskussionspunkt auf die Tagesordnung setzen. Tabelle 3.1: Gebrauchsmöglichkeiten von setzen Solch eine systematische Tabelle, die auf die Semantik und die Gebrauchsmöglichkeiten eines Verbs verweist, kann auch für die anderen Lokalisierungsverben präsentiert werden, etwa für stellen und legen: GEBRAUCH BESCHREIBUNG BEISPIELE Position Auf eine Basis platzieren Stell bitte die Teller auf den Tisch. Lokalisierung Vertikal platzieren wenn keine Basis Stell bitte die Teller in die Spülmaschine. Metaphorisch In eine kanonische Position platzieren Vor eine Entscheidung stellen Vor Gericht stellen Tabelle 3.2: Gebrauchsmöglichkeiten von stellen Der Lehrer oder die Lehrerin kann auf die Besonderheit des Gebrauchs von stellen hinweisen, bei dem die Vertikalität nicht eine primäre Rolle spielt. Vielmehr ist die Konzeptualisierung einer Basis mit den platzierten Elementen für die Benutzung von stellen wichtig. Dies erklärt zum Beispiel, warum ein nicht-vertikaler Gegenstand wie ein Bett hingestellt wird und nicht hingelegt. GEBRAUCH BESCHREIBUNG BEISPIELE Position Auf die Seite / nicht auf die Basis platzieren (+ eventuell horizontale Orientierung) Wo hast du meine Schuhe hingelegt? Die Mutter legte das Baby ins Bett. Die Henne legt ein Ei. Lokalisierung Lokalisierung von Entitäten ohne Dimensionen Er hat den Ball in den Sand gelegt. Geotopographische Lokalisierung Der Nebel legt sich über die Stadt. Der Wind / Der Sturm legt sich. 111 3.2 Konstruktionen im Fremdsprachenlernen GEBRAUCH BESCHREIBUNG BEISPIELE Metaphorisch Abstrakte Entitäten Der Streit / Die Aufregung legt sich. Etwas zu den Akten legen Skala Den Fokus / den Akzent / den Schwerpunkt auf etwas legen Tabelle 3.3: Gebrauchsmöglichkeiten von legen Es wird auch deutlich, dass der Kontext der Lokalisierungsverben eine wichtige Rolle spielt und dass eine Beschreibung und ein Lernen dieser Verben in den entsprechenden Konstruktionen nützlich sind. Wie dies stattfinden kann, wollen wir in der nächsten Lerneinheit besprechen. 3.2.5 Zusammenfassung Die Lerneinheit hat sich mit folgenden Themen intensiver befasst: ▶ Die Idee, beim Erlernen einer Fremdsprache von größeren Sprachsequenzen auszugehen, ist nicht neu, sondern entsprang der pattern practice, die in Sprachlabors praktiziert wurde. ▶ Das Modell der Konstruktionsgrammatik mit dem Postulat einer prototypischen Konstruktion, die bestimmte Eigenschaften an weitere Konstruktionen vererbt, bietet neue Möglichkeiten, Konstruktionen als ein Netzwerk zu beschreiben. ▶ Dies wurde mit einer Darstellung der gebräuchlichsten deutschen Lokalisierungsverben setzen, stellen und legen veranschaulicht. ▶ Es soll auch auf die metaphorische Sprache hingewiesen werden, da einige Gebrauchsmöglichkeiten der Lokalisierungsverben nur über Metaphern erklärt werden können. Beim Gebrauch von etwa setzen in Verbindung mit Körperteilen ist die Kontakt-Metapher von entscheidender Bedeutung, zum Beispiel Er setzt die Brille auf die Nase. ▶ Mit fortgeschrittenen Lernern kann auch über die Wahl der Positions- und Lokalisierungsverben in Kollokationen (siehe etwa Konecny 2010) oder sogenannten Funktionsverbgefügen (Eisenberg 2013) geredet werden. Auch da kann eine Beschreibung in semantischen Netzwerken helfen. 3.2.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Woher kommt die Idee im Fremdsprachenunterricht, sich mit größeren Spracheinheiten zu befassen? 2. Geben Sie eine Auswahl an Termini in der wissenschaftlichen Literatur, die zur Bezeichnung solcher Sequenzen benutzt wurden. 3. Beschreiben Sie die semantischen Gebrauchsmöglichkeiten der gebräuchlichsten deutschen Lokalisierungsverben. 112 3. Konstruktionen und Chunks 4. Welche Vorteile bietet die Konstruktionsgrammatik für die Beschreibung fremder Konstruktionen? 3.3 Chunking und Dechunking Sabine De Knop Es ist mit der Besprechung der Gebrauchsmöglichkeiten der Lokalisierungsverben deutlich geworden, dass sich die Schwierigkeiten im Lernprozess einer Fremdsprache oft aus den konzeptuellen Unterschieden zwischen der Muttersprache und der Fremdsprache ergeben. Aber die Lerner werden auch mit Schwierigkeiten konstruktioneller Natur konfrontiert. Im Zusammenhang mit den Lokalisierungsverben reicht es nicht aus, die verschiedenen semantischen Lesarten dieser Verben zu beherrschen, sondern es muss auch gelernt werden, in welchen Strukturen und mit welchen morpho-syntaktischen Eigenschaften diese Verben auftreten. Sicherlich haben Sie sich als Lehrer oder Lehrerin schon gefragt, wie Sie am besten Aufgaben gestalten, die das Erlernen bestimmter Sprachelemente fördern. Weiter stellt sich die Frage, wo Sie das passende Material (das heißt konkrete Übungen, einfache Regeln etc.) finden können. Eine erste Hilfe können die oben erwähnten Tabellen 3.1-3.3 bieten. Aber die einzelnen Beispiellisten sind zu beschränkt und sollten mit weiteren Beispielen ergänzt werden. Trotz der zahlreichen linguistischen Ressourcen bieten Fremdsprachenlehrwerke oft nur eine lexikalische Beschreibung mit simplifizierten und unstrukturierten Beispielsets, wie im Folgenden festzustellen ist. Lernziele In dieser Einheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ verstehen können, warum es sich lohnt, Konstruktionen zu unterrichten; ▶ eine Vorstellung davon bekommen, wie bestimmte Verben in Konstruktionen unterrichtet werden können; ▶ realisieren, dass eine Unterrichtsmethode, die von Konstruktionen ausgeht, eine integrative Methode ist, die es ermöglicht, mehrere Themen parallel zu beschreiben. 3.3.1 Konstruktionen in DaF-Lehrwerken In belgischen französischsprachigen Schulen werden oft folgende Lehrwerke zum Erlernen der deutschen Sprache benutzt: a) Aufderstraße, Hartmut; Bock, Heiko; Gerdes, Mechthild; Müller, Jutta & Müller, Helmut. 1992. Themen Neu 1: Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache. Kursbuch. München: Hueber. 113 3.3 Chunking und Dechunking b) Aufderstraße, Hartmut, Werner Bönzli & Walter Lohfert. 2005. Themen Neu 3: Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache. Kursbuch. München: Hueber. c) Aufderstraße, Hartmut, Jutta Müller & Thomas Storz. 2005. Lagune 1: Kursbuch. Deutsch als Fremdsprache. München: Hueber. d) Griesbach, Heinz. 1984. Deutsch mit Erfolg 2: Ein Lernprogramm für Erwachsene. Lehrbuch für Fortgeschrittene. Berlin; München: Langenscheidt. Allgemein zu beobachten ist, dass die Lehrwerke sich mehr mit den Positionsverben (etwa stehen, sitzen, liegen, hängen) als mit den Lokalisierungsverben befassen. In Themen Neu 1 (Aufderstraße et al. 1992) gibt es eine einzige Übung, bei der gefragt wird, was der Bär (als Symbolfigur für Berlin) macht (100): Der Lerner sieht eine Reihe von Bildern und bekommt eine Liste von Verben, darunter sind etwas legen und etwas stellen neben etwas schreiben, klettern, gehen etc. vorgesehen. Weiter wird kein Hinweis auf mögliche Strukturen angeboten. In Themen Neu 2 und Themen Neu 3 (Aufderstraße et al. 2005), die zur selben Reihe wie Themen Neu 1 (Aufderstraße et al. 1992) gehören, werden Lokalisierungsverben nicht mehr erwähnt. Das Positionsverb sitzen wird kurz in Themen Neu 3 (Aufderstraße et al. 2005) erwähnt, und zwar in Sätzen von Schülern und Schülerinnen, die in der Schule sitzen. Das Lehrwerk Lagune (Aufderstraße et al. 2005) hat drei Bände für die Niveaus A1, A2 und B1 in dem europäischen Referenzrahmen für Sprachen (vergleiche http: / / www.coe.int/ t/ dg4/ linguistic/ Cadre1_en.asp, Stand Dezember 2016). Nur in Lagune 1 (Aufderstraße et al. 2005) gibt es einige Übungen mit den Positions- und Lokalisierungsverben, die aber sehr konkret bleiben (Aufderstraße et al. 2005: 104ff), wie etwa Der Fisch liegt unter dem Tisch (105). Weiter werden die Positions- und Lokalisierungsverben kontrastiv und mit Bildern kurz illustriert, es bleiben aber sehr konkrete Ausdrücke. Das letzte Lehrwerk in der Liste, Deutsch mit Erfolg 2 (Griesbach 1984), ist ein Lehrwerk für Erwachsene, es enthält weniger Bilder, bietet aber mehr Erklärungen. Die Beispiele zu den Positions- und Lokalisierungsverben bleiben jedoch sehr konkret. In Lektion 15 ist ein Abschnitt den Positionsverben samt Präpositionen gewidmet. Fragen sollen mit den Lokalisierungsverben und die Antwort mit den entsprechenden Positionsverben ausgedrückt werden. Etwa Soll ich das Essen auf den Tisch stellen? Es steht ja schon auf dem Tisch (Griesbach 1984: 179). Nach demselben Muster sollen mit weiteren Substantiven Sätze gebildet werden, etwa der Tisch-- der Balkon, die Bücher-- der Schrank. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lehrwerke keine große Unterstützung für das Erlernen des Gebrauchs der Lokalisierungsverben bieten. Aus diesem Grunde haben wir uns weiter mit Grammatikbüchern beschäftigt und zwei für Anfänger oder Mittelstufe-Lerner (Aldenhoff 1994; Bouillon 2001) und zwei für Fortgeschrittene oder Universitätsstudenten (Helbig & Buscha 1991; Schulz & Griesbach 1978) näher betrachtet: e) Aldenhoff, Jules. 1994. Allemand: Grammaire Progressive Avec Exercices. Bruxelles: De Boeck, 178 p. f) Bouillon, Henri. 2001. Grammaire Pratique de l’Allemand. Bruxelles: De Boeck, 295 p. g) Helbig, Gerhard & Buscha, Joachim. 1991. Deutsche Grammatik: Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Leipzig; Berlin: Langenscheidt, 736 p. 114 3. Konstruktionen und Chunks h) Schulz, Dora & Griesbach, Heinz. 1978. Grammatik der Deutschen Sprache. München: Max Hueber, 475 p. Es ist interessant zu beobachten, dass keines der Grammatikbücher eine semantische Beschreibung der Lokalisierungsverben bietet. Lokalisierungs- und Positionsverben werden zum Teil gar nicht (etwa in Schulz & Griesbach 1978) beschrieben oder es werden nur bestimmte Aspekte angesprochen, wie etwa die Möglichkeit des Gebrauchs der Lokalisierungs- und Positionsverben in sogenannten Funktionsverbgefügen, wie etwa in Aussicht stellen, in Betrieb setzen etc. (etwa in Helbig & Buscha 1991). Bouillon (2001) beschreibt nur die morphosyntaktischen Kasus nach den Präpositionen mit den Positions- und Lokalisierungsverben. Man fragt sich also zu Recht, warum Lehrwerke und Grammatikbücher das Thema der Lokalisierungs- und Positionsverben außer Acht lassen, vor allem angesichts der Tatsache, dass deren Gebrauch im Deutschen obligatorisch ist und sie Lernern Schwierigkeiten bereiten. Die Lerner werden meistens allein gelassen, wenn es darum geht, die Lokalisierungsverben zu kombinieren und den richtigen Kasus in den Konstruktionen zu selektieren. Wie schon in Lerneinheit 3.2 besprochen, plädieren neuere Erkenntnisse in der Fremdsprachendidaktik für ein Lernen in Sequenzen oder Chunks (Handwerker 2008). Die zugrundeliegende Idee ist, dass »much of communication makes use of fixed expressions memorized as formulaic chunks« (Ellis & Cadierno 2009: 114). Kommunikation beruht auf solchen Sequenzen, entweder in der Form von Kollokationen, von Mehrwort-Sequenzen, von Holophrasen, von Phrasemen, von Idiomen und so weiter (Wulff 2012). Das Fremdsprachenlernen ist demnach »the learning of an inventory of patterns as arrangements of words with their associated structural meanings« (Ellis & Cadierno 2009: 114). Patterns sind hier nicht zu verstehen als fixierte, aber kontextlose Schablonen im Sinne der audiolingualen Methode, sondern als rekurrente, bedeutungsvolle Strukturen einer Sprache. 3.3.2 Lokalisierungsverben in caused-motion-Konstruktionen Wenn wir die Beispiele von Lokalisierungsverben in den oben erwähnten Tabellen betrachten, können wir feststellen, dass sie meistens in sogenannten caused-motion-Konstruktionen auftreten (siehe auch Berthele 2012, Hijazo-Gascón, Cadierno & Ibarretxe-Antuñano 2016; Lemmens 2006). Goldberg (1995) repräsentiert die beiden Ebenen der caused-motion-Konstruktion wie folgt: 115 3.3 Chunking und Dechunking Semantische Ebene: cause-move < cause theme goal > Syntaktische Ebene: Verb Subjekt Objekt Oblique Abbildung 3.1: Die caused-motion-Konstruktion nach Goldberg (1995) Abbildung 3.1: Die caused-motion-Konstruktion nach Goldberg (1995) Auf der semantischen Ebene wird ein Verursachen beziehungsweise Bewirken ausgedrückt mit der Angabe einer Ursache, eines Themas und eines Ziels. Auf der syntaktischen Ebene tritt ein Bewegungsverb auf, ein Subjekt, das die Ursache oder den Verursacher zum Ausdruck bringt, ein Objekt, das das sich bewegende Element bezeichnet, und ein Adverbial, das das Ziel der Bewegung bezeichnet. Die Lokalisierungsverben kommen in solchen Konstruktionen vor, wie folgende Beispiele illustrieren: (1) Der Briefträger steckte den Brief in den Kasten. Subjekt Verb Objekt Adverbial (2) Der Nebel legt sich über die Stadt. Subjekt Verb Objekt Adverbial (3) Die kleine Tochter stellte die Teller in die Spülmaschine. Subjekt Verb Objekt Adverbial Der Vorteil eines Unterrichtens der Lokalisierungsverben im Rahmen von Konstruktionen liegt im integrativen Charakter, der es ermöglicht, verschiedene Bereiche und Lern-Schwierigkeiten gleichzeitig zu behandeln. Der Lehrer oder die Lehrerin kann über den Prozess des Dechunkings auf die einzelnen konstituierenden Elemente der Konstruktion hinweisen: ▶ In den caused-motion-Konstruktionen wird meistens ein Lokalisierungsverb benutzt (vergleiche auch die Studien von Ellis & Ferreira 2009a, 2009b). ▶ Es treten bestimmte Bewegungspräpositionen in solchen Konstruktionen auf (Schönefeld 2006). Diese Präpositionen sind meistens Wechselpräpositionen, etwa an, auf, über, in, hinter, vor etc. die entweder mit dem Akkusativ oder dem Dativ gebraucht werden. Die Lerner sollen eine Entscheidung bezüglich des morpho-syntaktischen Kasus nach den Präpositionen treffen. Da die Konstruktion eine dynamische Bewegung auf ein Ziel hin zum Ausdruck bringt, wird der Akkusativ benötigt. Nachdem die Lehrerin oder der Lehrer die caused-motion-Konstruktion mit all ihren Facetten präsentiert hat (Lokalisierungsverb, passende Präposition, Kasus), soll die Konstruktion am besten als Chunk beziehungsweise Ganzes geübt werden. Da Bewegungsabläufe sehr kon- 116 3. Konstruktionen und Chunks kret sind, eignen sie sich auch sehr gut für den handlungsorientierten Ansatz, der auf konkreter Interaktion basiert, und weiter für das embodied Lernen, bei dem durch körperliche Erfahrungen die neuen Strukturen eingeübt werden sollen. (Zu diesen situativ eingebetteten vollständigen Handlungen als Ergänzung des konstruktions-linguistischen Ansatzes siehe Roche et al. 2012, Lehrplan für Berufsschulen in Bayern 2016). Es sind verschiedene Übungen denkbar, die im Folgenden präsentiert werden sollen. Eine erste Übungsart geht von Bildern eines Bewegungsablaufs aus, zum Beispiel von den kurzen Filmsequenzen wie bei Bowerman, Gullberg, Majid & Narasimhan (2004), bei denen die Lerner gebeten werden, die dargestellten Situationen mit caused-motion-Konstruktionen auszudrücken (siehe auch Handwerker & Madlener (2006); Handwerker (2008)). Ein zweiter Übungstyp ermöglicht ein interaktives Üben der caused-motion-Konstruktion. Dabei werden nach dem Modell von Rate-Spielen wie etwa »Tabu« (Hersch 2013) von den Lernern verlangt, dass sie eine caused-motion-Situation oder ein »Szenario« (Di Pietro 1987) darstellen. Der Lehrer oder die Lehrerin kann beispielsweise eine Reihe von Gegenständen mitbringen, die bewegt werden können oder alternativ eine Reihe von Bildern mit der Abbildung solcher Situationen oder Szenarios. Eine Schülerin oder ein Schüler wird aufgefordert, eine bestimmte Situation ohne Worte darzustellen, die die anderen Schüler und Schülerinnen erraten sollen. Die Darstellung eines bestimmten Szenarios ermöglicht es, »lifelike situations« (Di Pietro 1987: 3) zu üben - was für Fremdsprachenlernere nicht selbstverständlich ist, da sie nicht in dem Land leben, in dem die Fremdsprache gesprochen wird. Weiter haben die darstellenden Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit, »full participants in human discourse« (Di Pietro 1987: 3) zu sein. Das Vorspielen fördert auch das Behalten der neuen Strukturen. Eine dritte Übungsart kann mit Playmobil-Figuren gestaltet werden. Ein Lerner benutzt diese Figuren, um eine caused-motion-Situation darzustellen, die die anderen Schüler und Schülerinnen erraten sollen. Dabei spielt die korrekte Wahl des Lokalisierungsverbs und des Kasus in dem Ausdruck des Ziels eine wichtige Rolle. Auf der Basis dieser Vorschläge können weitere Übungen zu anderen Konstruktionsarten entwickelt werden. Diese Übungen oder Aufgaben ermöglichen es, die Strukturen zu wiederholen und sie mit einer gewissen Frequenz zu üben, so dass sie sich bei den Lernern festigen. Ellis & Cadierno (2009: 118) behaupten, dass »frequency of exposure promotes learning«. Je mehr Instanziierungen der Konstruktionen die Lerner hören, desto besser werden sich diese Konstruktionen festigen. Allerdings nuanciert Madlener (2015: 44), dass die hohe Frequenz einer Konstruktion nicht immer ein Garant für ihr effektives Erlernen ist, da der Unterrichtsrahmen in der Schule doch relativ beschränkt und das Arbeitsgedächtnis der Lerner schon durch die Muttersprache besetzt sei. Bei Erwachsenen sei auch noch weiter zu beobachten, dass die Fremdsprache durch die Kenntnis der eigenen Muttersprache gefiltert wird und dass sie daher weniger anhand von Chunks lernen. 117 3.3 Chunking und Dechunking 3.3.3 Dechunking-Übungen Wenn die neuen Konstruktionen beziehungsweise Chunks geübt worden sind und sie bei den Lernern verfestigt sind, können Dechunking-Übungen von der Lehrerin oder dem Lehrer gestaltet werden. Unter Dechunking versteht man den Zerteilungsprozess von Chunks oder Konstruktionen. Zum Beispiel kann von der Lehrerin oder dem Lehrer gefragt werden, ob eine Ersetzung des einen Lokalisierungsverbs durch ein anderes möglich ist. Das Thema kann auch auf die Positionsverben stehen, liegen, sitzen, stecken etc. (siehe Berthele 2004; De Knop 2014; De Knop & Perrez 2014) und die entsprechenden intransitiven Konstruktionen erweitert werden, wie etwa (4) Der Ball liegt im Sand. (5) Der Schmerz sitzt im Bauch. (6) Der Wagen steckt im Schlamm. In den intransitive-motion-Konstruktionen werden Positionsverben benutzt, die etymologisch und semantisch mit den entsprechenden Lokalisierungsverben verbunden sind (siehe Kluge 1883 / 2011). Die intransitive-motion-Konstruktion wird bei Goldberg (1995) wie folgt dargestellt: Semantische Ebene MOVE < theme goal > Syntaktische Ebene Verb Subjekt Oblique Beispiel liegt das Kind im Bett Abbildung 3.2: Die intransitive-motion-Konstruktion nach Goldberg (1995) Abbildung 3.2: Die intransitive-motion-Konstruktion nach Goldberg (1995) Durch Dechunking kann von der Lehrerin oder dem Lehrer auf die Positionsverben in dieser Konstruktion und auf deren semantische und morphologische Verwandtschaft mit den entsprechenden Lokalisierungsverben in der caused-motion-Konstruktion hingewiesen werden. Dieses bietet den Vorteil für den Fremdsprachenunterricht, dass beide Konstruktionen parallel und mit einem Hinweis auf die entsprechenden Verben unterrichtet und gelernt werden können. Dies ist sicherlich eine zeitsparende und effizientere Unterrichtsmethode. 118 3. Konstruktionen und Chunks 3.3.4 Zusammenfassung Die Lerneinheit hat deutlich gemacht, dass es sich lohnt, die deutschen Lokalisierungsverben im größeren Rahmen der caused-motion-Konstruktion zu unterrichten, und zwar aus folgenden Gründen: ▶ Durch die Einbettung in Konstruktionen kann auf mehrere Themen eingegangen werden, wie etwa die Wahl des spezifischen Lokalisierungsverbs, aber auch der passenden Präposition und des adäquaten Kasus. ▶ Parallel kann auch die verwandte intransitive-motion-Konstruktion unterrichtet werden, in der Positionsverben benutzt werden. ▶ Die Themen können auch erweitert und je nach Leistungsniveau angepasst werden. So können Lehrer und Lehrerinnen mit fortgeschrittenen Lernern auf Funktionsverbgefügen mit Positions- und Lokalisierungsverben eingehen. Wie wir festgestellt haben, ist eine Beschreibung der Variation in größeren Sequenzen und in kommunikativen Situationen ein erfolgversprechender Weg. Sehr nützlich und von äußerster Notwendigkeit ist dabei die Auflistung der wichtigsten Konstruktionen in der Fremdsprache in der Form eines Inventars mit prototypischen Konstruktionen und deren Instanziierungen (siehe weiter De Knop & Gilquin 2016). Noch sind wir weit von der kompletten Realisierung eines solchen Inventars entfernt, aber wir hoffen, einige Ideen in dieser Richtung gezeigt zu haben. Wie das dargestellte Verfahren stärker mit einem konsequent handlungsorientierten Ansatz verbunden werden kann, zeigt Kapitel 8 auf. 3.3.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie wird das Thema der Positions- und Lokalisierungsverben in Lernmaterialien behandelt? 2. In welchen Konstruktionen werden Lokalisierungsverben benutzt? 3. In welchen Konstruktionen treten Positionsverben auf ? 4. Welche anderen grammatischen Themen können in Konstruktionen mit den Lokalisierungs- und Positionsverben beschrieben werden? 5. Warum ist eine Beschreibung der Lokalisierungsverben in Konstruktionen ein integrativer Ansatz? 6. Was versteht man unter Dechunking? Wann kann es am besten durchgeführt werden? 119 3.3 Chunking und Dechunking 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Wir sind uns dessen zwar nicht bewusst, aber beim Sprechen erbringen wir bei jeder Wortsuche eine Meisterleistung: Innerhalb weniger Millisekunden müssen wir in unserem mentalen Lexikon, dem Speicher unseres Sprachwissens, aus einem Fundus von durchschnittlich 150.000 Worteinträgen das Zielwort finden (vergleiche Aitchison 1997; ähnlich auch Spalek 2010). Danach müssen die Wörter in die richtige Reihenfolge gesetzt, die Konjugations- und Deklinationsendungen ergänzt und die artikulatorischen Gesten zur Ausführung der Nachricht geplant werden. Hinzu kommt noch, dass wir pragmatische Aspekte der kommunikativen Situation in allen Phasen der Sprachproduktion mit berücksichtigen sollten. Manchmal ist es aber so, dass wir uns versprechen und unser Sprachverarbeitungssystem etwas intensiver überwachen müssen. Gerade aber die Versprecher geben Aufschluss darüber, welche Teilprozesse für eine insgesamt erfolgreiche Sprachverarbeitung erforderlich sind und wie unser mentales Lexikon überhaupt organisiert ist. All diese Erkenntnisse sind für die Unterrichtspraxis enorm wichtig, denn sie zeigen, dass auch die Hilfestellungen und Fehlerkorrekturen beim Sprechen, Lesen, Schreiben und Hören differenziert erfolgen sollten. Es nützt zum Beispiel nichts, wenn Lerner ein falsch dekliniertes Wort in einem Satz mehrmals nachsprechen müssen, denn es kann nicht sichergestellt werden, dass der Lerner im nächsten Satz nicht wieder einen Deklinationsfehler machen wird. Dagegen kann der Einsatz von Strategien, die auf die kognitiven Verarbeitungsprozesse abgestimmt sind, den Wortschatzerwerb beschleunigen und die Wortsuche effizienter gestalten. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns daher mit den Fragen, wie unser Sprachwissen im mentalen Lexikon organisiert ist und nach welchen Phasen die Sprachverarbeitung abläuft. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse sollen konkrete Tools und Strategien zur Optimierung der Wortschatzvermittlung im Fremdsprachenunterricht präsentiert werden. 120 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon 4.1 Sprachverarbeitung Wie produzieren und verarbeiten wir aber eigentlich die Sprache? Wie hängen die Sprachverarbeitungsprozesse mit den Kulturspezifika der Kommunikationsroutinen zusammen? Wieso sind all diese Erkenntnisse überhaupt für die Unterrichtspraxis relevant? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Lerneinheit. Zur Beantwortung dieser Fragen werden zunächst die Hauptphasen des Sprachproduktionsprozesses erläutert. Dabei werden unter anderem Befunde aus der Versprecher-Forschung herangezogen, die die Teilprozesse der Sprachproduktion veranschaulichen. Die Beschreibung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Sprachproduktion und -rezeption erfolgt im nächsten Schritt. Abschließend wird auf der Basis der bisherigen Erkenntnisse ein Sprachverarbeitungsmodell vorgestellt, das sowohl Kulturspezifika als auch Kontextfaktoren der Sprachverarbeitung berücksichtigt. Diese Erkenntnisse sind auch für die Sprachvermittlung insofern relevant, als sie eine Korrektur der Fehler der Lerner erlauben, wo sie tatsächlich entstehen. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Phasen der Sprachverarbeitung und die ihnen zugrunde liegenden psycholinguistischen Prozesse kennen und verstehen lernen; ▶ die Spezifika der Sprachverstehens- und Sprachproduktionsprozesse darstellen können; ▶ die Sprachverarbeitungsprozesse gezielt unterstützen und Fehler dort identifizieren können, wo sie tatsächlich entstehen; ▶ die Relevanz der Erkenntnisse über die Sprachverarbeitungsprozesse für die Unterrichtspraxis erläutern können. 4.1.1 Wie wird Sprache produziert? Es ist schon erstaunlich, wie schnell die Sprachverarbeitung abläuft. Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass dabei unterschiedliche Aufgaben anfallen: Beim Sprechen (oder analog beim Schreiben) brauchen wir nicht nur eine schnelle und angemessene Reaktion auf das, was um uns herum geschieht, sondern auch auf das, was wir wahrnehmen und hören. Dieser Input beeinflusst, zusammen mit der Situation, in der wir sprechen oder schreiben, die Planung unserer eigenen Nachrichten. Dafür müssen wir schließlich die richtigen Wörter, die richtige Grammatik und eine angemessene Intonation (oder analog beim Schreiben eine angemessene äußere Form) finden. Und wir planen und produzieren Sprache in Texten und Kontexten, also nicht nur Silbe für Silbe, Wort für Wort oder Satz für Satz. Gleichzeitig müssen die Planung unserer Sprache und ihre Umsetzung stets offen sein für Modifikationen, weil es die veränderten Umweltbedingungen der Sprechsituation erfordern. Dann brechen wir das 121 4.1 Sprachverarbeitung Sprechen ab oder ändern die Planung. Zugegebenermaßen lösen unterschiedliche Sprecher diese Aufgaben unterschiedlich schnell und elegant. Lästig ist es zum Beispiel, wenn jemand unbeirrt seine Nachrichten abspult ohne Rücksicht auf das Gegenüber (also jemanden »zutextet«) oder wenn er wiederholt, was er selbst oder sein Gegenüber gerade gesagt hat. Sie kennen solche Situationen vermutlich zur Genüge. Lästig ist es auch, wenn Sprecher irgendwelche Angewohnheiten haben, ohne diese zu bemerken. Zum Beispiel ein ständiges ne? , sozusagen, quasi oder-- bei studentischen Referaten sehr beliebt-- die Antwort ja genau auf eine nur innerlich selbst gestellte Frage, die eigentlich niemand braucht. Hier funktioniert der Monitor nicht richtig, der eigentlich-- wie auch bei Versprechern-- eingreifen und die unerwünschten Erscheinungen vermeiden oder notfalls korrigieren sollte. Die Sprachproduktion vollzieht sich in der Regel so schnell, dass außer den Artikulationsprozessen die zugrunde liegenden Planungs-, Formulierungs- und Artikulationsprozesse kaum wahrnehmbar sind. Ausgangspunkt der Sprachproduktion ist nach dem Modell von Levelt (1999; vergleiche auch Levelt, Roelofs & Meyer 1999) eine Sprechabsicht, also etwas, was versprachlicht werden soll. Die Sprechabsicht löst die Aktivierung aller dafür relevanten Informationen aus den Wissensbeständen des Sprechers aus. Danach werden aus den aktivierten Informationen nur diejenigen ausgewählt, die dem Sprecher unter Berücksichtigung des Kontextes, der Situation und der kommunikativen Ziele angemessen erscheinen. Als Ergebnis dieses Filterungsprozesses steht der Informationsgehalt der Nachricht. Anschließend muss diese Information aneinander gereiht und in eine lineare Form gebracht werden. Schließlich muss der sogenannte Monitor, wenn nötig, die ursprüngliche Planung anpassen beziehungsweise modifizieren, damit die Nachricht kontextuell angemessen ist. Da diese Prozesse eine große Aufmerksamkeit des Gehirns verlangen, wird der Sprecher versuchen, die Sprachverarbeitung soweit wie möglich zu automatisieren. Diese Prozesse sollen im Folgenden unter Rückgriff auf das Modell von Levelt (1989; 1999) näher erläutert werden, welches sich mit kognitionslinguistischen Ansätzen gut vereinbaren lässt und durch neurolinguistische Forschung gestützt ist (vergleich Price 2010). Konzeptualisierung Die Phase der Konzeptualisierung zeichnet sich dadurch aus, dass der Sprecher seine Sprechabsicht in Form einer präverbalen Nachricht gestaltet (vergleiche auch Levelt 1989; Levelt, Roelofs & Meyer 1999). Dies erfolgt in zwei Schritten. Zunächst erstellt der Sprecher durch Aktivierung aller für die Sprechabsicht relevanten Informationen aus dem Vorwissen den sogenannten Makroplan. Die präverbale Nachricht wird in einem zweiten Schritt in Bezug auf die kommunikative Situation angepasst, wodurch der sogenannte Mikroplan entsteht. Zu dieser Anpassung der präverbalen Nachricht gehören unter anderem Aspekte wie die individuelle oder situativ erforderliche Perspektivierung und die Bestimmung der Topik- Fokus-Struktur (siehe Dietrich 2007). Unter der Perspektivierung wird die Möglichkeit verstanden, dieselbe Szene zu kommunikativen Zwecken auf unterschiedliche Weise zu konstruieren (vergleiche Langacker 2008b; Talmy 2000), wie zum Beispiel bei folgenden Sätzen: 122 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon (1) Das Gerüst stürzte durch den starken Wind ein. (2) Der starke Wind brachte das Gerüst zum Einsturz. Diese Beispielsätze zeigen, dass durch die Formulierung ein bestimmtes Element aus der Gesamtszene dem anderen gegenüber hervorgehoben werden kann, ganz im Sinne des Salienzprinzips von Langacker (2008b). Hier liegt der Fokus entweder auf dem Gerüst (1) oder dem Wind (2). Durch die Intonation kann der Fokus trotz einer gleichbleibenden Äußerungsstruktur jedoch auf andere Elemente der Äußerung verlegt werden. Auch kann die Gesamtszene je nach Beurteilung des Sprechers unterschiedlich konstruiert werden: (3) Johannes hat meine Tasche geklaut. (4) Johannes hat meine Tasche mitgenommen. (5) Johannes hat aus Versehen meine Tasche mitgenommen. Auch auf der Ebene der Topik-Fokus-Struktur werden nach Levelt (1999) thematische Anpassungen im Hinblick auf den aktuellen Diskursstand vorgenommen. Dabei wird zum Beispiel berücksichtigt, wie viel Information entweder durch die vorherigen Beiträge oder durch das Vorwissen der Gesprächspartner bereits bekannt ist. Dies ist nach Levelt (1999) dank des sogenannten discourse record, einer Art Diskursarchiv, möglich. Da diese und andere Dimensionen der Konzeptualisierung bereits in Kapitel 2 aus kognitionslinguistischer Sicht ausführlich behandelt wurden, wird an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen. Die fertige Nachricht wird nun an den Formulator zur verbalen Kodierung weitergereicht. Experiment 1 An den unterschiedlichen sprachlichen Realisierungen einer gleichen Szene durch mehrere Sprecher wird ersichtlich, dass eine Szene unterschiedlich konzeptualisiert werden kann. Das können Sie durch ein kleines Experiment selbst beobachten: Lassen Sie Ihre Freunde die Handlung auf dem folgenden Bild in einem Satz beschreiben, ohne ihnen weitere Kontextinformationen zu geben: 123 4.1 Sprachverarbeitung Abbildung 4.1: Szene im Restaurant Wie unterscheiden sich die Äußerungen voneinander in Bezug auf die Beurteilung der Szene und die Hervorhebung der dort enthaltenen Elemente? Wer oder was steht im Fokus? Wie verhalten sich die verschiedenen Äußerungen in Bezug auf die Spezifizität und die Perspektivierung zueinander? Formulierung und Artikulation Sobald die Konzeptualisierung abgeschlossen ist, wird in der Formulierungsphase die präverbale Nachricht aus dem Konzeptualisator unter Rückgriff auf das lexikalische Wissen mit einer konkreten sprachlichen Form versehen (vergleiche Levelt 1989). Das dafür nötige lexikalische Wissen wird aus dem mentalen Lexikon in Form von Lemmata und Lexemen abgerufen. Lemmata enthalten die semantischen und syntaktischen Informationen; in den Lexemen ist hingegen die grammatische Information gespeichert (zum Beispiel Phonem-, 124 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Morphem- und Silbenstruktur) (vergleiche Levelt 1999). Die Hauptaufgabe des Lexikons besteht beim Sprechen demnach darin, durch Zugriff auf Lemmata und Lexeme die Wörter mit der richtigen Bedeutung und in der richtigen Form für den weiteren Prozess zur Verfügung zu stellen. Um die Teilprozesse der Formulierungsphase anschaulich zu machen, werden im Folgenden Erkenntnisse aus der Versprecherforschung herangezogen. Dieser Forschungsbereich hat sich verstärkt damit beschäftigt, die Ursachen von fehlerhaften Äußerungen zu analysieren und sie auf bestimmte Teilprozesse der Sprachproduktion zurückzuführen. Interessant dabei ist die Tatsache, dass die Teilprozesse der Sprachproduktion gerade dann identifiziert werden können, wenn sie in einer bestimmten Äußerung nicht stattfinden. So kann man beispielsweise bei der Wortersetzung Vier der acht Filme habe ich schon gelesen (Spalek 2010: 58) annehmen, dass ein Teilprozess nicht wie gewünscht stattgefunden hat. In diesem Falle wird ein benachbartes Inhaltswort lesen anstatt des beabsichtigten Worts sehen verwendet. Daraus ist zu schließen, dass die mitaktivierte Konzeptinformation (etwas sehen oder lesen) bis zu einem bestimmten Zeitpunkt der Sprachproduktion erhalten bleibt und eine fehlerhafte Selektion von lexikalischen Konzepten bewirken kann. In der Tat tritt diese Art von Versprecher nach Dell, Schwartz, Martin, Saffran & Gagnon (1997) am meisten auf. Das lässt auch darauf schließen, dass bei der Wortsuche beziehungsweise -produktion vor allem semantische Aspekte eine zentrale Rolle spielen. Ein weiteres Beispiel für Versprecher ist der Satz Man darf sich eben nicht in die Ärzte von Händen geben (Leuninger 1993). Dabei handelt es sich um eine sogenannte Wortvertauschung, wodurch die bereits ausgewählten Wörter in der falschen Reihenfolge in die syntaktische Struktur eingefügt werden. Daraus ergibt sich, dass die Auswahl der Wörter und deren Aneinanderreihen in Form einer sinnvollen syntaktischen Struktur unterschiedliche Teilprozesse darstellen. In der Regel werden Wörter vertauscht, die derselben grammatischen Kategorie (Substantiv, Verb, Adverb und Ähnliches) angehören. Eine weitere Art Versprecher stellt das sogenannte Stranding, auch Morphemvertauschung genannt, dar (vergleiche Dietrich 2007; Spalek 2010). Im Beispielsatz Ich laufe dich auf dem Haltenden werden die zwei Morpheme {halt-} und {lauf-} vertauscht und akkommodiert. Durch das Stranding wird ersichtlich, dass bereits ausgewählte Morpheme beim Sprachproduktionsprozess in die falschen Platzhalter der syntaktischen Struktur eingesetzt werden können. Weiterhin zeigt das Phänomen der sogenannten Wortkontamination, auch Malapropismus genannt (vergleiche Dietrich 2007), dass bei der Sprachproduktion neben semantischen und syntaktischen Teilprozessen auch phonologische Prozesse zusammenwirken. Beim Beispielsatz Tu doch die Eier in die Schlüssel (Spalek 2010: 58) wird zum Beispiel ein phonologisch beziehungsweise orthographisch ähnliches Wort anstatt des Zielworts eingesetzt. Das bedeutet, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die artikulatorischen Merkmale aktiviert werden, bevor die Aussprache realisiert wird, und dass dabei aus phonologischer und orthographischer Sicht benachbarte Wörter irrtümlicherweise selektiert werden können. Schließlich werden beim sogenannten Spoonerismus zwei bereits ausgewählte Phoneme mit ähnlichen Artikulationsmerkmalen vertauscht (vergleiche Harley 2014: 396f), so zum Beispiel bei ein bunderschönes Wuch. All diese Versprecher zeigen, dass es bei der Formulierung mehrere Teilprozesse gibt, die Levelt et al. (1999: 3) folgendermaßen bezeichnen: 125 4.1 Sprachverarbeitung ▶ Lexikalische Selektion (Bedeutung und Syntax); ▶ Morphologische Enkodierung; ▶ Phonologische Enkodierung; ▶ Phonetische Enkodierung. Am Ende der Formulierung steht nach Levelt et al. (1999) der phonetische Plan der Nachricht. In diesem Plan sind die genauen Anweisungen für die artikulatorische Realisierung enthalten. Dieser Plan wird in der nächsten und letzten Phase, der Artikulation, an den jeweils benötigten Stellen des artikulatorischen Apparats ausgeführt. Dabei werden verschiedene Regionen des neuronalen Systems aktiviert, mit denen die artikulatorische Ausführung des phonetischen Plans kontrolliert werden kann (vergleich Günther & Perkell 2004). Diese Phase läuft im Gegensatz zu der Konzeptualisierungsphase hoch automatisiert ab und erfordert daher kaum Aufmerksamkeitsressourcen seitens eines geübten Sprechers. Im Modell von Levelt et al. (1999) sind die verschiedenen Phasen und Prozesse einerseits als modular (der Output der einen Phase bildet den Input der nächsten Phase) und andererseits als inkrementell anzusehen (siehe Abbildung 4.2). Letzteres bedeutet, dass die Prozesse nicht vollständig abgeschlossen sein müssen, damit der nächste Prozess einsetzen kann. Obwohl damit die Möglichkeit einer top-down-Verarbeitung (von oben nach unten) gegeben ist, werden bottom-up-Prozesse (zum Beispiel eine Korrektur aus dem Formulator in Richtung Konzeptualisator) im Modell von Levelt et al. (1999) außer Acht gelassen (vergleiche Plieger 2006). Levelt et al. (1999) haben eine weitere Komponente in der Sprachproduktion vorgesehen, die der Selbstüberwachung beziehungsweise -kontrolle dient, nämlich den Monitor. Mit dieser Komponente sind Selbstkorrekturen sowohl an den geäußerten Nachrichten (overt speech) als auch an noch nicht vollständig artikulierten Nachrichten möglich, wie zum Beispiel beim folgenden Satz: Wir können das Mot-… äh das Auto nehmen. Auch in früheren Phasen der Sprachproduktion können Selbstkorrekturen vorgenommen werden, indem das sogenannte »innere Sprechen« (internal speech) (Levelt 1983) evaluiert wird oder sogar die präverbale Nachricht rekonzeptualisiert (modifiziert) wird. Letzteres ist zum Beispiel dann der Fall, wenn in der L2-Sprachproduktion die präverbale Nachricht aufgrund eines Lexikalisierungsproblems auf der Ebene der Formulierung so angepasst und vereinfacht wird, dass der erfolgreiche Abruf der lexikalischen Informationen garantiert werden kann (siehe Poulisse 1993). Daraus wird ersichtlich, dass der Monitor Zugang zu allen Ebenen des Sprachproduktionsprozesses hat und deswegen auf unterschiedlichen Ebenen spezifische Korrekturen vornehmen kann. Die folgende Abbildung zeigt den parallelen beziehungsweise inkrementellen Charakter des Modells von Levelt et. al. (1991): 126 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Konzeptuelle Vorbereitung in Form von lexikalischen Konzepten lexikalische Konzepte lexikalische Selektion Lemma Morphologische Enkodierung Morpheme Phonologische Enkodierung, Silbifizierung Phonologisches Wort Phonetische Enkodierung Planung der artikulatorischen Gesten Artikulation Schallwellen Lemmata MENTALES LEXIKON Wortformen SILBENSCHRIFT Selbst Monitoring Abbildung 4.2: Phasen der Sprachproduktion (nach Levelt et al. 1999: 3) 4.1.2 Sprachrezeption und -produktion: analoge Prozesse? Bisher wurde die Sprachverarbeitung vorwiegend aus der Sicht der Sprachproduktion beschrieben. Wie hängen aber Produktion und Rezeption zusammen? Werden beim Verstehen dieselben Prozesse in einer umgekehrten Reihenfolge durchlaufen? Wie bereits erwähnt, verfügt unser Sprachverarbeitungsapparat über einen Monitor, der auch mit einer Wahrnehmungs- und Verstehenskomponente (Parser) ausgestattet ist (ver- 127 4.1 Sprachverarbeitung gleiche Roche 2013b). Damit kann die äußere Sprache wahrgenommen und in eine Art Nachricht umgesetzt werden, deren Bedeutung dann anhand des konzeptuellen Systems analysiert wird. Dabei müssen mehrere Teilsysteme am Parser beteiligt sein: „Erstens muss ein Worterkennungssystem Zugang zum mentalen Lexikon haben, zweitens muss sich ein Teilsystem der Analyse der syntaktischen Beziehungen zwischen den Wörtern annehmen und drittens muss ein weiteres Teilsystem die semantische Interpretation leisten“ (Roche 2013: 116). Diese drei Prozesse-- Worterkennung, syntaktische Analyse und semantische Interpretation-- sollen im Folgenden anhand der jeweils einschlägigen Ansätze näher erläutert werden. Prozesse der Worterkennung Die Sprachrezeption, sowohl die mündliche als auch die schriftliche, wurde bisher sehr intensiv erforscht. Beide Arten der Sprachrezeption besitzen viele Gemeinsamkeiten, unterscheiden sich aber vor allem in den Worterkennungsprozessen, die sich aus der unterschiedlichen Natur der jeweiligen Zeichenträger (Laute versus Buchstaben) ergeben (vergleiche Kürschner, Seufert, Hauck, Schnotz & Eid 2006). Da Kapitel 6 die Leseprozesse- - und daher auch die Worterkennung geschriebener Wörter-- behandelt, beschränkt sich die vorliegende Lerneinheit hauptsächlich auf die Beschreibung der auditiven Worterkennung. Ein einschlägiges Modell zur Beschreibung der Worterkennungsprozesse ist das TRACE - Modell von McClelland & Elman (1986), das das interaktive Interaktionsmodell von McClelland & Rumelhart (1981) und frühere Modelle wie beispielsweise das Kohorten-Modell von Marslen-Wilson & Tyler (1980) als Grundlage nimmt. Das TRACE -Modell unterscheidet drei Repräsentationsebenen: ▶ die Ebene der akustischen Merkmale (akustischer Input); ▶ die Phonemebene (prälexikalisch); ▶ die Wortebene (lexikalisch). Die Worterkennung wird im TRACE -Modell folgendermaßen beschrieben: In einem ersten Schritt wird aus der Schallform die Lautform herausgefiltert, um lautliche Repräsentationen sowie die dazugehörenden distinktiven Merkmale (zum Beispiel Stimmbeteiligung, Artikulationsort und Ähnliches) zu bilden, die dem Sprecher aus seinem mentalen Lexikon verfügbar sind (vergleiche Dietrich 2007: 211). Mit dem Herausfiltern von Lauten aus dem Schallereignis (auch Segmentierung genannt) wird eine Reihe von vertikalen (aufsteigend und absteigend) und horizontalen Aktivierungsprozessen auf den drei Ebenen der Worterkennung ausgelöst: Zuerst werden den distinktiven Merkmalen der lautlichen Einheiten Phoneme zugeordnet; danach setzen sich die Phoneme in Phonemfolgen zusammen, die dann schließlich das Zielwort aktivieren. Während dieser Prozesse finden einerseits vertikal aufsteigende Aktivierungsprozesse statt, die die simultane Aktivierung mehrerer potentieller Kandidaten sowohl auf Phonemebene als auch auf Wortebene auslösen; andererseits finden horizontale Inhibierungsprozesse statt, die die aktivierten Kandidaten auf jeder Ebene (Phonem- und Wortebene) hemmen, wenn sie mit den Eigenschaften der nötigen Merkmale nicht übereinstimmen (zum Beispiel, wenn ein vokalischer Laut vorhanden ist). Schließlich werden 128 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon vertikal absteigende Aktivierungsprozesse von der lexikalischen (Wortebene) zur prälexikalischen Ebene (Phonemebene) ausgelöst (Sun˜er 2011: 25). Das TRACE -Modell hat zwar einen wichtigen Beitrag zur Beschreibung der Faktoren geleistet, die beim (auditiven) Sprachrezeptionsprozess hemmend (inhibierend) oder stimulierend (exzitatorisch) wirken, einige Grundannahmen des Modells wurden später jedoch von den konkurrierenden Ansätzen stark kritisiert. Suñer (2011: 25) fasst einige Kritikpunkte wie folgt zusammen: Der absteigende Aktivierungsprozess von Wortebene zu Phonemebene wird [...] in konkurrierenden Modellen der auditiven Sprachrezeption (siehe McQueen, Norris & Cutler 1999; Norris & Ortega 2000) nicht als integraler Bestandteil der auditiven Worterkennung betrachtet und unter anderem mit der Begründung ausgelassen, dass die Worterkennung bei einer optimal funktionierenden prälexikalischen Ebene keines absteigenden Feedbacks aus der lexikalischen Ebene bedarf (vergleiche auch McQueen et al. 2003). Darüber hinaus betonen Ansätze wie die Metrical-Segmentation- Strategy ( MSS ) von Cutler & Norris (1988; siehe auch Cutler & Butterfield 1992; McQueen, Norris & Cutler 1994) oder die Shortlist (Norris 1994) die Rolle der prosodischen und metrischen Merkmale bei der prälexikalischen Repräsentation, wobei starke Silben in Akzentsprachen wie dem Englischen die Segmentierung initiieren, da sie oft als Initialsilbe für ein Inhaltswort stehen. (vergleiche Salverda, Dahan & Mc Queen 2003; Spinelli, McQueen & Cutler 2003) Die bisher genannten Modelle werden als lokalistisch bezeichnet und sind von den sogenannten distributionellen zu unterscheiden. Während bei lokalistischen Ansätzen die Einheiten einer Ebene von anderen Einheiten mit einem höheren Aktivierungsgrad durch horizontale Prozesse inhibiert werden können, postulieren distributionelle Modelle Mischeffekte eines distributionellen (verteilten) lexikalischen Zugriffs (siehe Luce & McLennan 2005: 594). Distributionelle Modelle operieren mit einer einzigen Ebene des lexikalischen Zugriffs, auf der verschiedene Sets angesiedelt sind. So geht das distributed cohort model ( DCM ) (vergleiche Gaskell & Marslen-Wilson 1997) von folgenden Annahmen aus: 1. Lexikalisches Wissen ist auf distributionelle Weise gespeichert. 2. Die unterschiedlichen Formen des lexikalischen Wissens sind parallel repräsentiert und werden simultan abgerufen. 3. Der akustische Input bildet das lexikalische Wissen auf eine direkte und kontinuierliche Weise ab. 4. Der Prozess des lexikalischen Zugriffs läuft mit maximaler Effizienz ab. (Gaskell & Marslen-Wilson 1997: 615) Nach dem distributed cohort model aktiviert der akustische Input relativ automatisch und zeitgleich sowohl semantische als auch phonologische Merkmale, die zu den beabsichtigten Wörtern passen könnten. Erst wenn die richtigen Merkmale aus dem gesamten Netzwerk der möglichen-- und damit auch der konkurrierenden-- Merkmale aussortiert worden sind, kann die Worterkennung erfolgen. Damit erfolgt eine Herausbildung des Merkmalsmusters des Zielwortes. Hier wird also nicht wie im TRACE -Modell von einer seriellen Aktivierung 129 4.1 Sprachverarbeitung von semantischen und phonologischen Merkmalen ausgegangen, sondern einer simultanen Aktivierung durch den akustischen Input. Experiment 2 Nachdem Sie einiges über den Worterkennungsprozess erfahren haben, können Sie diesen Prozess durch ein kleines Experiment selbst nachvollziehen. Lesen Sie dazu folgenden Text laut vor: Das Itnernet verbrietet sich immre schnleler. In den leztten Jarhen ist es in diesem Breeich zu einer rasanten Entwckilung gekommen. Nicht nur am Arbeistplatz, auch zu Huase haben immer mehr Mesnchen einen Computer mit Intrenetancshluss und untzen diesen auch. Gerade für Sdutenten ist das Internet ein ideales Kommnuikations- und Infromationsimttel. (Roche 2013b: 52) Wie Sie festgestellt haben, enthalten einige Wörter im Text einen Buchstabendreher. Hat Ihnen dieser Umstand die Lektüre erheblich erschwert oder konnten Sie den Text fast problemlos vorlesen? Wie erklären Sie sich die Worterkennung vor dem Hintergrund der bisher dargestellten Ansätze? Welche Ihrer eigenen Beobachtungen aus dem Spracherwerb Ihrer Schülerinnen und Schüler oder Ihrer Umgebung stützen eher die Annahmen des seriellen TRACE Modells oder die Annahmen von Distributions- und Netzmodellen? Was meinen Sie: Welche Relevanz könnte das für den Spracherwerb und Sprachunterricht haben? Semantische und syntaktische Analysen Auch die Interaktion zwischen Semantik und Syntax ist Gegenstand mehrerer Parsing- Theorien, die Strohner (2003: 524ff) nach den Kriterien des zeitlichen Vorkommens beider Analyseprozesse (serielle versus parallele Modelle) und ihrer Autonomie (autonome versus interaktive Modelle) klassifiziert. So gehen zum Beispiel autonome Modelle davon aus, dass die Syntax nicht von der Semantik abhängig ist, sondern dass sie einen gesonderten Status besitzt. Dennoch unterscheiden sich die autonomen Modelle in Bezug auf den Aspekt des zeitlichen Vorkommens von Semantik und Syntax stark voneinander: Nach den autonomseriellen Modellen (vergleiche das garden path model von Frazier 1978) findet zunächst die syntaktische Verarbeitung und danach die semantische statt; autonom-parallele Modelle (Boland 1997) gehen hingegen von einem gleichzeitigen Vorkommen beider Analyseprozesse aus und lösen somit die etwas starre, syntaxorientierte Auffassung in autonom-seriellen Modellen auf (siehe Strohner 2003: 525). Im Gegensatz zu den autonomen Modellen beschreiben die interaktiven Modelle Syntax und Semantik als aufeinander einwirkende Prozesse. Aber auch bei den interaktiven Modellen wird zwischen interaktiv-parallelen (zum Beispiel Tyler & 130 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Marslen-Wilson 1977) und interaktiv-seriellen Ansätzen (zum Beispiel Altmann & Steedman 1988; auch inkrementell-interaktive Ansätze genannt, siehe Pickering, Clifton & Crocker 2000) unterschieden (vergleiche Strohner 2003). Autonome Modelle Interaktive Modelle Die Verarbeitung von Syntax und Semantik sind nicht voneinander abhängig Die Verarbeitung von Syntax und Semantik beeinflussen sich gegenseitig Autonom-seriell Autonom-parallel Interaktiv-seriell Interaktiv-parallel Autonome syntaktische Verarbeitung vor autonomer semantischer Verarbeitung Autonome syntaktische und autonome semantische Verarbeitung können sich überschneiden Syntaktische und semantische Verarbeitung bedingen sich einander und finden nacheinander statt Syntaktische und semantische Verarbeitung bedingen sich einander und finden zeitgleich statt Tabelle 4.1: Modelle der Sprachverarbeitung Auf die Frage, welcher Ansatz nun maßgebend sein soll, kann keine abschließende Antwort gegeben werden, weil die bisherige psycholinguistische Forschung für alle vier Ansatzrichtungen empirische Befunde verzeichnet hat (vergleiche Strohner 2003, Dietrich 2007). So ist vielmehr von einer integrativen Sicht auszugehen: Da die vier Ansätze jeweils unterschiedliche Phasen und Aspekte der Syntaxverarbeitung fokussieren, sind sie eher als komplementär anzusehen. So haben zum Beispiel Altmann & Steedman (1988) anhand des sogenannten Sackgassen-Effekts gezeigt, dass die Syntaxverarbeitung auch durch die Semantik gesteuert werden kann. Sackgassen-Effekte kommen nämlich dann vor, wenn das Ergebnis der syntaktischen Analyse durch die darauffolgende semantische Analyse korrigiert werden muss. Dieser Effekt wurde zunächst zur Stützung autonomer Modelle herangezogen. Altmann & Steedman (1988) haben jedoch gezeigt, dass dieser Effekt bei eindeutigen Kontextbezügen nicht mehr zu beobachten war. Daraus ist zu schließen, dass Semantik und Syntax durchaus zeitgleich einsetzen können, so dass von einer Interaktivität zwischen der Semantik und der Syntax auszugehen ist. Im Hinblick auf den gesamten Textverstehensprozess schreiben Christmann & Groeben (1999) unter Berücksichtigung der empirischen Befundlage jedoch der Semantik eine viel wichtigere Rolle zu als der Syntax. Das liegt zum einen an der Flüchtigkeit der syntaktischen Informationen, zum anderen an der längerfristigen Verfügbarkeit der semantischen Informationen (Christmann & Groeben 1999: 157). 131 4.1 Sprachverarbeitung 4.1.3 Modell der Sprachverarbeitung In diesem letzten Abschnitt wollen wir die bisherigen Erkenntnisse über den Sprachverarbeitungsprozess anhand des Modells von Roche (2013b) zusammenfassen. Dabei sind nach Roche (2013b: 114ff) folgende Annahmen für das Modell von zentraler Bedeutung: ▶ Der Monitor hat einen direkten Zugang zum gesamten Produktionssystem, denn sobald der Sprecher Probleme in der Bedeutung oder Korrektheit der inneren oder äußeren Sprache entdeckt, kann die weitere Produktion unterbrochen werden. Die präverbale Nachricht kann dann entweder neu bearbeitet oder es kann eine neue oder andere Nachricht hinzugefügt werden (Rekonzeptualisierung). ▶ Die Phasen der Sprachverarbeitung werden also nicht nacheinander abgeschlossen, sondern sie können parallel und inkrementell (in modularen Teilprozessen) einsetzen, indem die Bearbeitung in einer bestimmten Phase beginnt, noch bevor die vorige beendet ist. ▶ Das mentale Lexikon hat eine zentrale Funktion in der Sprachverarbeitung. In ihm sind die Bedeutungen, wichtige grammatische Informationen, unterschiedliche Kodierungen und die kulturellen Spezifika ihrer Verwendung aufgehoben. ▶ Die pragmatischen Aspekte sind durch Kulturspezifika mit dem Weltwissen des Sprechers und Hörers verbunden, das wiederum die Grundlage des Konzeptualisators bildet. Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass die Konzeptualisierung oder die Dekodierung von Äußerungen außerhalb eines pragmatischen Kontextes, also in einer »kulturfreien« Zone geschieht. ▶ Auch zwischen Konzeptualisierung und Formulierung bestehen enge Bezüge, die im Sinne von Slobins (2003) Konzept des thinking for speaking die Formulierung in den Prozess der Konzeptualisierung einbeziehen. Dadurch werden Konzeptualisierungen eines Sachverhalts so geformt, dass sie mit den sprachspezifischen Kodierungsmöglichkeiten kompatibel sind. Demzufolge ist zum Beispiel die Differenzierung zwischen Du und Sie im Englischen oft nicht relevant. Dennoch sind auch im Englischen feine Differenzierungen in der Anrede möglich und oft erforderlich. ▶ Der fundamentale Einfluss von Kontext und Funktion auf die Sprachproduktion und -rezeption wird vor allem an dem hohen Maß an Variation von Ellipsen, Anaphern und Kataphern in natürlicher Sprache ersichtlich. 132 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Abbildung 4.3: Sprachverarbeitungsmodell in Anlehnung an Levelt (nach Roche 2013b: 115) Ausgehend von Levelts Modell (Levelt et al. 1999) trägt Roche (2013b) all die hier genannten Aspekte der Sprachverarbeitung in einem erweiterten Modell zusammen, das- - anders als Levelts Modell-- auch den kulturspezifischen Aspekten der Sprachverarbeitung gerecht wird. Die kulturspezifischen Aspekte sind nicht nur für die Modellierung von Mehrsprachigkeitssituationen (etwa beim Sprachenwechsel) relevant, sondern auch für die eigentlich monolingual konzipierten Modelle in der Psycholinguistik, die kulturelle Dispositionen zu wenig berücksichtigen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das mentale Lexikon eine zentrale Rolle in der Sprachverarbeitung spielt und als Bindeglied zwischen Konzeptualisierung und Formulierung fungiert. Das bedeutet, dass bereits bei der Erstellung der präverbalen Nachricht auf der Ebene der Konzeptualisierung deklarative und prozedurale Komponenten des lexikalischen Wissens aus dem mentalen Lexikon erforderlich sind (siehe auch Slobin 2003). 133 4.1 Sprachverarbeitung 4.1.4 Zusammenfassung ▶ Die Sprachverarbeitung läuft nach folgenden Schritten ab: ▷ Konzeptualisierungsphase: Eine präverbale Nachricht wird erstellt und in Bezug auf die kommunikative Situation angepasst. ▷ Formulierungsphase: Das benötigte lexikalische Wissen wird aus dem mentalen Lexikon abgerufen und die morphologische, phonologische und phonetische Enkodierung findet statt. ▷ Artikulationsphase: Der phonetische Plan, der alle Informationen zu einer artikulatorischen Realisierung der Nachricht enthält, entsteht. ▶ Sprachproduktion und -rezeption nutzen analoge Verarbeitungswege: Durch den Parser wird äußere Sprache wahrgenommen und in eine Art Nachricht umgesetzt, deren Bedeutung dann anhand des konzeptuellen Systems analysiert wird. ▶ Der Parser umfasst mehrere Prozesse bei der Rezeption: Worterkennung durch das mentale Lexikon, Analyse der syntaktischen Beziehungen zwischen den Wörtern und semantische Interpretation. ▶ Der Monitor überwacht alle Prozesse und kann die weitere Produktion gegebenenfalls unterbrechen, um die präverbale Nachricht umzuformulieren. ▶ Formulierungsfehler und Artikulationsfehler wirken sich negativ auf die Verständlichkeit der Nachricht aus und benötigen unterschiedliche Korrekturverfahren. 4.1.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Welche Prozesse finden während der Konzeptualisierung statt? 2. Warum sagen die Versprecher etwas über die Prozesse der Sprachproduktion aus? Geben Sie ein Beispiel. 3. Was ist eine Rekonzeptualisierung? 4. Was ist ein Sackgassen-Effekt und was sagt er über die Worterkennung aus? 5. Inwiefern setzt die Formulierung bereits bei der Konzeptualisierung ein? 134 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons Es steht außer Frage, dass wir das gesamte sprachliche Wissen im Laufe des Lebens irgendwo im Kopf speichern und allmählich weiter ausbauen. Wie in der vorangehenden Lerneinheit gezeigt, wird all dieses Sprachwissen im sogenannten mentalen Lexikon auf unterschiedliche Weise organisiert und gespeichert, inklusive syntaktischer und pragmatischer Informationen. Wie organisiert aber das mentale Lexikon dieses ganze Sprachwissen? Wie interagieren verschiedene Sprachen im mehrsprachigen Lexikon miteinander? Wie entwickelt sich das mehrsprachige Lexikon mit dem zunehmenden Sprachenerwerb? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die vorliegende Lerneinheit. Zur Beantwortung dieser Fragen definieren wir das mentale Lexikon in dieser Einheit in Abgrenzung zu herkömmlichen Lexika und beschreiben verschiedene Erkenntnisse zu den Organisationsformen. Danach werden die verschiedenen Repräsentationsebenen im mentalen Lexikon anhand von psycholinguistischen Experimenten dargestellt. Anschließend werden die Besonderheiten der Interaktion verschiedener Sprachen im mentalen Lexikon anhand einiger Modelle beschrieben, die sich spezifisch mit der Verbindung zwischen den Wortformen und den Konzepten in den verschiedenen Sprachen beschäftigen. Schließlich wird gezeigt, wie sich der zunehmende L2-Erwerb auf die Art dieser Verbindungen auswirkt und wie die daraus entstehenden Effekte dargestellt werden können. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Struktur- und Organisationsprinzipien des mentalen Lexikons beschreiben können; ▶ die dynamische Entwicklung des mehrsprachigen mentalen Lexikons im Fremdsprachenerwerb erklären können; ▶ Implikationen dieser Kenntnisse für die Wortschatzarbeit im Fremdsprachenunterricht formulieren können. 4.2.1 Was ist das mentale Lexikon und was ist dort enthalten? Wir sind uns vermutlich darin einig, dass wir sämtliche Wörter, die uns in unserem Leben begegnen, potentiell in unserem Kopf ablegen könnten. Natürlich können wir uns nicht tatsächlich jedes Wort merken, wir sind bis auf wenige Ausnahmen ja keine Superhirne oder Computer. Tatsache ist aber, dass Wörter in großen Mengen ins Langzeitgedächtnis finden und dieser mentale Sprachdatenbestand immer wieder erweitert werden oder darauf zugegriffen werden kann, wenn wir uns unterhalten und nach Wörtern und Formulierungen suchen-- auch ganz unbewusst. Das mentale Lexikon wird also allgemein als ein Speicher für den sprachlichen Wissensbestand verstanden, der für die Sprachproduktion und Sprachrezeption nötig ist (vergleiche Dietrich 2007). Aber wie Sie sicher schon vermuteten, ist das 135 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons mentale Lexikon ganz anders organisiert als die herkömmlichen Wörterbücher und Lexika, die Sie aus dem Alltag kennen (vergleiche Stork 2003). Vor allem ist es ständig in Bewegung. Wir wollen uns zunächst aber fragen, wie viele Wörter es eigentlich im mentalen Lexikon gibt. Wie Sie sich vorstellen können, ist diese Frage nicht leicht zu beantworten, und zwar kommt es zunächst darauf an, was als ein Wort oder ein Eintrag im mentalen Lexikon gezählt wird. Dabei stellen vor allem die Komposita und Flexionsaffixe (zum Beispiel die Konjugation, die Pluralbildung und Ähnliches) die größten Streitpunkte in dieser Diskussion dar. So wird zum Beispiel bei den Flexionsaffixen selbst zwischen den regelmäßigen und unregelmäßigen Affixen unterschieden: Während unregelmäßig flektierte Verbformen (wie zum Beispiel las) einen eigenen Eintrag im mentalen Lexikon zu haben scheinen, herrscht bisher keine Einigkeit über die Speicherung von regelmäßigen Formen (wie zum Beispiel hörte) (vergleiche Penke 2006: 51). Sieht man aber von diesen strittigen Aspekten ab, so vermutet Aitchison (1997: 8f), dass ein durchschnittliches mentales Lexikon einen Gesamtumfang von ungefähr 150.000 Wörtern in einer einzelnen Sprache hat. Davon sollen 58.000 Stammwörter sein und etwa 86.000 Ableitungen und Komposita, wobei diese Durchschnittswerte auch stark variieren können. Bei einer so hohen Anzahl an Einträgen erscheint es fast wie ein Wunder, dass wir in ungefähr 100-200 Millisekunden die gewünschten Wörter finden können. Diese Abrufsbeziehungsweise Verarbeitungsgeschwindigkeit kann jedoch durch Effekte wie das sogenannte Priming stark beeinflusst werden. Beim Priming führt das Vorhandensein einer erleichternden Vorinformation (Englisch prime) oder eines relevanten Kontexts zu verkürzten Abrufsbeziehungsweise Verarbeitungszeiten (vergleiche Donough & Trofimovich 2009: 1f). Durch gezielte Priming-Experimente kann der Einfluss bestimmter Wortebenen (Phonologie, Semantik und Ähnliches) auf die Suche eines bestimmten Zielwortes differenziert beobachtet werden. So ist zum Beispiel eine schnellere Reaktionszeit bei der Benennung einer Currywurst als Zielwort zu erwarten, wenn als semantischer Prime die Abbildung einer Imbissbude gezeigt wurde, als wenn die Bayerische Staatsbibliothek zu sehen gewesen wäre. Ein solches Kontext-Verfahren wird in der Psycholinguistik oft verwendet, um die Struktur und Organisation des mentalen Lexikons genauer zu erforschen, zum Beispiel in Bezug auf die Zusammensetzung semantischer Netze. Wir werden uns in den folgenden Abschnitten noch weiter mit verschiedenen Priming-Experimenten beschäftigen. 4.2.2 Wie ist das mentale Lexikon organisiert? Jahrzehntelang haben sich Forscher mit der Frage nach den Organisationsprinzipien des mentalen Lexikons beschäftigt. Zuerst hat die Beobachtung von Frequenzeffekten dazu geführt, dass das mentale Lexikon als eine Art Liste von Wörtern geordnet nach ihrer Vorkommenshäufigkeit beschrieben wurde (siehe beispielsweise Forster 1976). Dabei stellte man sich die Sprachspeicherung im Kopf als eine Art riesige Liste vor, bei der frequente Wörter ganz oben auf der Liste und nicht frequente Wörter eher im unteren Bereich stehen. Da bei der Wortaktivierung die Liste des mentalen Lexikons von oben nach unten abgesucht wird, werden die frequenten Wörter im oberen Bereich der Liste schneller gefunden und abgerufen als die nicht frequenten Wörter im unteren Bereich (siehe Spalek 2010). Diese Idee wurde aber 136 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon schon früh verworfen, unter anderem weil sie mit den bereits erwähnten Priming-Effekten nicht vereinbar ist. Wenn das mentale Lexikon in der Tat eine bloße Wortliste wäre, die ausschließlich nach der Frequenz der Wörter geordnet wäre, dann würden zum Beispiel die Kontextinformationen, die durch die Primes gegeben werden, bei der Abrufgeschwindigkeit keine Rolle spielen. Diese sogenannten Kontexteffekte zeigen aber, dass Wörter beziehungsweise ihre Bedeutungen auf irgendeine Weise miteinander verbunden sein müssen. Deswegen geht man heute davon aus, dass sich das mentale Lexikon eher in Form eines Netzwerks gestaltet, dessen Einträge (auch Knoten genannt) vielschichtig miteinander vernetzt sind und dessen Form sich je nach Zugang beziehungsweise Input dynamisch verändert. Dabei wird der Frequenzeffekt durch die unterschiedlichen Aktivierungsgrade erklärt. Das heißt, je öfter eine Verbindung zwischen zwei Wörtern aktiviert wird, desto schneller ist der Abruf der entsprechenden Wörter. Experiment 1 Machen Sie sich ein Bild von der Struktur des mentalen Lexikons, indem Sie auf der Seite http: / / www.visualthesaurus.com/ app/ view zum Beispiel das Wort go eingeben. Sie werden sehen, wie sich die ganze netzwerkartige Darstellung um den Knoten herum aufbaut. Wenn Sie dann einen weiteren Knoten anklicken, können Sie sehen, wie sich die Darstellung dynamisch verändert. Suchen Sie weitere Einträge und experimentieren Sie mit den vielen Verknüpfungen. So wie Sie es im Experiment dargestellt sahen, verhält sich in etwa unser mentales Lexikon, wenn ein Wort aktiviert wird. Weiterhin ist aber davon auszugehen, dass die Knoten auch stark mit nichtsprachlichen perzeptorischen Aspekten verbunden sind und daher auch über den Weg der Wahrnehmung aktiviert werden: taktil (Spürsinn), gustatorisch (Geschmack), olfaktorisch (Geruch), sensomotorisch (Bewegung), visuell (sehen), auditiv (hören) (vergleiche basic domains nach Langacker 1987, siehe auch Wildgen 2008). So ruft das Wort Banane nicht nur die visuelle mentale Vorstellung hervor, sondern aktiviert auch gustatorische und taktile Aspekte (zum Beispiel das Gefühl einer klebrigen Bananenschale in der Hand), da diese konzeptuellen Ebenen auch zur Bedeutung des Wortes beitragen (vergleiche Wildgen 2008: 120). Auch die mit dem konkreten Wort verbundenen persönlichen Erfahrungen (zum Beispiel Urlaub auf den Kanaren, Obstsalate im Sommer und Ähnliches) beeinflussen die Aktivierung der benachbarten Knoten. 4.2.3 Welche sprachlichen Ebenen sind im mentalen Lexikon repräsentiert? Es gibt eine Reihe von Phänomenen, die Hinweise auf verschiedene Ebenen im mentalen Lexikon geben. Sie kennen sicher folgende Situation: Sie wissen ganz genau, was Sie sagen wollen, aber können sich nicht an das Wort erinnern. Dieses Phänomen ist in der Psycholinguistik und Psychologie als tip of the tongue ( TOT ) bekannt. Schwartz (2002: 5) definiert einen TOT -Zustand folgendermaßen: »A TOT is a strong feeling that a target word, although 137 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons currently unrecallable, is known and will be recalled«. Bei dem TOT -Zustand handelt es sich um ein relativ häufiges Phänomen: Nach Schwartz (2002) ergeben sich bei einem individuellen Sprecher durchschnittlich ca. 50-100 TOT s im Jahr. Außerdem zeichnen sich die TOT -Zustände nach Schwartz (2002) durch weitere Aspekte aus: Oft können einzelne Eigenschaften oder Informationen des Eintrags abgerufen werden, wie zum Beispiel einzelne Buchstaben, die Anzahl der Silben oder das Genus. Mit einem TOT -Zustand ist in der Regel ein Gefühl der Frustration verbunden. Besonders auffällig ist jedoch auch die enorm hohe Motivation der Sprecher, den TOT -Zustand zu lösen und das Wort zu finden. In Bezug auf die Ausgangsfrage dieses Abschnitts ist der TOT -Zustand insofern interessant, als er die Trennung zwischen Bedeutung und Form im mentalen Lexikon verdeutlicht (vergleiche Brown 2012). Dass es TOT s gibt, darüber besteht Einigkeit. Problematischer erscheint jedoch die Definition von TOT -Zuständen in den Experimenten: Da es sich um eine rein subjektive Beurteilung über den eigenen Abrufprozess handelt, sind die Anweisungen für die Probanden ausschlaggebend. Grundsätzlich gibt es aber drei Möglichkeiten auf den dargebotenen Stimulus (zum Beispiel mit einer Definition ohne das Schlüsselwort) zu reagieren: a) »Fragender Blick«: Das Wort ist nicht bekannt (kein Eintrag im mentalen Lexikon). b) »Äußerung des Wortes«: Das Wort ist bekannt und kann benannt werden (Eintrag im mentalen Lexikon vorhanden). c) »Gequälter, innerlich suchender Blick«: Das Wort ist bekannt, aber die Wortform kann nicht benannt werden (Tip-of-the-Tongue-Zustand; Eintrag im mentalen Lexikon vorhanden). Experiment 2 Nun können Sie einmal versuchen, Ihren Freundeskreis durch ein kleines Experiment in einen TOT -Zustand zu versetzen. Zuerst müssen Sie Ihren Freunden und Freundinnen erläutern, was ein TOT -Zustand ist und wie sie ihn identifizieren können. Sie müssen ihnen aber auch erklären, dass nicht jeder Stimulus sie gleich in einen solchen Zustand versetzen kann. Es kann also sein, dass sie entweder das Wort überhaupt nicht kennen oder dass sie das Wort einfach sagen können. Zeigen Sie ihnen im nächsten Schritt die folgende Definition und fragen Sie sie, um welches Wort es sich dabei handelt. Sie können natürlich eine andere Definition nehmen. Als XXXXXXXXXX bezeichnet man einen Zustand der Abwesenheit von Emotionen und Interessen, der Gleichgültigkeit beziehungsweise Teilnahmslosigkeit, in der Regel mit mangelnder Erregbarkeit und Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen. Quelle: http: / / flexikon.doccheck.com (März 2016) (Richtige Antwort: Apathie) Ein weiteres Beispiel für die (relative) Trennung zwischen Wortform und Bedeutung im mentalen Lexikon ist die Tatsache, dass wir sogenannte Non-Wörter problemlos verarbeiten kön- 138 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon nen. Non-Wörter bestehen zwar aus Buchstabenkombinationen, die den typischen Graphem- Phonem-Korrespondenzen einer Sprache entsprechen, stellen jedoch kein existierendes Wort im Lexikon der jeweiligen Sprache dar. Ein Beispiel dafür wäre das Wort schmanteln, das sich zwar nach einem möglichen deutschen Wort anhört, aber mit keiner Bedeutung verbunden ist. In diesem Zusammenhang stellten Jescheniak & Levelt (1994) fest, dass die Wortfrequenz den Informationsabruf ausschließlich auf der Ebene der Wortform beeinflusst, jedoch nicht auf der Ebene der Semantik (vergleiche auch Levelt, Roelofs & Meyer 1999). Weiterhin gelang es in psycholinguistischen Experimenten zu Sprachstörungen nachzuweisen, dass die grammatischen Eigenschaften eines Eintrags im Lexikon in irgendeiner Weise getrennt von der phonologischen Wortform gespeichert sind. So testeten Badecker, Miozzo und Zanuttini (1995) einen italienischen Probanden, der aufgrund einer Aphasie Wortfindungsprobleme (Anomie) hatte. Bei der Experimentaufgabe ging es darum, einfache Objekte auf Bildern zu benennen. Die Ergebnisse zeigten, dass der Proband wie erwartet nicht alle Objekte bezeichnen konnte (63-%). Interessant war aber die Tatsache, dass er zu 95-% der gezeigten Objekte das Genus der Wörter richtig nennen konnte. Das Gesamtbild der Ergebnisse zeigt also, dass der Zugriff auf das grammatische Genus und auf die Wortform über unterschiedliche Prozesse erfolgt. Darüber hinaus zeigten die Studien von Desrochers & Paivio (1990) sowie Bates, Dale & Thal (1995), dass sich die Reaktionszeit bei der Benennung des Genus von Substantiven verringert, wenn der Auslaut des Substantivs einen transparenten Genusindikator hat, der das Genus eindeutig vorhersagen lässt (beispielsweise sind alle Wörter, die auf -ung enden, feminin). Vor dem Hintergrund all dieser Beobachtungen erscheint Levelts Aufteilung der Worteinträge in die zwei Einheiten Lemma und Lexem, zumindest für die Zwecke der Erforschung des mentalen Lexikons, sinnvoll. Nach Levelt et al. (1999) enthält das Lemma die syntaktische Information eines Worteintrags im Lexikon wie zum Beispiel die Anzahl der Ergänzungen eines Verbs oder die Struktur der damit verbundenen Konstruktion (Nominalergänzung-- Verb-- Prädikatsergänzung). Im Lexem sind hingegen die morphologischen Informationen (Flexion, Konjugation und Ähnliches) und die phonologischen Informationen (Silben, artikulatorische Merkmale und Ähnliches) des Worteintrags gespeichert. Neben dem Lemma und dem Lexem gibt es natürlich auch die Ebene der lexikalischen Bedeutung, das heißt der Wortbedeutung. Diese Wortbedeutung ist von der nichtsprachlichen Bedeutung, die nicht mehr durch die lexikalischen Einheiten (Wörter) eingegrenzt ist, klar zu unterscheiden. So kann es dazu kommen, dass eine nichtsprachliche Bedeutung durch zwei oder mehrere lexikalische Einheiten (Wörter) versprachlicht werden kann. In der Literatur wird die Wortbedeutung oft auch als Teil des Lemmas aufgefasst und um pragmatische, stilistische und affektive Aspekte des Wortgebrauchs erweitert (vergleiche Plieger 2006: 12). 139 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons Experiment 3 Der beste Weg, zu erfahren, wie das mentale Lexikon in Bezug auf all diesen Ebenen der Worteinträge funktioniert, sind Experimente. Dafür brauchen Sie mindestens 8-10 Personen. Sie können den Versuch aber auch mit Ihren Kommilitonen und Kommilitoninnen im Forum durchführen. Beim Experiment soll jede Person zu den folgenden Items jeweils das erste Wort schreiben, das ihm oder ihr einfällt: R………………… Ha……………… Sprach………… Sommer……… Bei welchen Items gibt es die meisten Übereinstimmungen zwischen den Antworten der Probanden? Wie erklären Sie sich die Ergebnisse in Bezug auf die Organisationsprinzipien aller Ebenen der Worteinträge im mentalen Lexikon? 4.2.4 Wie ist das mehrsprachige mentale Lexikon organisiert? Bisher wurde das mentale Lexikon hauptsächlich aus einer monolingualen Sicht behandelt. Wie ist es aber mit mehreren Sprachen? Hat jede Sprache, die ein Sprecher beherrscht, ein eigenes Lexikon oder sind sie alle zusammen in einem einzigen Lexikon gespeichert? Die folgenden Abbildungen (Abbildung 4.4a-c) zeigen die verschiedenen Möglichkeiten der Darstellung des bilingualen Lexikons nach de Bot, Lowie & Verspoor (2005). Abbildung 4.4a zeigt eine getrennte Darstellung der Lexika; Abbildung 4.4b stellt ein gemeinsames Wörternetz dar; Abbildung 4.4c zeigt ein Netzwerk mit Aktivierungsausbreitung (Pfeile). Abbildung 4.4a-c: Das bilinguale Lexikon (de Bot, Lowie & Verspoor 2005: 43) Einige ältere Modelle wie das distributed feature model von de Groot (1992) gehen von einer getrennten Darstellung der L1 und L2-Wortformen aus (wie in Abbildung 4.4a), wobei sie wiederum ein gemeinsames System für die lexikalische Bedeutung vorsehen. Im Gegensatz dazu gehen die neueren Modelle von einem gemeinsamen Netzwerk mit Aktivierungsaus- 140 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon breitung aus (wie in Abbildung 4.4c), in dem sowohl die lexikalischen Bedeutungen als auch die Wortformen aller Sprachen gemeinsam repräsentiert sind (vergleiche de Bot et al. 2005). Innerhalb des Netzwerks werden dann je nach Modell sprachspezifische Subgruppen (subsets) angenommen, in denen bestimmte Wortebenen (beispielsweise Syntax oder Phonologie) getrennt repräsentiert sein können. Im Folgenden schauen wir uns an, welche Forschungsergebnisse für eine gemeinsame oder für eine getrennte Repräsentation der Wortebenen der verschiedenen Sprachen im Lexikon sprechen. Für die (allgemein akzeptierte) gemeinsame Repräsentation der lexikalischen Bedeutung sprechen Ergebnisse aus sogenannten cross-linguistischen Priming-Experimenten. Dabei wurde beobachtet, dass die primes (vorgeschaltete Stimuli) in einer Sprache X durchaus die Verarbeitung eines Zielitems in einer Sprache Y beeinflussen (siehe Kroll & Sunderman 2003; Wartenburger 2010). Auf die Frage, ob das deutsche Wort Schwalbe ein belebtes oder unbelebtes Ding ist, konnte zum Beispiel beim Vorschalten des englischen Worts dog schneller geantwortet werden als beim Vorschalten des Worts stone. Dasselbe Verhältnis zeigt sich auch beim Vorschalten der Wörter Hund und Stein. Das heißt, unabhängig von der Sprache wirkt das semantische Merkmal der Belebtheit bei der Verarbeitung des Zielitems erleichternd. Die Frage nach der gemeinsamen oder getrennten Repräsentation der Wortformen der verschiedenen Sprachen ist, wie bereits erwähnt, etwas umstritten. Das gilt aber nicht für alle lexikalischen Ebenen in gleichem Maße: Während man zum Beispiel von einem gemeinsamen phonologischen System ausgeht, zeigt die Forschung kein konklusives Bild bezüglich der Morphologie oder Syntax. So schließen zum Beispiel Costa, Kovacic, Franck & Caramazza (2003) aus ihrem Experiment, dass die Genussysteme der L1 und der L2 getrennt repräsentiert sein müssen, denn in ihrem Experiment prüften sie die Hypothese, dass die Ko-Aktivierung von Genusmerkmalen die Abrufgeschwindigkeit erhöht. Nach dieser Hypothese müsste das Genus des L1-Worts Wagen (der) schneller aktiviert werden, wenn davor ein maskulines L2-Wort (zum Beispiel papier aus dem Französischen) dargeboten wird. Das Auftreten eines solchen Ko-Aktivierungseffekts würde für eine gemeinsame Repräsentation der L1- und L2-Genussysteme sprechen. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass diese Hypothese so nicht zutrifft: Im Experiment wurde kein positiver oder negativer Einfluss des Genus eines davor dargebotenen Wortes in der L2 festgestellt. Allerdings fanden Costa et al. (2003) noch eine Reihe von Gründen, die für eine gemeinsame Repräsentation des Genus sprechen: ▶ Erstens ist es aus ökonomischer Sicht nicht praktisch, Wörter mit gemeinsamen Merkmalen nicht gemeinsam zu repräsentieren. ▶ Zweitens stimmen das grammatische Genus und das semantische Genus einiger Konzepte sprachübergreifend überein (Onkel-- der Onkel; Tante-- die Tante). ▶ Drittens spricht die Tatsache, dass eine genusmarkierte L1 den Erwerb des Genussystems der L2 erleichtern oder erschweren kann, ebenfalls für ein gemeinsames Genussystem der L1 und der L2 (siehe auch Jarvis & Pavlenko 2008; Prodeau 2005). Das Gesamtbild der derzeitigen Befundlage deutet jedoch auf eine weitere Möglichkeit hin: Die Art der Repräsentation der Genussysteme mehrerer Sprachen verändert sich im Laufe des L2-Erwerbs und ist deswegen als dynamisch anzusehen (vergleiche Costa et al. 2003). Ein 141 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons Überblick über die einschlägigen Theorien und Ansätze zum mehrsprachigen Genussystem bieten Jarvis & Pavlenko (2008) und Eichler (2011). Was das syntaktische System angeht, so scheint die empirische Befundlage eher die Annahme einer gemeinsamen Repräsentation zu stützen: Hartsuiker, Pickering & Veltkamp (2004) stellten einen Prime-Effekt zwischen Englisch und Spanisch in Bezug auf die Verwendung von Passiv und Aktiv fest. Sie beobachteten, dass bilinguale Sprecher (L1 Spanisch; L2 Englisch) viel öfter einen englischen Passiv-Satz bei einem vorangehenden spanischen Passiv-Satz produzierten, als wenn davor ein aktivischer oder intransitiver Satz dargeboten wurde. Dies setzt einen gemeinsamen Knoten für das Genus Verbi (Passiv und Aktiv) und somit eine gemeinsame Repräsentation der L1- und L2-Syntax voraus (vergleiche Hartsuiker & Pickering 2008). Diese Ergebnisse kontrastieren jedoch mit denen aus der Studie von Loebell & Block (2003), die bei bilingualen Sprechern (L1 Englisch; L2 Deutsch) keinen solchen Effekt beobachteten. Hartsuiker et al. (2004) erklären die unterschiedlichen Ergebnisse dadurch, dass die Satzstellung im Spanischen und im Englischen in Bezug auf die Platzierung des Partizips in der Regel identisch ist (Englisch und Spanisch: Das Auto wurde repariert vom Mechaniker), während das Deutsche in diesem Aspekt vom Englischen und Spanischen differiert (Deutsch: Das Auto wurde vom Mechaniker repariert). Das Modell einer gemeinsamen Syntax-Repräsentation (siehe dazu Hartsuiker & Pickering 2008) ist zwar mit den experimentellen Ergebnissen vereinbar, lässt jedoch externe Einflussfaktoren wie das L2- Niveau, kontextuelle Interferenzeffekte (Störeffekte durch den Kontext) und Ähnliches außer Acht und ist deswegen wenig »ökologisch« (siehe de Bot 2010). Eine direkte Übertragung der Ergebnisse auf den Kontext des Fremdsprachenunterrichts ist also nicht zulässig. 4.2.5 Wie ist das semantisch-konzeptuelle System im mehrsprachigen Lexikon organisiert? Wie bereits erwähnt, geht man heutzutage davon aus, dass das mehrsprachige Lexikon ein gemeinsames semantisch-konzeptuelles System für alle Sprachen besitzt (vergleiche de Bot et al. 2005, vergleiche auch Abbildung 4.4c). Wie organisiert sich aber dieses System und wie greifen die verschiedenen Sprachen darauf zu? Das Distributionsmodell von de Groot (1992) erklärt den Worttypeneffekt bei Konkreta in Experimenten mit der Unterscheidung zwischen der Formebene und der konzeptuellen Ebene (siehe Abbildung 4.5 und Abbildung 4.6). Nach de Groot (1992) verfügt jedes Wort über ein Merkmalsbündel auf konzeptueller Ebene. Während konkrete Wörter das konzeptuelle Merkmalsbündel teilen und nahe Übersetzungsäquivalente darstellen, haben abstrakte Wörter in den zwei Sprachen weniger konzeptuelle Merkmale gemeinsam und sind daher nur annähernde Übersetzungsäquivalente. Demnach hängt es also vom Worttypen (abstrakt oder konkret) ab, wie schnell Wörter übersetzt werden. In dieser Hinsicht geht de Groot (1992) davon aus, dass Kognaten (Wörter mit identischen oder ähnlichen Form- und Bedeutungsmerkmalen in zwei Sprachen) dank der geteilten Merkmale am schnellsten übersetzt werden. 142 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Abbildung 4.5: Distributionsmodell von de Groot (1992; nach Heredia & Brown 2006: 239) Abbildung 4.6: Distributionsmodell von de Groot (1992; nach Heredia & Brown 2006: 241) Das Distributionsmodell von de Groot (1992) wird zwar einigen beobachteten (cross-linguistischen) Effekten gerecht (zum Beispiel Worttypeneffekt), kann aber mit einer Reihe von weiteren Effekten nicht vereinbart werden. So kritisieren Levelt et al. (1999) zum Beispiel, dass solche merkmalbasierten Modelle das sogenannte Hyperonym-Dilemma nicht erfolgreich lösen: Wenn die semantischen Merkmale eines Zielwortes in der Tat aktiviert werden, dann sollten alle Hyperonyme gleichzeitig aktiviert sein, da das Zielwort alle Merkmale des Hyperonyms enthält (Levelt et al. 1999: 4). Dem ist aber nicht so: Es gibt laut Levelt et al. (1999) bisher keinen Beleg dafür, dass Zielwörter automatisch alle ihre Hyperonyme koaktivieren. Ein weiteres Problem dieser Modelle ist nach Levelt et al. (1999) die Tatsache, dass keine Komplexitätseffekte beobachtet werden konnten. Das heißt, semantisch einfache und komplexe Wörter können unabhängig von der Anzahl der semantischen Merkmale gleich schnell abgerufen werden. Pavlenko (2009: 127) führt noch folgende Kritikpunkte gegen das Modell an: Die Erwerbsbedingungen wurden nicht berücksichtigt, der Kontext könnte zu veränderten Effekten führen und der Aktivierungsgrad der beteiligten Sprachen wurde nicht spezifiziert. Nicht zu vergessen ist aber auch die Tatsache, dass Abstrakta sehr stark durch Metaphorisierungsprozesse konkretisiert werden können (vergleiche Roche & Roussy-Parent 2006). Das heißt, auch Abstrakta lassen sich in gewissermaßen als Konkreta auffassen und könnten intersprachliche Gemeinsamkeiten aufweisen. 143 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons 4.2.6 Wie entwickeln sich die Verbindungen zwischen dem semantisch-konzeptuellen System und den Wortformen? Im vorherigen Abschnitt wurde gezeigt, dass die Verknüpfungen zwischen den Wortformen und dem semantisch-konzeptuellen System eigentlich von vielen weiteren Faktoren abhängen. Dabei dürfen die Verbindungen nicht als kategorisch vorhanden angenommen werden, sondern sie entwickeln sich mit der Zeit und sind daher als dynamisch anzusehen. Wie kann man aber das mehrsprachige Lexikon so beschreiben, dass man allen mitwirkenden Faktoren und vor allem der Dynamik gerecht wird? Parallel zum Distributionsmodell von de Groot (1992) beschäftigt sich eine Reihe von Modellen mit der Frage nach dem schrittweise vorangehenden Aufbau von lexikalischen und konzeptuellen Links (Verknüpfungen) im mehrsprachigen Lexikon. So formulierten zum Beispiel Kroll & Stewart (1994) die sogenannte Entwicklungshypothese, nach der sich die Verbindungen zwischen Wortformen und Konzepten mit zunehmendem L2-Erwerb verändern. Auf diese Weise wird das mehrsprachige Lexikon als eine dynamische Komponente angesehen, die sich von dynamischen Wortassoziationen zur dynamischen Konzeptvermittlung hin entwickelt. Im Wortassoziationsmodell (Abbildung 4.7) werden die L2-Wortformen als Übersetzungsäquivalente der L1-Wortformen angelegt, wobei keine direkte Verbindung der L2-Wortformen zur konzeptuellen Ebene besteht. Der Zugriff zu den Konzepten erfolgt also über die L1-Wortformen. Auf diese Weise erleichtern Ähnlichkeiten in der Form zwischen L1- und L2-Wörtern die Übersetzung. Empirische Evidenz für dieses Modell liefert unter anderem das Experiment von de Groot, Dannenburg und Van Hell (1994). Die Autoren testeten bilinguale Probanden bei der Übersetzung von der L2 in die L1. Dabei waren einige Items Kognaten (diskutieren Deutsch, discutir Spanisch) und andere keine Kognaten. Die Ergebnisse zeigen, dass alle Probanden die Kognaten schneller und besser übersetzten als die Nicht-Kognaten (u. a. falsche Freunde), wobei der Vorteil durch die Kognaten bei Probanden mit niedrigem L2-Niveau größer war. Daraus schlossen die Autoren, dass besonders die Lerner mit niedrigem L2-Niveau auf die lexikalische Ähnlichkeit zwischen L1 und L2 fixiert sind. Abbildung 4.7: Wortassoziationsmodell (nach Kroll & Stewart 1994: 150) 144 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Wird aber die Sprachentwicklung in der L2 berücksichtigt, so ergibt sich, dass sich dieser Zustand im Laufe der Zeit verändert. Nach dem Konzeptvermittlungsmodell (Abbildung 4.8) haben L2-Wortformen in einem fortgeschrittenen Stadium des L2-Erwerbs einen direkten Zugang zur konzeptuellen Ebene. So testeten Talamas, Kroll & Dufour (1999) bilinguale Sprecher (L1 Englisch; L2 Spanisch) mit unterschiedlichen L2-Niveaus beim Übersetzen. Bei der Aufgabe ging es darum, die Richtigkeit von Übersetzungen zu beurteilen. Die im Experiment dargebotenen falschen Übersetzungen waren entweder in der Form (zum Beispiel man-hambre ›Hunger‹; anstatt man-hombre ›man‹) oder in der Bedeutung (beispielsweise man-mujer ›Frau‹; anstelle von man-hombre ›Mann‹) ähnlich. Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass die L2-Lerner mit niedrigem Niveau größere Schwierigkeiten mit falschen Übersetzungen bei bestehenden Formähnlichkeiten hatten; andererseits war die semantische Ähnlichkeit mit zunehmendem L2-Erwerb mit immer größeren Interferenzen beziehungsweise Schwierigkeiten verbunden. Das Gesamtbild zeigt also, dass Lerner im fortgeschrittenen L2-Erwerbsstadium einen direkten Zugang zum konzeptuellen System haben, da sie gerade durch die Distraktoren (Ablenker) auf semantisch-konzeptueller Ebene stärker beeinflusst werden. Auch das Experiment von Dufour & Kroll (1995) unterstützt das konzeptvermittelnde Modell. Die Autoren testeten bilinguale Probanden (L1 Englisch; L2 Französisch) bei der Kategorisierung von Items nach semantischen Kategorien (zum Beispiel Ist ein Apfelsaft ein Getränk? ). Die Ergebnisse zeigten, dass die Probanden mit niedrigem Niveau deutlich langsamer in der L2 (Französisch) waren als in der L1 (Englisch). Die Autoren führen daher die besseren Leistungen von fortgeschrittenen L2-Lernern auf den direkten konzeptuellen Zugriff zurück. Abbildung 4.8: Konzeptentwicklungsmodell (nach Kroll & Stewart 1994: 150) Als Zusammenfassung der beiden Modelle formulierten Kroll & Stewart (1994) das sogenannte revised hierarchical model (Abbildung 4.9). In diesem Modell werden Effekte der Übersetzungsasymmetrie sowie Dominanzverhältnisse zwischen L1 und L2 berücksichtigt. In Bezug auf die Übersetzungsasymmetrie zeigten Kroll und Stewart (1994) zum Beispiel, dass fortgeschrittene L2-Lerner (L1 Niederländisch; L2 Englisch) langsamer von der L1 in die L2 übersetzten als von der L2 in die L1. In diesem Zusammenhang wurde auch beobachtet, 145 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons dass der semantische Kontext nur beim Übersetzen von der L1 in die L2 eine Rolle spielt. Das heißt, dass das Übersetzen von der L1 in die L2 durch das Vorhandensein von konzeptuellen Links stark beeinflusst ist. Das Übersetzen von der L2 in die L1 läuft hingegen direkt über die lexikalischen Links, also rein formbasiert (vergleiche auch Kroll, Michael, Tokowicz & Dufour 2002: 139). Beide Beobachtungen verstärken folgende zwei Annahmen: ▶ Erstens sind die lexikalischen Links zwischen den Sprachen im mehrsprachigen Lexikon in der Richtung L1 zu L2 stärker als in der Richtung L2 zu L1, wobei das wahrscheinlich von der Qualität der L2, von der Art der Probanden oder von der Untersuchungsmethode selbst stark abhängen kann. ▶ Zweitens sind die konzeptuellen Links zwischen den Formen und dem konzeptuellen System in der L1 stärker als in der L2. Beide Annahmen werden im Modell durch die Stärke der Verbindungen verdeutlicht. Abbildung 4.9: Revised hierarchical model (nach Kroll & Stewart 1994: 158) Die hierarchischen Modelle wie das revised hierarchical model erklären zwar den unterschiedlichen Zugang von den L1- und L2-Formen zu den Konzepten in Abhängigkeit mit dem Sprachniveau, sie lassen jedoch außer Acht, dass die beobachteten Effekte von anderen Einflussfaktoren abhängig sein könnten. Wesentliche Einflussfaktoren können zum Beispiel der Grad der Konkretheit des Wortes, die Funktion des Wortes im Sprachgebrauch oder der Kognaten-Status selbst sein (French & Jacquet 2004). Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt an den hierarchischen Modellen ist die Vereinfachung der Konzeptebene. Die Darstellung der Konzeptebene in einer einzelnen Box lässt nämlich den Eindruck entstehen, dass es sich bei der L1 und bei der L2 um dieselben Konzepte handelt. Demnach wäre das Konzept für Berg im Niederländischen und im Deutschen deckungsgleich. Bedenkt man jedoch, dass es in den Niederlanden eigentlich keine Berge gibt, außer Hügel in Höhe von rund 300m und demgegenüber in Süddeutschland die Alpen beginnen, deren höchster Berg, die Zugspitze, knapp 3000m hoch ist, müssen im Niederländischen und Deutschen unterschiedliche Konzepte für Berg existieren. 146 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Spracherwerb ist jedoch mehr als eine reine Verlinkung mit der Konzeptebene, und zwar geht es eher darum, aufbauend auf bereits vorhandenen Konzepten, neue kulturspezifische Schattierungen anzulegen und somit die konzeptuellen Unterschiede zwischen der L1 und der L2 zu erkennen und produktiv zu nutzen. Vor diesem Hintergrund haben Dong, Gui & MacWhinney (2005) mit dem sogenannten shared asymmetrical model einen weiteren Ansatz vorgeschlagen, in dem solche Differenzierungen auf der Konzeptebene berücksichtigt werden (Abbildung 4.10). Durch eine Reihe von Experimenten kamen die Autoren zu dem Schluss, dass auf der Konzeptebene sowohl die L1als auch die L2-Konzepte sowie gemeinsame Konzepte enthalten sind und dass beide Sprachen auf eine asymmetrische Weise auf die Konzepte zugreifen. Diese Asymmetrie wurde wie gesagt bei den Übersetzungsäquivalenten mit gemeinsamen Konzepten festgestellt: In diesem Fall sind die Links zwischen den Wortformen und den Konzepten in der L1 stärker als in der L2. Weiterhin beobachteten Dong et al. (2005: 233) zwei Tendenzen in der Entwicklung des mehrsprachigen Lexikons: ▶ Einerseits besteht eine Tendenz zur Integration der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Sprachen, so dass sprachspezifische und gemeinsame Konzepte auf eine dynamische Weise koordiniert werden. ▶ Andererseits werden die sprachspezifischen Konzepte mit zunehmendem L2-Erwerb immer klarer voneinander getrennt, so dass man in diesem Fall von einer Art Trennungstendenz sprechen kann. Abbildung 4.10: Shared asymmetrical model (nach Dong et al. 2005: 233) Trotz der vergleichsweise ausdifferenzierteren Darstellung der Konzeptebene im Modell von Dong et al. (2005) wurde dieses später erweitert und präzisiert. So geht zum Beispiel Pavlenko (2009) in ihrem modified hierarchical model ( MHM ) (siehe Abbildung 4.11) davon aus, dass die L1- und L2-Wörter auf konzeptueller Ebene wie folgt repräsentiert sein können: in vollständig gemeinsamen Kategorien, in partiell gemeinsamen Kategorien oder in sprachspezifischen Kategorien. Nehmen wir folgende Beispiele: Während das Wort Laptop nahezu vollständig in gemeinsamen konzeptuellen Kategorien repräsentiert ist, haben Wörter wie Privatsphäre in mehreren Sprachen aufgrund großer kultureller Unterschiede kaum gemeinsame Kategorien auf konzeptueller Ebene. Mit der Annahme von Wörtern in ausschließlich sprachspezifischen Kategorien wird das Modell von Pavlenko (2009) der Tatsache gerecht, dass bestimmte Wort- 147 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons bedeutungen einer Sprache X nicht einfach durch lexikalische Einheiten einer Sprache Y übersetzt werden können, sondern einer Umschreibung bedürfen (vergleiche Grosjean 2010: 180). Einen dritten Fall stellen die sogenannten partiellen Übersetzungsäquivalente dar, die nur zum Teil (partiell) gemeinsame Kategorien teilen. Das ist zum Beispiel beim deutschen Wort Getränk und beim italienischen Wort bibita der Fall: Während Wein oder Bier Getränke sein können, beschränkt sich bibita nur auf nicht alkoholische, kalte Getränke (Cola, Limonade). In diesem Sinne haben das deutsche Wort Getränk und das italienische Wort bibita nur teilweise gemeinsame konzeptuelle Kategorien. Auch kulturspezifische metaphorische Erweiterungen von Konkreta und die entsprechenden konzeptuellen Unterschiede zwischen den Sprachen lassen sich mit diesem Modell gut erklären (vergleiche Plieger 2006). Ein weiterer innovativer Aspekt des Modells von Pavlenko (2009) ist der sogenannte konzeptuelle Transfer. Das betrifft vor allem die partiellen Übersetzungsäquivalente, also diejenigen Wörter, die nur teilweise konzeptuelle Kategorien gemeinsam haben (zum Beispiel Getränk und bibita). In diesen Fällen kann es dazu kommen, dass das gesamte konzeptuelle Netz des deutschen Wortes Getränk durch konzeptuellen Transfer auf das italienische Wort bibita übertragen wird. Dies kann nach Pavlenko sowohl von der L1 zur L2 als auch umgekehrt passieren. Beim erfolgreichen L2-Erwerb ergibt sich als Folge eines solchen konzeptuellen Transfers die sogenannte konzeptuelle Restrukturierung in der L2. Das heißt, die konzeptuelle Repräsentation in der L2 wird verfeinert, indem die anfangs aus der L1 direkt übertragenen konzeptuellen Elemente entfernt und die neuen L2-spezifischen konzeptuellen Elemente hinzugefügt werden. Der Fremdsprachlerner erwirbt damit die sogenannte konzeptuelle Kompetenz (Roche 2013b; vergleiche conceptual fluency, Danesi 2008). 148 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Abbildung 4.11: Modiefied hierarchical model (Pavlenko 2009: 147) Konzeptuelle Differenzen und Gemeinsamkeiten sowie die Verbindungen aller Konzeptbereiche sich begegnender Sprachen bilden auch die Grundlage des didaktischen Konzeptes der Transferdifferenz, das in Kapitel 8 ausführlich behandelt wird. 149 4.2 Die Organisation des mehrsprachigen mentalen Lexikons 4.2.7 Zusammenfassung ▶ Das mentale Lexikon ist netzwerkartig aufgebaut und dynamisch organisiert. ▶ Durch einige Sprachphänomene (unter anderem TOT -Zustand, Sprachstörungen und Versprecher) wurde gezeigt, dass das mentale Lexikon mehrere, miteinander verbundene Ebenen enthält (Semantik, Syntax, Morphologie, Phonologie). ▶ Worteinträge werden in die zwei großen Bereiche Lemma und Lexem eingeteilt. ▶ Bei Mehrsprachigkeit sind alle Sprachen im selben mentalen Lexikon und damit im selben semantisch-konzeptuellen System gespeichert. ▶ Das modified hierarchical model ( MHM ) von Pavlenko (2009) bietet einen Erklärungsansatz dazu, wie die Wortformen mit der Konzeptebene verbunden sind. ▶ Dabei müssen folgende Aspekte aus früheren Erklärungsansätzen berücksichtigt werden: Die Veränderbarkeit der lexikalischen und konzeptuellen Verbindungen zwischen den Sprachen und der Konzeptebene im Laufe des L2-Erwerbs, die Differenzierung zwischen sprachspezifischen und gemeinsamen konzeptuellen Kategorien sowie cross-linguistische Effekte (zum Beispiel Worttypeneffekte). ▶ Neu am Modell von Pavlenko ist die ausdifferenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Möglichkeiten der konzeptuellen Überlappung zwischen Sprachen: keine Überlappung, partielle Überlappung und vollständige Überlappung. ▶ Auf dieser Basis beschreibt Pavlenko die Prozesse, die mit zunehmendem L2-Erwerb stattfinden: Durch konzeptuellen Transfer werden konzeptuelle Elemente von einer Sprache in die andere übernommen und durch Restrukturierung werden die konzeptuellen Repräsentationen verfeinert und weiter entwickelt. 4.2.8 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Welche Erkenntnisse sprechen gegen eine Darstellung des mentalen Lexikons als eine Wörterliste? 2. Was ist ein TOT -Zustand und was sagt er über das mentale Lexikon aus? 3. Welche Bereiche eines Lexikoneintrags unterscheidet Levelt? 4. Welche Probleme haben die Merkmalsmodelle wie das distributed feature model von de Groot (1992)? 5. Welche Aspekte nimmt Pavlenko (2009) in ihrem Modell aus früheren Modellen auf und welche Aspekte sind neu? 6. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesen Erkenntnissen für die Konzeption Ihres Sprachunterrichts insbesondere bezüglich der Wortschatzvermittlung? 150 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons In fremdsprachlichen Texten und Gesprächen sehen sich Lerner mit einer oft sehr großen Menge an neuem Wortschatz konfrontiert, ohne dass sie sich alle neuen Vokabeln gleich merken könnten. Gleiches gilt auch für Vokabeln, die gezielt im Unterricht vermittelt und geübt werden. Manchmal ärgern sich Lerner zum Beispiel, dass sie im Gespräch mit der Professorin oder dem Professor in der Sprechstunde bestimmte bereits gelernte Wörter nicht leicht abrufen können. Andererseits ist es oft so, dass Lerner sich gerade Wörter merken, die nicht im Unterricht »drangekommen« sind oder vor dem Gebrauch erläutert wurden. Aus dieser kurzen anekdotischen Skizze wird klar, dass Wortschatzlernen nicht vollständig kontrolliert oder gesteuert werden kann. Die bisherige empirische Forschung liefert jedoch einige wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich der Wortschatzerwerb durch entsprechende instruktionale Maßnahmen im Unterricht optimieren lässt und wie Lerner diesen Prozess effizienter gestalten können. In dieser Einheit soll daher zunächst einmal geklärt werden, wie sich die Einträge neuer Wörter im mentalen Lexikon mit zunehmendem Spracherwerb weiterentwickeln und unter welchen Bedingungen Wortschatz inzidentell gelernt werden kann. Danach sollen einige kommunikative Strategien vorgestellt werden, die die Lerner bei Wortfindungsproblemen anwenden können und die im Unterricht behandelt werden sollten. Schließlich soll erläutert werden, wie neue Vokabeln im Unterricht präsentiert und eingeübt werden können. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die wichtigsten Phasen des Wortschatzerwerbs in der L2 erläutern können; ▶ die Strategien zur Lösung von Wortfindungsproblemen sowie die Phasen ihrer Vermittlung kennen; ▶ didaktische Vorschläge zur Unterstützung der Wortschatzarbeit im Unterricht formulieren können. 4.3.1 Wie verläuft der Wortschatzerwerb in der L2? In den vorangehenden Einheiten haben wir anhand einiger Modelle zum bilingualen Lexikon gesehen, dass die L2-Lerner vor allem auf den niedrigen Niveaustufen die neu gelernten Wörter eher durch formelle Links mit den Wörtern aus ihrer L1 verbinden (vergleiche Kroll & Stewart 1994, Kroll & de Groot 1997). Erst mit zunehmendem Spracherwerb werden konzeptuelle Links angelegt und entsprechend neue konzeptuelle Kategorien geschaffen, um L2spezifische Aspekte der Wortbedeutung zu berücksichtigen. Das Wortschatzwissen aus der L1 spielt also eine zentrale Rolle, und zwar kann es in manchen Fällen den Wortschatzerwerb in der L2 unterstützen, aber manchmal auch behindern (vergleiche Wolter 2009: 134; vergleiche auch Schmitt 2008). In diesem ersten Abschnitt werden wir uns daher genauer ansehen, 151 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons welche Aspekte der L2-Wörter in welcher Phase erworben werden und wie sie mit dem bereits vorhandenen Wortschatzwissen aus der L1 interagieren. Erst vor diesem Hintergrund lässt sich entscheiden, auf welcher Wortebene (phonologisch, morphologisch, semantisch etc.) ein didaktischer Handlungsbedarf besteht und inwiefern sich das Heranziehen der L1 im Sinne einer kontrastiven Wortschatzarbeit als produktiv erweisen kann. Das Modell von Jiang (2000), das eine breite Anerkennung gefunden hat, beschreibt den Prozess des Wortschatzerwerbs in der Fremdsprache in drei Phasen. In einer ersten Phase (siehe Abbildung 4.12) enthält der Lexikoneintrag nur die phonologischen und eventuell auch die orthographischen Informationen. Dabei wird erst über die Übersetzungsäquivalente der L1 auf die Bedeutung zugegriffen, so dass von einer starken Orientierung an Lemma und Lexem des L1-Wortes auszugehen ist (vergleiche Kroll & Stewart 1994; Kroll, Michael, Tokowicz & Dufour 2002: 139). Charakteristisch für diese Phase ist vor allem der mühsame produktive Gebrauch von Wörtern, da vor allem bei der Konzeptualisierung kein direkter Zugang zu den Informationen des L2-Wortes besteht, sondern erst über die lexikalischen Links zwischen dem L1- und dem L2-Wort. In einer zweiten Phase (siehe Abbildung 4.12) wird eine stärkere Verbindung zwischen L2-Wörtern und L1-Übersetzungsäquivalenten hergestellt, indem die L1-Syntax und -Bedeutung in die L2-Wortform integriert werden. Das heißt also, dass der Eintrag im mentalen Lexikon nahezu vollständig ist, jedoch teilweise mit nicht zutreffenden Informationen. Die morphologischen Aspekte sind in dieser Phase oft nicht vorhanden, da sie sich nicht aus der L1 übertragen lassen (die Endungen der Verben oder die Pluralendungen im Französischen können zum Beispiel nicht einfach für das Deutsche übernommen werden). In dieser Phase wird außerdem ein relativ hoher Automatisierungsgrad erreicht, der in manchen Fällen auch zu einer gewissen Fossilisierung führen kann. Das heißt also, dass die Lerner in verschiedenen Kontexten des Sprachgebrauchs bereits die minimalen Anforderungen recht schnell erfüllen (oder zu erfüllen glauben) und daher keinen Bedarf mehr sehen, den Eintrag des mentalen Lexikons weiter auszubauen. Sie haben sicher den einen oder anderen Lerner kennengelernt, der zwar ganz viel Wortschatz im schnellen Tempo gelernt hat, aber seit Jahren immer wieder dieselben Fehler bei den Verbendungen oder bei der Deklination macht. Ein solcher Fall zeigt, dass der Wortschatzerwerb sich zwar quantitativ weiterentwickelt, aber qualitativ fossilisieren kann. Schließlich sind die Einträge in der dritten Phase semantisch, syntaktisch und morphologisch voll entwickelt und enthalten die nötigen Spezifika der L2- Wörter. Somit läuft die Sprachverarbeitung in der L2 ähnlich wie in der L1. 152 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon L2 phon/ orth L2 morphology L1 syntax L1 semantics L2 phon/ orth L2 phon/ orth L2 syntax L2 semantics Abbildung 4.12: Der Prozess des Wortschatzerwerbs nach Jiang (2000: 50ff) in drei Phasen Jiang betont weiterhin, dass selbst im fortgeschrittenen Spracherwerb die L2-Wörter durch die Bedeutung der entsprechenden L1-Übersetzungsäquivalente gesteuert werden (Jiang 2002: 619f). Sie illustriert das an Wörtern aus der L1, deren Bedeutung von zwei L2-Wörtern geteilt wird: So bedeutet zum Beispiel das spanische Wort gustar sowohl gefallen als auch schmecken. Die Tatsache, dass solche Wörter selbst von fortgeschrittenen L2-Lernern immer wieder falsch verwendet werden (zum Beispiel beim Satz mir gefällt* das belgische Bier sehr gut), interpretiert die Autorin als Nachweis dafür, dass das Lemma des L1-Wortes die Bedeutung des L2-Wortes noch lange beeinflusst. Die Phasen des Wortschatzerwerbs nach Jiang (2000) machen deutlich, dass der Wortschatzerwerb mehrere Ebenen betrifft und daher nicht leicht abzuschließen ist. Dabei werden die verschiedenen Ebenen der Einträge im Lexikon anhand der Unterscheidung zwischen Lemma und Lexem sowie den jeweiligen Subkomponenten beschrieben (Levelt 1999). Da sich aber diese Ebenen in der Praxis nicht leicht operationalisieren lassen, formulierte Nation (2001: 27) eine umfassende Liste mit Aspekten eines Worteintrags im mentalen Lexikon, die nach erfolgreichem Erwerb beherrscht werden sollten: Form: Spoken R What does the word sound like? P How is the word pronounced? Written R What does the word look like? P How is the word written and spelled? Word parts R What parts are recognizable in this word? P What word parts are needed to express this meaning? Meaning: Form and meaning R What meaning does this word form signal? P What word form can be used to express this meaning? Concept and referents R What is included in the concept? P What items can the concept refer to? Associations R What other words does this make us think of ? P What other words could we use instead of this one? 153 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons Use: Grammatical functions R In what patterns does the word occur? P In what patterns must we use this word? Collocations R What words or types of words occur with this one? P What words or types of words must we use with this one? Constraints on use (register, frequency-…) R Where, when and how often would we expect to meet this word? P Where, when and how often can we use this word? Abbildung 4.13: Liste nötiger Einträge von Wörtern im mentalen Lexikon nach Nation (2001: 27) Im Gegensatz zur groben Unterscheidung zwischen Lexem und Lemma werden die semantischen und pragmatischen Aspekte in dieser Beschreibung viel detaillierter dargestellt. Demnach hängt die Semantik der Wörter nicht nur von ihrer denotativen Bedeutung ab, sondern auch von Assoziationen und Synonymen, mit denen sich allerlei konzeptuelle Überlappungen ergeben können. Auch der tatsächliche Sprachgebrauch im Kontext spielt hier eine wichtige Rolle: Der Lerner darf nicht davon ausgehen, dass das Wort in allen möglichen Situationen gleich verwendet wird, sondern er muss Aspekte berücksichtigen wie die Häufigkeit von Kollokationen, die Einschränkungen des Registers oder die möglichen metaphorischen Extensionen. Daraus ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen für die Praxis: Einerseits wird mit der Liste von Nation (2001) klar, dass die reine Darbietung von Vokabellisten mit Definitionen und Beispielsätzen nicht einmal 50- % der zu erlernenden Aspekte von Worteinträgen abdeckt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass differenzierte instruktionale Designmaßnahmen erforderlich sind, um alle oben aufgelisteten Aspekte gezielt abzudecken. Andererseits wird auch ersichtlich, dass Aspekte wie die Kollokationen, die Häufigkeit und die Register sich nicht einfach durch explizite instruktionale Maßnahmen vermitteln lassen. Einige Studien (vergleiche MacArthur & Littlemore 2008) haben zwar versucht, durch authentische Korpora solche Aspekte für bestimmte Wörter und Ausdrücke zu ermitteln und für Unterrichtszwecke nutzbar zu machen, der Aufwand der Aufbereitung von geeigneten Beispielsätzen auf der Basis solcher umfangreichen Korpora erscheint jedoch eine wenig praktikable Lösung. Daher empfehlen einige Autoren, den Wortschatzerwerb durch eine Kombination aus explizit instruktionalen Maßnahmen und durch authentische Texte zu unterstützen (vergleiche Schmitt 2008: 334; zu Inputmodellen aber kritisch Roche, Reher & Simic 2012). 4.3.2 Inzidentelles Wortschatzlernen und explizite Wortschatzvermittlung Wie bereits erwähnt, kann der Wortschatzerwerb nicht vollständig geplant werden, das heißt also, dass die Lehrkraft diesen Prozess nur bedingt steuern kann. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber die Frage, welche Rolle überhaupt die explizite Wortschatzarbeit spielt und inwiefern inzidentelles Lernen zum Wortschatzerwerb beitragen kann. 154 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Die bisherige Forschung räumt dem inzidentellen Wortschatzlernen zwar eine wichtige Rolle ein, zeigt aber auch, dass explizite Wortschatzarbeit oft effizienter ist und zu nachhaltigeren Ergebnissen als das inzidentelle Wortschatzlernen führt (Schmitt 2008: 341, jedoch in gesteuerten Kontexten). Dabei ist einschränkend anzumerken, dass der Anteil der gelernten Wörter durch explizite Wortschatzarbeit im Unterricht in der Regel deutlich niedriger ist als der der gelernten Wörter durch inzidentelles Lernen »im richtigen Leben« oder in Handlungskontexten: In einer Studie stellten Tang & Nesi (2003) fest, dass lediglich 2-12- % der gelernten Wörter im Rahmen von Unterrichtsaktivitäten explizit vermittelt wurden. Die Rolle der expliziten Wortschatzvermittlung spielt aus quantitativer Sicht eine weniger wichtige Rolle, ist aber aus qualitativer Sicht enorm wichtig. So beobachteten Schmitt & Schmitt (2014) in ihrer Studie, dass die Materialien in den Lehrwerken und die Lehrer selbst oft ausschließlich hochfrequente Wörter verwenden, während die weniger frequenten Wörter (mid-frequency words) und die seltenen Wörter (low-frequency words) kaum vorkommen oder sogar vermieden werden. Da vor allem die weniger frequenten Wörter eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis authentischer Texte sind, empfehlen die Autoren die Einführung von weniger frequenten Wörtern nach Erreichen eines gewissen Basiswortschatzes. Erst dadurch lassen sich auch qualitative Fortschritte im Wortschatzerwerb erzielen. Dazu muss aber erläuternd gesagt werden, dass sich Lehrwerke zunehmend an abstrakt standardisierten Wortlisten orientieren, die etwa infolge des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens ( GER ) entwickelt wurden. Außerdem lässt sich im Unterricht immer wieder eine Tendenz zur Simplifizierung und Generalisierung beobachten, wodurch Inhalte und Redeanlässe oft so wenige Ansatzpunkte enthalten, dass sie nicht die Aufmerksamkeit der Lerner ansprechen. Eine Alternative zu den oben genannten Maßnahmen der Einführung weniger frequenter Wörter könnte daher einfach sein, auf interessante und relevante Themen und Aufgaben zurückzugreifen. Damit würde sich die Frage der Frequenz so nicht mehr stellen. So zeigt sich beim inzidentellen Wortschatzlernen, das eher in authentischen Handlungskontexten erfolgt, dass dafür beim L2-Lesen unter anderem der Satzkontext als ein wichtiger Indikator angesehen werden muss (vergleiche Webb 2008). Nach Weis (2000; vergleiche auch Ehlers 1998) sind gerade „L2-Lerner beim Erschließen unbekannter Wörter stärker an den Kontext gebunden als L1-Lerner, bei denen sich Wortbedeutungen bereits verselbstständigt haben und somit eine automatische und kontextfreie Wortinterpretation ermöglichen“ (Suñer 2011: 72). In diesem Zusammenhang haben einige empirische Studien festgestellt, dass vor allem die Informativität des Kontextes hinsichtlich des zu lernenden Wortes eine zentrale Rolle spielt (vergleiche Webb 2008), und zwar eben fast unabhängig von den verschiedenen Vorkommensfrequenzen, die bisher als Voraussetzung für das inzidentelle, aber meist hoch instruktionale, Lernen vorgeschlagen wurden (vergleiche Hulstijn, Hollander & Greidanus 1996; Horst, Cobb & Meara 1998; Waring & Tataki 2003; Webb 2007). So fördern nach Webb (2008) einige Satzkontexte die Erschließung neuer Wörter und werden deswegen als informativer betrachtet als Satzkontexte, die eher inhibitorisch wirken und keine aufschlussreichen Kontextinformationen bieten. In einem Experiment konnte Webb (2008; vergleiche auch Webb 2007) tatsächlich zeigen, dass das wiederholte Vorkommen des zu lernenden Wortes in informativen Kontexten den Lernern zu besseren Lernergebnissen verhelfen konnte. 155 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons Andere Autoren bezweifeln jedoch die Effizienz des Erschließens aus dem Kontext, weil sich in verschiedenen Experimenten gezeigt hat, dass die kontextgebundene Wortinterpretation beim L2-Lesen vor allem aufgrund mangelhafter Sprachkompetenz und fehlenden semantischen Wissens über die Wörter im Kontext oft nicht erfolgreich ist (vergleiche Laufer 2005; Huang & Liou 2007). In diesem Zusammenhang hat sich die Studie von Nassaji (2003) mit dem Verhältnis von Reichweite der Strategien, Wissensquellen und Erfolg beschäftigt. So untersuchte Nassaji (2003) anhand von Protokollen des lauten Denkens die Strategien zur lexikalischen Inferenzbildung, die 21 Lerner des Englischen als Fremdsprache auf Mittelstufenniveau bei unbekannten Wörtern beim Lesen einsetzten. Die verwendeten Texte hatten einen Anteil von 95-% an bekannten Wörtern, so dass die Erschließung der unbekannten Wörter (5-%) durch den Kontext noch zumutbar war (vergleiche Hu & Nation 2000). Zur Bewertung des Erfolgs der eingesetzten Strategien wurde eine 3-Punkte-Skala erstellt, die semantische, syntaktische und kontextuelle Kriterien des inferierten Wortes umfasste. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als die Hälfte (55,8-%) der eingesetzten Strategien nicht erfolgreich waren; 25,6-% der Strategien waren erfolgreich und 18,6-% teilweise erfolgreich. Daraus ergibt sich, dass nur ein relativ kleiner Teil der eingesetzten Strategien erfolgreich war und weniger als 2-% der unbekannten Wörter im Text richtig erschlossen werden konnten. Interessanterweise nutzten die L2-Lerner bei der Erschließung der unbekannten Wörter am meisten ihr Weltwissen (46,2-%), gefolgt von morphologischem Wissen (26,9-%). Die am wenigsten eingesetzte Strategie war hingegen das Wiederholen von einzelnen Wörtern und Textpassagen (vergleiche Nassaji 2003: 656). Außerdem stellte sich heraus, dass das morphologische Wissen die zuverlässigste Wissensquelle war und dass das Wiederholen einer Textpassage beim Inferieren zielführender war als das Wiederholen einzelner Wörter. Ergänzend dazu betont Nassaji die Wichtigkeit der metakognitiven Strategien, wie zum Beispiel das Verifizieren oder das Selbstprüfen, die dazu beitragen, die Genauigkeit der Inferenzen zu überprüfen und sie im Falle von misslungenen Vermutungen zu modifizieren (Nassaji 2003: 662). Außerdem ist zu erwähnen, dass neben der Erschließung durch den Kontext auch andere Strategien verwendet werden, wie zum Beispiel Ignorieren, Nachschlagen im Wörterbuch oder das Aufschreiben als Frage an die Lehrkraft. Da wir uns bisher vorwiegend mit der Erschließung unbekannter Wörter beim Lesen beschäftigt haben, soll im nächsten Abschnitt besprochen werden, wie Wortfindungsprobleme beim Sprechen in der Fremdsprache gelöst und wie die verwendeten Strategien vermittelt werden können. 4.3.3 Kommunikative Strategien bei Wortfindungsproblemen Dass Fremdsprachenlerner vor allem auf den niedrigen Niveaustufen nicht alles präzise ausdrücken können, dürfte uns eigentlich nicht wundern. Damit aber kleine Lexikalisierungsprobleme das Gespräch nicht verhindern, sollten Fremdsprachenlerner dazu imstande sein, geeignete Strategien einzusetzen, die trotz aller Schwierigkeiten die Fortführung des Gespräches ermöglichen. Mit der Vermittlung und dem Einsatz solch kommunikativer Strategien im L2-Kontext hat sich die bisherige Forschung intensiv beschäftigt (vergleiche 156 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Poulisse 1993; Smith 2003; Lafford 2004; Rabab’ah & Bulut 2007). So hat zum Beispiel Poulisse (1993) ein taxonomisches Modell der kommunikativen Strategien entwickelt, das in zahlreichen Studien Anwendung gefunden hat (vergleiche Littlemore 2003). In Anlehnung an das Sprachverarbeitungsmodell von Levelt (1989; siehe auch Levelt 1999) schlägt sie eine Reihe von Strategien vor, die die Unterscheidung zwischen einer linguistischen und einer konzeptuellen Ebene berücksichtigt. Die erste Strategie, die jedoch nicht bevorzugt werden sollte, aber immerhin eine Option darstellt, ist die Beendigung der Konversation (Strategy of Message Abandonment). Eine zweite Option besteht darin, die Konversationspartner um Hilfe zu bitten. Weiterhin beschreibt Poulisse (1993) eine Reihe von Strategien, die sie unter die Kategorie der Kompensationsstrategien fasst: Die sogenannte substitution strategy bezieht sich auf den Ersatz durch einen Oberbegriff oder ein L1-Wort; durch die substitution plus strategy wird zwar auch das gesuchte Wort durch ein anderes ersetzt, allerdings durch ein morphologisch angepasstes L1-Wort oder durch eine Neuschöpfung; weiterhin wird durch die reconceptualization strategy die ursprünglich geplante Nachricht im Konzeptualisierer (vergleiche Levelt 1989) so angepasst, dass sie sich leichter in Worte fassen lässt. Schließlich nennt Poulisse (1993) den Sprachwechsel als mögliche Strategie bei Wortfindungsproblemen. Andere Autoren wie Dörnyei (1995, 1997; vergleiche auch Dörnyei & Scott 1995) schlugen weitere Kategorien vor, wie zum Beispiel die sogenannten stalling strategies, anhand derer die Verarbeitungszeit überbrückt und damit Zeit für den Wortfindungsprozess gewonnen werden kann (zum Beispiel durch Zeitfüller / Verzögerungssignale wie mh, also, ich meine, quasi, sozusagen, und ääähhh-…). Der Einsatz der Strategien variiert jedoch stark in Abhängigkeit von Lernervariablen wie dem kulturellen Hintergrund, dem Sprachniveau, dem kognitiven Stil etc. Im Folgenden sollen einige empirische Untersuchungen vorgestellt werden, die sich gezielt mit einigen dieser Variablen beschäftigt haben. Anschließend sollen praktische Konsequenzen für die Vermittlung der Strategien formuliert werden. In Bezug auf die kognitiven Stile von Lernern stellte Littlemore (2001) in ihrer Studie fest, dass Lerner mit holistischen und analytischen kognitiven Stilen unterschiedliche Präferenzen in Bezug auf die Art der kommunikativen Strategie zeigten. Während Lerner mit einem holistischen kognitiven Stil (Tendenz zur ganzheitlichen Informationsverarbeitung) eher Vergleichsstrategien verwendeten (zum Beispiel es [eine Brezel] ist wie ein salziges Croissant, aber weniger luftig und etwas knuspriger), setzten Lerner mit einem analytischen kognitiven Stil (Tendenz zur Verarbeitung einzelner Elemente) hingegen Strategien ein, die eher auf einzelne Elemente der Zielwörter fokussieren (unter anderem die Rekonzeptualisierung). In einer Folgestudie untersuchte Littlemore (2003) die kommunikative Effizienz, die durch den Einsatz der Strategien erzielt wurde. Zur Erhebung der kommunikativen Effizienz wurden zwei Muttersprachler nach Aspekten wie der Verständlichkeit, dem Stil der verwendeten Ausdrücke und dem vermuteten Sprachniveau der Lerner befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Rekonzeptualisierung und vor allem die Analyse einzelner Elemente die effizientesten Strategien waren, während sich die Vergleichsstrategien als weniger effizient erwiesen. Das heißt also, dass es bei Wortfindungsproblemen besser ist zu beschreiben, was mit dem Zielwort gemacht werden kann oder wofür es verwendet wird, als Vergleiche mit anderen Wörtern anzustellen. Besonders interessant ist die Tatsache, dass die Strategie 157 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons der Rekonzeptualisierung mit allen Indikatoren für kommunikative Effizienz die höchsten Korrelationswerte aufwies. Außerdem stellte die Autorin fest, dass die Rekonzeptualisierung vorwiegend von analytischen Lernern verwendet wurde. Das lässt den Schluss zu, dass diese Lernertypen einen Vorteil gegenüber den holistischen Lernern haben. Weiterhin untersuchte die Studie von Fang-Yen Hsieh (2014) den Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Strategien und dem kulturellen Hintergrund. Die Ergebnisse zeigen, dass nord-amerikanische Lerner tendenziell mehr sozio-affektive Strategien sowie Strategien zur Erhaltung der Konversation verwendeten als ostasiatische Lerner, die vergleichsweise mehr Strategien mit einem Fokus auf Einzelelementen einsetzten. Weiterhin untersuchte Fang- Yen Hsieh (2014) die Unterschiede zwischen dem strategischen Verhalten von Lernern auf niedrigen und fortgeschrittenen Niveaustufen. Die Autorin stellte fest, dass die Lerner auf den Anfängerniveaus vergleichsweise mehr Vermeidungs- und Reduktionsstrategien mit einem starken Fokus auf bereits vorhandenem Vorwissen anwenden. Außerdem wurde festgestellt, dass die Lerner mit zunehmender Sprachkompetenz ein unterschiedliches strategisches Verhalten in Abhängigkeit vom kulturellen Hintergrund zeigen. In weiteren Studien wurde auch festgestellt, dass Lerner mit Anfängerniveau in homogenen Klassen bezüglich ihrer L1 zwar die Rekonzeptualisierung als Strategie am meisten verwendeten, aber auch relativ oft die Sprache wechselten (vergleiche Ting & Phan 2008; Rodríguez & Roux 2012; Russell & Loschky 1998). Obwohl im ungesteuerten Spracherwerb der Einsatz einer solchen Strategie mit der Bereitschaft der Sprecher zur Erhaltung der Kommunikation eng zusammenhängt und daher vorwiegend als positiv gewertet wird, gilt sie in manchen Unterrichtskontexten mit expliziter Ausklammerung der L1 immer noch als verpönt. Es darf uns also nicht mehr überraschen, wenn L2-Lernern auf niedrigen Niveaustufen das Sprechen unter solchen Umständen so schwer fällt. Auch in der Forschung wurde das Code-Switching in vielen Studien vermieden, indem der Begriff Code-Switching durch alternative Begriffe wie zum Beispiel recourse to L1 ersetzt wurde (vergleiche Macaro 2006). Heutzutage wird in der Forschung jedoch vorwiegend die Position vertreten, dass das Code-Switching aus kommunikativer Sicht eine besonders produktive Strategie darstellt und sogar explizit gefördert werden sollte (vergleiche Roche 2013b; Macaro 2006). In diesem Zusammenhang untersuchte Horasan (2014) die Nutzung der Code-Switching-Strategie seitens der Lerner und Lehrkräfte sowie die Einstellungen der Lerner gegenüber dieser Strategie. Die Ergebnisse zeigen, dass Lerner vergleichsweise öfter das sogenannte intersentential code-switching (Sprachwechsel an der Satzgrenze) als das intrasentential code-switching (Sprachwechsel innerhalb des Satzes) verwendeten. Weiterhin ergab die Analyse der diskursiven Funktionen des Code-Switching in der Unterrichtsinteraktion, dass sowohl die Lerner als auch die Lehrkräfte die Sprache vor allem in metalinguistischen Erklärungen wechselten (zum Beispiel bei Grammatikerklärungen oder Aufgabenstellungen). Schließlich gaben die Lerner an, dass die Nutzung einer solchen Strategie ihrer Meinung nach darauf abzielt, das Sprachenlernen auf den Anfangsstufen zu fördern und die Aufmerksamkeit der Lerner im Unterricht aufrechtzuerhalten. Interessanterweise haben vor allem Sprecherinnen und Sprecher mit einer hohen Ambiguitätstoleranz und einer hohen kognitiven Empathie tendenziell eine positivere Einstellung 158 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon gegenüber dem Code-Switching (vergleiche Dewaele & Wei 2013). Von einer allgemeinen hohen Akzeptanz von Code-Switching darf also nicht ausgegangen werden. Außerdem unterliegt die Nutzung von Code-Switching in authentischer Kommunikation einigen Einschränkungen. So geht zum Beispiel Grosjean (1997, 2010) in seinem Language Mode Model davon aus, dass die Aktivierung und Inhibierung einer oder mehrerer Sprachen sich auf einem Kontinuum bestehend aus einem bilingualen und dem monolingualen Modus bewegt. Einflussfaktoren für die Auswahl eines Modus sind nach Grosjean (2010: 45f) die Sprachkompetenz der Interaktionspartner, die kommunikative Sprachbiographie des Sprechers, die Situationalität der Kommunikation, das Sprachenprestige oder die Domänenspezifik. Zudem spielt nach Green (1998) auch der Aktivierungsgrad der verschiedenen Sprachen eine wichtige Rolle beim Code-Switching. Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Einsatz kommunikativer Strategien auf allen Niveaustufen eine wichtige Hilfestellung bei Lexikalisierungsproblemen darstellt und von verschiedenen Faktoren abhängt. Im Unterricht werden die kommunikativen Strategien oft nur am Rande und unsystematisch vermittelt (vergleiche Faucette 2001), da sich ihr Einsatz nur schlecht planen und im Unterrichtskontext einüben lässt. In den letzten Jahrzehnten, vor allem aber durch den Gemeinsamen Referenzrahmen für Sprachen, rückte jedoch der Erwerb kommunikativer Kompetenzen in den Hintergrund und damit auch die Wichtigkeit einer effizienten und ökonomischen Erledigung interaktiver Sprechhandlungen. In diesem Zusammenhang betont der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen die Wichtigkeit des Einsatzes kommunikativer Strategien: »Kommunikations- und Kompensationsstrategien sollten daher nicht einfach im Sinne eines Defizitmodells aufgefasst werden, das heißt als eine Möglichkeit, sprachliche Defizite oder fehlgeschlagene Kommunikation auszugleichen. Vielmehr setzen auch Muttersprachler regelmäßig kommunikative Strategien aller Art ein, die der jeweiligen Situation angemessen sind“ (Europarat 2001: 63f). Der erfolgreiche Einsatz kommunikativer Strategien wird im Modell von Bachmann (1990) als wichtiger Bestandteil der sogenannten pragmatischen Kompetenz (Wissen über Sprechakte, Sprachfunktionen etc.) angesehen, die wiederum eine wichtige Voraussetzung für den Erwerb einer kommunikativen Kompetenz ist. Die bisherige empirische Forschung konnte relativ zuverlässig zeigen, dass der Erwerb pragmatischer Kompetenzen in der Fremdsprache durch explizite Instruktion besser gefördert werden kann als durch implizite Instruktion (vergleiche Kasper 1997; Takahashi 2010; Glaser 2013). Vor diesem Hintergrund formulierte Dörnyei (1995: 80; vergleiche auch Rodriguez & Roux 2012: 115) einige Empfehlungen für die Vermittlung kommunikativer Strategien, die im Folgenden zusammengefasst werden: ▶ Die Trainings sollten die Aufmerksamkeit der Lerner auf die unterschiedlichen Arten von Strategien sowie auf ihr kommunikatives Potenzial lenken, indem die Einsatzmöglichkeiten von ihnen bereits bekannten Strategien besprochen werden. ▶ Die Lerner sollten im Allgemeinen dazu ermuntert werden, Risiken in der Kommunikation einzugehen und Strategien auszuprobieren. ▶ Die Trainings sollten Audio- und Video-Material mit zahlreichen Beispielen für den Einsatz von kommunikativen Strategien seitens der Muttersprachlerinnen und Mutter- 159 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons sprachler oder anderer L2-Lerner vorsehen. Dabei sollten die Lerner die Möglichkeit haben, die Strategien zu identifizieren, zu kategorisieren und zu evaluieren. Auch die Aufzeichnung und Analyse von Konversationen zwischen Lernern und Muttersprachlerinnen und Muttersprachlern ist zu empfehlen. ▶ Die Trainings sollten insgesamt Möglichkeiten zur direkten Einübung anbieten, damit ein gewisser Automatisierungsgrad in authentischen kommunikativen Situationen erreicht wird. ▶ Da in einigen Kulturkreisen bestimmte kommunikative Strategien als Indikatoren für einen schlechten Stil gelten, sollte die interkulturelle Dimension des Einsatzes von kommunikativen Strategien ebenfalls behandelt werden. 4.3.4 Konsequenzen für die Wortschatzvermittlung im Fremdsprachunterricht Vor dem Hintergrund der hier präsentierten empirischen Befunde lassen sich folgende Empfehlungen in Bezug auf das inzidentelle Wortschatzlernen und die explizite Wortschatzarbeit im Unterrichtskontext formulieren: ▶ Möglichkeiten zum inzidentellen Wortschatzlernen und zum Experimentieren mit dem Erschließen unbekannter Wörter aus dem Kontext sollten angeboten und möglichst durch die Vermittlung metakognitiver Strategien begleitet werden (vergleiche Hunt & Beglar 1998). ▶ Nach Sicherstellung eines Basiswortschatzes hochfrequenter Wörter sollten weniger frequente Wörter vermittelt werden (vergleiche Schmitt & Schmitt 2014). ▶ Die explizite Wortschatzarbeit sollte nicht nur auf eine quantitative Erweiterung des Wortschatzes abzielen, sondern sie sollte auch die qualitative Elaboration des Wortwissens fördern (vergleiche de Bot, Lowie & Verspoor 2005; Hunter & Beglar 1998; Schmitt 2008). ▶ Ein breites Spektrum an Strategien zum differenzierten Umgang mit unbekannten Wörtern sollte vermittelt werden, wie zum Beispiel die Nutzung unterschiedlicher Arten von Wörterbüchern oder Ausweichstrategien zur Überbrückung von Lücken im Wortschatz beim Sprechen (vergleiche Hunt & Beglar 1998; Roche 2013b). ▶ Je nach Sprachbeherrschung sind unterschiedliche Strategien für den Wortschatzerwerb geeignet, wie zum Beispiel eine stärkere Nutzung der Erstsprache zur Sicherstellung der Verbindungen zwischen Form und Bedeutung auf den niedrigen Niveaustufen (vergleiche Jiang 2000, 2002; Roche 2013b; Schmitt 2008). ▶ Soweit möglich sollten Verbindungen mit anderen verwandten Wörtern (zum Beispiel konzeptuell, taxonomisch) aufgebaut werden, damit der Abruf der Wörter über mehrere Kanäle erfolgen kann (vergleiche Roche 2013b; de Bot et al. 2005). ▶ Schließlich bietet die Nutzung von Wörtern in ansprechenden, relevanten und fordernden (Aufgaben-)Kontexten die nötige Motivation und Aufmerksamkeit für nachhaltiges Lernen (siehe Kapitel 8 zum handlungsorientierten Lernen). 160 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Wie lassen sich aber diese Aspekte im Unterricht konkret umsetzen? Wir schauen uns zunächst einmal an, über welche Semantisierungshilfen sich unbekannte Wörter erklären lassen. Koeppel (2010) unterscheidet grundsätzlich zwischen nonverbaler und verbaler Semantisierung in der L2, wobei die Semantisierung in der L1 in vielen Unterrichtskontexten durchaus eine mögliche Lösung darstellt. Zur nonverbalen Semantisierung zählen nach Koeppel (2010: 135f) unter anderem Strategien wie zum Beispiel die Nutzung von Objekten im Klassenraum, mitgebrachte Realia, Bildkarten oder Visualisierungen sowie die Darstellung durch Mimik und Gestik. Die verbale Semantisierung in der L2 ist etwas variationsreicher und kombiniert Kriterien, die zum Teil über die Semantik hinausgehen. Koeppel (2010: 135f) nennt folgende Beispiele für Semantisierungshilfen in der L2:     Abbildung 4.14: Semantisierungshilfen in der L2 nach Koeppel (2010: 135f) Um Verbindungen mit verwandten Wörtern herzustellen, können vorgefertigte Lexika in Form von dynamischen Wörternetzen verwendet werden, die als Werkzeuge zur Visualisierung semantischer Relationen dienen können, wie zum Beispiel der VisualThesaurus (siehe Abbildung 4.15). Lerner können sich durch das gesamte Lexikon durchklicken und verschiedene Konstellationen über das Anklicken semantischer Knoten durchspielen lassen. Auch kann eine weitere Sprache hinzugefügt werden, so dass eine Art bilinguales Lexikon simuliert werden kann. 161 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons Abbildung 4.15: Visual Thesaurus (Visual Thesaurus 2016) Experiment Probieren Sie jetzt den Visuellen Thesaurus selbst aus. Gehen Sie zu http: / / www.visualthesaurus.com/ und geben Sie ein beliebiges Wort auf Englisch ein. Bei der Sprachwahl oben können Sie weitere Sprachen dazu schalten, um ein bilinguales Lexikon zu erstellen. Sie können die Sprachen auch ändern. Wenn der Probebetrieb erloschen ist, können Sie neu starten. Was beobachten Sie in Bezug auf die Korrespondenzen der verschiedenen Sprachen? Wörternetze können jedoch auch als Lernerstrategie vermittelt werden, anhand derer sich der zunehmende Wortschatz der Lerner darstellen und weiter ausbauen lässt. Es soll von den Lernern ergänzt werden. Der Darstellung liegt eindeutig eine netzwerkartige Vorstellung des bilingualen Lexikons zugrunde. Solche Wörternetz-Strategien sind nach Neveling (2004: 87) erst dann zu verwenden, »wenn der Verstehens- oder Semantisierungsprozess abgeschlossen ist, denn ohne den mentalen Bedeutungsaufbau kann keine bedeutungsbasierte Einflechtung in das mentale Lexikon stattfinden«. Weiterhin ist anzumerken, dass sich die Worteinträge im mentalen Lexikon nicht ausschließlich nach semantischen Kriterien organisieren, sondern auch nach syntaktischen, morphologischen, phonologischen und phonetischen Kriterien, die 162 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon jeweils für eine einwandfreie Wortverwendung unerlässlich sind. Daher empfiehlt es sich, in solchen Wörternetzen-- eventuell in einer fortgeschrittenen Phase des Wortschatzerwerbs-- auch weitere Aspekte des Wortes mit einzubeziehen, zum Beispiel morphologisch verwandte Wörter, Kookkurrenzen, gleich beziehungsweise ähnlich klingende Wörter, affektive Wörternetze etc., sowie unterschiedliche Kontexte der Wortverwendung zu berücksichtigen (vergleiche Roche 2013b; de Bot et al. 2005). Die Wörternetz-Strategie als Lernstrategie erweist sich nach Neveling (2004: 88ff; vergleiche auch Neveling 2005) aus mehreren Gründen als besonders effektiv: Erstens fördern die Wörternetze die Nutzung verbaler und bildlicher Informationen (räumliche Darstellung von Begriffen, Farbkodierung etc.) und damit die Aktivierung mehrerer Verarbeitungskanäle, die wiederum beim Abrufen mehrere Zugänge zum Zielwort anbieten. Zweitens initiiert die Wörternetz-Strategie im Gegensatz zu den Wörterlisten die Elaboration der Worteinträge auf mehreren Ebenen (Lemma, Lexem etc.). Die Lerner sind dabei dazu angehalten, die Verbindung aktiv herzustellen. Drittens sind Wörternetze jederzeit erweiterbar und stellen den fortschreitenden Spracherwerb der Lerner gut dar, indem zusätzliche intralinguale und interlinguale Beziehungen weiter differenziert beziehungsweise vertieft werden können. Viertens sind Wörternetze für Lerner motivierend, da sie einen kreativen Umgang mit Sprache ermöglichen und zugleich eine autonome Lernleistung fordern. Schließlich soll kurz auf die mediengestützten Wortschatzlernprogramme eingegangen werden, die immer öfter als Selbstlernumgebungen eingesetzt werden. Während einige Programme dieser Kategorie trotz ihrer oft sehr ansprechenden Aufmachung relativ mechanische Verfahren der Wortschatzarbeit einsetzen und vorwiegend geschlossene Übungsformate anbieten, gibt es andere Wortschatzlernprogramme, die die Welt der Lerner stärker berücksichtigen und dem Lerner etwas mehr Handlungsraum lassen. Das ist zum Beispiel beim Wortschatzlernprogramm Grenzenlos ( BMW AG 2003) der Fall, in dem den Nutzern (Kinder / Jugendliche im Alter von 9-15 Jahren) verschiedene Themen zur Auswahl auf der Einstiegsseite (siehe Abbildung 4.16) stehen: Feste feiern, Ich und du, zu Hause, Zukunft, Lernen & arbeiten und mein Leben. Nach der Auswahl eines Themas gelangen die Nutzerinnen und Nutzer zu den entsprechenden Szenarien. Dort finden sich zahlreiche themenrelevante, zum Teil auch phantasievolle Objekte, die die Nutzerinnen und Nutzer selbst erkunden können, indem sie mit dem Cursor über die Objekte fahren. Werden die Objekte angeklickt, so setzt das Vokabeltraining ein, das in allen Szenarien des Programms in einem ähnlichen Verfahren abgearbeitet werden kann (siehe Abbildung 4.17). Im sogenannten Projektor werden Basiswortschatz und wichtige Redemittel präsentiert. Im Kino werden authentische Geschichten mit landeskundlicher Information anhand von kurzen Filmen oder anderen Textsorten präsentiert, wodurch die Einbettung der neuen Wörter in reichhaltige Kontexte erfolgt. Dabei trainieren die Lerner das Verstehen ganzer Situationen, ohne dass sie jedes Wort kennen. Schließlich kann der Wortschatz anhand von verschiedenen Übungstypen im Vokabeltrainer geprüft werden. Das Programm bietet darüber hinaus Möglichkeiten zur Förderung der Alphabetisierung in jedem Szenario und berücksichtigt Aspekte der Kinder- und Jugendsprache (zum Beispiel durch die Verwendung von umgangssprachlichen Abkürzungen wie Mathe). 163 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons Abbildung 4.16a: Einstiegsseite mit der »Landkarte« aller Szenarien und Screenshot aus dem Szenario zu Hause zum Thema mein Tag ( BMW AG 2003) Abbildung 4.16b: Screenshot aus dem Szenario zu Hause zum Thema mein Tag ( BMW AG 2003) 164 4. Das mehrsprachige mentale Lexikon Abbildung 4.17: Die Themen in den Szenarien werden in einem ähnlichen Verfahren bearbeitet: Projektor, Kino und Vokabeltraining ( BMW AG 2003) 4.3.5 Zusammenfassung ▶ Insgesamt empfiehlt sich, den Wortschatzerwerb durch eine Kombination aus expliziten instruktionalen Maßnahmen und ausreichendem Input authentischer Texte zu unterstützen. ▶ Ein erfolgreicher Wortschatzerwerb schließt formelle Aspekte (Wortform, Orthographie, Morphologie etc.), semantische Aspekte (Konzepteigenschaften, Assoziationen etc.) und pragmatische Aspekte (grammatische Funktionen, Kollokationen, Register etc.) ein. ▶ Der Satzkontext ist zwar ein wichtiger Indikator für das inzidentelle Lernen neuen Wortschatzes, das Erschließen aus dem Kontext beim L2-Lesen ist aber vor allem aufgrund mangelhafter Sprachkompetenz und fehlenden semantischen Wissens um die Wörter im Kontext oft nicht erfolgreich. ▶ Bei Wortfindungsproblemen sollten Lerner dazu ermuntert werden, Risiken in der Kommunikation einzugehen und Strategien wie die Rekonzeptualisierung oder die Zeitfüller auszuprobieren, um Wortfindungsprobleme beim Sprechen effektiv zu lösen. Die Trainings sollten die Aufmerksamkeit der Lerner auf die unterschiedlichen Arten von Strategien sowie auf ihr kommunikatives Potenzial lenken. ▶ Bei der Wortschatzarbeit sollten soweit möglich Verbindungen mit anderen verwandten Wörtern (zum Beispiel konzeptuell, taxonomisch) aufgebaut werden, damit der Abruf der Wörter über mehrere Kanäle erfolgen kann. ▶ Eine Einbettung in erfahrbare Handlungskontexte sichert die Nachhaltigkeit des erworbenen Wortschatzes. 165 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons 4.3.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie würden Sie die Phasen des Wortschatzerwerbs nach Jiang (2000) erklären? 2. Welche Aspekte beeinflussen das inzidentelle Wortschatzlernen? 3. Wie würden Sie den Mehrwert von kommunikativen Strategien für den Fremdspracherwerb begründen? 4. Welche Vorteile bietet die Wörternetz-Strategie für die Wortschatzarbeit? 167 4.3 Erwerb des mehrsprachigen Lexikons 5. Text und Textualität Oft schlagen Fremdsprachenlerner beim Lesen jedes unbekannte Wort im Wörterbuch nach, auch wenn es sich vielleicht aus dem Satzkontext oder einfach durch das allgemeine Weltwissen erschließen ließe. Dadurch sind Fremdsprachenlerner oft so stark auf die Wortebene des Textes fixiert, dass sie sich kaum mit Aspekten der globalen Textkohärenz beschäftigen. Dabei wird aber oft vergessen, dass der Text erst in den Köpfen der Lerner entsteht, und zwar vor allem durch die Nutzung von unterschiedlichen Vorwissensbeständen und weniger durch die reine Dekodierung einzelner Wörter und die Aneinanderreihung von deren Bedeutungen. Denn wir haben als Menschen einen Bedarf, ständig nach Sinn zu suchen und Kohärenz mit allen möglichen Mitteln herzustellen, auch wenn uns manchmal nicht alle Informationen vorliegen. So können sich Leser und Leserinnen zum Beispiel bereits beim Lesen von Überschriften wie »Nüsse: Harte Schale, gesunder Kern« anhand ihrer Vorerfahrungen ein ganzheitliches Bild vom möglichen Inhalt des Textes machen, ohne dass sie den eigentlichen Text gelesen haben. Erst im Laufe der Lektüre werden die anfangs gebildeten Hypothesen über den Inhalt des Textes revidiert und eventuell neue Vorwissensbestände zur besseren Interpretation des Textes herangezogen. Um eine solche Interaktion zwischen dem Leser oder der Leserin und dem Text auch im Unterrichtskontext zu ermöglichen, sollten Fremdsprachenlerner unter anderem ihr Wissen über den Aufbau bestimmter Textsorten und die typischen Argumentationsmuster sowie ihr allgemeines Weltwissen intensiv nutzen. In dem vorliegenden Kapitel schauen wir uns daher an, wie der Leseprozess in der Fremdsprache vonstattengeht und welche Besonderheiten Texte aus kontrastiver Sicht aufweisen. Schließlich wird der Mehrwert der sogenannten Hypertexte für den Unterrichtskontext anhand empirischer Untersuchungen diskutiert. 168 5. Text und Textualität 5.1 Text als mentale Konstruktion Das Lesen besteht nicht nur aus reinem Dekodieren von Wörtern und deren Aneinanderreihen. Vielmehr wird beim Lesen eine Reihe von kognitiven Operationen in Gang gesetzt, anhand derer der Leser oder die Leserin aus den Wortbedeutungen Sinn erzeugt und eine kohärente mentale Textrepräsentation bildet. Diese verschiedenen kognitiven Operationen laufen meistens so schnell ab, dass wir uns dessen kaum bewusst sind. Erst die Kenntnis über die Teilprozesse kann Aufschluss darüber geben, wie das Lesen durch gezielte Aufgaben effizient unterstützt und optimiert werden kann. Daher beschäftigt sich diese erste Einheit mit den kognitiven Grundlagen des Leseprozesses und versucht, erste Konsequenzen für didaktische Maßnahmen zur Unterstützung des Lesens in der Fremdsprache herauszuarbeiten, die in den nächsten Lerneinheiten weitergeführt werden. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ Konzepte wie textgeleitete und wissensgeleitete Leseprozesse kennenlernen und die sich daraus ergebenden praktischen Konsequenzen (zum Beispiel Aufgaben zur Vorwissensaktivierung) für den eigenen Unterricht nutzen können; ▶ Prinzipien und Möglichkeiten der Leseförderung kennen lernen und diese in Form von konkreten Aufgaben im eigenen Unterricht praktisch umsetzen können; ▶ sich mit den unterschiedlichen Teilprozessen des Lesens als Instrument der Beschreibung von Lesekompetenz in der Fremdsprache beschäftigen. 5.1.1 Textgeleitete und wissensgeleitete Leseprozesse Verbreitet gehen Lerner sowie Lehrerinnen und Lehrer davon aus, dass Lesen ein linearer Vorgang des Erkennens von Wortbedeutungen ist. Daher sind viele Didaktisierungen des Leseverstehens darauf ausgerichtet, das Leseverstehen als Produkt möglichst genau zu rekonstruieren, unter anderem mit vielen Zusatzinformationen, Worterklärungen, Verständnisaufgaben etc. Übersehen wird dabei leicht, dass Lesen einen Prozess darstellt, der von Leserinnen und Lesern auf konstruktive und interaktive Weise gestaltet wird (vergleiche Schnotz 2006). Auf der Basis ihrer individuellen Voraussetzungen (Vorwissen, Strategien, Interesse etc.) versuchen die Leserinnen und Leser, aus den Textbedeutungen Kohärenz herzustellen und eine mentale Repräsentation des Textes zu bilden (vergleiche Kintsch 1998). Welche kognitiven Operationen sind aber genau für diesen Zweck notwendig? In der Leseforschung besteht Konsens darüber, dass unter anderem folgende Teilprozesse am Lesen beteiligt sind (vergleiche Rawson 2007: 156): 169 5.1 Text als mentale Konstruktion ▶ Worterkennungsprozesse ▶ Syntaktische Satzverarbeitungsprozesse ▶ Identifizierung der syntaktischen Beziehungen zwischen Konzepten in Sätzen ▶ Identifizierung der semantischen Relationen innerhalb der Sätze und untereinander ▶ Identifizierung von Relationen, die im Text nicht explizit sind. Vor allem für die ersteren Teilprozesse ist das Sprachwissen des Lesers oder der Leserin von enormer Wichtigkeit, da zum Beispiel die Worterkennung ohne das Wissen über die Wortbedeutung nicht möglich wäre (vergleiche Schnotz 1994). Weiterhin wäre die Identifizierung von Relationen, die nicht explizit im Text genannt sind, ohne das allgemeine Weltwissen des Lesers oder Leserin nicht realisierbar (vergleiche Inferenzbildung nach Rickheit & Strohner 2003). Die neu eingehenden Textinformationen bestimmen jedoch auch, welches Wissen aktiviert werden soll und gegebenenfalls ob das bereits aktivierte Wissen für die Erschließung der im Text beschriebenen Situation geeignet ist. Auf diese Weise werden die eingangs gebildeten Hypothesen über den Sachverhalt des Textes überprüft und gegebenenfalls modifiziert. Selbst beim Lesen der Überschrift eines Textes können Leser und Leserinnen eine ganzheitliche Idee über den vermutlichen Inhalt des Textes bilden, die in einem nächsten Schritt durch die darauffolgende Textpassage korrigiert werden kann (vergleiche Treichel 1996). Der Leseprozess ist also als eine Art Wechselwirkung zwischen textgeleiteten (bottom-up) und wissensgeleiteten (top-down) (vergleiche Whitney, Budd, Bramucci & Crane 1995; vergleiche auch Christmann & Groeben 1999; Schnotz & Bannert 2003; siehe Abbildung 5.1). Abbildung 5.1: Illustration des Leseprozesses als eine Kombination von aufsteigenden und absteigenden Verarbeitungsprozessen (nach Bildungsserver Berlin-Brandenburg 2017) 170 5. Text und Textualität Experiment 1 Machen wir folgendes Experiment mit einem Text aus einem gängigen Lehrbuch. Versetzen Sie sich dabei in die Lage eines Schülers oder einer Schülerin. Was verstehen Sie nach der Lektüre des Textteils 1? Was verstehen Sie nach Lektüre des Textteils 2? Wie verändert sich dabei das Vorwissen in Bezug auf den Text und welche Konsequenzen hat dies für die Vermittlung von Lesekompetenz im Unterricht? Textteil 1 Sie haben es gesehen, aber sie konnten oder wollten es nicht verstehen. Sie waren unzufrieden. Sie haben gerufen. Sie haben mit Orangen geworfen. Textteil 2 Sie haben es gesehen, aber sie konnten oder wollten es nicht verstehen. Sie waren unzufrieden. Sie haben gerufen. Sie haben mit Orangen geworfen. Sie sind mitten im Programm rausgegangen und haben laut die Türen zugemacht. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass sie gerade den Anfang einer neuen Zeit erleben. Vor einem wütenden Publikum mussten die Tänzer ein paar Jahre später keine Angst mehr haben, hier im Wuppertaler Tanztheater-[…]. Quelle: Auszüge aus Schritte International 3 (Tomaszewski, Niebisch, Hilpert, Specht, Reimann & Penning-Hiemstra 2006: 66) Wie Sie vielleicht festgestellt haben, konnten Sie nach der Lektüre des ersten Teils zwar viele Hypothesen aufstellen, aber keine von denen so richtig bestätigen. Erst nach der Lektüre des zweiten Teils, in dem Sie die Handlung im Kontext einer Tanzperformance situieren konnten, waren Sie in der Lage, die nicht brauchbaren Hypothesen wegzulassen und sich damit ein konkretes Bild des Sachverhalts des Textes zu machen. Daraus ist abzuleiten, dass Sie als Leser bereits vom ersten Satz an aktiv nach Sinn gesucht haben und mit dem Text interagiert haben. Denn je mehr Information Sie verarbeitet haben, desto gezielter konnten Sie Ihre Hypothesen revidieren beziehungsweise neu aufstellen. Da eine solche Interaktion die Grundlage für nachhaltiges Lernen aus Texten bildet, sollen wir uns im nächsten Abschnitt damit beschäftigen, wie das Hypothesenbilden im Unterrichtskontext konkret gefördert werden kann. 5.1.2 Konsequenzen für die Praxis Oft ist es aber aufgrund fehlender Sprachkompetenz in der Fremdbeziehungsweise Zweitsprache so, dass die Lerner ihre ganze Aufmerksamkeit auf die etwas mühsame Wortdekodierung richten und unter anderem von ihrem thematischen Vorwissen wenig Gebrauch machen (vergleiche Jenkin, Prior, Rinaldo & Wainwright-Sharp 1993; Horiba 1996; Oded & Walters 2001). Es ist daher wichtig, dass ein Ausgleich zwischen Textzentriertheit (bot- 171 5.1 Text als mentale Konstruktion tom-up-Prozessen) und Leserzentriertheit (top-down-Prozessen) erreicht wird, indem die Hypothesenbildung durch gezielte vorbereitende Aufgaben gefördert wird. Zu diesem Zweck können unterschiedliche Aufgaben formuliert werden, wie zum Beispiel der sogenannte Voraussagetext (Westhoff 1997). Bei dieser Aufgabe erhalten Lerner zunächst einmal einzelne Textabschnitte und werden angehalten, über den weiteren Verlauf des Textes Hypothesen zu bilden. Anschließend besprechen die Lerner ihre Ergebnisse im Plenum und fahren mit der Lektüre des vollständigen Textes fort. Eine Variation dieser Aufgabe besteht darin, dass nur die ersten und letzten Wörter eines Abschnitts gelesen werden und die Lerner anhand der vorhandenen Information den Inhalt des Abschnittes erraten. Hierzu ein Beispiel: Textaufbereitung 1 Es gibt asiatische und afrikanische Elefanten. Asiatische Elefanten haben kleinere Ohren als afrikanische Elefanten und insgesamt einen etwas kleineren Körperbau. Beide Arten zählen aber zur Familie der Rüsseltiere. Auf der Jagd nach Elfenbein wurden und werden viele Elefanten getötet. Des Weiteren können auch die Schlüsselwörter aus dem Textabschnitt gelöscht werden, damit die Lerner das aus dem Kontext gesuchte Wort erraten: Textaufbereitung 2 Es gibt asiatische und afrikanische ___. Asiatische ___haben kleinere Ohren als afrikanische ___und insgesamt einen etwas kleineren Körperbau. Beide Arten zählen aber zur Familie der Rüsseltiere. Auf der Jagd nach Elfenbein wurden und werden viele ____ getötet. In einer weiteren Variation der Aufgabe kann das Schlüsselwort durch ein Phantasiewort ersetzt werden (siehe Textaufbereitung 3). Anhand der Beschreibung im Text soll der Lerner erraten, welches Konzept gemeint ist. All diese Aufgaben zielen auf einen ausgeglichenen Leseprozess ab, an dem sowohl die Verarbeitung der eingehenden Textinformationen als auch das bereits vorhandene Vorwissen des Lesers beziehungsweise der Leserin beteiligt sind. Textaufbereitung 3 Es gibt asiatische und afrikanische Antanzukis. Asiatische Antanzukis haben kleinere Ohren als afrikanische Antanzukis und insgesamt einen etwas kleineren Körperbau. Beide Arten zählen aber zur Familie der Rüsseltiere. Auf der Jagd nach Elfenbein wurden und werden viele Antanzukis getötet. Auch mit Bildern lassen sich Prozesse der Hypothesenbildung initiieren, wie zum Beispiel durch sogenannte clouds beziehungsweise Wörterwolken (siehe Abbildung 5.2). Die browserbasierte Anwendung wordle (http: / / www.wordle.net/ ) ermöglicht die schnelle und leichte Erstellung solcher Wörterwolken, in denen alle Wörter eines Textes collageartig zusammengestellt und je nach Häufigkeit des Vorkommens in unterschiedlichen Größen dargestellt werden. Ähnlich wie in den bereits vorgestellten Aufgaben zur Hypothesenbildung können die Lerner anhand einer solchen Wörterwolke das Thema beziehungsweise den Titel des Textes erraten. Hierbei sollte die Lehrkraft vor dem Einsatz einer solchen Darstellung überprüfen, dass nur die thematisch relevanten Wörter aus dem Text größer dargestellt werden, 172 5. Text und Textualität und eventuell die nötigen Anpassungen an der Wörterwolke vornehmen. So kann zum Beispiel vermieden werden, dass bestimmte thematisch unwichtige Wörter, die im Text relativ oft vorkommen (zum Beispiel Präpositionen), in der Wörterwolke größer dargestellt werden als die eigentlichen Schlüsselwörter, und somit ablenkend wirken. Abbildung 5.2: Mit der Anwendung Wordle (www.wordle.net, 2016) erstellte Wörterwolke zum Text Gramm für Gramm (www.jugendpressedienst.de) 5.1.3 Mentale Textrepräsentationen Die Leseforschung geht heutzutage davon aus, dass beim Lesen drei unterschiedliche mentale Textrepräsentationen gebildet werden können: die Textoberfläche, die propositionale Textbasis und das mentale Modell (vergleiche Kintsch 1998; Schnotz 2006). Diese mentalen Repräsentationen des Textes werden von Leserinnen und Lesern mit der Absicht gebildet, die verschiedenen Wort- und Satzbedeutungen aus dem Text zu einem kohärenten Ganzen zusammenzufügen. Die unterschiedlichen mentalen Textrepräsentationen können gleichzeitig gebildet werden und lassen sich auf einem Kontinuum zwischen starker Textgebundenheit (Textoberfläche) und schwacher Textgebundenheit (mentales Modell) anordnen. Das bedeutet, dass je nach mentaler Textrepräsentation eine entsprechend größere oder kleinere Distanz zwischen den im Text dargestellten Inhalten und der mentalen Repräsentation dieser Inhalte bestehen kann. Wie diese Arten der mentalen Textrepräsentation charakterisiert werden und wie sie miteinander verzahnt sind, wird in den folgenden Abschnitten behandelt. 173 5.1 Text als mentale Konstruktion 5.1.4 Textoberfläche An der Textoberfläche finden Prozesse der Erkennung der Wortbedeutung anhand von graphemischen, syntaktischen und semantischen Wortinformationen aus dem Text statt, so dass daraus eine mentale Textrepräsentation der genauen linguistischen Form des Textes entsteht (vergleiche Schiefele 2004: 199; vergleiche auch Grütz 2010). Auf der Ebene der Textoberfläche wird also die genaue Satzstellung, Deklination und Schreibweise der Wörter aus dem Text repräsentiert. Diese mentale Textrepräsentation behalten wir nur für kurze Zeit im Kopf und wird von der nächsten Verarbeitungsstufe, der propositionalen Textbasis, überschrieben beziehungsweise weiter elaboriert (vergleiche Suñer 2011: 27). Die Tatsache, dass wir beim Lesen nur die zuletzt verarbeitete Information kurzfristig behalten, offenbart sich zum Beispiel dann, wenn wir versuchen, das bisher Gelesene wortwörtlich zu wiederholen. Unter normalen Umständen werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nur die letzten zwei Sätze erfolgreich wiedergeben können, was in der kognitiven Psychologie als Recency-Effekt bekannt ist (vergleiche Hoffmann & Engelkamp 2013). Mit diesem und anderen verwandten Effekten beschäftigt sich übrigens Kapitel 7 genauer. Im Rahmen der Diskussion über die Anzahl der Items, die sich ein Mensch merken kann, schlug der Psychologe George Miller (1956) die Zahl sieben ± zwei vor. Spätere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Gedächtnisspanne sowohl auf individuelle Differenzen (beispielsweise die Fähigkeit verschiedene Items miteinander zu verbinden) als auch auf die Eigenschaften des Textes beziehungsweise der einzelnen Lernaufgaben zurückzuführen ist (vergleiche Taatgen & Anderson 2008). So werden in der Regel zufällig angeordnete Wörter schlechter behalten als Wörter, die in einem wohl formulierten, sinnvollen Satz gelesen werden. Im Folgenden können Sie mit diesem Phänomen selbst experimentieren: Experiment 2 Wir machen nun ein weiteres Experiment: Wie viele Wörter können nach der Lektüre von Text 1 und Text 2 jeweils wiedergeben werden? Wie können Ihnen die Ergebnisse dieses Kursexperimentes beim Unterrichten des Lesens weiterhelfen? Text 1 Seit Jahren versuchen Biologen, das Massensterben der Bienen zu ergründen. Die Insekten sterben nicht nur in Europa und Amerika-- auch im Nahen Osten sind bis zu 85 Prozent aller Kolonien verendet. (Quelle: Claudia Füssler, Süddeutsche Zeitung, 15. 03. 2011) Text 2 das brauen federn gründen über schön Haus gurgeln Oper Kommunikation im erzählen hoffen tüchtig nur den gegangen Handy grau der brodeln vereinheitlicht Bett harren Kugel explizit ist untersuchen auf kontra Posaune ermitteln 174 5. Text und Textualität Als Ergebnis dieses Experiments ist vor allem festzuhalten, dass Wörter einfacher behalten werden können, wenn sie als Teil sinnvoller Einheiten erkannt werden. Das heißt also, dass es genauso wichtig ist, die Bedeutung einzelner Wörter zu erschließen, wie deren Bezug zu anderen Wörtern aus dem gemeinsamen Kontext. Praktisch spricht dieser Befund gegen die Idee, dass Texte durch die Aneinanderreihung einzelner Wortbedeutungen entstehen. 5.1.4.1 Textbasis Auf der Ebene der Textbasis ist die linguistische Form nicht mehr so relevant, sondern deren semantischer Gehalt (vergleiche Kintsch 1998). Das bedeutet, dass aus der Textoberfläche vorwiegend nur die entnommene Bedeutung erhalten bleibt und dass zum Beispiel die genaue Satzstellung nicht mehr mental repräsentiert wird. Daher gehen die meisten Leseforscherinnen und Leseforscher davon aus, dass die Textverarbeitung auf dieser Ebene mit sogenannten Propositionen als elementaren Bedeutungseinheiten operiert (vergleiche Kintsch 1998). Die Propositionen setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: einer Relation und einem oder mehreren Argumenten, wobei Relationen normalerweise durch Verben (aber auch durch Adverbien oder Adjektive) und Argumente meistens durch Substantive ausgedrückt werden (Tapiero & Kintsch 2007). Demnach enthält der Satz Eva geht ins Kino eine Relation (gehen) und zwei Argumente (Eva und Kino) und kann folgendermaßen dargestellt werden: P: GEHEN [ EVA , KINO ]. Beim Lesen werden aber aufgrund der begrenzten Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses nicht alle Textpropositionen langfristig behalten, sondern sie werden durch spezielle Mechanismen zusammengefasst und reduziert (vergleiche van Dijk & Kintsch 1983). Anhand dieser Verarbeitungsstrategien werden allgemeinere und abstraktere Propositionen gebildet, die sogenannten Makropropositionen, mit denen sich zum Beispiel die Handlung eines Romans leichter zusammenfassen lässt als anhand der einzelnen Textpropositionen, der Mikropropositionen (vergleiche Kintsch 1998). Das effiziente Einsetzen dieser Verarbeitungsstrategien kann Aufgaben wie das Zusammenfassen, Paraphrasieren oder das Problemlösen erleichtern, da dadurch größere Informationsmengen reduziert und handhabbarer gemacht werden können (vergleiche Louwerse & Graesser 2006). Die Existenz solcher Strategien zur Verarbeitung von Textinformation soll nicht den Anschein erwecken, dass der Leseprozess durch kontrollierte Mechanismen steuerbar, linear und somit auch vorhersehbar ist. Vielmehr können Kohärenzlücken in der Textbasis je nach Vorwissen der Leserin oder des Lesers durch mehrere Verarbeitungszyklen hindurch transportiert und erst zu einem späteren Zeitpunkt revidiert, ergänzt oder bestätigt werden (vergleiche Suñer 2011: 33). Das heißt, die neu eingehende Textinformation kann die Neuinterpretation vergangener Propositionen und damit die Aktivierung anderer Vorwissensbestände bewirken, die bisher als nicht notwendig erachtet wurden (vergleiche Linderholm, Virtue, Tzeng & van den Broek 2004). In diesem Sinne kann dem Lesen ein höchst interaktiver, individueller und zyklischer Charakter zugesprochen werden (vergleiche Kintsch 1998). Die Förderung solcher Verarbeitungsstrategien auf der Ebene der Textbasis wird in der Einheit 6.2 zu den höherstufigen Leseprozessen ausführlich behandelt. 175 5.1 Text als mentale Konstruktion 5.1.4.2 Bildung mentaler Modelle Schließlich können die Leser und Leserinnen ein sogenanntes mentales Modell des Textes bilden, indem sie über die Textinhalte hinausgehen und Vorwissensbestände in den Leseprozess massenhaft integrieren (vergleiche McNamara & Kintsch 1996: 249). Im Gegensatz zu den Ebenen der Textoberfläche und der propositionalen Textbasis dient das Vorwissen auf der Ebene des mentalen Modells der Interpretation, Beurteilung, Erweiterung der Textinhalte und ist nicht unbedingt für die eigentliche Kohärenzbildung nötig (Seel 2003). Das Vorwissen wird also nicht eingesetzt, um zum Beispiel bestimmte Kohärenzlücken zu füllen. Vielmehr ermöglicht das Einsetzen von Vorwissen die Bildung einer mentalen Vorstellung, wie die im Text dargestellte Situation tatsächlich aussehen könnte (vergleiche »mögliche Welten« nach Seel 2003: 260). Nehmen wir als Beispiel folgenden Text zu einem naturwissenschaftlichen Thema: Tsunamis sind Flutwellen, die meistens durch Erdbeben am Meeresgrund ausgelöst werden. Diese Seebeben verursachen sich rasch fortbewegende Flutwellen, die mit hoher Geschwindigkeit auf Küsten treffen und dort verheerende Schäden anrichten können. Die Wucht und die Menge der Wassermassen von Tsunamis ist in der Lage ganze Städte und Landstriche zu verwüsten. Der Leser oder die Leserin bildet auf der Ebene der Textbasis eine mentale Repräsentation des im Text dargestellten Sachverhalts über die Entstehung von Tsunamis und der damit verbundenen Zerstörung. Der Leser oder die Leserin kann sich aber auch vom Textinhalt ausgehend zum Beispiel mental vorstellen, welche genauen Auswirkungen ein Tsunami für die Bevölkerung der nahegelegenen Dörfer haben könnte und welche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sein sollten. In diesem Fall spricht man von Bildungen mentaler Modelle, da die Inhalte aus dem Text durch Vorwissensbestände der Leserin oder des Lesers weiter elaboriert werden und sogenannte »mögliche Welten« mental durchgespielt werden (vergleiche Seel 2003). Oft wird mentalen Modellen ein analoger Charakter zugesprochen, das heißt, sie stehen einer bildhaften Repräsentation des Sachverhalts sehr nah (Schnotz 2005; Dutke 1999). So ist beim gegebenen Beispiel davon auszugehen, dass sich der Leser oder die Leserin ein konkretes Bild von einem Tsunami mit den dazugehörenden Details macht (Ort der Entstehung, Geschwindigkeit der Flutwelle, Anzahl der Häuser in den nahe gelegenen Dörfern, Anzahl der Menschen auf den Straßen etc.). Bei den mentalen Modellen handelt es sich also um eine interne, möglichst reelle und ganzheitliche Abbildung der im Text geschilderten Situation. Diese Situation wird im Gegensatz zur Textbasis oft unvollständig abgebildet, denn es werden je nach Ziel bestimmte Elemente der abgebildeten Situation hervorgehoben und andere irrelevante ausgelassen (vergleiche Dutke 1999). Mentale Modelle führen also eine Art Relevanzprüfung aller Elemente durch und erlauben die Abbildung des konkreten Sachverhalts mit unterschiedlichen Fokussierungen. Gerade durch diese vordergründige Unvollständigkeit und Zweckbestimmtheit erhalten mentale Modelle ihren vorläufigen Charakter, der es erlaubt, die anfangs gebildeten Hypothesen zum Sachverhalt zu revidieren und mögliche Alternativen durchzuspielen (vergleiche Ehlers 1998; Schnotz & Preuß 1999). 176 5. Text und Textualität Mentale Modelle sind insofern höchst dynamisch und erlauben ein ganzheitliches Verstehen, ohne dass einzelne Details enthalten sind. 5.1.5 Lernen aus Texten Die drei möglichen mentalen Textrepräsentationen, die in diesem Kapitel beschrieben wurden, sind mit einer jeweils unterschiedlichen Tiefe des Leseprozesses verbunden. Während auf der Ebene der Textoberfläche nur Prozesse der Wortdekodierung erforderlich sind, braucht der Leser oder die Leserin auf der Ebene der propositionalen Textbasis Prozesse der Kohärenzbildung, um zum Beispiel satzübergreifende Relationen innerhalb eines Textes zu erkennen und die Textbedeutungen auf diese Weise unabhängig von der genauen Darbietungsform im Text mental zu repräsentieren (vergleiche Louwerse & Graesser 2006). Zieht die Leserin beziehungsweise der Leser aber eigenes (Erfahrungs-)Wissen an den Leseprozess heran und bildet damit ein mentales Modell des Textes, so wird die Leseleistung als noch tiefgehender betrachtet (vergleiche Lutjeharms 2010; Schnotz 1994). In diesem Fall geht man davon aus, dass die dem Text entnommene Information nach eigenem Ermessen beziehungsweise nach subjektiv plausiblen Kriterien weiter verarbeitet und somit besser an bereits existierende Wissensstrukturen angedockt wird. Die Bildung eines mentalen Modells wird daher als nachhaltiges Lernen aus Texten angesehen und steht oft als Ziel einer vertiefenden Lektüre (vergleiche Schnotz 1994). In diesem Sinne wurde in Experimenten beobachtet, dass die Bildung eines mentalen Modells zu einer effizienteren Speicherung und besseren Behaltensleistung der Textinhalte führt als die Bildung der propositionalen Textbasis. In einer älteren Studie konnten Kintsch, Welsch, Schmalhofer & Zimny (1990) zeigen, wie die Spurenstärke (Behaltensleistung) der jeweiligen mentalen Textrepräsentation mit der Zeit abfällt beziehungsweise stabil bleibt. Zu diesem Zweck führten die Autoren einen Test mit dreierlei Aufgaben durch, mit denen sich jeweils die verschiedenen mentalen Textrepräsentationen nach der Lektüre eines Textes gezielt erheben ließen: Wiedererkennen von Sätzen mit demselben Wortlaut wie im Text (Textoberfläche); Identifizieren von paraphrasierten Textpassagen (propositionale Textbasis); Wiedererkennen von Sätzen, deren Richtigkeit sich nur indirekt aus dem Kontext des Textes ableiten lassen (Mentales Modell). Die folgende Graphik lässt erkennen, wie sich die Spurenstärke des mentalen Modells mit der Zeit als die stabilste mentale Textrepräsentation erweist. Die Textoberfläche zeigt bereits innerhalb der ersten 40 Minuten nach der Lektüre des Textes einen sehr starken Abfall der Spurenstärke auf (vergleiche Abbildung 5.3). 177 5.1 Text als mentale Konstruktion 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 Sofort 40 min 2 Tage 4 Tage Spurenstärke Zeitliche Distanz zur Textdarstellung S Model Textbase Surface Abbildung 5.3: Abfall der Spurenstärke (Kintsch et al. 1990: 139) Welche mentale Textrepräsentation gebildet wird, hängt jedoch mit dem Leseziel beziehungsweise mit der Aufgabenstellung zusammen (vergleiche van den Broek, Young, Tzeng & Linderholm 1999). Wenn das Ziel der Aufgabe beispielsweise in einer strukturierten Inhaltswiedergabe des Textes besteht, dann reicht die Bildung der propositionalen Textbasis aus. Wird hingegen von den Lesern und Leserinnen erwartet, dass sie aus der in einem Text dargestellten Theorie Schlüsse über mögliche Anwendungsprobleme ziehen, dann ist die Bildung eines mentalen Modells erforderlich. Für das Vorlesen beziehungsweise Rezitieren eines Textes (zum Beispiel in einem Theaterstück) reicht sogar die Bildung der Textoberfläche aus, sodass keine größeren Verstehensprozesse in Gang gesetzt werden müssen. 5.1.6 Lesekompetenz bei IGLU Die Differenzierung der Leistungen in Abhängigkeit von der erreichten Tiefe beim Textverstehen wird ebenfalls bei der Festlegung des Konstrukts Lesekompetenz in der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung ( IGLU ) berücksichtigt (siehe Abbildung 5.4), in der die Lesekompetenz von Grundschulkindern am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich erhoben wird. Nach Bremerich-Vos, Tarelli & Valtin (2012: 71) zielt der IGLU -Lesetest auf die Erhebung folgender Verstehensprozesse ab: 1. explizit angegebene Informationen lokalisieren, 2. einfache Schlussfolgerungen ziehen, 3. komplexe Schlussfolgerungen ziehen, interpretieren und kombinieren, 4. Inhalt und Sprachgebrauch prüfen und bewerten. 178 5. Text und Textualität Dabei werden die unterschiedlichen Leseleistungen entweder der sogenannten Nutzung textimmanenter Information oder dem Heranziehen externen Wissens zugeschrieben, welche jeweils mit der Textbasis und dem mentalen Modell verbunden sind: Lesekompetenz Nutzung von textimmanenter Informationen Heranziehen Externen Wissens Unabhängige Einzelinformationen nutzen BBeziehungen zwischen Textteilen und -abschnitten herstellen Über Inhalte reflektieren Über Strukturen reflektieren Erkennen und Wiedergeben Explizit angegebener Informationen Einfache Schlussfolgerungen ziehen Komplexe Schlussfolgerungen ziehen und begründen; Interpretieren des Gelesenen Prüfen und Bewerten von Inhalt und Sprache Abbildung 5.4: Lesekompetenz nach der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung 2006 (nach Bremerich-Vos et al. 2012: 73) Ebenfalls mit der Lesekompetenz hat sich die PISA -Studie 2009 beschäftigt (vergleiche Klieme, Artelt, Hartig, Jude, Köller, Prenzel, Schneider & Stanat 2010). Dieser Studie wurde ein etwas komplexeres, dafür aber detaillierteres Konstrukt von Lesekompetenz zugrunde gelegt, das ebenfalls die drei möglichen Textrepräsentationsarten umfasst. Dabei werden unterschiedliche Lesekompetenzstufen differenziert, die sich je nach Textverarbeitungstiefe vom reinen Lokalisieren expliziter Informationen in einfachen Texten bis zum vollen und detaillierten Verständnis eines oder mehrerer Texte sowie der Auseinandersetzung mit ungewohnten Ideen und Zusammenhängen erstrecken (vergleiche Naumann, Artelt, Schneider & Stanat 2010). Für die Bildung entsprechender Kompetenzskalen wurden die Anforderungen an die Leser und Leserinnen bei der Bearbeitung von Leseaufgaben wie folgt festgelegt: ▶ Suchen und Extrahieren; ▶ textbezogenes Kombinieren und Interpretieren; ▶ Reflektieren und Bewerten. (Naumann et al. 2010: 25) Darüber hinaus werden bei der Skalierung der Kompetenzstufen Aspekte wie das Textformat (kontinuierliche und nichtkontinuierliche Texte), die verschiedenen Kontexte und Situationen (private versus öffentliche Texte, Textsorten etc.) sowie die Informationsdichte 179 5.1 Text als mentale Konstruktion und der Bekanntheitsgrad des Themas des Textes berücksichtigt. Auf dieser Basis werden bei der Skalierung insgesamt sieben verschiedene Kompetenzniveaus unterschieden. Im Folgenden sehen Sie die Beschreibungen der jeweils höchsten (Abbildung 5.5) und niedrigsten (Abbildung 5.6) Kompetenzstufe: Abbildung 5.5: Lesekompetenzstufe VI (Naumann et al. 2010: 28) Abbildung 5.6: Lesekompetenzstufe Ib (Naumann et al. 2010: 28) Während die Leser und Leserinnen auf Stufe VI Aufgaben erfolgreich bearbeiten können, für die typischerweise die Bildung eines mentalen Modells erforderlich ist (Schlussfolgern, Vergleichen mit anderen Texten etc.), können Leser und Leserinnen auf der niedrigsten Kompetenzstufe lediglich wenige explizite Details aus dem Text lokalisieren, was eher mit der Repräsentation der Textoberfläche verbunden ist. Unter anderem die Nutzung von Bildern sowie die Menge an konkurrierender Information werden als leseförderliche Faktoren angesehen, die sich besonders bei weniger geübten Lesern und Leserinnen als vorteilhaft erweisen. Dies geht auch mit Erkenntnissen aus der kognitiven Psychologie einher, nach denen die multimediale Darbietung von Lernmaterialien vor allem bei schwachen Lernern zu besseren Ergebnissen führt als die rein textuelle Darbietung der Materialien (vergleiche Suñer 2011; Moreno & Mayer 2000, 2002; Mayer, Heiser & Lonn 2001). Auch die Ergebnisse der PISA -Studie bringen für den Bereich Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache wichtige Erkenntnisse ans Licht. Unter anderem wurden die Ergebnisse aus den Leistungstests zur Lesekompetenz mit Lernervariablen wie dem Migrationsstatus, Bildungsgang oder Geschlecht korreliert. Auch wenn es sich um keine kausale Beziehung handelt, lassen sich deutliche Trends bei der Variation der mittleren Lesekompetenz in Abhängigkeit vom Migrationsstatus beobachten: 180 5. Text und Textualität Abbildung 5.7: Lesekompetenz und Migrationshintergrund in Deutschland nach PISA 2009. Die Werte über den Balken stellen die mittlere Lesekompetenz dar (Stanat et al. 2010: 212) Im Vergleich stehen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund. Unter den Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund wird zwischen Schülerinnen und Schülern mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil und Schülerinnen und Schülern der ersten und zweiten Generation differenziert. Das Gesamtbild zeigt, dass Schüler und Schülerinnen ohne Migrationshintergrund deutlich bessere Leistungen beim Lesen erzielen als Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund. Innerhalb der Gruppe der Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund erweisen sich Schüler und Schülerinnen erster und zweiter Generation jedoch als schwächere Leserinnen und Leser als Schülerinnen und Schüler mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil. Daraus ist zu schließen, dass Schüler und Schülerinnen erster und zweiter Generation in den niedrigeren Lesekompetenzstufen häufiger vertreten sind als die Schüler und Schülerinnen ohne Migrationshintergrund oder mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil und sie daher besonders förderbedürftig sind. Eine Tendenz, die sich in unterschiedlichem Maße in den meisten Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( OECD ) zeigt (Stanat, Rauch & Segeritz 2010: 49). Vor diesem Hintergrund erscheint die Umsetzung eines für Deutsch als Zweitsprache spezifischen Förderkonzepts hinsichtlich der Lesekompetenz zwingend erforderlich. Dabei sollte auch das interkomprehensive Lesen berücksichtigt werden, welches die individuelle Mehrsprachigkeit der Lerner für das Lesen in der Fremdsprache produktiv nutzt und vor allem einen Mehrwert in Bezug auf die Erschließung des Wortschatzes und morphologischer Strukturen generieren kann (vergleiche Meißner 2012). Mit der Förderung des frühen Leseerwerbs aus der Perspektive des Deutschen als Zweit- oder Fremdsprache beschäftigt sich die Einheit 6.2 zu den höherstufigen Leseprozessen. 181 5.1 Text als mentale Konstruktion 5.1.7 Zusammenfassung ▶ Der Leseprozess ist eine Art Wechselwirkung zwischen textgeleiteten (bottom-up) und wissensgeleiteten (top-down) Verarbeitungsprozessen. ▶ Beim Lesen werden drei unterschiedliche mentale Textrepräsentationen gebildet: Die Textoberfläche, die propositionale Textbasis und das mentale Modell. ▶ An der Textoberfläche werden die genaue Satzstellung, Deklination und Schreibweise der Wörter aus dem Text repräsentiert, aber nur für eine sehr kurze Zeit. ▶ Auf der Ebene der Textbasis ist die linguistische Form nicht mehr so relevant, sondern deren semantischer Gehalt. ▶ Mentale Modelle aus einem Text entstehen immer dann, wenn Vorwissensbestände zur Interpretation, Beurteilung und Erweiterung der Textinhalte in den Leseprozess massenhaft integriert werden. ▶ Die drei mentalen Textrepräsentationen sind mit einer jeweils unterschiedlichen Tiefe des Leseprozesses verbunden. Während für die Textoberfläche lediglich Prozesse der Wortdekodierung erforderlich sind, werden bei der mentalen Modellbildung tiefer gehende Verstehensprozesse in Gang gesetzt. ▶ In den Bildungsstudien werden unterschiedliche Lesekompetenzstufen differenziert, die sich je nach Textverarbeitungstiefe von dem reinen Lokalisieren expliziter Informationen in einfachen Texten bis zur Auseinandersetzung mit ungewohnten Ideen und Zusammenhängen erstrecken. 5.1.8 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie würden Sie die verschiedenen mentalen Textrepräsentationen definieren? 2. Warum werden nicht immer alle mentalen Textrepräsentationen gebildet? 3. Inwiefern werden die verschiedenen mentalen Textrepräsentationen zur Festlegung des Konstrukts der Lesekompetenz in der IGLU -Studie berücksichtigt? 4. Welche Aspekte von Texten können nach der PISA -Studie als Hilfestellungen beim Lesen fungieren? 182 5. Text und Textualität 5.2 Kontrastive Textologie Marianne Hepp & Marina Foschi Die kontrastive Textologie führt sprach- und kulturvergleichende Analysen nach empirischen Kriterien aus (vergleiche unter anderem Hartmann 1980; Adamzik 2001). Gegenstand der Analyse sind parallele Texte, das heißt Texte, die unterschiedliche Kulturen unter vergleichbaren kommunikativen Rahmenbedingungen widerspiegeln, mit anderen Worten: Texte, die in unterschiedlichen Sprachen produziert werden, die aber als Exemplare äquivalenter Textsorten erkannt werden können. Als Orientierungsbasis der kontrastiven Textologie gelten drei Grundprinzipien. Die ersten zwei entstammen der Textlinguistik und besagen: 1. Jeder Text konkretisiert sich als Produkt einer bestimmten Textsorte (vergleiche Brinker 2010: 16). 2. Textsorten weisen kulturelle Züge als typisch kommunikative Formen unterschiedlicher Sprachgemeinschaften auf. (Vergleiche Fix; Habscheid & Klein 2001) Das dritte Prinzip besagt, dass Textsorten nicht als isolierte und in sich abgeschlossene linguistische Gegenstandsbereiche anzusehen sind, sondern als Produkte von sogenannten »Textsortennetzen« (Adamzik 2001: 37). Textsortennetze entstehen aus der Interkonnexion von ähnlich strukturierten und ähnlichen Funktionen dienenden unterschiedlichen Textsorten. Sie sind innerhalb von Diskurssystemen angesiedelt, die sich je nach Sprachkultur unterschiedlich gestalten können. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ Leseförderkonzepte kennenlernen und entwickeln können, die auf dem Vergleich von parallelen Textexemplaren in unterschiedlichen Sprachkulturen gründen; ▶ Strategien des inferentiellen Lesens kennenlernen und anwenden können, mit deren Hilfe aus dem intuitiven Textsortenwissen in der Muttersprache sprachliche Mittel in fremdsprachigen Texten erkannt und ihnen Sinn zugeordnet werden kann; ▶ textstilistische Besonderheiten und ihre Funktion in parallelen Texten unterschiedlicher Sprachkulturen wahrnehmen können; ▶ die daraus resultierenden Erkenntnisse im eigenen Fremdsprachenunterricht adressatenspezifisch umsetzen können. 5.2.1 Textsorten und Textualität Oft kommt man durch das Wort-für-Wort- oder Satz-für-Satz-Lesen fremdsprachlicher Texte aufgrund unbekannten Wortschatzes ins Stocken, was wiederum zur Fehlinterpretation und Entmutigung seitens der Leserin oder des Lesers führen kann. Wie bereits in der Einleitung 183 5.2 Kontrastive Textologie erläutert, stellt aber das Leseverstehen einen komplexen kognitiven Prozess dar, in dem unter anderem Vorwissen über die konventionelle Gestaltung von Texten eine wichtige Rolle spielt. Textsorten sind oft sprach- und kulturübergreifend ähnlich gestaltet. Daher können aus dem Vergleich von Texten unterschiedlicher Sprachkulturen heraus transkulturelle Textsortenzüge erkannt werden, das heißt kulturübergreifende Merkmale, die sich aus der sozialen und sprachlichen Interaktion dynamisch entwickeln und sich als ähnliche Konventionen der Textgestaltung in verschiedenen Textkulturen zeigen (zum facettenreichen Begriff der Transkulturalität, vergleiche Roche 2013b: 254ff). Die Didaktik kann somit das L1-Vorwissen über die textsortentypische Gestaltung von Texten nutzen, um das Bekannte anstelle des Unbekannten im fremdsprachigen Text hervorzuheben. Parallele Texte können zum Beispiel mehrsprachige Einträge aus der Enzyklopädie Wikipedia sein. Anhand solcher Vergleiche kann der erste Zugang zu fremdsprachigen Texten systematisch erleichtert werden, da das grundlegende Aktivieren des Textmusters (Heinemann & Heinemann 2002: 135) aus der L1-Kultur gefördert wird. Wie dies genau geschieht, erfahren Sie im nächsten Abschnitt. 5.2.2 Textgemeinsamkeiten im Vergleich: transkulturelle Textsortenzüge Haben Sie schon bemerkt, dass Textsorten transkulturell geprägt sind? Sicherlich hängen die formalen und pragmatischen Merkmale der unterschiedlichen Textsorten (kommunikative Funktionen, situative Bedingungen, äußere Strukturmerkmale, thematische Aspekte, sprachliche Mittel) (Heinemann 2000: 512) von historischen und sozialen Bedingungen ab, die je nach Sprachkultur unterschiedlich sein können. Da einzelne Sprachen und Kulturen aber keine klar voneinander abgegrenzten, sondern vielmehr sich teilweise überschneidende, ineinander verwobene Konstrukte sind, haben Textsorten auch transkulturelle Züge. Paradigmatische Exemplare dieser Art sind die Wikipedia-Artikel. Betrachten wir die Versionen desselben Eintrags in drei unterschiedlichen Sprachen, treten deutlich erkennbar im Vergleich der drei Wikipedia-Ausschnitte Textbausteine hervor, die allen Wikipedia- Rezipienten bekannt sind: Titel, Untertitel mit Quellenangabe, Fließtext und Abbildung(en) mit Bildunterschrift. Die Artikel der mehrsprachigen Enzyklopädie können schon ab den ersten Niveaustufen des Fremdsprachenlernens eine geeignete Leseverstehensübung darstellen. Durch den Vergleich der ähnlich strukturierten Texte vermögen Lerner auf den ersten Blick zu erkennen, dass es sich jeweils um dieselbe Textsorte handelt, nämlich einen enzyklopädischen Eintrag, das heißt um einen beschreibenden Text, dessen pragmatisch-kommunikative Funktion daraus besteht, Informationen über den jeweiligen Gegenstand zu liefern. Die informative Funktion kann dabei durch sprachliche und gleichzeitig bildliche Mittel realisiert werden. Von den (fremd)sprachlichen Kompetenzen unabhängig, kann jede Leserin oder jeder Leser zuerst einmal leicht erkennen, dass es sich um eine Beschreibung handelt. Dies wird durch das Wissen über Gestaltung und Funktion der Textsorte Wikipedia-Eintrag ermöglicht und durch die Betrachtung der Paralleltexte zusätzlich bestätigt. Dank dem besonderen Zusammenwirken von Textsortenwissen, Textbetrachtung und Erkennen der Textfunk- 184 5. Text und Textualität tionen können weitere Informationen abgeleitet werden: Lerner können beispielsweise die Bedeutung einzelner Wörter aus dem mehrsprachigen Kontext erschließen, wodurch hier etwa für L1-Sprecher des Deutschen, die Benennung des dargestellten Gegenstands in den beiden Fremdsprachen als Titelwort deutlich erkennbar wird. Haben Sie dem bisher Ausgeführten entnehmen können, inwiefern schon aus dem strukturellen Textaufbau heraus ein erster Zugang zu fremdsprachigem Textverstehen geschaffen werden kann? Dies ist möglich, da wir aus unserer Erfahrung mit bereits bekannten Textsorten über Informationen aus der eigenen Sprachkultur verfügen. Diese Erfahrung können wir bewusst einsetzen, wenn wir fremdsprachige Texte lesen, weil Textsorten, wie bereits in den vorhergehenden Abschnitten erwähnt, transkulturell geprägt sein können. Intuitives und erworbenes Wissen darüber, wie verschiedene Texttypologien gestaltet sind, kann Lernern auf niedrigen Niveaustufen ermöglichen, Texte einer bestimmten Textsorte zuzuordnen und damit Erwartungen in Bezug auf ihre Funktionen und ihren informativen Gehalt zu erwecken und (mindestens teilweise) zu erfüllen. Experiment Versuchen Sie, aus den folgenden drei Konzertplakaten (Abbildungen 5.8-5.10), die teilweise aus typologisch unterschiedlichen Sprachen stammen (deutsch, litauisch und japanisch), mindestens die Eckdaten zum Konzert herauszufinden. Machen Sie dadurch die Erfahrung, wie man fremdsprachigen Texten, darunter sogar aus unbekannten Schriftsystemen, Informationen entnehmen und dadurch einen gewissen Grad an Kohärenz herstellen kann. 185 5.2 Kontrastive Textologie Abbildung 5.8: Taborchor (Taborchor 2014) Abbildung 5.9: Beethoven (Erzbistum Köln 2014) 186 5. Text und Textualität Abbildung 5.10: Sacra Musica (2014) Auch Zeitungsartikel als Textsorte(n), die in vielen Sprachkulturen ähnlich gestaltet sind, eignen sich gut dazu, das inferentielle Leseverstehen schon bei niedrigen Niveaustufen des Fremdsprachenlernens zu fördern, insbesondere beim Erlernen von Fremdsprachen, die derselben Sprachfamilie der eigenen L1 angehören und dieselben Schriftzeichen verwenden. Lerner können unter anderem dazu aufgefordert werden, im Text mit Bezug auf bereits Bekanntes (zum Beispiel Internationalismen) nach Informationen zu suchen. Im Besonderen kann dabei (als Textmuster) auf das bekannte angelsächsische Modell der W-Fragen hingewiesen werden, die in einer Zeitungsnachricht vorausgesetzt werden. Der Abbildung 5.11 können etwa ohne Schwierigkeiten Informationen zu den wichtigsten Themen entnommen werden, die man in einer journalistischen Nachricht als Antwort auf die W-Fragen erwartet: Wer? (Amy Winehouse), Wann? (23. Juli, Oktober 2011), Warum? (Alkohol). Die Antwort auf das Was? (Tod-- zweite Untersuchung) muss dagegen durch Inferenzen, beziehungsweise Vorwissen gesucht werden. 187 5.2 Kontrastive Textologie Abbildung 5.11: Amy Winehouse (Stern 2016) Lerner werden erfahrungsgemäß sofort erkennen, dass es sich bei diesem Beispiel um einen Online-Zeitungsartikel handelt, der Informationen über die abgebildete Person vermittelt. Diese Antwort weist schon auf das Aktivieren des Textmusters hin, das normalerweise unbewusst abläuft. Ein sorgfältig gesteuertes Bewusstmachen dieses Aktivierungsprozesses kann dazu beitragen, gezielter Informationen aus dem Text herauszuholen. Zu einem ersten Bewusstmachen gehören beispielsweise Hinweise darauf, dass die Hauptinformation schon oft im Titel enthalten ist, oder dass in informationsbetonten Texten Bilder normalerweise nicht in erster Linie der Ausschmückung dienen, sondern vielmehr auch zur Textfunktion beitragen. 5.2.3 Textuelle Merkmale im interkulturellen und intertextuellen Vergleich Die Gestaltung von Texten untersteht natürlich nicht nur den in vielen Sprachkulturen gleichermaßen gültigen Konventionen. Sie weist vielmehr auch kulturell bedingte Unterschiede auf. Aber auch diese Kulturunterschiede können, ähnlich wie die Gemeinsamkeiten, bei der Analyse von parallelen Texten systematisch erkannt und herausgearbeitet werden. Dabei gilt als Vorüberlegung: Der Zugang zu Texten einer anderen Kultur kann dadurch erschwert werden, dass bestimmte Konzepte, Einstellungen oder Werte nur in einer der beteiligten Kulturen existieren und daher nicht in der anderen ausgedrückt werden oder dass bei ähnlicher Textoberflächenstruktur eine konzeptuelle Divergenz zu Grunde liegen kann (vergleiche Roche 2001: 15). Nun kann gerade die Sensibilisierung für diese Divergenzen helfen, derartige Schwierigkeiten zu überwinden und dafür die besondere Expressivität von Texten zu erkennen, die genau aus den Strukturen resultiert, die als nicht konventionell wahrgenommen wer- 188 5. Text und Textualität den. Was als konventionell oder nicht-konventionell empfunden wird, kann nur im Vergleich festgelegt werden. Dabei spielen die Textmuster der Ausgangskultur eine herausragende Rolle. Diese möglicherweise starre Wahrnehmungshaltung kann dadurch bewusst werden, dass alle Texte in Textsortennetze eingebettet sind und in solchen produziert werden. Die folgende Tabelle in Abbildung 5.12 will beispielhaft ein kleines Paradigma aus dem akademischen Textsortennetz darstellen: Die drei Spalten rechts listen die Benennungen vorwissenschaftlicher Textsorten auf, die Germanistikstudentinnen und -studenten in Deutschland, Frankreich und Italien in ähnlichen Situationen und mit äquivalenten Funktionen produzieren. Links werden die entsprechenden Formen wissenschaftlicher Textsorten genannt, die als Vorbilder für die genannten Textsorten studentischer Produktion gelten. Auch diese wissenschaftlichen Textsorten werden in den drei Ländern unterschiedlich bezeichnet. Hier wird das Deutsche als Lingua Franca verwendet. akademische Textsorten wissenschaftliche / vorwissenschaftliche Textsorten deutsch französisch italienisch Vortrag / Rede Referat Exposé Relazione Aufsatz / Fachartikel Seminararbeit Devoir Tesina Traktat Bachelorarbeit Mémoire Prova finale Abhandlung Masterarbeit Mémoire Tesi magistrale Monographie Doktorarbeit Thèse de doctorat Tesi di dottorato Abbildung 5.12: Akademische Textsorten (nach Foschi 2009: 121) Strukturell greifen alle diese Textsorten auf das der westlichen Kultur gemeinsame Textmuster der argumentativen Rede zurück. Zum prototypischen Muster der argumentativen Rede gehört unter anderem die folgende thematische Grundstruktur: Einleitung (exordium), Erzählung (narratio), Beweis (argumentatio), Widerlegung (refutatio), Schluss (conclusio). Man kann also davon ausgehen, dass alle in der obigen Tabelle versammelten Textsorten dieser Grundstruktur folgen, vor allem, weil die internationale Wissenschaftsgemeinschaft weitgehend nach allgemeingültigen Konventionen zu operieren versucht. Bei vielen Übereinkünften können in den argumentativen Texten der realen Textwelt (um bei demselben Beispiel eines Textsortennetzes zu bleiben) allerdings auch wesentliche Unterschiede wahrgenommen werden. Diese können zum Teil auf unterschiedliche Kulturtraditionen zurückgeführt werden. So scheinen nach Sa’adeddin (1989: 48ff) arabische Wissenschaftler dazu zu neigen, beim Verfassen von englischsprachigen Texten eine anders gestaltete Argumentationslinie als die traditionell westliche anzuwenden, die mit häufigem Gebrauch von Implizitem im Text, abstrakten Verallgemeinerungen und einer höheren Frequenz von Wiederholungen und Paraphrasen verbunden ist. Beim Lesen können feste Erwartungen in Form von tradierten Textmustern helfen, einen fremdsprachigen Text zu 189 5.2 Kontrastive Textologie verstehen, auch wenn andererseits gerade dadurch manchmal eine gewisse Unsicherheit beim Verstehen fremdkultureller Züge hervorgerufen werden kann. Insgesamt gesehen kann durch vergleichende Textanalysen die sogenannte Transferdifferenz zwischen dem vorhandenen linguakulturellen Wissen und der zu erwerbenden Zielsprache produktiv genutzt und damit das Leseverstehen bei Fremdsprachenlernern gefördert werden. Dabei ist wichtig, Lernern einer Fremdsprache bewusst zu machen, dass Texte beim Lesen nur dann gründlich verstanden werden können, wenn die sozialen und zeitlich bedingten konventionellen Merkmale ihres Entstehungskontextes bekannt sind. Das Phänomen der Parallelität von Texten gilt nicht nur in interkultureller Hinsicht. Zu den Textsortennetzen gehört vielmehr auch eine Mannigfaltigkeit von ähnlichen Textsorten und Mischformen innerhalb einer einzigen Sprachkultur. Textexemplare zeigen immer textsortenspezifische Züge, die ihre Textsortenzugehörigkeit erkennen lassen, aber auch andere, die vom prototypischen Muster abweichen. Wenn die Beschaffenheit der Textsorten nicht institutionell geregelt ist, können diese einen sehr geringen Standardisierungsgrad und damit eine sehr große Formvariabilität aufweisen, wie es beispielsweise in Tagebüchern der Fall ist. Die Textsorte Tagebuch kann durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet werden (vergleiche Fandrych & Thurmair 2011: 264ff): ▶ Ein Tagebuch besteht aus chronologisch progressiven Einträgen ein und derselben Person. ▶ Die Chronologie bedingt die äußere Textstruktur. ▶ Eine Vielzahl an Erlebnissen und Denkinhalten wird thematisiert. ▶ Die Hauptfunktion besteht in der Dokumentation und Reflexion von Erlebtem. ▶ Die traditionelle Kommunikationssituation ist die Eigenrezeption, welche zu einer großen Freiheit in der Themenwahl und Ausdrucksspontanität führt (diese Charakteristik gilt für die öffentlichen Online-Tagebücher von heute, den sogenannten Blogs, oft nicht mehr). ▶ Typische Sprachmittel sind Vergangenheits- und Präsensformen als alternierende Tempora in der Bezugnahme auf verschiedene Zeiträume und eine hohe Frequenz von temporalen Ausdrücken und Verben des Fühlens und Bewertens. Ein häufig auftretendes Stilphänomen sind auch syntaktische Ellipsen. Wir betrachten nun unterschiedliche Beispiele von persönlichen Tagebucheinträgen: Das erste (Beispieltext 1) entstammt dem Tagebuch von Franz Kafka. Das zweite Beispiel (Beispieltext 2) gibt den Tagebucheintrag eines dreizehnjährigen Mädchens aus vornehm-bürgerlicher Familie derselben Zeit wieder. Die Publikation ihrer Aufzeichnungen durch einen psychoanalytischen Verlag wurde von Sigmund Freud zu wissenschaftlichen Zwecken empfohlen, als authentisches Dokument für die »Seelenregungen«, die »die Entwicklung des Mädchens unserer Gesellschafts- und Kulturstufe in den Jahren der Vorpubertät« kennzeichneten. Dies findet sich im Geleitwort der Ausgabe vermerkt, wobei außerdem unterstrichen wird, dass »kleine Unebenheiten des Stiles und Verstöße gegen die Rechtschreibung« beibehalten wurden, da dieselben als »Äußerungen affektuöser Strömungen, als echte Fehlleistungen aus dem Wirken des Unbewußten« zu bewerten seien. Das dritte und aktuellste Beispiel (Beispieltext 3) wurde 190 5. Text und Textualität von einer Schülerin in einem Blog vorgebracht. Alle drei Texte weisen dieselbe Textsortenzugehörigkeit auf. Die Beispieltexte 1 und 2 sind außerdem auch zeitlich als parallele Texte zu betrachten, da sie aus derselben Epoche stammen. Beispieltext 3, der etwa hundert Jahre später entstanden ist, kann außerdem auf Grund des Alters und der Geschlechtsspezifität als Paralleltext zu 2 betrachtet werden. Beispieltext 1: 19.Dezember [1910]. Im Bureau zu arbeiten angefangen. Nachmittag bei Max. Ein wenig Goethes Tagebücher gelesen. Die Ferne hält dieses Leben schon beruhigt fest, diese Tagebücher legen Feuer dran. Die Klarheit aller Vorgänge macht sie geheimnisvoll, so wie ein Parkgitter dem Auge Ruhe gibt, bei Betrachtung weiter Rasenflächen, und uns doch in unebenbürtigen Respekt setzt. Gerade kommt meine verheiratete Schwester zum erstenmal zu uns zu Besuch. (Franz Kafka, Tagebücher 1910-1923. Quelle: Projekt Gutenberg, http: / / gutenberg.spiegel. de/ buch/ -162/ 1, Stand Dezember 2016) Beispieltext 2: 20. September: Nur ein paar Worte. Heute hat die Schule wieder angefangen. Gott sei Dank, als Klassenvorstand haben wir wieder die Frau Dr. M. Das Frl. Steiner ist jetzt auch Doktorin, am Ende des Schuljahres hat sie das Doktorat gemacht. Dann haben wir eine neue Frau Dr. in Geschichte, wir wissen aber nicht, wie sie heißt. Die Vischer hat nämlich in den Ferien geheiratet! ! ! Das ist zum Kugeln, die! ! ! Die Dora sagt, der ihr Mann möchte sie nicht sein; wahrscheinlich läßt er sich bald wieder scheiden von ihr. Überhaupt Augengläser bei einer Frau. Einen Zwicker lasse ich mir gefallen, den kann man wenigstens weggeben. Aber Augengläser! Die Dora kann auch nicht begreifen, wie ein Mann eine mit Augengläsern heiraten kann. Und die Hella sagte oft, ihr wird zum Brechen, wenn die Vischer so mit ihren Augengläsern funkelt. In Naturgeschichte haben wir einen neuen Professor. Ich bin riesig froh, daß wir drei Doktorinnen und einen, eigentl. zwei Professoren, nämlich doch auch in Religion haben. In der III . haben sie bloß 1 Doktorin, das ärgert sie sehr, die Dora hat 2 Doktorinnen und 3 Professoren. (Unbekannte Verfasserin, Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens (Von 11 bis 14 ½ Jahren). Leipzig / Wien / Zürich, Internationaler Psychoanalytischer Verlag, 1921 (1919). Quelle: Projekt Gutenberg, http: / / gutenberg.spiegel.de/ buch/ -7110/ 1, Stand Dezember 2016). 191 5.2 Kontrastive Textologie Beispieltext 3: Samstag Einweihungsparteeeey! ! ! ! ! Februar 25th WIR haben es ENDLICH ENDLICH geschafft. Keiner hat es für möglich gehalten: ABER ! ! ! ! WIR HABEN UNSERE ERSTE UND SUPERHÜBSCHE WG gefunden : D. Daher laden wir für Fr. ab 20 h ein und feiern den abgewandten Untergang. Für G & E ist gesorgt. Es dürfen aber natürlich trotzdem alle etwas mitbringen 😉 . Textsortenspezifische Besonderheiten können in all den drei sehr unterschiedlichen Texten beobachtet werden, darunter: das Datum als Zeichen der chronologischen Anordnung des Textes; die unreflektierte, »spontane« Textgliederung; die Auswahl an Themen, die mit Selbsterlebtem verbunden sind. Auf sprachlicher Ebene herrscht ein alternierender Gebrauch von Vergangenheits- und Präsensformen und unterschiedlichen Zeitausdrücken vor. Implizites im Text tritt weitaus häufiger auf als elliptische Konstruktionen, die jedoch ebenfalls in allen aufgeführten Texten anzutreffen sind. Die auffallenden Unterschiede der eben behandelten drei Textbeispiele sind vor allem in der kommunikativen Rahmensituation angesiedelt. Die ersten beiden Texte (aus demselben Zeit- und Gesellschaftsrahmen) sind ursprünglich für die Eigenrezeption entstanden, der dritte ist von Anfang an für einen öffentlich zugänglichen Blog erstellt worden. Allerdings ändert diese Tatsache nichts an der erwähnten Freiheit und Ausdrucksspontanität. Natürlich ist die universelle Relevanz der Themen eines Kafka nicht vergleichbar mit denjenigen der beiden folgenden Autorinnen. Situationsbedingte Unterschiede kann man aber vor allem auf der graphischen Ebene beobachten: Textblöcke 1 und 2 werden im Druck als Textblock realisiert, Text 3 besteht aus einzelnen Bausteinen, die teilweise durch auffällige Interpunktionszeichen und ungewöhnliche Großschreibung, teilweise durch Smileys gekennzeichnet sind. Diese letzten Charakteristika werden übrigens auch immer wieder als Merkmale der Texte in den neuen Medien angegeben. In dieser Hinsicht ist interessant zu beobachten, dass auch in Textbeispiel 2, das von einer augenscheinlich gut gebildeten Schülerin vor hundert Jahren verfasst worden ist, vergleichbare Zeichen von Jugendsprache-- die wie andere Formen des Alltagssprachgebrauchs zu Emphase und überhaupt zu Expressivität neigt-- vorhanden sind: die kursive Hervorhebung des Wortes geheiratet, die zweimal vorkommenden dreifachen Ausrufezeichen, die umgangssprachlichen Ausdrücke zum Kugeln und zum Brechen können als Merkmale angeführt werden. 192 5. Text und Textualität 5.2.4 Zusammenfassung ▶ Die kontrastive Textologie führt sprach- und kulturvergleichende Analysen nach empirischen Kriterien aus. ▶ Gegenstand der Analyse sind parallele Texte, die als Exemplare äquivalenter Textsorten in unterschiedlichen Sprachen produziert werden. ▶ Parallele Texte spiegeln unterschiedliche Kulturen unter vergleichbaren kommunikativen Rahmenbedingungen wider. ▶ Durch den interkulturellen und intertextuellen Vergleich von parallelen Texten, kann das Bewusstsein über die Konstitution von Texten als Realisierung von Textsorten und Produkt von Textsortennetzen aufgebaut und gestärkt werden. ▶ Auf dieser Basis können Leseförderkonzepte entwickelt werden, die a. einerseits die Kompetenz erweitern, Bekanntes im fremdsprachigen Text zu erkennen (= Verständnisinseln schaffen) b. andererseits das Unkonventionelle in Texten als besonders expressives Mittel erkennen lassen. ▶ Kontrastive Textologie führt durch den Textvergleich auch in Strategien des inferentiellen Lesens ein, beziehungsweise intensiviert dieselben. ▶ Mit Hilfe des Textsortenwissens in der Muttersprache können textstilistische Besonderheiten, Textfunktion(en) und sprachliche Mittel in fremdsprachigen Texten erkannt werden und eine Sinnzuordnung erhalten. ▶ Die daraus resultierenden Erkenntnisse können im eigenen Fremdsprachenunterricht adressatenspezifisch umgesetzt werden. 5.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie verfährt die kontrastive Textologie und was ist der Gegenstand kontrastiver Analysen? 2. Welche Art von Bewusstheit erweckt der interkulturelle und intertextuelle Vergleich von parallelen Texten? 3. Welche Rolle spielt das Textsortenwissen in der Muttersprache für das fremdsprachige Textverstehen? 4. Wie werden bei beginnenden Lernern Verständnisinseln beim Textzugang aufgebaut? 5. Was versteht man unter inferentiellem Leseverstehen? 193 5.3 Hypertext 5.3 Hypertext In den vorangehenden Einheiten haben wir uns angesehen, wie Textualität mental konstruiert wird und welche kontrastiven Aspekte dabei eine Rolle spielen. Die vorliegende Einheit widmet sich dem sogenannten Hypertext, einer Textform, die gegenüber »herkömmlichen« Texten gerade den Konstruktionscharakter von Textualität auf eine besondere Weise transparent macht und sich daher auch für Zwecke der Fremdsprachenvermittlung besonders gut eignet. Was ist überhaupt ein Hypertext und wie lässt er sich von herkömmlichen Texten unterscheiden? Welche Besonderheiten zeigen sich in der Kohärenzherstellung beim Lesen von Hypertexten? Welche Vor- und Nachteile haben Hypertexte im Kontext der Fremdsprachenvermittlung? Zur Beantwortung dieser Fragen werden zunächst die Unterscheidungsmerkmale des Hypertextes ausgearbeitet. Danach werden die Potenziale und Nachteile hypertextueller Lernumgebungen sowie Lösungsansätze besprochen, mit denen die eventuellen Nachteile von Hypertexten möglichst gering gehalten werden können. Schließlich werden praktische Beispiele präsentiert, anhand derer der Mehrwert von Hypertexten veranschaulicht werden soll. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ Hypertexte gegenüber anderen Textformen abgrenzen können; ▶ die Potenziale und Nachteile von Hypertexten für die Sprach- und Kulturvermittlung beschreiben können; ▶ existierende hypertextuelle Anwendungen für den Unterricht sowie Lösungsansätze für potenzielle Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung verwenden können; ▶ Hypertexte für Ihren Unterricht selbst konzipieren können. 5.3.1 Grundlagen zum Hypertext In seinem Aufsatz As we may think bezeichnete Vannevar Bush (1945) die Fragmentarisierung eines Bestands an Text- und Bildinformation sowie ihre flexible Verlinkung als die wichtigsten Merkmale von derjenigen Sorte Text, die wir heute Hypertext nennen, ohne jedoch den Begriff selbst explizit zu verwenden. Unter Rückgriff auf diese zwei Merkmale beschrieb Nelson (vergleiche Wedeles 1965) Jahre später den Hypertext als eine non-sequential Textform. Damit bezog er sich sowohl auf die Möglichkeit einer Multilinearisierung von Text- und Bildbeständen als auch auf ihre flexible Verlinkung. Hypertext wurde also von den modernen Wegbereitern als eine Textform aufgefasst, die es den Lesern und Leserinnen erlaubt, die Reihenfolge der zu verarbeitenden Texteinheiten zu bestimmen. Eine aktuelle Definition von Hypertext bieten DeStefano & LeFevre (2007: 616f): »Hypertext can be defined broadly as a collection of documents containing links that allow readers to move from one chunk of 194 5. Text und Textualität text to another«. Grundsätzlich bestehen Hypertexte also aus Knoten und Verweisen. In den Knoten befinden sich die Inhalte, die wir allgemein als Text bezeichnen. In variierendem Umfang sind hier also grundlegende, atomare und in sich abgeschlossene Informationseinheiten (vergleiche Unz 2000: 19) abgelegt. Die Verweise, auch Links genannt, verbinden die Knoten nach unterschiedlichen inhaltlichen Kriterien (vergleiche Plötzner & Härder 2001). Nach Kuhlen (1991) werden in Hypertexten referenzielle (auch assoziative) und organisatorische Verweise verwendet. Organisatorische Verweise sind semantisch (zum Beispiel im Gegensatz dazu) oder pragmatisch (zum Beispiel im nächsten Abschnitt, Schließlich) motiviert und erfüllen hauptsächlich eine hierarchisch-strukturierende Funktion in der Hypertextorganisation, auch wenn sie genauso wie referenzielle Verweise konzeptuelle Beziehungen zwischen den einzelnen Knoten explizit machen können (Kuhlen 1991: 104ff; Lackerbauer 2003: 48). Referenzielle oder assoziative Verweise lassen sich hingegen weder semantisch noch pragmatisch begründen und werden daher auch nicht-typisierte Verweise genannt (Kuhlen 1991: 1104 ff.; vergleiche auch Unz 2000: 20). Referentielle Links finden sich zum Beispiel im Wikipedia-Eintrag Universität München: Im Fließtext sind dort viele Wörter (zum Beispiel Universität, Herzog Ludwig XI ) mit den entsprechenden Einträgen (Knoten) innerhalb von Wikipedia verlinkt. Somit ist nicht nur der Wikipedia-Text ein Hypertext, sondern auch das Onlinelexikon Wikipedia selbst. Die referentiellen Links bilden also eine Art assoziatives, nicht-hierarchisches und zum Teil chaotisches Gefüge, das für viele Hypertexte charakteristisch ist (vergleiche Huber 2002). Die Struktur der Hypertexte hängt sehr stark von der Art der Links ab, mit denen die Knoten verbunden sind und ist ausschlaggebend für den Grad an Freiheit, über den der Leser oder die Leserin bei der Bestimmung der Reihenfolge der Knoten verfügt (vergleiche Suñer 2011: 126ff ) . Werden im Hypertext vorwiegend referenzielle Links verwendet, so weist der Hypertext eine vorwiegend netzwerkartige Struktur auf (siehe Abbildung 5.13d). Eine solche Struktur spiegelt die Vielfalt an konzeptuellen Beziehungen wider und lässt den Lesern und Leserinneneinen enormen Freiraum zur Bestimmung des Lesepfads (Tergan 2002: 102; Gerdes 2000: 203). Dabei muss der Leser oder die Leserin jedoch über sehr viel Vorwissen zum Thema verfügen, um sich innerhalb einer solchen offenen Struktur zu orientieren. Aus diesem Grund werden oft bei Einführungen in bestimmte Sachverhalte eher lineare Hypertextstrukturen mit vorwiegend organisatorischen Verweisen verwendet (zum Beispiel in guided tours oder Anleitungen), wobei die Freiheit der Leser und Leserinnen durch den bereits vorgegebenen Pfad stark eingeschränkt ist (vergleiche Tergan 2002: 102; Gerdes 2000: 203). Die Linearität dieser Hypertexte ist aber nicht zu verwechseln mit der Linearität von normalen Texten. Lineare Hypertexte sind immer noch in Knoten aufgeteilt, so dass Leser und Leserinnen die Möglichkeit haben, zwischen den Knoten linear vor und zurück zu springen oder auch Knoten zu überspringen. Schließlich stellen die sogenannten hierarchischen Hypertexte ein Mittelmaß zwischen netzwerkartigen und linearen Textstrukturen dar, da sie unterschiedliche Abstraktions- und Bedeutungsebenen sowie kontextuelle Zusammenhänge deutlich machen (Tergan 2002; Gerdes 2000). Diese hierarchischen Hypertexte bieten also einerseits mehrere vorstrukturierte Lesepfade, geben aber andererseits keine Linearisierung 195 5.3 Hypertext der Inhalte vor. Die folgenden Abbildungen zeigen vier mögliche Arten hypertextueller Strukturen: Abbildung 5.13a: lineare Hypertextstruktur (in Anlehnung an Lackerbauer 2003) Abbildung 5.13b: hierarchische Hypertextstruktur (in Anlehnung an Lackerbauer 2003) Abbildung 5.13c: Hypertextstruktur mit flacher Hierarchie (Tung et al. 2003: 70) 196 5. Text und Textualität Abbildung 5.13d: netzwerkartige Hypertextstruktur (in Anlehnung an Lackerbauer 2003) Wie lassen sich Hypertexte charakterisieren? Bei der Definition von Hypertext werden neben der Nicht-Linearität oft weitere Aspekte herangezogen, wie ihre elektronische Realisierung oder Multimedialität. So definiert zum Beispiel Storrer (2008) Hypertext in Anlehnung an eine Expertenbefragung von Flender & Christmann (2000) folgendermaßen: »Hypertexte sind nicht-linear organisierte Texte, die durch Computertechnik verwaltet werden« (Storrer 2008: 318). Solche Kriterien wurden zwar auch von den Vorläufern des Hypertextes genannt, stellen jedoch keine eigentlichen Unterscheidungsmerkmale gegenüber herkömmlichen Texten dar, außer vielleicht den Verweis auf digitale Technologien. Und damit sind wir auch schon bei der Medienbegeisterung im Sprachunterricht. Im Folgenden gehen wir auf die Problematik dieser Aspekte ein. Ist jeder elektronische Text ein Hypertext? Die rein elektronische Realisierung wird oft fälschlicherweise als Unterscheidungsmerkmal von Hypertexten genannt. Dabei sind aber E-Books oder Aufsätze in elektronischen Zeitschriften nicht wesentlich anders strukturiert als herkömmliche Texte, da sie grundsätzlich auch gedruckt werden können. In diesen Fällen handelt es sich also lediglich um elektronisch realisierte, lineare Texte, aus denen kein qualitativ unterschiedlicher Leseprozess resultiert. Dabei könnten die Leser und Leserinnen natürlich auch, wie in einem Hypertext, Zeilen oder gar einzelne Abschnitte des Textes überspringen und dadurch auch die Informationsreihenfolge beziehungsweise Menge in gewisser Weise selbst bestimmen. Eine solche proaktive Haltung der Leser und Leserinnen ist jedoch bei linearen Texten von Autoren oder Autorinnen nicht intendiert und geht oft zu Lasten der Textkohärenz. Umgekehrt gilt, dass auch nicht jeder gedruckte Text ein linearer Text ist. So sind zum Beispiel Textsorten wie Enzyklopädien, Kochbücher, heilige Schriften wie die Bibel oder der Talmud oder gar Schnellbahnnetz- und Stadtpläne zwar nicht elektronisch realisiert, sehen 197 5.3 Hypertext jedoch eine nicht-lineare Verarbeitung durch den Leser oder die Leserin vor und werden daher aus semiotischer Perspektive als hypertextnahe Texterscheinungen angesehen (vergleiche Scholz & Eisenlauer 2008; Roche 2006, 2007, 2008). Conklin (1987) spricht hier von manuellen Hypertexten im Sinne von Texten, die trotz einer stark vernetzten Struktur und Modularität zunächst nicht digital realisiert sind und deren Verweise deswegen nur etwas mühsamer ausgeführt werden können, nämlich durch Durchblättern. Sie lassen sich dementsprechend aber leicht elektronisch realisieren. Ist jede multimediale Materialsammlung ein Hypertext? Auch die Nutzung unterschiedlich kodierter Materialien (vergleiche Multikodierung in Kapitel 7) wurde oft als Unterscheidungsmerkmal von Hypertexten gegenüber herkömmlichen Texten genannt (vergleiche Berk & Devlin 1991; Storrer 2008, Hallet 2008). Denn die Zusammensetzung multimedialer Inhalte in einer vernetzten Organisationsform lässt sich vor allem durch den Computer sehr leicht realisieren: Die simultane Abbildung verschiedener Inhalte, das Hin- und Herspringen zwischen unterschiedlichen Medien (Video, Text, Audio etc.), das schnelle Sortieren beziehungsweise Absuchen von großen Informationsmengen nach bestimmten Stichwörtern und Kriterien etc. (vergleiche Hendrich 2003). Durch die Multimedialität (Kombination von Bild und Text) alleine lassen sich aber Hypertexte nicht von herkömmlichen Texten unterscheiden. So sind zum Beispiel multimediale Inhaltsangebote wie Bildgeschichten oder Filme in der Regel so konzipiert, dass die Adressatinnen oder Adressaten die Information auf eine alternativlos lineare Weise verarbeiten, was eher herkömmlichen Texten als Hypertexten entspricht. Das Kriterium der Multimedialität macht noch keinen Hypertext, sondern ist als eine unter anderen möglichen Beschreibungsdimensionen anzusehen (vergleiche Storrer 2008). Bilderbuchgestützte Erzählungen für Kinder, die aus Textfragmenten, Bildern, gestischen und mimischen Darstellungen, unterschiedlichen Artikulationsweisen und Verweisen auf die Welterfahrungen der Zuhörerinnen und Zuhörer entstehen, sind demnach auch typische Hypertexte. Ist die ganze Welt ein Hypertext bestehend aus einzelnen Knoten? Wenn wir beispielsweise einen Online-Kurs von Babbel mit der Website des Kleingartenverbandes München e. V. vergleichen, dann sehen wir sofort, dass die dort enthaltenen Knoten trotz des hypertextuellen Charakters beider Webangebote einen völlig unterschiedlichen Umfang haben. Dabei stellt sich also die Frage, wie groß die einzelnen Hypertextknoten sein dürfen, damit sie als solche gelten und nicht als eigenständige lineare E-Dokumente (vergleiche Storrer 2002). Die Problematik zu großer oder zu kleiner Hypertextknoten schildert Schulmeister in Bezug auf die Textverarbeitung folgendermaßen: Eine zu große Einteilung der Texteinheiten kann das Hypertextprinzip konterkarieren, d. h. dem Benutzer wird dann gar nicht mehr deutlich, dass er einen Hypertext vor sich hat.-[…] Die Aufsplitterung in zu kleine Informationseinheiten kann ihrerseits zu einer Atomisierung der Information 198 5. Text und Textualität führen, was sich möglicherweise auf die kognitive Rezeption durch den Benutzer auswirkt: Er kann keine Zusammenhänge mehr entdecken, er kann nicht verstehen. (Schulmeister 2007: 245) Obwohl sich der ideale Umfang von Hypertextknoten nicht so leicht festlegen lässt, hat Horn (1997) unter Rückgriff auf kognitionspsychologische Erkenntnisse (vergleiche Miller 1956) versucht, die Textmenge anhand der sogenannten Chunks als Informationseinheiten zu quantifizieren. Nach Horn lassen sich Hypertextknoten mit sieben plus minus zwei Sätzen (Chunks) optimal verarbeiten (vergleiche chunking principle von Horn 1997, vergleiche Kapitel 6). Auf dieser Basis formuliert Horn weitere Prinzipien wie das labeling principle oder das relevance principle, deren Berücksichtigung eine optimale Informationsverarbeitung sicherstellen sollen (zum Beispiel die Betonung relevanter Aspekte, die Typisierung von Links etc.). Die Granularität, im Sinne des Maßes an Differenzierung, und die Anwendung dieser Prinzipien hängen nach Lackerbauer (2003) aber sehr stark von Art, Zweck und Gesamtumfang der zu vermittelnden Informationen ab: So werden für Lexika und andere Referenzen, bei denen die einzelnen Einträge gut abgegrenzt sind und auch selten in einem Gesamtzusammenhang gelesen werden, kleinere Informationseinheiten gebildet. Wenn bestimmte Argumentationsstrukturen erhalten bleiben sollen, werden meist größere Knoten gewählt. Pauschalregeln für die Festlegung der Granularität können jedoch nicht aufgestellt werden. (Lackerbauer 2003: 32f) Die empirische Forschung zum Hypertextverstehen hat darüber hinaus gezeigt, dass neben der Granularität auch Faktoren wie die Präsentationsart (verbal versus piktorial), das Vorwissen der Leser und Leserinnen, die Aufgabenstellung etc. eine enorm wichtige Rolle spielen (vergleiche Suñer 2011; Amadieu, Tricot & Mariné 2009; Cangoz & Altun 2012; DeStefano & Lefevre 2007). Inwiefern sich das Hypertextverstehen in Bezug auf all diese Faktoren durch instruktionale Designmaßnahmen erfolgreich unterstützen lässt, wird in Abschnitt 5.3.4. (Lernen mit Hypertexten) behandelt. Im Folgenden schauen wir uns aber noch an, welche Unterscheidungsmerkmale der Hypertext besitzt. 5.3.2 Was ist das eigentlich Neue am Hypertext? Nachdem wir im vorherigen Abschnitt die Merkmale von Hypertexten gegenüber traditionell produzierten Texten zu umreißen versucht haben, stellt sich nun die Frage, was genau das Neue am Hypertext ist und inwiefern kursierende Definitionen die Alleinstellungsmerkmale benennen. Das eigentlich Neue am Hypertext verortet Hendrich (2003: 54) in folgenden drei Aspekten: ▶ die Manifestheit von Textverbindungen; ▶ eine neue Form der Bindung von Texten; ▶ die Operationalisierung und die daraus resultierende Interaktivität. Mit der Manifestheit von Textverbindungen ist die Sichtbarkeit der Vernetzung der einzelnen Text(teil)knoten sowie der Verweise auf andere Texte (Intertextualität) gemeint. Die Hyper- 199 5.3 Hypertext links machen vermeintlich versteckte Textverbindungen auf makrostruktureller Ebene sichtbar, die sonst beim Lesen herkömmlicher Texte nur implizit oder inzidentell erkannt werden. In Hypertexten sind, wie gesagt, vergleichsweise mehr assoziative Verweise vorzufinden als in herkömmlichen Texten. Assoziative Verweise sorgen für eine eher waagrechte Anordnung der Information, während die sogenannten hierarchischen Verweise eine vertikale Anordnung der Information ermöglichen (Hendrich 2003: 46). Schließlich sind (diskurs-)deiktische Verweise wie zum Beispiel Im nächsten Abschnitt, weiter unten, im Folgenden in Hypertexten nur selten zu finden, da sie durch die Atomisierung durch Hypertextknoten und die vielfachen Möglichkeiten der Sequenzierung der Information nur bedingt die Informationsstruktur darstellen können (Huber 2002: 29). Die neue Form der Bindung von Texten bezieht sich nach Hendrich (2003) auf die Tatsache, dass die Information in Hypertexten aufgrund des charakteristischen Geflechts von Knoten und Links noch in keiner bestimmten Reihenfolge angeordnet ist, zumindest nicht physikalisch. Daraus ergibt sich auch das dritte und wichtigste Merkmal von Hypertexten, nämlich die Operationalisierung und die daraus resultierende Interaktivität (Hendrich 2003). Da in Hypertexten keine Reihenfolge durch eine physikalische Bindung des Textes vorbestimmt ist, müssen die Leser und Leserinnen die Reihenfolge nach eigenem Ermessen durch Navigationsentscheidungen auf der Ebene der Makrostruktur festlegen. Das heißt, der Text entsteht erst dann, wenn der Leser oder die Leserin die Hypertextknoten auf eine für ihn oder sie kohärente Weise zusammenstellt. In dieser Hinsicht ist der Verstehensprozess bei Hypertexten deutlich aktiver und dynamischer als bei herkömmlichen Texten (Hendrich 2003: 42). Die Vielfachsequenzierung und die daraus entstehende vordergründige Unvollständigkeit (die Inhalte müssen durch die Leser und Leserinnen zusammengestellt werden) wurden vor allem in der Fremdsprachendidaktik als ein Vorteil angesehen (vergleiche Roche 2007). Anhand von Hypertexten lässt sich der konstruktive und interaktive Charakter der mentalen Textkonstruktion abbilden. Diese hohen Anforderungen an den Leser oder die Leserin können jedoch auch zu einer kognitiven Überlastung führen, da die Leser und Leserinnen neben den üblichen Aufgaben beim Lesen auch Navigationsentscheidungen treffen müssen. Welche kognitiven Folgen die Arbeit mit Hypertexten im Fremdsprachenunterricht für den L2-Erwerb haben kann, soll in den nächsten zwei Abschnitten behandelt werden. 5.3.3 Lernen mit Hypertexten Das neue Medium bietet also eine neue Form der Aufbereitung von Information, die in einigen Punkten von der in Printmedien differiert. Um einschätzen zu können, ob Hypertexte gegenüber herkömmlichen Texten beim Lernen effektiver sind, werden wir im Folgenden kognitionspsychologische Aspekte des Textverstehens beziehungsweise des Lernens mit Hypertexten im Kontext des L2-Erwerbs betrachten. 200 5. Text und Textualität 5.3.4 Potenziale der Hypertexte Wie bereits in der Einheit 5.1. erwähnt, ist das Textverstehen ein interaktiver und konstruktiver Prozess (Schnotz 2006): Erst durch die Interaktion zwischen dem Textwissen und dem Wissen der Leser und Leserinnen wird eine mentale Textrepräsentation unterschiedlicher Tiefe konstruiert. Zu diesem Zweck werden sowohl Prozesse der Dekodierung von Textinformation (bottom-up) durchgeführt als auch Inferenzen aus dem Vorwissen (top-down) gezogen (vergleiche Louwerse & Graesser 2006). Durch Hypertexte wird der Konstruktions- und Interaktionscharakter des Textverstehens transparent gemacht, indem die Leser und Leserinnen durch ihre Navigationsentscheidungen das Zusammenfügen verschiedener Informationen und damit die schrittweise Konstruktion einer mentalen Textrepräsentation bewirken. Dabei müssen die Leser und Leserinnen genau überlegen, welche Information als Nächste kohärent mit der bisher verarbeiteten Textinformation verbunden werden kann. Oft erweisen sich Entscheidungen jedoch im Nachhinein als nicht erfolgreich und müssen daher revidiert werden. Erst wenn die Leserinnen und Leser die Verantwortung für die eigenen Lesebeziehungsweise Lernprozesse übernehmen, kann Kohärenz hergestellt werden (Roche 2007: 172). Wie komplex der Prozess der Kohärenzherstellung durch Navigationsentscheidungen aus kognitiver Sicht ist, zeigt das folgende Diagramm von DeStefano & Lefevre (2007): Abbildung 5.14: Prozessmodell des Lesens von Hypertexten (DeStefano & LeFevre 2007: 1619) Da Hypertexte in der Regel die Vielfachsequenzierung der Information durch die Leser und Leserinnen erlauben, können damit auch die unterschiedlichen Voraussetzungen (Vorwissen, Interessen, Lernertypen etc.) besser berücksichtigt werden als mit linearen Texten, die lediglich einen vorstrukturierten Weg zur Information anbieten (vergleiche Roche 2007; Schmidt 2006). Der große Freiraum für eine Individualisierung bei der Selektion, Organisation und Integration von Informationen in Hypertexten zeigt sich zum Beispiel an der großen Variation bei der Reihenfolge der besuchten Seiten in den Navigationspfaden (vergleiche Britt, 201 5.3 Hypertext Rouet & Perfetti 1996). Weiterhin wurde von einigen Ansätzen angenommen (vergleiche cognitive flexibility theory; Spiro, Coulson, Feltovich & Anderson 1988; konnektionistische Ansätze vergleiche auch Koch 1992), dass die Art der Wissenspräsentation in Hypertexten den mentalen Wissensstrukturen im menschlichen Gehirn entspricht und damit den Wissenstransfer erleichtern kann. Vor diesem Hintergrund nutzen laut der cognitive flexibility theory ( CFT ) Hypertexte vor allem die Förderung der Multiperspektivierung sowie der angemessenen Komplexitätsdarstellung bei der Lösung von Problemen in undurchsichtigen Themenbereichen. Nach dieser Theorie erlauben hypertextuelle Lernumgebungen im Gegensatz zu linearen Texten unterschiedliche Zugänge zum Lernstoff und unterstützen multiple Lösungswege, die dann zu einer flexibleren Anwendung neuen Wissens führen. Die heutige Hypertext-Forschung betrachtet jedoch die zentrale Annahme der CFT bezüglich der Ähnlichkeit zwischen der Wissenspräsentation in Hypertexten und den mentalen Wissensstrukturen sehr kritisch (vergleiche Unz 2000; Bannert 2007; Zumbach & Rapp 2001). Die Information innerhalb der Hypertextknoten ist nämlich genauso wie in herkömmlichen Texten seriell angeordnet. Es werden auf der Ebene der Textoberfläche bestimmte syntaktische Regelmäßigkeiten (vor allem Wortstellung, Zeichensetzung etc.) berücksichtigt. Bevor also die verschiedenen Hypertextknoten netzwerkartig in die mentalen Wissensstrukturen integriert werden, muss die Information an der Textoberfläche seriell verarbeitet werden (vergleiche Bannert 2007). Nach Rumelhart, Smolensky, McClelland & Hinton (1986) organisieren sich Schemata nicht zwingend in vernetzter Form, sondern auch in hierarchischer Form, wodurch weitere Sub-Schemata entstehen. In dieser Hinsicht ist die mentale Textrepräsentation auf der Ebene der Textoberfläche bei Hypertexten und herkömmlichen Texten identisch. Allerdings fördert die Netzstruktur Ausstiege aus einer oberflächlich festgelegten Linearität und Einstiege in alternative Themenstränge. Über die Art der Wissens(re)präsentation hinaus sind Hypertexte mit einer Reihe von weiteren Vorteilen verbunden. Erstens bieten Hypertexte die Möglichkeit der Vermittlung weiterer Schlüsselkompetenzen (zum Beispiel Recherchekompetenz oder Medienkompetenz), die im Bildungskontext ebenfalls von Relevanz sind (Roche 2007; Roche, Reher & Simic 2012). So lassen sich Hypertexte im Unterricht sowohl als Werkzeug zur Organisation großer Datenmengen zu einem Themenbereich in vernetzter Form verwenden (siehe Hypertext-Beispiel nach Suñer & Springer 2012) als auch als Unterrichtsmaterialien, die von Lernern kollaborativ bearbeitet beziehungsweise erweitert werden (vergleiche Cmaps Tool zur Erstellung von concept maps). Zweitens lassen sich Sprache und Bild in Hypertexten verständnisfördernd kombinieren (vergleiche Roche 2005, 2007, 2013a) und ermöglichen mit der Einbeziehung des piktorialen und verbalen Kanals die Konstruktion reichhaltiger mentaler Modelle (vergleiche Mayer 2009; Schnotz 2005). Auch die Berücksichtigung verschiedener Lernertypen kann zum Beispiel durch die Darbietung von Worterklärungen in unterschiedlichen Modi (Bild + Text, Bild + Audio, nur Bild) unterstützt werden (Plass & Jones 2005). Drittens bieten Hypertexte durch ihre Offenheit grundsätzlich eine hohe Lerneradaptivität im Sinne des sogenannten individual differences principle (Jones & Plass 2005), und zwar lässt sich die Informationsdarbietung durch entsprechende instruktionale Designmaßnahmen an die Lernpräferenzen und Lernereigenschaften optimal anpassen (zum Beispiel die Interessen und Einstellungen, 202 5. Text und Textualität Leutner, Barthel & Schreiber 2001; vergleiche auch Leutner 2002; Roche 2005, 2007, 2013a; die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, Lee & Tedder 2003). Trotz dieser Vorteile ließ sich bisher in der Forschung kein eindeutiger Mehrwert durch das Lernen mit Hypertexten gegenüber den linearen Texten nachweisen (vergleiche Henry 1995; Chen & Rada 1996; Unz 2000; Naumann, Waniek & Krems 2001; McEneaney 2003). Vielmehr zeigte sich, dass die Frage nach dem Mehrwert von Hypertexten nicht mit »reinen Medienvergleichen« (Müller-Kalthoff 2006) beantwortet werden konnte (vergleiche Roche 2008; Plass 2005). So widmete sich die Forschung der letzten zehn Jahre verstärkt den Problemen beim Lernen mit Hypertexten und den möglichen Lösungsansätzen bezüglich der Interaktion Lerner-- Medium (vergleiche Cuddihy & Spryridakis 2012; Calisir, Eryazici & Lehto 2008; Antonenko & Niederhauser 2010; Klois, Segers & Verhoeven 2013; Madrid, van Oostendorp & Puerta 2009; Salmerón, Baccino & Canas 2009; DeStefano & LeFevre 2007; Brunstein & Krems 2005; Brünken, Seufert & Zander 2005; Richter, Naumann, Brunner & Christmann 2005; Möller & Müller-Kalthoff 2000; Potelle & Rouet 2003; Gerjets, Scheiter & Schuh 2005). Die aktuelle Befundlage sehen wir uns im nächsten Abschnitt genauer an. 5.3.5 Probleme und Lösungsansätze Die hohen Anforderungen, die Hypertexte in Bezug auf strukturelle und konzeptuelle Komplexität an die Lerner stellen, können unter bestimmten Bedingungen einen lernhemmenden Effekt bewirken. Die Lerner müssen beim Umgang mit Hypertexten eine Art Dual-Task-Aktivität (vergleiche Wenger & Payne 1996) durchführen: Neben der Bildung eines mentalen Modells des Textes müssen sie auch eine Art mentale Landkarte entwickeln, mit der sie sich innerhalb der Struktur des Hypertextes orientieren (Schnotz 2005; Ohler & Nieding 2000). Wird bei dieser Dual-Task-Aktivität jedoch die Gedächtniskapazität überschritten, so kann es leicht zur Desorientierung (auch lost in hyperspace genannt, vergleiche Conklin 1987) kommen und damit zu Einbußen bei den Lernergebnissen führen. Zur Desorientierung gehören nach Gerdes (1997: 103) folgende Teilaspekte: Schwierigkeiten bei der Standortbestimmung innerhalb des Hypertextes, Unschlüssigkeit hinsichtlich des optimalen Lesewegs und des weiteren Vorgehens, fehlender Überblick über Umfang und Größe des Hypertextes, Unsicherheit bezüglich der Lektüre aller relevanten Knoten im Hypertext, Vergessen des geplanten Weges, Unmöglichkeit des Zurückgelangens zu einem bereits gelesenen Knoten etc. (vergleiche auch Kuhlen 1991). Dabei wird auch zwischen konzeptueller und struktureller Desorientierung unterschieden (Tergan 2002: 108; Calvi & de Bra 1997), obwohl beide Desorientierungsarten aus kognitiver Sicht nicht immer klar voneinander zu trennen sind (vergleiche Müller-Kalthoff 2006). Die konzeptuelle Desorientierung betrifft vor allem die Schwierigkeiten bei der Herstellung der globalen Kohärenz (vergleiche auch Makrostruktur) zwischen den Hypertextknoten durch Navigationsentscheidungen. Die konzeptuelle Desorientierung hängt also mit der konzeptuellen Schwierigkeit der präsentierten Materialien zusammen und wird daher von Sweller & Chandler (1991) als ein Teilaspekt der sogenannten intrinsischen kognitiven Belastung angesehen. Die Herstellung globaler Kohärenz ist zwar bei herkömmlichen Texten 203 5.3 Hypertext auch erforderlich, findet jedoch aufgrund der (Vor-)Linearisierung der Textteile unter völlig anderen Bedingungen statt (Conklin 1987; Wenger & Payne 1996; vergleiche auch Ohler & Nieding 2000; Krems 2001). Bei Hypertexten werden Leserinnen und Leser in jedem Knoten dazu angehalten, über die verschiedenen Fortsetzungsmöglichkeiten nachzudenken und entsprechende antizipatorische Prozesse in Form von Hypothesen und Suchfragen zu initiieren (vergleiche Roche 2007: 169; Foltz 1996; vergleiche auch Prozessmodell nach DeStefano & LeFevre 2007). Um diese Prozesse zu unterstützen und damit einen übermäßigen Verbrauch an kognitiven Ressourcen bei der Navigation möglichst zu vermeiden, untersuchten Antonenko & Niederhauser (2010), wie sich die Darbietung einer Vorschau in Form einer kleinen Zusammenfassung der Hypertextknoten (sogenannte leads, vergleiche Abbildung 5.15) auf die Textverarbeitung und die kognitive Belastung auswirkt. In der Lernphase arbeiteten die Probanden und Probandinnen an Texten mit und ohne leads. Die kognitive Belastung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurde anhand eines Elektroenzephalogramms gemessen und die Lernleistung anhand von drei verschiedenen Leistungstests überprüft (freie Inhaltswiedergabe, Concept-Mapping-Task zu Strukturwissen und Multiple-Choice-Test zu domänenspezifischem Wissen). Die Ergebnisse zeigen, dass die Nutzung von leads die neuronale Aktivität in denjenigen Gehirnarealen signifikant reduziert, die mit der Aufmerksamkeitsaufteilung und damit mit einer erhöhten kognitiven Belastung verbunden sind. Außerdem konnten die Probandinnen und Probanden signifikant bessere Ergebnisse in Bezug auf den Erwerb von Strukturwissen und domänenspezifischem Wissen erzielen. In einer ähnlichen Studie haben Madrid et al. (2009) getestet, inwiefern sich das Vorhandensein von Navigationstipps sowie die zunehmende Anzahl an Links pro Knoten auf die kognitive Belastung und die Lernleistung auswirken. Die Ergebnisse zeigen, dass die Navigationstipps mit signifikant besseren Lernleistungen einhergehen und dass die Anzahl der Links pro Knoten keinerlei Effekt auf die Lernleistung hat. Die Autorinnen und Autoren fanden hingegen heraus, dass die Reihenfolge der Links eine viel wichtigere Rolle spielt als zuerst angenommen. Ergänzend dazu haben Bezdan, Kester & Kirschner (2013) festgestellt, dass eine Einschränkung der Links innerhalb des Hypertextes zwecks einer Steuerung der Navigation durch die Leser und Leserinnen zu schlechteren Lernleistungen führt. Besonders umfangreich ist jedoch der Forschungsbereich, der sich mit dem Effekt der Hypertextstruktur sowie der graphischen Übersichten als Navigationsoberflächen auf das Lernen bezieht. Dabei spielt vor allem das Vorwissen als Lerndimension eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang zeigt die Studie von Amadieu et al. (2009), dass sich vor allem hierarchische Hypertextstrukturen mit organisatorischen Links (siehe Abbildung 5.13b) für Lerner mit niedrigem Vorwissen eignen und netzwerkartige Hypertextstrukturen mit referenziellen Links (siehe Abbildung 5.13d) für Lerner mit hohem Vorwissen. Salmerón et al. (2009) haben zudem beobachtet, dass die Nutzung von graphischen Übersichten bei eher schwierigen Hypertexten am Anfang der Lernphase zu signifikant besseren Lernleistungen führt als bei einfachen Hypertexten, die am Ende der Lernphase angesehen werden. Insgesamt lässt sich aber feststellen, dass Lerner mit niedrigem Vorwissen von hierarchisch strukturierten und weniger detailreichen Navigationsoberflächen mehr profitieren als Lerner mit hohem Vorwissen (vergleiche Möller & Müller-Kalthoff 2006; Calisir & Gurel 2003; Potelle & Rouet 204 5. Text und Textualität 2003). Das gilt auch für die Hypertext-Strukturen im Allgemeinen (vergleiche Dee-Lucas & Larkin 1995; Gerdes 1997; Schnotz & Zink 1997; McNamara & Shapiro 2005; Suñer 2011). Abbildung 5.15: Anfangsabsatz mit vermehrten Hypertextknoten (Antonenko & Niederhauser 2010: 144) Im Unterschied zur konzeptuellen Desorientierung bezieht sich die strukturelle Desorientierung auf das fehlende Überblickswissen über die Organisationsstruktur des Hypertextes (vergleiche Müller-Kalthoff 2006: 30; Tergan 2002). Eine strukturelle Desorientierung kann also zum Beispiel bewirken, dass die Lerner den Standort innerhalb des Hypertextes nicht mehr bestimmen können oder nicht wissen, welche Knoten sie bereits besucht haben (vergleiche Plötzner & Härder 2001). Im Rahmen der sogenannten cognitive load theory von Sweller & Chandler (1991; vergleiche Kapitel 7.2) wird diese Art von Desorientierung mit der sogenannten extrinsischen kognitiven Belastung verbunden, die durch den Einsatz von entsprechenden instruktionalen Designmaßnahmen zu reduzieren ist. In diesem Zusammenhang wurden bisher vielfältige instruktionale Lösungen erprobt, allerdings mit unterschiedlich gutem Erfolg. So haben Walhout, Brand-Gruwel & Jarodzka (2015) zum Beispiel untersucht, ob die Navigation mit sogenannter Tag Cloud (Schlagwortwolke mit variierender Größe der Items nach Wichtigkeit) sich in besseren Lernleistungen niederschlägt als die Navigation mit hierarchischem Navigationsmenü. Die Ergebnisse zeigen, dass die tag clouds zwar zu einer 205 5.3 Hypertext vergleichsweise stärker zielorientierten Navigation als die hierarchischen Navigationsmenüs führen, aber keinerlei Auswirkungen auf die Lernleistung haben. Cuddihy & Spyridakis (2012) konnten hingegen erfolgreich zeigen, dass die Probandinnen und Probanden bessere Ergebnisse erzielten, wenn sich die Navigation innerhalb von Artikeln einer Website visuell klar von der globalen Navigation der Seite unterscheidet (siehe Abbildung 5.16). Abbildung 5.16: Beispiel für eine visuelle Hervorhebung des Menüs innerhalb des Artikels einer Website (Wikipedia 2016) Im Hinblick auf das Lernen mit Hypertexten lässt sich zusammenfassend feststellen, dass Hypertexte im Vergleich zu linearen Texten dem Lerner in Bezug auf die Orientierung innerhalb des Lernmaterials sowie auf die Kohärenzherstellung auf Makrostrukturebene einen höheren kognitiven Aufwand abverlangen (Ohler & Nieding 2000; Krems 2001; vergleiche auch Bannert 2003). Dadurch kann es leicht zu einer Überschreitung der Gedächtniskapazität und damit zu lernhemmenden Effekten kommen. Des Weiteren hat die bisherige Forschung gezeigt, dass reine Medienvergleiche (Müller-Kalthoff 2006) wenig aufschlussreich sind und dass Faktoren wie die Hypertextstruktur oder das Vorwissen der Lerner eine viel wichtigere Rolle bei der Erforschung des Umgangs mit Hypertexten spielen. Der letztgenannte Faktor bezieht sich jedoch nur auf das themenbezogene Vorwissen. Heutzutage ist bei allen Lernern 206 5. Text und Textualität davon auszugehen, dass sie mit der zunehmenden Hypermedialisierung der Gesellschaft über ein Mindestmaß an Medienerfahrung besitzen (vergleiche Bannert 2007: 87). Wie wir bereits gesehen haben, wird in der Forschung dem Aspekt der Desorientierung sowie den entsprechenden Lösungsansätzen eine besondere Bedeutung beigemessen. Trotz der vielen Studien wissen wir relativ wenig über ihren tatsächlichen Effekt auf das Lernen. Das liegt unter anderem an der heterogenen Operationalisierung der Konstrukte Desorientierung und Textverstehen in den bisherigen Studien (vergleiche Heiß 2007: 103). Vor allem die verschiedenen Dimensionen des Textverstehens (Textoberfläche, Textbasis und mentales Modell, vergleiche Kintsch 1998) werden oft begrifflich nicht eindeutig benannt. Das schlägt sich in einer stark reduzierten Konstruktvalidität von Tests zum Textverstehen nieder. 5.3.6 Anwendung von Hypertexten im Unterricht Hypertexte bieten durch die Fragmentarisierung der Information, durch die Multiperspektivierung und erforderliche Interaktion Text-- Lerner vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Lehrpraxis. Die vordergründige Unvollständigkeit von Hypertexten kann die Lerner zum Beispiel dazu ermuntern, einen Sachverhalt puzzleartig zu rekonstruieren (vergleiche Roche 2007). Dabei gehen die Lerner explorativ mit dem Lernstoff um und können eigene Hypothesen über den Sachverhalt formulieren und ausprobieren. Ein Beispiel für eine solche Umsetzung stellt der Hypertext Zwei Tote der Deutsch-Uni Online dar (siehe Abbildung 5.17). Der Lerner versetzt sich in die Rolle eines Detektivs oder einer Detektivin, der oder die einen Mordfall in einem Wohnhaus durch die Befragung der Nachbarschaft lösen soll. Zu diesem Zweck untersucht besagter Lerner die persönlichen Beziehungen der verschiedenen Nachbarn und Nachbarinnen zueinander, indem er oder sie, sie interagieren lässt (siehe Abbildung 5.17). Im Vordergrund stehen also konkrete Sprechhandlungen und nicht sprachliche Strukturen. Das bedeutet, dass der Lernfortschritt nicht mehr an der richtigen Wiedergabe oder dem Nachsprechen von Wörtern und Sätzen festgemacht wird, sondern an der Bewältigung authentischer Handlungssituationen. Abbildung 5.17: Hypertext »Zwei Tote« der Deutsch-Uni Online 207 5.3 Hypertext Abbildung 5.18: Navigationsoberfläche zu verschiedenen Hypertexten auf Deutsch-Uni Online Nicht nur ein einzelner Text, auch ganze Lerneinheiten können hypertextuell aufgebaut sein, indem neben den eigentlichen Text-, Audio- und Videomaterialien auch Werkzeuge, wie zum Beispiel Wörterbücher, Aufgaben, Portfolios, Blogs und Ähnliches, angeboten werden. Diese Arbeits- und Lernwerkzeuge sollen den Lernern dabei helfen, den individuellen Weg zum Stoff zu finden und auszuprobieren. Erst in diesem Kontext kann ein kreativer und konstruktiver Umgang mit geschriebener und auch gesprochener Sprache stattfinden, der auf die individuellen Interessen und Wissensvoraussetzungen der Lerner abgestimmt ist. Solche Lernumgebungen bezeichnet Roche (2008) als instrumentell-explorativ-referentiell und unterscheidet sie von den sogenannten situativen Lernumgebungen, die meistens geschlossene Systeme mit vorgegebenen Lernwegen vorsehen. So ist zum Beispiel der vorige Hypertext Zwei Tote? In der Küche in einer solchen instrumentell-explorativ-referentiellen Umgebung verankert: Die Lerner beschäftigen sich im Zusammenhang mit dem Rätsel auch mit weiteren Materialien und Aufgaben und unternehmen eigene Recherchen zu dem Thema des Rätsels (siehe Abbildung 5.18). Im Knoten zur Miete wohnen können sich die Lerner via Audio- und Video-bezogenen Aufgaben Wissen zu Mietrecht, Hausordnung, Verbotsschildern, Verträgen und Anderem aneignen, das sie später zur Lösung des Rätsels Zwei Tote brauchen. Zudem erhalten sie Informationen zu den Wohnverhältnissen und Problemen der Figuren des Rätsels, wie zum Beispiel Renovierungspläne, Besitzerwechsel oder Wohnungssuche, und damit wichtige landeskundliche Einblicke. Dank der netzwerkartigen Navigationsoberfläche behält der Lerner den Überblick über die verschiedenen Materialien und Ressourcen. Dabei sind weder die Reihenfolge noch der Umfang der zu bearbeitenden Materialien vorbestimmt. 208 5. Text und Textualität Diese Art von Sprachlernangeboten bietet zwar eine offene und flexible Lernumgebung im Sinne konstruktivistischer Lerntheorien, sie birgt jedoch die Gefahr, dass sich Lerner ohne ein ausreichendes Niveau an sprachlicher und interkultureller Kompetenz durch die Fülle an Materialien überfordert fühlen (vergleiche Roche 2008). Schließlich bieten hypertextuelle Materialiensammlungen auch die Möglichkeit einer Erweiterung durch die Lerner im Sinne eines externalisierten Wissensnetzes. In diesem Zusammenhang präsentieren Suñer & Springer (2012) einen Vorschlag zur hypertextuellen Aufbereitung von geschichtlichen Quellen zum Thema »Eurokrise« für den Bereich der Kulturvermittlung. Die Autoren gehen davon aus, dass die Hypertextform sowohl der Multimedialität geschichtlicher Quellen als auch dem oft netzwerkartigen Charakter geschichtlicher Sachverhalte besonders gerecht werden kann. So wird in diesem Hypertext-Beispiel (siehe Abbildung 5.19) die Makrostruktur des Themas anhand einer concept map dargestellt, die ähnlich wie bei der Hypertext-Einheit von DUO als Navigationsoberfläche und zugleich als Orientierungshilfe für Lerner fungiert. Jeder anklickbare Knoten umfasst entweder Text-, Audio- oder Videomaterialien und Aufgaben. Durch die verschiedenen Exportmöglichkeiten lässt sich der gesamte Hypertext sowohl als Website als auch als interaktive PDF im Unterricht einsetzen. Besonders attraktiv ist jedoch die Tatsache, dass auch Lerner den bereitgestellten Hypertext über den Server von CM aps Tool individuell oder kollaborativ ergänzen und beliebig erweitern können. So bieten Hypertexte als offene und dynamische Wissensstrukturen die Möglichkeit eines multiperspektivischen Zugangs zu komplexen Themen und zugleich die Integration eigener Einsichten der Lerner, womit »die Konstruktion eines individualisierten und stark verflochtenen Kulturverständnisses der Lerner-[…] gefördert werden [kann]« (Suñer & Springer 2012: 13). Die Nutzung solcher Hypertexte als Visualisierungen oder Darstellungsmittel bei weiterführenden Rechercheaufgaben kann außerdem die Medien- und Methodenkompetenz (konzeptionelle Fähigkeiten, Problemlösefähigkeit, ganzheitliches Denkvermögen) fördern. Schließlich ist zu betonen, dass sich den Lernern solche hypertextuellen Lernumgebungen aufgrund ihrer Komplexität nicht immer sofort erschließen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, solche Hypertexte zunächst als lehrerseitige Darstellungen zu behandeln und eventuell mit einigen Anweisungen zu ihrer Erstellung im Sinne eines worked out example zu versehen. Erst in einem zweiten Schritt können die Lerner zur Produktion solcher Visualisierungen ermuntert werden (vergleiche Suñer & Springer 2012: 13). 209 5.3 Hypertext Abbildung 5.19: Hypertext »Eurokrise« (Suñer & Springer 2012) 5.3.7 Zusammenfassung ▶ Hypertexte bestehen aus Knoten und Verweisen. In den Knoten befinden sich die Inhalte, die durch die Links nach unterschiedlichen inhaltlichen Kriterien miteinander verbunden sind. ▶ Die Struktur der Hypertexte hängt sehr stark von der Art der Links ab, mit denen die Knoten verbunden sind, und ist ausschlaggebend für den Grad an Freiheit, über die der Leser oder die Leserin bei der Bestimmung der Reihenfolge der Knoten verfügt. ▶ Die rein elektronische Realisierung darf nicht als Unterscheidungsmerkmal von Hypertexten angesehen werden. So sind beispielsweise E-Books oder Aufsätze in elektronischen Zeitschriften nicht wesentlich anders als herkömmliche Texte, da sie grundsätzlich auch gedruckt werden können. ▶ Die Manifestheit von Textverbindungen, die neue Form der Bindung von Texten und die Operationalisierung sowie die daraus resultierende Interaktivität sind die konstitutiven Merkmale des Hypertextes. ▶ Die hohen Anforderungen, die Hypertexte in Bezug auf strukturelle und konzeptuelle Komplexität an den Lerner stellen, können unter bestimmten Bedingungen einen lernhemmenden Effekt bewirken. ▶ Hypertexte bieten durch die Fragmentarisierung der Information, die Multiperspektivität und die erforderliche Interaktion Text - Lerner vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Lehrpraxis. 210 5. Text und Textualität 5.3.8 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Was ist der Unterschied zwischen organisatorischen und referentiellen Links? 2. Wieso ist die elektronische Realisierung kein konstitutives Merkmal von Hypertexten? 3. Anhand welcher Merkmale lässt sich der Begriff Hypertext definieren? 4. Welche Potenziale sind mit dem Lernen mit Hypertexten verbunden? 5. Welche Probleme sind mit dem Lernen mit Hypertexten verbunden? 211 5.3 Hypertext 6. Textverarbeitung Im vorhergehenden Kapitel wurde erläutert, wie der Prozess des Lesens in der Fremdsprache vonstattengeht und welche Faktoren dabei eine wichtige Rolle spielen. Sie haben unter anderem gesehen, dass die Interaktion zwischen dem Textwissen und dem Vorwissen des Lesers eine wichtige Voraussetzung für qualitativ hochwertige Leseleistungen darstellt. Dies konnte am Beispiel der Hypertexte veranschaulicht werden, indem der Leser als eine Art Textgestalter beschrieben wurde, der durch seine Navigationsentscheidungen vor allem die globale Textkohärenz herstellt. Ohne das Eingreifen des Lesers können die einzelnen Textinformationen trotz erfolgreicher Dekodierung der einzelnen Wörter nicht zu einem kohärenten Ganzen zusammengefügt werden. Zu solchen höherstufigen Leseprozessen kommen jedoch viele Lerner oft nicht mehr, zum Teil wegen schwerwiegender Probleme an der Textoberfläche. Die Förderung des Lesens im Fremdsprachenkontext sollte daher differenzierte Lesestrategien vermitteln, die die Lerner zum effizienten Lesen auf allen Ebenen verhelfen. Dazu gehören unter anderem Lesestrategien zur Wort- und Satzdekodierung sowie zur Organisation und Elaboration der Textinformationen. Zusätzlich sollen Lerner dazu imstande sein, den eigenen Leseprozess sowie den erfolgreichen Einsatz von Lesestrategien anhand der sogenannten metakognitiven Strategien zu überwachen. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns daher mit den L2-spezifischen Aspekten des Lesens auf den verschiedenen Ebenen sowie mit den konkreten Maßnahmen, die sich daraus für die Förderung des Lesens ableiten lassen. 212 6. Textverarbeitung 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche Wie in Kapitel 5 erläutert, besitzt das Textverstehen einen stark ausgeprägten interaktiven Charakter: Die Herstellung von Kohärenz ist erst dann möglich, wenn das Textwissen und das Vorwissen der Leserin oder des Lesers miteinander interagieren. Damit aber das Textwissen erfolgreich konstruiert wird, muss die Leserin oder der Leser eine Reihe von Prozessen auf der Ebene der Textoberfläche vollbringen, wie zum Beispiel die Wortdekodierung oder die syntaktische Analyse (vergleiche Kintsch 1998; Schnotz 2006). In diesem Abschnitt werden wir uns mit den Prozessen der Wortdekodierung beschäftigen, die als Grundlage für die weiteren aufbauenden Prozesse an der Textoberfläche sowie für die Bildung der propositionalen Textbasis gilt, aus der sich wiederum die Bildung des mentalen Modells speist. Die Entwicklung und die gezielte Förderung solcher Wortdekodierungsprozesse in der Zweitsprache stehen daher im Mittelpunkt dieser Lerneinheit und sind vor allem, aber nicht ausschließlich, für den Bereich der Alphabetisierung im DaZ-Kontext relevant. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ den Prozess der Wortdekodierung beschreiben können; ▶ die Kompetenzen, die für eine effiziente Wortdekodierung erforderlich sind, kennen und anwenden können; ▶ die Faktoren, die das Lesen in der L1- und der L2 unterscheiden, erläutern können; ▶ die Wortdekodierungsfähigkeit durch gezielte Maßnahmen im Unterricht effizient unterstützen und anwenden können. 6.1.1 Grundlagen der Wortdekodierung beim Lesen Das Lesen verläuft in der Regel so schnell, dass wir uns als geübte Leserinnen und Leser kaum bewusst werden, welche Prozesse eigentlich für das Dekodieren von Wörtern erforderlich sind. Eine wichtige Voraussetzung ist natürlich das Wissen um die einzelnen Wörter und vor allem um deren orthographische Form. Wie wird aber dieses Wissen während des Lesens eingesetzt? Welche Phasen der Wortdekodierung lassen sich dabei unterscheiden? Die bisherige Forschung hat zu konträren Positionen und Theorien geführt: Einerseits wurde behauptet, dass die Wortdekodierung buchstabenweise erfolgt (vergleiche Gough 1972), und andererseits wurde postuliert, dass Wörter als ganzheitliche visuelle Muster dekodiert werden (vergleiche Smith 1978). Der Ansatz von Smith beruht auf Erkenntnissen psycholinguistischer Experimente, die einen sogenannten Wortüberlegenheitseffekt nachgewiesen haben (Reicher 1969). Demnach werden Buchstaben schneller verarbeitet, wenn sie in einem existierenden Wort dargeboten werden (vergleiche Klicpera & Gasteiger-Klicpera 1995: 13), was Smith als Nachweis für das Verarbeiten von Wörtern als ganzheitlich visuelle Muster interpretiert. 213 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche Heutzutage wird jedoch davon ausgegangen, dass die Modellierung der Wortdekodierung beide Positionen berücksichtigen soll, weil in unserem mentalen Lexikon sowohl Wissen über ganze Wörter als auch Wissen über einzelne Buchstaben gespeichert ist (vergleiche Christmann & Groeben 1999). In diesem Zusammenhang formulierten McClelland und Rumelhart (1981) das sogenannte interaktive Aktivationsmodell, das später auch als Grundlage für das TRACE -Modell zur Erklärung der auditiven Wortdekodierung diente und daher viele Ähnlichkeiten mit ihm besitzt (vergleiche Kapitel 4). Ähnlich wie das TRACE -Modell geht das interaktive Aktivationsmodell von drei mentalen Repräsentationsebenen aus: die Ebene der graphischen Merkmale (visueller beziehungsweise graphischer Input), die Buchstabenebene und die Wortebene. McClelland und Rumelhart (1981) beschreiben die Aktivierung dieser Ebenen als einen inkrementell-additiven Prozess: Zunächst werden auf der Basis des verarbeiteten graphischen Inputs elementare Merkmale aktiviert, die mit dem Buchstabenwissen abgeglichen werden. Die passenden Buchstaben werden durch die exzitatorischen Prozesse aktiviert und die unpassenden durch inhibitorische Prozesse deaktiviert. Auf der Basis der aktivierten Buchstaben werden durch dieselben Aktivierungsprozesse die passenden Wortkandidaten von den unpassenden voneinander getrennt. Dabei werden die passenden Kandidaten solange und so stark aktiviert, bis ein gewisser Schwellenwert erreicht wird und die Worterkennung erfolgt (vergleiche Matthews, Davies, Westerman & Stammers 2000: 31ff). Mit der Annahme einer Interaktion zwischen den verschiedenen Ebenen liefert McClellands und Rumelharts (1981) Modell zwar eine Erklärung für den Wortüberlegenheitseffekt (die Buchstaben werden schneller verarbeitet, wenn sie im Wortkontext stehen). Damit kann jedoch nicht zufriedenstellend erklärt werden, warum unbekannte Wörter über den Weg der phonologischen Rekodierung verarbeitet werden können (vergleiche Suñer 2011: 23ff; vergleiche auch Munser-Kiefer 2014: 82). Dieses Manko wird durch das dual route cascaded model von Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler 2001; Ziegler, Ferrand, Jacobs, Rey & Grainger 2000; Ziegler, Jacobs & Klueppel (2001) ausgeglichen, indem grundsätzlich zwei unterschiedliche Wege der Wortdekodierung bei fortgeschrittenen Leserinnen und Lesern postuliert werden: ein lexikalischer und ein nicht-lexikalischer Weg. 214 6. Textverarbeitung Abbildung 6.1: dual route cascaded model (Coltheart et al. 2001: 213) Nach dem Modell von Coltheart et al. (2001) führt der lexikalische Weg über eine orthographische Dekodierung des visuellen Schriftbildes zum entsprechenden Eintrag im mentalen Lexikon. Das heißt, beim Vorhandensein des Wortes im mentalen Lexikon wird über das visuelle Schriftbild direkt das repräsentierte Wort aktiviert. Es kann aber auch sein, dass das Wort bisher nur in mündlicher Form verarbeitet wurde und dass die orthographische Form als solche noch nicht im mentalen Lexikon gespeichert wurde. In diesem Fall besteht nach Coltheart et al. (2001) kein direkter Zugang über die Orthographie zum mentalen Lexikon, so dass das Schriftbild über die sogenannte Graphem-Phonem-Korrespondenz verarbeitet und dessen Bedeutung erst durch das Abgleichen mit dem gespeicherten Wortklang erfasst werden kann. Das heißt, die Lautform des Wortes wird buchstabenweise mental rekonstruiert, indem die Buchstaben den entsprechenden Lauten zugeordnet werden und die Zusammenstellung aller entschlüsselten Laute die lautliche Struktur des Wortes mental nachbildet (zum Beispiel beim Wort Wal: <W> =>/ v/ , <A> => / a/ , <L> => / l/ ). Zusätzlich ist im Modell 215 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche ein dritter Weg vorgesehen, der von der orthographischen Wortrepräsentation direkt zur phonologischen Wortrepräsentation führt, ohne die Wortbedeutung mit zu aktivieren. In diesem Zusammenhang erscheint es plausibel anzunehmen, dass geübte Leserinnen und Leser vorwiegend den lexikalischen Weg nutzen, das heißt sie können über das Schriftbild direkt auf die Wortbedeutung zugreifen. Die Tatsache, dass wir als geübte Leserinnen und Leser eine ganzheitliche Verarbeitung von Wörtern ohne ein buchstabenweises phonologisches Rekodieren durchführen können, offenbart sich unter anderem beim Korrigieren schriftlicher Arbeiten, bei denen wir trotz mehrmaligen Lesens Tippfehler übersehen. Das zeigt nämlich, dass wir den Text ungestört lesen können, auch wenn die Reihenfolge der Buchstaben im Wort nicht stimmt. Stößt aber eine ungeübte Leserin oder ein ungeübter Leser zum Beispiel auf noch nie gehörte Komposita, kann es nach dem Modell zu einer verlangsamten Wortdekodierung kommen, auch wenn die einzelnen Wortteile als separate Einträge im Lexikon vorhanden sind (vergleiche Andrews, Miller & Rayner 2004). Auch wenn das dual route cascaded model eine breite Akzeptanz genießt, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es die Rolle der semantischen und morphologischen Aspekte bei der Wortdekodierung nicht hinreichend beschreiben kann (Eysenck & Keane 2015: 366). Wie wichtig aber gerade das morphologische Wissen bei der Wortdekodierung ist, zeigt unter anderem die Studie von Verhoeven, Schreuder & Haarman (2006), in der sowohl Grundschulkinder als auch Erwachsene Wörter mit einem reellen Präfix (zum Beispiel BEDECKT ) schneller erkennen konnten als Wörter mit einem Pseudopräfix (zum Beispiel BESTIE ). In diesem Zusammenhang zeigen andere Studien, dass die produktive Nutzung morphologischer Information (zum Beispiel die Dekomposition von Wörtern in Präfix, Stamm und Suffix) bei der Erschließung von Graphem-Phonem-Korrespondenzen ein wichtiger Indikator für individuelle Differenzen beim Lesen ist (vergleiche Carlisle & Katz 2006; vergleiche auch Kieffer & Lesaux 2008) und dass das morphologische Wissen gerade bei ungeübten Leserinnen und Lesern die Dekodierung von unbekannten Wörtern erleichtern kann (Perfetti 2011: 158). Daraus ergibt sich also, dass unbekannte Wörter nicht immer über den prälexikalischen Weg und lediglich unter Rückgriff auf Graphem-Phonem-Korrespondenzen verarbeitet werden müssen. Insgesamt lassen diese und andere Studien aus der Psycholinguistik vermuten, dass die Wortdekodierung sich nicht wie von Coltheart et al. (2001) postuliert anhand verschiedener Routen beschreiben lässt, sondern als eine netzwerkartige Interaktion phonologischer, orthographischer, morphologischer und semantischer Information zu verstehen ist (vergleiche Grabe 2009; vergleiche auch Verhoeven & Perfetti 2011; Plaut, McClelland, Seidenberg & Patterson 1996). Wie wichtig diese unterschiedlichen Faktoren für die Förderung der Wortdekodierungsfähigkeit im Fremdbeziehungsweise Zweitsprachenkontext sind, sehen wir uns im nächsten Abschnitt an. 216 6. Textverarbeitung 6.1.2 Wortdekodierung und Leseerwerb in der Fremdsprache Im vorherigen Abschnitt haben wir uns angesehen, wie die Wortdekodierung als basaler Teilprozess des Lesens in verschiedenen Ansätzen beschrieben wird. Unter anderem hat sich gezeigt, dass Buchstaben- und Wortebene sehr wohl interagieren und dabei das morphologische Wissen eine wichtige Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund werden wir uns in diesem Abschnitt mit der Frage beschäftigen, wie diese Erkenntnisse auf die Förderung der Wortdekodierungsfähigkeit im Fremdbeziehungsweise Zweitsprachenkontext angewandt werden können. Bevor wir aber ins Detail gehen, müssen wir uns vor Augen führen, dass die Vermittlung der Wortdekodierungsfähigkeit lediglich einen kleinen Bereich des vielschichtigen Konstrukts der Leseförderung darstellt. Neben rein kognitiven Aspekten (Textoberfläche, Textbasis, mentale Modelle) kann die Leseförderung auch Dimensionen der Leserin oder des Lesers (Metakognition, Motivation, Identität etc.) und Aspekte der Lesesozialisation (unter anderem Lesen als kulturelle Praxis) adressieren (vergleiche Munser-Kiefer 2014: 145; vergleiche auch Rosebrock & Nix 2008). Es reicht also nicht aus, wenn wir die Wortdekodierung fördern, um aus unseren Lernern kompetente Leserinnen und Leser in der L2 zu machen. Es ist aber kaum zu übersehen, dass die Wortdekodierungsfähigkeit als basale Teilkompetenz des Lesens das Fundament für den Erwerb hierarchiehöherer Teilkompetenzen des Lesens darstellt (zum Beispiel für die Bildung mentaler Modelle) und damit die Grundlage für weiterführende Fördermaßnahmen bildet (vergleiche Munser-Kiefer 2014: 24). Im Folgenden schauen wir uns zunächst an, welche Aspekte beim Erwerb der Dekodierungsfähigkeit in der Fremdsprache eine wichtige Rolle spielen. Danach werden wir verschiedene Förderkonzepte kennenlernen, die ihren Schwerpunkt entweder auf die phonologische Bewusstheit oder auf die morphologische Bewusstheit setzen. Einflussfaktoren beim L2-Lesen Die Effizienz der Wortdekodierung von L2-Lernern zeigt eine große Varianz, die im Kontext des Modells von Coltheart et al. (2001) vorwiegend auf die sogenannte orthographische Distanz zwischen dem L1 und dem L2-Schreibsystem zurückgeführt wird-- vor allem sofern die frühen Erwerbsstadien davon betroffen sind (vergleiche Koda 2005; vergleiche auch die orthographic depth hypothesis nach Katz & Frost 1992). Die orthographische Distanz lässt sich mit Cheung & Chen (2004) anhand von zwei Beschreibungsparametern beschreiben: die orthographische Repräsentation und die orthographische Tiefe. So kann die orthographische Repräsentation einer Sprache auf einem alphabetischen Schreibsystem (zum Beispiel Deutsch), auf einem syllabischen (Japanisch oder Arabisch) oder auf einem logographischen (Chinesisch) basieren. Die orthographische Tiefe bezieht sich hingegen auf den Grad der Lauttreue bezüglich der Graphem-Phonem-Korrespondenz. Sind die Grapheme beziehungsweise die Buchstaben einer Sprache vorwiegend einem einzigen Laut zuverlässig zuzuordnen, so spricht man von einer flachen Orthographie. Weist die Graphem-Phonem-Korrespondenz hingegen oft Unregelmäßigkeiten in der Zuordnung auf, dann wird die Orthographie als tief bezeichnet. Während zum Beispiel im Spanischen das Graphem <a> immer dem Laut [a] entspricht, kann es im Englischen unterschiedlich realisiert werden, nämlich zumindest [ej] oder [a]. 217 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche Graphem-Phonem-Korrespondenz Alphabetische Sprachen Flache Orthographie 1 Graphem => 1 Phonem Tiefe Orthographie 1 Graphem => mehrere Phoneme mehrere GPK-Ausnahmen unregelmäßige Wörter Finnisch Spanisch Italienisch Deutsch Koreanisch Portugiesisch Lao French Englisch Arabisch Hebräisch Abbildung 6.2: Graphem-Phonem Korrespondenzen in verschiedenen Sprachen (in Anlehnung an Perfetti & Dunlap 2008: 18) Die empirische Befundlage scheint im Allgemeinen die Annahme zu unterstützen, dass sich die Ähnlichkeit in der orthographischen Repräsentation zwischen der L1 und L2 positiv auf den Leseerwerb auswirkt (Grabe 2009). So stellten Hamada & Koda (2008) in einer Benennungsaufgabe (naming task) deutliche Unterschiede zwischen koreanischen (L1 alphabetisch) und chinesischen (L1 logographisch) Englischlernern fest, die auf einen Effekt der orthographischen Repräsentation durch ihre jeweils kongruenten und nicht kongruenten L1-Schreibsysteme zurückzuführen sind. Ein Vorteil durch bereits bekannten Wortschatz ist in dieser Studie auszuschließen, da lediglich mit Pseudowörtern gearbeitet wurde (nicht existierende Wörter, die aber typische lautliche Strukturen besitzen). Das heißt also, dass die Benennung der Wörter nur durch phonologische Rekodierung erfolgen konnte. Trotz der Plausibilität und der verbreiteten Anerkennung dieser Annahme zeigt sich in anderen Studien, dass dieser positive Transfereffekt nicht immer konsequent auftritt und nicht durch eine allgemeine Charakterisierung der L1- und L2-Schreibsysteme erklärt werden kann (vergleiche Koda 2013). So konnte Akamatsu (2002) zum Beispiel keine signifikanten Unterschiede zwischen persischen Englischlernern (L1 alphabetisch), japanischen Englischlernern (L1 syllabisch) und chinesischen Englischlernern (L1 logographisch) feststellen, obwohl nach dem Kriterium der orthographischen Repräsentation (Kongruenz der L1- und L2-Schreibsysteme) ein Vorteil bei den persischen Englischlernern zu erwarten wäre. Auch Muljani, Koda & Moates (1998) zeigten zwar, dass indonesische Englischlerner (L1 alphabetisch) bei der Erkennung von Schreibungsmustern chinesischen Englischlernern (L1 logographisch) im 218 6. Textverarbeitung Allgemeinen überlegen waren, diese Überlegenheit war jedoch kaum zu beobachten, wenn die untersuchten englischen Schreibungsmuster nicht mehr in exakter Form denen in der L1 Indonesisch entsprachen. Das heißt also, nur wenn die L1 und die L2 dieselben Muster haben, lassen sich positive Transfereffekte durch ein kongruentes Schreibsystem beobachten. In Bezug auf die orthographische Tiefe lassen sich ebenfalls einige interessante Phänomene beim Schriftspracherwerb beobachten, und zwar gestaltet sich das Erlernen von Graphem- Phonem-Korrespondenzen je nach Sprache unterschiedlich. In Sprachen mit einer flachen Orthographie (zum Beispiel im Deutschen) ist die phonologische Bewusstheit in Bezug auf Graphem-Phonem-Korrespondenzen kein aussagekräftiger Indikator individueller Differenzen, weil die relativ zuverlässigen Korrespondenzen in diesen Sprachen keine allzu großen Schwierigkeiten bei der Wortdekodierung bereiten und die individuelle Varianz daher eher gering ist (Grabe 2009: 117). In Sprachen mit einer tiefen Orthographie (zum Beispiel im Englischen) ist hingegen davon auszugehen, dass die Automatisierung des phonologischen Rekodierens über Graphem-Phonem-Korrespondenzen etwas länger dauern kann, da die Orthographie einen deutlich höheren Anteil an Unregelmäßigkeiten besitzt (vergleiche Seymour 2006). In diesen Sprachen ist nämlich das Erlernen von Graphem-Phonem-Korrespondenzen oft erst durch Hinzuziehung der gesamten Wortform möglich (zum Beispiel life versus live). Dies erfordert wiederum, dass neben der phonologischen Rekodierung auch die ganzheitliche Verarbeitung von Wörtern über den lexikalischen Weg erworben wird, um daraus ähnliche lautliche Strukturen (unter anderem Reime, Silben, Suffixe) abzuleiten und auf andere Wörter anzuwenden (sogenanntes sight-word reading, Grabe 2009: 118). Im Leseerwerb des Englischen spielen also die morphologische Bewusstheit und daher die Wortebene eine wichtige Rolle (vergleiche Seymour 2006). Nach Wimmer & Landerl (1998) lassen sich durch die orthographische Tiefe und die damit verbundenen Anforderungen grundsätzliche Unterschiede der verschiedenen Konzepte zum Leseerwerb erklären: Während zum Beispiel im englischsprachigen Bildungskontext die Wortebene und die morphologische Bewusstheit als Basis für das Erlernen der Graphem- Phonem-Korrespondenzen genommen wird, erfolgt die Vermittlung von Lesekompetenzen im deutschsprachigen Raum vorwiegend auf der Buchstabenebene und oft ohne jeglichen Bezug auf die morphologischen beziehungsweise semantischen Aspekte. Im folgenden Abschnitt werden wir der gängigen Praxis gemäß zuerst die Grundlagen derjenigen Konzepte zum Leseerwerb erläutern, die ihren Schwerpunkt bei der phonologischen Bewusstheit haben. Dieser Aspekt hat zwar seine Berechtigung, weist aber auch gravierende Nachteile auf, die in der Vermittlungspraxis leider oft übergangen werden, oft aus falsch verstandener Strukturgläubigkeit. Daher sollten wir uns anschließend mit den morphologischen Aspekten stärker auseinandersetzen, die als Grundlage für alternative Modelle dienen. Solche Modelle beinhalten statt struktureller Formalismen vor allem kognitionslinguistische Prinzipien und sehen sprachliche Variation daher nicht als Feind, sondern als Motor für den Spracherwerb an. 219 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche Phonologische Bewusstheit Beim Lesen in der Fremdsprache sehen sich die Lerner oft mit der Dekodierung von Wörtern konfrontiert, die sie noch nie gelesen haben. So liest ein Nachrichtensprecher, der das Wort penalty (’penalty, Betonung auf der ersten Silbe) nicht kennt, vermutlich fälschlicherweise pe’nalty (Betonung auf der zweiten Silbe). Dabei ist nach dem Modell von Coltheart et al. (2001) die Nutzung eines prälexikalischen Wegs anzunehmen, der die Wortdekodierung über buchstabenweises phonologisches Rekodieren voraussetzt und oft mit einem erhöhten Aufwand verbunden ist. Für eine effiziente phonologische Rekodierung ist eine ausgeprägte phonologische Bewusstheit in der Zielsprache notwendig, und zwar muss der Lerner die kognitive Fähigkeit besitzen, »unabhängig von der Bedeutungsebene der gesprochenen Sprache die lautlichen Aspekte der Sprache in den Blick zu nehmen« (Wemmer 2011: 4; vergleiche auch Küspert & Schneider 2008). Zur phonologischen Bewusstheit gehören unter anderem die Wahrnehmung und der manipulative Umgang mit Silben, Reimen und Phonemen (vergleiche Wemmer 2011: 4). Erst dann ist der Lerner dazu imstande, die phonologische Rekodierung über die sprachspezifischen Graphem-Phonem-Korrespondenzen zu vollziehen. Die sogenannten Stufenmodelle des Schrifterwerbs (zum Beispiel Günther 1986) betonen die Wichtigkeit des lautorientierten Lesens in der anfänglichen alphabetischen Phase als Basis für die spätere orthographische Phase (Schnitzler 2008: 1). Das bedeutet, dass sich der Lesebeziehungsweise Schrifterwerb zuerst mit der Zuordnung von Lauten zu Buchstaben beschäftigt, um erst dann die Buchstaben über die Graphem-Phonem-Korrespondenzen zu Wörtern zu synthetisieren. Da sich die phonologische Bewusstheit auf mehreren Ebenen abspielt (Silben-, Buchstaben-, Phonemebene), erfordert dies ein differenziertes Vorgehen bei der Gestaltung von Übungen zur Förderung dieser Fähigkeit, damit alle Ebenen gezielt angesprochen werden können. Zu diesem Zweck erweist sich nach Schnitzler (2008) die sogenannte metalinguistische Bewusstheit als enorm wichtig, und zwar erlaubt sie die Trennung zwischen inhaltlichen und formalen Aspekten und damit »die Entfaltung eines expliziten sprachanalytischen Wissens« (Schnitzler 2008: 8). Weiterhin wird in der Forschungsliteratur (vergleiche Schnitzler 2008) auf bestimmte Faktoren hingewiesen, nach denen sich die Gestaltung einer Übungsprogression zur Förderung der phonologischen Bewusstheit richten sollte. Einerseits erweisen sich die Aufgaben zu größeren phonologischen Einheiten (zum Beispiel auf Silben- oder Wortebene) einfacher als Übungen zu kleineren phonologischen Einheiten (zum Beispiel auf Phonemebene). Andererseits wird der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben an der Tiefe der phonologischen Bewusstheit gemessen, die für die Lösung der gestellten Aufgabe erforderlich ist. So unterscheidet Schnitzler (2008) folgende Dimensionen der Tiefe der phonologischen Bewusstheit (nach aufsteigendem Schwierigkeitsgrad): 220 6. Textverarbeitung ▶ Identifizieren (Erkennen von phonologischen Einheiten aus Wörtern); ▶ Synthetisieren (Zusammenfügen von Lauten oder Silben zu Wörtern); ▶ Segmentieren (Zerlegen von Wörtern in kleinere phonologische Einheiten); ▶ Manipulieren (Ersetzen, Hinzufügen oder Auslassen von phonologischen Einheiten). Forster und Martschinke (2001) schlagen in ihrem Training zur phonologischen Bewusstheit weitere einführende Übungen vor, wie zum Beispiel Reimspiele mit (Bild-)Karten. In diesem Fall muss der Lerner aus einer Reihe von Bildkarten Paare mit sich reimenden Begriffen bilden (zum Beispiel zu den Wörtern Haus und Maus). Mit dieser Übung wird beabsichtigt, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Aufmerksamkeit auf die Form und nicht mehr auf den Inhalt der Wörter richten und somit ein erstes Gefühl für die Graphem-Phonem-Korrespondenzen entwickeln. Dabei ist es besonders wichtig, dass Schülerinnen und Schüler an bereits Bekanntes anknüpfen, wie zum Beispiel an die Fähigkeit, über reimende oder nicht reimende Wörter zu entscheiden. In einem nächsten Schritt können nach Forster & Martschinke (2001) aufbauende Übungen eingesetzt werden, in denen zum Beispiel Wörter aus Silben synthetisiert oder Wörter in Silben segmentiert werden. Durch diese Übungen wird die Entwicklung der Bewusstheit über die Zerlegbarkeit der Wörter in kleinere Einheiten gefördert-- in diesem Fall auf Silbenebene. Die bisherigen Ausführungen lassen erkennen, dass Konzepte zum Leseerwerb, die auf Stufenmodellen basieren, die Verarbeitungsstrategien isolieren und die Progression sorgfältig planen (vergleiche Pracht 2010). Auch die Wortwahl richtet sich strikt nach der orthographischen Komplexität und dem Schwierigkeitsgrad. Bei der Festlegung einer adäquaten Progression bei der Wortwahl sind nach Helbig, Kirschhock, Martschinke & Kummer (2006: 199) einige Prinzipien zu berücksichtigen, wie zum Beispiel kürzere Wörter vor längeren Wörtern, lange Vokale vor kurzen Vokalen, regelmäßige vor unregelmäßigen Graphem- Phonem-Korrespondenzen, Dauerkonsonanten (zum Beispiel f, m, n) vor Plosiven etc. Konzepte des Leseerwerbs mit einem Schwerpunkt auf der phonologischen Bewusstheit schließen zwar nicht die Behandlung morphologischer Aspekte aus, diese spielen jedoch eine nachgeordnete Rolle und werden daher erst in späteren Erwerbsstufen behandelt (vergleiche Pracht 2010). Beispiele dafür finden sich in der neu überarbeiteten Auflage des »Konzepts für einen bundesweiten Alphabetisierungskurs« des BAMF (2015) und dem etwas älteren »Orientierungsrahmen Alphabetisierung und Grundbildung« des Arbeitskreises Alphabetisierung und Grundbildung des Deutschen Volkshochschulverbandes (2007). Letzteres bezeichnet die erste Vermittlungsstufe folgerichtig »vom Buchstaben zum Wort« und sieht unter anderem folgende Kompetenzen vor: ▶ kann Laute und Buchstaben zuordnen ▶ kann Druck- und Schreibschrift unterscheiden ▶ kann einzelne Buchstaben und Wörter erkennen und erlesen ▶ kann kurze und einfache Wörter lesen ▶ kann einfache Wörter lautgetreu aufschreiben ▶ kann Wörter nach Silben durchgliedern. 221 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche Die isolierte Behandlung formaler Eigenschaften der Sprache in den hier beschriebenen Verfahren erscheint jedoch aus kognitionslinguistischer Sicht etwas problematisch, und zwar können die mentalen Prozesse der Bildung phonologischer Schemata nicht ausreichend berücksichtigt werden (vergleiche Pracht 2000). Im nächsten Abschnitt schauen wir uns deswegen an, welche Relevanz die mentalen Prozesse beim Leseerwerb überhaupt haben und wie sie sich in die Konzepte zur Vermittlung des Leseerwerbs integrieren lassen. Morphologische Bewusstheit Die zuvor präsentierten Konzepte zur Vermittlung des Leseerwerbs setzen vor allem in den Anfangsstufen den Schwerpunkt auf die phonologische Bewusstheit und damit auf die phonologische Rekodierung über die sprachspezifischen Graphem-Phonem-Korrespondenzen. Mit der Überbetonung des phonemischen Prinzips wird jedoch ein reduktionistisches und zum Teil naives Verständnis von Phonemen als Buchstabenlauten suggeriert: Wörter lassen sich anhand von Graphem-Phonem-Korrespondenzen und unabhängig von morphologischen und semantischen Aspekten rekonstruieren (vergleiche Fraser 2010: 366). Dabei wird aber übersehen, »dass es sich beim Schreiben nicht um eine Abbildungs-, sondern um eine Darstellungsleistung [handelt]« (Pracht 2010: 77). Das heißt also, dass das Alphabet nur indirekt die Lautsequenzen in Wörtern beschreibt und daher lediglich als ein Medium zur Darstellung gesprochener Sprache anzusehen ist. Das offenbart sich zum Beispiel dann, wenn man versucht durch Graphem-Phonem-Korrespondenzen die verschiedenen Varianten des Graphems <d> zu erschließen, welches je nach Kontext als / t/ (zum Beispiel Hund) oder als / d/ (zum Beispiel Daumen) realisiert wird (Pracht 2012: 64). In diesem Zusammenhang haben einige Studien auch gezeigt, dass vor allem diese morphologisch motivierten Schreibungen Fremdbeziehungsweise Zweitsprachenlernern besondere Schwierigkeiten bereiten (vergleiche Becker 2011). Eine Ausklammerung morphologischer Aspekte beim Leseerwerb mag zwar in den Anfangsstufen die Komplexität des Lernstoffes etwas reduzieren, erfordert jedoch in späteren Erwerbsstufen eine noch komplexere Reorganisation phonologischer Schemata, da die Graphem-Phonem-Korrespondenzen letztlich fast so viele Regeln wie Ausnahmen generieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, bereits am Anfang des Leseerwerbs die phonologische Bewusstheit mit einer morphologischen Bewusstheit zu kombinieren, um damit den scheinbaren Inkonsistenzen der Schreibung gerecht zu werden (vergleiche Pracht 2010). Für eine solche Kombination sprechen empirische Studien, die die enge Verbindung zwischen morphologischem Wissen und der Entwicklung der Dekodierungsfähigkeit nachweisen (Becker & Peschel 2013: 199; vergleiche auch Kieffer & Lesaux 2008; lexical quality hypothesis nach Perfetti & Hart 2001) und die Wichtigkeit der morphologischen Bewusstheit für die Entwicklung phonologischer Bewusstheit selbst in der präliteralen Phase betonen: […] preliterate children fail even the simplest phonemic tests, such as that of identifying words which begin with the same sound-[…] Only after the explicit concept [ SOUND OF A WORD ] is mastered, can children develop, through play with rhyme, assonance and rhythm, concepts for sublexical units, such as syllables, onsets, etc. (Fraser 2010: 365f) 222 6. Textverarbeitung In diesem Zusammenhang wird die morphologische Bewusstheit wie folgt definiert: Morphological awareness refers to students’ understanding of the structure of words as combinations of meaningful units, known as morphemes. It can be manifested when the reader decomposes morphologically complex words into constituent morphemes or recognizes morphological relationships between words. (Kieffer & Lesaux 2008: 784) Ein weiterer problematischer Aspekt der Verfahren, die den Schwerpunkt auf die phonologische Bewusstheit setzen, ist ihre geringe Kompatibilität mit den mentalen Prozessen zur Bildung phonologischer Schemata. Wie beim Grammatikerwerb ist auch hier davon auszugehen, dass phonologisches Wissen nicht durch das Erlernen und Anwenden von a priori festgelegten Regeln entsteht, sondern durch Erkennen von wiederkehrenden Mustern aus konkreten Wörtern und deren Abstraktion als schematisierte word templates (vergleiche Vihman & Croft 2013). Daraus ergibt sich, dass eine engere Abstimmung der Vermittlungskonzepte auf diese mentalen Prozesse den Leseerwerb deutlich optimieren könnte. Wie diese mentalen Prozesse konkret ablaufen, beschreibt Pracht (2012) folgendermaßen: Auf der Basis konkreter Wortschreibungen, wie z. B. geboren, gerufen, gegeben, können Ähnlichkeiten und Muster erkannt und schematisiert werden, hier z. B. das Schema der Schwa-Vorsilbe ge/ <ge>.-[…] Es können sehr konkrete / spezifische Schemata mit eher geringer Reichweite sein, z. B. Schemata ganzer Wortformen (z. B. bitte/ <bitte>)-[…]. Es kann sich aber auch um abstraktere / allgemeinere Schemata mit größerer Reichweite handeln. So kann z. B. über den Schemata ge-/ <ge-> und be-/ <be-> das abstraktere Schema einer unbetonten Schwa-Vorsilbe (mit <-e-> als orthographisches Kennzeichen) gebildet werden. (Pracht 2012: 14) Das heißt also, dass die Lautmuster einer Sprache zuerst aus komplexeren Lautsequenzen (vor allem Wörtern), die in einem gegebenen Kontext als bedeutungsvoll erscheinen, abgeleitet und zunehmend schematisiert werden. Dieser Paradigmenwechsel hat zur Folge, dass in der Vermittlung nicht die Buchstabenebene, sondern die Wortebene als Ausgangspunkt für den Erwerb phonologischer Schemata genommen werden sollte. Im folgenden Abschnitt wird am Beispiel der integrierten Schriftdidaktik von Pracht (2012) gezeigt, wie sich die morphologische Bewusstheit in die Vermittlung des Leseerwerbs integrieren lässt. Integriertes Konzept zum Leseerwerb in der Fremdsprache Ein Alleinstellungsmerkmal der integrierten Schriftdidaktik von Pracht (2012; vergleiche auch Pracht 2010) ist die Berücksichtigung der Wort- und Satzebene und der jeweiligen morphologischen Aspekte bereits in den Anfangsstufen des Schrifterwerbs in der Fremdbeziehungsweise Zweitsprache. Damit entspricht sie den Ergebnissen und den Desideraten der bisherigen Forschung (vergleiche Verhoeven, Schreuder & Haarman 2006: 666). Der integrative Charakter des Konzeptes ergibt sich aus der Tatsache, dass es nicht vollständig auf Graphem-Phonem-Korrespondenzen und damit auf lautierendes Lesen als Strategie verzichtet, sondern dass es dieses mit anderen Strategien kombiniert (vergleiche Pracht 2012: 23). Graphem-Phonem-Korrespondenzen werden in diesem Konzept jedoch nicht 223 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche als direkte Eins-zu-eins-Entsprechungen zwischen einzelnen Phonemen und Graphemen charakterisiert, sondern als prototypische Kategorien mit einem zentralen Vertreter (Basisgraphem) und weiteren Realisierungen des Phonems. So wird zum Beispiel das Phonem / f/ mit <f> (laufen) als Basisgraphem und mit <ff>, <ph> und <v> (hoffen, Alphabet, viele) als weiteren Graphemen verbunden. Die integrierte Schriftdidaktik nutzt weiterhin prosodische Aspekte der Sprache, um morphologische Strukturen in Wörtern transparent zu machen. So lassen sich zum Beispiel der Stamm und die Endungen von Wörtern anhand des prosodischen Grundmusters des Trochäus veranschaulichen, der aus einer betonten und unbetonten Silbe besteht und im Deutschen eine wichtige Rolle spielt. Ausgehend von der Korrespondenz zwischen den Betonungsmustern und der Morphologie der Wortformen sieht das Konzept insgesamt vier Module vor, die sich unterschiedlichen Bereichen der deutschen Schriftsprache widmen (Pracht 2012: 3): ▶ Modul 1: Einfache trochäische Wortformen; ▶ Modul 2: Endungsmuster <-er>; ▶ Modul 3: Wortformen mit Schwa Vorsilben; ▶ Modul 4: Wortformen mit festem Wortschnitt. Im Folgenden wird die Vorgehensweise des Konzeptes anhand ausgewählter Aufgaben aus verschiedenen Modulen exemplarisch vorgestellt (Pracht 2012: 22-50): 224 6. Textverarbeitung Erste Satzmuster / Endungsdifferenzierung: In einem ersten Schritt setzen sich die Lerner mit ganzen Sätzen auseinander, die in Form einer Steckstein-Folge präsentiert werden (zum Beispiel Ich - habe - ein - kleines - Auto). Die Lerner müssen dabei beim Aussprechen des Satzes auf den Steckstein der jeweiligen Wörter tippen. Durch die Visualisierung der einzelnen Wörter auf entsprechenden Stecksteinen haben die Lerner die Möglichkeit, die Wortgrenzen explorativ zu entdecken und eventuell zuvor falsch gesetzte Wortgrenzen (zum Beispiel * Ichhabe - Hunger) zu revidieren. Durch Variation der Sätze (zum Beispiel Wir - haben - ein - kleines - Auto) sollen sich die Lerner der Endungen -e versus -en bewusst werden. Ziel ist es dabei nicht, dass die Lerner die Paradigmen beherrschen, sondern sie für die Differenzierung anhand von morphologischen Aspekten der Sprache zu sensibilisieren. Die Speicherung von Formen wie ich habe und wir haben als eine Art Chunk soll die spätere Bildung phonologischer Schemata anbahnen (ich … -e oder wir … -en). Erste Wortschreibungen: In einem zweiten Schritt werden Wörter wie ein, einen, meinen etc. mit einer besonderen Hervorhebung des trochäischen Betonungsmusters gesprochen. Die bewusste Wahrnehmung des Betonungsmusters wird durch die Visualisierung eines großen und eines kleinen Kreises unterstützt. Anschließend werden die Lerner mit der Schreibung der Wörter konfrontiert, die in einer silbisch gegliederten Form anhand von Kreisen dargestellt werden (siehe Abbildung 6.3a). Auf der Basis dieser Darstellung wird die Schreibung der einzelnen Grapheme eingeübt, und zwar zuerst <ei> und danach <n>. Anhand der Wörter kein beziehungsweise keine und mein beziehungsweise meine werden anschließend weitere Grapheme wie <m> und <k> eingeführt. Durch die Einbettung der Wörter in den Satzkontext wird auch die bedeutungsunterscheidende Funktion der einzelnen Laute und Grapheme transparent gemacht (eine versus keine Schwester). Abbildung 6.3a: Erste Wortschreibungen I (Pracht 2012: 22) In weiteren Schritten werden anhand der trochäischen Wortstrukturschemata weitere Schreibungen wie <au>, <a>, <eu> etc. vermittelt. Mit diesem Schema lassen sich Wörter wie Taufe, Löwe erklären: 225 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche Abbildung 6.3b: Erste Wortschreibungen II (Pracht 2012: 37) Wortformen mit Schwa-Vorsilben: Interessant an dem Konzept von Pracht (2012) ist weiterhin der Ausbau des trochäischen Grundmusters zur Darstellung mehrsilbiger Wortformen in Modul 3, indem eine Schwa-Reduktionssilbe an den Wortbeginn angefügt wird. Damit lassen sich zum Beispiel die für das Deutsche typischen Schwa-Präfixe <be>, <ge> und <ver> veranschaulichen, ohne dass das bereits gelernte Wortstrukturschema verworfen wird. Abbildung 6.3c: Wortformen mit Schwa-Vorsilben (Pracht 2012: 50) 226 6. Textverarbeitung Wortformen mit festem Wortschnitt: In den Modulen 1 bis 3 des Konzeptes wurden nur solche Wörter vermittelt, in denen die Artikulation des Vokals der ersten Silbe vom Folgekonsonanten klar zu trennen war (zum Beispiel bei Ofen) und die daher als Wörter mit losem Silbenanschluss charakterisiert werden. Wörter mit festem Anschluss weisen hingegen einen fließenden Übergang zwischen der Artikulation des Vokals der ersten Silbe und dem Folgekonsonanten auf und werden daher als Wörter mit einem festen Silbenanschluss beschrieben (zum Beispiel offen) (vergleiche Pracht 2010: 86). Vor diesem Hintergrund wird im Modul 4 die sogenannte Schärfungsschreibung vermittelt, das heißt die Schreibung von Doppelkonsonanten vor kurzen Vokalen (zum Beispiel offen), die sich durch das Vorhandensein eines festen Silbenanschlusses begründen lässt. Dabei wird zuerst eine Visualisierung präsentiert, die das bereits bekannte trochäische Betonungsmuster enthält, allerdings mit zwei unbeschrifteten, einander überschneidenden Kreisen. Damit wird die bewusste Wahrnehmung des festen Silbenanschlusses initiiert und diesen in Kontrast zum losen Silbenanschluss gesetzt. Abbildung 6.3d: Wortformen mit festem Wortschnitt I (Pracht 2012: 58) In einem weiteren Schritt nutzen die Lerner die Kreise des trochäischen Musters als Hilfestellung zur Artikulation der verschiedenen Anschlussformen, indem sie Graphem-Karten entsprechend des Silbenanschlusses darauf legen. Als didaktische Metapher verwendet Pracht die Bezeichnungen »langsame Wörter« für Wörter mit losem Silbenschluss und »schnelle Wörter« für Wörter mit festem Silbenanschluss. Abbildung 6.3e: Wortformen mit festem Wortschnitt II (Pracht 2012: 58) 227 6.1 Leseprozesse an der Textoberfläche Insgesamt zeichnet sich die integrierte Schriftdidaktik von Pracht (2012) dadurch aus, dass sie durch die Berücksichtigung der Entstehungs- und Bildungsprozesse phonologischer Schemata eine höhere kognitive Plausibilität erreicht. Dazu tragen vor allem die Nutzung von visuellen Wortstrukturschemata zur besseren Integration phonologischer Variation und die Miteinbeziehung morphologischer Aspekte auf Wortebene zur Veranschaulichung der bedeutungsunterscheidenden Funktion von Lauten bei. Daraus ergeben sich für die Praxis besonders wichtige Vorteile. So müssen sich Lerner zum Beispiel nicht mit zahlreichen Regeln in Form von Graphem-Phonem-Korrespondenzen beschäftigen, die zum Teil auch im Widerspruch zueinander stehen und sich daher schwer miteinander vereinbaren lassen. Vielmehr werden sie vom Anfang an für das Variationsspektrum der schriftlichen Fixierung von Sprache in Abhängigkeit vom Wortkontext sensibilisiert. Außerdem werden bei der Wortwahl und ihrer Darstellung Prinzipien berücksichtigt, die direkt an die Welt der Lerner andocken. So werden bestimmte Schreibungen zum Beispiel anhand von Betonungsmustern erklärt, die den Lernern aus ihren Erfahrungen mit gesprochener Sprache durchaus zugänglich sind, und ihre Besonderheiten anhand von didaktischen Metaphern transparent gemacht (zum Beispiel »schnelle Wörter« für Wörter mit festem Silbenanschluss). 6.1.3 Zusammenfassung ▶ Insgesamt lassen Studien aus der Psycholinguistik vermuten, dass die Wortdekodierung sich nicht wie von Coltheart et al. (2001) postuliert anhand verschiedener Routen beschreiben lässt, sondern als eine netzwerkartige Interaktion phonologischer, orthographischer, morphologischer und semantischer Information zu verstehen ist. ▶ Die Effizienz bei der Wortdekodierung von L2-Lernern zeigt eine große Varianz, die von Aspekten wie der orthographischen Distanz zwischen dem L1- und dem L2-Schreibsystem, der phonologischen Bewusstheit und der morphologischen Bewusstheit bestimmt sind. ▶ Konzepte zum Leseerwerb, die auf Stufenmodellen basieren, isolieren die Verarbeitungsstrategien und planen sorgfältig die Progression. Konzepte, die ebenfalls die morphologische Bewusstheit fördern, kombinieren hingegen bereits am Anfang des Leseerwerbs die phonologische Bewusstheit mit einer morphologischen Bewusstheit, um damit den scheinbaren Inkonsistenzen der Schreibung gerecht zu werden. ▶ Konzepte wie die integrierte Schriftdidaktik vermeiden, dass die Lerner sich mit zahlreichen Regeln in Form von Graphem-Phonem-Korrespondenzen verlieren. Vielmehr werden die Lerner vom Anfang an für Variation in Bezug auf die phonologische Realisierung von Schriftzeichen sensibilisiert. 6.1.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie würden Sie die drei möglichen Wege der Wortdekodierung nach dem dual route cascaded model erklären? 2. Welche sind die wichtigsten Einflussfaktoren bei der Wortdekodierung in der L2? 228 6. Textverarbeitung 3. Welche Beschränkungen haben die Konzepte zur Vermittlung des Leseerwerbs, die auf Stufenmodellen basieren? 4. Welche Hauptmerkmale charakterisieren die integrierte Schriftdidaktik? 6.2 Höherstufige Prozesse des Lesens Sie haben als Lehrkraft bei der Lektüre längerer fremdsprachlicher Texte oft beobachtet, dass die Erschließung des semantischen Beziehungsgeflechts von Texten den Lernern erhebliche Schwierigkeiten bereitet, obwohl sie die Bedeutung der Einzelwörter durchaus verstehen. Das zeigt, dass der Prozess des Textverstehens nicht nur in der Dekodierung und Aneinanderreihung von Wörtern an der Textoberfläche besteht, sondern auch in der Bildung von Kohärenz auf höheren Ebenen des Textes. Mit der Natur dieser höherstufigen Prozesse sowie mit den Möglichkeiten der Förderung der Lesekompetenz durch Lesestrategien beschäftigt sich diese Lerneinheit. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die höherstufigen Prozesse beim Lesen erklären können; ▶ die wichtigsten Unterschiede zwischen dem L1- und dem L2-Lesen identifizieren können; ▶ die höherstufigen Prozesse durch die Vermittlung gezielter Lesestrategien fördern können; ▶ die Phasen der Vermittlung im Unterrichtskontext anwenden können. 6.2.1 Die Bildung der Textbasis und der mentalen Modelle Wie wir in der Lerneinheit 6.1 bereits gesehen haben, wird auf der Ebene der Textbasis nach Kintsch (1998; vergleiche auch Kintsch 2005) zwischen zwei unterschiedlichen Abstraktionsniveaus der propositionalen Textrepräsentation unterschieden: Die Mikrostruktur und die Makrostruktur des Textes. In der Mikrostruktur wird der Gehalt aus dem Text in Form von Propositionen mental repräsentiert. Diese stellen die vollständige Informationsmenge eines Textes dar und enthalten daher noch alle Details. Da sich das Behalten aller Informationen aus dem Text in bestimmten Situationen als höchst unökonomisch erweist, wenden wir beim Lesen eine Reihe von Verarbeitungsstrategien an, die der effizienten Reduzierung der Textinformation dienen. Durch diese Reduzierung entsteht eine abstraktere propositionale Struktur des Textes, die Makrostruktur. Zur Bildung der Makrostruktur des Textes werden nach Van Dijk und Kintsch (1983: 190; vergleiche auch van Dijk 1980: 46ff) folgende (Makro-) Regeln angewandt: 1. AUSLASSEN : Propositionen, die sich für die Interpretation weiterer Propositionen als irrelevant erweisen, werden ausgelassen. 229 6.2 Höherstufige Prozesse des Lesens 2. GENERALISIEREN : Aus den Einzelpropositionen wird eine konzeptuell allgemeinere und weniger spezifische Proposition gebildet, in der alle semantischen Details der Propositionen enthalten sind. 3. KONSTRUIEREN : Eine neue Proposition, die durch eine Sequenz von Einzelpropositionen definiert wird, wird konstruiert. Diese Regeln besitzen nach van Dijk und Kintsch (1983) einen rekursiven Charakter, das heißt, sie können mehrmals angewandt werden, bis der gewünschte Abstraktionsgrad erreicht ist (vergleiche auch Richter & Christmann 2002: 32). Ein rekursives Anwenden dieser Regel findet beispielsweise dann statt, wenn wir versuchen, das Thema eines Textes zu formulieren. In diesem Fall würden wir alle Einzelpropositionen aus dem Text durch Auslassen, Generalisieren oder Konstruieren bis hin zu einer einzigen, alle umfassenden Makroproposition reduzieren (vergleiche Louwerse & Graesser 2006). Die Verarbeitung der Textinformation anhand von Makroregeln kann jedoch aufgrund unterschiedlicher Wissensvoraussetzungen der Leserinnen und Leser überindividuell stark variieren (vergleiche Suñer 2011). Aus diesem Grund gestaltet sich eine objektive Beschreibung und Modellierung der Abläufe bei der Erschließung der Makrostruktur als sehr schwierig (Louwerse & Graesser 2006). Beispielsweise kann die Anwendung der Regel »Generalisieren« davon abhängen, ob die Leserin oder der Leser über ein sogenanntes Superkonzept verfügt, mit dem ihm untergeordneten Konzepte zusammengefasst werden können. Die Textverarbeitung in Form einer Makrostruktur offenbart sich zum Beispiel dann, wenn wir über die Handlung eines Filmes berichten wollen. Die Kenntnis über ein solches Vorgehen ist für die Leseförderung insofern relevant, als die Bildung von Textmakrostrukturen ein effizientes und strukturiertes Speichern der Textinformationen sowie ihren Abruf ermöglicht (vergleiche van Dijk 1980; Louwerse & Graesser 2006). Der Makrostrukturansatz von van Dijk (1980) macht durch die Differenzierung zwischen Mikro- und Makrostruktur deutlich, dass auf der Ebene der Textbasis zweierlei Verarbeitungsprozesse durchlaufen werden, die durch differenzierte Leseförderungsmaßnahmen angesprochen werden können. Vor allem vor dem Hintergrund der vorangehenden Aufgabe stellen Sie sich vielleicht die Frage, warum denn solche Prozesse gefördert werden sollen, wenn sie beim Lesen relativ automatisch und unbewusst durchlaufen werden? Die empirische Befundlage zeigt relativ eindeutig, dass gerade das Vollbringen dieser Prozesse auf der Ebene der globalen Textkohärenz die guten Leserinnen und Leser von den schwachen Leserinnen und Lesern unterscheidet. So konnten Long, Oppy & Seely (1997) zum Beispiel zeigen, dass gute und schwache Leserinnen und Leser den Text zwar auf der Ebene der lokalen Kohärenz ähnlich verarbeiteten, sich aber in Bezug auf die Textverarbeitung auf der Ebene der globalen Kohärenz stark voneinander unterschieden. Beim Lesen in der Fremdsprache ist die Förderung dieser höherstufigen Verarbeitungsprozesse noch von größerer Relevanz: Da die Wortdekodierungsprozesse an der Textoberfläche bei L2-Leserinnen und L2-Lesern nicht so automatisiert ablaufen wie bei L1-Leserinnen und L1-Lesern, findet auf dieser Ebene ein höherer Verbrauch an kognitiven Ressourcen statt. Diese bereits an der Textoberfläche verbrauchten kognitiven Ressourcen stehen dann nicht mehr für höherstufige Verstehensprozesse zur Verfügung, was sich bei Fremdsprachenlernern oft in einer defizitären Er- 230 6. Textverarbeitung schließung der Makrostruktur niederschlägt (vergleiche zum Beispiel Horiba 1996; Oded & Walters 2001; siehe auch Abschnitt 6.2.3). Dies offenbart sich zum Beispiel dann, wenn Lerner dazu aufgefordert werden, Beziehungen zwischen größeren Texteinheiten zu erschließen. Obwohl die Lerner die einzelnen Wörter und Sätze verstanden haben, haben sie oft erhebliche Schwierigkeiten beim Erkennen und Strukturieren größerer Sinneinheiten. Bevor wir uns mit den Auswirkungen dieser Schwierigkeiten auf das Lesen in der Fremdsprache beschäftigen, schauen wir uns die Rolle des Vorwissens bei der Bildung der propositionalen Textbasis und der mentalen Modelle genauer an. 6.2.2 Die Rolle des Vorwissens beim Lesen In den Texten sind oft nicht alle für das Verständnis nötigen Informationen vorhanden, sodass wir von unseren Vorwissensbeständen Gebrauch machen müssen, um die entsprechenden Kohärenzlücken füllen und überhaupt eine mentale Textrepräsentation bilden zu können (vergleiche Rickheit & Strohner 2003; Rickheit, Schnotz & Strohner 1985; vergleiche auch Ehlers 1998). Beim Beispielsatz Wir gehen in die Sonne, du musst dich eincremen wird vorausgesetzt, dass die Leserin oder der Leser durch sogenannte Inferenzen aus dem Weltwissen die dort enthaltenen Informationen kohärent miteinander verbindet, indem sie oder er die Gefahr der Sonne für die Haut und die Wichtigkeit des Sonnenschutzes zur Vorbeugung von Hauterkrankungen erkennt. Dass wir unsere Vorwissensbestände zur Herstellung der Kohärenz im Text verwenden, ist eigentlich klar. Etwas umstrittener ist jedoch die Frage, welche Art von Inferenzen wir eher automatisch bilden und welche eher absichtlich. In diesem Zusammenhang wird nach Ehlers (1998; vergleiche auch Ballstaedt, Mandl, Schnotz & Tergan 1981; Rickheit et al. 1985) zwischen minimalen, elaborativen und reduktiven Inferenzen unterschieden. Die minimalen Inferenzen dienen der Herstellung von Kohärenz auf lokaler Ebene, wie aus obigem Beispielsatz zum Sonnenschutz ersichtlich wird. Dadurch werden also basale Kohärenzlücken gefüllt, die im Text offen gelassen werden. Im Gegensatz dazu dienen reduktive Inferenzen der Bildung der Makrostruktur, indem sie den propositionalen Sachverhalt des Textes unter anderem nach den Makroregeln nach Van Dijk und Kintsch (1983) reduzieren. Schließlich zielen die sogenannten elaborativen Inferenzen darauf ab, den propositionalen Sachverhalt des Textes durch Heranziehen zahlreicher Vorwissensbestände auszuweiten und mit den eigenen Erfahrungen und Einstellungen der Leserin oder des Lesers zu vereinbaren (Wolff 1995, zitiert nach Finkbeiner 2005; vergleiche auch Deppert 2001). Solche Elaborationen sind vor allem für die Bildung mentaler Modelle wichtig (vergleiche Johnson-Laird 1983) und wirken im Gegensatz zu den reduktiven Inferenzen eher inhaltsausweitend. In der Forschungsliteratur haben sich vor allem zwei Positionen herausgebildet, die sich mit der Rolle der verschiedenen Arten von Inferenzen beschäftigt haben. Einerseits haben McKoon und Ratcliff (1992) im Rahmen ihrer minimalistischen Hypothese durch ihre Studien empirische Evidenz dafür gefunden, „dass nur diejenigen Inferenzen automatisch entstehen, die entweder auf leicht zugänglichen und schnell abrufbaren Wissensbeständen beruhen oder für den Aufbau von Kohärenz auf lokaler Ebene des Textes notwendig sind“ 231 6.2 Höherstufige Prozesse des Lesens (Suñer 2011: 38ff). Demzufolge werden in gewöhnlichen Lesesituationen nur diejenigen Inferenzen gebildet, die relativ automatisch vollbracht werden, während die elaborativen Inferenzen eher durch den Kontext induziert werden müssen (vergleiche Cook, Limber & O’Brien 2001). Nach Rickheit & Strohner (2003: 567) gehören zu den eher automatisch stattfindenden Inferenzen die Elaborationen auf Konzeptebene, die koreferenziellen Verbindungen und die Kausalrelationen. Im Gegensatz dazu postuliert die maximalistische Hypothese (Graesser, Singer & Trabasso 1994), dass die Inferenzen den Textverstehensprozess in voller Gänze steuern. Das heißt also, dass die Leserin oder der Leser anhand ihres oder seines Vorwissens Kohärenz im Text herstellt und stets eine mentale Textrepräsentation des Textes bildet, die über den im Text dargestellten Sachverhalt hinausgeht (vergleiche Suñer 2011: 39). Die Leserin oder der Leser versuchen also über alle Wege den maximalen Ertrag in Bezug auf die Textkohärenz zu erzielen und mobilisieren dafür alle möglichen Vorwissensbestände. Diese konstruktivistische Position kontrastiert stark mit der minimalistischen Hypothese, nach der die Vorwissensbestände nur minimal zur Herstellung der Textkohärenz herangezogen werden (vergleiche Rickheit & Strohner 2003: 566). Wie lassen sich also beide Positionen miteinander vereinbaren? Ein wichtiger Schwachpunkt der minimalistischen Hypothese besteht in der Annahme, dass die elaborativen Inferenzen zwar beim zielzentrierten Lesen vorkommen, aber nicht beim »gewöhnlichen« Lesen. In dieser Hinsicht kritisierten McKoon und Ratcliff (1992) zurecht, dass die Studien zur Stützung der maximalistischen Hypothese oft die Probanden durch die Aufgabenstellungen zum strategischen und daher zum zielzentrierten Lesen anregten. Allerdings ist zu bezweifeln, dass das von McKoon und Ratcliff (1992) vorgeschlagene »gewöhnliche« Lesen tatsächlich so repräsentativ für das gesamte Lesen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Leserinnen und Leser stets mit einem bestimmten Ziel lesen und daher alle ihnen verfügbaren Mittel zu Rate ziehen werden, um Kohärenz herzustellen (vergleiche Graesser et al. 1994; vergleiche auch Schnotz & Dutke 2004). Weiterhin kritisierten McKoon und Ratcliff (1992) die Studien zur maximalistischen Hypothese, da die Probanden in den Tests keine Zeitbeschränkung hatten. Die mangelnde Zeitbeschränkung begünstigt jedoch die Bildung elaborativer Inferenzen. In der Tat waren in online tests (während des Lesens) solche elaborativen Inferenzen nicht mehr zu beobachten. Hieraus schlossen McKoon und Ratcliff (1992), dass solche Inferenzen erst nach dem eigentlichen Leseprozess stattfinden. Long & Golding (1993) konnten jedoch zeigen, dass die Probanden durchaus Inferenzen auf globaler Ebene schon während des Leseprozesses bildeten (innerhalb von 700 Millisekunden; normale Antwortzeit- = 150 bis 800 Millisekunden). Demnach sind elaborative Inferenzen als automatische Online-Prozesse aufzufassen. Aus dieser Diskussion über die Inferenzbildung lässt sich also festhalten, dass die Leserinnen und Leser in Abhängigkeit von den Lesezielen und Erwartungen mentale Textrepräsentationen unterschiedlicher Natur konstruieren, die sich auf einem Kontinuum zwischen der Textbasis und dem mentalen Modell ansiedeln lassen: At one extreme would be a reader who attempts to stay as close to the text as possible and to avoid augmenting the memory representation by activating background knowledge, whereas at the other 232 6. Textverarbeitung extreme would be a reader who attempts to connect every aspect of the text to his or her background knowledge. (van den Broek, Young, Tzeng & Linderholm 1999: 90) Auch die sogenannten standards of coherence der Leserinnen und Leser spielen dabei eine wichtige Rolle, und zwar bestimmen sie, welche Inferenztypen am Textverstehensprozess beteiligt sein sollen und welche Verarbeitungstiefe damit erreicht werden soll (van den Broek, Risden & Husebeye-Hartmann 1995). Die standards of coherence hängen wiederum mit einer Reihe von Faktoren zusammen, wie zum Beispiel dem Leseziel der Leserin oder des Lesers, dem Vorwissen, der Schwierigkeit des Textes, der Präsenz von Distraktoren, der Müdigkeit etc. (Linderholm & van den Broek 2002; van den Broek, Lorch, Linderholm & Gustafson 2001; Graesser et al. 1994; vergleiche auch Linderholm, Virtue, Tzeng & van der Broek 2004). Auch die Tatsache, dass die Vorwissensbestände keine statischen Strukturen darstellen, sondern sich je nach Kontext dynamisch verändern, scheinen die Annahme zu unterstützen, dass einerseits die Lesesituation und andererseits die jeweils aktuellen Anforderungen des Textes eine wichtige Rolle bei der Inferenzbildung spielen (vergleiche Whitney, Budd, Bramucci & Crane 1995: 160). In dieser Hinsicht lassen sich also beide Positionen, die maximalistische und die minimalistische, gut miteinander vereinbaren. 6.2.3 Höherstufige Prozesse des Lesens in der Fremdsprache Während die L2-spezifischen Aspekte des Lesens auf der Wort- und Satzebene (Textoberfläche) relativ intensiv erforscht wurden, ist die empirische Befundlage bezüglich der Bildung der propositionalen Textbasis und des mentalen Modells beim Lesen in der Fremdsprache vergleichsweise dünn (vergleiche Suñer 2011: 77). Eine der ersten Studien, die sich der Unterschiede in der Konstruktion der Textrepräsentationen in der L1 und in der L2 angenommen hat, war die Studie von Jenkin, Prior, Rinaldo, Wainwright-Sharp & Bialystok (1993). Die Autorinnen und Autoren stellten fest, dass L2-Leserinnen und L2-Leser sich tendenziell auf die Konstruktion der propositionalen Textrepräsentation konzentrieren, während die Leserinnen und Leser in der L1 öfter mentale Modelle bilden. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse gehen die Autorinnen und Autoren davon aus, dass sich die Leserinnen und Leser mit zunehmender L2-Sprachkompetenz stärker mit der Konstruktion analog-funktionaler Textrepräsentation wie der mentaler Modelle beschäftigen. Auch Horiba (1996) stellt in ihrer Studie fest, dass die mentale Textrepräsentation auf der Ebene der lokalen Kohärenz bei L2- Leserinnen und L2-Leser auf Mittelstufenniveau aufgrund von Sprachdefiziten unvollständig und fragmentarisch ist. Dieser Mangel behindert die Bildung globaler Textkohärenz auf makrostruktureller Ebene erheblich (vergleiche auch Oded & Walters 2001). Insgesamt ergibt sich aus diesen Ergebnissen, dass L2-Leserinnen und L2-Leser vor allem auf den niedrigen Niveaustufen vergleichsweise mehr kognitive Ressourcen auf der Ebene der lokalen Kohärenz verbrauchen und sich daher mit der Erschließung der Makrostruktur und der mentalen Modelle weniger intensiv beschäftigen können (vergleiche Bensoussan 1998: 216; Nassaji 2007: 95). Eine solche Schlussfolgerung lässt sich durch das sogenannte compensatory encoding model von Walczyk (2000; vergleiche auch Walczyk 1995; Walczyk, 233 6.2 Höherstufige Prozesse des Lesens Wei, Grifith-Ross, Goubert, Cooper & Zha 2007) begründen, nach dem die Verarbeitungsprobleme an der Textoberfläche (Wortdekodierung, Syntaxverabeitung etc.) aufgrund von noch lückenhaften Sprachkenntnissen die Anwendung kompensatorischer Strategien zur Folge haben, die aber inhibitorisch auf die Prozesse auf höheren Textverstehensebenen wirken (Suñer 2011: 78). In der Tat konnten einige Studien zeigen, dass L2-Leserinnen und L2-Leser öfter als L1-Leserinnen und L1-Leser Strategien zur Verarbeitung linguistischer Stimuli an der Textoberfläche und zur Kompensierung fehlender Sprachkenntnisse verwenden (vergleiche Stevenson, Schoonen & Glopper 2007: 121). L1-Leserinnen und L1-Leser machen hingegen viel öfter Gebrauch von Strategien, die auf die Bildung eines mentalen Modells und somit zur Ausweitung des Textwissens durch das bereits vorhandene Vorwissen abzielen. Zwischen dem L1- und dem L2-Lesen bestehen also große Differenzen in der Art der Strategien (vergleiche Stevenson et al. 2007; vergleiche auch Fitzgerald 1995), die ungeachtet der Textschwierigkeit und der Zielsetzung relativ konstant bleiben (Horiba 2000: 256). Insgesamt lässt sich unter Rückgriff auf das Modell von Kintsch (1998) festhalten, dass eine defizitäre mentale Repräsentation der propositionalen Textbasis zu einer misslungenen Aktivierung des Vorwissens führt und daher die Bildung mentaler Modelle erheblich erschwert. 6.2.4 Strategien zur Förderung höherstufiger Leseprozesse Vor dem Hintergrund der erläuterten L2-spezifischen Probleme sollen in diesem Abschnitt Lesestrategien vorgestellt werden, die der gezielten Optimierung von bestimmten Aspekten der höherstufigen Prozesse des Lesens dienen. In der Leseforschung wird zwischen drei Hauptarten von Lesestrategien unterschieden (Christmann & Groeben 1999): Wiederholungs-, Organisations- und Elaborationsstrategien. Während die sogenannten Wiederholungsstrategien der Förderung der Prozesse an der Textoberfläche dienen (zum Beispiel durch mehrmaliges Lesen oder Markieren von Schlüsselwörtern), dienen die sogenannten Organisationsstrategien und die Elaborationsstrategien jeweils der Strukturierung der Textinhalte und der Ausweitung des Textwissens durch das Vorwissen der Leserin oder des Lesers (vergleiche Munser-Kiefer 2014: 136ff). Relevant für die Förderung der höherstufigen Prozesse sind die letzten zwei Arten von Strategien. Organisations- und Elaborationsstrategien Die Organisationsstrategien bieten zahlreiche Möglichkeiten, durch spezifische Hilfestellungen die Erschließung der Makrostruktur zu fördern, wie zum Beispiel durch die Entwicklung von textbegleitenden graphischen Übersichten. In diesem Zusammenhang können die sogenannten Superstrukturen (vergleiche Van Dijk und Kintsch 1983) als Grundlage für die Darstellung solcher graphischen Übersichten dienen. Die Superstrukturen werden als konventionalisierte, oft wiederkehrende schematische Formen der globalen Organisation von Textbedeutung beschrieben und umfassen von den textsortenspezifischen Strukturen eines Textes bis hin zu allgemeineren konzeptuellen Organisationsformen (vergleiche Louwerse & Graesser 2006; Jiang & Grabe 2007), wie zum Beispiel Klassifizierung, Argumentationsmuster, Prozess und zeitliche Sequenz, Definition (mit der Struktur »x is a x that x«), Vergleich 234 6. Textverarbeitung beziehungsweise Gegensatz, Ursache-Wirkung, Pro und Kontra (vergleiche Abbildungen 6.4-6.6). Abbildung 6.4: Argumentation (Jiang & Grabe 2007: 45) Abbildung 6.5: Zeitliche Sequenz oder Prozess (Jiang & Grabe 2007: 44) Abbildung 6.6: Klassifizierung (Jiang & Grabe 2007: 45) 235 6.2 Höherstufige Prozesse des Lesens Die Verwendung einer dieser Superstrukturen kann die Einordnung und Gruppierung von Inhalten aus dem Text auf globaler Ebene erleichtern (vergleiche Louwerse & Graesser 2006). Neben der Herausarbeitung der Superstruktur des Textinhaltes finden sich weitere Organisationsstrategien, anhand derer der Inhalt eines Textes erfasst und je nach Bedarf neu strukturiert beziehungsweise reduziert und zur weiteren Verwendung aufbereitet werden kann. Beispiele für diese Art von Organisationsstrategien sind: konkrete Informationen im Text auffinden, Hauptgedanken des Textes identifizieren, Bezüge zwischen Teilen herstellen etc. (vergleiche Christmann & Groeben 1999). Im Gegensatz zu den Organisationsstrategien gehen die sogenannten Elaborationsstrategien über die Inhalte des Textes hinaus und erweitern diese anhand von bereits vorhandenen Wissensbeständen der Leserin oder des Lesers, damit sie oder er die erworbenen Kenntnisse zur Verwirklichung eigener Ziele nutzen kann (vergleiche Christmann & Groeben 1999). Die Elaborationsstrategien hängen insofern mit den Prozessen der Bildung von mentalen Modellen aus Texten zusammen und fördern wichtige höherstufige Prozesse des Lesens im Sinne der Definition des Begriffs »Lesekompetenz« aus der Studie PISA 2000: »Lesekompetenz-[…] heißt, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen« ( PISA 2001: 80). Demnach besteht der Leseprozess nicht nur darin, Textinhalte zu erfassen und deren lokale und globale Strukturen im Text zu erkennen, sondern vielmehr darin, das Textwissen nach eigenem Ermessen weiter zu verarbeiten und in neuen Situationen anzuwenden. Christmann und Groeben (1999) haben unter anderem folgende (Lese-)Strategien als Elaborationsstrategien bezeichnet: ▶ Analogien bilden, Beispiel suchen und Erklärungen finden; ▶ Vor- und Nachteile herausarbeiten, Gegenargumente finden; ▶ Aufstellen von Hypothesen; ▶ Absichten und Ziele des Autors herausarbeiten; ▶ Vergleiche von Informationen aus verschiedenen Quellen, Bewertung des Gelesenen; ▶ persönliche Relevanz herstellen. Das übergeordnete Ziel der Elaborationsstrategien besteht also darin, die Verbindung des neu erworbenen Wissens aus dem Text mit den bereits bestehenden Wissensstrukturen und persönlichen Erfahrungen zu erleichtern (vergleiche Munser-Kiefer 2014: 137ff). So sind zum Beispiel die in der Lerneinheit 6.1 exemplifizierten Übungen zur Förderung der Hypothesenbildung beim Lesen von Texten als Elaborationsstrategien anzusehen, da dadurch das Vorwissen der Leserin oder des Lesers in den Leseprozess integriert wird. Darüber hinaus betonen einige Studien aus dem Bereich der Lesestrategieforschung die Notwendigkeit, neben der Vermittlung von Organisations- und Elaborationsstrategien auch das sogenannte metakognitive Wissen zu fördern (vergleiche Sohrabi 2012; Munser-Kiefer 2014). Unter diesem Begriff sind das Wissen und die Kontrolle über die eigenen kognitiven Prozesse zu verstehen. So muss der Lerner nach Christmann & Groeben (1999) neben den eigentlichen Lesestrategien zum Beispiel auch lernen, wann und wie sie einzusetzen sind. Weiterhin soll der Lerner seinen eigenen Leseprozess überwachen und gegebenenfalls den Erfolg der ein- 236 6. Textverarbeitung gesetzten Lesestrategien beurteilen können (vergleiche Christmann & Groeben 1999). Daher sollte sich der Lerner vor dem Einsatz einer bestimmten Lesestrategie darüber im Klaren sein, welches Leseziel verfolgt wird, welche Lesestrategien sich dafür am besten eignen und welche situationsgebundenen Anpassungen vorzunehmen sind (zum Beispiel veränderte Gewichtung einzelner Anwendungsschritte). Auch sollte der Einsatz von Strategien stets auf die Leseziele abgestimmt sein. So ist zum Beispiel beim Auffinden bestimmter Textinformationen keine vertiefende Lektüre und ausführliche Herausarbeitung der Textstruktur erforderlich. Die metakognitiven Strategien werden in der darauffolgenden Einheit ausführlich behandelt. TIPP : Im Zuge der in den letzten Jahren intensivierten Förderung des Lesens im deutschen schulischen Kontext wurden mehrere Instrumente zur Vermittlung von Lesestrategien entwickelt, die eine integrative Sammlung von unterschiedlichen Lesestrategien zur Anwendung durch die Lerner bereitstellen, wie zum Beispiel der »Leselotse« (Jahrgangsstufen 3 bis 8) und der »LeseNavigator« (Jahrgangsstufen 6 bis 8). Weitere Informationen finden sich unter http: / / bildungsserver.berlin-brandenburg.de/ lesestrategien.html (Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, Stand August 2016). Die Nutzung von Visualisierungen als Lesestrategie Wie bereits gezeigt, sind die bisher beschriebenen höherstufigen Prozesse auf den Ebenen der Textbasis und des mentalen Modells wichtige Bestandteile des Leseprozesses, die jedoch eines differenzierten strategischen Vorgehens bedürfen. In diesem Abschnitt soll deswegen am Beispiel der textbegleitenden graphischen Übersichten gezeigt werden, wie Lesestrategien zu didaktischen Zwecken entwickelt und vermittelt werden können. Graphische Übersichten setzen sich meistens aus räumlich angeordneter bildlicher Information und sprachlicher Information zusammen, indem Konzepte (auch Knoten genannt) durch semantische Relationen (meistens durch Linien) und entsprechende Kennzeichnungen miteinander verbunden werden (Mayer 2001; vergleiche auch Keller & Grimm 2005: 169). Gerade die räumliche Darstellung der Sprachinformation stellt den Mehrwert von graphischen Übersichten dar, denn durch sie lassen sich Relationen zwischen Konzepten beziehungsweise Propositionen explizit machen (Tergan 2005; Gyselinck, Jamet & Dubois 2008: 356). Außerdem ermöglichen graphische Übersichten die externe Visualisierung von komplexen Konzeptstrukturen, die wir nur mit großem kognitivem Aufwand in unseren Köpfen abbilden könnten (vergleiche Ware 2005: 29; Rouet & Potelle 2005: 303). Für Fremdsprachenlerner hat dies auch den Vorteil, dass die Informationsverarbeitung teilweise über Bildverarbeitungsprozesse stattfinden kann. Auf diese Weise wird der Sprachverarbeitungskanal (vergleiche Kapitel 7) nicht zusätzlich überlastet und das Lernen aus Texten kann durch die Einbeziehung von bildlichen Merkmalen deutlich angereichert werden (vergleiche Mayer 237 6.2 Höherstufige Prozesse des Lesens 2005a). In Anlehnung an Sumfleth, Neuroth & Leutner (2010: 67) können folgende Schritte zur Erstellung einer graphischen Übersicht differenziert werden: ▶ wichtige Begriffe herausschreiben (eventuell auch Formulierung einer Ausgangsfrage); ▶ Art der räumlichen Anordnung festlegen (hierarchisch, sequenziell, netzwerkartig etc.); ▶ Begriffe entsprechend der ausgewählten räumlichen Anordnung auf dem Blatt verteilen; ▶ Begriffe durch Pfeile verbinden; ▶ Pfeile beschriften (optional). In Bezug auf Schritt 2 haben einige Studien gezeigt, dass die Berücksichtigung der bereits erläuterten Superstrukturen bei der Erstellung von graphischen Übersichten vor allem bei Lernern mit einem eher niedrigen Vorwissen über das Thema des Textes zu höheren Lernerfolgen führt als eher netzwerkartige graphische Darstellungen (siehe zum Beispiel Amadieu, Tricot & Mariné 2009; Möller & Müller-Kalthoff 2000; Potelle & Rouet 2003). Lerner mit höherem Vorwissen können hingegen mit einer konzeptionell komplizierteren graphischen Übersicht besser lernen, wie zum Beispiel mit nicht hierarchisch angeordneten beziehungsweise netzwerkartigen Übersichten. Im Folgenden werden zwei Beispiele für die hier erwähnten zwei Arten von graphischer Übersicht gezeigt: Abbildung 6.7: Hierarchische graphische Übersicht nach dem Kriterium der Klassifizierung (Puntambekar, Stylianou & Hübscher 2003: 42) 238 6. Textverarbeitung Abbildung 6.8: Netzwerkartige graphische Übersicht ohne erkennbares Zentrum (Puntambekar et al. 2003: 42) Oft ist es aber auch so, dass je nach Sachverhalt zwei oder mehr Superstrukturen in kombinierter Form bei der Erstellung der graphischen Übersicht verwendet werden (Jiang & Grabe 2007: 44). Weiterhin bieten graphische Übersichten zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten durch die Verwendung von Farben, die zum Beispiel zur Kennzeichnung von Zugehörigkeiten zwischen den Konzepten in der graphischen Übersicht genutzt werden können (vergleiche Folker, Ritter & Sichelschmidt 2005). Um dadurch den gewünschten Lernerfolg zu erzielen, wird allerdings empfohlen, die Farbkodierung stets an konkrete Anforderungen der Aufgabenstellung zu koppeln, da sich sonst diese Hilfestellung für das Ziel der Aufgabe als irrelevant herausstellt und gegebenenfalls zu lernhemmenden Effekten führen kann (Keller & Grimm 2005). Aus didaktischer Sicht besteht jedoch das Ziel einer solchen Strategie darin, dass die Lerner nicht nur rezeptiv, sondern auch produktiv mit graphischen Übersichten im Sinne einer Lernstrategie umgehen können. Wie könnte diese vermittelt werden? Die Vermittlung einer solchen Lernstrategie zur produktiven Anwendung kann in den folgenden drei Phasen verlaufen. In der ersten Phase setzen sich die Lerner im Rahmen der Lektüre von Texten mit unterschiedlich vorgefertigten graphischen Übersichten auseinander und machen sich mit den Komponenten und der Struktur von graphischen Übersichten vertraut. Dabei wird von der Lehrkraft ebenfalls erläutert, nach welchen Schritten graphische Übersichten erstellt werden (vergleiche Sumfleth et al. 2010). In einer zweiten Phase können den Lernern textbegleitende graphische Übersichten präsentiert werden, die noch Leerstellen enthalten und von den Lernern vervollständigt werden müssen. Schließlich können Lerner versuchen, nach dem in Phase 1 erläuterten Leitfaden selbstständig graphische Übersichten zu erstellen und ihre Ergebnisse in Arbeitsgruppen zu diskutieren. 239 6.2 Höherstufige Prozesse des Lesens TIPP: Zur Erstellung von graphischen Übersichten finden sich heutzutage zahlreiche Programme im Netz (siehe beispielsweise cmap.ihmc.us). Die kostenfreie Software Cmaps Tools© des Institute for Human and Machine Cognition ( IHMC ) hat sich aus vielen Gründen als ein sehr effizientes Tool erwiesen, unter anderem aufgrund der schnellen und einfachen Installation, der leichten Bedienbarkeit und der breiten Palette an Einstellungen für den Export von Dateien. 6.2.5 Zusammenfassung ▶ Die Bildung der Makrostruktur dient der effizienten Reduzierung der Textinformation und erfolgt durch die Anwendung der Makroregeln Auslassen, Generalisieren und Konstruieren. ▶ Fremdsprachenlerner zeigen aufgrund größerer Schwierigkeiten auf der Ebene der Textoberfläche oft eine defizitäre Erschließung der Textmakrostruktur. ▶ Organisationsstrategien dienen der Strukturierung von Textinhalten, Elaborationsstrategien gehen hingegen über den Inhalt des Textes hinaus und erweitern diesen anhand des Vorwissens der Leserin oder des Lesers. ▶ Zum metakognitiven Wissen gehört sowohl das Wissen um als auch die Kontrolle über die eigenen kognitiven Prozesse. ▶ Graphische Übersichten setzen sich aus räumlich angeordneter bildlicher Information und sprachlicher Information zusammen. ▶ Graphische Übersichten bieten vor allem aufgrund ihres piktorialen Informationsanteils große Vorteile für die Förderung des L2-Lesens. 6.2.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Zu welchem Zweck verwenden wir die sogenannten Makroregeln beim Lesen? 2. Welche Organisations- und Elaborationsstrategien kennen Sie? Geben Sie jeweils drei Beispiele. 3. Nach welchen Phasen kann die selbstständige Erstellung von graphischen Übersichten zur besseren Veranschaulichung der Textmakrostruktur vermittelt werden? 4. Welche Vorteile bietet der Einsatz von graphischen Übersichten als textbegleitende Lernhilfe für Fremdsprachenlerner? 240 6. Textverarbeitung 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung Parvaneh Sohrabi Im vorhergehenden Kapitel haben wir uns bereits mit der Lesekompetenz und deren Förderung durch Lernstrategien beschäftigt. In dieser Lerneinheit werden wir uns nun mit der Frage der Aufgabensteuerung, vor allem in Zusammenhang mit Multitasking-Situationen befassen. Multitasking-Situationen kennen wir bereits aus unserem Alltag. Darunter sind Situationen zu verstehen, in denen viele kleine Nebenprozesse (zum Beispiel Einkaufsliste im Kopf durchgehen, Tagesablauf resümieren, mit dem Partner auf dem Beifahrersitz sprechen etc.) parallel zu einem Hauptprozess wie etwa Autofahren ablaufen. Normalerweise meistern wir derartige Multitasking-Situationen ohne Mühe beziehungsweise ohne, dass wir in eine ungewollte Situation, zum Beispiel einen Unfall verwickelt werden. Diese Art der Aufgabensteuerung wird als exekutive Kontrolle und Regulation bezeichnet. Sie spielt nicht nur bei der Bewältigung von Alltagssituationen, sondern auch im Lerngeschehen, insbesondere bei der Rezeption von Wissensinhalten eine wichtige Rolle. In Bezug auf das Lernen werden die exekutiven Kontroll- und Regulationsaktivitäten als metakognitive Strategien bezeichnet. Im Folgenden werden wir uns mit dem Mehrwert und der Anwendung von metakognitiven Strategien bei der Bewältigung von Aufgaben, insbesondere im Hinblick auf das Erschließen von Texten befassen. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ Ihr eigenes Leseverhalten und den Gebrauch von metakognitiven Strategien besser beurteilen können; ▶ anhand von Sprachverarbeitungsmodellen und Wissen über Metakognition den Nutzen und die Funktionsweise von metakognitiven Strategien erklären können; ▶ diese Strategien adressatengerecht bei auftauchenden Schwierigkeiten beim Lesen in einer lerner- und handlungsorientierten Unterrichtseinheit umsetzen können; ▶ bestehende Fördermaßnahmen beurteilen können. 6.3.1 Kognitive Fertigkeiten und Lernstrategien als Bedingungskomponente erfolgreichen Lernens Kommen wir noch mal auf das Fallbeispiel Autofahren und weitere parallel ablaufende Prozesse zu sprechen. Wahrscheinlich erscheint Ihnen diese Alltagssituation so mühelos, dass Sie sich kaum an die Herausforderung erinnern können, wie es war, als Sie zum ersten Mal am Steuer saßen, nachdem Sie Ihren Führerschein gemacht haben, und zusehen mussten, wie Sie allein zurechtkommen. Der erfahrene Fahrer kann eine solche Multitasking-Situation 241 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung meistens selbstgesteuert und souverän meistern oder initiiert für die Bewältigung der Aufgabe automatisch Lösungswege. Wenn man ihn oder sie später nach den einzelnen Schritten fragen würde, die er unternimmt, um von Punkt A nach Punkt B zu kommen, so würde er sich vermutlich nicht an alle Schritte erinnern beziehungsweise diese verbalisieren können. Wichtig ist, dass er für diese Alltagssituation genug Erinnerungen an unterschiedliche Fertigkeiten aus dem sogenannten Fertigkeitengedächtnis abgerufen hat. Im Fertigkeitengedächtnis sind alle Erinnerungen zur Ausführung einer Fertigkeit oder Handlung gespeichert. In der gegenwärtigen Forschung unterscheidet man zwischen zwei Grundformen des Fertigkeitengedächtnisses: sensumotorische Fertigkeiten und kognitive Fertigkeiten. Sensumotorische Fertigkeiten umfassen motorische Fertigkeiten wie das Öffnen und Schließen von Türen, das Autofahren, das Tanzen oder das Trinken aus einem Glas. Kognitive Fertigkeiten hingegen werden zur Lösung von Problemen und Aufgaben beziehungsweise Anwendung von Strategien eingesetzt (vergleiche Gluck, Mercado & Myers 2010: 133f). Die Fähigkeit zu sprechen, zu schreiben, zu lesen oder auch Lernstrategien gezielt einzusetzen, sind gelernte kognitive Fertigkeiten. Der gemeinsame Nenner kognitiver Fertigkeiten besteht darin, dass sie über einen Zeitraum hinweg durch Übung verbessert werden können (siehe Gluck et al. 2010: 132). Gerade weil sie erworben werden können, spielen sie im Sozialisationsprozess des Menschen eine wichtige Rolle. Ohne kognitive Fertigkeiten würden wir Menschen die Schlüsselqualifikation »Selbständigkeit« nicht erwerben; damit sind hier möglichst vollständig und selbstständig initiierte Handlungsprozesse gemeint, wie etwa das Autofahren. Nun haben wir an dieser Stelle zwar über die Bewältigung von Aufgaben in Alltagssituationen gesprochen. Im Lernprozess spielen kognitive Fertigkeiten und hier vor allem Lernstrategien und Selbstregulationsfähigkeiten als wichtige Bedingungskomponenten eine entscheidende Rolle. Was kann man jedoch unter Lernstrategien und Selbstregulationsfähigkeiten im Lernprozess verstehen? Für den Begriff Lernstrategie liegen vielfältige Definitionen vor. Allgemein sind unter Lernstrategien Verfahren gemeint, »mit denen der Lerner den Aufbau, die Speicherung, den Abruf und den Einsatz von Informationen steuert und kontrolliert« (Tönshoff 2007: 332). An anderer Stelle gelten Lernstrategien als »mentale Prozesse, die auf die Lernzielerreichung ausgerichtet sind und nicht lediglich obligatorische Konsequenzen der Aufgabenbearbeitung darstellen. Sie sind intentional, potenziell bewusstseinsfähig, spontan unter Kontrolle der Person, kapazitätsbelastend sowie flexibel und selektiv« (Bannert 2007: 55). Nach Friedrich und Mandl (1992: 6) sind sie »Handlungssequenzen zur Erreichung eines Lernziels«. Auch Hasselhorn (1992: 36) geht von einem Handlungsbegriff aus und bezeichnet Lernstrategien als »zielgerichtete Prozesse, die potentiell bewußt [sic] und kontrollierbar sind.« Allen (2003: 231) versteht unter dem Begriff Lernstrategie »a step or action that is designed to enhance learning, that is not automatic, and that is deliberately chosen by the learner and applied to a learning task«. Bei Oxford (2003: 274) gilt eine Lernstrategie als »a plan that is consciously aimed at meeting a goal.- (…) conscious control, intention, and goal directedness remain essential criteria for a strategy«. Ein Vergleich der soeben angeführten unterschiedlichen Definitionen zeigt, dass bei allen Differenzen der gemeinsame Nenner von Lernstrategien darin liegt, dass sie zielgerichtete, bewusste und kontrollierbare Handlungen oder auch Prozesse sind. 242 6. Textverarbeitung Neben vielfältigen Definitionsversuchen des Begriffs Lernstrategie treffen wir auch auf unterschiedliche Klassifikationen. Die geläufigste Klassifikation der Lernstrategien ist immer noch die Aufteilung in sieben Kategorien: kognitive Strategien, metakognitive Strategien, mnemonische oder gedächtnisunterstützende Strategien, kompensatorische Strategien, affektive Strategien, soziale Strategien, selbstmotivierende Strategien (vergleiche Anderson 2005: 760). Während die ersten sechs bei Oxford (1990) zu finden sind, bevorzugen Chamot und O’Malley (1994) unter anderem die Unterteilung in kognitive, metakognitive, affektive und soziale Strategien. Die Arbeiten von Dörnyei (2001) kreisen um selbstmotivierende Strategien. Auf kognitive und metakognitive Strategien wird später detailliert eingegangen. An dieser Stelle wird der Vollständigkeit halber festgehalten, dass unter mnemonische oder gedächtnisunterstützende Strategien Lerntechniken wie etwa das Erstellen von Notizen und Merkzetteln fallen. Affektive Strategien werden zur Regulierung von Emotionen und Motivation herangezogen. Unter soziale Strategien fallen Aktivitäten, die der Lerner für die Interaktion mit anderen Lernern heranzieht (siehe Cohen 1999: 8; O’Malley & Chamot 1990: 8). Sozioaffektive Lerntechniken umfassen etwa Zusammenarbeiten, Fragen und Selbstgespräche führen (vergleiche O’Malley & Chamot 1990: 45). Unter selbstmotivierende Strategien schließlich fallen Lerntechniken wie Definition und Neudefinition von Lernzielen sowie Frustrationsbewältigung. Es gibt also unterschiedliche Definitions- und Klassifikationsversuche, die auf den ersten Blick unübersichtlich erscheinen. Auch scheint es schwierig, Lernstrategien und Lerntechniken auseinander zu halten. Für den fremdsprachlernbezogenen Bedarf hat sich eine aus der pädagogischen Psychologie stammende Grobunterteilung durchgesetzt, und zwar die Unterscheidung zwischen kognitiven und metakognitiven Strategien (Tönshoff 2007). Außerdem existiert ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal, mit dessen Hilfe Lernstrategien und Lerntechniken leicht voneinander abgegrenzt werden können. Lernstrategien sind hierarchiehöhere Prozesse beziehungsweise Handlungen. Lerntechniken dagegen sind Einzelmaßnahmen beziehungsweise Teilhandlungen dieser Prozesse (vergleiche Rampillon 2007: 340). Das bedeutet, dass Lerntechniken in Lernstrategien eingebettet sind und erst vor dem Hintergrund einer bestimmten Aufgabe im Rahmen einer bestimmten Lernstrategie auf den Plan gerufen werden. 6.3.2 Kognitive versus metakognitive Strategien Angenommen, Ihnen wird ein Text vorgelegt, den Sie sich selbst erschließen müssen, um ihn dann zusammengefasst wiederzugeben. Gängige Strategien, die man in solchen Fällen einsetzt, sind unter anderem das Zusammenfassen, Organisieren und bildhafte Darstellen. Die anzuwendenden Lerntechniken als Teilhandlungen wären Markieren, Unterstreichen wichtiger Textpassagen mit einem Marker und Überführen der Schlüsselwörter in ein Diagramm, in dem die Relationen der einzelnen Inhalte des Textes zueinander sichtbar gemacht werden. Die obengenannten Strategien werden in der Fachliteratur als kognitive Strategien bezeichnet. Kognitive Strategien dienen der »unmittelbaren Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung« (Wild, Schiefele & Winteler 1992: 3) und umfassen daher Lern- 243 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung techniken, die auf Aufnahme, Identifikation, Einordnung, Einprägung, Elaborieren und kritische Prüfung sowie Speicherung von Informationen abzielen (vergleiche Cohen 1999: 7; O’Malley & Chamot 1990: 8). Strzebkowski (2006: 72) ordnet den folgenden Strategien diese Lerntechniken zu: ▶ Memorierungs- und Wiederholungsstrategien: ▷ Einprägen einzelner Inhaltselemente ins Langzeitgedächtnis; ▷ Aktives Wiederholen und Hersagen; ▷ Anwenden einer Wort-Kartei-Maschine; ▶ Elaborationsstrategien: ▷ Anreichern neu zu lernender Inhalte mit Zusatzinformation, semantische Analyse und Umarbeitung zwecks besserer und breiterer Integration dieser Informationen in vorhandene kognitive Strukturen; ▷ Aktivieren des Vorwissens; ▷ Herstellen von Beziehungen zum Vorwissen; ▷ Bilden sinnvoller interner Verknüpfungen (Herausbildung interner Struktur) des neu zu lernenden Stoffes (Konstruktion); ▷ Nutzen von Analogien und Beispielen; ▷ Paraphrasieren; ▷ Arbeiten mit kognitiven Landkarten und concept-map Darstellungen; ▷ Analysieren von Zusammenhängen; ▷ Herausarbeiten von Verbindungen zwischen den Teilaspekten des Gesamtinhalts; ▷ Fragen formulieren und beantworten; ▷ Kritisieren; ▷ Schlussfolgerungen ziehen; ▷ Anwenden des Neugelernten auf andere Sachverhalte (Transfer); ▶ Transformationsstrategien: ▷ Übertragen von Informationen in eine andere Präsentationsform, in der Regel gekoppelt mit reduktiv-organisierenden Strategien; ▷ Mindmap, Semantisches Netzwerk (networking), Diagramm, Visualisierungen und Vorstellungsbilder, Plakate nutzen; ▶ Reduktiv-organisierende Strategien: ▷ Reduktion der Komplexität der Information und Kategorisierung in größere Sinneinheiten zwecks besserer Übersichtlichkeit, Verständlichkeit und Erfassung der Information; ▷ Reduzieren der Informationsmenge auf einzelne Begriffe (Verschlagwortung) und Konzepte; ▷ Semantisches Klassifizieren- - Bildung von Begriffs- und Konzeptklassen und Gliederungen; ▷ Erstellen von Begriffslisten; ▷ Reduzieren auf semantische Strukturen (assoziative, hierarchische, kausale); 244 6. Textverarbeitung ▷ Zusammenfassen (in Textform, mit Hilfe grafischer Techniken wie networking, mapping oder Diagrammerstellung als Formen von Transformationsstrategien); ▷ Notizen und Mitschriften erstellen; ▷ Spickzettel anfertigen; ▷ Organisieren, Klassifizieren und Kennzeichnen des Lernmaterials. Mithilfe der kognitiven Strategien jedoch kann das selbstständig initiierte Lösen von Aufgaben nur halbwegs gewährleistet werden. Eine restlose Auflösung setzt neben kognitiven Strategien auch Kontrollprozesse dieser Strategien voraus (vergleiche Boekaerts 1997; Friedrich, Mandl 1992; Simons 1992). Man denke allein nur an einen versierten Schachspieler, der seine Züge mindestens fünf Schritte im Voraus zu planen hat, wofür neben gut organisierten Wissensbeständen, auch das Planen, Umsetzen, Kontrollieren und Bewerten der Züge und gegebenenfalls eine Neuzusammensetzung der Züge erforderlich sind. Die Begriffe der Selbstregulation, Selbstkontrolle und Selbststeuerung zielen auf die kontrollierenden und regulativen Aspekte des selbstständigen Lernens, die mithilfe der sogenannten metakognitiven Strategien realisiert werden. Im Vergleich zu den kognitiven Strategien zielen metakognitive Strategien weniger auf den eigentlichen Lernvorgang ab, wie es bei kognitiven Strategien der Fall ist, sondern vielmehr auf die Kontrolle der kognitiven Vorgänge und des eigenen Lernfortschritts (siehe Hasselhorn 1992: 37). Sie setzen sich aus zwei Aspekten zusammen, dem statischen deklarativen Wissensaspekt und dem dynamischen exekutiven Kontrollaspekt, auf die wir im Verlauf dieses Abschnittes vertiefter eingehen werden. Die ersten konzeptuellen Überlegungen über die Bestandteile der Metakognition gehen auf die Entwicklungspsychologen John Flavell (1971) und Ann Brown (1978) zurück. Flavell beschäftigte sich dabei mit dem deklarativen Wissensaspekt, Brown vor allem mit dem exekutiven Kontrollaspekt. Die Unterscheidung zwischen deklarativem Wissensaspekt sowie exekutivem Kontrollaspekt, die in Anlehnung an die Wissenspsychologie entstanden ist, geht auf Kluwe (1981; 1982) zurück und ist wichtig für die Praxis, zumal nicht alle Bestandteile der Metakognitionen gefördert werden können. Welcher Bestandteil erlernbar und daher einer Förderung zugänglich ist, wird später ausführlicher erklärt. Der deklarative Wissensaspekt der Metakognition, auch Metagedächtnis genannt, setzt sich vor allem aus dem Wissen über Lern- und Erinnerungsstrategien zusammen, die im episodischen Gedächtnis (Erinnerungen an Ereignisse) und im semantischen Gedächtnis (Erinnerungen an Fakten) angesiedelt ist. Er hat also mit dem Können beziehungsweise Anwenden nichts zu tun. Daher spricht Flavell (1984) auch vom Metagedächtnis. Zusammen mit Wellman hat er diesen Begriff anhand der vier nachstehenden subkategorialen Wissensbereiche ausgebaut (siehe Abbildung 6.9): Das Wissen um die Personenvariable ermöglicht es dem Lerner, seine Kenntnisse realistisch einzuschätzen. Das Wissen um die Aufgabenvariable umfasst Kenntnisse von Faktoren, die eine Lernanforderung erleichtern oder erschweren. Wissen um die Strategievariable meint Kenntnisse über allgemeine und spezielle Lern- und Behaltensstrategien. Erst mithilfe der metakognitiven Empfindungen (Sensitivität) jedoch kann eine Aufgabe hinsichtlich ihres Schwierigkeitsgrads richtig eingeschätzt werden, was wiederum eine korrekte Strategieauswahl ermöglicht (vergleiche Flavell 1984: 24f). Damit 245 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung kommt diesem Teil des Wissensaspekts eine Schlüsselfunktion zu, denn sie ist es, die aufgrund des verfügbaren strategischen Wissens des Lerners das strategische Handeln in Gang setzt (siehe Hasselhorn 1992: 37f). Abbildung 6.9: Komponenten des Metagedächtnisses Um das Zusammenspiel zu verstehen, kommen wir exemplarisch auf eine Situation am Bahnhof zu sprechen. Angenommen ein siebenjähriges Kind würde den Auftrag bekommen, die Großmutter vom Bahnhof abzuholen. Aufgrund des Schwierigkeitsgrads der Aufgabe wäre das Kind mit der gesamten Situation überfordert. Wie die Reaktion ausfallen würde, wäre unterschiedlich. Im Idealfall hätte es einen Erwachsenen aus seinem Umfeld um Hilfe gebeten. Ein Erwachsener hingegen hätte genug Erinnerungen an Ereignisse und Fakten im Gehirn, um sich der Aufgabe gewachsen zu fühlen (Sensitivität). Dieses Wissen jedoch würde allein nicht ausreichen, um die Aufgabe zu bewältigen. Erst der Abruf kognitiver Fertigkeiten aus dem Fertigkeitendächtnis würde das Kind zu den folgenden Handlungen befähigen: bestimmte (Fehl)Informationen (Lärm auf dem Bahnhof etwa) zu unterdrücken beziehungsweise zu manipulieren, um das eigentliche Ziel (richtige Information erhalten bezüglich Ankunftsort und -zeit) zu erreichen. Die kognitiven Fertigkeiten, die hier aus dem Fertigkeitengedächtnis abgerufen werden, werden in der Fachliteratur als exekutiver Kontrollaspekt der Metakognition bezeichnet. 246 6. Textverarbeitung Der exekutive Kontrollaspekt der Metakognition berührt die Frage, »wie« das deklarative Strategiewissen vom Lerner in eine Handlung umgesetzt beziehungsweise genutzt wird. Ann Brown schlüsselt die exekutiven Regulationsprozesse auf in Planungsaktivitäten, Überwachungsaktivitäten und Ergebnisaktivitäten. Die Planungsaktivitäten setzen vor dem Bearbeiten einer Aufgabe ein (siehe Brown 1984: 63). In dieser ersten Phase werden die Aufgabenanforderung und die hierfür erforderlichen Ressourcen eingeschätzt, Lernziele und Lernfrage formuliert, das Vorwissen aktiviert und angemessene Strategien ausgewählt (vergleiche Bannert 2007: 26). Die Überwachungsaktivitäten finden während des Lernens statt. Dazu zählen Steuerung, Prüfung, Abänderung und Neuplanung der Strategien (siehe Brown 1984: 63). Mithilfe der Überwachungsprozesse wird die Aufmerksamkeit auf das Lernen gelenkt und die Zielerreichung überprüft. Ferner werden die eingesetzten Strategien auf ihre Adäquatheit überwacht, auftretende Schwierigkeiten beseitigt und bei unklaren Stoffgebieten Lernvorgänge wiederholt (vergleiche Bannert 2007: 26). Mit Ergebnisüberprüfung ist die »Überprüfung des Ergebnisses der Strategieanwendung nach Effizienz- und Effektivitätskriterien« gemeint (Brown 1984: 63), was eine »Diagnose und Bewertung des erzielten Lernfortschritts sowie die Beurteilung über die Angemessenheit des Strategie-Einsatzes« voraussetzt (Bannert 2007: 26). Damit setzt sich der exekutive Kontrollaspekt der Metakognition aus Lerntechniken zur Voreinschätzung, Vorplanung, Online-Planung, Evaluation und Post- Evaluation der Lernprozesse zusammen (siehe Cohen 1999: 7; O’Malley & Chamot 1990: 8). Was kann man jedoch konkret darunter verstehen? Angenommen man hat Ihnen gerade einen Text zum Thema Handystrahlen zum Bearbeiten gegeben. Wie würden Sie vorgehen? Welche metakognitiven Arbeitstechniken würden Sie einsetzen? Würden Sie sofort los lesen? Wohl kaum! Vor dem eigentlichen Lesen würden Sie sich die Frage stellen Worüber handelt der Text? Sie würden also eine Voreinschätzung treffen. Die nächste gute Frage wäre Warum lese ich den Text? Lese ich den Text, um mir einen Überblick zu verschaffen oder um darin eine spezielle Information zu finden? Sie planen beziehungsweise definieren Ihr Leseziel. Erst dann würden Sie mit dem eigentlichen Lesen anfangen und sich dabei Ihr Leseziel immer wieder vor Augen führen; Sie überwachen Ihre Aktivitäten, indem Sie sich die Frage stellen Worin besteht der Bezug zum Leseziel? Alles, was mit dem Leseziel zu tun hat, würden Sie irgendwie markieren. Alles andere würden Sie verwerfen. Wenn Sie mit dem Lesen fertig sind, fragen Sie sich Was habe ich verstanden? Habe ich alles verstanden oder nicht? Was habe ich nicht verstanden, und warum? Die nachstehende Abbildung 6.10 veranschaulicht die soeben besprochenen Schritte. 247 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung Abbildung 6.10: Exekutiver Kontrollaspekt der Metakognition - Fallbeispiel Lesen Natürlich finden sich neben dem Klassifizierungsschema von Flavell und Brown auch weitere alternative Versuche wie der von Hasselhorn (1992: 42). Er unterscheidet zwischen fünf Subkategorien der Metakognition: Systematisches Wissen, Epistemisches Wissen, Exekutive Prozesse (Kontrolle), Sensitivität für die Möglichkeiten kognitiver Aktivitäten und Metakognitive Erfahrungen bezüglich der eigenen kognitiven Aktivität. Nun haben wir an dieser Stelle ausführlich über Lernstrategien (metakognitive und kognitive Strategien) und Lerntechniken gesprochen. Wir haben gesagt, dass Lernstrategien hierarchiehöhere Prozesse beziehungsweise Handlungen und dass Lerntechniken Einzelmaßnahmen beziehungsweise Teilhandlungen dieser Prozesse sind. Wie kann man sich aber das Zusammenspiel von metakognitiven und kognitiven Strategien und Lerntechniken vorstellen? Das Verhältnis zwischen kognitiven, metakognitiven Strategien und Lerntechniken ähnelt einer Betriebshierarchie (siehe Abbildung 6.11). Metakognitive Strategien funktionieren ungefähr wie eine Managerin oder ein Manager in einem großen Unternehmen, die 248 6. Textverarbeitung beziehungsweise der ein Team oder eine Abteilung verantwortet und die Arbeit von anderen leitet, organisiert, koordiniert und überwacht. Als kleinster gemeinsamer Nenner aller Managerposten lassen sich daher vier Primäraufgaben herausstellen: Planung, Organisation, Führung und Controlling. Diese vier Primäraufgaben dienen alle dazu, ein Ziel, das sich ein Unternehmen gesetzt hat, zu erreichen. Kognitive Strategien fungieren wie der oder die leitende Angestellte in einer Abteilung eines Unternehmens. Innerhalb dieser Abteilungen delegieren sie wiederum die vom Manager oder der Managerin zugewiesenen Aufgaben. Lerntechniken ähneln den einfachen Angestellten, die nur für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich sind. Abbildung 6.11: Zusammenspiel von metakognitiven und kognitiven Strategien und Lerntechniken Wie man sieht, kommt besonders der metakognitiven Strategie (Managerfunktion) eine besondere Rolle in der Aufgabenbewältigung zu. Tatsächlich konnten inzwischen viele Nachweise für eine exekutive Steuerung und Kontrolle bei vielen kognitiven Funktionen erbracht werden, darunter (1) die gesteuerte Aktualisierung von Kurzzeitspeichern, (2) Zielvorgabe und Planung, (3) Aufmerksamkeitssteuerung beim Umschalten von einer Aufgabe zu einer anderen (task switching) sowie (4) Reizauswahl und Reaktionsunterdrückung. (Gluck et al. 2010: 181) Jetzt kennen wir zwar die Lernstrategien und können uns schon gut vorstellen, welche Prozesse in einem Menschen in der Alltagssituation oder zum Beispiel im Lerner beim Verarbeiten eines Textes ablaufen. Jetzt wollen wir jedoch auch wissen, wie die einzelnen Aktanten der Informationsverarbeitung miteinander agieren. Welche Rolle spielen dabei das deklarative Wissen und die exekutive Kontrolle der Metakognition im Lerngefüge und unter Einbezug welcher zusätzlichen Faktoren? Versuche einer Modellierung des Zusammenspiels metakognitiver (Sub-)Kategorien unter Berücksichtigung weiterer Determinanten 249 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung beziehungsweise Aktanten der Informationsverarbeitung gehen auf die Arbeitsgruppe um Borkowski zurück. Von ihnen wurde das in Abbildung 6.12 dargestellte Modell der guten Informationsverarbeitung aufgestellt. Abbildung 6.12: Metakognitives Modell der guten Informationsverarbeitung (nach Borkowski & Thorpe 1994: 54; Borkowski 1996: 399) Das Modell der guten Informationsverarbeitung funktioniert nach einem Input- (Aufgabe) und Output-Prinzip (Feedback). Die Bearbeitung oder Nichtbearbeitung einer Aufgabe wird durch das Wissen um das Selbst und die eigene Fähigkeit gesteuert (Sensitivität). Sollte der Lerner feststellen, dass er einer Aufgabe nicht gewachsen ist, dann werden weitere Prozesse gar nicht erst aktiviert und die Aufgabe wird nicht bearbeitet. Andernfalls werden zunächst exekutive Prozesse gestartet, also Strategien zum Planen des Bearbeitungsprozesses eingesetzt (Planen). Vor diesem Hintergrund werden aus einem Inventar strategischen Wissens geeignete Strategien abgerufen (Überwachen) und es kommt zu einem Strategiegebrauch, was wiederum eine bestimmte Leistung zur Folge hat. In Anlehnung an die erbrachte Leistung wird ein Feedback abgegeben (Bewertung). Das Feedback meldet auf der einen Seite dem spezifischen Strategiewissen, ob die abgerufenen Strategien geeignet waren und lässt auf der anderen Seite die Motivationslage steigen oder fallen (vergleiche Sohrabi 2012: 42f). Wie gut Sie also eine Aufgabe bewältigen (Fertigkeit) hängt von der Häufigkeit und Intensität Ihrer vorausgehenden Erfahrungen sowie vom Feedback ab, dass Sie bekommen. 250 6. Textverarbeitung 6.3.3 Notwendigkeit einer Förderung von Lernstrategien Im Verlauf dieses Kapitels haben wir erwähnt, warum Lernstrategien eine wichtige Rolle im Lerngeschehen spielen. In der Forschungsliteratur werden häufig als Voraussetzung für effektives selbständiges Lernen Lernstrategien angeführt (siehe Schiefele und Pekrun 1996; Weinert 1996). Ferner wird von der Annahme ausgegangen, dass die Qualität der Lernleistung von der Qualität des Einsatzes von Lernstrategien entscheidend beeinflusst werden kann (Artelt 2000). Dies konnte auch in Studien nachgewiesen werden. Davis und Linn (2000) konnten belegen, dass metakognitive Aufforderungen zu einem größeren Lerneffekt führen. Sowohl Veenman (1993) als auch Simons und De Jong (1992) konnten signifikante Lerneffekte nachweisen und zwar nur bei versierten Lernern, bei denen sich ein gewisser Grad an Automatismus eingestellt hat. In den Studien von Lin und Lehman (1999) sowie Stark und Krause (2009) stellten sich Lernerfolge nur bei schwierigen Aufgaben beziehungsweise sogenannten Transferaufgaben oder auch Inferenzfragen ein. Auch bei Plötzner und Härder (2001) konnte der Nachweis erbracht werden, dass die Anregung zum Kohärenzerschließen (metakognitive Prompts) zu besseren Lernleistungen führt, als die Anregung zum Faktenlernen (kognitive Prompts). Ähnliche Befunde liegen auch bei Bannert (2003; 2005 und 2006) vor, wo innerhalb der Experimentalgruppe ein metakognitiv-strategisches Lernverhalten sowie bessere Leistungen besonders im Anwendungswissen nahgewiesen werden konnten. Abgesehen von den Befunden leben wir in einem Zeitalter, in dem das »lebenslange Lernen und die Lernfähigkeit eine zentrale extrafunktionale Qualifikation in allen Bereichen des Arbeitslebens darstellt« (Tönshoff 2007: 332). Diese allgemeinen Begründungen rechtfertigen schon eine unterrichtliche Beschäftigung mit Lernstrategien. Was weiterhin für eine Förderung spricht, ist, dass kognitive Fertigkeiten- - darunter auch Lernstrategien- - eine Grundform des Fertigkeitengedächtnisses sind. Wie alle Fertigkeiten sind auch kognitive Fertigkeiten erlernbar. Wie anders würde es sich erklären, dass der Mensch als lernendes Individuum unterschiedliche Lernphasen durchläuft: ▶ In der kognitiven Lernphase muss man noch jede Handlung planen. ▶ In der assoziativen Phase kann man zwar gut mit den Strategien umgehen, man weiß aber, dass noch einiges verbessert werden kann. ▶ In der automatisierten Phase ist man schon ein Experte und kann Strategien anwenden ohne darüber nachzudenken. ▶ Als erfahrener Meister kann man sich auf seine Erinnerungen und Fertigkeiten verlassen (vergleiche Gluck 2010: 132). Das kleine Kind am Bahnhof etwa würde sich in der kognitiven Lernphase befinden. Der Erwachsene hingegen würde in der Bewältigung von Stresssituationen am Bahnhof als Experte oder gar Meister eingestuft werden. Gerade weil der exekutiven Steuerung und Kontrolle eine Schlüsselfunktion zukommt, sind seit dem Aufkommen des metakognitiven Konzepts in den 1970er Jahren bis jetzt zahlreiche metakognitive Förderprogramme konzipiert und erprobt worden, von denen einige sogar beste Evaluationsergebnisse erzielen konnten (Sohrabi 2012: 86). Ein wesentliches Ziel 251 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung metakognitiver Förderung ist nach Brown, Campione & Day (1981: 14) der Aufbau spezifischer Lernkompetenzen bei Lernern durch systematische Instruktionsmaßnahmen und damit maßgebliche Verbesserungen der Lernleistungen. Dabei sollen nicht nur »mittelfristige und bereichsspezifische Wirkungen, sondern auch langfristige und generelle bereichsübergreifende Lernverbesserungen erreicht werden« (Hasselhorn 1992: 53). Man unterscheidet zwischen direkten, indirekten und kombinierten Trainingsmaßnahmen. Direkte Trainingsmaßnahmen geben vor allem einen generellen Überblick, erklären gründlich die strategischen Lernaktivitäten und sorgen anhand angeleiteter Übungen für die notwendige Konsolidierung. Unter indirekten Maßnahmen sind eher Lernaufforderungen zu verstehen, mit deren Hilfe Lerner zu gewissen Zeitpunkten während des Lernens aufgefordert werden, bestimmte kognitive und metakognitive Aktivitäten auszuführen. Treten sie in Kombination auf, spricht man von kombinierten Trainingsmaßnahmen (vergleiche Bannert 2007: 235). Im Falle von direkten Fördermaßnahmen besteht das Ziel darin, den Lerner gründlich in die Nutzung von Lernstrategien einzuführen. Auf welche Weise könnte das gelingen? Innerhalb der letzten 40 Jahre sind unterschiedliche Modelle zur Strategieinstruktion konzipiert worden, die unter dem Begriff strategy-based-instruction-models ( SBI -Modelle) zusammengefasst werden. Repräsentative SBI -Modelle stammen von O ’Malley und Chamot (1990), Oxford (1990), Grenfell und Harris (1999), Chamot (2005) sowie Chamot, Barnhardt, El-Dinary und Robbins (1999). Abgesehen von wenigen Abweichungen sind allen diesen Modellen folgende vier Schritte gemeinsam (siehe Rubin, Chamot, Harris & Anderson 2007: 142): raising awareness, presentation and modeling of strategies, multiple practice opportunities und self-evaluation of the effectiveness & transfer of strategies to fresh tasks. In einer ersten Sensibilisierungsphase (raising awareness) gilt es, die Aufmerksamkeit des Lerners auf die von ihm bereits verwendeten Strategien zu lenken. Die Sensibilisierung kann mithilfe von standardisierten Fragebögen, Gruppenarbeit, Fragen zum Beispiel in Form von W-Fragen, Lernerjournalen oder auch Lesen von Fachliteratur zum Thema Strategien erfolgen. Warum ist aber eine Sensibilisierungsphase wichtig? Das Problem liegt in der Natur der Sache: »Im Unterschied zum episodischen und semantischen Gedächtnis können die Inhalte des Fertigkeitengedächtnisses [darunter fallen auch Lernstrategien], nicht immer verbalisiert werden« (Gluck et al. 2010: 132). Das ist auch der Grund, weshalb man sich selbst als versierter Leser nicht an alle Schritte erinnern kann, die man unternommen hat, um einen Text zu verstehen. Angenommen Sie bekommen einen Zeitungsartikel und sollen sich in wenigen Minuten einen ersten Eindruck verschaffen. Wie würden Sie vorgehen? Unter anderem müssten Sie zunächst den Text überfliegen und sich anhand von informationsreichen Wörtern und Textstellen einen ersten Eindruck verschaffen. Um sich dann ein kohärentes Bild vom Thema aufzubauen, würden Sie wahrscheinlich auf Organisationstechniken wie etwa Notizen und Mindmaps zurückzugreifen. Zur Einschätzung der Lesestrategien kann das Beurteilungsraster von Mokhtari & Reichard (2002) das sogenannte metacognitive awareness of reading strategies inventory ( MARSI ) eingesetzt werden, das mit 443 Probanden getestet wurde und eine hohe Reliabilität von .89 aufweist. Mehr über Vor- und Nachteile der Methoden zur Sensibilisierung erfahren Sie in Rubin, Chamot, Harris und Anderson (2007: 152). Neben 252 6. Textverarbeitung den genannten Offline-Instrumenten existieren sogenannte Online-Instrumente, zu denen Protokolle des Lauten Denkens ( LD -Protokolle), Logfile-Analysen und Eye-Tracking-Devices gezählt werden können. In der Präsentationsphase (presentation) wird zunächst die Nutzung von Strategien modelliert sowie in die Nutzung neuer Strategien eingeführt. Anschließend, in der Übungsphase (practice), wird den Lernern die Möglichkeit zur Einübung neuer Strategien angeboten. In der Phase der Selbstevaluation und Beurteilung (self-evaluation & assessment) werden dann die neu erlernten und verwendeten Strategien auf ihre Zielrelevanz und Adäquatheit überprüft. Näheres zu den SBI -Modellen siehe unter Harris (2003: 7). Unter die Konzepte direkter (meta-)kognitiver Förderung für das Lesen fallen nach Allen (2003: 326): reciprocal teaching approach ( RTA ) von Palinscar und Brown (1984), transactional strategy instruction ( TSI ) von Pressley und Wharton-McDonald (1997) und cognitive academic language learning approach ( CALLA ) von Chamot und O’Malley (1994). Die ersten beiden sind für das Lesen in der L1 und der cognitive academic language learning approach ( CALLA ) für das Lesen in der Fremdsprache konzipiert worden. Wir haben zuvor gesagt, dass unter indirekten Maßnahmen Lernaufforderungen zu verstehen sind, mit deren Hilfe Lerner zu gewissen Zeitpunkten während des Lernens aufgefordert werden, bestimmte kognitive und metakognitive Aktivitäten auszuführen. Darunter können Lernhilfen (Scaffolds) und hier vor allem prozedurale Lernaufforderungen (process prompts) gezählt werden, die direkt während des Lernens (Bannert 2007: 235) von der Lehrperson vorgegeben werden. Scaffolds dienen der Initiierung und Förderung spezifischer Lern- und Regulationsaktivitäten. Die Förderung mit Scaffolds kann durchgehend über den ganzen Lernprozess oder zeitweilig, das- heißt jeweils zu Beginn eines neuen Lernabschnitts und dann mit schrittweiser Ausblendung erfolgen (Rosenshine, Meister & Chapman 1996: 186). Zum Zweck einer flexiblen und adaptiven Informationspräsentation werden sie für computerunterstützte Lernumgebungen als besonders geeignet angesehen (Lin 2001; Maule 2000; Puntambekar 1995). Lin, Hmelo, Kinzer & Secules (1999: 46f) unterscheiden die vier Scaffolding-Arten process displays, process models, reflective discourse und process prompts. Bei process displays muss der Lerner die von ihm während einer Aufgabe verwendeten Problemlöse- und Denkprozesse modellieren. Bei process models liegt die Modellierung der Denkprozesse eines Experten oder einer Expertin vor und der Lerner muss seine Denkprozesse mit denen des Experten oder der Expertin vergleichen. Reflective discource bietet dem Lerner die Komponente des sozialen Austauschs sowie die Möglichkeit eines Feedbacks. Das Feedback erfolgt fremdinduziert entweder von Mitlernern oder der Lehrperson selbst. Mithilfe der process prompts wird noch während der Aufgabenbearbeitung die Aufmerksamkeit der Lerner auf ganz bestimmte Verarbeitungsprozesse gelenkt, was zur Selbstreflektion beim Lerner führt (Rosenshine et al. 1996). Damit liegt der Mehrwert von prompts vor allem in der Anregung exekutiver Kontroll- und Steuerungsprozesse der Lerner (Rosenshine et al. 1996). In Anlehnung an eine durchgeführte Metaanalyse haben Rosenshine et al. (1996: 186) sechs prompting-Maßnahmen herausgearbeitet: signal words, generic question stems & generic questions, main idea, question types, story 253 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung grammar categories und no apparent procedural prompts. Bei signal words muss der Lerner selbst Fragen entwickeln, zum Beispiel über Fragepronomen (wer, was, wann, wo, wie, warum). Bei generic question stems & generic questions hingegen werden dem Lerner allgemein vorformulierte Fragen beziehungsweise Fragegerüste präsentiert. Im Falle von main idea muss der Lerner zunächst die grundlegende Aussage eines Textabschnittes identifizieren, bevor er Fragen stellen kann. Ähnliches liegt auch bei story grammar categories vor. Der Lerner ist hier selbst für die Entwicklung von Fragen zu den zentralen Elementen von Geschichten und Episoden verantwortlich, zum Beispiel Wer entscheidet die Maßnahme? Wie konnte es passieren, dass-…? Question types werden über drei Fragetypen operationalisiert: Die ersten zwei Fragen fallen unter Faktenwissen-Fragen und die dritte unter Inferenzwissen-Fragen. Faktenwissen umfasst solche Fragen, die anhand des zu lesenden Satzes oder der Integration mehrerer Sätze beantwortet werden können. Inferenzwissen umfasst Fragen, deren Beantwortung über das reine Textlesen hinausgeht. Bei no apparent procedural prompts schließlich wird keine Fragegenerierung vorgenommen, sondern wird der Lerner durch die Lehrperson in die Technik des Fragestellens eingeführt. Die Bedeutung der Metakognition steigt vor allem mit wachsender Komplexität der Aufgaben. In diesem Fall erweisen sich Problemlöse-prompts als besonders effektiv. So haben Kauffman, Ge, Xie & Chen (2008) für prompts zum Problemlösen einen hohen Effekt verzeichnet. Reflektierende prompts erwiesen sich erst dann als effektiv, wenn zuvor Problemlöse-prompts präsentiert worden sind. Chi, De Lee, Chiu und La Vancher (1994) untersuchten die Lernförderlichkeit von Selbsterklärungen. In der Studie von Berardi-Coletta, Buyer, Dominowski & Rellinger (1995) steht die Wirksamkeit von prompts im Bereich des Problemlösens im Vordergrund. In einer Metaanalyse gehen Rosenshine und Kollegen (1996) anhand von 26 empirischen Studien auf die Effektivität indirekter Förderung der metakognitiven Strategien des Fragestellens anhand von prompting-Maßnahmen ein. Die Metaanalyse von Hattie, Biggs & Purdie (1996) befasst sich mit mehr als 50 empirisch überprüften Strategieinterventionen. Und in der Metaanalyse von Haller, Child und Walberg (1988) schließlich wird die metakognitive Strategievermittlung beim Textverstehen überprüft. Die Übersicht über bisherige Studien unterstreicht die Rolle metakognitiver Strategien für den Lernprozess (Anderson 2005). Als nicht bewiesen gilt jedoch die Nachhaltigkeit solcher Programme. Dass Fördermaßnahmen effektiv sein können, ist nun klar, unklar ist immer noch, in welcher Kombination die besprochenen Grundlagen strategischer Fördermaßnahmen-- ob direkt oder indirekt-- auftreten müssen, damit eine Fördermaßnahme den nötigen Effekt mit sich bringt. Auf diese Frage wird im nächsten Abschnitt eingegangen. 6.3.4 Design- und Instruktionsprinzipien adäquater Fördermaßnahmen Für den Praxisbezug ist es nötig zu wissen, in welcher Kombination die Fördermaßnahmen im Unterrichtsgeschehen eingebaut werden sollen, damit sie zum Lernerfolg beitragen können. Diese Frage wird in der Regel in direkten Bezug gesetzt zu 254 6. Textverarbeitung ▶ der anvisierten Zielgruppe und ▶ den jeweils vorliegenden Kontextbedingungen wie etwa Dauer der Intervention, Grad der Integration der Fördermaßnahme im Lernkontext, Vermittlungsart, Sozialformen sowie Lehrmethode (Brown & Day 1983; Friedrich & Mandl 1992; Hasselhorn 1995). Grundsätzlich existieren die Zielgruppen mit Produktions- oder Mediationsdefizit. Im Falle eines Produktionsdefizits verfügt der Lerner zwar über das notwendige metakognitive Strategiewissen und die erforderlichen Regulationsfertigkeiten, setzt jedoch die verfügbaren zieladäquaten Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht zwingend ein beziehungsweise produziert diese nicht spontan (Hasselhorn 1995; Weinert 1984). Warum? Der spontane Einsatz von Lern- und Erinnerungsstrategien hängt vom verfügbaren Wissen über solche Strategien ab sowie deren effektiver Regulation und Überwachung (Hasselhorn 1992). Sollte ein Produktionsdefizit vorliegen, so müsste eine kurzfristige indirekte Fördermaßnahme ausreichen, um das Lernen zu verbessern. Im Gegensatz hierzu verfügt der Lerner bei einem Mediationsdefizit schon im Vorfeld nicht über ein ausreichendes metakognitives Strategiewissen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer direkten Trainingsmaßnahme, die wie zuvor erwähnt, die Kompetenzsteigerung durch langfristige Förderung beabsichtigt (Drewniak 1992; Ghatala 1986; Hasselhorn & Hager 1998). In Bezug auf die Interventionsdauer unterscheidet man zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen. Die Dauer ist wichtig. Vielfach wird in der Forschungsliteratur das Ausbleiben von Trainingseffekten auf die Kurzfristigkeit der Intervention zurückgeführt (Haller et al. 1988). In diesem Fall würde keine Möglichkeit für eine ausreichende Einübung der Strategien sowie deren Automatisierung bleiben (Friedrich & Mandl 1992). Sitzmann und Ely (2010) etwa konnten nur bei Lernern, die ständig promptbasierten Aufforderungen ausgesetzt waren, höhere Effekte nachwiesen. Die Dauer der Intervention spielt auch in der Studie von Sohrabi (2012) eine Rolle. Entsprechende Effekte blieben bei ausbleibender Intervention aus. Im Gegensatz zu diesen Befunden profitierten die Lerner in der Studie von Sitzmann, Bell, Kraiger und Kanar (2009) nur in den ersten vier Sitzungen von den promptbasierten Aufforderungen. Der Grad der Integration der Fördermaßnahme meint die Integration der Maßnahme im Lernkontext zum Beispiel im Unterricht oder im Seminar (Paris, Cross & Lipson 1984) oder separat in speziell dafür vorgesehenen Lernsitzungen. Die aktuelle Forschung befürwortet eine Integration der Intervention in den Unterricht (Lin 2001). Bei Unz (2000) und Astleiter (1997) blieben Leistungssteigerungseffekte gänzlich aus, was vor allem darauf zurückgeführt werden konnte, dass Fördermaßnahmen nicht im Lerngeschehen integriert waren. Sozialformen können individuell oder kooperativ sein. Zu den wohl bekanntesten kooperativen Strategietrainings zählt das reziproke Lernen, bei dem die Lerner abwechselnd die Lerner- und Lehrerrolle übernehmen, wie es im Reciprocal Teaching Approach der Fall ist (Palinscar & Brown 1984). Die aktuelle Forschung befürwortet ferner die soziale Interaktion im Lernstrategieprogramm (McInerney, McInerney & Marsh 1997; Randi & Corno 2000). Die Lehrmethode spielt in metakognitiven Förderprogrammen eine entscheidende Rolle. Besonders häufig wird die Methode der direkten Instruktion empfohlen (McInerney et al. 255 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung 1997; Paris et al. 1984) und hier vor allem die des cognitive apprenticeship und des problembasierten Lernens (Randi & Corno 2000). Bei der Gestaltung sollte der Beginn mit einer verstärkt direkten Anleitung markiert sein. Mit zunehmender Kompetenz sollte dann die direkte Anleitung zugunsten einer stetig steigenden Selbststeuerung des Lerners aufgegeben werden. Trotz der durchgeführten Studien zum Thema metakognitiver Fördermaßnahmen, kann festgestellt werden, dass die Effektivität metakognitiver Fördermaßnahmen beim heutigen Stand der Forschung nicht eindeutig geklärt ist. Bereits Friedrich und Mandl (1992: 38ff) sind vor zwei Dekaden zu diesem Urteil gekommen. Seitdem sind zwar im Bereich der metakognitiven Strategien Studien durchgeführt worden, doch Friedrich und Mandls Feststellung hat bis jetzt nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Den Studien zur Effektivität metakognitiver Fördermaßnahmen haften mehrere Probleme an. Aufgrund der »vielfach heterogenen Operationalisierungen« ist es »schwierig die zum Teil widersprüchlichen Befunde der vorhandenen Studien valide zusammenzufassen« (Bannert 2007: 101). Weitere Problemkreise fassen Bannert und Mengelkamp (2013: 181ff) zusammen: In fast allen Studien wird nur ein bestimmter metakognitiver prompt untersucht. Somit ist weitgehend unklar, von welchen prompt-Arten die Lerner am ehesten profitieren. Dies zu erforschen ist wichtig, um in virtuellen Lernumgebungen diesem (individuellen) Aspekt zukünftig Rechnung tragen zu können. Ferner geht zwar aus Studien eindeutig hervor, dass viele Probanden und Probandinnen von den dargebotenen Lernhilfen in Form von prompts nicht Gebrauch machen. Unklar ist aber, warum Stützmaßnahmen entweder völlig ignoriert oder inadäquat genützt werden. Obwohl ein Multi-Method-Online-Messverfahren (Eyetracking, Logfile, Laut-Denk-Protokolle) Einblicke geben könnte in die Arbeitsweise der Lerner mit prompts, finden sich kaum Arbeiten, die gleichzeitig mehrere Online-Messverfahren einsetzen. Außerdem können fast alle oben erwähnten Studien als Kurzzeitinterventionsmaßnahmen bezeichnet werden. Weil man von der Prämisse ausgeht, dass die Lerner ein Produktionsdefizit haben, das kurzfristig behoben werden kann. Vielfach wird daher in den Interventionsmaßnahmen die Komponente Feedback nicht berücksichtigt. Die Arbeiten von Roll, Aleven, McLaren und Koedinger (2011) und Sohrabi (2012) zählen zu den wenigen Fällen, die diese Komponente in ihrem Untersuchungsdesign eingebaut haben. 256 6. Textverarbeitung 6.3.5 Zusammenfassung ▶ Kognitive Lernstrategien umfassen all jene Prozesse, die der unmittelbaren Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung dienen. ▶ Metakognitive Strategien hingegen beziehen sich auf Verarbeitungsprozesse auf der Ebene der Metakognition, die auch als Wissen über Kognition verstanden werden können. Im Vergleich zu den kognitiven Strategien zielen metakognitive Strategien weniger auf den eigentlichen Lernvorgang ab, sondern vielmehr auf die Kontrolle der kognitiven Vorgänge und des eigenen Lernfortschritts. ▶ Trotz vorhandener Studien ist die Effektivität der metakognitiven Fördermaßnahmen noch nicht eindeutig geklärt. Die Problematik liegt vor allem darin »die zum Teil widersprüchlichen Befunde der vorhandenen Studien wegen der vielfach heterogenen Operationalisierungen valide zusammenzufassen« (Bannert 2007: 101). ▶ Ferner kann festgestellt werden, dass besonders eine Kombination direkter und indirekter Maßnahmen Synergieeffekte mit sich bringen kann. ▶ Außerdem sind promptbasierten Maßnahmen - ob direkt, indirekt oder kombiniert - Grenzen gesetzt. Die Verbalisierungsaufforderungen gehen vielfach mit Störungen des kontinuierlichen Leseprozesses einher (Drewniak 1992: 115). Während Lerner mit ausreichendem Vorwissen, intellektuellen Fähigkeiten sowie gewissem kognitivem Entwicklungsstand besser in der Lage sind, die metakognitiven Prompts lernförderlich zu nutzen, können Probanden und Probandinnen mit ungünstigen Lernvoraussetzungen hingegen die zusätzliche Kapazitätsbelastung nicht ausreichend kompensieren. 6.3.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Worin besteht der Unterschied zwischen Lernstrategien, kognitiven, metakognitiven Strategien und Lerntechniken? 2. Worin besteht das wesentlichste Ziel metakognitiver Förderung? 3. Begründen Sie, warum eine Förderung von Lernstrategien im Unterricht effektiv sein kann. 4. Worin besteht der Unterschied zwischen direkten, indirekten und kombinierten Trainingsmaßnahmen? 5. Sie bekommen einen Zeitungsartikel und sollen sich in wenigen Minuten einen ersten Eindruck verschaffen. Welche der in dieser Lerneinheit gelernten Strategien und Techniken würden Sie anwenden? 6. Für Ihren Unterricht wollen Sie von den in dieser Lerneinheit behandelten prompt-Arten Gebrauch machen. Welche der prompt-Arten erscheint Ihnen besonders geeignet und welche als zu komplex und für den Lerner zu anspruchsvoll? 257 6.3 Zur Rolle von Lernstrategien bei der Informationsverarbeitung 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Die menschliche Kommunikation läuft in den seltensten Fällen rein sprachlich ab. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass Kommunikation neben dem Sprachsystem mindestens ein weiteres Kodierungssystem mit einbezieht. In der mündlichsprachigen Kommunikation erfüllen Gestik und Mimik eine essentielle kohärenzstiftende Funktion, indem zum Beispiel räumliche Aspekte mit den Händen verdeutlicht werden Dabei kommt es auch vor, dass die Gestik aufgrund kulturbedingter Interpretation zu Missverständnissen führt, wie zum Beispiel das Kopfschütteln, das in manchen Kulturen als Zeichen der Zustimmung gilt. Auch in der schriftlichen Kommunikation spielt vor allem die Verwendung von Bildern (Fotos, Graphiken, Symbolen, Smileys etc.) eine besonders wichtige Rolle, wie sich unter anderem in den Bereichen der Werbung, der Presse oder der virtuellen Kommunikation beobachten lässt. Im Kontext der Sprach- und Kulturvermittlung erscheint es daher sinnvoll, neben dem Sprachgebrauch auch den adäquaten Umgang mit Bildern und anderen Elementen nonverbaler Kommunikation zu fördern. Nachdem wir uns in den vorangehenden Kapiteln unter anderem mit Aspekten der Sprachbeschreibung, des Sprachenerwerbs und der Textverarbeitung aus kognitiver Sicht beschäftigt haben, wollen wir in diesem Kapitel der Frage nachgehen, welche Besonderheiten die Text- und Bildverarbeitung in der Fremdsprache aufweist. Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen daher die L2-spezifischen Aspekte der Text- und Bildverarbeitung im Kontext der allgemeinen Kommunikation sowie die Gelingensbedingungen für den Einsatz von Text und Bild in Lernmaterialien. Zur Beantwortung dieser Fragen werden zunächst die grundlegenden Prozesse der Bild- und Textverarbeitung im Arbeitsgedächtnis unter Rückgriff auf die einschlägigen Modelle aus der kognitiven Psychologie beschrieben. Danach werden die Theorien des multimedialen Lernens behandelt und daraus wichtige Prinzipien für das Design multimedialer Materialien abgeleitet. Schließlich wird die Umsetzung dieser Designprinzipien in Lernmaterialien am Beispiel der Grammatikanimationen gezeigt. 258 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität 7.1 Bilder, Sprache und Gedächtnis - Grundlegende Theorien des Arbeitsgedächtnisses Die Begriffe multimedial und multimodal sind heutzutage in aller Munde, vor allem wenn es darum geht, die wichtigsten Merkmale der neuen Medien in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht zu charakterisieren. Dabei werden oft grundlegende Konzepte durcheinander gebracht, denn die beiden Begriffe klingen zwar ähnlich, bezeichnen aber völlig unterschiedliche Aspekte der Text- und Bildverarbeitung (vergleiche Mayer 2002): Multimedialität bezieht sich auf die Verwendung beziehungsweise Verarbeitung von Informationen, die unterschiedlich kodiert sind (zum Beispiel sprachliche Information und bildliche Information); Multimodalität bezieht sich hingegen auf die Verarbeitung von Informationen unter Verwendung von zwei oder mehr Sinnesmodalitäten (zum Beispiel visuelle Modalität, auditive Modalität). Das Zusammenspiel von unterschiedlich kodierten Informationen und unterschiedlichen Sinnesmodalitäten bietet zwar aus kognitiver Sicht ein großes Potential, kann aber auch unter Umständen zu einer erschwerten Informationsverarbeitung führen. Auch die Kombination von Text und Bild und das Lernen mit allen Sinnen sehr verführerisch und erfolgversprechend klingen, können viele Lehrkräfte und Autoren von Online-Kursen nicht genau erklären, unter welchen Bedingungen mit einem tatsächlichen Ertrag zu rechnen ist. Oft wird auch vergessen, dass gerade eine multimediale Anreicherung der Lernmaterialien gerade den Gegeneffekt verursachen und damit lernhemmend wirken kann. In dieser Lerneinheit werden wir uns daher mit den Fragen beschäftigen, über welche Mechanismen die verschiedenen Informationen im Arbeitsgedächtnis während der Text- und Bildverarbeitung zu einem kohärenten Ganzen zusammengefügt werden und unter welchen Bedingungen es dabei zu einer Überlastung der Verarbeitungskapazität kommen kann. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Phasen der Verarbeitung von Sprache und Bildern verstehen und erklären können; ▶ vor dem Hintergrund der empirischen Befundlage einschätzen können, welche Formen der Informationsdarbietung am effektvollsten auf den Verstehens- und auf den Lernprozess wirken. 7.1.1 Grundlegende Begriffe der Text- und Bildverarbeitung Bevor wir uns mit den einschlägigen Modellen der Text- und Bildverarbeitung beschäftigen, schauen wir uns die größten Unterschiede zwischen piktorialer und sprachlicher Information an. Nach Schnotz (2005) eignet sich die Sprache oft viel besser für die Beschreibung abstrakter Sachverhalte als Bilder. So lassen sich abstrakte Begriffe wie Geborgenheit oder Interkulturalität viel effektiver sprachlich beschreiben als mit Bildern, die oft zu anderen Interpretationen verleiten könnten. Ein weiterer Unterschied findet sich nach Paivio (2007) in der Art der 259 7.1 Bilder, Sprache und Gedächtnis - Grundlegende Theorien des Arbeitsgedächtnisses Verarbeitung: An der Textoberfläche (vergleiche text surface nach Kintsch 1998) wird Sprache sequenziell verarbeitet, unter anderem bedingt sowohl durch die räumliche Linearisierung der visuellen Reize in schriftlichen Texten als auch durch die zeitliche Sequenzierung der auditiven Reize in mündlicher Kommunikation. Im Gegensatz dazu werden Bilder synchron verarbeitet, so dass die simultane Verarbeitung mehrerer Elemente möglich und eine Verarbeitung von links nach rechts wie bei Texten nicht erforderlich ist (Paivio 2007; Schmitz 2011). Weiterhin können Bilder holistisch gespeichert und wieder abgerufen werden (Engelkamp & Zimmer 2006). Bildlich kodierte Information lässt sich viel leichter ganzheitlich als mentales Bild wieder abrufen als sprachliche Information, die erst über eine Rekonstruktion des propositionalen Gehalts verfügbar gemacht werden kann (vergleiche Scheller 2009; vergleiche auch Ebenen des Textverstehens nach Kintsch 1998 und Schnotz 2006). Schließlich begründen Bilder die Konzepte auf eine direkte Weise (Erfahrungen können als mentale Bilder gespeichert werden), während Sprache als Symbolsystem nur auf diese indirekt verweist (vergleiche Engelkamp & Zimmer 2006). Alle Prozesse der Verarbeitung und Speicherung sowie des Abrufs von Text- und Bildinformation lassen sich aber erst unter Rückgriff auf die verschiedenen Komponenten des menschlichen Gedächtnisses besser verstehen. Wenn wir uns etwas merken kann es je nach »Speicherort« zu völlig unterschiedlichen Behaltensleistungen kommen, und zwar wird die Information im sogenannten Arbeitsgedächtnis nur vorübergehend behalten, während sie im Langzeitgedächtnis für eine längere Zeit gespeichert wird. Das bisher einflussreichste Modell des menschlichen Gedächtnisses von Baddeley (1986) unterscheidet unter Rückgriff auf die Vorgänger-Modelle (Broadbent 1958; Atkinson & Shiffrin 1968) zwischen dem sensorischen Gedächtnis (Perzeption), dem Arbeitsgedächtnis (Fokus der Aufmerksamkeit) und dem (Langzeitgedächtnis) (siehe Abbildung 7.1). Baddeley legt in seinem Modell den Schwerpunkt auf die Beschreibung des Arbeitsgedächtnisses, das sich als Bindeglied zwischen dem sensorischen Gedächtnis und dem Langzeitgedächtnis versteht (vergleiche Baddeley 2003: 829). Dabei unterscheidet er zwischen zwei Komponenten, die jeweils für die Sprach- und die Bildverarbeitung zuständig sind: die phonologische Schleife (phonological loop) und der visuell-räumliche Notizblock (visuo-spatial sketchpad). Eine dritte Komponente des Arbeitsgedächtnisses bildet der episodische Puffer, der durch spezielle Verbindungen das benötigte Wissen aus dem Langzeitgedächtnis definiert und der weiteren Verarbeitung für eine kurze Zeit zur Verfügung steht. Erst später wurde das Modell durch die sogenannte zentrale Exekutive ergänzt, die alle komplexen Verarbeitungsaufgaben übernimmt, die weder der phonologischen Schleife noch dem visuell-räumlichen Notizblock zugeordnet werden können. Die zentrale Exekutive greift besonders dann ein, wenn die routinemäßigen Kontrollen überlastet sind (vergleiche Baddeley 2003: 835). 260 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Abbildung 7.1: Modell des Gedächtnisses (nach Baddeley 2000: 421) Wie verhalten sich aber die verschiedenen Komponenten zueinander? Nach Baddeley (1986, 2003) werden zunächst die erfolgreich wahrgenommenen Stimuli in Form von Informationseinheiten in das Arbeitsgedächtnis überführt. Dort werden Sie-- in der Regel-- mit Hilfe der Vorwissensbestände aus dem episodischen Puffer weiterverarbeitet. Lässt sich die neu eingehende Information anhand der alten Information aus dem Vorwissen leicht verarbeiten, so kommt es zur sogenannten Assimilation (das neue Wissen wird im Kontext der bereits vorhandenen Wissensstrukturen verarbeitet). Weicht jedoch die neue Information stark vom Vorwissen ab, so findet eine Akkomodation (Anpassung) der Vorwissensbestände statt. Jedenfalls ist für beide Prozesse der Informationsverarbeitung eine willentliche Aufmerksamkeitszuwendung erforderlich. Wird jedoch mit den wahrgenommenen Stimuli im Arbeitsgedächtnis nichts Weiteres unternommen, so gehen diese meistens verloren, auch wenn sie für einige Sekunden im Arbeitsgedächtnis verfügbar sind. Sie kennen doch Situationen, wo Sie den Eindruck haben, dass Ihr Gesprächspartner beziehungsweise Ihre -partnerin Ihnen nicht richtig zuhört und Sie ihn beziehungsweise sie deswegen bitten, den letzten Satz zu wiederholen, den Sie gesagt haben. Oft gelingt es ihm oder ihr trotz offensichtlich mangelnder Aufmerksamkeit, diese Aufgabe zu lösen. Das sollte Sie aber nicht täuschen: Nach dem sogenannten Recency-Effekt (Hoffmann & Engelkamp 2013) werden nämlich die letzten Wörter im Arbeitsgedächtnis behalten, die als Stimuli im sensorischen Gedächtnis wahrgenommen wurden, ohne dass besondere Aufmerksamkeitsprozesse in Gang gesetzt wurden. Das heißt also, die Wiederholung der letzten Wörter Ihrer Äußerung ist in der Regel kein zuverlässiger Nachweis für aufmerksames Zuhören. Auch die zuerst verarbeiteten Items werden nach dem Primacy-Effekt (Hoffmann & Engelkamp 2013) oft besser erinnert als die Items in der Mitte der Serie. Daraus ergibt sich also, dass sich die Position der Items in einer Serie auf die Behaltensleistung auswirkt. Diese beiden serialen Positionseffekte stellen Hoffmann & Engelkamp (2013) wie folgt dar: 261 7.1 Bilder, Sprache und Gedächtnis - Grundlegende Theorien des Arbeitsgedächtnisses Abbildung 7.2: Behaltensleistung und Anzahl korrekter Erinnerungen in Bezug auf die Position in der Präsentation (nach Hoffmann & Engelkamp 2013: 148) In der zweiten Graphik lässt sich erkennen, dass sich die Serialisierung der Items beim Hören und beim Tun (Ausführung von Handlungsphrasen) auf unterschiedliche Weise auf die Behaltensleistung auswirkt, und zwar ist beim Hören am Anfang eine größere Spurenstärke zu beobachten. Das heißt, das Hören hat anfangs eine stärkere Wirkung als das Handeln. Erst nach der vierten bis sechsten Position übertrifft die Spurenstärke (Wirkung) des Handelns die des Hörens. Ein ähnliches Phänomen haben wir bereits bei der Wortverarbeitung kennengelernt, der Badewanneneffekt (vergleiche Aitchison 1997). Was bedeutet das alles aber für die Praxis? Sollen wir im Unterricht wirklich solche Aspekte wie die Serialisierung der Information beziehungsweise einzelner Wörter im Text kontrollieren? Definitiv nicht, denn die Relevanz dieser Erkenntnisse hat einen etwas allgemeineren Charakter. Zuerst zeigen diese Effekte, wie wichtig es ist, Sprache mit konkreten Handlungen zu verbinden. Weiterhin lassen sich anhand dieser Effekte Prinzipien der Sprache kognitiv begründen, wie zum Beispiel die Satzstellung im Deutschen: Um wichtige Informationen zu markieren und salienter zu machen, werden jeweils die erste Position (Vorfeld) und die letzte Position des Satzes (Nachfeld) verwendet (vergleiche Chiarcos 2011; Vinckel-Roisin 2011). 262 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Experiment Sie lernen nun ein weiteres Phänomen der Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis kennen. Führen Sie dazu folgendes Experiment durch: Bitten Sie einen Freund oder eine Freundin darum, sich eine beliebige Zahl zu merken, die aus zehn Ziffern besteht, die Sie zuvor auf ein Blatt Papier notiert haben. Nachher soll er beziehungsweise sie die Zahl niederschreiben, aber erst ca. fünf Sekunden nachdem Sie das Blatt mit der Zahl umgedreht haben. Fragen Sie, was er beziehungsweise sie während der fünf Sekunden gemacht hat? Wie erklären Sie sich das Verhalten während dieser fünf Sekunden? Wie Sie im Experiment vermutlich festgestellt haben, kann das sogenannte innere Sprechen dazu beitragen, die Behaltensleistung des Arbeitsgedächtnisses zu steigern (vergleiche Hayes 2006), und zwar vor allem bei Elementen, die keinen erkennbaren Zusammenhang haben und sich durch Vorwissensbestände eher schlecht erschließen lassen. Soweit möglich, kann aber das Behalten solcher Elemente im Arbeitsgedächtnis durch sogenanntes elaboratives Memorieren gewährleistet werden, indem zum Beispiel bei der Rufnummer eines Arbeitskollegen oder einer Arbeitskollegin die ersten drei Zahlen als die Vorwahl der Stadt, die nächsten vier Zahlen als feste Reihenfolge aller Rufnummern der Arbeitsstätte und lediglich die letzten drei Zahlen als die Durchwahl erkannt werden. Diese Verarbeitungsstrategie ist als Chunking bekannt (vergleiche Ericsson 2003; vergleiche Lerneinheit 3.3). Andere Verarbeitungsstrategien wurden bereits in Kapitel 6 erläutert (zum Beispiel Clustering- Effekt). 7.1.2 Organisation und Integration von Text und Bild im Arbeitsgedächtnis In diesem Abschnitt soll zuerst die Funktionsweise der beiden spezialisierten Komponenten des Arbeitsgedächtnisses, der phonologischen Schleife (phonological loop) und des visuellräumlichen Notizblockes (visuo-spatial sketchpad), skizziert werden, um erst dann die Interaktion zwischen den Prozessen der Text- und Bildinformation näher zu betrachten. In der phonologischen Schleife finden sich ein Speicher, in dem die Wörter für einige Sekunden behalten werden, und ein artikulatorischer Kontrollprozess, der die Behaltensleistung eventuell durch inneres Sprechen oder andere Verarbeitungsstrategien steigern kann. Verschiedene Effekte, wie zum Beispiel der Wortlängeneffekt (vergleiche Longoni, Richardson & Aiello 1993) oder der Effekt der phonologischen Ähnlichkeit (vergleiche Baddeley 2003), geben darüber Aufschluss, unter welchen Bedingungen sich die Gedächtnisspanne (Behaltensleistung) der phonologischen Schleife vergrößert beziehungsweise verringert. Der erste Effekt zeigt, dass sich die Gedächtnisspanne der phonologischen Schleife verringert, wenn eine qualitativ höhere artikulatorische Komplexität vorliegt (vergleiche zum Beispiel Longoni et al. 1993). Der Effekt der phonologischen Ähnlichkeit erklärt hingegen, dass die Wiedergabe phonologisch ähnlicher Items aufgrund des hohen Diskriminationsaufwandes schwerer fällt als die Wiedergabe phonologisch nicht ähnlicher Items (vergleiche Baddeley 2003). Als 263 7.1 Bilder, Sprache und Gedächtnis - Grundlegende Theorien des Arbeitsgedächtnisses wichtigste Funktionen der phonologischen Schleife werden das sekundenweise Erinnern phonologischer Informationen (zum Beispiel Laute) sowie deren Auffrischen durch inneres Sprechen und die Verarbeitung und Speicherung schriftlich fixierter Wörter angesehen (vergleiche Grabe 2009: 34). Einige Untersuchungen (vergleiche Carpenter, Miyake & Just 1995; Gathercole & Baddeley 1993) stellten fest, dass diese Funktion vor allem beim Speichern phonologischer Information neuer Wörter zum Tragen kommt, während sie für das Behalten bekannter Wörter keine so wichtige Rolle spielt (vergleiche Baddeley, Gathercole & Papagno 1998; Eysenck 2004). Die phonologische Schleife scheint also vor allem für das Erlernen neuen Wortschatzes wichtig zu sein. Der visuell-räumliche Notizblock ist für die Verarbeitung von Informationen wie Farben, Formen und räumliche Darstellungen von Objekten zuständig und kann, genauso wie die phonologische Schleife, nur begrenzt viele Items verarbeiten (vergleiche Baddeley 2003). Der visuell-räumliche Notizblock hat nach Logie (1995) ebenfalls zwei Unterkomponenten: Im sogenannten visual cache werden visuelle Informationen von Objektinformationen gespeichert, wie zum Beispiel die Farben und die Formen. Im inner scribe werden räumliche und dynamische Aspekte verarbeitet, wie zum Beispiel die räumlichen Relationen von Objekten oder dynamische Aspekte bei Bewegungssequenzen (vergleiche auch Keller & Grimm 2005). Analog zur phonologischen Schleife hat der inner scribe die Funktion, die Informationen aus dem visual cache aufzufrischen und sie danach in die zentrale Exekutive zu transferieren (vergleiche Eysenck 2004: 299). Wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, dient das Modell von Baddeley (1986, 2000) als Grundlage für die späteren Modelle des multimedialen Lernens, lässt nach Suñer (2011: 91f) jedoch einige Fragen unbeantwortet. Erstens fällt auf, dass das Modell die Funktionsweise der vielleicht wichtigsten Komponente des Arbeitsgedächtnisses, der zentralen Exekutive, relativ vage beschreibt. Zweitens sagt das Modell wenig über das Verhältnis von Kodierung (Sprache und Bild) und Sinnesmodalitäten (auditiv und visuell) zueinander aus. Drittens lässt sich anhand des Modells nicht erklären, über welche Prozesse Sprache und Bilder zu einer ganzheitlichen mentalen Repräsentation zusammengefügt werden (vergleiche Allen, Hitch & Baddeley 2009). Vor allem mit den letzten zwei Aspekten hat sich die sogenannte Theorie der Dualen Kodierung (dual coding theory) von Paivio (1990) beschäftigt. Nach Paivio ist zwischen zwei grundlegenden Arten von Repräsentationen der Information zu unterscheiden, die in zwei separaten Subsystemen verarbeitet werden: Logogene (Wörter) und Imagene (Bilder). Die jeweiligen Informationseinheiten lassen sich aber nicht nur in Bezug auf ihr Repräsentationsformat beschreiben, sondern sie enthalten eine sensomotorische Komponente, die eine modalitätsspezifische Verarbeitung erlaubt (visuell, auditiv, haptisch, gustatorisch und olfaktorisch). Mit der Unterscheidung zwischen Kodierung und Modalität eröffnet das Modell eine breite Palette an Kombinationsmöglichkeiten, die der Komplexität der multimedialen Verarbeitung gerechter wird als Baddeleys Modell. Obwohl die Informationen zunächst konkret und modalitätsspezifisch verarbeitet werden, können sie später zu komplexeren Entitäten zusammengefügt werden, die modalitätsunabhängig sind (vergleiche Paivio 1990: 59). Eine solche Entität wird zum Beispiel dann gebildet, wenn wir uns nach der Lektüre einer Anleitung zum Verhalten im Brandfall, die sowohl Text 264 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität als auch Bilder enthält, mental vorstellen, wie wir in einer konkreten Situation handeln würden. Wie geschieht aber dieses Zusammenfügen von Informationen genau? Paivio (1990; vergleiche auch Sadoski & Paivio 2004) schlägt insgesamt drei Prozesse vor: repräsentationelle, referenzielle und assoziative Prozesse. Die repräsentationellen Prozesse finden statt, wenn linguistische Stimuli die entsprechende verbale Repräsentation im Arbeitsgedächtnis hervorrufen (zum Beispiel beim Lesen eines Textes oder Hören von Wörtern). Bei den referenziellen Prozessen geht es darum, dass verbale Stimuli eine nonverbale Repräsentation aktivieren oder umgekehrt. Das heißt also, dass ein mentales Bild, das als Resultat der Verarbeitung entsprechender Stimuli im nonverbalen System generiert wurde, durch referenzielle Prozesse das entsprechende Wort im verbalen System hervorrufen kann. Im Gegensatz zu den Wörtern rufen Bilder nach Paivio (1990) in der Regel ihre sprachlichen Bezeichnungen hervor und werden daher oft dual verarbeitet, was den sogenannten Bildüberlegenheitseffekt erklärt (vergleiche auch Hoffmann & Engelkamp 2013: 168). Hingegen werden Wörter in der Regel weniger oft doppelt enkodiert, so dass sie mit den entsprechenden mentalen Bildern weniger stark verbunden sind. Der Bildüberlegenheitseffekt wird jedoch im Rahmen anderer Ansätze wie zum Beispiel der multimodalen Gedächtnistheorie von Engelkamp & Zimmer (2006) durch den direkteren Zugang erklärt, den Bilder zu ihren Referenten im episodischen Gedächtnis bieten. Schließlich werden durch assoziative Prozesse andere Repräsentationen innerhalb desselben Subsystems (verbal oder nonverbal) aktiviert, wie zum Beispiel die Aktivierung unterschiedlicher Wörter, die bestimmte phonologische Eigenschaften teilen, oder die Aktivierung von mentalen Bildern von Objekten, die in der Regel in Büros zu finden sind (vergleiche Paivio 1990: 69; Sadoski & Paivio 2004: 13). All diese Prozesse werden in späteren Modellen wiederaufgenommen, um daraus konkrete Designprinzipien abzuleiten (vergleiche Schnotz 2005; Mayer 2009). 7.1.3 Die Grenzen der Text- und Bildverarbeitung im Arbeitsgedächtnis Wie wir gesehen haben, kann unser Arbeitsgedächtnis nicht unbegrenzt viele Informationen simultan verarbeiten. Unter welchen Umständen es zu einer Überlastung kommen kann und welche instruktionalen Maßnahmen ergriffen werden können, soll in diesem Abschnitt unter Rückgriff auf die Theorie der kognitiven Belastung (cognitive load theory, kurz CLT ) von Sweller & Chandler (1991; vergleiche auch Sweller 1988, 2005) behandelt werden. Die cognitive load theory von Sweller und Chandler (1991; auch Sweller & Chandler 1994; Sweller 1988, 2005) beschäftigt sich mit der Nutzung kognitiver Ressourcen in Lernsituationen (vor allem in Problemlösesituationen), um daraus instruktionale Designprinzipien zur optimalen Nutzung der begrenzten Kapazität des Arbeitsgedächtnisses zu formulieren. Insofern ist die cognitive load theory nicht als eine allgemeine Lerntheorie wie Andersons adaptive control of thought Theorie (kurz ACT ) (1983) anzusehen, sondern als eine Kapazitätstheorie (vergleiche Brünken, Plass & Leutner 2004). Die cognitive load theory nimmt zwar die einschlägigen Vorgänger-Modelle zum Arbeitsgedächtnis (zum Beispiel Baddeley 1986) als Grundlage, präzisiert diese aber in vielerlei Hinsicht. So lehnt Sweller 265 7.1 Bilder, Sprache und Gedächtnis - Grundlegende Theorien des Arbeitsgedächtnisses (2004, 2005) aufgrund fehlender empirischer Evidenz die Existenz einer zentralen Exekutive im Arbeitsgedächtnis ab, wie von Baddeley postuliert. Vielmehr weist er den bereits vorhandenen Wissensstrukturen eine solche Überwachungs- und Kontrollfunktion zu, anhand derer die Vereinbarkeit der neu eingehenden Informationen mit dem Vorwissen geprüft wird und entsprechende Assimilationsbeziehungsweise Akkomodationsprozesse initiiert werden. In diesem Sinne erfüllen die kognitiven Strukturen im Langzeitgedächtnis, die oft als Schemata aufgefasst werden, insgesamt drei wichtige Funktionen (Seel 2000; vergleiche auch Mandl, Friedrich & Hron 1988): Erstens ermöglichen sie durch die Bereitstellung von Wissensvorlagen ein zielgerichtetes Schlussfolgern neuer Informationen und vermeiden damit ein ungezügeltes Assoziieren (zum Beispiel durch antizipatorische Denkprozesse beim Lesen); zweitens liefern sie eine Art Erkennungsmuster, anhand dessen die Lerner sich bei der Verarbeitung neu eingehender Information orientieren und ihre Aufmerksamkeit gezielter auf die relevanten Merkmale richten können (zum Beispiel bei der Suche nach wichtigen Informationen in einem Text); drittens unterstützen sie die Speicherung und den Abruf von Informationen, indem sie einen kohärenzstiftenden Interpretationsrahmen bieten. Durch die Nutzung solcher schematheoretischer Erkenntnisse gelingt es der cognitive load theory, die Überführung von Wissen vom Arbeitsgedächtnis in das Langzeitgedächtnis etwas präziser zu erklären und damit deutlich zuverlässigere Aussagen über das Lernen zu formulieren. Die cognitive load theory geht davon aus, dass die Lernenden bei der Bearbeitung von Lernaufgaben kognitive Ressourcen verbrauchen, die zu einer gewissen kognitiven Belastung führen. Dabei wird davon ausgegangen, dass insgesamt drei Arten von kognitiver Belastung eine Rolle spielen (Sweller und Chandler 1991; vergleiche auch Sweller & Chandler 1994): extrinsische kognitive Belastung (extraneous cognitive load), intrinsische kognitive Belastung (intrinsic cognitive load) und lernbezogene kognitive Belastung (germane cognitive load). Die extrinsische kognitive Belastung bezieht sich auf alle kognitiven Ressourcen, die bei der Bearbeitung einer Aufgabe verbraucht werden, aber nicht zum Wissenserwerb beitragen. Wenn zum Beispiel eine Landkarte und die entsprechende Legende nicht auf derselben Seite dargeboten werden, dann muss der Leser zusätzlich kognitive Ressourcen verbrauchen, um den gesamten Sachverhalt mental zu integrieren. Eine physikalisch integrierte Darstellung aller Informationen des Sachverhalts im Sinne des contiguity principle (vergleiche Mayer 2009) würde dazu beitragen, diese extrinsische kognitive Belastung zu reduzieren. In dieser Hinsicht ist auch die Nutzung von überflüssigen Effekten bei der Präsentation von Inhalten zu vermeiden, da sie nicht direkt zu einem besseren Verständnis des Lernstoffes beitragen. Die sogenannte intrinsische kognitive Belastung bezieht sich auf die Schwierigkeit des zu lernenden Sachverhalts und den damit verbundenen Verbrauch kognitiver Ressourcen (Sweller 2005). Dabei spielen Aspekte wie der Umfang und die strukturelle Komplexität des Sachverhaltes eine wichtige Rolle. Wie wir aber bereits gesehen haben, kann die Komplexität beziehungsweise die Menge der zu verarbeitenden Information je nach Vorwissensstand unter anderem durch Chunking reduziert werden (vergleiche Ericsson 2003). Die intrinsische kognitive Belastung ist daher auch vom Vorwissen des Lerners abhängig (vergleiche Renkl 2005: 242; Sweller, van Merriënboer & Paas 1998). Grundsätzlich sind Aufgaben, in denen eine simultane 266 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Verarbeitung von mehreren Elementen erforderlich ist (zum Beispiel das Herausarbeiten der Argumentation eines Textes), mit einer höheren intrinsischen Belastung verbunden als Aufgaben, die eine serielle Verarbeitung ermöglichen (zum Beispiel das Ausfüllen eines Anmeldeformulars). Schließlich stellen alle kognitiven Ressourcen, die bei der Schemakonstruktion verbraucht werden und daher für den Lernprozess direkt relevant sind, die sogenannte lernbezogene kognitive Belastung dar. So verbrauchen wir beim Lesen wissenschaftlicher Texte gewisse kognitive Ressourcen, um zum Beispiel Schlüsse aus Forschungsergebnissen zu ziehen und damit zu einem tiefer gehenden Verständnis des Textes zu gelangen. Da die drei Arten der kognitiven Belastung additiv sind, sollte das Instruktionsdesign sicherstellen, dass die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses insgesamt nicht überschritten wird. Das heißt also, dass vor allem bei Lernaufgaben, die eine hohe lernbezogene kognitive Belastung erfordern, die extrinsische kognitive Belastung möglichst gering gehalten werden sollte (vergleiche Sweller 2005; vergleiche auch Brünken et al. 2004). Mit diesen drei Arten der kognitiven Belastung bietet die cognitive load theory einen sehr fruchtbaren theoretischen Rahmen für die Entwicklung von Lernmaterialien. Damit können verschiedene Aspekte des Lernprozesses gezielt unterstützt werden. Allerdings ist der Erfolg solcher instruktionalen Maßnahmen von weiteren Dimensionen des Lernens abhängig, vor allem vom Vorwissen der Lerner. Im folgenden Abschnitt werden wir uns daher anschauen, inwiefern sich der Vorwissensstand auf die verschiedenen Arten der kognitiven Belastung auswirkt und welche instruktionalen Konsequenzen daraus zu ziehen sind. 7.1.4 Wie lässt sich die kognitive Belastung durch das Instruktionsdesign beeinflussen? Wie wir gesehen haben, ist die kognitive Belastung nicht immer ein lernhemmender Faktor, sondern sie ist in vielen Fällen eine wichtige Grundlage, um bestimmte tiefer gehende Lernprozesse in Gang zu setzen und damit nachhaltiges Lernen zu ermöglichen. Im Vergleich zur extrinsischen und intrinsischen kognitiven Belastung lässt sich die lernbezogene kognitive Belastung oft nur indirekt beeinflussen. Das Instruktionsdesign hat sich daher oft mit der Frage beschäftigt, inwiefern die lernbezogene kognitive Belastung durch die Reduzierung der zwei anderen Arten kognitiver Belastung erhöht werden kann. So wurde zum Beispiel versucht, multimediale Lernmaterialien zeitlich und physikalisch integriert darzustellen, um die extrinsische kognitive Belastung möglichst zu reduzieren und damit kognitive Ressourcen zur Erhöhung der lernbezogenen kognitiven Belastung freizugeben (vergleiche Seufert & Brünken 2006). Mayer (2009) merkt jedoch an, dass die reine Freigabe von kognitiven Ressourcen nicht automatisch zu ihrer Nutzung im Sinne einer lernbezogenen kognitiven Belastung führt. Außerdem wurde festgestellt, dass der Vorwissensstand der Lerner auch für große Unterschiede in Bezug auf die kognitive Belastung sorgen kann: Es wurde zum Beispiel festgestellt, dass Experten bei Problemlöseaufgaben die Wissensbestände relativ automatisch abrufen und daher über mehr kognitive Ressourcen zur Lösung der Lernaufgaben verfügen als Novizen (vergleiche Plass et. al. 2010). In derartigen Fällen wäre der negative Effekt einer eventuellen extrinsischen kognitiven Belastung auf das Lernen sehr gering (vergleiche Sweller & Chandler 1991, Sweller et al. 1998). Vor diesem Hintergrund wurden instruktionale Design- 267 7.1 Bilder, Sprache und Gedächtnis - Grundlegende Theorien des Arbeitsgedächtnisses maßnahmen entwickelt und empirisch evaluiert, die die verschiedenen Arten von kognitiver Belastung gezielt fördern beziehungsweise reduzieren und auf den Vorwissensstand der Lerner zugeschnitten sein sollen. Experiment Ganz ehrlich, was verstehen Sie schneller? Ein Betrieb ist eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der Sachgüter produziert und Dienstleistungen erbracht werden. Der GER wurde kritisiert für die geringe Berücksichtigung von Kulturkompetenzen. Einige Untersuchungen haben zum Beispiel gezeigt, dass die Präsentation in Form von sogenannten worked examples besonders effektiv ist (vergleiche Paas & van Merriënboer 1994, Miller, Lehman, & Koedinger 1999). Ein worked example wird nach Ayres (2012: 3467) wie folgt definiert: »A worked example provides a step-by-step solution to a problem or a task. The worked example effect occurs when learning is enhanced by studying worked examples to problems rather than by trying to solve the original problems. It is a form of direct instruction« (Hervorhebung im Original, vergleiche auch Renkl 2005: 242). Die Nutzung von Lösungsschritten und das Vorhandensein einer Lösung fördert vor allem bei Novizen die Speicherung und Organisation von Wissen in Form von komplexen Schemata und reduziert die kognitive Belastung im Arbeitsgedächtnis (vergleiche Sweller et al. 1998, 273; Sweller 2004, 2005; van Merriënboer 1990; van Merriënboer & de Croock 1992; Paas 1992; Paas & van Merriënboer 1994; van Merriënboer, Schuurman, Croock & Paas 2002). Was die Rolle des Vorwissens angeht, so zeigt die empirische Befundlage eindeutig, dass der positive Effekt bei Lernern mit einem hohen Vorwissen nachlässt und zum Teil zu Leistungseinbußen führen kann, weil die Darbietung von worked examples in diesem Fall unnötige Redundanzen generiert (vergleiche Kalyuga, Chandler, Tuovinen & Sweller 2001 und Kalyuga, Ayres, Chandler, Sweller 2003; Reisslein, Atkinson, Seeling & Reisslein 2006). Dieser Gegeneffekt ist auch unter dem Namen reversal expertise effect bekannt (vergleiche Kalyuga 2014) und macht die Wichtigkeit des Vorwissens bei der Planung und Umsetzung von instruktionalen Designmaßnahmen deutlich. Ein ähnlicher Effekt wurde auch in vielen Studien beobachtet, in denen die Komplexität von Hypertexten durch die Darbietung von unterschiedlichen graphischen Übersichten als Navigationsoberflächen reduziert werden sollte. Die Ergebnisse zeigen hier auch, dass die stärker strukturierenden Übersichten eher für Novizen hilfreich waren und die netzwerkartigen Übersichten eher für Experten (vergleiche Amadieu, Tricot & Mariné 2009). Die instruktionalen Designmaßnahmen, die die verschiedenen Arten der kognitiven Belastung gezielt fördern bzw. reduzieren, werden von den verschiedenen Autoren oft in Form von Prinzipien formuliert (vergleiche Mayer 2009; van Merriënboer & Sweller 2010). 268 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Insgesamt lassen sich circa 30 Prinzipien zählen, deren Anwendung im Kontext der Sprachvermittlung mit gewissen Problemen verbunden ist. Erstens wurde die Effizienz der meisten Prinzipien nur in Studien getestet, in denen Muttersprachler sich mit Fachthemen wie Chemie, Biologie, Physik usw. beschäftigten. Einige wenige Studien haben später gezeigt, dass die Ergebnisse sich nicht automatisch auf den Kontext des Fremdsprachenlernens übertragen lassen (vergleiche zum Beispiel Suñer 2011, Mitterer & McQueen 2009). Zweitens ist in der Forschungsliteratur nicht immer eindeutig, welche Art der kognitiven Belastung mit welchen instruktionalen Designmaßnahmen gefördert oder reduziert wird. So dient nach Mayer (2009) das sogenannte Modalitätsprinzip, nach dem die Darbietung von Text und Bild in zwei Sinnesmodalitäten lernförderlicher ist als in nur einer Sinnesmodalität, der Reduzierung der intrinsischen kognitiven Belastung (nach Mayer 2009 essential processing). Nach van Merriënboer & Sweller (2010) wird das Prinzip hingegen zur Reduzierung der extrinsischen kognitiven Belastung verwendet. Insgesamt zeigen die empirischen Untersuchungen zum Instruktionsdesign, dass sich das Lernen in Abhängigkeit vom Vorwissen auf einem Kontinuum zwischen Instruktion und Konstruktion situieren lässt (vergleiche Reinmann & Mandl 2006). Werden bei komplexen Aufgaben mit hoher intrinsischer kognitiver Belastung keine instruktionalen Hilfestellungen beziehungsweise keine adaptierten Lehr- und Lernarrangements angeboten, ist vor allem bei Novizen mit Leistungseinbußen zu rechnen. Werden Experten hingegen zu viele Hilfestellungen angeboten und damit Konstruktionsprozesse unnötigerweise verlangsamt, sind ebenfalls lernhemmende Effekte beim Lernen zu erwarten. Daher sollen die instruktionalen Designprinzipien in der nächsten Lerneinheit im Hinblick auf ihre Interaktion mit dem Vorwissen der Lerner vorgestellt werden. Auch ihre Relevanz für und die Übertragbarkeit auf das Sprachenlernen soll an geeigneter Stelle thematisiert werden. 269 7.1 Bilder, Sprache und Gedächtnis - Grundlegende Theorien des Arbeitsgedächtnisses 7.1.5 Zusammenfassung ▶ Bei der Bildverarbeitung unterscheidet man zwischen Multimedialität (die Verarbeitung von Informationen, die unterschiedlich kodiert sind) und Multimodalität (die Verarbeitung von Informationen unter Verwendung von zwei oder mehr Sinnesmodalitäten). ▶ Frühe Modelle zum Arbeitsgedächtnis haben die Einzelkomponenten des Arbeitsgedächtnisses beschrieben und dabei die Interaktion außer Acht gelassen. ▶ Diese und andere Lücken wurden in den Folgemodellen von Paivio (1990) und Zimmer & Engelkamp (2006) gefüllt. ▷ Nach Pavio werden Sprache und Bilder in drei Prozesstypen zu einer ganzheitlichen mentalen Repräsentation zusammengefügt: Repräsentationelle, referenzielle und assoziative Prozesse. ▷ Zimmer & Engelkamp (2008) erklären einen Bildüberlegenheitseffekt, der durch den direkteren Zugang erklärt wird, den Bilder zu ihren Referenten im episodischen Gedächtnis haben. ▶ Die cognitive load theory beschreibt die verschiedenen kognitiven Belastungseffekte, die sich in der Interaktion zwischen Lernmaterialien und den kognitiven Strukturen des Lerners abspielen. ▶ Es werden drei Arten kognitiver Belastung unterschieden (intrinsische, extrinsische und lernbezogene kognitive Belastung), die optimalerweise ausbalanciert sein müssen, damit die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses nicht überschritten wird, was unter anderem durch das Instruktionsdesign beeinflusst werden kann. 7.1.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Was sind die größten Unterschiede zwischen Bild und Sprache? 2. Welche Hauptkomponenten sieht das Modell des menschlichen Gedächtnisses von Baddeley vor? 3. Wie würden Sie den Primacy- und den Recency-Effekt beschreiben? 4. Wie lassen sich nach Paivio die Bild- und Sprachinformationen im Arbeitsgedächtnis aufeinander beziehen? 5. Welche Arten von kognitiver Belastung gibt es? 270 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität 7.2 Theorien des multimedialen Lernens Nachdem wir uns in der vorangegangenen Lerneinheit die Grundlagen der Text- und Bildverarbeitung angeschaut haben, wollen wir uns nun mit den wichtigsten Prinzipien zur Gestaltung multimedialer Materialien beschäftigen. Diese Prinzipien bieten Lehrkräften einen theoretisch fundierten und empirisch gestützten Orientierungsrahmen bei der Erstellung von Materialien, die Bilder und Text miteinander kombinieren. Dabei kann es sich um graphische Übersichten über landeskundliche Sachverhalte, Aufgabensequenzen zu einem Video oder einfach um die eigene Power-Point-Präsentation für den Unterricht handeln. Diese Lerneinheit geht den Fragen nach, welche Prinzipien sich aus den Theorien des multimedialen Lernens ableiten und wie sie sich auf multimediale Lernmaterialien für das Fremdsprachenlernen anwenden lassen. Zur Beantwortung dieser Fragen soll die Theorie von Mayer (2005a, 2009) vorgestellt werden, die die wichtigsten Erkenntnisse der Vorgängermodelle zu einem integrierten Modell zusammenführt. Danach sollen aus Mayers Modell die wichtigsten Designprinzipen abgeleitet und vor dem Hintergrund der bisherigen empirischen Forschung präsentiert werden. Die Lerneinheit schließt mit der Diskussion einiger Beispiele für eine gelungene Umsetzung der Designprinzipien in Lernmaterialien ab. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ erklären können, wie sich die verschiedenen Designprinzipien anhand der Theorien des multimedialen Lernens begründen lassen; ▶ anhand der Designprinzipien multimediale Lernmaterialien im Kontext des Fremdsprachenlernens evaluieren und optimieren können. 7.2.1 Theoretische Grundlagen zu den Designprinzipien Viele Designprinzipien wie das Multimediaprinzip, nach dem die Darbietung von Bild und Text zu besseren Lernergebnissen führen soll als die Darbietung von Text alleine, oder das Signaling-Prinzip, nach dem wichtige Aspekte des Lernmaterials hervorgehoben werden sollen, klingen fast wie selbstverständlich, sind jedoch aus komplexen Theorien entstanden und in zahlreichen empirischen Studien erforscht worden. In diesem Abschnitt soll zunächst das Modell von Mayer (2005a, 2009) präsentiert werden, das als Grundlage für die Formulierung der Designprinzipien genommen wird. Unter Rückgriff auf die Vorgänger-Modelle von Baddeley (1986) und Paivio (1990) sowie auf die cognitive load theory von Sweller & Chandler (1991, siehe auch Lerneinheit 7.1) versucht das Modell von Mayer auf folgende drei Fragen zu antworten: 271 7.2 Theorien des multimedialen Lernens 1. Wie interagieren die verschiedenen Verarbeitungskanäle des Arbeitsgedächtnisses miteinander beim multimedialen Lernen? 2. Welche Rolle spielt die begrenzte Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses beim multimedialen Lernen? 3. Welche Prozesse sind für sinnvolles und nachhaltiges multimediales Lernen notwendig? Zu Frage 1: Mit der sogenannten dual channel assumption geht Mayer (2005a) davon aus, dass beim multimedialen Lernen hauptsächlich zwei separate, aber miteinander verknüpfte Verarbeitungskanäle involviert sind. Er differenziert zwischen einem visuell-piktorialen und einem auditiv-sprachlichen Kanal, die jeweils Aspekte der sensorischen Modalität (visuell versus auditiv) und des Präsentationsmodus (piktorial versus sprachlich) miteinander kombinieren. Das heißt also, dass jeder dieser beiden Kanäle auf eine bestimmte sensorische Modalität und Kodierungsart spezialisiert ist. Zu Frage 2: Ähnlich wie bei der cognitive load theory (Sweller & Chandler 1991) geht Mayer auch von einer limitierten Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses aus, die allerdings für beide Kanäle unterschiedlich ist (vergleiche limited capacity assumption, Mayer 2005a, 2009). Das heißt also, dass der visuell-piktoriale und der auditiv-sprachliche Kanal jeweils eine eigene Verarbeitungskapazität haben, die unabhängig voneinander ist. Daraus ergibt sich also, dass die Verarbeitung von Bild und Text die beiden Kanäle optimal nutzen sollte, um jeweils Überbelastungen zu vermeiden. Weiterhin merkt Mayer an, dass die limitierte Verarbeitungskapazität der beiden Kanäle sich nicht in Form von einer konkreten Anzahl von Items ausdrückt, da dies stark von Faktoren wie dem Chunking (vergleiche Lerneinheit 3.3), der individuellen Lernvoraussetzungen, der Übungseffekte sowie der Nutzung bestimmter metakognitiver Strategien abhängt (vergleiche Mayer 2005a, 35f). Letzteres wird nach Mayer als die Kernfunktion der von Baddeley postulierten zentralen Exekutive angesehen. Zu Frage 3: Schließlich beschäftigt sich Mayer auch mit den Voraussetzungen für sinnvolles Lernen. Im Rahmen der sogenannten active processing assumption postuliert Mayer (2005a, 2009), dass sinnvolles Lernen vor allem durch die Konstruktion einer mentalen Repräsentation ermöglicht wird, die den neuen Input mit dem bereits vorhandenen Vorwissen auf eine subjektiv plausible Weise vereinbar macht. Die Prozesse, die hierfür erforderlich sind, wurden bereits in einem der früheren Modelle von Mayer, dem sogenannten Selektion-Organisation-Integration-Modell (kurz SOI -Modell, vergleiche Mayer 1996), festgelegt: Zunächst werden Informationen aus dem Input wahrgenommen und selektiert; danach werden die verschiedenen Informationen im Arbeitsgedächtnis aufeinander bezogen und zu einer kohärenten mentalen Repräsentation organisiert; schließlich wird diese mentale Repräsentation in die bereits vorhandenen Wissensstrukturen integriert. Diese Prozesse können durch die Strukturierung des Lernmaterials begünstigt oder gehemmt werden. So kann zum Beispiel die Darstellung der Hauptidee eines Textes und der ihr untergeordneten Spezifikationen in Form einer hierarchischen Baumstruktur den Lernern helfen, die darin enthaltenen Informationen besser aufeinander zu beziehen und zu einer kohärenten mentalen Repräsentation zu organisieren (Mayer 2005a). 272 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Vor dem Hintergrund dieser drei Grundthesen formuliert Mayer die sogenannte kognitive Theorie des multimedialen Lernens, die in der darauffolgenden Abbildung dargestellt ist (siehe Abbildung 7.3). Mayer geht von drei Komponenten des menschlichen Gedächtnisses aus: In einem ersten Schritt werden im sensorischen Gedächtnis die visuellen (Bilder, geschriebene Wörter) und auditiven Reize (gesprochene Wörter beziehungsweise Töne) durch die entsprechenden Sinnesorgane wahrgenommen und zum Arbeitsgedächtnis weitergeleitet. Dort werden die Informationen je nach Kodierung (piktorial oder verbal) durch kognitive Organisationsprozesse jeweils zu verbalen oder piktorialen Modellen weiterverarbeitet. Durch die Pfeile zwischen den Lauten und den Bildern macht Mayer deutlich, dass Wörter beispielsweise durch referentielle Prozesse auch die entsprechenden mentalen Bilder aktivieren können. Schließlich werden die verbalen und piktorialen Modelle durch Integrationsprozesse und die Aktivierung von relevantem Vorwissen zu einem ganzheitlichen mentalen Modell zusammengefügt. Words Pictures Eyes Ears Sounds Images Pictorial Mode Verbal Mode Prior Knowledge MULTIMEDIA PRESENTATION SENSORY MEMORY WORKING MEMORY LONG-TERM MEMORY selecting words selecting images organizing words organizing images integrating Abbildung 7.3: Kognitive Theorie des multimedialen Lernens (nach Mayer 2005b: 37) Im Modell von Mayer werden nicht alle Wege der Worterkennung berücksichtigt, die beispielsweise im Modell von Coltheart, Rastle, Perry, Langdon & Ziegler (2001) beschrieben werden (vergleiche Kapitel 6). Demnach führt der sogenannte lexikalische Weg über eine orthographische Dekodierung des visuellen Schriftbildes zum entsprechenden Eintrag im mentalen Lexikon. Durch referenzielle Prozesse aktiviert das visuelle Schriftbild direkt das repräsentierte Wort, ohne dass zunächst die entsprechenden Laute durch Graphem- Phonem-Korrespondenz generiert werden. Um diesen Weg in der Sprachverarbeitung zu berücksichtigen, sollte das Modell von Mayer durch einen weiteren Pfeil ergänzt werden, der von den Bildern direkt zum verbalen Modell führt. Der prälexikalische Weg, demzufolge die Lautform des Wortes buchstabenweise durch Graphem-Phonem-Korrespondenzen mental 273 7.2 Theorien des multimedialen Lernens rekonstruiert wird, wird in dem Modell durch die Verbindung zwischen den Bildern und den Lauten dargestellt. Abbildung 7.4: Integriertes Modell der Text- und Bildverarbeitung (Schnotz 2005: 57) In einem ähnlichen Modell, das in vielen Punkten an das Modell von Mayer erinnert, behebt Schnotz (2005, siehe Abbildung 7.4) das Problem der verschiedenen Verarbeitungswege, indem keine strengen auditiv-verbalen und visuell-piktorialen Kanäle angenommen werden (vergleiche auch Gyselinck, Jamet & Dubois 2008: 359). So muss der geschriebene Text zum Beispiel nicht unbedingt zunächst den Weg vom visuellen bis zum auditiven Arbeitsgedächtnis durchlaufen, um ein verbales Modell zu bilden (vergleiche Suñer 2011: 105). Im Vergleich zu Mayers Modell nimmt Schnotz (2005: 59) eine weitere wichtige Änderung vor, und zwar differenziert er nicht mehr zwischen verbalem und piktorialem Modell als Vorstufe zu einem ganzheitlichen mentalen Modell. Vielmehr wird im Modell suggeriert, dass Bilder durch den piktorialen Kanal einen viel schnelleren Zugang zu den mentalen Modellen haben, während der sprachliche Input zunächst zur Bildung einer propositionalen Repräsentation führt und erst dann zu einem mentalen Modell weiterverarbeitet wird. Damit wird das Modell Forschungsergebnissen gerecht, nach denen mentale Modelle mit der Verarbeitung visuellräumlicher Information eng zusammenhängen (vergleiche Friedman & Miyake 2000; Sims & Hegarty 1997) und für entsprechende mentale Simulationen von Sachverhalten eine wichtige Rolle spielen (vergleiche Seel, Darabi & Nelson 2006; Seel 2008). Durch die Trennung zwischen der bildlichen Repräsentation und dem mentalen Modell im Arbeitsgedächtnis wird jedoch auch deutlich gemacht, dass beide mentalen Repräsentationen nicht gleichzusetzen 274 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität sind (vergleiche Knauff & Schlieder 2005). So wurde in mehreren Experimenten festgestellt, dass die oft irrelevanten Details von mentalen Bildern unter bestimmten Bedingungen die Denkprozesse hemmen und damit die Bildung von mentalen Modellen behindern können (Knauff & Johnson-Laird 2002; Knauff & May 2006). 7.2.2 Anwendung der Designprinzipien Aus diesen ersten Ausführungen ergeben sich schon wichtige Konsequenzen für die Praxis. Multimediale Lernmaterialien sollen sorgfältig aufbereitet werden, damit zum Beispiel nicht unnötige Details von Bildern die Bildung mentaler Modelle und damit nachhaltiges Lernen verhindern. Das heißt also, dass wir nicht von einem allgemeinen Vorteil durch die Verwendung von Materialien bestehend aus Bildern und Texten (vergleiche Multimediaprinzip, Mayer 2009) ausgehen dürfen. Vielmehr sollen Prinzipien wie das Relevanzprinzip (Darbietung von lernrelevanten Informationen), das Redundanzprinzip (Vermeidung von doppelter Darbietung von Information) oder das signaling-Prinzip (Hervorhebung wichtige Elemente im Lernmaterial) sicherstellen, dass die dargebotenen multimedialen Materialien vor allem relevante Lernprozesse initiieren und nicht unnötigerweise kognitive Ressourcen verbrauchen (Mayer 2009). Weiterhin kann die Überlastung der einzelnen Verarbeitungskanäle im Arbeitsgedächtnis dadurch vermieden werden, dass die Bild- und Textanteile des Lernmaterials in verschiedenen Sinnesmodalitäten dargeboten werden und die Kapazität der Kanäle damit optimal genutzt wird (vergleiche Modalitätsprinzip). Die Effizienz dieser und anderer Designprinzipien hängt jedoch stark vom Vorwissen der Lerner ab, und zwar kann ihr Einsatz bei Lernern mit hohem Vorwissen im Sinne des sogenannten expert reversal effect kontraproduktiv sein (vergleiche Kalyuga et al. 2003; Sweller 2004; Plass et al. 2010). Schließlich soll bei der Anwendung der Designprinzipien berücksichtigt werden, dass sie meistens nicht direkt auf den Fremdsprachenkontext übertragbar sind. Es ist also hier auch mit veränderten Bedingungen zu rechnen. Vor diesem Hintergrund werden in den folgenden Abschnitten einzelne Designprinzipien vorgestellt. Dabei werden die Prinzipien in Anlehnung an Mayer (2009) zunächst anhand von Beispielen beschrieben und anschließend wird die dazugehörende empirische Befundlage vorgestellt. Schließlich werden- - soweit vorhanden- - weiterführende Ergebnisse aus dem Bereich des Fremdsprachenlernens vorgestellt, die von den Ergebnissen aus Studien mit muttersprachlichen Probanden abweichen. Da bisher insgesamt circa 30 Designprinzipien formuliert und erforscht wurden (vergleiche van Merriënboer & Kester 2014), beschränken wir uns im Folgenden lediglich auf die drei folgenden Prinzipien: das Modalitätsprinzip, das Kontiguitätsprinzip und das Redundanzprinzip. Das Modalitätsprinzip Nach van Merriënboer & Sweller (2010: 89) wird das Modalitätsprinzip wie folgt definiert: »Replace a written explanatory text and another source of visual information (unimodal) with a spoken explanatory text and the visual source of information (multimodal)«. Dabei 275 7.2 Theorien des multimedialen Lernens wird davon ausgegangen, dass die simultane Darbietung von Text und Bild am besten unterschiedliche Sinnesmodalitäten kombinieren sollte, um jeweils die Kapazität der beiden Verarbeitungskanäle optimal zu nutzen und eine eventuelle kognitive Überlastung zu vermeiden (vergleiche Low & Sweller 2005, Brünken, Plass & Leutner 2004). Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Ein Kollege oder eine Kollegin von Ihnen möchte ein Tutorial zu einem Tool zur Erstellung von Quizzen für das Lehrerkollegium in der Sprachschule vorbereiten. Dabei möchte er oder sie die verschiedenen Schritte zur Erstellung eines Quiz erklären, indem die entsprechenden Bildschirmaktionen gezeigt und kommentiert werden. Sie werden nun gefragt, ob es besser wäre die Kommentare zu den jeweiligen Bildschirmaktionen schriftlich oder mündlich darzubieten. In diesem Fall würde sich eine auditive Darbietung der Kommentare anbieten, damit der Sprachanteil der Information ausschließlich über den sprachlich-auditiven Kanal und die Bildschirmaufnahmen über den visuell-piktorialen Kanal verarbeitet werden. Bei der simultanen Darbietung von geschriebenem Text und den Bildschirmaufnahmen besteht hingegen die Gefahr, dass es zu einer Teilung der Aufmerksamkeit bei der Wahrnehmung kommt (beides kann nur visuell wahrgenommen werden) und die entsprechenden verbalen und piktorialen Modelle bei der Verarbeitung nicht erfolgreich aufeinander bezogen und integriert werden können. Die bisherige empirische Forschung hat die Effizienz des Modalitätsprinzips mehrfach belegt (vergleiche zum Beispiel Mousavi. Low & Sweller 1995, Tindall-Ford, Chandler & Sweller 1997, Jeung, Chandler & Sweller 1997, Mayer & Moreno 1998, Moreno & Mayer 1999, Moreno, Mayer, Spires & Lester 2001, Moreno & Mayer 2002, Craig, Gholson & Driscoll 2002). So wurde in der Studie von Mousavi et al. (1995) beobachtet, dass die Kombination eines Diagramms und eines gesprochenen Textes beim Lösen von Geometrie-Problemen effizienter war als die Kombination eines Diagramms und eines geschriebenen Textes (vergleiche Mayer & Moreno 1998). Weiterhin wies Mayer (2005b: 177) in einer Metastudie auf der Basis von insgesamt 21 Experimenten zum Modalitätsprinzip eine durchschnittliche Effektstärke von 0.97 (starker Effekt) nach. Daraus ergibt sich also, dass das Modalitätsprinzip auf einer relativ soliden empirischen Basis steht. Andere Experimente haben jedoch gezeigt, dass das Modalitätsprinzip nicht bedingungslos zu einem Mehrwert führt. So haben Sweller (2004, 2005; vergleiche auch Rummer, Fürstenberg & Schweppe 2008) festgestellt, dass das Prinzip nur dann auftritt, wenn die Bild- und Textverarbeitung simultan erfolgen soll und die Lerner zu einer Aufsplitterung der Aufmerksamkeit verleitet werden (vergleiche split-attention-Effekt). Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn in einem Buch eine Graphik zu den steigenden Zahlen der Deutschlerner weltweit auf einer Seite steht und die dazugehörenden Erklärungen auf der darauffolgenden Seite stehen. In diesem Zusammenhang trägt also das Modalitätsprinzip zur Reduzierung der extrinsischen kognitiven Belastung durch die unterschiedlichen Seiten bei. Leahy, Chandler & Sweller (2003) konnten diesen Mehrwert auch in ihrer Studie nachweisen: Lerner mit einem Lernmaterial bestehend aus einer Graphik und auditiv dargebotenen Erklärungen, die nicht isoliert voneinander verstanden werden konnten, schnitten besser ab als Lerner mit einer Graphik und visuell dargebotenen Erklärungen. Die Autoren weisen jedoch auch darauf hin, dass sich der Vorteil einer solchen multimodalen Darbietung der Lernmaterialien nur dann 276 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität beobachten lässt, wenn die Lernmaterialien eine erhebliche intrinsische kognitive Belastung mit sich bringen, zum Beispiel, wenn die verschiedenen Elemente des Lernmaterials einen hohen Interaktivitätsgrad aufweisen und daher inhaltlich anspruchsvoll sind (vergleiche auch Tindall-Ford et al. 1997). In einem weiteren Experiment stellen Leahy et al. (2003) auch fest, dass das Modalitätsprinzip keine Lernvorteile mit sich bringt, wenn neben einer selbsterklärenden Graphik zusätzliche auditive Erklärungen angeboten werden. Da die auditiv dargebotenen Erklärungen in dem Fall als überflüssig anzusehen sind, kann eine solche doppelte Darbietung der Information zu Leistungseinbußen führen. So war in dem Experiment die Gruppe ohne Erklärungen der Gruppe mit auditiv dargebotenen Erklärungen überlegen. Der negative Effekt einer doppelten Darbietung von Information fasst Mayer unter dem sogenannten Redundanzprinzip zusammen (Mayer 2009; vergleiche auch Sweller & Chandler 1991). Weiterhin stellt Ginns (2005) in seiner Metaanalyse von insgesamt 43 empirischen Studien unter anderem fest, dass die multimodale Darbietung der Lernmaterialien keinen Lernmehrwert darstellt, wenn die Lerner die Wiedergabe des gesprochenen Textanteils durch entsprechende Funktionen steuern können (zum Beispiel durch einen Abspielregler, vergleiche auch Betrancourt 2005). Bisher wurden wenige empirische Untersuchungen zur Relevanz des Modalitäts-Prinzips im Kontext des Fremdsprachenlernens durchgeführt. Eine Ausnahme bildet jedoch die Studie von Suñer (2011), in der drei unterschiedliche Aufbereitungen eines Hypertextes (vergleiche Kapitel 5) miteinander verglichen wurden: Gruppe 1: rein textueller Hypertext bestehend aus einer hierarchischen Navigationsleiste und den schriftlich dargebotenen Hypertextknoten (nur Text); Gruppe 2: multimedialer Hypertext bestehend aus einer graphischen Übersicht als Navigationsoberfläche und den schriftlich dargebotenen Hypertextknoten (Bild und Text); Gruppe 3: multimodaler Hypertext bestehend aus einer graphischen Übersicht als Navigationsoberfläche und den auditiv dargebotenen Hypertextknoten (Bild und Audio). Die Ergebnisse der Tests zum Textverstehen zeigen eindeutig, dass nur die Experimentalgruppe 2 (Bild und Text) der Experimentalgruppe 1 (nur Text) signifikant überlegen war. Die Experimentalgruppe 3 (Bild und Audio) schnitt zwar besser als Gruppe 1 (nur Text) ab, der Unterschied war jedoch nicht signifikant. Der Autor schließt daraus, dass das Multimediaprinzip (die Darbietung von Bild und Text ist lernförderlicher als nur Text) für den L2-Spracherwerb relevanter zu sein scheint als das Modalitätsprinzip. Die bedingte Effizienz des Modalitätsprinzips erklärt der Autor in Anlehnung an das control-of-processing principle von Schnotz (2005), nach dem die visuelle Darbietung von Texten bei statischen Bildern, bei schwierigen Texten und bei begrenzter Lernzeit günstiger ist als die auditive Darbietung. So spielt die unterschiedliche Natur der jeweiligen Reizinformationen bei der Überlegenheit der visuellen Darbietung des Textes gegenüber der auditiven Darbietung eine wichtige Rolle. Während das Verarbeitungstempo bei gesprochener Sprache aufgrund der Kurzlebigkeit und Flüchtigkeit der auditiven Reize kaum beeinflussbar ist, kann der Lerner bei geschriebener Sprache aufgrund der Stabilität der visuellen Reize die Verarbeitungsgeschwindigkeit an die eigenen Bedürfnisse anpassen (zum Beispiel langsamer lesen bei thematisch schwierigen Texten). Hier hilft selbst die Nutzung einer Abspielsteuerung bei Audio-Texten nicht, denn die Geschwindigkeit der Aufnahmen bleibt auch nach fünf oder zehn Wiederholungen unver- 277 7.2 Theorien des multimedialen Lernens ändert. Auch die Flüchtigkeit animierter Bilder kann dazu führen, dass der Lerner insgesamt weniger Kontrolle über die Geschwindigkeit der simultanen Verarbeitung von Text und Bild hat und sich daher zum schnellen Wechseln zwischen animierten Bildern und geschriebenem Text gezwungen sieht. Die damit verbundene kognitive Überlastung (splitt-attention) kann in diesem Fall jedoch durch die Nutzung eines Abspielreglers vermieden werden, anhand dessen der Lerner die Animation nach Bedarf stoppen kann. Der Einsatz solcher instruktionalen Designmaßnahmen wurde bereits in einigen Studien zur Grammatikvermittlung erfolgreich umgesetzt. Das Kontiguitätsprinzip Das Kontiguitätsprinzip, das van Merriënboer & Sweller (2010: 89) unter dem split attention effect zusammenfassen, definieren die Autoren folgendermaßen: »Replace multiple sources of information, distributed either in space (spatial split attention) or time (temporal split attention), with one integrated source of information«. Das Prinzip lässt sich vor dem Hintergrund der zuvor präsentierten Theorien zum multimedialen Lernen (Mayer 2005a, 2009; Schnotz 2005) begründen, und zwar soll damit die kognitive Überlastung vermieden werden, die sich aus der zeitlich oder räumlich separaten Darbietung von Text und Bild ergeben kann. Der Versuch, Text- und Bildinformation im Arbeitsgedächtnis aufeinander zu beziehen, die zeitlich oder räumlich nicht zeitgleich vorhanden sind, verursacht einen erhöhten Verbrauch an kognitiven Ressourcen, der oft mit Leistungseinbußen einhergeht (vergleiche Sweller 2004). Durch die Integration von Bildern und Wörtern in der Lernumgebung kann also der split-attention-Effekt reduziert und somit die simultane Verarbeitung beider Informationsarten im Arbeitsgedächtnis unterstützt werden (vergleiche Schnotz 2005: 61). Dies betrifft nach Clark & Mayer (2016: 91ff) aber nicht nur die Präsentation von Bildern und Texten im Allgemeinen, sondern auch eine Reihe von weiteren Aspekten, die sowohl für allgemeine Lernmaterialien als auch für Sprachlernplattformen relevant sind. In folgenden Kontexten kann die Aufmersamkeitsteilung nach Clark & Mayer (2016: 5) einen lernhemmenden Effekt haben: ▶ die separate Darbietung von Graphiken und Texten auf scrollenden Websites; ▶ die separate Darbietung von Fragen und den entsprechenden Antworten beziehungsweise des Feedbacks; ▶ die separate Darbietung von Inhalten in verschiedenen Browserfenstern; ▶ die simultane Darbietung von geschriebenem Text und Animationen; ▶ die Nutzung einer Legende zur Erklärung einzelner Teile einer Graphik. Im Zusammenhang mit dem Kontiguitätsprinzip wird oft zwischen zeitlicher und räumlicher Kontiguität unterschieden (vergleiche Mayer 2009; Clark & Mayer 2016). Wir werden hier im Sinne von van Merriënboer & Sweller (2010) jedoch beide Aspekte gesammelt behandeln, da sie auf denselben kognitiven Effekt zurückzuführen sind, nämlich den split-attention-Effekt. Das Vorkommen einer Aufsplittung der Aufmerksamkeit wird in der Literatur mit der extrinsischen kognitiven Belastung in Zusammenhang gebracht und daher eher mit der 278 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Präsentationsart des Lernstoffs als mit seiner Schwierigkeit. Zur Untersuchung dieser Quelle der extrinischen kognitiven Belastung wurden mehrere Studien durchgeführt, in denen nicht-integrierte Lernmaterialien und physikalisch integrierte Lernmaterialien miteinander verglichen wurden (vergleiche Mwangi & Sweller 1998, Chandler & Sweller 1996, Cerpa, Chandler & Sweller 1996, Sweller & Chandler 1994, Mayer & Sims 1994, Ward & Sweller 1990, Kester, Kirschner & van Merriënboer 2005). So verglichen Kester et al. (2005) zwei Gruppen von Lernern, die sich mit den Funktionsweisen eines Stromkreises anhand von unterschiedlich aufbereiteten Lernmaterialien beschäftigten: Eine Gruppe lernte mit einem Diagramm zum besagten Thema, wobei einige prozedurale Informationen nicht räumlich integriert waren; eine andere Gruppe lernte mit demselben Diagramm, in dem die prozeduralen Informationen integriert waren. Die Ergebnisse der Leistungstests zeigen, dass die Gruppe mit den integrierten Lernmaterialien nur beim Lösen von Stromkreisproblemen, die deutlich von den Praxisbeispielen aus der Lernphase differieren, der anderen Gruppe überlegen war. Beim Lösen ähnlicher Probleme wie die aus der Lernphase wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt. Ein solches unsystematisches Auftreten beziehungsweise ein nicht flächendeckender Effekt des Kontiguitätsprinzips lässt sich auch in weiteren Studien beobachten (vergleiche zum Beispiel Kester, Kirschner & van Merriënboer 2004a, 2004b). Dies kontrastiert mit den Ergebnissen der zwei Metastudien von Mayer (2009), in denen er für das räumliche und das zeitliche Kontiguitätsprinzip jeweils eine große durchschnittliche Effektstärke nachwies (d=1,09 und d=1,31, vergleiche Mayer 2009: 135 und 153). Das Gesamtbild lässt also zu Recht vermuten, dass das Auftreten des Kontiguitätsprinzips an gewisse Einschränkungen gebunden ist. Ähnlich wie beim Modalitätsprinzip stellt das Vorhandensein einer hohen intrinsischen kognitiven Belastung nach Sweller & Chandler (1994: 122) eine der wichtigsten Einschränkungen dar. Weiterhin bewirkt das räumliche Integrieren von Text und Bild nach Ayres & Sweller (2014) keine Steigerung der Lernleistungen, wenn der Text das Bild inhaltlich zwar umschreibt, aber an sich keine neuen, ergänzenden Informationen anbietet (vergleiche auch Mayer 2009: 135). Eine Steigerung der Lernleistung kann in diesem Fall eher durch das Weglassen redundanter Information erreicht werden (vergleiche Ayres & Sweller 2014, vergleiche Redundanzprinzip weiter unten). Schließlich konnten Cierniak, Scheiter & Gerjets (2009) zeigen, dass anhand des Kontiguitätsprinzips nicht nur die extrinsische kognitive Belastung verringert, sondern auch die lernbezogene kognitive Belastung erhöht werden konnte. Diesen Befund bestätigen auch Ergebnisse anderer Studien (vergleiche Kester, Kirschner & van Merriënboer 2005, Tabbers, Martens & van Merriënboer 2000), in denen trotz der signifikant besseren Lernleistungen in den Gruppen mit integrierten Lernmaterialien die gesamte kognitive Belastung gleich groß war. Daraus lässt sich schließen, dass durch den Einsatz des Kontiguitätsprinzips kognitive Ressourcen für Schematisierungsprozesse freigemacht wurden, sodass die drei Arten kognitiver Belastung insgesamt besser ausbalanciert werden konnten. 279 7.2 Theorien des multimedialen Lernens Das Redundanzprinzip In diesem letzten Abschnitt beschäftigen wir uns mit einem weiteren Designprinzip, das zwar etwas selbstverständlich klingt, jedoch gewissen Einschränkungen unterliegt, vor allem in Bezug auf das Fremdsprachenlernen: das Redundanzprinzip. Van Merriënboer & Sweller (2010: 89) formulieren das Prinzip wie folgt: »Replace multiple sources of information that are self-contained (i.e. they can be understood on their own) with one source of information«. Mayer (2009: 124), der sich bei der Definition des Redundanzprinzips im Gegensatz zu van Merriënboer & Sweller (2010) lediglich auf die simultane Darbietung von Bildern, gesprochenem Text und geschriebenem Text bezieht, beschreibt die damit verbundene Überlastung des Verarbeitungssystems wie folgt: Sowohl die simultane Wahrnehmung von Bildern und geschriebenem Text durch die Augen als auch die Versuche, die sprachlichen Informationen aus dem gesprochenem und dem geschriebenen Text aufeinander zu beziehen, führen zu einer erhöhten extrinsischen kognitiven Überlastung. Folgerichtig rät Mayer (2009: 124) von einer doppelten Darbietung von verbaler Information (auditiv und visuell) ab und empfiehlt die Darbietung von Bild und Text nach dem zuvor besprochenen Modalitätsprinzip. Diese Definition kontrastiert mit der etwas breiter gefassten Definition des Redundanzprinzips nach Sweller (2005), die sich sowohl auf die doppelte Darbietung von Text und / oder Bild in jeder jeglicher Form als auch auf die Darbietung unnötiger Erläuterungen zum Lernstoff bezieht. Das zeigt wiederum, dass es fließende Übergänge zwischen vielen Designprinzipien gibt, denn hier kommt unter anderem der Aspekt der Kohärenz der verschiedenen Materialien zum Tragen, den Mayer (2009) unter dem Kohärenzprinzip zusammenfasst: Lässt sich für den Lerner kein kohärenter Zusammenhang zwischen den verschiedenen Elementen des Lernmaterials erkennen, so führt dies zu einer Erhöhung der extrinsischen kognitiven Belastung. Mayer (2009: 126) legt insgesamt fünf eigene Experimente vor (zum Beispiel Moreno & Mayer 2002), die die Überlegenheit der Gruppen mit nicht redundanten Lernmaterialien gegenüber den Gruppen mit redundanten Lernmaterialien nachweisen konnten. Die positiven Effekte führt Mayer auf die Vermeidung einer Überlastung des auditiv-sprachlichen Kanals zurück. Obwohl die durchschnittliche Effektgröße der fünf Studien mittelstark bis stark war (d=0.72), merkt Mayer an, dass das Vorkommen eines solchen Effektes an viele Bedingungen gekoppelt ist. Demnach profitieren Lerner nicht vom Redundanzprinzip vor allem bei kurzen Texten und bei der Darbietung von verkürzten Untertiteln zu gesprochenen Texten. Außerdem zeigen neuere Studien, dass sich das Prinzip im Fremdsprachenkontext etwas anders verhält. In einer sehr umfangreichen Metastudie mit mehr als 57 unabhängigen Studien untersuchten Adesope & Nesbit (2012), unter welchen Bedingungen die doppelte Darbietung von sprachlicher Information der einfachen Darbietung überlegen war. Diese Überlegenheit wurde vor allem bei Lernern mit niedrigem Vorwissen sowie bei der Nutzung von systemgesteuerten und rein sprachlichen Lernmaterialien festgestellt. Ein positiver Effekt von redundanten Lernmaterialien wurde ebenfalls von Mayer & Johnson (2008) beobachtet, nämlich bei der Ergänzung von kurzen Überschriften in verschiedenen Graphiken, die durch auditiv dargebotene Erklärungen zusätzlich beschrieben wurden. In diesem Fall verhalfen 280 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität die Überschriften zu einer besseren Zuordnung der Begriffe aus dem gesprochenen Text zu den jeweiligen Teilen der Graphik. Redundante Lernmaterialien scheinen jedoch auch im Fremdsprachenkontext hilfreich zu sein. So konnten Mayer, Lee & Peebles (2014) in einem ersten Experiment zeigen, dass die Darbietung von redundanten Bildern zu Inhalten aus einem gesprochenen Text nicht-muttersprachlichen Studenten zu besseren Lernerfolgen verhalf als die reine Darbietung des gesprochenen Textes. In einem zweiten Experiment hat sich die Darbietung von Untertiteln in einem Video jedoch nicht als lernförderlich erwiesen. Die Ergebnisse aus diesem zweiten Experiment kontrastieren jedoch mit den Ergebnissen aus der Studie von Mitterer & McQueen (2009), in der Fremdsprachenlerner einen dialektal gefärbten Film mit Untertiteln signifikant besser verstehen konnten als ohne Untertitel. In manchen Fällen kann also die Darbietung sprachlicher Information in visueller Modalität zu einer besseren Segmentierung gesprochener Texte verhelfen. 7.2.3 Zusammenfassung ▶ Die kognitive Theorie des multimedialen Lernens von Mayer erweist sich als ein fruchtbarer theoretischer Rahmen zur Formulierung von Designprinzipien. ▶ Die kognitive Theorie des multimedialen Lernens geht von drei zentralen Annahmen aus: a. Beim multimedialen Lernen sind hauptsächlich zwei separate, aber miteinander verknüpfte Verarbeitungskanäle involviert. b. Das Arbeitsgedächtnis verfügt über eine limitierte Verarbeitungskapazität, die allerdings für beide Kanäle unterschiedlich ist. c. Sinnvolles multimediales Lernen basiert auf Prozessen der Selektion von Information sowie deren Organisation und Integration in das bereits vorhandene Vorwissen. ▶ Um einen Mehrwert durch die Kombination von Text und Bild zu erzielen, müssen gewisse Prinzipien beachtet werden (zum Beispiel das Relevanzprinzip, das Redundanzprinzip und das signaling- Prinzip), wobei deren Effizienz stets vom Vorwissen der Lerner abhängt. ▶ Es muss auch zwischen dem Kontext innerhalb der L1 und des L2-Erwerbs unterschieden werden, denn für den L2-Spracherwerb hat das Multimediaprinzip eine höhere Relevanz als das Modalitätsprinzip, da die visuelle Darbietung von Texten den L2-Lernern aufgrund der Stabilität der Reize mehr Kontrolle über die Verarbeitungsgeschwindigkeit erlaubt als die flüchtigen auditiven Reize bei der gesprochenen Sprache. 281 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung 7.2.4 Fragen zur Wissenskontrolle 1. Welche sind die größten Unterschiede zwischen den Theorien zum multimedialen Lernen von Mayer und Schnotz? 2. Unter welchen Bedingungen stellt das Modalitätsprinzip keinen Lernmehrwert dar? 3. Wie lässt sich das Kontiguitätsprinzip vor dem Hintergrund der Theorien zum multimedialen Lernen erklären? 4. Unter welchen Umständen sind redundante Lernmaterialien lernförderlich? 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung In diesem Band haben Sie bereits gelernt, wie die verschiedenen Designprinzipien aus den Theorien abgeleitet wurden und wie sie auf konkrete Materialien angewandt werden können. Sie haben sich auch mit den Fragen beschäftigt, inwiefern sich die visuelle und die auditive Darbietung eines multimedialen Hypertextes auf das Textverstehen in der Fremdsprache auswirken und inwieweit die doppelte Darbietung von Informationen das Lernen hemmen oder fördern kann. Nun müssen wir uns fragen, wie sich die verschiedenen Designprinzipien miteinander kombinieren lassen und unter welchen Bedingungen solche komplexen multimedialen Lernmaterialien zu einem funktionalen Mehrwert führen? Diese Fragen sollen in dieser Lerneinheit am Beispiel des Einsatzes von Grammatikanimationen beantwortet werden. Dabei soll veranschaulicht werden, wie die in Kapitel 2 besprochenen Erklärungsansätze zu den Wechselpräpositionen, den Modalverben und dem Genus Verbi mithilfe von Animationen vermittelt werden können. Dafür lernen Sie zu Beginn dieser Lerneinheit zunächst einige Grundkonzepte kennen, bevor wir auf animierte grammatische Metaphern eingehen und ihre Effizienz anhand der Ergebnisse dreier empirischer Studien besprechen. Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ verstehen und erklären können, welcher Mehrwert durch den Einsatz von animierten grammatischen Metaphern erreicht werden kann; ▶ die wichtigsten Aspekte einer Unterrichtssequenz zum Einsatz animierter grammatischer Metaphern ausarbeiten können. 7.3.1 Grammatische Metaphern und Animationen Bei der Konzipierung und Implementierung multimedialer Lernmaterialien reicht die alleinige Berücksichtigung der Designprinzipien nicht aus, um den gewünschten Lernmehrwert zu erreichen. Vielmehr müssen auch Fragen geklärt werden, wie zum Beispiel Welche Sprach- und Kulturauffassung lege ich zugrunde? oder Wie erkläre ich meinen Lernern die 282 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Sprache und die Kultur? Bezüglich der ersten Frage haben wir im Kapitel 2 gesehen, dass die kognitionslinguistischen Ansätze ein großes Potenzial zur Beschreibung der konzeptuellen Motiviertheit von Sprache und Grammatik besitzen. Nach diesem kognitionslinguistischen Sprachverständnis stellt Sprache ein bedeutungsvolles System dar, welches dem Sprecher erlaubt, die eigenen Erfahrungen über die Welt über unterschiedliche Wege zu konzeptualisieren. Das heißt also, dass der Sprecher beziehungsweise die Sprecherin als »Konzeptualisierer« im Mittelpunkt sprachlicher Kommunikationsprozesse steht. Die Darstellungsformen in der kognitiven Linguistik lassen sich jedoch nicht direkt auf den Unterrichtskontext übertragen, da sie oft zu abstrakt sind und daher den Lernern keinen besonders leichten Zugang zur Sprache bieten. Lernern kann es zum Beispiel schwerfallen, Kreise und Pfeile jeweils den Partizipanten und Handlungen konkreter Szenen zuzuordnen. Die zweite Frage bezieht sich folgerichtig auf die lerngerechte Darstellung von Sprache und Kultur. Dabei spielen die sogenannten grammatischen Metaphern als didaktische Brücken eine wichtige Rolle, und zwar nutzen sie als innovative konzeptuelle Metaphern Alltagserfahrungen der Lerner (zum Beispiel Hobbies, Verkehr etc.) zur Transparentmachung grammatischer Prinzipien (vergleiche Roche & Suñer 2014). Nach dieser Definition besitzen grammatische Metaphern einen reinen didaktischen Charakter und sind daher nicht zu verwechseln mit den grammatischen Metaphern nach Goatly (2007), die er zur Bezeichnung der Substitution einer grammatischen Struktur durch eine weniger übliche Struktur nutzt (zum Beispiel die Verwendung eines Nomens statt eines Verbs zur Versprachlichung von Prozessen). Den Mehrwert grammatischer Metaphern für die Grammatikvermittlung beschreiben Roche & Suñer (2014) folgendermaßen: Mit grammatischen Metaphern lassen sich-[…] lernrelevante Aspekte der konzeptuellen Motiviertheit der Grammatik (Grenzüberschreitung, Kraft-Dynamik, Energietransfer etc.) erfahrbar machen, ohne auf abstraktere Darstellungsweisen zurückgreifen zu müssen. Die kognitive Verankerung von grammatischen Metaphern ist eine wichtige Voraussetzung für die Erzielung des gewünschten Mehrwerts, da sonst die verwendete Metapher eine reine Unterhaltungsfunktion ohne erkennbaren Bezug zum Lernprozess erfüllen würde. (Roche & Suñer 2014: 133) Nachdem wir geklärt haben, welches Sprachverständnis wir unserem Sprachunterricht zugrunde legen und wie wir die wichtigsten Prinzipien der Sprache beziehungsweise Grammatik für Lernzwecke transparent machen, widmen wir uns nun der methodischen Umsetzung. Wie bereits gesehen, spielen Dynamik und Bewegung eine wichtige Rolle bei der Beschreibung der konzeptuellen Motiviertheit bestimmter Grammatikbereiche. In diesen Fällen wäre eine Präsentation der entsprechenden grammatischen Metaphern durch statische Bilder eher ungünstig, da mehrere Bilder nötig wären, um die vollständige Sequenz abzubilden. Die Lerner müssten dann in einem weiteren Schritt alle Bilder zusammenfügen und die eigentliche Bewegung erst mental simulieren. Eventuelle split-attention-Effekte (vergleiche Lerneinheit 7.2) durch die zeitlich und räumlich getrennte Darbietung der einzelnen Bilder der Serie können zudem lernhemmende Effekte auslösen. Daher empfiehlt es sich in diesen Fällen, animierte Darstellungen zu verwenden, die die relevanten sensomotorischen Aspekte 283 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung adäquat darstellen können. Die Animationen werden in der Forschungsliteratur wie folgt definiert: We define animations as constructed pictorial display that changes its structure or other properties over time and so triggers the perception of a continuous change. Animation is distinct from video in that it is not the result of merely capturing images of the external world-- rather, it is the product of deliberate construction processes such as drawing. (Lowe & Schnotz 2014: 515) Für die Nutzung animierter grammatischer Metaphern sprechen einige Erkenntnisse aus der Metaphernforschung, nach denen das Verständnis metaphorischer Ausdrücke erleichtert werden kann, wenn die konkrete Bedeutung mental simuliert wird (vergleiche Wilson & Gibbs 2007, Johansson Falck & Gibbs 2012). Auch f MRI -Studien (siehe Kapitel 1) zeigen, dass an der Erschließung der Bedeutung abstrakter Ausdrücke wie idiomatischen Redewendungen viele sensu-motorischen Aspekte beteiligt sind (Boulenger, Hauk & Pulvermüller 2009). Wie sich solche animierten grammatischen Metaphern konkret auf Bereiche wie die Wechselpräpositionen, das Genus Verbi oder die Modalverben anwenden lassen und inwiefern ihre Umsetzung in Form von animierten Darstellungen einen funktionalen Mehrwert generiert, soll in den folgenden Abschnitten diskutiert werden. Zu diesem Zweck wird zu jedem der gewählten Grammatikthemen zunächst kurz der Erklärungsansatz erläutert und anschließend werden die dazugehörenden empirischen Studien zur Evaluation der Effizienz des Ansatzes vorgestellt. Jeder Abschnitt schließt mit praktischen Tipps beziehungsweise Überlegungen zum Einsatz der Animationen im Unterricht. 7.3.2 Die Wechselpräpositionen Wie Sie bereits gesehen haben, können Wechselpräpositionen je nach Satzkontext den Akkusativ oder den Dativ regieren. Der klassische Erklärungsansatz zur Kasuswahl bei den Wechselpräpositionen argumentiert mit der Bewegung des Verbs als Kriterium für die Verwendung des Akkusativs und mit der Statik für die Verwendung des Dativs. Trotz scheinbarer Plausibilität stößt dieser Ansatz an die Grenzen der Semantik selbst, und zwar können damit Fälle wie zum Beispiel ich fahre auf der Straße oder ich gehe im Flugzeug nicht zufriedenstellend erklärt werden. Mit dieser Problematik beschäftigte sich Scheller (2009; vergleiche auch Roche & Scheller 2008) und entwickelte auf der Basis kognitionslinguistischer Erkenntnisse einen Erklärungsansatz, der einerseits die Kategorien Figur-Grund nutzte und andererseits mit dem Konzept des Suchbereichs (der aktivierte Teil der Zieldomäne, zum Beispiel der untere Teil des Betts bei der Präpositionalphrase unter dem Bett) bei lokativen Ausdrücken operiert (vergleiche Langacker 2008b). Vor diesem Hintergrund begründete Scheller (2009) die Kasuswahl mit der Überschreitung beziehungsweise nicht Nichtüberschreitung der imaginären Grenze des Suchbereichs (Grund) durch die Figur. Im ersten Fall wird Akkusativ verwendet und beim Nichtüberschreiten der imaginären Grenze, der landmark, wird hingegen der Dativ verwendet. Zur Überprüfung des Mehrwerts dieses Erklärungsansatzes für den Spracherwerb wurde dieses Prinzip in Form einer Animation umgesetzt und in einem 284 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Experiment mit Versuchsteilnehmern empirisch evaluiert. Die folgende Abbildung zeigt einen Screenshot von den Animationen: Abbildung 7.5: Grammatikanimationen zu Wechselpräpositionen (Scheller 2012: 7f) Dabei bietet die Nutzung von animierten Bildsequenzen aus der Sicht der Text- und Bildverarbeitung viel mehr Vorteile als die Darbietung statischer Bilder (vergleiche Roche 2008, Mayer 2009, Lowe & Schnotz 2014). Während statische Bilder erst in den Köpfen der Lerner durch Prozesse der mentalen Integration zusammengestellt werden, können die Lerner durch Animationen die räumlichen und dynamischen Aspekte der Grenzüberschreitung auf eine viel direktere Weise erfahren (vergleiche Scheller 2009). Außerdem lassen sich durch animierte Bildsequenzen die grammatischen Konzepte viel leichter mental simulieren und überhaupt die Unterschiede in der Form auf konkrete Bedeutungsnuancen zurückführen (vergleiche Roche & Suñer 2014). Bei der Erstellung wurden verschiedene Designprinzipien berücksichtigt, die im Rahmen der Theorien des multimedialen Lernens formuliert wurden und die die kognitionspsychologischen Verarbeitungsprozesse von Text und Bildern optimal unterstützen. Diese werden im Folgenden kurz skizziert: ▶ Die Verwendung von Bildern und animierten Objekten dient hier nicht Unterhaltungszwecken, sondern sie ist integraler Bestandteil des Konzeptualisierungsprozesses (vergleiche Multimediaprinzip nach Mayer 2009 in Lerneinheit 7.2). ▶ Bild und Text sind in der Animation kohärent aufeinander abgestimmt und fördern Prozesse der Organisation und Integration multimedialer Information (vergleiche Kohärenzprinzip nach Mayer 2009 in Lerneinheit 7.2). ▶ Der Lerner kann anhand der Abspielfunktionen der Animation über die Verarbeitungsgeschwindigkeit entscheiden (self-pacing-Prinzip nach Mayer & Moreno 2003). ▶ Die wichtigsten Aspekte des präsentierten Materials werden auch als solche hervorgehoben, wie zum Beispiel durch die farbliche Markierung der imaginären Grenze als kognitives Prinzip für die Kasuswahl (vergleiche signaling-Prinzip nach Mayer 2009 in Lerneinheit 7.2). 285 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Animationen von Scheller (2009) das Modalitätsprinzip bewusst nicht anwenden. Das heißt, die verbale Information wird hier genauso wie die piktoriale Information visuell dargeboten. Durch die Abspielfunktion der Animation werden aber eventuelle split-attention-Effekte und damit die unnötige Erhöhung der extrinsischen kognitiven Belastung vermieden. Zur Überprüfung des Mehrwerts der Animationen zu den Wechselpräpositionen führte Scheller (2009) eine Interventionsstudie durch, in der die zwei Variablen Erklärungsansatz (traditionell versus kognitionslinguistisch) und Präsentationsmodus (statisch versus dynamisch) getestet wurden (siehe Tabelle 7.1). Insgesamt wurden also vier unterschiedliche Gruppen gebildet (siehe Tabelle 7.1): Eine erste Gruppe ( WS ) lernte mit einer Standbildversion der Wo-wohin-Erklärung, in der die Dynamik durch Pfeile symbolisiert wurde; eine zweite Gruppe ( WA ) nutzte eine animierte Version der Wo-wohin-Erklärung; eine dritte Gruppe ( GS ) lernte mit einer Standbildversion des Erklärungsansatzes der Grenzüberschreitung, in der die Dynamik durch Pfeile symbolisiert wurde und sowohl die Grenze als auch der Zielbereich explizit markiert wurden; eine vierte Gruppe ( GA ) nutzte eine animierte Darstellung des Erklärungsansatzes der Grenzüberschreitung. Präsentationsmodus/ Erklärungsansatz wo / wohin Grenzüberschreitung statisch WS GS animiert WA GA Tabelle 7.1: Untersuchungsdesign der Studie von Scheller (2009) Insgesamt nahmen 89 weißrussische Deutschlerner am Experiment teil. Zuerst wurde ein Pre-Test durchgeführt, um das Vorwissen der Versuchsteilnehmer in Bezug auf die Wechselpräpositionen zu erheben. Danach lernten die Versuchsteilnehmer mit den Animationen und bearbeiteten Aufgaben (circa 45 Minuten). Unmittelbar nach der Lernphase wurde ein Nachtest durchgeführt (circa 20 Minuten) und zur Sicherstellung langfristiger Lerneffekte wurde eine Woche später ein weiterer Nachtest eingesetzt (circa sieben Minuten). Die Auswertung der Nachtests zeigt, dass die Gruppe GA am besten abschnitt und dass sie sich von allen anderen Gruppen signifikant unterschied. Zwischen den drei anderen Gruppen bestanden keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Lernleistung. Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass erst durch die Kombination von kognitionslinguistischen Erklärungsansätzen mit einer medial adäquaten Präsentation nachhaltige Lerneffekte im Grammatikerwerb erreicht werden können. Das heißt also, dass weder das reine Animieren traditioneller Regelerklärungen noch die Darbietung des kognitionslinguistischen Erklärungsansatzes in Form von Standbildern zum gewünschten Lernmehrwert führen. 7.3.3 Die Modalverben Wie bereits gesehen, lassen sich die Modalverben in Anlehnung an Tyler (2008; vergleiche auch Sweetser 1990; Talmy 2000) als unterschiedliche Konstellationen von Kraft-Dynamik- Verhältnissen beschreiben. So kann der sogenannte Agonist entweder eine Tendenz zum Ru- 286 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität hezustand oder zur Fortbewegung haben. Der Antagonist versucht seinerseits, den Agonisten durch einen Druck von hinten oder durch eine Gegenkraft von vorne zur Fortbewegung zu zwingen. Das Ergebnis hängt davon ab, wie das Kräfteverhältnis zwischen beiden Entitäten ausgefallen ist. Zur Illustration dieser kraft-dynamischen Verhältnisse sind sowohl die Darstellungsformen nach Talmy (2000) als auch die Zeichnungen nach Tyler (2008) nicht besonders geeignet, da sie von Lernern unterschiedlich interpretiert werden und daher verwirrend wirken können. Im Gegensatz dazu bieten grammatische Metaphern einen viel direkteren Zugang zur konzeptuellen Struktur der Modalverben, da sie Alltagserfahrungen der Lerner als Grundlage nehmen. So schlagen Roche & Suñer (2014) für das Modalverb dürfen in deontischer Lesart die folgende grammatische Metapher vor (siehe auch Lerneinheit 8.1): [Dürfen] lässt sich anhand eines Rennwagens (Agonist) darstellen, der dank der Aufhebung einer Schranke (Antagonist) durch eine externe Autorität (zum Beispiel eine Ampel) fortfahren kann. Wird das Hindernis (Antagonist) nicht durch eine externe Autorität aufgehoben, ist kein Fortfahren mehr möglich. (Roche & Suñer 2014: 134) Die folgenden Abbildungen zeigen die Umsetzung dieser grammatischen Metapher: Abbildung 7.6: Screenshot aus den Grammatikanimationen zum Modalverb dürfen in deontischer Lesart (Roche & Suñer 2014: 134) Andere Modalverben wie müssen und sollen in deontischer Lesart nutzen nach Roche & Suñer (2014) völlig unterschiedliche kraft-dynamische Elemente: Bei müssen erfährt der Autofahrer (Agonist) einen kaum widerstehlichen Druck von hinten durch das Geschrei der Fans, der ihn zum Fortfahren zwingt; bei sollen ist der Druck zwar vorhanden, das Fortfahren ist weniger zwingend als bei müssen, was-[…] durch abgesoftete Kraftwellen und durch eine fast leere Tribüne dargestellt wird. (Roche & Suñer 2014: 135) 287 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung Abbildung 7.7: Screenshots aus den Grammatikanimationen zu den Modalverben müssen und sollen in deontischer Lesart (Roche & Suñer 2014: 135) Bei der Verwendung dieser Animationen zur Vermittlung der Modalverben können sich Lerner oder gar Kollegen zurecht fragen, warum sich Vettel überhaupt bewegen soll. Es kann ja sein, dass er zwar fortfahren muss, aber trotzdem nicht will. An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass die Modalverben in deontischer Lesart lediglich die Notwendigkeit und Möglichkeit des Zustandekommens von Sachverhalten beziehungsweise Handlungen ausdrücken. Darüber, ob Vettel sich am Ende aufgrund des starken Drucks der Fans wirklich bewegt oder lieber Kaffee trinken geht, werden also keine Aussagen gemacht. In einer umfangreichen Interventionsstudie mit insgesamt 127 Versuchsteilnehmern untersuchte Kanaplianik (2016) den Lernmehrwert von animierten Darstellungen zu den deutschen Modalverben auf der Basis des Kraft-Dynamik-Ansatzes (vergleiche Talmy 2000, vergleiche Tyler 2008). Ähnlich wie in der Studie von Scheller (2009), wurden durch ein zweifaktorielles Untersuchungsdesign die Variablen Erklärungsansatz (kognitionslinguistisch versus traditionell) und Darstellungsform (animiert versus statisch) getestet, so dass sich daraus insgesamt vier unterschiedliche Experimentalgruppen ergaben. Das Untersuchungsdesign sah einen Vortest, ein 40-minütiges Treatment und einen Nachtest direkt nach dem Treatment vor sowie einen Nachhaltigkeitstest eine Woche später. Weitere Daten zur Lernbiographie der Versuchsteilnehmer sowie zur Arbeit mit den Animationen wurden ebenfalls elizitiert. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass nur diejenigen Versuchsteilnehmer vom kognitions-linguistischen Ansatz nachhaltig profitieren, die die dort vermittelten grammatischen Metaphern als Lernerstrategie übernehmen und bei der Bearbeitung der Aufgaben verwenden: Sie zeigen nicht nur direkt nach dem Treatment einen signifikanten Lernzuwachs zwischen Vor- und Nachtest, sondern sie verbessern sich deutlich im Nachhaltigkeitstest und zeigen somit eine positive Lernentwicklung. Im Gegensatz dazu erzielen die Lerner, die den traditionellen Ansatz anwenden, zwar auch einen Lernzuwachs zwischen Vor- und Nachtest, dieser verringert sich jedoch bereits im Nachhaltigkeitstest, so dass von kurzfristigen Lerneffekten auszugehen ist. Insgesamt zeigt sich also, dass der Einsatz kognitionslinguistischer Animationen nur dann zu einem nachhaltigen Lernmehrwert führt, wenn die dort vermittelten grammatischen Metaphern auch als Lernerstrategie übernommen und auf weitere Kontexte angewandt werden. Für die Praxis bedeutet das, dass die Arbeit mit den Animationen unbedingt Aufgaben vorsehen sollte, die eine aktive und tiefer gehende Auseinandersetzung mit den jeweils relevanten Grammatikprinzipien fördert und damit die entsprechenden 288 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Prozesse mentaler Organisation und Integration initiiert, ganz im Sinne der active processing assumption von Mayer (2009; vergleiche Lerneinheit 7.2). Dieser Befund geht konform mit anderen Studien zum Einsatz grammatischer Metaphern im Kontext der Sprachvermittlung (Suñer & Arnett eingereicht; Bielak & Pawlak 2011), in denen die Integration der vermittelten grammatischen Metaphern in die mentalen Lernermodelle als eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg kognitionslinguistischer Ansätze beschrieben wird. Außerdem zeigt die Studie von Kanaplianik (2016), dass die positive Wirkung des kognitionslinguistischen Ansatzes zusätzlich durch die animierte Darstellungsform verstärkt werden kann. Schließlich lässt sich aus den Ergebnissen der Studie ableiten, dass vor allem diejenigen Versuchsteilnehmer am meisten vom kognitionslinguistischen Ansatz profitieren (höhere und nachhaltigere Lernleistungen), die keine Vorkenntnisse zu den deutschen Modalverben hatten. Das heißt also, dass der sogenannte expert reversal effect (vergleiche Kalyuga, Ayres, Chandler & Sweller 2003; Sweller 2004; Plass, Kalyuga, & Leutner 2010 und Lerneinheit 7.2) ebenfalls beim Einsatz kognitionslinguistischer Animationen eine wichtige Rolle spielt und eventuell eine nach Vorwissen differenzierte Darbietung der Animationen zu erwägen wäre. 7.3.4 Passiv und Aktiv Die kognitionslinguistische Darstellung des Genus Verbi (vergleiche Arnett 2004; Langacker 2004) nutzt zwar körperliche Erfahrungen (Energietransfer, Bewegung etc.) und allgemeine kognitive Prinzipien (Profil-Basis, Figur-Grund) zur Erklärung seiner konzeptuellen Motiviertheit, die verwendeten Darstellungsmittel (Kreise und Pfeile) besitzen jedoch einen hohen Abstraktionsgrad, der den konzeptuellen Zugang der Lerner zur Grammatik nicht gerade erleichtert (vergleiche Lerneinheit 2.3). Im Falle des Passivs lassen sich die Profilierung der konzeptuellen Basis und die Salienz der profilierten Elemente (Figur-Grund) jeweils anhand des Billard-Modells (Langacker 2004, Arnett 2004) und des Scheinwerfer-Modells (vergleiche spotlight of primary focal prominence bei Langacker 2004: 80) als grammatische Metaphern etwas lernerfreundlicher darstellen (vergleiche Suñer 2013, 2015; vergleiche auch Roche & Suñer 2014). Das Billard-Modell erlaubt es nämlich, die Aktionskette als konzeptuelle Basis für transitive Szenen anhand einer dem Lerner bekannten Situation erfahrbar zu machen. Der Spieler (Agens) löst durch seine Aktion Energie aus, die über den Queue (Instrument) auf die Kugel (Patiens) übertragen wird. Die physische Bewegung der Kugel im Billardspiel stellt damit die Zustandsveränderung dar. Andere Sportarten wie Golf eignen sich aber genauso gut für die Darstellung transitiver Szenen. Durch den Scheinwerfer wird zusätzlich die unterschiedliche Salienz der Partizipanten der Szene nach dem Figur-Grund-Prinzip veranschaulicht. Beim Aktiv wird der Scheinwerfer auf das Agens gerichtet, beim Vorgangspassiv auf den Prozess der Zustandsveränderung und beim Zustandspassiv auf den Endbeziehungsweise Nachzustand. Auf diese Weise kann sich der Lerner die konzeptuelle Basis und die unterschiedliche Fokussierung der Interaktion zwischen den Partizipanten vor Augen führen, ohne dass er sich mit grammatischer Terminologie beschäftigen muss. Die folgenden Abbildungen zeigen die Umsetzung der grammatischen Metaphern als Animationen: 289 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung Abbildung 7.8: Screenshots aus den Grammatikanimationen zum Thema Genus Verbi (Roche & Suñer 2014: 134) Im ersten Screenshot (Abbildung 7.8 oben links) wird die Fokussierung auf das Agens im Aktiv durch den Scheinwerfer dargestellt. Im zweiten Screenshot (Abbildung 7.8 oben rechts) findet eine Verlagerung des Scheinwerfers vom Agens auf die Zustandsveränderung des Patiens statt, die durch die Energieübertragung bewirkt wird. Der dritte Screenshot (Abbildung 7.8 unten links) stellt die Fokussierung auf den Nachzustand des Patiens dar, wobei hier weder das Agens noch das Instrument profiliert werden und beide daher abgeschwächt dargestellt sind. Der letzte Screenshot (Abbildung 7.8 unten rechts) präsentiert Aktiv, Vorgangspassiv und Zustandspassiv als unterschiedliche Momente derselben Szene. Das hat zum Ziel, dass der Lerner eine integrierte mentale Repräsentation der drei Formen bildet (vergleiche Suñer 2015). Die fakultative Nennung einiger Partizipanten, sowohl im Aktiv als auch im Passiv, wird durch ein zusätzliches Darstellungsmittel veranschaulicht: In jedem Screenshot sind zwar alle Partizipanten (Agens, Patiens, Instrument) als integrale Bestandteile der konzeptuellen Basis sichtbar, die jeweils nicht profilierten Partizipanten unterscheiden sich jedoch von den Profilierten durch ihre abgeschwächte Darstellung. So stellt zum Beispiel der letzte Screenshot eine absolute Deagentivisierung durch das Passiv (vergleiche Shibatani 1985) dar, ohne dass die mentale Repräsentation der Szene mit dem entsprechenden Energietransfer an Kohärenz verliert. Bei diesem Beispielsatz erfolgt die Zustandsveränderung in Form einer physischen Bewegung (caused motion, vergleiche Langacker 2004), die grammatische Metapher lässt sich aber gleichwohl auf abstraktere Domänen und damit auf die anderen Kategorien der Zu- 290 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität standsveränderung nach Langacker übertragen (caused change of state und caused experience, vergleiche Langacker 2004: 68), wie die folgenden Screenshots zeigen: Abbildung 7.9: Screenshots aus den Grammatikanimationen zum Thema Genus Verbi als Beispiel für caused experience (Suñer & Arnett eingereicht) Ähnlich wie beim Billiard-Beispiel wird im ersten Screenshot (Abbildung 7.9 oben links) im Aktiv anhand des Scheinwerfers auf das Agens fokussiert (hier der Hund). Im zweiten Screenshot (Abbildung 7.9 oben rechts) wird der Scheinwerfer vom Agens auf die Zustandsveränderung des Patiens (hier das Aufwachen des Jungen) verlagert, die durch das Bellen bewirkt wird. Der dritte Screenshot (Abbildung 7.9 unten links) zeigt, wie der Scheinwerfer auf den Nachzustand des Patiens fokussiert, wobei hier weder das Agens noch das Instrument (das Bellen) profiliert werden und beide daher wieder abgeschwächt dargestellt sind. Der letzte Screenshot (Abbildung 7.9 unten rechts) stellt die drei Momente der transitiven Szene (Aktiv, Vorgangspassiv und Zustandspassiv) auf eine integrierte Weise dar. In einer Pilotstudie beschäftigten sich Suñer & Arnett (eingereicht) mit den Fragen, inwiefern die Nutzung von animierten grammatischen Metaphern den Erwerb des Genus Verbi unterstützen und als Lernerstrategie zur Erklärung der Unterschiede zwischen Passiv und Aktiv verwendet werden können. Die Pilotstudie wurde an der staatlichen Universität Brest (Weißrussland) durchgeführt. Die Stichprobe bestand aus einer Experimentalgruppe von 291 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung insgesamt 13 Studierenden, die Germanistik im dritten Semester studierten und sich auf dem Niveau B1 / 1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (kurz GER ) befanden. Da die Studierenden zwar bereits grundlegende Kenntnisse über das Passiv, aber dennoch sehr viele Schwierigkeiten mit seiner Anwendung hatten, zielte die geplante Intervention darauf ab, die herrschende Konfusion bezüglich des Genus Verbi (und vor allem bezüglich des Vorgangs- und Zustandspassivs) aufzulösen (vergleiche Scheller 2009). Die Stichprobe bestand aus einem Vortest (50 Minuten), einer Lernphase (circa fünf Unterrichtsstunden) und einem Nachtest (90 Minuten) unmittelbar nach der Lernphase. Im Vortest wurde neben dem Leistungstest zur Messung der Sprachkompetenz bezüglich des Genus Verbi ein Fragebogen zur Erfassung lernbiographischer Daten eingesetzt. In der Lernphase arbeiteten die Lerner mit den Animationen sowie mit weiteren Lernmaterialien zur Einübung des Genus Verbi. Im Nachtest wurde derselbe Leistungstest zur Messung der Sprachkompetenz in Bezug auf das Genus Verbi wie im Vortest eingesetzt sowie ein Fragebogen zur Arbeit mit den Animationen. Die Auswertung der Ergebnisse in allen Aufgaben des Vor- und Nachtests zeigt, dass die durchgeführte Intervention einen deutlichen Lernzuwachs bewirkte, der auch statistisch signifikant war. Ein näherer Blick auf die verschiedenen Aufgaben des Tests verrät, dass diese deutlichen Unterschiede sich zwar in Aufgaben zu formellen Aspekten (Identifizieren von Fehlern in einem Text, Erklären der Fehler und Korrigieren der Sätze) und semantischen Aspekten (Erklären von Unterschieden zwischen Sätzen im Aktiv, Vorgangspassiv und Zustandspassiv) beobachten ließen. In einer Aufgabe zu den pragmatischen Aspekten des Genus Verbi (Verfassen eines Kurztextes zu einem industriellen Herstellungsprozess) war der Lernzuwachs jedoch weniger bedeutend. Die Autoren schließen daraus, dass das Zusammenspiel zwischen semantischen und pragmatischen Aspekten in der Intervention stärker fokussiert werden sollte, da sonst kein automatischer Transfer von einem Bereich in den anderen geschieht. Weiterhin zeigte sich, dass eine große Mehrheit der Versuchsteilnehmer (circa 72- %) die grammatischen Metaphern bei der Erklärung der Unterschiede zwischen Aktiv- und Passiv-Sätzen verwendeten, was vor allem den großen Lernzuwachs in Bezug auf die semantischen Aspekte des Genus Verbi erklärt. Dies erfolgte oft auch in Kombination mit schriftlichen Erklärungen, in denen zum Teil auch der Scheinwerfer verbalisiert wurde (siehe Abbildung 7.10). Die abgeschwächte Darstellung der nicht genannten Partizipanten in der Szene wurde jedoch von keinem Versuchsteilnehmer verwendet. Abbildung 7.10: Anwendung der grammatischen Metapher des Scheinwerfers durch Lerner und Lernerinnen zur Erklärung semantischer Unterschiede zwischen Aktiv und Passiv (Suñer & Arnett eingereicht) 292 7. Multimedialität, Multimodalität und Multikodalität Insgesamt konnten Lernvorteile durch die Nutzung animierter grammatischer Metaphern festgestellt werden, die sich vor allem in Bezug auf formelle und semantische Aspekte sowie auf die Verwendung der grammatischen Metaphern als Lernerstrategie zeigten. Dennoch lassen unter anderem die geringe Probandenzahl sowie das Fehlen einer Kontrollgruppe in der Pilotstudie keine Rückschlüsse auf einen allgemeinen Lernmehrwert der grammatischen Metaphern zu. 7.3.5 Zusammenfassung ▶ Kognitionslinguistische Ansätze bieten ein großes Potenzial, weil sie die Sprache auf eine Weise beschreiben, die den Lernern einen konzeptuell leichteren Zugang ermöglicht. ▶ Durch grammatische Metaphern können die kognitionslinguistischen Prinzipien so angepasst werden, dass sich die Lerner die wichtigsten Elemente ohne weitere Erklärungen selbst erschließen können. ▶ Die Präsentationsform der Animationen eignet sich vor allem bei der Darstellung dynamischer Elemente der Grammatik. ▶ Allerdings führt die reine Darbietung animierter grammatischer Metaphern nicht automatisch zu besseren Lernergebnissen. Vielmehr sollten sich die Lerner aktiv mit den vermittelten grammatischen Metaphern auseinandersetzen und diese als Lernerstrategie zur Anwendung auf andere Satzkontexte übernehmen. ▶ Eine erfolgreiche multimediale Grammatikvermittlung hängt von vielen Faktoren ab, die selbst in den empirischen Studien nicht vollständig kontrolliert werden können. ▶ Neben dem Erklärungsansatz, der Wahl der grammatischen Metapher und der Präsentationsform spielen Aspekte wie die Lernerdimensionen (Lernertypen, Interessen, Lerntraditionen, Vorwissen etc.) und die Vermittlungsmethode selbst (induktiv / deduktiv, kollaborativ / individuell etc.) eine wichtige Rolle. 7.3.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Was sind grammatische Metaphern im Kontext der Sprachvermittlung? 2. Welche Designprinzipien sollten bei der Erstellung von Grammatikanimationen berücksichtigt werden? 3. Welche Erkenntnisse ergeben sich aus der Studie zu den Wechselpräpositionen (Scheller 2009)? 4. Welche Aspekte des Genus Verbi (Aktiv / Passiv) lassen sich durch die grammatische Metapher des Billards erklären? 293 7.3 Multimediale Grammatikvermittlung 8. Kognition und Sprachvermittlung Grammatik? Ja, aber wie? So könnte die explosive Mischung aus Notwendigkeit, Frustration, Irritation und Neugier vieler Lehrkräfte im Fremdsprachenunterricht zusammengefasst werden. Mangels klarer Alternativen und trotz vieler Bemühungen um Kompetenz-, Aufgaben- und Handlungsorientierung stehen in der Praxis daher weiterhin verbreitet traditionelle Verfahren der Grammatikdarstellung und -vermittlung im Vordergrund von Lehrprogression, Niveaustufen, Fehlerkorrektur und Leistungsmessung. Mit der Weiterentwicklung der kognitiven Linguistik beginnt sich nun aber auch in der Grammatikvermittlung in vieler Hinsicht ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Die kognitionslinguistischen Grundlagen dieses Paradigmenwechsels und verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für den Spracherwerb wollen wir am Beispiel der Grammatikanimationen erarbeiten. Der hier präsentierte Ansatz nimmt die Arbeiten von Roche & Scheller (2004, 2008) und Scheller (2009, 2012) als Grundlage. In der ersten Einheit dieses Kapitels werden die Grundlagen für die kognitive Sprachdidaktik skizziert. Hier werden Sie sich besonders mit dem Begriff der Transferdifferenz vertraut machen. Dabei werden Sie sehen, dass Konzepte je nach Linguakultur variieren und Sprachvermittlung auch ein Vermitteln von Konzepten einschließen muss. Dies werden wir anhand eines Umsetzungsbeispiels in dieser Einheit genauer betrachten. In Lerneinheit 8.2 werden wir eine Verbindung zwischen den Ansätzen der kognitiven Sprachdidaktik und der Handlungsorientierung schaffen. Es wird dargestellt, wie sich das Prinzip der Gebrauchsbasiertheit konkret im handlungsorientierten Kontext operationalisieren lässt und welche Grundregeln ein handlungsorientierter Unterricht im Allgemeinen einhalten muss. Die letzte Lerneinheit in diesem Band (Lerneinheit 8.3) zeigt Ihnen ein konkretes Umsetzungsbeispiel der kognitiven Sprachdidaktik am Beispiel von Metaphern auf. In dieser Einheit werden Sie an anschaulichen Beispielen erfahren, wie grammatische Phänomene einer Sprache durch den kognitionslinguistischen Kernbereich der Metaphorik transparent gemacht werden können. 294 8. Kognition und Sprachvermittlung 8.1 Transferdifferenz im Modell der kognitiven Sprachdidaktik In dieser Lerneinheit sehen wir, wie sich kognitionslinguistische Ansätze auf den Spracherwerb und auf die Sprachvermittlung anwenden lassen und wie sich Linguistik, Spracherwerbsforschung und Sprachdidaktik sinnvoll miteinander verbinden lassen. Zunächst werden die theoretischen Grundlagen einer kognitionslinguistisch basierten Sprachvermittlung kurz zusammenfassend skizziert (vergleiche Lerneinheit 1.1). Im Zentrum steht im Anschluss daran die didaktische Aufgabe der Überbrückung der konzeptuellen Differenzen, die beim Kontakt mit anderen Sprachen entstehen. Mentale Konzepte können je nach Kultur zum Teil stark variieren und müssen daher im Sprachunterricht berücksichtigt werden. Diese Überbrückungsaufgabe zwischen den Konzepten der Linguakulturen bezeichnen wir mit dem Begriff Transferdifferenz. In dieser Lerneinheit werden wir die Transferdifferenz am Beispiel der Modalverben betrachten, indem wir ein konkretes Umsetzungsbeispiel untersuchen. Hierzu werden auch die Möglichkeiten des Einsatzes von Animationen aufgegriffen (zu Animationen vergleiche auch Lerneinheit 7.3). Lernziele In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ den Zusammenhang von kognitiver Linguistik und Sprachvermittlung verstehen; ▶ die Rollen der Metaphorisierung und die Bedeutung der metaphorischen Kompetenz im Spracherwerb kennenlernen; ▶ die Bedeutung und den Nutzen kulturkontrastiver Verfahren kennenlernen; ▶ kulturkontrastive Verfahren im Konzept der Transferdifferenz operationalisieren können. 8.1.1 Kognitive Linguistik und Sprachvermittlung Ein zentraler Aspekt des Paradigmenwechsels in der Sprachdidaktik ist die Aufhebung der grundsätzlichen Trennung zwischen Lexikon und Grammatik und damit die Aufgabe der primären Fokussierung auf Formaspekte in der Sprachvermittlung. Die kognitionslinguistischen Ansätze gehen vielmehr davon aus, dass Grammatik und Lexikon ein Kontinuum symbolischer Einheiten bilden, die jeweils einen phonologischen Pol (inklusive orthographischer Information) und einen semantischen Pol (inklusive diskursiver und pragmatischer Information) haben. Daraus ergibt sich, dass sowohl das Lexikon als auch die Grammatik eine Bedeutung besitzen. Im Kontext der Sprachvermittlung erweist sich die Grammatik zudem oft als ein eher undurchsichtiger Bereich beliebig, verwirrend und intransparent erscheinender Regeln, deren semantische Funktion ebenfalls nicht immer ersichtlich ist. Daher erscheint es umso dringlicher, Grammatik als bedeutungsvolles und nachvollziehbares Grundgerüst der Sprache zu vermitteln, das sich grundsätzlich nicht vom Lexikon unterscheiden lässt. 295 8.1 Transferdifferenz im Modell der kognitiven Sprachdidaktik Wie wir schon in Lerneinheit 2.3 gesehen haben, betrifft ein zweiter zentraler Aspekt des Paradigmenwechsels die Annahme, dass Sprache ein integraler Bestandteil der menschlichen Kognition ist. Demnach bildet Sprache-- und damit auch die Grammatik-- kein aus arbiträren Zeichen und abstrakten Regeln bestehendes System, sondern Sprache ist konzeptuell motiviert und funktioniert nach allgemeinen kognitiven Prinzipien. Zu diesen kognitiven Prinzipien zählen unter anderem die Metaphorisierung (vergleiche Lakoff & Johnson 1980; Lerneinheit 2.1), die Prototypen (Geeraerts 1989; Rosch 1978; siehe auch Lerneinheit 1.1) und das bildliche Denken (vergleiche Bildschemata bei Evans & Green 2006; Johnson 2005; Oakley 2007; siehe Lerneinheit 2.1; vergleiche auch konzeptuelle Archetypen bei Langacker 2000, 2008b). Durch die Berücksichtigung von Erkenntnissen aus benachbarten Kognitionswissenschaften erreichen die kognitionslinguistischen Ansätze sowohl bei der Sprachbeschreibung als auch bei der Spracherwerbsforschung eine höhere kognitive Plausibilität (vergleiche cognitive commitment bei Evans 2012; vergleiche auch konvergierende Evidenz bei Langacker 2011). In dem Ansatz, den wir hier vermitteln wollen, spielt vor allem die Metaphorisierung eine zentrale Rolle sowohl bei der Sprachbeschreibung als auch bei der Vermittlung. Die Gebrauchsbasiertheit von Sprache und Spracherwerb stellt den dritten wichtigen Aspekt des Paradigmenwechsels in der Grammatikvermittlung dar (vergleiche usage-based thesis bei Bybee 2008; Langacker 2000, 2009; vergleiche Kapitel 1). 8.1.2 Umsetzung kognitionslinguistischer Ansätze in der Grammatikvermittlung Trotz der intensiven und qualitativ hochwertigen Forschungsarbeit im Bereich der kognitiven Linguistik wurden die daraus gewonnenen Erkenntnisse von der Sprachlehr- und -lernforschung bisher kaum berücksichtigt (vergleiche Littlemore & Low 2006b; Littlemore 2009; Tyler 2008). Eine Ausnahme stellt jedoch der Bereich der Metaphernforschung dar (zum Beispiel Azuma & Littlemore 2010; Beréndi, Csábi & Kövecses 2008; Danesi 2008; Littlemore, Krenmayr, Turner & Turner 2013; MacArthur & Littlemore 2008; Piquer Píriz 2008; Skoufaki 2008). Diese Gruppe von Forschungsarbeiten hat sich mit der Rolle der sogenannten metaphorischen Kompetenz im Fremdsprachenerwerb beschäftigt. So zeigen zum Beispiel Littlemore & Low (2006b) auf, dass die kommunikativen Teilkompetenzen (grammatische Kompetenz, textuelle Kompetenz, illokutionäre Kompetenz und soziolinguistische Kompetenz, vergleiche Bachman 1990) nach metaphorischen Prinzipien funktionieren und dass eine metaphorische Kompetenz daher eine zentrale Rolle für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen spielt (vergleiche auch Danesi 2008). Vor diesem Hintergrund zeigt Danesi (2008) anhand von eigenen Studien, dass L1- und L2-Sprecher und Sprecherinnen die metaphorischen Extensionen der Farben unterschiedlich nutzten (vergleiche auch Roche & Roussy-Parent 2006) und dass L2-Lerner nach einem expliziten Training diese metaphorischen Extensionen viel öfter und viel präziser als L2-Lerner aus einer Kontrollgruppe nutzten. Die metaphorische Kompetenz wird zwar auch als explizites Ziel für den Bereich der Grammatik genannt (Littlemore & Low 2006b; Meex & Mortelmans 2002; vergleiche auch Kapitel 2), die bisherige Forschung hat sich jedoch wenig mit der Frage beschäftigt, wie die Prozesse der Metaphorisierung konkreter Erfahrungen als konzeptuelle Basis der Grammatik für die 296 8. Kognition und Sprachvermittlung Sprachvermittlung nutzbar gemacht werden können. Die wenigen Versuche sind hauptsächlich in drei Gruppen einzuordnen: Eine erste Gruppe von Forschungsarbeiten stellen die rein kognitionslinguistischen Arbeiten dar, aus deren Analysen sich ein Potenzial für die Sprachvermittlung ergibt, das aber nicht explizit behandelt wird (siehe zum Beispiel Bellavia 1996; Smith 2002; Serra Borneto 1996; Arnett 2004 und Graumann 2004). Eine zweite Gruppe setzt den Fokus auf Erklärungsansätze für die Sprachvermittlung, geht jedoch nicht weiter auf den Aspekt der Umsetzung des Ansatzes in Form von konkreten Materialien sowie deren Erprobung ein (unter anderem weil das oft nicht das explizite Ziel der Arbeiten ist; hierzu gehören zum Beispiel Arbeiten von Sylla 1999; Wilmots & Moonen 1997; Freitag & Vandermeeren 2005; Bellavia 2007; Radden & Dirven 2007 und Vieira 2011). Schließlich findet sich eine dritte Gruppe von Arbeiten, die den Einsatz kognitionslinguistisch ausgerichteter Materialien zwar empirisch untersucht, aber bisher ihren vermeintlichen Mehrwert nicht empirisch nachweisen konnte (siehe die Arbeiten von Tyler 2008; Reif 2012; Niemeier & Reif 2008; Bielak & Pawlak 2011). Der Forschungsstand lässt insgesamt einige wichtige Forschungslücken erkennen. Erstens lässt die allgemein heterogene Befundlage keinen eindeutigen Mehrwert der getesteten Erklärungsansätze erkennen (vergleiche Littlemore 2009). Zweitens wird die Frage nach der medialen Adäquatheit der entwickelten Materialien völlig außer Acht gelassen, was in vielen Fällen erklären könnte, warum die reine Umsetzung der kognitionslinguistischen Ansätze nicht zum gewünschten Lernmehrwert führt (Bielak & Pawlak 2011; Reif 2012; Tyler 2008). Drittens erscheinen die verwendeten didaktischen Brücken zwar konzeptuell nachvollziehbar, bleiben jedoch für den Lerner aufgrund der fehlenden Kontextualisierung zum Teil unzugänglich. Viertens fällt auf, dass sich die wenigen Versuche, in denen kognitionslinguistische Ansätze in Form von konkreten Materialien empirisch erprobt wurden, im Bereich des Englischen als Fremdsprache zu finden sind. Eine Ausnahme bilden jedoch die Studien von Scheller (2009) und Roche & Scheller (2008) zu den deutschen Wechselpräpositionen und Kanaplianik (2016) zu den Modalverben. Wie bereits in 7.3 erläutert, ergaben die kognitionslinguistischen Analysen der Verwendung der Wechselpräpositionen im Deutschen, dass für die Kasuswahl Akkusativ / Dativ nicht der itemspezifische Ausdruck von Bewegung / Richtung (Akkusativ) oder Nichtbewegung / Lage (Dativ) ausschlaggebend ist, sondern das Überschreiten (Akkusativ) beziehungsweise Nicht-Überschreiten (Dativ) der Grenzen eines realen oder imaginären Zielbereiches. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass erst die Kombination kognitionslinguistischer Erklärungsansätze und einer medial adäquaten Umsetzung nach den Prinzipien des multimedialen Lernens (Engelkamp & Zimmer 2006; Mayer 2005a; Schnotz 2005) zu nachhaltig positiven Effekten beim Erwerb der Wechselpräpositionen führt. Zugleich wird durch die Berücksichtigung sensu-motorischer Merkmale das konzeptuelle Gerüst für die mentale Simulation grammatischer Strukturen ermöglicht. Sie ist die Basis für die flexible Anwendung und den weiteren Ausbau grammatischen Wissens. Einer Pilotstudie von Grass (2013) ist es darüber hinaus gelungen, mittels eines Verfahrens zur Messung qualitativer kognitiver Veränderungen (vergleiche Ifenthaler 2010) eine signifikante Reduktion der Konfusion bei Lernern und eine Fokussierung in der Entwicklung mentaler Modelle von grammatischen Regeln nachzuweisen. 297 8.1 Transferdifferenz im Modell der kognitiven Sprachdidaktik 8.1.3 Animationen Der kognitiven Theorie multimedialen Lernens (cognitive theory of multimedia learning, vergleiche Mayer 2005a; Mayer & Sims 1994) und der dualen Kodierungstheorie (dual coding theory, vergleiche Sadoski & Paivio 2004) zufolge erfolgt die Verarbeitung (laut-)sprachlicher und bildlicher Information in zwei unterschiedlichen Subsystemen des semantischen Gedächtnisses (dazu genauer in den Lerneinheiten 7.1 und 7.2). Bei der gleichzeitigen Verarbeitung von sprachlichem und visuellem Material entstehen zwei unterschiedliche mentale Repräsentationen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zusammengeführt werden müssen. Da die Genese der Schrift immer auf bildlichen Darstellungen fußt, kann davon ausgegangen werden, dass graphemische und bildliche Repräsentationen gleichermaßen über visuelle Prozesse verarbeitet werden. Die gleichzeitige Verarbeitung von lautsprachlicher und bildlicher Information ist demnach mit erhöhtem Aufwand verbunden, beim Lernen mit multimedialen Materialien aber auch effizienter als die nachgeordnete Kombination gelesener Wörter und Bilder. Je länger die Information getrennt verarbeitet und gespeichert werden muss, desto größer ist die Inanspruchnahme der limitierten kognitiven Ressourcen. Engelkamp & Rummer (1999) und Engelkamp & Zimmer (2006) gehen daher davon aus, dass die Koordination der separaten Verarbeitung ein kontinuierlicher Prozess ist, der bei der Rezeption und Produktion von Äußerungen früh beginnt. Um Effekte der Überbelastung zu vermeiden (die cognitive load theory, vergleiche Sweller 2005) muss also eine zeitlich und semantisch gut abgestimmte Koordination der Verarbeitungsprozesse und ggf. eine Einteilung in kleinere Aufgaben erfolgen (Kontiguitätseffekt, vergleiche Seel 2000). Eine verfrühte oder verspätete Illustration landeskundlicher Information, zum Beispiel durch Abbildungen, die am Anfang und Ende eines Lehrbuches oder Kapitels oder durch Filmausschnitte ohne Bezug zur Lektion präsentiert werden, kann daher den beabsichtigten positiven Effekt verfehlen. Nur wenn sprachliche und visuelle Information in eine gemeinsame Repräsentation integriert werden können, kann sinnstiftendes und nachhaltiges Lernen stattfinden (generative learning principle, vergleiche Mayer 2005a; Schnotz 2005). Konzeptuelle Metaphern scheinen dabei für die Grammatikvermittlung ein adäquates Mittel: ▶ Eine konzeptuelle Grammatik hat Sinn und Bedeutung, auch wenn diese im Gegensatz zu lexikalischen Einheiten allgemeiner und abstrakter sein können. ▶ Diese Bedeutung lässt sich unmittelbar oder-- wie gezeigt-- über metaphorische Brücken auch an Lerner gut vermitteln. ▶ Polysemie lässt sich damit besser erklären (zum Beispiel die Funktion von Partizipmarkierungen in verschiedenen grammatischen Funktionen). ▶ Eine konzeptuelle, kognitive Grammatik befördert induktive Vermittlungsverfahren, die den Lernern einen besseren Zugang ermöglichen. Zusammen mit einer angemessenen medialen Präsentation müssten sich so Lernmehrwerte erzeugen lassen. Von einer grundlegenden lernfördernden Wirkung von Animationen allein kann aber nicht ausgegangen werden (vergleiche Lewalter 1997; Lowe 1998). Bei der gleichzeitigen Aufnahme von verbaler und piktorialer Information werden zwei unterschiedliche 298 8. Kognition und Sprachvermittlung mentale Modelle produziert, die in einem weiteren Verarbeitungsschritt unter der kontextstiftenden Beteiligung des Vorwissens integriert werden. Für die effiziente Verarbeitung der parallelen Information ist eine zeitliche und räumliche Koordinierung nötig. Auf Redundanzen kann somit verzichtet werden. Vor dem Hintergrund all dieser Erkenntnisse stellt sich die Frage, welche Aspekte die Umsetzung kognitionslinguistischer Ansätze in Form von konkreten Materialien für die Grammatikvermittlung noch berücksichtigen muss, damit der gewünschte Lernmehrwert erreicht wird. Zur Beantwortung dieser Frage soll im Folgenden ein Ansatz vorgestellt werden, der relevante kognitionswissenschaftliche Erkenntnisse integriert und für die Phasen der Konzipierung, Umsetzung, Implementierung und Evaluierung von Lernmaterialien systematisiert. Der hier vorgeschlagene Ansatz versteht sich daher als ein erster Beitrag zur Schaffung eines theoretisch begründeten und empirisch fundierten Rahmens für die Grammatikvermittlung. Die Komponenten des Ansatzes werden im nächsten Abschnitt erläutert. 8.1.4 Ein kognitionswissenschaftlicher Ansatz zur Grammatikvermittlung Das Potenzial kognitionslinguistischer Ansätze für die Grammatikvermittlung beruht vor allem auf der hohen Nachvollziehbarkeit der verwendeten Beschreibungsparameter vor dem Hintergrund allgemeiner Kognitionsprozesse. Die konzeptuelle Motiviertheit von Grammatik wird nämlich anhand von allgemeinen Wahrnehmungs- und Konzeptualisierungsprinzipien sowie Prozessen des menschlichen Denkens erklärt und erfahrbar gemacht, so dass jeder Lerner fast unabhängig von seinem sprachlichen Vorwissen einen konzeptuellen Zugang zu den scheinbar abstrakten Strukturen der zielsprachlichen Grammatik finden kann. Aus den besprochenen Studien wird jedoch ersichtlich, dass die Verwendung kognitionslinguistischer Konzepte in der Grammatikvermittlung nicht immer ausreicht, um die grammatischen Prinzipien transparent zu machen. Der vorliegende Ansatz ergänzt folgerichtig den kognitionslinguistischen Ansatz um Erkenntnisse aus benachbarten Forschungsbereichen, die sich in jüngster Zeit als ertragreich und paradigmabildend erwiesen haben. Dazu gehören die Erforschung der Entstehung und Veränderung mentaler Modelle, psycholinguistische Aspekte des Spracherwerbs und der Sprachverarbeitung, die Struktur und der Erwerb des mentalen Lexikons, kognitive Theorien des multimedialen Lernens, Motivationsvariablen, dynamische und ökologische Mehrsprachigkeitsmodelle und weitere Forschungsfelder. Zugleich versteht sich dieser Ansatz als die Grundlage für eine integrative, kognitiv ausgerichtete Didaktik. Der Ansatz unterscheidet, wie wir bereits gesehen haben, insgesamt vier Ebenen: 1. die Ebene der kognitiven Linguistik, 2. die Ebene der Transferdifferenz, 3. die Ebene der grammatischen Metapher, 4. die Ebene der Darstellung und Vermittlung. Die Domänen, Bildschemata und Konzeptualisierungsprozesse, die dem didaktischen Modell zu Grunde liegen, sind bereits in Lerneinheit 2.1 ausführlich dargestellt worden. Wenden wir uns also nun dem didaktischen Problem der Transferdifferenz zu. 299 8.1 Transferdifferenz im Modell der kognitiven Sprachdidaktik Abbildung 8.1: Ebenen der kognitiven Didaktik 8.1.5 Transferdifferenz Unter Transferdifferenz verstehen wir die Aufgabe des Lerners, Bedeutung von und zwischen Sprachkulturen zu konstruieren und die Aufgabe der Didaktik, die Lerner dabei zu unterstützen. Konzeptuell ähnelt der Begriff daher Wilhelm von Humboldts Differenzerfahrung (vergleiche Benner 1995), ein Begriff, der eine essentielle kognitive Grundlage des Lernens von fremden Sprachen bezeichnet. Aus der erfolgreichen Bewältigung der genannten Lernaufgabe entsteht ein Zustand, der in der Mehrsprachigkeitsforschung oft als ausgeglichene Mehrsprachigkeit und in der Kulturwissenschaft oft als Transdifferenz bezeichnet wird. Die Transferdifferenz geht also im Gegensatz zu den kontrastiven Fehleranalysen nicht von statischen linguistischen Systemen aus, zwischen denen vorwiegend formelle Unterschiede bestehen. Vielmehr werden Sprachen als linguakulturelle Systeme aufgefasst, die zwar auf dieselben kognitiven Prozesse und Grundlagen zurückgreifen (zum Beispiel Metaphorisierung, Perspektivierung, Bildschemata etc.), diese aber unterschiedlich nutzen (vergleiche Danesi 2008: 234). In diesem Zusammenhang konnten mehrere kognitionslinguistische Arbeiten belegen, dass die sprachspezifische Enkodierung von Erfahrungen keine beliebige lexika- 300 8. Kognition und Sprachvermittlung lische Realisierung darstellt, sondern konzeptuell motiviert und in einem sozio-kulturellen Kontext verankert ist (vergleiche Danesi 2008; Lakoff & Johnson 1980). Dabei dienen konzeptuelle Archetypen (Langacker 2008b) beziehungsweise Bildschemata (Evans & Green 2006; Johnson 2005) sowohl im Lexikon als auch in der Grammatik der kulturspezifischen Konkretisierung von konzeptuellem Inhalt und konzeptueller Struktur und fungieren damit als trigger für die lexikalische Selektion (vergleiche Danesi 2008: 235), wie zum Beispiel bei der Konzeptualisierung des Regens als Behälter im Deutschen (im Regen) und als eine Entität über uns im Französischen (sous la pluie; vergleiche Evans & Tyler 2005, siehe auch Lerneinheit 2.1 zur Metaphorisierung). Unterschiede zwischen den konzeptuellen Systemen der Sprachen schlagen sich ebenfalls in den jeweils bevorzugten Wegen zur Enkodierung von Erfahrungen nieder, wie zum Beispiel bei der Enkodierung des Weges in Bewegungssituationen (vergleiche satellite- und verb-framed languages bei Talmy 1985; vergleiche auch Özçalışkan & Slobin 1999) oder bei der Markierung beziehungsweise Nichtmarkierung des Endpunkts in Szenen (vergleiche von Stutterheim 2003). Vor diesem Hintergrund betont Danesi (2008), dass der erfolgreiche Spracherwerb sich nicht nur auf das Wissen um die formellen Eigenschaften einer Sprache und deren denotativen Bedeutungen beschränkt, sondern auch den kultursensitiven Umgang mit metaphorischen Extensionen und die adäquate konzeptuelle Enkodierung von Erfahrungen umfasst (vergleiche auch Danesi 2008; Pavlenko 2009; Roche 2013b; Roche & Roussy-Parent 2006). Wir wollen uns dies jetzt an einem konkreten Beispiel ansehen, nämlich des Ausdrucks der Modalität im Deutschen und Russischen. Wie wir in Kapitel 2 und 7 gesehen haben, kann die Kategorie der Modalität vor dem Hintergrund der kognitiven Domäne der Kraft-Dynamik charakterisiert werden (Johnson 1987; Talmy 2000; Evans & Green 2006; Langacker 1987). Die Kraft-Dynamik kodiert die »naive Physik« unseres konzeptuellen Systems, das heißt wie wir Kräfte und ihre Interaktion anhand unserer alltäglichen Erfahrungen intuitiv verstehen (vergleiche Johnson 1987: 43f; Lampert & Lampert 2000: 240). Obwohl die Kraft-Dynamik als die universale kognitive Grundlage für die Erfassung der Kategorie der Modalität dient, sind die metaphorischen Zuordnungen und insbesondere ihre sprachlichen Realisierungen spezifisch für linguakulturelle Systeme (Kanaplianik 2016: 47). An dieser Stelle entsteht also die Transferdifferenz: Die Lerner müssen verstehen, wie die modalen Bedeutungen im deutschen linguakulturellen System spezifisch enkodiert sind und wodurch sie sich von der Konzeptualisierung in ihrer Muttersprache unterscheiden (vergleiche Kanaplianik 2016: 41f). Bei der Ereignismodalität werden die Vorstellungen von physischen Kräften und ihrer Dynamik (Quellendomäne der konzeptuellen Metaphorisierung) auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen (Zieldomäne) (siehe Sweetser 1990; Talmy 2000; Lakoff & Johnson 1999). Die modalen Beziehungen werden dabei mit den Konzepten zielgerichtet eingesetzter Kräfte, Barrieren und Wege erfasst (vergleiche Kanaplianik 2016: 47-52). Da in Kapitel 7 die Modalverben sollen, müssen und dürfen erklärt werden, soll im Folgenden gezeigt werden, wie sich diese Prinzipien auf die Modalverben können und wollen anwenden lassen. (ausführlich siehe Kanaplianik 2016: 64-72). 301 8.1 Transferdifferenz im Modell der kognitiven Sprachdidaktik Das Modalverb können hat zwei Bedeutungen. In der ersten Bedeutung (Möglichkeit; Abbildung 8.2) wird es als eine aufgehobene Barriere konzeptualisiert, die der internen Kraft des Subjekts freien Lauf lässt (Talmy 2000: 445). Daher wird können synonymisch zu dürfen dargestellt. »Der Unterschied zwischen diesen Verben liegt allerdings in der Quelle der Kraft: Im Fall von können basiert sie auf objektiven Umständen und im Fall von dürfen-- auf einer externen Autorität (Coates 1983: 93; Dirven & Taylor 1994: 544; Radden 2009: 178)« (Kanaplianik 2016: 69). Abbildung 8.2: Das Verb können (nach Kanaplianik 2016: 100) In der zweiten Bedeutung (Fähigkeit; Abbildung 8.3) evoziert das Verb können eine innere Kraft, die einer Person ermöglicht, eine Handlung auszuführen (Radden & Dirven 2007: 254f) (vergleiche Kanaplianik 2016: 70). 302 8. Kognition und Sprachvermittlung Abbildung 8.3: Das Verb können (Fähigkeit) (Screenshot der Grammatikanimation aus der Studie von Kanaplianik 2016) Das Modalverb wollen (Abbildung 8.4) bringt eine stärkere innere Kraft zum Ausdruck, die eine Person zur Handlung drängt (Talmy 2000: 430f). Das Modalverb möchten drückt eine schwächere Kraft aus (vergleiche Kanaplianik 2016: 70). Abbildung 8.4: Das Verb wollen (Screenshot der Grammatikanimation aus der Studie von Kanaplianik 2016) Zusammenfassend können die deutschen Modalverben in einem Schema (Abbildung 8.5) dargestellt werden. Dabei werden sie nach den folgenden Kriterien unterschieden: Kraft oder Barriere; Quelle der Kraft (außen oder innen); Stärke der Kraft (stark oder schwach); Wirkung der Kraft (Potenz oder Drang) (Kanaplianik 2016: 71). 303 8.1 Transferdifferenz im Modell der kognitiven Sprachdidaktik Abbildung 8.5: Entscheidungsstrategie zur Wahl des Modalverbs (nach Kanaplianik 2016: 179) In der russischen Sprache gibt es ebenso die Kategorie der Modalität, die mit Modalverben ausgedrückt wird. Diese Kategorie kann auch mit Rückgriff auf die Domäne der Kraft- Dynamik beschrieben werden; allerdings gibt es im Vergleich zum deutschen Modalitätssystem bedeutende Unterschiede. So wird im Russischen nicht zwischen den Bedeutungen von müssen und sollen unterschieden: Ihnen entsprechen ein Verb byt’ dolzhnym sowie die Konstruktion nado (wortwörtlich: ›man muss‹ beziehungsweise ›man soll‹), die eine auf das Objekt wirkende äußere Kraft ausdrücken. Das für das Deutsche relevante Merkmal Stärke der Kraft ist im Russischen in diesem Fall nicht sinnunterscheidend. Auch die Verben dürfen und können werden im Russischen nicht differenziert und mit einem Verb motsch (offene Barriere) übersetzt. Hier ist das Merkmal äußere Autorität ebenfalls nicht relevant. Die Bedeutung von dürfen kann dabei zusätzlich mit der Umschreibung imet’ razreschenije (›Erlaubnis haben‹) sowie mit der Konstruktion mozhno (›man darf‹) ausgedrückt werden. Darüber hinaus entspricht das russische Verb motsch (offene Barriere / innere Kraft) in seinem Bedeutungsumfang grundsätzlich dem deutschen Verb können in seinen beiden Bedeutungen (Möglichkeit und Fähigkeit). Die Differenzierung zwischen wollen und möchten ist für Russisch-Muttersprachler auch kompliziert: Im Russischen wird ein Wunsch regulär mit dem Verb hotet’ (innerer Drang) ausgedrückt, das dem deutschen wollen entspricht; zwischen den Abstufungen der Wunschstärke wird nicht unterschieden und das Merkmal Stärke der Kraft wird dementsprechend nicht beachtet. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Paradigma der Modalverben im Russischen weniger komplex und differenziert ist als im Deutschen; dagegen gibt es im Russischen mehrere andere Mittel, die Modalität zum Ausdruck zu bringen (vergleiche Kanaplianik 2016: 232f). 304 8. Kognition und Sprachvermittlung Auf diese Art greifen die Modalitätssysteme sowohl der russischen Sprache als auch der deutschen Sprache auf die Domäne der Kraft-Dynamik zurück, nutzen sie allerdings unterschiedlich. Diese Unterschiede zwischen den konzeptuellen Systemen der Sprachen finden ihren Ausdruck in den üblichen Wegen zur Enkodierung von modalen Beziehungen. Daher sollten sich die Deutschlerner auf konzeptuelle Unterschiede zwischen Deutsch und Russisch einstellen und somit am Konzept der Transferdifferenz orientieren und nicht an einfachen Übersetzungen in die Muttersprache. Experiment Erklären Sie Ihren Kommilitonen und Kommilitoninnen, die ebenso Deutsch lernen, die Modalität in der deutschen Sprache, indem Sie sie mit dem Modalitätssystem in Ihrer Sprache vergleichen. Verwenden Sie dazu Zeichnungen und Schemata. Der Erwerb einer solchen konzeptuellen Kompetenz (conceptual fluency, vergleiche Danesi 2008, metaphoric competence, vergleiche Littlemore & Low 2006b) wird folgerichtig als übergeordnetes Ziel der Sprachvermittlung angesehen (vergleiche Roche 2013b). Dies erfordert jedoch die aktive Auseinandersetzung der Lerner mit den konzeptuellen Unterschieden sowie ihre Integration im kognitiven System durch die Herstellung entsprechender konzeptueller Links zwischen der L1 und der L2 (vergleiche Pavlenko 2009; Roche 2013b). Die kognitiven Prozesse einer solchen konzeptuellen Integration lassen sich aus kognitionspsychologischer Sicht durch die Entstehung und Veränderung mentaler Modelle und Schemata operationalisieren (vergleiche Grass 2013; Ifenthaler 2010). Der Endzustand einer erfolgreichen Integration der konzeptuellen Unterschiede wird als Transdifferenz bezeichnet (vergleiche Roche 2013b). 305 8.1 Transferdifferenz im Modell der kognitiven Sprachdidaktik 8.1.6 Zusammenfassung ▶ Die anfängliche Transferdifferenz stellt kein Hindernis für den Spracherwerb dar, sondern sie initiiert wichtige Prozesse der konzeptuellen Restrukturierung, die für den Erwerb konzeptueller Kompetenz von zentraler Bedeutung sind (vergleiche Jessen & Cadierno 2013; de Knop & Dirven 2008; Odlin 2005; Pavlenko 2009). ▶ Über die Transdifferenz als Endzustand einer erfolgreichen konzeptuellen Integration lässt sich eine Brücke zwischen den in der Didaktik meist separat behandelten Bereichen der Sprach- und Kulturvermittlung (Landeskunde) herstellen. ▶ Idealerweise gelingt es Lernern und Sprechern, die konzeptuellen Systeme unterschiedlicher Sprachen auseinanderzuhalten. ▶ Metaphorische Bedeutungen schaffen eine Transparenz der zugrundeliegenden Bedeutungen und fördern durch ihre Eingänglichkeit das Behalten. ▶ Aus dieser konkreten Anschauung lassen sich grammatische Metaphern ableiten, die zwischen Sprachen differieren können, aber wegen ihrer Anschaulichkeit und Bekanntheit gut Einsicht in die Grammatik einer Sprache vermitteln. 8.1.7 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie gehen Lerner beim Erwerb einer mataphorischen Kompetenz vor? 2. Welche Effekte erzeugt das attribute matching, das heißt die Zuordnung von Quellen- und Zieldomänen? 3. Was versteht man unter Transferdifferenz? 4. Fassen Sie die sieben Ebenen der kognitiven Didaktik zusammen. 5. Wie kann die Kategorie der Modalität in der deutschen Sprache aus der kognitionslinguistischen Perspektive erklärt werden? 306 8. Kognition und Sprachvermittlung 8.2 Grammatik und Handlung Was hier im Titel für manche Lehrkräfte oder Lerner als Widerspruch erscheinen mag, ist in Wirklichkeit keiner. Wenn man Grammatik natürlich aus traditioneller Sicht, also als abstraktes Regelsystem, betrachtet, dann hat sie tatsächlich nicht viel mit Handlungen zu tun. Im Gegenteil, sie verhindert sie oft, wie man weiß. Betrachtet man die Grammatik aber als Abbildung dessen, was in der Welt vor sich geht, oder genauer, als das, was Menschen und Kulturgemeinschaften davon wahrnehmen und für versprachlichungswert erachten, dann wird sie zu einem Handlungsinstrument. Sie hilft, die Dinge, die wir wahrnehmen und versprachlichen wollen, zu ordnen, und sie leiten sich damit direkt aus den Handlungen, das heißt aus dem Gebrauch von Sprache in einer konkreten Handlungssituation, ab. In dieser Lerneinheit soll dargestellt werden, wie sich eine handlungsorientierte Grammatik mit einer kognitionswissenschaftlich ausgerichteten Didaktik auf natürliche Weise verbinden lässt. Dabei wird auch gezeigt werden, dass Sprachbewusstheit nicht die metasprachliche Beschreibung abstrakt-formaler Eigenschaften des sprachlichen Systems bezeichnen sollte, sondern vielmehr die angemessene Nutzung diverser sprachlicher Strukturen in einem bestimmten Kontext. Lernziele In dieser Einheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ erkennen, wie sich das Prinzip der Gebrauchsbasiertheit konkret im handlungsorientierten Kontext operationalisieren lässt; ▶ die wichtigsten Elemente der Handlungsorientierung benennen können; ▶ erfahren, wie ein erfolgreicher Unterricht im Kontext einer kognitiven, handlungsorientierten Sprachdidaktik aussehen kann; ▶ wie man ihn exemplarisch umsetzen könnte. 8.2.1 Zum Konzept der Gebrauchsbasiertheit im Unterricht Wie wir bereits gesehen haben, gehen die neuen Theorien der kognitiven Linguistik davon aus, dass sich die Sprache nicht aus abstrakten Regeln formt, sondern aus dem Gebrauch der Sprache entwickelt. Sie bildet die Welt in symbolischer Form ab. Wenn das aber so zutrifft und sich Sprachgemeinschaften aus einem mehr oder weniger einheitlichen Sprachgebrauch ergeben und individuelle Lerner diesen im idiosynkratischen Erwerb rekonstruieren, dann wäre es auch sinnvoll, den Fremdsprachenunterricht gebrauchsbasiert auszurichten. Gebrauchsbasiertheit stellt damit die Wichtigkeit eines authentischen, variierten und kontextreichen Inputs dar, aus dem sich der Lerner das Sprachwissen subjektiv konstruiert. Oft erfüllen die im Unterricht angebotenen kommunikativen Situationen jedoch nicht diese Anforderungen, weil sie unter anderem zu stark instruktionistisch präsentiert wurden und dem Lerner wenig 307 8.2 Grammatik und Handlung Freiraum lassen oder weil sie zu stark vereinfacht wurden und daher keine echten Handlungen widerspiegeln. Wie also lässt sich die Gebrauchsbasiertheit konkret operationalisieren? 8.2.2 Prinzipien des Erwerbs sprachlicher Kompetenzen Der handlungsorientierte Sprachunterricht hat sich aufgrund verschiedener pragmatischer Prinzipien in der Praxis besonders für Kinder und Jugendliche, aber auch in Berufskontexten und auch in der Vermittlung der Wissenschaftssprache als höchst effizient erwiesen. Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene lernen Sprache auf robuste Weise. Sie lernen durch Handeln und durch Ausprobieren. Sie plappern nicht einfach nach oder brauchen umfangreiche grammatische Erläuterungen, bevor sie sich trauen zu sprechen und zu schreiben. Sie suchen instinktiv nach Sinn in der sie umgebenden Umwelt. Den ganzen sprachlichen Input tasten Lerner ständig nach Sinn ab, vergleichen ihn mit ihrem Vorwissen und dem, was andere tun, bilden Hypothesen, probieren sie einfach aus und sortieren die verarbeiteten Eindrücke nach systematischen Kategorien. Intuitive Erwerbsprinzipien, die in geglückten Verständigungssituationen Bestätigung finden- - so wie das Lernen mit Chunks und mit der schrittweisen Entwicklung der Regeln (siehe Tomasello 2003, 2006 sowie Handwerker 2002; vergleiche auch Kapitel 3 in diesem Band)- - ermöglichen einen sukzessiven Aufbau der Sprache. Wer mit Sprache etwas tut, also handelt, der erfährt Sprache viel direkter und unmittelbarer. Die Parallelinformation begleitet die Sprache in direkter und zweckmäßiger Weise. Der Lerner erfährt dabei, dass er mit Sprache etwas erreichen kann. Seit Piaget ist bekannt, dass sich das Denken vom konkreten über das symbolische und vorbegriffliche Denken zum formalen Denken entwickelt, also nur über Formen der konkreten Erfahrung in Handlungen erworben werden kann (vergleiche Piaget 1976). Dass dabei auch Fehler auftreten, ist ganz normal. Fehler sind ein natürlicher, unvermeidlicher Bestandteil der sich entwickelnden Sprache und sogar Zeichen des individuellen Lernfortschritts. Je mehr ein Lerner sich traut, sich differenziert und komplex zu äußern, desto mehr Fehler muss er machen. Die wichtigsten Prinzipien des handlungsorientierten Spracherwerbs kann man folgendermaßen zusammenfassen (siehe Roche, Reher & Simic 2012: 21f): ▶ Gelernt wird, wenn authentische Anlässe bestehen. (Relevanzprinzip) (Reichhaltiger Input) ▶ Wenn Wörter und Grammatik als Handlungen verstanden werden, dann kann man an ihrem Erfolg lernen. (Handlungsprinzip) ▶ Situativer Sprachgebrauch bedingt kulturelle Handlungsfähigkeit (Integration). (Gebrauchs-/ Situativitätsprinzip) ▶ Unterschiedliche Situationen erfordern unterschiedliche sprachliche Mittel. (Variationsprinzip) ▶ Die Handlungsfähigkeit ist die Grundlage für Vermittlungskompetenzen. (Mediationsprinzip) ▶ Die Konzepte sind wichtiger als die Formen. (Konzeptprinzip) 308 8. Kognition und Sprachvermittlung ▶ Die Grammatik entsteht aus dem Gebrauch und den Wörtern. Nicht umgekehrt. (Lexikalitätsprinzip) ▶ Die Basisvarietät bestimmt den Strukturerwerb nach Kriterien der Relevanz und Komplexität. (Konstruktionsprinzip) ▶ Gelernt wird, was im Vordergrund steht. (Auffälligkeitsprinzip) ▶ Formeln werden systematisch zerlegt. (De-Chunkingprinzip) Um das in der Lehrpraxis verbreitete Gegenstück der Szenariendidaktik auf den Punkt zu bringen, hat Hölscher (2006) 20 Vorschläge formuliert, wie man Sprachenlernen verhindern kann: 20 Vorschläge, wie man Sprachenlernen verhindert 1. Machen Sie einen systematischen Grammatikkurs. 2. Differenzieren Sie in Ihrem Kurs nach Leistung. 3. Sorgen Sie dafür, dass nur Kinder der gleichen Muttersprache miteinander spielen. 4. Setzen Sie viele Arbeitsblätter ein! 5. Spielen Sie nicht zu oft, Spiele haben nichts mit Unterricht zu tun. 6. Bringen Sie dem Kind die Furcht vor dem Fehlermachen bei. 7. Achten Sie weniger auf den Inhalt als auf die Form des Gesagten. 8. Machen Sie dem Kind ständig klar, dass es Fehler macht. Runzeln Sie die Stirn, verziehen Sie Ihr Gesicht und verbessern Sie jeden Fehler. 9. Fordern Sie die anderen Kinder auf, das Kind immer zu verbessern, wenn es einen Fehler macht. 10. Lassen Sie fehlerhafte Sätze so lange wiederholen, bis das Kind keinen Fehler mehr macht. 11. Vermeiden Sie, dass dem Kind zu viel Sprache begegnet. 12. Lesen Sie keine Bilderbücher vor, in denen viele unbekannte Wörter vorkommen. 13. Reden Sie mit dem Kind nicht natürlich, sondern in einfachster, reduzierter Sprache. 14. Verbieten Sie dem Kind die Muttersprache. 15. Lassen Sie das Kind vom ersten Tag an im Stuhlkreis reden, auch wenn es das nicht so gern will. 16. Machen Sie viele solcher Übungen: Lassen Sie beschreiben, was das Kind sieht, z. B. Der Stift ist rot. Auf dem Bild ist eine Kuh. Auch das Nachsprechen von Sätzen ist besonders sinnvoll. Es sollte Sie nicht stören, dass das wenig spannend ist. 17. Reden Sie im Kurs viel und lassen Sie die Schülerinnen und Schüler weniger sprechen. Sie sind das gute Sprachvorbild und nur, was Sie sagen, lernt das Kind wirklich. 18. Lassen Sie die Kinder untereinander nicht unbeaufsichtigt sprechen, denn im Gespräch mit anderen Kindern lernt das Kind nur viele Fehler. 19. Lassen Sie das Kind die Sprache nicht einfach ausprobieren, denn dabei treten Fehler auf. 20. Seien Sie sparsam mit Lob. Das Kind braucht von seinen Fortschritten nichts zu wissen. (Hölscher 2006: 7) 309 8.2 Grammatik und Handlung 8.2.3 Gründe für eine neue »Fehlerkultur« In der mangelnden Ausprägung einer konstruktiven Fehlerkultur scheint ein wesentlicher Grund für das Scheitern von Sprachkursen zu liegen. Wenn Sprachwachstum Entdecken und Experimentieren verlangt, kann nicht mit den gleichen Maßstäben Fehlerkorrektur betrieben werden, wie dies bei der systematischen Präsentation von Lernstoff im Unterricht der Fall ist. Es ist im Gegenteil sogar davon auszugehen, dass viele der so genannten »Fehler« gar keine echten und dauerhaften Fehler sind, sondern dass diese Elemente eher einen Lernfortschritt markieren. Aus der Spracherwerbsforschung wissen wir, dass solche »Entwicklungsfehler« im Laufe der weiteren Sprachentwicklung häufig von alleine verschwinden. Die Kinder brauchen die Fehler, um Fortschritte zu machen. Man sollte Entwicklungsfehlern dieser Art aus den oben genannten Gründen nicht zu viel Aufmerksamkeit beimessen. Es ist sogar so, dass die Kinder von Fehlertoleranz beim Sprachenlernen besonders profitieren. (Hölscher 2003: 13) Im Erstsprachenerwerb gehen die Eltern meist nicht auf die Fehler des Kindes ein, sondern konzentrieren sich auf den Inhalt des Gesagten und führen die Aussage fort. Sie signalisieren dem Kind damit vor allem, dass es verstanden und »angenommen« wird (siehe dazu Butzkamm 2004). 8.2.4 Wie ein erfolgreicher Unterricht aussehen kann Generalisieren wir die Erkenntnisse aus dem L1-Erwerb und übertragen sie auf den Sprachunterricht, dann ergeben sich folgende Konsequenzen: ▶ Ein linear aufgebauter Kurs ist wenig sinnvoll für Lerner, weil dieser sich nicht an der individuellen natürlichen Progression orientiert. ▶ Eine Progression zur sprachlichen Korrektheit geht, wie im richtigen Leben, über erprobendes Handeln. ▶ Frontaler Unterricht und das Üben von vorgefertigten Dialogen und Sprachmustern bringt für das Sprachwachstum der Lerner wenig Gewinn. ▶ Motivierend und effektiv für den Spracherwerb ist handelndes Lernen mit Redeanlässen und Themen aus der Erfahrungswelt der Lerner (Apeltauer 2004: 97; Hölscher & Roche 2003: 17f; siehe auch Roche 2013b). ▶ Nicht Subjekt, Objekt oder Akkusativ sind das Thema, sondern der funktionale Gebrauch der Grammatik in der praktischen Sprachanwendung. Die für das Sprachwachstum so wichtige Erprobung und Anwendung, und damit auch die Rückmeldungen der Umgebung, stehen im Mittelpunkt. ▶ Die Förderung der Motivation zur persönlichen angstfreien Erprobung ist daher eine wesentliche Aufgabe des Unterrichts. ▶ Fehler gehören zum Sprachenlernen. Der richtige Umgang mit den sprachlichen Äußerungen des Lerners ist von enormer Bedeutung. ▶ Wortschatzerweiterung steht im Mittelpunkt beim Sprachenlernen. ▶ Das Spielen als Probehandeln hat einen hohen Stellenwert: »Spielerisches Lernen ist eine wesentliche Lernform in allen Altersstufen. Es ermöglicht lerner-adäquates Üben 310 8. Kognition und Sprachvermittlung sprachlicher Strukturen. Partner-, Gruppen- und Gemeinschaftsspiele fördern den Spracherwerb in lebensnahen Situationen« (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2003: 11). 8.2.5 Zum Konzept einer vollständigen Handlung Die Auseinandersetzung mit authentischer Sprache in lernerrelevanten Situationen mit dem Ziel ihrer angemessenen Bewältigung ist eine Grundbedingung für handlungsorientierten Spracherwerb. Geht man davon aus, dass Sprache immer in der Dreieckskonstellation zwischen Sender, Gegenständen und Sachverhalten und Empfänger vorkommt, dann erfüllt sie immer drei Funktionen: Symbol, Symptom und Signal (vergleiche Bühler 1934). Das Symbol bei der Darstellung oder Repräsentation von Gegenständen und Sachverhalten ist aber nicht objektiv oder neutral gegeben, sondern geschieht als subjektiver Ausdruck (Symptom) der Perspektive eines Sprechers oder Schreibers, kurz eines Senders, der damit an einen Empfänger appelliert (Signal). Kommunikation ist dann authentisch, wenn alle drei Bezüge nach Bühlers Modell realisiert sind. Für die Kommunikation spielen demnach das Wissen über die relevanten Inhalte und die Versprachlichung von Sachverhalten sowie die Bewältigung von den entsprechenden Aufgaben des Alltags, des Spiels, der Ausbildung oder des Berufs zusammen mit der Einschätzung der sozialen Positionen und den Aufgabengebieten von Sender und Empfänger eine ganz zentrale Rolle. Die Möglichkeit, Erfahrungen in solchen (diversen) Situationen zu sammeln, fördert wiederum das Wissen über Inhalte, Sachverhalte und Abläufe und sensibilisiert für angemessenes sprachliches Handeln mit unterschiedlichen Gesprächspartnern, bringt also automatisch die Fähigkeit mit, sich auf sprachliche Variation einzustellen und sie sukzessive selbst zu beherrschen. Das Potenzial von Differenz kann hier in vollem Maße ausgeschöpft werden, weil durch die unterschiedlichen Konstellationen von Sprechern und Adressaten in unterschiedlichen Situationen und mit unterschiedlichen Kommunikationszwecken eine variantenreiche Auseinandersetzung entsteht. Wenn eine bestimmte Aufgabe gegenüber dem Gesprächspartner, in beruflichen Kontexten zum Beispiel einem Ausbilder, einem anderen Azubi, einer Kundin oder dem Berichtsheft, artikuliert werden muss, dann erfordert dies jedes Mal eine andere Realisierung, die ihrerseits unterschiedliche Rückmeldungen generiert und zu einer größeren Variationspalette und im Endeffekt zu größerer Sprachbewusstheit beiträgt. Mit Differenz werden individuelle Wahrnehmungen und Wissenskonstruktionen sowie subjektiv unterscheidbare Einstellungen, Werte und Erwartungen bezeichnet, die sich folglich nicht ausschließlich auf sprachliche oder kulturspezifische Unterschiede beziehen, sondern eher auf die Einzigartigkeit eines jeden Individuums in Bezug auf Vorerfahrungen, Wissen, Stärken und Schwächen. Die Sprache bildet diese Einzigartigkeit der Kommunikationskonstellationen ab. Von Transferdifferenz ist dieser Begriff insofern zu unterscheiden, als Sprachkulturen bestimmten Präferenzen ausbilden, die interindividuell zumindest in einem gewissen Rahmen geteilt und verstanden werden, also habitualisiert und gegebenenfalls genormt sind. So verwendet man im Deutschen gerne das Container-Bildschema, um etwa Straßen oder Fahrzeuge oder Zeitabschnitte zu konzeptualisieren (in der Straße, im Zug, in einer Woche), während in anderen Sprachen andere Schemata 311 8.2 Grammatik und Handlung (etwa Plattformen oder Oberflächen) herangezogen werden (on a street, on a bus). In diesem Rahmen bewegen sich alle Sprecher, auch wenn sie natürlich die Freiheit haben, überhaupt über ein Thema zu sprechen und die Länge eines Zeitabschnittes different zu profilieren. Den systemischen Unterschied von Sprachkulturen bezeichnen wir als Transferdifferenz: Die Lerner haben nämlich im Spracherwerb die Aufgabe, zwischen den Sprachkulturen zu vermitteln. Man könnte also sagen, Transdifferenz betrifft die Ebene der individuellen (temporären) Variation und Differenz, Transferdifferenz die der interindidivuellen Linguakulturen. In Anlehnung an das Konzept der handlungsorientierten Sprachdidaktik, wie es nach Hölscher, Roche & Piepho (2006) für die Szenariendidaktik ausformuliert wird, gilt es im Fremdsprachunterricht grundsätzlich solche kommunikativen Konstellationen zu erzeugen, die den jeweiligen Schülerinnen und Schülern etwas bedeuten, und zwar inhaltlich und in Bezug auf die kommunikative Aufgabe. Schülerinnen und Schüler können dabei in Rollenspielen, Szenarios, Fallstudien und Spielen unterschiedliche Rollen und im Sinne des Mottos »Lehren ist effizienter als Lernen« auch selbst Lehrrollen übernehmen (siehe hierzu Riedl 2012 zur Berufsschuldidaktik). Folgende Elemente sind dafür entscheidend: ▶ eine integrierte Lernzielbestimmung: Förderung sprachlicher, fachlicher und methodischer Kompetenzen; ▶ die Beachtung der Progression (Lernfelder im Fachlehrplan); ▶ die Einbindung in Ausgangs-Handlungssituationen mit echten Inhalten und Aufgaben (fallbasiertes Lernen, Szenarios); ▶ die systematische Planung der Abläufe in Teilaufgaben, die betrieblichen oder anderen lebensweltlichen Abläufen entsprechen (unter aktiver Beteiligung der Schüler); ▶ die Bereitstellung von Hilfsmitteln für selbstständiges Arbeiten und Recherchen; ▶ eine authentische und ansprechende Visualisierung; ▶ Multimedialität (angemessen in Bezug auf die kommunikative Situation) zur Förderung aller Fertigkeiten (kein Medienaktionismus); ▶ keine pseudo-handlungsorientierten Übungen (zum Beispiel Partner-Diktate, Chorsprechen, Abschreiben etc., es sei denn, sie sind kommunikativ im Sinne des Modells von Bühler begründbar); ▶ keine rein formbasierten, sondern integrierte zweckgerichtete Grammatik- und Orthographieübungen. Der sensible Lerner wird immer dann sprachliche Mittel aufgreifen oder auch freiwillig recherchieren und erfragen, wenn sie in einem kommunikativen Zweck sinnvoll und effektiv eingebunden sind. Durch die Erprobung der neuen Mittel macht er wichtige Erfahrungen über die Welt, die er in seine Wahrnehmungssystematik, sein Weltbild und sein Sprachsystem integrieren wird. Die Einsicht in Gesetzmäßigkeiten und Strukturen der Sprache, gewonnen an tatsächlichem Sprachhandeln, fördert das Sprachwachstum nur, wenn die so reflektierten Mittel sofort für erkennbare Zwecke kommunikativ eingesetzt werden können. Sprachliches Wachstum ist immer ein kreativer Prozess des einzelnen Lerners, der durch Begleitung und Anregungen von außen gefördert werden kann. 312 8. Kognition und Sprachvermittlung 8.2.6 Zur Didaktisierung von Handlungssituationen Bei der Didaktisierung von Handlungssituationen empfiehlt sich ein Vorgehen nach dem Prinzip der vollständigen Handlung in Anlehnung an die Handlungsregulationstheorie (vergleiche Schelten 2002). Dieses Prinzip lässt sich sehr gut für die Curriculumentwicklung und die Unterrichtsplanung verwenden. Es umfasst die folgenden Schritte, die wiederum als Teilaufgaben formuliert werden können: Orientieren Das Vorwissen der Schüler und Schülerinnen wird aktiviert. Was ist zu tun? Was wissen wir schon darüber? Wo finden wir zusätzliche Informationen? Informieren Die Schüler und Schülerinnen informieren sich anhand verschiedener Materialien bezüglich der zu bearbeitenden Aufgabe und Inhalte. Planen und analysieren Für ein Anliegen oder Problem gibt es immer verschiedene Lösungen und verschiedene Wege, die zur Lösung führen. Was könnten wir machen? Wer hat so etwas schon mal gemacht? Wer kann das am besten? Aufgaben sind zu bestimmen und zu verteilen, Arbeitsabläufe zu planen. Hilfsmittel sind auszuwählen, relevante Vorlagen zu analysieren. Durchführen Nun wird am Produkt gearbeitet, das umfasst mehrere Abstimmungs-, Arbeits- und Optimierungsdurchläufe. Präsentieren Auf die Phase der Erarbeitung folgt die Vorstellung des Arbeitsvorhabens. Davor wird alles nochmals sorgfältig überprüft und erprobt. Jeder ist schließlich stolz auf die geleistete Arbeit. Bewerten Anhand gemeinsam festgelegter Kriterien werden die erarbeiteten Produkte konstruktiv bewertet. Reflektieren Eine Phase der abschließenden Reflexion schließt das Szenario ab: Was ist gut gelungen? Was könnte man auch in anderen Situationen anwenden? Was würde man wann anders machen? Tabelle 8.1: Prinzipien einer vollständigen Handlung im Unterrichtsablauf (Roche & Terrasi-Haufe 2016: 29) Umfang und Schwierigkeit der jeweiligen Szenarien und Aufgaben richten sich nach den Anforderungen und Zielen der kommunikativen Situation. Eine Differenzierung kann dabei auf zwei Ebenen erfolgen: Erstens können die Schüler und Schülerinnen auf unterschiedliche sprachliche Produkte hinarbeiten und zweitens wird ihnen ein umfassendes Angebot an Hilfsmitteln dafür zur Verfügung gestellt. Die Bewertung erfolgt unter Berücksichtigung von Kriterien, die Lerner und Lehrkräfte gemeinsam bestimmen und operationalisieren. Durch gezielt eingesetzte Handlungszusammenhänge, Aufgaben und Spiele können bei jeder Sprachaktivität in einem Lernszenario auch besondere grammatische Strukturen integriert gefördert werden, weil diese Grammatik ja- - wie bereits gezeigt- - nicht abstrakt auftaucht, sondern sich aus der Wahrnehmung der Welt und ihrer Darstellung ergibt, also Bedeutung hat. Dabei kann die handlungsbegleitende Sprache besonders effektiv für das Sprachenlernen genutzt werden. Idealerweise arbeiten Sprachlerner, wenn möglich, gemein- 313 8.2 Grammatik und Handlung sam mit Schülern, die sich schon gut verständigen können oder fortgeschritten sind, oder es werden stärkeren Lernen auch entsprechend verantwortungsvollere Aufgaben in einem Szenario zugewiesen. Soweit möglich, sollte die authentische deutschsprachige Umgebung genutzt werden, auch im Ausland (z. B. über das Internet oder lokale Ressourcen). Dadurch haben die Lerner die Möglichkeit, Sprachmuster von anderen zu erfahren und selbst Sprache auszuprobieren. Homogenität in der Klasse muss also gar kein Vorteil für einen guten Unterricht sein. In der handlungsorientierten Didaktik lassen sich unterschiedliche Erwerbsstände der Lerner berücksichtigen, die zu keinem starren Unterrichtsschema führen. Denn wie im ungesteuerten Sprachenlernen stehen im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens der kommunikative Zweck und die Sprachanwendung. Das Behalten der vermittelten Strukturen wird so, in der Verzahnung von Handlungsbezug, Vermittlung sprachlicher Mittel und aktiver Sprachanwendung und der daraus entstehenden Rückmeldung wesentlich erleichtert. Die Redaktion schriftlicher Präsentationen kann auch die Entwicklung schriftlicher Ausdrucksweisen der Lerner fördern. Die stützende Funktion von Schriftsprache beim Vorbereiten mündlicher Vorträge und beim Entwickeln und Strukturieren der Gedanken selbst (und somit die Vernetzung sprachlicher Fertigkeiten) wird so ebenfalls ganz beiläufig deutlich. Die Lerner lernen dabei, produktiv mit dem Medium Schriftsprache umzugehen. In einem handlungsorientierten Unterricht, wie zum Beispiel in einem Lernszenario, lässt sich eine weitgehend authentische Lernumgebung schaffen. Lernen ist somit nicht mehr abstrakt. Die konkrete Erfahrung und räumliche Nähe ermöglichen ein ganzheitliches, multisensorisches Erfahren der Wirklichkeit sowie das Erfahren der Wirkung eigenen Handelns. Dieses Handeln ist sowohl ein physisches, das sprachlich benannt und begleitet wird, als auch ein sprachliches Handeln, das sich im Dialog, durch direkte Aufforderungen und schließlich im Erzählen und Resümieren über das Erarbeitete darstellt. Wenn es dabei um relevante Inhalte für die Schüler geht, sind die besten Bedingungen für einen fächerübergreifenden Unterricht gegeben. Experiment 2 Ordnen Sie bitte zu. to be busy as a bee bienenfleißig sein a wolf in sheep’s clothing Bindfäden regnen to go to the dogs den Bock zum Gärtner machen to rain cats and dogs Für die Katz sein be as dead as a doornail Die Katze im Sack kaufen to be sly as a fox Die Katze aus dem Sack lassen to put the fox in charge of the henhouse Ein Wolf im Schafspelz to be lucky Ein hohes Tier sein to play cat and mouse Katz und Maus spielen 314 8. Kognition und Sprachvermittlung to buy a pig in a poke Mäuse riechen to smell a rat Mausetot sein to let the cat out of the sack schlau wie ein Fuchs sein to act like a bull in a china shop Schwein haben to be a big shot sich wie ein Elefant im Porzellanladen benehmen to be in vain vor die Hunde gehen / auf den Hund kommen Roche & Webber 1995: 60 Aus diesem Experiment ergibt sich neben den konkreten Zuordnungen und dem dadurch bewirkten Erwerb von Metaphern eine Systematizität des Sprachenvergleichs Englisch- - Deutsch. Folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich dabei kategorisieren: 1. Identische Bildschemata und lexikalische Repräsentationen: ›sly as a fox‹, ›to throw in the towel‹, ›a wolf in sheep‹s clothing’ 2. Identische oder konzeptuell verwandte Bildschemata und lexikalische Repräsentationen (Zieldomänen), aber unterschiedliche grammatische Kategorien: ›to play it safe‹ (Adjektiv) versus auf Nummer sicher gehen (Nomen), ›to go to the dogs‹ versus vor die Hunde gehen / auf den Hund kommen, ›drop in a bucket‹ versus auf den heißen Stein, (unterschiedliche Präposition, Unterschiede im Numerus), ›busy as a bee‹ versus bienenfleißig (Vergleich / Simile versus Kompositum) 3. Teilidentische Quellendomänen (zum Beispiel Bewegung, Ortswechsel, Vergleich), aber unterschiedliche Zieldomänen: zum Beispiel ›tempest in a teapot‹ versus im Wasserglas, ›big shot‹ versus ein hohes Tier, ›a fly in the ointment‹ versus ein Haar in der Suppe, ›to kill two birds with one stone‹ versus zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen 4. Ähnlicher Typus der Quellendomäne, aber unterschiedliche Zieldomäne (Referenz und lexikalische Realisierung): zum Beispiel ›out of the frying pan into the fire‹ versus vom Regen in die Traufe 5. Vermeintliche Ähnlichkeiten durch ähnliche lexikalische Markierungen in der Zieldomäne, aber in Wirklichkeit unterschiedliche Quellendomänen: zum Beispiel ›fly in the ointment‹ versus zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, ›to be out of the woods‹ versus auf dem Holzweg sein 6. Antiquierte Konzepte (in einer Sprache): zum Beispiel ›to have bats in one‹s belfry’ versus nicht alle Tassen im Schrank haben. 315 8.2 Grammatik und Handlung 8.2.7 Zusammenfassung ▶ Grammatik ist ein Handlungsinstrument, das hilft, die Dinge zu ordnen, die wir wahrnehmen und versprachlichen wollen. ▶ Grammatik ist direkt aus den Handlungen beziehungsweise dem Gebrauch von Sprache in einer konkreten Handlungssituation abgeleitet. ▶ In einem kognitionswissenschaftlich ausgerichteten Unterricht liegt der Schwerpunkt demnach auf der Nutzung entsprechender sprachlicher Strukturen in einem bestimmten Kontext, nicht auf der metasprachlichen Beschreibung dieser Strukturen. ▶ Ein handlungsorientierter Unterricht basiert auf den Prinzipien der Relevanz, Lexikalität, Salienz, Situativität, Handlung, Praktikabilität, Mediation und Entwicklung. ▶ Fehler sind kein Zeichen der Unvollkommenheit, sondern müssen als Hinweise des Erwerbsfortschritts interpretiert und analysiert werden. ▶ Basis für den Spracherwerb ist sprachliches Handeln, wobei eine Handlung nur dann vollkommen ist, wenn alle Aspekte der authentischen Kommunikation nach Bühler (1934) realisiert sind. ▶ Authentische Lernumgebungen können durch Lernszenarien geschaffen werden. ▶ Bei der Didaktisierung von Handlungssituationen sollen folgende Schritte berücksichtigt werden: Orientierung, Information, Planung und Analyse, Durchführung, Präsentation, Bewertung und Reflexion. 8.2.8 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Nennen und erklären Sie die wichtigsten Prinzipien eines handlungsorientierten Spracherwerbs. 2. Nennen Sie die wichtigsten Prinzipien eines guten Unterrichts. 3. Welche Elemente sind für einen handlungsorientierten Unterricht entscheidend? 4. Beschreiben Sie die Phasen einer vollständigen Handlung. 316 8. Kognition und Sprachvermittlung 8.3 Kognitionslinguistisch basierte Fremdsprachenvermittlung Die kognitive Didaktik versteht sich als Weg, zwischen der Komplexität der Sprache und einer aktionistischen Simplifizierung so zu vermitteln, dass Einfachheit und Richtigkeit nicht im Gegensatz zueinanderstehen. Der Rückgriff auf die kognitive Linguistik bietet dafür eine adäquate Grundlage, verlangt aber auch eigene Anpassungen an didaktische Herausforderungen. Das große Problem der kognitiven Linguistik ist nämlich, dass sich nur wenige Forscherinnen und Forscher bisher ernsthaft mit der didaktischen Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse beschäftigt haben. Vielmehr greifen sie - oft entschuldigend - auf ihre eigenen rudimentären Sprachlernerfahrungen zurück, die sich nicht selten auf behavioristische und strukturalistische Modelle beschränken. In dieser Lerneinheit soll diese Problematik zunächst etwas vertieft illustriert werden. Im Anschluss daran wird gezeigt, welche didaktischen Möglichkeiten der kognitionslinguistische Kernbereich der Metaphorik bei der Transparentmachung grammatischer Regeln besitzt und wie er im Unterricht eingesetzt werden kann. Zum Abschluss dieser Lerneinheit wird darauf verwiesen, wie sich dieser Ansatz mit einem modernen, handlungsorientierten Lernansatz verbinden lässt. Lernziele In dieser Einheit möchten wir erreichen, dass Sie ▶ die Bedeutung und Reichweite der Metaphorik für den Sprachenerwerb erkennen können; ▶ den metaphorischen Umgang mit Tabus erproben; ▶ mit Metaphern im Unterricht souverän umgehen können; ▶ die Prinzipien der kognitiven Sprachdidaktik durchschauen und sie nutzen können. 8.3.1 Die kognitive Didaktik im Unterricht Grammatik gilt vielen Lehrkräften als die größte Herausforderung im Fremdsprachenerwerb und demnach als das Rückgrat des Sprachunterrichts. Daher orientiert sich die Fremdsprachendidaktik schon immer vorwiegend an strukturellen, formellen und abstrakten Ansätzen der Darstellung des sprachlichen Systems, versucht aber immer wieder, diese durch unterrichtsmethodische Maßnahmen vereinfachter, bunter und spielerischer zu verpacken. Übersehen wird aber allzu oft, dass diese vermeintlich motivierenden Elemente im Sinne einer negativen kognitiven Belastung auch eher lernhemmend wirken und damit den umgekehrten Effekt bewirken können (vergleiche Sweller 2005). Zum vielerorts favorisierten formbasierten Lernen liegen allerdings kaum solide Forschungsergebnisse vor (vergleiche Roche, Reher & Simic 2012) und es lässt sich auch nicht feststellen, dass die lernrelevante linguistische Forschung, vor allem die text- und variationslinguistische und die kognitionslinguistische, angemessen in der Lehrwerksproduktion und im Unterricht beachtet würde. Stattdessen herrscht in den Lehrwerken für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache eine 317 8.3 Kognitionslinguistisch basierte Fremdsprachenvermittlung eklektische Mischung vorwiegend schulgrammatisch geprägter Methoden vor, die aufgrund unterschiedlich valider Intuitionen und unterschiedlichem Erfahrungs- und Empfindungswissen der Lehrkräfte, Autorinnen und Autoren oft so simplifiziert sind, dass sie nicht selten schlichtweg falsche Regeln zum Ziel haben. Der Rückgriff auf Erkenntnisse der kognitiven Linguistik ermöglicht Lehrkräften und Lernern eine größere Transparenz des grammatischen Systems von Sprachen. Allerdings lassen sich diese Erkenntnisse nicht immer direkt in didaktische Ansätze, Lehrmaterialien oder Unterrichtsverfahren umsetzen. Hierfür bedarf es der Berücksichtigung konzeptueller Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung und der Anwendung kognitions- und mediendidaktischer Prinzipien wie der Einbettung in grammatische Metaphern und der Animation, die an anderer Stelle ausführlich behandelt werden (vergleiche Lerneinheit 7.3). Das Ziel dieses Ansatzes ist-- anders als bei traditionellen Unterrichtsverfahren-- nicht die Simplifizierung der Grammatik bis hin zur Variationsvermeidung und Erfindung »falscher Regeln«, wie etwa der wo / wohin-Trennung und der »Bedingung« der Bewegungsverben bei den Wechselpräpositionen, sondern die Transparenzmachung der Komplexität von Sprache und der Grundlagen ihrer vielfältigen pragmatischen Funktionen. Der Motor dieses Ansatzes ist also nicht Simplifizierung, sondern wie wir in den vorangehenden Lerneinheiten gesehen haben Transparenz, Kohärenz und Funktionalität. Das Ziel ist: Anwendbarkeit in Handlungskontexten. Nachdem Sie in Lerneinheit 8.1 und 8.2 bereits die Prinzipien der kognitiven Didaktik und ihren Zusammenhang mit Handlungsprinzipien kennengelernt haben, werden wir uns nun ansehen, wie sich die verschiedenen Prinzipien für den Unterricht operationalisieren lassen beziehungsweise wie sie im Unterricht umgesetzt werden können. Exemplarisch zeigt eine Studie von Tyler (2008, 2012), wie wenig sich die Ansätze zur Grammatikvermittlung-- hier in English as a foreign language ( EFL )-- in den letzten Jahren verändert haben und wie wenig sie bisher auf die Erkenntnisse der kognitiven Linguistik Bezug nehmen. Traditionelle Herangehensweisen bei der Vermittlung von Modalverben zeigen sich nach Tylers Untersuchungen aus zwei Gründen als unfruchtbar: Zum einen werden die Modalverben nicht präzise definiert und voneinander abgegrenzt und zum anderen wird vernachlässigt, dass es für Modalverben stets zwei Verwendungen gibt, die Tyler als social world meaning und als logical prediction meaning bezeichnet. Zum ersten Grund fasst Tyler zusammen, dass Modalverben im Englischen traditionellerweise in drei funktionale Kategorien (vergleiche auch Biber, Johansson, Leech, Conrad & Finegan 1999) eingeteilt werden: (1) permission / possibility / ability (can, could, may, might), (2) obligation / necessity (must, should had better, have got to, need to, ought to), (3) volition / prediction (will, would, shall, be going to). (Tyler 2012: 98) 318 8. Kognition und Sprachvermittlung Dabei werden die Bedeutungsunterschiede zwischen den Verben innerhalb einer Kategorie meist vernachlässigt, wodurch beispielsweise die Ausdrücke must, should und ought to als synonym betrachtet werden. Diese Behauptung würde allerdings jedem Muttersprachler Bauchschmerzen verursachen (vergleiche beispielsweise die Aussagen You should write a paper versus You must write a paper). Andere Beispiele zeigen hingegen, dass Verben, die unterschiedlichen Kategorien angehören, dasselbe ausdrücken können: a. You must go to swimming lessons this morning. (obligation / necessity category) b. You will go to swimming lessons this morning. (volition / prediction category) (Tyler 2012: 98) Eng mit dem ersten Problem verbunden ist die Mehrdeutigkeit von Modalverben, denn sie können entweder deontisch (social world meaning) oder epistemisch (logical prediction meaning) verwendet werden (zu Modalverben vergleiche Lerneinheit 7.3 und 8.1), wobei der Bedeutungszusammenhang dieser Verwendungsmöglichkeiten in den Erklärungsansätzen außer Acht gelassen wird und die Verben daher meist als Homophone präsentiert werden. Vermutlich hat die Tatsache, dass die Bedeutung von Modalverben generell nicht leicht greifbar ist, dazu geführt, dass sie in den Lehrwerken aus eher funktioneller Perspektive in verschiedenen Sprachhandlungen präsentiert werden, in denen sie gewöhnlich vorkommen. Wie wir allerdings oben bereits feststellen konnten, können oft mehrere Modalverben für dieselbe sprachliche Handlung verwendet werden und ein und dasselbe Modalverb kann ebenso in verschiedenen Sprachhandlungen zum Einsatz kommen. Wie Sie sich vorstellen können, führen diese Erklärungsansätze der traditionellen Sprachvermittlung daher zu Schwierigkeiten für den Lerner, das passende Modalverb auszuwählen. In ihren Untersuchungen kommt Tyler zu dem Ergebnis, dass sich die Grammatiken im Bereich der Modalität nach wie vor auf die deontischen (verpflichtenden) Grundbedeutungen der Modalverben konzentrieren und deren epistemische Bedeutungen völlig auslassen. Sie findet auch sonst keine Hinweise auf die Berücksichtigung kognitionslinguistischer Aspekte in anderen Bereichen der Grammatik. Ihre Beobachtungen fasst Tyler desillusioniert folgendermaßen zusammen: This traditional view of language, which underlies most L2 grammars and texts, treats language as a system unto itself, separate from other cognitive and social abilities. Being an isolated system, disconnected from general cognitive processes and conceptual structure, language has traditionally been understood as operating under its own set of rules and properties, most of which have been assumed to be largely arbitrary, idiosyncratic, and mysterious. This view tends to represent language as a set of rules-(…), a list of vocabulary items that plug into the rules, and a list of exceptions to the rules. (Tyler 2008: 458) 8.3.2 Operationalisierung von Metaphern in Erwerb und Unterricht Im Folgenden soll illustriert werden, wie mit metaphorischen Elementen im Unterricht gelernt werden kann (Roche 2013b: 33. 319 8.3 Kognitionslinguistisch basierte Fremdsprachenvermittlung Da Metaphorisierungsprozesse eine essentielle Rolle in der Sprachverarbeitung spielen, liegt es nahe, diese auch stärker in der Sprachvermittlung einzusetzen. Untersuchungen von Littlemore und Low (Littlemore & Low 2006b; Low & Littlemore 2009) zeigen jedoch deutlich, dass dies bisher praktisch gar nicht geschieht. Wo Metaphern im Fremdsprachenunterricht bisher überhaupt eine Rolle spielen, tun sie das mit sehr wenigen Ausnahmen als Lerngegenstand des Vokabulars oder als Thema stilistisch-literarischer Übungen. Eine Lernerleichterung durch Metaphorisierungsprozesse kann sich darüber hinaus auf diachroner und synchroner Ebene ergeben. Erstens durch die Reaktivierung von etablierten oder lexikalisierten Metaphern im Kontrast zu deren aktueller Bedeutung (diachrone Reaktivierungsfunktion) und zweitens durch die Konstruktion von Brücken zur Erschließung von Lakunen (synchrone Lakunenfunktion). So kann etwa eine Metapher wie viel um die Ohren haben einem Lerner zum besseren Verständnis in physischer Realisierung recht plastisch »vor Augen geführt« werden. Dermaßen reaktivierte Metaphern sind nicht nur produktiv in Komik und Karikatur, sondern auch in der Werbesprache. In dem Werbeslogan Für Leute, die gerne viel um die Ohren haben (Blaupunkt) wird diese lexikalisierte Bedeutung entsprechend reaktiviert, ins Angenehme (Klangerlebnis) verkehrt und bleibt in ihrer gegensätzlichen Doppeldeutigkeit bestehen. Für Lerner, für die die metaphorische Bedeutung der Zieldomaine nicht transparent ist, weil ihnen die unmittelbare Entsprechung nicht bekannt ist (Lakunen), eignet sich oft der Rückgriff auf die physische Quellendomaine, um das Konzept der Metapher zu erschließen und zu vermitteln. Die Realität der Quellendomaine ist oft so nah an der lebensweltlichen Erfahrung der Lerner, dass sie durch diese nachvollziehbar wird. Die Übertragung auf die Zieldomaine, die Sprachen unterschiedlich leisten (siehe Transferdifferenz), ist danach im Wesentlichen eine Zuordnungsaufgabe (vergleiche das attribute matching in der Lerneinheit 8.1). Durch den Rückgriff auf die physische Bedeutung von Metaphern gelingt ihre Erschließung. Körperteile, Farben und Tierbezeichnungen sind dafür besonders dankbare Bildspender. Ein kompetenter Sprecher einer Sprache ist demnach jemand, der das konzeptuelle Gerüst sprachlicher Strukturen und kommunikativer Prozeduren erworben hat (vergleiche Kecskes & Papp 2000; Hashemian & Talebinezhad 2007). Erfolgreich geht der Lerner einer fremden Sprache dabei vor, wenn es ihm gelingt, das konzeptuelle System der fremden Sprache über Brückenkonstruktionen zu erschließen. Die Bedeutung dieser konzeptuellen Kompetenz versucht unter anderem auch die conceptual fluency theory von Danesi 2003 zu beschreiben. Konzeptuelle Kompetenz bedeutet demnach, die physische und soziale Konstruktion einer fremden Situation wahrzunehmen und in der Lage zu sein, sich darin angemessen zu bewegen, ohne sich ihr konformistisch anzupassen (siehe Lerneinheit 8.1). Hieraus kann eine neue Qualität der Wahrnehmung und des Handelns entstehen, die nicht selten auch zu einer Vermittlungskompetenz zwischen Sprachen führt oder wenigstens die Grundlage dafür ist. Das konzeptuelle System einer fremden Sprache kann der Lerner erwerben, indem er Metaphern auf zwei Ebenen nutzt: einer paradigmatischen und einer syntagmatischen. Zur paradigmatischen Ebene gehören die folgenden Aspekte: 320 8. Kognition und Sprachvermittlung ▶ Metaphern stellen ein konzeptuelles Orientierungssystem dar, das am besten in Teilbereichen und sukzessive erworben werden kann, je nach Interesse. Dabei können Lerner wegen der bereits dargestellten universellen Verwendung von grundlegenden Domänen wie Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Tasten und der Verbreitung von verwandten Bildschemata in vielen Linguakulturen leicht an bekanntes Grundwissen anschließen. ▶ Wenn Metaphern in der Fremdsprachenvermittlung eingesetzt werden, sind sie umso wirksamer, je relevanter sie für den Lerner sind. Die Bildschemata und ihre sprachliche Realisierung sollten darüber hinaus die nötige Salienz besitzen, um die Aufmerksamkeit des Lerners zu wecken. Wo Metaphern zwischen zwei Sprachen differieren, entsteht eine Transferdifferenz, die das besondere Interesse des Lerners wecken kann. ▶ Diese Differenz kann zwischen primärer und metaphorischer Bedeutung (Quellen- und Zieldomäne) oder den Bedeutungen der L1 und L2 bestehen. Ungewöhnliche Äquivalenzen wie in green with envy / gelb vor Neid tendieren zu besonders hoher Salienz. ▶ Das erhöhte Interesse bewirkt eine intensivere Verarbeitung der metaphorischen Ausdrücke. Dieser erhöhte kognitive Aufwand hinterlässt stärkere Spuren im kognitiven System und stärkt damit die Aktivierungspfade des mentalen Lexikons. ▶ Unter bestimmten Bedingungen führt die multimodale Verarbeitung mittels verschiedener Verarbeitungskanäle (Modi) zu einer Erleichterung der Verarbeitungsaufgabe (vergleiche Scheller 2008; Suñer 2011). In syntagmatischer Sicht eignen sich Metaphern wie auch Chunks für die holistische, bedeutungsorientierte Verarbeitung. Sie bieten aber auch syntaktische Muster an, die in der Regel eine Musterfunktion haben, nach der andere Metaphern zum Beispiel in Redewendungen oder Kollokationen gebildet sind. Durch die hohe Salienz und Kollokativität generieren sie ein hohes Erinnerungspotenzial. Da zwischen allen erworbenen Sprachen eines Lerners Austausch- und Anpassungsprozesse zu erwarten sind, können auch vorerworbene Sprachsysteme von diesen Effekten (nachträglich) profitieren. Sie stellen sich im Unterricht nicht automatisch ein, sondern bedürfen der Betreuung und Pflege durch die Lehrkraft. Das folgende Beispiel soll illustrieren, wie Metaphern im Unterricht nach den beschriebenen Aspekten vermittelt werden können. Es stellt eine erste Aktivierung (Vorentlastung) dar, das zweite eine Vertiefung. Die Beispiele entstammen dem Lehrbuch Für- und Widersprüche (Roche & Webber 1995), einem Lehrbuch für Lerner der Niveaus B1-C2. Durch den Kontrast der metaphorischen Redewendungen soll die Aufmerksamkeit erzeugt und nachhaltiges Lernen bewirkt werden. Dabei werden die Lerner zu einem entdeckenden Lernen mit vielen Überraschungen eingeladen. Einige der Zuordnungen erscheinen ihnen leicht, andere verleiten zu voreiligen Schlüssen, wieder andere betreffen gänzlich abwegige Entsprechungen. Bei wieder anderen müssen die Lerner das zuordnen, was übrigbleibt (siehe auch die Ausführungen zum attribute matching training in Lerneinheit 2.1). 321 8.3 Kognitionslinguistisch basierte Fremdsprachenvermittlung Experiment 1 Um die Rolle der Lerner besser nachempfinden zu können, machen Sie die Aufgabe doch bitte zunächst selbst, bevor Sie weiterlesen. Sie wird Ihnen viel Spaß machen und viel zu denken geben. Das soll sie auch. Notieren Sie dann bitte Ihre Beobachtungen in möglichst systematischer Form. Ordnen Sie bitte zu. ein Tropfen auf dem heißen Stein to make hay while the sun shines ein Haar in der Suppe to kill two birds with one stone ein Sturm im Wasserglas a tempest in a teapot ein hohes Tier to be out of the woods die Katze im Sack kaufen to sit on the fence nicht alle Tassen im Schrank haben a bigshot das Eisen schmieden, solange es heiß ist to buy a pig in a poke das Handtuch werfen out of the frying pan into the fire zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen a fly in the ointment auf dem Holzweg sein to have bats in one’s belfry über den Berg sein to bark up the wrong tree zwischen zwei Stühlen sitzen to throw in the towel (or sponge) vom Regen in die Traufe a drop in the bucket auf Nummer sicher gehen to play it safe Roche & Webber 1995: 176 Experiment 2 Ordnen Sie bitte zu. to be busy as a bee bienenfleißig sein a wolf in sheep’s clothing Bindfäden regnen 322 8. Kognition und Sprachvermittlung to go to the dogs den Bock zum Gärtner machen to rain cats and dogs Für die Katz sein be as dead as a doornail Die Katze im Sack kaufen to be sly as a fox Die Katze aus dem Sack lassen to put the fox in charge of the henhouse Ein Wolf im Schafspelz to be lucky Ein hohes Tier sein to play cat and mouse Katz und Maus spielen to buy a pig in a poke Mäuse riechen to smell a rat Mausetot sein to let the cat out of the sack schlau wie ein Fuchs sein to act like a bull in a china shop Schwein haben to be a big shot sich wie ein Elefant im Porzellanladen benehmen to be in vain vor die Hunde gehen / auf den Hund kommen Roche & Webber 1995: 60 Aus diesen Experimenten ergibt sich neben den konkreten Zuordnungen und dem dadurch bewirkten Erwerb von Metaphern eine Systematizität des Sprachenvergleichs Englisch- - Deutsch. Folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich dabei kategorisieren: 1. Identische Bildschemata und lexikalische Repräsentationen: ‚sly as a fox’, ‚to throw in the towel’, ‚a wolf in sheep’s clothing’ 2. Identische oder konzeptuell verwandte Bildschemata und lexikalische Repräsentationen (Zieldomänen), aber unterschiedliche grammatische Kategorien: ‚to play it safe‘ (Adjektiv) versus auf Nummer sicher gehen (Nomen), ‚to go to the dogs‘ versus vor die Hunde gehen / auf den Hund kommen, ‚drop in a bucket‘ versus auf den heißen Stein, (unterschiedliche Präposition, Unterschiede im Numerus), ‚busy as a bee‘ versus bienenfleißig (Vergleich / Simile versus Kompositum) 3. Teilidentische Quellendomänen (zum Beispiel Bewegung, Ortswechsel, Vergleich), aber unterschiedliche Zieldomänen: zum Beispiel ‚tempest in a teapot‘ versus im Wasserglas, 323 8.3 Kognitionslinguistisch basierte Fremdsprachenvermittlung ‚big shot’ versus ein hohes Tier, ‚a fly in the ointment’ versus ein Haar in der Suppe, ‚to kill two birds with one stone’ versus zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen 4. Ähnlicher Typus der Quellendomäne, aber unterschiedliche Zieldomäne (Referenz und lexikalische Realisierung): zum Beispiel ‚out of the frying pan into the fire‘ versus vom Regen in die Traufe 5. Vermeintliche Ähnlichkeiten durch ähnliche lexikalische Markierungen in der Zieldomäne, aber in Wirklichkeit unterschiedliche Quellendomänen: zum Beispiel ‚fly in the ointment‘ versus zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, ‚to be out of the woods’ versus auf dem Holzweg sein 6. Antiquierte Konzepte (in einer Sprache): zum Beispiel ‚to have bats in one’s belfry’ versus nicht alle Tassen im Schrank haben. Die Differenzen zwischen den Sprachen erscheinen in dieser Typologie zwar komplex. Es geht im Sprachenunterricht aber nicht primär um die Vermittlung einer solchen Typologie, sondern in erster Linie um eine Sensibilisierung für den konzeptuellen Gehalt der Sprachen und die konzeptuellen / kognitiven Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Sprachen und in zweiter Linie um die Entwicklung und Vermittlung bestimmter Äquivalenzprinzipien, die den Lernern den Erwerb erleichtern können. Dies ist jedoch keine rein lexikalische oder grammatische Angelegenheit, sondern mit einem solchen inhaltsbezogenen Verfahren wird gleichzeitig angewandte Landeskunde betrieben. Die metaphorischen Ausdrücke geben schließlich weitreichende Einsichten in die Denkweise einer Linguakultur. Dass sich hierfür, wie in den obigen Experimenten illustriert, besonders induktive und explorative Verfahren eignen, liegt auf der Hand. Entdeckungs- und Überraschungseffekte sind dabei ein guter Indikator, dass Lernen stattfindet. Es muss jedoch nicht bei den vorbereitenden, eher rezeptiven Aufgaben bleiben. Lerner können auch zum recherchierenden Vorgehen bei der Exploration der fremden und eigenen Linguakulturen motiviert werden, zum Beispiel bei der Erstellung von Wort- und Konzeptfeldern. Lassen sich daraus gegebenenfalls auch grundlegende Erkenntnisse über die Denkweise einer Linguakultur generieren, so wie es in manchen Darstellungen fremder Kulturen bereits versucht wurde. Einschlägig ist hier beispielsweise das Werk Life is like a chicken-coop ladder von Alan Dundes (1984). Diese kontrastive Darstellung amerikanischer und deutscher Redewendungen eröffnet interessante Einblicke in die Grundlinien unterschiedlicher Denk- und Verhaltensweisen und stellt dar, wie sehr unsere Sprache durch körperliche Tabuzonen geprägt ist. Daraus ergibt sich die Hypothese, dass ein höherer Grad an Tabubestimmtheit zu einer quantitativ höheren und semantisch stärker aufgeladenen Produktion von metaphorischen Ausdrücken führt. Umgekehrt kann die Betrachtung des metaphorischen Wortschatzes aus dem Bereich der Körpermetaphern viel über die tatsächlichen Tabus in einer Kultur aussagen und damit auch zu ganz praktischen Erkenntnissen für interkulturelles Kommunizieren führen. Der Film Borat illustriert dies sehr plastisch anhand verschiedener critical incidents (zu critical incidents vergleiche Lerneinheit 4.1 und 4.2 im Band »Kultur- und Literaturwissenschaften«). Der Umgang mit metaphorischen Ausdrücken kann darüber hinaus zu eigenen Sprachproduktionen der Lerner führen. Sie können den vermittelten Wortschatz in eigenen, zum Beispiel lyrischen, Texten verwenden, wie es in den didaktischen Ansätzen zur Konkreten 324 8. Kognition und Sprachvermittlung Poesie schon vor langer Zeit gezeigt wurde (vergleiche Krusche & Krechel 1984) und wie es die Chamisso-Literatur-Didaktik in neuerer Zeit propagiert (siehe hierzu Roche & Schiewer 2017). Jede Art von Sprachspiel und anderer kreativer Nutzung von Sprache ist hier angesagt, inklusive direkter metaphorischer Übertragungen von einer Sprache in eine andere. Damit zeigt sich, dass der Einsatz von Metaphern im Fremdsprachenunterricht insgesamt ein lohnenswerter Ansatz für die interkulturelle Sensibilisierung der Lerner und für die Sprachvermittlung ist. Wie wir in den Lerneinheiten 7.3 und 8.1 gesehen haben, betrifft das auch die Grammatikvermittlung. Gleichzeitig ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer weiteren (intensivierten) Erforschung des Erwerbs des mentalen bilingualen Lexikons. Denn die kulturspezifischen Gegensätze (Transferdifferenz) bieten viele Möglichkeiten für den Ausbau von Wissen und die Erweiterung von Kompetenzen. 8.3.3 Zusammenfassung ▶ Metaphern können die der Sprache zugrundeliegenden Konzepte über ihren lexikalischen Wert hinaus transparent machen. ▶ Metaphern sind nicht nur im Wortschatz, sondern auch in der Grammatik und in Textkonzepten erkennbar und strukturieren unsere Wahrnehmung und die Versprachlichung der Welt. ▶ Die linguakulturellen Unterschiede sind dabei in vieler Hinsicht höchst relevant: Sie erlauben Einblicke in und Vergleiche mit anderen Kulturen, sie zeigen sprachentypische Möglichkeiten der Verbalisierung auf und sie sind didaktisch höchst wirksam, wenn man sie auf die Quellendomänen zurückführt. ▶ Die Quellendomänen bieten wegen ihres physischen Konkretheitsgrades meist nachhaltige Lernmöglichkeiten und Wege zur Erschließung unbekannter Metaphern. ▶ Metaphern sind in allen bekannten Sprachen omnipräsent und bilden ihre elementaren Grundlagen. Es ist daher sinnvoll, sie bereits früh im Unterricht und Fremdsprachenerwerb einzusetzen und nicht dem Fortgeschrittenenunterricht zu überlassen. ▶ Sprachsysteme, Spracherwerbs- und Verarbeitungsprozesse, Wahrnehmungs- und Lernprozesse beruhen auf kognitiven Prinzipien. ▶ Nur wer diese Prinzipien und Prozesse kennt, wird auch seinen Unterricht an den Lernbedürfnissen seiner Schülerinnen und Schüler effizient ausrichten können. 8.3.4 Aufgaben zur Wissenskontrolle 1. Wie können Lerner unbekannte Zieldomänen erschließen? 2. Stellen Sie die paradigmatische Ebene des Erwerbs von Metaphern aus Sicht des Lerners dar. 3. Nennen Sie die wichtigsten intersprachlichen Kategorien von Korrespondenzen von Metaphern. 325 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Abbuhl, Rebekha (2005), The Effect of Feedback and Instruction on Writing Quality: Legal Writing and Advanced L2 Learners. Unpublished doctoral dissertation. Georgetown University, Washington, DC . 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Ismaning: Hueber, 122. 2.25: Der Aktiv-Satz Der Champion spielt die Kugel mit dem Queue.; Eigene Abbildung. 2.26: Vorgangspassiv: Die Kugel wird von dem Champion gespielt.; Eigene Abbildung. 2.27: Zustandspassiv: Die Kugel ist gespielt.; Eigene Abbildung. 3.1: Die caused-motion-Konstruktion; Goldberg, Adele (1995), Constructions: A Construction Grammar Approach to Argument Structure. Chicago: University of Chicago Press. 3.2: Die intransitive-motion-Konstruktion; Goldberg, Adele (1995), Constructions: A Construction Grammar Approach to Argument Structure. Chicago: University of Chicago Press. 4.1: Szene im Restaurant; Eigene Abbildung. 4.2: Phasen der Sprachproduktion; Levelt, Willem J. M. (1999), Producing spoken language: A blueprint of the speaker. In: Brown, Colin M. & Hagoort, Peter (Eds.), The Neurocognition of Language. Oxford / New York: Oxford University Press, 3. 4.3: Sprachverarbeitungsmodell in Anlehnung an Levelt; Roche, Jörg (2013b), Mehrsprachigkeitstheorie-- Erwerb, Kognition, Transkulturation, Ökologie. Tübingen: Gunter Narr Verlag, 115. 4.4 a, b, c: Das bilinguale Lexikon; Bot, Kees de; Lowie, Wander & Verspoor, Marjolijn (2005), Second Language Acquisition. An Advanced Resource Book. New York: Routlegde, 43. 4.5: Distributionsmodell; Heredia, Roberto R. & Brown, J. M. (2006), Bilingual Memory. In: Bhatia, T. K. & Ritchie, W. (Eds.). The Handbook of Bilingualism. Oxford: Blackwell Publishing, 239. 4.6: Distributionsmodell; Heredia, Roberto R. & Brown, J. M. (2006), Bilingual Memory. In: Bhatia, T. K. & Ritchie, W. (Eds.). The Handbook of Bilingualism. Oxford: Blackwell Publishing, 241). 4.7: Wortassoziationsmodell; Kroll, Judith F. & Stewart, Erika (1994), Category interference in translation and picture naming: Evidence for asymmetric connections between bilingual memory representations. Journal of Memory and Language 33, 149-174. 4.8: Konzeptentwicklungsmodell; Kroll, Judith F. & Stewart, Erika (1994), Category interference in translation and picture naming: Evidence for asymmetric connections between bilingual memory representations. Journal of Memory and Language 33, 149-174. 4.9: Revised hierarchical model; Kroll, Judith F. & Stewart, Erika (1994), Category interference in translation and picture naming: Evidence for asymmetric connections between bilingual memory representations. Journal of Memory and Language 33, 149-174. 369 Abbildungsverzeichnis 4.10: Shared asymmetrical model; Dong, Yanping; Gui, Shichun & MacWhinney, Brian (2005), Shared and separate meanings in the bilingual mental lexicon. Bilingualism: Language and Cognition 8: 3, 233. 4.11: Modiefied hierarchical model; Pavlenko, Aneta (2009), Conceptual representation in the bilingual lexicon and second language vocabulary learning. In: Pavlenko, Aneta (Ed.) The Bilingual Mental Lexicon: Interdisciplinary Approaches. Clevedon, UK : Multilingual Matters, 147. 4.12: Der Prozess des Wortschatzerwerbs in drei Phasen; Jiang, Nan (2000), Lexical representation and development in a second language. Applied Linguistics 21, 50 ff.. 4.13: Liste nötiger Einträge von Wörtern im mentalen Lexikon; Nation, I. S. P. (2001), Learning Vocabulary in Another Language. Cambridge: Cambridge University Press, 27. 4.14: Semantisierungshilfen in der L2; Koeppel, Rolf (2010), Deutsch als Fremdsprache-- Spracherwerblich reflektierte Unterrichtspraxis. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 135 f.. 4.15: VisualThesaurus; http: / / www.visualthesaurus.com/ . 4.16a: Einstiegsseite mit der »Landkarte« aller Szenarien und Screenshot aus dem Szenario zu Hause zum Thema mein Tag; Grenzenlos CD - ROM s. BMW AG (2003), Grenzenlos. Ein neues Programm zum Deutschlernen auf der Basis von interkulturellem Erfahrungsaustausch für Kinder auf der ganzen Welt über CD - ROM und Internet. München. 4.16b: Screenshot aus dem Szenario zu Hause zum Thema mein Tag; Grenzenlos CD - ROM s. BMW AG (2003), Grenzenlos. Ein neues Programm zum Deutschlernen auf der Basis von interkulturellem Erfahrungsaustausch für Kinder auf der ganzen Welt über CD - ROM und Internet. München. 4.17: Die Themen in den Szenarien werden in einem ähnlichen Verfahren bearbeitet: Projektor, Kino und Vokabeltraining; Grenzenlos CD - ROM s. BMW AG (2003), Grenzenlos. Ein neues Programm zum Deutschlernen auf der Basis von interkulturellem Erfahrungsaustausch für Kinder auf der ganzen Welt über CD - ROM und Internet. München. 5.1: Illustration des Leseprozesses als eine Kombination von aufsteigenden und absteigenden Verarbeitungsprozessen; nach Bildungsserver Berlin-Brandenburg 2017: bildungsserver.berlinbrandenburg.de / themen / sprachbildung / lesecurriculum / lesen-grundlagen / lesecurriculumkonstruktion. 5.2: Mit der Anwendung Wordle erstellte Wörterwolke zum Text Gramm für Gramm; http: / / www. wordle.net/ , www.jugendpressedienst.de. 5.3: Abfall der Spurenstärke; Kintsch et al. 1990: 139. 5.4: Lesekompetenz nach der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung 2006; Bremerich-Vos, Albert; Tarelli, Irmela & Valtin, Renate (2012), Das Konzept von Lesekompetenz in IGLU 2011. In: Bos, Wilfried; Tarelli, Irmela; Bremerich-Vos, Albert & Schwippert, Knut (Hrsg.), IGLU 2011. Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann, 73. 5.5: Lesekompetenzstufe VI ; Naumann, Johannes; Artelt, Cordula; Schneider, Wolfgang & Stanat, Petra (2010), Lesekompetenz von PISA 2000 bis PISA 2009 In: Klieme, Eckhard; Artelt, Cordula; Hartig, Johannes; Jude, Nina; Köller, Olaf; Prenzel, Manfred; Schneider, Wolfgang & Stanat, Petra (Hrsg.), PISA 2009. Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster: Waxmann, 28. 5.6: Lesekompetenzstufe Ib; Naumann, Johannes; Artelt, Cordula; Schneider, Wolfgang & Stanat, Petra (2010), Lesekompetenz von PISA 2000 bis PISA 2009 In: Klieme, Eckhard; Artelt, Cordula; Hartig, Johannes; Jude, Nina; Köller, Olaf; Prenzel, Manfred; Schneider, Wolfgang & Stanat, Petra (Hrsg.), PISA 2009. Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster: Waxmann, 28. 5.8: Taborchor; http: / / taborchor.dyndns.org / images / auftritte / 2008-12-07.jpg. 370 Abbildungsverzeichnis 5.9: Beethoven; http: / / gemeinden.erzbistum-koeln.de / export / sites / gemeinden / stifts-chor-bonn/ _ galerien/ -bilder / Plakate / Plakat-20 061 022.jpg. 5.10: Sacra Musica; https: / / encrypted-tbn2.gstatic.com. 5.11: Amy Winehouse; https: / / www.stern.de / lifestyle / leute / zweite-untersuchung-alkohol-tod-vonamy-winehouse-bestaetigt-1 951 723.html. 5.12: Akademische Textsorten; Foschi Albert, Marina (2009), Schreibpraxen im Germanistikstudium an den deutschen, französischen und italienischen Universitäten nach Bologna: ein Ausblick. In: Dalmas, Martine; Foschi Albert, Marina & Neuland, Eva (Hrsg.), Wissenschaftliche Textsorten im Germanistikstudium deutsch-italienisch-französisch kontrastiv. Trilaterales Forschungsprojekt in der Villa Vigoni (2007-2008), Villa Vigoni, 121. 5.13 a, b, d: Hypertextstrukturen nach Lackerbauer, Ingo (2003), Handbuch für Online-Texter und Online-Redakteure. Berlin: Springer. 5.13 c: Hypertextstrukturen; Tung, Lai-Lai; Debreceny, Roger; Chan, Ying-Git; Chan, Aaron T.-L- & Le, Stephen E.-B. (2003), Interacting with hypertext: An experimental investigation of navigation tools. Electronic Commerce Research and Applications 2, 70. 5.14: Prozessmodell des Lesens von Hypertexten; DeStefano, Diana & LeFevre, Jo-Anne (2007), Cognitive load in hypertext reading: A review. Computers in Human Behavior 23: 3, 1619. 5.15: Anfangsabsatz mit vermehrten Hypertextknoten; Antonenko, Pavlo & Niederhauser, Dale (2010), The influence of leads on cognitive load and learning in a hypertext-assisted learning environment. Computers in Human Behavior 26: 2, 144. 5.16: Beispiel für eine visuelle Hervorhebung des Menüs innerhalb des Artikels einer Website; https: / / en.wikipedia.org / wiki / Hypertext_fiction. 5.17: Hypertext »Zwei Tote«; Deutsch-Uni Online. 5.18: Navigationsoberfläche zu verschiedenen Hypertexten; Deutsch-Uni Online. 5.19: Hyptertext »Eurokrise«; Suñer Muñoz, Ferran & Springer, Matthias (2012), Geschichte und Hypertexte im interkulturellen Fremdsprachenunterricht. In: Roche, Jörg (Hrsg.), LIFE . 5. Ergänzungslieferung der LIFE -Materialien. München: BMW Group. 6.1: dual route cascaded model; Coltheart, Max; Rastle, Kathleen; Perry, Conrad; Langdon, Robyn & Ziegler, Johannes (2001), DRC : a dual route cascaded model of visual word recognition and reading aloud. Psychological Review 108: 1, 213. 6.2: Graphem-Phonem Korrespondenzen in verschiedenen Sprachen; Perfetti, Charles A. & Dunlap, Susan (2008), Learning to read: General principles and writing system variations. In: Koda, Keiko & Zehler, Annette M. (Eds.), Learning to Read Across Languages. Mahwah, NJ : Erlbaum, 18. 6.3 a, b, c, d, e: Integriertes Konzept zum Leseerwerb in der Fremdsprache; Pracht, Henrike (2012), Schemabasierte Basisalphabetisierung im Deutschen. Ein Praxisbuch für Lehrkräfte. Münster et al.: Waxmann, 22 ff.. 6.4: Argumentation; Jiang, Xiangying & Grabe, William (2007), Graphic organizers in reading instruction: Research findings and issues. Reading in a Foreign Language 19: 1, 45. 6.5: Zeitliche Sequenz oder Prozess; Jiang, Xiangying & Grabe, William (2007), Graphic organizers in reading instruction: Research findings and issues. Reading in a Foreign Language 19: 1, 44. 6.6: Klassifizierung; Jiang, Xiangying & Grabe, William (2007), Graphic organizers in reading instruction: Research findings and issues. Reading in a Foreign Language 19: 1, 45. 6.7: Hierarchische graphische Übersicht nach dem Kriterium der Klassifizierung; Puntambekar, Sadhana; Stylianou, Agnes & Hübscher, Roland (2003), Improving navigation and learning in hypertext environments with navigable concept maps. Human-Computer Interaction 18, 42. 371 Abbildungsverzeichnis 6.8: Netzwerkartige graphische Übersicht ohne erkennbares Zentrum; Puntambekar, Sadhana; Stylianou, Agnes & Hübscher, Roland (2003), Improving navigation and learning in hypertext environments with navigable concept maps. Human-Computer Interaction 18, 42. 6.9: Komponenten des Metagedächtnisses; Eigene Abbildung. 6.10: Exekutiver Kontrollaspekt der Metakognition-- Fallbeispiel Lesen; Eigene Abbildung. 6.11: Zusammenspiel von metakognitiven und kognitiven Strategien und Lerntechniken; Eigene Abbildung. 6.12: Metakognitives Modell der guten Informationsverarbeitung; Borkowski, John G. & Thorpe, Pamela K. (1994), Self-regulation and motivation: A life-span perspective on underachievment. In: Schunk, Dale H. & Zimmermann, Barry J. (Eds.), Self-Regualtion of Learning and Performance. Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates, 54. Borkowski, John G. (1996), Metacognition: Theory or chapter heading? Learning and Individual Differences 8: 4, 399. 7.1: Modell des Gedächtnisses; Baddeley, Alan D. (2000), The episodic buffer: A new component of working memory? Trends in Cognitive Sciences 4, 421. 7.2: Behaltensleistung und Anzahl korrekter Erinnerungen in Bezug auf die Position in der Präsentation; Hoffmann, Joachim & Engelkamp, Johannes (2013), Lern- und Gedächtnispsychologie. Heidelberg: Springer, 148. 7.3: Kognitive Theorie des multimedialen Lernens; Mayer, Richard E. (2005b), Principles for managing essential processing in multimedia learning: segmenting, pertaining, and modality principles. In: R. E. Mayer (Ed.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge: Cambridge University Press, 37. 7.4: Integriertes Modell der Text- und Bildverarbeitung; Schnotz, Wolfgang (2005), An integrated model of text and picture Comprehension. In: Mayer, Richard E. (Ed.), The Cambridge handbook of multimedia learning. Cambridge: Cambridge Univ. Press, 57. 7.5: Grammatikanimationen zu Wechselpräpositionen; Scheller, Julija (2012), Digitale Grammatikvermittlung und interkulturelles Lernen. In: Roche, Jörg (Hrsg.), LIFE . 5. Ergänzungslieferung der LIFE -Materialien. München: BMW Group, 7 f.. 7.6: Screenshot aus den Grammatikanimationen zum Modalverb dürfen in deontischer Lesart; Roche, Jörg & Suñer Muñoz, Ferran (2014), Kognition und Grammatik: Ein kognitionswissenschaftlicher Ansatz zur Grammatikvermittlung am Beispiel der Grammatikanimationen. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 19: 2, 134. 7.7: Screenshots aus den Grammatikanimationen zu den Modalverben müssen und sollen in deontischer Lesart; Roche, Jörg & Suñer Muñoz, Ferran (2014), Kognition und Grammatik: Ein kognitionswissenschaftlicher Ansatz zur Grammatikvermittlung am Beispiel der Grammatikanimationen. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 19: 2, 135. 7.8: Screenshots aus den Grammatikanimationen zum Thema Genus Verbi; Roche, Jörg & Suñer Muñoz, Ferran (2014), Kognition und Grammatik: Ein kognitionswissenschaftlicher Ansatz zur Grammatikvermittlung am Beispiel der Grammatikanimationen. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 19: 2, 134. 7.9: Screenshots aus den Grammatikanimationen zum Thema Genus Verbi als Beispiel für caused experience; Suñer Muñoz, Ferran & Arnett (under review), Applying cognitive grammar and sociocultural theory to teaching the passive voice in German. 7.10: Anwendung der grammatischen Metapher des Scheinwerfers durch Lerner und Lernerinnen zur Erklärung semantischer Unterschiede zwischen Aktiv und Passiv; Suñer Muñoz, Ferran & Arnett (under review), Applying cognitive grammar and sociocultural theory to teaching the passive voice in German. 8.1: Ebenen der kognitiven Didaktik; Eigene Abbildung. 8.2: Das Verb können; Kanaplianik, Katsiaryna (2016), Kognitionslinguistische Animationen für die deutschen Modalverben. Zusammenspiel der kognitiven Linguistik und des multimedialen Lernens bei der Sprachvermittlung. Berlin & Münster: Lit, 100. 8.3: Das Verb können (Fähigkeit); Screenshot der Grammatikanimation aus der Studie von Kanaplianik 2016. 8.4: Das Verb wollen; Screenshot der Grammatikanimation aus der Studie von Kanaplianik 2016. 8.5: Entscheidungsstrategie zur Wahl des Modalverbs; Kanaplianik, Katsiaryna (2016), Kognitionslinguistische Animationen für die deutschen Modalverben. Zusammenspiel der kognitiven Linguistik und des multimedialen Lernens bei der Sprachvermittlung. Berlin & Münster: Lit, 179. 373 Sachregister Sachregister Agonisten 90 Akkomodation 260 Aktionskette 94 animiert 285 Antagonisten 90 antagonistische Restitution 36 Aphasie 35 Arbeitsgedächtnis 259 Archetypen 295 Assimilation 260 attribute-matching-Prinzip 67 audiolinguale Methode 104 autonome Modelle 130 autonom-parallel 130 autonom-seriell 130 BBasis und Profil 83 Bildschemata 56, 58 bottom-up 169 Broca-Areal 33 Ccaused-motion-Konstruktion 99 Chunk 115 cognitive commitment 23 Computertomographie (CT) 39 conceptual fluency theory 319 conceptual metaphor theory 22 control-of-processing principle 276 DDechunkings 115 deiktisch 70 deiktische Relation 74 deontisch 318 differentielle Restitution 35 Differenz 310 Eego-aligned 71 ego-opposed 71 Elaborationsstrategien 233 elektrische Stimulation des Gehirns (EBS) 49 Elektroenzephalographie (EEG) 43 embodied 116 embodiment 102 entrenched 69 epistemisch 318 Ereigniszeit 73 exekutive Kontrolle 240 expert reversal effect 274 extraneous cognitive load 265 extrinsische kognitive Belastung 265 FFertigkeitengedächtnis 241 Figur-Grund-Prinzip 85 Formulator 122 Fossilisierung 151 Frequenzeffekt 136 funktionelle Bildgebung 43 funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) 47 GGebrauchsbasiertheit 295, 306 Gebrauchsbasiertheit der Sprache 23 generative learning principle 297 germane cognitive load 265 Grammatikanimationen 281 grammatische Metapher 282 Graphem-Phonem-Korrespondenz 214 graphische Übersichten 236 Grenzüberschreitung 285 HHolophrasen 114 hybride Metapher 61 Hypertext 193 IIdiom 114 Inchoativität 72 inferentielles Leseverstehen 186 Inferenzen 230 informative Funktion 183 innere Sprache 69 integrierte Metapher 61 integrierte Schriftdidaktik 223 Interaktive Modelle 130 interaktiv-parallel 130 interaktiv-seriell 130 internal speech 125 intransitive-motion-Konstruktionen 117 intrinsic cognitive load 265 374 Sachregister intrinsisch 74 intrinsische kognitive Belastung 265 inzidentelles Lernen 153 Iterativität 72 KKognate 141 kognitive Fertigkeiten 241 kognitive Grammatik 22 kognitive Semantik 22 kognitive Sprachdidaktik 28 kognitive Strategien 242 kognitive Theorie des multimedialen Lernens 272 Kohärenz 168 Kollokationen 114 kommunikative Strategien 156 konstruktionelle Schablonen 107 Konstruktionsgrammatik 22, 97 kontextuelle Referenz 74 Kontiguitätsprinzip 277 konventionalisiert 69 Konzeptualisator 123 Konzeptualisierung 82 konzeptuelle Desorientierung 202 konzeptuelle Kompetenz 304 konzeptuelle Metapher 56, 101 konzeptuelle Metapherntheorie 56 Kraft-Dynamik 90 LLakunen 319 Lakunenfunktion 319 Lateralisation 33 Lemma 138 lernbezogene kognitive Belastung 265 Lernen 116 Lernstrategie 241 Lerntechniken 242 Lesekompetenz 177 Leseverstehen 183 Lexem 138 linguistische Metapher 56 Lokalisierung 110 MMagnetenzephalographie (MEG) 46 Magnetresonanztomographie (MRT, MRI) 41 Makrostruktur 228 mentale Repräsentation 59 mentales Lexikon 134 mentales Modell 175 mentale Textrepräsentation 172 metakognitive Strategie 242, 244 metakognitives Wissen 235 Metapher 69 Metaphorisch 110, 111 Mikrostruktur 228 Monitor 125 morphologische Bewusstheit 216 Multimediaprinzip 274 multimodale Metapher 60 NNeuroimaging-Studie 39 Nicht-Kompositionalität 99 Non-Wörter 137 noticing hypothesis 107 OOrganisationsstrategie 233 organisatorischer Verweis 194 Origo 71 orthographische Distanz 216 overt speech 125 Pparallele Restitution 35 Parser 126 Perspektivierung 82 phonologische Bewusstheit 216 phonologisches Rekodieren 215 Phrasem 114 Phrenologie 30 piktorial 60 Polysemie 26 Position 110 Positronen-Emissions-Tomographie (PET) 47 Präsentationsmodus 285 Primacy-Effekt 260 Priming 135 process prompts 252 Proposition 174 Prototyp 106 Prototypeneffekt 24 R 375 Sachregister Reaktivierungsfunktion 319 Recency-Effekt 260 Redundanzprinzip 274 referentieller Link 194 Referenzzeit 73 Regulation 240 Rekonzeptualisierung 131 Relevanzprinzip 274 SSackgassen-Effekt 130 Salienz 82, 83 Scaffold 252 Selektive Restitution 35 self-pacing-Prinzip 284 Semantisierungshilfe 160 sensu-motorisches Merkmal 296 signaling-Prinzip 274 split attention effect 277 Sprechzeit 73 statisch 285 strategy-based-instruction-model 251 strukturelle Bildgebung 39 strukturelle Desorientierung 204 sukzessive Restitution 35 Superstruktur 233 T Temporalität 69 Textbasis 174 Textmuster 183 Textoberfläche 173 Textsorte 182, 183 Textsortennetz 182 Theorie der Dualen Kodierung 263 Theorie der kognitiven Belastung 264 tip of the tongue (TOT) 136 top-down 169 Topik-Fokus-Struktur 121 Transferdifferenz 294, 299 Treatment 287 UÜbersetzungsäquivalent 151 Untersuchungsdesign 287 usage-based approach 23 VVererbungsbeziehung 106 WWechselpräposition 101 Wernicke-Areal 33 Wiederholungsstrategie 233 Wörternetz 160 Wortform mit festem Wortschnitt 226 Wortform mit Schwa-Vorsilbe 225 Wortüberlegenheitseffekt 212 Trotz vieler Bemühungen um Kompetenz-, Aufgaben- und Handlungsorientierung kommen in der Praxis der Sprachvermittlung weiterhin verbreitet traditionelle Verfahren zur Anwendung, deren Wirksamkeit weder durch empirische Forschung noch durch die Unterrichtspraxis bestätigt worden sind. Mit der Weiterentwicklung der kognitiven Linguistik und weiterer kognitiv ausgerichteter Nachbardisziplinen beginnt sich auch in der Sprachvermittlung in vieler Hinsicht ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Die kognitionslinguistischen Grundlagen dieses Paradigmenwechsels und verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für den Sprachenerwerb werden in diesem Band systematisiert und im Kontext einer neuen, wegweisenden kognitiven Fremdsprachendidaktik illustriert. Diese Didaktik verbindet Sprache, (Inter-)Kultur, Kommunikation und Medien in innovativer, transparenter und nachhaltig wirkender Weise. 1 1 DaF/ DaZ 1 Kompendium DaF/ DaZ ISBN 978-3-8233-6931-8 Roche / Suñer Sprachenlernen und Kognition Jörg Roche / Ferran Suñer Sprachenlernen und Kognition Kompendium DaF/ DaZ Grundlagen einer kognitiven Sprachendidaktik